Fremd und rechtlos?: Zugehörigkeitsrechte Fremder von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch 9783412217730, 9783412223847

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Fremd und rechtlos?: Zugehörigkeitsrechte Fremder von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch
 9783412217730, 9783412223847

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FREMD UND RECHTLOS? Z ug e hör igk e i tsr e ch t e Fr e m de r von de r A n t i k e bis z u r G e g e n wa rt E i n H a n dbuch

Herausgegeben von Altay Coşkun und Lutz Raphael

2014 Böh l au V e r l ag    Köl n  ·  W e i m a r  ·   W i e n

Die Publikation ist im Sonderforschungsbereich 600 „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“ der Universität Trier entstanden. Der Band wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Oben: Ägyptisch, Neues Reich, 18. Dynastie, Zeit Amenophis’ III. (1388–1351/50 v. u. Z.). Fremde beim Kniefall vor dem Thron des Königs. Wandmalerei. Luxor-Theben, Gräber der Vornehmen. © akg-images / Erich Lessing Unten: Auszug aus Ägypten, Illustration aus einer Pessach Haggada, Kastilien um 1300, © British Library, Or 2737, fol. 83(V)

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Meinrad Böhl, Leipzig Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22384-7

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INH A LT Dank 7

Altay Coşkun, Lutz R aph a el Inklusion und Exklusion von Fremden und die Relevanz von Recht und Politik – Eine Einführung  9

Fr ancis Br eyer Assimilation und Alterität: Fremde in den Frühen Hochkulturen Ägyptens und Vorderasiens 57

Altay Coşkun Griechische Polis und Römisches Reich: Die politische und rechtliche Stellung Fremder in der Antike  85

Oliver Schipp Römer und Barbaren: Fremde in der Spätantike und im Frühmittelalter  121

Chr istoph Cluse Kommunale Zugehörigkeiten und vielfältige Privilegien: die Rechte Fremder im Hoch- und Spätmittelalter  153

David Engels Von der arabischen Eroberung zur religiösen und rechtlichen Inklusion der Untertanen: die Rechtsstellung von Fremden in der islamischen Welt (7.–15. Jh.) 193

M ar kus Koller Herrschaftliche Ordnung im Zeichen von Expansion und religiöser Vielfalt: ­Fremde im Osmanischen Reich  217

Simon K arstens Ständeordnung und Territorialstaat: die Rechte Fremder in der Frühen ­Neuzeit  241

Dominik Nagl Unterordnung und Trennung: die rechtliche Stellung von Europäern und ­Indigenen in den europäischen Kolonialreichen  269

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Be ate Alth a mmer Verfassungsstaat und bürgerliches Recht: die Stellung von Fremden im Europa des langen 19. Jahrhunderts (1789–1914)  301

Jenn y Pleinen Demokratie, Nationalstaat und europäische Einigung: die politische und rechtliche Stellung von Fremden im Zeitalter der Extreme  331

Abkür zungsver zeichnis 359 Liter aturver zeichnis 361 Autor en ver zeichnis 411 Personen ver zeichnis 417 Sachr egister 421 Geogr aphische Schl agworte  429



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DA NK Diese Publikation wäre ohne die Mitarbeit und Hilfe vieler nicht zustande gekommen. Entstanden ist dieses Handbuch seit 2009 als ein Teilprojekt des Trierer Sonderforschungsbereiches 600 „Fremdheit und Armut. Modi der Inklusion/Exklusion von der Antike bis zur Gegenwart“. Es ist eines der Syntheseprojekte, mit denen dieser SFB wichtige Aspekte seiner Forschungen einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit in verdichteter Form zur Verfügung stellen will. Dank der Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnte das Vorhaben von einer bloßen Idee zu ­einem Buchkonzept weiterentwickelt werden. Das hat insgesamt mehr als fünf Jahre Zeit in Anspruch genommen. Ohne eine sichere Finanzierung, aber auch eine stabile interdisziplinäre Kooperation verschiedener Fächer im Rahmen eines größeren Forschungsverbundes wäre das nicht zu schaffen gewesen. Die bewilligten Fördermittel haben die vielen Workshops, Gastaufenthalte beteiligter Wissenschaftler anderer Universitäten und die zahlreichen Redaktionskonferenzen möglich gemacht, welche den Weg von der Idee bis zur Realisierung leichter gemacht haben. Den Gutachtern der DFG sei nochmals für Ihr Vertrauen in die Machbarkeit dieses Projekts gedankt. Die Leitung des SFB 600, voran sein Sprecher Herbert Uerlings und seine Geschäftsführerin Gisela Minn, haben das Redaktionsteam und die Herausgeber immer wieder großzügig unterstützt, wenn wir um finanzielle Hilfe baten, auch als das Gesamtprojekt längst offiziell beendet war. Dafür sagen wir Danke schön! In den letzten fünf Jahren haben wir Rat und Expertise von vielen Kolleginnen und Kollegen erhalten. Wir danken dafür Dr. Karljürgen Feuerherm (Wilfrid Lau­rier University Waterloo ON), Dr. Andreas Goltz (Universität Mainz), unserem verstorbenen Kollegen Prof. em. Dr. Heinz Heinen (Universität Trier, Professur für Alte Geschichte, Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur), Prof. em. Dr. Franz Irsigler (Universität Trier), Dr. Katalin Jarosi-Müller (Gastwissenschaftlerin im SFB 600), Dr. Markus Kaiser (SFB 600), Dr. Grzegorz Maria Kowalski (Jagiellonian University Krakau), Dr. Markus Linden (SFB 600), Dr. Jan Lencznarowicz (Jagiellonian University Krakau), Dr. Martina Minas-Nerpel (University of Wales Swansea), Prof. Dr. Veit Rosenberger (Universität Erfurt), Prof. Dr. Thomas Rüfner (Universität Trier), Prof. Dr. Schnabel-Schüle (Universität Trier), Prof. Dr. Michael Schönhuth (Universität Trier), Prof. Dr. Wolfgang Spickermann (Universität Graz), Prof. Dr. Katharina Waldner (Max-Weber-Kolleg Universität Erfurt), Torben Stretz, M. A. (SFB 600), Prof. Dr. Adam Walaszek (Jagiellonian University Krakau) und Andreas Weber, M. A. (SFB 600). Im Laufe der Projektdiskussionen hat sich eine Gruppe von Autorinnen und ­Autoren gefunden, die bereit waren, das Risiko einzugehen, mit dem Frageraster unseres Handbuchprojekts die vielfach disparaten, immer aber komplexen Befunde der

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Dank

S­ pezialforschung für ihre jeweiligen Epochen und Untersuchungsräume kritisch zu sichten und auf dieser Grundlage eine konzise Darstellung der politisch-rechtlichen Situation Fremder zu schreiben. Dabei war uns von vornherein klar, dass wir dabei auf die Mitarbeit externer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angewiesen sein würden. Wir Herausgeber danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Bereitschaft, sich auf die Zwänge und Mühen einzulassen, die ein solches Handbuch darstellt! Aus dem Kreis des Trierer SFB 600 gilt unser diesbezügliche Dank Dr. Beate Althammer, Dr. Simon Karstens, Dr. Christoph Cluse und Dr. Jenny Pleinen. Als externe Beiträger sind dazugekommen Dr. Francis Breyer (Universitäten Basel und Bonn), Prof. Dr. David Engels (Université libre de Bruxelles), Prof. Dr. Markus Koller (Universität Bochum), Dr. Dominik Nagl (Universität Mannheim) und Dr. Oliver Schipp (Mainz). Auch ihnen ­sagen wir an dieser Stelle noch einmal vielen Dank! Schließlich haben zahlreiche studentische Mitarbeiter den Weg vom Textentwurf zum druckfertigen Manuskript sicherer gemacht, für den Aufbau der Literaturdatenbank und des übergreifenden Literaturverzeichnisses dieses Handbuches gesorgt. Ohne sie wäre dieses Projekt jederzeit ein Torso geblieben. Unser Dank gilt Claudia Baum, ­Julia Marx, Ksenia Stähle, Moritz Riesinger und Nils Römpke. Die drei zuletzt Genannten haben uns dann am Schluss mit Ausdauer, Akribie und Einsatz auch noch bei der Erstellung des Registers geholfen. Ganz besonders danken wir Lucas Dembinsky, der auf der Zielgeraden des Projekts unbeirrt alle Fäden zusammengehalten hat. Danken möchten wir last but not least dem Böhlau Verlag und ganz besonders unserer Lektorin Dorothee Rheker-Wunsch, die immer an dieses Projekt geglaubt hat und mit Umsicht und Kompetenz dafür gesorgt hat, dass aus unserer Idee dieses Buch geworden ist. Für ihr aufmerksames Lektorat beim abschließenden Weg des Manuskripts zum Buch danken wir Frau Julia Beenken und Herrn Meinrad Böhl. Altay Coşkun

Lutz Raphael

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INK LUSION U ND E X K LUSION VON FR EMDEN U ND DIE R ELEVA NZ VON R ECHT U ND POLITIK – EINE EINFÜHRU NG ALTAY COŞKUN, LUTZ RAPHAEL

1. Wahr nehmungen, Er fahrungen und die politisch-r echtliche Dimension von Fr emdheit 1.1 Fr emdheit im ver r echtlichten R aum Etwas vereinfacht ausgedrückt erscheinen Fremde in den Augen von Nichtfremden entweder als wertgeschätzte, ‚gewollte‘ Fremde oder aber als bedrohliche, ‚nicht gewollte‘ Fremde. Es ist eine Grundannahme dieses Buches, dass entsprechende Bewertungen durch Herrscher oder die in einer politischen Gemeinschaft vorherrschenden Gruppe früher oder später ihren Ausdruck auch in der rechtlichen Ausgestaltung von Fremdheit finden: Anreize zu gewünschtem Verhalten von Fremden oder von mit ihnen interagierenden Einheimischen, Verbote oder Beschränkungen unerwünschter Handlungsweisen sowie Gewährung bzw. Entzug von Schutz- und Freiheitsrechten spiegeln im Idealfall entsprechende positive oder negative Grundhaltungen wider. Und die in konkreten historischen Situationen zumeist komplexeren Bestimmungen lassen sich analog als Ergebnisse politisch ausgehandelter Kompromisse und gegebenenfalls weiterer Nachjustierungen lesen. Eine solch banalisierende Einteilung mag Widerspruch hervorrufen, scheint doch wenigstens mit der ‚Indifferenz‘ gegenüber Fremden eine dritte wichtige Kategorie zu fehlen.1 Allerdings kann auf diese Unterscheidung für eine erste Annäherung an die Rechtsstellung von Fremden verzichtet werden. Denn erstens unterliegen Fremde einer verstärkten Aufmerksamkeit, welche fast reflexartig Gefahren wittert oder auszuschließen sucht, potenziellen Nutzen und Schaden gegeneinander abzuwägen bestrebt ist oder auch im Rahmen einer religiösen, weltanschaulichen oder ökonomischen Überzeugung einen positiven oder negativen Wert in der Anwesenheit von Fremden bzw. im rechten Umgang mit ihnen zu erkennen glaubt. Indifferenz seitens Individuen gegenüber Fremden kann erst da eintreten, wo wenigstens die Annahme vorliegt, dass 1

Deren große Bedeutung für die Inklusion von Individuen in die gesellschaftlichen Funktionssysteme wird zu Recht von R. Stichweh hervorgehoben (und ein Kennzeichen der globalen Weltgesellschaft ist ja gerade die partielle Fremdheit aller Individuen selbst in ihrer Heimat). Vgl. Stichweh 1997.

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kein besonderer Anlass zu negativen Urteilen besteht, da ansonsten fast reflexartig defensives oder aggressives Verhalten die Folge wäre. Indifferenz gegenüber Fremden will noch weniger auf der Ebene der Gesellschaft als ganzer einleuchten. Denn schon seit rund fünf Jahrtausenden lassen sich allgemeine Normen und speziellere Gesetze fassen, welche den Handlungsspielraum einerseits von Fremden und andererseits der eigenen ­Angehörigen gegenüber Fremden in zahlreichen Lebensbereichen regeln. Diese Ansicht steht freilich in einem Spannungsverhältnis zu zwei verbreiteten Theorien archaischer Gesellschaften: zum einen der ‚Rechtsfreiheit‘ bzw. ‚Rechtlosigkeit‘ von Fremden, zum anderen der sog. ‚natürlichen Feindschaft‘ gegenüber Fremden, solange sie nicht in ein Vertragsverhältnis eingebunden sind. Beide Sichtweisen sind vor a­ llem im Rahmen der Rezeption des römischen Rechts entwickelt worden, sodass der rechte Ort für ihre Widerlegung das Kapitel zur klassischen Antike ist.2 Hier sei allerdings vorweggenommen, dass nicht einmal römische Juristen eine belastbare Grund­lage für die Gültigkeit der natürlichen Feindschaft anführen. Ebenso ist zu betonen, dass in vormodernen Zeiten vielfach personal formuliertes Recht – wie etwa die germanischen Stammesrechte – nicht automatisch dazu geführt hat, dass Nichtteilhabe an der Rechtsgemeinschaft des herrschenden Volkes automatisch zur Rechtlosigkeit geführt hätte. Schon die frühesten verfügbaren Quellen – sei es zum Recht des Alten Ägyptens, des klassischen Athen oder der frühmittelalterlichen germanischen Königtümer – stufen Fremde, sofern sie nicht ausdrücklich als Sklaven oder Feinde betrachtet werden, immer als Rechtspersonen ein. Personale und territoriale Prinzipien wurden also schon Jahrtausende vor der Schaffung von Staatsterritorien in der Frühen Neuzeit zu einem gewissen Ausgleich gebracht. Von den Extrempositionen der prinzipiellen Rechtlosigkeit oder Feindschaft zu unterscheiden ist die Andersbehandlung von Fremden im Recht und in der Politik. Die ­systematische Beschreibung einer solchen politisch-rechtlichen Andersstellung in den historischen Großräumen des mediterranen und europäischen Raumes ist Anliegen dieses Buches. Es will einen Überblick über die rechtlichen Normen und politischen Handlungsweisen einzelner Epochen im Umgang mit Fremden geben und zugleich auch Entwicklungslinien nachzeichnen sowie die Faktoren beleuchten, die zur Ausprägung oder Veränderung der jeweiligen inklusiven und exklusiven Rechtsstrukturen und Handlungsroutinen geführt haben. Gern wird von ‚Diskriminierung‘ gesprochen, wenn es um die Absonderung und Abstufung von Rechten Einzelner oder von Gruppen geht. In historischer Perspek­tive ist der Begriff jedoch mit Vorsicht zu verwenden, da er schnell zu anachronistischen Wertungen führen kann, denn die Unterschiedlichkeit der Rangstellung von Personen und somit auch der ihnen zukommenden Rechte und Pflichten ist der Normalfall, der relativ selten grundsätzliche Kritik durch Zeitgenossen erfuhr. Die moralisierende Konnotation von ‚Diskriminierung‘ ist also nur dann angemessen, wenn entweder 2 Siehe Kapitel 3, Abschnitt 1. Vgl. auch die über die Antike hinausgehende Diskussion von Grziwotz 1995 (mit weiterer Literatur).

Eine Einführung

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die Ungleichbehandlung gegen geltendes Recht verstößt oder aber ein Fremde benach­ teiligendes Gesetz erlassen wird, welches im Gegensatz zu bestehenden und weiterhin verbindlichen Rechtsnormen steht. Von Rechtlosigkeit oder Diskriminierung ist die subjektive Wahrnehmung von Entrechtung zu unterscheiden. Im folgenden Abschnitt werden einige aktuelle Beispiele für entsprechende ‚Grenz‘-Erfahrungen von Fremden ausgeführt, um zu illustrieren, dass selbst an solchen ‚Grenz‘-Fällen sich die These bewahrheitet, dass auch Fremde sich in rechtlich strukturierten Räumen bewegen und bewegten.

1.2 ‚Gr enz‘-Er fahrungen, Gr enzr egime und pr ek är e Fr emdheit Die prekäre Lage ‚ungewollter‘ Fremder in Europa wurde Ende 2013 sehr ergreifend durch die Schicksale der Boatpeople vor und auf der Insel Lampedusa verdeutlicht. War das ­zwischen Sizilien und Tunesien gelegene italienische Eiland lange Zeit Inbegriff eines mediterranen Ferienparadieses, hat sich sein Ruf angesichts der seit 2003 stetig ansteigenden Ströme von Flüchtlingen gewandelt: Teils durch Hoffnung, teils durch Verzweiflung getrieben, nahmen und nehmen diese Menschen oft lebensgefährliche Bedingungen auf sich, um von Nordafrika aus in kleinen Booten oder überladenen Schlepperkähnen über die offene See in die Europäische Union zu gelangen. Schon gegen Ende des letzten Jahrzehnts wurde in europäischen Medien vermehrt über humanitäre Missstände in den ­völlig überfüllten Auffanglagern berichtet, ohne dass sich die Europäische Union oder ihre ­nationalstaatlichen Regierungen dazu genötigt gesehen hätten, effektive Änderungen herbeizuführen. Mit Beginn des sog. Arabischen Frühlings im Winter 2010/11 erreichte das Ausmaß der Flüchtlingswelle ganz neue Dimensionen: Innere Unruhen und zusammenbrechende Staatlichkeit zunächst in Tunesien und Ägypten, alsbald Bürgerkriege in Li­ byen und Syrien ließen und lassen die Migrationsströme nicht abreißen. Am 16. Dezember 2013 wurde erstmals im italienischen Fernsehen ein heimlich gedrehtes Video ausgestrahlt, das die herabwürdigende Behandlung der Flüchtlinge auf Lampedusa – zum Teil Überlebende des Schiffbruchs vom 3. Oktober – drastisch vor ­Augen führte: Männer und Frauen wurden genötigt, sich zu entkleiden, um wie Vieh mit einem Schlauch abgespritzt und desinfiziert zu werden. Eine Welle der Empörung zog weltweit durch die Medien, in denen unmittelbar Vergleiche mit Praktiken aus Konzentrationslagern gezogen wurden. Die Auffanglager von Lampedusa wurden binnen weniger Tage aufgelöst.3 3 Vgl. z. B. den Artikel vom 04.10.2013 auf Süddeutsche.de: „So rüstet sich die Festung Europa“, URL: www.sueddeutsche.de/politik/eu-fluechtlingspolitik-so-ruestet-sich-die-festung-europa-1.1786857 (19.12.2013); sowie auf RAI News den Beitrag vom 16.12.2013: „Lampedusa, il centro accoglienza come un lager“, URL: http://www.rainews.it/dl/rainews/ricerca.html?q=La mpedusa%2C+il+centro+accoglienza+come+un+lager (19.12.13).

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Das nächste Beispiel führt uns nach Griechenland. Auch in der deutschen Presse hat man in den letzten Monaten wiederholt von der sog. ‚Goldenen Morgenröte‘ gehört, einer rechtsextremistischen Partei, die im demokratisch gewählten Parlament in Athen vertreten ist und in derselben Stadt Schlägertrupps unterhält, die am helllichten Tag Hetzjagden auf orientalische oder afrikanische Immigranten veranstalten. Wiederholt führten solche Gewalttaten zu Verstümmelung oder Mord. Ganz offensichtlich werden Muslime zum Feindbild stilisiert, ohne dass sich die Täter von religiösen Handlungsmotiven leiten lassen. Einen zusätzlich bitteren Beigeschmack erhält der Fall der ‚Goldenen Morgenröte‘ dadurch, dass die Medien nur beiläufig von deren rassistischen Straftaten berichteten, und zwar erst nachdem dieselbe Partei durch den Mord an ­einem linksgerichteten Politiker und den sich daraus ergebenden innenpolitischen Verwicklungen in das Licht der Öffentlichkeit geraten war.4 Vielleicht ist es kein Zufall, dass derart krasse Beispiele besonders aus solchen Ländern berichtet werden, denen durch ihre neue Funktion als Teile der EU-Außengrenze eine historische Rolle zugewachsen ist, auf welche offenbar weder ihre Regierungen noch ihre Gesellschaften hinreichend vorbereitet sind. Überdies handelt es sich um zwei derjenigen Länder, in denen die Weltfinanzkrise von 2008 und die sich anschließende Wirtschaftskrise zu den größten ökonomischen, sozialen und politischen Verwerfungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges geführt haben. Massenarbeitslosigkeit und das Fehlen von Perspektiven in den eigenen Reihen schaffen offenbar ein Klima, das nicht nur Randgruppen zu extremen Handlungen gegenüber ‚ungewollten‘ Fremden verleitet, sondern auch die Bevölkerung und den Staatsapparat gelegentlich in Trägheit verfallen lässt, wenn aktiver Einsatz zum Schutz der Menschenrechte geboten wäre. Wenigstens zum Teil vergleichbar sind die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen (22.–26. August 1992), die sich – als die gravierendsten ihrer Art im Nachkriegsdeutschland – ebenfalls in einem Umfeld tief greifender wirtschaftlichsozialer Deklassierungen ereigneten. Hier fiel und fällt es schwer zu bewerten, worin sich am deutlichsten der vorübergehende Zusammenbruch der Zivilgesellschaft manifestierte: in den Hunderten Rechtsextremisten, welche die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter in Brand setzten; in den rund 3000 schaulustigen ‚normalen Bürgern‘, welche lautstark applaudierten und die Arbeiten der Polizei und der Rettungskräfte behinderten; im „Totalversagen“ der Polizei, welche die Täter weitgehend gewähren ließ; oder im Justizsystem, das in den Folgejahren keinen einzigen Polizisten und weniger als 20 Täter verurteilt hat (davon nur vier zu effektiven Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren).5 4 „Griechenland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft“, in: Tagesthemen online, 02.01.2014, URL: https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt5188.html (10.03.2014). 5 Vgl. „Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen“, in: Wikipedia, URL: http://de.wikipedia. org/wiki/Ausschreitungen_von_Rostock-Lichtenhagen (10.03.2014).

Eine Einführung

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Die Zahl der Beispiele könnte leicht erweitert werden. Wichtig festzuhalten ist, dass der Eindruck der Rechtlosigkeit aufseiten der Opfer oder ihrer Angehörigen weniger durch die Verbrechen selbst hervorgerufen wurde als durch Untätigkeit, unbegründete Schuldzuweisungen, wenn nicht Komplizenschaft seitens der Repräsentanten der Staatsgewalt. Und trotzdem: All die angeführten Beispiele eint, dass die jeweiligen Gewalttaten ebenso gegen bestehendes Recht verstoßen wie die Versäumnisse seitens der Ordnungskräfte: gegen nationale Gesetze, gegen Gesetze der Europäischen Union und gegen die Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich (nicht allein) die europäischen Nationalstaaten vertraglich verpflichtet haben. Gemeinsam ist den genannten Fällen des Weiteren, dass – wenn auch mit bedauerlichen Verzögerungen oder Nachlässigkeiten – Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz zum Einsatz kamen, gerade weil Rechtsbruch begangen wurde. Allerdings ist hierbei anzumerken, dass das Eingreifen staatlicher Organe bisweilen des durch die nationalen und internationalen Massenmedien erzeugten Drucks bedurfte – ein nicht unwesentlicher Aspekt der gegenwärtigen Rechtswirklichkeit. Eine weitere Parallele in den genannten Beispielen mag man darin erkennen, dass die Medien trotz ihrer (relativen) Pluralität weit überwiegend Partei für die Gewalt erleidenden fremden Opfer ergriffen haben, und keineswegs nur im Ausland, wo Kritik grundsätzlich leichter fällt, sondern auch gerade in den jeweils betroffenen Staaten. Die Stimmen von Zeugen, Vertretern ziviler oder religiöser Organisationen und auch der Journalisten selbst spiegeln in der Regel eine auf Empathie mit leidenden Mitmenschen basierende moralische Empörung wider, die ihrerseits wieder politisches Gewicht erlangen kann – ohne den Grundkonsens der überwiegenden Mehrheit infrage zu stellen, dass wirkungsvolle Maßnahmen zur Regulierungen der Immigration nach Europa ergriffen werden müssen. Demgegenüber spielen rechtliche Kategorien zunächst nur am Rande eine Rolle, so bei Interviews bisweilen mit Politikern, häufiger mit Sprechern der Polizei und Staatsanwaltschaft, während die Gewichtung rechtlicher Aspekte im Zuge der Berichterstattung über die juristische Aufarbeitung freilich stärker gewichtet werden. Dieselben Beispiele illustrieren aber auch in mehrfacher Hinsicht, dass bestehende Rechtsordnungen die Handlungsweisen und Erwartungshaltungen der Fremden sehr weitgehend bestimmen können. Die Boatpeople sind sich – teils aufgrund fehlender Dokumente, teils aufgrund nicht vorhandener Rechtstitel – der Barrieren einer legalen Einreise in die EU voll bewusst, weshalb sie ja auch die Lebensgefahr der offenen See auf sich zu nehmen bereit sind. Bei Ankunft in einem EU-Staat stellen viele Migranten einen Asylantrag, der zwar nur sehr selten Aussicht auf Erfolg hat, aber zumindest die unmittelbare Abschiebung bisweilen um Jahre hinauszögert. Opfer der ‚Goldenen Morgenröte‘ sind vielfach auch deswegen unbekannt, weil sie sich illegal in Griechenland aufhalten. Deswegen könnten eine Meldung bei der Polizei oder ein Hilfegesuch in den Krankenhäusern Haft und Abschiebung zur Folge haben.

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Diese Erfahrungen von Migranten im gegenwärtigen Europa verweisen auf typische Formen hoheitlicher Raumpolitik im Umgang mit unerwünschten Fremden: Die Grenzkontrolle gehört zu ihren klassischen Instrumenten. Die primär aus militärischen Sicherheitsgründen errichteten Grenzbefestigungen, Stadtmauern und Torkontrollen früherer Epochen dienten auch dazu, Fremde vom eigenen Herrschaftsgebiet fernzuhalten bzw. sie zu kontrollieren und ihren Aufenthalt zu regulieren. Die politischen Ziele schwankten. Je nach Lage des Landes oder der Stadt galt es, Mobilität einzudämmen bzw. zu kanalisieren, die soziale bzw. politische Ordnung aufrechtzuerhalten.6 Der ideellen, programmatischen Radikalität einer solchen Raumpolitik gegenüber Fremden bzw. Migranten entsprach nur in Ausnahmefällen eine entsprechend konsequente Praxis der Kontrollen. Aber die Geschichte der Grenzregime – von den Schlagbäumen, Zäunen, Mauern, Grenzpatrouillen bis hin zu Menschenjagden – gehört auch zu den Leitthemen dieses Handbuches: Sie ist die Kehrseite oder Begleiterscheinung der Rechtszuweisungen an Fremde. Zum Grenzregime neuzeitlichen Typs gehört auch die Rückverlagerung der Kontrollen ins eigene Territorium: Eine wesentliche Voraussetzung ist hierfür die eindeutige Identifikation von Personen. Die Existenz sicherer Zeichen wie Brandmarkungen, Ausweisdokumente wie Geleitbriefe, Arbeitsnachweise, Pässe oder Visa, aber auch sichere Stigmata wie die Hautfarbe oder die Kleidung sind wichtige Voraussetzungen für die Durchsetzung solcher ubiquitären bzw. permanenten Kontrollansprüche.7 Es sind im wesentlichen ‚polizeiliche‘ Zugriffe und Einrichtungen zur Identifizierung Betroffener – ‚Fremder‘, ‚Vagabunden‘, kurz: der üblichen Verdächtigen –, die hier wirksam werden und die mit dem letzten Mittel der Abschiebung drohen.8 Mit den Heimen bzw. Lagern von Lichtenhagen und Lampedusa begegnet uns auch noch ein weiteres typisches Merkmal fremdenbezogener Raumpolitik: die erzwungene räumliche Absonderung. Deren idealtypische Erscheinung bleibt das frühneuzeitliche Judengetto. Mit dem Typus des Gettos ist nicht einfach ein durch ethnische Besonderheiten markiertes Viertel gemeint, sondern jener Siedlungs- bzw. Quartiertyp, dessen Muster die venezianische Regelung von 1516 lieferte: die zwangsweise Ansiedlung der Juden in einem geschlossenen, hier von Kanälen umschlossenen Wohnquartier, dessen Zugänge kontrolliert und dessen Bewohner besonderen rechtlichen Auflagen unterworfen waren. Mit Loïc Wacquant sollte man als viertes Merkmal neben Zwang, Einschließung und institutioneller Absonderung auch die Stigmatisierung hinzurechnen.9 Die langfristig exkludierende Wirkung eines solchen Typus von Raum­politik sticht ins Auge und ist nicht zuletzt auch auf die räumliche Verdichtung und Konzentration der vielen Exklusionen zurückzuführen, welche jü6 7 8 9

Schubert 1988; Schnabel-Schüle 1995; Feldman 2011. Bohn 2006; Torpey 2000. Ammerer 2008. Wacquant 2005.

Eine Einführung

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dische Gemeinden bzw. Familien oder Individuen seitens der christlichen Mehrheitsgesellschaft in wachsendem Maße im Spätmittelalter erfahren hatten. Gettoisierung ging insofern einher und war bzw. ist untrennbar verbunden mit einer Intensivierung sowohl der Differenzwahrnehmung gegenüber der eingesperrten Minorität als auch der internen Angleichungsprozesse innerhalb dieser Gruppe. Schließlich ist in typologischer Perspektive als bedeutsam hervorzuheben, dass die zwangsweise Einschließung auch der Eindämmung der ständigen moralischen Gefahr der ‚Verunreinigung‘ dienen sollte – ein Argument, das auch bei den Vertreibungen von Juden und Muslimen aus dem neuzeitlichen Spanien eine prominente Rolle spielte. Die beschriebenen Gegenwartserfahrungen lassen sich also in eine viel längere historische Perspektive rücken, sie generieren Fragen nach Mustern langer Dauer, nach Entwicklungsdynamiken, denen das vorliegende Handbuch nachgehen will. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach den rechtlich-politischen Rahmenbedingungen für das Zusammenleben von ‚Fremden‘ und ‚Einheimischen‘, für Migration und geographische Mobilität. Das Fremden- bzw. Ausländerrecht wird dabei keineswegs nur als Teil eines in sich geschlossenen Funktionssystems des Rechts betrachtet, sondern es wird in seiner Verflechtung mit den Interessen der Machthaber bzw. der vorherrschenden ­Gesellschaftsgruppen untersucht. Wie viele Beispiele dieses Buches untermauern ­werden, vermag es potenziell sogar recht schnell auf demographische, ökonomische, religiöse, wissenschaftliche, kulturelle oder soziale Veränderungen zu reagieren und die Bedingungen für Fremde entsprechend anzupassen.

2. Methodische Grundl agen: analy tische K ategor ien für eine epochenübergr eifende Darstellung von Zugehör igk eitsr echten Dieses Handbuch ist hervorgegangen aus den gemeinsamen Forschungen des Trierer Sonderforschungsbereichs 600 ‚Fremdheit und Armut‘.10 Dort zeichnete sich recht bald das Desiderat ab, einen verlässlichen Überblick über die Rechtsstellung von Fremden zu bekommen, um sichere Grundlagen für vergleichende Forschungen zu gewinnen. Das vorliegende Handbuch hat sich dieser Aufgabe angenommen und verfolgt dementsprechend zunächst ein rein deskriptives Ziel: die rechtlich fixierten Ansprüche und Freiheiten von Fremden gegenüber der jeweils herrschenden Gesellschaft und den Vertretern ihrer Staats- oder Herrschaftsgewalt zu ordnen und zu beschreiben. Ein systema10 Zu den Ergebnissen dieses Forschungsverbundes siehe die Reihe Inklusion/Exklusion, insbesondere der Band: Gestrich u. a. 2008; sowie nun SFB 600: Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart. Abschlussbericht Dritte Förderphase (2009–2012), http://fze.uni-trier.de/sites/default/files/SFB600_Abschlussbericht1. pdf (05.08.2014).

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Altay Coşkun, Lutz Raphael

tisches Vorgehen setzt freilich voraus, die rechtlich ‚fremden‘ Gruppen zunächst einmal terminologisch zu erfassen und von der sog. ‚Referenzgruppe‘, in der Regel den Bürgern oder der unter den Untertanen dominierenden Volksgruppe, zu unterscheiden.

2.1 Die Bestimmung von ‚R efer enz-‘ und ‚Fr emdgruppen‘ Den ersten Schritt auf dem Weg zur Bestimmung der für Fremde geltenden recht­lichen Regelungen stellt die Unterscheidung der für die jeweiligen historischen Räume wichtigsten soziopolitischen Gruppierungen dar, sofern mit ihnen je andere Rechtsstellungen verbunden waren. Den Ausgangspunkt hierfür bildet die Definition einer zeitgenössischen ‚Referenzgruppe‘, welche Anachronismen bei der Bewertung der Rechte möglichst zu vermeiden helfen soll. In modernen Nationalstaaten sind dies die Staatsbürger, in griechischen Poleis oder mittelalterlichen Städten die Stadtbürger (politai, cives, burgenses). Allerdings lässt sich wiederholt feststellen, dass – jenseits der vielfach üblichen Differenzierung nach sozialen Klassen – manche Bürgergruppen gewissen Benachteiligungen unterlagen, so etwa Freigelassene oder Neubürger in Rom, deren aktives und vor allem passives Wahlrecht beschränkt war; Juden, die in manchen mittelalterlichen Städten ein zeitlich befristetes Bürgerrecht vertraglich aushandeln konnten; ‚Passivbürger‘ der Französischen Revolution, welche nach der ursprünglichen Defini­ tion von Emmanuel Sieyès neben Frauen, Kindern und Armen sogar Ausländer umfassten; ‚Naturalisierte‘ des Vereinigten Königreichs, die ihren Status durch längere Auslandsreisen wieder zu verlieren Gefahr liefen; oder aus Algerien stammende français musulmans der Nachkriegszeit, deren Bewegungsfreiheit trotz formaler Rechtsgleichheit stark eingeschränkt werden konnte. Solche Beispiele zeigen, dass letztlich auch der Bürgerstatus rechtliche Fremdheit nicht durchweg zu überwinden hilft. Da der deutsche Bürgerbegriff wie seine griechische und lateinische Entsprechung in der Regel eine politische Teilhabe impliziert, ist er freilich nicht auf jeden historischen Raum übertragbar. Häufig ist vielmehr ein Untertanenverband als Referenzgruppe anzusetzen, wobei es sich – wie etwa oft in den hochmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Königreichen – um die Bevölkerungsmehrheit handeln konnte. Aber zahlreich sind auch die Beispiele, in denen eine ursprünglich landfremde Bevölkerungsminderheit, welche der Herrschaft nahesteht und mit Rechtsprivilegien ausgestattet ist, als Referenzgruppe betrachtet wird: so etwa die in Provinzstädten des Imperium Romanum niedergelassenen cives Romani und Latini; muslimische Araber in den mediterranen Gebieten der frühislamischen Reiche; Muslime im Millet-System der Osmanen; oder auch vielfach die europäischen Siedler in den Kolonien der Neuzeit. Bereits diese einführenden Bemerkungen verdeutlichen hinreichend, dass die Scheidung zwischen kulturell-sprachlicher, religiöser, geographischer und nationaler Fremdheit oft nur bedingt möglich ist und jeder historische Raum seiner eigenen Beschrei-

Eine Einführung

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bung bedarf. Die wenigen aufgeführten Beispiele zeigen zudem, dass bisweilen selbst einheimische, indigene Personenkreise zu den rechtlichen ‚Fremdgruppen‘ gezählt werden können. Gerade im Fall von Herrschaftswechseln sowie in imperialen oder kolonialen Kontexten ist das Phänomen der ‚Fremdheit im eigenen Land‘ weit verbreitet. Mit anderen Worten: ‚Politisch-rechtliche Fremdheit‘ wird in diesem Handbuch übergreifend als Fortschreibung einer politisch-rechtlichen Andersbehandlung verstanden, welche nicht allein durch soziale, alters- oder geschlechtsbedingte Unterschiede verursacht ist, sondern mit irgendeiner Form ethnischer, religiöser oder politisch-militärischer Differenzierung einhergeht.

2.2 K l assifizierung von Einzelr echten Für eine differenzierte Analyse der unterschiedlichen Sachdimensionen, in denen eine rechtliche Andersbehandlung von Fremden Folgen zeitigt, erweist sich eine Herangehensweise als nützlich, welche von der Regelungsbreite des gegenwärtigen Rechts ausgeht. Damit wird für alle Beiträge dieses Handbuches ein Vergleichshorizont geschaffen, vor dem die konkreten, historisch unterschiedlichen Rechtsverhältnisse anschaulich hinsichtlich ihrer praktischen Bedeutung für das Alltagsleben, aber auch hinsichtlich ihrer möglichen Relevanz für die Exklusion bzw. Inklusion von Fremden in die jeweilige ‚Gast‘-Gesellschaft bzw. politische Herrschaftsstruktur beschrieben werden können. a) Unter der Rubrik ‚Persönliche Rechtsstellung‘ haben wir Rechte gesammelt, die für den Aufenthalt einzelner Fremder sowie für die Niederlassung ihrer Familien grundlegend erscheinen. So wird unterschieden, ob überhaupt ein Aufenthaltsrecht vorliegt und ob dieses gegebenenfalls zeitlich oder räumlich begrenzt ist. Eng damit verbunden sind Fragen der Freizügigkeit oder des positiv formulierten Schutzes etwa vor Ausweisung. Ein wichtiges Personenrecht stellt der Schutz der körperlichen Unversehrtheit dar. Einschränkungen sozialer Möglichkeiten werden schließlich beim Blick auf das Heirats- und Erbrecht, bei Zugangsverboten zu sozialen Vereinigungen wie Bruderschaften oder Sportverbänden erkennbar. b) Eine zweite Sachdimension betrifft die ‚Stellung im Rechtsstreit‘. Hier geht es zunächst um einen grundsätzlichen Zugang zur Rechtsprechung, wobei zum einen nach Prozesstyp, also im Wesentlichen zwischen Zivil- und Strafprozess unterschieden wird, zum andern nach der Rolle, die ein Fremder dort einnehmen kann: die des Klägers, des Beklagten, des Zeugen oder gegebenenfalls auch des Denunzianten. Des Weiteren ist von Bedeutung, welches Recht zur Anwendung kommt (und gegebenenfalls, unter welchen Bedingungen dies geschieht): das für die Referenzgruppe gültige, ein von dieser bzw. von den Herrschaftsträgern speziell für Fremde definiertes Recht oder aber das Recht des Herkunftslandes bzw. einer fremden Religionsgemeinschaft. Weitere Aspekte betreffen ein womöglich unterschiedliches Strafmaß, den Schutz vor Auslieferung an auswärtige Gerichte oder das Recht auf Berufung.

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c) Die dritte Rubrik untersucht die ‚Stellung im Wirtschaftsleben‘. Zentral sind hier zum einen die Ausgestaltungen des Eigentumsrechts für Fremde; insbesondere ihre Möglichkeit, Grundeigentum zu erwerben. Gefragt wird zudem nach eventuellen Beschränkungen des Zugangs zu einzelnen Gewerbesparten, wobei etwa die Gruppe der ‚infamen‘ oder auch ‚sittenwidrigen‘ Berufe wie die Schauspielerei oder Prostitution, aber auch der Militärdienst zu nennen wäre. Relevant ist überdies das Recht auf Betriebsgründung. Berücksichtigung verdient weiterhin, ob Mitgliedschaften in Berufsverbänden und im Sozialversicherungssystem (soweit vorhanden) erlaubt oder gar geboten sind oder ob Unterschiede hinsichtlich der für inländische bzw. einheimische Arbeitnehmer geltenden Schutzbestimmungen gemacht werden. Ein letzter g­ roßer ­Fragenkomplex betrifft alle Arten von Steuern und Zwangsabgaben. d) Von besonderem Interesse ist viertens die ‚Stellung im politischen Raum‘. So werden aktives und vor allem passives Wahlrecht oft viel später als der Zugang zur Rechtsprechung oder zum Wirtschaftssystem gewährt. Die Differenzierung zwischen lokalem und translokalem Wahlrecht ist vor allem der rezenten Entwicklung geschuldet, nach der EU-Bürgern kommunales Wahlrecht innerhalb von Gaststaaten der Union zu gewähren ist. Daneben ist die Möglichkeit zur Petition zu berücksichtigen. Zum Grundbestand politischer Rechte wenigstens für die Bürger moderner Nationalstaaten gehören aber auch die Versammlungsfreiheit und das Recht zur Gründung oder zur Mitgliedschaft in Vereinen und politischen Parteien. In den Kontext der politischen Partizipation gehört schließlich auch der Zugang zu attraktiven Positionen im Staatsdienst, unter anderem in der Armee oder bei der Polizei. e) Eine eigene Sachdimension stellt fünftens die ‚Stellung im religiösen Leben‘ dar. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Fremde zur Teilnahme an Kulthandlungen der Gastgemeinschaft berechtigt oder gar verpflichtet sind oder im Gegenteil davon ausgeschlossen bleiben. Zudem wird erfasst, inwiefern fremde Religionen praktiziert werden dürfen, sei es auf individueller Ebene oder in Gemeinschaft, sei es im privaten oder öffentlichen Raum. Der hier skizzierte Katalog hat den Autor/inn/en als eine Art Checkliste gedient, welche den Blick auch für solche Rechtsaspekte öffnen sollte, die traditionell in den Teildisziplinen eine geringere Aufmerksamkeit finden, aber durchaus auch in diesen relevant sein könnten. Die Auffächerung der so unterschiedlichen Rechtsbereiche ruft freilich auch ins Bewusstsein, in wie diversen Lebensbereichen Fremde rechtlich ­potenziell benachteiligt oder schlicht anders behandelt werden können. Zugleich wird damit ersichtlich, dass das Thema der rechtlichen Inklusion bzw. Exklusion von Fremden bedeutend vielschichtiger ist als lediglich die Frage nach Bürgerrechtsverleihung oder Naturalisierung. Vonnöten ist für jeden einzelnen historischen Raum, das je komplexe Geflecht aus rechtlichen und politischen Bedingungen partieller In- und Exklusionen von Fremden zu entfalten.

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2.3 Zuschr eibungen von Fr emdheitsmer k m alen Längst hat man erkannt, dass ,nationale Identität‘ bzw. Ethnizität nicht auf einem festen Fundus von materiellen und ideellen Eigenschaften basiert, welche Gruppenangehörige teilen; vielmehr wird der Prozess der Vergemeinschaftung in der Regel begleitet oder gefolgt von einer Reihe von inneren und äußeren Zuschreibungen gemeinsamer Eigenschaften. Teils verläuft der Prozess freilich auch negativ, indem Feinden oder ‚minderwertigen‘ Fremden (‚Barbaren‘) zugeschriebene Charakteristika geleugnet bzw. als ‚gruppenfremd‘ bezeichnet werden. Zuschreibungen von Fremdheitsmerkmalen finden sich auch im Kontext der Verweigerung oder des Entzugs von Zugehörigkeitsrechten. Sowohl die positiven als auch die negativen Attribute geben Auskunft über grund­ legende Dispositionen einer Gemeinschaft, wenngleich insofern Vorsicht geboten ist, als die aktive sprachliche Konstruktion von Gemeinsamkeit oder Fremdheit oft auch nur im Dienst einer mit anderen Gründen beabsichtigten In- bzw. Exklusion steht. Dessen ungeachtet behält aber auch eine solche Rhetorik eine große Aussagekraft, vor allem, wenn sie zu einer dominanten Sprachregelung wird. Dementsprechend war den Autoren die Aufgabe gestellt, sowohl Selbst- als auch Fremdzuschreibungen von als wesentlich betrachteten Gruppenmerkmalen zu erfassen. In einem ersten Schritt geht es vor allem um die jeweiligen Selbstzuschreibungen innerhalb der Referenz- und Fremdgruppen. Sodann werden die Fremdheitszuschreibungen ­gegenüber der um rechtliche Inklusion ersuchenden oder aber von rechtlicher Exklusion bedrohten Personengruppen durch die Herrschaftsträger oder die Mehrheits­ bevölkerung näher untersucht. Dieses Handbuch hat ganz bewusst darauf verzichtet, systematisch vergleichend die vielfältigen Fremd- und Selbstbezeichnungen zu erfassen, um auf dieser Grundlage einen Überblick über die sich wandelnde Semantik von Fremdheit und Fremden zu geben. Ein solches Vorhaben böte allein für sich genommen umfangreichen Stoff für ein eigenes Handbuch. Für die unterschiedlichen Zeitepochen liegen aber bereits Einzelstudien und Überblicke vor, an welche die Autoren dieses Bandes anknüpfen konnten. Auch der Trierer SFB hat diesem Thema mehrere Studien gewidmet. Wiederum mit Blick auf die Möglichkeit epochen- und kulturübergreifender Vergleiche kategorisieren die Einzelbeiträge die in ihren Untersuchungszeiträumen beobachteten Fremdensemantiken danach, ob sie a) der Leitdifferenz geographischer Zuordnung folgen, also zum Beispiel nach Zugehörigkeit bzw. Fremdheit in Bezug auf ein Dorf, eine Landschaft, eine Stadt unterscheiden; b) die Zugehörigkeit zu einer politischen Einheit, einem territorialen Herrschaftsverband markieren (z.  B. als Mitglied eines Staates oder Untertan einer Monarchie);­ c) Fremdheit am Fehlen einer Abstammungsgemeinschaft festmachen; Zugehörigkeit d) aus kulturell-sprachlichen Gemeinsamkeiten sowie aus dem Teilen von Erzähltraditionen und Geschichte oder e) aus kultisch-religiöser Verbundenheit generieren.

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Begriffsgeschichtliche bzw. historisch-semantische Untersuchungen haben seit Langem auf epochenspezifische Kategorien hingewiesen, welche eine Pluralität von Fremdheitsbezeichnungen entlang solcher Sachgesichtspunkte quasi überwölben und damit als generisch zusammenfassende Fremdzuschreibungen funktionieren. So entwickelte sich der zunächst die sprachliche Andersheit markierende Begriff ‚Barbar‘ in der griechisch-römischen Antike allmählich zu einer solchen übergreifenden abstrakten Kategorie, mit der die Abgrenzung von den außerhalb des römischen Reiches siedelnden Fremden scharf markiert wurde. Der Begriff konnte in dieser Allgemeinheit auch noch benutzt werden, als mit dem römischen Reich die politisch-rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen untergegangen waren. Er wurde in der Neuzeit durch die Kategorie des ‚Wilden‘ abgelöst, der die christliche Fremdkategorisierung als Heide/ Ungläubiger ebenso wie die Zwischenstellung zwischen Mensch und Tier transportieren konnte.11 Die einzelnen Kapitel dieses Handbuches werden uns aber immer wieder vor Augen führen, dass rechtlich-politische Zugehörigkeiten und sprachlich-kulturelle Markierungen bzw. Bezeichnungen von Fremden keineswegs deckungsgleich waren.

2.4 Die sozi alr äumliche Dimension von Fr emdheit Typischerweise sind Fremde als soziale Gruppe durch eine tiefgründige Ambivalenz gekennzeichnet, die sich auch sozialräumlich artikuliert: Sie gehören dazu und sind gleichzeitig ausgeschlossen bzw. abgesondert; sie sind räumlich nah, aber sozial oder kulturell fern. In ihnen verbinden sich politisch-rechtliche Sonderung bzw. Diskriminierung und kulturelle, rassische oder religiöse Stigmatisierung mit räumlicher Nähe bzw. dauerhafter Präsenz. Damit werden Fremde aber auch typischerweise immer wieder sowohl Akteure wie auch Objekte von symbolischen wie praktischen Zuschreibungen von Räumen, die sich auf der gesamten Skala von der Mikro- bis zur Makroebene sozialräumlicher Ordnungen bewegen.12 Die Operation der Ausweisung kann als ein radikaler Grenzfall raumbezogener Exklusion die grundlegende Ambivalenz verdeut­ lichen. Zunächst einmal beendet sie Fremdheit als soziale Beziehung in dem jeweiligen konkreten Fall. Für die soziale Ordnung und ihre Exklusionsregeln gegenüber Fremden ist dieser Eingriff jedoch vor allem wirksam als Drohung, als (noch) nicht realisierte rechtliche bzw. politische Sanktion. Die Möglichkeit der Ausweisung konstituierte geradezu bestimmte Gruppen von Fremden wie Juden, Zigeunern oder Vaganten. An diesem Beispiel wird deutlich, dass solche räumlichen Operationen untrennbar eine praktische, materielle und eine symbolische Dimension haben. Die Ausweisung ist als ein Grenzfall besonders aussagekräftig, weil sie eine Vielzahl von Anschlussoperationen generiert, die alle markante sozialräumliche Folgen zeitigen. Denn auf 11 Stichweh 2010b. 12 Raphael 2013.

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die Ausweisung folgt vielfach die nicht kontrollierte, nicht autorisierte Wiedereinreise, die heimliche Rückkehr – ein Dauerthema frühneuzeitlicher Polizeiverordnungen im Kampf gegen Vaganten, Zigeuner, ‚Müßiggänger’, aber auch ein Dauerthema europäischer Wohlfahrtsstaaten am Beginn des 21. Jhs. im Kampf gegen illegale Arbeiter und Zuwanderer. Die spezifische sachliche wie symbolische Ausgestaltung urbaner Periphe­ rien, eine spezifische Ausformung von Marginalität, ist eine direkte sozialräumliche Folgeerscheinung von dem, was man wohl der Sache nach analog zum Rechtsbegriff der ‚Duldung‘ als stillschweigende ‚Hinnahme‘ von Anwesenheit und Nähe rechtlich-politischer unerwünschter, aber ökonomisch benötigter wie moralisch-kulturell akzeptierter ‚Fremder‘ bezeichnen kann. Diese im räumlichen Sinn hier bezeichnete ‚Kehrseite‘ der ‚Ausweisung‘, der ‚Grenzziehung‘ verweist zugleich auch auf die grundlegende Ambivalenz des Mediums Raum für Fremde, wenn es um Exklusionen, aber, wie wir sehen werden, nicht minder um Inklusionen geht. Möglichst scharfe analytische Unterscheidungen können helfen, Licht in die komplexen Vorgänge zu bringen: Als Erstes bietet es sich an, absichtsvolle Eingriffe in den ­Sozialraum mit dem Zweck des Ausschlusses bzw. des Einschlusses in Gesellschaft/­ Politik/Religion zu trennen von sozialräumlichen Folgen bzw. Effekten von Handlungen bzw. funktionalen Zusammenhängen. Man kann von Raumpolitiken der Exklusion/Inklusion von Fremden sprechen, wenn man an die eingangs erwähnten Grenzschließungen gegenüber Boatpeople oder umgekehrt an Ansiedlungsverträge des römischen Reiches mit germanischen ‚Barbaren‘ als foederati auf dem Territorium des Reiches denkt. Auch die Deportation von ganzen Völkern bzw. Gruppen aus ihren Siedlungsgebieten in neue, ‚fremde‘ Umgebungen gehört in diese Kategorie. Eine andere immer wieder zu beobachtende Erscheinung ist die Zuweisung fester Stadtquartiere an ethnische oder religiöse Gruppen. Eingangs haben wir bereits auf die Raumpolitik der Grenzschließung und -kon­ trolle verwiesen. All diese Operationen richten sich typischerweise darauf, Raumordnungen zu schaffen bzw. zu erhalten – enthalten also Ansprüche auf Dauerhaftigkeit und haben institutionelle und diskursive Verfestigungen zur Folge. Davon zu unterscheiden sind Raumeffekte der Exklusion. Sie ergeben sich quasi als Nebenwirkungen von ökonomischen, demographischen oder sozio-kulturellen Tatsachen oder Trends. Die Segregation ethnisch oder religiös differenter Gruppen ergaben und ergeben sich in europäischen Städten der letzten fünfhundert Jahre nicht als Resultat herrschaft­ licher Ordnungspolitik, sondern primär als Folge von Zuwanderung, Eigentumsverhältnissen und Mietpreisen, Arbeitsangeboten und wirtschaftlichen Standortfaktoren sowie von Transportkosten und -möglichkeiten. Sozialräumliche Verdichtung generiert zugleich auch Gemeinsamkeiten der Lebensführung, die wiederum die Wahrnehmung von D ­ ifferenz zwischen Minderheit und Mehrheit, zwischen Bewohnern von ‚Ausländer‘-Vierteln und der Mehrheitsbevölkerung verstärken.

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Solche Muster sozialräumlicher Gestaltung haben nun ihrerseits den Umgang mit Fremden im mediterran-europäischen Untersuchungsraum beeinflusst. Dazu gehören vor allem die Ordnungsprinzipien, nach denen der städtische Raum gegliedert wird. Aufgrund ihrer ökonomischen, kulturellen und religiösen Funktionen waren und sind Städte bevorzugte Orte des Zusammentreffens heterogener Gruppen, und die Orte, die ‚Fremden‘ in diesem Ensemble einnehmen oder zugewiesen bekommen, sind wiederum wichtige materielle Voraussetzung für die Ausgestaltung von Zugehörigkeitsrechten. Auffällig ist in idealtypischer Zuspitzung der Gegensatz zwischen zwei städtischen Raumordnungsmodellen: zum einen die Gliederung des städtischen Raums in ethnisch, religiös bzw. familiär-abstammungsmäßig unterschiedene Gruppen. Solche nach dem Leitbild der Segregation organisierte Städte begegnen uns im östlichen Mittelmeerraum und dann schließlich im gesamten islamisch geprägten Raum. Minderheiten und Fremde erhalten in diesem Raumtypus kollektiv einen festen Ort zugewiesen, außerhalb ist ihr Platz prekär bzw. unerwünscht. Dem gleichen Grundmuster folgt auch die europäische Kolonialstadt, in der es zu einer Abtrennung der europäischen ‚Fremden‘ von der indigenen Bevölkerung kommt. Anders sieht es im Ordnungsmodell griechischer und römischer Städte, aber auch in der sich seit dem Mittelalter entwickelnden europäischen Stadt aus. Hier dominiert das Leitbild der Durchmischung unterschiedlicher sozialer Status- bzw. Herkunftsgruppen, aber auch das der einheitlichen Bürgerschaft, die als privilegierte Teilgruppe der Stadtbevölkerung allein die politische Macht ausübt bzw. an ihr teilhat. Die enge Nachbarschaft unterschiedlicher sozialer Gruppen und das Einrücken von Migranten in die Nischen und Lücken der unterschiedlichsten Quartiere sind die Folge. Segregation ergibt sich in diesem Fall vor allem aus ökono­ mischen und herrschaftlichen Zusammenhängen.

3. Faktor en l anger Dauer: Demogr aphie, Her rsch aft, R eligion und Gesellsch aft Das Handbuch hat nicht den Ehrgeiz, historische Gesetzmäßigkeiten im Umgang mit Fremden zu formulieren. Es folgt jedoch einer übergreifenden vergleichenden Perspektive, um Strukturmuster und epochale Zusammenhänge und Trends bei der rechtlichen Inklusion bzw. Exklusion von Fremden herauszuarbeiten. In einer solchen Perspektive langer Dauer stellt sich die Frage, welche Faktoren über längere Zeiträume bzw. als quasi dauerhafte bzw. wiederkehrende Konstanten die konkreten Ausgestaltungen von Fremdenrechten beeinflusst haben. Dabei geht es uns nicht um monokausale Erklärungen, sondern darum, die in den einzelnen Kapiteln beschriebenen konkreten historischen Situationen in den übergreifenden Kontext solcher Faktoren langer Dauer zu stellen. Wir unterscheiden einerseits die vier Kategorien Demographie, Herrschaft, Religion und Gesellschaft, gehen aber andererseits davon aus, dass erst ihr Zusammenspiel plausible Erklärungen für die Ausgestaltung der jeweiligen Zugehörigkeitsrechte liefern kann.

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3.1 Der Faktor Demogr aphie Ausländer bzw. Fremde tauchen auf, sie sind nicht einfach ‚da‘, sondern sind kompakte soziale Gruppen, die eben nicht mehr einfach nach dem üblichen Gastrecht und den Gastfreundschaftsregeln behandelt werden können, das einzelnen Durchreisenden, seltenen Gästen gilt. Die Anwesenheit von Fremden als sozialen Gruppen ist das Ergebnis von Migrationsprozessen, und ihre konkrete interne Struktur ist wiederum eng verknüpft mit Familienstrukturen. Dem widerspricht nicht, dass immer wieder Menschen allein migrierten. Mittellose waren vielfach gezwungen, sich allein auf die Suche nach Arbeit zu machen, um dann häufig weit entfernt von ihrer Heimat, ihren Familien und Haushalten Arbeit zu finden. Solche ‚Gastarbeiter‘ wurden mal aktiv gesucht, mal nur passiv geduldet; die Geschichte ihrer dauerhafteren, nicht zwangsläufig endgültigen Ankunft und Etablierung ist jedoch aufs Engste mit der Migration ganzer Familien, der Entstehung von Netzwerken zwischen solchen Familien verknüpft. Der Wunsch nach Erschließung neuer Ressourcen, sei es zur Sicherung des blanken Überlebens oder auch generell zur Verbesserung der materiellen Lage, dürfte seit Menschengedenken das Motiv gewesen sein, das am häufigsten den Entschluss von Individuen oder Gruppen zur Migration gezeitigt hat. Zugehörigkeitsrechte sind immer auch als Versuche zu interpretieren, solche Migrationsprozesse zu regulieren, zu lenken oder einzudämmen. Sie artikulieren die Sorge um die Verteilung oder auch Generierung von Ressourcen durch die Aufnahmegesellschaften, sind also immer auch als Antworten auf demographische Herausforderungen zu lesen. So haben beispielsweise ein großer Mangel an Facharbeitern, ein hoher Bedarf an Soldaten oder wehrhaften Siedlern oder der Wunsch nach Peuplierung bzw. ökonomisch-herrschaftlicher Erschließung brachliegender Landschaften immer wieder zu einer attraktiveren Gestaltung der Rechtsnormen für die Niederlassung von Fremden oder aber zur großzügigeren Umsetzung bestehender Regelungen geführt. Demgegenüber konnten Überbevölkerung, Hungersnot oder hohe Arbeitslosigkeit, d. h. Ressourcenknappheit und Verlustängste, in allen Zeiten die Verweigerung der Aufnahme neu ankommender Fremder, wenn nicht die Ausweisung oder Vertreibung bereits ansässiger Migranten, nach sich ziehen.13 Seit dem 18. Jh. ist die statistische Erfassung von Bevölkerung, d. h. ihrer Zahl, alters- und geschlechtsspezifischen Zusammensetzung, regionalen Verteilung, vor allem jedoch ihrer Entwicklung, besonderes Anliegen der Staaten und ihrer Regierungen geworden. Politisierung und Verwissenschaftlichung von ‚Bevölkerungsfragen‘ gingen seitdem Hand in Hand, und beide Entwicklungen haben ihrerseits die politische Gestaltung von Zugehörigkeitsrechten Fremder beeinflusst. Die Aufnahme oder Abwehr 13 Allgemein zu Phänomenen und Strukturen von Migration in historischer Perspektive vgl. Manning 2007; Bade u. a. 2008; Schmidt-Lauber 2007; Engels 2013b, S. 59–72, 112–126.

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von Zuwanderern angesichts eines drohenden Bevölkerungsrückgangs oder drohender ‚Überbevölkerung‘, der vermeintlichen Gefährdung durch ‚Rassenmischung‘ oder der ‚Überfremdung‘ bei prozentual ansteigendem Ausländeranteil an der gemeldeten Wohnbevölkerung – all dies beruht auf der statistischen Erfassung und (pseudo-)wissenschaftlichen Deutung demographischer Entwicklungen. Der Traum, diese Entwicklungen steuern zu können, hat tief greifende Spuren in den politischen Ideologien der Moderne hinterlassen. Dabei besteht weitgehender Konsens in der historischen und sozialwissenschaft­ lichen Forschung, dass demographischen Prozessen eine relative Autonomie zukommt und insofern die Entwicklung der Bevölkerungszahl, Richtung und Umfang von Mig­ rationen, schließlich der Alters- und Geschlechterverteilung von Bevölkerungen der Status eigenständiger Faktoren zugesprochen werden muss. Insofern ist ein Blick auf die Ergebnisse der historischen Migrationsforschung und der historischen Demographie nützlich, um Handlungsspielräume und Handlungszwänge von Politik und Recht besser gewichten zu können. Dabei sind sie für die hier untersuchten Epochen in höchst unterschiedlichem Maße greifbar. Für Antike und Mittelalter sind die Befunde wenig präzise, vielfach lückenhaft und häufig Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. Erst mit zunehmender Dichte demographisch auswertbarer Quellen seit dem 14. Jh. werden die Ergebnisse der historischen Demographie verlässlicher. Folgende Strukturmuster der historischen Demographie und Migrationsgeschichte erscheinen für eine vergleichende Einordnung der in diesem Handbuch vorgestellten Konstellationen bedeutsam: Aus der übergreifenden Perspektive kontinentaler Wanderungsbewegungen lassen sich in der Geschichte Europas und des Mittelmeerraums recht unterschiedliche demographische Perioden unterscheiden. Bei aller Lückenhaftigkeit der archäologischen und historischen Quellen kann davon ausgegangen werden, dass der Raum am Rand des eurasischen Kontinents von der Antike bis ins Frühmittelalter im Wesentlichen ein Zuwanderungsraum für Menschen war, die sich dann hier dauerhaft niederließen. Vor allem der durch das Römische Reich herrschaftlich und zivilisatorisch zusammengeschlossene mediterrane Raum erwies sich als Anziehungspunkt für Gruppen bzw. Ethnien, die aus den Steppenund Waldregionen Zentralasiens, des östlichen und nörd­lichen Europas zuwanderten. Weit über die Zeitspanne verdichteter Migrationen vom 3. bis 6. Jh., der in der deutschen Forschung als ‚Völkerwanderungszeit‘ benannten Phase, blieb Europa ein Zuwanderungskontinent für Menschen aus den angrenzenden östlichen Regionen.14 Es schlossen sich seit dem späten 6. Jh. Wanderungen bulgarischer und slawischer Gruppen ins östliche und südöstliche Europa an, seit dem 7. Jh. siedelten im Gefolge der islamischen Expansion arabische Gruppen im gesamten südlichen Mittelmeerraum, in den Donauraum rückten Awaren, Magyaren und Kumanen nach, Anatolien erlebte im 11. Jh. die 14 Graham 2001; Günther 2012; Noy 2000; Heather 2009; Halsall 2007.

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Ankunft der ersten Turkvölker. Die Rechtsverhältnisse Fremder von der Spätantike bis ins hohe Mittelalter tragen jedenfalls deutliche Spuren dieser Zuwanderungen. Für die hier gewählte Perspektive langer Dauer ist dann auch die Tatsache zu beachten, dass der europäische Kontinent über mehr als 750 Jahre (vom Beginn des 12. Jhs. bis zur Mitte des 20. Jhs.) in globalgeschichtlicher Perspektive zu einem Auswanderungskontinent wurde. Nach ersten Kolonisationswellen in Richtung Süden (Iberische Halbinsel) und ins östliche Europa (deutsche Ostkolonisation) kam es dann seit dem 16. Jh. zu regelrechten Auswanderungswellen zum einen in die überseeischen Siedlungskolonien, zum andern in asiatische Siedlungsgebiete östlich des Urals. Zwischen 1550 und 1800 verließen schätzungsweise 3,5 Millionen Europäer (davon 1,15 Millionen aus England, 1,5 Millionen aus den iberischen Königreichen) den Kontinent Richtung Übersee, zwischen 1820 und 1914, auf dem Höhepunkt dieses langfristigen Auswanderungszyklus, wanderten zwischen 50 und 60 Millionen Europäer nach Übersee aus, allein in den Jahren von 1900 bis 1915 waren es 20 Millionen. Diese Massenauswanderung ist auch relativ zur Gesamtbevölkerung mit jährlich drei Promille der Bevölkerung deutlich größer als in der Zeit vor 180015. Hintergrund dieses Trends langer Dauer ist ein wiederum regional unterschied­liches Wachstum der Gesamtbevölkerung Europas von geschätzten 84 Millionen um 1500 auf 422 Millionen im Jahr 1900.16 Erst seit knapp 50 Jahren ist Europa schrittweise ein Zuwanderungskontinent für Menschen anderer Weltregionen geworden. Dieser Prozess hat sich vor allem seit den 1970er Jahren intensiviert, und er hat seitdem weit über die zunächst angestrebten westeuropäischen Länder hinaus nach und nach alle Regionen Europas erfasst. In diesem Zeitraum haben sich neue Migrationssysteme etabliert, die ihrerseits süd-, west- und mitteleuropäische Regionen vor allem mit den verschiedenen südlichen und östlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers verbinden. Gleichzeitig beginnen parallele Migrationssysteme europäische Metropolen mit Ost- und Südasien, den Regionen Afrikas und ­Lateinamerikas zu verknüpfen. Diese demographische Konstellation langer Dauer hat auch ihren Niederschlag in den politisch-rechtlichen Regelungen von Migration gefunden. In der Neuzeit ging es bei der Behandlung von Fremden, deren Inklusionschancen man sozial und rechtlich gestaltete, vor allem um innereuropäische Migranten. Man sollte nicht aus dem Auge verlieren, dass typische Regime neuzeitlicher Arbeitsorganisation für fremde Arbeitskräfte in den europäischen Expansions- und Kolonisationsräumen in Amerika, Afrika oder Asien – wie Sklaverei oder Kuliarbeit mit ihren radikalen Folgen der rassischen Ausgrenzung und Entrechtung der davon betroffenen Fremden – innereuropäisch – auch aus diesem elementaren Grund fehlender Zuwanderung – keine wichtige Rolle gespielt haben. Sklavenarbeit Fremder vor allem in Haushalten und als persönlicher 15 Zahlen nach Ehmer 2004, S. 26; Livi Bacci 1999, S. 157, Anm. 6, 210. 16 Livi Bacci 1999, Tabelle 1.1, S. 18f.

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Dienst spielte nur im europäischen Mittelmeerraum in der Frühen Neuzeit eine begrenzte Rolle, bevor sie im Zuge von Aufklärung und Abolitionismus seit dem 18. Jh. verschwand. Jenseits dieser globalgeschichtlichen Einordnung in übergreifende Migrationsdynamiken spielten für die politisch-rechtliche Gestaltung der Lebenssituationen Fremder die konkreten Schwankungen in der Bevölkerungszahl, zumal in ihren Auswirkungen auf verfügbare bzw. erschließbare Nahrungsressourcen und Wirtschaftsgüter, eine wichtige Rolle. Belastbare Zahlen über die Entwicklung der Bevölkerung liegen für die älteren Epochen nur sporadisch und fragmentarisch vor. Hier stechen insbesondere die römischen Zensus-Ergebnisse hervor: Zwar geben diese nicht die Zahl der Einwohner, sondern der volljährigen männlichen Bürger wieder, doch erlauben es diese Werte, für die Bevölkerung Italiens in der Zeit nach den Verheerungen des Hannibal-Krieges (218–201 v. Chr.) bis unter Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.) eine Steigerung von ca. vier Millionen auf bis zu zwölf Millionen anzusetzen.17 Für andere Epochen der Antike bleiben absolute Schätzungen ohne sicheres Fundament, wenngleich hinreichende Indizien für grobe Entwicklungslinien vorliegen. So wird vor allem die archaische Zeit (9.–6. Jh. v. Chr.), die durch Polisbildung im griechischen Mutterland und Kolonisation in Übersee geprägt ist, als Phase eines rasanten Bevölkerungswachstums angesehen, das in vermindertem Umfang noch bis in die römische Kaiserzeit angehalten haben könnte. Seuchen, Barbareneinfälle und eine Kälteperiode werden bisweilen für eine rückläufige Entwicklung im Römischen Reich seit dem späten 2. Jh. n. Chr. verantwortlich gemacht. Damit einher geht ein allmählicher Rückgang der urbanen Kultur im nordwestlichen Mittelmeerraum seit dem 3. Jh., während dieselbe in Nordafrika und im Osten noch bis ins 6. Jh. weitgehend intakt blieb. Inwiefern sich in diesem Transformationsprozess Binnenmigration oder Bevölkerungsverlust spiegeln, bleibt umstritten und wäre regional differenziert zu betrachten. Aufs Ganze gesehen dürften jedoch die Ansiedlungen von Germanen durch römische Kaiser bzw. deren gewaltsame Landnahmen im Westen vom 3. bis 6. Jh. bestenfalls zu einer Stabilisierung der Gesamtbevölkerung auf leicht abgesenktem Niveau geführt haben.18 Die historische Demographie konnte für das Hochmittelalter ein Bevölkerungswachstum rekonstruieren. Es führte zu einem erheblichen Anstieg der geschätzten Gesamtbevölkerung von 38 Millionen um das Jahr 1000 auf 74 Millionen im Jahr 1340,19 bevor dann Hungersnöte, Seuchen und insbesondere das Auftauchen der Pest zu großen Bevölkerungsverlusten führten. Der nächste ‚Bevölkerungszyklus‘20 von 1400 bis 17 Vertreter des low count (ca. 5 Mio. unter Augustus) sind z. B. Brunt 1971 und Scheidel 2001; Vertreter des high count (bis zu 14 Mio. unter Augustus): Kron 2005; Launaro 2011 (mit der Rez. von Ligt 2012 zur Kontroverse). Für einen middle count: Coşkun 2009a, S. 25–29; Hin 2013. Siehe auch Kapitel 3. 18 Vgl. z. B. Scheidel 2001; Bowman u. a. 2011; Holleran u. a. 2011; Banaji 2012. 19 Schneidmüller 2011, S. 44. 20 Livi Bacci 1999, S. 16.

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1700 umfasst die Erholung der europäischen Gesellschaften nach den Pestwellen des 14. Jhs. und die erneute demographische Krise infolge von Kriegen, weiteren Pestwellen und den Versorgungskrisen des 17. Jhs. Von etwa 1700 bis zur jüngsten Vergangenheit erlebte Europa einen weiteren Zyklus, der zu einem erheblichen Wachstum der Bevölkerung führte, dabei aufs Engste mit dem Sinken von Fertilität und Sterblichkeit verbunden ist und damit elementare Grundlagen im Leben der Europäer veränderte. Die Versechsfachung der Bevölkerung Europas in den letzten dreihundert Jahren war begleitet von einer absoluten wie relativen Steigerung der räumlichen Mobilität, sodass die europäischen Gesellschaften Migration als Massenphänomen erlebten, das lange Zeit geradezu wie ein naturgeschichtliches Geschehen ganze Regionen bzw. Menschengruppen bestimmt hat. Bereits der erste Bevölkerungszyklus ist von solchen umfangreichen Migrationen begleitet. Phänomene wie umherziehende Bettler und Vaganten, Saisonarbeiter bzw. Hausierer aus armen Bergregionen, umherziehende ausgemusterte Soldaten, schließlich die Flüchtlingsströme der religiösen und politischen Kriege und Bürgerkriege gehören zu den immer wiederkehrenden Erscheinungen aus der Not geborener Massenmobilität. Neben solcher quasi erzwungenen Mobilität gibt es aber auch die ‚freiwilligen‘ Migrationen der Studierenden und Gelehrten, Kunsthandwerker und Facharbeiter, bürgerlichen Kaufleute und adeligen Fürstendiener sowie die Anwerbung von Bauernfamilien zur Ansiedlung in neuen, fruchtbaren Landstrichen jenseits der Meere oder jenseits des Urals. In einer Perspektive langer Dauer sind wiederum zwei Ergebnisse der historischen Demographie bzw. Migrationsforschung von Bedeutung: Erstens etablierten sich relativ stabile Migrationssysteme, welche die Mobilität größerer geographischer Räume prägten und damit dauerhafte Verbindungen zwischen Herkunfts- und Ankunfts­regionen schufen. Ein erstes Migrationssystem lässt sich bereits in der Antike beobachten, als ausgehend von den Orten des griechischen Mutterlands Kolonien entlang der Küsten des Mittelmeers und des Schwarzen Meeres entstanden. In hellenistischer Zeit dehnte sich der Radius dieser Kolonisationsbewegung weiter nach Osten aus und erreichte Zentralasien und die Grenzen Indiens. Ein anderes Migrationssystem entwickelte sich im Mittelalter und schloss bis 1900 den Nordseeraum zu einem Mobilitätsraum zusammen, in dem die Küstenzonen (East Anglia, London, Flandern, Holland) kontinuierlich Arbeitsmigranten aus benachbarten oder ferneren ländlichen Regionen anzogen (von Norwegen über Schottland und Irland bis zum Nordrhein und Westfalen), die dort saisonal oder dauerhaft Arbeit und Lebensglück suchten. Ein geographisch weiter gespanntes Migrationssystem entstand seit dem 16. Jh. im atlantischen Raum. Es bezog zunächst die Anrainerländer von den britischen Inseln bis Portugal in die Wanderung in die neuen Kolonien und Siedlungsgebiete Nord- und Südamerikas ein und bereitete den Boden für die Ausweitung dieses Auswanderungsstroms auf alle europäischen Re-

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gionen im 19. Jh.21 Ein viertes Migrationssystem etablierte sich seit dem ausgehenden 17. Jh. und verband die verschiedenen deutschsprachigen Siedlungszonen Mitteleuropas mit den von europäischen Staaten neu eroberten Gebieten Russlands (Wolgaregion, Neurussland bis zur Krim, Sibirien) und Österreichs (Ungarn, Kroatien, Militärgrenze). Zweitens blieben für die europäischen Regionen seit dem Mittelalter jedoch Mobilitätsmuster prägend, welche als Nahwanderungen bzw. als räumliche Mobilität mittlerer Reichweite zu beschreiben sind. Immer wieder wanderten Europäer auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben vom Land in die benachbarte Stadt, und einige zogen von dort weiter, überschritten dabei die Grenzen ihrer Heimatgemeinden, von Provinzen und Staaten. Untersuchungen zeigen zum Beispiel für Deutschland, dass zwischen 1880 und 1920 zwischen 15 und 25 Prozent der Stadtbewohner Zuwanderer waren. Eine so hohe Mobilitätsquote gab es weder vorher (1820 etwa 5 %) noch danach (seitdem bei 5–10 %)22. Diese Form der Migration wird gern übersehen, wenn man sich mit der Entstehung von Fremdheit und den Lebensverhältnissen von Fremden beschäftigt. Das Geflecht innereuropäischer Beziehungen zwischen Staaten, Wirtschaftsregionen und Religionsgemeinschaften wurde also ständig verdichtet, aber auch verändert durch diese Migrationen. Alle Akteure, die Recht setzten und Recht sprachen, versuchten, diese Migrationen so zu regulieren, dass sie mit dem vorherrschenden Ordnungsmuster eines immer klarer umrissenen staatlichen Territoriums und einer darauf bezogenen Gesellschaft nicht allzu sehr in Konflikt gerieten. Man kann aber nicht behaupten, der seit dem 13. Jh. sich langsam herausbildende moderne Staat sei generell migrations- und damit fremdenfeindlich gewesen. Bei entsprechender demographischer Konjunkturlage – nach Massensterben aufgrund von Epidemien, nach Hungersnöten oder im Gefolge von Kriegen oder nach den Naturkatastrophen im 17. Jh. – warb er zum Beispiel fremde Siedler an, suchte er seine Städte und Dörfer zu ‚peuplieren‘, öffnete seine Grenzen für ‚ausländische Arbeitsmigranten‘, ja organisierte sogar deren Anwerbung in den Herkunftsländern. Gerade die Zeit zwischen 1680 und 1800 ist ein Höhepunkt herrschaftlicher Kolonisations- und Peuplierungsversuche: Die Habsburger ließen zwischen 1689 und 1800 etwa 350.000 Kolonisten für die Besiedlung ihrer neu eroberten ungarischen Territorien und die Militärgrenze zum Osmanischen Reich anwerben; Zarin Katharina die Große verfolgte eine ambitionierte Einwanderungspolitik für die ebenfalls neu eroberten Gebiete zwischen Don und Schwarzem Meer bzw. an der unteren Wolga; und die preußischen Fürsten verfolgten seit der Anwerbung französischer Hugenotten nach 1685 (in Konkurrenz mit anderen protestantischen Staaten wie England und den Niederlanden) weitere Kolonisationsprojekte, etwa nach der Eroberung Schlesiens und polnischer Territorien.23 21 Lucassen 1987; Hoerder 1996. 22 Ehmer 2004, S. 21f. 23 Siehe Livi Bacci 1999, S. 41f.

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3.2 Der Faktor Her rsch aft Welchen Einfluss die politische Verfassung eines Gemeinwesens auf die Bereitschaft zur rechtlichen Inklusion von Fremden hat, ist eine der Schlüsselfragen dieses Handbuches. Indem es die politisch-rechtliche Stellung von Fremden ins Zentrum rückt, liefert es zugleich auch eine Fülle von Befunden und Beobachtungen darüber, welche Lösungen unterschiedliche Herrschaftsformen im Umgang mit Fremden bevorzugen. Mehrere Fallbeispiele scheinen jedenfalls auf den ersten Blick nahezulegen, dass Demokratien zum Beispiel dazu neigen, das Bürgerrecht nur sehr zurückhaltend zu verleihen. Man denke daran, dass beide, das hochklassische Athen ähnlich wie die späte Römische Republik, den Zugang zu seiner politeia bzw. zu ihrer civitas besonders eng regelten, als sie den höchsten Demokratisierungsgrad ihrer Geschichte erreicht hatten. Die Bildung von Nationalstaaten im 19. und 20. Jh. wiederum war von ganz unterschiedlichen Regelungen für ‚Ausländer‘ begleitet, führte aber immer wieder zur Verschlechterung der Rechte von Minderheiten oder erhöhte den Druck zur Assimilierung von Minderheiten und Migranten. Andererseits vermitteln Monarchien vielfach den Eindruck, ‚großzügigeren‘ Gebrauch von Naturalisierungen zu machen und die Aufnahme von Fremden in den eigenen Untertanenverband zu befördern. Ein systematischer Zugang zu dieser Frage wird durch die Vielfalt der historischen Erscheinungsformen von Herrschaft, aber auch durch die fachspezifischen Differenzen in Begrifflichkeit und Theorie fast unmöglich gemacht. Aus pragmatischen Gründen hat dieses Handbuch es daher den einzelnen Autoren überlassen, sich der für ihre Epoche aktuellen Modelle und Begriffe zu bedienen, und darauf verzichtet, ein epochenübergreifendes Kategorienraster politischer Herrschaft zugrunde zu legen. Ein rein verfassungsrechtlicher oder politikwissenschaftlicher Vergleich wird nicht zuletzt dadurch erschwert, dass sich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösweltanschaulichen Rahmenbedingungen der Herrschaftsformen so grundlegend geändert haben, dass eine abstrakte Analyse etwa anhand des ‚Dreiklangs‘ Monarchie – Aristokratie – Demokratie, der klassisch von Aristoteles ausformuliert wurde,24 sich schnell als unterkomplex erweist. Stattdessen ist im Kontext des Trierer SFB ein Modell entwickelt worden, das sich an der Herrschaftssoziologie Max Webers orientiert, um spezifische Effekte dieses Faktors Herrschafts- bzw. Verfassungsordnung epochenübergreifend analysieren zu können.25 Mit ihm lassen sich die konkreten Einzelbefunde der einzelnen Kapitel wiederum einer übergreifenden Typologie zuordnen. Es können mit Blick auf die Exklusion/Inklusion von Fremden vier Herrschaftstypen unterschieden werden. Ein erster Typus wird von den Stadtrepubliken gebildet.26 24 Vgl. Aristoteles, Politika III, bes. 7. 25 Raphael 2008. 26 Molho u. a. 1991; Meier 1994a.

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Ob als griechische polis, römische res publica oder mittelalterliche Kommune zeigen diese über ein zunächst klar umgrenztes Territorium verfügenden antiken, mittelalter­ lichen und frühneuzeitlichen Herrschaftsverbände einige charakteristische Gemeinsamkeiten in der Ausgestaltung ihrer Beziehungen zu Fremden: Diese Herrschaftsverbände organisierten ein hierarchisches System abgestufter Zugehörigkeitsrechte für ihre Bewohner bzw. die Anwohner ihrer Herrschaftsgebiete. Typischerweise existierten privilegierte, politisch aktive Vollbürger neben ortsansässigen Wirtschaftsbürgern, geduldeten bzw. privilegierten Fremden und den rechtlich exkludierten Zuwanderern bzw. Sklaven am unteren Ende der politisch-rechtlichen Zugehörigkeit. Jenseits der ganz unterschiedlichen Verfassungsmodelle, welche in diesen Stadtrepubliken realisiert wurden, existierte dort ein Element partizipativer Bürgerschaft, das sich in wiederkehrenden Ritualen kultisch-religiöser bzw. politisch-bürgerschaftlicher Gemeinschaft erneuerte.27 Daran knüpften die spezifischen Inklusionsformen an, die insbesondere für notleidende, ökonomisch schwache Bürger von Bedeutung waren. Diese Herrschaftsverbände haben ein genossenschaftliches bzw. bürgerrechtliches Element, das Systeme sozialer Sicherung für den politisch privilegierten Vollbürger hervorbrachte. Es artikulierte sich in der Antike als Euergetismus der Reichen,28 als Getreideversorgung der stadtrömischen Bürger durch ihre res publica bzw. ihre Imperatoren („Brot und Spiele“).29 Die mittelalterlichen Kommunen entfalteten das gesamte Spektrum genossenschaftlicher Inklusionsformen, die typischerweise Fremde einschlossen, und entwickelten ein breites Repertoire von Institutionen (Bruderschaften, Genossenschaften, Gilden), welche für ihre Mitglieder ein soziales Netz der Daseinsvorsorge etablierten.30 Dieses Netz war jedoch zu keinem Zeitpunkt egalitär ausgerichtet, sondern enthielt immer das Element exklusiver Privilegierung. Typischerweise reagierten diese Stadtrepubliken ausgesprochen flexibel auf ihre ökonomische und demographische Umgebung: großzügige Öffnung gegenüber Fremden in der Phase der Gründung und Expansion, scharfe Abschottung nach außen (Verbot von Mischehen, Berufsverbote, Aufkündigung der Bürgerschaft) und im Inneren (Schließung von Zünften, Heiratsverbote) in Epochen der ökonomischen Krise und des ­Zuwanderungsdrucks.31 Zusammenfassend ist jedoch festzuhalten, dass Stadtrepubliken die Vergabe des Bürgerrechts oder eine rechtliche Gleichbehandlung in der Regel mit dem hohen Anspruch verbanden, entsprechende Leistungen für die Bürgerschaft zu erbringen. Zugewanderte Fremde wurden in den Augen der Stadtbürger diesem Anspruch vielfach erst nach 27 28 29 30

Dilcher 1993, S. 311–350. Veyne 1988; Hands 1968. Mrozek 1988; Garnsey 1988. Haverkamp 2002c; La Roncière 1974; Kloczowski 1974; Henderson 1994; Remling 1986; Oexle 1986, S. 85–91; Blockmans u. a. 1975. 31 Storti Storchi 1993.

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mehreren Generationen oder durch besondere persönliche Leistungen gerecht. Politische I­ nklusion beinhaltete in den Stadtrepubliken immer ein vergemeinschaftendes Element, das wiederum soziale und kulturelle Mindeststandards der Zugehörigkeit generierte. Den zweiten Typ bildet die Monarchie patrimonialer oder patriarchalischer Prägung. Anknüpfend an die Herrschaftssoziologie Max Webers32 können in diesem Typ jene Monarchien bzw. Fürstentümer zusammengefasst werden, deren wesentliche Ressource in der Bündelung aller herrschaftsrelevanten Funktionen in der Person des Herrschers liegt. Ob als patrimonialer Herrschaftsverband antiker Königtümer oder als Personenverbandsstaat des Mittelalters eignet diesem Herrschaftstyp eine markante Tendenz zum Aufbau segmentärer Strukturen: Personale Bindungen in Form einfacher Untertanenverhältnisse binden Territorien und Personenverbände ein, welche im Übrigen in ihrem Rechtsstatus und in ihren besonderen wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen unberührt gelassen werden – sieht man von Tributzahlungen oder persönlichen Dienstleistungen ab. Für die griechisch-römische Antike wird dieser Typus etwa durch die hellenistische Monarchie repräsentiert.33 Königliche Herrschaft erstreckt sich – je eigenen Traditionen und Kommunikationsformen folgend – über ‚freie‘ oder abhängige Städte, ländliche Krongüter und Militärsiedlungen, Tempelherrschaften, Provinzen (strategiai) und teilautonome Dynastien (Satrapien, Fürsten- und Königtümer). Einheit und Zusammenhalt garantiert allein der Monarch, auf den alle politisch relevanten Bindungen zulaufen. Dieser Typus begegnet uns in einer großen Spannweite von Formen, welche von locker verknüpften Konglomeraten von Unterherrschaften unter einem monarchischen Oberhaupt bis zu straff auf den Herrscher zentrierten Königtümern reichen, in denen der königliche Haushalt oder die Domäne ausreichende bzw. konkurrenzlose Ressourcen für die Machtentfaltung im Innern und nach außen bereitstellt. Gegenüber Fremden ist dieser Herrschaftstyp zunächst einmal weitgehend indifferent. Die Einverleibung neuer Territorien und die Unterwerfung neuer Untertanen schaffen zunächst keine weiteren Rechtsformen oder Abstufungen von Zugehörigkeitsrechten. So eröffnete der Herrscherkult in den antiken Fürstenstaaten den unterschiedlichsten Gruppen Gelegenheit, ihre Treue und Loyalität zu bekunden. Im Wesentlichen blieb die Regulierung des Umgangs mit Fremden den jeweiligen Autoritäten jener heterogenen Reichsteile überlassen. Ausgenommen waren aber zwei bezeichnende Gruppen. Erstens sind die Angehörigen des Hofstaates oder generell dem König nahestehende Personen zu nennen, die sich auch in ‚freien‘ Städten im Einflussgebiet des Königs nicht vollständig dem dort gültigen Recht unterwarfen bzw. die man sich nicht zu unterwerfen traute (hier sei an die Parallele des imperialen Roms erinnert, welches seit dem 2. Jh. v. Chr. die Nachfolge der Könige im Osten antrat und dessen Bürger Vortei32 Weber 1985, S. 580–624. 33 Heinen 2003, S. 88f.; Ma 1999; Mileta 2008; Capdetrey 2007.

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le in ökonomischer und judikativer Hinsicht genossen). Zweitens ist die Privilegierung fremder Söldnerverbände oder Wehrkolonisten hervorzuheben, seien es die griechischen und makedonischen Kolonisten in den ersten Generationen nach dem Alexanderzug, welche die neuen Territorien absicherten und zugleich wirtschaftlich erschließen sollten, seien es in späterer Zeit die unterschiedlichsten Verbände heterogener oder ethnisch geschlossener Herkunft: Am besten sind hier die lange Zeit nachwirkenden Sonderrechte für die Juden dokumentiert, die Antiochos III. um 200 v. Chr. in kleinasiatischen Städten ansiedelte.34 Festzustellen sind in jedem Fall vielfältige Aktivitäten von Herrschern dieses patrimonialen Typs auf dem Gebiet des Fremdenschutzes und der Fremdenprivilegierung.35 Sie sind nicht zuletzt aus der Konkurrenz der Herrschaftsträger um Machtressourcen, um Finanzquellen (etwa bei Juden und Lombarden) zu verstehen. Dies gilt insbesondere für Fürsten, die in dezentral organisierten Herrschaftsverbänden über geringe eigene Mittel verfügen. Hier steigert sich das Eigeninteresse der Herrscher an Fremden zur Abhängigkeit von ihnen. Jüdische Finanziers und Verwaltungsexperten begegnen uns seit dem Hochmittelalter an christlichen Fürstenhöfen als unentbehrliche Kapitalgeber und Finanzexperten; Söldner aus fremden Territorien und fernen Ländern gehören regelmäßig zu den wichtigsten Instrumenten, um die Machtstellung patrimonialer Herren gegenüber ihren Vasallen oder Ständen zu stärken. Die Liste der Beispiele ist lang: Zu nennen sind hier die Söldnerheere der hellenistischen Monarchen, die germanischen Heereseinheiten spätrömischer Kaiser oder die Söldnerkompagnien französischer oder englischer Könige im Hundertjährigen Krieg. Islamische Fürsten wiederum nutzten Militärsklaven, um ihre Herrschaft erfolgreich nach innen und außen zu sichern. Immer geht es darum, dass Fremde, weil sie eben bestimmten sozialen Gruppen nicht angehörten, in idealer Weise dazu geeignet schienen, die Abhängigkeit der Herren von ihrer Umgebung – abstrakter gesprochen: die grundlegende Schwäche der primär auf Tradition und Herkommen gestützten Herrschaftsträger – zu kompensieren. Militärs, Finanziers, Verwaltungs- und Rechtsexperten sowie hoch spezialisierte Handwerker oder Facharbeiter gehörten dabei zu den typischen Fremdengruppen, welche auch in einer ihnen oder generell Fremden feindlich gesinnten sozialen Umgebung ihren Platz fanden, weil sie in engem Bündnis, aber auch in weitgehender oder vollständiger Abhängigkeit von den Herren standen. Der Fremdenpolitik dieses Herrschaftstyps haftet, so lässt sich zusammenfassen, in der Regel ein klientelistischer Zug an. Als dritter, zeitlich aber später auftauchender Typus ist der ständische Territorialstaat zu nennen. Im Normalfall handelte es sich um einen Fürstenstaat, aber auch Stadtrepubliken entwickelten sich in diese Richtung weiter. Er etablierte sich aus der Verfesti34 Vgl. Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 12.3.3–4 (137–153), z. B. mit Bickermann 1935. Skeptischer indes Eckhardt 2013, S. 29f. 35 Coser 1972.

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gung staatlicher Behörden, dem Aufbau differenzierter Machtapparate (Steuern, Recht, Hofkanzlei, stehendes Heer, Flotte) in den Händen des Fürsten, aber auch der mitregierenden Stände. Dieser Staatsbildungsprozess vollzog sich bekanntlich in unterschied­ lichem Tempo, setzte aber generell in Europa im ausgehenden Hochmittelalter ein, um sich vor allem seit dem 16. Jh. zu beschleunigen.36 Spätestens seit dem 16. Jh. schlugen Könige, Fürsten und Stadtobrigkeiten in ganz Europa den Weg der Eindämmung von Bettelei und Vagantentum, d. h. unkontrollierter Armutsmigration ein.37 Sie wurde vor allem in ihrer gedachten Verknüpfung mit Unmoral, Unruhe und Aufruhr zu einem Störfaktor politischer Herrschaft und öffentlicher Ordnung. Der Territorialstaat knüpfte dabei vor allem an die Praktiken an, welche die Stadtrepubliken bzw. Stadt­ gemeinden in ihrer Fremden- und Armenpolitik entwickelt hatten.38 Bettelschub und Landesverweis wurden typische Rechtsinstrumente zur Umsetzung dieser obrigkeitlichen Politik.39 Die gesteigerten Ansprüche herrschaftlicher Kontrolle und Durchdringung sind in der umfangreichen neueren Forschungsliteratur vielfach belegt. Dadurch wuchs die Differenz zwischen Ortsansässigen und Ortsfremden ständig an. Damit traten im obrigkeitlichen Blick zwei Gruppen von Fremden scharf auseinander: auf der einen Seite die Gruppe armer Migranten, fremder ‚Habenichtse‘, auf der anderen Seite die Gruppen erwünschter, umworbener Fremder wie adlige Offiziere, Handwerker, Kaufleute oder Kolonisten. Der fürstliche Ständestaat erbte das Interesse der Mo­narchien patrimonialen Typs an der gezielten Ausweitung bzw. Sicherung der Rechte solcher Fremder, hatte aber mit dem Widerstand einheimischer Ständevertreter zu rechnen, die ihre angestammten Privilegien gegen Zuwanderer und Fürstendiener verteidigten. Stärker als Stadtrepubliken und patrimoniale Monarchien entwarfen die Territorialstaaten der Frühen Neuzeit aber ihre Fremdenpolitik als Versuch der Stabilisierung, ja der Sistierung von Migration. Vor allem die Krise des 17. Jhs. hinterlässt, so lässt sich mit Blick auf die wirtschafts- und sozialhistorische Forschung formulieren, hier ganz deut­liche Spuren. In diesem Herrschaftstypus setzt sich vor allem das Prinzip der räum­ lichen Absonderung durch: In enger Verbindung mit den Versuchen der Obrigkeit, den eigenen Herrschaftsraum vollständig zu durchdringen, steigerten sich auch die Anstrengungen, Fremden einen festen, d. h. in der Regel dauerhaften und überwachten Platz im Herrschaftsgefüge zuzuordnen. Damit verstärkte dieser Herrschaftstypus jedoch zugleich auch die Exklusionssemantiken gegenüber diesen Gruppen, suchte, vielfach eher in abschreckender Rhetorik als in administrativer Konsequenz, unerwünschte Fremde und Arme vom eigenen Territorium fernzuhalten.40 36 Reinhard 1999, S. 31–405. 37 Geremek 1988, S. 153–284; Rheinheimer 2000, S. 91–115; Gutton 1973; Slack 1988; Stekl 1978; Rheinheimer 1996. 38 Dinges 1988; Fischer 1979; Jütte 1984; Sievers u. a. 1994. 39 Jütte 1995; Schnabel-Schüle 1995. 40 Geremek 1988, S. 274–284.

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Viertens: Den auch zeitlich spätesten Typus stellt der moderne Verfassungsstaat dar. Er ging im Verlauf des 19. und 20. Jh. bekanntlich eine besonders enge Verbindung mit Demokratie und Nation ein, sodass der demokratische Nationalstaat seit 1918 sich zum Normbild legitimer politischer Herrschaft entwickelt hat, auch wenn die konkrete Durchsetzung demokratischer Verhältnisse viel langsamer verlief und erst 1945 und dann nach 1989/90 in Europa größere Fortschritte machte.41 Er ist aufs Engste mit der Auflösung hierarchischer und korporativer Gesellschaftsstrukturen verbunden. Damit wurde das Individuum ‚staatsunmittelbar‘, Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft wurden zentrale Bezugspunkte der Fremdenpolitik.42 Er befreite breite Teile der unterständischen und zugewanderten bzw. nicht-christlichen Bevölkerung von Bevormundungen, Kontrollen und Beschränkungen, welche ihnen der Territorialstaat im engen Bündnis mit Kirchen und Ständen auferlegt hatte. Mit Rechtsgleichheit, Freizügigkeit und freier Lohnarbeit einerseits, politischer Partizipation andererseits verschoben sich im 19. Jh. zentrale Referenzpunkte für die weitere politische Behandlung von Fremdheit. Gleichzeitig rückte der liberale Rechts- und Verfassungsstaat des 19. Jhs. immer näher an den Einzelnen heran, sowohl das Meldewesen als auch die amtliche Statistik begleiteten als zentrale Verwaltungsinstrumente ganz entscheidend diese Prozesse der Mobilisierung der Bevölkerung für staatliche bzw. nationale Belange.43 Im Wechselspiel mit den enorm gesteigerten Verkehrs- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten der letzten zweihundert Jahre entfaltete sich auch die raumgestaltende Kraft der Nationalstaaten: Genutzt wurde diese Ressourcensteigerung von den politischen Regimen des 20. Jhs., welche denn auch die sozialräumliche und wirtschaftspolitische Optimierung der Bevölkerungsverteilung im eigenen Territorium anstrebten und schließlich sogar die professionellen, demographischen und genetischen Qualitäten der eigenen Bevölkerung in dem eigenen Territorium zu steuern suchten.44 Auf der Grundlage des liberalen Rechtsstaatsmodells etablierten sich im Verlauf des 19. Jhs. neue Handlungsformen des Staates. Angesichts der Übernahme immer weiterer Aufgaben der Daseinsvorsorge für seine Bürger gewann die rechtliche Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen und Ausländern zusehends größere Bedeutung.45 Im Ergebnis blieben Fremde von den sozialen und politischen Rechten des Nationalstaats ausgeschlossen. Aufgrund ihres Status als Ausländer wurden sie auch in ihren wirtschaftlichen Rechten eingeschränkt (Zugang zu Grundeigentum, Berufswahl usw.). Typischerweise wurde mit dem Anstieg des Nationalismus im ausgehenden 19., frühen 20. Jh. ihr Status in vielen Staaten Europas immer prekärer, wenn sie nicht durch ent41 42 43 44 45

Reinhard 1999, S. 405–479; Schulze 1994, S. 209–317. Vgl. hierzu: Grimm 1991; Gosewinkel 2001; Noiriel 1991. Noiriel 2001, S. 309–348; Torpey 2000. Rosental 2003; Kevles 1985; Weindling 1989; Broberg u. a. 1996; Pedersen 1993. Vgl. Sachße u. a. 1988ff., Bde. 2 und 3; Baldwin 1990; Alber 1987; Ritter 1979; Leibfried u. a. 1992; Mommsen 1982; Reulecke 1995.

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sprechende Verfahren der Naturalisation zu Staatsangehörigen gemacht wurden. Die Tyrannei des Nationalen mit entsprechenden Wellen von Fremdenfeindlichkeit, Spionagehysterie und Pogromen erreichte zwischen 1890 und 1950 ihre radikalsten Ausprägungen in Europa. Die Ausweitung sozialer Grundrechte auf Fremde bzw. Ausländer vollzog sich in einem späteren Prozess, der zunächst im Wesentlichen aus der Eigendynamik der neuen Rechtsinstitute sozialer Pflichtversicherung und deren privatrecht­ lichen Ansprüchen resultierte, dann aber im Zuge der Arbeitsmigration nach 1945 und vor dem Hintergrund von Völkermord, Zwangsarbeit und Ausländerdiskriminierung im NS-Regime zu einer Ausweitung sozialer Mindestrechte (noch keineswegs Gleichstellung) der Fremden bzw. Ausländer und deren allmähliche rechtliche Gleichstellung mit den Inländern führte.46

3.3 Der Faktor R eligion 47 Mit Kult und Religion ist – aus systematischer Sicht – eine von Herrschaft und Demographie völlig unabhängige, in der Praxis freilich mit denselben vielfach verquickte Sphäre anzusprechen. Vor allem in politischen Verbänden, in denen Zugehörigkeit stark, wenn nicht primär, kultisch-religiös definiert ist (also der Regelfall in unserem Untersuchungsraum bis ins 19. oder frühe 20. Jh.), vermögen kultische Praxis, theologische Überzeugung und ethisch-religiöse Traditionen das radikalste Potenzial sowohl zur In- als auch zur Exklusion von Fremden zu entfalten. Exemplarisch verdeutlichen dies zwei Abbildungen des Buchcovers: zum einen die weitgehende Überwindung rechtlicher Fremdheit durch die gemeinsame Verehrung der heimischen Gottheit(en), sofern nur Zugang zum gemeinsamen Gebet und Anteil am öffentlichen Kult gewährt werden, wie es der Fries aus dem Alten Ägypten veranschaulicht; zum anderen die Verweigerung des Aufenthalts in einem bestimmten Territorium infolge religiöser Differenz, wie durch die nach der Reconquista aus kastilischen Städten weichenden Juden dargestellt ist. Während Religion praktisch alle Lebensbereiche beeinflussen kann, beschränkt sich der hier vorliegende Abschnitt auf eine Annäherung an die wichtigsten religiösen As46 Bommes 1999, S. 175–219; Eichenhofer 1998; Schulte 1997. 47 Zu Ausgaben griechischer oder lateinischer Autoren siehe Kapitel 3, Anm. *. Zu deutschen Übersetzungen alt- und neutestamentlicher Schriften vgl. das Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft, URL: http://www.die-bibel.de/online-bibeln/ueber-die-online-bibeln/ (07.03.2014). Zu Erläuterungen, wissenschaftlichen Kommentare und weiterführender Literatur vgl. Michaela Bauks/Klaus Koenen (Hg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. Alttestamentlicher Teil (WiBiLex [AT]), Stuttgart 2005ff., URL: http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ (07.03.2014). Zum deutschen und lateinischen Text des Corpus Iuris Canonici vgl. URL: http:// www.codex-iuris-canonici.de/indexdt.htm> (07.03.2014). Eine Synopse von fünf Übersetzungen des Korans ins Deutsche, darunter die von Paret 1979, ist hier zugänglich: URL: http:// www.ewige-religion.info/koran/ (07.03.2014).

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pekte, welche sich normierend auf den Umgang mit Fremden bzw. die Generierung von Fremdheit oder aber Zugehörigkeit erwiesen haben. Im Zentrum des Interesses stehen mithin Aussagen religiöser Autoritäten einerseits zu Fremdheit allgemein, etwa zu anderen Göttern, Kultformen oder auch Moralvorstellungen, und andererseits konkreter zum Umgang mit fremden Personen wie Bettlern, Sklaven, Reisenden und ethnischen Minderheiten. Der Untersuchungsraum dieses Handbuches ist seit der Spätantike von den drei abrahamitischen Religionen dominiert worden. Deren älteste, das Judentum, ist seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden im Mittelmeerraum präsent, und die beiden jüngeren, Christentum und Islam, dominieren denselben seit über anderthalb Jahrtausenden konkurrenzlos. Dennoch darf die lange Phase nicht außer Acht gelassen werden, in der polytheistische Kulte und Religionen in der europäisch-mediterranen Welt vorherrschten. Deren zum Teil weiterwirkenden Einflüsse auf die religiöse Bewertung und Wahrnehmung von Fremden sollen deshalb am Anfang stehen. Zum Einstieg sei auf den göttlichen Schutz des Gastfreundes hingewiesen, den man als mediterranes Gemeingut betrachten kann. Das Gebot zur Beherbergung oder Versorgung Fremder ist im Alten (z. B. Gen 18,1–8) und Neuen Testament (z. B. Mt 25,35.40) oder im Koran (Sure 9,60; 11,79; 12,32.60) zu finden. Für eine der Genesis vergleichbar radikale Ausformulierung wird man aber eher in der Literatur des klassischen Griechenland fündig, so etwa in der Tragödie Hekabe des Euripides (ca. 424 v. Chr.): König Agamemnon gestattet darin der nunmehr versklavten, ehemals verfeindeten trojanischen Königin, grausame Rache am verräterischen Gastfreund Polymestor für die Ermordung ihres Sohnes Pythodoros zu nehmen, nämlich seine Kinder zu töten und ihm die Augen auszustechen. Polymestor hatte offenbar gegen ein göttliches Gebot verstoßen, nahm sich doch niemand Geringeres als Zeus, der höchste der Olympischen ­Götter, des Schutzes nicht nur von Gastfreunden, sondern des Fremden schlechthin an, wie seine Epiklese Xenios zum Ausdruck bringt.48 Andererseits ist für die klassische Antike von einer sehr engen Verbindung von Bürgerschaft, städtischem Territorium und spezifischen Götterkulten auszugehen. Dies schließt den Fremden zunächst von der örtlichen kultischen Gemeinschaft aus. Seit den Anfängen der Poliskultur im frühen 1. Jt. v. Chr. spielte die Einbeziehung der Bürgerschaft in den befestigten Raum der Stadt eine ebenso wichtige Rolle wie der Einschluss in den existenziellen Schutz, den bestimmte Götter der Polis im Gegenzug für die Verrichtung kultischer Dienste gewährten. Jede Stadt traf die Auswahl der in ihr offiziell verehrten Götter prinzipiell autonom und setzte sich so ein – über die Zeiten durchaus flexibles – individuelles Pantheon zusammen. Die Erweiterung um eine neue Gottheit basierte in der Regel auf einem Beschluss der Volksversammlung über die Bestimmung eines heiligen Ortes (temenos), der Bestellung des Kultpersonals, der Ordnung öffent48 Vgl. bes. Kapitel 3 mit Anm. 1 zu Zeus Xenios.

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licher Feste und der materiellen Ausstattung. Das städtische Territorium wurde nach und nach von heiligen Stätten durchzogen. Aber auch die Unterteilung der Bürgerschaft in Phylen und Geschlechter ging mit der Zuweisung eines je spezifischen Götter- und Heroenkultes einher, und politische Aktivitäten waren regelmäßig mit Opfern an bestimmte Stadtgötter verbunden. Grundsätzlich waren der Einschluss in den Kult, der Anteil am Opferfleisch zu den Hauptfesten sowie das Mitbestimmungsrecht über die Verwendung von Tempelschätzen eifersüchtig gehütete bürgerliche Ehrenprivile­ gien. Aus politischen oder ökonomischen Gründen konnte eine Volksversammlung indes beschließen, Fremden – wie etwa den ortsansässigen Metöken oder Festgesandten aus befreundeten Städten – in begrenztem Maße Anteil an Kulthandlungen zu gewähren, nicht aber an der Verfügungsgewalt über ein Heiligtum.49 Aus dieser engen Verbindung von Bürger- und Kultgemeinde ergibt sich wiederum der Gedanke, dass Religionsfrevel oder kultische Verunreinigung die gesamte Gruppe der Bürger und ihr Territorium gefährdeten. Dies ist ein gängiges Motiv des griechischen Mythos. Im Beispiel des Ödipus Tyrannos von Sophokles (429 v. Chr.) wird die ganze Stadtgemeinde von einer Seuche heimgesucht, und erst die an sich selbst vollzogene Bestrafung des Königs versöhnt die Götter und bringt Heilung. Wenigstens zum Teil einer ähnlichen Logik folgt der Asebie-Prozess, d. h. die gerichtliche Belangung wegen ‚Unfrömmigkeit‘, deren bekanntestes Opfer im klassischen Athen Sokrates wurde (399 v. Chr.). Ebenso war es für die Römer eine Selbstverständlichkeit, Maßnahmen gegen die Bedrohung der mit der politischen untrennbar verbundenen kultisch-religiösen Ordnung zu unternehmen. Dies belegen etwa der Senatsbeschluss zur Unterbindung der orgiastischen Umtriebe von Bacchus-Verehrern (186 v. Chr.) oder wiederholte Ausweisungen von Juden und Chaldäern aus Rom vom 2. Jh. v. Chr. bis zum 1. Jh. n. Chr.50 Trotzdem stellt das imperiale Rom bzw. das mediterrane Reich der Römer einen historischen Sonderfall dar. Wenngleich alle genannten Prinzipien auf lokaler Ebene fortwirkten, brachten die außergewöhnlich hohe Mobilität von Personen, Waren und Vorstellungen unter römischer Herrschaft eine kultisch-religiöse Konstellation hervor, deren Vielfalt bei gleichzeitig relativ geringem Konfliktpotenzial für die Zeit vor dem 20. Jh. singulär war. Wichtige Voraussetzung hierfür war die Flexibilität von Kult und Mythologie, die neue Strömungen oftmals in bereits Bestehendes zu integrieren oder auch schlicht zu ignorieren (und dadurch Reibung zu vermeiden) vermochten. Eindrucksvollstes Beispiel ist hier die göttliche Verehrung des lebenden Kaisers, seiner Angehörigen und seiner verstorbenen Vorgänger, welche die lokalen und regionalen Kultlandschaften seit 49 Burkert 1995; Naso 2006; Blok 2010. Siehe auch Kapitel 3, Abschnitt 2.2 (a). 50 Dreßler 2010; Lefka 2014; Pailler 1988; Riedl 2012. Valerius Maximus 1,3,3f.; Tacitus, Annales 2,85,4. Zudem Noy 2000, S. 37–47, 50–52; Ricci 2005, S. 20–22; Coşkun 2009a, S. 122–124 mit Anm. 386; Engels 2013b, S. 122–126.

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der Alleinherrschaft des Augustus tief durchdrangen und weiterentwickelten. Ein zweites Charakteristikum ist die Prosperität privater Kultverbände bzw. sich mit eben diesen weitgehend überlagernden Mysterienreligionen, welche ihre Verankerung immer seltener im Rahmen eines städtischen Pantheons hatten, sondern individualistisch ausgerichtet waren. Bedeutendste Vertreter dieses Phänomens waren seit alters her Demeter- und Dionysos- bzw. Bacchus-Mysterien sowie in der Kaiserzeit zunehmend Vereine zur Feier orientalischer Gottheiten wie der Isis oder des Mithras. Gnosis, Christentum und Manichäismus teilten viele Züge dieses Trends, unterschieden sich aber vor allem in ihrer henotheistischen oder dualistischen Ausprägung, welche im Zusammenwirken mit ihrer kultisch-religiösen Umwelt großes Konfliktpotenzial barg.51 Freilich wäre es problematisch, den modernen Begriff der religiösen Toleranz auf das Imperium Romanum zu übertragen. Die Idee, dass abweichende religiöse Vorstellungen oder kultische Praktiken grundsätzlich schützenswert seien – vom Anspruch auf Gleichbehandlung durch die öffentliche Hand ganz zu schweigen –, ist so in der Antike nicht nachweisbar: Die Apologetik sowohl der Christen in der Hohen Kaiserzeit als auch der Heiden während der Spätantike versuchte, einerseits Freiheit und Zwanglosigkeit in der Wahl der Religion (und zwar vor allem der eigenen) einzufordern, andererseits Wahrheitsgehalt, Nutzen oder Würde des eigenen Glaubens gegenüber der staatlichen Autorität zu verteidigen.52 Eher zutreffend ist ein Beschreibungsversuch, nach dem Kultpraktiken und Glaubensangebote in einem Wettbewerb miteinander standen, der keineswegs immer gleichberechtigt, gewaltlos oder frei von Selbst- oder Fremdethnisierung ausgetragen wurde. Die Schilderung des Widerstandes der Silberschmiede der Artemis von Ephesos, auf den Paulus laut Apostelgeschichte stieß (Apg 19,23–40), illus­ triert die Bedrohung zum einen ökonomischer Interessen, zum anderen der gesellschaftlichen Identität, welche der Erfolg der christlichen Bewegung zulasten des tief verwurzelten Artemis-Kultes mit sich bringen mochte.53 Besondere Bedeutung für den Umgang mit Fremden haben schließlich auch die religiösen Vorstellungen von Reinheit bzw. Unreinheit. Grundsätzlich ist die Sorge vor kultischer Verunreinigung ein Phänomen, das nahezu die gesamte Religionsgeschichte durchzieht. Die Griechen sprachen von miasma, die Römer von pollutio, welche durch eine Vielzahl von Berührungs- oder Speiseverboten verhindert werden sollten. Wohl am weitesten verbreitet sind Vorstellungen der durch Geschlechtsverkehr oder die weibliche Monatsblutung zustande kommender kultischer Verunreinigungen. Besondere 51 Siehe Kapitel 3, Abschnitt 2.2 (a), sowie Price 1984; Clauss 1999; Cancik u. a. 2003; Gradel 2004; Coşkun 2009b und Burkert 1987; Engster 2002; Beck 2006; Bonnet u. a. 2006. 52 Vgl. Cancik 2009 und Engels 2013a, S. 273–278, 280–285, zur Abgrenzung der Konzepte ‚Interpretatio‘, ‚Synkretismus‘ und ‚Toleranz‘ bzw. zu Polemik und Apologetik. Zu Letzterer vgl. z. B. Tertullian, Apologeticus, etwa 24,6 zur libertas religionis als ius humanum (2. Jh.); Symmachus, Relatio 3 (4. Jh.), mit Klein 2006; sowie Libanios, Pro Templis (4. Jh.), mit Nesselrath 2011. 53 Vgl. Engels u. a. 2014; auch Engster 2002; sowie Rogers 2012 zu Artemis.

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Aufmerksamkeit galt den Gefahren kultischer Verunreinigung im Fall priesterlicher Handlungen, wofür man etwa auf die Kleidungsvorschriften und Tabus für den römischen rex sacrorum und die flamines verweisen kann, einschließlich der Regeln für ihre Frauen. Griechen und Römer räumten in vielen Fällen die Möglichkeit einer rituellen Reinigung ein (katharmos bzw. lustratio). Dementsprechend wurde etwa die Todesstrafe wegen kultischer Verunreinigung zumindest unter normalen Umständen selten angewandt; ein typischer Fall war freilich die Einmauerung unkeuscher Vesta-Priesterinnen bei lebendigem Leib.54 Naturbedingte, unausweichliche pollutio wie Monatsblutung oder Todesfälle im eigenen Haus waren relativ leicht zu reinigen, während moralisch konnotierte, d. h. frei gewählte Verunreinigungen aufwendigere Entsühnungen nötig machten – bis hin zur Tötung der Befleckten durch die Gemeinschaft. Insofern gingen von den religiösen Vorstellungen von Reinheit in der griechisch-römischen Welt keine Impulse zur Entfernung oder Segregation kultisch Fremder aus. In die antiken Kultformen ließ sich der sich langsam herausbildende jüdische Monotheismus bekanntlich nicht ohne interne Spannungen und äußere Konflikte einordnen.55 Vor allem der Umgang mit ‚fremden‘ Kulten stellte sich als komplexes Problem dar, das wiederum vielfältige Auswirkungen auf religiöse Gebote für den Umgang mit Fremden hatte. Doch sei auch hier zunächst ein wichtiger Inklusionsfaktor genannt. Wir haben ja bereits darauf hingewiesen, dass auch die Schriften des Alten Testaments das religiöse Gebot der Gastfreundschaft kennen. Sie steigern es sogar bis zur Verpflichtung zum Schutz des Fremden, ja der Fürsorge für ihn (Ex 22,20; 23,9; Dtn 10,18; 14,29; 26,12), am deutlichsten in Lev 19,33–34: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. / Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Fremde immer wieder als „sozial minderprivilegiertes Glied der israelitischen Gesellschaft“ auftreten.56 Vielfach scheint es um sozial abhängige Personen zu gehen, welche wohl selbst keine Israeliten sind, sondern lediglich im Dienst eines solchen stehen: Auch ihnen kommt die Sabbatruhe zu – wohl als ein Recht, das ihnen Anteil an dieser Wohltat gewährt, aber doch zugleich

54 Vgl. z. B. Parker 1983; Lennon 2013. Zur Verunreinigung durch Geschlechtsverkehr oder Menstruation vgl. z. B. Lev 20,18; Sure 2,222; Angenendt 2010, S. 59f. 55 Genauer wäre zunächst von ‚Henolatrie‘ (griech. heis – ‚eins‘ und latreia – ‚Dienst, Sklaverei‘) zu sprechen, welche die Existenz mehrerer Gottheiten voraussetzt, aber nur die Verehrung eines einzigen Gottes erlaubt. Zur Terminologie vgl. z. B. Bauks 2009ff. Zu Ursprüngen und Wirkungen des Ein-Gott-Glaubens in welthistorischer Perspektive vgl. die kontroversen Titel Assmann 2010; Mitchell u. a. 2010; Angenendt 2006. 56 Vgl. z. B. Zehnder 2009, Abs. 3.1.2 und 3.1.4; Rendtorff 1996, bes. S. 78–81.

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auch als eine Pflicht, um sicherzustellen, dass das Einhalten der Sabbatruhe durch die Gemeinschaft der Israeliten ungestört und Gott wohlgefällig sei.57 Immer wieder stellt sich die Frage, wie der Fremdheitsbegriff der Thora – in den zitierten Passagen zumeist ger im Hebräischen –58 überhaupt definiert ist. Zumeist scheint ger einen niedergelassenen Ortsfremden zu bezeichnen, in der Regel einen Nicht-Israeliten. Ein aktives Bekenntnis zu Jahwe schließt dies aber keineswegs aus, sondern es ist im Gegenteil oft sogar vorausgesetzt. Mit ger konnten auch eingeheiratete Ägypter oder deren Söhne von israelitischen Frauen bezeichnet werden. Die dauerhafte Eingliederung in das Volk Israel setzte wohl einerseits die Beschneidung, das zentrale Erkennungs­zeichen des Bundes mit Jahwe (Gen 17,9–14), voraus,59 führte aber andererseits selbst für den beschnittenen ,Mischling‘ nicht dazu, nicht mehr als Fremder bezeichnet zu werden. So wird dem Fremden zwar ‚großzügig‘ die Teilhabe am Pessach-Mahl erlaubt, aber eben doch nur unter der Bedingung seiner Beschneidung (Ex 12,49).60 Wenngleich es an Unbeschnittenen unter den im Lande Israel Niedergelassenen nicht fehlte,61 war der Erwartungsdruck zur Bekehrung und Anpassung bis hin zur Beschneidung offenbar sehr groß. Demgegenüber bleibt der nakri bzw. ben nekhar vom Pessach-Mahl grundsätzlich ausgeschlossen (Ex 12,43). Dieser ‚Ausländer‘ gilt als der ‚entferntere‘ Fremde, der jedenfalls in der Regel nicht ansässig war, sondern oft ein durchreisender Kaufmann oder Handelspartner. Assimilationsbemühungen wurden von ihm nicht erwartet, wenngleich ein für ­Israeliten religiös anstößiges Verhalten tunlichst zu vermeiden war.62 Zumindest für den ger wird immer wieder die gleiche Behandlung vor Gericht gefordert (z. B. Dtn 1,16). Eine gleiche Bestrafung bei Körperverletzung oder Totschlag schreibt Lev 24,17–22 vor.63 Einbeziehung in das Talionsrecht bedeutete zum einen Schutz vor noch schwerwiegenderen Racheakten an den Tätern oder ihren Angehörigen, zum anderen auch einen Anspruch des Fremden auf gleichwertige Ahndung selbst erlittener Verletzungen. Eine solche Norm stellt den strafrechtlichen Schutz von Me57 Ausführlicher zu den ambivalenten Motiven vgl. Zehnder 2005, S. 313f.; Zehnder 2009, Abs. 3.1.2 und 3.1.3.1. – Nicht ganz sicher ist, ob das Gebot der Ruhe öffentlicher Amtsträger am dies Solis, das erstmals durch Constantin im Jahr 321 n. Chr. belegt ist (CJ 12,3,2), in dieselbe ambivalente Traditionslinie zu stellen ist. Demgegenüber richtet sich der Aufruf, den Handel zum Freitagsgebet niederzulegen, nur an gläubige Muslime (Sure 62,9). 58 Vgl. Rendtorff 1996; Zehnder 2009, Abs. 2.1 und 3.1–4. 59 Vgl. Zimmermann 2009ff. 60 Vgl. auch Zehnder 2009, Abs. 3.1.3.2. – Unklar ist, ob die Beschneidung des Fremden auch im Sinn von Dtn 16 Bedingung für die Teilhabe am Pessach-Fest war. Ausdrücklich wird diese nur für das Pfingst- und Laubhüttenfest gefordert, wofür kein Verzehr von Opferfleisch genannt wird (16,11.14). 61 Vgl. z. B. Lev 25,39–46; auch Ez 44,7–9. 62 Zehnder 2009, Abs. 2.2 und 3.2; auch 3.1.3: „In der Tendenz bedeutet das praktisch, dass der Fremdling in der Regel in die Verbote einbezogen und von den Geboten dispensiert wird.“ 63 Num 35,1–34.

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töken in griechischen Poleis, von Romanen in germanischen Königreichen oder von Nichtmuslimen im Koran weit in den Schatten; sie geht selbst über den napoleonischen Code civil hinaus, welcher die Gleichberechtigung unter den Vorbehalt eines bilateralen Abkommens mit dem Herkunftsland stellt.64 Andererseits sind Fremde auch bei religiösen Vergehen gleichen Strafandrohungen wie Israeliten ausgesetzt (z. B. Lev 17,1–9, bes. 8; 22,17–33, bes. 18; Num 15, bes. 14–16; Ex 12,14–28, bes. 19; Lev 17, bes. 12 und 15).65 Im Kontrast zur Inklusionsbereitschaft gegenüber dem ger werden aber die Volksstämme fast aller Nachbarn der Israeliten oder die Vorbewohner ihres Landes grundsätzlich oder bis in die zehnte Generation aus der Gemeinde verbannt (Ex 23,23–33; Num 33,50–56; Dtn 7). In Ex 34,11–16 wird deutlich, wie bestimmte militärische Feindgruppen zugleich als Gefahr für die kultische und moralische Reinheit der Israeliten betrachtet werden: „(11) Siehe, ich vertreibe vor dir die Amoriter, Kanaaniter, Hethiter, Perisiter, Hiwwiter und Jebusiter! […] (13) Ihr sollt ihre Altäre niederreißen, ihre Weihesteine zertrümmern und ihre Kultpfähle umhauen! (14) Denn du sollst keinen fremden Gott anbeten! Der Herr heißt nämlich ‚Eifersüchtiger‘ und ist ein eifernder Gott. (15) Darum darfst du mit den Landesbewohnern keinen Bund schließen. Sie treiben ja hinter ihren Göttern her Unzucht und opfern ihnen und laden auch dich dazu ein, dass du von ihrem Opfermahl genießest. (16) Aus ihren Töchtern darfst du für deine Söhne keine Frauen nehmen; denn diese buhlen hinter Göttern her und bringen auch deine Söhne dazu, hinter ihren Göttern her Unzucht zu treiben.“66 Von diesen religiösen Weisungen ist es kein weiter Weg zu den großen Vorbehalten, welche alle drei abrahamitischen Religionen samt den aus ihnen hervorgegangenen Konfessionen gegen Mischehen hatten und bis heute haben. Sofern diese Praxis nicht ganz unterbunden wird, sind die jeweiligen Regulierungen zumindest auf die Sicherung der Glaubenskontinuität unter den Kindern bedacht – ein Exklusionsmechanismus, welcher der polytheistischen Geisteswelt der klassischen Antike fremd ist.67 Der Absolutheitsanspruch des Glaubens an Jahwe, verstärkt durch Vorstellungen von der eigenen Reinheit bzw. der Unreinheit der anderen, begünstigt also weitgehend 64 Siehe Kapitel 3 mit Anm. 62 zu den Athener Metöken; Kapitel 4 mit Anm. 35–39 zum fränkischen Wergeld; Kap. 9 mit Anm. 25 zum Code civil. Vgl. auch die Unterscheidung zwischen der Tötung von Gläubigen und Ungläubigen im Koran, Sure 4,92f.; 17,33. 65 Vgl. Zehnder 2009, Abs. 3.1.3. – Abweichend erlaubt Dtn 14,21 dem Fremden etwa Aasverzehr, ja sogar dem Juden den Verkauf von Aas an Fremde. 66 Vgl. z. B. auch Zehnder 2009, Abs. 3.3. – In solchen Formulierungen könnte sich die starke Abschottung von den Nachbarvölkern im Zuge der ethnischen Neukonstituierung der Juden nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil in der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. widerspiegeln. Vgl. z. B. Esra 9; Neh 13,1–3; Rendtorff 1996, S. 86f.; Smith-Christopher 1996, bes. S. 121–127. 67 Siehe Kapitel 8, Abschnitt 3; und vgl. z. B. das Corpus Iuris Canonici (1983), Kanones 1086, 1125– 1129. Vgl. demgegenüber die Dominanz des Sozialen und Politischen in der Ehegesetzgebung bis in die Spätantike: Kapitel 3, Abschnitt 2.2 mit Anm. 30; Abschnitt 3 mit Anm. 56; Kapitel 4, Abschnitt 3.2.

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eine endogame Praxis, wobei alle drei Faktoren zusammen in einer weitgehenden Kongruenz von Volk und Religionsgemeinschaft der Juden resultieren. Hier ist an den hebräisch-jiddischen Ausdruck goj (wörtlich zunächst ‚Volk‘) zu erinnern, der die Zugehörigkeit zu einem der nicht-israelitischen bzw. nicht-jüdischen Völker, hebräisch ha gojim, zum Ausdruck bringt. Dem entsprechen ta ethne in der griechischen Septuaginta bzw. gentiles in der lateinischen Vulgata, wobei Letzteres in der frühchristlichen Literatur synonym mit pagani – ‚Heiden(bewohner)‘ verwendet wurde.68 Ähnlich selbstethnisierende Züge kann man für den klassischen Islam in der engen Verbindung mit dem Arabertum festmachen. Daneben gibt es aber dezidiert supra-ethnische Semantiken, so vor allem die Einteilung der Weltgesellschaft in das ‚Haus des Islam‘ (dār al’islām) und das ‚Haus des Krieges‘ (dār-al-harb) bzw. die Unterscheidung der Untertanen des Kalifen einerseits in die ,Gemeinschaft der Gläubigen‘ (’umma al-mu‘minin) und andererseits die ‚Leute des Buches‘ (ahl al-kutab), die auf der Grundlage eines ,Paktes‘ (dimma) zu Schutzbefohlenen des Kalifen geworden sind.69 Eine weitere Folge der Verbindung von Reinheitsvorstellungen und Selbstethnisierung bzw. Identitätskonstruktion ist die oft pauschale Betrachtung Andersgläubiger als sündig und unrein, nicht nur bei Juden (auch Gal 2,15) und Muslimen (Sure 62,2), sondern auch bei Christen (Röm 1,18–32). Entsprechende Überzeugungen wirken beispielsweise in hochmittelalterlichen Verboten der Mahlgemeinschaft mit Nichtchristen nach. Zu fassen sind sie auch in Badeordnungen, welche eine Trennung nach dem jeweiligen Glauben vorsahen.70 Allerdings verdient ebenso Erwähnung, dass moderne rassistische Konstrukte auf der Grundlage biblischer Aussagen deren exklusives Potenzial anachronistisch verzerren.71 In jedem Fall entsteht der Eindruck, dass bei der Betrachtung eines Kollektivs von Fremden die Wahrnehmung der Bedrohung der eigenen Existenzgrundlage überwiegt, wobei gleichermaßen eine Gefährdung des Landbesitzes, der Monopolstellung des Kultes oder ganz allgemein der althergebrachten Sitten angenommen wird. Einzelpersonen gegenüber scheint indes eine viel größere Neigung zur Milde bestanden zu haben, was sich in den zahlreichen weiter oben angeführten Schutzbestimmungen gegenüber dem Fremden spiegelt.72 Neben der ethnisch-personalen Dimension der Religionsgemeinschaft verdienen aber auch territoriale Aspekte Berücksichtigung. Besonders im Fall Israels war (und 68 Die alttestamentlichen Schriften selbst unterscheiden aber noch nicht scharf zwischen ha goyyim und dem überwiegend auf Israel bezogenen ‘am (griech. laos). Vgl. z. B. Fishman u. a. 1985; Kreitzer 2008, bes. S. 73–84. Siehe auch Kapitel 5 zum Christentum. 69 Siehe Kapitel 6, Abschnitt 2, und Kapitel 7, Abschnitt 2.1 70 Siehe Kapitel 5, Abschnitt 3.4. 71 Sadler Jr. 2005. 72 Hinzuweisen ist auch darauf, dass ger meistens im Singular verwendet wird, vgl. Rendtorff 1996, S. 78.

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ist bis heute) die enge Verbindung des (Glaubens-)Volks mit dem laut Überlieferung ­‚Gelobten Land‘ hochgradig sakral aufgeladen (Gen 15,7–21; Ex 15,13–18). Diese Verbindung impliziert zugleich, dass die Nichtbeachtung der Reinheitsgebote, sei es durch einen Israeliten oder durch den „Fremdling in eurer Mitte“, den Verlust jenes Landes zur Folge haben kann. Sollten „Gräueltaten“ verübt worden sein, so haftet potenziell das ganze Volk. Nur die „Ausrottung“ des Gesetzesübertreters vermag den Zorn Jahwes zu besänftigen und die angedrohte Strafe zu verhindern (Lev 18,24–30; Num 15,30f.). Das inhärente Gewaltpotenzial dieser Überzeugung wird etwa durch die kompromisslose Verfolgung heterodoxer Kultpraktiken (jedoch nicht notwendigerweise abweichender Glaubensüberzeugungen) verdeutlicht: Genannt seien hier die Feindschaft der Judäer gegenüber dem Sonderheiligtum der Samaritaner auf dem Garizim oder, noch eindrucksvoller, der Guerilla-Krieg der Makkabäer gegen die hellenisierten Juden, die ­Zugeständnisse betreffs der göttlichen Verehrung des Seleukidenkönigs einzugehen bereit waren.73 Das antike Christentum entwickelte sich in kritischer Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Judentum und revidierte vor allem die scharfen rituellen Grenzziehungen gegenüber den Fremden. Nach anfänglichen Konflikten setzte sich in den christlichen Gemeinschaften die Überzeugung durch, dass Jesus persönlich die Reinheitsgebote aufgehoben habe, sei es für alle Christen oder zumindest für die Christen nichtjüdischer Abstammung (Mk 2,15; 5,25–34; Apg 10,9–23; Gal 2,11–5,12). Die moralisch-spirituelle Umdeutung von kultischer Reinheit durch die Kirche bedeutete, wenngleich sie nicht ohne Parallele im Judentum (Ps 15) oder in der stoischen Philosophie (Seneca, De beneficiis 1,6) war, eine radikale Abkehr von der Tradition. Vorstellungen von Reinheit und Unreinheit wurden zwar nicht vollständig aufgegeben; so blieb vor allem der Verzehr von Fleisch von Tieren, die heidnischen Göttern geopfert wurden, verboten; und manche noch heute gültige Regulierung von katholischem Priesteramt oder Kultvollzug wurzelt wenigstens zum Teil in antiken Reinheitsvorstellungen. Jedoch wurden die Gebote im Wesentlichen auf die ‚reine Gesinnung‘ bei allen Taten im Allgemeinen und bei sakramentalen Handlungen im Besonderen bezogen.74 Allerdings trug diese Bedeutungsverschiebung zu einer immer stärkeren Betonung der Heilsnotwendigkeit der christologischen Rechtgläubigkeit bei. Die Akzentuierung des sola fide durch Paulus (vgl. Röm 4,1–5; Gal 3,1–7) führte schon in apostolischer Zeit zu harten Auseinandersetzungen, die sich durch die Verbindung von religiöser und – ebenso auf Einheit bedachter – staatlicher Autorität seit Konstantin im frühen 4. Jh. im Streit um die arianische Häresie verschärfte, endgültig aber im Zeitalter der Kon73 Vgl. Kieweler 2012 und Lambers-Petry 2007. Zum Problem der Intoleranz siehe auch oben Anm. 55. 74 Vgl. Angenendt 2010; zudem das Corpus Iuris Canonici, Buch 4 (1983), z. B. Kanones 897–944 zur Eucharistie.

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fessionalisierung während des 16. und 17. Jhs. sein größtes Gewaltpotenzial entfaltete. Freilich kam hier als weiterer Faktor der Anspruch der vor allem religiös legitimierten Herrschaften auf die Reinhaltung ihres Territoriums hinzu.75 An beiden Entwicklungslinien hatten die islamischen Reiche Anteil, in denen Heterodoxie bisweilen und Apostasie fast immer blutig verfolgt wurde, aber gleichzeitig viele alttestamentliche Reinheitsgebote in vollem oder reduziertem Umfang fortlebten. Sichtbarster Ausdruck des hohen Stellenwertes der Reinheit ist bis heute die mehrfache rituelle Waschung vor jedem der fünf täglichen Gebete. Beschränkungen bei der Wahl von Partnern für Ehe bzw. Geschlechtsverkehr fallen ähnlich aus (Suren 4,15f.; 4,22–24; 24,2–10). Vor allem der Fleischverzehr ist vielfältigen Regeln unterworfen: Neben dem Ausschluss bestimmter als unrein geltender Tierarten werden viele Tötungsarten untersagt, woraus sich die Tradition des Schächtens entwickelt hat. Als halal bezeichnen Muslime rituskonform geschlachtetes Fleisch, das ‚rein‘ ist (und je nach Glaubensschule wird auch nach jüdischem Gesetz koscheres Fleisch als halal anerkannt). Inte­ressant etwa für die Bewertung der eigenen kulturellen Wurzeln ist aber, dass im Koran allenthalben die „Barmherzigkeit Gottes“ mit pragmatischen Ausnahmen von strikten Regeln gepriesen wird: So dürfe Aas oder selbst Schweinefleisch in Notfällen gegessen werden; und wo es an Wasser fehlt, könne man sich auch mit Sand waschen.76 Die drei abrahamitischen Religionen teilen eine ausgesprochene Neigung, die Nichtverehrung (ihres) Gottes, kultische Verunreinigung und unmoralisches Verhalten in eins zu setzen und mit gleichen Strafen zu ahnden. Das Gericht gegen Sodom und Gomorra (Gen 19,1–29) fügt sich ebenso in dieses Schema ein wie die Vertreibung der heidnischen Kanaanäer, die den Israeliten zu weichen hatten. Entsprechend richtet Jahwe das Wort an die Israeliten (Lev 20,23): „Ihr sollt euch nicht nach den Bräuchen des Volkes richten, das ich vor euren Augen vertreibe; denn all diese Dinge haben sie getan, sodass es mich vor ihnen ekelte.“ Die ursprünglichere Bedeutung der Reinheitsgebote in archaischer Zeit zeigt sich vor allem daran, dass sämtliche devianten Sexualpraktiken nach Lev 20,10–22 die Tötung der durch unstatthafte Berührungen Befleckten erfordert, ohne nach Wissen oder Vorsatz zu fragen. In diesen Punkten führten das Neue Testament und der Koran zu einer Ethisierung, welche weniger Taten als Gesinnungen ahndeten und durch die Möglichkeit von Reue und Vergebung zusätzliche Auswege vor harten Strafen eröffneten (z. B. Röm 3,21–31; Suren 3,135; 4,110–112). Schon eine Generation nach der Legalisierung des Christentums unter Konstantin beschnitten seine Söhne die bisherige religiöse Vielfalt massiv, indem sie traditionelle Opferkulte bei Todesstrafe verboten und Bischöfe, die sich dem von ihnen favorisierten Credo widersetzten, verbannten. Heterodoxe Christen verloren seit dem späteren 4. Jh. ihre bürgerlichen Rechte, und fast gleichzeitig sind die erste Vollstreckung eines Todesurteils 75 Siehe bes. Kapitel 4 und 8. 76 Suren 5,6 (Waschung) sowie 2,172f.; 5,3–5,96; 6,142–144; 16,66–69 (Tiere).

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an einem Häretiker und die systematische Zerstörung der Überreste paganer Kulte bezeugt. Im 5. Jh. verzögerte sich die Entwicklung aber dadurch, dass die sich neu etablierenden germanischen Herrscherhäuser meist semiarianischen Bekenntnissen oder heidnischen Praktiken anhingen. Erst die Taufe des Merowingers Chlodwig (ca. 499) läutete zumindest im lateinischen Westen den ‚Siegeszug‘ des Katholizismus ein. Unter den Karolingern begannen im 8. Jh. die noch engere Verbindung der fränkischen Herrschaft mit dem Papsttum, die Verdrängung omaijadischer Moslems aus Südgallien und Nordspanien sowie die militärische Niederwerfung und zugleich Christianisierung der Sachsen.77 Der enge Zusammenhang von Herrschaftssicherung bzw. -ausbau und Vereinheit­ lichung der Reichsreligion kam – zumindest dem Anspruch nach, weniger freilich in der viel komplizierteren Praxis – zu Beginn des 2. Jts. im weiteren Verlauf der Reconquista und der Kreuzzüge ebenso zum Tragen. Derselbe wirkte im 16. und 17. Jh. in den vom Habsburger Kaisertum erbittert geführten Kriegen gegen die Protestanten im Westen und die Osmanen im Osten Europas fort. Als Kehrseite derselben Medaille intensivierte sich die innere Schließung der christlichen Gemeinden im Hochmittelalter, was sich etwa in der zunehmenden Selbstdeutung christlicher Gemeinden als sakramentales Corpus Christi mysticum, in der Verbreitung christlicher Bruderschaften, aber eben auch in der Häufung von Judenpogromen äußerte.78 Die Forderung nach kultisch-moralischer Konformität – zumal unter vorrangig religiös definierten Gemeinschaften – ist im Grunde eine universelle Einstellung. Allerdings wirkte im mediterran-europäischen Raum seit der Spätantike vor allem das alttestamentliche Erbe fort, indem es, sei es unter christlichen oder islamischen Vorzeichen, dem dogmatischen, kultischen und kulturellen Freiraum von Zugehörigen und Fremden für weit mehr als ein Jahrtausend recht enge Grenzen setzte. Für die islamisch geprägten Teile des Mittelmeerraumes ist aber als signifikanter Unterschied die Duldung der ‚Buchreligionen‘ festzuhalten. Freilich waren (und bleiben) diese vielfältigen Einschränkungen unterworfen, darunter z. B. dem seit 850 bezeugten Verbot, neue Gotteshäuser zu errichten. In Nordwest-Europa bedurfte es der Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges, um Toleranz unter den christlichen Konfessionen zumindest ansatzweise auf den Weg zu bringen. Zum wirklichen Durchbruch gelangte dieses Prinzip aber oftmals erst im Zuge der Nationalstaatsbildungen des 19. und frühen 20. Jhs., allerdings immer noch nicht im Sinne einer religiösen Neutralität der Staatsgewalt, sondern zumeist eher als Gewährung von Mindeststandards bei praktischer Beibehaltung einer konfessionell geprägten Leitkultur.79

77 Siehe Kapitel 3, 4, 6, sowie Brown 1996. 78 Siehe Kapitel 5–8 sowie Angenendt 2006; Lubac u. a. 2007; Haverkamp 2006; Engels 2013a, S. 290–298. 79 Siehe Kapitel 7–10. Vgl. auch Schmidinger 2002, dazu die Rezension von Brüning 2003; Abou Al-Fadl 2002; Forst 2003; Engels 2013a, bes. S. 285–290.

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3.4 Der Faktor Gesellsch aft Soziologen wie Sozial- und Wirtschaftshistoriker haben immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass Grundmuster sozialer Arbeitsteilung und Ungleichheit ihrerseits die rechtlichen und politischen Umgangsformen mit Fremden beeinflussen. Aber dennoch hat sich der Weg zu einer systematischen Analyse der Zusammenhänge zwischen Grundmustern gesellschaftlicher Organisation und den Umgangsformen mit Fremden als sehr steinig erwiesen. Besonders fruchtbar, aber zugleich auch äußerst komplex ist dabei die vergleichende Analyse der Kategorien, mit denen die in diesem Handbuch behandelten Kulturen und Gesellschaften Fremde bezeichnet haben.80 Vor allem die Soziologie hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche systematischen Zusammenhänge zwischen Strukturprinzipien von Gesellschaften und deren Beziehungen zu Fremden bestehen. Typischerweise rücken dabei gegenwärtige bzw. neuzeitliche Gesellschaftsformen in den Vordergrund. Die wichtigsten Beiträge zu einer übergreifenden Kategorisierung mediterran-europäischer Gesellschaften seit der Antike haben Vertreter der Systemtheorie geleistet. So hat Niklas Luhmann drei idealtypisch chronologisch aufeinanderfolgende Grundstrukturen von Gesellschaft mit je spezifischen Modi der Inklusion und Exklusion von Fremden verbunden. In Antike und Mittelalter lassen sich mehr oder weniger nebeneinander segmentäre und stratifikatorische Ordnungsprinzipien von Gesellschaft beobachten, bevor dann in der Ständeordnung der frühen Neuzeit das stratifikatorische Ordnungsprinzip obsiegt. Mit den Umbrüchen hin zur Moderne setzt sich das Prinzip funktionaler Differenzierung als dominantes Ordnungsprinzip durch und ersetzt eine auf ständischer Ungleichheit beruhende Gesellschaft durch eine auf funktionalen Arbeitsteilungen zwischen Politik, Wirtschaft, Religion, Recht, Bildung usw. beruhende Gesellschaft. Rudolf Stichweh hat diesen Ansatz weiterentwickelt in Richtung auf eine Soziologie des Fremden, welche dieses an den Formen gesellschaftlicher Differenzierung orientierte evolutionäre Schema erheblich differenziert. Ausgangspunkt ist dabei die Verdichtung von Alterität zu Fremdheit als einer kompakten Zuschreibung, der dann wiederum eine konkrete soziale Gruppe zugeordnet wird. Erst auf dieser Grundlage entstehen spezifische Rollenzuweisungen und werden Fragen des Zugangs zu sozialen Verbänden, Kulthandlungen, Teilnahme an Modi der Vergemeinschaftung, Mitgliedschaft in Organisationen usw. möglich. Systematisch unterscheidet Stichweh fünf Gesellschaftstypen hinsichtlich ihres Umgangs mit Fremden: a) Gesellschaften ohne Fremde: Es handelt sich um Gesellschaften (z. B. Stämme), welche Fremde in das eigene System einverleiben. b) Gesellschaften, die Fremde zwar wahrnehmen, aber Fremdheit zum Verschwinden bringen, indem sie Fremde töten, adoptieren oder aber im Grenzfall als Sklaven in die eigene Sozialordnung eingliedern. c) Stratifizierte Sozialsysteme: 80 Stichweh 2010a.

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Diese seit den antiken Hochkulturen beobachtbaren Gesellschaften kennen elaborierte Semantiken der Fremdheit und entwickeln vielfältige Funktionszuweisungen für Fremde. In der Logik dieser ständisch gegliederten Gesellschaft übernehmen Fremde Aufgaben bzw. Funktionen, die nicht durch eigene Mitglieder erfüllt werden, sie sind zugleich ‚Lückenbüßer‘ und sie füllen ‚Statuslücken‘. d) Die moderne Welt funktional differenzierter Gesellschaften: Seit etwa 1800 reduzieren sich die vielfältigen graduellen Unterscheidungen immer mehr auf den binären Code von Inländern und Ausländern. e) Schließlich sieht Stichweh in der Gegenwart die Entfaltung einer Weltgesellschaft am Werk, in der die nationalstaatliche Unterscheidung an Relevanz verliert und kein einheitlicher Status von Fremden mehr existiert. Das kompakte soziale Objekt des Fremden verschwindet und an seine Stelle treten eine Vielzahl unterschiedlicher Rollenzuschreibungen, die eine Gemengelage von Inklusionen bzw. Exklusionen, aber keine eindeutige Zugehörigkeit oder Fremdheit mehr generieren. Eine solche idealtypische Klassifikation ist nun bei Stichweh nicht mehr als Stadienmodell realer historischer Entwicklung gedacht. Vielmehr ist für die Entwicklung von Gesellschaften die Tatsache prägend, dass zeitlich frühere Formen der Differenzierung weitergeführt werden, auch wenn bereits andere Modi der Vergesellschaftung dominant geworden sind: So lassen sich in einer solchen Perspektive im europäischen Mittelalter Formen segmentärer Vergesellschaftung neben ständischen Ordnungsbildungen sowie Formen funktionaler Organisation beobachten. Daraus ergibt sich aber wiederum, dass unterschiedliche Rollenzuweisungen und entsprechende Kategorisierungen von Fremden in ein und derselben Zeit und ‚Gesellschaft‘ zu finden sind. Der Faktor Gesellschaft hinterlässt dementsprechend weniger eindeutige Spuren als die Demographie oder selbst Herrschaftstypen. Es lässt sich für die europäisch-mediterrane Welt eher die Beobachtung machen, dass die Präsenz von Fremden, konkret von Migranten, in Formen geregelt wurde, welche älteren oder anderen Ordnungsmustern als den für die Mehrheitsgesellschaft sonst üblichen folgen. Bei der Betrachtung der sozialräumlichen Dimension von Fremdheit sind wir bereits auf Raumpolitiken gestoßen, welche dem Prinzip segmentärer Gesellschaftsordnungen folgen: Gettoisierung, Segregation, Ausweisung oder Aussperrung sind jedenfalls Regelungen, die weder den Prinzipien funktionaler Arbeitsteilung noch denen ständischer Ein- und Unterordnung entsprechen. Auch die soziologischen Studien zu den Zusammenhängen zwischen den historischen Semantiken von Fremdheit und den dominanten Ordnungsmustern der Gesellschaft belegen immer wieder, in welchem Maße das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, voran Religion und Herrschaft, mit den gesellschaftlichen Ordnungsmustern ausschlaggebend ist für die Durchsetzung bestimmter Kategorien. So ist der Erfolg des ‚Barbaren‘-Topos ohne die Etablierung des römischen Reiches kaum denkbar, die historische Karriere des universellen Menschheitsbegriffs als einer Inklusionsformel für Fremde wiederum ohne den Einfluss der monotheistischen Religionen nicht plausibel.

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4. R echts- und ver fassungsgeschichtliche Ent­ w ick ­l ungs­l inien l anger Dauer: Ink lusions- und Exk lusionsmuster von Fr emden in der Neuzeit Die Geschichte der rechtlichen Regelungen von Teilhabechancen für Zuwanderer bzw. Fremde im Europa der Neuzeit ist eine Geschichte von nachhaltigen Traditionen und institutionellen Kontinuitäten, aber auch von vielfältigen regionalen bzw. nationalen Unterschieden.81 Sie liegt den bewegteren kurzfristigen Geschichten der Fremden- bzw. Ausländerpolitik in den europäischen Ländern bzw. Regionen zugrunde und sorgt jenseits der starken konjunkturellen Schwankungen der Migrations- und Bevölkerungsgeschichte für Kontinuität. Das meint nicht, dass ein homogenes Bild entstünde, wenn man zu bestimmten Stichjahren die rechtlichen Regelungen vergleicht, die in Europa über die Ansiedlung von Fremden, ihre politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Rechte entschieden. Ganz im Gegenteil, bis in die jüngste Vergangenheit dominieren Vielfalt und Heterogenität. Auffällig ist nur, dass einige wenige Rechtsinstrumente und Rechtsbegriffe diese Vielfalt strukturieren. Sie wurden im Wesentlichen seit dem Mittelalter, verstärkt dann in der Neuzeit infolge der Rezeption des römischen Rechts entwickelt. Mit ius soli und ius sanguinis sind zwei Institutionen des neuzeitlichen Rechts benannt, welche die Rechtsstellung von Zuwanderern und Eingesessenen wesentlich geprägt und ihrerseits basale Unterscheidungen zwischen Bürgern und Nichtbürgern, Inländern und Ausländern, Fremden und Einheimischen generiert haben. Mit Territorial- und Abstammungsprinzip sind zwei grundlegende, sich ergänzende Optionen rechtstheoretisch und rechtspraktisch ausgestaltet worden, die es den Herrschaftsträgern und Gesetzgebern in Europa erlaubten, die Zufälligkeit und Vielgestaltigkeit räumlicher und sozialer Nähe und Fremdheit aufgrund von Migrationen einheitlich zu strukturieren und damit kalkulierbare Verhältnisse politischer Kontrolle bzw. Zusammengehörigkeit zu generieren. Indem die beiden Rechtsprinzipien Bezug nehmen auf Territorium und patrilineare Abstammung, wird zunächst einmal die Grundspannung zwischen Herrschaft bzw. dem sich herausbildenden modernen Staat und den familiären bzw. lokalen Gemeinschaften, später Gesellschaft, abgebildet. Gleichzeitig reflektieren Territorialitäts- und Abstammungsprinzip auch das Gewicht sozialräumlicher Zusammenhänge und familiärer, generationeller Zusammengehörigkeit. Beide Konzepte sind rechts- und politikgeschichtlich aufs Engste verknüpft zunächst mit dem Aufstieg des europäischen Territorialstaats, dann des europäischen Nationalstaats. Die Kombination beider Rechtsprinzipien ist typisch für die wechselnde Ausgestaltung der Staatsangehörigkeitsregelungen der europäischen Staatenwelt seit dem 19. Jh. geworden.82

81 Vgl. hierzu Raphael 2012. 82 Weil 2001.

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Für den Statuswechsel von Fremdheit zur Zugehörigkeit eines Untertans oder Gemeindebürgers, später dann eines Staatsangehörigen oder Staatsbürgers, sind wiederum zwei weitere Rechtsprinzipien in der Neuzeit von ausschlaggebender Bedeutung geworden, naturalisation und ius domicilii. Das Rechtsinstrument der ‚Naturalisierung‘ gab und gibt den Staaten, konkret zunächst den Fürsten, später dann Parlamenten und Regierungen, die Möglichkeit, aus Fremden Staatsangehörige zu machen. Es handelte sich dabei um einen politischen Willensakt, Ausdruck der Souveränität und – mit Blick auf den Fremden – einen Gnadenakt – mit übrigens weitreichenden rechtspolitischen Folgen im Ausländerrecht (fehlendes Einspruchsrecht und keine Offenlegung der Gründe) bis in die jüngste Vergangenheit. Die Naturalisation war in der Frühen Neuzeit in den meisten Fällen mit erheblichen Kosten verbunden und führte auch nur mit Einschränkungen zu einer rechtlichen Gleichstellung mit den übrigen Untertanen. Die Zahl derer, die davon Gebrauch machten, blieb begrenzt, es war ein Verfahren, das vor allem adelige Fürstendiener oder wohlhabende Kaufleute und Unternehmer inte­ressierte, die ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft in ein fremdes Land verlegen wollten.83 Die Stunde massenhafter Einbürgerungen schlug erst im ausgehenden 19. und dann im 20. Jh., als Staaten ein besonderes Interesse an der Vergabe der Staatsangehörigkeit mit allen Pflichten (voran dem Militärdienst) und Rechten an Migranten entwickelten. Das Domizilrecht wird gern vergessen, wenn es um die rechtliche Überwindung der Folgen von Fremdheit geht. Dabei hatte es bis weit ins 19. Jh. hinein zentrale Bedeutung, weil es die konkreten Rechte der Migranten in ihren Wohngemeinden regelte und in Form von entsprechenden Fristen (5- bzw. 10-jährige Anwesenheit) dem sozialen Faktum der (dauerhaften) Zuwanderung mit seinen Folgen wie (dauerhaftem) Wohnsitz, Gründung eines Hausstandes und Berufsausübung Rechnung trug. Der materiellrechtliche Gehalt des Niederlassungsrechts war bis weit ins 19. Jh. hinein viel relevanter für Migranten als die Folgen des ius soli. Das hängt damit zusammen, dass allein aus dem Rechtsstatus als Untertan eines Fürsten oder der Zugehörigkeit zu einem Territorium wenig folgte. Erst in dem Maße, wie der neuzeitliche Staat daranging, direkten Zugriff auf seine Untertanen zu erhalten und die vielen Sonderrechte der Zwischengewalten zurückzudrängen, wuchs die Bedeutung des Territorialitätsprinzips. Während bei ius soli und ius sanguinis Zugehörigkeiten über die Köpfe des Einzelnen hinweg bindend generiert werden, eröffnet das Niederlassungsprinzip dem Migranten Handlungsspielräume. Es ist wesentlich eine Inklusionschance, da es ihm den Erwerb von Rechten und den Wechsel des Status vom Fremden zum Mitglied der neuen Heimatgemeinde ermöglicht, ohne dass er bereits zu Anfang zwingend eine explizite rechtliche Entscheidung über seinen Statuswechsel erwirken muss, ihm später aber eine quasi automatische Legalisierung seiner Teilhabe an den Rechten und Pflichten eines Gemeindebürgers angeboten wird. Das Recht erlaubt hier besonders große Spielräu83 Siehe Kapitel 8, 10, 11; zu einzelnen Ländern: Herzog 2003; Sahlins 2004.

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me für die soziale und ökonomische Gestaltung je nach Interessen- und Bedürfnislage der lokalen Gemeinschaften und der dort eintreffenden und verbleibenden Fremden. Dies verweist wiederum auf die wechselnden demographischen Rahmenbedingungen, unter denen die Rechtsinstrumente zur Regelung von Zugehörigkeitsrechten Anwendung fanden. Die große Bedeutung des Domizilprinzips für die Regelung von Zugehörigkeitsrechten von Fremden ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass es zunächst allein, dann in der Neuzeit bis weit ins 19. Jh. hinein vorrangig die Gemeinden waren, welche über die rechtlichen Folgen des Zuzugs von Fremden entschieden. Öffnung und Schließung der lokalen Gemeinschaften für Neuankömmlinge spiegelt sich dementsprechend in den wechselnden Regeln wider, die von der rechtsfreien Duldung über die Verleihung minderer Rechte bis zur Aufnahme in den Bürgerstand reichten. In den spanischen Ländern zum Beispiel schlug sich die historische Ausgangssituation der Reconquista in der Rechtsfigur der vecindad nieder, mit der die rechtliche Zugehörigkeit zu einer lokalen (christlichen) Gemeinschaft mit entsprechenden Rechten und Pflichten bezeichnet wurde. Dieses kommunale Bürgerrecht entsprach den ursprünglichen Bedürfnissen von Zuwanderungsregionen des 12. bis 14. Jhs., welche nach der Eroberung des Territoriums und dem Wegzug eines Teils der muslimischen Bevölkerung christliche Neusiedler anlocken wollten und ihnen entsprechend großzügige Teilhaberechte anboten. Hier galt der Wille zur Niederlassung und damit zur Teilhabe an der lokalen Gemeinschaft als erfüllt, wenn man zehn Jahre ansässig war, dort Eigentum erworben oder geheiratet hatte. In diesem Fall beruhte die Vergabe des Bürgerrechts wesentlich auf dem sozialen Verhalten des Zuwanderers in Verbindung mit der Anerkennung durch die Gemeinschaft, nicht auf einer formalen Verleihung durch staatliche Autoritäten.84 Die Langlebigkeit der genannten Rechtsprinzipien darf natürlich nicht die Tatsache überdecken, dass die privat- und strafrechtlichen Folgen, die mit dem Status eines Fremden verbunden waren, sich im Verlauf der Neuzeit erheblich verändert haben. So kennen die Rechtsordnungen europäischer Gemeinden und Staaten bis ins 19. Jh. eine Vielzahl ständisch abgestufter Teilhabe- und Zugehörigkeitsrechte mit dem Ergebnis, dass Fremde sich in ganz unterschiedlichen Rechtsstellungen mit entsprechenden Folgen für ihre wirtschaftlichen, sozialen, politischen oder religiösen Handlungsspielräume befanden. Viele Arbeitsmigranten lebten als geduldete Fremde in Städten und Gemeinden, ihre Kinder erwarben geminderte wirtschaftliche und private Rechte als Schutzbürger oder Beisassen. Schließlich verfügten die Angehörigen fremder Religionen (Juden, Muslime), die sich dauerhafter an einem Ort niederließen, über spezifische Verträge, die häufig Privilegien mit Diskriminierungen verbanden. Auch dürfen nicht die Gruppen von zuwandernden Fremden vergessen werden, die angeworben worden waren und denen von den Herrschern entsprechende Privilegien verliehen wurden, welche sie vielfach gegenüber 84 Herzog 2003, S. 17–42.

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den übrigen Untertanen besserstellten: Hierfür sind die Hugenotten in BrandenburgPreußen oder die deutschen Siedler im russischen Zarenreich Paradebeispiele. Last but not least existierten Berufsgruppen, die aufgrund der Mitgliedschaft in spezifischen Institutionen an ihrem Wohnort rechtlich fremd blieben. Dies gilt zum Beispiel für Kleriker, Universitätsangehörige, Soldaten oder fürst­liche Amtsträger. Die Stellung Fremder in privat-, handels- oder sozialrechtlicher Hinsicht hängt wiederum aufs Engste mit der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der europäischen Länder zusammen. Besonders eng sind die Veränderungen der Zugehörigkeitsrechte Fremder mit dem Wechsel verbunden, der verfassungsgeschichtlich mit dem Übergang vom ‚Untertanen‘ (sujet, subject) zum Staatsbürger (cives, citoyen/bourgeois, citizen) verbunden ist. Der Übergang vom Untertanenverband zum Verfassungsstaat machte eine genaue Definition derer notwendig, die nicht von den in den geschriebenen Verfassungen festgelegten Rechten und Pflichten erfasst werden sollten. Staatsangehörige und Ausländer traten von nun an in verfassungsrechtlicher Perspektive immer deutlicher auseinander. Diese verfassungspolitische Differenzierung wurde umso relevanter, als mit der neuen Staatsangehörigkeit politische und soziale Beteiligungsrechte verbunden waren. Ungeklärt blieb dabei zunächst, wie die in den neuen Verfassungen garantierten Bürgerrechte von den allgemeinen Menschenrechten zu unterscheiden wären. Die Entwicklung des liberalen und demokratischen Verfassungsstaats ist deshalb eng verknüpft mit der Klärung der Frage, welche der neuen Schutz- und Freiheitsrechte allein den Staatsangehörigen und welche auch Ausländern, also Fremden zuständen.85 Daraus entwickelte sich eine wechselvolle Geschichte von Ausschluss und Einbeziehung Fremder in die verfassungsmäßig garantierten Schutz- und Freiheitsrechte. Bereits während der Französischen Revolution schlug das Pendel weit aus und führte dazu, dass der revolutionäre Begriff des citoyen zwischen naturrechtlich begründeter universalistischer Inklusion und scharfer Exklusion aller Feinde und Ausländer schwankte.86 Ob Ausländer wie Kinder und Frauen bis weit ins 20. Jh. hinein als Passivbürger zu betrachten seien oder nicht, blieb ein Thema, das die Verfassungsgeschichte der europäischen Länder bis zur Gegenwart beschäftigte. Der Weg von der Deklaration der Menschenrechte zu einklagbaren Rechtsansprüchen von Ausländern war aber generell steinig. Die Sicherung materieller Rechte erfolgte im Wesentlichen über das bürgerliche Recht und später dann über die Kodifikationen von Arbeits- und Sozialrecht. Über den Wechsel moderner politischer Regime – von den liberalen konstitutionellen Monarchien über die autoritären Diktaturen bis hin zur parlamentarischen Demokratie – entwickelte sich dabei die Staatsbürgerschaft (citizenship) zum zentralen Begriff, der Inländer und Ausländer voneinander unterscheidet.87 85 Schnabel-Schüle 2008b. 86 Wahnich 1997. 87 Gosewinkel 2001; Fahrmeir 2000; Fahrmeir 2007; Weil 2002.

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Im Verlauf der verfassungsrechtlichen Entwicklungen des 19. Jhs. wurde das auf rechtlich formloser Zuwanderung und Niederlassung beruhende Domizilsprinzip immer mehr zurückgedrängt zugunsten expliziter Aufnahmeverfahren. So gewährte der französische Staat nur noch bis 1889 Ausländern, die sich auf seinem Territorium niederlassen wollten, mit der admission à domicile einen besonders sicheren Rechtsstatus, der sie in ihren zivilen Rechten den Franzosen gleichstellte. Seitdem setzte er darauf, dauerhaft im Land lebende Ausländer zur Einbürgerung zu bewegen. Mit Blick auf die Beziehungen zwischen Sozial- und Rechtsgeschichte ist an dieser Stelle festzuhalten, dass Naturalisation und ius domicilii einer Rechtstradition Ausdruck verleihen, die in dem Willen zur Teilhabe, zur Zugehörigkeit jenseits ‚natürlicher‘ Bindungen ein wesentliches Unterscheidungskriterium sieht – sowohl aus der Perspektive des Souveräns wie auch aus der Perspektive des Zuwanderers. Damit bewahrte die Rechtstradition ein starkes ­Gegengewicht gegen die kulturalistischen, dann ethnisch-rassischen Aufladungen des Nationsbegriffs des 19. und 20. Jhs.88 Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Veränderungen ist auch die Durchsetzung des bürgerlichen Privatrechts an der Wende vom 18. zum 19. Jh. zu sehen. Im Zuge der großen Kodifikationen des Privatrechts – voran der französische Code civil und seine vielen europäischen Nachahmungen sowie das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für Österreich – wurden die rechtlichen Folgen von Fremdheit sowie die rechtliche Definition des Fremden auf neue Grundlagen gestellt. Sowohl in Frankreich wie auch in Österreich wurde nun das einheitliche Prinzip der Staatsangehörigkeit zum leitenden Unterscheidungsmerkmal zwischen Fremden und ‚Einheimischen‘, brachte also die etablierten Abstufungen zum Verschwinden. Allmählich wurde in vielen Bereichen Rechtsgleichheit zwischen den Staatsangehörigen und den im Land legal sich aufhaltenden Fremden hergestellt. Diese Angleichungen und Gleichstellungen in privatrechtlicher Hinsicht setzten sich zunächst im westlichen und südlichen Europa und mit Einschränkungen auch in den deutschsprachigen Ländern durch, sie strahlten dann aber im weiteren Verlauf des 19. Jhs. nach Osten und Südosten aus. Die Verbreitung bürgerlicher Rechtsordnungen sorgte dafür, dass nunmehr Fremde in ihren privaten Geschäften und Beziehungen von den neuen Freiheiten profitierten. Zwischen 1789 und 1870 wurden mit Berufs- und Gewerbefreiheit sowie Freizügigkeit die wirtschaftlichen Handlungsspielräume für In- und Ausländer in den meisten europäischen Staaten in gleichem Maße erheblich ausgeweitet; vielfach sorgten zwischenstaatliche Verträge dafür, dass die Angehörigen europäischer Staaten innerhalb Europas weitgehend die gleichen Rechte genossen. Einschränkungen blieben länger erhalten beim Erwerb von (ländlichem) Grundbesitz. Die neue Rechtsgleichheit beseitigte ständische, korporative Privilegien und als Gegenstück Verbote und Diskriminierungen, die gerade Zuwanderer und Fremde betrafen. Die liberalen Privatrechtsordnungen entdramatisierten damit die Statusfrage für 88 Gosewinkel 2001.

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Migranten und Fremde erheblich und sie erleichterten wiederum die räumliche Mobilität, die im Kontext von Bevölkerungswachstum und Industrialisierung Europa erfasste. Typischerweise fielen in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. die letzten Ausreiseverbote (1869 Österreich) oder Freiheitsbeschränkungen (1861 Russland), die im östlichen Europa Migration eingeschränkt hatten. Am Ende des 19. Jhs. fiel nur das 1897 neu erlassene Ansiedlungsverbot für Juden außerhalb der westlichen Grenzregionen des Zarenreiches aus diesem liberalen Rechtsrahmen. Es gehört aber bereits in eine Epoche, in der mit Nationalismus und Imperialismus neue politische Grundströmungen die Fremden- und Ausländerpolitik der europäischen Staaten beeinflussten. Beide stärkten die Tendenz zur Abschließung der politischen Gemeinschaft der Nation. Dies schlug sich in zahllosen diskriminierenden Regelungen gegen Fremde und Ausländer nieder, welche staatsnahe Berufe oder den öffentlichen Dienst nunmehr zu einer Domäne der Einheimischen (Staatsangehörigen oder Staatsbürger) machten. Neben der Rechtsgleichheit rückte die politische Gleichheit spätestens seit dem Ersten Weltkrieg zur Leitfigur dieses politischen Vergemeinschaftungsmodells auf – auch wenn Frauen in den katholisch geprägten romanischen Ländern auf das Wahlrecht bis 1945 warten mussten. Zusammen mit der politischen Partizipation gewann im europäischen Verfassungsstaat die Anerkennung sozialer Bürgerrechte im 20. Jh. zentrale Bedeutung. Obwohl Marshalls Modell moderner Staatsbürgerschaft als zeitliche Abfolge des Erwerbs ökonomischer, politischer und sozialer Rechte der Bürger sich nur im britischen Fall bewährt hat, liefert es dennoch die entscheidenden Kategorien, um zu verstehen, warum die Differenz zwischen Inländern und Ausländern politisch, kulturell und sozial nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals an Bedeutung zugenommen hat. Das eingangs zitierte Konzept der ‚Vollinklusion‘ wurde zum Leitbild. Als ‚Assimilation‘, später dann ‚Integration‘, bestimmte es die Debatten in den europäischen Nationalstaaten, wenn über Migranten und deren Stellung in Gesellschaft, Politik und Kultur seit 1945 verhandelt wurde und wird. Gerade die materiellen Vorteile, die mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft verbunden sind, aber auch die Zugehörigkeitssemantiken, die untrennbar mit der Idee der Nation einhergehen, haben die Statusdifferenz zwischen Inländer und Ausländer dramatisiert. Jedenfalls ist in verfassungsrechtlicher Perspektive noch nicht erkennbar, dass im Zeichen der Globalisierung diese Differenz an Bedeutung verloren habe. Erkennbar ist jedoch, dass die Zugehörigkeit zu den ­Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Zuge der wachsenden Migrationen nach Europa und innerhalb der Union an Bedeutung gewinnt. Die Zeit der Weltkriege war zugleich auch gekennzeichnet von zahlreichen Einschränkungen der rechtlichen Handlungsspielräume für Fremde. Dies begann bei der schärferen Kontrolle von Einreise und Aufenthalt Fremder und setzte sich über weitere Einschränkungen der Berufsfreiheit weit über den Bereich der (höheren) öffentlichen Dienstränge hinaus und die Einschränkung von Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit fort. Das Ausländer- oder Fremdenrecht vieler europäischer Staaten nahm in der

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Zwischenkriegszeit in vielen Ländern des Kontinents, insbesondere nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, im Zeichen wirtschaftsprotektionistischer Maßnahmen, dazu fremdenfeindlicher und insbesondere antisemitischer Stimmungsmache in der Öffentlichkeit ausgesprochen illiberale Züge an. Dieser Trend kulminierte im Fremdenrecht des nationalsozialistischen Regimes, das systematisch rechtliche Minderstellung und polizeiliche Kontrolle als Instrumente nutzte für die eigenen rassenpolitischen Zielsetzungen.89 Nach dem Zweiten Weltkrieg lockerten die meisten (west-)europäischen Staaten nur zögerlich die restriktiven Bestimmungen gegenüber Ausländern aus der Zeit der Weltkriege, während in den neuen sozialistischen Staaten Osteuropas ganz neue Rechtsordnungen entstanden, welche mit der Einschränkung der liberalen Individualrechte auch die Bedeutung privatrechtlicher Gleichheit als Garant von Handlungsspielräumen für Fremde drastisch reduzierten. Mit der Einschränkung bzw. dem Verbot der Ausreise bzw. Auswanderung wurde schließlich auch die grenzüberschreitende Migration in diesen Ländern für immer mehr Menschen ausgeschlossen und war schließlich in Staaten außerhalb des sozialistischen Lagers nur noch als Flucht oder Ausbürgerung möglich. Grenzüberschreitende Zuwanderung zwischen den Ländern des Ostblocks wiederum wurde nach den Vertreibungen und Umsiedlungen der unmittelbaren Nachkriegszeit zu einem seltenen Phänomen. Die europäische Integration führte dagegen in den westeuropäischen Mitgliedsländern Zug um Zug zur weitgehenden wechselseitigen Gleichstellung ihrer migrierenden Bürger mit den Bürgern des jeweiligen Aufenthaltslandes innerhalb der Union. Durch bilaterale Verträge profitierten schließlich auch die Angehörigen weiterer europäischer bzw. anderer Staaten von dieser Gleichstellungspolitik, welche dem Ziel diente, die grenzüberschreitende Mobilität zu fördern. Diese Politik war seit Anfang der 1970er Jahre begleitet von dem Versuch, die Zuwanderung aus den Anrainerstaaten des Mittelmeerraums, aus Asien und Afrika wirksam einzuschränken bzw. durch Verschärfung von Grenzkontrollen und ausländerrechtliche Bestimmungen zu stoppen.90 Die Schließung von Grenzen und die Kriminalisierung unerwünschter Zuwanderung vollzogen sich wiederum vor dem Hintergrund, dass seit dem Zweiten Weltkrieg soziale Rechte (Sozialhilfe, Sozialversicherungen, Altersrenten) eine immer größere Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung längerfristiger Lebenschancen von Ausländern gewannen. Materiellrechtlich eröffnete sich mit diesen Ansprüchen auf öffentliche Transferleistungen (Dienste wie Geld) ein ganz neuer Bereich, bei dem zunächst kleine oder größere Diskriminierungen das Bild bestimmten, bevor allmählich, nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, für einen immer größeren Teil der legal lebenden Ausländer Rechtsgleichheit mit den Angehörigen ihres jeweiligen Aufenthaltslandes herrschte. 89 Gosewinkel 2008. 90 Viet 2004, S. 226–280; Pleinen 2012.

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Auch wenn also in rechtshistorischer Perspektive die großen Rechtskodifikationen am Ausgang des 18./Beginn des 19. Jhs. eine Weichenstellung für die wachsenden Inklusionschancen von Fremden in Zeiten wachsender Mobilität und Migration bedeuteten, so ist aus diesem kursorischen Überblick auch deutlich geworden, dass auf der Ebene der Prinzipien und Rahmenregelungen ältere Kontinuitäten von Diskriminierungen oder Minderberechtigungen festzustellen sind. Sie kamen gerade im 20. Jh. wieder zum Vorschein, als das liberale Ordnungsmodell des Bürgerlichen Rechts vielfältigen Einschränkungen und Modifikationen unterlag, bevor dann seit 1970, in gesamteuropäischer Wirkung seit 1990, die privat- und eingeschränkt die sozialrecht­liche Angleichung von In- und Ausländern innerhalb der Europäischen Union und aus Ländern mit entsprechenden bilateralen Verträgen deutliche Fortschritte gemacht hat. Die verfassungsgeschichtliche Perspektive bliebe jedoch unvollständig, wenn man nicht die Tatsache berücksichtigte, dass ein erheblicher Teil der modernen europäischen Verfassungsstaaten – darunter gerade die liberalen und demokratischen Staaten Westeuropas – bis in die 1960er Jahre über umfangreiche Kolonialbesitzungen verfügten, deren indigene Bevölkerung auch einen Platz in den neuen Verfassungsordnungen erhalten musste. Anknüpfungspunkte boten auch in diesem Fall die Rechtsinstrumente des neuzeitlichen Territorialstaats. Seine Juristen hatten das Konzept des Untertanen und des Territoriums genutzt, um die Völker der eroberten bzw. friedlich erworbenen Gebiete in Übersee in ‚Besitz‘ zu nehmen und deren Rechte und Pflichten neu zu regeln. Bis weit in die Phase des modernen Konstitutionalismus hinein entfaltete das Konzept des ‚Untertanen‘ Wirkung, denn auch nach Verkündigung liberaler Verfassungen in Europa blieb die indigene Bevölkerung neuer und alter europäischer Kolonien im Status von ‚Untertanen‘ bzw. ‚Angehörigen‘ eines fernen europäischen Staates, ohne aber zu dessen Bürgern zu werden. Selbst im republikanischen Frankreich nutzten Juristen den Begriff des sujet, wenn sie die verfassungsrechtliche Minderstellung der amtlich als indigents bezeichneten Kolonisierten in Algerien und anderen Kolonialgebieten zu klären suchten. Gleichzeitig setzte eine Gegenbewegung ein, die darauf zielte, Teile dieser einheimischen Bevölkerung zu Staatsbürgern zu machen.91 Das Kolonialrecht der europäischen Verfassungsstaaten wiederum trennte scharf die Rechtssphären von Kolonisierten und Europäern mit dem Ergebnis, dass vielfach europäische Ausländer in den Kolonien rechtlich bessergestellt waren als die indigene Bevölkerung, gleichzeitig die Staatsbürgerschaft auf den Kreis der Zuwanderer aus dem ‚Mutterland‘ und zum Teil deren Nachkommen in den Siedlerkolonien beschränkt wurde. Für die innereuropäische Geschichte war diese koloniale Parallelgeschichte der Staatsangehörigkeit spätestens von dem Zeitpunkt an von Interesse, als sich die Migrationsströme umkehrten und nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Kolonien, bald den ehemaligen Kolonien, Migranten in die europäischen Metropolen kamen und dort als britische, 91 Saada 2003.

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französische, belgische oder niederländische Staatsangehörige leben wollten. Prinzipiell standen nun die Mutterländer für die Zuwanderung ihrer kolonialen ‚Untertanen‘ offen, die nun gleiche Rechte als Staatsbürger beanspruchen konnten. Die Geschichte des britischen oder französischen Staatsangehörigkeitsrechts seit dem Zweiten Weltkrieg ist ohne diese koloniale und postkoloniale Dimension nicht zu verstehen. Somit ragt der frühneuzeitliche Territorialstaat noch weit in das 20. Jh. hinein, auch wenn in Europa seit 1789 das Konzept des Staatsbürgers bzw. des Staatsangehörigen nach und nach zur dominanten Rechtsfigur geworden ist.

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ASSIMIL ATION U ND A LTER ITÄT: FR EMDE IN DEN FRÜHEN HOCHKULTUR EN ÄGY PTENS U ND VOR DER ASIENS * FRANCIS BREYER

1. Er k enntnishür den In verschiedenen Kulturen herrschen unterschiedliche Konzepte von der Wahrnehmung des Fremden: „Menschen unterscheiden sich nicht einfach voneinander, sie ­schreiben sich selbst und anderen Unterschiede zu.“1 Universell ist dabei das Phänomen, das Eigene als Vergleichsgrundlage zu nehmen: Fremdes Verhalten wird aus den Werten der eigenen kulturellen Realität heraus mit bestimmten Klassifikationsmustern interpretiert (Ethnozentrismus), wie bereits Herodot (III 38,1) bemerkte: „Sehr sind die Menschen von der Meinung durchdrungen, die von ihnen selbst entwickelten Lebensformen seien jeweils die besten.“ Überlegenheitsgefühl bzw. Präferenz für die Eigenkultur sind jedoch nicht automatisch verbunden mit Geringschätzung oder gar Diffamierung des Andersseins, auch wenn es oftmals dazu tendiert. Die Arten der Koexistenz und die Abgrenzung sind abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen wie Nähe und Ferne, gegenseitigen Interessen, politischer Situation etc. Gerade bei der altägyptischen Kultur, die wie kaum eine andere über einen Zeitraum von über drei Jahrtausenden zu verfolgen ist, ließe sich dies relativ gut feststellen – sollte man meinen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Obwohl es vordergründig sehr viel Fachliteratur zu Fremden in den Frühen Hochkulturen gibt, existieren außer­ ordentlich wenige substanzielle Studien zur Rolle oder gar zu den Rechten von Fremden.2 Dies mag zum einen daran liegen, dass es fast keine expliziten Aussagen darüber in den erhaltenen Textzeugnissen gibt3, zum anderen an der Forschung selbst, die sich zum allergrößten Teil damit begnügt, Fremdes bzw. ‚Anderes‘ in der jeweiligen Kultur festzustellen. Lediglich eine Handvoll Arbeiten widmet sich überhaupt der grundlegen-

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Bemerkungen zur Umschrift: Für das Ägyptische wurde die traditionelle Umschrift verwendet, um dem Nicht-Ägyptologen den Gebrauch der Wörterbücher zu erleichtern. Hethitische Namen wurden so wiedergegeben, wie sie nach dem derzeitigen Stand der Forschung gesprochen wurden, z. B. „Chattusili“ und nicht „Hattušili“. 1 Sökefeld 2001. 2 Haring 2005. 3 Prechel 1992.

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den Frage4: Wie war das jeweilige Fremdwahrnehmungskonzept in den verschiedenen Kulturen? Was verstand ein Babylonier unter ‚fremd‘, was ein ägyptischer Beamter im Unterschied zu einem Bewohner Chattusas? Das Problem ist nämlich, dass sich bereits diese Frage nur sehr schwer beantworten lässt. Dieser Umstand ist der unzureichenden bzw. noch in viel größerem Maße der verzerrten Quellenlage geschuldet. Die große Masse der Inschriften und Bildquellen aus dem Alten Ägypten und Vorderasien entstammt der Selbstdarstellung von Herrschern oder zumindest Eliten und ist daher entsprechend ‚propagandistisch‘ gefärbt.5 Nur in wenigen Fällen ist es möglich, hinter der offiziellen Darstellung auch die tatsächlichen Realitäten zu erkennen, hinter der ‚ersten‘ die sog. ‚zweite Wirklichkeit‘. Andere Hindernisse sind wissenschaftspolitisch bedingt: Die Edition besonders von keilschriftlichen oder demotischen Texten ist zeitaufwendig und schwierig, gleichzeitig schlummern noch Hunderttausende nicht edierter Quellen in zumeist westlichen Sammlungen, und Wirtschafts- bzw. Rechtsurkunden zu bearbeiten gilt teilweise immer noch als viel weniger prestigeträchtig als die Publikation einer Königsinschrift. All dies hat dazu geführt, dass sich nur vergleichsweise wenige Experten eingehend mit den entsprechenden Texten beschäftigen. Es besteht also eine beträchtliche Diskrepanz zwischen Quellenlage und Forschungsstand. Eine weitere Problematik ist methodischer Natur: Lässt sich von der sprachlichen Zugehörigkeit eines Personennamens auf die ethnische Zugehörigkeit seines Namensträgers schließen?6 An diesem Punkt kommen Unterschiede zwischen den Fächern hinzu, denn während man diese Frage in der Altorientalistik schon seit Langem verneint, beginnt man sie in der Ägyptologie erst seit nicht allzu langer Zeit zu stellen. In der Archäologie bestehen ähnlich gelagerte Schwierigkeiten: Können bestimmte Bestattungssitten oder Fundgattungen unterschiedlichen Ethnien zugewiesen werden? Im Gegensatz zur Ur- und Frühgeschichte7 wurde diese sog. ‚ethnische Deutung‘ auf der materiellen Ebene in den Archäologien Altvorderasiens und Altägyptens bisher nur selten problematisiert.8 Der Weg ist also sehr steinig, und so verwundert es nicht, wenn er kaum beschritten wurde; allenfalls wurden bislang fremde Einflüsse im Fundund Textgut festgestellt.9 Im Folgenden soll versucht werden, die Fremdheitskonzepte in den antiken Kulturen Ägyptens und Vorderasiens zu skizzieren und – soweit dies überhaupt möglich ist – anhand von dokumentierten Beispielen die rechtliche Stellung von Fremden zu beleuchten. Dabei sollen zwei Parameter besonders berücksichtigt werden: die Zugehörigkeitsstrukturen und der Zugehörigkeitshorizont. Jan Assmann hat in einer weg4 5 6 7 8 9

Assmann 1996a; Klinger 1992; Prechel 1992. Baines 1996. Vittmann 2003. Rummel 2010. Bietak 1994. Peust 1999.

Fremde in den Frühen Hochkulturen Ägyptens und Vorderasiens

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weisenden Studie zum altägyptischen Fremdheitskonzept diese beiden Bezugsgrößen herausgearbeitet. Danach besteht ein Zusammenhang zwischen der Art einer Gesellschaft (loose bzw. tight society) und dem Grad der Sesshaftigkeit.10 Die altägyptische Gesellschaft sei sehr ‚dicht‘ gewesen, da man stark ortsgebunden gewesen sei und gleichzeitig ein nicht-autarker Personenbegriff geherrscht habe. Als Beispiel für den Zugehörigkeitshorizont verweist Assmann auf den Referenzrahmen bei den Griechen, bei denen man zwischen einem engen (polis) und einem weiten (helleniké) unterschied. Anders formuliert: Es gab Zugehörigkeit ersten und zweiten Grades. Diese Unterscheidung wird später im Zusammenhang mit den sumerischen Stadtstaaten von Bedeutung sein. Zumeist können die Generatoren von Zugehörigkeit bzw. Identität (und damit gleichzeitig von Andersheit) in den alten Kulturen nur mit größter Mühe den expliziten Quellen entnommen werden. In diesen Fällen ist es vonnöten, die indirekten Überreste zum Sprechen zu bringen, etwa durch lexikalische Analyse sprachlicher Äußerungen zur Bezeichnung von Fremden.

2. Ägypten 11 2.1 Moder ne Konzepte zur Fr emdheitswahr nehmung im Alten Ägypten Im Zusammenhang mit der altägyptischen Einstellung gegenüber dem Fremden wird gerne auf eine Passage bei Herodot (II 55) verwiesen, der das ablehnende Verhalten der Ägypter gegenüber den Griechen auf kultische Reinheitsvorschriften zurückführte. Nach der Meinung von Wolfgang Helck ist der Beginn der ägyptischen Selbstund Fremdwahrnehmung mit der sog. ‚Reichseinigung‘ gegen Ende des 4. Jts. v. Chr. anzusetzen.12 Natürlich ist dieses Bild verzerrt, da hier erst die Schriftquellen einsetzen! Wie auch immer – Helck hat ein dreiphasiges Modell vorgeschlagen, wonach die ­Ägypter erstens von einer abwehrenden Grundhaltung bis zur ‚Zweiten Zwischenzeit‘ (ca. 1850 v. Chr.) geprägt gewesen seien, was zweitens mit der Hyksos-Herrschaft (um 1550 v. Chr.) in Verachtung umgeschlagen sei, als die ‚Herrscher der Fremdländer‘ als Bedrohung aufgefasst worden seien. Drittens habe ab der Amarna-Zeit bzw. mit Ramses II. wieder die einfache Ablehnung überwogen (ca. 1300 v. Chr.). Der Grund für die10 Assmann 1996a. Dem möchte ich zwar grundsätzlich zustimmen, jedoch sind die Auswirkungen m. E. genau umgekehrt, als Assmann annimmt: In nicht-sesshaften (typischerweise tribalen) Gesellschaften ist der Zusammenhalt im Allgemeinen enger und nicht loser. 11 Periodisierung: Frühzeit (4. Jt.–ca. 2800), Altes Reich (2800–2200), Erste Zwischenzeit (2200– 2000), Mittleres Reich (2000–1700), Zweite Zwischenzeit (1700–1550), Neues Reich (1550– 1070), Dritte Zwischenzeit und Spätzeit (1070–525), Perserzeit (525–332), Ptolemäerzeit (323– 30), Römerzeit (30 v.–642 n. Chr.). 12 Helck 1964.

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se ablehnende Haltung seien erst einmal nicht sprachliche oder äußerliche Unterschiede gewesen, sondern das altägyptische Ideal des wahren und vollkommenen Menschen. Anders sieht dies Edda Bresciani: Ihr zufolge waren die Auslöser in der Tat anthropologische und ethnographische Unterschiede. Der Fremde sei allerdings an sich bereits sehr früh als Sinnbild des Chaos gesehen worden, ist er doch per definitionem ein ‚Besiegter‘, wie es schon in den Pyramidentexten heißt (PT 1588–1606; Mitte 3. Jt. v. Chr.). Antonio Loprieno vertritt sogar die Meinung, die Ägypter hätten den Ausländer als Negation eines ‚Menschen‘ (rmt) gesehen, was aber von Gerald Moers widerlegt worden ist.13 Für John Baines und Manfred Bietak ist die Formationsphase der altägyptischen Kultur geprägt von einem Zusammenschluss von ‚Stämmen‘ unterschiedlicher Kulturen, Ethnien und Sprachen, aus dem ein ‚kollektives Selbst‘ entstanden sei, abgegrenzt von dem ‚kollektiven Anderen‘. Georg Meurer erklärt die ‚Hemmschwelle‘ zur Akzeptanz fremder Völker anhand eines „universell gültigen Ausländer- und Feindbildes“. Thomas Schneider meint hingegen, die ethnische Ausgrenzung sei zurückzuführen auf die gegenseitige Abgrenzung verschiedener ‚Stämme‘ vor der ‚Reichseinigungszeit‘.14 Einig sind sich die Forscher bei der Beurteilung der Fremdvölkerdarstellungen als einer Art ‚Zauberbilder‘ der politisch und magisch intentionierten Handlung gegenüber Fremden, die im sog. ‚Erschlagen der Feinde‘ gipfelt.15 Wie diese Abbildungen jedoch rezipiert wurden, darüber scheiden sich dann wieder die Geister: Meurer zweifelt an einer Wahrnehmung durch untere Bevölkerungsschichten; Baines spricht sich für eine elitäre Rezeptionsebene aus. Das ‚Erschlagen der Feinde‘ sei freilich ritualisiert zu verstehen und erst in späterer Zeit real ausgeführt worden. Helcks dreiteiliges Schema wird nicht von allen übernommen. So stellen sowohl Baines als auch Bietak fest, dass es bereits im Verlauf des Alten Reiches eine differenziertere Wahrnehmung des Fremden gab.16 Die reale Außenpolitik habe das Ansehen der Ausländer gesteigert, daher werde ihnen ein ‚menschliches Gesicht‘ zugesprochen, d. h. man habe bereits in dieser frühen Zeit zwischen ideologischen Grundsätzen und der eigent­ lichen Realität zu unterscheiden gewusst.17 Zunehmende Einwanderung gegen Ende des Alten Reiches hätte dann jedoch wieder zu einem eher negativen Bild geführt. Das Fremde sei zunehmend mit einer ‚fremden Macht‘ gleichgesetzt worden, vor allem nach der Hyksos-Zeit. Charakteristisch für das Neue Reich sei dann eine gewisse Verachtung für den Fremden, die ihren Ausdruck in zahlreichen Karikaturen gefunden haben soll. Paradebeispiel ist das Relief mit der grotesk fettleibigen ‚Fürstin‘ von Punt vom Totentempel 13 14 15 16 17

Loprieno 1988, S. 2; vgl. aber die Kritik von Buchberger 1989/90; Moers 2005b. Bresciani 1992; Baines 1996; Meurer 1996, S. 134; Schneider 2003, S. 7. Bietak 1994, S. 17; Bresciani 1992, S. 261; Helck 1964, S. 107. Baines 1996; Bietak 1994. Flossmann 2009, S. 4.

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der Hatschepsut in Deir el-Bahari. Ob diese Darstellungen wirklich eine Verachtung ausdrücken, möchte ich bezweifeln. Sind sie nicht vielmehr anekdotenhafte Genreszenen? Bresciani weist übrigens auf eine gewisse Diskrepanz hin: Zwar wurde das Ausland als Bedrohung aufgefasst, gleichzeitig waren jedoch ausländische Produkte und Arbeitskräfte sehr geschätzt (Sänger und Tänzer, ausländische Elemente in Kleidung, Botanik, Raumgestaltung und Literatur).18 Dieselbe Diskrepanz zeigt sich auch bei der Integration nicht-ägyptischer Götter im Neuen Reich. Ob man in der Erwähnung unterschiedlicher Menschenrassen als gottgeschaffene Völker im Aton-Hymnus eine veränderte Fremdwahrnehmung sehen kann, sei dahingestellt. Baines und David O’Connor vermuten ältere Vorläufer für eine solche Integration der Ausländer in das theologische Weltbild der Ägypter – lediglich aus der Amarna-Zeit (um 1330 v. Chr.) hätten sich die Quellen erhalten.19 Generell habe es zu keiner Zeit eine allgemeine rassistische Grundhaltung gegeben, wie die zahlreichen Fälle erfolgreicher kultureller Integration belegten.20 Überhaupt waren die Ägypter in der Spätzeit (ab ca. 700 v. Chr.) nach Baines nur noch eine benachteiligte Gruppe in einem kulturell vermischten Land.21 Eine neue Sichtweise wird von O’Connor eröffnet, der vor dem Hintergrund des Dekorums differenziert. Auf der einen Seite stehen religiöse und politische Konzepte wie die Sicherung der Grenzen und Güter, auf der anderen Seite der reale und alltägliche Kontakt mit Fremden.22 Anders ausgedrückt: Fremde können als ‚böse‘ oder als ‚gute‘ Ausländer betrachtet werden. Die ‚bösen‘ erscheinen als militärische Gegner auf den Schlachtenreliefs, bei den ‚guten‘ handelt es sich um Diplomaten und Handelspartner. Dieser Gedanke wird von Moers weitergeführt und als Wechselspiel von ‚Exklusion‘ und ‚Inklusion‘ beschrieben.23 Das Fremde ist demnach das Resultat einer Grenzziehung zwischen dem Eigenbereich, dem ‚System‘ und seiner ‚Umwelt‘. Die ­divergierenden Wahrnehmungskonzepte in Ägypten resultieren aus der notwendigen Anerkennung des ethnischen Nachbarn und der religiös-politischen Ideologie. Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass auch Ägypter ‚exkludiert‘ werden können (‚Rebellen‘) und so gewissermaßen zu ‚Fremden‘ werden.

2.2 Altägyptische Bezeichnungen für ‚Nicht-Ägypter‘ Nachdem wir also geklärt haben, dass man im pharaonischen Ägypten den Ausländer prinzipiell auch als Menschen betrachtete – was nicht ganz selbstverständlich ist –, nun 18 19 20 21 22 23

Bresciani 1992, S. 278–279. Baines 1996, S. 372; O’Connor 2003, S. 182. Bresciani 1992. Baines 1996, S. 382. O’Connor 2003. Moers 2004.

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zur Terminologie. Diese ist vielfach noch nicht sicher fassbar, selbst bei sehr häufig gebrauchten Ausdrücken. Das beginnt bereits mit dem Lexem ḫ3ś.t, welches aufgrund seiner oft dezidiert pejorativen Konnotation auf ‚Ägyptologendeutsch‘ mit ‚Fremdland‘ wiedergegeben wird (das entsprechende Wortzeichen stellt eine bergige Wüstenlandschaft dar). Eine Ableitung dieses Wortes kann für ‚Ausländer ‘ stehen, jedoch fast ausschließlich für den ‚völlig‘ Fremden, den Fremden im ‚Fremdland‘ oder den Fremden ohne jegliche Adaption an die ägyptische Kultur.24 Fremde innerhalb der ägyptischen Gesellschaft bezeichnete man hingegen in allgemeinem Kontext als ‚Mann von draußen, Fremder‘ (rwtj), ‚fremder Mann, Ausländer ‘ (rmt drdr), ‚Mann von draußen‘ (rmč bwl), ‚Fremde‘ (kt- ḫt), ‚Fremder, Außenseiter‘ (drdr).25 Individuen werden fast immer spezifisch nach ihrer Herkunftsregion gekennzeichnet, mittels eines Ethnikons oder eines zusammengesetzten Ausdrucks, der ein Toponym beinhaltet („der von xy“). Bezeichnenderweise stammen viele der wenig zahlreichen Belege für Benennungen nach der Himmelsrichtung aus der Kuschiten-Zeit (730–656 v. Chr.): Da bei dieser Art der Bezeichnung der ethnische Bezug wegfällt, war sie eine Möglichkeit für jene Pharaonen nicht-ägyptischer Herkunft, innerhalb der ägyptischen Diktion etwaige pejorative Konnotationen zu umgehen. So werden denn die Ägypter selbst aus Sicht dieser ‚Nubier‘ als ‚Nordmänner‘ beschrieben.26 Gerne wird vergessen, dass sogar innerhalb Ägyptens noch in pharaonischer Zeit große Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen des fast 1000 km langen ägyptischen Niltals bestanden. In der Geschichte des Sinuhe heißt es etwa: „Es ist, als würde sich ein Deltabewohner in Elephantine sehen.“ Der hier angesprochene Gegensatz spiegelt sich auch in dem fast drei Jahrtausende lang gebrauchten Königstitel ‚Herr der beiden Länder‘ (nb t3.wj) wider und wird gleichzeitig von ihm verschleiert.27 Welche sind denn diese beiden Länder? Meist denkt man (heute) dabei an ein diffuses ‚Ober- und Unterägypten‘. Überspitzt formuliert, sind die ‚beiden Länder‘ jedoch die ursprünglich ‚libyschen‘ bzw. ‚nubischen‘ Kulturregionen Nord- bzw. Südägyptens, die zu einer politischen Entität, Ägypten, verschmolzen.28 In der Frühzeit dürfte es nämlich in ethnischer und kultureller Hinsicht ein Kontinuum nach Süden (Nubien) hin gegeben haben, während Teile des Deltas noch zu Beginn des Alten Reiches libysch dominiert waren. Eng verknüpft mit dieser Herausbildung territorialer Staatlichkeit war die Bildung einer gesamtägyptischen Identität, beides in einem langen Prozess und nicht erst mit einer wie auch immer gearteten ‚Reichseinigung‘. Vor selbiger bestanden sicherlich 24 25 26 27

Schneider 2003, S. 3. Schneider 2003, S. 3. Schneider 2003, S. 4. Haring 2005. Leider wissen wir über Dialekte der altägyptischen Sprache aufgrund der prinzipiellen Vokallosigkeit des Schriftsystems sehr wenig und können allenfalls die Situation des Koptischen rückprojizieren. 28 Haring 2005.

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andere Abgrenzungskriterien zwischen den kleineren Einzelkulturen innerhalb des Niltals. Vielleicht waren diese größeren Unterschiede in Sprachform, Aussehen und Lokalbräuchen der Grund dafür, dass es in Ägypten nie eine eigene und in sich geschlossene Entität ‚Ausländer‘ gab. Entsprechend den frühzeitlichen Erfahrungen unterschieden die Ägypter im 3. Jt. v. Chr. primär nur zwischen drei Gruppen von ‚Ausländern ‘: ‚Libyern‘ (tḥnw) im Westen, ‚Asiaten‘ (‘3mw) im Osten und ‚Nubiern‘ (nḥśj) im Süden.29 Später kamen die ‚Ägäisbewohner‘ (ḥ3w-nbwt) im Norden hinzu. All diese Bezeichnungen hatten eine rein geographische Konnotation, sie bezeichneten Menschen aus Vorderasien oder anderswo in Ägypten, ungeachtet ihres Akkulturationsgrades. Die ‚Libyer‘ waren vornehmlich Vieh züchtende Nomaden in den Wüstengebieten westlich des Nils, die eng mit den heutigen Amaziġen (‚Berbern‘) verwandt sind. Als ‚Asiaten‘ bezeichneten die Ägypter ursprünglich die Bewohner Südpalästinas bzw. des Negev (dərōmî), später alle semitischsprachigen Gruppen östlich des Nildeltas. Mit dem Ausdruck ḥ3w-nbwt benannten die Ägypter ihre Nachbarn im Mittelmeer, die Bewohner der Ägäis. Bei nḥśj handelte es sich um einen allgemeinen Ausdruck für ‚Südländer‘ (~ jwn.tw m stj), im Neuen Reich wurde er auch für ‚Schwarzafrikaner‘ verwendet. Spezieller bezeichnete dieses Wort primär die Träger der sog. ‚C-Gruppen-Kultur‘, d. h. die ‚Niltalnubier‘ im Gegensatz zu den Trägern der sog. ‚Pfannengräber-Kultur‘ (md3w). Letztere traten erst gegen Ende des Alten Reiches (um 2250 v. Chr.) und dann vermehrt ab der 11. Dynastie in Erscheinung (ca. 2000 v. Chr.). Entsprechend ist md3 im Gegensatz zu den anderen Ethnika sekundär von einem Toponym abgeleitet. Der Papyrus Boulaq 18 zeigt, dass Abgesandte dieser Nomaden genauso behandelt wurden wie eine Gesandtschaft vorderasiatischer Mächte. Aufgrund ihres Lebensraumes in der Wüste östlich des Nils könnte man sie auch als ‚Wüstennubier‘ bezeichnen. Die Gleichung von md3 mit den heutigen Bēğa ist zwar linguistisch nicht mehr haltbar, kulturell und ethnisch dürften Letztere jedoch die Nachfahren der Niltalnubier sein. Irgendwann zwischen dem Mittleren und dem Neuen Reich (um 1800 v. Chr.) fand eine Bedeutungsverschiebung statt von der Zusammensetzung einer bestimmten Polizeitruppe zu ihrer Funktion, d. h. md3 hieß dann ‚Polizist‘. Allein dies zeigt bereits, dass diese Ethnika an sich nicht negativ besetzt waren – im Gegenteil. Die ‚wüstennubischen‘ Söldner konnten für sich offenbar einen festen und sogar geachteten Platz in der ägyptischen Gesellschaft erringen. Wir sehen also: Bereits aus der Terminologie zur Bezeichnung der Nachbarn wird deutlich, dass man in Ägypten weniger in ethnischen Kategorien dachte, als vielmehr hinsichtlich der Lebensweise bzw. des Siedlungsgebietes unterschied. Nicht unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass die in der Ägyptologie oft vorausgesetzte Verbindung zwischen nḥśj und der semitischen Wurzel nḥš – ‚schwarz‘ nach heutigem Erkenntnisstand falsch ist. 29 Schneider 2003, S. 5ff., 82ff., 92ff.

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Nach ihrer Expansion nach Vorderasien lernten die Ägypter Mitte des 2. Jts. v. Chr. zahlreiche Kulturen bzw. politische Gebilde kennen, welche den allgemeineren Ausdruck ‚Asiaten‘ spezifizierten, d. h. Hethiter (ḫt3), Syrer (ḫ3rw) und Kreter (kftw). Was bei diesen Termini auffällt, ist der Umstand, dass sie teilweise eine sekundäre Bedeutungsverschiebung erfahren haben und zu einem Wort für ‚Diener‘ geworden sind (šmỉḫ3rw).30

2.3 Das altägyptische Fr emdwahr nehmungskonzept Wie genau sah denn nun das altägyptische Fremdwahrnehmungskonzept aus? Für Assmann (1996) bildeten die Ägypter aufgrund ihrer Sesshaftigkeit eine Gesellschaft mit sehr dichter Zugehörigkeit. Folglich hätten Individuen lediglich durch ihre Einbindung in das System an Personalität gewonnen. Nach einer Evaluierung kollektiver Merkmale, die im Allgemeinen als konstitutiv für ein ethnisches Zusammengehörigkeitsgefühl angeführt werden, kommt Assmann für das Alte Ägypten zu einem erstaunlichen Ergebnis: Ausschlaggebend für die spezifisch ägyptische Fremdwahrnehmung waren weder die ägyptische Sicht auf Abstammung oder Sprache noch auf Religion, Lebensformen oder politische Einheiten bzw. Territorium. Der Ägypter als Individuum entwickelte nämlich laut Assmann für sich selbst keine „ethnischen oder nationalen Zugehörigkeitskonzepte“, die auf die eben vorgestellten Merkmale zurückzuführen seien.31 Seine Bindung bestand vielmehr an die soziale Heimat, an die Stadt oder an das Grab als dem Ort, an dem man im Leben und im Tod in die Gemeinschaft eingebunden blieb. Entsprechend sei der ‚Stadtfremde‘ paradigmatisches Objekt der Fremdheitskonzepte gewesen und nicht der ‚Ausländer ‘. Kulturellen Abscheu habe es gegeben vor dem eigenen Grab in der Fremde, weniger vor dem Fremden im eigenen Land. Da man nur dort fremd war, wo man keine Verwandten und Freunde hatte, ließen sich Söldner durch Ehen mit Ägypterinnen schnell integrieren, obwohl sie Ausländer und als solche zu erkennen waren. Nur so erklärt sich ihre hohe Akzeptanz in der ägyptischen Gesellschaft. Spannend ist in diesem Zusammenhang die Bewertung der aus unserer heutigen Sicht sog. ‚Fremdherrschaften‘ in Ägypten: Während die ‚libyschen‘ und ‚kuschitischen‘ Dynastien sich stärker in die ägyptische Kultur und Symbolwelt einfügten, hielten die Perser und Griechen grundsätzlich an ihrer eigenen Sprache und Lebensform fest. Folglich wurden sie von der ägyptischen Bevölkerung als Fremdherren wahrgenommen und angefeindet. Mit anderen Worten: Bis zur Spätzeit wurde im pharaonischen Niltal kein Unterschied zwischen Ägyptern und Nicht-Ägyptern gemacht, sobald sich diese integrierten; Benachteiligung hat, wenn überhaupt, dann andere Gründe, vor allem Abhängig30 Haring 2005, S. 165, 170. 31 Assmann 1996a, S. 97.

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keit. Aussagen über die rechtliche Stellung der Fremden sind für den allergrößten Teil der altägyptischen Geschichte kaum zu machen, da eben viel zu viele Fremde unter der Rubrik ‚Sonderfälle‘ zu verbuchen sind, etwa die Kriegsgefangenen. Auch die Arbeit der Händler war auf spezielle Orte beschränkt, besonders den königlichen Hof – überhaupt müssen sie mit bestimmten Rechten ausgestattet gewesen sein, denn Rechtssicherheit ist in jedem Falle eine Grundvoraussetzung für Handelsaktivitäten. Ein weiterer Spezialfall ist die Anwesenheit ausländischer Gesandter. Im Folgenden sei auf einige dieser ausgewählten Fälle verwiesen, bei denen sich der Stand des Ausländers in Ägypten quer durch die Zeiten ansatzweise verfolgen lässt.

2.4 Die Stellung von Fr emden im Ägypten des 3. Jts. v. Chr. In der Frühzeit, d. h. Mitte des 4. Jts. v. Chr., lassen sich intensive Handelskontakte zwischen der unterägyptischen Maadi-Kultur (Buto) und dem Süden Kanaans nachweisen. So gibt es archäologische Hinweise auf die Anwesenheit von Kanaanäern in Buto (Grubenhäuser, Flintinventar).32 Umgekehrt wurde in Südkanaan (lokal) Keramik in ägyptischer Technologie hergestellt und bestimmte Gebäude dort sind typologisch ägyptisch zu nennen. Von der Negade-Zeit bis in die 1. Dynastie (um 3000 v. Chr.) hinein gab es ägyptische Siedlungen in Kanaan; in Ägypten selbst gibt es für jene Epoche deutliche Hinweise auf die Anwesenheit von Sumerern und Elamitern (Motivik auf den Messern vom Gebel Târif bzw. Gebel el-Arak und der Keule von Sayala; Stiftmosaik nach Art der mesopotamischen Uruk-Kultur, Grubennagel).33 Im Alten Reich werden die Spuren zahlreicher. Zwar ist die Anwesenheit von Vorderasiaten nur spärlich bezeugt, jedoch gibt es relativ viele Quellen, in denen Nubier als Arbeitskräfte genannt werden, vor allem in der 4. Dynastie (um 2600 v. Chr.), offenbar zur Kolonisierung des Ostdeltas.34 Auch Libyer erscheinen häufiger in den Quellen. Das außenpolitische Hauptinteresse der Pharaonen des Alten Reiches galt dem Zugang zu den Rohstoffen des Sinai und Unternubiens. Mit der Ansiedlung nubischer Bevölkerungsteile in den an den Sinai angrenzenden Regionen konnten beide Punkte zugleich bedient werden. Über den genauen Status dieser Nubier wissen wir jedoch wenig. In der zweiten Hälfte des Alten Reiches kommt es immer mehr zu einer magischreligiösen Abwehr des Ausländers in Form von Gefangenendarstellungen und der Personifikation unterworfener Völker.35 Auf der anderen Seite werden jedoch auch Handelskontakte dargestellt: Im Totentempel des Pharaos Sahure (um 2460 v. Chr.) wurden 32 33 34 35

Hartung 1994, S. 107, 113. Way 1993, S. 74–75. Grundlach 1994, S. 70–95. Verner 1994, S. 148; Meurer 1996, S. 92 (Niuserre, Djed-kare-Asosi, Unas).

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Hochseeschiffe mit ‚Asiaten‘ typisierten Aussehens (Spitzbärte, langes Haar) abgebildet. Zwar meinte der Ausgräber Ludwig Borchardt noch, es müsse sich um asiatische Gefangene oder gekaufte Sklaven handeln36, Bietak hat jedoch schlüssig aufgezeigt, dass man in den Vorderasiaten vielmehr Händler bzw. Schiffsleute zu sehen hat: Immerhin werden sehr viel mehr Asiaten als Ägypter abgebildet und dazu noch in herausragenden Funktionen, etwa als Steuermann.37 Wahrscheinlich holten sich die Ägypter Spezialisten für die Hochseeschifffahrt aus der Levante. Trifft diese Interpretation zu, läge der vielleicht erste Beleg für ‚Gastarbeiter‘ vor. Spannend sind zwei Details der Reliefs. Zum einen werden Personen dargestellt, die, ihrer Redegestik nach zu urteilen, vielleicht Dolmetscher waren. Zum anderen finden wir ähnliche Reliefs auf dem Aufweg des Pyramidentempels des Unas (um 2370 v. Chr.). Dort scheinen die fremden Matrosen im Gegensatz zu früher bereits das ägyptische Begrüßungszeremoniell zu kennen. Im Vergleich beider Reliefgruppen könnte also ein Assimilationsprozess erkennbar sein. Man kann über die genaue Natur ihrer Arbeit nur spekulieren; es ist nicht einmal bekannt, ob es in jener Zeit so etwas wie Privathandel überhaupt gab oder ob nicht vielmehr jeglicher Fernhandel immer ‚Palasthandel‘ war. Seit jeher bestanden besondere Kontakte zwischen Ägypten und der levantinischen Hafenstadt Byblos: Hochseeschiffe wurden ‚Byblos-Schiffe‘ genannt, und besonders im Mittleren Reich kann Byblos praktisch als ägyptische Stadt angesehen werden. Dies ging sogar so weit, dass sich der lokale König selbst auf Ägyptisch als ‚Bürgermeister‘ bezeichnete! Man kann mit Fug und Recht sagen: Die Ägypter betrachteten Byblos als Teil Ägyptens, als eine Art Exklave. Nach allem, was wir wissen, hatten die byblitischen Händler keinerlei Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit zu erleiden. Übrigens ist es bezeichnend, dass das erste fremdstämmige Individuum, welches uns aus den altägyptischen Quellen namentlich bekannt ist, aus Byblos kam. Bei Sahure finden wir auch eine Szene, die noch Jahrtausende später mitsamt den Beischriften kopiert wurde, die sog. ‚Libysche Familie‘, d. h. die Unterwerfung eines libyschen ‚Stammesführers‘.38 Er und seine Angehörigen tragen Namen, die eindeutig ‚berberisch‘ sind. Bei Unas wiederum werden hungernde Ausländer dargestellt, wobei sich einmal mehr die Frage stellt: Zeigen diese Reliefs wirklichkeitsnahe Szenen oder sind sie rein topisch?39 In den sog. ‚Ächtungstexten‘ aus der Zeit Pepis II. (um 2200 v. Chr.) werden ca. 180 Nubier individuell magisch gebannt. Der Hintergrund dafür ist die Einwanderung von Menschen der sog. ‚C-Gruppe‘ ins nubische Niltal, welche die ägyptischen Ansprüche auf Handel und Rohstoffe dort gefährdeten. In der Beziehung zu den Nubiern zeichnet sich also folgendes Bild ab: Solange sie den Phara36 37 38 39

Ausführlicher dazu Redford 1986, S. 137. Bietak 1988, S. 35–47. Stockfisch 1996. Vercoutter 1985.

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onen in Ägypten nützlich waren und sich in die ägyptische Gesellschaft einfügten, wurden sie offenbar durchaus unterschiedslos anerkannt. Die in Nubien lebenden Nubier wurden jedoch auf Distanz gehalten, besonders nach der Eroberung Unternubiens im Mittleren Reich – die Ägypter lebten in den Festungen und kontrollierten den Fluss an Waren und Menschen, während die nubische Bevölkerung ziemlich restriktiv beherrscht wurde. Allerdings dürfen die entsprechenden Inschriften in ihrem Ton nicht überbewertet werden. So sind bestimmte Passagen der Semna-Stele Sesostris’ III. (um 1830 v. Chr.) zwar stark verächtlich, allerdings nie rassistisch im eigentlichen Sinne, d. h. die Nubier werden nie aufgrund ihrer Hautfarbe etc. als minderwertig betrachtet. Ihre Diffamierung ist vielmehr Ausdruck der Furcht vor ihrer großen militärischen Stärke, die letztlich zum Bau der großen Festungssysteme am Zweiten Nilkatarakt führte. Die Ägypter hatten also Angst vor ihrem starken Nachbarn, nicht jedoch vor Fremden an sich! Dies wird besonders deutlich, wenn man sich das ägyptische Wortzeichen für ‚Heer‘ ansieht, denn dieses stellt einen Nubier mit Pfeil und Bogen und einer Feder im Haar dar. In der Tat bedienten sich die Pharaonen nubischer Söldner als einer Art Elitetruppe, die in ganz Vorderasien gefürchtet war. Wir wissen von der Ansiedlung größerer Gruppen von Nubiern in Ägypten und von keinem einzigen Konflikt dieser Personen mit der ‚einheimischen‘ Bevölkerung. Seit dem Mittleren Reich finden wir auch zunehmend viele ‚Asiaten‘ in den Beamtenhaushalten40; wie sie dahin kamen, ist genauso unklar wie ihre rechtliche Stellung. In der ‚Ersten Zwischenzeit‘ (um 2100 v. Chr.) werden ‚Asiaten‘ erstmals literarisch thematisiert, und zwar in der sog. ‚Auseinandersetzungsliteratur‘ nach dem Zusammenbruch der Zentralmacht des Alten Reiches, deren Datierung allerdings jüngst in Zweifel gezogen wurde. Wie dem auch sei – möglicherweise reflektiert die Rolle der ‚Asiaten‘ in jenen Literaturwerken einen ‚Asiateneinfall‘ in Ägypten. Hinweise darauf vermeint man in einem angeblich fremden Königsnamen der 8. Dynastie zu erkennen, wie auch in der Existenz einiger fremdstämmiger Beamter. Ersteres ist wenig gesichert, Letzteres dafür kaum zu bezweifeln. Die Integration der Fremden kommt nun in den Monumenten deutlicher zum Ausdruck: Bekannt sind vor allem die Selbstdarstellungen nubischer Söldner, etwa durch ihre Totenstelen aus Gebelein. Söldner dieser Art werden auch gerne von den Ägyptern dargestellt, etwa im Grab des Anchtifi in Mo’alla, oder man denke an die vierzig nubischen Bogenschützen des berühmten Holzmodells aus dem Grab des Mesehti in Assiut.41 Auf zwei Denkmäler aus jener Zeit sei etwas ausführlicher eingegangen: eine Stele, die sich heute in Chicago befindet (OI 16959), und ein Relief aus der Zeit Mentuhoteps II. (um 2000 v. Chr.). Auf der Stele wird eine Frau verewigt, deren Name auf Ägyptisch ‚Asiatin‘ bedeutet und die als ‚Hathorpriesterin und (einziger) Schmuck des 40 Schneider 2003. 41 Bietak 1985 (Pfannengräber-Leute); Meurer 1996, S. 96 (C-Gruppe).

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Königs‘ ausgewiesen wird. Sie war also wohl eine Geliebte des Königs, und zwar nicht in untergeordneter, sondern in ziemlich gehobener Position. Das Relief stellt den König Mentuhotep II. mit einer Nebenfrau dar, die eindeutig von dunkler Hautfarbe ist, also wohl nubischer Herkunft sein dürfte. Immerhin werden zwei Dienerinnen einer Gemahlin Mentuhoteps II. als md3w ausgewiesen. Einer seiner Nachfolger, der erste Pharao der 12. Dynastie Amenemhat I., hatte sogar eine nubische Mutter, was seiner Legitimität offenbar keinen Abbruch tat. Mit der Wende zum Mittleren Reich kommt auch ein Bruch im Überlieferungsbefund: Nun lassen sich immer häufiger ‚Asiaten‘ nachweisen, entweder durch Ethnonym, ihre ausländischen Namen oder anhand des Kontextes. Wie hoch der Anteil an Fremdländischen war, lässt sich kaum sagen, da diese sich schnell integrierten und zudem verminderte Überlieferungschancen hatten. Entgegen der lange vorherrschenden Meinung waren sie nach den Forschungen von Schneider (2003), auf denen die folgenden Aussagen basieren, allgemein so präsent und gut integriert wie später im Neuen Reich.

2.5 Der Stand von Ausl änder n im Ägypten des 2. Jts. v. Chr. Die Annalen Amenemhats II. (um 1850 v. Chr.) führen große Kontingente von ‚Asiaten‘ auf; eingesetzt wurden diese ca. 1500 Zwangsarbeiter beim Bau seiner Pyramidenstadt. Namentlich bekannt sind in der ersten Hälfte des 2. Jts. v. Chr. ca. 700 ‚Asiaten‘ und direkte Verwandte. Trotz dieser verbesserten Quellenlage sind viele Anhaltspunkte über Ethnizität und Akkulturation nicht feststellbar, wie etwa Besonderheiten des Sprachgebrauchs. Das Beibehalten fremder Namen oder fremdländischer Kleidung weist jedoch aus, dass die Fremden sich nicht immer vollständig assimilierten, sondern auch an ihren kulturellen Eigenheiten festhielten. Insgesamt sind Aussagen zur Akkulturation lediglich in drei Bereichen zu machen: Ehe und Familie, soziale Stellung und berufliche Tätigkeit. Das öffentliche soziale Gefüge der Ausländer beleuchten Angaben über Berufsbezeichnungen, Titel, aber auch Darstellungen und sogar ihre eigenen Monumente. Von den insgesamt im Mittleren Reich belegten ‚Asiaten‘ sind 110 Personen in 70 verschiedenen Berufen oder Funktionen nachgewiesen. Es gibt hier zahlreiche Beispiele von sozialem Aufstieg und Fälle von Familientraditionen in bestimmten Berufen, vor allem im Metallhandwerk und im Sicherheitsapparat. Abgedeckt wird dabei das gesamte gesellschaftliche Spektrum vom Kriegsgefangenen bis zum hohen Beamten. Da hätten wir Zwangsarbeiter vor allem in den Steinbrüchen oder bei Bauvorhaben, Handwerker wie Goldschmiede, Wäscher, Weberinnen, ‚Vorsteher der Handwerkerschaft‘ oder Personen, die in der Lebensmittelproduktion arbeiteten wie Köche, Brauer, Metzger und ‚Leiter der Brot- bzw. Fleischkammern‘. Weiter oben angesiedelt sind die Angehörigen verschiedener Tempel, die höheren und niedrigeren Kultfunktionäre,

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eine ‚Priesterin des Amun‘, aber auch Verwalter, Torhüter, Tänzer, Sänger etc. Für die Sicherheit zuständig waren Leibwächter und Truppenvorsteher, daneben gab es fremdstämmige Mitglieder der königlichen Schiffsbesatzung. Am Hofe konnten Fremde aufsteigen zum ‚Kammerverwalter des Palastes‘, zum ‚Schatzmeister‘, zum ‚Gottessiegler‘ oder zum ‚Siegelbewahrer‘, in der Verwaltung zum ‚Schreiber des Schatzhauses‘ oder zum Oberverwalter. Sie wurden befördert zum ‚Großen der Zehn von Oberägypten‘, wurden Expeditionsleiter oder Vorsteher und Schreiber verschiedener Institutionen. Die soziale Einbettung all dieser Menschen kann näherungsweise erschlossen werden, da die entsprechenden Inschriften (vor allem Totenstelen) meist weitere Familienangehörige, Kollegen, Freunde und Bekannte nennen. Diese zusätzlichen Personen­ daten bilden das soziale Netz des Verstorbenen ab, das persönliche Umfeld jener Fremdstämmigen, den Grad ihrer beruflichen und sozialen Akkulturation. Nimmt man all diese Personen mit in die Rechnung auf, erhält man Informationen über ca. 2500 Individuen in ca. 200 Berufen bzw. Funktionen, ebenfalls gleichmäßig quer durch die Gesellschaft verteilt. Dies zeigt, wie eng die Fremden mit der ägyptischen Bevölkerung und Gesellschaft verwoben waren. Mehr noch scheint erkennbar zu sein: Der Kontakt zwischen Ägyptern und ‚Asiaten‘ innerhalb derselben sozialen Stufe war wohl enger als zwischen Fremdstämmigen unterschiedlicher Stufe.

2.6 Die soziale Einbindung von Fr emden in Ägypten vor dem Neuen R eich Mehr über das private soziale Gefüge der Fremden zu erfahren ist nicht ganz einfach. Eines der wichtigsten Indizien zur Abgrenzung bzw. Akkulturation ist von jeher das Heiratsverhalten. Leider sind die ägyptischen Verwandtschaftsbezeichnungen wenig differenziert, werden doch dieselben Begriffe für alle kollateralen Verwandten gebraucht. Außerdem fehlen oft Indizien zur ethnischen Zugehörigkeit aller Beteiligten, was den Nachweis von Exogamie bzw. Endogamie erschwert. Und schließlich setzen die Urheber der Quellen oft stillschweigend genealogisches Wissen voraus, ohne es explizit zu machen. Immerhin gibt es trotz dieser Unwegsamkeiten ca. 100 Fälle, bei denen das Heiratsverhalten von in Ägypten lebenden Fremdländern ansatzweise aufgezeigt werden kann. Manchmal sind die Familienstrukturen sogar über vier bis fünf Generationen nachvollziehbar. Meist heiratet ein Fremdstämmiger in eine ägyptische Familie ein, zumindest erscheint es uns so aufgrund der sprachlichen Zuweisung der Personennamen. Interessant ist, dass die Heirat zweier Personen fremder Herkunft untereinander nicht ein einziges Mal belegt ist. Inwieweit im privaten Leben die Herkunftskultur noch gepflegt wurde, ist nur sehr schwer zu greifen. Indizien dafür sind besondere Kleidung und Darstellungsweisen, aber auch die Benennung eines Kindes in der nicht-ägyptischen Muttersprache. Auch fremdes Fundgut legt nahe, dass oft noch ein Bewusstsein für die fremde Herkunft vorhanden war. Insgesamt spricht allerdings alles für eine sehr

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rasche Akkulturation. Bemerkenswert ist der Umstand, dass keine Fälle von expliziter Selbstabsonderung bekannt sind. Vonseiten der Ägypter ist eine Absonderung der ausländischen bzw. fremdländischen Bevölkerung im Mittleren Reich noch nicht feststellbar. Durch die Zuweisung von Kriegsgefangenen an größere Tempel und Güter war eine Konzentration der fremdstämmigen Bevölkerung vorgegeben. Diese könnte zu einer Tendenz zur Segregation geführt haben, welche allerdings erst seit dem Neuen Reich auftrat. Als Fallbeispiele für die Stellung von Ausländern im Mittleren Reich seien zwei Denkmäler herausgegriffen: eine Stele und eine Statue. Die Stele, welche sich heute im Musée Joseph Déchelette in Roanne befindet (Inv. 163)42, zeigt den Stelenbesitzer Horiwah mit ‚seiner geliebten Asiatin Senebheqa’. Sie trägt ein langes, bis zu den Füßen reichendes Kleid und ihr Haar ist mit zwei Haarnadeln (?) zu einer Art Knoten zusammengesteckt, d. h. sie wird auch ikonographisch als Nicht-Ägypterin gekennzeichnet. Bei der Statue handelt es sich um die Bruchstücke einer überlebensgroßen Sitzfigur eines offensichtlich ‚asiatischen‘ Beamten am Hof von Auaris, welche in dem größten der sechs Gräber des Palastfriedhofes vom Ende der 12. bzw. Anfang der 13. Dynastie (um 1900 v. Chr.) in Tell el-Daba‛ gefunden wurden (Grab 1; F/1-p/19).43 Seine pilzförmige, rotbraune Frisur gleicht derjenigen von Vergleichsstücken aus dem mittelbronzezeit­ lichen Syrien; ‚ausländisch‘ ist auch sein Wurfholz/Krummstab und die gelbe Gesichtsfarbe.44 Ein Mann fremder Herkunft konnte es demnach nicht nur sehr weit bringen, er konnte sich auch in monumentaler Form als solcher darstellen lassen. Die Statue wurde zwar absichtlich zerschlagen, jedoch wohl kaum, weil sie ‚ausländisch‘ war, sondern einfach nur bei der Eroberung von Auaris durch die Thebaner.

2.7 Die Stellung ausl ändischer Gesandter im Ägypten des Neuen R eiches Im Neuen Reich (2. Hälfte des 2. Jts. v. Chr.) kennen wir eine Gruppe von Fremden in Ägypten verhältnismäßig gut, ihre rechtliche Stellung eingeschlossen: die Mitglieder ausländischer Gesandtschaften.45 Grundsätzlich herrschte in der Spätbronzezeit im gesamten Vorderen Orient eine „Doktrin der diplomatischen Unantastbarkeit von Person und Würde eines Gesandten“.46 Dies wissen wir, da der hethitische Großkönig Chattusili seinen Vertragspartner Ramses um 1230 v. Chr. des Öfteren an diese elementare Regel der Diplomatie erinnern musste: „[Einen G]esandten schlecht zu behandeln, ist 42 43 44 45 46

Schneider 2003. Schneider 2003. Ägyptische Männer werden immer rotbraun dargestellt, ägyptische Frauen ockerfarben. Breyer 2010. Roth 2006, S. 99.

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ni[cht rechtens]!“ Der spezielle Fall des hethitischen Gesandten Zuwa beleuchtet die Frage nach einem Schutz von Gesandten vor Verfolgung. Einen solchen könnte es m. E. durchaus gegeben haben, auch wenn manche diesbezüglich zu einem anderen Urteil kommen.47 Der betroffene Gesandte hatte sich offenbar in den Augen der Ägypter eines sehr schweren Vergehens schuldig gemacht – Ramses bezeichnete ihn mehrfach als „Hund“. Er wurde festgesetzt, seinen Kollegen ließ man jedoch ungehindert ziehen. Da der hethitische Großkönig sich für ihn mit den Worten „Einen Gesandten zu töt[en, ist nicht rechtens]!“, einsetzte, drohte dem Boten in Ägypten offenbar die Todesstrafe. Allerdings wissen wir weder den Hintergrund noch den Ausgang des Falls. Im modernen Völkerrecht wird bestimmten Personen Immunität vor Verfolgung gewährt, deren Art und Ausmaß sich jedoch aus rechtlichen Vereinbarungen und aus dem Gewohnheitsrecht ergibt. Grundsätzlich sind fremde Diplomaten von der Gerichtsbarkeit und der Zwangsgewalt des Gebietsstaates ausgenommen, nicht aber von dessen Rechtsordnung, die sie zu respektieren haben. Ähnliches scheint bereits in der Bronzezeit gegolten zu haben. Übrigens statteten die Könige ihre Gesandten mit Geleitschreiben aus, regelrechten Pässen, in denen ihnen Bewegungsfreiheit garantiert wurde und manchmal auch explizit Zollfreiheit. Auch in anderen Punkten ist die diplomatische Korrespondenz zwischen Ägyptern und Hethitern für die vorliegende Fragestellung sehr aufschlussreich, denn es geht darum, dass Ramses eine Tochter Chattusilis zur Ehefrau nimmt, und vor allem darum, dass er ihr den hohen Status einer ‚großen königlichen Gemahlin‘ zubilligt. Die Hethiterin wird mit einem neuen, ägyptischen Namen versehen und auf den ägyptischen Reliefs gänzlich ägyptisch dargestellt, lediglich bei ihrem Vater wird die nicht-ägyptische Tracht gezeigt. Offiziell wurde sie also nach ihrer Eheschließung als vollwertige Ägypterin angesehen, ohne dass damit – nach unserem Wissen – ein formaler Akt verbunden war. Interessant ist nun, dass sie und ihre Entourage nachweislich an hethitischen Bräuchen festhielten, wie die Verbrennung ihrer persönlichen Habe nach ihrem Tod.48 William Ward hat die ramessidische Arbeitersiedlung Deir el-Medina untersucht und konnte von mehreren Hundert Namen über dreißig als ‚asiatisch‘ und drei als ‚libysch‘ erweisen. Man kann davon ausgehen, dass ein Ägypter seinem Kind keinen nicht-ägyptischen Namen gab, d. h. diese Personen sind sicherlich als Fremdstämmige anzusprechen. Auffälligerweise spiegelt sich dieser Textbefund nicht auf der archäologischen Ebene wider. Dies kann letztlich nur bedeuten, dass diese Menschen sich in der materiellen Kultur von den Ägyptern nicht signifikant unterschieden, also stark akkulturiert waren.49

47 So Berridge 2002, gefolgt von Roth 2006, S. 99, contra Breyer 2010. 48 Breyer 2010. 49 Haring 2005.

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Der Einfluss vor allem von Sprechern semitischer Sprachen muss zu bestimmten Zeiten beträchtlich gewesen sein – davon zeugen die vielen semitischen Lehnwörter im Ägyptischen; es gibt sogar einige semitische (vorislamische) Toponyme im Niltal!50 Auffällig ist übrigens die Konzentration semitischer Personennamen im Zusammenhang mit bestimmten Produktionszweigen. Ein beträchtlicher Teil dieser ‚Asiaten‘ dürfte ursprünglich als Kriegsgefangene bzw. Deportierte nach Ägypten gelangt sein – leider wissen wir nicht, ob und wie sie sich aus der Abhängigkeit befreien konnten. Einige von ihnen konnten in der ägyptischen Verwaltung durchaus Karriere machen, so sind beispielsweise Schreiber mit luwischem Namen bekannt. Die hohe Wertschätzung von Spezialisten auf dem Gebiet der Pferdezucht, der Waffenherstellung oder Ähnlichem zeigt sich in den Bitten des Pharaos Ramses an seinen hethitischen Vertragspartner, ihm solche Personengruppen zu senden.51

2.8 Fr emde im spätzeitlichen Ägypten Nun zu einer besonderen These, die wiederum Assmann herausgearbeitet hat. Demnach kam es im Ägypten der Spätzeit zu einer Ausbildung von Fremdenhass, es entstand der Mythos vom fremden Religionsfrevler. Nach Assmann war im Altertum die Religion, genauer gesagt der Polytheismus, ein zentrales Medium der Verständigung. „Das Problem der Hyksos war nicht, dass sie einen fremden Baal verehrten, sondern dass sie die ägyptischen Götter nicht verehrten.“52 In der Weiterführung dieses Phänomens kam es zu einer ‚Theologisierung der Fremdheit‘, mithin zum spätägyptischen Mythos vom Fremden als Religionsfrevler: „Nicht der fremde Gott, sondern die fremdartige Form seiner Verehrung – die Monolatrie – erregte den kulturellen Abscheu der Ägypter.“53 Spannend ist in diesem Zusammenhang Assmanns Vergleich zwischen Israel und Ägypten: Während die Israeliten die Selbstausgrenzung wählten und sich zum ‚auserwählten Volk‘ stilisierten, kam es in Ägypten zu einer ‚Selbstarkanisierung‘, bei der das eigene Land zum ‚templum mundi‘ wurde.54 Wichtig ist nun, dass diese Einstellung nicht ohne Folgen bleiben konnte für die Position der Fremden. Sie schlägt sich beispielsweise nieder in der gettoartigen Konzentration karischer Söldner in Memphis oder der Juden auf Elephantine; von den Griechen in Naukratis (ab ca. 650 v. Chr.) wissen wir nicht mit Sicherheit, inwieweit diese Leute sich nur freiwillig zu Ihresgleichen gesellten oder ob sie dazu verpflichtet wurden.

50 51 52 53 54

Peust 2010. Breyer 2010. Assmann 1996a, S. 238. Assmann 1996a, S. 240. Assmann 1996a, S. 241.

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Von einer solchen Trennung ist es nur ein kleiner Schritt zum Nebeneinander verschiedener Rechtssysteme in der Ptolemäerzeit. Der Anfang jener Entwicklung kann mit dem Regierungsantritt Psammetiks I. (664 v. Chr.) klar datiert werden. Nicht nur markiert dieser das Ende der kuschitischen und assyrischen Fremdherrschaften, sondern auch die systematische Ansiedlung karischer Söldner und griechischer Händler.55 In den kommenden Jahren bediente man sich im Rechtssystem eines neuen Formulars und der demotischen Schrift. In der griechischen Kolonie Naukratis dürfte damals bereits auf ägyptischem Boden griechisches Recht gegolten haben. Unter persischer Herrschaft, genauer gesagt unter Dareios I. (um 500 v. Chr.), wurden die ägyptischen Gesetze bis zum 44. Regierungsjahr des Amasis gesammelt und auf Demotisch und in aramäischer Übersetzung niedergeschrieben. Die persischen Beamten sollten damit in die Lage versetzt werden, das Land nach einheimischem Recht zu verwalten. Aus der aramäischen Kolonie von Assuan bzw. Elephantine sind Rechtsurkunden erhalten, die offenbar auf der persischen Kodifizierung gründen56, d. h. ägyptischem Recht folgten. In ptolemäischer Zeit wurde dann eine griechische Übersetzung dieser Sammlung erstellt. Nach der Eroberung Ägyptens galt für Alexandria ein an Athen orientiertes Stadtrecht. Die Ptolemäer schufen jedoch auch ihre neue Rechtsordnung, die grundsätzlich über dem ägyptischen und dem griechischen Recht stand. Da sich die Bevölkerungsteile zunehmend mischten, wurde 118 v. Chr. beschlossen, dass die Sprache des Dokumentes, das dem Streit zugrunde lag, über die Zuständigkeit des ägyptischen bzw. griechischen Gerichtes und damit auch der jeweiligen Rechtsordnung entschied. Zumindest für die Ptolemäerzeit ist ein eigenes, auf der Thora basierendes Recht der Juden in Ägypten anzunehmen, jedenfalls sind in Urkunden der Juden von Herakleopolis Elemente jüdischen Rechts zu finden.57 Das römische Recht setzte sich nur langsam gegen das ägyptische und griechische durch. Und so gab es im 1.–2. Jh. n. Chr. in Ägypten vier Rechtssysteme, je nach ethnischer bzw. sprachlicher Herkunft. Das ägyptische Recht hatte jedoch keine verbindliche Rechtskraft und wurde lokal gebraucht; es kam zu einer Art stillschweigender Anpassung, explizit verboten wurden jedoch die Geschwisterheirat und die Verpfändung von Kindern.

2.9 Fa zit Wie kann man nun die Stellung des Fremden in der ägyptischen Gesellschaft charakterisieren? Zuallererst mit einer erstaunlichen Feststellung: Es gab ihn im Grunde gar nicht, zumindest nicht als einheitliche Größe. Mehr noch: Zu keiner Zeit kam es zu einer umfassenden Gemeinschaftsbildung über soziale Schichten hinweg, weder über die 55 Lippert 2008, S. 85ff. 56 Lippert 2008, S. 87. 57 Lippert 2008, S. 87.

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nicht-ägyptische Herkunft noch über die Ethnizität. Personen fremder Herkunft integrierten sich, befördert durch Kulturaustausch, weitgehend in die ägyptische Elite – eine mögliche Sekundärkultur war größtenteils irrelevant. Ausschlaggebend dafür war die horizontale Orientierung nach sozialer Zugehörigkeit und Status. Die vollzogene bzw. fehlende Akkulturation ist dann auch das Hauptkriterium zur ideologischen Abgrenzung des Ausländerbegriffs. Man kann dies auch anders formulieren und sagen: Es gab gar keine ‚Ausländer ‘ am ägyptischen Hof, nur ‚Ägypter‘ verschiedenster Herkunft.58 In diesem Sinne kann die Behandlung von Fremden in Ägypten als Paradebeispiel für das zunehmend prozessorientierte Verständnis von Kultur in der kulturtheoretischen Diskussion dienen. Danach bildet die Elite etwa des Neuen Reiches ein Subsystem der altägyptischen Kultur mit seinen eigenen spezifischen ‚Codes‘ bzw. ‚Programmen‘ (Niklas Luhmann), zu denen die ‚Fremden‘ das Ihre beitrugen, um in der Interaktion mit den Ägyptern eine ‚geglaubte Gemeinschaft‘ (Clifford Geertz) zu bilden.59

3. Mesopota mien 60 3.1 Annäherungen an die Rolle des Fr emden Die grundlegende Studie zu Fremden in Mesopotamien stammt aus der Feder von Doris Prechel. Sie ist trotz der Fülle an Forschungsliteratur zum Themenkreis ‚Ethnizität‘61 die bislang einzige Arbeit, in welcher auf die rechtliche Stellung und damit die hier relevante Fragestellung überhaupt eingegangen wird. Der Grund dafür ist schlichtweg, dass darüber fast nichts Gesichertes gesagt werden kann.62 Dies liegt wohlgemerkt nicht an der schlechten Quellenlage allein, sondern auch daran, dass viele Rechtstexte nicht adäquat bearbeitet und noch viel weniger inhaltlich ausgewertet sind. Der einzige Weg, hinter die tendenziösen Beschreibungen des Fremden vor allem in der Literatur zu blicken, ist eine lexikalische Analyse. Dies ist dann auch der Weg, den 58 Schulman, The Royal Butler Ramessessami’on, in: Chronique d’Égypte 61, 1986, (187-202) 193 Anm. 2: „It seems reasonable to assume that they were, indeed, fully accepted within Egyptian society as Egyptians. If this is a correct reading of the situation, then we should not think of these people as foreigners in a modern, nationalistic sense, but rather as Egyptians of foreign origin [...] this point casts a completely different perspective on our perception of the composition of Egyptian society.“ 59 Breyer 2010. 60 Periodisierung: Uruk- und Frühdynastische Zeit (frühes 3. Jt. v. Chr.), Akkadzeit (2200–2100 v. Chr.), Ur-III-Zeit (2100–2000), Isin-Larsa, altassyrische und altbabylonische Zeit (2000–1600) Kassitenzeit und mittelassyrische Zeit (1500–1000), neuassyrische Zeit (1000–600.), neubabylonische Zeit (600–539), Hethiterreich (1700–1200). 61 Van Soldt u. a. 2005. 62 Prechel 1992, S. 173; 180.

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Prechel beschreitet und der im Folgenden skizziert werden soll. Vorerst allerdings noch einige ergänzende Bemerkungen. Prechel geht wie selbstverständlich davon aus, dass das Zweistromland in Bezug auf Fremdwahrnehmungskonzepte eine Einheit bildet. Dies ist wenig sinnvoll, denn allein innerhalb Mesopotamiens lebte immer schon eine große Vielfalt an Ethnien. So ist auch als eine Art Korrektiv zu ihren Ausführungen auf die Arbeit von Henri Limet über den Fremden in der sumerischen Gesellschaft zu verweisen.63 In diesem Zusammenhang ist wieder auf Assmanns zwei Ebenen des Zugehörigkeitshorizontes zurückzukommen. Die frühen sumerischen Stadtstaaten des 3. Jts. v. Chr. waren in ihrer Struktur den griechischen poleis gar nicht so unähnlich. Hier wie da gab es zwar ein kulturelles Zusammengehörigkeitsgefühl (helleniké/ki-en-gi), was jedoch auf der anderen Seite dem Partikularismus nicht unbedingt widersprach (polis/uru).64 Insofern wäre noch zu klären, was ein Fremder in Sumer eigentlich genau war: ein Nicht-Sumerer oder bereits eine Person aus dem benachbarten Stadtstaat? Letzteres dürfte am ehesten der Fall gewesen sein. Andererseits bestand seit dem Auftreten semitischsprachiger Gruppen im Zweistromland eine Opposition Akkad versus Sumer. Da diese zum Topos wurde, ist nicht mehr ganz zu trennen, wie lange dieser Dualismus wirklich eine Rolle spielte. Auffällig ist, dass es trotz der Auseinandersetzungen um die politische Vorherrschaft in Mesopotamien nicht zur Herausbildung eines sumerischen ‚Nationalismus‘ kam, der mit einer Herabsetzung des Akkadischen einhergegangen wäre. Auch später noch wird zwar der einzelne babylonische Anführer von den Assyrern diffamiert, nicht jedoch Babylonien im Gegensatz zu Assyrien. Dies spricht dafür, dass man im 2. bzw. 1. Jt. v. Chr. außer auf der politischen Ebene innerhalb Mesopotamiens nicht wirklich unterschied, solange man einer Stadtkultur angehörte.

3.2 Die Anfeindung von Nom aden in Mesopota mien Die entscheidende Trennlinie lag im Zweistromland nicht zwischen verschiedenen Ethnien, sondern vielmehr zwischen verschiedenen Lebensformen, zwischen Stadtkultur und Nomadismus.65 So jedenfalls ist die herrschende Meinung unter Altorientalisten. Freilich ist auch hier Vorsicht geboten: Dieser Gegensatz wird nämlich in den offiziellen Verlautbarungen der herrschenden Schicht aufgebaut, ist also ebenfalls ein Topos – wir laufen somit Gefahr, der altorientalischen Propaganda aufzusitzen. Gleichwohl bestand sicherlich ein realer Hintergrund: Charakteristisch für das antike Mesopotamien war die ständige Einwanderung fremder Völkerschaften. Bewohner der Steppen und Gebirge (etwa Elamiter, Gutäer, Amurriter oder Kassiten)66 drangen auf der Su63 64 65 66

Limet 1972. Zur griechischen polis siehe Kapitel 3. Klengel 1972. Schuler 1965; Heltzer 1981, S. 41–46.

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che nach Weideland aufgrund von Überbevölkerung, Wassermangel, Naturkatastrophen oder Seuchen immer wieder in die Tiefebenen ein. Die Konflikte mit den Sesshaften waren vorprogrammiert, etwa aufgrund von Raubzügen oder Plünderungen. Andererseits verdingten sich die Nomaden auch als Saisonarbeiter oder waren als Händler durchaus willkommen. Die literarische Tradition der Sumerer ist durch eine starke Xenophobie gegenüber Nomaden gekennzeichnet, die viel drastischer zum Ausdruck kommt, als dies je in ägyptischen Texten der Fall ist. Dies ist umso verwunderlicher, als die ethnische Pluralität im Zweistromland immer erheblich größer war als im Niltal. Der Grund für die regelrechte Dämonisierung der nomadischen Lebensweise ist wahrscheinlich in der historischen Erfahrung vom Ende des Reiches von Akkade zu suchen. Dieses in der späteren Tradition im Sinne eines Gründungsmythos glorifizierte Machtgebilde war wohl im Zuge von Bevölkerungsbewegungen nomadischer Gruppen ins Wanken geraten.67 Unter diesen kommen die Gutäer in der Überlieferung besonders schlecht weg: Sie seien zwar gerade noch „mit menschlicher Intelligenz“ begabt, jedoch von „hündischem Verstand“ und „affenartigem Aussehen“.68 Noch der Kassitenkönig Agum-kakrime (um 1500 v. Chr.), selbst letztlich Spross einer Dynastie von tribaler Herkunft, nennt sie „einfältige Menschen“, die „keine Gottesfurcht zeigen, Kult und Anordnungen nicht durchzuführen wissen“.69 Die Gutäer werden geradezu zum Sinnbild für ‚Barbaren‘, d. h. in manchen Texten steht dieser Ausdruck gar nicht für einen bestimmten Stamm. Ähnliches gilt für die Amurriter. Die gemeinsamen Kennzeichen sind: allgemeine Kulturlosigkeit und vor allem die Unkenntnis zivilisatorischer Errungenschaften wie Häusern, des Feldbaus oder verfeinerter Küche. Im MAR.TU-Mythos heißt es, der Nomade sei einer, „der Trüffel (am Rande) des Hochlandes ausgräbt, der das Knie nicht zu beugen weiß, der rohes Fleisch isst, der zeitlebens kein Haus kennt, der nach dem Tod nicht (richtig) bestattet wird“.70 Die Liste lässt sich beinahe beliebig verlängern: Die Elamiter seien „wilde Hunde“, die Subaräer „wissen nicht die Götter zu verehren“.71 Besonders interessant ist der Fall der Lullubäer und der Hanäer – das eine Ethnikon wurde zum Wort für „barbarische Bergbewohner“, das andere diente im Altbabylonischen zur Kennzeichnung einer bestimmten sozialen Klasse bzw. einer militärischen Gruppierung.72 Man kann jedoch auch nicht sagen, dass Ethnika generell zu Schimpfwörtern wurden, zumindest ist dies für Elamiter und Hethiter nie bezeugt. Ein weiterer Grund für die Nomadenfeindlichkeit war offenbar die Furcht vor der lebensfeindlichen Umwelt dieser Steppen-, Gebirgs- und Wüstenbewohner. Bei Assur67 68 69 70 71 72

Cooper 1983, S. 30–33. Cooper 1983, S. 31. Prechel 1992, S. 182, Anm. 9. Buccellati 1966, S. 89–95; Edzard 1957, S. 32. Cooper 1983, S. 32–33. Prechel 1992, S. 174.

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banipal (um 650 v. Chr.) wird die Steppe charakterisiert als „Land des Durstes und der Verschmachtung […], dessen Inneres kein Vogel des Himmels aufsucht, worin Wildesel und Gazelle nicht weiden“.73 Im Gebirge sei es vor allem das Weib, vor dem man sich in Acht zu nehmen habe: Den Frauen der Gebirgsvölker werden nämlich magische Kräfte zugeschrieben. In der Beschwörungsserie Maqlû (IV. Tafel) lernte man, sich dieser ‚bösen‘ Elamiterinnen, Gutäerinnen, Lullubäerinnen oder Hanigalbatäerinnen zu erwehren.74 Im Neuassyrischen wurde šaddû’a – ‚gebirgig‘ ebenfalls im Sinne von ‚barbarisch‘ verwendet.75 Die Wüste galt als Heimstatt von Dämonen, welche in der literarischen Tradition natürlich entsprechend elamitische, sutäische oder lullubäische Namen tragen. Die sog. ‚Babylonische Weltkarte‘ ist sogar noch sehr viel drastischer, denn sie verzeichnet eine Region, „in der die Sonne nicht gesehen wird“.76 In anderer Richtung „kann ein geflügelter Vogel seinen Weg nicht vollenden“.77 Die Weltsicht ist also ziemlich eindeutig: Der eigene Lebensraum ist vom feindlich gesinnten Ausland umgeben, das nicht viel mehr darstellt als ein ‚Nicht-Land‘. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur ägyptischen Wahrnehmung und eine Gemeinsamkeit mit den Hellenen. Hier waren Fremde nicht prinzipiell von geringerer Kulturstufe, dort nahm selbige bei zunehmendem Abstand zur helleniké auch entsprechend ab, um bei Ichthyophagen und Ähnlichem zu enden.

3.3 Ter minologische Betr achtung Inwieweit der harsche Ton der mesopotamischen Literatur die wirkliche Sichtweise darstellt, ist nicht leicht herauszufinden. Zumindest ist im täglichen Umgang eine differenziertere Perspektive zu erwarten, weshalb es sich lohnt, einen genaueren Blick auf die akkadischen Begrifflichkeiten zu werfen.78 Hier fällt sogleich auf, dass lexikalisch nicht zwischen ‚fremd‘ und ‚feindlich‘ unterschieden wurde; für beide Sachverhalte wird das akkadische Verbaladjektiv nakru gebraucht.79 Andererseits bezeichnet diese Wurzel jedoch auch Personen, welche nicht zum Haushalt oder zur Familie gerechnet werden. Wie im Ägyptischen gab es keinen Oberbegriff für ‚Fremde‘ bzw. ‚Ausländer ‘, man sah sie also nicht als eine eigene soziale Klasse an. Der aḫû (abgeleitet von aḫu – ‚Seite‘) war darum auch nicht primär der ‚Ausländer ‘, sondern eine Person außerhalb sozialer oder geographischer Grenzen. Ein deutliches Abgrenzungskriterium bildet die fremde Sprache (lišanu aḫītu/nakru), welche geradezu zum Synonym für Nationalität wird. Mit 73 74 75 76 77 78 79

Prechel 1992, S. 175. Prechel 1992, S. 175. Schuler 1965, S. 4. Prechel 1992, S. 175. Prechel 1992, S. 175, 182, Anm. 18. Prechel 1992. Kraus 1973, S. 63–64.

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‚nichtshabend‘ (laššû) oder der Negation von ‚ansässig‘ (wašbu) wurde fahrendes Volk beschrieben, nicht zwingend Fremde. Ein Ortsfremder war ein ālānû (abgeleitet von dem Wort für ‚Stadt‘). Mit diesem Begriff bezeichnet sich in einem altbabylonischen Brief ein Händler selbst und berichtet von seinem Heimweh. Den lexikalischen Listen nach zu urteilen, rangierte der Status eines ālānû im Allgemeinen zwischen Deportierten und Flüchtlingen. Anders verhielt es sich mit den als ubāru/ubru – ‚ortsfremd‘ bezeichneten Personen. Ihr sozialer Stand war wahrscheinlich nicht besonders niedrig – sie bildeten lediglich den Gegensatz zum ‚Stadtbewohner‘ (mār āli), auch wenn es in einem Sprichwort heißt: „Ein ubāru ist in einer anderen Stadt ein Sklave.“80 Dies ist nicht ausschließlich im übertragenen Sinne gemeint, denn sie hatten offenbar weniger Rechte als die Einheimischen. Aus dem Codex Eschnunna geht hervor, dass ihnen nach § 41 die Abgabe von Bier zum üblichen Preis gewährt wurde.81 In den mittelassyrischen Gesetzen stehen sie den mār ālim gegenüber, leider in zerstörtem Textzusammenhang.82 Und aus den Nuzi-Texten erfahren wir von regelmäßigen Lebensmittelrationen für solchermaßen ausgewiesene Menschen. Dies zeigt uns: Sie waren nicht nur geduldet, sondern sogar offiziell anerkannt, allerdings nur in Ausnahmefällen mit denselben Rechten wie ein Einheimischer. Inte­ressant ist aber, dass auch Personennamen vom Typ „ubār + Gottesnamen“ gebildet wurden, die nahelegen, dass ubāru keinen grundsätzlich pejorativen Sinn hatte.

3.4 Einzelne Fr emdgruppen und ihr e R echtsstellung Besieht man sich fremde Personennamen und Herkunftsappellative, so gewinnt man zumindest einen Einblick in die Stellung des Fremden in Mesopotamien. Die meisten Individuen mit fremden Namen waren Handel Treibende. Mehrfach ist bekannt, dass die Händler aus einem Ort zusammenwohnten. Wahrscheinlich geschah dies freiwillig aus praktischen Erwägungen heraus und nicht in zwangsverordneter Gettoisierung, wie oft angenommen wird. Dass sie zumindest wirtschaftlich nicht marginalisiert waren, geht aus der schlichten Tatsache hervor, dass Kaufverträge mit ihnen ausdrücklich rechtsbindend waren.83 Auch wenn Händler teilweise schon seit mehreren Generationen in der Fremde weilten, erloschen ihre Rechte und auch ihre Pflichten in der Heimat offenbar nicht, eine Denkweise, die sicherlich nicht zu einer wirklichen Integration beigetragen haben dürfte. Die zweite große Gruppe von Fremdstämmigen im Zweistromland waren Kriegsgefangene. Diese waren völlig von ihren Bezwingern abhängig, die auf dem Schlacht80 81 82 83

Prechel 1992, S. 179. Yaron 1988, S. 68. Weidner 1937–39, Text 53, Zeile 5. Klengel 1982.

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feld zwischen Tod und Leben in Zwangsarbeit entschieden hatten. Ab der Ur-III-Zeit (um 2000 v. Chr.) und dann verstärkt in neuassyrischer Zeit (um 700 v. Chr.) wurden Kriegsgefangene in größerem Stil in der Landwirtschaft eingesetzt. Ebenfalls völlig abhängig waren die Sklaven. Es gab jedoch feine Unterschiede zwischen Kriegsgefangenen und Sklaven hinsichtlich der rechtlichen Stellung: Gefangene konnten ausgelöst werden, sie standen sozial über den Sklaven und konnten diese sogar selbst als Eigentum erwerben. Vor allem aber wurden sie von Staats wegen mit Getreide versorgt und im Militärwesen eingesetzt. Dieses stand Fremden wohl generell offen.84 Nomaden wie Einheimische wurden mit ökonomischer Besserstellung ins Militär gelockt; es winkten Sold, Beuteanteil und Landzuweisung.85 Da Söldner fast nur in Rationenlisten oder in juristischen Texten militärischen Inhalts erscheinen, kann man schließen, dass der Kontakt mit der rest­ lichen Bevölkerung beschränkt, wenn nicht gar verboten, war.86 Im Gegensatz zu Ägypten gibt es keinerlei Anhaltspunkte über die Integration dieser Söldner sowie über den Verbleib ihrer Angehörigen. Fremde dienen aber auch als Erntehelfer – sie werden dabei gleich entlohnt wie die Einheimischen. Sie erhalten einen akkadischen Namen, zumeist mit dem Element (w) arad- – ‚Diener‘ (wardum) und einem Gottesnamen gebildet. Aufgrund der günstigeren Quellenlage wissen wir mehr über die rechtliche Stellung von Fremdstämmigen bzw. Ausländern in Mesopotamien als über diejenige der Fremden in Ägypten. Das Bild ist ziemlich eindeutig: Der Fremde war rechtlich dem Einheimischen nicht gleichgestellt, sofern dies nicht explizit in einem Vertrag festgehalten wurde. Um den Vergleich mit dem Niltal noch weiter zu treiben, kann man sagen: In den Gesellschaften des Zweistromlandes spielt das Konzept ‚Fremdheit‘ eine durchaus praktische Rolle im Alltagsleben, Fremde wurden eher abgesondert und weniger integriert. Andererseits waren die Fremdwahrnehmungskonzepte in Mesopotamien ganz anders gelagert als in Ägypten, nämlich weniger geographisch als an der Lebensweise orientiert.

4. Anatolien (Hethiter r eich) 87 Im bronzezeitlichen Anatolien ist die Quellenlage hinsichtlich Ausländerrechten weniger breit als in Ägypten und Mesopotamien, da sich fast keine hethitischen Privatund Wirtschaftsurkunden erhalten haben. Trotzdem erfahren wir darüber aufgrund der Prägnanz mancher anderer Texte fast mehr. Um die hethitischen Spezifika verstehen 84 85 86 87

Malbran-Labat 1982, S. 89–101; Oded 1979, S. 48–54. Edzard 1957, S. 32. Prechel 1992, S. 180. Periodisierung: älteres Hethiterreich (1750–1400 v. Chr.), jüngeres Hethiterreich = ‚Großreichszeit‘ (1400–1200).

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zu können, sind einige allgemeine Bemerkungen zu den altanatolischen Gesellschaften notwendig. Die hethitischen Gesetze unterschieden zum einen zwischen Freien und Unfreien und zum anderen zwischen Stadt und Land. Der König hatte keine absolute Stellung, sondern war ein primus inter pares, worin man meist das ‚indogermanische Erbe‘ zu sehen glaubt; erst allmählich nahm das hethitische Großkönigtum Züge einer ‚orientalischen Despotie‘ an.88 Die hethitische Kultur stellte sich von Anfang an als Ergebnis der Verschmelzung unterschiedlichster ethnischer und kultureller Elemente dar.

4.1 Ter minologische Annäherung an die Fr emden Untersuchungen zur Sozialgeschichte des bronzezeitlichen Kleinasien werden dadurch erschwert, dass die Terminologie zur Bezeichnung sozialer Gruppen im Hethitischen kaum ausgebildet bzw. überliefert ist. Sie beschränkt sich besonders auf ‚Herr‘ (isha-), ‚Sklave‘ (Sumerogramm ÌR/GEME2) und ‚Freier‘ (arwanni-). Zwei Begriffe sind jedoch im vorliegenden Kontext von Belang: hippara- und dampupi-. Jörg Klinger (1992), auf den ich mich im Folgenden vor allem beziehe, hat beide gründlich untersucht. Danach war ein hippara- vielleicht ein Gefangener oder eine Art ‚Höriger‘, jedenfalls jemand mit eingeschränkten Rechten. Was dampupi- angeht, so meinte Johannes Friedrich noch, es bedeute ‚unkultiviert, barbarisch‘ – in den hethitischen Gesetzen steht der dampupiin Opposition zu einem Qualifizierten: In § 62* (Tafel II) beträgt der Preis eines dampupi- 20 Schekel, derjenige für einen ‚ausgebildeten Vogelschauer‘ jedoch 25 Schekel. Vergleichbares erfahren wir aus den §§ 36* und 38*.89 Im Ritual hatte dampupi- jedoch offenbar eine etwas andere Bedeutung; hier kennzeichnete es den ‚Laien‘. Inte­ressant ist eine sehr bekannte Passage aus einem Vertrag, den der hethitische Großkönig Suppiluliuma mit einem Vasallen, Chukkana von Chajasa, abschloss (14. Jh. v. Chr.).90 Dort wird dessen Land als dampupi- bezeichnet, Chukkana selbst als „letzter Hund“! In § 29 dieses Vertrages klärt der Großkönig seinen Untergebenen über bestimmte hethitische Gepflogenheiten auf: „Der Bruder darf seine Schwester (oder) eine Schwester derselben Mutter nicht (geschlechtlich) nehmen.“ Anlass für diese in einem Staatsvertrag ungewöhnliche Belehrung ist die Heirat des Chukkana mit einer Schwester Suppiluliumas. Offenbar waren die Sitten in Chajasa anders als in Chattusa; hier galt wohl das Sonorat, d. h. ein Mann hatte sexuelle Anrechte auf die Schwestern seiner Gattin bzw. die Frau seines Bruders. Der Großkönig wollte nun klarstellen, dass die Verwandtschaftsverhältnisse der ‚Schwägerin‘ nach hethitischem Recht geregelt werden. Wir haben also einen Fall vor uns, in dem zwei Gesellschafts- und Rechtssysteme aufeinanderprallen. Trotzdem muss dampupi- in diesem Kontext nicht zwingend ‚barbarisch‘ bedeuten, sondern kann einfach nur ‚anders/fremd‘ heißen. 88 Goetze 1957, S. 86ff. 89 Friedrich 1959. 90 Schuler 1965, S. 6.

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Nun wäre zu klären, wie man in Chattusa den Fremden denn sonst bezeichnete. Dabei ist zuallererst zu betonen, dass es keinen hethitischen Begriff für ‚Hethiter‘ gibt und auch keinen für die ‚Hattier‘, die Urbevölkerung Kleinasiens vor der Einwanderung der indogermanischen Hethiter. Entsprechend konnte es natürlich auf dieser Ebene auch kein Wort für ‚Fremder‘ geben.91 Dieser auf den ersten Blick etwas erstaunliche Befund erklärt sich durch das ausgesprochen politische Denken der Hethiter, die sich als ‚Söhne des Landes von Chattusa‘ sahen. Um diejenigen zu bezeichnen, die nicht zum Lande von Chattusa gehörten, verwendete man eine Ableitung des Wortes für ‚Grenze‘ (irha-): arahzena- ‚außerhalb, draußen befindlich‘, was dem deutschen ‚ausländisch/Ausländer‘ fast wörtlich entspricht. Der Gegensatz dazu ist andurija- – ‚innen‘. Wichtig ist nun ganz besonders: arahzena- wird ausdrücklich ohne jegliche Konnotation für ‚anders sein, sich unterscheiden‘ verwendet.92 Gemeint ist mit dieser sehr pragmatischen und wertfreien Definition schlicht und einfach nur derjenige, der nicht zum Reich von Chattusa gehört. Die Hethiter unterschieden auch nicht hinsichtlich der Sprache, wie in Mesopotamien oder bei den Griechen üblich, denn die Mehrheit im Hethiterreich sprach sowieso nicht Hethitisch, sondern Luwisch, von P(a)laisch und Sidetisch etc. gar nicht zu reden. Meist ist der Nicht-Hethiter eher ‚umliegend, benachbart‘ denn ‚ausländisch‘. Generell gilt: Alle diese Ausdrücke sind nicht negativ besetzt; der Ausländer ist nicht potenziell auch ein Feind wie im Akkadischen. Sehr bezeichnend für die differenzierte Sichtweise der Hethiter ist der Gebrauch des Akkadogramms UBĀRU, welches den ‚Ortsfremden‘ kennzeichnet, der jedoch ein Bürger des Landes von Chattusa ist.

4.2 Gruppen von Fr emden Die größte Gruppe von Fremden im Hethiterreich waren von jeher die Deportierten (arnuwala-) aus den besetzten Gebieten. Teilweise wurde die Bevölkerung ganzer Landstriche umgesiedelt, meist jedoch ca. 3000–5000 Menschen. Dass es sich nicht einfach nur um einen Topos handelt, zeigen vergleichbare Zahlen aus landwirtschaftlichen Inventarlisten.93 Unfreie, d. h. Hörige, die an die Scholle gebunden waren, konnten sich aus diesem Status befreien und Land in eigener Verantwortung bewirtschaften (Hethitische Gesetze § 40). Sie konnten sich sogar für eine bestimmte Frist von der Abgabenleistung befreien lassen (§ 12*), um eine Ausbildung zum Handwerker zu machen. Interessanterweise sind ‚Fremde‘ im Zusammenhang mit diesen Leuten nicht belegt. Insgesamt erscheinen überhaupt nur sehr wenige Nicht-Hethiter in den Quellen: Von über 1500 Personennamen aus Chattusa ist nur ein verschwindend geringer Anteil sprachlich nicht-anatolisch.

91 Klinger 1992, S. 196. 92 Klinger 1992, S. 196. 93 Klinger 1992, S. 196.

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Wenn Fremde direkt belegt sind, dann am ehesten als Spezialisten. So wissen wir von einer Reihe von ägyptischen und babylonischen Ärzten bzw. Beschwörungspriestern in hethitischen Diensten. Spektakulär ist ein besonderer Fall, bei dem ein babylonischer Arzt sogar in die Königsfamilie einheiratete.94 Die zweite Gruppe von Fremdländischen innerhalb der Elite stellen politische Flüchtlinge wie Sattiwaza von Mitanni oder Bentesina von Amurru dar. Die Hethiter gewährten jenen entthronten Regenten Asyl in der Hoffnung, sie später als Marionettenherrscher wieder einsetzen zu können, verfolgten also mit dieser Praxis politische Ziele. Diese Gruppe von Flüchtlingen ist streng zu trennen von den Flüchtlingen in den hethitischen ‚Vasallenverträgen‘: Freien wurde nämlich Asyl gewährt, Handwerkern (d. h. nach hethitischem Recht Unfreien) jedoch nicht; Erstere durften nicht, Letztere mussten ausgeliefert werden, und dies wurde oft ausdrücklich so geregelt. Wie überall stellten auch in Anatolien Händler den Großteil der Ausländer. Bereits vor der Herausbildung des Hethiterreiches haben wir Kunde über diese Gruppe von Personen, und zwar von ihnen selbst. Die Briefe und Urkunden assyrischer Händler in Kleinasien sind unsere alleinige schriftliche Informationsquelle aus einer Zeit, in der die Keilschrift noch nicht von den Sprechern anatolischer Sprachen adaptiert worden war. Beherrschend sind hier die Texte aus dem frühanatolischen Zeitraum Nesa (um 1800 v. Chr.), besser bekannt unter seinem assyrischen Namen kārum Kaneš. Das Wort kārum entspricht in etwa dem griechischen emporion, einem Handelsstützpunkt, in dem ausländische Händler mehr oder weniger in geschlossener Gruppe auftreten und agieren.95 Diese Form der Konzentration war offenbar in der Großreichszeit (1400–1200 v. Chr.) immer noch üblich, was jedoch nicht heißt, dass man die Händler zwang, in bestimmten Quartieren zu leben. Wie es für einen babylonischen Arzt möglich war, in die Königsfamilie einzuheiraten, so war es auch für Fremdstämmige möglich (vielleicht sogar für Nicht-Hethiter?), in offizieller Mission für den hethitischen Großkönig tätig zu sein, etwa als Diplomaten. Wir wissen von einem hethitischen Gesandten, der mit den Ägyptern verhandelte und einen ägyptischen Namen trug! Es ist lediglich ein Fall bekannt, bei dem ein Fremder Anlass eines Konflikts war. Der bereits erwähnte Suppiluliuma hatte eine Gattin aus Babylonien. Nach dem Tod des Großkönigs beschuldigte sein Sohn und Nachfolger Mursili II. diese Fremde, seine eigene Gattin verhext und damit getötet zu haben. Vordergründig scheint es, die Fremde habe sich nicht an die Gebräuche des hethitischen Totenkults gehalten, sondern babylonische einführen wollen.96 Allerdings ist die Interpretation der entsprechenden Textstelle nicht ganz eindeutig. Wahrscheinlicher gab die Großkönigin zu viel für 94 Edel 1976, S. 31–32. 95 Larsen 1976, S. 279–280. 96 Schaeffer-Forrer u. a. 1956, S. 102–103.

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den Totenkult ihres verstorbenen Mannes aus und verschleuderte so das Erbe des Mursili.97 Mit anderen Worten: Wir haben keinen ethnisch motivierten Konflikt vor uns, sondern lediglich die übliche Missgunst unter Erben. Im hethitischen Recht gab es generell keine gegen Ausländer oder Fremdstämmige gerichteten Verbote, nur im kultischen Bereich scheint es gewisse Einschränkungen gegeben zu haben.98 Wenn kaskäische Sklaven die Stadt Chattusa nicht betreten durften, dann nicht, weil sie ausländischer Herkunft waren, sondern weil man die Kaskäer als die Angstgegner der Hethiter ansehen muss. Die Regelung sollte also nicht generell Fremde benachteiligen, sondern lediglich der Spionage vorbeugen.

4.3 Fa zit Dies alles zeigt: In Kleinasien war man in der Bronzezeit Fremden gegenüber sehr aufgeschlossen und weit von einer Dämonisierung des Fremden entfernt, wie wir sie in Mesopotamien antreffen. Soziale Barrieren für Ausländer existierten im Hethiterreich anscheinend überhaupt nicht. Das Beispiel der erwähnten babylonischen Großkönigin mag dies demonstrieren. Um die volle Bedeutung dieses Umstandes ermessen zu können, muss man freilich wissen, dass die Großkönigin in Chattusa im Gegensatz zu ihren Kolleginnen am Nil oder am Euphrat nicht ein Anhängsel ihres Mannes war, sondern als Tawananna einen eigenen Hofstaat führte und mit fremden Herrschern selbstständig verhandelte. Die rege Aneignung fremden Kulturgutes im Anatolien des 2. Jts. v. Chr. zeigt sich besonders augenscheinlich im Bereich der Religion. Dies geht sogar so weit, dass man sich ernsthaft fragen kann, welche Elemente der hethitischen Religion überhaupt genuin ‚hethitisch‘ sind. Der Grund für diese besondere Offenheit ist vielleicht im historischen Umfeld zu suchen, in welchem der hethitische Staat entstand, in einem Vielvölkergemisch mit starken hurritischen und luwischen Komponenten.

5. Fa zit Wie im Grunde nicht anders zu erwarten, waren die Fremdheitsvorstellungen und damit einhergehend die sozialen und rechtlichen Stellungen von Fremden in den altorientalischen Gesellschaften sehr unterschiedlich. Das pharaonische Ägypten, welches uns vordergründig durch die meterhohen Darstellungen vom Erschlagen typisierter ausländischer Feinde sehr martialisch erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ziemlich aufnahmebereit und liberal, wenn auch unter dezidiert selbstbezogenen Vorzeichen. Im Vordergrund steht hier die Einbindung des Fremden in die altägyptische Religionspraxis und in andere spezifische Tra97 Klinger 1992, S. 199, Anm. 82. 98 Klinger 1992, S. 199.

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ditionen. Bemerkenswert ist vor allem das völlige Fehlen jeglichen rassistischen Ressentiments, etwa gegen die negroiden Nubier; auch eine Abwertung der nomadischen Lebensweise wie die der Medja ist nicht (wirklich) festzustellen. Auffällig ist ferner die große Anzahl an Fremden, die in den ägyptischen Quellen seit dem Mittleren Reich als Individuen erscheinen und ein völlig gegenteiliges Bild zeichnen als das immer noch ­allerorts gängige von der hermetischen und starren altägyptischen Kultur. In Mesopotamien wird die Abgrenzung zum Fremden völlig anders gezogen als im Niltal. Hier ist weniger eine geographische Definition als vielmehr die Opposition zwischen sesshaft und nicht-sesshaft bestimmend. Die Texte sind teilweise von extremem Rassismus geprägt, die Nomaden werden fast wie Tiere charakterisiert. Die teils sehr xenophobe Einstellung kommt am ursprünglichsten in sprachlichen Regelungen zum Ausdruck, in denen ‚fremd‘ mit ‚feindlich‘ geradezu identisch ist bzw. sein kann. Diese Ressentiments spiegeln sich in den grundsätzlich eingeschränkten Rechten von Ausländern wider. Der Umgang mit Fremden in Anatolien ist demgegenüber am anderen Ende des Spektrums angesiedelt. Bereits die staatsrechtlich-politische Definition des Nicht-Hethiters zeugt von großer Flexibilität. Außergewöhnlich ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der Fremdstämmige selbst in die allerhöchsten Ämter des Staates gelangen können. Entsprechend dieser großen sozialen Durchlässigkeit unterlagen Fremde in Chattusa wohl fast keinen Einschränkungen in rechtlicher Hinsicht. In der Gesamtschau ließe sich sagen, dass Fremdländische im pharaonischen Ägypten und im hethitischen Großreich rechtlich gleichgestellt waren, während sie im Zweistromland unter verminderten Rechten zu leiden hatten. Eine solche Aussage ist natürlich stark vereinfacht, und so sollte zum Schluss noch einmal betont werden, wie schwierig es ist, die Befindlichkeiten von Personengruppen aus Texten des 3. oder 2. Jts. v. Chr. zu erschließen, sofern sie sich überhaupt erhalten haben. Entsprechend bestehen selbstverständlich Unterschiede in der subjektiven Wahrnehmung und damit auch in der Interpretation dieser Quellen vonseiten des modernen Forschers. Wenn etwa bei der Lektüre altägyptischer Texte der Eindruck entstehen mag, diese seien zwar weniger drastisch ausländerfeindlich als sumerische literarische Texte, aber trotzdem unter der Oberfläche recht ‚hochnäsig‘, so könnte dies schlichtweg auf verschiedenen Übersetzungstraditionen beruhen und weniger die Haltung des Quellenautors zum Ausdruck bringen. Denn für antike Texte gilt vielleicht mehr noch als für moderne das Diktum ‚tradutore – traditore‘!

6. Kommentierte Liter atur auswahl Für das Alte Ägypten sind folgende Titel empfehlenswert: Schneider 2010b, Koenig 2007, Fischer-Elfert 2005, Moers 2005a, Assmann 1996b, Vernus 1994, Baines 1996, Haas 1992, Loprieno 1988. Für den Alten Orient seien angeführt: Steinert 2012, Limet 2005, van Soldt u. a. 2005, Emberling 2001, Röllig 1995, Kamp u. a. 1980.

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GR IECHISCHE POLIS U ND RÖMISCHES R EICH: DIE POLITISCHE U ND R ECHTLICHE STELLU NG FR EMDER IN DER A NTIK E * ALTAY COŞKUN

1. Fr emdheit in der Dichtung Homers und der Konstruktion römischer Jur isten In idealtypischer Weise reflektiert Homers Odyssee (ca. 710 v. Chr.) Fremdheitserfahrungen der archaischen Welt. Als extreme Gegensätze können hier zum einen die Gefangenschaft des Odysseus in der Höhle des menschenfressenden Zyklopen Polyphem (IX 105–542) sowie zum anderen die von tiefer Menschenfreundlichkeit geprägte Aufnahme des schiffbrüchigen Helden bei den Phäaken angeführt werden (VII 309–328). Monströse Gewalt gegen Fremde wird mit der Negation von Zivilisation identifiziert, einem in kultureller Blüte stehenden Märchenreich höchste Gastfreundschaft angedichtet. Hier spiegeln sich sowohl das Bewusstsein um die Schutzbefohlenheit von Fremden (xe[i]noi) als auch der hohe Wert wider, den die Fürsorge für diese bei den Griechen darstellte. Diese soziale Norm hatte ihre religiöse Verankerung im Glauben, dass ein Fremder unter dem Schutz des Zeus Xe(i)nios stand.1 Voraussetzung für die Gewährung freundlicher Aufnahme war indes, dass Fremde nicht als Bedrohung wahrgenommen wurden. Wer als Räuber oder feindlicher Krieger erkennbar war, machte selbstverständlich physische Gegenwehr zum Gebot. Prinzipiell mochte freilich in jedem Unbekannten eine Gefahr lauern, was den Zeitgenossen Homers nicht zuletzt wegen der damaligen überseeischen Koloniegründungen sehr bewusst war: Derartige Landnahmen gingen ja oft mit der Vertreibung, Versklavung oder im günstigsten Fall nur teilweisen Enteignung der früheren Einwohner einher. Zudem

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Periodisierung: Archaik: 9. Jh.–508/7 oder 479; Klassik: 5./4. Jh.; Hellenismus: 336/323–30; Römische Republik: 509–49/27 v. Chr.; Prinzipat/Hohe Kaiserzeit: bis ins 3. Jh. n. Chr.; Spätantike: 3.–6. Jh. n. Chr. – Literarische Quellen sind unter http://thelatinlibrary.com (20.03.14) oder http://www.perseus.tufts.edu (mit engl. Übers.) (20.03.14) zugänglich; vgl. auch Sammlung Tusculum (mit dt. Übers.), Loeb Classical Library (mit engl. Übers.), Édition Budé (mit frz. Übers.); zu Pseudo-Aristoteles = Ps.-Aristot., Athēnaiōn politeia = Ath. pol. Chambers 1990. 1 Homer, Odyssee IX 269–271; Hesiod, Erga kai hēmerai 327–334 (nach 700 v. Chr.); Hiltbrunner 2005, S. 27–33.

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war die Grenze zwischen Seehandel und Piraterie fließend, bevor die Römer sichere ­Zustände auf dem Mittelmeer gewährleisteten.2 Von einer so bedrohlichen Wahrnehmung des Fremden ist es nicht mehr weit zum Konzept der ‚natürlichen Feindschaft‘ des Fremden. Eine extreme Formulierung hat diese Negation des ‚Rechtsschutzes‘ beim römischen Juristen Pomponius (2. Jh. n. Chr.) gefunden: „... wenn wir mit irgendeinem Volk weder Freundschaft (amicitia) noch Gastfreundschaft (hospitium) noch einen beeideten Vertrag (foedus) um der Freundschaft willen geschlossen haben, sind dies zwar keine Feinde (hostes); was aber von unserem (Eigentum) zu ihnen gelangt, wird ihr Eigentum, und unser freier Mann wird, wenn er von ihnen ergriffen wird, Sklave (servus) und ihr Eigentum. Und dasselbe ­geschieht, wenn von jenen etwas zu uns gelangt.“3 Generationen von Gelehrten haben dies zur Maxime wenigstens für das archaische Griechenland bzw. die frühe Römische Republik erhoben, dabei indes übersehen, wie isoliert die Aussage des Pomponius ist. Es geht hier nicht darum, die Rechtsunsicherheit von Fremden zu leugnen, die zum Teil ja auch für sozial benachteiligte Nichtfremde bestand. Aber die rechtmäßige Versklavung oder Tötung eines unbescholtenen Reisenden auf römischem oder griechischem Gebiet ist nirgends belegt. Vielmehr liegen seit dem 8. bzw. 5. Jh. v. Chr. Zeugnisse dafür vor, dass dort kein Raum für völlig ‚rechtsfreie‘ Personen war.4 Überdies bot die schon früh institutionalisierte Gastfreundschaft (gr. xe[i]nia; lat. hospitium) Schutz. Für Migranten, die ihren Aufenthalt verstetigen wollten, war das vor allem in Rom praktizierte Klientelverhältnis (clientela) noch wichtiger: Das Gelöbnis von Treue und Gefolgschaft (fides) seitens des cliens verpflichtete auch den patronus zur Hilfe in Notlagen. Derartige Mechanismen sozialer Inklusion waren auch von großer Bedeutung bei der Vergabe von Zugehörigkeitsrechten an Fremde sowie bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche vor Gericht. Sie sind als Teil der Rechtswirklichkeit mitzudenken, wenn nun die Strukturen beschrieben werden, die dem Umgang mit Fremden in der Antike zugrunde lagen.5

2 Zum Beispiel Homer, Odyssee IX 252–255; Polybios III 24,5; und siehe unten 2.1 zur Kolonialpolitik. 3 Digesta IL 15,5, pr. 1f. 4 Hommel 1932, S. 1424, mit Hesiod, Erga kai hēmerai 225; Grziwotz 1995, S. 72–74; Walter 1993, S. 19f.; Rebenich 1998, S. 340; Coşkun 2008a. Anders Mommsen 1963, S. 590f.; Berneker 1967, S. 1442: „vogelfrei“. 5 Gastfreundschaft: Hiltbrunner 2005. Klientel: Bleicken 2008, S. 24–42. Soziale Inklusion: Coşkun 2010, S. 65–73.

Die politische und rechtliche Stellung Fremder in der Antike

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2. Die antik e Stadtkultur als soziopolitische und r echtliche Vor aussetzung 2.1 Ur banisierung von der Arch aik bis zur Spätantik e Die antike Stadtgemeinschaft (gr. polis; lat. res publica, civitas) stellte den maßgeb­lichen Rahmen für die rechtliche In- bzw. Exklusion von Fremden dar. Die Rechte und Pflichten von Stadtbürgern (gr. politai; lat. Quirites [= Römer], cives) bildeten somit den Maßstab für hier oft pauschal als ‚fremd‘ bezeichnete Gruppen. Spätestens seit dem 6. Jh. v. Chr. stellte die polis im griechischen Mutterland, auf den ägäischen Inseln und an der Westküste Kleinasiens die dominante Lebensform dar. Infolge eines steten Bevölkerungswachstums seit dem 9. Jh. v. Chr. hatten sich mehrere urbane Zentren (astē, Sg. asty, auch poleis) um monarchisch geführte Burgen (ursprünglich: poleis, vgl. polemos – ‚Krieg‘) und autarke Bauerndörfer gebildet, die sich nicht zuletzt als ‚Wehrgemeinschaften‘ verstanden.6 Einige dieser Städte entsandten Siedler vor allem in die Magna Graecia (Küsten Süditaliens und Siziliens) und in den Schwarzmeerraum. Eine weitere Ausdehnung wurde im 6. Jh. durch die Vorherrschaft der Karthager im Westen und die Perser im Osten zunehmend erschwert. Eine zweite Phase intensiver Koloniegründungen folgte erst auf die Eroberung des Perserreichs durch Alexander den Großen (336–323 v. Chr.). Mit diesem begann die Zeit des ‚Hellenismus ‘ (bis ca. 30 v. Chr.), welche nach der Ausbreitung der griechischen Sprache und urbanen Kultur bis an den Indus benannt ist. Schwerpunkte bildeten Kleinasien, Syrien und Ägypten, während griechischer Einfluss östlich des Euphrat eher begrenzt blieb.7 Die Stadtgründungen in Nord- und Mittelitalien wurden im 7.–6. Jh. wesentlich von den Etruskern getragen. Im 4. Jh. errangen die Römer die Vorherrschaft über Mittelitalien und sicherten sie durch zahlreiche Wehr- und Siedlungskolonien (coloniae) ab. Kleinere Schutzposten blieben im Bürgerverband, größere im Umfang von 2000 bis 6000 Familien wurden bis Anfang des 2. Jhs. v. Chr. als sog. coloniae Latinae gegründet. Beide Typen bildeten die Gegebenheiten Roms nahezu im Miniaturformat ab, wobei die Latiner außenpolitisch eng an Rom gebunden blieben und (noch zu bestimmende) Privilegien genossen. Daneben wurden ehemals unabhängige Städte entweder zu formal autonomen Vertragspartnern (foederati, auch socii) oder aber zu Mitgliedern des römischen Staatsverbandes, teils mit und teils vorerst ohne Stimmrecht in Rom (municipia, Sg. municipium). Bis ins 3. Jh. v. Chr. dehnten die Römer so ihren Machtbereich auf die Samniten, Lukaner und die Griechenstädte Süditaliens sowie im Norden auf die Et6 Walter 1993; Welwei 1998; Schmitz 2004; Hansen u. a. 2004. 7 Welwei 1998; Erskine 2003; Hansen u. a. 2004, bes. S. 150–153, 1390–1396; Bradley u. a. 2006.

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rusker, Umbrer und Gallier aus. Bis 177 v. Chr. hatte sich ihr Staatsgebiet (ager Romanus) auf rund ein Drittel Italiens südlich des Po vergrößert. Nach dem Bundesgenossenkrieg (90–87) waren alle italischen Städte außerhalb Roms Munizipien oder Kolonien.8 241/237 v. Chr. erwarben die Römer Sizilien und Sardinien als Untertanengebiet (provincia), unterschieden dort aber vorerst noch zwischen freien Bündnern und steuerpflichtigen Städten. Das griechische Mutterland, Westkleinasien und Karthago wurden im 2. Jh. v. Chr. provinzialisiert, die Levante und das restliche Nordafrika einschließlich Ägyptens im 1. Jh. v. Chr. Im Westen wurde die Eroberung der Iberischen Halbinsel (seit 218 v. Chr.) und Galliens (seit 121 v. Chr.) unter Augustus (44/27 v.–14 n. Chr.) abgeschlossen; westgermanische Gebiete und Britannien kamen im 1. Jh. n. Chr. hinzu. Die größte Ausdehnung erlangte das Reich, nachdem Trajan (98–117 n. Chr.) Arabia (h. Sinai-Halbinsel), Dacia (h. Rumänien) und vorübergehend sogar Mesopotamien (h. Irak) erobert hatte. Veteranenansiedlung, Ausbau von Grenzbefestigungen und Schaffung administrativer Zentren beförderten auch jenseits der Küsten die Urbanisierung sowie die Verbreitung der lateinischen und griechischen Sprache. Hervorzuheben ist ein neuer Typ rein titularer latinischer Kolonien und Munizipien, deren Elite wegen ihrer Treue zu Rom und ihrer angepassten Lebensverhältnisse einen privilegierten Zugang zum römischen Bürgerrecht erhielt. Erstmals wurden 89 v. Chr. die Gemeinden nördlich des Po in diesen Status versetzt, bevor in den nachfolgenden Generationen das transalpine Gallien, unter den flavischen Kaisern (69–96 n. Chr.) die Iberische Halbinsel sowie im 2. Jh. n. Chr. Nordwestafrika folgten. Für das 1. und 2. Jh. n. Chr. zeugen monumentale Architektur sowie gesteigerte Literatur- und Inschriftenproduktion von einer reichsweiten Vitalität der Stadtkultur unter dem ‚römischen Frieden‘ (Pax Romana).9 Gegenläufige Tendenzen setzten erst durch die massive Bedrohung von Rhein, Donau und Euphrat durch die Sassaniden, Alamannen, Franken und Goten im 3. Jh. n. Chr. ein. Die Instabilität der Kaiserherrschaft, die Ausbreitung des Christentums sowie nicht zuletzt die Überbesteuerung der Städte waren Symptome der Krise, welche die Abwärtsspirale ihrerseits noch verstärkten. Nach der Niederlage gegen die Goten bei Adrianopel (378) vermochten es die Kaiser nicht mehr, vollständige Souveränität auf dem gesamten Reichsboden herzustellen. Die Plünderung Roms durch König Alarich 410 symbolisiert in aller Schärfe den Niedergang sowohl der kaiserlichen Herrschaft als auch der Stadt als der dominanten Lebensform, wenngleich dieselbe im O ­ sten noch bis ins 7. Jh. vorherrschend blieb.10 8 Sherwin-White 1973; Cornell 1995; Bringmann 2002; Bleicken 2008, S. 219–265. Zu municipia siehe 3; zu coloniae auch Bradley u. a. 2006; zu Latinern und Bundesgenossenkrieg auch Coşkun 2009a; Coşkun 2009d; Coşkun 2010. 9 Sherwin-White 1973; Holtheide 1983; Woolf 1998; Bringmann 2002; Coşkun 2009d; Coşkun 2009c. 10 Zur Entwicklung ab dem 3. Jh. siehe unten sowie das folgende Kapitel 4.

Die politische und rechtliche Stellung Fremder in der Antike

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2.2 Mer k m ale und Struktur elemente der polis Die Verbundenheit des Bürgers mit seiner polis war existenziell und wurde in einem Ausmaß als Schicksalsgemeinschaft empfunden, wie es der moderne Nationalstaat kaum gewährleisten kann. Sie spiegelt sich etwa im für alle Griechen außerhalb ihrer Heimatgemeinde gleichen Namensformular wider: Name + Vatername im Genitiv + polis-Ethnikon, zum Beispiel ‚Perikles, Sohn des Xanthippos, Athener‘.11 Die polis verstand sich zugleich als (a) Kult- und (b) imaginierte Abstammungsgemeinschaft. Weitere Wesenszüge ergeben sich aus der von Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) als Ideal beschriebenen Selbstgenügsamkeit (autarkeia):12 die Befähigung (c) zur Selbstversorgung mit allen nötigen Ressourcen sowie (d) zur Selbstverteidigung und Aufrechterhaltung der rechtlich-politischen Selbstbestimmung (autonomia). (a) Die Verrichtung der öffentlichen Kulte wurde schon vor der Herausbildung der polis als eine der Hauptaufgaben kommunaler Aktivität betrachtet, weil sie den existenziellen Schutz der Gemeinschaft zu gewährleisten schien. Wie nicht zuletzt die Formulierungen von Bürgerrechtsdekreten belegen, schätzten die Neubürger ihre Teilhabe an diesem Schutz und an der Verfügungsgewalt über die Tempelvermögen besonders hoch.13 Die spätklassische Definition des Politen (Polisbürgers) als Teilhaber an Regierung und Rechtsprechung ist mithin einseitig, denn indirekt spricht sie Frauen, die von Volksversammlung und Richteramt ausgeschlossen waren, das Bürgersein ab. Jedoch nahmen Bürgerinnen nicht nur aktiv an allen Kultfeiern teil, sondern stellten auch die Priesterinnen für die weiblichen Gottheiten.14 Die sakrale Gemeinschaft der polytheistischen polis war nicht streng hierarchisch organisiert, sondern bestand aus sich überlagernden, oft lokalen Kultgenossenschaften. Einigen Adelssippen (genos, Pl. genē) gelang es, bestimmte Priesterämter zu monopolisieren. Die berühmtesten unter ihnen waren die Eumolpiden und Kerykes, welche dem Mysterienkult der Demeter im attischen Eleusis vorstanden. Erst im 5. Jh. v. Chr. wurden in Athen einige zusätzliche Kulte eingerichtet, deren Priester jedes Jahr aus dem Volk gelost wurden. Je nach Blickwinkel mag dies als Demokratisierung des Kultes oder als Nobilitierung des Demos aufgefasst werden. Eminente Kristallisationspunkte bürgerlicher Identität wurden die unter Perikles seit den 440er Jahren neu errichteten Heiligtümer der Athena Parthenos und des mythischen Königs Erechtheus. In den Festen 11 In seiner Stadt trug ein Bürger indes sein Demotikon (< dēmos – ‚Volk‘, hier verstanden als Untereinheit der Bürgerschaft). Vgl. Ps.-Aristot., Ath. pol. 21; Kahrstedt 1934, S. 199–214; Walter 1993, S. 205; Hansen 1996; Hansen u. a. 2004, S. 58–69, 1310–1319; Poddighe 2010, S. 297f. 12 Aristot., Politika VII 4–5 (1326a–1327b). 13 Osborne 1981–1983; Burkert 1995; Hansen u. a. 2004, S. 130–134; Blok 2009. 14 Aristot., Politika III 1–3 (1274b–1278b). Dazu Bleicken 1995, S. 114f., 553–555; Blok 2005; Patterson 2005, S. 267f., 280; Patterson 2007, S. 167–174. Zur Stellung von Bürgerinnen in Rom: Gardner 1993.

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zu Ehren solcher die polis umspannenden Gottheiten oder Heroen repräsentierte, ja nahezu konstituierte sich die Bürgerschaft im Angesicht ihrer Schutzmächte. Fremde konnten nur unter Sonderbedingungen Anteil am Opferfleisch erhalten oder an kultischen Wettkämpfen teilnehmen.15 Die sichtbarste Veränderung brachte seit der Alexanderzeit die Einrichtung neuer Kulte für hellenistische Könige und später für römische Feldherren, seit Augustus dann für das Kaiserhaus. Allmählich nahmen diese eine zentrale Stellung im religiösen, sozialen und politischen Leben ein, wobei das Priesteramt für den göttlichen Herrscher von führenden Vertretern der Oberschicht bekleidet wurde. Dies war ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Vereinheitlichung der Lebensbedingungen im Reich. Daneben leisteten auch pantheistische Lehren einer kosmopolitischen Strömung Vorschub, welche den Exklusivitätsanspruch der polis abmilderte. In der Hohen Kaiserzeit verbreiteten sich ferner sog. Mysterienreligionen, die individuelles Heil oft auch außerhalb der staatlichen Gemeinschaft versprachen. Monotheistische und dualistische Religionen wie Christentum bzw. Manichäismus untergruben die Kohäsionskraft von Stadt und Reich, indem sie althergebrachte Götter und Kaiserkult strikt ablehnten. Dies erschien im 3. Jh. n. Chr. umso gravierender, als mehrere Kaiser nun aktiv monarchische, überwiegend solare Kulte propagierten. Erstmals unter Decius (249–251) wurde generell die Verweigerung des Opfers als politisches Verbrechen geahndet.16 Indes boten die Kaiser seit der ‚Konstantinischen Wende‘ (312/13) Christen, sofern sie derselben Glaubensrichtung anhingen, eine neuartige politisch-religiöse Orientierung. Bereits eine Generation später wurden heidnische Praktiken und häretische Lehren mittels der Strafgesetzgebung verboten.17 Nachhaltiger wirkten freilich die materielle Ausstattung der Ortskirchen und die Verleihung von Privilegien und Jurisdiktionsgewalt an die Bischöfe. So konnten sich diese zu wichtigen Bezugsgrößen der frühmittelalter­ lichen Stadt entwickeln. (b) Mag die Vorstellung von genealogischen Abstammungsgemeinschaften grundsätzlich weit verbreitet sein,18 tritt sie im archaischen und klassischen Athen sehr ausgeprägt in Erscheinung. Ein Zusammenhang mit der restriktiven Bürgerrechtsvergabe und der zunächst sozialen Norm, dann gesetzlichen Pflicht zur Endogamie liegt nahe, ist aber nicht unmittelbar nachweisbar. So betont der Mythos von der ‚Erdgeborenheit‘ des Königs Erechtheus dessen unvermischte Herkunft. Schon in archaischer Zeit scheinen auch die priesterlichen Familien (genē) diesen Anspruch erhoben zu haben. Je15 Naso 2006; Hansen u. a. 2004, S. 103–110, 632f.; Blok 2007; Blok 2009; siehe auch Abschnitt 3 zu den Metöken. 16 Die Wirkung der Constitutio Antoniniana wird von Athanassiadi 2010 überschätzt. Zum Herrscherkult vgl. Chaniotis 2003; siehe auch Kapitel 4 zu Christentum und Mysterienreligionen. 17 Codex Theodosianus XVI 5–10. 18 Gehrke 2000, S. 161f.; vgl. auch die jüdische Tradition im Buch Genesis, siehe dazu Kapitel 1, Abschnitt 3.3.

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doch war die Übertragung des Mythos auf die gesamte Bürgerschaft wohl weniger Voraussetzung als Folge des ‚Perikleischen Bürgerrechtsgesetzes ‘ aus der Mitte des 5. Jhs. v. Chr.19 Ab dieser Zeit spiegeln die politischen und kulturellen Institutionen geradezu eine Besessenheit der Athener vom Thema der legitimen Abstammung wider, an welche der gesellschaftliche und politische Status geknüpft war. Besonders aussagekräftig ist das Vorherrschen verwandtschaftlicher Semantiken in den Bezeichnungen von Teilen des ‚Volkskörpers‘. Vielleicht am ältesten ist die ‚Bruderschaft‘ (phratria), eine Art genossenschaftliche Organisation auf nachbarschaftlicher oder dörflicher Ebene. In frühester Zeit mögen der Phratrie umfassende ordnungs­politische und kultische Aufgaben zugekommen sein; nach den Reformen des Kleisthenes 508/07 v. Chr. blieb ihre Hauptfunktion vor allem die Prüfung der legitimen Abstammung eines Sohnes (im Alter von 16 Jahren: meion) am Fest der Apaturien, worauf in der Regel die Aufnahme in die Demenliste (mit 18 Jahren: kurēsis) folgte. Im 5. Jh. v. Chr. war die Mitgliedschaft in einer Phratrie aber keine notwendige Vo­ raussetzung mehr für das Bürgerrecht. Trotz häufiger Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Phratrien waren sie ursprünglich nicht gewachsene, sondern im Zuge der Polisformierung geschaffene Einheiten.20 Demgegenüber handelte es sich bei den oben unter (a) erwähnten genē tatsächlich um ‚Sippen‘ oder ‚Geschlechter‘, denen es bis spätestens im 6. Jh. v. Chr. gelungen war, kultische Funktionen an einem bestimmten Heiligtum zu monopolisieren. Wenn es aber in der aristotelischen Athenaiōn politeia (frg. 3) heißt, dass phratriai ursprünglich aus je 30 genē zusammengesetzt gewesen seien, so ist dies eine ahistorische Rationalisierung.21 Die längste Kontinuität als Untergliederung einer Bürgerschaft weist die phylē (‚Stamm‘) auf. Die Ableitung von phyein (‚zeugen‘) hat ebenso wie die jeweilige Bindung an einen Phylenheros zu der Annahme geführt, dass poleis aus der Verbindung verschiedener ‚Stämme‘ hervorgegangen seien, aber es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Phylen nach rein funktionalen Gesichtspunkten eingerichtet oder umgestaltet werden konnten. Beispielsweise löste Kleisthenes 508/07 die vier archaischen Phylen Athens auf und ersetzte sie durch zehn neue. Dabei definierte er sie durch den Zusammenschluss je eines Distrikts aus dem Stadtbereich (asty), dem Binnenland (mesogeion) und der Küste Attikas (paralia). Jedes dieser ‚Drittel‘ (trittyes) bestand wiederum aus Dörfern oder 19 Voraussetzung: Lape 2010, S. 8 und 19; Whitehead 1977, S. 149–151; Patterson 1981, S. 132f.; ­Ogden 1996, S. 166. Folge: Blok 2009, S. 150–154; vgl. Hall 2002, bes. S. 205, 186f. – Perikles: siehe unten Abschnitt 5 (c/d). 20 Chambers 1990, S. 334–336; Walter 1993, S. 183f., 198; Welwei 1998, S. 54–56; Lambert 1998, S. 25–57, 143–189; Gehrke 2000, S. 162–167; Hansen u. a. 2004, S. 95–97, 1343f.; Patterson 2005, S. 277; Carawan 2008, S. 387. Anders Latte 1941; Davies 1977, S. 109f.; Bleicken 1995, S. 44, 180f. – Kleisthenes: siehe unten (d). 21 Bleicken 1995, S. 21, 508–511; Welwei 1998, S. 58–60; Schmitz 2004, S. 19, 488.

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Nachbarschaften (dēmoi), deren Zahl bis ins 4. Jh. v. Chr. auf 139 anwuchs. Die zen­ trale Bedeutung der Demenzugehörigkeit spiegelt sich darin wider, dass das dēmotikon Teil des offiziellen Namensformulars des Athener Bürgers innerhalb Attikas wurde.22 Die kleisthenischen Phylen basierten zwar auf dem Prinzip des Wohnsitzes und nicht der Abstammung, doch setzte sich allmählich – wie in vielen antiken politischen Einheiten – oft wieder das genealogische Prinzip durch.23 Mit der Durchmischung der Bürgerschaft beförderte Kleisthenes nicht nur die politische Inklusion der Neubürger, sondern untergrub auch die Dominanz aristokratischer Seilschaften oder lokaler Interessen: Jede Phyle stellte für etwa 36 Tage einen Ausschuss von 50 Mann, welcher die Arbeit des Rats der 500 und der Volksversammlung vorbereitete. Phylen waren zudem für die Aushebung des Bürgerheeres zuständig. In hellenistischen und kaiserzeitlichen Inschriften begegnen diese Körperschaften nur noch als Urheber öffentlicher Ehrungen.24 Daneben wurde der Ausdruck phylē (neben ethnos) aber auch für die Großstämme der Ionier, Dorier und Äolier verwendet. Diese unterschieden sich jeweils durch bestimmte kulturelle Merkmale (besonders ihre Dialekte), führten sich aber auf den gemeinsamen Ursprungsheros Hellen zurück. Dieser soll wiederum Vater von Doros, Aiolos und Xuthos und über Letzteren Großvater von Ion und Achaios gewesen sein. Etwa für die Teilnahme an gemeingriechischen Kultfesten wurde also nicht nur eine sprachlich-kulturelle Nähe, sondern auch eine imaginierte Blutsverwandtschaft (syngeneia) vorausgesetzt. So wurde das Königshaus des als barbarisch betrachteten Makedonien dennoch zu den Olympischen Spielen zugelassen, da es sich um Nachkommen des Herakles gehandelt habe, die vor Urzeiten Könige von Argos gewesen seien.25 Grund­legend war das Konzept der syngeneia auch für außenpolitische Beziehungen, insofern es den moralischen Druck zur Hilfeleistung und Vertragstreue erhöhte. Auch die zu sym- oder isopoliteia (wörtlich: ‚Mit-‘ bzw. ‚Gleichstaatlichkeit‘) neigenden Konföderationen (koina) der hellenistischen Epoche setzten entsprechende Vorstellungen oft voraus.26 (c) Handel über die Grenzen der polis hinweg nahm einen relativ geringen Anteil am Wirtschaftsleben ein, da die Lebensmittelversorgung nicht von den Unwägbarkeiten des Transports abhängig gemacht werden konnte. Die hohen Getreideimporte, die für Athen, Alexandrien, Rom und Konstantinopel während ihrer Blütezeiten bezeugt

22 Hansen 1996. 23 Bleicken 1995, S. 43f., 180ff., 520ff.; Welwei 1998, S. 56–58; Lambert 1998; Hall 2002, S. 16; Schmitz 2004, S. 19, 466; Hansen u. a. 2004, S. 95–97, 1343f. 24 Bleicken 1995, S. 44f., 224ff., 306ff., 521, 585f., 596–599; Welwei 1998, S. 157–165, 169f.; Gehrke 2000, S. 162–167. Abweichend Walter 1993, S. 204–208: Die Neukonstituierung habe der Integration der Neubürger gedient. 25 Herodot VIII 144 bzw. V 22; Gehrke 2000; Hall 2002. 26 Coşkun 2008b, S. 18–23; Gehrke 2000, S. 167f.

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sind, setzten jedenfalls imperiale Sonderbedingungen voraus.27 Die Nahrungsmittelproduktion hatte eine so existenzielle Bedeutung, dass Grundeigentum eines der vornehmsten Bürgerprivilegien blieb und die soziale Ordnung maßgeblich strukturierte. Das ‚Recht, Grund und Haus zu erwerben‘ (enktēsis tēs gēs kai oikias) wird bei manchen Zivitätsverleihungen sogar ausdrücklich erwähnt. Erst in hellenistischer Zeit wurde es öfter auch hochverdienten Fremden, meist öffentlichen Gastfreunden im Diplomatenrang (proxenoi), zugestanden.28 Der Bedarf an Ackerland stellte bereits in archaischer Zeit einen wichtigen Impetus zur fortschreitenden Einbindung des Umlandes (chōra) in die polis dar, teils durch Erschließung von Brachen, teils durch freiwilligen Anschluss benachbarter Dorfgemeinschaften, teils durch Eroberung derselben.29 Im letzteren Fall bestanden mehrere Möglichkeiten: die besiegten Gemeinwesen in den Bürgerverband einzugliedern, sie in einem Untertanenstatus oder erzwungenen Bündnerstatus zu belassen oder aber nach ihrer Vernichtung ‚Landlose‘ (attisch klēroi; dorisch klaroi) an eigene Bürger zu verteilen. Die Herausbildung des ‚Staates der Lakedämonier‘ (Lakedaimoniōn politeia) im Süden der Peloponnes erfolgte überwiegend militärisch. Unter dem legendären Gründer Lykurg (wohl eher im 7. als im 9. Jh. v. Chr.) wurde die fruchtbare Eurotas-Ebene in 9000 klaroi unterteilt, welche es ebenso vielen Vollbürgern Spartas (Spartiatai) erlaubten, sich ganz dem Militärdienst zu widmen. Die Arbeit wurde von einer besonderen Sklavenschicht, den Heloten (heilōtai), verrichtet. Die wohl größte Bevölkerungsgruppe bildeten die freien ‚Umwohner‘ (perioikoi), die in selbstverwalteten Dörfern lebten und Bündnispflichten gegenüber Sparta zu erfüllen hatten. Weitere Eroberungen in Lakonien und Messenien folgten, bis Sparta im 6. Jh. v. Chr. durch den Besitz von etwa zwei Fünfteln der Peloponnes in die Lage versetzt war, seinen Rivalen Argos dauerhaft zu kontrollieren. Zugleich war damit eine Vormachtstellung über Griechenland gewonnen. Allerdings sank die Spartiatenzahl stetig, was nicht nur an der militärischen Überbeanspruchung lag, sondern auch an der exklusiven Gesellschaftsstruktur. Die Zahl der ‚Gleichen‘ (homoioi) reduzierte sich vor allem wegen eines Heiratsverhaltens, das auf die Vergrößerung des Grundbesitzes abzielte. So sind für das 6. Jh. v. Chr. noch 8000 Spartiaten bezeugt, für die zweite Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. nur noch 700. Verarmte Spartaner (hypomeiōnes) verloren ihren Vollbürgerstatus. Allerdings war wohl ein durch den Lebensstil bedingter Geburtenrückgang mitverantwortlich für diese Entwicklung.30 Demgegenüber scheint die sukzessive Ausdehnung des ‚Staates der Athener‘ (Athēnaiōn politeia) über die Halbinsel Attika vorwiegend friedlich verlaufen zu sein. Hier mag der Grund für die Expansion in der Kargheit des Bodens gesehen werden, 27 Bleicken 1995, S. 116–140, 545–569; Scheidel u. a. 2007. 28 Enktēsis: Kahrstedt 1934, S. 10f.; Whitehead 1977, S. 70, 96; Coşkun 2009a, S. 55–60. Proxenie: Bleicken 1995, S. 550f.; Hansen u. a. 2004, S. 98–102, 1345–1347. 29 Hansen u. a. 2004, S. 74–79, 1319–1327. 30 Welwei 1998 und Welwei 2004; Wallner 2008; Shipley 2004.

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da die Ernährung einer autarken Wehrgemeinschaft zur Kooperation mehrerer kleiner Ortschaften riet. Die soziopolitische Binnendifferenzierung erfolgte aber nicht nach geographischer Herkunft oder durch radikale Umverteilungen des Grundbesitzes. Jedenfalls bedurfte auch Athen zur Erlangung seiner Autarkie neben der Vermehrung der materiellen Ressourcen einer, wenn nicht sozialen, so wenigstens politischen ‚Homogenisierung‘ des ‚Volkskörpers‘. Erst so ließen sich die Konflikte im Inneren reduzieren und die Wehrkraft nach außen steigern. (d) Der hohe Partizipationsgrad der Politen hätte bereits bei der Beschreibung der Kultgemeinschaft (a) oder der Phratrie (c) angemerkt werden können. Auf diesen Feldern bestand er auch neben dem (meist im 7. Jh. v. Chr. abgeschafften) Königtum (basileia) oder der tyrannis, die als illegitime Monarchie galt. Das eminente Merkmal der klassischen polis ist aber der hohe Grad der politischen Partizipation ihrer Mitglieder. Den wichtigsten Impuls hierzu lieferte im 7. und 6. Jh. v. Chr. die Herausbildung der Hoplitenphalanx, welche die noch in homerischer Zeit mit Streitwagen agierenden aristokratischen Einzelkämpfer obsolet machte. Die Taktik einheitlich bewaffneter Bürger, die in geschlossener Schlachtreihe kämpften, setzte indes eine breite Mittelschicht vo­ raus, welche sich sowohl die Anschaffung der für alle gleichen Rüstung leisten als auch die Zeit für das gemeinsame Training nehmen konnte.31 Nach der politischen Emanzipation der Hopliten wurde in Sparta der Kreis der politisch Aktiven kontinuierlich begrenzt, in Athen dagegen sukzessive erweitert. Die 9000 Landlose der Spartiaten mussten nicht nur für den Lebensunterhalt und die Finanzierung der Hoplitenrüstung ausreichen, sondern auch für die Beiträge zu den Gemeinschaftsmahlen (syssitia), wenig später zudem noch für die militärische Ausbildung (agōgē) eines Sohnes. Das Land wurde seit dem 6. Jh. v. Chr. ausschließlich von Heloten bewirtschaftet, während sich der Kriegsdienst der Spartiaten zu ihrem ‚Beruf‘ entwickelte. Die Geschlossenheit dieser Gruppe wurde durch den gemeinsam errungenen Kampfesruhm, die exklusiven Syssitien und die strikte Endogamie gesteigert. Noch vor der Wende zum 5. Jh. v. Chr. hatte die spartanische Volksversammlung (apella) die Entscheidungsgewalt über Kriegsführung und Gesetzgebung erlangt, während das erbliche Doppelkönigtum den militärischen Oberbefehl behielt.32 Mehrfach entgegengesetzt verlief die Entwicklung in Athen. Zur Überwindung der inneren Zerrissenheit und der äußeren Schwäche schuf Solon 594 v. Chr. eine timokratische Verfassung (< timē – ‚Zensus‘, ‚Ehre‘), die er selbst als ‚Wohlordnung‘ (eunomia) bezeichnete: Während die Priesterämter weiterhin den genē vorbehalten blieben, wurde die politische Macht dem Vermögen entsprechend verteilt. Die Bürgerschaft unterteilte er in vier Klassen: Fünfhundertscheffler (pentēkosiomēdimnoi), deren Jahresertrag auf mindestens 500 Scheffel (zu 45 l) Getreide bzw. (zu 36 l) Wein oder Olivenöl ge31 Bleicken 1995, S. 570f.; Welwei 1998, S. 72–76; Hansen u. a. 2004, S. 81–86, 1338–1340. 32 Welwei 1998 und Welwei 2004; Shipley 2004, bes. S. 587–594.

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schätzt wurde; Reiter (hippeis), welche neben ihrer Hoplitenrüstung den Unterhalt je zweier Pferde und eines Sklaven aufbringen konnten (300 Scheffel); Zeugiten, deren Name sich von zeugon (‚Joch‘) herleitet und wohl auf die geschlossene Kampfformation der Hopliten hinweist (200 Scheffel); sowie die weniger besitzenden Theten (thetai), welche nur im Notfall als Leichtbewaffnete herangezogen wurden. Das Stellen der neun höchsten Beamten (archontes) war der ersten Klasse vorbehalten, während die Mitglieder der ersten drei Klassen in den Rat (bulē) und das Geschworenengericht (hēliaia) gewählt werden konnten. Die Solonische Verfassung blieb sogar bestehen, als es Peisistratos 561/546 v. Chr. gelang, die Stadtburg (Akropolis) zu besetzen und sich als (im Übrigen recht populärer) tyrannos zu etablieren.33 Den Übergang zu einer ‚protodemokratischen‘ Verfassung leitete Kleisthenes 508/07 v. Chr. ein, indem er – laut Herodot (V 66,2) – „den dēmos in seine Adelsgefolgschaft aufnahm“. Mit seiner Phylenreform konstituierte er den politischen Körper Athens neu; Richterämter und Ratsstellen verteilte er durch das Los unter den Aktivbürgern. So durchschnitt er die Machtbasis der tyrannenfreundlichen Aristokraten und unterwarf das politische Geschehen in nie da gewesener Radikalität dem Mehrheitswillen der Volksmenge (dēmos).34 Schlüsselbegriffe waren damals ‚gleiches Rederecht‘ (isēgoria) in der Volksversammlung (ekklēsia) und ,gleiches Recht‘ vor Gericht (isonomia), die vor allem das Selbstbewusstsein der Hopliten stärkten. Zwar erhielten auch Theten ein Stimmrecht in der Volksversammlung; aber ihr Zugang zu Ratsmitgliedschaft oder Richteramt blieb, wenn überhaupt, eher potenziell als faktisch, solange sie nicht auf eine Erwerbstätigkeit verzichten konnten.35 An Bedeutung gewannen die Theten erst seit dem Ausbau der Flotte ab 483/482 v. Chr., welche maßgeblich zur Errichtung der Seeherrschaft Athens führte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die älteste überlieferte Erörterung der Demokratie (446/443) die Redefreiheit der ‚Armen‘ und ihren Zugang zu den Losämtern mit diesem Dienst begründet, obwohl mittlerweile auch Metöken und Sklaven in großer Zahl als Flottenruderer eingesetzt wurden.36 Erst ca. 487 v. Chr. wurde selbst das Archontat ein Losamt, eine Generation später sogar den Zeugiten zugänglich. Damit ging die politische Führung des Staates nun ganz auf die Volksversammlung über. Nur die Kriegsführung wurde zehn gewählten Strategen anvertraut. Ein weiterer Schritt stellte die Beschränkung des Ältestenrats (Areopagos

33 Patterson 1981, S. 22–24; Walter 1993, S. 192–200; Bleicken 1995, S. 24–40, 511–519; Welwei 1998, S. 143–156; Blok u. a. 2006; Blok 2007, S. 316–318. Zu den Theten siehe auch die Abschnitte 3–4. 34 Vgl. Ps.-Aristot., Ath. pol. 20,1. Kontrovers ist die Datierung weiterer Reformen: Bleicken 1995, S. 42–48, 519–524, sowie Welwei 1998, S. 157–165. Ferner siehe unten Abschnitt 5 (b) zum ostrakismos. 35 Bleicken 1995, S. 521–523; Welwei 1998, S. 160f. 36 Ps.-Xenophon, Ath. pol. I 2.12; Welwei 1998, S. 170f.

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– ‚Areshügel‘) dar.37 Noch wichtiger war die Einführung von Diäten für die Staatsbediensteten seit den 460er Jahren, bald darauf gab es auch ‚Sold‘ (misthos) für die 6000 Geschworenenrichter. Nicht vor den 390er Jahren kam eine Entschädigung für den Besuch der Ekklesie (ekklēsiastikon) und später sogar des Theaters (theōrikon) hinzu. Hierdurch konnten sich immer mehr Theten längerfristig der Politik widmen und geradezu ein berufsmäßiges Bürgerethos entwickeln.38 Die aggressive Seebundpolitik nach außen sowie die konsequente Demokratisierung nach innen sind vor allem mit dem Namen des Perikles verbunden. Von ca. 462 bis zu seinem Tod 429 v. Chr. bestimmte er die Geschicke Athens als Redner in der Volksversammlung maßgeblich mit.39 Unter ihm erreichte die Zahl der (männlichen erwachsenen) Bürger geschätzte 40.000 bis 50.000. Dieser – überhaupt für eine demokratische polis angesetzte – Höchstwert liegt vielleicht schon oberhalb der von Aristoteles nicht genau bezifferten Grenze (viel mehr als zehn, viel weniger als 100.000), die der autarken Selbstverwaltung einer durch Verwandtschaft und Freundschaft zusammengehaltenen Gemeinschaft, modern gesprochen: einer face-to-face society, gesetzt seien; bei deren Überschreitung entwickele sich die polis zu einem ethnos (etwa ‚Volk‘). Hieran wird bei der Interpretation sowohl der Metökie (metoikia) als auch des restriktiven Athener Bürgerrechtsgesetzes zu erinnern sein.40 Der Peloponnesische Krieg (431–404 v. Chr.) beendete die Blütezeit Athens: Der Attisch-Delische Seebund brach auseinander, Attika wurde verwüstet, die Flotte zerstört und die Zahl der Bürger schrumpfte auf ca. 20.000. Für viele war die Demokratie diskreditiert, sodass es 411/10 v. Chr. kurzzeitig 400 bzw. 5000 Wohlhabenden gelang, die Macht an sich zu reißen; 404/03 übergab die Siegermacht Sparta die Herrschaft an 30 ‚Tyrannen‘. Der Widerstand der mittlerweile an Selbstbestimmung gewöhnten Bürgerschaft war aber so groß, dass die Demokratie sogleich zurückerkämpft wurde. Gesellschaft und Wirtschaft konsolidierten sich schnell, und schon kurz nach 400 v. Chr. konnte das Diätensystem wieder eingeführt und bald noch ausgeweitet werden. In dieser Form hatte die Demokratie sogar über die Niederlagen gegen Philipp II. von Makedonien (338 v. Chr.) und Alexander den Großen (335 v. Chr.) hinaus Bestand. Die Zahl 37 Ps.-Aristot., Ath. pol. 25; 35,2; 41,2. Vgl. Bleicken 1995, S. 51–54, 527–533; Welwei 1998, S. 149f., 178–182; Hansen u. a. 2004, S. 630. 38 Ps.-Aristot., Ath. pol. 24; 27; 29; 41; 62; Chambers 1990; Ps.-Xenophon, Ath. pol. I 3; Bleicken 1995, S. 329–335, 523–627; anders Blok 2009, S. 148 mit Anm. 23 (nach 450 v. Chr.). Die Diäten (2–9 Obolen) waren aber nur eine Aufwandsentschädigung und kein Gehalt. Der im 4. Jh. v. Chr. belegte Bürgerpass (symbolon, pinakion) kontrollierte den Zugang zu besoldeten Ämtern: Kahrstedt 1934, S. 214–217; Bleicken 1995, S. 251f., 317, 600. 39 Lehmann 2008. 40 Aristot., Politika VII 4 (1325b–1326b), bes. 7; Nikomachische Ethik IX 10, bes. 3 (1170b); vgl. Gauthier 1981; Walter 1993, S. 24f.; Meier 1993, S. 399; Bleicken 1995, S. 409, 657 sowie 546–549 zu den Bevölkerungszahlen.

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der Aktivbürger wurde erst nach dem Lamischen Krieg (323/22 v. Chr.) durch die Bindung an den Hoplitenzensus drastisch reduziert.41 Nach traditioneller Auffassung war damit das Ende der klassischen polis besiegelt.42 Fortan habe die Oberschicht in Anlehnung an einen der makedonischen Könige regiert und die Mittelschicht nur noch eine gewisse Kontrollfunktion ausgeübt. Doch ist es geradezu erstaunlich, mit welcher Vitalität die Athener jede Möglichkeit wahrnahmen, sich eine demokratischere Verfassung zurückzuerkämpfen (318, 307, 300, 287, ca. 265 v. Chr.), wenngleich ihnen das erst 229 v. Chr. auf Dauer gelang. Allerdings hatten sich bis dahin der außenpolitische Aktionsradius und damit auch die materiellen Ressourcen, die eine Subventionierung der politischen Betätigungen der Theten ermöglicht hätte, deutlich verringert. Ebenso fehlte es an einer expansiven Flottenpolitik, welche die landlose Bürgerschicht unmittelbar an der Errichtung oder Behauptung einer Großmachtstellung hätte Anteil nehmen lassen. So ist nicht ersichtlich, dass die Unterschicht die Volksbeschlüsse jemals wieder dominiert hätte. Derartige ‚gemäßigte‘ Verfassungen setzten sich nun in fast allen griechischen poleis unter dem zuvor eher negativ konnotierten Namen ‚Demokratie‘ durch. Nicht zuletzt gebärdeten sich die untereinander rivalisierenden hellenistischen Könige als Schützer ihrer Freiheit (eleutheria), welche oft mit Demokratie gleichgesetzt wurde. Allerdings war Neutralität keine dauerhafte Option für dieselben, de facto wurde loyale Unterordnung in außenpolitischen Fragen verlangt. Athen schlug sich deswegen seit dem Ersten Makedonischen Krieg (215–205 v. Chr.) auf die Seite der Römer. Die wieder erwachten Großmachtambitionen Spartas endeten 194 v. Chr. mit der endgültigen Zerschlagung der Lakedaimoniōn politeia. Der Inselstaat Rhodos, eine der bedeutendsten Mittelmächte, behauptete sich fast anderthalb Jahrhunderte in seiner ‚splendid isolation‘, bevor er demütig die Suprematie Roms anerkannte (165 v. Chr.) Eine vorübergehende Alternative zur Unterwerfung stellte der Zusammenschluss mehrerer Städte zu einem Bündnis (symmachia), Staatenbund (koinon) oder Bundesstaat (sympoliteia) dar. Während eine Bundesversammlung und deren Exekutivorgane Kriegsführung und Außenpolitik übernahmen, behielten die einzelnen poleis zwar noch Autonomie nach innen, gewährten aber den Bürgern ihrer Bündner zahlreiche Privilegien, die bis zum automatischen Zivitätserwerb bei Verlegung des Wohnsitzes (isopoliteia) reichen konnten. Die Bünde der Ätoler und der Achäer bezahlten ihre fehlende Bereitschaft, sich dauerhaft der ‚Hoheit‘ (maiestas) der Römer unterzuordnen, mit ihrer blutigen Unterwerfung (189/146 v. Chr.).43 Zug um Zug machten alle politischen Verbände die Erfahrung, dass eine enge Anlehnung an ein Königshaus bzw. an Rom unumgänglich war. In den poleis bildete sich 41 Bleicken 1995, S. 84–97, 216–224, 472–480; Welwei 1998, S. 225–250. 42 Zum Beispiel Welwei 1998, S. 250. 43 Siehe auch oben 2.2 (b) mit Anm. 25–26; zu den Städtebünden vgl. auch Coşkun 2009a, S. 41.

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so eine Honoratiorenschicht heraus, welche die Kommunikation mit der Hegemonialmacht zu kontrollieren und auch die Staatsgeschäfte weitgehend zu leiten suchte. Demokratische Strukturen hielten sich zwar bis in die Hohe Kaiserzeit, früher oder später kam es aber allenthalben zu einer Konzentration materieller und ideeller Ressourcen in den Händen weniger. Eine legitime Polisverfassung musste zwar ‚Demokratie‘ heißen und ‚Autonomie‘ gewährleisten, jedoch war dies nun mit einer Beschränkung der außenpolitischen Freiheit vereinbar. Das Losverfahren wurde allmählich wieder durch Wahlen ersetzt. Die Erwartung kostspieliger Stiftungen (euergesiai – ‚Wohltaten‘) oder verpflichtender Leistungen (leiturgiai) engte den Kreis der Bewerber um Jahresämter stark ein. Die Zustimmung der Ekklesie verkam immer mehr zu einem Ritual.44 Die weiterhin große Bedeutung der poleis in Verbindung mit ihrem zahlenmäßigen Anwachsen in hellenistischer (und römischer) Zeit hat zu der früheren communis opinio geführt, dass die Untertanen des Seleukidenreiches entweder Bürger bzw. paroikoi von Städten oder aber als sog. ‚Leute des Königs‘ (laoi basilikoi) unmittelbares Eigentum desselben gewesen seien. Demgegenüber gesteht man neuerdings in erheblichem Maße auch die Existenz zwar untertäniger, jedoch autonomer Stammes- und Dorfgemeinden (ethnē und kōmai, auch dēmoi) zu, deren Angehörige personenrechtlich frei waren und nach ihren Rechtstraditionen über ihr Land verfügten. Von diesen zu unterscheiden sind die laoi basilikoi, die zwar ebenfalls frei waren, aber gewissermaßen als Pächter des ‚königlichen Landes‘ (basilikē chōra) hohe Abgaben zahlten. Neben der einheimischen Bevölkerung wurden oft auch Veteranen oder Wehrbauern in politisch eigenständigen Polis- oder Dorfgemeinschaften auf solchem Königsland angesiedelt. Zum selben Zweck konnte auch auf Territorien zurückgegriffen werden, die etwa nach Kriegen oder Aufständen konfisziert worden waren. Mitunter belohnte der König ferner verdiente Einzelpersönlichkeiten mit beträchtlichen Gütern. Anders als das mittelalterliche Lehen gingen diese aber in das volle Eigentum des Empfängers über, wobei dieser häufig die Möglichkeit erhielt, das Bürgerrecht einer nahe liegenden polis zu erwerben.45 Die griechischen Gemeinden wurden zwar zu unterschiedlichen Bedingungen in die römischen Provinzen eingegliedert, im Laufe der Zeit fand aber eine allmähliche Angleichung der Verhältnisse statt: Die Haftbarmachung des Rates für das an Rom abzuführende Steueraufkommen schützte immerhin vor den Machenschaften privater Steuerpächter, ruinierte jedoch bei sinkendem Einkommen oder steigender Abgabenlast viele Ratsmitglieder und dezimierte den Kreis der lokalen Eliten zusätzlich. Eingriffe in die Finanz­ politik und die Ausdehnung der Gerichtsbarkeit des römischen Statthalters führten nicht nur zu einer weiteren Aushöhlung der Autonomie, sondern auch zu einer tendenziellen Angleichung der Rechtsverhältnisse. Dieser Prozess wurde durch die Vergabe des römischen Bürgerrechts an Angehörige der lokalen Eliten sowie ihre zunehmende Einsetzung 44 Grieb 2008. 45 Schuler 1998;Mileta 2008.

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in der Reichsverwaltung verstärkt. Er kulminierte in der kollektiven Bürgerrechtsverleihung der Constitutio Antoniniana, bevor das Verbot lokaler Münzprägung gegen Ende des 3. Jhs. ein sichtbares Zeichen der Erosion städtischer Autonomie darstellte. Die Aufblähung der provinzialen Subalternbeamtenschaft (officiales) ist weniger Ursache als Symptom des Niedergangs der Städte (und damit auch des Römischen Reichs).46 e) Viele der bisher angeführten Charakteristika treffen auch auf die Stadt Rom zu: das Streben nach Autarkie, die Einbindung des ager Romanus und der Aufbau einer mittelständischen Hoplitenarmee, welche mit der (teils legendären) Heeresverfassung des Königs Servius Tullius aus dem 6. Jh. v. Chr. in Verbindung zu bringen ist,47 ferner eine Vielzahl das Gemeinwohl fördernder öffentlicher Kulte ebenso wie Ursprungsmythen, in welchen sich die Römer auf trojanische Heroen und Götter Latiums zurückführten. Wenngleich stadtstaatliche Strukturen noch selbst in der Supermacht des 1. Jhs. v. Chr. dominierten, lassen sich auf all den genannten Feldern aber auch signifikante Unterschiede verzeichnen. Eklatant sind die komplementären mythischen Traditionen von der Aufnahme von Sklaven, ja selbst Räubern, in die Bürgerschaft durch Romulus. Auch der legendäre Raub der Sabinerinnen unterläuft das Ideal der reinen und edlen Abstammung.48 Direkt oder indirekt sind diese Unterschiede zur griechischen Poliswelt durch die viel größere und zudem stetig wachsende Bürgerzahl bedingt. Obwohl die frühesten überlieferten Zensuswerte sehr unsicher sind, darf man doch davon ausgehen, dass schon in der ersten Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. die Zahl der erwachsenen männlichen Bürger 100.000 überschritt und damit – nach Aristoteles – die Kategorie der polis längst überholt war. In den folgenden zwei Jahrhunderten verdreifachte sie sich. Die ersten beiden Punischen Kriege (264–241, 218–201 v. Chr.) und die wieder auflebenden Konflikte mit den norditalischen Galliern (225–177 v. Chr.) bewirkten zwar einen Einbruch, der erst um 170 v. Chr. wieder ausgeglichen war, von da an setzte sich der rasante Anstieg aber weiter fort, sodass für den Vorabend des Bundesgenossenkrieges mit rund 500.000 Bürgern zu rechnen ist. Nach der Eingemeindung ganz Italiens von den Alpen bis Sizilien wurden bis unter Augustus 28 v. Chr. 4.063.000 Bürger gezählt. Dabei lebte damals schon ein großer Teil der Bürger in den Provinzen. Der letzte überlieferte Wert beträgt nicht weniger als 6.964.000 Bürger für das Jahr 45 n. Chr.49 46 Siehe oben Abschnitt 2.1 mit Anm. 8–9 und unten 4 sowie Kapitel 4. Vgl. zudem Holtheide 1983 zum Bürgerrecht. 47 Livius I 42–44. 48 Livius I passim; Cicero, Pro Balbo 31; Tacitus, Annales XI 24; dazu Dench 2005; Coşkun 2009c. Zu einer negativen Wertung vgl. Justin XXXVIII 7,1: „Abschaum Dahergelaufener“ (conluvies convenarum). 49 Zensusergebnisse: Brunt 1971, S. 9f. – Diese Zahlen sind etwa mit vier zu multiplizieren, um Frauen und Kinder zu berücksichtigen; hinzu kamen Sklaven und Fremde. Vgl. Scheidel 2001; Coşkun 2009a, S. 25–29.

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Angesichts dieser Dimension war die Entstehung einer ‚Basisdemokratie‘ wie in Athen ausgeschlossen. Wenn auch trotzdem zu Zeiten der Republik politische Partizipationsgrade verwirklicht wurden, welche erst wieder der moderne Nationalstaat übertraf, herrschte in der von Zeitgenossen als ‚Mischverfassung‘ beschriebenen Ordnung das aristokratische Element vor. Zwar galt bald nach der Vertreibung des letzten Königs (ca. 509/470 v. Chr.) das römische Volk (populus Romanus) als Souverän, doch hielten die Wohlhabenden, die schon unter den Königen einen Sitz im Senat erhalten hatten (patricii), ein Monopol auf die höchsten Magistraturen. Bis ins 4. Jh. v. Chr. erstritten sich die Vermögenden der ‚Gemeinen‘ (plebei) indes eine weitgehende Gleichberechtigung, sodass die meisten Ämter für alle, die den Ritterzensus erfüllten, zugänglich waren. Jedoch gelang es den damaligen Männern, die selbst oder deren Vorfahren das Konsulat erlangt hatten (nobiles), sich weitgehend gegen politische Aufsteiger abzuschotten. Folglich fand bis zur Mitte des 1. Jhs. v. Chr. nur selten ein ‚neuer Mann‘ (homo novus) Eingang in diese Schicht. Erst die Diktatur Caesars (49–44 v. Chr.) und der Prinzipat des Augustus (31/27 v.–14 n. Chr.) öffneten Senat und Beamtenschaft dauerhaft für ­Angehörige der italischen Ritterklasse. Eine wichtige Voraussetzung für das Übergewicht der Aristokratie war das hierarchische und auf Dauer angelegte Klientelwesen. Dieses wurde auch durch die anfangs geographisch strukturierten tribus (dem Äquivalent für gr. phylai) nicht – wie in der Kleisthenischen Verfassung – untergraben, sondern im Gegenteil sogar noch gefestigt. Denn die für die Wahlen von Konsuln und Prätoren zuständige Zenturiatsversammlung (comitia centuriata) wurde schon sehr früh in die Tribus-Ordnung überführt, sodass die ‚Hundertschaften‘ (centuriae) der Vermögensklassen auf die Zahl der tribus verteilt wurden. In diesen Stimmkörpern also, deren Zahl bis 241 v. Chr. auf 35 anwuchs, war jeweils eine Mehrheit zu erringen (comitia centuriata tributa). Während sich die vier überfüllten städtischen tribus schwer kontrollieren ließen, waren die Angehörigen der Oberschicht in einer der ländlichen tribus gemeldet, wo sie über Grundbesitz verfügten. Demgegenüber war die Mittel- und Unterschicht, die außerhalb der Tiberstadt sesshaft war, nur selten dazu in der Lage, zu Wahlen nach Rom zu reisen. Die Stimmen von der zweiten bis zur fünften Vermögensklasse wurden nur gelegentlich zur Erlangung einer Mehrheit gebraucht, die der nur nach ihrem ‚Haupt geschätzten‘ Bürger (capite censi) praktisch nie. Allerdings gab es daneben noch weitere Versammlungstypen. Auf der ‚Versammlung der Gemeinen‘ (concilium plebis) wurden die Volkstribunen (tribuni plebis) gewählt, auf der Tribus-Versammlung (comitia tributa) rangniedrigere Beamte wie die für die Marktaufsicht zuständigen aediles sowie die zur Unterstützung und Kontrolle der Konsuln und Prätoren bestimmten quaestores. Beide Versammlungen konnten auch als Volksgericht oder Gesetzgeber fungieren. Hier war zwar auch die tribus der entscheidende Stimmkörper, aber sie wurde nun nicht nach Vermögensklassen untergliedert. Gezügelt wurde der Einfluss der Armen freilich dadurch, dass die leitenden Magistrate in der Regel Angehörige der Nobilität waren und es nicht einmal auf den formloseren

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Diskussionsforen (contiones) ein freies Rederecht gab. Immerhin wurde das demokratische Potenzial dieser Institutionen vermehrt zwischen 133 und 31 v. Chr. spürbar, als Politiker immer öfter gegen den Willen der Senatsmehrheit unter Anrufung der Volksversammlung und Einsatz von Gewalt agierten. Als die Republik hieran zerbrach, war eine weitere Demokratisierung aber keine Option. Vielmehr errichtete Augustus 27 v. Chr. mit dem sog. ,Prinzipat‘ eine Art Monarchie, die auf einer einzigartigen Konzentration militärischer Macht, ökonomischer Ressourcen und sozialer Bindungen beruhte. Die Kumulation republikanischer Amtstitel und die Einbindung des umgestalteten Senats waren dagegen zweitrangig. Politische Entscheidungen wurden nun in der engsten Umgebung des Kaisers gefällt, während die Senatoren und Ritter in der Administration der Stadt und des Reichs unter der Kontrolle des Augustus standen. Zwar bedauerten viele überlebende nobiles den Verlust ihrer politischen Freiheit, doch hatte sich für die Mehrheit der Wohlhabenden die Möglichkeit zur politischen Teilhabe sogar erhöht. Da der Kaiser die materielle Absicherung der städtischen Unter- und Mittelschicht (plebs urbana) gewährleistete, erwies sich der allmähliche Verzicht auf öffentliche Wahlen zu Beginn unserer Zeitrechnung als unspektakulär. Dies offenbart umso deutlicher den aristokratischen Charakter der Republik, in welcher die Wahrnehmung des Stimmrechts zumeist eine lästige Klientenpflicht oder eine finanzielle Einkommensquelle gewesen war.50 Angesichts derart begrenzter politischer Partizipationsmöglichkeiten hatte sich der Wert des römischen Bürgerrechts für die Angehörigen der Mittel- und Unterschicht vor allem nach seinen ökonomischen, rechtlichen und sozialen Vorteilen bemessen. Sein Privilegiengehalt war bis in die Zeit Caesars kontinuierlich angereichert worden:51 Das von Beginn der Republik bis zum 1. Jh. v. Chr. sukzessiv erweiterte Provokationsrecht (provocatio) verbot die Exekution oder Folter eines Bürgers ohne Volks­gericht; ein solches Appellationsrecht wurde im Laufe der Kaiserzeit auf die Standespersonen in den Provinzen ausgedehnt. Die Härte der Strafen bis hin zur Art der Hinrichtung hing weiterhin vom ­politischen Status ab. Bürger unterlagen weniger Einschränkungen betreffs Aufenthalt in Rom, Mobilität, Handel sowie Testamentsabfassung und Erbschaftseinsetzung. Grunderwerb auf römischem Boden war nur Bürgern gestattet. Der römische Staat verzichtete zudem von 167 v. Chr. bis zum späten 3. Jh. n. Chr. auf die Erhebung einer regelmäßigen Grundsteuer auf dem ager Romanus bzw. Italicus. Seit Augustus fielen andererseits aber nur für Bürger Freilassungs-, Auktions- und Erbschaftssteuern an. Während in Athen Schuldknechtschaft schon von Solon abgeschafft worden war,52 wurde sie in Rom mindestens so lange praktiziert, wie es das Institut der Selbstverpfän50 Bleicken 2008; Lintott 1999; Bringmann 2002. 51 Sherwin-White 1973; Nicolet 1979; Gardner 1993; Bleicken 2008; Coşkun 2009a; Marotta 2009. 52 Rhodes 2006, S. 252f.

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dung (nexum) gab (3.? Jh. v. Chr.); doch hatte das Oberhaupt der Familie (pater familias) bis in die Kaiserzeit hinein die Möglichkeit, sich selbst oder seine Kinder in die Sklaverei zu verkaufen, sei es als Rettung vor dem Hungertod, sei es in der Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg als Vertrauensperson eines Unternehmers, Senators oder Kaisers. Der Militärdienst eines civis brachte in der Republik gelegentlich mehr Sold, höheren Beuteanteil oder eine größere Chance auf ein Landlos mit sich. Die Unterschiede verfestigten sich seit Augustus: Bürger kämpften in Legionen, Fremde in Auxiliarkohorten. Bürger der Stadt Rom hatten seit 122 v.  Chr. Anspruch auf verbilligte bzw. seit 58 v. Chr. auf freie Lebensmittelrationen (frumentatio).53 Die Privilegien der Bürger blieben bis ins späte 2. Jh. n. Chr. auf hohem Niveau, doch sank ihr Status unter der Herrschaft der Severer (193–235 n. Chr.) zur bloßen Reichsuntertanenschaft: Schon vor der Constitutio Antoniniana hatte ein Prozess eingesetzt, der die soziale und rechtliche Differenzierung von Bürgern versus Fremden (cives/ peregrini) zu ‚Ehrenwerte(re)n‘ versus ‚Niedere(re)n‘ (honestiores/humiliores) verschob. Die rationale Vereinheitlichung der Steuern durch Diokletian (284–305 n. Chr.) rundete diese Entwicklung ab.

3. R echtlich r elevante K ategor ien von Fr emdheit bzw. abgestufter Zugehör igk eit Der vorgegebene Rahmen erlaubt keine systematische Berücksichtigung von Sklaven. Ihre in vielerlei Hinsicht scheinbare Geschäftsfähigkeit ergab sich lediglich aus der Stellvertretung ihrer Herren. In einer Rechtsbeziehung zu einem antiken Staat standen sie trotzdem nicht. Daran änderten auch die gelegentlichen Schutzbestimmungen nicht viel. Rechtlichen Regelungsbedarf gab es dagegen vor allem für den Moment des Verlusts bzw. der Erlangung von Freiheit, d. h. bevor Personen begannen bzw. nachdem sie aufhörten, Sklaven zu sein.54 Des Weiteren können hier auch die verschiedenen ‚reisenden‘ Fremden wie Söldner, Geschäftsleute, Touristen, Studenten, Wanderarbeiter, Bettler, Flüchtlinge oder Pilger nicht einzeln in den Blick genommen werden, obwohl zumindest ein elementarer Rechtsschutz für sie die Norm war.55 Von den Griechen wurden sie allgemein xenoi oder gelegentlich parepidēmoi (‚vorübergehend Anwesende‘) genannt. In Rom herrschte dagegen die Dichotomie von cives und peregrini vor: Letzteres bezeichnet wörtlich ‚die über das Land Umherziehenden‘, meint aber genauer ‚die keine cives Romani sind‘ 53 Giovannini 2004. 54 Vgl. allgemein Heinen 2008; daneben z. B. Gardner 1993; Bleicken 1995, S. 100–114, 551–553; Welwei 1998, S. 219–225; Herrmann-Otto 2009. 55 Vgl. z. B. Baslez 1984; Balsdon 1979; Noy 2000. Zum elementaren Schutz siehe oben Abschnitt 1.

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und schließt ganz unterschiedliche Rechtsstellungen freier Fremder ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz ein. (a) Unter den ansässigen Fremden oder Minderberechtigten der Antike sind die athenischen ‚Mitbewohner‘ (metoikoi) am besten bekannt. Indem sie von Volksversammlung, Grunderwerb und seit dem 4. Jh. v. Chr. auch von Ehen mit Bürger/inne/n ausgeschlossen waren, wurden sie politisch strikt von den Bürgern geschieden. Allerdings konnten sie sich ansonsten gesellschaftlich und wirtschaftlich fast ungehindert entfalten und hatten auch Zugang zu den Gerichten.56 Sie setzten sich nicht nur aus Migranten (xenoi) zusammen, sondern schlossen auch freigelassene Sklaven (apeleutheroi) mit ein. Der Status der unehelich Geborenen (nothoi) ist umstritten, doch dürfte wenigstens ein nothos von zwei Athener Eltern einen minderberechtigten Bürgerstatus erhalten haben.57 Metöken, die länger als eine bestimmte, oft auf 30 Tage geschätzte Zeitspanne in Attika verweilten, mussten sich bei dem für den jeweiligen Wohnsitz zuständigen Demenbeamten unter Benennung eines ‚Vorstehers‘ (prostatēs) registrieren lassen. Damit wurde das sog. metoikion, d. h. die jährliche Gebühr von 12 Drachmen (bzw. 6 für eine alleinstehende Frau), fällig, welches nicht zuletzt die Festsetzung von fremden Bettlern verhinderte. Denn wer der Zahlung oder auch der Registrierungspflicht nicht nachkam, lief Gefahr, versklavt zu werden. Darüber hinaus mussten Metöken aber auch ähnliche Leistungen wie die Bürger erbringen: Sie konnten als Hopliten, Leichtbewaffnete oder Ruderer zum Kriegsdienst eingezogen werden und hatten ihrem Vermögen entsprechend Sonderkriegssteuern (eisphorai) zu entrichten, als leitourgoi öffent­liche Dienste auf eigene Kosten durchzuführen oder als naukraroi Kriegsschiffe zu bauen und auszurüsten. Ein begehrtes Privileg war das Recht, die Steuern wie die Bürger zu entrichten (isoteleia).58 Die frühere Forschung lobt den Metökenstatus als ‚humanitäre‘ Leistung der Athener, da er Fremden eine gesicherte Perspektive gewährt und sie vor Ausweisung oder Versklavung geschützt habe.59 Viele Metöken gelangten als Manufakturbesitzer, Geldverleiher oder Händler zu großem Reichtum. Eines der bekanntesten Beispiele stellt der Redenschreiber Lysias dar (um 400 v. Chr.), der Sohn eines aus Syrakus stammenden Schildfabrikanten. Eine besondere Inklusionsleistung ist jedenfalls die, wenn auch

56 Zur Benachteiligung vgl. Kahrstedt 1934, S. 299–304, 310; Whitehead 1977, S. 75–96; Bleicken 1995, S. 549f. 57 Zu den nothoi vgl. Bearzot 2005; auch Lotze 1981; Coşkun [ca. 2014]; teils abweichend Ogden 1996. Zum späteren Verbot der Mischehe siehe unten 4 (a) mit Anm. 89. 58 Hommel 1932; Kahrstedt 1934, S. 292f.; Bleicken 1995, S. 102–105, 122–129, 174, 177, 549f. Zur Meldefrist auch z. B. Whitehead 1977, S. 9. Vgl. aber Kahrstedt 1934, S. 276f., 280; Niku 2007, S. 3. 59 Nach Kahrstedt 1934, S. 278, war er sogar ein Privileg, das nicht allen sesshaften Fremden zugekommen sei.

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streng regulierte, Einbeziehung der Metöken in öffentliche Kultgemeinschaften.60 Viele freiwillige Stiftungen belegen zudem ihre Verbundenheit mit Athen. Metökie bedeutete geradezu den Ersatz für ein nicht vorhandenes oder suspendiertes Bürgerrecht.61 David Whitehead charakterisiert den Metöken dagegen als „anti-citizen“: Die Notwendigkeit eines Vorstehers sei ebenso demütigend wie die geringere Strafe im Fall ihrer Ermordung; durch das metoikion seien sie als Kontrastfolie besser sichtbar gewesen, welche die Bürger für ihre eigene Identitätsbildung gebraucht hätten.62 Mit Blick auf die relativ große Zufriedenheit der Metöken ist diese negative Deutung aber einseitig. Sie wird auch nicht dem großen Bedarf an Fachkräften, Tagelöhnern und Ruderern gerecht, den Athen seit dem Aufbau der Flotte und der Errichtung der Seeherrschaft nicht mehr aus seiner bereits hohen Bürgerzahl befriedigen konnte. Für die 430er Jahre geht man von bis zu 30.000 Metöken (gegenüber ca. 40.000 Bürgern) aus. Damals bot die metoikia offenbar attraktive Bedingungen für den Verbleib in oder die Übersiedlung nach Attika. Zugleich überrascht es nicht, dass die Quellen zur Metökie nach der Vernichtung der Athener Flotte (322) allmählich versiegen: Das letzte sichere Zeugnis datiert von 307/04 v. Chr.63 Wann und warum genau die Metökie abgeschafft wurde, ist aber umstritten. Nach der eingehendsten Studie von Maria Niku geschah dies erst nach Erlangung der Unabhängigkeit von Makedonien ca. 229 v. Chr. Etwa gleichzeitig habe man Kinder aus Mischehen wieder ins Bürgerrecht aufgenommen sowie mit der paroikia (< paroikos – ,Nachbar‘) einen neuen privilegierten Status für Fremde geschaffen. Jedoch zeigt Niku selbst, dass mit paroikoi in anderen poleis von 303 bis ins 1. Jh. v. Chr. meist Söldner oder fremde Militärkolonisten bezeichnet wurden.64 Durchweg trifft dies auch auf die zwölf Belege aus Athen von ca. 229 bis ca. 200 v. Chr. zu. Fiskalische Privilegien werden dort zwar nicht erwähnt, aber angesichts des dringenden Bedarfs an Söldnern nach der Lossagung von Makedonien ist kaum von einer Belastung über ihren Militärdienst hinaus auszugehen. Die athenischen paroikoi lassen zudem eine rudimentäre politische Organisation erkennen, während die metoikoi immer als Individuen gegenüber der polis aufgetreten waren. Nach der Konsolidierung der Demokratie und unter der von Rom ab 196 v. Chr. garantierten Unabhängigkeit konnte Athen wieder auf Hilfstruppen verzichten, welche sich der Souveränität des Demos entzogen. Nach Mustafa Adak manifestiert sich die Erosion der Grenze zwischen Bürgern und Fremden vor allem in der kurz vor 120 v. Chr. erfolgten Zulassung von Migrantensöh60 Blok 2007; Blok 2009, S. 147. Vgl. Hommel 1932, S. 1440; Kahrstedt 1934, S. 290, 292, 296f.; Whitehead 1977, S. 86–89; Patterson 2007, S. 165–167. 61 Adak 2003; Kahrstedt 1934, S. 277–279, 286. 62 Whitehead 1977, S. 10. 63 Niku 2007, S. 22f.; Adak 2003, S. 26. Anders Hommel 1932, S. 1440. 64 Niku 2007, S. 27–41, 148, 152–171. Vgl. aber auch Kahrstedt 1934, S. 63; Gauthier 1988; Bertrand 2005.

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nen zur Ephebie (Ausbildung und Dienst junger Männer). Ein weiterer Faktor sei die Niederlassung von Römern in Attika gewesen: Da diese nicht den Bestimmungen der Metökie hätten unterworfen werden können, sei das gesamte System ausgehöhlt worden. Bald nach der letzten Verleihung der isoteleia im 1. Jh. v. Chr. habe man die Metökie ganz abgeschafft.65 Die gesteigerte Inklusionsbereitschaft der poleis spiegelt sich etwa auch im Phänomen des Doppel- oder Mehrfachbürgerrechts wider.66 Allerdings waren diese Angebote vor allem an wohlhabende und einflussreiche Personen gerichtet, was bisweilen sogar zu einer unverhüllten Käuflichkeit des Bürgerrechts führte, welche erst von Augustus verboten wurde.67 Dass indes Athen oder eine andere polis grundsätzlich auf die Leistungen niedergelassener Fremder verzichtet oder aber dieselben regelmäßig eingebürgert hätte, ist weder belegt noch plausibel. In den reichsweit geltenden Gesetzen der Hohen Kaiserzeit sind Steuern und Dienste sesshafter Fremder jedenfalls wieder die allgemeine Regel. Mittlerweile war ein paroikos mit lat. incola gleichbedeutend.68 Dieser genoss infolge der Reichsverwaltung erhöhten Rechtsschutz und hatte leichteren Zugang zum Grunderwerb, konnte aber seit Augustus kaum mehr mit Steuererleichterungen rechnen. In jedem Fall sollten niedergelassene Fremde in einer griechischen polis entgegen dem Lexikon-Eintrag des Aristophanes von Byzanz (um 200 v. Chr.)69 oder dem modernen Sprachgebrauch nicht pauschal als ‚Metöken‘ bezeichnet werden – nicht zuletzt, da nur ein Teil der eigentlichen Metöken Migrationshintergrund hatte. (b) Die Minderberechtigten Spartas bestanden sogar weitgehend aus Einheimischen (hier sei an die hypomeiōnes oder perioikoi erinnert), da sich Fremde dort nur unter besonderen Bedingungen niederlassen durften.70 Die sprichwörtliche Fremdenfeindlichkeit der Spartaner soll sich oft in kollektiven Ausweisungen von Fremden (xenēlasia) manifestiert haben; doch hat Stefan Rebenich dies als ein ideologisches Zerrbild entlarvt.71 Die Heloten stellten dagegen eine Sonderform von Sklaven dar. Ähnlich untertänige, aber kaum näher bestimmbare Stellungen sind auch für die Nachbarn der Syrakusaner (auf Sizilien), Thessalier (in Mittelgriechenland) und Herakleoten (in Kleinasien) bezeugt. Entgegen früheren Ansichten muss der Status der Heloten aber besser als der anderer Sklaven gewesen sein: Sie blieben normalerweise in ihren Familienstrukturen und könnten gar einen gewissen Grad an kommunaler Autonomie besessen ha65 Adak 2003, S. 25–27; vgl. Kahrstedt 1934, S. 286f.; Davies 1977, S. 111, 119; Niku 2007, S. 150: „eradication of the practical significance of Athenian citizenship“. 66 Vgl. Cicero, Pro Archia 5–6; Pro Balbo 30; Coşkun 2010. – Anders zur Isotelie Niku 2007, S. 150. 67 Davies 1977, S. 119f. 68 Digesta L 16,239,2. Und siehe unten Abschnitt 3 (c) mit Anm. 78. 69 Adak 2003, S. 26. Zu ergänzen sind weitere Zeugnisse zum metoikion (Niku 2007, S. 23). 70 Verbannte Aristokraten wie Alkibiades oder Xenophon, aber auch ‚fremde Zöglinge‘ (xenoi trophimoi, vgl. Berneker 1967, S. 1445) fanden wiederholt Aufnahme. 71 Rebenich 1998. Vgl. auch Thukydides I 144,2; II 39,1; Schaefer 1967.

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ben. Die positive demographische Entwicklung ist ein weiterer Indikator für ein relativ erträgliches Los. Ferner muss zumindest unter den lakonischen Heloten die Loyalität gegenüber den Spartiaten so groß gewesen sein, dass sie ihre Herren in großer Überzahl zur individuellen Unterstützung auf den Feldzügen begleiteten. Seitdem der demographische Druck auf den Spartiaten im 5. Jh. zunahm, ist auch wiederholt der Einsatz ganzer Kampfverbände freigelassener Heloten in minderberechtigtem Bürgerstand (neodamōdai, wörtlich: ‚Neubürger‘) belegt.72 Die freien ‚Umwohner‘ Spartas waren perioikoi. Sie lebten in einer der ca. 30 lakonischen oder messenischen Kleinstädte, welche als Teil des Staates der Lakedämonier galten, deren politische Rechte aber auf eine lokale Autonomie begrenzt waren. Sie zahlten zwar keine Steuern an Sparta, hatten jedoch oft einen Teil ihrer Anbauflächen an die spartanischen Könige abtreten müssen. Einen materiellen Ausgleich boten Handel und Handwerk. Wohlstand und auch generelle Zufriedenheit spiegeln sich nicht zuletzt darin, dass der Anteil der Periöken am lakedämonischen Hoplitenheer schon in der Mitte des 5. Jhs. größer war als der der Spartiaten. Abfallbewegungen setzten erst mit der Niederlage Spartas gegen Theben 371 v. Chr. ein, bevor der Staat der Lakedämonier 194/192 v. Chr. zerschlagen wurde.73 Nur selten sind wir über die Lebensbedingungen, Rechtsstellungen oder terminologische Klassifikation von Minderberechtigten so gut informiert wie für Athen oder Sparta. Dass insgesamt mit einer größeren Vielfalt zu rechnen ist, belegen zahlreiche vor allem aus dem hellenistischen Kleinasien und dem Schwarzmeerraum stammende Inschriften, in denen etwa paroikoi oder katoikoi (‚Siedler‘, ‚Vorbewohner‘) neben dem Politenverband genannt sind. Der Grund liegt zum einen an einer sukzessiven Durchdringung des Hinterlandes seitens der griechischen Kolonisten, welche fremde Kommunen zu oft unterschiedlichen Bedingungen in ihren Herrschaftsbereich eingliederten. Zum anderen wurde das Binnenland im 3. und 2. Jh. v. Chr. mit Veteranen- und Wehrkolonien sowie mit Königsgütern überzogen, von denen sich viele zu poleis mit den üblichen Institutionen weiterentwickelten.74 Ein besonders interessanter Typ wird mangels eines antiken Ausdrucks als ‚Doppelgemeinde‘ (double community) bezeichnet: Zwei ethnisch und politisch geschiedene Gruppen, etwa eine phrygische Vorbevölkerung einerseits und hellenische oder hellenisierte Veteranen andererseits, teilten sich ein urbanes Zentrum, hatten aber zwei getrennte politische Körperschaften (politeumata), die nicht mit Phylen verwechselt werden dürfen. Den bekanntesten Fall stellt das jüdische politeuma aus dem im Nildelta 72 Welwei 1998, S. 51–54, 102–107; Welwei 2004, S. 319–323, der auch die sog. krypteia, nach welcher die Ermordung von Heloten zum Initiationsritus der Spartiaten gehört habe, ins Reich des Mythos verbannt; vgl. Walter 1993, S. 175. 73 Welwei 1998 und Welwei 2004; Shipley 2004, S. 569–598; Wallner 2008. – Zum Untertanenland Athens vgl. Kahrstedt 1934, S. 346–362; für andere griechische poleis Hansen u. a. 2004, S. 88–94. 74 Gauthier 1988; Papazoglou 1997.

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gelegenen Alexandrien dar, welches bis zum Jüdischen Krieg (65–70 n. Chr.) existierte. Oft schlossen sich auch römische Kaufleute und Veteranen zu eigenen Körperschaften zwecks politischer Interessenvertretung oder auch als Kultgemeinschaft zusammen, so etwa zu Ehren des divus Iulius und der dea Roma auf der Ebene der Provinzen Asia und Pontus-Bithynia 29 v. Chr.75 (c) Viele der hier beschriebenen Rechtsstellungen von Fremden finden sich in ähnlicher Form auch in der Stadt Rom oder im römischen Italien. Betreffs der freigelassenen Sklaven und der unehelichen Kinder zumindest einer Römerin war die Tiberstadt aber inklusiver: Nach dem Prinzip, dass jeder freie Mensch eine civitas haben müsse, wurden diese Personen automatisch Bürger – ungeachtet sozialer Diskriminierung und politischer Benachteiligung. Die gängige Lehre, dass Rom auf die Registrierung und Besteuerung niedergelassener Fremder verzichtet habe, ist jüngst widerlegt worden. So kann mit Livius der Zensus von in Rom ansässigen Italikern und Latinern für die Jahre 187 und 177 v. Chr. nachgewiesen werden. Hierfür ist auch das Lexikon des Festus (2. Jh. n. Chr.) aussagekräftig: „Municipium: Das ist eine Personengruppe. So genannt werden diejenigen, die, als sie nach Rom kamen und keine römischen Bürger waren, dennoch Teilhaber an allen Dingen zwecks Verrichtung der Dienstpflicht (munus) zusammen mit den römischen Bürgern waren, mit Ausnahme des Rechts, zu wählen oder Ämter zu übernehmen.“ Der Kontext verweist in die Zeit vor 338 v. Chr., sodass der Begriff municipium (< munus – ‚Dienst, Leistung‘; capere – ‚ergreifen‘) schon im 4. Jh. geprägt und zudem auch personal (wie municeps – ‚Dienstleister‘) verwendet wurde.76 Im 4. Jh. begann man auch, dasselbe Konzept auf Bürger besiegter Städte zu übertragen. Hier bietet sich ein Vergleich mit den lakedämonischen Periöken an, die ebenso Teile ihres Ackerlandes abtreten mussten, aber Freiheit und lokale Autonomie erhielten. Sie galten – vielleicht erst in späterer Interpretation – als ‚Bürger ohne Wahlrecht‘ (cives sine suffragio). Jedoch gewährten die Römer recht bald eine privatrechtliche Gleichstellung, die das Ehe- und Grunderwerbsrecht in Rom eingeschlossen zu haben scheint. Außerdem folgten nach mehreren Generationen – oder aufgrund eines besonderen Loyalitätserweises auch schon früher – die Verleihung politischer Rechte (civitas optimo iure). Ob dieses komplexe Beziehungsnetz schon früh systematisch durchdacht war oder erst um 188 v. Chr., wenn nicht gar erst im Zuge der Munizipalgesetzgebung nach dem Bundesgenossenkrieg, ist umstritten.77 Demgegenüber verlor municipium seit 167 v. Chr. allmählich seine auf individuelle Migranten bezogene Bedeutung, da keine Vermögenssteuern mehr erhoben und bald auch nur noch Freiwillige zum Militärdienst eingezogen wurden. Vermutlich entfiel damals also auch die Verpflichtung niedergelassener Fremder zu entsprechenden Leis75 Zum Beispiel Schuler 1998; Gagliardi 2006; Esch 2008. 76 Liv. XXXIX 3,4–6; XLI 8,6–12; 9,9–12; Festus s. v. municipium; dazu Coşkun 2009a. 77 Früh: Humbert 1978; Giovannini 2008. Spät: Mouritsen 2007. Vgl. auch Crawford 1996.

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tungen. Dennoch wurden Fremde weiterhin mit ihrem Wohnsitz (domicilium) regis­ triert. Außerhalb Roms setzte sich für solche Personen der Ausdruck incolae (‚Einwohner‘) durch. Er begegnet nicht zuletzt in kaiserlichen Reskripten, welche die Steuer- und Leistungspflicht für Lokalbürger sowie ansässige Römer, Latiner und Fremde vorschrieben, Reisende aber davon ausnahmen.78 Eine römische Besonderheit stellen die Latiner dar. Für die Angehörigen der schon oben erwähnten coloniae Latinae (Latini coloniarii) kann immerhin darauf verwiesen werden, dass auch die Griechen ihren Pflanzstädten (apoikiai) volle Autonomie gewährten, dies schon aus praktischen Gründen. Den Römern gelang es aber, die Latiner in ihre Wehrgemeinschaft einzugliedern. In der bisherigen Forschung hat man die Loyalität vor allem mit den privatrechtlichen Privilegien zu begründen versucht, deren Umfang aber viel geringer war als bisher angenommen:79 das commercium, d. h. das Recht auf freien Handel (das aber, wenn auch in anderer Form, allen nicht-feindlichen Fremden gewährt wurde und Grunderwerb nicht einschloss); das conubium (gr. epigamia), d. h. das Recht auf das Eingehen einer gültigen Ehe, aus der hervorgehende Kinder das Bürgerrecht des Vaters erhielten (doch war es kein pauschales Privileg für alle Latiner); die migratio, d. h. das Recht auf Niederlassung in Rom mit automatischem Bürgerrechtserwerb (das in dieser generellen Formulierung ein moderner Mythos ist); das suffragium, d. h. ein minderes Wahlrecht in Rom (das aber wohl erst 212 v. Chr. für in Rom sesshafte Latiner eingeführt wurde und kaum mehr als eine symbolische Bedeutung hatte); das ius civitatis per magistratum adipiscendae, d. h. das Recht, nach der Bekleidung eines lokalen Amtes römischer Bürger zu werden (es wurde erst nach 126 v. Chr. eingeführt). Das letztgenannte ius war auch das Schlüsselprivileg der 89 v. Chr. eingeführten fiktiven Latinität, mit der treue Provinzstädte ausgezeichnet wurden. Als Latini Iuniani (1.–6. Jh. n. Chr.) galten Sklaven, die nicht vorschriftsgemäß freigelassen wurden. Sie lebten wie Freie, starben aber wie Sklaven, deren Hinterlassenschaft an ihren ehemaligen Eigentümer fiel. Zum Beispiel durch den Dienst als Brandwächter konnten sie aber das Bürgerrecht erwerben.80 Wie die Latiner waren auch die Angehörigen verbündeter oder befreundeter Staaten peregrini, denen ein je spezifisches Bündel von Privilegien wie commercium oder conubium eingeräumt werden konnte. Derselbe Spielraum eröffnete sich auch für die teils freien, teils untertänigen Provinzstädte. Aber spätestens seit dem 4. Jh. v. Chr. entwickelten die Römer allgemeine Rechtsformen, welche einen unkomplizierten Handel auch mit solchen Fremden ermöglichten, die über keine besonderen Privilegien verfügten. Praktisch konnten sich alle peregrini frei im römischen Italien bewegen, niederlassen oder ein Gericht gegen Gewalttäter und Betrüger anrufen. Die Grenzen dieses Rechtsschutzes bestanden nur in dem Anspruch der res publica bzw. ihrer Magistrate, gege78 Codex Iustinianus X 40; Digesta L 1; Giovannini 2004; Poma 2005; Gagliardi 2006; Coşkun 2009a. 79 Coşkun 2009a, z. B. gegen Sherwin-White 1973. 80 Gaius, Institutiones I 32b.

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benenfalls voll über die Fremden zu verfügen, d. h. sie etwa in gerichtlichen Untersuchungen zu foltern oder bei Versorgungsengpässen aus dem Stadtgebiet zu verweisen. Gerade diese Unsicherheiten machten die seit dem 2. Jh. v. Chr. zögerlicher verliehene civitas Romana umso begehrter. Als Alternative für die Elite italischer Städte wurde ab ca. 122 v. Chr. erstmals auch das schon erwähnte Privileg der provocatio an verdiente Nichtrömer verliehen, die so vor der Willkür der Magistrate geschützt blieben. Grundsätzlich ausgenommen von der praktischen Freizügigkeit waren selbstverständlich diejenigen, deren Staat sich im Kriegszustand mit den Bürgern ihres Aufenthaltsortes befand. Sie liefen Gefahr, selbst als Feinde (gr. polemioi; lat. hostes) versklavt zu werden. Diplomaten (presbeis bzw. legati) waren indes sakralrechtlich geschützt. Eine Sonderstellung nahmen die Angehörigen eines Gemeinwesens ein, dessen Kapitulation Rom angenommen hatte (dediticii): Bis zur Verleihung eines neuen Rechtsstatus durften sie sich der Stadt Rom nicht nähern und mussten sämtlichen Anweisungen römischer Beamten bedingungslos folgen. Die für die hier vorgestellten Rechtskategorien typische ‚Zwitterstellung‘ zwischen gradueller Zugehörigkeit und abgestufter Ausgrenzung trifft sogar auf den Neubürgerstatus zu, für den politische Restriktionen die Regel waren. So wurden weder die neodamōdai noch die perioikoi in den Kreis der homoioi Spartas aufgenommen, zumindest vor den Revolutionen eines ‚absolutistisch‘ herrschenden Agis IV. oder Kleomenes III. im späteren 3. Jh. v. Chr.81 Auch den Freigelassenen der Römischen Republik konnte die Einschreibung in eine tribus gelegentlich verweigert werden, bis die Zensoren ihnen eine der politisch weniger bedeutenden tribus zuwiesen. Und noch im Italien des 1. Jhs. v. Chr. oder Gallien des 1. Jhs. n. Chr. erreichten Neubürger die Senatsfähigkeit kaum vor der dritten Generation.

4. Bedingungen zur Überw indung r echtlicher Fr emdheit Aus Sorge vor Machtverlust und Destabilisierung gingen die ekklēsia des demokratischen Athen, die apella des oligarchischen Sparta und die comitia des republikanischen Rom mit Bürgerrechtsverleihungen sehr behutsam um. Während aber die klassischen poleis zu immer stärkerer Exklusivität neigten, sobald einige Tausend wehrfähige Bürger vorhanden waren, experimentierte Rom seit dem 4. Jh. v. Chr. mit einer Vielfalt partieller rechtlicher Inklusionsmodi, die nach längerfristiger Bewährung zur vollen Gleichstellung führten. Im Folgenden soll eine Auswahl historischer Inklusionsprozesse näher beleuchtet werden. (a) Die Entstehung des Metökenstatus in Athen setzt ein Fortschreiten der politischen Schließung voraus, durch die der Thetenstand als untere Bürgerklasse definiert wurde. Oft wird dieser Prozess ins frühe 6. Jh. datiert, als die Theten unter Solon Anteil 81 Weitere Beispiele: Diodor 12,11,1 (445 v. Chr.); Blok 2005, S. 20, Anm. 69; Lambert 1998, S. 49–57.

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an der Ekklesie und den Geschworenengerichten erlangt haben sollen.82 Aber Ersteres ist unsicher und Letzteres unwahrscheinlich.83 Die Logik der eunomia setzte jedenfalls auf die Politisierung der Zeugiten zur Stabilisierung des Staates, nicht der Theten, die mittels ‚Schuldenabschüttelung‘ (seisachtheia) allein vor der Verelendung zu bewahren waren. Eine weitere rechtliche Ausdifferenzierung der freien Unterschicht war damals noch nicht zu erwarten.84 Die politischen Rechte der Theten blieben auch unter Kleisthenes in faktisch engen Grenzen. Zugleich setzte der Reformer geographische, nicht genealogische Prinzipien durch und nahm alle Halbbürtigen und sesshaften Freien in den neu geordneten Volkskörper auf.85 Daher bestand auch 508/07 v. Chr. keine Veranlassung, den Metökenstand als Rechtsstatus für Fremde zu definieren.86 Dies setzt vielmehr die Erfolge bei der Abwehr der Perser 479 v. Chr. voraus, zu der niedergelassene Fremde beigetragen hatten,87 ferner auch die Gründung des Attisch-Delischen Seebundes, welche einen dauerhaft hohen Bedarf an verlässlichem Personal schuf. Positiv belegt ist die Metökie in Athen jedenfalls erst in den 460er Jahren.88 Seit der Jahrhundertmitte sträubte sich die nun weitgehend demokratische Ekklesie offenbar zunehmend gegen umfassende Bürgerrechtsverleihungen, sei es, dass ihr dieser Preis für treue Dienste unnötig hoch erschien, oder sei es, dass eine weitere Ausdehnung der polis tatsächlich jenseits ihrer Vorstellungskraft lag. Dennoch wuchs die Zahl der Politen in der folgenden Generation trotz neuer kriegerischer Aktivitäten weiter an, nicht zuletzt deswegen, weil Kinder gemischter Herkunft weiterhin gute Aussichten auf die Aufnahme in die Demen hatten. Erst Perikles riegelte, wie noch näher auszuführen ist, den Volkskörper ‚hermetisch‘ ab und schuf damit die Voraussetzung für die klassische Ausprägung der Metökie. In den folgenden beiden Jahrhunderten kamen umfassendere Bürgerrechtsverleihungen nur nach politischen Umwälzungen oder demographischen Einbrüchen vor. Entsprechende Lockerungen sind vor allem für die katastrophalen Verluste durch die Pest (ab 430 v. Chr.) zu Beginn des Peloponnesischen Krieges und nach dem desaströ82 Ps.-Aristot., Ath. pol. 7,3; Hommel 1932, S. 1427; Walter 1993, S. 199; Patterson 2005, S. 270–273; Hansen u. a. 2004, S. 629; Rhodes 2006, S. 255f.; Gehrke 2006, S. 286; Raaflaub 2006, S. 413f. 83 Walter 1993, S. 200f.; Bleicken 1995, S. 513f.; Welwei 1998, S. 151; van Wees 2006, S. 366. 84 Ps.-Aristot., Ath. pol. 2; 5–6; 9. Vgl. Davies 1977, S. 114 zu Plutarch, Solon 24,4 (metoikizesthai); anders Hommel 1932, S. 1427; Whitehead 1977, S. 140–143. 85 Herodot V 66–69; Ps.-Aristot., Ath. pol. 13,5; 21,2 (Zitat); Aristot. Politika III 1,10 (1275b–1276a): Kleisthenes habe xenoi und duloi metoikoi (Freigelassene?) in die Phylen eingeschrieben. Vgl. Walter 1993, S. 203–208; anders Welwei 1998, S. 163; Poddighe 2010. 86 So aber Whitehead 1977, S. 140–147; Niku 2007, S. 3; ähnlich Walter 1993, S. 205; 208f. 87 Vgl. Hall 2002, S. 186; auch Hommel 1932, S. 1416f. 88 Ähnlich Blok 2007, S. 310f. (ca. 465 v. Chr.); Blok 2009, S. 147 mit Anm. 18 (470er Jahre). Vgl. Whitehead 1977, S. 145; Bleicken 1995, S. 102–105, 549f.; Samons II 2007, S. 163; sowie Davies 1977, S. 117–119, und Kallet 2007, S. 79f. (unter Perikles).

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sen Ausgang der Sizilischen Expedition (415–413) bezeugt. Aber selbst damals ging man nicht wahllos vor, sondern achtete entweder auf Blutsverwandtschaft (besonders bei den nothoi) oder auf Loyalität und Verdienste, wie im Falle der Platäer (427), Samier (404) und der demokratietreuen Metöken (403). Im frühen 4. Jh. wurden die Barrieren für Bürgerrechtsverleihungen aber sogar noch dadurch erhöht, dass nun zwei aufeinanderfolgende Volksversammlungen zustimmen mussten und danach noch die Möglichkeit einer Klage gegen den Beschluss gegeben blieb. Schließlich wurden sogar Mischehen unter hohe Strafe gestellt.89 Eine dauerhafte Abkehr von dieser restriktiven Politik trat erst gegen Ende des 3. Jhs. v. Chr. ein, als sich die Athener zur Verteidigung der wiedererlangten Freiheit rüsteten, Mischehen erneut zuließen und sogar daraus hervorgehenden Kindern den Bürgerstatus zuerkannten. Noch bis in die 120er Jahre v. Chr. zögerte man indes, das Bürgerrecht an reiche niedergelassene Fremde zu vergeben. Nun aber erlangten es – nahezu ehrenhalber – auch nicht ansässige Prominente. Kosmopolitische Strömungen waren kaum die Ursache hierfür, da diese Praxis sonst nicht auf die Elite beschränkt geblieben wäre. Ebenso können die Bedingungen römischer Hegemonie diese Entwicklung nur bedingt erklären, solange Athen innere Autonomie genoss (bis 86 v. Chr.). Entscheidender war die Erosion der demokratisch-egalitären Gesinnung der Volksversammlung, sodass die Aufnahme reicher und mächtiger Neubürger eher als außenpolitischer Vorteil denn als innenpolitische Gefahr betrachtet wurde. (b) Demgegenüber war in Rom schon vor Abschaffung der Monarchie die Zahl von 100.000 volljährigen männlichen Bürgern fast erreicht, wenn nicht überschritten, und stieg danach kontinuierlich an. Die stete territoriale und demographische Expansion wurde durch den militärischen Druck seitens der Nachbarvölker provoziert, welcher eine enge Kooperation in Latium notwendig machte. Basisdemokratische Strukturen konnten sich so von Anfang an gar nicht erst entwickeln. Gesellschaftliche Kohäsion wurde unter der Herrschaft des Königs oder der Patrizier bzw. der Nobilität durch die dank der väterlichen Gewalt (patria potestas) hierarchisch strukturierte familia mit ihrer Erweiterung durch die clientela gewährleistet. Die integrierende Kraft der Familie ist vielleicht am besten daran erkennbar, dass freigelassene Sklaven in der Regel Praenomen und Gentilnomen ihres ehemaligen Herrn annahmen sowie diesen in ihrem Namensformular anstelle eines Vaters nannten.90 Persönliche Verbindungen waren – neben der Einrichtung von Kolonien und Munizipien – auch von zentraler Bedeutung für die Kontrolle Italiens. Letztlich strebte Rom danach, auf das Militärpotenzial besiegter Gemeinden zuzugreifen und sie politisch zu neutralisieren. Die Möglichkeit, dass alle italischen Bündner im populus Romanus aufgehen könnten, wurde erstmals 125 v. Chr. diskutiert, durch die Einführung 89 Patterson 1981, S. 140–150; Patterson 2005, S. 287–289; Lotze 1981; Carawan 2008. 90 Coşkun 2009c, S. 15f.

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des ius civitatis per magistratum adipiscendae für die latinische Elite konkretisiert (ca. 122 v. Chr.) und während der Turbulenzen des Bundesgenossenkrieges formal realisiert (90–87 v. Chr.). Der erbitterte und verlustreiche Widerstand der Römer erscheint angesichts der letztlichen Zugeständnisse zwar zunächst verblüffend. Doch gelang es den Aufständischen eben nicht, die civitas gewaltsam zu erpressen, sondern die Römer behielten weitgehend die Kontrolle. So boten sie den loyalen Bündnern bessere Konditionen an als den dediticii. Bezeichnenderweise entpuppte sich der innerrömische Streit um die politischen Rechte der Neubürger als Hauptgrund für den Ausbruch des Bürgerkrieges 88–82 v. Chr. Trotz anderslautender Versprechen wurde die Mehrzahl der Neubürger aber auch unter wechselnden Machtverhältnissen nicht vor 70/69 v. Chr. in die 35 tribus eingeschrieben. Der Zugang zum Senat wurde ihnen in größerem Umfang erst von den Alleinherrschern Caesar und Augustus gewährt.91 Neben solchen kollektiven Zivitätsschenkungen konnte die Volksversammlung auch verdiente Männer (mit ihren Familien) ‚viritan‘ (viritim < vir – ,Mann‘) einbürgern. Solange der organisatorische Aufwand verhältnismäßig groß war, wurde dies aber nur selten praktiziert. Im späteren 2. Jh. v. Chr. vereinfachten die Römer den Weg für besondere Leistungsträger, deren Loyalität dauerhaft gesichert werden sollte. Zeitgleich zum jüngsten Latinerprivileg ist erstmals überliefert, dass ein erfolgreicher fremder Kläger in politisch wichtigen Prozessen mit dem Bürgerrecht belohnt werden konnte.92 Außerdem durften Feldherren immer öfter einzelnen socii das Bürgerrecht noch auf dem Schlachtfeld verleihen. Der spektakuläre Missbrauch dieses Instruments durch C. Marius 102 v. Chr. zeitigte zwar striktere Auflagen.93 Es entwickelte sich aber zu einer Vollmacht zur Einbürgerung großer Verbände, die Caesar, Mark Anton und Augustus sowie seitdem alle weiteren Kaiser für sich in Anspruch nahmen. Regelmäßig geschah dies seit Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) nach ordnungsgemäßem Dienst von 25 Jahren. Diese Praxis entwickelte sich zu einem Motor der Romanisierung.94 In gewisser Weise ist selbst die Constitutio Antoniniana, mit der Kaiser Antoninus Caracalla 212 n. Chr. die Transformation der civitas Romana in ein Reichsbürgerrecht vollendete, eine Fortsetzung der Viritanverleihungen. Jedenfalls handelte es sich nicht, wie bei der fiktiven Latinität, um eine Munizipalisierung der Stadtverfassungen, sondern um ‚Wohltaten‘ an allen freien Reichsuntertanen. Politische Rechte verbesserten sich hierdurch aber für niemanden mehr. Stattdessen mussten die ehemaligen Peregrinen nun neben der Grundsteuer auch noch indirekte Steuern auf Sklavenfreilassung und Erbschaften zahlen.95 91 92 93 94 95

Sherwin-White 1973; Coşkun 2009a; Coşkun 2010. Crawford 1996 mit Coşkun 2009d zur lex Acilia repetundarum. Criniti 1970; Coşkun 2009a, S. 22–24. Raggi 2006; Eck u. a. 1986; Marotta 2009; Eck 2010. Cassius Dio 77,9,5; Digesta I 5,17; Marotta 2009, S. 109–130; Coşkun 2010, S. 54; auch Buraselis 2007.

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5. Bedingungen für den Ver lust von Zugehör igk eitsr echten Im Folgenden sollen fünf Fälle vorgestellt werden, in denen die Staatsgewalt Personen ihres Machtbereichs Zugehörigkeitsrechte legal entzog: (a) Beschränkung des Aufenthalts von Fremden; (b) Verwirken des Bürgerrechts wegen individuellen Fehlverhaltens; (c) kollektive Aberkennung des Bürgerrechts per Gesetz; (d) Entzug des ungesetzlich angemaßten Bürgerrechts; (e) Verlust des Bürgerrechts durch Annahme eines neuen. (a) Fremde konnten als Individuen, in spezifischen Gruppen oder in ihrer Gesamtheit ausgewiesen werden. Statt einer begangenen Straftat reichte schon der Verdacht, dass von einer Person(engruppe) ein wie auch immer geartetes Risiko ausgehe. So wurden griechische Philosophen, die als Bedrohung für Sitte und Ordnung galten, oft gezwungen, Rom zu verlassen. Als Zensor des Jahres 92 v. Chr. wies L. Licinius Crassus alle Lehrer der lateinischen Rhetorik aus, da er ihr Konzept für inakzeptabel hielt. Öfters erlitten auch Juden dieses Schicksal, nicht wegen einer grundsätzlich antijüdischen Haltung, sondern weil manche von ihnen als Wahrsager (so 138 v. Chr.) oder wegen ihrer religiösen Überzeugungen (so vielleicht schon 49/50 n. Chr.) Unruhe stifteten. Kollektive Fremdenausweisungen mochten anlässlich von Versorgungsengpässen oder aber während politisch unruhiger Zeiten, etwa im Umfeld wichtiger Wahlen, stattfinden (122, 65 v. Chr.). Ein Sonderfall ist die für die Jahre 187, 177 und 173 v. Chr. bezeugte ‚Heimsendung‘ von Latinern und Italikern, welche der Senat auf Wunsch der an Bevölkerungsrückgang leidenden Bündner vornahm.96 Nicht zuletzt die xenēlasia zeigt die existenzielle Bedeutung des Rechts auf geschützte Mobilität und Niederlassung in einem fremden Territorium. Für Athen und Rom wurde wiederholt die Offenheit für Fremde, ja das grundsätzliche Interesse an Einwanderung betont. Allerdings ist festzuhalten, dass es auch dort keinen Rechtsanspruch gab, der vor Abschiebung schützte, nicht einmal für diejenigen, die Steuern zahlten. Deswegen bedurften Fremdenausweisungen keiner gesetzlichen Grundlage. Ausreichend waren Entscheidungen einzelner Beamter oder des Senats, gegen die keine Rechtsmittel eingelegt werden konnten. Immerhin ist anzunehmen, dass metoikoi, die ja in den Schutz der Stadtgötter aufgenommen und oft teilweiser athenischer Abstammung waren, weitgehend sicher waren.97 (b) Sowohl bestimmte Straftaten als auch gesetzlich nicht geregelte normwidrige Verhaltensweisen konnten mit der ‚Ehrlosigkeit‘ (gr. atimia; lat. infamia) bestraft werden. Damit gingen die meisten bürgerlichen Ehrenrechte, besonders die politischen und religiösen, verloren, sodass von einer Suspendierung des Bürgerrechts gesprochen werden kann, ohne dass die Betroffenen – meist Prostituierte, Schauspieler, pflichtver96 Noy 2000, S. 37–47; Coşkun 2009a. 97 Rebenich 1998, S. 350–355; Noy 2000, S. 37–52; Coşkun 2009a.

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gessene Personen und unzuverlässige Beamte – automatisch zu Metöken bzw. Peregrinen wurden. Während die atimia ein Gerichtsurteil voraussetzte, wurde die infamia von den Zensoren verhängt.98 Für den effektiven Entzug des Bürgerrechts musste ein kapitaler Straftatbestand vorliegen. In der Regel trat er mit der Verurteilung zum Tode oder der Verbannung (phygē – ‚Flucht ‘ bzw. exilium) ein, wobei Letztere in Athen seit jeher, in Rom erst seit Mitte des 1. Jhs. v. Chr. eine offizielle Strafe war. Jedoch gab es manche Verbrechen wie zum Beispiel Hochverrat, deren Verübung zum unmittelbaren Zivitätsverlust führte. Auf diese – freilich umstrittene – Norm beriefen sich Politiker, die Straftäter ohne Gelegenheit zur provocatio folterten oder exekutierten. Meist erhielt ein Grieche oder ­Römer aber vor seiner Verurteilung die Möglichkeit zur Flucht ins Ausland. Ob damit sein Bürgerrecht verloren ging, ist zwar strittig, aber effektiv war er als Geächteter auf Gnade angewiesen. Indes vereinbarte Rom mit manchen Bündnern die wechselseitige Aufnahme solcher Exilanten. Eine Sonderform stellt das für Athen seit 487 v. Chr. bezeugte Scherbengericht (ostrakismos) dar: Die Volksversammlung konnte jedes Jahr eine Person bei (nicht einmal zu begründendem) Verdacht auf verfassungsfeindliche Absichten für zehn Jahre verbannen, aber ohne Enteignung oder Bürgerrechtsverlust. Eine ähnliche Wirkung hatte die seit der Kaiserzeit belegte relegatio, mit der Römer – teils ohne Gerichtsverfahren, aber auch ohne Vermögenseinzug – an einen bestimmten Ort gebunden wurden.99 (c) Zivitätsverlust aufgrund einer Neudefinition der Bedingungen des Bürgerrechts war nach Cicero grundsätzlich unzulässig. Seine Aussage steht im Kontext einer vom Diktator Sulla (82–79 v. Chr.) verordneten Aberkennung des Bürgerrechts für etruskische Städte, die sich seiner Usurpation länger als andere widersetzt hatten. Obwohl Cicero die Unwirksamkeit des Gesetzes schon 69 v. Chr. behauptete, hatte es effektiv bis nach 50 v. Chr. Bestand.100 Wenn Claudius lykischen Gesandten, die kein Latein verstanden, das Bürgerrecht entzog, war dies eher die spektakuläre Tat eines allmächtigen Kaisers als ein rechtsrelevanter Präzedenzfall.101 Besonders kontrovers ist das Bürgerrechtsgesetz des Perikles, das traditionell auf 451/50 datiert wird, aber wohl erst 445/44 v. Chr. erlassen wurde. Es sprach demjenigen ab, ein astos (Aristoteles) bzw. Athēnaios (Plutarch) zu sein, der nicht väter- und mütterlicherseits von eben solchen abstammte.102 Vorher war das Bürgerrecht des Vaters eine 98

Kahrstedt 1934, S. 106–123; Bleicken 2008, S. 65f., 111. Zur Veränderung von atimia vgl. Patterson 2005, S. 280. 99 Kahrstedt 1934, S. 88–128; Bleicken 1995, S. 524–526; Welwei 1998, S. 161–168, 183–185; Coşkun 2009a, S. 73–82. 100 Cicero, Pro Caecina 95–102; Coşkun 2009a, S. 17f., 64–69. 101 Cassius Dio LX 17,4. 102 Ps.-Aristot., Ath. pol. 26,3/4; Plutarch, Perikles 37,2–4. Vgl. Coşkun [ca. 2014]; auch Lotze 1981; Blok 2009.

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notwendige Voraussetzung für das der Kinder gewesen, wobei die Ehe der Eltern zumindest die Norm war.103 Peisistratos und Kleisthenes gestanden aber auch Halbbürtigen und teils sogar Migranten und Freigelassenen die Einschreibung in die Demen zu. Vielleicht verfuhr man während der Perserkriege ähnlich.104 Jedenfalls verbot das Gesetz des Perikles eine solche ‚laxe‘ Praxis. Es ging aber noch weiter, indem selbst einem mētroxenos, dem Sohn eines Bürgers und einer fremden Ehegattin, das Bürger- und ­Erbrecht vorenthalten blieb. Dabei wird gemeinhin angenommen, dass das Gesetz diejenigen schonte, die schon in eine Demenliste eingeschrieben (also mindestens 18 Jahre alt) waren. Diskutiert wird, ob bereits Geborene ebenso wenig betroffen waren.105 Manche Forscher erwägen indes, dass die neue Regel anlässlich einer Hungersnot 445/44 v. Chr. nachträglich rückwirkend angewandt worden sei:106 Als nämlich eine Getreidespende zu verteilen war, wurden 4760 Personen der Usurpation des Bürgerrechts überführt.107 Plausibler ist indes, dass das Gesetz, welches auch Plutarch in einen unmittelbaren Zusammenhang mit jener Schenkung bringt, überhaupt erst damals eingebracht, beschlossen und auch zügig umgesetzt wurde. Die Überlieferung lässt jedenfalls nicht erkennen, dass Perikles Ausnahmen definiert hätte. Dieser Befund impliziert ferner, dass die Athener bis dahin die Naturalisierung verdienter Persönlichkeiten durch Volksbeschluss oder auch die Zusicherung der epigamia durch Staatsvertrag noch gar nicht kannten. Im Gegenteil, erst der generelle Ausschluss von Fremdstämmigen durch die Ekklesie führte dazu, dass Ausnahmen künftig zwingend von einem Volksbeschluss abhingen.108 Allein die Athenaiōn politeia (26,3/4) begründet die Neudefinition mit „der Menge der Bürger“ . Diese Kausalität ist durchaus im Einklang mit der aristotelischen Lehre,109 bereitet bei der traditionellen Datierung (451/50) indes Schwierigkeiten, da die Athener Flotte 454 große Verluste gegen die Perser erlitten hatte. Hinzu kamen die Opfer des 103 Ehe selbst bei Bürgerpaar nötig: Ogden 1996, S. 44–58 und 61, 151–156; Welwei 1998, S. 218. – Ehe nicht nötig: Whitehead 1977, S. 150f.; Lotze 1981, S. 169; Walter 1993, S. 208; Bleicken 1995, S. 408f. – Sonderbedingungen ohne Ehe: Carawan 2008, S. 384, 387; Coşkun [ca. 2014]. – Auch Kinder unverheirateter Athenerinnen wurden Bürger: Lotze 1981, S. 159; Blok 2005, S. 19f. (abweichend S. 17, Anm. 60); Lape 2010, S. 8, 16. 104 Patterson 1981, S. 8–81; Poddighe 2010. 105 Kriterium der Einschreibung: Chambers 1990, S. 263; Bleicken 1995, S. 657; Lehmann 2008, S. 123f., 126; Blok 2009, S. 146. Kriterium der Geburt: Meier 1993, S. 398; Ogden 1996, S. 63, 113. 106 Whitehead 1977, S. 151; Carawan 2008, S. 386 (anders S. 391); ähnlich Lape 2010, S. 203. 107 Philochoros, FGrH 328 F 119 = Scholion zu Aristophanes, Vespae 718. Oft werden die Zahlen verworfen: Jacoby 1954, S. 462–482; Davies 1977, S. 111; Carawan 2008, S. 386; contra Coşkun [ca. 2014]. 108 Coşkun 2013; Tümpel 1907, S. 62f.; Osborne 1981–1983, Bd. 3, S. 20–25 (zur Naturalisierung); Lape 2010, S. 218, der die frühere Wirkungslosigkeit des Gesetzes betont. 109 Siehe oben Abschnitt 2.2 (c); Bleicken 1995, S. 409, 657. Ablehnend z. B. Blok 2009, S. 148f.

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seit 460 währenden sog. Ersten Peloponnesischen Krieges. Für das Jahr 451/50 wäre die obige Begründung also wenig plausibel.110 An überzeugenden alternativen Erklärungen für die Verringerung der Zahl an astoi fehlt es aber bisher. So mag es zwar zutreffen, dass ein Bedürfnis nach Kontrolle des Zugangs zum Bürgerrecht bestand,111 doch lässt dies offen, warum Perikles derart restriktiv vorging. Auch der Versuch, die Aristokratie stärker in die Polissolidarität einzubinden,112 ist kein überzeugendes Motiv, da diese seit den Tagen des Kleisthenes ‚Brautimport‘ vermied.113 Betroffen waren also meist Kinder aus Mischehen von Theten und Metöken. Auch die Identifizierung einer ‚rassischen‘ Ideologie bietet keine befriedigende Lösung, da ungeklärt bliebe, warum eine solche Strömung damals trotz der demographischen Voraussetzungen wirkmächtig wurde.114 Ganz neue Wege beschreitet Josine Blok: Perikles habe den durch die Katastrophen niedergeschlagenen dēmos durch die Nachahmung der reinen Abstammung der genē nobilitieren und moralisch aufrichten wollen. Der Vergleich mit der Wiederholung der restriktiven Regelung hinkt aber, verbot eine Klausel 403/02 v. Chr. doch ausdrücklich, die Herkunft derjenigen zu prüfen, die bis dahin das Bürgerrecht erhalten hatten.115 Damals kam also eine Neukonstituierung der Bürgerschaft zu einem Abschluss, während die unter Perikles beschlossene Verringerung des ‚Volkskörpers‘ noch bevorstand. Erst die Neudatierung auf 445/44 v. Chr. erlaubt einen plausibleren Kontext: 446 war der Erste Peloponnesische Krieg dauerhaft beigelegt. Und nach dem Ende des Perserkrieges 449 stellten die Athener ihre Operationen auf Zypern sowie in Südkleinasien und Ägypten ein. Ihr Reich (archē) konsolidierte sich nun etwa auf dem Niveau von 460 v. Chr. Infolgedessen wurde die Flottenstärke reduziert (446/43). Gleichzeitig war zu erwarten, dass der materielle Reinerlös für die astoi bei sinkenden Kosten für die Aufrechterhaltung der Macht steigen würde: Dies versprach die Verlagerung von Bundeskasse, Bundesheiligtum und Gerichtsstand nach Athen (454) und demonstrierte der prunkvolle Wiederaufbau des Parthenon-Tempels (ab 447/46). Neuerlicher Bevölkerungsdruck und Intensivierung der Herrschaft zeigen sich wiederum in der Aussendung von Kleruchen nach Euböa im Bürgerstatus oder der Gründung der panhellenischen Kolonie Thurioi in Süditalien. Letztere bot vielen, die ihr Bürgerrecht verloren hatten, 110 Vgl. Blok 2009, S. 154–158; auch Welwei 1998, S. 36; Rhodes 2007, S. 28; Lehmann 2008, S. 125f. 111 Vgl. Patterson 1981, S. 3f., 104–107 (mit Annahme einer Überbevölkerung); Bleicken 1995, S. 408f., 656f. (imperialer Kontext; Obergrenze der Polisstruktur); Welwei 1998, S. 306; Meier 1993, S. 399; Lehmann 2008, S. 125f. 112 So z. B. Samons II 2007, S. 14; siehe auch die Verweise bei Hall 2002, Anm. 151. 113 Ähnlich Patterson 2005, S. 281–283. 114 Siehe oben Abschnitt 2.2 (a). Abgeschwächt spricht Lehmann 2008, S. 125f., von „Irritationen über einen spürbar gewachsenen Anteil der ‚Neubürger‘ von erkennbar ausländischer Herkunft“. 115 Athenaios 577b–c; Blok 2009, S. 143; contra Coşkun [ca. 2014]. Zum Kontext auch Patterson 2005, S. 283–285.

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eine attraktive Alternative.116 Der „[handfeste] Zusammenhang zwischen dem Bürgerrechtsgesetz und dem in den Jahren zuvor geschaffenen, finanziellen Remunerationsund Sicherungssystem“ oder dem weitreichenden Demokratisierungsgrad brach sich ­offenbar erst unter diesen veränderten reichspolitischen Umständen Bahn.117 (d) Das Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Legalität eines Bürgerrechts ist am besten aus dem Athen des 4. Jhs. v. Chr. bekannt.118 Jeder hatte das Recht, Klage wegen Zivitätserschleichung (xenias graphē – ‚Fremdheitsklage‘) zu erheben. Bearbeitet wurde der Fall von den Seefahrerrichtern (nautodikai), welche in der Hafenstadt für Prozesse zuständig waren, in die Fremde involviert waren. Nach der Beweisaufnahme wurde der Fall an ein Geschworenengericht überwiesen. Die Strafe, die einem überführten Scheinbürger drohte, ist unbekannt; der Verkauf in die Sklaverei drohte jedenfalls nur einem anmaßenden Sklaven.119 Allgemein vermutet man, dass dasselbe Verfahren schon im 6. Jh. v. Chr. etabliert war. Jedoch scheint es vor dem Gesetz des Perikles noch gar keinen zentralen Regelungsbedarf gegeben zu haben, da die Phratrien und Demen wohl eigenverantwortlich handelten.120 In Rom ist ein spezifisches Verfahren zur Prüfung des Bürgerrechts nicht vor dem 1. Jh. v. Chr. bezeugt. Zuvor dürfte in den meisten Fällen die effektive Entscheidung bei den Zensoren gelegen haben. Einen Sonderfall stellt die Verurteilung des M. Perperna durch die Volksversammlung dar (126 v. Chr.): Seine Heimatgemeinde berief sich auf die vertragliche Zusicherung durch Rom, dass keiner ihrer Angehörigen civis Romanus werden dürfe.121 Vor der Einberufung der comitia war gewiss Beschwerde beim Senat eingelegt worden. Der Senat wog bei seinem Urteil Rechtstradition und Opportunität gegeneinander ab. Verleihung oder Entzug eines effektiv besessenen Bürgerrechts erforderte aber einen Volksbeschluss. Erst 95 v. Chr. schuf die lex Licinia Mucia ein Geschworenengericht für die Prüfung eines Bürgerrechts. Eine Strafe, die über die Aberkennung der zu Unrecht genossenen Privilegien hinausging, war nicht vorgesehen.122 65 v. Chr. wurde das Gesetz 116 Flottenreduktion: Ps.-Xenophon, Ath. pol. 3,4; Thukydides II 13,8; Aristophanes, Acharnes 545; Pseudo-Andokides 3,8f. Kleruchien: Thukydides I 114,3; Diodor XII 10.22. Weiteres bei Coşkun [ca. 2014]. 117 Zitat: Lehmann 2008, S. 128. Vgl. auch Schwahn 1935, S. 2057; Meier 1993, S. 399; Bleicken 1995, S. 408, 656f.; Hansen u. a. 2004, S. 630; Raaflaub 2006, S. 416–418; Samons II 2007, S. 14, 288; Rhodes 2007, S. 28; Lape 2010, S. 201f. 118 Schwahn 1935; Berneker 1967. 119 So zutreffend Jacoby 1954 zu FGrH 328 F 119 mit Verweis auf Ps.-Aristot., Ath. pol. 42,1. Anders Schwahn 1935 und Berneker 1967 mit Verweis auf Plutarch, Perikles 37,4. 120 Coşkun [ca. 2014], auch zum Einsatz von xenodikai – ‚Fremdenrichtern‘; vgl. Patterson 1981, S. 21f.; Patterson 2005, S. 283. 121 Valerius Maximus III 4,5; Coşkun 2009a, S. 167. 122 Coşkun 2009a, S. 149–155.

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durch die lex Papia modifiziert. Als zusätzliche Strafe wurde nun die Ausweisung aus der Stadt Rom festgesetzt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einige Jahre zuvor Urkundenfälschung als kapitaler Straftatbestand eingeführt worden war, sodass die tatsächliche Gefahr sehr viel höher sein konnte. Die Anklagen gegen den aus Syrien stammenden Dichter Archias (62 v. Chr.) und den in Gades beheimateten Politiker Balbus (56 v. Chr.) waren dank der Verteidigung durch Cicero erfolglos. Seine Reden sind unsere Hauptquellen für das spätrepublikanische Bürgerrecht und zeigen, wie jener Strafprozess ­politisch instrumentalisiert werden konnte.123 (e) Solange das doppelte Bürgerrecht verboten war, verfiel das frühere Bürgerrecht bei Annahme eines neuen automatisch. Allerdings konnte das ehemalige Recht bei Aufgabe des jüngeren und Rückkehr auf römisches Staatsgebiet nach dem sog. postliminium (< post – ,nach‘, limen – ,Schwelle‘) wieder aufleben. Spezielle Bedingungen galten für heimkehrende Kriegsgefangene: Sie durften vor ihrer Gefangennahme nicht kapituliert haben, sondern mussten im Kampf oder durch Heimtücke gefasst worden sein.124 Dass das postliminium aber auch nach freiwilligem Bürgerrechtswechsel gewährt wurde, zeigt, dass der frühere Verlust nicht als Strafe für Verrat zu betrachten ist, auch wenn die Forderung nach ungeteilter Loyalität prinzipiell bestehen blieb. Erst die römische Hegemonie weichte diese Norm in der Poliswelt seit dem 2. Jh. v. Chr. auf. In Italien hatte sie damit schon durch die Munizipalisierung im 4. Jh. v. Chr. begonnen, doch hob offiziell erst Augustus das Verbot auf.

6. Fa zit Seit der archaischen Zeit erwies sich der Stadtstaat der Mittelmeerwelt als Raum ­politischer und kultureller Innovation. In ihm wurden die Grenzen von Zugehörigkeit und gradueller Fremdheit erstmals in einer Weise rechtlich definiert und ausdifferenziert, die über Untertanenstatus, Kultzugehörigkeit oder gentile Ordnung hinausging. In solchen Fällen bedingten vor allem die Bedürfnisse nach Versorgungssicherheit und Verteidigungsfähigkeit eine kontinuierliche Ausdehnung auf das Umland und die Entwicklung einer hohen Partizipation der Mitglieder. Zugleich war aber durch die Polisstruktur der äußere Rahmen gesetzt. Sehr erfolgreiche Städte wie Sparta, Athen, Korinth, Karthago, Syrakus oder Rom schöpften diesen Rahmen bis ins 5. Jh. v. Chr. viel weiter aus als die meisten Zeitgenossen, bis auch sie die Grenzen für die Expansion ihres politischen Verbandes gekommen sahen. Darüber hinausreichende Machtentfaltung gestaltete sich zunächst kolonial durch die Aneignung exterritorialen Siedlungslandes für die eigenen Bürger oder aber hegemonial durch die politisch-militärische Bindung der Unterlegenen. Wo diese Stellung 123 Coşkun 2010. 124 Coşkun 2009a, S. 82–107.

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dauerhaft behauptet wurde, konnten die Abhängigkeitsverhältnisse in eine Form des niederen Bürgerrechts übergehen (perioikia, municipium). Dass die Römer Letzteres weiter an ihre civitas optimo iure anglichen, setzt ihre fortschreitende Expansion voraus: Spätestens ab 167 v. Chr. beanspruchten sie, ihren Willen rings um die Mittelmeerküste mit diplomatischen oder militärischen Mitteln durchsetzen zu können, waren dafür freilich auf das italische Wehrpotenzial angewiesen. Der imperiale Kontext steigerte den Privilegiencharakter ihres Bürgerrechts und damit zugleich seine ­Attraktivität unter Fremden. Auf unterschiedliche Weise erodierte also vom 4. bis ins 1. Jh. v. Chr. die Exklusivität des Bürgerrechts. Dabei wirkte der Herrschaftsanspruch makedonischer Könige vor allem indirekt, indem griechische Städte mit sympoliteia oder isopoliteia neue Wege erprobten, um sich gegen die größeren Machtblöcke zu behaupten. Nach der Phase eines polyzentrischen ‚Imperialismus dominierte Rom die Mittelmeerwelt immer ausschließlicher. Besondere Bedingungen für Inhaber des römischen Bürgerrechts, geteilte Loyalitäten unter lokalen Politikern und die abnehmende Verbindlichkeit der polis als Schicksalsgemeinschaft untergruben die Exklusivität der politeia (im doppelten Sinne von Bürgerrecht und -gemeinde). Zum Durchbruch gelangte diese Entwicklung aber erst, als die griechische Mittelschicht den dauerhaften Verlust der außenpolitischen Autonomie und damit die Beschränkung demokratischer Entscheidungsfreiheit akzeptiert hatte. Ein Netz dauerhaft oder vorübergehend niedergelassener römischer Bürger überzog das Mittelmeergebiet bereits seit dem späten 2. Jh. v. Chr. und verdichtete sich sodann durch Viritanverleihungen, Latinerrecht und Armeedienst. Bis zum Bundes­ genossenkrieg hatte die Elite der latinischen Kolonien schon überwiegend die civitas und sicherte so den römischen Sieg. Jedenfalls aus heutiger Sicht erscheint da die pauschale Zivitätsschenkung Caracallas geradezu überfällig. Vergleicht man abschließend die Praktiken der Griechen und Römer miteinander, so sind die moralisierenden Begriffe wie ‚kleinlich‘ oder ‚großzügig‘ wenig hilfreich.125 Wechsel von inklusiveren und exklusiveren Phasen sind für beide Seiten zahlreich festzustellen. Dennoch zeigte sich Rom – freilich nach Ausübung herrschaftlicher Kon­ trolle – deutlich flexibler und erfindungsreicher darin, hierarchisch gestaffelte Partizipation oder aber zeitversetzt auch volle rechtlich-politische Inklusion so umzusetzen, dass das Gemeinwesen gestärkt aus dem Prozess hervorging. Zwar war auch in Italien manche gewaltsame Eskalation vonnöten, um politische, demographische oder soziale Entwicklungen wieder in ein stimmigeres Verhältnis zu bringen; doch lassen sich einige langfristig wirkende Strukturen klar benennen. Voraussetzungen für die hohe Inklusionsbereitschaft der Römer waren (1) der fast kontinuierliche militärische Erfolg; (2) der viel geringere Demokratisierungsgrad; (3) die integrative Wirkung der clientela, die letztlich schon in der Struktur der familia 125 Gauthier 1974; Gauthier 1981; Bleicken 1995, S. 409, 657; Coşkun 2009c.

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angelegt war; (4) das weit über die perioikia hinausgehende Instrument des municipium, das kurzfristig den widerstrebenden Bedürfnissen einerseits nach Herrschaft und andererseits nach Autonomie entgegenkam sowie offen für eine langfristige Entwicklung zur Gleichberechtigung war; (5) die sich seit den 120er Jahren v. Chr. manifestierende Bereitschaft, bestimmten Angehörigen der Eliten einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Einbürgerung zu gewähren. Durch diese Faktoren beeinflusst, doch als ein Phänomen von eigenem Gewicht ist zuletzt das viel stärker durch Loyalität und Institutionen als durch Abstammung geprägte Bürgerrechtsverständnis zu benennen. Wie bewusst sich die Römer dieser Besonderheit waren, verraten ihre Ursprungsmythen: Zwar trennen sich diese nicht vollständig vom griechischen Paradigma der heroisch-göttlichen Herkunft, bekennen sich aber mit dem ‚Asyl ‘ des Romulus oder dem Raub der Sabinerinnen selbstbewusst dazu, dass die planmäßige und geordnete Aufnahme frischen Blutes den ‚edlen Stamm‘ nicht degenerieren, sondern erstarken lässt. Der spätantike Staat der Römer, dem sich das nun folgende Kapitel zuwendet, scheiterte indes vor allem daran, dass die Integration der Germanen letztlich misslang.

7. Kommentierte Liter atur auswahl Eine knappe und vergleichende Einführung zum Bürgerrecht der griechischen Polis und Roms vermittelt Gauthier 1981. Eine sehr kurze Geschichte der civitas Romana mit einer engen Auswahl von Quellen und einer Übersicht über die neuesten Forschungstrends bietet Coşkun 2009c. Osborne 1981–1983 hat ein umfassendes, kommentiertes Quellenkorpus zur Einbürgerung im klassischen und hellenistischen Athen zusammengestellt, Niku 2007 eine Studie zur Rechtsstellung von Fremden während der hellenistischen Epoche in derselben Stadt. Den einfachsten Einstieg in die Verfassungsgeschichte anderer griechischer Poleis der archaischen und klassischen Zeit gewährt das enzyklopädisch angelegte Inventory von Hansen u. a. 2004. Noy 2000 wirft einen systematischen Blick auf die Migranten in Rom, Balsdon 1979 auf die Repräsentation von Fremden in der römischen Literatur, wobei beide Bücher auch eine knappe Zusammenstellung relevanter Bürgerrechtsgesetze beinhalten. Die klassische, in Teilen veraltete, aber im Ganzen nicht ersetzte Darstellung der Geschichte des römischen Bürgerrechts bis ins 3. Jh. n. Chr. hat Sherwin-White 1973 (in 2. Aufl.) vorgelegt: Hauptthema ist die sukzessive Ausweitung der Bürgergemeinde im Kontext der römischen Expansion. Coşkun 2009a hat zahlreiche Einzelrechte von Fremden, besonders Latinern, sowie die Bedingungen des Bürgerrechtswechsels der republikanischen Zeit systematisch untersucht und in ihren politischen Kontext eingeordnet.

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RÖMER U ND BA R BA R EN: FR EMDE IN DER SPÄTA NTIK E U ND IM FRÜHMITTEL A LTER * OLIVER SCHIPP

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Periodisierung: Spätantike von 284 (Regierungsantritt Diokletians) bis Mitte/Ende des 5. Jhs.; Übergangsphase 5.–7. Jh. (Niedergang der römischen Zentralherrschaft im Westen; Gründung der nachrömischen Königreiche der Vandalen, Goten, Burgunder und Franken); Frühmittelalter 7.–9. Jh. (Vorherrschaft der karolingischen Franken in Mitteleuropa; arabische Invasion; Konsolidierung des Byzantinischen Reiches). Bibliographische Abkürzungen: Amm. = Ammianus Marcellinus, Res gestae; Anon. Val. = Anonymus Valesianus, Origo Constantini und Chronica Theodericiana, ed. Ingemar König 1987 und 1997; Aug. Epist. bzw. Civ. = Augustinus von Hippo, Epistulae bzw. De civitate Dei; CIL = Corpus Inscriptionum Latinarum; CJ = Codex Justinianus; CSEL = Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum; CTh = Codex Theodosianus; Dig. = Digesta; DNP = Der Neue Pauly; Greg. Tur. Hist. Franc. = Gregor von Tours, Historia Francorum; HRG = Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 1. Aufl. 1964–1998; Iord. Get. = Iordanes, Getica; L. (Rom.) Burg. = Lex Burgundionum bzw. Lex Romana Burgundionum; L. (Rom) Vis. = Lex Visigothorum bzw. Lex Romana Visigothorum, ed. K. Zeumer, Leges Visigothorum, Hannover/Leipzig 1902 (MGH LL nat. Germ. 1); MGH = Monumenta Germaniae Historica; Nov. = Novellae ad Codicem Theodosianum pertinentes, ed. Th. Mommsen/Paulus Krueger, Berlin 1905; Oros. = Orosius, Historia adversus paganos; P. L. Sal. = Pactus Legis Salicae; Pan. Lat. = Panegyrici Latini, ed. C. E. V. Nixon/B. Saylor Rodgers; PLRE = Prosopography of the Later Roman Empire, ed. A. H. M. Jones/J. Martindale; Salv. Gub. = Salvian, De gubernatione Dei; SHA = Scriptores Historiae Augustae; Sidon. Carm. bzw. Epist. = Sidonius Apollinaris, Carmina bzw. Epistulae; Verg. Aen. = Vergil, Aeneis; Zos. = Zosimos, Nea Historia. Literarische Quellen sind unter URL: http://thelatinlibrary.com oder URL: http://www.perseus.tufts.edu (teils mit engl. Übers.) zugänglich; Rechtstexte in Yves Lassard/Alexandr Koptev (Hgg.): The Roman Law Library, URL: http://webu2.upmf-grenoble.fr/DroitRomain/.

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1. Auswärtige Fr emde in Spätantik e und Frühmittel alter Die Darstellung von Zugehörigkeitsrechten in der Spätantike und im Frühmittel­alter erfordert einen Perspektivenwechsel. Das römische Bürgerrecht, das lange Zeit das entscheidende Zugehörigkeitskriterium gewesen war, wurde zumindest im südlichen und westlichen Europa in einem längeren Prozess durch die Zugehörigkeit zur Gruppe der Goten, Burgunder und Franken oder die Untertanenschaft unter ihre Königsherrschaften abgelöst.1 In den römischen Provinzen lebte zur Zeit des Prinzipats die indigene Bevölkerung (peregrini) nach eigenem Recht, sofern sie nicht über das römische Bürgerrecht oder die latinische Rechtsstellung verfügte.2 Auswärtige Fremde hingegen erlangten bis ins 3. Jh. n. Chr. über den Heeresdienst das römische Bürgerrecht oder wurden als Kriegsgefangene in das Reichsgebiet aufgenommen.3 Dabei wurden sie nach Völkergemeinrecht (ius gentium) durch Besitzergreifung (occupatio) zu Sklaven.4 In diesem Status waren sie rechtsunfähig, konnten übereignet werden und lebten verstreut im ganzen Reichsgebiet, vor allem aber in Italien. Sie selbst oder ihre Nachkommen konnten durch Freilassung schließlich Römer werden. In der Spätantike hatten die Römer lange Erfahrung im Umgang mit Menschen von jenseits der Grenzen und ihrer Eingliederung in das Reich. Wenngleich sich an der rechtlichen Grundlage nur wenig geändert hatte, kam es jedoch weit seltener zur vollständigen Inklusion jener Fremden in den römischen Staat. Die Römer versuchten, den Wunsch nach Aufnahme nunmehr mit anderen Strategien zu regulieren: Die Barbaren wurden entweder militärisch abgewehrt und es kam zu einer vertraglichen Einigung oder die unterworfenen Gegner wurden von der zweiten Hälfte des 2. Jhs. an verstärkt auf Reichsgebiet angesiedelt. Dabei musste das Potenzial der fremden Gruppen (gentes) zur Versorgung der Provinzbevölkerung und Aufrechterhaltung der Grenzen genutzt werden. Immer mehr Barbaren lebten in der Spätantike auf römischem Boden, zum Teil in quasi-autonomen Gebieten, sodass die juristische Grenze zwischen Römern und Fremden im Landesinneren verlaufen konnte. Unterworfene Personenverbände wurden in unterschiedlichen (noch zu erläuternden) Rechtsstellungen auf römischem Boden angesiedelt, wodurch der Prozess ihrer sozialen und kulturellen Inklusion nicht selten behindert wurde. So konnten sprachliche, kulturelle und religiöse Barrieren Bestand haben oder sich erst ausbilden. 1 Zur Terminologie-Kontroverse siehe Pohl 2004b mit Literaturhinweisen. 2 Der peregrinus-Begriff bezeichnete in der Spätantike einen Nicht-Bürger; vgl. Garnsey 2004. 3 Zur abnehmenden Bedeutung der Kriegsgefangenschaft bei Zunahme von hausgeborenen Sklaven als Quelle der Sklaverei im frühen Prinzipat vgl. Bang 1912; Štaerman 1969, S. 57–59; Bradley 1987; und Finley 1980, S. 75–76 und 130. 4 Vgl. Wieling 1999, S. 8.

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Unter völlig anderen Voraussetzungen begegneten die Römer im Osten den P ­ arthern und von 224 n. Chr. an den Sassaniden. Diese gründeten dem Imperium Romanum zeitweise ebenbürtige Großreiche, die immer wieder die Festsetzung von Demarkationslinien erforderlich machten. Dazwischen wurden Klientelkönigreiche eingerichtet, deren Oberschicht stark romanisiert oder hellenisiert war. In der Spätantike verschärfte sich die Konfrontation mit den Barbaren im Westen und den Sassaniden im Osten des Imperium Romanum zu Dauerkonflikten. Im Westen führten diese schließlich im Verlauf des 5. Jhs. zur Auflösung der Römerherrschaft, während es im Osten gelang, die Grenzen weitgehend zu verteidigen.5

2. Her rsch aftsgebiet und R echt: gesetzliche Grundl agen in Spätantik e und Frühmittel alter Zugehörigkeit zum römischen Rechtsbereich bedeutete in der Spätantike, nach den Gesetzen zu leben, die vor allem in den Kodifikationen der Kaiser Theodosius II. und Justinian I. festgehalten waren. Der Codex Theodosianus wurde 438, der Codex Justinianus 534 in Kraft gesetzt. Später erlassene ‚Neue Gesetze‘ (Novellae) wurden in eigenen Sammlungen zusammengefasst. Sowohl die Kodizes als auch die Novellen hatten grundsätzlich im gesamten Römischen Reich Geltung. Allerdings wurden von Valentinian I. und Valens im Jahre 364 Reichsgebiet, Verwaltung und Heer und damit auch der juristische Fachberaterstab und die Kanzlei aufgeteilt, sodass eine unterschiedliche Entwicklung des Rechts in den beiden Reichsteilen von dieser Zeit an möglich war. Auch wenn die Gesetzgeber sich sporadisch austauschten und die Gesetze anglichen, konnte es zu einer regional unterschiedlichen Rechtslage kommen.6 Die nach 438 im Osten erlassenen Gesetze hatten jedenfalls keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die Rechtspraxis im Westen.7 Der Codex Theodosianus wurde schließlich im frühen Mittelalter intensiv rezipiert und hatte auch in den nachrömischen Königreichen bis ins 9. Jh. Gültigkeit. Vielleicht lebten schon Ende des 4. Jhs. einige Goten nach römischem Recht. In jedem Fall kann man davon ausgehen, dass die auf Reichsboden angesiedelten Goten Erfahrungen mit dem römischen Recht gemacht hatten.8 Im Westgotenreich hat5 Vgl. zur römischen Sichtweise McDonough 2011 und Drijvers 2011. 6 Vgl. Kaser 1975, S. 55–56, und maßgebend Gaudemet 1955 und Gaudemet 1956. Schmidt-Hofner 2008, S. 351–359, bes. 359, geht davon aus, dass die Kaiser bei wichtigen Gesetzen kooperierten und sich im Normalfall regelmäßig austauschten, wobei jeder Kaiser jederzeit grundsätzlich gültige Gesetze erlassen konnte. 7 Gelegentlich wurden aber noch Novellen übernommen; so z. B. Nov. Theodosii II 2, Nov. Anthemii 2 und 3. 8 Iord. Get. 25,131; Zos. 1,71; vgl. hierzu Wormald, Lex Scripta and Verbum Regis, S. 127. Orosius schildert die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben konnten (Oros. 7,43). Von der Gotenansiedlung berichten auch Amm. 31,4,1 und Isidor, Historia Gothorum 7 (MGH Chronica Minor II, S. 270).

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ten grundsätzlich zwei Rechtsbücher Gesetzeskraft: die Lex Visigothorum und die Lex Romana Visigothorum, auch Breviarium Alarici regis genannt.9 Letztere wurde 506 von König Alarich II. im tolosanischen Westgotenreich erlassen und umfasste Auszüge des römischen Rechts, wie sie im Codex Theodosianus festgehalten wurden, ergänzt um Interpretationes, welche das Rechtsverständnis des späten 5. Jhs. in Gallien wiedergaben. Sie war vor allem an die gallo-römische Bevölkerung (Romanen) gerichtet, gleichwohl könnten auch die angesiedelten Westgoten nach diesem Gesetzbuch veranlagt worden sein.10 Die Lex Visigothorum wird – als erstes vorwiegend an die Westgoten gerichtetes, aber auch Beziehung zwischen Goten und Romanen regelndes Gesetzbuch – König Eurich (um 440–484) zugesprochen.11 654 veröffentlichte König Reccesvinth den Liber Iudiciorum, welcher alle vorherigen Gesetzbücher aufhob. Er beanspruchte umfassende Geltung im ganzen Westgotenreich.12 Umstritten ist, ob dort zuvor das Personalitäts- oder das Territorialitätsprinzip gegolten hatte.13 Demgegenüber sollten Goten und Römer im italischen Ostgotenreich gleichberechtigt nebeneinander leben,14 nachdem dort Theoderich der Große das Edictum Theoderici Ende des 5. Jhs. erlassen hatte.15 554 wurde es von Kaiser Justinian durch die Pragmatica sanctio pro petitione Vigilii aufgehoben. Im Jahre 643 trat schließlich das langobardische Rechtsbuch, das sogenannte Edictum Rothari, in Kraft.16 Ostgotisches, römisches und langobardisches Recht scheinen aber gleichzeitig Gültigkeit besessen zu haben.17 Die beiden Gesetzessammlungen der Burgunder, die Lex Burgundionum und die Lex Romana Burgundionum, wurden 517 im Auftrag des Burgunderkönigs Sigismund publiziert, stützten sich aber zum Teil auf ältere Vorlagen.18 Hier war aber Erstere sowohl für

9 Vgl. Nehlsen, Lex Visigothorum, HRG 2, 1966–1979, und Siems, Lex Romana Visigothorum, HRG 2, 1940–1949. 10 Den letzten Aspekt legt Koch 2012, S. 65, überzeugend dar. 11 Codex Euricianus c. 276; 277; 304; 312 (ed. K. Zeumer, MGH LL nat. Germ. 1), und L. Vis. 10,1,8f.; 16 und 3,5; vgl. Nehlsen, Lex Visigothorum, HRG 2, 1974. 12 Die überragende Bedeutung des Liber Iudiciorum und den Nachweis seiner Effektivität hat die Untersuchung von Zimmermann 1973 erbracht. 13 Die Frage kann hier nicht entschieden werden; vgl. daher zum Forschungsstand Schipp 2009, Anm. 200 und 317f., und mit anderer Einschätzung Koch 2012, S. 59–67. 14 In der Literatur: Anon. Val. 2,60; im Gesetz: Edictum Theoderici, prologus; siehe außerdem c. 34; 43; 44 und epilogus. Gleichwohl bestand für die Ostgoten ein rechtserhebliches Nahverhältnis zum König, und bei internen Streitigkeiten wurde womöglich auf die gotische Rechtsüberlieferung (belagines) zurückgegriffen. 15 Zur Forschungskontroverse über die Urheberschaft des Ediktes vgl. zuletzt Schipp 2009, S. 272– 276. 16 Siehe zur Datierung Nehlsen 1972, S. 358–360. 17 Wahrscheinlich bis ins Jahr 824; vgl. MGH Capitularia 1,161 c. 5, S. 323. 18 Vgl. L. Burg. praef.; Beyerle 1936, S. XIf.

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Burgunder als auch Romanen gültig,19 während Letztere nichts anderes als eine überarbeitete und gekürzte Version des Codex Theodosianus darstellte und nur die Römer betraf. Nach der fränkischen Eroberung des Burgunderreiches 534 blieb die Lex Burgundionum als regionales Recht in Kraft.20 Das römische Burgunderrecht wurde aber von der Lex Romana Visigothorum verdrängt. Auch im merowingischen Frankenreich hatte sich der Gebrauch der Lex Romana Visigothorum für Rechtsstreitigkeiten durchgesetzt, welche die Romanen betrafen.21 Dabei ist weniger die aus dem Codex Theodosianus übernommene Vorlage genutzt worden als vielmehr die vereinfachenden Interpretationes, die vermutlich in Südgallien Ende des 5. Jhs. entstanden waren. In dieser Form erfuhren die spätrömischen Gesetze eine, den überlieferten Handschriften nach zu urteilen, weite Verbreitung und Aktualisierung.22 Bis in die Karolingerzeit galt zudem das Personalitätsprinzip im Frankenreich.23 Jeder Angehörige eines Rechtsbereiches hatte Anspruch darauf, nach dem Gesetzbuch gerichtet zu werden, nach dem er lebte. Diese Aussage wird in quantitativer Hinsicht durch die zahlreichen Sammelhandschriften24 gestützt und in den königlichen Satzungen, den Kapitularien, wird das Personalitätsprinzip ausdrücklich genannt.25 Für die Franken hingegen galten in merowingischer Zeit das salfränkische Recht (Lex Salica) und das ribuarische Recht (Lex Ribuaria) sowie in der Karolingerzeit außerdem noch die Rechtssetzungen der Kapitularien. Das geschriebene salfränkische Recht ist in verschiedenen Versionen überliefert, von denen die Recensio Clodovea (507– 511) die älteste ist.26 König Chlodwig ließ vor allem Bußgeldkataloge für verschiedenste Vergehen festschreiben. Das salfränkische Recht kannte darüber hinaus noch Geset-

19 S. Greg. Tur. Hist. Franc. 2,33 und L. Burg. praef. c. 1; 3; 39,1. Vgl. Wormald 1977, S. 127. Zur Funktion der Gesetzessammlung vgl. auch Maier 2005, S. 155-116, bes. 116. Zur Bevölkerungszahl der Burgunder vgl. die Forschungsübersicht von Kaiser 2004, S. 75–82. Zur Ansiedlung der Burgunder und ihren Siedlungsräumen vgl. Goffart 1980, S. 127–161; Kaiser 2004, S. 82– 87. Die archäologischen Belege bei Favrod 1997 und Semainville 1995. 20 Vgl. Esders 1997, S. 157-169 und 286–296. Belegt werden kann diese Aussage durch die besondere Eidleistung der Guntbodingi bzw. Guntbadingi (MGH Capitularia 1, c. 64, S. 58 [789], und MGH Conc. 2, c. 45, S. 170 [794]) und durch eine Klage des Erzbischofs Agobard von Lyon, der von Ludwig dem Frommen verlangte, er möge die Lex Burgundionum aufheben, da sie nur noch von wenigen befolgt würde; Adversus Legem Gundobardi; vgl. Nehlsen 1977, S. 501. 21 Siehe die Beispiele bei Siems 1992, S. 158–166, und Wood 1993, S. 167–177. 22 Vgl. Mommsen u. a. 1904, S. Cf. und CIf.; Haenel 1849, S. LXXVff. und LXXIXff.; Gaudemet, Le Bréviaire d’Alaric et les Epitome, Ius Romanum Medii Aevi I 2b aa, Mailand 1965. 23 Vgl. auch Maier 2005, S. 117–119. 24 Vgl. die Übersichten bei Kottje 1986, S. 20f., und Schott 1988, S. 105. 25 Siehe MGH Capitularia 1,25, c. 5, S. 67 (792/3); 1,34, c. 6, S. 100 (802); 1,35, c. 48, S. 104 (806); 1,161, c. 5, S. 323 (824). Vgl. Brunner 1906, S. 382ff., und Kottje 1986, S. 14. 26 Pactus legis Salicae, hrsg. v. Eckhardt, Hannover 1962 (MGH LL nat. Germ. 4,1).

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ze, die nicht in das Rechtsbuch aufgenommen wurden.27 Ähnliches galt wohl für die Franken, die nach ribuarischem Recht lebten.28 Im karolingischen Frankenreich wurde durch die Kapitularien Recht gesetzt, das grundsätzlich im ganzen Frankenreich Gültigkeit hatte.29 Dennoch konnten sich Nicht-Franken nach wie vor auf die Rechtsbücher berufen, nach denen sie lebten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in den nachrömischen Königreichen für Romanen (Römer/Gallo-Römer/Hispano-Römer) das römische Recht in seiner späten Form galt, während die Barbaren nach ihrem eigenen Recht lebten. Ostgoten und Burgunder richteten ihre Gesetzbücher ausdrücklich auch an die römische Bevölkerung ihres Herrschaftsgebietes. Bei Westgoten und Franken scheint die rechtliche Trennung strikter gewesen zu sein, wenngleich einige ihrer Gesetze auch das Verhältnis zwischen Römern und Barbaren regelten. Im Osten wurde das römische Recht durch den Codex Justinianus neu geordnet und durch die Novellen Justinians erweitert. Ende des 9. Jhs. wurde in der Regierungszeit Kaiser Leons VI. das Rechtsbuch der Basiliken fertiggestellt, das im Wesentlichen aus griechischen Übersetzungen der Digesten und des Codex Justinianus bestand. Die Byzantiner lebten bis zum Untergang des Byzantinischen Reiches im Mittelalter nach diesen Gesetzbüchern.

3. R echtliche Folgen von Zugehör igk eit und Fr emdheit 3.1 Personenr echtliche Stellung von Zugehör igen und Fr emden Sobald sich Fremde im Einflussbereich des römischen Rechts befanden, sind nur wenige spezielle Rechtsbeschränkungen für diese zu erkennen. Der personenrechtliche Status hat sich im Imperium Romanum seit der frühen Kaiserzeit gewandelt. Dabei galt noch immer der Grundsatz des Gaius, wonach es nur Freie und Sklaven gibt, die Freien aber entweder Freigeborene oder Freigelassene sind.30 Sie waren aller (rechtlichen) Freiheit teilhaftig, sie waren als Rechtssubjekte Träger von Rechten und Pflichten (Freiheit, etwas tun zu dürfen/Freiheit, etwas nicht tun zu müssen). Zwischen Freien und Sklaven entwickelte sich 27 Vgl. Nehlsen 1977, S. 455ff. Vgl. ferner zur Diskussion der Aktualität und Akzeptanz des geschriebenen salfränkischen Rechts Schmitt-Weigand 1962 und Kaufmann 1964. 28 Textedition: Lex Ribuaria, hrsg. v. Beyerle/Buchner, Hannover 1954 (MGH LL nat. Germ. 3,1); Einleitung und Übersetzung: Lex Ribuaria I und II, Germanenrechte N. F., Westgermanisches Recht VII und VIII, Weimar 1959 und 1966. 29 Vgl. Mordek 1986, S. 40. 30 Gaius, Institutiones 1,9–11. Siehe auch MGH Capitularia 1,58 (801–814); MGH FF Form. Sang. Miscell. Nr. 6 (Zeumer, 1886), S. 382; MGH FF Form. Augien., Coll. B., Nr. 42 (Zeumer, 1886), S. 363, und Lex Ribuaria 59.

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aber eine Rechtsstellung, deren Träger personenrechtlich frei waren, deren Freiheit aber durch Gesetze eingeschränkt wurde. Durch diese gesetzlichen Beschränkungen konnte die rechtliche Stellung eines Freien so sehr vermindert werden, dass sich sein personenrechtlicher Status kaum noch von dem eines Sklaven unterschied. Ein Beispiel für solche minderberechtigten römischen Bürger sind die Kolonen (abhängige und rechtlich eingeschränkte Pachtbauern), aber auch die Angehörigen einer Korporation (in Verbänden zwangsweise organisierte Berufsgruppen) oder die Laeten (angesiedelte und zum Wehrdienst verpflichtete Barbaren) hatten aufgrund rechtlicher Beschränkungen nur eine verminderte personenrechtliche Stellung. Vor allem lässt sich die Bestrebung des Gesetzgebers erkennen, die Freizügigkeit bestimmter Personengruppen einzugrenzen. Das rechtliche und soziale Ansehen der Gesellschaftsgruppen in der Spätantike spiegelt sich in einem Gesetz wider, das Kaiser Honorius in Ravenna gegen Häresie erlassen hat.31 In dem an den Prätorianerpräfekten Seleucus gerichteten Gesetz werden die Strafbestimmungen für die Bevölkerung in einem Katalog aufgelistet, in dem die ‚Ehrwürdigeren‘ (honestiores) nach Ranggruppen und die ‚Niederen‘ (humiliores) nach Berufsgruppen gegliedert sind bzw. die gesamte Bevölkerung nach Bußgeldkategorien geordnet ist.32 Am unteren Ende des Strafkatalogs werden schließlich die Sklaven und Kolonen in einem Atemzug genannt.33 Nur für diese Gruppen ist eine Körperstrafe vorgesehen, während alle anderen, auch die keineswegs sonderlich angesehenen Tagelöhner (circumcelliones), mit einer Geldstrafe davonkamen.34 Die Angehörigen der barbarischen Oberschicht hatten das römische Bürgerrecht. Die angesiedelten und vertraglich verpflichteten Barbaren (foederati) standen ebenfalls unter dem Einfluss des römischen Rechts. Einige Barbaren, wie die Laeten und die als Kolonen angesiedelten Gruppen, erhielten ein vermindertes Bürgerrecht. Im Frankenreich ergibt sich die personenrechtliche Stellung aus den in der Lex Salica und der Lex Ribuaria enthaltenen Wergeldlisten, d. h. den Katalogen der Bußgelder für die Tötung von Personen bestimmter Gesellschaftsgruppen. Auf dieser Grundlage lässt sich eine Vorstellung von der Gliederung der fränkisch-römischen Gesellschaft gewinnen.35 Die Gesellschaftsstruktur wird allerdings nur zum Teil abgebildet. Die Lex Salica gibt vor allem die ländlichen Verhältnisse wieder. Die rechtlichen und sozialen Strukturen in den Städten werden ausgeblendet – und sie scheinen auch für das fränkische Selbstverständnis keine allzu große Rolle gespielt zu haben. Ein Franke oder ein Barbar, der nach salfränkischem Recht lebte, hatte ein Wergeld von 200 Solidi. Für einen römischen Grundbesitzer gab es die Hälfte.36 Die Ermordung eines Franken, der 31 CTh 16, 5, 52 (412). 32 Vgl. PLRE II 987f. 33 CTh 16,5,52, 4 (412). 34 CTh 16,5,52 praef. (412). 35 P. L. Sal. 41,10. 36 P. L. Sal. 41,1; 41, 9.

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zu den Vertrauten des Königs zählte, büßte man mit dem Höchstsatz von 600 Solidi, wohingegen die Angehörigen eines Romanen in Königsnähe nur 300 Solidi beanspruchen konnten.37 Am unteren Ende des Katalogs findet sich, wie im römischen Recht, der steuerpflichtige römische Kolone, dessen Wergeld immerhin noch 62 ½ Solidi betrug.38 Eine ähnliche Abstufung kennt das ribuarische Frankenrecht. Für die Tötung eines zugewanderten Franken musste man 200 Solidi zahlen. Dieselbe Tat sühnte man bei einem Barbaren, sei er Burgunder, Alamanne, Friese, Bayer oder Sachse, mit 80 Solidi, und für einen Romanen waren 50 Solidi fällig.39 Die Referenzgrößen waren der freie Franke (Salicus bzw. Ribuarius) und der freie Römer (Romanus ingenuus). Beides waren vermutlich Standesbezeichnungen (Geburtsstände), die nochmals nach ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe unterschieden werden können.40 Besonders deutlich zeigt sich dies in der Vita des Gaugericus, in welcher anhand von drei Kriterien die Position der Eltern des Bischofs beschrieben wird. Das erste Kriterium ist die Würde ihrer weltlichen Stellung (dignitas saeculi), und zwar gehörten sie nicht zu den Ersten, aber auch nicht zu den Letzten (non primis, non ultimis); als zweites Kennzeichen wird die Zugehörigkeit zu den Romanen (Romanae nationes) genannt; und schließlich dient die Religionszugehörigkeit zum katholischen Christentum als drittes Merkmal.41 Die Zuordnung zu den Romanen ist überzeugend als Geburtsstand und die Berechtigten der einzelnen Wergeldstufen als Gruppen innerhalb des Geburtsstandes gedeutet worden.42 Über den Geburtsstand hinaus war die natio aber auch die Rechtsgemeinschaft der Romanen, welche diejenigen der Franken, Burgunder und Goten, später auch der Bayern und Alamannen dem Personalitätsprinzip gemäß ausschloss. Zumindest für die Zeit, als die Lex Salica scripta verfasst wurde, aber durchaus auch danach, ist eine stärkere Trennung der nationes anzunehmen.43 Zu den Romanen und Franken kommen dann noch die nicht-fränkischen Barbaren hinzu, die zum Teil nach salfränkischem Recht lebten, zum Teil aber auch nach ihren leges.44 37 38 39 40 41

P. L. Sal. 41,5; 41, 8. P. L. Sal. 41,10. L. Rib. 36,1–4. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Grahn-Hoek 1976, S. 31f., Anm. 109. Vita Gaugerici (MGH SS rer. Merov. 3 [Krusch, 1896], S. 652). Die religio als sozialrelevantes Kriterium erwähnt auch Agathias 1,2,3f. (ed. R. Keydell: Agathiae, Myrinaei Historiarum libri quinque, Berlin 1967). 42 Grahn-Hoek 1976, S. 37f. 43 Anders als noch die ältere ingenui-Forschung; siehe den Forschungsüberblick von Schipp 2009, S. 375f. 44 Die personenrechtliche Stellung der Freien in den anderen nachrömischen Königreichen wird im Detail dargestellt von Weber 1983.

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3.2 Eher echtliche Bestimmungen als Faktor en von Ink lusion oder Exk lusion Am Eherecht lässt sich die Offenheit einer Gesellschaft ablesen. Kein politisches Instrument eignet sich besser zur Abgrenzung von Zugehörigen und Fremden. Die Ehen zwischen der barbarischen Führungsschicht und dem Kaiserhaus zeigen aber schon, dass kein generelles Eheverbot im Imperium Romanum bestand.45 Die Auswertung eines Ehegesetzes von Kaiser Valentinian I. bestätigt diesen Befund. Im Jahre 373 untersagte er Ehen zwischen Römern und Barbaren: Kein Provinzbewohner, egal welchen Standes, durfte eine Barbarin (barbara uxor) heiraten, und keine Provinzbewohnerin durfte mit einem Barbaren (gentilis) eine Verbindung eingehen; anderenfalls drohte die Hinrichtung.46 Die kaiserliche Konstitution erging an einen für das nordwestliche Afrika zuständigen Militärführer, was für ein Ehegesetz ungewöhnlich ist. Der magister equitum (‚Oberbefehlshaber der Reiterei‘) Theodosius schlug gerade einen Aufstand des Maurenscheichs Firmus nieder. Der Gesetzgeber entschied demnach eine Rechtsfrage in einer konkreten Situation. Die Angehörigen beider Personengruppen und ihre Nachkommen mussten verschiedene Aufgaben erfüllen. Die einen waren freie römische Provinzbewohner (provinciales) und hatten öffentliche Dienste (munera) zu erbringen, die anderen waren Soldaten barbarischer Herkunft (gentiles) und kriegsdienstpflichtig. Es sollten also sehr wahrscheinlich die eheähnlichen Verbindungen zwischen Personen unterbunden werden, die nicht denselben personenrechtlichen Status hatten. Durch das Gesetz sollte der Konflikt um die Zugehörigkeit der Nachkommen verhindert werden.47 Gültigkeit im ganzen Imperium Romanum kann das Gesetz erst durch die Übernahme in den Codex Theodosianus erlangt haben. Zu einer generellen sozialen Trennung von Römern und Barbaren reichte diese Regelung aber nicht aus. Die einzige weitere eherechtliche Regelung, die eine Barbarengruppe betraf, weist in dieselbe Richtung. Libius Severus erließ im Jahre 465 ein Gesetz gegen unerwünschte eheähnliche Verbindungen zwischen barbarischen Laeten und römischen Sklavinnen oder Koloninnen.48 Solche Verbindungen sollten verhindert werden, weil die Partner nicht die gleiche personenrechtliche Stellung hatten und somit keine rechtsgültige Ehe unter Gleichen (coniugium aequale) eingehen konnten. Ferner bereitete die Zuordnung der Nachkommen Schwierigkeiten, denn die Kinder von Kolonen mussten eben45 Siehe die Beispiele bei Demandt 2007, S. 382f., und Demandt 1980. Vgl. zu Mischehen grundlegend Soraci 1974, dazu die Rezension Castritius 1979, S. 799f., sowie Blockley 1982. 46 CTh 3,14,1 (373). Vgl. Kaser 1975, S. 122 (§ 208 II) und 164 (§ 217 II 4a). Zur Datierung siehe Demandt 1980, S. 620, Anm. 50. 47 Vgl. Mathisen 2006, S. 1031f. Zum historischen Hintergrund siehe Sivan 1998, S. 191f. Vgl. auch Sivan 1996. 48 Nov. Severi 2 (465).

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falls Kolonen werden und die Kinder der Laeten waren zum Kriegsdienst verpflichtet. Diesen Konflikt galt es zu vermeiden. Auch im Osten des Reiches sind eheliche Verbindungen über die Grenze des Römischen Reiches hinaus bezeugt,49 sodass der Befund im Westen auch dort Gültigkeit hatte. Erst Justinian verbot im Jahre 535 Heiraten zwischen Römern und Ausländern.50 Allerdings ist diese Novelle auf die Grenzprovinzen Mesopotamien und Osrhoëne beschränkt. Auch die besonderen Umstände für das Gesetz, das nach einem Grenzkonflikt erlassen wurde, sprechen nicht dafür, dass hier ein generelles Eheverbot verkündet wurde. Am Ende muss man wohl dem Dichter Prudentius zustimmen, dass es zwischen Römern und Barbaren (gleicher personenrechtlicher Stellung) kein Ehehindernis gab.51 Das Ehegesetz Valentinians I. wurde in das westgotische Römerrecht übernommen.52 Dabei wurde der Text nicht nur wörtlich beibehalten, sondern auch nach dem juristischen Verständnis der Zeit kommentiert.53 Auch im Herrschaftsbereich der Westgoten ist die Umsetzung des Gesetzes nur schwer vorstellbar. Die Westgoten waren in ihrem toledanischen Königreich stark in der Minderzahl. Außerdem haben archäologische Untersuchungen ergeben, dass sie in einem eng begrenzten Gebiet lebten.54 Von daher waren die Möglichkeiten, überhaupt mit Westgoten in Kontakt zu treten, eher gering. Das Eheverbot ist dann auch überzeugend als ein politisches Instrument gedeutet worden. Ehen zwischen Römern und Barbaren habe man dort verboten, wo sie politisch unerwünscht oder sogar gefährlich gewesen seien.55 Als Beispiele für die Nichtbeachtung des Gesetzes und zugleich als Hinweis auf politisch gewollte Ehen können die häufig belegten Verbindungen zwischen westgotischen Militärs und Römerinnen dienen.56 Vor allem galt es aber wohl, die Rechts- und Sozialordnung aufrechtzuerhalten. Unliebsame Beziehungen zwischen nicht standesgemäßen Personen wurden wegen der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen untersagt. Trotz oder wegen der wohl praktischen Irrelevanz des Gesetzes im toledanischen Westgotenreich hob König Leovigild das Eheverbot auf.57 Das Ehegesetz Kaiser Valentinians I. wurde nicht in das ostgotische Recht übernommen. Römer und Goten konnten daher heiraten, sofern sie den gleichen personen49 Prokop, De aedificiis 3,3,10, und Nov. Iustiniani 154. 50 Nov. Iustiniani 154. 51 Prudentius, Contra Symmachum 2,613f. 52 Vgl. zuletzt Koch 2012, S. 69–71. 53 L. Rom. Vis. 3,14,1 interpretatio (506). 54 Vgl. Reinhart 1951, S. 353. 55 Vgl. Pohl 2005, S. 67f., und Sivan 1998, S. 192–195. 56 Siehe die Nachweise bei Demandt 1989. 57 L. Vis. 3,1,1; siehe hierzu Schmidt 1941, S. 504; Stroheker 1965, S. 161; Wolfram 2009, S. 461, Anm. 7. Sivan 1998, S. 200–203, kommt zu der Einschätzung, dass L. Rom. Vis. 3,14 missdeutet worden sei und der Aufhebung bedurfte; vgl. Koch 2012, S. 389–394.

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rechtlichen Status hatten.58 Ein Eheverbot widerspräche auch der Intention des Gesetz­ gebers.59 Wegen der geringen Anzahl der Ostgoten konnten ohnehin nur die wenigsten Römer überhaupt eine Ehe mit Goten eingehen.60 Ein rechtliches Ehehindernis hat es der Überlieferung zufolge nicht gegeben. Lediglich die Beziehungen zu Unfreien unterlagen restriktiven gesetzlichen Regelungen.61 Auch nach burgundischem Recht bestand das conubium zwischen Römern und Burgundern, d. h. es konnten legitime Ehen zwischen den beiden Gruppen geschlossen werden. Dies ergibt sich bereits aus dem gemeinsamen Recht für Römer und Burgunder. Konkret kann das conubium aber auch aus zwei Gesetzen abgeleitet werden.62 So verlor ein römisches Mädchen das Erbrecht, wenn es ohne die Zustimmung seiner Eltern geheiratet hatte. Eine Burgunderin oder Römerin, die sich ihren Ehemann selbst ausgewählt hatte, geriet per Verfügung in die ‚Gewalt‘ (potestas) des Mannes und musste diesem ihre Besitztümer übergeben.63 In den nachrömischen Königreichen waren Ehen zwischen Personen des römischen und des nicht-römischen Rechtsbereiches möglich. In den Leges und den Kapitularien lassen sich ebenfalls keine entsprechenden Ehehindernisse nachweisen.64 Nur im Westgotenreich bestand lange Zeit ein diesbezügliches Eheverbot, das aber wohl kaum von praktischer Relevanz war.65 In der Oberschicht setzte man sich jedenfalls darüber hinweg. Auch die einfachen Freien verschiedener Barbarengruppen dürften ebenfalls untereinander Ehen eingegangen sein. Dies ist das Resultat einer Überlebensstrategie, die sich während der Entstehungsphase der jeweiligen Gruppe herausgebildet hat. Nur als Gemeinschaft waren diese Gruppierungen stark, sodass es üblich war, dass die Großgruppen (Goten, Burgunder und Franken) immer auch in einem Verhältnis der rechtlichen Zugehörigkeit mit einer Vielzahl von Subgruppen (Gepiden, Taifalen, Sueben, Alamannen usw.) zusammenlebten. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Rugier sich, um ihre Gruppenidentität zu bewahren, die Heirat außerhalb ihrer Gruppe versagt haben sollen.66 Wenn überhaupt, dann bestätigt hier die Ausnahme die Regel.67 58 Cassiodor, Variae 5,14,6. Hierzu ausführlich Meyer-Flügel 1992, S. 65, der allerdings davon ausgeht, dass es sich nicht um Goten handelt, sondern um Germanen, die schon früher angesiedelt worden seien. 59 Zur Integration der Ostgoten vgl. Schäfer 2001 und mit nicht von allen Forschern geteilten Ergebnissen Amory 1997. 60 Burns 1978 geht von etwa 2 % Ostgoten, gemessen an der Gesamtbevölkerung, aus. Zur Bevölkerungszahl siehe auch Maier 2005, S. 53–56. 61 Edictum Theoderici 64–67; 69. 62 L. Burg. 12, 5. 63 L. Burg. 100. 64 Vgl. Mikat, HRG 1,823f., s. v. Ehe. 65 Vgl. zuletzt Koch 2012, S. 392–394. 66 Prokop, De bellis 6,14f. 67 Vgl. Heather 2011, S. 226.

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Die Ehegesetze sind also weniger auf die Abgrenzung von Römern und Barbaren oder von Barbaren untereinander gerichtet als vielmehr auf die Abgrenzung von Freien und Unfreien, da deren eheähnlichen Verbindungen juristische und ökonomische Folgen gehabt hätten.

4. Überw indung der Fr emdheit: Aufnahme auswärtiger Fr emder in den römischen R echtsber eich Die Römer entwickelten im Laufe des 2. und 3. Jhs. n. Chr. für auswärtige Fremde differenzierte Eingliederungsmodi in das römische Rechts- und Wirtschaftssystem, mit entsprechenden Folgen für die Sozial- und Staatsordnung. Es stellte sich zunächst immer die Frage, in welches Rechtsverhältnis der römische Staat zu den besiegten, Aufnahme suchenden bzw. ins Imperium Romanum eingedrungenen Barbaren treten wollte. Die Unterwerfung (deditio) wurde dabei zu allen Zeiten von den Römern angestrebt. Die Rechtsstellung, die den Barbaren dann zugebilligt wurde oder werden musste, hing aber entscheidend von den jeweiligen Machtverhältnissen ab. Sofern diese es zuließen, erhielten die Angesiedelten lediglich einen peregrinen Rechtsstatus und wurden als Unterworfene (dediticii) behandelt.68 Die Barbaren waren als Deditizier vom römischen Bürgerrecht ausgeschlossen und konnten keine rechtsgültige Ehe mit Römern eingehen. Diese Regelung galt zumeist für die erste Generation und dann auch wohl nur für die erste Zeit nach der Kriegsgefangenschaft.69 Die Deditizier waren außerdem als einzige Gruppierung in der Constitutio Antoniniana vom 11. Juli 212 n. Chr., durch die Kaiser Caracalla pauschal allen Provinzialen das Bürgerrecht verlieh, ausgenommen worden.70 Wenn aber die jeweilige Barbarengruppe nicht vollständig besiegt werden konnte, die Römer auf deren Arbeitskraft angewiesen waren oder der militärischen Stärke der Barbaren bedurften, dann wurden sie auf einer anderen Rechtsgrundlage eingegliedert. Drei Aufnahmemodelle lassen sich nach dem künftigen Nutzen der Barbaren für das Imperium Romanum unterscheiden: die Ansiedlung bzw. Aufnahme als Bauern, als Soldaten oder als Wehrbauern.

4.1 Ansiedlung als Bauer n und Söldner nach per egr inem R echt Nach drei langjährigen Kriegen gegen Mark Aurel und Commodus mussten sich die Markomannen schließlich beugen und wurden zum Teil auf römischem Gebiet ange68 Vgl. Jones 1986, S. 200, 620 und 665. 69 Vgl. das Beispiel bei Jones 1986, S. 200. 70 Siehe Buraselis 2007.

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siedelt.71 Ein größerer Teil von ihnen verblieb aber außerhalb der Grenzen des Imperium Romanum. Sowohl Cassius Dio als auch die Historia Augusta berichten davon, dass sie als Deditizier behandelt wurden. Die pannonischen Markomannen kämpften auf den Katalaunischen Feldern aufseiten der Hunnen und hatten offensichtlich eine eigene Identität bewahrt. Ferner wurden sie auch späterhin als eigenständige Gruppe erwähnt.72 Den Naristen, die in der Nähe von Quaden und Markomannen siedelten und ebenfalls in den Markomannenkriegen kämpften,73 wurde Siedlungsland auf römischem Gebiet zugewiesen. Cassius Dio ist zu entnehmen, dass diese zuvor übergelaufen waren. Wenn man dieser knappen Schilderung folgen darf und das Überlaufen als Unterwerfung wertet, dann wären die 3000 Männer als Deditizier angesiedelt worden und hätten zunächst einen peregrinen Rechtsstatus erhalten.74 Dennoch konnten auch solche Gruppierungen schließlich das römische Bürgerrecht erlangen. So berichtet Zosimus, dass die von Kaiser Probus (276–282) angesiedelten Bastarnen zu seiner Zeit (Ende des 5./Anfang des 6. Jhs.) Römer waren.75 Endgültig aufgehoben wurde der Deditizierstatus erst 530 n. Chr. von Kaiser Justinian.76 Im Kontrast zu dieser Ansiedlungspraxis im 2. und 3. Jh. steht das imperiale Bewusstsein der Römer. So spiegelt sich ihr Herrschaftsanspruch über die bekannte Welt etwa in der fiktiven Beschreibung eines Triumphes des Kaisers Aurelian wider. Hier zeigt sich das übersteigerte römische Selbstverständnis im Hinblick auf das Verhältnis gegenüber auswärtigen Fremden.77 Den unzähligen Völkern, Stämmen, Verbänden, Stammesgruppen, Scharen und Sippen jenseits der Grenzen des Imperium Romanum drohte jeweils das gleiche Schicksal. Sollten sie sich gegen die römische Herrschaft erheben, würden sie besiegt und im Triumph durch die Straßen Roms geführt werden.78 Das Fremde wurde, sollte es nicht willfährig sein, beseitigt oder in Vertrautes umgewandelt. Dabei wurde kein Unterschied gemacht zwischen den einzelnen Gruppierungen, denen die Römer im Laufe ihrer Geschichte begegneten. Die Identität der Fremden wurde einseitig aus römischer Sicht bewertet. In der zitierten Quelle werden Goten, Alanen, Roxolanen, Sarmaten, Franken, Sueben, Vandalen und Germanen (!) für den Westen ebenso aufgezählt wie Blemmyer, Axumiter, Araber, Inder, Baktrier, Iberer, Sarazenen und Perser für den Osten, aber auch Amazonen will man in die Gefangenschaft geführt haben.79 71 Cassius Dio 71,11,4f.; SHA Aurelian 22,2. 72 Amm. 31,4,2; Iord. Get. 16; 22. 73 Siehe Tac. Germ. 42 und SHA Aurelian 22,1. 74 Cassius Dio 71,21. 75 Zos. 1,71. Vgl. Babes, RGA 23, 1998, S. 237–239. 76 CJ 7,5. Vgl. auch CJ 7,6,1. 77 Siehe Pohl 2005, S. 14–15. 78 SHA Aurelian 33f. 79 SHA Aurelian 33,4f.–34,1.

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In die römische Sklaverei gerieten indes nur die wenigsten. Von Beginn der Spät­ antike an nahm die Zahl der angesiedelten Barbarengruppen zu.80 Bislang waren die Unterworfenen vorwiegend auf Brachland mit und ohne Beibehaltung der Verbandsstrukturen angesiedelt worden, wo sie vorwiegend zur eigenen Versorgung und zur Kultivierung des Bodens Landwirtschaft betrieben.81 Diese Ansiedlungspolitik diente auch zur Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage.82 Zudem verfolgten die Kaiser mit der Ansiedlung von Barbaren als Steuerpflichtigen (tributarii) einen fiskalischen Nutzen.83 Darüber hinaus wurde von den Barbaren die Anerkennung der Hoheit des Kaisers verlangt. Sonstige Schritte zu ihrer Eingliederung unterblieben. Wie sich die jeweilige Gruppe in das Imperium Romanum einfügte, hing von der jeweiligen Situation und dem Interesse an Inklusion ab.

4.2 Die R echtsstellung der als Kolonen angesiedelten Bar bar en Erst von der Aufnahme besiegter Barbaren in den Kolonat ging eine stärkere Integra­ tionswirkung aus. Die als Kolonen angesiedelten Barbaren wurden steuerrechtlich erfasst, in die römische Rechtsordnung und in den ländlichen Produktionsprozess eingegliedert sowie letztendlich in die römische Gesellschaft aufgenommen. Durch die prekäre Stellung der Kolonen unterschieden sich die Barbarenansiedlungen in der Spät­ antike aber deutlich von den Ansiedlungen in der Zeit des Prinzipats.84 Der Kolonat wurde im 5. Jh. als ein Instrument zur Kontrolle und Steuerung der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung eingesetzt.85 Der personenrechtliche Status der Kolonen hatte sich in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. deutlich verschlechtert. Sie unterlagen einer strikten Bodenbindung und waren dadurch an ihren Arbeitsort dauerhaft gebunden. Dies war auch eine Folge der Bedrohungssituation in den Grenzprovinzen Thrakien und Illyrien. Gotische Gruppen überschritten 376 die Donau und wurden nach der Schlacht von Adrianopel (378) in Thrakien angesiedelt. Die Steuerverwaltung 80 Eutropius, Breviarium Historiae Romanae 9,25. 81 SHA Claudius Gothicus 9,4; vgl. Segrè 1947, S. 128–129; Whittaker 1976, S. 148 und 196, Anm. 45; weitere Quellen referiert Mirković 1997, S. 88–90. Außen vor bleiben hier die Barbaren, die außerhalb des römischen Reiches angesiedelt wurden. Vgl. mit weiterführender Literatur Pohl 2004a, S. 98f. 82 Pan. Lat. 8,8,4; 8,9,1 und 3f.; 8,21,1; so auch Amm. 31,9,4; siehe auch Ausonius, Mosella 8–11; 23f.; vgl. dazu skeptisch: Carriè 1983, S. 239–240. 83 Amm. 19,11,6; 20,4,1; 28,5,15. Clausing 1925, S. 73f., nennt keine Kolonen in den Quellen zu den Barbarenansiedlungen vor dem 5. Jh. Zur Abgrenzung der Barbarenansiedlung von den Laetenansiedlungen vgl. Held 1974, S. 122–127. 84 Vgl. Grey 2011. 85 Vgl. den Forschungsüberblick bei Schipp 2009, S. 5–6.

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in diesen Provinzen, die bisher auf der Zensusregistration der Bauern beruhte, wurde umgestellt. Die Kolonen wurden der Herrschaft ihrer Grundherren (dominium) unterworfen, zuerst in den gefährdeten Grenzprovinzen, dann aber auch in Gallien, Afrika und Italien. Sie wurden dadurch nicht wie Sklaven zum Eigentum ihrer Grundherren, waren aber untrennbar mit ihnen verbunden. Nachdem einige Kolonengruppen Anfang des 4. Jhs. unter der Steuerverantwortung ihrer Grundherren standen und andere spätestens Mitte des 4. Jhs. bodengebunden waren, galten alle Gruppierungen Ende des 4. Jhs. als ihren Grundherren zugehörig.86 Dies hatte nicht nur zur Folge, dass sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden, sondern sie durften auch nur noch untereinander Ehen eingehen. Ihre Kinder waren immer Kolonen. Mit Personen, die nicht dem Kolonat angehörten, konnten sie keine legitime Ehe, sondern nur eheähnliche Verbindungen (contubernia) eingehen. Bei solchen Verbindungen fielen die Nachkommen immer dem Grundherrn des Kolonen oder der Kolonin zu.87 Auch die Verfügung der Kolonen über ihr Vermögen war von der Zustimmung ihres Grundherrn abhängig. Anfang des 5. Jhs. finden sich erste Hinweise darauf, dass Kolonen gezüchtigt werden durften.88 Als Beispiel für die Ansiedlung von Barbaren als Kolonen kann das Schicksal der Skiren dienen, die nach einem Gesetz des Kaisers Theodosius II. aus dem Jahre 409 als Kolonen angesiedelt wurden.89 Das volle römische Bürgerrecht wurde ihnen verwehrt.90 Der Nachteil dieser Ansiedlungspolitik war, dass man sich des militärischen Potenzials der Skiren nicht mehr bedienen konnte, da die Kolonen durch ein an den Heermeister Pulcher gerichtetes Gesetz der Kaiser Honorius und Arkadius Ende des 4. Jhs. vom Militärdienst ausgeschlossen worden waren.91

4.3 Ansiedlung und Eingliederung von Zu wander er n Eine weitere Möglichkeit, Fremde (darunter auch Barbaren) einzugliedern, war ihre Ansiedlung als Zuwanderer (advenae, wörtlich: ‚Ankömmlinge‘). Diese unterschieden sich nach Isidor von den bodengebundenen Kolonen und freizügigen Gutsarbeitern (inquilini) dadurch, dass sie lediglich zum permanenten Aufenthalt gezwungen waren.92 So wurden nach einer Novelle Valentinians III. die mittel- und heimatlosen Zuwande86 87 88 89

Vgl. zusammenfassend Schipp 2009, S. 254–262 und 579–585. Vgl. zu den eherechtlichen Problemen des Kolonats Schipp 2009, S. 151–198. CTh 16,5,52,4 (412). CTh 5,6,3 (409). Siehe auch Sozomenos, Historia Ekklesiastika 9,5,5–7. Vgl. dazu Schipp 2009, S. 86–89. 90 Vgl. etwa Heather 1994, S. 133. 91 CJ 12,33,3 (395–401). Zum Ausschluss der kaiserlichen Kolonen vom Militärdienst: CJ 11,68,3 und 7,38,1 (364–367). 92 Isidor, Origines 9,4,38.

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rer verpflichtet, an dem Ort zu bleiben, an dem sie eine Gemeinschaft mit einer Frau eingegangen waren und den sie als Wohnsitz gewählt hatten. Ihre Einwilligung wurde für das lokale Archiv protokolliert (gesta municipalia).93 Dadurch sollte verhindert werden, dass sie die Frauen wieder verließen, wenn ihnen danach zumute war.94 Durch das Gesetz verloren sie ihre Freizügigkeit, aber unbeschadet ihrer sonstigen Rechte. Sie erwarben durch die Protokollierung sogar das römische Bürgerrecht, solange kein Einspruch erhoben wurde. Nach einer Notiz des Geschichtsschreibers Jordanes konnten auch Barbaren als Zuwanderer behandelt werden.95 Kaiser Valens wollte eine Gruppe von Goten als peregrini und advenae ansiedeln. Diese führten sich jedoch als „Bürger und Herren“ (cives et domini) auf.96 Demnach sollten die Goten als Peregrinen ohne Bürgerrecht oder als Zuwanderer mit vermindertem Bürgerrecht aufgenommen werden. Inwiefern der advena-Begriff des Jordanes im juristischen Sinne verwendet werden kann und ob das Gesetz Kaiser Valentinians III. sich auch auf diese Gotengruppe bezog, ist zweifelhaft. Es scheint in den Wirren der Zeit jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Barbaren auch auf diese Weise zur Sesshaftigkeit gezwungen wurden und letztendlich ihre Nachkommen ein eingeschränktes römisches Bürgerrecht erlangten.

4.4 Ansiedlung auswärtiger Fr emdgruppierungen als Föder aten Die Versklavung unterworfener Barbaren – oder doch wenigstens die Zerschlagung des Barbarenverbandes – und deren Ansiedlung als bodengebundene und abhängige Bauern war der ideologische Anspruch, der in der Panegyrik und den sonstigen Schriften herrschertreuer Autoren propagiert wurde. Die tatsächliche Behandlung der Gegner war aber vielfältiger. Die Kräfteverhältnisse ließen es oft nicht zu, dass die Barbaren in der gewünschten untergeordneten Stellung zum Nutzen des Imperium Romanum eingegliedert wurden. Seit Beginn des 4. Jhs. wurden Verträge geschlossen. Ende des 4. Jhs. trat man vertraglich womöglich ganze Landstriche an Goten und Franken ab, bis ihnen schließlich mit der Verfügung über Grundeigentum und Steuereinnahmen Herrschaftsrechte eingeräumt wurden. Der erste Friedensvertrag, der in diese Richtung interpretiert werden kann, wurde zwischen Konstantin dem Großen und den Goten (Terwingen und Taifalen) im 93 Vgl. Weiss, RE Suppl. VII (1940), S. 207f., s. v. gesta municipalia, und Schiemann, DNP 4, S. 1019f., s. v. Gesta. 94 Nov. Valentiniani III 31,5 (451). Zur Einordnung dieses Gesetzes in die Bestimmungen zu ehe­ lichen Verhältnissen zwischen Sklaven und armen Freien vgl. Arjava 1996, S. 207. 95 Kritisch bzgl. des Quellenwertes von Jordanes Kulikowski 2009, S. 55–61. 96 Iord. Get. 26,137.

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Jahre 332 geschlossen,97 nachdem sein Sohn, der Caesar Constantinus, siegreich gewesen war.98 Vorausgegangen war ein Hilfsersuchen der Sarmaten, die mit den Goten um Siedlungsgebiete stritten.99 Die nur literarisch überlieferten Vertragsbestimmungen lassen aber nicht auf die von der älteren Forschung postulierte ‚Reichsangehörigkeit‘ der Goten schließen.100 Sie mussten zwar Geiseln, unter denen sich auch der Sohn des Terwingen-Königs Ariarich befand,101 und Truppen in festgelegter Anzahl (angeblich 40.000 Soldaten) gegen jedweden Gegner stellen,102 aber in den Quellen findet sich weder ein konkreter Hinweis auf eine permanente Bezahlung der Goten (annonae foederaticae) noch auf ihre Eingliederung in die römische Armee.103 Die Zugehörigkeit der Goten zur Romanitas muss daher später angesetzt werden,104 denn erst mit der konstantinischen Außenpolitik erfuhren die römisch-gotischen Beziehungen eine Veränderung, in deren späterem Verlauf die Goten zu angesiedelten Föderaten auf römischem Boden wurden.105 Von Föderation spricht zu dieser Zeit einzig Jordanes, und dieser scheint die Bestimmungen der Föderatenverträge seiner Gegenwart auf die konstantinische Zeit übertragen zu haben.106 Einen solchen Vertrag mit Modellcharakter schloss wohl Theodosius I. am 3. Oktober 382. Er nahm die unterworfenen Goten als geschlossenen Verband auf und wies ihnen Siedlungsland zu. Die waffenfähigen Goten wurden vielleicht als Föderaten anerkannt und mussten im Gegenzug Truppen stellen, sobald der Bündnisfall eintrat.107 Der Vertrag regelte ihre Stellung in der römischen Provinz und sicherte ihnen gentile Autonomie zu.108 Sie mögen jährliche Zahlungen und Steuerfreiheit erhal97

Anon. Val. 6,31; Consularia Constantipolitana (MGH Chronica Minora I, S. 234); Hieronymus, Chronicon zum Jahr 332; Oros. 7,28,29; Isidor, Historia Gothorum 5 (MGH Chronica Minora II, S. 270). 98 Vgl. Chrysos 1973; Barceló 1981; Brockmeier 1987 und Heather 1997. 99 Iord. Get. 21,112. Siehe auch Eutropius, Breviarium Historiae Romanae 10,7, und Anon. Val. 6,32. 100 Siehe Schenk von Stauffenberg 1940, S. 70ff., und Mommsen 1963, S. 650; vgl. dazu Chrysos 1973, S. 61–62. 101 Anon. Val. 6,31. Ariarici wird auch von Jordanes erwähnt (Iord. Get. 21,112); vgl. PLRE I 102. 102 Iord. Get. 21,112. 103 Zahlungen an die Goten (Skythen) nennt Eusebius, Vita Constantini 4,5. Brockmeier 1987, S. 81–82, legt überzeugend dar, dass die Goten in der darauffolgenden Zeit nur im Bedarfsfall rekrutiert wurden und keinesfalls schon zum permanenten Grenzschutz gehörten. 104 Eine gewisse Unterordnung kann man jedoch feststellen, wenngleich die Terwinger noch außerhalb des Imperium Romanum siedelten. Vgl. Wolfram 2009, S. 397, Anm. 33. 105 Vgl. Brockmeier 1987, S. 100. 106 Wolfram 2009, S. 71, schätzt hier die Angaben des Jordanes zu optimistisch ein. 107 Zum Föderatenstatus siehe Iord. Get. 28,145; Prokop, Bellum Goticum 4,5, und zur Truppenstellung Pan. Lat. 2,32,3–4. 108 Siehe Themistios, Oratio 18, 211a und d; Pan. Lat. 2,22,3; Synesios, De regno 22; Eunap, Fragment 60.

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ten haben.109 Aber diese sind nur literarisch überliefert, und man darf an der korrekten juristischen Einschätzung der Autoren zweifeln. Dass sich die Situation an der Donau beruhigte und die Goten infolge des Friedensschlusses als militärische Einheiten in die römische Armee eingegliedert wurden, ist jedoch unbestritten. Sie siedelten sehr wahrscheinlich in den Donauprovinzen.110 Wenn auch die Goten nach dem Friedensschluss mit Theodosius I. keine Föderaten waren, so sind doch einige der typischen Bestimmungen eines Föderatenvertrags vorhanden.111 Die römische Provinzverwaltung war sicher nicht in der Lage, die Goten als Deditizier zu behandeln. Zu sehr war die römische Herrschaft auf dem Balkan durch die Schlacht von Adrianopel geschwächt worden. Die Goten waren daher viel eher zum Kriegsdienst verpflichtete Verbündete. Vielleicht wurden sie in Pannonien nach dem System der Unterbringung (hospitalitas) angesiedelt.112 Nach jüngerer Forschungsmeinung wäre dann nicht das Land unter den Goten aufgeteilt worden, sondern das Steueraufkommen,113 da die spätantiken Einquartierungsgesetze nur die hospitalitas114 beträfen und die Goten nicht, wie die ältere Forschung meinte, einen Anspruch auf ein Landlos (sors Gothica) erhalten hätten.115 Aber auch diese Thesen sind umstritten.116 Goten konnten jedenfalls in Gallien Grundeigentum von Römern erwerben.117 Sicher ist, dass eine andere Barbarengruppe unter der Führung des Alarich I. in ein neues Verhältnis zum Römischen Reich trat, als er trotz einiger Niederlagen seinen Verband aus Goten und anderen Nicht-Römern zusammenhalten konnte. Zum Heermeister (magister militum) befördert, erhielt er die Anerkennung der Kaiser und war nun Barbarenfürst und römischer Militärführer,118 aber erst seinem Nachfolger Athaulf gelang es, die Ansiedlung der nun Westgoten zu nennenden Gruppe in Gallien nach den Grundsätzen der hospitalitas zu erreichen. Zur Gründung eines selbstständigen Königreiches war es 109 Zahlungen: Iord. Get. 29,246, Prokop, Bellum Goticum 4,5; Steuerfreiheit: Themistios, Oratio 18,211d. Vgl. Schulz 1993 und Stallknecht 1969. 110 Kulikowski 2009, S. 154–155, schätzt die Quellenaussagen als unzuverlässig ein und verwirft sie deshalb, muss aber dann doch die Möglichkeit einer gotischen Ansiedlung einräumen; ebd., S. 156. 111 Kritisch zum Föderatenbegriff Scharf 2001, S. 21–22. Erst die Verträge zu Beginn des 5. Jhs. sind unstrittig Föderatenverträge. Der Föderatenbegriff hatte bereits im 6. Jh. seine Konturen verloren, wie Prokop bezeugt: Prokop, Bellum Vandalicum 1,11,3–4. 112 Vgl. Pohl 2005, S. 51. 113 Goffart 1980, S. 162–175; Durliat 1988. Einen knappen Überblick über die Diskussion findet man bei Pohl 2005, S. 35–36. 114 Vgl. Wolfram 2009, S. 226. 115 Vgl. Gaupp 1844. 116 Vgl. die Bemerkungen von Pohl 2005, S. 138f. 117 Paulinus von Pella, Eucharisticon 575–579. 118 Zos. 5,31,4f. Zum reichlich verworrenen Zug der Alarich-Goten vgl. die Darstellung von Wolfram 2009, S. 158–168.

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dann nur noch ein letzter Schritt. Ausdruck der Souveränität waren die Gesetzbücher der Westgotenkönige. Von Beginn des 6. Jhs. an waren die Romanen (Gallo-Römer) die anderen, die beherrscht wurden und denen man Rechte einräumte. Die Burgunder waren spätestens 443 von Aetius in der Sapaudia (am Genfer See) als Föderaten angesiedelt worden.119 Zu ihren Aufgaben gehörte die Truppenstellung zur Verteidigung Galliens. Jordanes zählt sie dann auch unter den anderen barbarischen Föderaten und römischen Einheiten auf, die 451 unter dem Befehl des Aetius auf den Katalaunischen Feldern kämpften.120 Später erweiterten die Burgunder ihr Einflussgebiet um die angrenzende Provinz Lugdunensis I. Bereits in den Chronica Gallica heißt es, die Burgunder hätten die Sapaudia erhalten, um sie mit den Einwohnern zu teilen. Auch andere Zeugnisse lassen den Schluss zu, dass die Einquartierung der Burgunder durch eine tatsächliche Aufteilung des Landes vollzogen wurde.121 Nicht zuletzt stützen einige Gesetze im Liber Constitutionum eine solche Deutung.122 Für Burgund muss daher die These von der Fiskalteilung zurückgewiesen und stattdessen von einer Realteilung ausgegangen werden.123 Im Königreich des Gundobad kam es zum Ausgleich der burgundischen und der römischen Führungsschicht.124 Der Verband der Franken war ein Zusammenschluss aus vielen einzelnen Barbarengruppen verschiedener Größe, die im Vorfeld des Imperium Romanum am Niederrhein siedelten, und solchen, die dorthin zogen. Von Julian wurden 356 einige Franken auf römischem Boden angesiedelt. Diese Siedlung in Toxandrien (Nordbelgien) war der Kernraum ihres späteren Herrschaftsbereiches.125 Der rechtliche Charakter dieser Ansiedlung ist unklar. Im Anschluss an den Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus geht ein Teil der Forschung von einer deditio aus.126 Andere nehmen an, dass ein Föderatenvertrag geschlossen wurde.127 Dieser Frankenverband unterstand bemerkenswerterweise nie einem römischen Präfekten.128 So wird das Verhältnis von Römern und Franken in Toxandrien eine ähnliche Entwicklung wie bei den Westgoten genommen haben. Die Ansiedlungsbestimmungen werden in einem Vertrag geregelt worden sein, der eine Vorstufe der Föderatenverträge des 5. Jhs. darstellte. Wenn wir auch die 119 Chronica Gallica zum Jahr 452,128 (MGH Chron. Min. I 660). Datierung und Lokalisierung sind umstritten; vgl. Pohl 2005, S. 158, Anm. 30. 120 Iord. Get. 36,191. Siehe auch Sidon. Carm. 7,321–325. 121 Siehe Marius von Avenches, Chronicon zum Jahr 456, Nr. 2 (MGH Chron. Min. II 232), und Fredegar, Chronicon 2,46. 122 Zum Beispiel L. Burg. 54. 123 Dass das Zusammenleben nicht immer einfach war, können wir Sidon. Carm. 12 entnehmen. 124 Vgl. Pohl 2005, S. 159–160, und Kaiser 2004, S. 85–87. 125 Amm. 17,8,3. 126 Vgl. Ewig 1997, S. 11; Zöllner u. a. 1970, S. 18–19, und Barceló 1981, S. 38–39. 127 Vgl. Demandt 2007, S. 381; auch Günther u. a. 1985, S. 116. 128 Vgl. Böhme 1974, S. 200–201.

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Rechtsstellung dieser Frankengruppe nicht genau bestimmen können, so ist doch unstreitig und entscheidend, dass hier erstmals eine Barbarengruppe auf römischem Boden gentil-autonom siedelte. Andere Frankenverbände blieben zunächst außerhalb der Reichsgrenzen, gerieten aber in Konflikt mit den Römern am Niederrhein und konnten schließlich von Arbogast, der selbst Franke war, und Stilicho besiegt und in einen Föderatenvertrag eingebunden werden.129

4.5 Ansiedlung auswärtiger Fr emdgruppierungen als L a eten (Gentile) Des Weiteren wurden sog. ‚Laeten‘ in Nordgallien und Italien angesiedelt.130 Erstmals findet sich diese Bezeichnung unter den Nachkommen von Deditiziern im Jahre 297.131 Die besiegten Sarmaten hatte vielleicht schon Konstantin der Große in Italien angesiedelt.132 Einige Alamannen sind in Italien im Jahre 400 in dieser Stellung belegt.133 Laeten waren in ihren sozialen Strukturen angesiedelte Barbaren mit einer erblichen Pflicht zum Kriegsdienst.134 Grundsätzlich waren sie den Kaisern sehr willkommen und wurden in das System der römischen Provinzverwaltung einbezogen.135 Anders als Föderaten unterstanden sie dem Kommando eines römischen Präfekten (magister peditum praesentalis).136 Laeten und Römer konnten Ehen schließen, wie aus einem Gesetz hervorgeht, das in den letzten Jahren der römischen Herrschaft in Italien erlassen wurde. Kaiser Libius Severus, der nur kurzzeitig von Heermeister Rikimers Gnaden regierte (461–465), erweiterte die komplizierte Nachkommenfolge von Kindern aus eheähn­ lichen Verbindungen zwischen Kolonen (oder Sklaven) und Mitgliedern von Korporationen auf die barbarischen Laeten.137 Nach dieser Novelle bekamen die Grundherren der Kolonen oder der Sklaven alle Kinder zugesprochen, die aus einer solchen Verbin-

129 Iord. Get. 36,176 und 191; vgl. Goetz 2003, S. 312–313. 130 Vgl. Jones 1986, S. 620. In den Quellen werden die Laeten manchmal auch gentiles genannt, z. B. in der Notitia Dignitatum occidentalis 42,33–44 und 46–70. 131 Amm. 20,8,13; 16,11,4; 21,13,16. Siehe auch Pan. Lat. 8,21,1. 132 Anon. Val. 6,32; vgl. den König 1987, S. 176. 133 CTh 7,20,12 (400); vgl. Jones 1986, S. 1257. 134 CTh 7,20,10 (369). 135 CTh 13,11,10 (399). Vgl. dazu Mathisen 2004, S. 23–32. 136 Notitia Dignitatum occidentalis 42,33–70 und CTh 7,20,10 (369). 137 Nov. Severi 2 (465). Aufgrund dieses Gesetzes wird auf eine Organisation der Laeten in Korporationen geschlossen; etwa Jones, The Later Roman Empire I, S. 620. Meines Erachtens ergibt sich diese Deutung nicht zwingend aus dem Text. Es scheint eher, dass die Laeten neben den Berufskorporationen aufgezählt werden, wobei sie nach wie vor in ihren sozialen Verbandsstrukturen organisiert sein können.

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dung hervorgingen.138 Auch wenn das Gesetz nur für einen kurzen Zeitraum und nur in Italien gültig gewesen sein kann,139 zeigt es doch, dass die Laeten auf einer Stufe mit den Angehörigen der Korporationen standen und von den Sklaven und Kolonen rechtsständig abgegrenzt waren.140 Die Laeten wurden folglich nach römischem Recht veranlagt. Den Rechtstexten zufolge waren sie personenrechtlich eingeschränkt und ihre Tätigkeit war auf Bodenbebauung und Kriegsdienst begrenzt. Dennoch konnten sie zu den höchsten Ämtern aufsteigen, wie der Lebenslauf des Magnentius zeigt, der als Nachkomme von Laeten sogar als Gegenkaiser herrschte (350–353).141

5. Ver lust oder Verweigerung von Zugehör igk eitsr echten 5.1 Ver lust von Zugehör igk eitsr echten Zugehörigkeitsrechte konnten durch den Fortgang aus einem Territorium auf Dauer verloren gehen. In der Spätantike konnte sich der rechtliche Status beim Überschreiten der Provinzgrenze ändern, im Frühmittelalter beim Verlassen des Siedlungsgebietes oder des Immunitätsbezirkes. An einem anderen Ort befand man sich nicht zwingend in einem anderen Rechtsbereich. So verließ man nicht den Geltungsbereich des römischen Rechts, wenn man in eine andere Provinz übersiedelte, aber man trat unter gewissen Umständen in ein anderes Rechtsverhältnis ein oder erhielt einen anderen Rechtsstatus. Rein juristisch gesehen konnte ein römischer Bürger seine Freiheit durch die Verschleppung oder Flucht in eine andere Provinz zwar nicht verlieren, aber dennoch sind Fälle bekannt, in denen freie Römer de facto zu Sklaven in anderen Provinzen wurden.142 Durch Überschreiten einer Provinzgrenze konnte es etwa zu einem rechtswidrigen Verlust des Bürgerrechts infolge einer Gewalttat kommen. Über einen solchen Fall unterrichtet uns Augustinus.143 Er schildert in einem Brief an Bischof Alypius von Thagaste, dass Sklavenhändler in Afrika freie Menschen entführen ließen, um sie als Sklaven in 138 Vgl. Voß 1985, S. 152. Vgl. auch Wieling 1999, S. 120. Bisher mussten die Nachkommen mit den Korporationen geteilt werden; siehe CTh 12,19,1 (400). 139 Ein kurzes Nachspiel hatte die Novelle im Burgunderreich: L. Rom. Burg. 46 (517). 140 Zu den Laetenansiedlungen siehe auch Demougeot 1970. Eine Untersuchung zur Herkunft der Laeten und der Kontinuität bzw. Diskontinuität der terrae laeticae im Frühmittelalter ist ein dringendes Forschungsdesiderat. 141 PLRE I 532; siehe Aurelius Victor, Liber de Caesaribus 41,25, und Zos. 2,54. 142 CTh 10,10,25 (408); vgl. dazu auch CTh 5,7,2 (409) und Constitutiones Sirmondianae (ed. Mommsen, CTh) 16; siehe auch Maximus von Tours, Sermo 86,2 (Corpus Christianorum series Latina 23,337). Zum gesellschaftlichen Abstieg freier Römer vgl. Krause 1987, S. 278–283. 143 Aug. Epist. 10* (CSEL 88,46–51). Zum Sklavenhandel über das Meer vgl. Kleberg 1945. Zu den Briefen siehe Humbert 1983, S. 200f.

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überseeische Provinzen zu verkaufen.144 Sowohl Käufer als auch Verkäufer machten sich hierbei des Menschenraubs gemäß der Lex Fabia de plagio schuldig.145 Kaiser Valentinian III. untersagte nochmals den Verkauf von Freien zu den Barbaren oder in die überseeischen Provinzen.146 Trotz dieser Gesetze ließen einige Händler nicht von dem lukrativen Geschäft ab. Sie konnten offenbar sicher sein, dass die Opfer nicht zurückkehren würden. Manche Römer flohen indes vor den Barbaren in eine andere Provinz.147 Der Schilderung Salvians ist zu entnehmen, dass sie in die Abhängigkeit eines Grundherrn getrieben werden konnten.148 Offensichtlich dramatisiert der Autor in seiner Darstellung, aber dennoch sind die beschriebenen Schicksale grundsätzlich plausibel. In der Übergangszeit gerieten viele Römer und Barbaren durch die Kriegszüge der Franken, Westgoten und Burgunder in Unfreiheit. Oft verblieben sie dauerhaft in der Sklaverei. Bekannt ist indes auch der Fall des Eremiten Eptadius: Vom burgundischen Thronfolger Sigismund erwirkte er die Freilassung der 3000 Gallo-Römer, die von den Burgundern aus der Gegend von Limoges verschleppt worden waren;149 auch von den Westgoten kaufte er zahlreiche Gallo-Römer frei, die nach der Schlacht von Vouillé (507) in Gefangenschaft geraten waren.150 Man darf aber davon ausgehen, dass die Zahl der in Gefangenschaft verbliebenen Gallo-Römer nicht unerheblich war. Das römische Bürgerrecht konnte auch durch erzwungene oder freiwillige Annahme eines neuen Bürgerrechts verloren gehen. Immer verließ man dadurch den römischen Rechtsbereich. Priskos erzählt vom Schicksal eines Griechen, der in Viminacium in der Provinz Mösien erfolgreich Handel getrieben und dort eine wohlhabende Römerin geheiratet hatte. Als Barbaren die Stadt eroberten, wurde er Sklave eines hochrangigen Hunnen. Mit diesem zog er nach hunnischem Brauch in den Kampf, gewann sein Vertrauen und konnte sich mit seiner Kriegsbeute freikaufen. Er heiratete erneut, dieses Mal eine Barbarin, mit der er Kinder hatte.151 Da in der Spätantike das ‚Heimkehrrecht‘ (ius postliminii) weiterhin galt, hätte der Grieche nach Erlangung der Frei144 Aug. Epist. 10*,2,3 (CSEL 88,47). Zur Rechtsstellung der entführten Menschen vgl. Schipp 2008. 145 Dig. 48,15,1 (Ulpian). Wurden freie Kinder verkauft, konnte auf Wiederherstellung der Freiheit geklagt werden (CJ 3,15,2 [294]). Vgl. zum plagium Mommsen 1963, S. 780f., und Berger, RE Suppl. 7 (1940), S. 392, s. v. lex fabia de plagio, sowie zum Menschenraub in der Spätantike Lambertini 1980, S. 161. Die Lex Fabia wurde auch ins frühe Mittelalter tradiert: CTh 9,18 = L. Rom. Vis. 9,14 und Institutiones Justiniani 4,18,10. 146 Nov. Valentiniani III 33 (451) = L. Rom. Vis. (Nov. Val.) 11. 147 Zur Flucht vor den Feinden siehe Oros. 7,41,4f., und Prokop, Bellum Goticum 3,9,1–4; zum Vergleich von Steuereintreibern und Barbaren als Fluchtmotive siehe Salv. Gub. 5,39–45. 148 Salv. Gub. 5,43f. Zur Intention Salvians vgl. Badewien 1980, S. 110. 149 Vita Eptadii c. 12 (MGH SS rer. Merov. 3, S. 190). 150 Vita Eptadii c. 13. 151 Fragmenta Historicorum Graecorum (ed. Müller) IV 8; vgl. Blockley 1983, S. 266–272.

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heit von der hunnischen Sklaverei zurückkehren können.152 Er zog es aber vor, bei den Hunnen zu bleiben.

5.2 R eligionszugehör igk eit als Distinktionsmerk m al In der Spätantike veränderte sich das Verhältnis von Staat und Religion durch die wachsende Bedeutung des Christentums grundlegend. Die entscheidenden historischen Ereignisse waren die Hinwendung Konstantins zum Christentum während der Jahre 312–337 und die endgültige Etablierung des Christentums als Staatsreligion in der Regierungszeit Theodosius’ I. (379–395). Die katholischen Kaiser erließen zahlreiche Gesetze, durch die Andersgläubige rechtlich eingeschränkt und von öffentlichen Aufgaben ausgeschlossen wurden. Neben der kaiserlichen Gesetzgebung beschlossen die katholischen Bischöfe auf lokalen oder reichsweiten Konzilien Kirchengesetze (canones), welche durch die stetig wachsende katholische Kirchengemeinde große Bedeutung hinsichtlich des Zusammenlebens mit Andersgläubigen und damit auch Auswirkungen auf die Sozialstruktur hatten. Die Anhänger der alten römischen Religion sowie Juden und Häretiker wurden schon seit dem 4. Jh. bekämpft oder verdrängt. Erste antiheidnische canones wurden auf einer Synode im spanischen Elvira beschlossen; demnach sollten christliche Herren heidnische Kulthandlungen ihrer Sklaven unterbinden und ihnen die heidnischen Götterbilder nehmen. Ferner wurden Ehen mit Juden und Heiden verboten.153 In den nachfolgenden Synoden wurden diese Beschlüsse modifiziert.154 Das Ehehindernis etwa wurde auf einem Konzil in Arles abgeschwächt: Gläubige junge Frauen, die sich mit Heiden verbanden, sollten eine geraume Zeit von der Gemeinschaft getrennt sein. Eine dauerhafte Exkommunikation war in dem noch überwiegend heidnischen Gallien kaum durchführbar und hätte für die jungen Christinnen schlimme familiäre Konsequenzen gehabt.155 Gregor der Große sorgte dafür, dass die christlichen Sklaven jüdischer Grundbesitzer freigelassen wurden.156 Dabei kann an der Relevanz der Konzilskanones und der bischöflichen Weisungen für die katholischen Christen kein Zweifel bestehen.157 152 Vgl. Wieling 1999, S. 8. Zum postliminium siehe auch Kapitel 3. 153 Konzil von Elvira 302 n. Chr. (Datierung unsicher), canon 16; 78 (ed. J. Vives: Concilios visigóticos e hispano-romanos, Barcelona/Madrid 1963 [Espãna cristiana 1]). 154 Konzil von Arles 314 n. Chr., canon 12 (ed. C. Munier: Concilia Galliae [314–506], Turnhout 1963). 155 Vgl. Heinen 1996, S. 72. 156 Gregor Magnus, Epist. 4,21 (ed. P. Ewald/L. M. Hartmann: MGH Epp. 1, 1887–1891, S. 255f.). 157 S. etwa Aug. Epist. 57 (CSEL 34,2,215f.); 58,1 (CSEL 34,2,216ff.); 66 (CSEL 34,2,235f.); 89 (CSEL 34,2,419ff.); 112 (CSEL 34,2,657ff.); 139,2 (CSEL 44,151).

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Auch die christlichen Kaiser ergriffen Maßnahmen gegen Juden und Heiden. Sie untersagten kultische Versammlungen, erließen ein generelles Kultverbot und schafften Opfer- und Götterfeste ab.158 Heiden verloren ihre Testierfähigkeit und wurden schließlich aus dem Staatsdienst entlassen.159 Einem Gesetz Kaiser Theodosius’ I. und seiner Söhne zufolge wurde die Opferschau als Majestätsverbrechen behandelt und wurden die Teilnehmer am heidnischen Brauch mit dem Tode bestraft.160 Kaiser Leon I. erklärte die Übertretung eines Religionsgesetzes zum öffentlichen Verbrechen (crimen publicum),161 und Justinian ließ einige Heiden hinrichten, obwohl sie höchste Staatsämter ausübten.162 Noch schärfer als gegen Juden und Heiden grenzten sich die katholischen Christen gegen Häretiker ab. Auf dem Konzil von Nizäa 325 entschieden die Bischöfe, dass Gott und Christus eine Wesenseinheit seien (homoousios). Die Lehre des ägyptischen Presbyters Arius von der Wesensähnlichkeit (homoiousios) wurde als Häresie abgelehnt. Nicht nur Häretiker und nicht-christliche Bewohner des Imperium Romanum wurden durch die Konzilsbeschlüsse und Kaiserkonstitutionen immer mehr ausgegrenzt, sondern in noch stärkerem Maße mussten die paganen Barbaren von der zunehmenden Bedeutung des Christentums betroffen sein. Zu den ohnehin trennenden Faktoren wie Sprache und Habitus kam die Religionszugehörigkeit als weiterer ausgrenzender Aspekt hinzu. Seit Beginn des 5. Jhs. stand die christliche Romanitas einem weitgehend paganen barbaricum gegenüber. Dies zeigt sich auch in einigen kaiserlichen Gesetzen, in denen die Bezeichnung gentiles im Sinne von ‚Heiden‘ gebraucht wird.163 Obwohl einige Barbarengruppen schon früh zum Christentum bekehrt wurden,164 blieb die religiöse Differenz zu ihren römisch-christlichen Nachbarn bestehen, denn die terwingischen Goten nahmen den arianischen Glauben an, der auf einer Kompromissformel beruhte und ihnen in den Jahren 341–348 vom gotischen Missionsbischof Wulfia vermittelt worden war. Auch Vandalen, Burgunder und Langobarden übernahmen in ihren Herrschaftsgebieten das homöische Credo, das durch die differente Entwicklung zu einem Teil ihrer barbarischen Identität wurde, aber von den katholisch-römischen Christen abgelehnt wurde. Um ihre Herrschaft auf Dauer zu sichern, konvertierten die Könige schließlich zum katholischen Christentum. Der Burgunderkönig Sigismund trat spätestens zwischen 500 und 507 zum Katholizismus über, und 158 CTh 2,8,22 (395); 9,16,12 (409); 16,5,34 (398); CJ 1,1,3; Marcus Diaconus, Vita Sancti Porphyrii 71 (ed. A. Hübner: Leben des heiligen Porphyrius, Freiburg 2013). 159 CTh 16,5,42 (408); 16,10,21 (416); CJ 1,5,12,6. 160 CTh 16,10,12 (392). 161 CJ 1,10,8 (472). 162 Theophanes Confessor, Chronicon anni mundi 6022 (engl. Übers. von Cyril Mango/Roger Scott: The Chronicle of Theophanes Confessor: Byzantine and Near Eastern History AD 284– 813, Oxford 1997). Weitere Beispiele siehe Demandt 2007, S. 483. 163 Zum Beispiel CTh 11,30,62 (405); 16,5,46 (409); und 16,10,21 (416). 164 So ist bereits auf dem Konzil von Nizäa 325 ein gotischer Bischof bezeugt.

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der Frankenkönig Chlodwig vollzog diesen Schritt vielleicht schon 496/97. Die Vandalen hielten an ihrem Glauben fest und trugen den Konflikt mit den Katholiken blutig aus. Im Westgotenreich leitete Rekkared I. 589 durch seinen Übertritt zum Katholizismus das Ende des Arianismus ein.165 Die Langobarden übernahmen den katholischen Glauben im Laufe des 7. Jhs.

5.3 Aussehen, K leidung und H abitus als Exk lusionsmerk m ale Schon immer verglichen sich Menschen mit anderen. Die Kriterien sind fast stets die gleichen. Besonders ausführlich charakterisiert Tacitus die Germanen. Die Unterscheidungsmerkmale sind Körperbau, Bräuche, Institutionen, Kulte und Kleidung.166 Cicero grenzt die Barbaren von den Römern nach Stammeszugehörigkeit (natio), Sprache (lingua), Charakter (natura) und Gebräuchen (mores) ab. Der natio-Begriff bezeichnet bei Cicero wohl das Bürgerrecht.167 Auch Vergil nennt zur Unterscheidung der gentes die Sprache und die Kleidung, wobei er die alltägliche Kleidung von der Militärkleidung unterscheidet.168 Die spätantiken und frühmittelalterlichen Autoren differenzieren ähnlich wie die Schriftsteller der frühen Kaiserzeit. Augustinus etwa konstatiert eine große Zahl von Völkern auf Erden und ihre Vielgestaltigkeit in Sprache, Kriegswesen und Kleidung.169 Ungefähr 500 Jahre später erweitert Regino von Prüm (ca. 840–915) die Liste um das Merkmal der Rechtszugehörigkeit.170 Nachdem nun schon sehr viel über die normativen Formen von Zugehörigkeit und Fremdheit gesagt wurde, soll es im Folgenden um die Wahrnehmung von Fremdheit anhand der äußeren Erscheinung, der Sprache und der darauf begründeten Differenzierung von Barbaren und Römern gehen. Indem die Autoren das Fremde beschreiben, definieren sie das Eigene und begründen damit die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsbereich. Laut Sidonius Apollinaris sind Barbaren riesenhaft, blond und blauäugig.171 Sie tragen gerne enge Hosen und Waffen.172 Diese Beschreibung kann auf tatsächlichen Beobachtungen beruhen, basiert aber zugleich auch auf Gemeinplätzen.173 Seine penib165 Vgl. hierzu ausführlich Koch 2012, S. 335–353. 166 Vgl. Pohl 1998, S. 18. 167 Cicero, In Verrem 2,4,112. 168 Verg. Aen. 8,722f. 169 Aug. Civ. 14,1. 170 Regino von Prüm, Chronicon (MGH SS rer. Germ. 50 [Kurze, 1890], S. XX). 171 Sidon. Carm. 5,238–249; 12,1–19. 172 Sidon. Epist. 4,20. 173 Eigene Beobachtung hält Kaufmann 1995, S. 156, für möglich, dagegen argumentiert von Rummel 2007, S. 172.

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le Beschreibung des Westgotenkönigs Theoderich II. bestätigt immerhin dieses Bild.174 Unstrittig ist ferner, dass Sidonius den Prinzen Sigismer mit eigenen Augen gesehen hat.175 Die körperlichen Merkmale dienten zur Kennzeichnung der Barbaren. Zunächst kann dies ohne Wertung geschehen. Zur Unterscheidung von den Römern werden dann die Kennzeichen negativ oder positiv konnotiert. So bescheinigt Sidonius dem Sigismer, dass er gepflegtes Haar trug,176 während er die einquartierten Burgunder beschimpft als langhaarige Scharen (cingera), die ihre Haare mit ranziger Butter (acidum butyrum) beschmierten, dass sie ‚Siebenfüßler‘ (septipedes) seien und zudem so riesig (gigantes), dass man sie nicht sättigen könne.177 Auch die barbarentypischen Kleidungsstücke konnten zur Abwertung der Barbaren eingesetzt werden. Römische Autoren verwiesen oft auf die gotische Pelztracht, um die Barbaren zu verunglimpfen.178 Manchmal sollte sie auch nur gotische Krieger charakterisieren.179 Als äußerst unpassend wurde aber Barbarentracht im Umfeld des Kaiserhofes angesehen. In den Provinzen mochte dies noch angehen, in Rom jedoch wurde solche Kleidung verboten. Nach einem Gesetz des Kaisers Honorius aus dem Jahre 397 durften in Rom keine Kleidungsstücke getragen werden, die nicht traditionell römisch waren. Trug jemand trotzdem fremdartige Schuhe (tzangae) oder Hosen (bracae), dann drohten ihm Enteignung und Verbannung.180 Zwei Jahre später wurde diese Bestimmung erneuert. Diesmal war die Konstitution aber an den Stadtpräfekten Flavianus gerichtet. Das Strafmaß wurde abgemildert. Bei Zuwiderhandeln wurde man lediglich aus der Stadt ausgewiesen.181 Im Jahre 416 wurde schließlich das Tragen von langen Haaren und Fellkleidung in Rom und Umgebung verboten. Wiederum war das Gesetz an den Stadtpräfekten von Rom gerichtet.182 Bei Verstößen drohte die Versklavung zu öffent­lichen Diensten.183 Diese Gesetze hat Philipp von Rummel überzeugend als Maßnahme gegen das Eindringen militärischer Barbarenkleidung in die zivile Gesellschaft gedeutet.184 Das Bestreben der römischen Autoren und des Gesetzgebers war die ­Demarkation des barbarischen vom römischen Element, des militärischen vom zivilen.

174 Sidon. Epist. 1,2,2–3. 175 Sidon. Epist. 4,20,1–3. Vgl. von Rummel 2007, S. 173f. 176 Sidon. Epist. 4,20,1. 177 Sidon. Carm. 12,1–19. 178 Siehe die zahlreichen Belegstellen bei von Rummel 2007, S. 166–168. 179 Zum Beispiel Sidon. Epist. 1,2,1. 180 CTh 14,10,2 (397). 181 CTh 14,10,3 (399). 182 Zu Probianus siehe PLRE I 733f. 183 CTh 14,10,4 (416). 184 Damit kehrt er zur Ansicht von Gothofredus zurück; vgl. von Rummel 2007, S. 157 und 165f.

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5.4 Liter alität als K ennzeichen der Zugehör igk eit zur römischen Kultur Dem Quellenbefund zufolge ging die Literalität in den nachrömischen Königreichen deutlich zurück, trotzdem maßen sowohl Römer als auch manche Barbaren der literarischen Ausbildung hohe Bedeutung zu.185 Abgesehen davon, dass die Werke der spätantiken Autoren die sprachliche Bildung in dieser Zeit zur Genüge belegen, findet man bei ihnen noch vereinzelte Hinweise auf die sprachliche Ausbildung in den nachrömischen Königreichen. Für die gallo-römischen Senatoren war es im Frankenreich des 6. Jhs. selbstverständlich, dass sie über eine ‚klassische‘ Bildung verfügten. Gregor von Tours zitiert an mehreren Stellen Vergil und es gibt Notizen, dass er sich auch im römischen Recht auskannte.186 Für Sidonius gehörten das römische Recht und Vergil ebenso zum Bildungskanon. In den Carmina stellte er die römische Bildung der gotischen Lebensweise gegenüber: Auf Veranlassung des Avitus ließ laut Sidonius der Westgotenkönig Theoderich I. seinen Sohn Theoderich II. in römischem Recht unterrichten und versuchte, dessen skythische Lebensart durch die Lektüre Vergils zu mildern.187 Polemisch stellt Sidonius fest, dass eher Kaufleute Kriegsdienst leisteten und Soldaten Handel trieben, Ärzte im Krankenbett lägen und die Kranken herumspazierten, als dass sich Föderaten mit Literatur befassten.188 Der im Ostgotenreich wirkende Cassiodor überhöhte die sprachlich-rhetorische Bildung sogar zur Zierde der Menschheit, über welche die Barbarenkönige nicht verfügten, während diese bei den Gesetzen das Sagen hätten.189 Im Osten grenzten sich die byzantinischen Eliten (litterati) im 8. und 9. Jh. nicht nur von den Fremden und Barbaren aufgrund ihrer Sprache und Bildung ab, sondern auch von den ungebildeten Römern (illitterati). So kann dieses Kriterium nur bedingt und nur für einige zur Abgrenzung und Selbstidentifikation als römische Bürger (Rhōmaioi) gedient haben.190 Die Beherrschung der Sprache ist ein entscheidendes Kennzeichen für die Zugehörigkeit zu einer Kultur. Die Griechen bezeichneten alle als Barbaren, die nicht Griechisch sprachen.191 Auch bei den Römern entschied die Fähigkeit, sich auf Latein 185 Siehe zuletzt Goltz 2002. 186 Greg. Tur. Hist. Franc. 4,30 (Zitat aus Verg. Aen. 5,108 und 100f.); 4,46 (Zitat aus Verg. Aen. 3,56f.). Dass er zumindest die Kirchengesetze gut kannte, zeigt er ebd. 6,15. Vgl. Stroheker 1948, S. 172, Nr. 147, und Siems 1992, S. 163f. 187 Sidon. Carm. 7. Zum Recht vgl. auch Sidon. Epist. 2,1,3 und 7,7. Vgl. Kaufmann 1995, S. 120f. Vergil wird von Sidonius auch an anderer Stelle erwähnt (Epist. 5,5,2); vgl. hierzu Frauenhuber 2007. 188 Sidon. Epist. 1,8,2. 189 Cassiodor, Variae 9,21,4. Vgl. zu dieser Textstelle Meyer-Flügel 1992, S. 59f. 190 Vgl. Haldon 2006, S. 8. 191 Vgl. Koselleck 1995, S. 218–229.

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oder Griechisch ausdrücken zu können, über die Zugehörigkeit zur römischen Zivilisation. Nicht dass die Römer ihre ethnische Identität über die lateinische Sprache definierten,192 aber vor allem die Angehörigen der gallo-römischen Oberschicht grenzten sich aufgrund ihrer Sprache und Bildung von den ungebildeten Barbaren ab.193

5.5 Abgr enzung von Römer n und Bar bar en Die spätantiken Autoren kommen zu einer zwiespältigen Einschätzung der Barbaren.194 Viele stehen unter dem Eindruck der militärischen Ereignisse. Der heidnische Dichter Rutilius Namatianus beklagt den Zustand des Römischen Reiches, während die Alarich-Goten im Westreich umherzogen.195 Viele christliche Autoren hegten aus religiösen Motiven eine starke Abneigung gegen die Barbaren. Besonders drastisch hat dies Prudentius formuliert, der noch selbst unter römischer Herrschaft lebte und so nicht davor zurückschreckte, die Barbaren mit ‚Vierfüßlern‘ auf eine Stufe zu stellen: Beide trenne dieselbe Kluft von den Römern.196 Bei Sidonius hingegen spielte die Religionszugehörigkeit der Barbaren für seine negative Bewertung nur eine untergeordnete Rolle.197 Er verachtete sie wegen mangelnder Bildung und Kultur.198 Aber es fehlt auch nicht an positiven Stimmen. Nach Orosius wollten viele Römer lieber arme Freie bei den Barbaren als Steuerpflichtige bei den Römern sein,199 und auch an anderer Stelle lobt er die Goten.200 Sein Landsmann Isidor von Sevilla rühmt die Milde der Gotenherrschaft im Gegensatz zur Härte der vorausgegangenen Römerherrschaft. Salvian schildert die üblen Zustände bei den Römern, welche die Armen auch durch Steuern übermäßig belasteten, wohingegen die Barbaren solche Verbrechen nicht kennen würden.201 Zudem seien die Goten zwar treulos, aber züchtig.202 Die römischen Autoren grenzten sich dabei nicht nur aufgrund ihrer Kultur und Bildung von den Barbaren ab, sondern auch durch die negative Beschreibung des militärischen Habitus, der sich in Waffentragen und Barbarentracht ausdrückt. 192 Vgl. Pohl 1998. 193 Zur literarischen Ausbildung in der Spätantike vgl. Kaster 1988. 194 Zur Klage über die Wanderung der Barbaren und die Ursachensuche vgl. Fischer 1948, S. 156– 162; einen Forschungsbericht zum Verhältnis Römer-Goten gibt Scardigli 1979, S. 255–340. 195 Rutilius, De reditu suo 1,142–144. 196 Prudentius, Contra Symmachum 2,814f. Weitere Beispiele bei Demandt 2007, S. 384. 197 Vgl. Fischer 1948, S. 216f. 198 Vgl. Kaufmann 1995, S. 141–144 und 219. Siehe Sidon. Epist. 1,6,2; 7,14,10; und Sidon. Carm. 12,1–19. Vgl. Harries 1992. 199 Oros. 7,41,7. 200 Oros. 7,39; siehe aber auch 7,35,19. 201 Salv. Gub. 5,35f. 202 Salv. Gub. 7,15.

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Die Rhetorik der christlichen Autoren ist oftmals in paränetischer Absicht an die römischen Glaubensgenossen gerichtet, aber die westlichen Bischöfe, vor allem Isidor, lassen auch die Bestrebung erkennen, sich in den neu entstehenden Herrschaftsbereichen der Barbaren zu positionieren. Die neue Elite trat an die Stelle der alten oder verschmolz mit ihr. Schließlich erkannte auch Sidonius an, dass einige Barbaren Bildung und Kultur hatten oder sich zumindest darum bemühten. Im Weiteren kann es dann nicht verwundern, dass sich irgendwann die Relationen umkehrten und sich die Barbaren von den Romanen abgrenzten. So erwähnt Wandalbert von Prüm (ca. 813–870) in der Lebensbeschreibung des heiligen Goar, dass der vornehme Reginarius auf seiner Reise keinen der von ihm gehassten Romanen zu Gesicht bekommen wollte. Er ließ sich daher von einem Sklaven, der ihn begleitete, an St. Goar vorbeiführen.203 In der ehemaligen Römerstadt am Mittelrhein lebten offenbar im 9. Jh. noch zahlreiche Menschen, die aufgrund ihrer Sprache und Zugehörigkeit als Romanen von den Franken unterschieden werden konnten.

6. Fa zit Es waren unter anderem zwei Faktoren, die das Imperium Romanum stark gemacht hatten. Der erste war die Bereitschaft der Römer zur sozialen Inklusion ehemaliger Gegner. So trugen das System der Bundesgenossen, Klientelstaaten und Föderaten sowie der Kolonat zur Erhaltung der militärischen Stärke Roms bis in die Spätantike bei. Der zweite Faktor für die Stärke der Römer war ihre Freilassungspraxis. Sklaven konnten unter die freien Bürger aufgenommen werden, und so wurde ihr Talent für den römischen Staat nutzbar. Diese Offenheit und Zugänglichkeit der römischen Gesellschaft blieb prägend bis in die Spätantike. Ein auswärtiger Fremder konnte durch Versklavung und Freilassung Teil der römischen Gesellschaft werden. Seine Nachkommen konnten jede administrative und militärische Stellung im Römischen Reich bekleiden. Das römische Bürgerrecht wurde lange Zeit angestrebt, da nur dieses die volle rechtliche Freiheit bedeutete. Durch die Constitutio Antoniniana erhielten fast alle Reichsbewohner das römische Bürgerrecht.204 Theoretisch lebte von nun an jeder unter dem Schutz des römischen Bürgerrechts (ius civile). In der Praxis bildeten sich aber bald differenzierte Formen von verminderten Bürgerrechten heraus (gentiles, laeti, coloni usw.). Das Verhältnis der Römer zu den auf Reichsgebiet angesiedelten föderierten Barbaren wandelte sich in der Übergangsphase zum Frühmittelalter. Auf die Verteidiger der eigenen Sicherheit war man angewiesen und empfand zugleich die zu einem gewissen 203 Miracula sancti Goaris 24 (MGH SS 15, 1 [Holder-Egger, 1887], S. 369). Zur gallo-römischen Bevölkerung am Mittelrhein vgl. Staab 1975, S. 1–32 und bes. zu dieser Quelle 5f. und 333. 204 Giaoro 1991, S. 53, führt aus, das Prinzip der vermittelnden Kategorien der Latiner und Peregrinen gebe es nicht mehr, sondern nur noch Reichsuntertanen.

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Teil romanisierten Barbaren als weniger fremd.205 Die auswärtigen Barbaren hingegen wurden als wild, schmutzig und ungezähmt wahrgenommen.206 Römer und verbündete Barbaren bildeten schließlich eine Schicksalsgemeinschaft.207 Herkömmliche Kategorien und Deutungsmuster von Zugehörigkeit und Fremdheit scheitern in dieser Zeit an den vielfältigen Interaktionen und Veränderungen. Komplizierte Interdependenzen von Fremdwahrnehmung und Selbstzuordnung sind dabei zu beobachten. Francus ego cives (!) Romanus miles in armis ließ ein Soldat im 5. Jh. vielleicht bewusst mehrdeutig auf seinen Grabstein meißeln: „Ein Franke bin ich, römischer Bürger, Soldat in Waffen.“208 Im 6. und 7. Jh. sollte die Grenze zwischen Zugehörigkeit zu einer natio bei gleichzeitiger Zuordnung zu einer gens noch erweitert werden. In der Forschung wurde zur Beschreibung dieser Phänomene der Begriff der ‚subjektiven Identität‘ geprägt.209 Die Übergänge konnten fließend sein und sich in jeder Generation ändern. Dies wurde ermöglicht durch die Freilassungspraxis und die geringen eherechtlichen Barrieren. Römische Bürger konnten etwa mit Goten, Burgundern oder Franken (wie auch Goten, Burgunder und Franken untereinander) Ehen eingehen; lediglich Beziehungen zwischen Partnern ungleicher personenrechtlicher Stellung waren wegen der sich daraus ergebenden rechtlichen, sozialen und ökonomischen Probleme unerwünscht. Das differenzierte Bürgerrecht im Spannungsfeld zwischen Freien und Sklaven blieb auch in den nachrömischen Königreichen in modifizierter Form erhalten. In der Übergangsphase von der Spätantike zum Frühmittelalter ging außerdem das Konzept eines universalen Bürgerrechts im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa verloren.210 Die Könige der Goten, Burgunder und Franken erließen eigene Gesetzbücher für die Bewohner ihrer Herrschaftsbereiche, während im Osten das römische Recht weiterhin galt. Durch das Konzept einer verfassten Rechts- und Gesellschaftsordnung kristallisierten sich aber auch im Westen stabile und dauerhafte Herrschaftsstrukturen heraus. Die Zugehörigkeit zu einem Personenverband (natio, civitas, gens) war dann auch gleichbedeutend mit der zu einem Rechtsbereich (leges Romanae, leges barbarorum). Die Einheit des römischen Rechts wurde abgelöst von mehreren Rechtsbereichen, so wie die Herrschaft der Römer abgelöst wurde durch die Königreiche der Goten, Burgunder und Franken. 205 Vgl. Wolfram 2009, S. 422, Anm. 125 mit Verweisen auf Várady 1969; Nagy 1971. 206 Claudius Claudianus, Epithalamium Palladii (Carm. XXV), S. 88f.; In Rufinum 2,270f.; Amm. 31,2f. 207 Wie etwa bei Eugippius bezüglich der Rugier und Noricer belegt ist: Vita Severini 9,1; 20,1; 22,2 ; 31,1; und 44,5–7. Vgl. mit Literaturhinweisen Lotter 1976. 208 CIL III 3576 (Budapest). Ein anderes Beispiel ist die Inschrift des Burgunders Hariulfus, der als kaiserlicher Leibwächter im römischen Dienst stand: CIL XIII 3682 (Trier). Auch Flavius Fravitta soll seinem Charakter und seiner Religion nach ein Grieche (d. h. Heide), von Geburt her aber ein Barbar gewesen sein; vgl. Zos. 5,20; PLRE I 372f. 209 Vgl. Pohl 2005, S. 18. 210 Vgl. Mathisen 2006, S. 1039.

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Demgegenüber entwickelte sich im Osten im Laufe des 6. Jhs. auf der Grundlage eines gemeinsamen Rechts, einer gemeinsamen Sprache (Griechisch) und eines unumstrittenen Kaisertums ein sehr viel stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl.211 Aufgrund der ständigen und wechselnden Bedrohung des Byzantinischen Reiches grenzte man sich gegen Sassaniden, Araber und Osmanen nach Osten und im Mittelalter auch gegen die Kreuzritter nach Westen stark ab. Die freien Einwohner begannen sich als Bürger eines Staates zu begreifen und bezeichneten sich selbst als Rhōmaioi (‚Rhomäer‘, ‚Römer‘).212

7. Kommentierte Liter atur auswahl Eine grundlegende Monographie zu den Zugehörigkeitsrechten gibt es weder für die Spätantike noch für das Frühmittelalter. Der einzige einschlägige Aufsatz aus römischer Perspektive stammt von Mathisen 2006. Untersucht wird der Zeitraum von 212 bis Ende des 5. Jhs. Ein wichtiger Aufsatz zum römischen Bürgerrecht in der Spätantike stammt von Garnsey 2004. Die Migrationstheorien und damit die Bildung von Gruppenidentitäten werden von Heather 2009 umfassend erörtert. In internationaler Forschungskooperation erscheinen in der Reihe Transformation of the Roman World (von der European Science Foundation gefördert und als Brill’s Series on the Early Middle Ages fortgesetzt) ständig wichtige Spezialstudien zu Spätantike und Frühmittelalter. Bezüglich der Rechte einzelner Bevölkerungsgruppen kann nur auf Werke zurückzugreifen, die sich nebenbei auch mit Fragen der Zugehörigkeit beschäftigen. Zur Sklaverei in der Spätantike bietet nun Harper 2011 einen konzisen Überblick. Vor allem die spätantike Form der Freilassungspraxis wird ausführlich diskutiert. Für die Sklaverei in den nachrömischen Königreichen ist noch immer Nehlsen 1972 grundlegend. Die Zwischenschicht zwischen Sklaven und Freien, die Gruppe der advenae und coloni, behandelt Schipp 2009. Eine Darstellung der Rechte der Freigeborenen in der Übergangszeit und der Gesellschaftsstruktur in den einzelnen Königreichen bietet Weber 1983. Unersetzliche Nachschlagewerke für die Geschichte der Spätantike sind Demandt 2007 und wegen der zahlreichen Quellenhinweise Jones 1986. Zu Byzanz ist Schreiner 2011 he­ ranzuziehen. Zur Geschichte der Völkerwanderungszeit und vor allem auch als Überblick über die Forschungsdiskussion zu den verschiedenen Ansiedlungsthesen ist Pohl 2005 der erste Zugang. Eine epochenübergreifende Perspektive mit umfangreichen Literaturhinweisen bietet Wickham 2006.

211 Vgl. Schreiner 2011, S. 60f. 212 Vgl. Binder 2001.

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KOMMU NA LE ZUGEHÖR IGK EITEN U ND V IELFÄ LTIGE PR IV ILEGIEN: DIE R ECHTE FR EMDER IM HOCH- U ND SPÄTMITTEL A LTER CHRISTOPH CLUSE

1. Vor bemer kung Der vorliegende Beitrag widmet sich den sehr vielfältigen rechtlichen Regelungen in Bezug auf auswärtige Fremde in den sieben Jahrhunderten zwischen der Hochphase der karolingischen Herrschaft und der Wende vom 15. zum 16. Jh. Die Länge des Untersuchungszeitraums, die Weite des geographischen Rahmens und die verwirrende Vielfältigkeit der Quellenüberlieferung erzwingen eine exemplarische Vorgehensweise, die einen Schwerpunkt auf das Gebiet des nordalpinen Reichsgebiets und hier auf die Städte legt. Mit diesem Fokus sucht der Beitrag den Anschluss an die Darlegungen über poleis und municipia in der griechisch-römischen Antike (vgl. Kapitel 3). Im Zentrum steht die Frage nach dem Recht, also nicht die nach kulturellen Mustern der Wahrnehmung von Fremden.

2. Einleitung 2.1 Die kultur elle Diversität des Untersuchungsr aumes Der Untersuchungsraum ist mit dem geläufigen Signum ‚lateinischer Westen‘ nicht hinreichend beschrieben. Er reicht von den antik und zugleich christlich geprägten Kulturlandschaften des Byzantinischen Reiches im Südosten bis in den äußersten Nordwesten nach Island, wo um die erste Jahrtausendwende per Parlamentsbeschluss das Christentum eingeführt wurde.1 Kennzeichnend für den byzantinischen Sonderweg ist die enge begriffliche Verknüpfung zwischen dem ‚römischen‘ Staatsvolk als Zivilisationsträger und der Kirche, ja Christenheit. Geschärft wurde diese Wahrnehmung in der Auseinandersetzung mit den (teil-)nomadischen ‚Barbaren‘ im Norden und in Kleinasien, mit muslimischen Herrschaften und – im Gefolge kirchlicher Schismen – mit den Syrern, Armeniern und Lateinern. Allesamt konnten diese nicht nur als ‚Auswärtige ‘ (xe-

1 Brown 1996.

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noi), sondern mit biblischem Beiklang auch als ‚Völker‘ (ethnikoi) bezeichnet werden.2 Ähnliches gilt nur abgeschwächt für Rom bzw. die lateinische Kirche und das Reich seit den Karolingern. Der Osten des europäischen Subkontinents, der Balkan und der Schwarzmeerraum blieben bis ins hohe Mittelalter und teilweise darüber hinaus ein Feld der christlichen Mission; der Übertritt der dort ansässigen ‚Völker‘ zum Christentum veränderte die jeweiligen kulturellen Muster der Selbst- und Fremdwahrnehmung, mit Folgen auch in den rechtlichen Beziehungen. Im Südwesten schließt der Untersuchungsraum jene Gebiete der Iberischen Halbinsel ein, die nach 711 im Zuge der arabischen Eroberungen unter muslimische Herrschaft gerieten und seit dem Hochmittelalter im Zuge der sog. ‚Reconquista‘ Teil der christlich-lateinischen Staatenwelt wurden – ein sich lange hinziehender Prozess, der mit der Eroberung von Granada erst im Jahre 1492 seinen Abschluss fand. Ähnlich wie in Sizilien, wo im Verlauf des Untersuchungszeitraums nacheinander byzantinische, arabisch-muslimische und lateinisch-christliche Herrschaftsträger dominierten, geboten auch die muslimischen Emire bzw. Kalifen und später die christlichen Könige auf der Iberischen Halbinsel jeweils über ethnisch und religiös mehr oder minder diversifizierte Bevölkerungen. Den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen war gemeinsam, dass sie nach den verwandten und zugleich widerstreitenden Traditionen von Schriftreligionen (Christentum, Judentum, Islam) lebten, die in hohem Maße Auswirkungen auf das Rechtsleben hatten und häufig auch als lex bezeichnet wurden. Eine weitaus fragilere Fremdherrschaft über Muslime, Juden und Christen verschiedener Konfessionen schufen die lateinischen Kreuzfahrer nach der Eroberung Jerusalems im Ersten Kreuzzug (1099) für knapp zwei Jahrhunderte im Heiligen Land. Nennenswerte Gruppen von Muslimen unter lateinischer Herrschaft gab es außerhalb der mediterranen Kulturlandschaften nur in Ungarn. Jüdische Niederlassungen sind bis zum Ende des frühen Mittelalters so gut wie ausschließlich in Italien, dem westgotischen und später muslimischen Spanien sowie an einigen Orten im Süden des heutigen Frankreich bezeugt. Im 9. Jh. wird eine jüdische Präsenz im Frankenreich deutlicher fassbar, eine Ausweitung der Niederlassungen nach Nordfrankreich und bis an den Rhein erfolgte erst während des 10. und 11. Jhs. In England ließen sich Juden nach der normannischen Eroberung von 1066 nieder; schon 1290 wurden sie vom König ausgewiesen. Die Vertreibung von der Insel steht im Zusammenhang einer Verdichtung derartiger Exklusionsvorgänge im französischen Kulturraum (Gascogne 1287, französische Kronlande 1306 und 1322). Schwere, regional und teils überregional ausgreifende Verfolgungen erlitt die religiös-ethnische Minderheit im Reichsgebiet im Vorfeld des Ersten Kreuzzugs 1096 sowie zwischen dem letzten Drittel des 13. und der Mitte des 14. Jhs., in Spanien 1391.

2 Ahrweiler 1998a, S. 1–15.

die Rechte Fremder im Hoch- und Spätmittelalter

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Im Vergleich zu Gemeinden auf der Iberischen Halbinsel (Sefarad), auf Sizilien und im französischen Midi blieben die jüdischen Niederlassungen des Nordens – in Frankreich (Zarfat), England und im nordalpinen Reichsgebiet (Aschkenas) – vergleichsweise klein. Nach den schweren Verfolgungen zur Zeit der Pest (1348–1350) und unter dem Druck von Ausweisungsbestrebungen seit ca. 1390 gab es im Reichsgebiet nur noch wenige Städte, in denen mehr als zehn jüdische Haushaltsvorstände mit ihren teils erweiterten Familien ansässig waren. Vertreibungen und Emigration führten Juden seit dieser Zeit besonders nach Oberitalien und Polen-Litauen. Auf der Iberischen Halbinsel lässt sich dagegen im 15. Jh. eine demographische Erholung beobachten; unter Druck gerieten die Juden hier durch die inquisitorische Überwachung der zahlreichen Conversos, die sich unter mehr oder weniger akutem Druck seit 1391 hatten taufen lassen. Die Angst vor dem Einfluss der verbliebenen Juden auf diese Neuchristen gab letztlich den Ausschlag für den Beschluss zur Vertreibung aller Juden aus den Königreichen Kastilien und Aragón im Jahr 1492.3

2.2 Basisprozesse 2.2.1 Demogr aphie Die Binnengliederung des ‚Mittelalters‘ in ein ‚frühes‘, ‚hohes‘ und ‚spätes‘ ist eine Sache der Konvention und fällt je nach nationaler Forschungstradition und je nachdem, ob herrschaftliche, kulturelle oder strukturgeschichtliche Perspektiven im Vordergrund stehen, unterschiedlich aus. Allerdings scheint es möglich, ein auf den Untersuchungsraum insgesamt bezogenes ‚Hochmittelalter‘, eine Phase der Expansion, Beschleunigung und kulturellen Kreativität abzugrenzen, die um die Zeit der Jahrtausendwende begann und bis zum 13. Jh. währte. Geprägt ist diese Phase von dem sog. ‚mittelalter­ lichen Wärmeoptimum‘, das u. a. eine Ausweitung des bebaubaren Ackerlandes in höhere Lagen ermöglichte und die Weinbaugrenze deutlich nach Norden verschob.4 Es wird übereinstimmend angenommen, dass diese insgesamt günstigeren Rahmenbedingungen zu einem fortgesetzten Bevölkerungswachstum führten. Wenngleich verlässliche Zahlen für diese Zeiten nicht vorliegen, geht man davon aus, dass die Bevölkerung Europas zwischen ca. 650 n. Chr. und der Jahrtausendwende von ca. 18 Millionen auf ca. 38,5 Millionen anwuchs und sich seitdem bis um 1340 ein weiteres Mal auf ca. 73,5 Millionen Einwohner verdoppelte. Zwischen dem 11. und der Mitte des 14. Jhs. war dabei der Anstieg in den Mittelmeerländern weniger steil als in Mittel- und Westeuropa. Die insgesamt weniger dicht bevölkerten slawischen Länder sowie Ungarn erlebten ihren stärksten Bevölkerungsanstieg dagegen im Frühmittelalter; nach ca. 1000 flacht 3 Toch 2005; Cluse 2004b. 4 Sirocko 2009, S. 160–164; vgl. Haverkamp 1993.

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die vermutete Kurve des Anstiegs dort noch deutlicher ab als in den Mittelmeerländern. Überall jedoch hörte die Zunahme der Bevölkerung im 14. Jh. auf; der ‚Schwarze Tod‘ von 1347–1350 als erste große Welle der Pest, die fortan endemisch wurde und wiederholt aufflammte, führte zu einem regelrechten Einbruch, und nach einer vorübergehenden Erholung stagnierten die Zahlen im 15. Jh. wieder. Schon vor dem Auftreten der Pest hatte 1314–1318 eine schwere Hungersnot in Westeuropa deutliche demographische Folgen gezeitigt. Diese vermehrten Krisenphänomene sind wohl nicht das Resultat einer beginnenden Überbevölkerung im Verhältnis zum verfügbaren Ackerland. Aber die klimatischen Rahmenbedingungen verschlechterten sich: Die Klimageschichte begreift „das nasskalte 14. Jahrhundert“ heute als Vorboten der „Kleinen Eiszeit“ des 15.–18. Jhs.5

2.2.2 Ur banisierung Den Übergang vom ‚hohen‘ zum ‚späten Mittelalter‘ etwa in der Zeit um 1300 anzusetzen, erscheint auch aus Sicht der Städtegeschichtsforschung sinnvoll. Mit der Urbanisierung ist ein für unsere Fragestellung zentraler Basisprozess angesprochen. In Europa waren außerhalb der mediterranen Kulturlandschaften noch bis um die Mitte des 12. Jhs. im Wesentlichen nur die ‚Mutterstädte‘ – insbesondere jene mit antiken Wurzeln – überhaupt als Orte mit Stadtcharakter anzusprechen. Zwischen dem 12. und dem ausgehenden 13. Jh. erlebten die Landschaften nördlich der Alpen dann einen beispiellosen Urbanisierungsschub. Das ‚Modell Stadt‘ wird nun vorbildhaft für zahlreiche kleinere Siedlungen und spielt auch in den Vorgängen der Kolonisation und des Landesausbaus bzw. der Herrschaftsverdichtung eine Schlüsselrolle. „Die große Welle der Gründungen bricht sich etwa um 1300.“6 Durch Verleihung von städtischen Freiheiten entstehen auch später noch Kleinstädte sowie zunehmend sog. ‚Minderstädte‘. Was heißt ‚Stadt‘? In der deutschsprachigen Forschung wurde den Faktoren ‚Stadtrecht ‘ und ‚Bürgerrecht ‘ in der Vergangenheit große Bedeutung beigemessen; in Anlehnung an die idealtypische Konzeption der ‚okzidentalen Stadt‘ bei Max Weber wurde dabei der Charakter von Stadt als Bürgergemeinde stark betont, das Element des Bürgereids oft als konstitutiv angesehen. Im europäischen Vergleich zeigt sich allerdings, dass der Begriff der ‚Stad‘ wohl weiter gefasst werden muss. Dabei helfen Faktorenbündel, die neben den rechtlichen Abgrenzungen auch Siedlungsgröße und -verdichtung, herrschaftlich-administrative Zentralitätsfunktionen sowie nicht zuletzt kultisch-kulturelle Faktoren berücksichtigen.7 Für den vorliegenden Zweck festzuhalten bleibt aller5 Van Houtte 1980, S. 18; niedrigere Zahlen bei einer ähnlichen Grundentwicklung bei Russell 1978. Vgl. Sirocko 2009, S. 165–169. 6 Isenmann 1988, S. 27. 7 Hirschmann 2009, S. 71; Haverkamp 2012b.

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dings die Gemeinsamkeit, dass Städte geradezu zwangsläufig Orte verdichteten Rechts und verdichteter Auseinandersetzungen um Ordnungsbegriffe, Verfahrensweisen und um individuelle oder auch kollektive Rechte (libertates) waren. Das Bild der Stadt als Ort verdichteten Rechts finden wir auch bei den Theologen, deren Nachdenken über die Stadt von den biblischen Urbildern Babylon und Jerusalem gefärbt war; bei den Philosophen, die seit dem 13. Jh. die Politik des Aristoteles interpretiert und dabei gleichsam latinisiert haben; sowie nicht zuletzt bei den Juristen. „Urbanitas“ ist für Albertus Magnus (gest. 1280) „Ordnung und Herrschaft, ist Gemeinschaft derjenigen, die in einer Stadt unter denselben Gesetzen zusammenleben“; der Florentiner Dominikaner Giordano da Pisa (gest. 1310) rühmt in seinen Predigten die Schönheit der cittade bene ordinata. Bezeichnenderweise übersetzt Wilhelm von Moerbeke die bekannte Beschreibung des Menschen als zoon politikon bei Aristoteles mit animal civile. Für die mittelalterlichen Kommentatoren der Politeia aber meint civile tendenziell dasselbe wie ‚städtisch‘. Pointiert bringt Ulrich Meier es auf die Formel: „Der natür­ liche Ort des Menschen ist die Stadt“.8 Diese Engführung wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass auch im Spätmittelalter noch überall die Mehrheit der Bevölkerung außerhalb von Städten lebte.

2.2.3 Mobilität und Migr ation In Abgrenzung von Vorstellungen vom Mittelalter als einer von gesellschaftlicher Statik geprägten Epoche hat die sozialhistorische Forschung seit den 1980er Jahren ein Bild entwickelt, wonach praktisch jeder Mensch dauernd unterwegs war, angefangen von den Herrschern bis hinab zu den Bettlern und Vaganten. Im Hinblick auf die Herrschaftsträger ist nicht allein das Phänomen der ‚fremden Herrschaft‘ zu beachten, wofür die Normannen in England und Sizilien/Unteritalien9 oder die Kreuzfahrerstaaten in der Levante nur besonders markante Beispiele darstellen, sondern auch die Tatsache, dass in vielen Ländern des Untersuchungsraums die Herrscherhöfe itinerant waren und die Herrschenden ihre Rechte durch mehr oder weniger regelmäßige Präsenz vor Ort zu sichern hatten. Beherbergungspflichten hatten vor allem Klöster zu tragen. Weitere Residenzen waren über das Königreich verteilt, wenngleich in vielen Ländern einzelne Städte bevorzugt wurden und durch häufige Hofhaltung und durch Konzentration der Verwaltung nach und nach zu Hauptstädten wurden. Eine beinahe idealtypische Residenzherrschaft übten die byzantinischen Kai8 Meier 1994b, S. 70f.; vgl. ebd., S. 38 (Albertus Magnus) und S. 75 mit dem Zitat des Florentiner Dominikaners Remigius (gest. 1319): „Et si non est civis non est homo, quia ‚homo est naturaliter animal civile’.“ 9 Der Chronist Hermann von Reichenau bezeichnet sie als gens [...] adventitia: MGH SS V, S. 132 (ad a. 1053).

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ser von Konstantinopel und die lateinischen Päpste aus; auch in dieser Hinsicht setzten sie römische Traditionen fort. In ähnlicher Weise, wie die weltlichen Herren durch Umritt ihre Kontrolle wahrnahmen, visitierten päpstliche Legaten die Bistümer der Kirche, Bischöfe die Klöster und Gemeinden ihrer Diözesen und zum Beispiel die Äbte des ­Zisterzienserordens (seit dem 12. Jh.) die Filialklöster ihres Verbandes. Im Gefolge von Eroberern, aber auch auf Einladung anderer Fürsten und Herren, die ihre Herrschaften zu festigen suchten, migrierten Kolonisten oft über weite Entfernungen in der Hoffnung auf günstigere Lebensbedingungen. Besonders deutlich tritt das Phänomen in den Gebieten der Reconquista auf der Iberischen Halbinsel und im Zuge der sog. Ostkolonisation in Mitteleuropa wiederum seit dem 12. Jh. auf. Beide Prozesse stehen ebenso im Konnex mit dem Bevölkerungswachstum wie mit der Verbreitung des Städtewesens. Nicht selten übernahmen es Lokatoren, eine vertraglich vereinbarte Mindestzahl von Siedlern anzuwerben; im Gegenzug erhielten sie häufig eine bevorrechtigte Stellung in den neuen Niederlassungen. Kolonisten als ‚erwünschte Fremde‘ siedelten oft in räumlicher Nachbarschaft oder doch Nähe zu alteingesessenen Bewohnern des Landes und unterschieden sich von diesen, aber auch von ihrem eigenen früheren Status durch ein besonderes Recht. An den Kolonisten zeigt sich so der innere Zusammenhang von ‚horizontaler‘ (geographischer) und ‚vertikaler‘ (sozialer) Mobilität. Dasselbe gilt für die in überaus zahlreichen Quellen genannten servi fugitivi, die sich durch Flucht dem Zugriff ihres Grund- oder Leibherrn entzogen und vor allem in der Boomphase der hochmittelalterlichen Urbanisierung in die Städte kamen. Zu den ‚erwünschten‘ Fremden gehörten zumeist auch die Kaufleute, insbesondere diejenigen, die Luxusgüter oder wichtige, am Ort nicht verfügbare Grundstoffe von weither besorgen konnten und umgekehrt am Absatz der eigenen Exportgüter beteiligt waren. Ihr Rechtsstatus war zumeist durch Verträge geregelt, die häufig Ausnahmerecht, also Privilegien schufen. Detailhändler (oft als Höker u. Ä. bezeichnet) und Handwerker aus der näheren Umgebung, die ihre eigenen Produkte verkauften, wurden dagegen aus Konkurrenzgründen nur begrenzt auf dem städtischen Markt geduldet. Zu den mobilen Arbeitskräften gehörten abgesehen von zahlreichen Tagelöhnern und Wanderarbeitern auch die Handwerksgesellen, die seit dem 15. Jh. zunehmend als unruhige Elemente wahrgenommen wurden und deshalb in den Fokus polizeilicher Regelungen gerieten. Der besondere Status der Gesellen ergibt sich daraus, dass sie einerseits vom Bürgerrecht und den damit verbundenen Bindungen ausgeschlossen blieben, während sie andererseits Qualifikationen vorweisen konnten, die ihnen ökonomisches Gewicht verliehen. Eine ähnliche funktionale Sondergruppe, der man mit Argwohn begegnete, die man aber zeitweilig eben doch in vertraglichen Dienst nahm, bildeten die Söldner. Persönliche Bindungslosigkeit und mangelnde örtliche Verankerung waren am Ende auch die Kennzeichen jener Bettler und Vaganten, die in den Quellen nur als Gegenstand des Rechts wahrgenommen werden, weil sie selbst keine Rechte geltend machen konnten.

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Zu denen, die sich freiwillig einer solchen Fremdheit aussetzten, gehören die seit der Spätantike zahlreich bezeugten Pilger und Eremiten, Missionare und Wanderprediger, in gewisser Weise aber auch die Scholaren, die dem Ruf berühmter Lehrer an die Domschulen und frühen Universitäten folgten. Urbanisierung und Migration stellen nur Aspekte der langfristigen, im Wesent­ lichen vom demographischen Wachstum angetriebenen Verdichtung aller sozialen Beziehungen dar. Dieser Prozess findet darüber hinaus Ausdruck in der Belebung von Marktbeziehungen in regionalem und europäischem Maßstab, in der damit verbundenen Zunahme von Schriftlichkeit, in der wiederum seit dem Hochmittelalter beschleunigten Monetarisierung ökonomischer und herrschaftlicher Beziehungen sowie nicht zuletzt in der Verdichtung von Herrschaft durch Verwaltung, Systematisierung und Territorialität.

3. Dimensionen der Zugehör igk eit und Fr emdheit 3.1 Advena sum et per egr inus – Begr ifflichk eiten der Fr emdheit Dem ausgeprägten Partikularismus der Rechtsordnung mit ihrer verwirrend wirkenden Fülle von Inklusions- und Exklusionsregeln steht eine dominante religiöse Tradition gegenüber, die den Begriff der Fremdheit ins Allgemeine wendet, wodurch zugleich das Partikulare relativiert, ja entwertet wird. Fremdheit wird zu einem wesentlichen Element christlicher Selbstbeschreibung: „Denn ich bin nur ein Gast (Vulgata: advena) bei dir, ein Fremdling (peregrinus) wie all meine Väter“, spricht der Psalmist (Ps 38[39],13). Das Leben ist Unterwegssein, ruft Johannes Chrysostomos seiner Gemeinde zu – niemand ist Bürger (politēs), niemand hat eine (Heimat-)Stadt (polis), denn „die Stadt ist oben“.10 In einem ähnlichen Sinne entwirft der im lateinischen Mittelalter maßgebliche Kirchenvater Augustinus von Hippo das große Tableau eines heilsgeschichtlichen Gegenübers von irdischem und himmlischem ‚Bürgerverband‘ (civitas terrena, civitas Dei). Der Relativierung der irdischen Ordnung steht das Heilsversprechen der Zugehörigkeit zu einer escha­ tologisch sich entfaltenden Wirklichkeit entgegen. So schreibt Paulus an die Epheser: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). Die Sprache der Polis und des Hausverbandes (oikos) bleibt auch in der lateinischen Übersetzung gewahrt (hospites et advenae – cives sanctorum et domestici Dei). Luther macht diese Herkunft der Begrifflichkeit am Ausgang des Mittelalters mit Rückgriff auf das Griechische noch einmal deutlich: „Also schreibt auch S. Paulus Colo 3 (!) das unser Politeuma das ist/ unser burgerschafft odder burgerlich wesen ist

10 Migne PG 52, Sp. 401; engl. Übers. bei Constable 2003, S. 26.

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nicht hie sondern ym hymel.“11 Der hiermit angedeutete theologische Resonanzraum der Wörter muss also immer berücksichtigt werden, wenn wir uns mit den Rechtstexten des Mittelalters befassen. So unterscheiden beispielsweise die Texte aus dem byzantinischen Kulturkreis weiterhin zwischen den ‚Römern‘ und den ‚Barbaren‘. Neben den Wörtern für fremd und auswärtig fällt außerdem der Begriff ‚zu den Völkern gehörig‘ (ethnikos).12 Der Begriff, der in der Septuaginta für hebr. gojim (Vulgata: gentes) benutzt wird, lässt die biblische Redeweise von „Israel und den Völkern“ assoziieren und deutet wohl auf ein ähnliches Erwählungsmotiv hin. In den erzählenden Quellen aus dem lateinischen Mittelalter finden wir neben den jeweiligen Herkunftsbezeichnungen vor allem die Begriffe advena (‚Fremder‘, ‚Zuwanderer‘), adventicius (‚Ankömmling‘), extraneus (‚Auswärtiger‘; vgl. mhd. usman), hospes (‚Gast‘) und nicht zuletzt peregrinus (‚Fremdling‘, seit dem Hochmittelalter vor allem ‚Pilger‘). Zwischen diesen Begriffen gibt es ein hohes Maß an Überschneidung, was sich in vielen Paarformeln äußert. Von einer scharfen Abgrenzung kann auch deshalb keine Rede sein, weil die Sprache der Fremdheit oft biblisch inspiriert ist. Texte des frühen bis hohen Mittelalters verwenden adventicius und advena nicht zufällig auch in der Bedeutung ‚Neuchrist‘13. Die Gegenbegriffe zu advena, adventicius und peregrinus lauten häufig ‚Hausgenosse‘ (domesticus) und ‚Bürger‘ (civis, burgensis) sowie, genauer, ‚Mitbürger‘ (concivis); zur Hervorhebung dient ‚eingesessen‘ (originarius), daneben taucht häufig ‚eingeboren‘ (indigena) auf. Nicht selten sind in den erzählenden Quellen auch inklusive Formulierungen wie indigenae cum adventiciis, civis aut advena und Ähnliches.14 Die Begrifflichkeit des Hausverbandes ist für unser Thema auch deshalb aufschlussreich, weil sie verdeutlicht, in wie hohem Maße die rechtliche Zugehörigkeit nicht allein durch Berechtigungen zu beschreiben ist, sondern vor allem auch durch Bindungen. Der domesticus untersteht – dies machen zahlreiche Kollokationen deutlich – der Gewalt eines dominus, und der uns heute geläufige deutsche Gegenbegriff zu ‚fremd‘, nämlich eigen, bedeutete im Mittelalter so viel wie ‚unfrei‘.

11 Zit. nach Meier 1994b, S. 61. Richtig muss es heißen Phil 3,20. Der dortige Begriff politeuma wird auch mit conversatio (Vulgata) – ‚Wandel‘ (Luther) und ‚Heimat‘ (Einheitsübersetzung) übersetzt, die Elberfelder Bibel bietet ‚Bürgerrecht‘. 12 Ahrweiler 1998a, S. 2. Vgl. Koder 1991, S. 93, § 4.4. 13 MGH SS IV, S. 550 (Arnold von St. Emmeram); MGH SS rer. Germ. 2, S. 178 (Schol. 77[78]): inter quos advena Paulus ex Iudaismo conversus. Der Chronist Adam von Bremen (gest. 1081/85) spricht von sich als proselitus et advena: MGH SS rer. Germ. 2, S. 1 (praefatio); vgl. weiterhin MGH SS XII, S. 906 (Vita Ottonis posterior a 1499, praefatio): Nam ego advena sum huius cenobii et peregrinus. 14 MGH SS XXVIII, S. 70 (Walter Map, c. 11): ut tam indigenas quam adventicios pectore vinceret et ore scolares; MGH SS rer. Germ. N. S. 9, S. 243 (Thietmar von Merseburg ad a. 1002): indigene cum adventiciis preveniunt et subsequuntur; vgl. auch MGH DD Kar. I, Nr. 315, S. 476: Consilio omnium indigenarum ac advenarum ibi astantium.

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3.2 Unterschiedliche R echtssph är en In rechtlicher Hinsicht spielte die Unterscheidung zwischen innen und außen, heimisch und auswärtig in den Jahrhunderten, die gemeinhin dem Mittelalter zugeordnet werden, vielfach eine geringere Rolle als andere Kategorisierungen. Auf die Präsenz von Angehörigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften am selben Ort und durchaus häufig in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander wurde bereits hingewiesen. Der bekannte fuero von Teruel aus dem Jahr 1176/77, die Stadtrechtsurkunde Alfons' II. von Aragón, in der die Rechtsgewohnheiten der wenige Jahre zuvor von ihm als Grenzfeste gegen die Almohaden angelegten Stadt kodifiziert wurden, nennt christliche und jüdische vicinos (wörtlich: ‚Nachbarn‘, hier im Sinne von ‚Bürger‘ verwendet), die in beiden Fällen von Nichtbürgern zu unterscheiden sind. Wesentliche Bestimmungen, die in anderen fueros übernommen wurden, betreffen das Verfahrensrecht in Zivil- und Strafprozessen gegen Christen einerseits und gegen Juden andererseits. Gegen einen jüdischen Bürger mussten demnach ein jüdischer und ein christlicher vicino, die sich auch am Ort aufhielten, gemeinsam Zeugnis ablegen und umgekehrt.15 Ebenso tief greifende Unterscheidungen betrafen den freien oder unfreien Stand der Person. Während das römische Recht den Sklaven im Prinzip überhaupt keine Rechtsfähigkeit zugestanden hatte, galt dies im Mittelalter keineswegs für alle Unfreien. Zwar überlebten die römisch-rechtlichen Termini servus/-a, ancilla, sie änderten aber ihren Inhalt. Der Übergang zu mittelalterlichen Formen der Hörigkeit und Leibeigenschaft wird in der Forschung unterschiedlich datiert (7. bis 10., zuweilen 12. Jh.). Aus dem 9. bis 11. Jh. kennen wir noch Belege für einen Handel mit mancipia bzw. servi empticii aus dem slawischen Raum in das Reich, aber auch in die Mittelmeerländer, wo die Kontinuität – besonders hinsichtlich der Sklaverei von Frauen – insgesamt größer war. Im hohen Mittelalter kommt es hier zu einer Erneuerung der Sklaverei.16 Kennzeichnend für diese ist die seit dem 13. Jh. vorwiegende lateinische Bezeichnung sclavus/-a. Die rechtlichen Auswirkungen eines unfreien Status (‚Hörigkeit‘) reichten von mangelnder Freizügigkeit und Beschränkungen in der Wahl des Ehepartners über gerichtliche Benachteiligungen wie die Unfähigkeit, gegen die eigene Herrschaft auszusagen, bis hin zur Verweigerung der kirchlichen Ordination.17 Allerdings waren diese Merkmale der Unfreiheit keineswegs überall und zu allen Zeiten gleichermaßen ausgeprägt. Sogar Sklavinnen und Sklaven hatten im lateinischen Westen während des Spätmittelalters mancherorts die Möglichkeit, mithilfe von Prokuratoren gegen ihre Herren oder Herrinnen Klage zu erheben.18 15 Aznar y Navarro 1905, S. 223–228, § 425; vgl. Baer 1929, S. 1037–1043. 16 Haverkamp 2012a. 17 Vgl. Decretum Gratiani, Dist. 54, c. 2 (= Friedberg 1879, Sp. 207f.). 18 Blumenthal 2009.

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Von den Sklaven und weiteren Unfreien begrifflich zu trennen sind die zahlreichen muslimischen Kriegsgefangenen besonders in Byzanz, in der lateinischen Levante und auf der Iberischen Halbinsel. Sie fungierten häufig eher als Geiseln und konnten freigekauft oder gegen christliche captivi ausgetauscht, grundsätzlich aber auch zu Sklavendiensten angehalten werden, was besonders für die ärmeren unter ihnen galt. Nicht zu unterschätzen ist drittens die über lange Zeiträume Geltung beanspruchende strikte Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien. Sie äußerte sich nicht allein in den an Priester und Mönche gestellten, kultisch bedingten Reinheitsanforderungen und Moralvorschriften, sondern auch im Beharren auf dem gesonderten Gerichtsstand für alle Personen, die geistliche Weihen empfangen hatten. „Vor einem weltlichen Richter kann kein Kleriker verklagt werden“, so bringt Magister Gratian um 1140 diesen Grundsatz auf den Punkt.19 Dies wirkte sich beispielsweise auch im Bildungswesen durch die Ausprägung einer universitären Gerichtsbarkeit aus. Umgekehrt sollte kein Laie einen anderen Laien wegen geschäftlicher Schulden vor ein geistliches Gericht ziehen, vermerkt das deutsche Rechtsbuch des Sachsenspiegel (ca. 1220–1235): Widrigenfalls lief der Kläger Gefahr, von dem so Beklagten seinerseits nach Landrecht auf Schadenersatz verklagt zu werden, wobei er überdies mit einer Buße an den weltlichen Richter zu rechnen hatte.20 An den städtischen Zentren der Kommunikation wurden die Modi der In- und Exklusion nicht allein durch die Stadtmauern und weitere Grenzmarkierungen verdeutlicht, sondern auch durch Aspekte der städtischen Topographie, die von den kirch­lichen und herrschaftlichen Verhältnissen, den sozialen Unterschieden, aber auch von funktionalen Gesichtspunkten des Handels und Verkehrs beeinflusst waren. Beispiele dafür sind in herrschaftlicher Hinsicht die diversen Kondominatsorte, an denen mehrere Herren Rechte ausübten, oder Orte mit Burg und ‚bürgerlicher‘ Stadtsiedlung; in sozialer Hinsicht lässt sich in mittleren und großen Städten ein topographisches Gefälle von den zentralen und/oder verkehrsreichen zu den abgelegenen oder anders benachteiligten Vierteln beobachten. Fernkaufleute aus dem westlichen Mittelmeerraum gründeten in der Levante Kolonien als Vorstadtsiedlungen oder in den ihnen zugewiesenen Stadtbezirken, wo sie auch ein bestimmtes Maß an jurisdiktioneller Autonomie genossen. Einen Sonderfall bildet in dieser Hinsicht die genuesische Kolonie von Caffa beim heutigen Feodossija auf der Krim, in welcher die Vertreter der genuesischen Kommune sogar die führende politische Kraft darstellten. Weit häufiger waren die lateinischen Kaufleute (‚Franken‘) in der Levante auf fondachi verwiesen, mehr oder weniger ausgedehnte Handelshöfe in den bedeutenden Hafenstädten. Das arabische Wort funduq, von dem sich das italienische fondaco, aber auch das byzantinische foundax als Bezeichnung für ein Lagerhaus herleiten, sowie die so be19 Apud secularem iudicem nullus clericus conueniatur: Decretum Gratiani, C. 11, q. 1 (Friedberg 1879, Sp. 627). 20 Thieme 1987, S. 141 (Ldr. III 87,1).

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zeichneten Institutionen gehen auf das griechische pandocheion (‚Gasthaus‘) zurück. Die lateinischen fondachi in den byzantinischen und muslimischen Handelsemporien (Konstantinopel, Alexandria) wie auch die königlich beaufsichtigten fondachi für auswärtige, auch muslimische Kaufleute in den katalanischen Hafenstädten verbanden Unterkunftund Lagerfunktionen mit mehr oder weniger strenger obrigkeitlicher Kontrolle, die dem Sicherheitsbedürfnis, vor allem aber auch den fiskalischen Interessen der Herrschaftsträger geschuldet war. Die Privilegien für derartige Kaufmannskolonien umfassten meistens eine eigene Kirche (mit eigenem Priester), ein Badehaus, einen Gemeinschaftsofen sowie den fondaco als Unterkunft und Lagerhaus. Ähnlich gab es für die in Konstantinopel weilenden muslimischen Kaufleute wahrscheinlich schon seit dem 10. Jh. eine Moschee; eine weitere wurde 1189 eröffnet und 1203 zerstört; nach 1261 wurde die Kolonie restituiert, 1399 erzwang Sultan Bāyezīd sogar vorübergehend die Zulassung eines qāḍī für Klagen gegen muslimische Kaufleute.21 Seit dem späten 13. Jh. ist in den Niederlassungen der lateinischen Handelsnationen häufiger von der loggia die Rede, die im Unterschied zum fondaco wohl nur als Verwaltungssitz fungierte und an der auch die Notare saßen, um Geschäfte zu beurkunden.22 Eine verwandte Erscheinung stellen die Kontore der Hanse im nordeuropäischen Raum von London über Flandern und Brabant, Skandinavien und die Ostseehäfen bis nach Novgorod dar.23 Die größeren urbanen Zentren am Mittelmeer boten häufig ein nach religiös-ethnischen Kriterien diversifiziertes Stadtbild. In den Städten des europäischen Nordens ist dies weniger ausgeprägt, am deutlichsten wohl in den diversen Judenvierteln und -gassen, die nicht ohne Weiteres als Gettos bezeichnet werden können. Die konzen­trierte Niederlassung der jüdischen Bewohner im Umkreis ihrer Synagogen ist hauptsächlich kultischen Anforderungen zuzuschreiben, sie stellten ansonsten, anders als dies zuweilen im mediterranen Süden der Fall war, keine eigenständigen Rechtsbezirke dar.24 Anders verhielt es sich überall mit den geistlichen Immunitäten, insbesondere um Kathedralkirchen und große Klöster herum. Nicht nur genossen Kleriker das privilegium fori, wonach sie sich in Strafsachen nur vor geistlichen Gerichten verantworten mussten; geistlicher Grundbesitz in der Stadt war in der Regel auch von der Besteuerung durch weltliche Instanzen ausgenommen (privilegium immunitatis). Ein Straf­täter konnte sich durch Flucht in das Asyl der Kirche bzw. ihrer Immunität zumindest vo­ rübergehend dem Zugriff seiner Verfolger entziehen. 21 Reinert 1998. 22 Constable 2003. 23 So wurde für die Hansekaufleute auf Anklam 1330 die Verpflichtung zur Unterkunft im gemeinsamen Hansequartier festgehalten: Gengler 1863, S. 964 (sunder he schall in der Hense wanhafftig sin). 24 Haverkamp 2002b. Eine markante Ausnahme bildet die 1462 eingerichtete zweite Frankfurter Judengasse. Der Begriff Getto ist auf das im 16. Jh. eingerichtete Judenviertel von Venedig zurückzuführen.

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3.3 Die Stadt als R aum ver dichteten R echts 3.3.1 Ein befr iedeter Bezir k Nicht wenige Stadtrechte des hohen Mittelalters beginnen oder enden damit, dass die Grenzen des Gebietes festgelegt werden, für welches die vorliegenden Rechtssätze Geltung beanspruchen konnten. So bezeichnet die für Lübeck 1188 ausgestellte Urkunde die „Grenzen, die den Gebräuchen dieser Stadt gesetzt sind“. Diese waren „von allen fest einzuhalten“, wie es beispielsweise in Spandau 1231 hieß,25 und wurden in der Regel durch Mauern oder Wall und Graben markiert. Das Innere wurde als Freiheitsbezirk begriffen und als ‚immun‘ gekennzeichnet, was zweifellos aus den Privilegien für Kirchen und Klöster und deren Ländereien übernommen worden ist. Ein Privileg Ludwigs I. für die Bischofsstadt Paderborn vom Jahr 822 verspricht dieser den „Schutz ihrer Immunität“, während der fuero von Teruel die „freien und immunen Grenzen“ (terminos liberos et immunes) des Stadtgebiets aufzählt.26 Johannes von Viterbo bietet in seinem Liber de regimine civitatis (um 1250) eine griffige Definition: „Civitas heißt Freiheit der Bürger bzw. Immunität der Bewohner (civium libertas sive habitantium immunitas)“. „Immunität“ könne, so der Autor, in diesem Zusammenhang übrigens „auch heißen, dass die Bewohner durch Mauern und Türme ‚geschützt‘ werden (muniuntur)“.27 Jenseits der Stadtgrenzen im engeren Sinne gab es häufig noch einen rechtlich vom weiteren Umland unterschiedenen ‚Bann‘-Bezirk, die ‚Bannmeile‘ oder ‚Mark‘ der Stadt, in der ihre Rechtsprechung (jurisdictio) gesichert sein sollte.28 Der fuero von Teruel bestimmte, dass die Bewohner dieses Gebietes (aldeani) bei Rechtsstreitigkeiten, die sie nicht schiedsgerichtlich beilegen konnten, an das Gericht der Stadt appellieren mussten. Im Bereich des städtischen Territoriums hatten die Stadtbewohner das Recht zur Verfolgung von Straftätern.29 Auch der Stadtherr sollte das Recht der Gemeinde hier 25 Van de Kieft u. a. 1967, S. 156, Nr. 95, § 1 (Lübeck 1188: termini usibus ejusdem civitatis [...] assignati); S. 229, Nr. 145, § 7 (Spandau 1231: terminos [...] praecipiumus ab omnibus firmiter observari). 26 Gengler 1863, S. 12 (Aarau 1283: ir vride kreiz); Hergemöller 2000, S. 62, Nr. 1, § 1 (Paderborn 822: sub [...] immunitatis defensione); Aznar y Navarro 1905, S. 2f., § 3 (terminos liberos et immunes); van de Kieft u. a. 1967, S. 315, Nr. 25, § 1 (Soignies 1142 und 1200: infra libertatem); vgl. S. 474, Nr. 44, § 46 (Haarlem 1247). 27 Zit. nach Meier 1994b, S. 10f. 28 Van de Kieft u. a. 1967, S. 133, Nr. 78, § 8 (Medebach 1165: extra fossam vestram [...] infra bannum); S. 255, Nr. 163 (Friedrich II. für bischöfliche Stadtherren 1237: in jurisdictione ipsius, que banmile vulgariter dicitur); Gengler 1863, S. 8 (Aachen 1442: infra bannum miliare et jurisdictionem civitatis). 29 Aznar y Navarro 1905, S. 122, § 255 (aldeani und Berufungsverfahren); vgl. auch van de Kieft u. a. 1967, S. 401, Nr. 65, § 35 (Veurne 1240: intra ballewam); S. 376, Nr. 56, § 6 (Trazegnies 1226: Verfolgung in ambitu territorii ville); Aznar y Navarro 1905, S. 216, § 406 (Verletzung von Weiderechten).

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nicht durch herrschaftliche Befestigungen gefährden, rieten die Magdeburger Schöffen zwischen 1201 und 1238 in einer Rechtsweisung an Herzog Heinrich I. von Schlesien.30 Interessanterweise lässt sich an den Festlegungen für die Höhe der Mitgift in Teruel ein sozialer Unterschied zwischen Bürgerstöchtern und den Bauernmädchen aus dem Territorium der Stadt feststellen.31 Grundsätzlich gilt, dass dem Stadtgebiet (und gegebenenfalls der Umgebung) ein besonderer Frieden zukommen sollte, der beispielsweise auch durch das Geleit des Stadtherrn „für Fremde ebenso wie für Einwohner“ zu sichern war.32 Zwischen den Einwohnern, ungeachtet ihres Standes, suchte man nach Wegen der Gewalteindämmung. So sahen beispielsweise die Stadtrechte von Freiburg und Soest aus dem 12. Jh. Verfahren für die Schlichtung von Konflikten vor, die durch heimliche Sexualkontakte junger Leute zwischen deren Familien entstehen konnten.33 Vielerorts gab es auf der Ebene der Stadtviertel, Zünfte und Bruderschaften, in den Kaufmannskolonien oder jüdischen Gemeinden eine Schiedsgerichtsbarkeit. Gerichtliche Zweikämpfe waren unter Bürgern sowie zwischen Bürgern und Auswärtigen oft verboten, manchmal auf bestimmte Gruppen eingeschränkt und nur selten erlaubt.34 In Hamm wurden 1213 Vorkehrungen gegen Klagen getroffen, die eine Todesstrafe nach sich ziehen konnten, in Lippstadt wurde um 1220 allgemein das bewaffnete Vorgehen gegen einen Rechtsbrecher ohne vorheriges Urteil verboten.35 Die Rechtsfolgen im Fall einer Verurteilung suchte man insbesondere dort zu begrenzen, wo der Stadtherr umfangreichere Gerichtsrechte innehatte.36 Auch zwischen Gästen drängte man auf Schlichtungsverfahren.

30 Van de Kieft u. a. 1967, S. 170, Nr. 105, § 3. 31 Aznar y Navarro 1905, S. 176, § 303f. (höhere Mitgiften für cives als für puellam rusticanam vel aldeanae). 32 Van de Kieft u. a. 1967, S. 449, Nr. 32, § 1 (Middelburch 1217: peregrinis quam indigenis); in einem bestimmten Gebiet: van de Kieft u. a. 1967, S. 449, § 25; vgl. Gengler 1863, S. 326 (Bremen 1271: swelich kopman kumpt an de stat mit sime gude, de scal hebben gheliken vrehde, also en borghere; er sinen rechtn toln scal he geven). Außerhalb des Hauses war in der dänischen Stadt Ribe das Tragen von Waffen nicht erlaubt: van de Kieft u. a. 1967, S. 552, Nr. 30, § 6 (1269). 33 Van de Kieft u. a. 1967, S. 101, Nr. 55, § 73 (Freiburg, Stadtrodel); S. 110, Nr. 62, § 26 (Soest, ca. 1150–2. Hälfte 13. Jh.). 34 Verbot: van de Kieft u. a. 1967, S. 112, Nr. 62, § 41 (Soest, ca. 1150–2. Hälfte 13. Jh.); S. 432, Nr. 20 (Stavoren 1120: cum extraneis aut etiam inter se); vgl. ebd., S. 474, Nr. 44, § 45 (Haarlem 1247), S. 482, Nr. 45, § 41 (Delft 1246); Gengler 1863, S. 246f. (Bodenwerder 1287). – Einschränkung auf Gruppen: van de Kieft u. a. 1967, S. 492, Nr. 47, § 13 (Dordrecht 1252). – Möglich: Hergemöller 2000, S. 330, Nr. 47, § 11f. (Düsseldorf 1288). 35 Van de Kieft u. a. 1967, S. 186, Nr. 115, § 5 (Hamm 1213); S. 199, Nr. 125, § 3 (Lippstadt um 1220). 36 Vgl. etwa van de Kieft u. a. 1967, S. 186, Nr. 115, § 6–7 (Hamm 1213: cum temperantia proconsulum).

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Auswärtige Gewalttäter konnten innerhalb der Stadt arrestiert werden. Ausdrücklich wurde vielerorts festgehalten, dass die Stadtbewohner straffrei ausgingen, wenn der Fremde dabei Schaden nahm.37 Wurde ein Stadtbewohner oder Bürger von einem Fremden angegriffen, waren seine Nachbarn zur Hilfeleistung verpflichtet; die Unterlassung konnte bestraft werden. Gelegentlich musste der Stadtherr dies im Interesse seiner Schutzbefohlenen einschärfen: So drohte Erzbischof Balduin von Trier nach der Judenverfolgung von 1337 in Boppard, wer der Verpflichtung zum Beistand nicht Folge leiste, sei „treulos, ehrlos und meineidig“.38 Wenn die Aggression durch einen gemeinschaftlichen Angriff auf den auswärtigen Straftäter geahndet werden sollte, war jedermann zur Mitwirkung verpflichtet.39

3.3.2 Jur isdictio „Iurisdictio, neben imperium und potestas der zentrale politische Begriff der mittelalterlichen ‚Staatstheorie‘, konnte im vormodernen Europa für ‚Herrschaft‘ überhaupt stehen“ (Meier).40 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Bedeutung des Rechtswesens für die Inklusions- und Exklusionsvorgänge in der Stadt. Von einer Autonomie ist hier nur in Ausnahmefällen zu sprechen; in der großen Mehrzahl der Städte kleiner und mittlerer Größe waren die Gerichte des Stadtherrn ein bedeutender Faktor der Stabilität. Dem Gericht des Königs oder Fürsten blieb in der Regel die Ahndung schwerer Verbrechen vorbehalten; in Verfahren zwischen Bürgern und Auswärtigen (oder wenn der Kläger „Ritter, Knecht oder Bauer“ war) spielten die Burggrafen-, Schultheißenund Vogtgerichte über lange Zeiträume eine entscheidende Rolle, wobei aus naheliegenden politischen und ökonomischen Gründen auf die Interessen der Einwohner und Fremden Rücksicht genommen werden musste.41

37 MGH DD F. I., Nr. 147, S. 249 (Friedrich I., Augsburg 1156); Aznar y Navarro 1905, S. 14, § 27 (nobilis aliquis sive miles), S. 14f., § 28 (aliquis extraneus); van de Kieft u. a. 1967, S. 93, Nr. 55, § 26/55 (Freiburg, 2. Drittel 12. Jh.–1218); S. 402, Nr. 65, § 44 (Veurne 1240); Gengler 1863, S. 11 (Aalen 1374), S. 204 (Bern 1391), S. 744 (Deutschbrod 1278). 38 Verpflichtung zum Beistand: van de Kieft u. a. 1967, S. 350, Nr. 41, § 6 (Philipp II. von Frankreich für Tournai, 1188); strafbewehrt: ebd., S. 363, Nr. 47, § 12 (Poperinghe 1208); bei Übergriffen eines advena: ebd., S. 455, Nr. 33, § 9 (Maastricht 1220); Judenschutz: Gengler 1863, S. 258f. (Boppard 1337); vgl. auch ebd., S. 225 (Bingen 1365). 39 Van de Kieft u. a. 1967, S. 397, Nr. 62, § 2 (Löwen 1234); allgemein zum Vorgehen gegen Auswärtige, die das Stadtrecht nicht beachten: ebd., S. 476, Nr. 44, § 65 (Haarlem 1247). 40 Meier 1994b, S. 137. 41 Vgl. z. B. Aznar y Navarro 1905, S. 25f., § 54; van de Kieft u. a. 1967, S. 133, Nr. 78, §§ 5, 8 (Medebach 1165); S. 155, Nr. 94, § 7 (Magdeburg 1188); Gengler 1863, S. 916 (Duderstadt 1314); bei geteilter Herrschaft in der Stadt: van de Kieft u. a. 1967, S. 463, Nr. 41, § 3 (Maastricht 1243).

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Die Gemeinden waren darauf angewiesen, mit den jeweiligen Stadtherren vertragliche Regelungen zu treffen, um deren Interventionen in geregelte Bahnen zu lenken und die Einflussmöglichkeiten zu begrenzen. Dies konnte dadurch geschehen, dass der stadtherrliche Richter oder Vogt von der Gemeinde zu wählen war und dass der Herr sich zur Anerkennung städtischer Urteile verpflichtete bzw. seine eigenen Gerichtsbefugnisse eingeschränkt wurden. Dies war besonders dann heikel, wenn es um Straftaten seiner eigenen Leute ging.42 Von noch größerer Relevanz für die Konstituierung des städtischen Rechtsbezirks war die Einschränkung der Verfügungsrechte von weltlichen wie geistlichen Stadtherren über ihre Hörigen in der Stadt. Im Reichsgebiet waren gegebenenfalls auch die Rechte an den in der Stadt lebenden Schutzjuden zu regeln, was besonders hinsichtlich der Besteuerung relevant war. Wenn ein auswärtiger Fremder oder ein Zugereister in der Stadt starb, sollte der Anspruch der Erben auf seinen Besitz vor dem Zugriff des Stadtherrn gesichert werden, zumeist, indem der ‚Wirt‘ oder aber der Rat es über Jahr und Tag in Verwahrung nahm;43 im späteren Mittelalter musste nachdrücklicher darauf hingewiesen werden, dass dieses Erbe auch dem Rat durchaus nicht gehörte. Hier und da fiel diesem allerdings ein bestimmter Prozentsatz zu.44 Ein zentrales Interesse der städtischen Gemeinde und ihrer Führungsgruppen äußerte sich in dem Verbot, einen Mitbürger vor ein auswärtiges Gericht zu laden. Dies galt zuweilen selbst für das Landgericht des Stadtherrn (bei dem allerdings Berufung eingelegt werden konnte) und für Streitigkeiten zwischen zwei Bürgern, die im Ausland (extra provinciam) entstanden waren.45 Viele Stadtgemeinden verlangten auch – 42 Van de Kieft u. a. 1967, S. 214, Nr. 137, § 4 (Braunschweig 1227), S. 224, Nr. 140, § 9 (Regensburg 1230); Gengler 1863, S. 934–935 (Düsseldorf 1288), S. 157f. (Bautzen 1262). 43 Van de Kieft u. a. 1967, S. 153, Nr. 92, § 4 (suum herwede, Bremen 1186); vgl. ebd., S. 444, Nr. 28, § 7 (Zutphen 1190); S. 175, Nr. 108, § 9 (Stade 1209); S. 179, Nr. 111, § 17 (Münster 1209–1214); S. 186, Nr. 115, § 10 (Hamm 1213); S. 191, Nr. 122, § 1; und S. 194, § 34 (Friedrich II. für Goslar 1219); Gengler 1863, S. 328 (König Erich von Norwegen für die Bremer 1294); van de Kieft u. a. 1967, S. 120, Nr. 125, § 11 (Lippstadt ca. 1220); S. 214, Nr. 137, § 11 (exul sive advena, Braunschweig 1227); S. 237, Nr. 152, § 15 (Emmerich 1233); S. 461, Nr. 39, § 5 (Arnheim 1233); Gengler 1863, S. 842 (Dortmund 1230–1240); S. 247 (Bodenwerder 1287). 44 Gengler 1863, S. 494 (Chur 1422); ein Zehntel fällt an die Stadt: Gengler 1863, S. 661 (Privileg des Markgrafen von Brandenburg für Cottbus 1464); ein Drittel: van de Kieft u. a. 1967, S. 257f., Nr. 165, § 25 (Wesel 1241, ad augendam rem publicam). 45 Van de Kieft u. a. 1967, S. 135, Nr. 78, § 16 (Medebach 1165), Gengler 1863, S. 399 (Brilon 1272); auch nicht vor das Landgericht des Stadtherren: van de Kieft u. a. 1967, S. 550, Nr. 29, § 12 (Roskilde 1268); ggf. war der zu Unrecht Beklagte zu entschädigen: van de Kieft u. a. 1967, S. 93, Nr. 55, § 25/54 (Freiburg, 2. Drittel 12. Jh.–1218); S. 199, Nr. 125, § 3 (Lippstadt um 1220). Appellation: nur wenn der Beklagte gegenüber dem Vogt contumax ist, van de Kieft u. a. 1967, S. 193, Nr. 122, § 30 (Friedrich II. für Goslar 1219); vgl. auch ebd., S. 224, Nr. 140, § 5 (Friedrich II. für Regensburg 1230), S. 550, Nr. 29, § 12 (Roskilde 1268); bei Streit zwischen Bürgern extra provinciam: van de Kieft u. a. 1967, S. 111, Nr. 62, § 29 (Soest ca. 1150–2. Hälfte 13. Jh.).

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entgegen dem üblichen Grundsatz, wonach die Klage vor dem Gericht des Beklagten zu verhandeln war –, dass sich ein Auswärtiger in der Stadt zu verantworten habe. Auf Antrag musste er dafür sicheres Geleit erhalten.46 Nicht selten waren die Bußgelder für Fremde höher bemessen als für Einheimische.47 Keineswegs konnten sie einen Bürger zum gerichtlichen Zweikampf fordern.48 Waffen hatten Auswärtige bei ihrem Gastgeber zu hinterlegen; wenn sie im Gebiet der Stadt welche mitführen wollten, mussten sie einen Einheimischen zum Geleit nehmen.49 Auf keinen Fall durfte sich allerdings ein auswärtiger Herr (sofern er nicht der Stadtherr selbst war) dort das Geleit anmaßen.50 Nürnberger Bürger, die von auswärtigen Adligen Lehen innehatten, konnten den Besitztitel durch das Zeugnis von Mitbürgern gegen Anfechtungsklagen behaupten (mussten also nicht vor dem Manngericht des Herrn erscheinen).51 Die Gleichstellung von Auswärtigen im Verfahren, beispielsweise beim Zeugenbeweis, war durchaus die Ausnahme.52 In nicht wenigen Städten wurde ihr Zeugnis im Verfahren gegen Bürger ganz ausgeschlossen, sowohl in Strafsachen als auch bei Vindikationsklagen oder in Verfahren wegen geschäftlicher Schulden.53 Andere klare Rechts46 Van de Kieft u. a. 1967, S. 396, Nr. 64, § 1 (Löwen 1234); Gengler 1863, S. 413 (Brühl 1285). In Teruel konnte der Bewohner einer anderen Siedlung für Gewalttaten hingerichtet werden: Aznar y Navarro 1905, S. 13, § 24. Auch die Klage gegen einen im Umkreis der Stadt aufgegriffenen Dieb gehörte in Teruel vor das Stadtgericht: Aznar y Navarro 1905, S. 202, § 359. Sicheres Geleit: van de Kieft u. a. 1967, S. 474, Nr. 44, § 46 (Haarlem 1247); vgl. ebd., S. 482f., Nr. 45, § 45 (dasselbe für Delft, 1246). 47 Doppelt: Aznar y Navarro 1905, S. 14f., § 28; doppelt bis dreifach: Gengler 1863, S. 213 (Biel 1296, mehrmals erneuert und teils verschärft), S. 234f. (Bischofszell 1350); sechsfach: Gengler 1863, S. 246 (Bodenwerder 1287). 48 Van de Kieft u. a. 1967, S. 91, Nr. 55, § 19/43 (Freiburg 1120); S. 369, Nr. 52, § 5 (Zoutleeuw 1213); S. 474, Nr. 44, § 45 (Haarlem 1247); S. 480, Nr. 45, § 41 (Delft 1246); Gengler 1863, S. 236 (Blankenberg 1450). In Düsseldorf, wo diese Beweisform noch Ende des 13. Jhs. möglich war, konnten sie allerdings durch den Stadtherren pro aliquo crimine capitali zum Zweikampf mit dessen Kämpen gefordert werden: Hergemöller 2000, S. 330, Nr. 47, § 12 (per nostrum pugilem). 49 Van de Kieft u. a. 1967, S. 552, Nr. 30, § 6 (Ribe 1269); S. 452, Nr. 32, § 36 (Middelburg 1217); S. 501, Nr. 50, § 82 (Middelburg 1254). 50 Van de Kieft u. a. 1967, S. 211, Nr. 134, § 13 (Lübeck 1226); in diesem Zusammenhang steht auch das Verbot, sich unter den Schutz von mächtigen Auswärtigen zu begeben: van de Kieft u. a. 1967, S. 455, Nr. 33, § 7 (Maastricht 1220); vgl. auch zu den ‚Muntmannen‘ unten Anm. 91. 51 Van de Kieft u. a. 1967, S. 197, Nr. 124, § 2 (Friedrich II. für Nürnberg 1219). 52 Gengler 1863, S. 934 (Düsseldorf 1288): sive burgeri fuerint seu hospites. 53 Van de Kieft u. a. 1967, S. 90, Nr. 55, § 14/38 (Freiburg 1120); S. 192, Nr. 122, § 11 (Friedrich II. für Goslar 1219); S. 222, Nr. 139, § 23 (Güstrow 1228); S. 224, Nr. 140, § 9 (Regensburg 1230: nisi per sentenciam suorum concivium et non aliorum); S. 474, Nr. 44, § 47 (Haarlem 1247); Gengler 1863, S. 416 (Brünn 1243); S. 761f. (Diessenhofen 1260: extraneus nullus erit testis super burgensem, wohl aber super hospitem); S. 246f. (Bodenwerder 1287: alienus non testabitur super civem nisi consulibus cum duobus); zum Verbot der Forderung zum Zweikampf vgl. oben Anm. 48; zum

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benachteiligungen bestanden zum Beispiel darin, dass ein Fremder gegen einen Bürger kein Verbannungsurteil erwirken konnte oder dass ihm für den Fall einer Niederlage vor Gericht eine Buße für die Erhebung der Klage angedroht wurde.54 Abgesehen davon waren auswärtige Geschäftsleute grundsätzlich gegenüber den einheimischen durch Zölle, Einschränkungen der Handelsfreiheit (etwa durch Stapelrechte) und Befristungen des Aufenthalts benachteiligt, sofern keine gesonderten Regelungen vorlagen. Allerdings sahen viele Stadtrechte auch Verfahrensregeln vor, die ausdrücklich im Interesse von Auswärtigen lagen – vor allem gilt dies für die ‚erwünschten Fremden‘, also Kaufleute, die in diesem Zusammenhang regelmäßig als ‚Gäste‘ (hospes) bezeichnet werden. Ihnen sollte bei geschäftlichen Streitigkeiten zügig Recht geschehen – innerhalb von einem, zwei oder maximal drei Tagen. Eine andere Lösung bestand darin, dass sie berechtigt waren, einen Fürsprecher zu bestimmen.55 Dem Grunderwerb eines Auswärtigen in der Stadt wurden Beschränkungen auferlegt, „solange er dort nicht zu wohnen beabsichtigt“ bzw. sofern er nit burger ist; auf jeden Fall war er zu den in der Stadt üblichen Grundabgaben verpflichtet. Wenn das Gut ihm durch Erbe zufiel, beanspruchte der Rat einen Teil davon für die Stadt.56 Umgekehrt war zum Schutz der Zuwanderer (wie auch der städtischen Immunität) bisweilen geregelt, dass der erworbene Grundbesitz nach Jahr und Tag sicher sein sollte.57

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Verbot der Vergeltungsforderung siehe van de Kieft u. a. 1967, S. 101, Nr. 55, § 69 (Freiburger Stadtrodel); zu Pfändungsklagen vgl. van de Kieft u. a. 1967, S. 176, Nr. 108, § 17 (Stade 1209); S. 391, Nr. 61, § 25 (Brüssel 1229), Gengler 1863, S. 432 (Buchhorn 1299). Zu Vindikationsklagen vgl. unten Anm. 60. Van de Kieft u. a. 1967, S. 257, Nr. 165, § 18 (Kleve 1241). Zügiges Verfahren: van de Kieft u. a. 1967, S. 155, Nr. 94, §§ 7f. (Magdeburg 1188: pro commoditate civium quam hospitum); bei Schuldforderungen: van de Kieft u. a. 1967, S. 180, Nr. 111, § 28 (Münster 1209–1214); am nächsten Tag: van de Kieft u. a. 1967, S. 387, Nr. 60, § 12 (Diest 1229); S. 219, Nr. 138, § 58 (Braunschweig 1227); Gengler 1863, S. 481 (Celle 1301); S. 729f. (Deg­ gendorf 1316); bis zum dritten Tag: van de Kieft u. a. 1967, S. 469, Nr. 44, § 9f. (Haarlem 1247: propter commodium extranei; vgl. ebd., S. 478, Nr. 45, § 7 (Delft 1246)); Möglichkeit, einen Fürsprecher zu wählen: Gengler 1863, S. 511(Coburg 1466). Van de Kieft u. a. 1967, S. 267, Nr. 170, § 10 (Elbing 1246: quamdio cum eis facere residentiam non disponit); vgl. Gengler 1863, S. 64 (Attendorn 1374: der nit Burger ist), S. 84 (Augsburg 1349); Grundsteuerpflicht: Gengler 1863, S. 14 (Aarau 1337); Erbe: Gengler 1863, S. 88 (Augsburg 1390: der zehnte Teil), S. 182 (Berlin 1280), S. 202 (Bern 1397: der dritte Pfennig), S. 927 (Duderstadt 1434). Auch den Transfer von Eigentum nach außerhalb durch Heirat versuchte man zu blockieren: Gengler 1863, S. 99 (Baden/CH 1384). Van de Kieft u. a. 1967, S. 175, Nr. 108, § 11 (Stade 1209), S. 181, Nr. 111, § 46 (Münster 1209– 1214).

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3.3.3 Fr ei und unfr ei Die frühen Stadtrechtsurkunden widmen sich, wie oben angedeutet, häufiger den aus fortdauernden Bindungen von Stadtbewohnern resultierenden Problemen. So wurden die gewöhnlichen Sterbfallabgaben auf das Maß einer nominellen Anerkennung des unfreien Status gesenkt. Wichtiger war die Zusicherung, dass Hörige nicht an Dritte verliehen bzw. nur in Notlagen veräußert werden durften. Heiratsbeschränkungen für Unfreie wurden innerhalb der Stadt aufgehoben und der Zugriff auf die Hinterlassenschaften des verstorbenen Stadtbewohners wurde begrenzt; die verbleibenden Frondienste außerhalb der Stadtgrenzen wurden genau bemessen.58 Besonders häufig widmen die Stadtrechte sich dem Problem der Ansprüche eines früheren Herrn gegenüber seinen in die Stadt gezogenen Hörigen. Meist konnte er seinen ehemaligen Hörigen bzw. seine Hörige (vir vel mulier) nach Ablauf von Jahr und Tag nicht mehr vindizieren, also zurückfordern, mancherorts nicht einmal dann, wenn die betreffende Person sich strafbar gemacht hatte und deshalb geflohen war. Mit der Formel ‚Jahr und Tag‘ sind vier regelmäßige Gerichtstage bezeichnet, weshalb die Frist gelegentlich auch genauer mit einem Jahr, sechs Wochen und einem Tag bezeichnet wird. In Lübeck wurde 1188 der Grundsatz festgehalten, dass im Zweifelsfall zugunsten der Freiheit des Bürgers zu entscheiden ist.59 Die Beweislast lag auf jeden Fall beim Auswärtigen, und die Hürden konnten hoch liegen: Verhandlung nur vor dem Gericht der Stadt, Hinterlegung einer hohen Summe als Bürgschaft, Zeugenbeweis durch eine festgelegte Zahl von Verwandten des Beklagten (manchmal war sogar dies ausgeschlossen). Der Neubürger dagegen konnte sich per Eineid (also ohne die Notwendigkeit von Eideshelfern) von der Vindikationsklage befreien.60 Dessen ungeachtet war der oder die Zugezogene zumeist erst nach einer bestimmten Frist sicher, und natürlich galten im 58 Reduktion der Abgaben: van de Kieft u. a. 1967, S. 164, Nr. 99, § 9 (Sinsheim 1192: nur das Bestkleid), S. 299, Nr. 11, § 3 (Huy 1066: nur 4 Pfennige); keine Veräußerung: van de Kieft u. a. 1967, S. 320, Nr. 30, § 2f. (Brogne 1154: keine Verleihung an Dritte), S. 356, Nr. 43, § 15 (­ Chièvres 1194: keine Veräußerung außer in Notlagen des Herrn); Heirat: van de Kieft u. a. 1967, S. 323, § 21 (Brogne 1154), S. 355f., Nr. 43, § 6 (Chièvres 1194); Erbe: van de Kieft u. a. 1967, S. 355f., Nr. 43, § 6, und S. 359, Nr. 46, § 3 (Lüttich 1208, aber: Kinder von ancillis gehen in die Verfügung ihres Herrn über); Frondienste: van de Kieft u. a. 1967, S. 438, Nr. 27, § 7 (‘s-Hertogenbosch 1185), und S. 469, Nr. 44, § 5 (Haarlem 1247). 59 Van de Kieft u. a. 1967, S. 159, Nr. 95, § 16 (Lübeck 1188: civis vicinior est ad obtinendum suam libertatem). Vgl. allgemein Irsigler 2011. 60 Beweislast liegt beim Herrn: van de Kieft u. a. 1967, S. 299, Nr. 11, § 4 (Huy 1066); nur vor dem städtischen Gericht: van de Kieft u. a. 1967, S. 207, Nr. 132, § 12 (Gadebusch 1225, nach lübischem Recht); Bürgschaft: van de Kieft u. a. 1967, S. 180, Nr. 111, § 35 (Münster 1209–1214); Vindikationsklage mit Verwandten: van de Kieft u. a. 1967, S. 89, Nr. 55, § 11/51 (Freiburg 1120); das Zeugnis der Verwandten ausgeschlossen und Eineid: van de Kieft u. a. 1967, S. 186, Nr. 115, § 8 (Hamm 1213).

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Hinblick auf die Leute des Stadtherrn selbst gesonderte Regelungen, die zumeist vertraglich fixiert wurden. Gesonderte Probleme stellten sich in jenen Städten des lateinischen Mittelmeerraums, in denen es seit dem 12. und vor allem 13. Jh. eine zunehmende Zahl von Sklaven gab. Die mittelalterlichen Statuten dieser Städte folgten weitgehend den Grundsätzen des Römischen Rechts, indem sie den Sklaven und Sklavinnen den Charakter einer Rechtsperson verweigerten. Sie mussten daher besondere Regelungen für jene Fälle treffen, in denen diese Unfreien Gewalttaten verübten oder selbst Opfer von Gewalt wurden, allerdings hauptsächlich dann, wenn Personen außerhalb des Haushaltes ihres Herrn betroffen waren. In solchen Fällen musste nämlich der Sklavenhalter die Buße anstelle seines Sklaven zahlen und erhielt umgekehrt die Entschädigung dafür, wenn seinem Sklaven oder seiner Sklavin Gewalt angetan wurde.61 Das Problem der ‚Fremdheit‘ spielt in diesem Zusammenhang nur insofern eine Rolle, als diese die kulturelle und rechtliche Grundlage dafür war, überhaupt in Sklaverei geraten zu können.

3.3.4 Bürger r echt – ein weiter Begr iff In den frühen Bürgerrechtsurkunden finden wir noch keine scharfe begriffliche Trennung zwischen Bürgern und anderen Ortsbewohnern vor. Seit dem späten 13. Jh. tritt ein solcher Unterschied aber nahezu überall zutage, wenngleich die Terminologie der sozialen und verfassungsrechtlichen Wirklichkeit hinterherzuhinken scheint. So ist es schwierig, einen klaren Begriff von dem mittelalterlichen Bürgerrecht zu bekommen – nicht allein, weil es eine gewisse Varianz der Rechtsgewohnheiten von Ort zu Ort gibt, sondern auch deshalb, weil offensichtlich eine Vielzahl von Gruppen als cives angesprochen werden konnte, die faktisch sehr unterschiedliche Rechte hatten. Bis zum 12. Jh. gibt es, jedenfalls im nordalpinen Raum, zwischen den Bedeutungsfeldern von civis, oppidanus, burgensis und sogar inhabitans große Überschneidungen. Mit zunehmender Konsolidierung der städtischen Rechte lassen sich aber seit dem 13. Jh. rechtlich relevante Unterscheidungen fassen. Ungeachtet von Tendenzen, den juristischen und fiskalischen Zugriff der ‚bürgerlichen‘ Instanzen auf alle Einwohner auszudehnen62, werden im Spätmittelalter die Unterschiede zwischen Bürgern und anderen Stadt­bewohnern klarer erkennbar: 61 Gewalttat durch den Sklaven: z. B. Aznar y Navarro 1905, S. 17, § 35: dominus [...] pectet calumpnias; Gewalttat an dem Sklaven: Aznar y Navarro 1905, S. 17, § 36 (Entschädigung), S. 202, § 360 (Buße); Vergewaltigung einer Sklavin: Aznar y Navarro 1905, S. 202, § 361; zu Gewalt an Hörigen (servilis conditionis homo [...] aut censualis) vgl. aber auch van de Kieft u. a. 1967, S. 174, Nr. 108, § 4 (Stade 1209). 62 Früh wird dies beispielsweise in Regensburg fassbar: van de Kieft u. a. 1967, S. 173, Nr. 107 (Kg. Philipp von Schwaben für Regensburg 1207: qui communi jure ipsorum reguntur, et concives eorum sunt cum eisque consuetudines suas in dandis collectis et aliis, que ad usum spectant civitatis, observant).

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Obgleich oft zahlenmäßig weit unterlegen, bildeten allein die Bürger die städtische Gemeinde, i. e. den genossenschaftlich organisierten Verband der vollberechtigten und oft ‚haushäblichen‘ Männer und Frauen. Nur sie genossen das Bürgerrecht und damit Freiheit, Frieden und Sicherheit im Schutze der Gemeinde innerhalb wie außerhalb der Mauern. Männliche wie weibliche Einwohner, die man bezeichnenderweise auch Beisassen, Medewohner, Seldener, Häuslileute oder Tagelöhner nannte, besaßen dagegen kein Bürgerrecht, sondern nur ein minderes, ein ‚kleines Recht‘, ein Beisassen- oder Seldenerrecht. Diese Lage schlug sich in den Pflichten nieder.63 Diese Unterschiede sind nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass die Struktur mittelalterlicher Städte immer schon vom Nebeneinander unterschiedlicher sozialer Gruppen geprägt war. Im hohen Mittelalter begegnen sie uns in Pfarrgemeinden, in den Hausverbänden der großen Klöster, der Domkapitel und Bischöfe, besonders aber auch in Bruderschaften, die heute als wesentliche Kristallisationskerne hochmittelalterlicher Stadtgemeinden gelten dürfen.64 Neben die früh und deutlich artikulierten Interessengruppen der Kaufleute treten im Verlauf des Mittelalters zahlreiche berufsständische Korporationen (Gilden und Zünfte). Selbst die Kennzeichnung der Bürger als ‚vollberechtigt‘ kann in die Irre führen. Die Aristoteles-Kommentatoren des Mittelalters wussten genau, dass die Akteursrollen in der Stadt, besonders die Ausübung der internen Herrschaft (iurisdictio), nur den besonders angesehenen unter den Bürgern zukamen. Den Bürger-Status der zahlreichen Handwerker und weiteren ‚Mittelschicht‘-Angehörigen versuchten sie über deren prinzipielle Teilhabe an Beratung und Konsens zu beschreiben. Für Thomas von Aquin sind auch Greise und Kinder, Zugezogene und andere, die dem Recht der Stadt unterstehen, ja sogar „Verbannte und übel beleumdete Personen (infames)“ in einem erweiterten Sinne ‚Bürger‘ (Frauen werden in all diesen Überlegungen nicht genannt, obwohl sie in der Praxis als Bürgerinnen erscheinen). Thomas fasst sie im Unterschied zu den ‚Bürgern schlechthin‘ (cives simpliciter) als ‚Bürger mit gewisser Einschränkung‘ (cives secundum quid). „Das mittelalterliche Konzept vom Bürger war dehn- und differenzierbarer als sein antikes Vorbild, in mancher Hinsicht beschritt man völlig neue Wege.“65 In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen vertraglich erfolgten Aufnahmen in das Bürgerrecht zu betrachten, mit denen ansässige Kleriker, auswärtige Adlige oder – vor allem im Reichsgebiet und in Italien – auch Juden in den städtischen Rechtsverband inkludiert wurden.66 Im Hinblick auf die Juden ist zu bedenken, dass diesen schon aus religiösen Gründen der Zugang zum städtischen Rat und zu den meisten Gilden verwehrt bleiben musste und sie auch gar kein Interesse daran haben konnten. Auch ihre besonderen 63 64 65 66

Schwinges 2002b, S. 17. – Siehe unten mit Anm. 86 zur ‚Haushäblichkeit‘. Haverkamp 2006. Meier 1994b, S. 79, 97. Zu den Frauen vgl. Meier 1994b, S. 58, zur Praxis Studer 2002. Gilomen 2002 sowie weitere Beiträge in Schwinges 2002a.

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herrschaftlichen Bindungen sprachen dagegen. Trotzdem werden sie in den Quellen als ‚Bürger‘ bezeichnet. Von einem ‚eingeschränkten Bürgerrecht‘ der Juden zu sprechen, ist freilich nur dann sinnvoll, wenn man sich vor Augen führt, dass der ‚Vollbürger‘ auch unter den Christen die Ausnahme war.

3.4 R eligiöse Differ enz und r äumliche Nähe Durch Vorgänge der ‚Reconquista‘, durch Kreuzzüge und Kolonisierungsvorgänge gerieten an den Grenzen der lateinischen Welt – auf der Iberischen Halbinsel und auf den Inseln des westlichen Mittelmeers, in der Levante insgesamt, aber auch im ‚heidnischen‘ Nordosten – immer wieder Nichtchristen unter christliche Herrschaft. Der rechtliche Status der Unterworfenen ergab sich dabei in der Regel nicht aus dem Grad ihrer Fremdheit (zumal die Grenzen nie undurchdringlich gewesen waren), sondern aus den Modi des Herrschaftsübergangs. Dies wird besonders am Status unterworfener Muslime deutlich: Sie erhielten dort, wo der Übergang durch Kapitulation und Verträge geregelt werden konnte, gegen Tribut und Kopfsteuer gewisse Grundfreiheiten gewährt, die möglicherweise am islamischen Vorbild des Schutzbefohlenen-Status (dhimma) für die Angehörigen der ‚Buchreligionen‘ orientiert waren, aber ihrerseits unterschiedlich ausgeprägt sein konnten: Schutz der Person, persönliche Freiheit und Freiheit der Religionsausübung, Garantie für den mobilen Besitz, zuweilen auch die Zusicherung von Wohnrecht und gegebenenfalls Immobilienbesitz in der eroberten Stadt. Wo sie „bis zuletzt“ gekämpft hatten, wurden die Besiegten dagegen nicht selten versklavt und verschleppt. Auch Umsiedlungen innerhalb einer Region oder einer Stadt waren möglich. Besonders auf dem Land legten die Eroberer zumeist Wert darauf, dass die landwirtschaftliche Produktivität und fiskalische Nutzbarkeit der alten Siedlungen gewahrt blieb. Für eine Konversion zum Christentum gab es für die Angehörigen der bäuer­ lichen Siedlungen kaum ökonomische Anreize. So blieben manche Gebiete des weiten aragonesischen Herrschaftsbereichs, insbesondere im Königreich Valencia, über lange Zeiträume von der Präsenz einer muslimischen Mehrheitsbevölkerung geprägt. Andererseits führten die Versklavungs- und Verschleppungsvorgänge wie auch die Flucht und Abwanderung infolge anderer Rechtsminderungen dazu, dass die neuen Herren sich vermehrt auf christliche Kolonisten stützten, die ihrerseits mit den verbliebenen Muslimen in Konflikt geraten konnten. Derartige Vorgänge sind in noch größerer Schärfe auf Sizilien nach dem Übergang von der muslimischen zur normannischen Herrschaft zu beobachten (Ansiedlung von Lombardi), wo es in den 1160er Jahren eine Reihe antimuslimischer Pogrome gab und wo – freilich vor allem in den Städten – auch der Konversionsdruck größer war. Die muslimische Rebellion unterdrückte Friedrich II. mit der bekannten Deportation von Muslimen nach Lucera auf Apulien 1223/24. Die dortige Kolonie wurde von den Staufern und Anjou noch durch die Rekrutierung von Spezialtruppen militärisch eingebunden und mit drückenden Steuern belegt, war aber schon

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Ende des 13. Jhs. eine „völlige Anomalie“67 und wurde von Karl II. von Anjou im Jahre 1300 gewaltsam aufgelöst, ihre Bewohner wurden enteignet und massenhaft versklavt. In Lucera hatte die muslimische Gemeinschaft das Recht der freien Religionsausübung sowie Selbstverwaltungsrechte genossen, die sich aus der Anerkennung des Islam als lex ergaben. Die Ämter des ‚Vorstehers‘ (qāʾid) und des Richters (qāḍī) sind auch in den muslimischen (Dorf-) Gemeinden des christlichen Spanien häufig anzutreffen. Die kollektiven, auf die Religionsausübung bezogenen Rechte der unterworfenen Muslime erfuhren im späteren Mittelalter häufig Kritik seitens der kirchlichen Hierarchie. Ein symbolisch besonders aufgeladenes Thema stellte der Ruf des Muezzins dar, dessen Einstellung von der Kirche gefordert wurde, wogegen sich freilich die weltlichen Herrschaftsträger im eigenen Interesse an stabilen Verhältnissen sperrten. Ein anderes Problem ergab sich aus dem Segen für den Kalifen im Rahmen des Freitagsgebets.68 In den insgesamt kurzlebigen Kreuzfahrerstaaten stellten sich viele der angesprochenen Probleme in besonderer Schärfe. Die Eroberungskämpfe waren hier mit erbitterter Härte geführt worden; Übergabeverhandlungen wurden teilweise durch die Forderung nach Konversion verunmöglicht, wie überhaupt die religiöse Übersteigerung der Kriegsziele auf beiden Seiten den Konflikt anheizte. Auch im Heiligen Land wurden jedoch keine nennenswerten Missionserfolge erzielt. Die Tatsache, dass sich fränkische Herren gegen die Taufe ihrer muslimischen Sklaven und Sklavinnen wehrten, nötigte Papst Gregor IX. 1237 zu der Klarstellung, dass die Konversion zum Christentum – anders als in den Konstitutionen des Königreichs Jerusalem vorgesehen – keineswegs einen Anspruch auf persönliche Freiheit nach sich zog.69 Militärisch waren die neuen fränkischen Herrscher auf Nachschubwege geringer Kapazität über weite Entfernungen angewiesen, während die Grenze zum muslimischen Herrschaftsgebiet stets bedrohlich nah blieb. Eine militärische Inanspruchnahme der neuen Untertanen kam – anders als in Iberien und Sizilien – nicht infrage. Kennzeichnend für den Status der Unterworfenen war wiederum die Einführung einer Kopfsteuer. Die fränkischen Herrscher arbeiteten auf den unteren Verwaltungsebenen vor allem mit Angehörigen der eingesessenen christlichen Bevölkerung zusammen. Für Klagen zwischen Franken und Einheimischen waren gemischte Gerichte zuständig, in denen aber allenfalls syrisch-christliche und keine muslimischen Schöffen neben den Lateinern saßen. Ähnlich wie die adligen Herrscher die Institutionen des Lehnsrechtes in den Kreuzfahrerstaaten einführten, brachten die nicht ganz wenigen lateinischen Siedler in den Städten auch ‚bürgerliche‘ Institutionen mit. Es gibt freilich (überlieferungsbedingt spärliche) Hinweise auf eine begrenzte muslimische Selbstverwaltung, wiederum insbesondere auf dem Land.70 67 68 69 70

Abulafia 1990, S. 130. Burns 1990, S. 62, 95; Kedar 1990, S. 140; Reinert 1998, S. 139, 141, 144. Kedar 1984, S. 146–151. Kedar 1990.

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Am Beispiel der Muslime unter christlicher Herrschaft wird deutlich, dass die Stabilität der Präsenz der Andersgläubigen überwiegend von zwei Faktoren abhing: von ihrer gemeindlichen Selbstorganisation einerseits und von einem fürstlichen, adligen oder wenigstens grundherrlichen Interesse andererseits. Letzteres beruhte auf einer Herrschaftsbindung, die auf der Iberischen Halbinsel und in Süditalien/Sizilien in dem Konzept der ‚Dienstbarkeit‘ (servitus) Ausdruck fand, vergleichbar der sog. ‚Kammerknechtschaft‘ der Juden. Auch im Fall der Juden war das Verhältnis zwischen Königsbindung und dem jeweils örtlich verankerten Bürgerrecht von der Präsenz und Funktionsfähigkeit jüdischer Gemeinden mitbestimmt. Juden als ‚Bürger‘ (cives) sind in den Städten des römisch geprägten Südens häufiger zu finden als in denen des Reichs und in Nordwesteuropa. Eine starke Königsbindung konnte – wie in Sizilien oder auf der Iberischen Halbinsel – das Bürgerrecht durchaus stützen, die Juden aber auch – wie im anglo-normannischen Königreich – weitgehend aus dem städtischen Rechtsverband isolieren. In Mittel- und Norditalien, wo die Herrschaftsrechte der römischen Könige kaum noch aktivierbar waren, war der vertraglich vereinbarte Bürgerstatus „entscheidend“.71 Im nordalpinen Reich führte schließlich dieselbe Schwäche der Könige/Kaiser einerseits dazu, dass diese den Anspruch auf „Leib und Gut“ ihrer ‚Kammerknechte‘ extrem steigerten, bewirkte andererseits aber auch, dass die konkrete Ausübung des Judenschutzes und die damit verbundenen Rechte zunehmend an Fürsten und Herren sowie an Stadtgemeinden delegiert wurden.72 Die Figur des ‚Bürgerrechts‘ ist hier seit dem letzten Drittel des 13. Jhs. vielfach bezeugt, ohne dass freilich die städtischen Kommunen die um jene Zeit aufkommenden schweren Judenverfolgungen verhindert hätten. Die frühen Zeugnisse für das jüdische Bürgerrecht weisen der jüdischen Gemeinde noch die wesentliche Rolle bei der Aufnahme eines jüdischen Neubürgers bzw. einer Neubürgerin zu. Nach der Mitte des 14. Jhs., als viele Stadtgemeinden den Zugriff auf ‚ihre‘ Juden intensivierten, und später vor allem in Oberitalien überwiegen dagegen vertraglich fixierte Einzelaufnahmen. Die Verträge waren in der Regel befristet und umfassten auch konkrete Bestimmungen für die geschäftliche Tätigkeit. Der Norm nach genossen Juden also in zahlreichen Städten einen Schutz, der dem der christlichen Einwohner oder Bürger gleichkommen sollte.73 Wie erwähnt, war die Präsenz einer jüdischen Gemeinde als Vertragspartner vor Ort von großer Bedeutung für die Ausgestaltung des jeweiligen Verhältnisses. So konnte es vorkommen, dass alle nicht zur gemeiynde der juetschaft gehörigen Juden vom Genuss der zugestandenen Freiheiten ausgenommen wurden, was auf eine Pflicht zum Erwerb des Bürgerrechts durch die ansässigen jüdischen Haushaltsvorstände hinauslief. 71 Haverkamp 2013, S. 26. 72 Haverkamp 2013, S. 34f. 73 Haverkamp 2002a; Haverkamp 2013.

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Die jüdischen Gemeinden, deren Autorität wesentlich auf der internen Jurisdiktionsgewalt gründete, hatten möglicherweise auch einen Einfluss auf die Verfahren in Rechtsstreitigkeiten zwischen Christen und Juden. Dafür waren fast überall gemischte Zeugenbeweise erforderlich, wobei die Zahl der jeweils notwendigen Zeugen auf den beiden Seiten einen Eindruck von den veränderlichen Kräfteverhältnissen vermittelt. Einen Sonderfall stellen die paritätisch besetzten ‚Judengerichte‘ dar, bei denen unter der Leitung eines herrschaftlich eingesetzten (christlichen) Richters Christen und Juden als Schöffen an der Urteilsfindung mitwirkten. An vielen Orten musste die Klage gegen einen Juden oder eine Jüdin vor oder sogar in der Synagoge vorgebracht werden.74 Überall, von Byzanz bis England und von Spanien bis Mitteleuropa, gab es spezielle Formeln für den ‚Judeneid‘, mit dem ein Beklagter sich von der Anklage reinigen konnte (und der deshalb im Spätmittelalter mit besonderen Erschwernissen verknüpft sein konnte). Er wurde in oder vor der Synagoge, mit der Hand am Türring derselben oder auch am Eingang des Judenviertels geleistet, konnte aber auch vor dem christ­ lichen Ratsgericht abgenommen werden. Interessanterweise wurden einige Klagen – zum Beispiel wegen „schwerer und unmäßiger“ Zinsforderungen – aber auch vor kirchlichen Gerichten verhandelt. Es konnte dann sogar eine Art Exkommunikation über Juden verhängt werden.75 Wo die Zentralgewalt ein höheres Maß an Rechtseinheitlichkeit durchsetzen konnte, wie in Byzanz oder im anglo-normannischen Königreich, gehörten prinzipiell alle Verfahren zwischen Juden und Christen sowie gegen Juden vor die herrschaftlichen Gerichte; ein gewisses Maß an interner Autonomie galt wohl nur in Schiedsverfahren zwischen zwei jüdischen Parteien sowie in Familienangelegenheiten. Traditionen und Satzungen des religiösen Rechts beeinflussten sowohl bei Christen als auch bei Juden und Muslimen die Beziehungen zu den jeweils Andersgläubigen. Langfristig wirksam (wenngleich nicht überall ganz durchgesetzt) waren insbesondere die Proteste kirchlicher Synoden und Konzilien gegen die Übertragung von Herrschaftsbefugnissen über Christen an ‚Ungläubige‘, das Verbot der Mahl- und Hausgemeinschaft sowie weitere Regelungen, mit denen die Intimität zwischen Angehörigen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften eingeschränkt werden sollte. Die relative Wirksamkeit dieser Vorgaben beruhte teilweise darauf, dass auch die jüdischen und muslimischen Gemeinden ein Interesse an der Wahrung ihrer ‚Reinheit‘ hatten. An vielen Stellen haben die kirchlichen Forderungen in weltlichen Rechtsgewohnheiten Ausdruck gefunden: In Teruel galt, dass christliche Männer nur dienstags, donnerstags und samstags das Badehaus benutzen sollten, christliche Frauen montags und mittwochs, Juden und Muslime aber nur freitags. Wer zur falschen Zeit kam und so die Badenden beschämte, hatte ein Bußgeld zu gewärtigen.76 Auch die kirchlich seit dem IV. Lateran74 Magin 1999; Cluse 2002. 75 Coulet 2003. 76 Aznar y Navarro 1905, S. 142, § 291.

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konzil (1215) geforderte, aber weit seltener umgesetzte Kennzeichnungspflicht für Juden (und Muslime) wurde mit der Gefahr von ‚Vermischung‘ (commixtio) begründet.77 Faktisch wurde sie zu einem umstrittenen Symbol der sozialen Ausgrenzung. In Hinsicht auf sexuelle Kontakte lassen sich deutliche Unterschiede in der Bestrafung entsprechender ‚Delikte‘ bei Männern und Frauen feststellen. Außer in Fällen von Vergewaltigung wurden Intimbeziehungen christlicher Männer mit jüdischen oder muslimischen Frauen strafrechtlich kaum geahndet (allerdings war das Recht eines Dritten tangiert, wenn ein christlicher Mann mit der muslimischen Sklavin eines anderen schlief ). Ganz anders verhielt es sich, wenn eine christliche Frau mit einem Juden oder Muslim verkehrte. Dies galt selbst dann, wenn eine Herrin mit ihrem Sklaven schlief: Der fuero von Teruel sieht für diesen Fall die Todesstrafe für beide vor. Im Reichsgebiet ging man aus häufig opportunistischen Beweggründen von Zeit zu Zeit gegen Juden vor, die Kontakte mit christlichen Dirnen unterhielten; zumeist wurden Letztere dann der Stadt verwiesen und die jüdischen Männer mit hohen Geldstrafen belegt.78

3.5 K ler ik er und L aien Wie erwähnt, beanspruchten die Dom- und Stiftskirchen, Klöster und Kleriker auch innerhalb der Städte stets besondere Rechte. Im Gegensatz zu einem Fremden konnte ein Kleriker nach dem Stadtrecht von Teruel selbst für Straftaten nicht vor ein städtisches Gericht gezogen werden; auch die Ministerialen und Verwaltungsleute (villici) der Kirchen sollten nach den in Maastricht fixierten Regeln keinesfalls dem Marktgericht unterworfen sein (es sei denn, sie agierten als Kaufleute), noch durften sie von der Stadtgemeinde zu den allgemeinen Steuern herangezogen werden.79 Aus diesem Grunde bemühten sich die Kommunen, die Zunahme von kirchlichem Grundbesitz in der Stadt zu begrenzen, zum Beispiel indem sie versuchten, die Ansiedlung zusätz­licher Klöster zu verhindern, den Übergang von Eigentum in die ‚tote Hand‘ zu verbieten (‚Amortisationsgesetze‘) und vor diesem Hintergrund den Einfluss von Klerikern auf die Verwaltung von Nachlässen zu unterbinden.80 Eine Möglichkeit sah man auch in der Aufnahme von Klerikern in das Bürgerrecht der Stadt und ihre pauschale, vertraglich geregelte Besteuerung.81 77 Canon 68, in Alberigo ³1973, S. 266; vgl. X.5.6.15 (Friedberg 1879, Sp. 776f.). 78 Aznar y Navarro 1905, S. 211, § 385. Allgemein: Müller 2009. 79 Aznar y Navarro 1905, S. 16, § 32 (nam iudex secularis in clerico nullam habeat potestatem); van de Kieft u. a. 1967, S. 428, Nr. 17, § 2f. (Maastricht 1109), S. 446f., Nr. 30 (Maastricht 1204, forense iudicium). 80 Amortisationsgesetze: van de Kieft u. a. 1967, S. 267, Nr. 170, § 10 (Elbing 1246, nach lübischem Recht); wer Erbzinse in der Stadt hat, ist verpflichtet, die bürgerlichen Lasten mit zu tragen: Gengler 1863, S. 366 (Breslau 1338). Klöster: van de Kieft u. a. 1967, S. 267, Nr. 170, § 9 (Elbing 1246, nach lübischem Recht); Verbot der Vormundschaft: Gengler 1863, S. 347 (Bremen 1450). 81 Moeller 1972; Gilomen 2002, S. 159–165.

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4. Wege der Ink lusion Wie konnte Fremdheit, wie konnten die Rechtsnachteile von Auswärtigen, Andersgläubigen und Unfreien überwunden werden? Im Folgenden wird eine schematische Übersicht gegeben.

4.1 R eligion – Taufe und Weihe Als grundlegendes Inklusionsangebot mit weitreichenden Versprechungen kann die Annahme der herrschenden Religion durch Angehörige der jeweiligen Minderheit betrachtet werden. In Krisenzeiten konnte sie das Leben retten. Für die Vorgänge der Kolonisation in Mittel- und Osteuropa war die Mission fundamental. Religiöse Verschwisterung begründete langfristig einheitliche Rechtsformen, man denke an das Eherecht, den Eid, die Legitimation von Herrschaft. Religiöser Glaube als System von Vorstellungen ist freilich nicht überprüfbar. Inklusion allein aufgrund des Bekenntnisses ist also stets prekär. Es scheint, als ob die Widerstände gegen die Annahme der Taufe bei den Juden des aschkenasischen Kulturraums nochmals höher waren als in den mediterranen Landschaften, wo im 12. Jh. angesichts des Verfolgungsdrucks durch die Almoraviden auch noch relativ viele Übertritte vom Judentum zum Islam (mit anschließender Rückkehr zum angestammten Glauben) zu verzeichnen sind und wo unter dem Eindruck der Verfolgungen von 1391 Juden in großer Zahl die Taufe annahmen. In den Rheinlanden kehrten nach 1096 die meisten Überlebenden zum Judentum zurück; das Verhalten derjenigen, die die Taufe verweigert und lieber den Tod von der Hand der Kreuzfahrer oder von eigener Hand gewählt hatten, wurde zum bewunderten Vorbild des Martyriums. Hier galt der von R. Salomo b. Isaak (Raschi, gest. 1104) formulierte Grundsatz, dass der Apostat zwar sündigte, damit aber keineswegs sein Judentum verlor. Umgekehrt betonte die christliche Lehre immer nachdrücklicher die rituelle Selbstwirksamkeit des Taufaktes, was sich besonders auf die Einschätzung von Zwangstaufen und auf die Bewertung der letztlich ‚gescheiterten‘ Konversionen auswirken musste. Weder wurde also der Taufe seitens der jüdischen Gemeinschaft eine Wirksamkeit zugestanden noch verlor der Täufling in den Augen der christlichen Mehrheit seine ‚jüdische Natur‘. Dieses Paradox konnte zu einer beiderseitigen sozialen Exklusion führen. Im lateinischen Westen erlangte das kirchliche Recht im Hochmittelalter klare Konturen. In vielerlei Hinsicht waren Organisation und Verwaltung der Kirche früher und klarer systematisiert als dies für weltliche Herrschaften gilt. Dies trifft auch auf die Regelung der Rechte fremder Kleriker in den Gemeinden und Diözesen zu: Den bei Gratian kodifizierten Grundsätzen nach waren den verdienten Klerikern einer Kirche keine ‚Fremden‘ (peregrini et extranei) voranzustellen; überhaupt sollte gegen den Widerstand des Ortsklerus kein Bischof bestimmt werden; ein auswärtiger Bischof durfte keinen

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Kleriker weihen und keine Konsekration vornehmen oder sich sonst eine Amtshandlung im Bistum eines anderen anmaßen, es sei denn, er wurde darum gebeten.82 Die Mönche einer civitas unterstanden dem Ortsbischof. Ein Kleriker war in einer anderen Kirche nur aufzunehmen und durfte dort nur dann zelebrieren, wenn er das Beglaubigungsschreiben seines Bischofs vorweisen konnte.83 Kein Auswärtiger konnte gegen einen Bischof Klage erheben, und es galt der Gerichtsstand des Beklagten. Selbst ein Laie durfte i. d. R. nur von dem gerichtet oder gar exkommuniziert werden, der dafür zuständig war. Auswärtige Richter durften in einem Bistum nur nach päpstlicher Autorisierung eingreifen.84 Ausnahmen von diesen Grundsätzen führten bezeichnenderweise zu einer Stärkung hierarchischer Beziehungen im Sinne der Päpste: Dies gilt für die direkte Unterstellung der Bettelorden unter die Autorität des Heiligen Stuhls ebenso wie für die richterlichen Befugnisse von Legaten und Inquisitoren. Die Aufnahme in die Kirche eröffnete grundsätzlich allen, hauptsächlich aber den männlichen Christen die Möglichkeit der Übernahme von Akteursrollen in Klöstern und im Weltklerus durch Gelübde, Weihe und Wahl. Vergleichbar sind die sich hier bietenden Chancen praktisch nur mit denen, die im Römischen Reich die Armee geboten hatte. Faktisch war der Aufstieg zwar von sozialen Faktoren bestimmt – so waren die Domkapitel fast immer eine Domäne des regionalen Adels –, doch ist das Ausmaß, in dem die ‚Eignung‘ (idoneitas) auch durch Spiritualität, Intelligenz und Bildung sowie Organisationstalent bestimmt wurde, erstaunlich hoch. Diese soziale Mobilität, die meist auch mit einer räumlichen verbunden war, ist bei den sog. Bettelorden seit dem 13. Jh. besonders deutlich ausgeprägt. An ihr werden Merkmale einer funktionalen ­Differenzierung lange vor dem Übergang zur sog. Moderne deutlich.

4.2 Hör ige, Sk l aven und Sk l av innen – Fr eil assung Die Verhältnisse zwischen Grundherren und ihren Hörigen sind seit karolingischer Zeit von vielfältigen, zeitlich und räumlich verschiedenen und außerdem eher kleinteiligen Prozessen der Ablösung von Merkmalen der Unfreiheit gekennzeichnet: Dienstverpflichtungen wurden präzisiert, reduziert und durch Geldzahlungen abgelöst, Heiratsbeschränkungen gelockert. Am nachhaltigsten hielten sich Todfallabgaben (besthaupt, mortemain, heriot) als Gegenleistung für die Einsetzung des Erben in eine Bauernstelle. Wesentliche Faktoren bei diesen Vorgängen waren einerseits das Vordringen der Geldwirtschaft und andererseits die jeweiligen Möglichkeiten der Flucht und Emigration. 82 Decretum Gratiani, Dist. 61, c. 12f. (Friedberg 1879, Sp. 231f.), Dist. 71, c. 1 (Sp. 257f.); C. 16, q. 5, c. 7 (Sp. 787f.); C. 9, q. 2, c. 3 (Sp. 603f.). 83 Nullum absque formata, quam Greci epistolam dicunt, suscipi peregrinorum clericorum oportet: Decretum Gratiani, Dist. 71, c. 9 (Friedberg 1879, Sp. 259f.). Vgl. schon Regula Benedicti, 61,13. 84 Decretum Gratiani, C. 3, q. 5, c. 6 (Friedberg 1879, Sp. 515f.); C. 3, q. 6, c. 2.4 (Sp. 519f., 521); C. 6, q. 3, c. 1 (Sp. 561f.); vgl. C. 9, q. 2, c. 1 (Sp. 601f.); C. 3, q. 6, c. 15 (Sp. 519f.).

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Nicht zuletzt die Bauernaufstände des Spätmittelalters bis hin zum Deutschen Bauernkrieg (1525) zeigen jedoch, dass ein Substrat ländlicher Unfreiheit bestehen blieb; für einige Regionen ist im Spätmittelalter sogar eine ‚neue Leibeigenschaft‘ zu konstatieren. Einen viel klareren Übergang von der Unfreiheit in die Freiheit beschreiben die zahlreichen notariellen Freilassungsurkunden jener vorwiegend mediterranen Städte und Regionen, in denen Sklaverei nach römisch-rechtlichen Mustern und Sklavenhandel seit dem hohen Mittelalter eine Erneuerung erfahren hatten. Das Formular der Manumissionsurkunde enthielt neben der Entlassung aus der Gewalt des Sklavenhalters und von jedem Band der Dienstbarkeit auch die Überlassung des Peculiums und die ausdrückliche Zusicherung der ungehinderten Ausübung aller Rechtshandlungen, zu denen ein freier römischer Bürger bzw. eine freie römische Bürgerin berechtigt war. Die Rate der Freilassungen ist, gemessen am zahlenmäßigen Verhältnis von Manumissionszu Verkaufsurkunden, bis ca. 1300 relativ hoch (etwa 2 : 3), was sich durch die geänderte Situation auf dem Arbeitsmarkt nach 1350 aber verschlechtert. Die Freilassungen galten häufig für Personen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren; typische Anlässe waren die Ausstellung eines Testaments seitens des Sklavenhalters und der Wunsch nach Heirat seitens der Sklavin. Sklaverei, vor allem der Sklavendienst von Frauen und Mädchen im Bereich des Hauses, weist mithin Ähnlichkeiten zum Phänomen der life cycle servitude auf. Allerdings waren die Freilassungen nicht immer gratis, ganz im Gegenteil. Die Gegenleistungen sind sehr divers – eine finanzielle Abfindung, eine bestimmte Anzahl von Jahren fortgesetzten Dienstes, manchmal in einem anderen Haushalt als Variante der Vermietung. Ungeachtet der religiös-karitativen Rhetorik der einschlägigen Notariatsinstrumente konnte die Freilassung durchaus dem ökonomischen Kalkül des Sklavenhalters entspringen, insofern er damit der Verpflichtung zur weiteren Absicherung seiner Sklavin oder seines Sklaven ledig wurde. Auffällig für die spätmittelalterlichen Verhältnisse ist dagegen das Fehlen eines rechtlich klar umrissenen ‚Freigelassenen‘-­ Status (libertus/-a).

4.3 Auswärtige und Zu wander er – Erwer b des Bürger r echts In der Früh- und Hochphase der europäischen Urbanisierung entfalteten Städte zweifellos eine große Anziehungskraft auf Auswärtige, sowohl Landbewohner als auch Bewohner anderer Städte. Die Übersiedlung in eine Stadt war zumeist mit der Aufnahme in ihr Bürgerrecht verbunden, wobei die Haushaltsvorstände (Männer oder – wenngleich selten ausdrücklich genannt – Frauen) für Familie und oft auch Gesinde verantwortlich gehalten wurden. Nach Übersiedlung unter Erwerb von Immobilienbesitz war der Eintritt in das Bürgerrecht manchmal verpflichtend, wofür Fristen festgelegt wa-

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ren.85 Umgekehrt konnte die ‚Haushäblichkeit‘ zu den Voraussetzungen für die Aufnahme gehören.86 Wegen möglicher Auseinandersetzungen mit auswärtigen Herren um entlaufene Eigenleute sahen manche Stadtrechte vor, solche homines proprii oder überhaupt die Hintersassen bestimmter Vertragspartner nicht aufzunehmen. Die Aufnahme selbst war zumeist mit der Zahlung einer – je nach politischen Erfordernissen variabel gestalteten – Gebühr87 und mit ‚Trinkgeldern‘ für die beteiligten Amtsleute verbunden. Vor allem aber musste der Kandidat bzw. die Kandidatin einen promissorischen Eid schwören, dass er den Nutzen der Stadt fördern und Schaden von ihr abwenden werde. Für manche Städte ist bezeugt, dass der Bürgereid regelmäßig anlässlich sog. ‚Schwörtage‘ wiederholt werden musste. Zentrale Bestandteile der Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde waren die Übernahme eines Anteils an den städtischen Lasten und die Anerkennung der Herrschaft des jeweiligen Stadtherrn bzw. der Ratsobrigkeit. Für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit war es gegebenenfalls erforderlich, zusätzlich zum Bürgerrecht eine Zunft zu erwerben, was mehr oder weniger restriktiv gehandhabt werden konnte. Für die rheinische Kathedralstadt Worms ist das Zeremoniell der Bürgeraufnahme für die Zeit um 1300 recht genau beschrieben: Der Anwärter hatte seine Bitte dem Rat vorzutragen und musste beantworten, ob er Höriger sei, ob er sich in Fehde (krig) befinde und ob gegen ihn eine Klage wegen Schulden u. Ä. vorlag. Er musste Gehorsam versichern und Bürgen dafür stellen, dass er der Stadt innerhalb von zwei Wochen fünf Pfund zum Unterhalt ihrer Bauten leiste und dass er innerhalb eines Jahres ein Haus oder Grundstück im Wert von mindestens zehn Pfund erwerbe. Es folgten die Aufnahmeworte durch den Bürgermeister, die auch eine Schutzzusage enthalten. Den Abschluss bildete der Bürgereid. Dem Bischof war für die Bürgeraufnahme ein Viertel Wein, den Ratleuten jeweils ein halbes Viertel, dem Stadtbüttel ein Trinkgeld und dem Schreiber ein Groschen zu spendieren. Die Aufnahme eines jüdischen Neubürgers war ähnlich, setzte aber die Aufnahme seitens der jüdischen Gemeinde voraus: Der Anwärter ging zuerst zum Vorsteher (juden byschoff) und zum Rat der jüdischen Gemeinde, um von diesen „nach ihrer Gewohnheit“ aufgenommen zu werden. Danach gingen die Sprecher der Gemeinde mit ihm vor den Stadtherrn (den Bischof von Worms), um zu verkünden, dass sie ihn „nach ihren Sitten als einen Bürger“ auf85 Zur Verpflichtung zum Erwerb des Bürgerrechts vgl. z. B. van de Kieft u. a. 1967, S. 363, Nr. 47, § 21 (Poperinghe 1208: durch Eid spätestens nach einem Jahr, bei entpfründeten Klerikern innerhalb von 15 Tagen); Bedenkzeit von 15 befriedeten Tagen: Gengler 1863, S. 554 (Köln 1302); 8 Tage: Gengler 1863, S. 663 (Cranenburg 1340). 86 Grundansässigkeit: Gengler 1863, S. 335 (Bremen 1330); auswendige burger werden ausgeschlossen, sobald sie zu einigen zeiten baussen Cöllen zuwohnen quemen: Gengler 1863, S. 579 (Kölner Verbundbrief 1396). 87 Van de Kieft u. a. 1967, S. 250, Nr. 159, § 21 (Halle 1235: Gebühr von 3 sol., quod burmal appellatur).

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genommen hatten. Dem Bischof, dem Rat und der Stadtgemeinde musste der jüdische Neubürger dann ein Treueversprechen geben. Er war nun Bürger. Die fälligen Weingeschenke sind praktisch dieselben wie bei einem christlichen Neubürger.88 Das Bürgerrecht wurde in Worms auch Kindern von christlichen wie jüdischen Neubürgern zugesprochen; die erhaltenen Formulierungen sind nicht eindeutig hinsichtlich der Frage, ob solche Kinder nach dem Erwerb des Bürgerrechts durch den Vater geboren oder ob sie lediglich zum Zeitpunkt der Ankunft minderjährig sein mussten (offenbar kamen beide Kriterien vor). Auch ein Christ oder Jude, der eine Wormserin heiratete und in die Stadt zog, war ohne jede Zahlung als Bürger zu betrachten.89 Die entscheidende Rolle der jüdischen Gemeinde, die um diese Zeit auch für andere Städte des Reiches ausdrücklich bezeugt ist, beruht auf der Institution des ‚Siedlungsbanns‘ (herem ha-Jishuv) im jüdischen Recht, die den ansässigen jüdischen Hausvorständen die Möglichkeit gab, unliebsame Konkurrenten fernzuhalten. Nach der Zerschlagung der weitaus meisten Gemeinden um die Mitte des 14. Jhs. konnte dieses Recht kaum noch effektiv ausgeübt werden. Der Zuzug auch in größere jüdische Niederlassungen wurde nun fast immer durch die christlichen Herrschaftsträger (einschließlich der Stadtgemeinden) per Vertrag geregelt.90 Eine andere Form der Übertragung des Bürgerrechts auf auswärtige Personen ergab sich gelegentlich im Rahmen von Stadterweiterungen, d. h. wenn Vorstadtsiedlungen in den erweiterten Mauerring einbezogen oder aus anderen Gründen dem Rechtsbezirk der inneren Stadt angegliedert wurden. Von Interesse sind darüber hinaus die diversen zwischenstädtischen Bündnisse bis hin zu Städtebünden, die unter anderem die Amtshilfe bei der Verfolgung von Straftätern, die Anerkennung von Gerichtsurteilen der jeweiligen Vertragspartner in Zivilsachen sowie eine weitgehende Gleichberechtigung in Zollfragen umfassen konnten. Das Phänomen der sog. Städtebünde (an denen oft nicht nur Städte als Vertragspartner beteiligt waren) begegnet allerdings vor allem im Zusammenhang von Krisen im weiteren Herrschaftsgefüge des Umlands. ‚Städtebünde‘ sollten der Friedenswahrung oder der gemeinsamen Verteidigung dienen und hatten weniger ausgeprägte ökonomische Zielsetzungen; oft waren sie recht kurzlebig, sie zeigen allerdings wie eine Art Spitze des Eisbergs die intensive zwischenstädtische Kommunikation, die seit dem 14./15. Jh. in zahlreichen Brief- und Botenbüchern besser überliefert ist als für die Zeit davor.

88 Kohler u. a. 1915, S. 41f., §§ 151, 154. Eine ganz ähnliche Formulierung finden wir Ende des 13. Jhs. in Augsburg, vgl. Haverkamp 2013, S. 35f. (secundum ius et consuetudinem judeorum). Das Treueversprechen (globen) des Juden in Worms war offenkundig nicht dasselbe wie der promissorische Eid (swern) des Christen. Später finden wir allerdings zahlreiche Beispiele für einen jüdischen Bürgereid, dessen Formular wenig von dem christlichen abweicht. 89 Kohler u. a. 1915, S. 9f., §§ 16–18. 90 Cluse 2004a.

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Vornehmlich der militärischen Wahrung städtischer Sicherheitsinteressen diente wohl auch das Institut der ‚Pfahlbürger‘, bei dem auswärtige Ritter und andere Herren vertraglich in das Bürgerrecht der Stadt aufgenommen wurden, ohne dort freilich ihren Wohnsitz zu nehmen. Im Reichsgebiet stießen diese Bindungen auf den erbitterten Widerstand der betroffenen Stadtherren und wurden durch königliche Mandate unter den Staufern (1232, 1234) verboten. Untersagt wurde auch die umgekehrte Praxis, dass Stadtbewohner sich in den Schutz (die munt) eines auswärtigen Herrn begaben, wie ja überhaupt die Ausübung von Geleitrechten durch Fremde in der Stadt häufiger unterdrückt werden musste.91 Die Übernahme von Akteursrollen innerhalb der Bürgergemeinde, also die Mitgliedschaft im Rat einer Stadt oder die Ausübung einer städtisch besoldeten Tätigkeit, stand durchaus nicht jedem Neubürger offen. Nur selten, wie in Breslau unmittelbar nach dem ‚Schwarzen Tod‘ (1352), wurden „alle und jede Bürger und Kaufleute [...], wenn sie nur in gutem Rufe stünden“, für ratsfähig erachtet.92 Uwe Israel hat den Hürdenlauf für die oberitalienische Kommune Treviso in der Terraferma von Venedig beschrieben: Vor dem Zutritt zu den Ämtern der kommunalen Verwaltung hatte man in Treviso hohe Hürden zu überwinden. Wer ancianus werden wollte, musste von Vater- oder Mutterseite her Bürger der Stadt oder des Distrikts sein. Wer solche Eltern nicht hatte, konnte sich nach 30 respektive 20 Jahren Aufenthalt immerhin um das Amt des consul oder gastaldus bewerben. Wer advocatus, syndicus oder procurator werden wollte, musste 15 Jahre lang ausharren. Für eine Stelle unter den custodes portarum, confinium oder castrorum war man nach zehn Jahren, unter den schiriguayte (Straßenwächter) oder custodes nocturni nach fünf Jahren tauglich.93 In der Praxis waren Zuwanderer weitgehend von der städtischen Politik und Administration ausgeschlossen – von wenigen Ausnahmen abgesehen, die entweder politisch motiviert waren (der Podestà von Treviso musste ein Auswärtiger sein) oder wegen besonderer Kenntnisse und Fertigkeiten gemacht wurden (man denke an Rechenmeister und andere spezialisierte Lehrer, Konstrukteure usw.). Derartige funktionale Kriterien für die Zuweisung von öffentlichen Ämtern an Auswärtige gab es auch in fürstlichen Herrschaften und Königreichen (etwa die Armenier in der byzantinischen Verwaltung94); sie waren nicht selten der Kritik vonseiten der Einheimischen ausgesetzt. 91 Pfahlbürger: van de Kieft u. a. 1967, S. 232, Nr. 148, § 10 (Statutum in favorem principum 1232), S. 248, Nr. 156, § 13 (Mainzer Reichslandfrieden 1234); Geleit: van de Kieft u. a. 1967, S. 248, Nr. 156, § 12; ‚Muntmannen‘: van de Kieft u. a. 1967, S. 248, Nr. 156, § 13; vgl. auch RI V Nr. 1069 (Nürnberg 1219) und Nr. 1825 (Regensburg 1230). Für Ausnahmen vom Verbot vgl. z. B. Regesta Imperii XI Nr. 11250 (König Sigismund für Konstanz 1436). Vgl. auch Christ 2002. 92 Gengler 1863, S. 371. In Basel sollte der Stadtrat für Patrizier, Bürger, Zünfte oder andere „ehrbare Leute“ offen sein: Gengler 1863, S. 148. 93 Israel 2005, S. 201. In Augsburg galten 1383 Anwartschaftszeiten von mindestens 10 bzw. 5 Jahren Aufenthalt für die Wählbarkeit in den kleinen bzw. den großen Rat: Gengler 1863, S. 88. 94 Garsoïan 1998, S. 93, 101f.

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4.4 K aufleute: Geleit – Pr iv ileg – Gastr echt In der Regel genossen auswärtige Kaufleute als ‚erwünschte‘ Fremde einen besonderen Schutz, der meist nur in akuten Kriegsphasen nicht ausreichte, um eine Fortführung der Handelstätigkeit zu gewährleisten. Die Gewährung solchen Schutzes wurde vielfach als Königsrecht und infolgedessen als Recht des jeweiligen Stadtherrn betrachtet und mit dem Recht auf Zollforderungen verbunden, seine Verletzung galt als Bruch des allgemeinen Friedens. Sicheres Geleit für alle wurde oft für besondere Zeiten vor und nach offenen (Jahr-) Märkten ausgerufen, zu denen möglichst viele und bedeutende Händler kommen sollten. Es galt oft ausdrücklich für Kaufleute unterschiedlicher Religionszugehörigkeit – „sie seien Juden oder Christen“, „gleich, ob es sich um einen Christen, einen Juden oder auch einen Muslim handelt“.95 Geleitverträge konnten die Gegenseitigkeit der Schutzleistungen absichern helfen.96 Über die allgemeine Form des ‚Friedens‘ und des (gegebenenfalls in Schutzbriefen festgehaltenen) Geleits hinaus genossen auswärtige Kaufleute und andere Spezialisten Rechte, die sie in Form von Privilegien erwarben. Bei den Privilegien, die in überaus großer Zahl auch für alle möglichen anderen Empfänger ausgestellt wurden, handelt es sich um eine Rechtsform, die sich zwar auf spätantike Ausprägungen des Kaiser- und auch Kirchenrechts zurückführen lässt, die aber in den mittelalterlichen Jahrhunderten eine besondere Karriere gemacht hat – bis, wie man sagt, „der ganze Rechtshimmel voller Privilegien hing“.97 Privilegien für Kaufleute, die hier näher betrachtet werden sollen, hatten dabei insbesondere Exemtionsrechte zum Gegenstand. Sie zielten nicht darauf, diese Fremdgruppe der ortsansässigen Bevölkerung anzugleichen (wenngleich dies geschehen konnte), sondern sollten sie aus der Referenzgruppe aller anderen auswärtigen Händler herausheben. Die Exemtionen betrafen dabei nicht nur wirtschaftlich relevante Aspekte wie den Zoll oder die freie Handelstätigkeit angesichts lokaler Monopole, sondern zumeist auch gerichtliche Verfahrensfragen wie den Schutz vor Pfändung. Ein wichtiges Beispiel betrifft die Befreiung vom Verfahren des Ordals bzw. Gottesurteils und sein Ersatz durch Reinigungseid oder Zeugen- und Indizienbeweis – eine Exemtion, die zuerst in vereinzelt überlieferten Kaufmannsprivilegien auftaucht und von dort in einzelne Stadtrechte übernommen worden ist. Zusichern ließ man sich auch einen besonderen Gerichtsstand oder das Recht, nicht für Schulden eines Landsmanns arrestiert zu werden.

95 Gengler 1863, S. 959f. (Abensberg 1366: sy sein juden oder kristen); Aznar y Navarro 1905, S. 217, § 409 (sive sit cristianus sive iudeus vel etiam sarracenus). 96 Gengler 1863, S. 535 (Köln und die Grafen von Berg, 1249), vgl. S. 545 zu 1262. 97 Dölemeyer u. a. 1997.

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Im Allgemeinen wurden fremde Kaufleute mit höheren Zöllen als einheimische belastet98, und aus Gründen der Konkurrenz waren vielerorts besondere Einschränkungen der Handelsfreiheit in Stadtrechten und Statuten festgeschrieben, wovon vor allem für die Zeit der größeren Märkte aus Gründen des Eigeninteresses Ausnahmen gemacht wurden. Sonderrechte konnten Kaufleute insbesondere dann erwirken, wenn sie als Gruppe auftraten, was am deutlichsten im Vorgehen der Hanse im Nord- und Ostseeraum zum Ausdruck kommt.99 Andere Vorteile, die sie sich auszuhandeln vermochten, bestanden in der Möglichkeit der gegenseitigen Bürgschaftsleistung, vor allem aber im Leben nach eigenem Recht, was sich auch auf den religiösen Bereich erstrecken konnte. Dies gilt für die frühen Niederlassungen von Juden am Rhein im 10./11. Jh. ebenso wie für christliche Kaufleute in der Fremde: So erhielt die Niederlassung der deutschen Kaufleute in Visby (Gotland) 1226 das Recht auf einen eigenen Friedhof.100 Der Charakter des Privilegs als Ausnahmerecht wird besonders in den Fällen deutlich, in denen die Empfänger durchsetzen konnten, dass keine Konkurrenten am Ort geduldet werden sollen. Innerhalb der Städte, in denen sie Handel trieben, war es essenziell, dass Kaufleute persönlichen Schutz genossen, über ihren Besitz frei verfügen konnten und vor Diebstahl sicher waren. Dem Geleit auf den Straßen stand hier die zuweilen archaisch anmutende Institution des Haus- und Gastrechts gegenüber. Hausfriedensbruch wurde streng geahndet; ein Hausherr, der bei der Verteidigung jemanden verwundete oder erschlug, konnte straffrei ausgehen.101 Der Asylcharakter des Aufenthalts im Hause des 98

Van de Kieft u. a. 1967, S. 86, Nr. 55, § 12 (Freiburg 1120); S. 97, Nr. 55, § 36/17f. (Freiburg, 2. Drittel 12. Jh.–1218); S. 376, Nr. 56, § 6 (Trazegnies 1226); S. 551, Nr. 29, § 19 (Roskilde 1268); Gengler 1863, S. 350f. (Bremgarten/CH 1309: melius theolonium dabit quilibet alienus); ein Bürger verzollt gegebenenfalls die Waren seines Gastes: van de Kieft u. a. 1967, S. 162, Nr. 98, § 2 (Stade, nach 1198); er darf diese nicht am Zoll vorbeiführen oder unterschlagen: ebd., S. 257, Nr. 165, § 20f. (Wesel 1241); die Benutzung von Zollstraßen wird zur Pflicht gemacht: Gengler 1863, S. 69 (Auerbach 1418). 99 Vgl. auch van de Kieft u. a. 1967, S. 526, Nr. 8 (dänischer König für die Leute von Ribe 1146– 1157); vgl. auch die gänzliche Befreiung, einschließlich forband et torgiald, für die Bürger von Ribe: ebd., S. 536, Nr. 18 (1242, wiederholt 1250 und 1252). 100 Möglichkeit der gegenseitigen Bürgschaftsleistung: Gengler 1863, S. 328 (Kg. Erik von Norwegen für die Bremer 1294); Leben nach eigenem Recht: van de Kieft u. a. 1967, S. 114, Nr. 84 (1174–1178: Herzog Sobieslaw II. von Böhmen nimmt die Deutschen im „suburbium“ Prag in seinen Schutz auf ); S. 201, Nr. 126 (Ujest, Bistum Breslau, 1222: ad locandum Teutonicos vel alios hospites, in jure Theutonico vel alio modo, qui sibi videbitur expedire); eigener Friedhof: van de Kieft u. a. 1967, S. 535, Nr. 17 (Wisby 1226). 101 Hausfriedensbruch: van de Kieft u. a. 1967, S. 110, Nr. 62, § 26 (Soest ca. 1150-2. Hälfte 13. Jh.); Todesstrafe bei Angriff gegen den Hausherrn oder seinen Gast: van de Kieft u. a. 1967, S. 170f., Nr. 105 (Rechtsweisung der Magdeburger Schöffen 1201–1238); Selbstverteidigung straffrei: van de Kieft u. a. 1967, S. 101, Nr. 55, § 72 (Freiburg, Stadtrodel); S. 256, Nr. 165, § 26 (Wesel 1241).

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Wirtes konnte (vorübergehend) vor einer Schuldklage schützen102, und es war der Wirt, der gegebenenfalls die Hinterlassenschaft eines in der Stadt verstorbenen Fremden für ein Jahr aufbewahrte für den Fall, dass ein rechtmäßiger Erbe sie beanspruchte.103 Er konnte für Gewalttaten gegen seinen Gast verantwortlich gemacht werden, wenn er den Täter nicht benennen konnte oder wollte.104 Eine Wiener Urkunde von 1192 spricht von den „ehrbaren Leuten, die man hospites, d. h. Wirte, nennt und denen aus gutem Grund Glauben zu schenken ist“.105 Ein Wirt konnte also für seinen Gast bürgen und musste dies gegebenenfalls auch tun, wenn er ihn trotz Mahnung weiter beherbergte oder ihn willentlich entkommen ließ.106 Die Gewährung von Gastrecht gegenüber einem Rechtsbrecher war oft ausdrücklich verboten; nur selten und nur unter Bedingungen wurde sie zugestanden.107

102 Gengler 1863, S. 309 (Breisach 1275: quamdiu secum steterit hospes, a nemine in judicio Brisacensi super aliquo debito debeat conveniri); Schutz vor Pfändung bei Schulden, ganz, wenn er ‚Gast‘ ist: Gengler 1863, S. 17 (Ahlen 1389); nur nach Gerichtsentscheid: van de Kieft u. a. 1967, S. 300, Nr. 11, § 14 (Huy 1066); nur unter Beteiligung des Büttels oder mehrerer Mitbürger: van de Kieft u. a. 1967, S. 214, Nr. 137, § 13 (Braunschweig 1227); vgl. ebd., S. 216, Nr. 138, § 15 (Brauschweig 1227). Zum Problem der Pfändungen vgl. auch Aznar y Navarro 1905, S. 217, § 409; van de Kieft u. a. 1967, S. 172, Nr. 106, §§ 4–5 (Stade 1204), S. 176, Nr. 108, § 18 (Stade 1209, per juris ordinem); van de Kieft u. a. 1967, S. 181, Nr. 111, § 57 (Münster 1209–1214); Gengler 1863, S. 413 (Brühl 1285). 103 Gengler 1863, S. 842 (Dortmund 1230–1240). 104 Van de Kieft u. a. 1967, S. 393, Nr. 61, § 40 (Brüssel 1229). 105 Van de Kieft u. a. 1967, S. 165, Nr. 100, § 15 (Wien 1192: honesti viri, qui appellantur hospites, id est wirte, et quibus merito credi debeat); Gengler 1863, S. 745 (Deutschbrod 1278: teste ydoneo hospite civitatis vel aliis duobus civibus viris ydoneis). 106 Van de Kieft u. a. 1967, S. 475, Nr. 44, § 65 (Haarlem 1247), S. 482, Nr. 45, § 61 (Delft 1246: were auch, daz der wirt den vorkummirtin man mit willen gehen lyz); Gengler 1863, S. 27 (Altenburg 1356). 107 Van de Kieft u. a. 1967, S. 391, Nr. 61, § 24f. (Brüssel 1229); S. 396, Nr. 62, § 1 (Löwen 1234); gegenüber Gebannten: van de Kieft u. a. 1967, S. 363, Nr. 47, § 13 (Poperinghe 1208); ab einer bestimmten Strafhöhe drohte dem Gastgeber dieselbe Strafe: van de Kieft u. a. 1967, S. 335, Nr. 35, § 7, S. 338, Nr. 36, § 7, S. 341, Nr. 37, § 7 (Oudenaarde, Brugge, Gent, jeweils 1168); S. 344, Nr. 38, § 3 (Ypern 1168); S. 248, Nr. 156, § 26 (Mainzer Reichslandfrieden 1234: hospes ejus ut proscriptus puniatur, domus ejus diruatur); Möglichkeit, der Strafe zu entgehen: van de Kieft u. a. 1967, S. 392, Nr. 61, § 37 (Brüssel 1229), z. B. wenn der Fremde gewaltsam einbrach, durch Anzeige: van de Kieft u. a. 1967, S. 396, Nr. 62, § 1 (Löwen 1234); Erlaubnis unter Bedingungen: Gengler 1863, S. 8 (Aachen 1442).

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5. Ver fahr en der Exk lusion 5.1 Exk lusion als Str afe Auch im Hinblick auf den Ausschluss von zuvor zugestandenen oder erworbenen Rechten sind unterschiedliche Rechtskreise zu berücksichtigen. Im kirchlichen Leben gab es seit der Spätantike das Verfahren der Exkommunikation als Teil der (öffentlichen) Kirchenbuße. Sie zog für die Zeit der Buße für begangene Todsünden den Ausschluss von der Eucharistie nach sich, nach Bußleistung und Absolution durch den Priester war sie beendet. Gratian kennt neben dieser ‚kleinen‘ Exkommunikation nur den formellen Ausschluss der Häretiker aus der kirchlichen Gemeinschaft durch das ‚Anathema‘. Allerdings waren Gestalt und Anwendung der Exkommunikation im 12. Jh. einem tief greifenden Wandel unterworfen. Neben die ‚kleine‘ Exkommunikation trat nun eine ‚große‘ in Form des geistlichen Bannes, mit dem Verbrechen gegen Kleriker, Verstöße gegen das Kirchenrecht, Verachtung kirchlicher Gerichte und letztlich jede Bedrohung der kirchlichen Freiheiten geahndet werden konnten. Nicht mehr das forum internum der Beichte, sondern die Institutionen der kirchlichen Hierarchie waren für die Bestimmung, Verkündigung und gegebenenfalls Aufhebung der Strafe zuständig. Der exkommunizierten Person wurden die Sakramente verweigert, was insbesondere bei den Sterbesakramenten schwer wog. In der lokalen oder territorialen Verallgemeinerung als Interdikt konnte die Exkommunikation durch Einstellen der geistlichen Handlungen als politisches Druckmittel dienen. In einzelnen Ortskirchen (England) hatte die kirchliche Exkommunikation für die betroffene Person auch nachhaltige Folgen im weltlichen Recht. Darüber hinaus sah das kirchliche Recht zum Schutz von Klöstern und Stiften vor, dass einzelne Kleriker ausgeschlossen werden konnten, wenn sie die brüderliche Gemeinschaft gefährdeten.108 Vergleichbare Formen und Funktionen hatten die unterschiedlichen Stufen des Bannes (cherem) in den jüdischen Gemeinden. Entsprechend dem Anspruch der Könige, für die Wahrung des allgemeinen Friedens in ihrem Reich verantwortlich zu sein – ein Anspruch, der im Hochmittelalter unter dem Eindruck der häufig von Bischöfen angeführten ‚Gottesfrieden‘ noch gesteigert wurde –, erhielt die Verbannung als Rechtsinstitut auf der Ebene der königlichen Herrschaften zuerst klare Konturen. Dabei werden die Begriffe der antiken proscriptio, der Acht, des Banns, der Recht- und Friedlosigkeit und der Ehrlosigkeit (Infamie) bemüht, ohne dass im Einzelnen immer klar würde, ob und wie diese voneinander zu unterscheiden waren. Verurteilt wurden insbesondere öffentliche Friedensbrecher, aber auch Münzfälscher und nicht zuletzt politische Gegner bis hinauf zu den bedeutenden Reichsfürsten, wenn sie sich über Jahr und Tag den gegen sie angestrengten Gerichtsver108 Murmurantes a fratrum unitate alieni efficiantur: Decretum Gratiani, Dist. 105, c. 4 (Friedberg 1879, Sp. 313f.).

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fahren verweigerten. Verbannte durften nicht beherbergt werden, ihr Gut verfiel dem Herrscher; die Verhängung der Acht zog nicht immer ein gewaltsames Vorgehen gegen den Friedensbrecher nach sich, legitimierte es aber. Nach Auffassung des Sachsenspiegels waren auch Kämpen (d. h. Männer, die um Lohn ein gerichtliches Duell ausfochten), Spielleute und überführte Diebe bzw. Räuber ehrlos, was sich speziell auf ihre Rechte bei Gericht bezog. Die Ehe des Gebannten blieb gültig, doch seine Kinder galten ebenfalls als ehrlos.109 In den Städten nahmen die Bannstrafen unterschiedliche Formen an. Generell stellte die Ausweisung ein flexibles Instrument dar, um sich unliebsamer Einwohner oder Gäste zu entledigen. Seit dem 14. Jh. gingen städtische Obrigkeiten beispielsweise dazu über, fremde sowie betrügerische Bettler abzuschieben. Häufig traf die Verbannung auch männliche und weibliche Stadtbewohner, deren Lebensführung als zügellos bzw. moralisch anstößig empfunden wurde;110 von solchen ‚Säuberungen‘ waren z. B. oft die Prostituierten betroffen. Außerdem konnte ein Bürger seines Bürgerrechts durch eine Gewalttat gegen die Gemeinde verlustig gehen, indem dies als Aufkündigung gewertet wurde.111 Bei den meisten Bürgern oder Angehörigen von Bürgerfamilien wurden die Stadtverweise allerdings nur zeitlich begrenzt ausgesprochen. Soweit ersichtlich, war damit kein Verlust des Bürgerstatus verbunden (dieser musste nicht neu erworben werden), sondern lediglich die Unmöglichkeit, die daraus erwachsenden Rechte wahrzunehmen. Verbannung und Exil wurden so besonders zu Zeiten von Auseinandersetzungen um die Führung innerhalb der Bürgerschaft zum politischen Werkzeug – man denke an die Kämpfe zwischen Ghibellinen und Guelfen in den ober- und mittelita­ lienischen Städten und an den wohl berühmtesten Exulanten des Spätmittelalters, den Dichter Dante Alighieri. Mit der genaueren Bestimmung des Begriffs ‚Bürger‘ im Rahmen der Konsolidierung von Stadtgemeinden und der Rezeption gelehrter Rechte ergab sich schließlich auch die Option, Gruppen von Stadtbewohnern einen geringeren rechtlichen Status zuzusprechen. Mit dieser Strategie wurden im Verlauf der zweiten Hälfte des 15. Jhs. in mehreren Städten des Reichs wie auch in Oberitalien die ansässigen Juden ausgegrenzt, vor allem, um deren Rechtsstellung vor Gericht zu mindern und um den Spielraum des Rates für eine eventuelle Vertreibung zu vergrößern. Im Verlauf des 16. Jhs. (als im Reich nur noch in wenigen Städten Juden geduldet wurden) geriet diese Strategie wiederum in Konflikt mit der nun unter gelehrten Juristen Verbreitung findenden Auffassung, dass die Juden römische Bürger seien. Beide Tendenzen führten allerdings zu einer Schwächung der seit dem Hochmittelalter üblichen Definition der jüdischen Rechtsstellung mithilfe von privilegial erteilten Sonderrechten. 109 Thieme 1987, S. 40 und 51 (Ldr. I, 40 und 45). 110 Vgl. van de Kieft u. a. 1967, S. 462, Nr. 40, § 2 (Doesburg 1237). 111 Van de Kieft u. a. 1967, S. 112, Nr. 62, § 40 (Soest, ca. 1150–2. Hälfte 13. Jh.).

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5.2 Exk lusion durch Gruppeninter essen Der beschriebenen Bandbreite an vertraglich ausgehandelten Berechtigungen stehen vor Ort, wie erwähnt, zahlreiche Einschränkungen gegenüber. Als neutral mag noch gewertet werden, wenn den auswärtigen Kaufleuten gesonderte und vor allem verpflichtende Plätze für ihre Geschäfte zugewiesen werden. Zu den räumlichen Beschränkungen treten zeitliche Vorgaben für Verbleib und Tätigkeit. Es war überdies keineswegs gleichgültig, mit wem die Auswärtigen Handel trieben; in vielen Fällen grenzten Stapelrechte und ähnliche Vorgaben die Freiheit ein, etwa in der Weise, dass die Fremden nicht untereinander, sondern nur mit Einheimischen oder Bürgern handeln sollten.112 Besonders strikte Abgrenzungen nimmt in dieser Hinsicht das Eparchenbuch Leons des Weisen aus dem 10. Jh. für den Markt der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel vor: Manche Waren durften überhaupt nicht an Auswärtige weitergegeben oder von Zugereisten ausgeführt werden; speziell galt dies für bestimmte hochwertige Seidenstoffe oder für Seide überhaupt; die auszuführende Ware war vorzuzeigen. Die syrischen Kaufleute aus dem Osten wie die bulgarischen aus dem Nordwesten erhielten drei Monate Zeit, ihre Geschäfte in der Stadt zu tätigen, und konnten hier auch nur mit bestimmten Gruppen von spezialisierten einheimischen Händlern interagieren. Die Beschränkungen galten nicht nur für Leute aus der Ferne, sondern ebenso für Untertanen des Byzantinischen Reichs, die nicht in der Stadt lebten, wie auch für Juden.113 Dem Schutz der einheimischen Gruppeninteressen sollten aber vor allem die Verbote und Einschränkungen der Tätigkeit auswärtiger Einzelhändler und Handwerker dienen. Sie sind in überaus großer Zahl aus vielen Orten bezeugt, zumeist aus dem späten Mittelalter: Der fremde Großhändler war überall vergleichsweise gern gesehen, der auswärtige Detailkrämer, Bäcker, Gewandschneider und Schuhmacher keineswegs. Ausnahmen wurden allenfalls an den wenigen offenen Markttagen gewährt. Ansonsten war dafür die Aufnahme in das Bürgerrecht und zumeist auch in die entsprechende Korporation erforderlich. Die Schiffergilde im niederdeutschen Boitzenburg und sogar die Innung der Schuster von Brandenburg an der Havel nahmen darüber hi­naus eine ethnische Diskriminierung vor: Wer ihnen beitreten wollte, sollte nicht ­allein von 112 Einschränkungen der Handelsfreiheit: van de Kieft u. a. 1967, S. 543, Nr. 28, § 4 (Kopenhagen 1254); Oikonomidès 2000, S. 313 zu Konstantinopel; Stapelrecht: van de Kieft u. a. 1967, S. 553, Nr. 32, § 18 (Bergen 1276), Gengler 1863, S. 412 (Bruck an der Mur 1418), S. 435 (Budweis 1351); ebd., S. 538 (Köln 1258: Fremde sollen mit Fremden in Stadt und Hafen nicht handeln; vgl. S. 561 zu 1349); ähnlich ebd., S. 710 (Danzig 1361: nur drei Tage, danach dürfen sie nur mit Bürgern handeln); Verbot der Kooperation mit Auswärtigen: Gengler 1863, S. 37 (Amberg 1356). 113 Koder 1991, §§ 2.4, 4.1, 4.4, 4.8, 5.5, 6.16, 8.5, 9.6, 10.2, 20.1–2, S. 87, 91, 93, 97, 101, 105, 109, 111, 133, 135; vgl. Oikonomidès 2000, S. 311.

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freier und legitimer Geburt, sondern auch „von deutscher und nicht wendischer Art“ sein (1424).114

6. Fa zit Im Vergleich zur griechisch-römischen Antike und zum Übergangszeitraum Spätantike – Frühmittelalter einerseits und zur Frühen Neuzeit andererseits scheint das wesentliche Signum unseres Untersuchungszeitraums darin zu liegen, dass das Prinzip eines an Personen gebundenen Rechts dominierte und nicht allein in bestimmten Grenzräumen, sondern in allen möglichen kleinräumigen Zusammenhängen zum Tragen kam. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass für die weitaus meisten Menschen die Zugehörigkeit zu einem Rechtsverband nicht nur Rechte, sondern vor allem auch Bindungen implizierte. Zweitens galt für fast alle Menschen während des Untersuchungszeitraums, dass ihre Zugehörigkeitsrechte und Bindungen sich nie auf eine Ordnungsgröße allein bezogen. Im Hinblick auf spätere Weiterentwicklungen wäre es von Interesse gewesen, zu beschreiben, auf welche Weise es zu räumlich abgrenzbaren Vereinheitlichungen, etwa im Sinne eines allgemeinen Untertanen-Status bzw. von modernen ,Nationen‘, kam. Für diese zuletzt genannten Vorgänge spielten sowohl die Änderungen in der Organisation der Kirche (v. a. in den protestantischen Gebieten) als auch Entwicklungen auf der herrschaftlichen Ebene (‚Territorialisierung‘) sowie in der Konzeption von Recht selbst eine Rolle (‚Rezeption‘). Für Keechang Kim, der speziell den englischen Fall untersuchte, liegen am Übergang zur Frühen Neuzeit überhaupt erst die Anfänge eines Fremdenrechts, das diesen Namen verdient („the law of alien status“). Die Anfänge sind demnach in einer Schwerpunktverlagerung von „konkreten, zähl- und verhandelbaren Freiheiten und Privilegien“ hin zum „abstrakten Begriff der politischen Loyalität und Zugehörigkeit“ zu suchen.115 Wie weit diese radikale Zuspitzung tragfähig ist, bleibt indes zu überprüfen.

7. Kommentierte Liter atur auswahl Über die rechtsgeschichtlichen Grundbegriffe orientiert recht zuverlässig das in zweiter Auflage von Albrecht Cordes u. a. herausgegebene Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (Cordes u. a. 2008ff.); zum kirchlichen Recht vergleiche man Naz 1935– 114 Gengler 1863, S. 250 (Boitzenburg: sunder he sy burger vnde bur to Boitzenborg, vnde sy von Düdeschen Lüden echt vnde recht gebaren vnde nicht wendischk); S. 278 (Brandenburg 1424: von dützscher vnd nicht wendischer art oder eigen lüden erlike vnd rechte geboren). Vgl. aber Gengler 1863, S. 693 (Ebf. Johann von Magdeburg für Dahme 1467), wo ein solches Verbot aufgehoben wurde und die Wenden von nun an den Zünften beitreten konnten. 115 Kim 2010, S. 16: „in the shift of focus in the law of personal status from concrete, itemised and marketable libertates and privilegia to the abstract notion of political faith and allegiance“.

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1967 (7 Bde.). Für Sachverhalte, zu denen das Lexikon des Mittelalters (9 Bde., 1980– 1998) Informationen und bibliographische Angaben bereithält, wurde i. d. R. keine weitere Sekundärliteratur angegeben. Die Belegsammlung für den vorliegenden Beitrag beruht vorwiegend auf Suchvorgängen in den Datenbanken der Library of Latin Texts und der Monumenta Germaniae Historica sowie im Deutschen Rechtswörterbuch. Aus der großen Zahl der sog. Stadtrechte, Urkunden und Statuten wählten wir zunächst die im Band 1 des Elenchus Fontium Historiae Urbanae (1967) versammelten Stücke aus; als Kontrollbeispiel für den mediterranen Süden wurde der fuero von Teruel in der (veralteten) Edition von Aznar y Navarro 1905 herangezogen. Dieser Bestand wurde im Hinblick auf das spätere Mittelalter erweitert durch weniger systematisch erworbene Einzelbefunde. Eine Fundgrube, die hinsichtlich der Textgestaltung freilich wissenschaftlichen Ansprüchen längst nicht mehr genügt, bot dabei Gengler 1863, eine Sammlung von Regesten und Texten, die über den ersten Band und die Buchstaben A–D nicht hinausgekommen ist. Die beste Darstellung der Überlegungen zum Bürgerbegriff bei Theologen und Juristen ist Meier 1994b. Über die Aufnahme von Auswärtigen ins Bürgerrecht orientiert der Sammelband von Schwinges 2002a; Vertiefungen hinsichtlich der Geschichte der Juden beruhen überwiegend auf den Forschungen am Trierer Arye Maimon-Institut. Zum Status des Fremden in Byzanz bietet der Sammelband von Ahrweiler 1998b einen guten Überblick; zum Recht der Muslime unter christlicher Herrschaft gilt dasselbe für Powell 1990.

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VON DER A R A BISCHEN EROBERU NG ZUR R ELIGIÖSEN U ND R ECHTLICHEN INK LUSION DER U NTERTA NEN: DIE R ECHTSSTELLU NG VON FR EMDEN IN DER ISL A MISCHEN W ELT (7.–15. JH.) * DAVID ENGELS

1. Einleitung Die Geschichte der vorosmanischen islamischen Welt ist zu einem großen Teil eigentlich weniger eine reine politische Geschichte der Muslime als vielmehr die Geschichte der Interaktion zwischen Muslimen und den zahlenmäßig meist weit überlegenen nicht-muslimischen Bewohnern des islamisch beherrschten Reiches. Die gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und selbst religiösen Hauptlinien der neun Jahrhunderte zwischen der Genese des Islams, welche traditionell 622 mit der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina angesetzt wird, und dem Zusammenbruch der arabischsprachigen islamischen Regionalreiche Anfang des 16. Jhs. infolge der Expansion des osmanischen Reiches ergeben sich daher weniger aus der Eigendynamik des Islams als vielmehr aus seiner Integration in sein neues, im Westen griechisch-römisch, im Osten iranisch geprägtes Umfeld. Grundfragen der rechtlichen wie theologischen Bestimmung und Abstufung von Inklusion und Exklusion zählen also keineswegs zu Randgebieten der klassischen islamischen Geschichte, sondern bezeichnen die wichtigsten treibenden Kräfte historischer Dynamik. Es handelt sich hier im Wesentlichen nicht so sehr darum, wie eine neue Religions- und Gesellschaftsordnung ‚Minoritäten‘ oder ‚Randgruppen‘ zuließ oder zurückzudrängen versuchte, sondern vielmehr darum, wie eine zahlenmäßig meist weit unterlegene Herrschaftsschicht, deren Selbstbestimmung lange zwischen ethnischer und religiöser Identität schwankte, ihren eigenen gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen wider alles Erwarten und innerhalb nur weniger Generationen zum völligen Durchbruch verhalf, durch ihre allmähliche Öffnung gegenüber der unterworfenen Bevölkerungsmehrheit aber auch ihr eigenes Herrschaftsmonopol aufgeben musste.

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Die Transkription der Fachterminologie folgt einer strikt phonetischen Ableitung aus dem klassischen Arabisch.

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2. Die Grundl agen des neuen Gl aubens: ’ umm a und dimm a In Anbetracht der vorausgehenden Beiträge braucht wohl nicht eigens hervorgehoben zu werden, dass die islamische wie auch die vorislamische arabische Gesellschaft vom Phänomen der Sklaverei geprägt war,1 welche bis zu ihrem Verbot durch die Kolonialmächte2 einen wesentlichen Faktor ihrer wirtschaftlichen Struktur ausmachte. Durch den Qur’ān (Koran) wurde sie zwar in vielerlei Hinsicht humanisiert, und Sklaven wurden in den Kreis der Gläubigen inkludiert;3 gleichzeitig aber wurde die Ins­titution als gottgegeben bestätigt, wie etwa neben Q. 16,71 und 75 sowie 30,28 auch der berühmte Prophetenausspruch zeigt, demnach „jeder Sklave, der sowohl Gott als auch seinem Herrn gegenüber seine Pflichten erfüllt, dereinst doppelt belohnt wird“.4 Es zählt sicherlich zu den paradoxen Merkmalen der islamischen Gesellschaft, dass die Dynamik der Geschichte trotz häufiger Unruhen und dem Aufruf zur Freilassung (letzteres bereits in Q. 2,177; 90,13) nicht etwa eine Abschaffung der Institution mit sich brachte, sondern in Einzelfällen wie etwa im ägyptischen Mamlukenstaat (1250–1517) sogar ganz im Gegenteil eine völlige Umkehrung der sozialen Stellung der aus Sklaven re­krutierten Kriegerkaste provozierte, welche sich zeitweise zur Herrschaftselite aufschwingen konnte und das System, das für ihre Unfreiheit verantwortlich war, keineswegs abzuschaffen trachtete, sondern vielmehr zementierte. Einer der Gründe für die Stabilität der Institution Sklaverei mag die Tatsache gewesen sein, dass die klassische islamische Gesellschaft5 zwar durch das System der Unfreiheit stark horizontal hierarchisiert war, durch das arabische Klientelwesen aber doch auch wieder vertikal zusammengefasst und humanisiert wurde, war es doch schon in vor­islamischer arabischer Zeit Brauch, ganz in Analogie zu den Verhältnissen in der griechisch-römischen Welt,6 dass Freigelassene in ein Klientelverhältnis (walā’) zu ihrem alten Herrn traten.7 Dieses System erfasste übrigens auch Fremde, ethnische Minderheiten und sogar verfemte Berufsgruppen, die nur durch die Unterordnung unter einen Patron die unverzichtbare Protektion eines arabischen Stammes genießen konnten,8 und sollte sich in der Folge als wichtiges Vorbild für die Inklusion neu bekehrter Untertanen in die arabisch-islamische Ordnung erweisen. Zudem sei im Kontext islamischer Inklusions- und Exklusionsstrukturen angefügt, dass die überwiegende Rekrutierung 1 Allgemein zur islamischen Sklaverei Murray 1987; Schneider 1999; Ennaji 2007. 2 Hierzu Clarence-Smith 2006. 3 Vgl. Roberts 1925. 4 Al-Buhārī, Ṣaḥiḥ 2456, in Anlehung an die Übers. in: al-Mundhiri 2000, Bd. 1, S. 467f. 5 Hierzu allgemein Levy 1957. 6 Crone 1987. 7 Allgemein zum Klientelwesen vgl. Juda 1983; Crone 1991. 8 Vgl. Kister 1979.

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der Sklaven zunächst aus Äthiopien und Schwarzafrika,9 später auch aus Zirkassien zur Entstehung rassischer (und rassistischer) Grundvorstellungen führte,10 die in gewisser Weise unfreiwillig antike Vorurteile von der Minderwertigkeit schwarzer Menschen und der Sklavennatur östlicher Barbaren übernahmen und die Konstruktion der islamischen Gesellschaft langfristig prägten, wenn auch hier natürlich das Mamluken-Sultanat eine bezeichnende und die Regel bestätigende Ausnahme darstellen sollte. Im Zusammenhang mit den Grundlagen der Gesellschaftsstrukturen der islamischen Welt ist ferner auch auf die gerade heute höchst aktuelle Frage nach der Stellung der Frau im Islam zu verweisen, die natürlich hier nur erwähnt, keineswegs aber ausführlich besprochen werden kann.11 Immerhin sei betont, dass sich die gesellschaft­liche Position der Frau, sieht man von der im Westen unüblichen Polygamie ab, anfangs wohl nur wenig von den in den bislang griechisch-römisch dominierten Gebieten gängigen Mustern unterschied. Denn deren Christianisierung hatte sicherlich nicht zur Emanzipation der Frau beigetragen, sondern stellte, denkt man an die Paulusbriefe, vielmehr einen Rückschritt hinter den etwa in der späten römischen Republik erreichten Status dar. Selbst scheinbar charakteristische Merkmale der Konstruktion des islamischen Frauenbilds wie das Tragen des Schleiers sind nur bedingt auf den frühen Islam zu übertragen. Zwar scheint es, als sei in der vorislamischen Gesellschaft das Tragen des Schleiers eher unüblich gewesen, sodass die koranischen Forderungen (Q. 24,31; 33,59) eine gewisse Neuerung darstellen mögen, doch dürften sie auch ein Widerhall christlicher Bräuche gewesen sein (1 Kor 11,5–6), welche in dieser Beziehung oft die radikalsten Forderungen stellten (Tertullian, Über die Verschleierung der Jungfrauen, 2. Jh.). Allerdings ist die Terminologie des Qur’ān bezüglich der Verschleierung so unbestimmt, dass hieraus kaum allgemeingültige Schlüsse auf Form und Ausmaß der alltäglichen Praxis zu ziehen sind. Auch ist zu bedenken, dass die Quellenlage im Vergleich zu Ausdehnung, Vielfalt und chronologischer Dimension der frühen islamischen Welt so komplex ist, dass eine Verallgemeinerung einzelner Belegstellen unmöglich ist. In Anbetracht dieser Vorbehalte ist letztlich nur einmal mehr die große Kontinuität mit der spät­ antiken Welt hervorzuheben, in welcher sich neben Formen extremer politischer, militärischer, besitzmäßiger, intellektueller und sozialer Ungleichberechtigung auch immer wieder Formen quasi-gleichberechtigter Präsenz finden. So ist etwa an den politischen Einfluss bereits der Prophetengattin Hadīğa zu erinnern, ferner die große Freizügigkeit der Frau im arabischen Epos und Erzählgut oder die selbst im Bereich von Recht und Theologie gut belegte Präsenz hochgebildeter weiblicher Intellektueller, welche regelrechte theologische Schulen gründeten, die auch und gerade von Männern besucht wurden.12 9 10 11 12

Allgemein hierzu Segal 2001. Hierzu Lewis 1990.s Allgemein Walther 1997. Hierzu etwa Engels 2009.

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Im Folgenden soll es uns vor allem um die Konstruktion des Begriffs des ‚Fremden‘ und die rechtliche Ausdifferenzierung seiner In- und Exklusion aus der herrschenden Gemeinschaft gehen, sofern es sich um die Bestimmung religiöser wie politischer Alterität zwischen freigeborenen Männern handelt.13 Die im 5. Jh. weitgehend abgeschlossene Überwindung des antiken Heidentums durch das Christentum wie auch die Kodifizierung des Zoroastrianismus auf dem Gebiet des Sassanidenreiches hatten den religiösen Pluralismus der ersten nachchristlichen Jahrhunderte durch auch ideologisch starr an den jeweiligen staatlichen Belangen orientierte Reichsreligionen ersetzt und hierdurch den Dualismus zwischen mittelmeerischer und iranischer Welt noch verschärft. Der Aufstieg des Islams sollte diese jeweiligen religiösen Monopole grundlegend infrage stellen. Denn wenn auch in den ersten Jahrhunderten arabisch-islamischer Reichsbildung eine vollständige Islamisierung Nordafrikas und des Nahen wie Mittleren Ostens noch in weiter Ferne lag, galt es doch trotzdem, die niemals abgeschwächte unbedingte politische Dominanz der neuen Religion und ihrer Träger mit der bereits vom Propheten geforderten friedlichen Koexistenz mit den anderen monotheistischen Religionen in Einklang zu bringen, welche unter dem Begriff der ‚Toleranz‘ nur ungenügend beschrieben ist und eher der Kategorie der ‚Duldung‘ und der nur bedingten Inklusion zuzurechnen ist.14 Tatsächlich nämlich zeichnete sich der Islam von Anbeginn an durch eine klare Dichotomie zwischen dem Verbot des Polytheismus und der Apostasie vom Islam auf der einen Seite und einer gewissen Duldung15 gegenüber dem ‚Volk des Buches‘ (’ahl alkitāb), also den anderen Monotheisten wie den Juden, Christen, Sabäern und schließlich auch Zoroastriern, auf der anderen Seite aus.16 Zwar liegt der Weltanschauung des Islam eine strikte Trennung zwischen dem ‚Haus des Islams‘ (dār al-’islām) und dem noch nicht islamisierten Rest der Welt, dem ‚Haus des Krieges‘ (dār al-ḥarb), zugrunde. Doch impliziert dies nicht notgedrungen eine völlige Exklusion der Andersgläubigen aus dem Ersteren, lässt die Duldung des Islams gegenüber den anderen monotheistischen Religionen doch eine Fortexistenz jener andersgläubigen Gemeinden auch innerhalb des dār al-’islām zu, solange jene die ungeteilte politische und religiöse Dominanz der Gemeinschaft der Gläubigen, der ’umma, anerkennen. Dies bedeutet also keine wie auch immer geartete Gleichstellung: Zwar betonte der Qur’ān zunächst das theologische Nahverhältnis der anderen Monotheisten zur Botschaft des Propheten, vor allem in den Suren 3 und 5 (vgl. auch Q. 29,46f.). Nach dem 13 Zur Konstruktion des ‚Fremden‘ im Islam vgl. etwa Hoyland 2004; zum Verhältnis gegenüber dem Christentum immer noch klassisch Andrae 1926. 14 Generell zum Begriff Toleranz vgl. Sina 1991; Wierlacher 1996; Forst 2000; Schmidinger 2002; Zagorin 2003; Forst 2003. 15 Hierzu allgemein Paret 1970; Noth 1978; Khoury 1980; Abou Al-Fadl 2002; und exemplarisch für Sizilien Engels 2013a. 16 Zur recht späten Aufnahme der Zoroastrier in die Liste der Buchvölker vgl. Menasce 1967.

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Auszug aus Mekka und der Weigerung der Juden aus Yatrib, sich zum Islam zu bekehren, sollten allerdings jene Verse offenbart werden, welche vielmehr die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Islam und den anderen Monotheisten unterstrichen, die nunmehr kollektiv der „Verfälschung“ der göttlichen Offenbarung beschuldigt wurden, welche einzig durch den Islam gewährleistet werde (Q. 2,2). Demgemäß sollten sie bekriegt werden, bis sie zur Zahlung von Tribut gezwungen werden können (Q. 9,29), doch wurde auch weiterhin nicht ausgeschlossen, dass auch monotheistische NichtMuslime heilsfähig seien (Q. 2,62). So heißt es etwa in einer für das Zusammenleben von Christen und Muslimen überaus wichtigen Passage: „Und weil sie ihre Verpflichtung brachen, haben wir sie verflucht. Und wir machten ihre Herzen verhärtet, sodass sie die Worte (der Schrift) entstellten (indem sie sie) von der Stelle weg (nahmen), an die sie hingehören. Und sie vergaßen einen Teil von dem, womit (oder: wo­ran) sie erinnert worden waren. Und du bekommst von ihnen (d. h. den Juden) immer (wieder) Falschheit zu sehen mit Ausnahme von (einigen) wenigen von ihnen (die aufrichtig und zuverlässig sind). Aber rechne es ihnen nicht an und sei nachsichtig! Gott liebt die Rechtschaffenen.“ (Q. 5,13, Übers. Paret 1979.) Die hieraus abgeleiteten, durch die Aussprüche des Propheten ergänzten17 und durch spätere Rechtsgelehrte systematisierten Grundlagen interreligiösen Zusammenlebens18 durch verschiedenste Formen der In- und Exklusion sollten sich als erstaunlich tragfähig erweisen, da sich der Verzicht auf die (in der Realität ja auch angesichts der demographischen Verhältnisse praktisch gar nicht durchführbare) Verfolgung von Andersgläubigen von den bislang praktizierten Verhältnissen vorteilhaft unterschied: Diese waren schließlich nicht nur von politisch wie theologisch motivierten Verfolgungen zoroastrischer oder manichäischer Minderheiten innerhalb des Oströmischen Reiches wie auch christlicher Gemeinden innerhalb des Sassanidenreichs, sondern oft genug auch durch blutige Konflikte innerhalb verschiedener Ausrichtungen der jeweiligen Staatsreligion geprägt. Bedenkt man gleichzeitig die gerade nach Jahrzehnten ununterbrochener oströmisch-sassanidischer Kriege überaus willkommene Entbindung nichtmuslimischer Gruppen vom Heeresdienst, wird verständlich, dass nur geringe zivile Motivation bestand, die ungeahnt rasche Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets, des dār al-’islām, infrage zu stellen. Die Stabilisierung der islamischen Herrschaft machte freilich bald eine gewisse Formalisierung dieser Rechtsverhältnisse notwendig. Der Tradition nach soll es bereits der zweite rechtgeleitete Kalif ‛Umar (634–644) gewesen sein, welcher um 637 die Rechte und Pflichten der Nicht-Muslime in einem umfassenden und reichsweit gültigen Do17 Hierzu die Einträge bei Wensick 1927. 18 Man vergleiche hierzu etwa die fatwās eines Ibn an-Naqqāš (1357), hg. von Belin 1851/Belin 1852, oder eines al-Wanšarīsī (gest. 1508), erschlossen bei Idris 1974, und vor allem das Werk des Abū Yūsuf (gest. 798) zum System des harāğ, übersetzt bei Shemesh 1967.

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kument festlegte und deren Status als vom Islam zwar in ihrer Religionsausübung geschützte, politisch aber entmachtete und in vielerlei Hinsicht diskriminierte Untertanenschaft (dimma) zementierte.19 Doch stammt der früheste schriftliche Beleg dieses Dokuments aus dem 10. oder 11. Jh. und wird als Resultat einer spätestens im 9. Jh. entstandenen Kompilation verschiedener Rechtsvorschriften gesehen, welche wohl zu einem großen Teil erst der Regierungszeit des ’Umayyadenkalifs ‛Umar II. (717–720) entstammen.20 Nichtsdestotrotz ist kaum zu bezweifeln, dass trotz einer im Laufe der Stabilisierung der islamischen Herrschaft unumgänglichen Verschärfung der Bestimmungen gegenüber Nicht-Muslimen zahlreiche der aufgeführten Punkte schon recht früh, wenn auch nicht in allen Teilen des Reichs gleichermaßen, die Beziehungen zwischen der neuen, deutlich in der Minderzahl befindlichen Herrschaftsschicht und der großen, wenn auch politisch entmachteten und fiskalisch benachteiligten Bevölkerungsmehrheit widerspiegeln. So heißt es der gängigsten, von aṭ-Ṭurṭūšī (1059–1127) überlieferten Version zufolge in einer langen Liste verschiedenster Bestimmungen betreffs des Zusammenlebens diverser Religionsgruppen, dass Nicht-Muslime nur dann den Schutz (’amān) des Herrschers genießen könnten, wenn sie sich bereit erklärten, eine ganze Reihe von Verpflichtungen einzugehen. So war es ihnen etwa verboten, neue religiöse Gebäude zu errichten oder alte zu reparieren (§ 1, 2), Gegner des Islams zu beschützen (§ 5), ihre Kinder im Qur’ān unterrichten zu lassen21 (§ 6), zu missionieren oder ihre Religion in der Öffentlichkeit auszuleben (etwa durch Prozessionen oder Ähnliches: § 7, 17, 18, 19, 20, 21), Waffen zu tragen (§ 12), Alkohol zu vertreiben (§ 14), die Sklaven eines Muslims zu kaufen (§ 23) oder Übertritte zum Islam zu behindern (§ 8), weshalb sie auch darin einwilligen mussten, dass die Apostasie vom Islam mit dem Tode zu bestrafen sei. Auch waren sie verpflichtet, Gastfreundschaft zu üben (§ 3), Muslimen gegenüber Ehre zu bezeugen (§ 9, 22, 24) und an ihrem Äußeren Kennzeichen ihrer religiösen Zugehörigkeit zu tragen (§ 9, 10, 11, 13, 15, 16).22

19 Zum Status vgl. etwa Fattal 1958; Paret 1970; Lewis 1980; Bosworth 1982; Humphreys 1991, S. 255–283; Cahen 1999. 20 Allgemein zum Pakt von Umar vgl. etwa Tritton 1930; Barakat Ahmad 1980; Scheiner 2004. 21 Diese auf den ersten Blick erstaunlich wirkende Vorschrift erklärt sich ganz klar aus dem Wunsch der muslimischen Oberschicht, den Kindern der Christen durch Verweigerung des Zugangs zum religiös, rechtlich und auch stilistisch fundamentalsten Text der neuen Gesellschaft gleichzeitig den sozialen Aufstieg innerhalb dieser Gesellschaft zu erschweren. Der Mechanismus dieses Verbotes ist dabei nicht unähnlich den Absichten des berühmten Rhetoren-Edikts des Kaisers Julian Apostata, welcher 362 n. Chr. christlichen Lehrern verbot, sich heidnisch geprägter Unterrichtstexte zu bedienen, um durch den Ausschluss von dem in Homer und Vergil erhaltenen klassischen Bildungsgut die Christen am Beschreiten einer höheren politischen und administrativen Laufbahn zu behindern. 22 Text bei: Muḥammad ibn al-Walîd al-Ṭurṭûšî, Sirâj al-mulûk, Kairo 1935 (2. Aufl.), S. 252f.

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3. Das ar abische R eich der ’Um ay yaden (661–750): ar abische Muslime und m awālī Das in den Jahren nach dem Tod des Propheten in beispielloser Geschwindigkeit errichtete islamische Reich der rechtgeleiteten Kalifen und vor allem der ’Umayyaden23 konnte zunächst nur dadurch gesichert werden, dass die Macht der neuen Herrschafts­ elite möglichst ungebrochen erhalten blieb und gleichzeitig der stets drohende Zerfall in rivalisierende Stämme und Fraktionen verhindert wurde, welcher gerade in der Anfangsphase der Eroberung ein permanentes Risiko blieb, denkt man etwa an die nahezu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in der Schlacht von Marj Râhit 684. Daher galt es natürlich zunächst, die Gruppe der Araber, die in der Anfangsphase der Expansion weitgehend identisch mit jener der Muslime war und sich klar von der vielgestaltigen Bevölkerungsmehrheit der unterworfenen Gebiete absetzte,24 zum Hauptgewinner des Reiches zu machen und somit auch zum Hauptinteressenten seines weiteren Erhalts. Dementsprechend fiel auch das neue islamische Steuersystem aus. Dieses war zwar im Prinzip an religiösen Kriterien ausgerichtet,25 ging aber weitgehend von der anfangs ja auch durchaus zutreffenden Identität zwischen arabischen Eroberern und Muslimen aus und setzte somit nicht nur das Bekenntnis zum islamischen Glauben voraus, sondern auch die Registrierung in einem der arabischen Stämme, die zentral im Militärbüro (dīwān) der neuen Verwaltung zu vollziehen und natürlich erblich war. So mussten Muslime die allgemein verpflichtende Almosensteuer (zakāt) entrichten, welche bei einem Vierzigstel der Einkommen aus Landbesitz, Edelmetall und Handel lag und natürlich Formen privater Großzügigkeit nicht ausschloss, ferner den Zehnt auf Einkommen aus Landbesitz (‛ušr). Nicht-Muslime waren von diesen Steuern natürlich ausgenommen, da sie religiöse Steuern innerhalb ihrer eigenen sakralen Organisationen bezahlten, mussten aber, sozusagen als Entgelt dafür, trotz der arabischen Eroberung weiter frei ihren Geschäften nachgehen zu können, eine bereits im Qur’ān (9,29) angelegte Kopfsteuer (ğizya) und die hiervon zumindest in arabischer und sassanidischer Tradition nur selten getrennte Grundsteuer (harāğ, abgeleitet von griech. chorēgiē) entrichten. Diese lag zwar deutlich höher als der muslimische ‛ušr, blieb aber doch oft unterhalb des Steuerniveaus des Byzantinischen und Sassanidischen Reichs, was ein nicht zu vernachlässigender Faktor für die anfängliche Popularität des neuen Regimes war. 23 Als generelle Einführung in die klassische Epoche der islamischen Geschichte sei die Darstellung bei Kennedy 2004 empfohlen. Was die ’Umayyaden betrifft, seien zunächst die zwar teils veralteten, aber immer noch grundlegenden Studien von Wellhausen 1902 sowie Lammens 1930 erwähnt, ferner Rotter 1982, Hawting 2000 und Kennedy 2004. 24 Allgemein zu ‚Minderheiten‘ im islamischen Reich die Bibliographie von Franz 1978. 25 Zu den folgenden Ausführungen zum frühen islamischen Steuersystem vgl. Poliak 1940; Dennett 1950; Løkkegaard 1950; Lambton 1953; Shemesh 1967; Coşgel u. a. 2009.

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Viele Araber waren aber in den Besitz von Grundstücken gelangt, die während der Eroberung von ihren Besitzern verlassen und dann als Beute unter die Eroberer aufgeteilt worden waren und die, nach Art einer frommen Stiftung (fay’), als unverkäuflich und auch nicht belastbar galten, um damit die arabische Kolonisation zu fördern und zu festigen.26 Wie zu zeigen sein wird, sollte diese Sachlage ein zentraler Faktor für die Sozialgeschichte des frühen Islams werden, denn während der ersten Jahrhunderte islamischer Herrschaft bestanden die neuen Besitzer oft darauf, für diese Grundstücke kein harāğ zu zahlen, sondern nur ‛ušr. Bedenkt man die Schnelligkeit der Eroberung, die Vielfalt der von den Arabern vorgefundenen Besitzlage, die etwa in Persien27 ganz anders strukturiert war als in Syrien, Ägypten oder Nordafrika, ferner die oft nur provisorische Regelung der Besitzverhältnisse, die mangelnde Archivierung von Rechtstiteln und schließlich die komplexen Folgen von Verkauf, Erbschaft, Heirat und Konversion, wird verständlich, dass die jeweilige Einzellage schnell unentwirrbar wurde. Das neue muslimische Steuersystem war also klar darauf ausgerichtet, den Großteil der Steuerlast über Kopf- und Bodensteuer auf die Nicht-Muslime abzuwälzen, wie bereits durch den Qur’an empfohlen, wo es heißt: „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören von denen, die die Schrift erhalten haben; (kämpft gegen sie) bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!“ (Q. 9,29; Übers. Paret 1979.) Gleichzeitig sollte hierdurch auch die neue arabische Elite zu fortgesetzter Loyalität dem Islam wie dem Kalifat gegenüber bewegt und sollten die traditionellen Stammesgegensätze überwunden werden. Bald aber sollte die bislang herrschende Identität von Muslimen, Arabern und Eroberern einem komplexeren Sachverhalt weichen, der es nicht mehr erlaubte, eine ethnische Alleinherrschaft mit einem im Prinzip allgemeingültigen religiösen Recht zu verbrämen. So förderte das hier skizzierte Steuersystem sowohl den Verkauf von harāğ-Land von Nicht-Muslimen an Muslime, die hierfür dem Staat nur den geringeren ‛ušr zahlen wollten, als auch die Bekehrung zahlreicher nicht-arabischer Untertanen (mawālī) zum Islam zwecks Abwälzung des harāğ und, falls getrennt gehandhabt, der ğizya.28 Wenn auch der Übertritt zum neuen Glauben in der Anfangszeit der islamischen Mission durchaus willkommen gewesen sein dürfte, solange es darum ging, die arabischen Stämme durch Inklusion in die neue ’umma zu einen, brachte die Konversion ganzer Landstriche mit nicht-arabischer Bevölkerung doch einen ebenso unerwarteten wie unerwünschten Nebeneffekt des islamischen Erfolgs mit sich, da sie zum einen eine bedeutende Reduktion der staatlichen Einkünfte implizierte, zum anderen 26 Hierzu Lapidus 1981. 27 Zu Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen dem sassanidischen und umayyadischen Landbesitz vgl. Morony 1981. 28 Vgl. Dennett 1950; Løkkegaard 1950.

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das arabische Herrschaftsmonopol infrage stellte.29 Der islamische Staat reagierte hierauf durch eine starke Abgrenzung zwischen traditioneller arabischer Herrschaftsschicht, Neubekehrten und Nicht-Muslimen. Was den fiskalischen Aspekt betraf, so wurde in der frühen ’umayyadischen Verwaltungspraxis zwar prinzipiell anerkannt, dass Konvertiten nunmehr vom harāğ wie von der Kopfsteuer befreit wurden. Doch bewirkte die Tatsache, dass der harāğ meist kollektiv von der Dorfgemeinschaft geleistet wurde und in seiner Höhe nicht an die jeweilige religiöse Gemengelage angepasst wurde, dass solche Konversionen von den nichtmuslimischen Mitbürgern, die nunmehr eine größere Steuerlast zu tragen hatten, mit solchem Missfallen betrachtet wurden, dass dem Neubekehrten fast nur die Flucht blieb, was natürlich die Lage für die Dorfgemeinschaft und die Staatskasse nicht einfacher machte. Viele der Neubekehrten zogen daher in die großen Städte, die oft aus den arabischen Militärlagern hervorgegangen waren, sowohl, um hier Protektion und ein Auskommen auf Staatskosten im Militärdienst zu finden, als auch, um aus der oft kleinteiligen, von Clanstrukturen geprägten dörflichen oder semi-nomadischen Welt auszubrechen, ihre Konversion vergessen zu machen und ein neues Leben zu beginnen. Die ’umayyadische Verwaltung bemühte sich in der Regel, die Zahl der Neubekehrten so gering wie möglich zu halten, indem sie ihre Konversion ignorierte und sie wieder in die Dörfer zurückschickte und zur Zahlung der üblichen Steuern zwang.30 Als Beispiel hierfür ist vor allem der Irāq zu nennen, wo der berüchtigte Statthalter alḤağğāğ ibn-Yūsuf (661–714; im Irāq seit 694), der als eine der größten, doch auch brutalsten Stützen der Idee eines rein arabisch dominierten islamischen Reichs zu gelten hat, teils sogar vorübergehend Konversionen zum Islam verbot, um das soziale Gefüge nicht zu bedrohen. Da zahlreiche kleine Bauern aufgrund dieser Sachlage ihren Besitz an reichere muslimische Großgrundbesitzer verkauften, die es teils ablehnten, harāğ zu zahlen, und von diesen im Gegenzug gegen vorteilhafte Konditionen den soeben verkauften Besitz pachteten,31 bestimmte al-Ḥağğāğ, dass auf harāğ-Land auch nach dem Verkauf an Muslime oder nach der Konversion ihrer Eigentümer weiter die gleichnamige Steuer zu zahlen sei, was für neue Unruhen sorgte. Die Ungerechtigkeit dieser Situation sowie die Tatsache, dass eine strikte ethnische Trennung zwischen arabischen und nicht-arabischen Muslimen auf Dauer kaum durchführbar und auch nicht im Geiste des Qur’āns war, sollte zu immer größeren sozialen und religiösen Spannungen auf dem Land führen. Eine Ausnahme auf diesem Gebiet stellte nur der Kalif ‛Umar (II) ibn ‛Abd al-‛Azīz (717–720) dar, welcher während seiner Regierungszeit zwar Massenkonversion, Landflucht und Rekrutierung weitgehend tolerier29 Zur Konversion zum Islam vgl. allgemein Vryonis 1971, Bulliet 1979 und Levtzion 1979. Einzelstudien zu Ägypten bei Lapidus 1972 und zu Nubien bei Cuoq 1986. 30 Hierzu Morimoto 1981. 31 Allgemein zur Lage der Bauern im frühen Islam vgl. Lambton 1953; al-Samarraie 1972; zur modernen Situation vgl. auch Weulersee 1946.

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te und hierdurch neue Bevölkerungsgruppen gerade im Umland der großen arabischen Militärlager wie Baṣra, Kūfa und Fusṭāt in die islamische Gesellschaft inkludierte, gleichzeitig aber auch versuchte, deutlicher zwischen harāğ und ğizyah zu trennen und Eheschließungen zwischen arabischen und nicht-arabischen Muslimen32 wie auch den Verkauf von harāğ-Land an Muslime zu verbieten. Im Falle einer Konversion des Besitzers sollte das Land formell in den Besitz der jeweiligen Dorfgemeinschaft übergehen, welche es dann wieder an den Besitzer verpachtete, der weiterhin die harāğ-Steuer zu entrichten hatte, sodass es langfristig zu einer Vereinheitlichung des Systems kam, durch welche alles harāğ-Land unübertragbar wurde und auch weiterhin die Zahlung der entsprechenden Steuer gewährleistet war.33 Auch weitere Maßnahmen sollen durchgeführt worden sein, sind aber aufgrund des Zustands unserer Quellenlage nicht mehr zu rekonstruieren;34 es dürfte aber im Wesentlichen der Beginn der Tendenz gewesen sein, die Nivellierung der Steuereinkünfte von Muslimen und Nicht-Muslimen dadurch auszugleichen, dass bei Nicht-Muslimen verstärkt die Kopfsteuer (ğizya) erhoben wurde, welche natürlich deutlich höher als die nur für Muslime gültige Almosensteuer des zakāt war. Es ist nicht erstaunlich, dass die von ‛Umar II. durchgesetzten Steuerreformen auf wenig Gegenliebe bei den Arabern stießen, welche sich um ihre angestammten Privilegien gebracht fühlen mussten. Doch auch die Konvertiten fühlten sich durch diese Regelungen betrogen, da die Bekehrung nunmehr nur begrenzt ihren materiellen Status verbesserte. Die Frustration richtete sich dabei nicht nur gegen die unbefriedigende Lösung der steuerlichen Frage, sondern auch, wie bereits erwähnt, gegen die soziale Unterordnung, kam es doch neben der fiskalischen Unterdrückung der Bauern auch zu einer systematischen politischen Ausschließung der im Osten meist persischen, im Westen meist berberischen Konvertiten aus der alten Verwaltungselite. Da also (bis auf frühere Überläufer) die neu unterworfenen, islamisierungswilligen Bewohner aufgrund ihrer Niederlage gegenüber den Arabern nicht in den Status eines Bündnisses (ḥilf) aufgenommen, aber auch nicht nachträglich in das arabische Stammessystem integriert werden konnten, in das nur Geburt Eingang verschaffte, Islam und Arabertum aber noch als untrennbar verbunden galten, behalf man sich mit der aus dem bereits erwähnten arabischen Klientelsystem stammenden und in einem Prophetenausspruch präfigurierten35 Lösung, jeden neuen Konvertiten genau wie einen freigelassenen Sklaven durch Abschluss eines walā’-Vertrags als mawlā (Pl. mawālī) einem arabischen Patron zuzuordnen. Dieser sicherte ihm zwar im Gegenzug für seine sich etwa in der Heeresfolge äußernden Loyalität juristische Protektion und formale Inklusion in die Stammes32 Crone 1991. 33 Diese Maßnahme führte dann auch zur Erstellung eines Katasters, das etwa in Ägypten 724 abgeschlossen wurde; vgl. Cooper 1976. 34 Hawting 2000, S. 77. 35 „Wer sich unter der Hand eines anderen zum Islam bekehrt, wird dadurch zu dessen Klienten“, belegt etwa bei ibn al-Atir.

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gesellschaft, zementierte aber gleichzeitig auch seine Situation als Bürger zweiter Klasse und letztlich Fremder innerhalb der islamischen ’umma,36 da diese soziale Stellung erblich und sogar verkäuflich war. Dass dies von beiden Seiten letztlich als unzumutbar betrachtet wurde, zeigt sich zum einen etwa durch den Ausspruch des Gründers der Rechtsschule der Hanafiten, Abū Ḥanīfa (699–767), welcher sagte: „Der Glauben eines neubekehrten Türken ist derselbe wie der eines Arabers aus der Hiğaz“37; zum anderen ist auf die Tatsache zu verweisen, dass viele der arabischen Patrone sich ihrer juristischen Verpflichtungen zu entziehen suchten, wenn es beispielsweise galt, für etwaige Vergehen eines mawlā einzustehen, wie sie es für ihre anderen Stammesverwandten taten. Dass sie die mawālī oft kaum höher schätzten als Sklaven, zeigt sich in dem Ausspruch des al-Nābiha alĞa‛dī (8, 12f.): „O Ihr Menschen! Seht Ihr nicht, wie Persien zerstört und seine Bewohner beschämt wurden? Sie sind zu Sklaven geworden, die Eure Schafe weiden, als ob ihr Reich ein Traum gewesen wäre.“ Ferner wurden die mawālī nicht nur juristisch klar diskriminiert, zum Beispiel was das Wergeld betrifft, sondern auch religiös, da ihnen etwa der Zugang zum Imamat versperrt wurde. Auch erhielten Araber generell weithin mehr Sold, Beute und Veteranenrente und dominierten eindeutig das Militär und die Entscheidungsämter der höheren Verwaltung, wenn auch Truppen aus den Reihen der mawālī immer zahlreicher wurden. Trotz dieser Schwierigkeiten war es den alten Verwaltungseliten, die über ungleich größere sprachliche und technische Erfahrung als die arabischen Eroberer verfügten, oft möglich geworden, sich durch Bekehrung ihre angestammten Positionen zu sichern und manchmal auch im Dienst ihres Patrons zu wichtigen Vertrauensämtern aufzusteigen. Dies wurde zwar ungern gesehen, und die arabische Oberschicht zeigte vor allem im Osten den festen Willen, zu verhindern, dass ein verstärkter Einfluss der mawālī eine Rückkehr zu vorislamischen Zuständen provozieren könnte. Hier hatte die völlige Annexion des Sassanidenreiches die persische Aristokratie stärker zur Einbindung in den neuen Staat gezwungen als im Westen, wo die Fortexistenz Byzanz’ eine ähnliche Entwicklung verhinderte. Der bereits erwähnte al-Ḥağğāğ verbot folgerichtig während seiner Statthalterschaft im Irāq offiziell das bis dahin seit den Sassaniden als Verwaltungssprache gültige Persisch und ersetzte es systematisch durch das Arabische, um die Arabisierung der unentbehrlichen neubekehrten persischen Fachleute durchzusetzen. Insgesamt aber ist festzuhalten, dass nur wenige Generationen nach der arabischen Eroberung des Nahen und Mittleren Ostens und des Maghrebs zum einen die Zivilver36 Allgemein zum Klientelwesen vgl. Juda 1983; Crone 1991. 37 Nichtsdestoweniger zeigt die Tatsache, dass Abū Ḥanīfa wegen dieser und anderer Aussprüche mit den ’Umayyaden in politischen Zwist geriet und die letzten Jahre vor der ‛abbasidischen Machtergreifung als Flüchtling in Mekka lebte, dass seine Haltung als konträr zum gegenwärtigen System empfunden wurde.

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waltung zu einem Großteil wieder oder noch immer in den Händen von einheimischen mawālī lag, welche im Laufe der Zeit ihre religiöse und juristische Diskriminierung wie auch das arabische Monopol auf politische Entscheidung und militärische Führung immer weniger hinzunehmen bereit waren, zum anderen große Teile des Bauerntums von der Konversion zum Islam und somit der Gleichstellung bzw. Angleichung an den Status arabischer Siedler ausgeschlossen waren.

4. Der soziale und ethnische Umbruch der ‛Abbasidenzeit (750 –946) In Anbetracht der ethnischen, sozialen und religiösen Komplexität der gewaltigen Territorien, die in nur kurzer Zeit in die Hände der rechtgeleiteten Kalifen und der ’Umay­ yaden gefallen waren, musste es für jeden Betrachter nur allzu deutlich sein, dass an ein langfristiges Monopol der arabischen Eroberer auf politische Herrschaft und bevorzugte Partizipation am Staatsbesitz nicht zu denken war, zumindest wenn das Prinzip einer islamischen Domination gewahrt werden wollte. Die soziale Unzufriedenheit, zu der sich freilich auch noch religiöse wie ethnische und politische Aspekte gesellten – die von der mekkanischen Stammesaristokratie getragene ’Umayyadendynastie galt vielen ­Konservativen als zu weltlich und wurde vor allem von der entrechteten Šī‛ā verdammt38 –, entlud sich im Jahre 747 mit der ‛abbasidischen Revolution.39 Schon die ungewisse Herkunft ihres wichtigsten Trägers, Abū Muslim Khurasānī, der wahlweise als Jemenit, Kurde oder Mitglied des iranischen Adels bezeichnet wurde, zeigt die wichtige Rolle, die den iranischen mawālī als Stützen der neuen Dynastie zukommen sollte. Diese führte ihre Herkunft auf den Prophetenonkel al-‛Abbās zurück und gelangte dank Abū Muslims militärischem und diplomatischem Geschick zunächst im Iran, dann mithilfe iranischer Truppen seit 750 überall im Reich an die Macht und konnte zunächst sowohl bei den konservativen Sunniten und den persischen mawālī als auch bei den auf die Prophetenfamilie eingeschworenen Šī‛ā und den zahlreichen, oft šī‛ītisch geprägten sozialrevolutionären und millenaristischen Gruppierungen der Zeit auf Unterstützung rechnen. Wie der iranisierende Einschlag des ‛Abbasidenkalifats zeigt, waren es wohl in erster Linie iranische, vor allem khorasanische mawālī, welche die Revolte trugen bzw. ihr als Klienten arabischer Anhänger der ‛Abbasiden folgten, doch ist auch der Anteil von ‛irāqischen Bauern aus dem Stand der dimma nicht zu unterschätzen, welche in der Hoffnung auf Zulassung zur Konversion und somit Inklusion in die islamische Gesellschaft freiwillig der Bewegung zuströmten. 38 Allgemein zur Šī‛ā vgl. Halm 1988. 39 Was die fundamentalen sozialen Umschichtungen des ‛abbasidischen Reiches betrifft, sollten zur Einführung Sharon 1983, Kennedy 2005 und Illerhaus 2011 konsultiert werden; zu Analogien mit dem Karolingerreich vgl. Drews 2009.

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Zwar kam es nach der Ausrufung des ersten Kalifen as-Saffāh (750–754) und vor allem seines Bruders al-Mansūr (754–775) schnell zu einer Stabilisierung der Herrschaft durch die deutliche Absetzung des neuen Regimes von der Šī‛ā und die Eliminierung von deren radikalsten und gefährlichsten Anhängern, der auch Abû Muslim zum Opfer fiel. Die weitgehende Entmachtung der bisherigen Monopolstellung der alten arabischen Familien allerdings wurde nicht aufgehalten, sondern im Gegenteil beschleunigt. So führten die Übersiedlung des Kalifats in das nach sassanidischem Muster gegründete Bagdad und die Übernahme zahlreicher persischer Verwaltungsstrukturen40 sowie wichtiger Aspekte des persischen Hofzeremoniells zu einer zunehmenden Iranisierung des Kalifats (dem im Westen der starke berberische41 Einschlag des Islams und der dortigen neuen Dynastien entsprach), und gleichzeitig verhalfen die ‛Abbasiden nichtarabischen Konvertiten, die meist dem khorasanischen Militär, der ‛irāqischen Verwaltungselite oder der Hausmacht des Kalifen entstammten, systematisch zu Schlüsselstellen sowohl in der politischen Verwaltung als auch im Heer. Nichtsdestoweniger sollte sich die Verbindung zwischen Islam und arabischer Sprache und Kultur als zu stark erweisen, um von den mawālī infrage gestellt werden zu können. Zwar entstand in der Bewegung der Šu‛ūbiten der zeitweilige Versuch, zumindest auf literarischer Ebene das kulturelle Monopol der Araber zu brechen und die Bedeutung der vorarabischen Sprachkulturen hervorzuheben, doch sollte dieser Versuch spätestens im 12. Jh. aufgrund der Bedeutung des Arabischen als Sprache der Offenbarung und der höheren Reichsverwaltung scheitern.42 In dieser Beziehung bedeutete die Öffnung der Gemeinschaft der Gläubigen keinesfalls eine erhöhte Toleranz der dimma gegenüber, führte der allmähliche demographische Umschwung zugunsten der Muslime doch vielmehr zu vermehrten Bekehrungsversuchen, welche unter dem Kalifen al-Mutawakkil (822–861) zu einer verstärkten Diskriminierung der dimma führte, welche etwa die Verschärfung distinktiver Zeichen (wie Dämonenbilder, welche an den Haustüren der Nicht-Muslime angebracht werden mussten), die Zerstörung von Kultorten oder die Ausgrenzung aus der Verwaltung und, trotz massiver Proteste der Zoroastrier, symbolische Akte wie etwa die Zerstörung der heiligen Zypresse von Kašmar hinnehmen musste, welche der Tradition zufolge von Zarathustra selbst aus dem Paradies verpflanzt worden war.43 Doch freilich handelte es sich bei diesen Ausschreitungen um isolierte Umsetzungen rigoristischer Forderungen. Zwar sollten nicht-monotheistische Randgruppen wie die Manichäer verstärkt die ganze Wucht der Staatsgewalt verspüren, doch blieb der Status der Christen, Juden und 40 Vgl. Sourdel 1959/60 und Sourdel 1999. 41 Zu den sich regelmäßig entladenden Konflikten zwischen den berberischen und arabischen Muslimen im Westen vgl. als Detailstudie zu Sizilien Engels 2010. 42 Vgl. hierzu Goldziher 1961, Kap. 4–5; Mottahedeh 1976. 43 Allgemein vgl. Spuler 1952.

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Zoroastrier weitgehend befriedigend, zumindest im umschriebenen strikten Rahmen des wie bereits erwähnt erst in dieser Zeit verschriftlichten und in die Vergangenheit zurückprojizierten „Paktes von ‛Umar“, d. h. unter der Bedingung der Zahlung von Boden- und Kopfsteuer und unter zahlreichen weiteren juristischen Vorbehalten wie einem einseitigen Heiratsverbot, einer deutlichen Asymmetrie des Wergelds und dem Verbot des Besitzes muslimischer Sklaven.44 Auch das System der walā’, das fortan nur noch für die Freilassung von Sklaven galt, wie auch die fiskalische Unterprivilegierung der Neubekehrten aus dem Bauernstand wurden abgeschafft, was die Islamisierung bedeutend förderte und gleichzeitig die soziale Unterprivilegierung der gehobenen Konvertiten reduzierte. Hierzu gehörte auch die Reform des Kronlands: Schon immer war es Tradition gewesen, ein Fünftel der Beute dem Propheten und seinen Nachfolgern zuzusprechen, doch galt auch darüber hinaus die letztlich aus der Antike ererbte Vorstellung, alles andere Land gehöre dem Herrscher, der es dem jeweiligen Eigentümer nur leihweise überlassen habe und jederzeit zurückfordern könne, etwa in Form von Konfiskation, Kauf oder erzwungener Schenkung. Das ‛Abbasidenkalifat sah hier eine bedeutende Steigerung des Privatbesitzes des Herrschers und somit dessen weitaus größere persönliche und administrative Einflussnahme auf die Verwaltung vor, was mit einer größeren Bedeutung der kalifalen mawālī (im Sinne freigelassener Sklaven) einherging, aus denen sich später ein großer Teil der höheren Reichsbeamten rekrutieren sollte. Der materielle Ausfall durch die Erleichterung der Konversion und somit auch die unausweichliche Entmachtung der ethnischarabischen Führungsschicht fanden daher in gewissem Sinne im staatlichen wie im privaten Bereich einen Ausgleich durch eine bedeutende Steigerung des Sklavenimports, der sich nicht mehr allein aus Kriegsgefangenen speiste, sondern auch aus großen Fangzügen durch Schwarzafrika, das Mittelmeer, Zentralasien und die slawischen Ebenen. Dies führte auch zu bedeutenden Veränderungen in der Rekrutierung der Truppen, denn während im Grenzheer nicht mehr allein freie Araber, sondern im Osten meist aus Khorasan, im Westen meist aus den Berbergebieten stammende Konvertiten Dienst taten, griffen die Kalifen wie auch andere Militärführer für die Rekrutierung der im Inneren stationierten Truppen und Gardeeinheiten zusehends auf ihre freigelassenen mawālī oft türkischer Abstammung zurück. Diese übertrugen die vorher individuellen patronalen Strukturen nun kollektiv auf die Person des Kalifen (und später anderer konkurrierender Militärführer), nicht unähnlich den Bedingungen des 1. Jhs. v. Chr., als zwar das klassische römische Klientelsystem eine gewisse Aufweichung erfuhr, dafür aber gerade im Heer stärker denn je zum Tragen kam, das nun nicht mehr aus einer Bürgermiliz, sondern aus Berufssoldaten teils unfreier Herkunft bestand. Ganz im Gegensatz zur ’umayyadischen Zeit wurde nunmehr mawlā amīr al-Mu’minīn (‚Freigelassener des Beherrschers der Gläubigen‘) ein gesuchter Ehrentitel, mit dem sich die höchsten Ver44 Hierzu Chokr 1993.

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waltungsbeamten, auch wenn sie nicht juristisch zum Freigelassenenstand zählten, zu schmücken trachteten. Dieser Prozess einer auch militärischen Entmachtung nicht nur der arabischen, sondern selbst der islamischen Eliten fand dann seit al-Manṣūr einen ungeahnten Höhepunkt, als systematisch auch nicht-muslimische Rekruten durch einen walā’-Vertrag ins Heer aufgenommen wurden, ohne sich automatisch zum Islam bekehren zu müssen, sodass die genau umgekehrte Situation der Zeit arabisch-islamischer militärischer Dominanz entstand45 – eine weitgehend auf den militärischen Bereich beschränkte Öffnung, die keineswegs den zunehmenden sozialen Druck auf Nicht-Muslime verminderte. Es ist hier nicht der Ort, die zahlreichen Krisen, die schon ab dem 9. Jh. das ‛Abbasidenkalifat erschütterten und seinen Zerfall beschleunigten, zu diskutieren. Erwähnt sei nur, dass diese trotz ihrer oft mahdistischen, also auf das Kommen eines endzeitlichen Erlösers ausgerichteten Einfärbung zu einem großen Teil soziale Ursprünge hatten und teils den Widerstand der durch die Konkurrenz mit den von Sklaven bewirtschafteten Latifundien verarmten bäuerlichen Schichten gegen die Großgrundbesitzer zum Ausdruck brachten,46 etwa bei den Aufständen der ši‛̒ītischen Zaydīten (864–865) und der Qarmaten (890–950); teils waren sie dem Wunsch nach Gleichstellung zahlreicher Sklaven geschuldet, so etwa bei der Rebellion der in den süd‛irāqischen Plantagen angesiedelten sudanischen Sklaven, der Zanğs (869–883).47 Insgesamt aber ist festzustellen, dass sich die im späten ‛Abbasidenreich verfestigenden gesellschaftlichen und rechtlichen Strukturen weitgehend als dauerhaft erweisen sollten, wenn auch die Fragmentierung des islamischen Herrschaftsgebiets durch die Entstehung eigenständiger Kalifate in Spanien und Ägypten der Regionalisierung dauerhaften Vorschub leisten sollte und Mongoleneinfall wie Kreuzzüge, Reconquista und Ausdehnung des Osmanischen Reiches die allmähliche politische Schwäche der islamischen Staaten offenbarten.

5. Das inter r eligiöse Zusa mmenleben in den nachk l assischen muslimischen R eichen Der bereits im frühen ‛Abbasidenreich durch die Sezession der Iberischen Halbinsel beginnende Zerfall des bislang weitgehend geeinten islamischen Reichs sollte sich seit Mitte des 8. Jhs. verstärkt fortsetzen, als Chorasan sich unter den Ṭāhiriden (821–873), Seistan unter den Ṣaffāriden (861–1003), der Maghreb unter den Aġlabiden (800–909) und Ägypten unter den Ṭūlūniden (868–905) bzw. den Ihšīdiden (935–969) selbstständig machten, sodass sich um 900 das Herrschaftsgebiet der ‛Abbasiden nur noch auf ­Syrien, den ‛Irāq und den westlichen Iran beschränkte, aber auch hier seit 945 unter 45 Vgl. allgemein Pipes 1981. 46 Hierzu die Studien in Cahen 1977. 47 Hierzu Popovic 1976.

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den bestimmenden Einfluss der Būyiden, 1055 den der Salğūqen (Seldschuken) geriet. Die wenigsten dieser Dynastien konnten sich arabischer Abstammung rühmen und waren ethnisch meist stark von einem berberischen, iranischen oder türkischen Hintergrund geprägt. Dieser äußerte sich freilich kaum im Alltag der Selbstdarstellung und Legitimation der Macht, denn die bereits tief verwurzelte Islamisierung jener Völker, welche ja immer auch eine Arabisierung von Sprache, Sitte und Recht implizierte, ließ die Anpassung an die spätklassische arabisch-islamische Zivilisation lange Zeit weitgehend ­alternativlos erscheinen, da die Pflege vorarabischer Traditionen oft als Zeichen der Resistenz dem Islam gegenüber angesehen wurde. Diese Betonung des arabischen Erbes selbst bei nicht-arabischen muslimischen Dynastien fand eine weitere Begründung in der klar strukturierten, lange nie wirklich infrage gestellten ethnischen Rangordnung der islamischen Gesellschaft. Am oberen Ende standen hier die unmittelbaren Abkömmlinge der klassischen arabischen Stämme, deren besonderer Wert als auserwähltes Volk sich ja durch die Gunst der Qur’ānOffenbarung bewiesen hatte, während sich am unteren Ende der Rangordnung etwa die Bewohner Schwarzafrikas befanden, welche sich für viele klassische islamische Autoren nur unwesentlich von Tieren unterschieden und daher willkommene Opfer des Sklavenhandels waren.48 Dass trotz der vorteilhaften Einpassung in dieses Muster durch eine möglichst vollständige Selbstarabisierung sowie durch die betonte Kontinuität religions- und kulturpolitischer Maßnahmen die Herrschaft nicht-arabischer Dynastien von den Arabern trotzdem immer stärker als Fremdherrschaft aufgefasst wurde, zeigt etwa Ibn Haldūn, welcher zu Beginn seiner Muqqadima erklärt, dass zu seiner Zeit „die Staatsgewalt in die Hände der fremden Völker gefallen ist, der Türken im Osten, der Berber im Westen, und der Franken im Norden“. Und tatsächlich sollten vor allem im Osten nicht-arabische Traditionen allmählich deutlicher in den Vordergrund treten, wie etwa die Sonderentwicklung der iranischen Welt zeigt, welche zunehmend persische Kultur und Sprache pflegte, oder der Fall der Turkvölker, deren kulturelle Eigenheit zunehmend zum dominanten Element des Osmanischen Reiches werden sollte. All diese Regionaldynastien, welche zunächst zumindest formal eine Unterordnung unter den Kalifen von Bagdad durch Aufnahme seines Namens in die Huṭba, die Freitagspredigt, proklamierten und somit die Fiktion eines einheitlichen islamischen Reiches aufrechterhielten, sahen sich im Laufe der Zeit auch vor die Verpflichtung gestellt, je nach Situation eine spezifische Politik gegenüber nicht-muslimischen Randgruppen zu entwickeln. Die regionale wie politische Vielfalt jener Jahrhunderte zwischen dem Niedergang des ‛Abbasidenreichs und dem Aufstieg der Osmanen mit ihren häufigen Dynastiewechseln und Machtverschiebungen macht es unmöglich, hier auch nur eine generelle Übersicht zu geben; wir werden uns daher im Folgenden auf einige allgemeine Überlegungen beschränken müssen. 48 Allgemein Lewis 1990.

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So ist im Hinblick auf die Rezeption des Islam in den christlichen Gesellschaften vom Mittelalter bis in die Gegenwart vor allem auf die spezifische Form von In- und Exklusion Andersgläubiger innerhalb der islamisch dominierten Gesellschaft zu verweisen, wie sie im Nordwesten der islamischen Welt entwickelt wurde und zur Entstehung des in der Historiographie des 19. Jhs. besonders einflussreichen Mythos der ‚Religionstoleranz‘ des islamischen Spanien49 und Sizilien50 führen sollte. Während nämlich im Fruchtbaren Halbmond, dem Zentrum des islamischen Machtbereichs, die sprachliche und kulturelle Verwandtschaft zwischen der aramäischen Land- und der arabischen Steppenbevölkerung, die besonders intensive Kolonisierung durch Ansiedlung arabischer Veteranen und schließlich auch die Präsenz des Herrschers eine rasche Islamisierung förderten, waren die Ausgangsbedingungen hierfür an der westlichen Peripherie wesentlich ungünstiger. Auf Sizilien etwa erschwerte die Insellage eine intensivere ethnische Durchdringung, während auf der Iberischen Halbinsel die Errichtung des ’umayyadischen Emirats von Cordoba im Jahre 756 eine dauerhafte Anbindung an die ‛abbasidisch dominierten arabischen Kerngebiete unmöglich machte und zu verstärkter Rücksicht auf die christlichen Einwohner zwang. Die Quellenlage ist zwar für beide Gebiete fast ausschließlich von militärischen, nicht aber von religiösen Fragestellungen geprägt, doch die wenigen christlichen Quellen aus dem Bereich islamischer Herrschaft zeigen, dass nur wenige Unterschiede zwischen den im Osten in der Frühzeit des Islams entwickelten Formen des Zusammenlebens und der wenige Jahrhunderte später im Westen praktizierten Realität bestanden. Nichtsdestoweniger dient die Erinnerung an den außerordentlichen wirtschaftlichen Wohlstand Siziliens und Iberiens wie auch die Tatsache, dass in Europa verfolgte Minderheiten wie etwa Juden oder christliche Häretiker Zuflucht im muslimischen Iberien suchten,51 zur Begründung der Annahme einer ganz besonderen Religionstoleranz der auf der Iberischen Halbinsel52 wie auf Sizilien entstandenen Gesellschaften.53 Doch darf der Gegensatz zu den völlig anders gelagerten Verhältnissen im christlichen Europa, wo die fast vollständige Christianisierung des Kontinents kaum zur Entwicklung komplexerer Toleranzvorstellungen nötigte, nicht dazu verführen, den mittelalterlichen islamischen Westen zur Vorform einer modernen ‚offenen Gesellschaft‘ zu stilisieren, weder was Iberien betrifft,54 noch was Sizilien angeht.55 Denn wenn hier 49 Einführend zur Geschichte des islamischen Iberien vgl. Roth 1994; Christys 2002. 50 Allgemein zur Geschichte des muslimischen Sizilien vgl. Amari 1854–1872 ; Aziz 1975; Rizzitano 1975b; Lo Jacono 1988. 51 Vgl. etwa Stavans 2003. 52 So etwa Menocal 2002; vgl. auch Garaudy 1987. 53 Vgl. etwa La Lumia 1867, bes. S. 32–34, oder Caspar 1904; zu islamischer Zeit und normannischem Staat Norwich 1970. 54 Gegen den Mythos des ‚toleranten‘ Iberiens vgl. Lewis 1984; Fernández-Morera 2006. 55 Engels 2010.

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an eine Zwangsbekehrung der Nicht-Muslime kaum zu denken war und eine solche in Anbetracht des Superioritätsgefühls der arabischen (und berberischen) Eroberer auch gar nicht erwünscht war, bestand doch zum einen kein Zweifel daran, dass die islamische Religion als die dominierende anzuerkennen sei und daher der Rekurs auf christenfeindliche Motive des Qur’āns ein wiederkehrendes Phänomen vor allem im Rahmen innenpolitischer Krisensituationen ausmachen musste und auch periodische Verfolgungen legitimierte, sowie zum anderen, dass die allmähliche Verschiebung der demographischen Situation die Lage der nicht-muslimischen Minderheiten erschweren und die Bereitschaft zur ‚Toleranz‘ schwächen würde. So wurde in Spanien schon unter Muḥammad I. (823–886) die Zerstörung aller seit Beginn der islamischen Eroberung (711) neu gebauten Kirchen angeordnet, und auch seine Nachfolger bewilligten nur selten den Bau neuer oder die Reparatur bestehender Kirchen. Die Konflikte nahmen hier solche Ausmaße an, dass es zu einer regelrechten Renaissance des christlichen Märtyrerideals mit bewusster Provokation des Islams wie durch die 49 Märtyrer von Cordoba (851–859) kam,56 was den Herrscher zwang, durch eine eigens unter seiner Autorität zusammengerufene christliche Synode den vorsätzlichen Märtyrertod verdammen zu lassen. Ähnlich sind auch auf Sizilien Christenverfolgungen bezeugt, erstmals durch den letzten aġlabidischen Gouverneur Aḥmad ibn Abī al-Ḥusayn ibn Rabāḥ, dem das Chronicon Cantabrigiense im Jahre 905 die Zerstörung von Kirchen, heiligen Büchern und die Gefangennahme von Priestern attestiert.57 Auch ideologisch sollte eine christenfeindliche Grundhaltung oft genug vertreten werden, um die innenpolitische Stellung muslimischer Herrscher zu stärken. So versuchten etwa selbst die ši‛ītischen Fāṭimiden, welche aufgrund ihrer Ausnahmestellung innerhalb eines sunnitisch geprägten Umfelds religiös meist äußerst vorsichtig auftraten, die friedliche Unterwerfung des muslimischen Besatzungsheeres (ğund) auf Sizilien58 dadurch zu erreichen, dass sie 909 in einem Brief volle Unterstützung für den Heiligen Krieg gegen die christlichen Widerstandsnester Siziliens zusicherten und versprachen, die Insel „mit der Kavallerie und der Infanterie der Gläubigen zu füllen, welche wahrhaft für Allāh kämpfen. Und Allāh wird den Glauben und die Muslime ehren und dank ihnen den Polytheismus und die Polytheisten unterwerfen.“59 Wie im Osten, so hing auch im Westen das Ausmaß der im Qur’ān angelegten Rücksicht der Muslime gegenüber anderen Monotheisten wesentlich von der demographischen Machtverteilung innerhalb der islamisch dominierten Gesellschaft ab. Auf Sizilien etwa bewirkte die systematische Ansiedlung berberischer Veteranen Anfang des 10. Jhs. den Versuch seitens der Dynastie der Kalbiten (948–1053), die solchermaßen 56 Wolf 1988; Pochoshajew 2007. 57 Chronicon Cantabrigiense zum Jahr 6414. 58 Zum Kontext vgl. jetzt Engels 2010. 59 Nu’mān, Iftitāh, S. 182f. (Übers. bei Haji 2006).

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gestärkte Islamisierung nun auch durch Maßnahmen wie die Konfiskation christlicher Grundstücke im Val di Noto und im Val Demone und die Verteilung der Ländereien an Muslime zu forcieren.60 Auch auf der Iberischen Halbinsel sollte sich zur selben Zeit die Situation der Nichtmuslime verschlechtern. So bewirkte der Aufstieg einzelner dimmi wie der des jüdischen Wesirs Joseph ibn Naghrela, dass sich soziale und wirtschaftliche Ressentiments gegenüber den Eliten mit religiösem Fanatismus gegenüber Nicht-Muslimen verbanden61 und es etwa in Granada 1066 zu einem antijüdischen P ­ ogrom kam, bei dem 1500 Familien getötet wurden.62 Im frühen 12. Jh. wurden dann die christlichen Einwohner von Granada und Malaga nach Marokko vertrieben, wo sie in ein fast ausschließlich islamisch geprägtes Umfeld gerieten.63 Auch die Reconquista und die Flucht vieler Juden ins seit 1085 wieder christlich beherrschte Toledo trugen nicht dazu bei, dass sich die Situation der Nicht-Muslime innerhalb der islamischen Gesellschaft verbesserte, sodass die Machtübernahme der Al-Muwahhidun (Almohaden, 1147–1249) in Spanien ab 1147 eine Verschärfung dergestalt bewirkte, dass Nicht-Muslime oft vor die Wahl zwischen Konversion und Tod gestellt wurden.64 In dieser Hinsicht unterscheidet sich die auf eine provisorische Inklusion folgende allmähliche Exklusion der nicht-muslimischen Fremden aus der islamischen Gesellschaft nicht wesentlich von den auch nach der christlichen Rückeroberung geübten Praktiken. Auch im normannischen Sizilien65 wurde Toleranz aus Gründen des Pragmatismus, nicht aus weltbürgerlicher Überzeugung geübt, wie oft hervorgehoben wird.66 Denn die zahlenmäßige Unterlegenheit der Normannen wie auch das zunächst nur durch die Kontinuität einheimischer Eliten zu sichernde komplexe Wirtschaftssystem Siziliens zwangen die Eroberer zunächst zu einer Duldung muslimischer und jüdischer Bewohner. Doch gerade diese allgemeine Kontinuität machte es den Nicht-Christen immer schwieriger, den politischen Ausschluss zugunsten der christlichen Elite zu verkraften, und förderte die (ursprünglich sogar von christlicher Seite aus Angst vor Ausschreitungen verbotene) Konversion zum Christentum, welche dann aufgrund des 60 Vgl. Mack Smith 1968. 61 Besonders aufschlussreich ist hier etwa ein Gedicht von Abū Isḥāq von Elvira, zitiert nach Lewis 1984, S. 44f.: „Betrachtet es nicht als einen Glaubensbruch, sie zu töten, der Glaubensbruch wäre, sie weitermachen zu lassen. / Sie haben unser Abkommen mit ihnen gebrochen, wie könnt ihr gegen die Übertreter schuldig sein? / Wie können sie sich auf einen Vertrag berufen, wenn wir im Schatten stehen und sie hervorragen? / Jetzt sind wir erniedrigt, stehen unter ihnen, als ob wir die Falschen wären und sie die Wahren!“ 62 Hierzu die Quellentexte bei Hoenerbach 1970, S. 419–422. 63 Vgl. Fernández-Morera 2006. 64 Frank u. a. 2003, S. 137f. 65 Zum Zusammenleben von Christen und Muslimen im normannischen Sizilien vgl. Gabrieli 1986; Matthew 1992; Rizzitano 1975a; Houben 1993; Fodale 2004. 66 Vgl. v. a. Falkenhausen 1979; Abulafia 1990; Houben 1994.

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nicht mehr durchzuhaltenden Apostasieverbots die Kohäsion innerhalb der muslimischen Gemeinde schwächte und ihre weitere Desintegration vorantrieb. Der hierauf zwangsläufig folgende demographische Umbruch, verstärkt durch den Zuzug italienischer Volksgruppen, ermöglichte dann schließlich den Erlass diskriminierender Vorschriften und ließ den letzten Muslimen der solchermaßen innerhalb weniger Generationen ent-islamisierten Insel letztlich nur die Wahl zwischen Exil und Konversion. Diese offensichtlich eher im strukturellen Wesen des Zusammenlebens monotheistischer Religionen als in spezifischen Glaubensvorgaben verankerte Sachlage galt im Wesentlichen auch für die anderen islamischen Regionalreiche, wo das Ausmaß von In- und Exklusion nicht-muslimischer Gemeinden wesentlich eine Folge innenpolitischer Verhältnisse, demographischer Dynamiken und außenpolitischer Beziehungen mit nicht-muslimischen Staaten war. So zeigte sich, wie erwähnt, das Kalifat der Fāṭimiden67 traditionell ganz besonders offen gegenüber religiösen Minderheiten, da zum einen seine Unterstützung seitens der sunnitischen Bevölkerung jederzeit unsicher war, zum anderen die koptischen Christen eine nicht zu vernachlässigende Größe darstellten. Doch auch hier konnte es aus rein ideologischen Gründen sporadisch zu Verfolgungen kommen, wie etwa der Fall des fāṭimidischen Kalifen al-Ḥakīm (996–1021) zeigt, der sich zwar zur Zerstörung der Jerusalemer Grabeskirche entschied, diese aber nicht etwa im Rahmen der traditionellen islamischen Argumentation rechtfertigte, sondern vielmehr im Rahmen seiner eigenen, messianisch übersteigerten Selbstdarstellung, die für sein frühes Ende verantwortlich war.68 Ähnlich unfruchtbar ist der Versuch, eine spezifische Religionspolitik der von einer türkischen Elite getragenen salğūqischen Staaten zu rekonstruieren:69 Zwar verstärkte ihre Herrschaft die bereits bei den ‛Abbasiden festzustellende Rolle des Persischen innerhalb der östlichen islamischen Gesellschaft,70 diese Verschiebung der kulturellen Gewichtung hatte aber nur wenig Auswirkungen auf die interreligiöse Gemengelage. Selbst die Kreuzzüge brachten zumindest im Osten kaum eine wesentliche Verschärfung des muslimisch-christlichen Zusammenlebens, da die orthodox geprägte christliche dimma sich nur wenig solidarisch mit den lateinischen Eroberern zeigte. Erst der in der Zerstörung Bagdads im Jahre 1258 gipfelnde Mongoleneinfall71 sollte infolge der teilweisen Christianisierung der mongolischen Eroberer zu Ausschreitungen orientalischer Christen gegenüber ihren muslimischen Mitbürgern führen, welche ihrerseits nach der Islamisierung der Mongolenherrschaft mit verschärfter Ausgrenzung der Christen re67 68 69 70

Dachraoui 1981; Halm 1991; Brett 2001. Hierzu van Ess 1977; Halm 1986. Vgl. Turan 1953. Wegen des mediterranen Zuschnitts dieses Handbuchs seien die Sonderentwicklung des Iran seit der Zeit der Salğūqen oder die Rolle des ‚Fremden‘ in den indischen islamischen Reichen nur am Rande erwähnt. 71 Spuler 1985.

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agierten. Mongoleneinfall und Kreuzzüge sollten vor allem im mamlūkischen Ägypten (1249–1517) zu einer Verschlechterung der Lage der Kopten führen, was 1321 zu muslimischen Ausschreitungen gegenüber den Christen und im Gegenzug zur Zerstörung von Moscheen seitens der Christen72 oder zu der immer größeren Verschärfung der Rechtslage der dimma etwa seitens Rechtsgelehrter wie Ibn Taymiyya (1263–1328) führte.73 Insgesamt ist also überall in der nachklassischen islamischen Welt eine Marginalisierung nicht-muslimischer Bevölkerungsgruppen festzustellen, welche aber weniger die unmittelbare Folge einer gezielten Politik war, sondern vielmehr die unbewusste Begleiterscheinung eines demographischen Wechsels zugunsten des Islams, der in der sozialen, politischen, fiskalischen und kulturellen Attraktivität des Letzteren begründet lag, zu keiner Zeit aber eine vollständige Ausmerzung der ja schließlich explizit durch den Qur’ān geschützten letzten nicht-muslimischen Gemeinschaften bewirkte.

6. Fa zit Im Rückblick zählt es wohl zu den paradoxesten Eigenschaften der klassischen islamischen Zeit, dass die spätestens seit dem 12. Jh. größtenteils abgeschlossene religiöse und kulturelle Assimilierung der ehemaligen oströmischen und sassanidischen Territorien keinesfalls einem wie auch immer gearteten Missionsprogramm der arabisch-islamischen Eroberer entsprach, sondern sich gleichsam gegen ihren erklärten Willen vollzogen hatte. Die autochthone Bevölkerungsmehrheit musste sich also teils sogar gewaltsam Inklusion in den Kreis einer exklusiven, zunächst ethnisch wie religiös scharf abgegrenzten Führungsschicht erzwingen, welche zum Opfer ihres Erfolges wurde und schließlich ihr politisches, religiöses und militärisches Monopol aufgeben musste, anstatt dieser Mehrheit gewaltsam ihr eigenes Modell aufzuzwingen oder, wie so oft in der Geschichte der großen Dynastien des Nahen Ostens, über kurz oder lang sich den Bräuchen der Unterworfenen anzupassen und in ihrer Mitte aufzugehen. Eine Erklärung dieses paradoxen Vorgangs und der ihm zugrunde liegenden außerordentlichen Assimilationskraft der frühen islamischen Gesellschaft muss naturgemäß vielschichtig ausfallen. Alle eher materiellen Aspekte – wie die geringere Besteuerung oder die größere religiöse Toleranz im Vergleich zu den Vorgängerreichen – können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Kraft zu einem großen Teil darin gelegen haben muss, dass die arabischen Eroberer der ihnen sprachlich wie ethnisch nah verwandten aramäischen Bevölkerung des Fruchtbaren Halbmonds ein in sich geschlossenes, tief in der semitisch-vorderorientalischen Vorstellungswelt verankertes alternatives Lebensmodell und erstmalige politische Einigung brachten. Seit dem Niedergang des Seleukidenreichs im 2. Jh. v. Chr. durch die Entstehung der miteinander verfeindeten 72 Hierzu Levanoni 1995. 73 Vgl. Laoust 1939 und Bori 2003.

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Reiche der Römer und der Parther bzw. der Sassaniden politisch in zwei Hälften gerissen, kulturell durch Hellenismus bzw. iranische Reaktion überformt und religiös durch das paulinische Heidenchristentum bzw. den Dualismus zoroastrischer oder manichäischer Observanz dominiert, werden die aramäischen Bewohner des Nahen Ostens die Niederreißung der seit Jahrhunderten ihr Sprachgebiet zerteilenden Staats- und Kulturgrenzen und die erneute kulturelle Zusammenführung des großsyrischen und des mesopotamischen Lebens- und Wirtschaftsraums unter der Herrschaft einer sprachlich wie kulturell den neuen Untertanen eng verwandten Kriegerelite kaum als eine innere Tragödie angesehen haben. Die Übernahme der arabischen Sprache und der radikalmonotheistischen islamischen Religion wird für viele Menschen ein einfacherer Schritt gewesen sein als die Erlernung des Griechischen bzw. Mittelpersischen oder die Bekehrung zum Zoroastrismus bzw. die Orientierung innerhalb der immer komplexer gewordenen Christologie. Nur diese von Anfang an bestehende, sowohl materiell als auch kulturell bedingte Attraktivität des arabisch-islamischen Lebensmodells erklärt auch die Tatsache, dass die Eroberer es sich erlauben konnten, keineswegs die Islamisierung der Unterworfenen zwecks Verstärkung der eigenen Reihen zu erzwingen, sondern vielmehr dem offensichtlich massiven Wunsch der Selbstislamisierung ihrer neuen Untertanen abweisend zu begegnen, um ihr Monopol auf politische und militärische Herrschaft nicht aufgeben zu müssen. Diese paradoxe Exklusivität ließ sich, wie wir sahen, auf Dauer natürlich nicht aufrechterhalten. Die Einführung einer nur partiellen Inklusion durch Aufnahme der Neubekehrten in das arabische Klientelwesen unter den rechtgeleiteten Kalifen und den ’Umayyaden konnte daher nur eine vorübergehende Lösung sein, da diese Ungleichbehandlung zum einen die Unzufriedenheit der unverzichtbaren einheimischen Verwaltungseliten wie auch der bäuerlichen Schichten erregte, zum anderen in flagrantem Widerspruch zum Universalanspruch des Islams stand. Die ‛abbasidische Revolution beseitigte daher paradoxerweise zum einen die letzten Hindernisse, welche einer nachhaltigen Islamisierung und Arabisierung des Maghrebs und des Nahen wie Mittleren Ostens im Wege standen, bedeutete aber zum anderen das Ende des ungeteilten Herrschaftsmonopols der ethnischen Araber nicht nur über das von ihnen gegründete Reich, sondern auch über die auf ihrer eigenen Sprache, Kultur und Religion gegründete Gesellschaft. Die politische Aufsplitterung des Islams in nachklassischer Zeit sollte – mit Ausnahme des Iran – die Arabisierung und Islamisierung des Maghrebs und Mittleren Ostens keineswegs aufhalten, sondern vielmehr vorantreiben, da die ideologische Legitimierung der Regionalherrscher nahezu ausschließlich auf theologischem Purismus und dynastischer Rückbindung an die alte arabische Aristokratie gegründet war. Dementsprechend sollte auch die Rolle der dimma im nachklassischen Islam wesentlich in der Kontinuität der im ‛Abbasidenreich entwickelten Strukturen stehen. Doch da sich die soziale wie politische Integration der Neubekehrten trotz des Fortbestehens eines elitä-

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ren Bewusstseins bei den arabischen Eliten fortan im Wesentlichen problemlos vollzog, erschien die Grenze zwischen den Muslimen und den Nicht-Muslimen immer schärfer und ließ im Kontext der demographischen Verschiebung zugunsten der Muslime erstmals auch massive Exklusion, Verfolgung und Zwangsbekehrung als Mittel innenpolitischer Legitimierung wie auch der Reaktion gegenüber außenpolitischer Bedrohung als gangbare Wege zur Machterhaltung erscheinen. In dieser Hinsicht stellte die privilegiertere Situation nicht-muslimischer Gruppierungen an der westlichen Peripherie islamischer Herrschaft keineswegs ein besonderes Zeichen religiöser Toleranz des mittelalterlichen Islams dar, sondern reproduzierte lediglich (wenn auch ohne die Unterdrückung der mawālī) die ursprünglich im Kerngebiet des Fruchtbaren Halbmonds praktizierte Haltung einer muslimischen Minderheit gegenüber einer nicht-muslimischen Mehrheit, welche zu keinem Moment den Anspruch auf politische Dominanz und langfristige Überlegenheit aufzugeben gewillt war.

7. Kommentierte Liter atur auswahl: Umfassende bibliographische Hinweise zum präziseren Thema von Inklusion und Exklusion finden sich bei Franz 1978, der freilich nur die Literatur bis 1978 berücksichtigt. Als erste Orientierung ebenfalls zu empfehlen sind die entsprechenden Artikel der als Standardwerk zu betrachtenden zweiten, revidierten Fassung der Encyclopédie de l’Islam, allen voran der Eintrag Dhimma aus der Feder von Claude Cahen (Cahen 1999). Immer noch als Standardeinführungen zu betrachten sind ebenfalls die Aufsätze von Lewis 1980, von Bosworth 1982 und von Paret 1970. Wie dargelegt, ist das Problem der In- und Exklusion der neubekehrten Muslime untrennbar verbunden mit dem des arabischen Klientelwesens; eine Einführung findet sich bei Juda 1983. Das Problem der Definition von Fremdheit im frühen islamischen Reich ist assoziiert mit den zahlreichen wissenschaftlichen Problemen des sog. Paktes von ‛Umar; eine immer noch grundlegende, wenn auch nicht immer ganz systematische Analyse dieses Problems findet sich bei Tritton 1930. Ähnlich ist auch Fattal 1958 zu konsultieren, der im Wesentlichen an den rechtlichen Verhältnissen der Zeit vor dem 9. Jh. interessiert ist. Was die vielfältigen Verflechtungen zwischen Bodenbesitz, Steuerpflicht und Religionszugehörigkeit betrifft, sei die Einführung ins islamische Steuersystem bei Løkkegaard 1950 und Shemesh 1967 sowie, als Regionalstudie, Lambton 1953 genannt. Dennett 1950 untersucht die Interaktion zwischen Bekehrung und Steuerpflicht. Ausmaß und Motivation der Konversion zum Islam in klassischer Zeit sind bislang nur wenig erforscht; erwähnt werden sollen die quantitativen Studien von Vryonis 1971 und Bulliet 1979, die sich mit dem Mittelalter, und Levtzion 1979, der sich weitgehend mit der modernen Zeit beschäftigt. Schließlich ist vom methodologischen Standpunkt aus die Einführung zu Non-Muslims in Islamic Society in Humphreys 1991 zu empfehlen, die anhand mehrerer Fallstudien Grenzen und Perspektiven der Quellenlage präsentiert.

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HER R SCH A FTLICHE OR DNU NG IM ZEICHEN VON E X PA NSION U ND R ELIGIÖSER V IELFA LT: FR EMDE IM OSM A NISCHEN R EICH MARKUS KOLLER

Als Ludovico Gritti 1480 als Sohn des späteren venezianischen Dogen Andrea Gritti (1455– 1538) in Istanbul das Licht der Welt erblickte, war er einer von zahlreichen ‚ortsansässigen Fremden‘, die in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches lebten. Als Kaufmann trat er in die Fußstapfen seines Vaters, der zunächst als Händler und ab 1503 für einige Jahre als Botschafter (bailo) der Markusrepublik am Bosporus lebte. Ludovico selbst war wohl in den Juwelenhandel zwischen Venedig und Istanbul eingebunden und schließlich gelang ihm, vermutlich durch sein enges Verhältnis zum Großwesir Ibrahim Pascha (1523–1536), der Zutritt zum innersten Machtzirkel um Sultan Süleyman I. (1520–1566). Er trat fortan im diplomatischen Verkehr zwischen christlichen Mächten und dem Osmanischen Reich ebenso in Erscheinung wie als Abgesandter des Sultans in Ungarn, wo nach der Niederlage des ungarischen Königs Ludwig II. auf dem Schlachtfeld bei Mohács (1526) Osmanen und Habsburger um die Vorherrschaft fochten. In diesen militärischen und politischen Wirren starb Gritti schließlich 1534 eines gewaltsamen Todes.1 Die Biographie dieses ‚osmanischen Venezianers‘ berührt einige der im Folgenden zu behandelnden Fragestellungen. Sein Fremdsein als Nichtmuslim und Angehöriger der Serenissima versperrte Ludovico Gritti zwar den Zugang zu Ämtern innerhalb der osmanischen Verwaltungs- und Militärhierarchie. Jedoch ermöglichten es ihm vielfältige Inklusionsmechanismen, wie sie für imperiale Herrschaftsstrukturen durchaus charakteristisch waren, eine privilegierte Fremdheit innerhalb der Istanbuler Gesellschaft sowie der politischen Elite des Osmanischen Reiches zu erlangen. Die Biographie Grittis wirft auch die Frage auf, welche Angebote das Imperium des Sultans an Fremde im Sinne von Nichtmuslimen und Untertanen anderer Herrschaftsgebilde unterbreitete, um Fremdheit überwinden zu können. In diesem Beitrag werden aber nicht die vielfältigen Formen von Fremdheit beleuchtet, die sich aus innergesellschaftlichen Dynamiken und Prozessen ergeben und die andere Kategorien von Fremdheit erfordern. Dies würde beispielsweise für die Diskussion um die Einbindung von Binnenmigranten in lokale Gesellschaften gelten. Ebenso muss die individuelle Dimension des Fremdseins weitgehend ausgeblendet bleiben, wenngleich sie auch in der Biographie Grittis aufscheint. Er stieß nicht selten auf Vorbehalte, galt er doch manchen christlichen Zeitgenossen als „Türke“, einigen O ­ smanen wiederum als „Ungläubiger“. 1 Zur Biographie von Ludovico Gritti siehe Szakály 1995.

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1. Einleitung Im nordwestlichen Anatolien, das zu einem von Byzanz und türkischen Fürstentümern geprägten Grenzraum gehörte, lagen an der Wende vom 13. zum 14. Jh. die Wurzeln des Osmanischen Reichs. Der Gelehrte und Chronist Georgios Pachymeres (1242–1310) weiß zu berichten, dass der als Ahnherr der osmanischen Dynastie geltende Osman I. (gest. 1326) Nizäa (Iznik) belagerte und 1301 ein byzantinisches Söldnerheer bei Baphaeus schlug. Solche militärischen Erfolge stärkten das Ansehen Osmans im anatolischen Raum und vergrößerten seine Anhängerschaft. In Anlehnung an die Thesen Paul Witteks (1894–1978)2 hat die Geschichtsschreibung lange Zeit den meist vereinfacht als Glaubenskämpfer definierten Gazis eine führende Rolle in diesen militärischen Auseinandersetzungen des frühosmanischen Herrschaftsgebildes zugeschrieben. Jedoch verweist Wittek selbst am Beispiel von Menteşe darauf, dass auch Küstenbewohner und byzantinische Seefahrer an diesen militärischen Unternehmungen teilnahmen.3 Er deutet damit bereits Inklusionsmechanismen einer „Beutegemeinschaft“ an, in der das religiöse Motiv nicht als das einzig verbindende Identifikationsmerkmal erscheint. Die neuere Forschung betont daher insbesondere die Teilnahme von Christen an den Beutezügen (gaza), unter denen sich beispielsweise byzantinische Akriten (Grenzkrieger) oder auch gezielt als akıncı (‚Renner und Brenner‘) mobilisierte Nichtmuslime befanden.4 Das Moment eines Kampfes für die Verbreitung des Islam tritt in dieser Argumentation wieder stärker in den Hintergrund. Zeitgenössische Quellen wie Heiligenviten oder meist im Umfeld lokaler Herrscher entstandene Geschichtserzählungen lassen einen vom Grenzkriegertum geprägten Wertekanon erkennen, der in regional unterschiedlicher Intensität im gesamten Grenzraum wirkmächtig gewesen sein dürfte. Dieser auf Ehre und bestimmten Verhaltensnormen basierende Kodex stellte weniger ein religiös definiertes Inklusions- bzw. Exklusionsinstrumentarium dar, vielmehr teilten Christen und Muslime in Anatolien eine in vielerlei Hinsicht gemeinsame Lebenswelt. Im frühosmanischen Herrschaftsverband scheint daher vor allem der militärische Erfolg die Zugehörigkeit zu den Kämpfern um Osman I. und Orhan (1326– 1362) gestärkt zu haben, und in diesem Sinne war eine gaza-Vorstellung wahrscheinlich auch weit verbreitet. Der Übertritt zum Islam dürfte – abgesehen von religiösen Motiven – auch ein Ausdruck besonderer Loyalität gegenüber dem Anführer einer ‚Beute­ gemeinschaft‘ gewesen sein. In der zweiten Hälfte des 14. Jhs. setzte ein verstärkter Ausbau von Institutionen und Strukturen ein, die zusammen mit einer expansiven Außenpolitik zur Herausbildung

2 Wittek 1938. 3 Eine kritische Diskussion der Historiografie bietet Kafadar 1995. 4 Lowry 2003.

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des osmanischen Imperiums beitrugen.5 Zu den wichtigsten Herausforderungen des Reichs gehörte die politische Einbindung der im osmanischen Herrschaftsraum lebenden Bevölkerung, da, wie es Jürgen Osterhammel formuliert, aufgrund einer fehlenden imperialen „Gesamtgesellschaft“ keine soziale Integration möglich war.6 Die Inklusionsmechanismen, die teilweise in einer Kontinuität zur frühosmanischen Periode zu sehen sind, lassen sich in Anlehnung an Jürgen Osterhammels Konzeption in horizontale und vertikale Integrationsansätze gliedern.7 Die vertikale Achse zielte auf die Einbindung lokaler Strukturen, denen als Ausgleich für Leistungen gegenüber dem Imperium jeweils Privilegien gewährt wurden. Soziale Gruppen mit Expertenwissen wie Bergleute oder Dörfer und Siedlungen, aus denen lokale Polizeitruppen wie die ‚Passwächter‘ rekrutiert wurden, erhielten umfangreiche Steuerbefreiungen zugestanden. Alteingesessene Notabeln, die ihren Grundbesitz in rechtlich abgewandelter Form auch nach der osmanischen Eroberung behalten konnten, bildeten zusammen mit neuen Eliten einen wichtigen, wenngleich nicht immer verlässlichen Pfeiler der Provinzverwaltung. Dieses System abgestufter Rechte und Verpflichtungen band auch nichtmuslimische Glaubensgemeinschaften in die imperialen Strukturen und Institutionen ein. Jedoch zeigt gerade dieser Aspekt, wie stark vertikale Integrationsmechanismen auch eine horizontale Perspektive besaßen. Denn die Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam stellte zumindest bis zur Mitte des 19. Jhs. eine Grundvoraussetzung dar, um den Status des Fremdseins verlieren und in die militärischen und administrativen Eliten des Imperiums eingebunden werden zu können. Daher fielen auch autochthone Bevölkerungsgruppen, die nicht dem sunnitischen Islam angehörten, in den Status eines Fremden. Dies galt in einem geringeren Maße für die ökonomische Sphäre, wo Kaufleute von außerhalb des unmittelbaren osmanischen Herrschaftsgebiets in einer privilegierten oder geduldeten Fremdheit lebten. In diesem Bereich erfolgte die horizontale Integration vor allem mithilfe des sultanischen Verordnungsrechts (kanun), auf dem neben dem religiösen Recht (şeriat) sowie dem lokalen Traditionsrecht (örf) die osmanische Rechtsordnung basierte. In die Kategorie einer geduldeten oder privilegierten Fremdheit lassen sich ebenso Mitglieder von Gesandtschaften oder Botschafter christlicher Mächte wie der venezianische bailo verorten, während Sklaven oder Kriegsgefangene in einer erzwungenen Fremdheit leben mussten. Wie fließend die Grenzen zwischen diesen Kategorien sein konnten, zeigen die Verhaftungen bzw. die Geiselnahme von Gesandten. Religion und Recht als Dimensionen horizontaler Integration eröffneten aber auch die Möglichkeit, Zugehörigkeitsrechte abzulehnen oder diese zu verlieren. Wer als Ketzer gebrandmarkt war, weil er sich dem Vorwurf einer Zugehörigkeit oder Nähe zur Schia ausgesetzt sah, musste den Verlust von Zugehörigkeitsrechten und immer wieder sogar 5 Darling 2008; Imber 2002. 6 Osterhammel 2010, S. 612. 7 Osterhammel 2010, S. 612–616.

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Verfolgungen hinnehmen. Teile der Bevölkerung konnten aber auch selbst ihre Loyalität aufkündigen, indem sie Steuer- und Abgabenforderungen verweigerten oder sich der osmanischen Rechtsprechung zu entziehen versuchten, wenn sie beispielsweise die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes annahmen. Die Tragfähigkeit imperialer Loyalitäts- und Zugehörigkeitsformen war zunächst in ihrer vertikalen Dimension abhängig vom Erfolg steter Aushandlungsprozesse zwischen den Institutionen und Strukturen in der Hauptstadt und in den Provinzen sowie in ihrer horizontalen Perspektive auch verstärkt von der Verfügbarkeit von Zwangsmitteln, die den Einsatz militärischer Gewalt einschlossen. Jedoch barg dieser Aspekt ebenso eine über die Grenzen des Imperiums hinausreichende Dimension in sich, wenn spirituelle, religiöse oder politische Zentren jenseits des osmanischen Herrschaftsgebietes Zugehörigkeitsangebote unterbreiteten. Zahlreiche orthodoxe und katholische Würdenträger agierten verstärkt seit dem 16. bzw. 17. Jh. in Kommunikations- und Strukturräumen, die unter anderem in Rom, Wien und Moskau verankert waren. In ihre Lebenswelt wirkten auch lebendige Erinnerungskulturen an vorosmanische Herrschaftsgebilde hinein, die im südosteuropäischen Raum von christlichen Institutionen gepflegt wurden.8 Mit dem Aufstieg des safawidischen Reichs, in dem etwa seit 1501 die Schia zur ‚Staatsreligion‘ erhoben worden war, besaß ein islamisches religiös-politisches Außenzentrum an der östlichen Grenze des Reiches bedeutende Wirkungsmacht. Spätestens im 19. Jh. erfuhr der Markt an Loyalitäts- und Zugehörigkeitsangeboten eine erhebliche Erweiterung. Die Ideen von Nation und Staat wurden mit dem Aufkommen neuer Nationalstaaten auf der Balkanhalbinsel politische Realität, während die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Osmanischen Reich selbst nicht nur aufgrund der als Tanzimat bekannt gewordenen Reformbemühungen ebenfalls neue bzw. veränderte Inklusions- und Exklusionsmechanismen hervorbrachten. Im Edikt (hatt-ı hümayun) von 1856 wurde beispielsweise die rechtliche Gleichbehandlung von Muslimen und Nichtmuslimen festgeschrieben, die sich in einer zunehmenden Öffnung der Verwaltungshierarchie für Nichtmuslime niederschlug.9 Darüber hinaus wirkten aber auch bereits existierende Mechanismen fort, als etwa weiterhin technische oder militärische Experten und Ratgeber vorwiegend aus dem westlichen Europa in die entsprechenden osmanischen Institutionen integriert wurden. Ähnlich den Ansätzen eines Reichspatriotismus in der Donaumonarchie schuf auch das Imperium der Sultane ein identitätsbildendes Zugehörigkeitsangebot, das in Konkurrenz zu den Vorstellungen von Nation und Staat zu treten versuchte. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. propagierten führende Reformer die Idee eines osmanischen Reichspatriotismus (Osmanlılık), der als Bindeglied zwischen allen Untertanen des Sultans wirken sollte.10 In Verbindung mit einer solchen politischen Konzeption wurde das Osmanische Reich 8 Siehe dazu Džaja 1984, S. 216–218, sowie Koller 2010, S. 72–80. 9 Zu den Tanzimat siehe Findley 2008. 10 Reinkowski 2005.

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nun auch häufiger als gemeinsames Vaterland (vatan) definiert, das es zu schützen und zu verteidigen galt. Wenngleich der Osmanismus als Integrationsmodell bis zum frühen 20. Jh. immer wieder Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Diskurse war, konnte er sich dem Sog der in Europa nun endgültig politisch dominanten Ideen von Nation und Staat nicht entziehen. Spätestens die schweren Erschütterungen der Balkankriege (1912/13) verhalfen endgültig einer Türkisierungspolitik zum Durchbruch, deren Integrations- und Exklusionsmuster entlang ethnischer, religiöser und nationaler Kategorien verliefen. Das Osmanische Reich begab sich selbst auf den Weg, einer jener ­Nationalstaaten zu werden, die das Erbe des Imperiums antraten.

2. Gestaltungs- und Erscheinungsfor men von Zugehör igk eit Zugehörigkeitsformen im Osmanischen Reich ergaben sich aus einem vom şeriat geprägten Fremdenrecht und diversen Inklusions-, aber auch Exklusionsmechanismen, die im Kontext imperialer Herrschaftsausübung zu verorten sind. In der islamischen Rechtsgeschichte reicht die theoretische Ausformung des Umgangs mit Fremden, die nicht dem Islam angehören und Untertanen anderer Herrschaftsgebilde sind, bis in das 8. Jh. zurück, als die entsprechenden juristischen Diskurse erstmals verschriftlicht wurden. Solche Debatten schlugen sich fortan immer dann verstärkt in schriftlicher Form nieder, wenn militärische Konflikte mit christlichen Mächten tobten. Die Kreuzzüge oder die 1492 zumindest auf der Iberischen Halbinsel abgeschlossene Reconquista sind zwei der wesentlichen Zeiträume, in denen verstärkt eine als siyar bezeichnete Literatur zum Fremdenrecht erschien.11 Dieser Entstehungsprozess spiegelte sich in den Bestimmungen wider, die im şeriat den Umgang mit Fremden regelten.

2.1 Geduldete Fr emdheit – a m an, ahd und zimmi Nichtmuslimische Reisende oder Kaufleute, die sich zeitlich befristet innerhalb eines islamischen Herrschaftsgebildes aufhielten, galten – zumindest in der Theorie – als feindliche Fremde (harbi). Entsprechend einem solchen Verständnis hätten weder ihr Leben noch ihr Eigentum einen rechtlichen Schutz genossen, und somit wäre ein wirtschaftlicher oder diplomatischer Austausch mit christlichen Herrschaftsgebilden nicht möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund ist in der islamischen Rechtsgeschichte ein Ins­ trumentarium entwickelt worden, mit dem solche Personen einen zunächst auf zehn Jahre – nach hanafitischer Auslegung auf ein Jahr – befristeten Rechtsschutz erhielten. Sie kamen in den Genuss einer als aman bezeichneten Schutzgarantie und befanden sich dadurch als musta’min im Status eines geduldeten Fremden. Auf diese Weise un11 Rohe 2009, S. 147–161.

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terlagen sie nur mit Einschränkungen der islamischen Rechtsordnung. Die Fremden waren zwar von der Kopf- und Grundsteuer ausgenommen, jedoch durften von ihnen Zölle und andere Abgaben erhoben werden. Das ahd-Konzept bildet eine weitere Kategorie von geduldeter Fremdheit, die in einem engen Zusammenhang mit der aman-Institution zu sehen ist. Dahinter stand die Idee, dass der Sultan bestimmten nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppen innerhalb des Osmanischen Reiches Rechte und Privilegien garantiert, deren Einhaltung er durch einen vor Gott verbindlichen Eid (ahd) beschwört. Die Zusagen wurden daher in einer ‚Eidesurkunde‘ (ahdname) niedergeschrieben. Eine solche wurde am 1. Juni 1453 der genuesischen Händlerkolonie von Galata nach der im gleichen Jahr erfolgten Eroberung Konstantinopels verliehen. Den in Galata ansässigen Genuesen gestand Mehmet II. (1451–1481) sowohl Reise- und Handelsfreiheit, Schutz ihres Eigentums, die Befreiung von außerordentlichen Steuern sowie von der Knabenlese als auch eine autonome Verwaltung zu.12 Derselbe Sultan gewährte auch den bosnischen Franziskanern, die seit etwa der Mitte des 13. Jhs. in Bosnien tätig waren, vermutlich 1462 und 1463 ahdnames, die jedoch im Original nicht mehr vorliegen. Deren Inhalt lässt sich aber aufgrund eines Regests rekons­truieren, das in einem 1483 ausgestellten Ferman (Erlass des Sultans) enthalten ist. Den Franziskanern wurde darin Bewegungsfreiheit, freie Religionsausübung, Unantastbarkeit von Hab und Gut sowie die Unversehrtheit des Lebens zugesichert.13 Jeder neue Sultan musste in Fermanen die ahdnames bestätigten, wodurch sie dann aber auch veränderten historischen Rahmenbedingungen angepasst werden konnten. Die beiden erwähnten Beispiele verdeutlichen, dass das ahd-Konzept eine Klammerfunktion zwischen zwei Rechtsinstituten ausübte, die den Status und die Zugehörigkeitsformen von Fremden regelten. Zum einen ist es als eine zeitliche Ausdehnung des musta’min-Status anzusehen und stellt somit eine Verbindung zum aman-Konzept her. Im ahdname an die bosnischen Franziskaner ist explizit zu lesen, dass die geflohenen Ordensangehörigen nach ihrer Rückkehr unter aman kamen. Zum anderen stellt das ahd-Konzept einen rechtlichen Übergang zum zimmi-Status dar, der sich in der Kopfsteuer (cizye, haraç) ausdrückte, die Christen und Juden zu entrichten hatten. Das ahdname an die genuesische Händlerkolonie galt nur für die ortsansässigen Genuesen, die zur Zahlung der Kopfsteuer verpflichtet waren und die damit im zimmi-Status verortet wurden. Die genuesischen Kaufleute, die zwischen Galata und Genua verkehrten, waren jedoch von dieser Abgabe befreit und verblieben daher im musta’min-Status. Ein solcher konnte, entgegen der ursprünglichen Praxis, auch unbefristet gewährt werden. 1569 wurde Frankreich ein derartiges Privileg gegeben, sodass sich die Untertanen der französischen Krone ohne zeitliche Beschränkung als musta‘min im Herrschaftsbereich des Sultans aufhalten konnten.14 12 Siehe Inalcık 1991, S. 19–21. 13 Džaja 1984, S. 181–186. 14 Eldem 2006, S. 292–297.

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Die ahdnames sind im westlichen Europa als ‚Kapitulationen‘ bekannt geworden. Dieser Begriff geht auf den Terminus capituli zurück, der die einzelnen Artikel (capituli) dieser ‚Eidesurkunde‘ bezeichnet.15 Der zimmi-Status lässt sich in eine Perspektive einfügen die über das Herrschaftsgebiet der Osmanen hinausreicht. Die theoretische Ausformung der osmanischen Grenzvorstellung basierte zumindest in ihren Grundzügen auf der Annahme, dass dem ‚Haus des Islam‘ (dar ül-Islam) das Gebiet bzw. das ‚Haus der Ungläubigen‘ (dar ül-harb) gegenübersteht. Die im Reich des Sultans dominierende hanafitische Rechtsschule kannte unterschiedliche Raumkategorien, die zwischen den beiden ‚Häusern‘ lagen.16 Dazu gehörte das ‚Haus des tributären Schutzes‘ (dar-ı zimmet), worunter alle Territorien verstanden wurden, in denen Nichtmuslime lebten, deren Schutz der islamische Herrscher gegen Zahlung der Kopfsteuer garantierte. Dieses ‚Haus‘ konnte aber auch innerhalb eines islamischen Machtbereichs liegen und umfasste dann alle nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppen, die einen eigenen Vorsteher hatten und dem Sultan einen Tribut (haraç) entrichteten. Zimmis waren Juden, Christen und Angehörige anderer nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften, die als Angehörige von Buchreligionen (ehl-i kitab) in einem islamischen Herrschaftsgebilde lebten und gegen Zahlung einer Kopfsteuer Schutz erfuhren. Von dieser Abgabe waren jedoch grundsätzlich Kinder, Frauen und arbeitsunfähige Männer ausgenommen17.

2.2 Pr iv ilegierte Fr emdheit – R e’aya und Millet Die beschriebenen Regelungen in den ahdnames verweisen bereits darauf, dass der rechtliche Status der ortsansässigen nichtmuslimischen Bevölkerung in übergeordnete Rechtskonzepte eingebunden war, die in der osmanischen Verwaltungsterminologie mit unterschiedlichen Begriffen belegt worden sind. Der Terminus re‘aya ist eng mit der osmanischen Idealvorstellung eines Herrschaftsund Gesellschaftssystems verbunden, wie sie zumindest bis in das späte 18. Jh. gepflegt worden ist. In der Historiographie erscheint sie unter der Bezeichnung ‚Nahöstliche Staatskonzeption‘. Im Mittelpunkt stand das gerechte Handeln des Herrschers, das die Prosperität des Reiches gewährleisten sollte. Gerechtigkeit bedeutete in diesem Zusammenhang, die Untertanen vor dem Machtmissbrauch seitens der Angehörigen des Verwaltungsapparates und insbesondere vor ungesetzlicher Besteuerung zu schützen. Dieses Gesellschaftsmodell kannte darüber hinaus eine Zweiteilung der Bevölkerung, die von den Osmanen nicht nur in der Theorie gepflegt worden ist: das Militär (askeri) und

15 Inalcık 1971 bietet eine ausführliche Diskussion des Privilegs. 16 Zu den Raumkategorien siehe Panaite 2000. 17 Zum Begriff zimmi siehe den Überblick von Cahen 1999.

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die steuerpflichtige Bevölkerung (re’aya).18 Entsprechend einer solchen Konzeption, die in ihren Grundzügen religionsübergreifend war, wurden insbesondere im 15. und 16. Jh. in den neu eroberten Gebieten zahlreiche Christen als sipahi (‚Angehörige der schweren Reiterei‘) in das Militärsystem integriert. Sie waren damit auch Inhaber von ‚Lehen‘ (tımar), die häufig ihre früheren Besitzungen umfassten. Das älteste Katasterverzeichnis aus dem Jahre 1431/32 zeigt, dass etwa 16 % der ‚Lehen‘ in den neu eroberten albanischen Gebieten Christen zugeteilt worden sind.19 Die steuerpflichtige Bevölkerung war in klar voneinander abgegrenzte Kategorien unterteilt, in denen Nichtmuslime und Muslime zusammengefasst waren: Bauern, Handwerker und Händler. Die Angehörigen dieser Gruppen wurden als re’aya oder ra‘iyyet (‚Herde‘) bezeichnet, deren Wohlergehen die gerechte Politik des Herrschers sicherstellen sollte. Eine religiöse Konnotation erfuhr der Begriff erst verstärkt im 18. Jh., als er vor allem als Bezeichnung für Christen herangezogen wurde. Für diese Form von Zugehörigkeit spielte Religion zunächst keine zentrale Rolle, wenngleich sich die Osmanen einer bereits in den indisch-persischen ‚Prinzenspiegeln‘ vorherrschenden Meinung angeschlossen hatten, wonach Gott dem Herrscher die ‚Herde‘ anvertraut habe. Jedoch wirkten auf die Wahrnehmung der re‘aya und die Ausgestaltung der Zugehörigkeitsstufen auch religiös bestimmte Rechtsnormen ein, welche die zu beschützende ‚Herde‘ nach Kategorien unterteilte, die sich von den Prinzipien der ‚Nahöstlichen Staatskonzeption‘ unterscheiden konnten. Sie verliehen dem Gesellschaftsmodell auch eine religiöse Hierarchisierung, die in der Theorie ebenso strikt eingehalten werden sollte wie die Einteilung der Bevölkerung in das Gruppenmodell der idealen Staatsordnung. Die osmanische Verwaltung erließ immer wieder Kleidungsvorschriften für Muslime und Nichtmuslime, die vor allem dazu dienten, jeden Einzelnen anhand seiner Bekleidung einer Religion bzw. Konfession sowie einem Status bzw. einem Stand zuordnen zu können. In ökonomischer Hinsicht sollten sie das Gleichgewicht von Produktion und Konsum erhalten. Die Osmanen führten damit eine Praxis fort, die bereits eine längere Tradition aufwies und sowohl im muslimischen als auch im christlichen Kulturkreis in Erscheinung trat. Entsprechende Regelungen fanden sich in der islamischen Geschichte bereits während der Herrschaft abbasidischer und fatimidischer Kalifen. In den christlichen Herrschaftsgebilden sahen sich Muslime und Juden seit dem IV. Laterankonzil (1215) ebenfalls Bekleidungsvorschriften ausgesetzt, die jedoch nicht immer umgesetzt worden sind. Dies galt auch für das Osmanische Reich, wo die Einhaltung solcher Regelungen in zeitlich und regional stark variierender Intensität eingefordert wurde. In Teilen des heutigen Libanon, in denen dörfliche Identitäten die Bedeutung religiöser Zugehörigkeiten zumindest bis zum späten 18. Jh. weitgehend in ihrer Bedeutung übertrafen, rückte die Kleiderordnung erst dann stärker in den Fokus, 18 Siehe dazu ausführlicher Inalcık 1991, S. 65–69. 19 Inalcık 1987.

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als das Handeln der europäischen Mächte zunehmend als Bedrohung angesehen wurde. Einen besonderen Widerhall löste die Besetzung Ägyptens durch Napoleon im Jahre 1798 aus, deren Schockwellen auch das gesellschaftliche Klima in den nahöstlichen osmanischen Provinzen beeinflussten. Die immer wieder aufs Neue erlassenen Bestimmungen zeigen aber auch, wie schwer sich solche Vorschriften meist umsetzen ließen. In den Schriftquellen ist beispielsweise zu lesen, dass sich Christinnen wie islamische Frauen kleideten oder christliche Priester und Kaufleute sich nicht mehr von Muslimen unterscheiden ließen. An der Wende vom 19. zum 20. Jh. wurden Verbote auch gegen das Tragen des Tschadors erlassen, was in Istanbul zu dieser Zeit immer mehr Mode geworden war.20 Nicht nur die umfangreichen Kleidervorschriften sollten das gesellschaftliche Ordnungssystem stärken, sondern auch andere Regelungen, die im kanun-i re’aya festgehalten waren. Es handelte sich dabei um Verhaltens- und Kleidungsvorschriften für Christen und Muslime, die Kalif ’Umar Ibn al-Chattab (592–644) im 635 eroberten Damaskus erlassen hatte. Sie galten in etwas abgeänderter Form auch im Osmanischen Reich, wenngleich deren Umsetzung regional und zeitlich stark variierte. Neben Einschränkungen beim Bau von Kirchen und der Ausübung religiöser Riten beinhalteten sie unter anderem das Verbot, Waffen zu tragen21. Dennoch haben die osmanischen Behörden immer wieder Christen erlaubt, sich zum eigenen Schutz wie Muslime zu kleiden oder auch Waffen mit sich zu führen. Der Terminus re’aya verweist in seiner ursprünglichen Bedeutung auf die Rolle des Staates als einer Institution, die den Untertanen ein bestimmtes Maß an Schutz zu gewährleisten hatte. Ein solches Verständnis ‚staatlichen‘ Handelns lag wahrscheinlich auch dem Begriff Millet zugrunde, der sich neben taife oder cemaat als Bezeichnung für nichtmuslimische Konfessionen in den osmanischen Schriftquellen findet. In der Historiographie hat lange Zeit die Vorstellung dominiert, die osmanische Administration habe den einzelnen Glaubensgemeinschaften (Millet) eine weitgehende Selbstverwaltung zugebilligt und nur mit dem jeweiligen geistlichen Oberhaupt (millet başı) in unmittelbarem Kontakt gestanden. Neuere Forschungsergebnisse22 zeigen jedoch insbesondere für die Zeit vor dem 19. Jh. immer deutlicher, dass es sich hierbei mehr um ein konstruiertes und vor allem idealisiertes Bild handelt als um die Wiedergabe historischer Gegebenheiten. Daher sind Deutungsmuster, die in der Institution der Millets entweder den Ausdruck einer besonders liberalen Politik gegenüber nichtmuslimischen Konfessionen und Bevölkerungsgruppen oder einen Kristallisationskern von Nationalismen sehen, kritisch zu hinterfragen. Zunächst ist festzuhalten, dass vor dem 19. Jh. der Begriff Millet keinen klar definierten Bedeutungsrahmen aufweist. Vielmehr gebrauchte ihn die osmanische Verwal20 Einen Überblick über die Kleidervorschriften bietet Ağca 2008. 21 Eine Auflistung der im kanun-i re’aya enthaltenen Vorschriften findet sich bei Andrić 1990, S. 23f. 22 Ursinus 1989.

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tung sehr situativ, sodass er regional und zeitlich unterschiedliche Implikationen aufwies. Millet definierte keine Verwaltungseinheit, sondern konnte sich auf Muslime oder ausländische Christen beziehen, die es aus ‚staatlicher‘ Perspektive zu beschützen galt. Auf die Dimension des Schutzes bestimmter Bevölkerungsgruppen verweist der gelegentliche Gebrauch des Begriffs Millet für osmanische Nichtmuslime, wie er in Einzelfällen ab dem 17. Jh. zu beobachten ist. Vermutlich reagierte die Hohe Pforte damit auf die vermehrten Missionsaktivitäten des Heiligen Stuhls seit der 1622 erfolgten Gründung der Congregatio de Propaganda Fide und die zunehmende Ausstellung von ahdnames für christliche Mächte. Für die Verwendung des Begriffs war es allerdings unerheblich, ob die damit bezeichnete Gruppe einen bestimmten Organisationsgrad aufwies. Ab dem 19. Jh. scheint der Begriff Millet verstärkt auf konfessionelle Gruppen angewandt worden zu sein, die in den Fokus einer Schutzpolitik unterschiedlicher Mächte gerieten. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der mit Rom unierten Armenier, die von der osmanischen Verwaltung als Angehörige des armenisch-georgischen Millets betrachtet wurden. Die Unierten sahen sich immer wieder Verfolgungen und Vertreibungen durch das armenische Patriarchat ausgesetzt, das dabei teilweise von den Osmanen unterstützt wurde. Die Gründung eines armenisch-katholischen Patriarchats erfolgte 1831 auf Druck Frankreichs und diente dem Schutz der unierten Armenier. In diesem innerchristlichen Konfliktszenario deuten sich einige Konnotationen an, die seit dem 19. Jh. mit dem Begriff Millet verbunden werden. Unter dieser Bezeichnung erschienen nun vermehrt Gruppen, die eigene religiöse und politische Interessen gegenüber der Hohen Pforte vertraten und dabei deutlich eigenes Identitätsbewusstsein an den Tag legten. Dies galt beispielsweise für unierte und römisch-katholische Gruppen, die sich mit Unterstützung des Heiligen Stuhls dem Bestreben des armenisch-007katholischen Patriarchen widersetzten, ein katholisches Millet unter seiner Führung zu begründen. Daher wurden Religionsgemeinschaften wie die der Maroniten in den osmanischen Verwaltungsdokumenten häufig als Millet bezeichnet. Der Begriff Millet scheint nun aber auch eine ‚nationale‘ Aufladung erfahren zu haben, wenngleich dahinter zunächst ein dem mittelalterlichen nationes-Begriff ähnliches Verständnis gestanden haben dürfte. Möglicherweise flossen derartige westeuropäische Vorstellungen und Begrifflichkeiten in die osmanischen Milletdiskurse ein, da die Zentralverwaltung in Istanbul mit solchen Vorstellungen auch durch den unmittelbaren Kontakt mit ‚Nationen‘ konfrontiert gewesen sein dürfte, die in der Hauptstadt des Reiches lebten. Im 18. Jh. verwendeten die französischen Kaufleute am Goldenen Horn einen solchen Nationsbegriff für ihre Gemeinschaft.23 Auch im Milieu der in Pera/Galata lebenden Levantiner tauchte der Nationsbegriff auf, als beispielsweise 1839 die dortige römisch-katholische Bevölkerung von der Hohen Pforte die Erlaubnis erhielt, auch zum Schutz vor den Bestrebungen des armenischen Patriarchen eine eigene Gemeinschaft zu begründen. In ihrer Selbst23 Eldem 1999.

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bezeichnung nannte sie sich die nazione latina, an deren Spitze ein capo stand. Dieses Beispiel deutet aber auch darauf hin, dass hier wiederum im Rahmen einer Schutzvorstellung gehandelt worden ist und Nationsvorstellungen in der osmanischen Begrifflichkeit noch keine fassbare Rolle spielten. Diese ‚lateinische Nation‘ wurde von der osmanischen Regierung als „lateinische Gemeinschaft“ (latin cemaatı) anerkannt, die in ihrer Wertigkeit jedoch deutlich von einem Millet unterschieden wurde.24 Millet bezeichnete spätestens seit den 1830er Jahren immer häufiger, aber nicht ausschließlich, eine Verwaltungseinheit mit einem zumindest formalen Organisationsgrad, jedoch keine ‚Nationen‘ im Sinne europäischer Vorstellungen. Es handelte sich noch immer vorwiegend um eine Ausdrucksform privilegierter Fremdheit von ‚Schutzbefohlenen‘, die erst im Verlauf der 1860er Jahre eine ‚nationale‘ Aufladung erfuhr, als im Osmanischen Reich ein neues Gesellschaftsmodell diskutiert wurde, in dem ‚Nationen‘ die gängige Ordnungskategorie darstellten. 1867 sollte schließlich von Namik Kemal erstmals Millet im Sinne von ‚Nation‘ gebraucht werden.

2.3 Pr iv ilegierte Fr emdheit – muafiyet Insbesondere die religiös bestimmten Zugehörigkeitsformen standen immer wieder in einem Spannungsverhältnis zu den Erfordernissen imperialer Machtausübung, die mehr durch das sultanische Verordnungsrecht als durch das şeriat geregelt wurde. Dies lässt sich am Beispiel christlicher Bevölkerungsgruppen aufzeigen, die militärische oder ökonomische Leistungen für das Reich erbrachten und deshalb durch besondere Privilegien in dessen Strukturen eingebunden waren.25 Im wirtschaftlichen Sektor sind exemplarisch die Salinenarbeiter an der Westküste des Schwarzen Meeres und an der Ägäisküste zu nennen. Im militärischen Bereich waren christliche Hilfstruppen wie die bis 1829 im Epirus, in Thessalien und im makedonischen Raum bestehenden Armatolen oder die 1721 aufgelösten Martolosen, die sich vor allem aus der orthodoxen Bevölkerung rekrutierten und militärische sowie polizeiliche Aufgaben erfüllten, begünstigt.26 Den Martolosen folgte die Institution der ‚Passwächter‘ (derbendci), die aus der Bevölkerung von Siedlungen kamen, die an wichtigen Gebirgspässen oder Flussübergängen lagen. Als Gegenleistung für ihren Dienst erhielten sie umfangreiche Befreiungen von Steuern oder Dienstverpflichtungen. Nicht nur einzelne Bevölkerungsgruppen, sondern auch ganze Städte konnten entsprechende ‚Befreiungsurkunden‘ (muafname) erhalten, die Zielgruppen und Art der Vergünstigungen regelten. Dies galt für zahlreiche Bergwerksstädte im südost- und ostmitteleuropäischen Raum, die zwischen dem 15. und 17. Jh. unter osmanische Herrschaft kamen. Auf der Halbinsel Chalkidike er24 Schmitt 2005, S. 149–163, 149–163. 25 Grozdanova 1997. 26 Zu den Martolosen siehe Vasić 1964.

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hielten die Bergwerkssiedlungen eine begrenzte Autonomie, und die bosnischen Bergbaustädte Kreševo, Fojnica, Srebrenica und Vareš konnten ihren bereits vor der osmanischen Eroberung bestehenden privilegierten Status bewahren. Auf diese Weise sollte die Abwanderung technischer Fachkräfte verhindert werden. Daneben kamen auch geostrategisch bedeutsame Städte in den Genuss von Privilegien. 1464 oder 1568 erhielt Sarajevo ein muafname, dessen schriftliche Fassung aus dem Jahre 1701 vorliegt. Da­ rin wurde den Einwohnern des Gerichtsbezirks Sarajevo bescheinigt, dass alle Muslime Steuervergünstigungen und eine Befreiung von weiteren Verpflichtungen erlangen sollten, da sie, so die Begründung, Militärdienst leisteten und der ständigen Gefahr feindlicher Überfälle ausgesetzt seien. Das muâfiyet, also die Entlastung von bestimmten Steuerverpflichtungen, ist zeitweise auch auf die nichtmuslimische Einwohnerschaft des Gerichtsbezirks ausgedehnt worden.27 Ähnlich den ahdnames mussten auch diese Privilegienurkunden nach jedem Thronwechsel erneuert werden. Von einer Steuerbefreiung konnten auch einzelne Personen profitieren, wenn sie in den Haushalt eines osmanischen Würdenträgers eingebunden waren und dort eine wichtige Stellung einnahmen. Zu dieser Gruppe zählte beispielsweise ein Mitglied einer maronitischen ­Familie im Libanongebirge, dem im frühen 18. Jh. eine solche Karriere gelang. Ihm wurde die Kopfsteuer erlassen.

3. Er zw ungene Fr emdheit – Gefangene und Sk l aven Neben Reisenden oder Kaufleuten gehörten auch Gefangene zu den Menschen, die als Fremde in das Reich der Osmanen kamen. In diese Kategorie unfreiwilliger Grenzgänger fielen diejenigen, die insbesondere in den Grenzregionen Opfer von Raubzügen wurden oder Piraten in die Hände fielen. Andere wiederum gerieten während oder nach erfolgreichen Feldzügen des Osmanischen Reichs in Kriegsgefangenschaft, wenngleich deren Zahl ab dem 17. Jh. abnahm. Alle diese Menschen lebten in einer erzwungenen Fremdheit, die jedoch innerhalb des osmanischen Herrschaftsbereichs durch abgestufte Zugehörigkeitsformen zu den institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen charakterisiert war. Eine erste Abstufung ergibt sich aus den Bestimmungen des religiösen Rechts, das die Versklavung von Muslimen untersagte. Zu Sklaven (kul) konnten daher nur Nichtmuslime aus Gebieten werden, die nicht zu einem islamischen Herrschaftsgebilde gehörten. Fremde, die in einen solchen Status fielen, stammten somit aus nichtmuslimischen Regionen, die der Sultan nicht zu seinen Territorien zählte. Mit der Herausbildung eines imperialen Selbstverständnisses im 16. Jh. wurden auch verstärkt tributäre Herrschaftsgebilde wie Dubrovnik oder das Fürstentum Siebenbürgen als Bestandteile des Reichsverbandes definiert. Bis zur Mitte des 16. Jhs., als sich Osma27 Džaja 1984, S. 91.

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nen und Habsburger im Donauraum und im nördlichen Afrika in einer weitgehenden militärischen Pattsituation gegenüberstanden, kam eine Vielzahl von Sklaven aus den Grenzregionen des südöstlichen Europa. In der Folgezeit spielten die Krimtartaren eine wichtige Rolle bei der Versorgung des Osmanischen Reichs mit Sklaven. Sie streiften vor allem durch polnisch-litauische sowie russische Gebiete und unternahmen Streifzüge in den Kaukasus. Ein weiteres wichtiges Herkunftsgebiet osmanischer Sklaven war Ägypten, von wo überwiegend schwarze Sklaven rekrutiert worden sind. Viele von ihnen kamen wahrscheinlich über innerafrikanische Sklavenrouten durch die Sahara und aus Ostafrika. Ab dem 17. Jh. ging die Zahl der Sklaven aus unterschied­ lichen Gründen zurück.28 Den wenigsten von ihnen gelang die Flucht in die Heimat, zumal in mehreren anatolischen Provinzen ein eigener osmanischer Amtsträger dafür zuständig war, geflohene Sklaven und entlaufenes Vieh wieder einzufangen. Gängige Praxis war hingegen der Freikauf von Gefangenen, in den verschiedene Laienbruderschaften und Orden wie die Trinitarier oder Mercedarier involviert waren. Ebenso konnten Konsuln auf den Sklavenmärkten in den Barbareskenländern oder in Städten wie Istanbul immer wieder Landsleute freikaufen.29 Einige erlangten auch im Austausch gegen muslimische Sklaven, die im westlichen Europa gefangen gehalten wurden, ihre Freiheit zurück. Berichte aus dem osmanisch-habsburgischen Grenzraum, wo auf beiden Seiten der Grenze der Menschenhandel ein einträgliches Geschäft darstellte, erzählen von Gefangenen, die aus osmanischen Festungen entlassen wurden, um Lösegeld für ihren Freikauf zu besorgen.30 Die meisten mussten jedoch in der Fremde bleiben, wenngleich, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, der Status des Sklaven zeitlich begrenzt sein konnte. Zunächst galt der Sklave jedoch als Eigentum des Besitzers, das verkauft, vererbt oder auch verschenkt werden konnte. Der Betroffene unterlag zahlreichen Einschränkungen, da er beispielsweise nicht als Zeuge vor Gericht auftreten durfte und auch kaum Möglichkeiten hatte, gegen seinen Besitzer zu klagen. Das religiöse Recht gewährte jedoch dem Sklaven ein – wenngleich beschränktes – Spektrum an sozialer Mobilität, das in der wiedergewonnenen Freiheit des Betroffenen enden konnte. Diese eingeschränkten Zugehörigkeitsformen bestanden jeweils aus einem Sonderstatus, der es dem Sklaven ermöglichte – wenn auch in einem eingeschränkten Maße –, wieder als Rechtsperson zu agieren. Dies geschah bei Sklavenehen, die, sofern sie vom jeweiligen Besitzer gebilligt wurden, dem Sklaven eheliche Rechte wie die Scheidung zubilligten. Die in einer solchen Ehe gezeugten Kinder fielen dem Besitzer der Gattin zu. Wenn dieser ein von einer Sklavin geborenes Kind als sein eigenes anerkannte, durfte die Mutter nicht mehr verkauft werden und wurde nach dem Tod des Besitzers auto28 Zum osmanischen Sklavenhandel siehe den Überblick bei Inalcık 1997, S. 283–285. 29 Bono 2009, S. 267–269. 30 Pálffy 2007.

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matisch frei. Das Geborene blieb jedoch nicht bei der Mutter, sondern kam, wenn die Vorschriften des religiösen Rechts eingehalten wurden, zu einer weiblichen Verwandten des Besitzers. Grundsätzlich war der Status des Sklaven zwar vererblich, falls jedoch ein Elternteil frei war, erlangten die Kinder den Status der Mutter.31 Einen weiteren Sonderstatus besaßen die Sklaven, die im Auftrag ihres Besitzers Geschäften nachgingen und sich dadurch manchmal auch eine eigene Existenz aufbauen konnten. Auf dieser Grundlage war es dann in einigen Fällen leichter, sich aus der Sklaverei freizukaufen. Diejenigen, die eine entsprechende Vereinbarung mit ihrem Besitzer eingingen, mussten innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine festgesetzte Geldsumme aufbringen.32 In diesem Status besaß der Sklave bereits weitreichende Rechte. Er hatte das Recht auf eigenen Besitz, war geschäftsfähig und durfte eigene Sklaven halten.33 Eine derartige Sonderstellung konnten Sklaven wahrscheinlich dann besser erreichen, wenn sie in den aus verwandten und nicht verwandten Mitgliedern bestehenden Haushalt eines osmanischen Würdenträgers integriert waren und dort vielleicht auch noch eine wichtige Position erlangt hatten. Die Aussicht auf Freilassung war ebenso ein Lockmittel, um eine bessere Arbeitsleistung der Sklaven zu erzielen. Mit einem solchen Angebot lockten die Weber und Textilhändler in Bursa im 15. und 16. Jh., um die Quantität der gewebten Stoffe zu erhöhen.34 Ein weiterer Weg in die Freiheit war das schriftliche und rechtlich verbindliche Versprechen eines Besitzers, dem Sklaven nach seinem Tod die Freiheit zu schenken. Zu Lebzeiten des Eigentümers war es dann verboten, den Sklaven weiterzuverkaufen.

4. Die Überw indung von Fr emdheit Die Entlassung aus der Sklaverei eröffnete vielfältige Formen der Überwindung von Fremdheit, wenngleich stets die Frage mitschwingt, inwieweit durch diesen rechtlichen Schritt die Akzeptanz und die Wahrnehmung des nunmehr einstigen Sklaven durch die Mitmenschen einer Veränderung unterworfen waren. Freigelassene und konvertierte Sklaven, die aus unterschiedlichen Gründen im Osmanischen Reich geblieben waren, siedelten sich bevorzugt in den Städten an. Sarajevo, das sich im 16. Jh. zu einem wichtigen Handelszentrum in Südosteuropa entwickelte, konnte solchen Menschen eine Perspektive auf Arbeit anbieten. 1570 stellten freigelassene Sklaven fast vier Prozent der städtischen Einwohnerschaft und trugen damit auch zur Stärkung des muslimischen Bevölkerungselements bei.35 31 32 33 34 35

Flaig 2009, S. 112–117. Inalcık 1979, S. 27–29. Flaig 2009, S. 115. Faroqhi 1995, S. 105–107. Zlatar 1980, S. 228f.

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4.1 Das kul-System Eine andere Dimension der Sklaverei eröffnet sich beim Blick auf die Herrscherdynastie, deren Mitglieder sich selbst als Osmanen bezeichneten. So galten, zumindest bis zu den Reformbemühungen im 19. Jh., nur die Angehörigen des herrscherlichen Haushalts und die „Pfortensklaven“ (kapı kulları)36 als Osmanen. In diesem Konzept spielten Sklaven eine staatstragende Rolle, galten doch alle Angehörigen des Militär- und Verwaltungsapparates bis zum Großwesir als kul. In den Anfängen des Osmanischen Reichs rekrutierten sie sich auch aus den Gefangenen, die durch Beutezüge in benachbarte Territorien in die Hände der Osmanen fielen. Jedoch war deren Zahl bald nicht mehr ausreichend, und vermutlich bereits im späten 14. Jh. wurde ein Rekrutierungsmechanismus innerhalb des eigenen Herrschaftsgebietes eingeführt, der als Knabenlese oder devşirme bekannt geworden ist. In den Quellen ist diese Institution seit den 1390er Jahren belegt, und war insbesondere bis zum späten 16. Jh. gängige Praxis. Während im 17. Jh. die Knabenlese noch sporadisch betrieben wurde, fand sie am Anfang des 18. Jhs. letztmals statt. Die in Intervallen von ein bis fünf Jahren eingezogenen Knaben im Alter zwischen acht und 20 Jahren – die Altersangaben sind sehr unterschiedlich – kamen vorwiegend aus den südosteuropäischen Provinzen, und bis 1623 war dann auch fast ganz Anatolien betroffen. Verheiratete oder Mitglieder christlicher Bevölkerungsgruppen, die sich den Osmanen kampflos ergeben hatten (Galata, Rhodos, Chios), waren von der devşirme ausgenommen. Es handelte sich dabei mehrheitlich um christliche Kinder, wenngleich in Bosnien auch Muslime in den Dienst für den Sultan genommen wurden.37 Die Knabenlese war vor allem eine Zwangsrekrutierung, auch wenn immer wieder Kinder freiwillig in die devşirme gegeben wurden. Aber auch innerhalb der osmanischen Gesellschaft war diese Institution insbesondere ab dem 16. Jh. umstritten. Denn sie stand im Widerspruch zu den Rechten, die der christlichen Bevölkerung im Rahmen ihres Status als zimmis und damit als Schutzbefohlene des Sultans im Osmanischen Reich zugestanden hätten. Eine mögliche Erklärung wird in der historischen Forschung darin gesehen, dass die Knabenlese zu einem Zeitpunkt institutionalisiert wurde, als im Umfeld der ersten osmanischen Herrscher noch kein detailliertes Wissen über die Bestimmungen des Islam vorhanden war. Daher seien die Regelungen im Hinblick auf die Sklaverei weitgehend unbekannt gewesen. In der zeitgenössischen theologischen Auseinandersetzung beriefen sich Religionsgelehrte aber auch auf die schafiitische Rechtsauslegung, wonach alle Bewohner des Reichs, die das Christentum erst nach der Offenbarung des Koran angenommen hätten, nicht als zimmis anzusehen seien.

36 Die umfangreichste Studie ist immer noch Ismail Uzunçarşılı 1944. 37 Eine kritische Diskussion der Historiographie zur ‚Knabenlese‘ bietet Minkov 2004, S. 66–77. Eine Kurzdarstellung mit weiterführender Literatur bietet Ursinus 2004.

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Die eingezogenen Knaben wurden zunächst nach Istanbul gebracht, wo einige von ihnen für die Ausbildung in der Palastschule ausgewählt wurden. Aus deren Reihen kamen dann viele der künftigen Amtsträger, bis hin zum Großwesir. Die anderen Knaben wurden für mehrere Jahre an anatolische Landbesitzer und Bauern übergeben, damit sie die osmanische Sprache erlernten und mit den religiös-kulturellen Gepflogenheiten vertraut wurden. Anschließend wurden sie in die Hauptstadt zurückgebracht, wo sie zunächst in verschiedenen Bereichen des Palastes und häufig auch in Militäranlagen arbeiteten. In den Gärten und Küchen des Topkapi fanden sich die Rekruten ebenso wie in den Hafenanlagen, wo sie auch handwerkliche Fähigkeiten erwarben. Als letzter Schritt erfolgte dann die Aufnahme in das Janitscharenkorps.38 Das kul-System begann sich insbesondere im Verlauf des 17. Jhs. zu verändern. Durch den Bedeutungszuwachs von Infanterietruppen stieg die Zahl der Janitscharen zwar drastisch an, jedoch fanden sich nun immer mehr Muslime in ihren Reihen. Die Knabenlese verlor dadurch ihre Bedeutung als Rekrutierungsmechanismus. Auch innerhalb der Verwaltungsstrukturen traten verstärkt die Haushalte hoher Amts- und Würdenträger als politische Machtfaktoren in den Vordergrund und lösten die bis dahin dominierende devşirme-Elite ab. Mit der Systemveränderung scheint auch ein Bedeutungswandel des Begriffs kul einhergegangen zu sein. Es gibt in den Schriftquellen Anhaltspunkte dafür, dass es im 15. und 16. Jh. möglicherweise zwei Kategorien von Janitscharen bzw. Palastangehörigen gab: diejenigen, die aus der devşirme rekrutiert und als Freie betrachtet wurden, sowie diejenigen, die als Sklaven und Kriegsgefangene von außerhalb des Reiches gekommen waren. Seit der Mitte des 17. Jhs. hatte der Begriff kul, wenn er sich auf Angehörige des Militär- und Verwaltungsapparates bezog, wahrscheinlich keinen unmittelbaren inhaltlichen Bezug mehr zum Rechtsstatus des Sklaven.39

4.2 Die Zugehör igk eit zum Isl a m Die bisherigen Ausführungen deuten darauf hin, dass die Überwindung von Fremdheit wesentlich an die Zugehörigkeit zum Islam geknüpft war. Die Beispiele von Renegaten scheinen eine solche Annahme auch zu bestätigen. Viele von ihnen waren im Seefahrerund Korsarenmilieu beheimatet und machten nach ihrem Übertritt zum Islam nicht selten Karriere im Osmanischen Reich. Zu Letzteren zählte Uluç Ali, der ursprünglich aus Kalabrien stammte. 1570 eroberte er Tunis und nahm mit algerischen Schiffen ein Jahr später an der Schlacht von Lepanto teil. Als Oberbefehlshaber der osmanischen Flotte erschien Uluç Ali 1574 mit einem Geschwader im westlichen Mittelmeer, wo er das 1573 an die spanischen Habsburger verloren gegangene Tunis zurückerober38 Imber 2002, S. 134–142. 39 Minkov 2004, S. 68f.

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te.40 Auf den ersten Blick symbolisieren Renegaten die Überwindung der Fremdheit, und in Fällen wie Uluç Ali mag davon auch mit Recht gesprochen werden. Jedoch war insbesondere im Seefahrermilieu des 16. und 17. Jhs. die Durchlässigkeit zwischen der christlichen und islamischen Welt sehr hoch.41 Die Protokolle der spanischen oder der päpstlichen Inquisition, vor der sich zahlreiche zurückgekehrte Renegaten verantworten mussten, bestätigen dieses Bild.42 Derartige Beispiele aus dem mediterranen Korsarenmilieu sind daher nicht immer mit der Vorstellung vereinbar, dass mit dem Übertritt zum Islam die Überwindung von Fremdheit verbunden war. Vielfach handelte es sich um eine temporär begrenzte und äußerlich-formale Zugehörigkeit. Solche Einschränkungen lassen sich auch bei Konversionsprozessen feststellen, da die Annahme einer neuen Religion zunächst keinen unmittelbaren Einschnitt in die bis dahin praktizierte Lebensführung bedeuten musste. In Südosteuropa, wo die Islamisierung in regional und zeitlich unterschiedlicher Intensität ihren Höhepunkt im 17. Jh. erreichte, sind Übergangsformen zu finden, welche die Frage nach der Überwindung von Fremdheit in unterschiedlicher Weise aufwerfen. Dazu gehörten sog. Kryptochristen, die den Islam zwar äußerlich angenommen hatten, im Privatleben jedoch weiterhin ihren bisherigen Glauben praktizierten.43 Diesem Phänomen begegnet man beispielsweise in den Dörfern des albanisch-kosovarischen Raumes, wo vor allem die Männer zum Islam übergetreten waren, während Frauen und Kinder diesen Schritt nicht vollzogen hatten. Apostolische Visitatoren, die im Auftrag der Congregatio de Propaganda Fide vor allem in den südosteuropäischen Provinzen die Situation der Katholiken beschrieben, und Reisende wie Lady Mary Montague (1689– 1762)44 geben in ihren Berichten einen Einblick in ein Milieu, in dem nicht nur die Mechanismen einer patriarchalen Gesellschaftsordnung den Alltag prägten, sondern auch verschiedene religionsübergreifende Lebensformen eine Brücke zwischen Islam und traditionellen Glaubensformen schlugen.45 Dennoch deutet sich hier eine Schere zwischen privater und öffentlicher Sphäre an, die zentral für die Frage sein wird, inwieweit die Zugehörigkeit zum Islam eine Überwindung von Fremdheit darstellte. Es handelte sich dabei um eine sehr bewegliche Grenze, die wesentlich dadurch bestimmt wurde, wen die imperialen bzw. staatlichen Autoritäten trotz seines muslimischen Glaubens als Fremden kennzeichneten. Für die osmanischen Behörden wurden Kryptochristen aber erst dann zum Gegenstand von Ausgrenzung und Verfolgung, als das politische Ordnungssystem mit der privaten Welt in Konflikt geriet. Dies geschah im Kontext 40 41 42 43 44 45

Bono 2009, S. 35f. Faroqhi 1995, S. 107–109. Bennassar u. a. 1989. Zum Phänomen der Kryptochristen siehe Reinkowski 2003. Montagu 1993. Am Beispiel des Kosovo beschreibt dies Malcom 1998, S. 131–134.

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der Tanzimat, als der Staat in allen Sphären der Gesellschaft präsent zu sein versuchte. Dieser Ansatz spiegelte sich auch in der 1843 getroffenen Entscheidung wider, die Re­ krutierung von Soldaten auf Christen auszudehnen, wenngleich in der Praxis mehrheitlich Muslime eingezogen wurden. Kryptochristen, deren Zahl eher gering gewesen sein dürfte, erklärten daraufhin öffentlich ihre Zugehörigkeit zum katholischen Glauben. 1817 wurden wegen eines ähnlichen Vorfalls Kryptokatholiken in Peć hingerichtet.46 Hier wird ein Muster erkennbar, wonach Fremdheit erst dadurch überwunden werden konnte, dass die religiösen Gepflogenheiten des privaten Lebens mit dem im öffentlichen Raum vorherrschenden sozialen und politischen Ordnungsmodell nicht in Konflikt gerieten. Darin lag ein wichtiges Merkmal von Fremdheit muslimischer Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich begründet. Ein Spannungsverhältnis ergab sich aus dem Gegensatz zwischen der sunnitischen und schiitischen Ausrichtung des Islam, der eine machtpolitische Dimension durch die Kriege zwischen den Reichen der schiitischen Safawiden47 und der sunnitischen Osmanen (1553–1555, 1578–1590, 1603–1612, 1615–1618, 1623–1639) erlangte. Wie in den etwa zeitgleich in Mitteleuropa tobenden Religionskriegen wurden auch in den osmanisch-safawidischen Ausei­ nandersetzungen theologische Kontroversen realpolitisch wirkmächtig. Die Osmanen schlossen mit den Safawiden nur solche Friedensabkommen ab, in denen auch Klauseln zu theologischen Fragestellungen eingebaut waren. Dies galt beispielsweise für den Friedensschluss von Amasya im Jahre 1555. In den entsprechenden Vereinbarungen mit christlichen Mächten finden sich derartige Regelungen nicht. Vor diesem Hintergrund warnte der osmanische Bürokrat und ‚Intellektuelle‘ Mustafa Ali (1541–ca. 1600) davor, zu viele Muslime aus den safawidischen Gebieten in den Verwaltungsapparat zu integrieren, denn deren Loyalität zum Sultan sei doch häufig fraglich. Der Konflikt wirkte sich auch auf das politische und gesellschaftliche Klima im Inneren des Osmanischen Reichs aus, denn diejenigen, die eine Nähe oder Anhängerschaft zur Schia aufwiesen bzw. denen eine solche unterstellt wurde, sahen sich harten Verfolgungen ausgesetzt. Dies galt beispielsweise für die kızılbaş in Anatolien, zu denen bevorzugt Teile der bäuerlichen Bevölkerung und Nomaden, jedoch nur wenige Stadtbewohner gehörten. In ihrem religiösen Weltbild herrschte der Glaube an Gottmenschen vor, zu denen sie Ali, den Schwiegersohn des Propheten, oder auch den Safawidenschah Ismail (1487–1524) zählten. Die eben beschriebenen Verfolgungen verweisen darauf, dass die Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam zunächst nur dann als Ausdruck einer überwundenen Fremdheit zu 46 Schmitt 2008b, S. 118f. 47 Die Dynastie der persischen Safawiden (1501–1722) war aus einer Derwischbewegung entstanden, die auf den 1334 verstorbenen Scheich Safi al-Din zurückging. Sie fand insbesondere im östlichen Anatolien zahlreiche Anhänger, wo unter der turkmenischen Bevölkerung Formen des schiitischen Islams existierten. Şeyh Ismail, der Anführer der Safawiden, erklärte sich 1501 zum Schah und machte die Schia zur ‚Staatsreligion‘ in seinem Machtbereich.

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deuten ist, wenn sie die Loyalität gegenüber der Dynastie zum Ausdruck brachte. Somit wurde die Fremdheit von Muslimen immer erst dann zum politischen Thema, wenn der Herrschaftsanspruch des Hauses Osman in Gefahr zu sein schien. Die Verfolgung der kızılbaş lag vor allem in der Angst vor einer politischen Destabilisierung in Anatolien begründet, falls es den Safawiden gelänge, mithilfe der anatolischen kızılbaş die osmanische Herrschaft zu schwächen. Ähnlich verhielt es sich im Umgang mit heterodoxen Derwischbruderschaften, die auch an den Höfen der frühen osmanischen Sultane anzutreffen waren. Mit dem Ausbau religiöser Institutionen und der damit verbundenen Stärkung eines dogmatischen Islams zeichnete sich ein Konflikt zwischen heterodoxen und dogmatischen Strömungen ab. Abgesehen von wenigen Ausnahmen waren heterodoxe Sufis seit der Spätphase der Herrschaft Süleymans I. (1520–1566) aus dem Umfeld der osmanischen Herrscher verschwunden und sahen sich immer wieder Verfolgungen ausgesetzt. Jedoch lag die Ursache nur vordergründig in den theologischen Ansätzen der Derwische, vielmehr kam es erst dann zur Konfrontation, als das Ideengut aus der Privatsphäre in den öffentlichen Raum gelangte und dort zur Bedrohung des osmanischen Herrschaftsanspruchs und der gesellschaftlichen Ordnung wurde. Dies lässt sich exemplarisch am Schicksal von Hamza Bali aufzeigen, der den melâmiyye-i bayrâmiyye angehörte. Seine Selbstbezeichnung als „Sultan der Wissenden“ oder „Sultan der Erklärenden“ war zunächst für die osmanischen Autoritäten kaum von Interesse. Zum verfolgten Fremden mit dem Stigma eines Ketzers wurde Hamza Bali erst dann, als er in Bosnien und sogar unter den Janitscharen in Istanbul eine größere Anhängerschaft gewann. 1573 wurde er in der Hauptstadt hingerichtet, und die Verfolgung der hamzavî, wie die melâmiyye-i bayrâmiyye fortan genannt worden sind, dauerte bis in das 17. Jh. an.

5. Ver zicht auf und Ver lust von Zugehör igk eits­ r echten: der ber atlı-Status Die repressive Politik gegenüber als Ketzern gebrandmarkten Bevölkerungsgruppen zeigt, wie die tatsächliche oder angenommene Wirkungsmacht politischer und religiöser Zentren, die außerhalb des osmanischen Herrschaftsgebietes lagen, zur Festigung oder Konstruktion von Fremdheitsvorstellungen beitrug. Ein Bedeutungszuwachs solcher Außenzentren lässt sich insbesondere seit dem 18. Jh. erkennen, als Russland und die westeuropäischen Großmächte der christlichen Bevölkerung verstärkt Alternativen zur Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich unterbreiteten. Die bereits erwähnten ahdnames hatten nicht nur eine innenpolitische Funktion, sondern stellten auch ein Instrument osmanischer Außenpolitik dar. Seit dem 16. Jh. erhielten immer mehr westeuropäische Staaten Kapitulationen, die jedoch nach osmanischem Verständnis einen unilateralen Charakter besaßen. Die in ihnen festgeschriebenen Rechte wurden demnach einem nichtmuslimischen Herrscher vom Sultan nur zeitlich befristet gewährt. Bis weit in das 15. Jh. hatten die ahdnames jedoch

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meist einen bilateralen Charakter, da beide Seiten den Vertragstext noch austauschten.48 Dies änderte sich in den beiden darauffolgenden Jahrhunderten, als das Osmanische Reich seinen Machtbereich immer weiter ausdehnen konnte und einer imperialen Herrschafts­ideologie folgte. Erst seit dem späten 18. Jh. entglitten die Kapitulationen der osmanischen Kontrolle, als sich die Hohe Pforte durch die Großmächte verstärkt gezwungen sah, weitreichende Rechte in die Vertragstexte aufzunehmen. Einen besonderen Schutz erhielten die diplomatischen Vertreter und deren Personal. Die Kapitulationen enthielten jedoch meist keine eindeutigen Regelungen dazu, ob auch osmanische Untertanten, die als Übersetzer (dragoman), Schreiber, Wachen oder Boten im Dienst von Botschaften und Konsulaten standen, einen entsprechenden Schutz genossen. In der Praxis gestand ihnen der osmanische Staat einen besonderen Status zu, indem sie vom Sultan zwei Urkunden erhielten. Ein berat gewährte dem Botschafts- oder Konsulatsangestellten zusammen mit seiner Familie diplomatischen Schutz, während ein ferman nur eine einzelne Person mit dem gleichen Recht ausstattete. Sie waren von der Kopfsteuer befreit, konnten in Streitfällen mit Landsleuten und anderen Ausländern nicht von der osmanischen Justiz belangt werden und hatten vor dem osmanischen Gericht Anspruch auf einen Dolmetscher. Außerdem durften die osmanischen Behörden ohne Einwilligung des ausländischen Vertreters keine Wohnungsdurchsuchungen und ohne Anwesenheit eines Dolmetschers auch keine Verhaftungen durchführen.49 Seit dem 18. Jh. begann der Kreis derjenigen, die in den Genuss eines diplomatischen Sonderstatus kamen, zunehmend auch Personen zu umfassen, die nicht für die ausländischen Vertretungen arbeiteten. Diese Entwicklung bahnte sich seit dem späten 17. Jh. an, als die englische Levant Company ihre bis dahin dominierende Stellung im Levantehandel zugunsten französischer Kaufleute aus Marseille zu verlieren begann. Die zwischen Frankreich und der Hohen Pforte bestehenden Kapitulationen regelten zwar die rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen die Händler auf dem osmanischen Markt agierten. Jedoch waren deren Bestimmungen oft weder präzise genug formuliert noch fanden sie in der Praxis immer Anwendung. Die französische Außenpolitik bemühte sich daher, dem Kapitulationsregime eine stärkere Nachhaltigkeit zu verschaffen. Die Gelegenheit dazu ergab sich nach dem für das Osmanische Reich vorteilhaften Friedensvertrag von Belgrad (1739), in dem der Sultan verlorene Gebiete in Südosteuropa wieder unter seine Kontrolle bringen konnte. Das Abkommen kam unter Vermittlung des französischen Botschafters in Istanbul, Marquis de Villeneuve, zustande, dessen erfolgreiche Bemühungen sich 1740 für die französischen Handelsinteressen auszahlen sollten. In diesem Jahr erhielt Frankreich, auch im Gegenzug für die Unterstützung in den Verhandlungen mit Wien, ein ahdname, das sich grundlegend 48 Kołodziejczyk 2000. 49 Schmitt 2005, S. 122f.

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von den bis dahin ausgestellten Dokumenten unterschied. Erstmals sollte die Kapitulation zeitlich unbefristet gelten. Außerdem waren insbesondere die Klauseln, die wirtschaftliche Fragestellungen regelten, genauer formuliert.50 Die hier erkennbare zunehmende Abhängigkeit des Osmanischen Reiches von der diplomatischen Unterstützung durch andere Mächte bewirkte eine verstärkte Implementierung des Kapitulationsregimes. Die fremden Händler konnten nun vermehrt auf die Unterstützung osmanischer Behörden setzen und verbesserten dadurch ihre Position gegenüber den lokalen Kaufleuten. Die nunmehr veränderten Rahmenbedingungen förderten die Attraktivität der Zugehörigkeit zu einer auswärtigen Macht, die ihren Untertanen oder Staatsangehörigen einen besonderen Status mithilfe der Kapitulationen anbieten konnte. Vermehrt ersuchten daher osmanische Untertanen um einen Schutzbrief und verzichteten damit auf Zugehörigkeitsrechte zum Osmanischen Reich. Jedoch war es nicht eindeutig geregelt, welcher Gerichtsbarkeit die beratlı (Personen, die ein berat besaßen) unterstanden. Da sie keine vollberechtigten Staatsangehörigen einer anderen Macht waren, blieben sie weiterhin Teil einer ethnokonfessionellen osmanischen Bevölkerungsgruppe. Es hing daher wesentlich vom sozialen und ökonomischen Status eines beratlı ab, inwieweit er diesen Zwischenstatus für seinen eigenen Vorteil nutzen konnte. Bis zum Ende des 18. Jhs. gab es etwa 300 Personen, die ein entsprechendes Dokument in ihren Händen hielten. Seit dem späten 18. Jh. boten diplomatische Vertretungen solche Schutzbriefe großzügig zum Kauf an, wodurch sich der Kreis der beratlı erheblich erweiterte.51 1863 begrenzte die osmanische Regierung schließlich die Anzahl der Schutzgenossen und verfügte, dass künftig Dienstboten keinen Anspruch mehr auf diplomatischen Schutz hatten. Außerdem mussten Dragomane und Kawassen fortan Steuern bezahlen und Militärdienst leisten. Es war osmanischen Untertanen verboten, als Konsuln, Vizekonsuln oder Konsularagenten europäischer Mächte zu fungieren. Diese Einschränkungen galten aber nur für diejenigen, die ab 1863 den Status eines beratlı erlangten. Das osmanische Staatsbürgerschaftsgesetz von 1869 schaffte die Schutzgenossenschaft osmanischer Untertanen zwar endgültig ab, jedoch boten die westeuropäischen Staaten den einstigen beratlıs die vollwertige Staatsbürgerschaft an. Nicht wenige Betroffene wollten auf die Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich verzichten und versuchten, diese Möglichkeit wahrzunehmen. Jedoch eröffnete der Artikel 9 des osmanischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Spielraum für Diskussionen darüber, ob eine Person nun osmanischer Untertan oder ein Staatsangehöriger eines anderen Landes sei. Der Paragraf lautete: „Jede Person, die auf dem osmanischen Staatsgebiet wohnt, wird als osmanischer Untertan angesehen und als solcher behandelt, bis seine Eigenschaft als Ausländer gültig (régulièrement) festgestellt ist.“52 Ab der Wende vom 19. zum 20. Jh. verlang50 Eldem 2006, S. 319f. 51 Zu den beratlı-Personen im 18. Jh. siehe van den Boogert 2005. 52 Schmitt 2005, S. 125.

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ten sowohl das Osmanische Reich als auch die anderen Staaten von den Betroffenen, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Insgesamt ist die Gültigkeit der Privilegien (imtiyazat), wie die Kapitulationen ab dem späten 19. Jh. genannt wurden, 1914 einseitig von den Jungtürken aufgekündigt worden. Mit dem Friedensvertrag von Lausanne (1923) gehörten sie dann endgültig der Vergangenheit an. Die Abschaffung der Privilegien symbolisiert auch einen Umgang mit Fremden, der nun nicht mehr in imperialen, sondern in nationalstaatlichen Handlungsmustern erfolgte. Mit den Balkankriegen 1912/13 war im Osmanischen Reich nicht dem osmanischen Reichspatriotismus, sondern dem Modell eines stärker ethnisch definierten Nationalismus der Durchbruch gelungen, der spätestens seit dem Staatsstreich der Jungtürken 1908 eine ernst zu nehmende politische Option dargestellt hatte. Der Erste Weltkrieg und der ‚Unabhängigkeitskrieg‘ 1919–1922 intensivierten und verdichteten diesen Prozess einer immer stärkeren Anwendung nationaler Politik, der dann auch in das Streben nach nationaler Homogenisierung mündete. Die Vernichtung und Vertreibung der Armenier 1915 leistete einem solchen Ansinnen ebenso Vorschub wie die als „Bevölkerungsaustausch“ deklarierte Vertreibung christlicher und muslimischer Bevölkerungsgruppen nach dem Friedensschluss von Lausanne.53 Gemäß dem Vertragstext besaßen in der nunmehrigen Republik Türkei Ausländer fortan keine rechtliche Sonderstellung mehr, und auch christliche Minderheiten konnten sich nicht mehr auf den Schutz durch andere Staaten berufen. Da jedoch nach der staatlichen Unabhängigkeit 1923 erst eine Nation geschaffen werden musste, stellte sich die Frage nach dem, wer als Fremder anzusehen und wie mit ihm umzugehen ist, erneut.

6. Fa zit Der Charakter des frühen osmanischen Herrschaftsgebildes, das an der Wende vom 13. zum 14. Jh. den Nukleus eines künftigen Weltreiches darstellte, lässt sich mit dem Begriff der ‚Beutegemeinschaft‘ beschreiben. Die Loyalität der Gruppe gegenüber den Anführern Osman und Orhan basierte meist weniger auf einer gemeinsamen Religionszugehörigkeit als vielmehr auf deren Prestige durch erfolgreiche Beutezüge und Eroberungen. Etwa seit der Mitte des 14. Jhs. setzte der Ausbau von Institutionen und Strukturen ein, die zusammen mit einer expansiven Außenpolitik das Herrschaftsgebiet der Sultane zu einem Imperium werden ließen, dessen religiöse Verfasstheit vorwiegend von der hanafitischen Ausrichtung des Islam geprägt war. Daraus ergab sich auch die Kategorisierung von Personengruppen als Fremde, zu denen neben Nichtmuslimen von außerhalb der osmanischen Grenzen auch nichtmuslimische autochthone Bevölkerungs53 Zu den historischen Hintergründen siehe die Beiträge in Kasaba 2008. In einer vergleichenden Perspektive hat Plaggenborg 2012 sich mit der Entstehung des türkischen Nationalismus auseinandergesetzt.

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gruppen innerhalb des Imperiums sowie Muslime, die als nicht zum sunnitischen Islam gehörig betrachtet wurden, gezählt werden konnten. Die imperialen Herrschaftsmechanismen basierten neben den Regelungen, die in einem engen Zusammenhang mit der Auslegung des religiösen Rechts standen, auf dem sultanischen Verordnungsrecht. Beide Säulen des osmanischen Rechts, die in einem nicht immer spannungsfreien Verhältnis zueinander standen, bestimmten bis zur Phase der als Tanzimat bezeichneten umfangreichen Reformbemühungen im 19. Jh. wesentlich den Umgang mit Fremden. Mit einem keineswegs statischen System abgestufter Rechte und Verpflichtungen wurden Fremde graduell unterschiedlich in die Strukturen und Institutionen des Reiches integriert. Gleichzeitig konnten Fremde aber auch ihre unterschiedlich ausgeprägte Zugehörigkeit aufkünden, wenn sie beispielsweise die Zahlung von Abgaben oder Steuern verweigerten oder die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes anstrebten. Spätestens im Verlauf des 18. Jhs. begannen sich neue Zugehörigkeitsoptionen herauszubilden, sodass die Inklusionsmechanismen angepasst bzw. neue Modelle entwickelt werden mussten. Als die Ideen von Staat und Nation im 19. Jh. im Herrschaftsgebiet des Sultans politische Realität wurden, versuchten die Reformer in Istanbul einen osmanischen Reichspatriotismus zu schaffen, der das einigende Band zwischen den Bewohnern des Reiches werden sollte. Eine zunehmende Türkisierungspolitik, in der sich der endgültige Wandel vom Imperium zum Nationalstaat widerspiegelt, ließ den Umgang mit Fremden entlang der Handlungsmuster erfolgen, die dem neuen politischen Ordnungs­modell zu eigen waren. Inklusion und Exklusion erfolgten nunmehr nach ethnisch oder national bestimmten Zugehörigkeitskategorien.

7. Kommentierte Liter atur auswahl Der Beitrag stützt sich methodisch auf Osterhammel 2010, der mit Blick auf die Geschichte von Imperien zwischen horizontalen und vertikalen Inklusionsmechanismen unterscheidet. Die vertikale Achse zielte im Osmanischen Reich auf die Einbindung lokaler Strukturen, die, wie das von Inalcık 1987 veröffentliche Katasterverzeichnis verdeutlicht, unmittelbar nach der Eroberung eines Gebiets durch die Integration regionaler Herrschaftseliten erfolgte. Grozdanova 1997 verweist auf die Bedeutung von Privilegien, die bestimmte Bevölkerungsgruppen als Gegenleistung für erbrachte Dienste gegenüber dem Imperium erhielten. Ursinus 1989 zeigt, dass der Begriff Millet vor dem 19. Jh. keinen klar definierten Bedeutungsrahmen aufweist und daher, zumindest bis zum 18. Jh., kaum einen horizontalen Inklusionsmechanismus für Nichtmuslime im Osmanischen Reich darstellte. Die Integration von Personen, die von außerhalb des osmanischen Herrschaftsgebietes kamen, erfolgte vorwiegend über die horizontale Achse. Eldem 2006 und van den Boogert 2005 diskutieren die in diesem Zusammenhang bedeutsamen ahdnames (Kapitulationen), die den Status solcher Fremden maßgeblich bestimmten. Der Sammelband von Dávid u. a. 2007 beschäftigt sich mit dem Schick-

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sal von Kriegsgefangenen und Sklaven, die – zumindest in Einzelfällen – durchaus enger in die gesellschaftlichen Strukturen eingebunden sein konnten. Imber 2002 bietet einen Überblick über das System der ‚Knabenlese‘ (devşirme), aus dem sich bis zum 17. Jh. sowohl die Janitscharen als auch ein gewichtiger Teil der Verwaltungsangehörigen rekrutierten. Wie Minkov 2004 verdeutlicht, galten diese Personen als Sklaven (kul), wenngleich seit der Mitte des 17. Jhs. der Begriff kul, wenn er sich auf Angehörige des Militär- und Verwaltungsapparates bezog, wahrscheinlich keinen unmittelbaren inhaltlichen Bezug mehr zum Rechtsstatus des Sklaven hatte.

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STÄ NDEOR DNU NG U ND TER R ITOR I A LSTA AT: DIE R ECHTE FR EMDER IN DER FRÜHEN NEUZEIT SIMON KARSTENS

1. Ein Beispiel Am 18. Oktober 1685 hob König Ludwig XIV. das Edikt von Nantes auf, das bisher den in Frankreich lebenden Calvinisten Schutz und die Ausübung ihres Glaubens zugesichert hatte. Auf seinen Befehl hin wurde die Zugehörigkeit zu dieser konfessionellen Minderheit unter Strafe gestellt und ihren Mitgliedern zugleich die Auswanderung verboten. Dem zum Trotz entschieden sich weit über 100.000 seiner Untertanen für eine Emigration.1 Mehrere Zehntausend dieser sog. Hugenotten fanden im Kurfürstentum Brandenburg-Preußen eine neue Heimat, in der ihre Einwanderung – als Erfolgsgeschichte interpretiert – zu einem zentralen Erinnerungsmoment der bis heute preußisch orientierten deutschen Geschichtskultur wurde. In diesem speziellen Fall ging der Ankunft der Flüchtlinge eine gründliche Vorbereitungsphase voraus, in der nicht nur der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm, sondern auch andere Machthaber Europas sich darum bemühten, die Hugenotten als neue Untertanen zu gewinnen. Sie alle handelten aufgrund von Motiven, die auf dem frühneuzeitlichen Verständnis guter Staatsführung beruhten. So war erstens die These weit verbreitet, dass die Vermehrung der Einwohnerzahl per se ein sicheres Mittel sei, um den Wohlstand und die Macht des eigenen Staates zu vergrößern. Zweitens standen die französischen Emigranten im Ruf, fleißig und gut ausgebildet und somit eine Bereicherung der Wirtschaftskraft ihrer neuen Heimat zu sein. Drittens kam für protestantische Herrscher die Absicht hinzu, gottgefällig zu handeln, indem sie entweder als Calvinisten den eigenen Glaubensangehörigen beistanden oder zumindest als Protestanten der Kirchenpolitik Ludwigs XIV. entgegenwirkten. Der Kurfürst von Brandenburg war einer der ersten Herrscher, der aus diesen Gründen den Hugenotten seinen Beistand anbot. Er erließ, durch Beobachter in Frankreich gut unterrichtet, bereits am 8. November das Edikt von Potsdam, in dem er ihnen viele Zusagen für den Fall machte, dass sie als Siedler nach Brandenburg oder in das zuvor von einer Pestwelle betroffene Preußen kämen. Hierzu gehörte auch Hilfe bei der Übersiedlung. Agenten sollten an Sammelplätzen die Reisegruppen organisieren und 1 Vgl. grundlegend Jersch-Wenzel u. a. 1978, Jersch-Wenzel 1995 und die Beiträge in Duchhardt 1985, Höpel 1998 und Beneke u. a. 2005.

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Versorgungsgüter, Pässe und vieles mehr bereitstellen. Schon bald traten die Republik der Niederlande, der englische Hof und weitere deutsche Fürsten auf den Plan und versuchten ebenfalls, die Hugenotten zum Umzug in ihr Land zu bewegen. Den Emigranten, die in Brandenburg oder Preußen ankamen, versprach Kurfürst Friedrich Wilhelm Hilfe bei der Ansiedlung in Form von Bauland oder Wohnraum, Steuervergünstigungen, freie Glaubensausübung, freie Berufsausübung ohne Zunftzwang und viele weitere Vergünstigungen, die weit über eine bloße Gleichstellung mit der eingesessenen Bevölkerung hinausgingen. Der Kurfürst hatte mit diesem Angebot Erfolg, und schon bald kamen mehrere Zehntausend Hugenotten nach Berlin und in andere Städte seines Herrschaftsgebietes. Ihre Aufnahme vollzog sich hier wie andernorts aber keineswegs so reibungslos, wie es in manchen Gedenkreden geschildert wird, welche die Tradition Deutschlands als Einwanderungsland feiern.2 Genauer betrachtet, zeigte sich schon bald, dass hier eine rein monarchische Siedlungspolitik vollzogen wurde, die von modernen integrationspolitischen Konzepten zu unterscheiden ist. Die Hugenotten waren zwar nach ihrer Ankunft durch Vertrag und königliches Gesetz an den Kurfürsten gebunden und damit einerseits der Gesellschaftsordnung rechtskräftig zugehörig, blieben aber andererseits in mehrfacher Hinsicht – oft auch gerade wegen ihrer Privilegierung durch den König – Fremde in ihrer neuen Heimat. Nicht nur ihre Herkunft und Sprache, sondern auch ihr Glaube unterschied sie von der Mehrheit der Untertanen, denn sie waren in ein Land gezogen, dessen Herrscher zwar ihre calvinistische Konfession teilte, dessen Bevölkerung hingegen lutherisch war. Hinzu kam eine Reihe von Konflikten, die aus der Sonderstellung resultierten, die ihnen im Edikt von Potsdam verliehen wurden. Durch seine Aufnahmepolitik hatte der Kurfürst die über Jahrhunderte in den Städten und Gemeinden Brandenburg-Preußens gewachsenen Mechanismen zur Aufnahme von Fremden umgangen und ausgehebelt. Bisher strenge Kriterien, welche Erwerb und Vererbung von Grundbesitz, Berufsausübung und politische Mitwirkung auf lokaler Ebene reglementierten, galten nicht mehr oder wurden durch neue, parallele Strukturen infrage gestellt. Zu diesem juristischen Konfliktpotenzial kamen logistische Probleme, die sich aus der großen Zahl der Migranten und der begrenzten Menge verfügbarer Ressourcen ergaben. Dementsprechend folgten auf die Ankunft der Hugenotten hier wie auch in anderen Herrschaftsgebieten erhebliche Versorgungsprobleme und damit verbundene lokale Konflikte. Allerdings bleibt offen, inwieweit der Umgang der Einheimischen mit den Hugenotten als passiver Widerstand lokaler Eliten gegen die königliche Siedlungspolitik interpretiert werden kann oder ob bloß Unvermögen herrschte, die königlichen Befehle vor Ort umzusetzen.

2 Zu den folgenden Ausführungen vgl. Reinke 1998; Jersch-Wenzel 1995, S. 165–169; Häberlein 2004; Schulze Wessel 2007.

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Trotz der lokalen Probleme siedelten sich die Hugenotten in rasch wachsender Zahl an und erhielten eigene Gerichts- und Verwaltungsstrukturen, die als sog. Kolonien in eigenen Siedlungen oder innerhalb von Städten wie Berlin Gestalt annahmen. Dadurch bildete sich eine Form von Parallelgesellschaft, die aber – anders als die heutige Verwendung des Wortes nahelegt – durch die enge Bindung an das monarchische Staatsoberhaupt zugleich fester Bestandteil der frühmodernen brandenburg-preußischen Sozialordnung war. Die von den Stadtgemeinden getrennte, kurfürstlich garantierte Rechtsstellung der Kolonien und ihrer Mitglieder galt schon bald als derart attraktiv, dass spätere französische Emigranten oftmals gar nicht versuchten, als gewöhnliche Untertanen in Brandenburg oder Preußen aufgenommen zu werden.3 Stattdessen bemühten sie sich, Mitglieder einer dort anerkannten hugenottischen Gemeinschaft zu werden. Das hier kurz umrissene Beispiel der Hugenotten, die Fremde im eigenen Land wurden und dann in ihrer neuen Heimat gleichzeitig fremd und zugehörig waren, wirft ein Schlaglicht auf die im Folgenden in einem weiteren Blickwinkel betrachteten Charakteristika der Rechtsstellung Fremder in der Frühen Neuzeit.

2. Einleitung: Fr emdheit in der Frühen Neuzeit – eine Annäherung Das Europa der Frühen Neuzeit ist in Bezug auf ‚Fremdheit‘ und ‚Zugehörigkeit‘ ein Raum heterogener Normen und Praktiken. Nicht nur zwischen verschiedenen Herrschaftsgebieten, sondern auch zwischen ihren jeweiligen Provinzen, Städten und Gemeinden lässt sich eine Vielfalt von Möglichkeiten erkennen, anhand derer bestimmt wurde, wer ein Fremder war und ob er auszugrenzen, zu tolerieren, zu privilegieren oder zu integrieren sei. Ziel dieses Beitrages kann es daher nur sein, übergreifende Tendenzen und Leitlinien bezüglich des Rechtsstatus von Fremden einerseits und der Möglichkeiten und Grenzen des Erwerbs von Zugehörigkeit andererseits aufzuzeigen. Angesichts der Heterogenität des Gegenstandes ist es notwendig, zunächst eine ­allgemeine Definition des Fremden und des Zugehörigen zu geben. In beiden Fällen handelt es sich um temporäre, Inklusion oder Exklusion generierende Zuschreibungen, die aufgrund veränderlicher Kriterien in sozialen Interaktionen entstanden.4 Bei diesem Vorgang, in dem – vereinfacht gesagt – bestimmt wird, wer aus welchem Grund zur Gemeinschaft gehört, werden zugleich Regeln und Normen für das Zusammen­ leben festgelegt und bekräftigt. Solch eine weit gefasste Definition geht aber über das Phänomen Fremdheit hi­naus und würde alle ausgegrenzten Personen und gesellschaftlichen Randgruppen umfassen, 3 Jersch-Wenzel u. a. 1978, S. 126f. 4 Vgl. Holenstein u. a. 2004, S. 10f.; Küntzel 2008, S. 2; Manz 2006, S. 9–15; Schnabel-Schüle 2008a, S. 51.

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wie beispielsweise auch die Ausübenden sog. unehrlicher Berufe.5 Daher ist eine genauere Unterscheidung notwendig, die auf zwei, am Beispiel der Hugenotten erkennbaren, zentralen Kategorien für die Zuschreibung von Fremdheit in der Frühen Neuzeit basiert: erstens der Zugehörigkeit zu einer anderen politischen Gemeinschaft, sei es durch Geburtsort, Abstammung oder Gefolgschaft; zweitens der Mitgliedschaft in einer von der Mehrheit nicht geduldeten Konfessions- oder Religionsgemeinschaft.6 Anhand dieser unterschiedlich angewendeten Kriterien wurden Individuen oder Gruppen nicht nur ausgegrenzt, sondern als Fremde von den Mitgliedern einer Gemeinschaft – zu der auch geduldete Minderheiten gehörten – unterschieden. Zugehörigkeit kann als Gegenpol von Fremdheit verstanden werden und bedeutet, als Teil der jeweiligen Gemeinschaft anerkannt zu sein und darin einen spezifischen Rechtsstatus zu besitzen, der sich von dem eines Fremden unterscheidet. Kriterien hierfür waren Geburtsort, Abstammung und Konfession, wobei zu beachten ist, dass die Konfession zwar einen Ausschluss begründen, niemals aber allein einen Anspruch auf Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft hervorbringen konnte. In der Frühen Neuzeit ist bei Geburtsort und Abstammung im Vergleich mit späteren Epochen zu beachten, dass Zugehörigkeit primär auf das Verhältnis zur Person des Souveräns und nicht auf das zu einer abstrakten Größe, wie einem Staat oder einer Nation, gegründet war.7 Demnach hatten Personen, die im Herrschaftsbereich eines bestimmten Souveräns oder von dessen Untertanen geboren wurden, gleichermaßen die Pflicht zur Loyalität ihm gegenüber wie auch das Recht, als seine Untertanen anerkannt zu werden – wobei den beiden Faktoren Geburtsort (ius soli) und Abstammung (ius sanguinis) in den verschiedenen Territorien unterschiedliche Bedeutung zugemessen wurde.8 Ein berühmter Fall der englisch-schottischen Rechtsgeschichte verdeutlicht dies am Beispiel des ius soli. Im sog. Calvin‘s Case wurde im Jahr 1608 darüber verhandelt, ob ein in Schottland von gebürtigen Schotten gezeugtes Kind als Engländer anerkannt werden könne, obwohl beide Länder getrennte Königreiche mit eigener Rechtsordnung waren.9 Das einzige Argument für eine Aufnahme des Kindes namens Robert Calvin als Untertan war die Tatsache, dass König James I. von England zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes auch die Souveränität über Schottland besaß. Obwohl beide Länder unterschiedliche Traditionen, Parlamente und Verwaltungsstrukturen besaßen und lediglich in Personalunion unter demselben Herrscher standen, wurde in diesem Fall entschieden, dass die Geburt im Herrschaftsbereich eine Bindung des Kindes an den Monarchen herstellte, die stärker war als die Trennung beider Königreiche. 5 6 7 8

Zur Kritik an einer weiten Definition siehe Schaser 1995, S. 141f. und anhand eines Beispiels S. 151. Häberlein 2002; Schwanke 2005, S. 9–20. Sahlins 2008, S. 1–8, 20f.; Schnabel-Schüle 2008a, S. 54, 60. Wobei auch innerhalb eines Territoriums Mischformen bestehen konnten, vgl. Sahlins 2008, S. 56–64. 9 Dummett u. a. 1990, S. 59–61.

die Rechte Fremder in der Frühen Neuzeit

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Dieser Prozess illustriert die Möglichkeit zur juristischen Überwindung von Fremdheit, ein Akt, der zugleich implizit den Erwerb von Zugehörigkeit markierte. Nicht nur bei solchen Vorgängen, sondern auch generell ist jedoch zu beachten, dass nicht, wie in einem binären Modell, zwischen zwei klar definierten Zuständen unterschieden werden kann. In der Frühen Neuzeit bestand eine Vielzahl von wechselseitigen sozialen und rechtlichen Bindungen, die als unscharf getrennte Abstufungen von Zugehörigkeit angesehen werden können.10 Ihre Bandbreite reichte von einer Duldung und einem simplen Schutz vor Sanktionen, denen andere Fremde unterlagen, über privilegierte Sonderstellungen bis hin zur vollständigen Aufnahme und damit Partizipation an politischen Prozessen und Zugang zu gemeinsamen Ressourcen. Der dabei erkennbare Variantenreichtum resultierte aus der ständischen Gliederung der Aufnahmegesellschaften, deren Mitglieder im Gegensatz zu Bürgern im modernen Verfassungsstaat unterschiedliche Rechtsstellungen innehatten. Daher war es überall in Europa Aufgabe der jeweiligen Gesellschaft, Fremde oder Neu-Zugehörige in ihr eigenes, ständisch geprägtes System von Rechten, Pflichten und Privilegien einzuordnen.11 Diese ohnehin komplexen Vorgänge werden zusätzlich dadurch kompliziert, dass Individuen und Gruppen in der Frühen Neuzeit an einem Ort gleichzeitig in recht­ licher Hinsicht zugehörig und fremd sein konnten, je nachdem, auf welche politische Ordnungsebene Bezug genommen wurde.12 So besaßen alle Untertanen eines Souveräns zwar Zugehörigkeit zu seinem Herrschaftsverband, aber keineswegs überall darin einen gleichen Rechtsstatus. Adelige russische Amtsträger, die von Zarin Katharina II. in ihre baltischen Provinzen entsandt wurden, hatten ebenso wie österreichische Beamte des Hauses Habsburg in Sizilien zwar politischen Einfluss vor Ort, der auf ihre Bindung an den Souverän zurückzuführen war, blieben aber für die lokalen Ständevertreter Fremde.13 Sie konnten Rechte, die einheimischen Adeligen zustanden, wie die Teilnahme an lokalen Ständeversammlungen, nicht ausüben. Erst durch Erwerb von Gütern und Titeln vor Ort, um den sich die Betroffenen in beiden Fällen bemühten, konnten sie auch lokale Zugehörigkeit erwerben. Für Akteure, die von dem Phänomen gleichzeitiger Zugehörigkeit und Fremdheit betroffen sind, kann die Bezeichnung ‚inländische Fremde‘ verwendet werden. Hierbei handelt es sich um ein in Europa standesübergreifend auftretendes Phänomen, das keineswegs nur als Folge monarchischer Expansions- oder Siedlungspolitik entstand. Es war in der Frühen Neuzeit überall dort alltäglich, wo Völker mit unterschiedlicher rechtlicher und kultureller Tradition einen gemeinsamen Herrscher hatten. So waren Katalanen und Kastilier zwar gemeinsame Untertanen desselben Herrschers, blieben 10 11 12 13

Sonkajärvi 2008b, S. 8–32. Küntzel 2008, S. 5–9. Vgl. Cottret 1991, S. 1–8; Manz 2006, S. 25; Sonkajärvi 2008b, S. 173–180; Zürn 2004. Tuchtenhagen 2008.

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aber bis in das 18. Jh. rechtlich Fremde im Land der jeweils anderen.14 Auch in Gebieten, deren kulturelle und rechtliche Traditionen enger verwoben waren, lassen sich ‚inländische Fremde‘ beobachten. Hierfür kann erneut England als Beispiel dienen.15 Untertanen, die dort ihren Wohnsitz in eine andere Stadt verlegten, blieben unverändert der Monarchie zugehörig, waren zugleich aber Fremde in Bezug auf die neue Stadtgemeinde. Sie waren „strangers“, aber keine „foreigners“. Dies bedeutete nicht nur eine mangelnde soziale Einbindung oder ein subjektives Fremdheitsempfinden, sondern einen tatsächlich von den lokal Zugehörigen unterschiedenen Rechtsstatus. Das europaweit auftretende Phänomen der ‚inländischen Fremdheit‘ mit seinen konkreten rechtlichen Folgen spiegelt nicht nur den kompositorischen Charakter vieler Herrschaftsgebiete in der Frühen Neuzeit wider, sondern auch das Vorhandensein zweier miteinander verwobener politischer Ebenen innerhalb ihrer Grenzen: die entstehenden frühmodernen Zentralgewalten und die lokalen Partikulargewalten.16 Die Interaktion dieser beiden Ebenen war im Laufe der Epoche davon geprägt, dass Erstere – überwiegend Fürsten als Träger der Souveränität – mit zunehmender Intensität danach strebten, ihre Interessen gegenüber lokalen Führungsschichten durchzusetzen. Dies darf aber nicht als ein Triumphmarsch der Zentralgewalten verstanden werden. In der Praxis lässt sich vielmehr eine Wechselwirkung beider politischen Ebenen erkennen, die gemeinsam Fremdheit und Zugehörigkeit definierten und Instrumente zum Umgang mit ihnen erschufen. Auch das zweite oben genannte Argument zur Zuschreibung von Fremdheit, die Konfession, war im Laufe der Frühen Neuzeit in seiner Bedeutung Veränderungen unterworfen.17 Ausgangspunkt war der Prozess der Konfessionalisierung, der diesem Fremdheitskriterium im 16. und 17. Jh. Trennschärfe verlieh. Dieser komplexe Vorgang der Normierung und Abgrenzung der christlichen Konfessionen voneinander betraf die unmittelbare Glaubenspraxis im Alltag der Menschen. Aus der untrennbaren Verbindung von Religion und dem sozialen und politischen Leben resultierten so neue Formen der Entfremdung und Abgrenzung, die sich in großen Territorien ebenso wie in einzelnen Gemeinden auswirken konnten und ein erhebliches Konfliktpotenzial mit sich brachten. Die konfessionelle Differenz entfaltete allerdings erst in Verbindung mit den spezifischen politischen Rahmenbedingungen in den Territorien Europas konkrete Auswirkungen für die Vergabe oder den Entzug von Zugehörigkeitsrechten. Sie blieb an die jeweiligen Akteure und ihre Interessenlagen gebunden, sodass gerade in europäischer 14 15 16 17

Manz 2006, S. 26f. Cottret 1991, S. 54. Holenstein u. a. 2004, S. 20–26; Schaser 1995, S. 137f. und 143. Häberlein 2002, S. 41; Litten 2003, S. 337–346; Schaser 1995, S. 139–143; Schnabel-Schüle 2008a, S. 57; Schulze Wessel 2007.

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Perspektive oft widersprüchliche Beobachtungen gemacht werden können. Nur wenige Jahre nachdem beispielsweise in Spanien nicht nur der katholische Glaube, sondern sogar der Nachweis katholischer Abstammung zur Bedingung für Zugehörigkeit geworden war,18 beschlossen die niederländischen Provinzen dieser Krone in ihrem Streben nach Unabhängigkeit die Duldung aller christlichen Konfessionen, sofern ein Vorrang für den Calvinismus gewahrt blieb. Im Blick auf das 18. Jh. bleibt anschließend auf eine Tendenz zur Rationalisierung von Herrschaft und politischer Legitimation in einigen Territorien Mitteleuropas hinzuweisen, die mancherorts die Bedeutung der Konfession als Argument zur Verweigerung von Zugehörigkeitsrechten schwächte. Stattdessen gewann neben dem Souverän der frühmoderne Staat als Bezugspunkt von Zugehörigkeit an Bedeutung, der, wie im Beispiel Preußens, über konfessionellen Differenzen stehen konnte. Einige Herrscher initiierten darauf gestützt eine nutzenorientierte Toleranzpolitik, die zwar keine Glaubensfreiheit bedeutete, aber dennoch eine sinkende Relevanz der Konfession für die ­Politik im 18. Jh. widerspiegelt. Allerdings ließen sich für diese oft mit der europäischen Aufklärungsbewegung in Verbindung gebrachte Tendenz auch Gegenbeispiele, wie die Vertreibung der Protestanten aus dem Fürstbistum Salzburg 1731, nennen.

3. Die V ielfalt r echtlicher Folgen von Fr emdheit und Zugehör igk eit Von zentraler Bedeutung für das Verständnis der Rechtsstellung von Fremden in der Frühen Neuzeit ist die ständische Gliederung der jeweiligen Aufnahmegesellschaft. Mithin besaßen auch diejenigen, die als zugehörig galten, unterschiedliche Rechte und Pflichten und können daher Fremden, wie angedeutet, nicht einfach bipolar gegenübergestellt werden. Stattdessen muss der Rechtsstatus der Fremden ebenso wie der der Einheimischen näher differenziert werden. Hierfür ist als erster Schritt ein Blick auf die lokale Ebene der Städte und Gemeinden besonders geeignet, denn dort vollzogen sich die Begegnung mit den Fremden und die soziale Praxis ihrer Aufnahme.19 Außerdem lassen sich auf der lokalen Ebene eher die unterschiedlichen Gründe und Umstände der Anwesenheit Fremder ermitteln und kategorisieren, die Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung hatten. Darauf aufbauend können anschließend im europäischen Vergleich größere Herrschaftsverbände betrachtet werden, in denen eine grundlegende Wechselwirkung zwischen der lokalen und territorialen Ebene vorauszusetzen ist. So entfaltete die Zuweisung eines rechtlichen Status an Fremde durch den Herrscher – egal, ob sie unerwünscht, geduldet oder privilegiert waren – erst im entsprechenden sozialen Umfeld 18 Manz 2006, S. 167f. 19 Holenstein u. a. 2004, S. 22–24.

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ihre Wirkung. Im Gegenzug war wiederum seit dem 16. Jh. die lokale Zugehörigkeit in Europa weitgehend mit der territorialen verbunden.20 Dies bedeutet, dass ein Untertanenverhältnis zum Souverän Bedingung für den Erwerb eines lokalen Rechtsstatus war. Aufgrund der heterogenen Rechtsstellung von Fremden auf lokaler Ebene, die es eigentlich erforderlich macht, jedes Beispiel in seiner Einzigartigkeit zu beschreiben, werden hier die Ergebnisse mehrerer Fallstudien zu einer idealtypischen Rechtsordnung einer Stadtgemeinde des Heiligen Römischen Reiches kombiniert. Dadurch entsteht ein Beispiel, das zwar keinem singulären Fall entspricht, dafür aber generelle Leit­ linien zur Regelung von Fremdheit und Zugehörigkeit im mitteleuropäischen Raum abbilden kann.21 Stadtgemeinden bieten sich als Betrachtungsgegenstand an, da sie stetig mit einer hohen Zahl von Fremden konfrontiert waren und deren Vertreibung, Duldung oder Aufnahme regulieren mussten. Außerdem besaßen sie – egal, ob es sich um freie Reichsstädte oder einem Fürsten untergeordnete Landstädte handelte – eine mehr oder weniger ausgeprägte Form munizipaler Selbstverwaltung. Der Zugang zu den damit verbundenen Rechten und Ämtern war streng reguliert und einem kleinen Personenkreis vorbehalten.22 Diese kleine Gruppe der Inhaber des vollen Bürgerrechts einer Stadt kann als Höhe- und Endpunkt einer Skala der Zugehörigkeit gesehen werden. Hierin lassen sich neun Gruppen von Personen unterscheiden: fünf, denen Fremdheit zugeschrieben wurde, und vier, die in einem gewissen Maße als zugehörig angesehen wurden. Am Anfang dieser Skala stehen diejenigen Fremden, denen bereits das Recht zum Aufenthalt in der Gemeinde und zur freien Reise verweigert wurde. Dabei handelte es sich beispielsweise um fahrendes Volk, das keine klare Zugehörigkeit zu einem anderen Souverän besaß, und um Bettler fremder Herkunft, für deren Versorgung nach frühneuzeitlichem Rechtsverständnis eigentlich ihre Heimatorte zuständig waren.23 Die Vertreibung oder ‚Abschaffung‘ solcher als schädlich für die Gemeinschaft angesehenen Fremden stellte eine logistische Herausforderung dar, deren Bewältigung in den Landstädten zunehmend zentralisiert wurde. Dies bot der Zentralgewalt, beispielsweise in der Habsburgermonarchie des 18. Jhs., eine Möglichkeit, in die lokalen Rechtsordnungen einzugreifen.

20 In England bspw. seit den Kriegen mit Spanien Ende des 16. Jhs.: Cottret 1991, S. 68f. 21 Hierfür wurden Fallstudien zu Köln, Offenburg, Breisach, Münster, Hildesheim und Hamburg unter vergleichender Einbeziehung von Untersuchungen zu Straßburg und Bologna verwendet. Siehe Schilling 1972; Whaley 1985; Häberlein 2002; Benedictis 2002; Häberlein 2005. Besonders umfangreiche neuere Detailstudien (Küntzel 2008; Litten 2003; Schwanke 2005; Sonkajärvi 2008a; Sonkajärvi 2008b) erweitern dabei die bisherige Perspektive. Zusammenfassungen bieten Thieme 1958 und Schaser 1995. 22 In Köln bspw. 10 % der Einwohner: Küntzel 2008. 23 Schnabel-Schüle 2008a, S. 55.

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Anders als den unerwünschten Fremden ging es denjenigen, die nur kurz – gegebenenfalls auf der Durchreise – in den Gemeinden blieben und Angehörige eines anerkannten Herrschaftsverbandes waren. Der Status solcher Reisender aus anderen Ländern ähnelte dem von Bewohnern anderer Gemeinden desselben Territorialstaates. Sie genossen ein zeitlich begrenztes Aufenthaltsrecht, das zunehmend durch ein Passwesen reguliert wurde. Dadurch befahl der Herrscher seinen Untertanen, sie zeitweilig zu dulden und zu schützen. Diese kurzzeitig präsenten Fremden stellten keine Ansprüche auf Zugehörigkeit und blieben in rechtlicher Hinsicht Mitglieder ihrer Heimatgemeinde und ihrem eigenen Souverän zugehörig. Dennoch besaßen sie in der Regel die Möglichkeit, vor Ort ihre Interessen vor Gericht zu vertreten. Hierfür bestand beispielsweise in den Hansestädten eine besondere Form des Prozesses, das sog. Gast-Recht.24 Dieses beschleunigte Verfahren sollte Kosten und Dauer für den Fremden minimieren und ihm die Wahrung seiner Interessen ermöglichen. Als dritte Gruppe können Personen verstanden werden, die sich ohne offiziellen Status dauerhaft in der Stadt aufhielten, um dort einer meist unqualifizierten Tätigkeit nachzugehen. Sie stammten oft aus dörflichen Gemeinden der Umgebung und kamen in der Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lebensumstände. Ihre Duldung war inoffiziell und von dem spezifischen sozialen Netzwerk abhängig, das sie beispielsweise mit einem Arbeitgeber knüpfen konnten. Auch sie besaßen in rechtlicher Hinsicht noch immer eine Zugehörigkeit außerhalb ihres neuen Wohnortes, nämlich zu ihrem Heimatort, an den sie unter Umständen abgeschoben werden konnten. Dies geschah allerdings selten, da diese Fremden als Dienstboten oder Handlanger in vielen Gemeinden eine wichtige wirtschaftliche Ressource darstellten. Aus diesem Grund war es ihnen oder ihren am neuen Wohnort geborenen Kindern vielerorts auch möglich, einen Status von Zugehörigkeit als ein sog. Beisasse oder Schutzbürger zu erwerben. Hierfür waren verschiedene Voraussetzungen, wie eine Gebühr, ein reguläres Dienstverhältnis und eine Eidesleistung gegenüber der neuen Heimatgemeinde, zu erfüllen. An vierter und fünfter Stelle lassen sich schließlich zwei Typen von Fremden unterscheiden, die ebenfalls dauerhaft in einer Stadtgemeinde ansässig waren, dort aber im Gegensatz zur vorherigen Gruppe einen offiziellen Rechtsstatus besaßen. Ihr Unterschied lag in den jeweils auftretenden Fremdheitskriterien. Zur vierten Gruppe gehören Fremde, die zwar – beispielsweise aufgrund einer Vertreibung – keine Zugehörigkeit zu einem anderen Herrschaftsbereich mehr besaßen, aber zugleich in ihrer neuen Heimat aufgrund ihrer Religion oder Konfession keine Zugehörigkeit erlangen konnten.25 Ihre Aufnahme wurde meist vertraglich geregelt, wobei je nach Art der Gemeinde sowohl der Herrscher als auch die gewählte Stadtregierung als Vertragspartner auftre24 Zedlers Universal-Lexicon, Bd. 10, Sp. 394. 25 Siehe zu diesem Kriterium und seiner unterschiedlichen Anwendung bei bestimmten Fremdengruppen die vergleichende Studie Jersch-Wenzel u. a. 1978.

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ten konnten. Grund für solche Vereinbarungen war vonseiten der Aufnahme­gesellschaft meist die Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile, für die Fremden hingegen primär das Recht zur Ausübung ihres Glaubens. Diese Gruppe umfasste neben Juden auch alle Angehörigen einer am Ort nicht etablierten Konfession, wie beispielsweise die Calvinisten in Hamburg. Da die Rechtsstellung der vertraglich geduldeten Andersgläubigen von deren erhofftem Nutzen für die Gemeinschaft abhängig war und fallweise durch Vergabe von Sonderrechten gestaltet wurde, konnte sie erhebliche Unterschiede aufweisen: Nichtchristliche Minderheiten wie Juden hatten in der Regel einen verminderten Rechtsstatus.26 Das bedeutet, sie durften nur unter Einschränkungen Besitz erwerben und ausgewählten wirtschaftlichen Tätigkeiten ohne Eintritt in Korporationen nachgehen. Sie waren von Wachdiensten und regulären Steuern der Gemeindemitglieder befreit, mussten dafür aber eigene Abgaben leisten. Sie unterlagen außerdem lokal unterschiedlichen Sonderbestimmungen bezüglich ihrer Kleidung, Lebensweise oder ihres Rechts, zu reisen und Waren einzuführen. In rechtlicher Hinsicht unterstanden sie der Gemeinde oder dem übergeordneten Fürsten, die ihnen gegebenenfalls eigene niedere juristische Strukturen erlaubten, mussten aber vor Gericht Benachteiligungen hinnehmen, wie höhere Gebühren oder eine verminderte Gewichtung ihrer Aussagen. Ihre Religionsausübung war meist auf den privaten Bereich beschränkt. Im Gegensatz zu religiösen konnten konfessionelle Minderheiten hingegen mit weitreichenden Privilegien ausgestattet werden, vor allem, wenn sie – wie die Hugenotten in Brandenburg – auf Befehl des Souveräns in einer vom Fürsten abhängigen Residenz- oder Landstadt aufgenommen wurden. Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, freie Berufswahl, freier Erwerb von Grundbesitz, freie öffentliche Religionsausübung, eine eigene niedere Gerichtsbarkeit, darüber hinaus eine Erleichterung oder gar vollständige Befreiung von Abgaben und Diensten führten in diesem Fall dazu, dass sie bessergestellt waren als die Mehrheit der Einheimischen. Trotz aller Unterschiede im konkreten Rechtsstatus der Andersgläubigen bestanden auch Gemeinsamkeiten. Selbst wenn sie keine Zugehörigkeit zu einem anderen Herrschaftsbereich mehr besaßen und seit Generationen an einem Ort lebten, war ihr Rechtsstand kein Geburtsrecht und konnte von den Herrschenden einseitig aufgehoben oder verändert werden. Des Weiteren blieben den Fremden sämtliche politischen Partizipationsrechte in der Gemeinde und die Aufnahme in städtische Korporationen wie Zünfte verwehrt. Gruppen in günstigen Verhandlungspositionen bemühten sich daher um eine Befreiung von Korporationszwängen oder um das Recht zur Gründung eigener Vereinigungen. Eine weitere Gemeinsamkeit aller aufgrund ihres Glaubens ausgegrenzten Personen waren Hemmnisse bei Heiraten mit Angehörigen der städtischen Gemeinde, an denen aber bei einigen Fremdgruppen ohnehin geringes Interesse be26 Vgl. z. B. Schreiner 2001.

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stand. Hierin kommt zum Ausdruck, dass Andersgläubige zwar in weltlicher, vertrag­ licher Hinsicht dauerhaft ein Teil der Gemeinde werden konnten, ihr aber in ihrer gleichzeitigen Bedeutung als Heilsgemeinschaft fremd blieben. Zur fünften und letzten Gruppe von Fremden zählen Personen, die zwar längere Zeit an einem Ort lebten, zugleich aber Zugehörigkeit zu einer anderen politischen Gemeinschaft behielten. Ihre Fremdheit konnte neben ihrer Herkunft, Abstammung oder Loyalitätsbeziehung gegebenenfalls zusätzlich durch konfessionelle Fremdheit begründet sein, wobei in diesem Fall die verschiedenen Fremdheitskriterien aus der heutigen Perspektive kaum zu trennen sind. Zu dieser Gruppe lassen sich auch viele der oben genannten inländischen Fremden rechnen, die weiterhin ihrer jeweiligen Heimatgemeinde angehörten. Ihr Rechtsstatus kann allgemein als privilegiert bezeichnet werden, lässt sich aber anhand der Rahmenbedingungen ihres Aufenthalts näher differenzieren. Zum einen war es in der Frühen Neuzeit alltäglich, dass kleine Gruppen einen neuen Wohnsitz außerhalb ihrer Heimat bezogen, um dort für eine begrenzte Zeit Handelsverbindungen zu knüpfen oder andere wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Selbst wenn sie den Großteil ihres Lebens dort verbrachten, bedeutete das nicht zwingend, dass sie die Verbindung zu ihrer Heimat abbrachen. Ebenso alltäglich war es zweitens, dass Fremde als Mitglieder einer Organisation an einen Ort kamen, die dort zwar ein etablierter Teil der Gesellschaftsordnung war, zugleich aber einen eigenen recht­lichen und sozialen Bereich bildete. Kleriker, Studenten oder Soldaten besaßen alle einen besonderen Rechtsstatus, der sich aus der Zugehörigkeit zu ihrer spezifischen Organisation ableitete. Sie waren, beispielsweise als Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, aus der lokalen Rechtsordnung gelöst und meist von städtischen Abgaben und Dienstpflichten befreit. Eine unklare Stellung nehmen dabei diejenigen ein, die an ihrem Heimatort in eine solche Organisation eintraten. Sie waren dadurch zwar rechtlich von ihrer Heimatgemeinde entfremdet, dürften aber im Alltag nicht als Fremde wahrgenommen worden sein. An dritter Stelle können die Fremden unterschieden werden, die mit spezifischen Kompetenzen in Verwaltungsfunktionen an einen Ort entsandt wurden. Sie besaßen an ihrem Wohnort zwar Autorität, die ihnen von einer übergeordneten Instanz als deren Interessenvertreter verliehen worden war, doch ihre Zugehörigkeit zu einem übergreifenden Herrschaftsverband verhinderte nicht, dass sie gleichzeitig vor Ort Fremde waren. Betrachtet man den Rechtstatus dieser drei Personengruppen, so ist erkennbar, dass sie im Regelfall weitreichende Privilegien genossen, die sie gegenüber der Mehrheit der Einwohner begünstigten. Sie waren meist von Dienstpflichten befreit, unterstanden einer eigenen Gerichtsbarkeit, zahlten keine städtischen Abgaben und konnten ihrem Stand oder ihrer Korporation entsprechende Sonderrechte wie das Tragen von Waffen geltend machen. Im Gegenzug waren sie an die Regelungen eines Vertrages, ihrer Gemeinschaft oder ihres Auftrages gebunden. So unterstanden sie beispielsweise der Klosterdisziplin oder konnten auf Befehl hin abberufen werden. Der Erwerb von Grund-

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besitz und vor allem die freie Berufswahl wurden ihnen selten gewährt, da sie in ihrer spezifischen Funktion meist nur mittelfristig vor Ort waren. Politische Partizipationsrechte auf der Gemeindeebene blieben ihnen wie allen anderen Fremden verwehrt. Um die Komplexität der hier skizzierten Rechtsstellungen und Formen der Fremdheit zu reduzieren, bietet sich ein vereinfachtes Schema an, welches die unterschied­ lichen Gründe für die Zuschreibung von Fremdheit ausblendet und lediglich deren Auswirkungen betrachtet. Unter dieser Voraussetzung kann – wie in der Forschung bereits geschehen – zwischen Personen mit einem unerwünschten, geduldeten und privilegierten Status differenziert werden, wobei diese Kategorien sehr allgemein sind und nur in Bezug auf die Rechtsstellung spezifischer Gruppen von Einheimischen verstanden werden können.27 Die Zugehörigen – als Gegenpol zu den Fremden im idealtypischen Modell einer Stadtgemeinde – weisen kein Fremdheitskriterium auf und besitzen einen von der Bürgerschaft akzeptierten Status, der auf Geburt oder einer offiziellen Aufnahme in die Gemeinschaft gründet und mit einem spezifischen Rechtsstand verbunden ist (Indigenat).28 Die erste Gruppe, auf die dies zutrifft, bilden die sog. ‚Eingesessenen‘ oder ‚Einwohner‘. Hierbei handelte es sich um Personen, die innerhalb der Gemeinde geboren wurden, der Mehrheitskonfession angehörten und keine Zugehörigkeit zu einem anderen Herrschaftsverband besaßen. Ihr Status war mit keinerlei Rechten verbunden, bedeutete aber die Befreiung von spezifischen Auflagen, denen Fremde unterworfen waren. Als zweite Gruppe lassen sich Schutzbürger, Schutzverwandte oder Beisassen einer Gemeinde ausmachen. Hierzu gehörten im Ort geborene Einwohner, Kinder von Schutzbürgern oder ehemalige Fremde, die sich formell um diesen Rang beworben hatten. Sie mussten ihren Status durch Zahlung einer Gebühr und einen eigenen Eid gegenüber der Gemeinschaft bekräftigen und erhielten im Gegenzug einen im Vergleich zu den Vollbürgern verminderten, aber dauerhaften Rechtsstand. Im Allgemeinen besaßen die offiziell anerkannten Schutzbürger und Beisassen ein Aufenthaltsrecht, weit27 Schaser 1995, S. 144; Schnabel-Schüle 2008a, S. 55. 28 Zur Einordnung dieser Personengruppen als ‚nicht fremd‘ ist anzumerken, dass die Grenze zwischen Fremdheit und Zugehörigkeit aus der Perspektive des Historikers unterschiedlich gezogen werden kann. Ausschlaggebend ist dafür das Verständnis von Gemeinde. Bezeichnet man damit in einem engeren Sinn ausschließlich die Vollbürger, so müssen auch vor Ort geborene, durch Eid an die Gemeinschaft gebundene Beisassen in dritter Generation, die keine andere Zugehörigkeit besitzen und der örtlichen Kirchengemeinde angehören, als Fremde erfasst werden. Durch Übernahme dieser Kategorie wird die Zahl der Fremden auf über 80 % der Bevölkerung erhöht und somit beinah beliebig ausgeweitet, vgl. Schaser 1995, S. 141. Zum zeitgenössischen weiteren Begriff des Indigenats, wie er hier zur Differenzierung verwendet wird, siehe: Beneke u. a. 2005. Exemplarisch wird er im relativ weiten Zugehörigkeitsbegriff des neuzeit­ lichen Straßburg greifbar: Sonkajärvi 2008b, S. 157–181.

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reichende Erwerbsmöglichkeiten unter Vorbehalt des Zunftzwangs, den rechtlichen Schutz der Stadtgemeinde innerhalb ihrer Grenzen und Gleichstellung mit den Bürgern vor Gericht. Sie durften meist nur eingeschränkt Grundbesitz erwerben und zahlten eigene Abgaben. Pflicht zum Wachdienst bestand nur an wenigen Orten, anderswo war ihnen der Dienst mit der Waffe sogar ausdrücklich untersagt. Heirat in den Kreis der Bürgerfamilien wurde ihnen im Regelfall ebenso verweigert wie Zugriff auf die städtische Versorgung für Witwen und Arme. Auch politische Partizipationsrechte in Form eines aktiven oder passiven Wahlrechts für Verwaltungs- oder Richterämter besaßen die Angehörigen dieser Gruppe nicht.29 Dies bedeutet, dass einige Fremdgruppen im Vergleich zu ihnen schlechter-, viele ungefähr gleich- und wieder andere bessergestellt waren. Eine Unterscheidung ist allerdings nicht immer leicht, denn in einigen Fällen wurde einheimischen Angehörigen einer Minderheitenkonfession der Status von Schutzbürgern verliehen, um sie vom eigentlichen Bürgerrecht auszuschließen. Die dritte Gruppe der Zugehörigen waren Kinder von Vollbürgern. Sie hatten noch keinen eigenen Bürgereid geleistet und keine damit verbundene Gebühr entrichtet. Daher verfügten sie noch über kein Recht auf lokalpolitische Partizipation. Allerdings besaßen sie einen unwiderruflichen Status von Zugehörigkeit und konnten im Kreis der bürgerlichen Familien heiraten. Sie mussten keine eigenen Abgaben und Dienste leisten, konnten aber gestützt durch den Familienverband Anspruch auf die Fürsorge der Gemeinde stellen. Vor der Aufnahme einer unabhängigen Erwerbstätigkeit und dem Erwerb von Grundbesitz wurde im Regelfall der für sie erleichterte Aufstieg in den Kreis der Bürger erwartet. Die Bürger selbst bildeten als vierte und letzte Gruppe in allen Städten eine kleine Minderheit. Sie verkörperten die Gemeinde im engeren Sinne und besaßen die höchste Form von Zugehörigkeit auf der lokalen Ebene. Dies kam in ihrer Selbstdarstellung oft dadurch zum Ausdruck, dass diese Gruppe nur sich selbst als Gemeinde bezeichnete. Der Zutritt zu diesem Kreis, welcher meist nach Zahlung einer hohen Gebühr durch einen Bürgereid vollzogen wurde, war streng reglementiert. Die dafür grundlegenden Rechtsordnungen, die oftmals erst im Laufe der Frühen Neuzeit kodifiziert wurden, waren in vielen freien Städten von den Bürgern selbst, andernorts mit Einflussnahme der Landesherren festgelegt worden. Übliche Anforderungen waren: eheliche Geburt, persönliche Freiheit, keine Zugehörigkeit zu einem anderen Herrschaftsverband, Vermögen und Grundbesitz, eine bestimmte Konfession und ein soziales Netzwerk in der Gemeinde, das sich in Fürsprechern, einem vorbereiteten Eintritt in eine Zunft oder Gilde und gegebenenfalls in Form einer Ehevereinbarung nachweisen ließ. All dies sollte sicherstellen, dass der Neubürger sowohl willens als auch fähig war, zum Wohl der 29 Als Sondergruppe lassen sich darin die Ausübenden unehrlicher Berufe, wie Henker oder Abdecker, bezeichnen, die zwar zur Gemeinde gehörten, gleichzeitig aber von sozialer Ausgrenzung betroffen waren.

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Gemeinschaft beizutragen. Hierin lag die Voraussetzung, um volle Partizipationsrechte und den Anspruch auf die Gemeinderessourcen zu erhalten. Je mehr politische Macht dabei in der Stadt zur Verfügung stand, desto mehr wurde Sorge getragen, den Kreis der Bürger durch strenge Auswahl klein zu halten. Dies zeigt sich in den Stadtrepubliken Norditaliens, wo durch zusätzliche Abstufungen des Bürgerrechts unterschieden wurde, ob jemand aktives und passives Wahlrecht für die höchsten Ämter besaß.30 Der Aufstieg in das große Bürgerrecht war in einigen Fällen nur den Söhnen von Bürgern möglich, sodass Fremde erst in zweiter Generation vollständig integriert werden konnten. Eine ähnliche Unterteilung lässt sich in gemischtkonfessionellen Reichsstädten des Heiligen Römischen Reiches beobachten.31 Hier erwarb meist eine Konfession einen dominanten Status und beschränkte daraufhin den Zugang Andersgläubiger zum vollen Bürgerrecht, beispielsweise durch unterschiedlich hohe Gebühren. Dies bedeutete, dass ein Teil der Einwohner, obwohl sie der Stadtgemeinde per Geburt und Gesetz zugehörig waren, nur einen minderen Bürgerstatus einnahmen, der meist dem der Schutzbürger entsprach und auch als solcher bezeichnet werden konnte. Im Falle von Konflikten konnte allerdings auch diese verminderte Rechtsstellung infrage gestellt werden und ein Ausschluss der konfessionellen Minderheit und ihre Vertreibung folgen. Die hier idealtypisch beschriebene Bandbreite von Zugehörigkeitsrechten in einer Stadtgemeinde findet ihre Entsprechung in Landgemeinden und dörflichen Strukturen.32 Auch dort wurden unerwünschte Fremde vertrieben, Tagelöhner ohne offiziellen Status als Arbeitskraft geduldet und Personen mit unterschiedlichen Rechtsständen aufgenommen. Letzteres geschah allerdings seltener als in den Städten und häufiger aufgrund obrigkeitlicher Anordnung, zumal Landgemeinden unter dem Einfluss der Grundherren standen. Auch hier lassen sich die Zugehörigen aufgrund der ständischen Unterscheidung, beispielsweise zwischen Leibeigenen oder freien Bauern, nicht als rechtlich homogene Gruppe fassen. So hatten nur wenige Vollbauern Wahlrecht für das Dorfgericht und den Gemeindevorstand und sicherten sich dadurch den Zugang zum Gemeindeland und anderen kommunalen Ressourcen. Dies blieb Ansässigen minderen Rechts, sog. Seldnern, Hintersassen oder Häuslern, verwehrt. Sie erwirkten zwar – sofern sie selbst Land besaßen und nicht nur Arbeitskräfte waren – im 17. Jh. vielerorts das Recht auf Mitwirkung an den Gemeindeversammlungen, blieben aber Beschränkungen beim Wahlrecht und beim Zugang zu den Gemeinderessourcen unterworfen. Im Falle einer Ansiedlung Fremder, die keine eigenen separaten Gemeindestrukturen bildeten, war deren Einordnung als Vollbauern oder mindere Rechtsträger bis in das 19. Jh. häufige Ursache von Konflikten.33 30 31 32 33

Benedictis 2002, S. 130–133. Whaley 1985; Häberlein 2005; Litten 2003; Schaser 1995. Holenstein u. a. 2004; Weber 2004. Zur Bedeutung der Konfession: Schiersner 2004. Meist kamen Auseinandersetzungen über Ressourcen hinzu: Reinke 1998, S. 47–50.

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Städtischen und ländlichen Gemeinden ist gemeinsam, dass die Rechtsstellung der Frau im Regelfall von der ihres Mannes oder Vaters abhing. Fremde Frauen traten in der Regel mit ihrer Familie oder als Braut in neue Gemeinden ein und konnten eigenständig keine politischen Partizipationsrechte erwerben. Die Eheschließung einer Zugehörigen mit einem Fremden bedeutete für sie entweder, dass ihr Mann dadurch in die Gemeinde aufgenommen wurde, sofern er alle Kriterien zum offiziellen Erwerb von Zugehörigkeit erfüllt hatte und sich darum bewarb, oder dass sie in rechtlicher Hinsicht zu einer Fremden wurde, wenn ihr Mann seine Zugehörigkeit zu einer anderen Gemeinde behielt. Neben der lokalen Ebene der Städte und Landgemeinden ist zum Verständnis der Rechtsstellung von Fremden auch die territoriale Ebene zu beachten. Hier führten spezielle Gesetze dazu, dass die Lage der Fremden allgemein – aber aufgrund mög­licher Sonderrechte und Privilegien keineswegs immer – schlechter als der entsprechende standesspezifische Status der Einheimischen war. Fremden blieben Rechte verwehrt und wurden besondere Pflichten auferlegt, wie sich an zwei Beispielen verdeutlichen lässt, die auch belegen, dass der Erwerb von Zugehörigkeit noch keineswegs völlige Gleichstellung bedeutete. In Frankreich unterstanden Fremde einem Recht des Königs auf Einzug ihres Besitzes im Todesfall, dem droit d‘aubaine, mussten Sondersteuern bei Gericht bezahlen und waren bei der Vergabe von Ämtern (üblicherweise durch Kauf ) ausgeschlossen.34 Diese dreifache Benachteiligung konnten Fremde durch ein königliches Patent überwinden, das sie zu ‚naturalisierten Franzosen‘ erklärte. Sie wurden dadurch einzeln oder als Gruppe Einheimischen gleichgestellt, wobei ihr Status aber im Gegensatz zu dem der gebürtigen oder ‚natürlichen‘ Franzosen widerrufen werden konnte. Daher lässt sich auf der territorialen Ebene eine Dreiteilung zwischen Fremden, weitgehend gleichberechtigten naturalisierten Franzosen und natürlichen Franzosen ausmachen.35 Ähnliches findet sich in anderen Herrschaftsbereichen Europas. Allerdings wurden solche auf den Souverän bezogenen Einteilungen – auch im Frankreich Ludwigs XIV. – in der Praxis vielfach durch Sonderstellungen von Städten und Provinzen oder Privilegien für Fremde gebrochen.36 Ebenso wie in Frankreich waren Fremde auch in England Benachteiligungen unterworfen, die sie nur durch den offiziellen Erwerb von Zugehörigkeit überwinden konnten:37 Durch eine vom König vergebene denization erhielten sie lebenslanges Aufenthaltsrecht, die Gleichstellung vor Gericht, freie Berufsausübung, freie Wahl einer 34 Sahlins 2004, S. 31–45. 35 Kinder von Fremden und auch von naturalisierten Franzosen wuchsen in diesem Modell als Untertanen der französischen Krone auf und waren daher Einheimische. 36 Sonkajärvi 2008b, S. 7–32. 37 Vgl. Lottes 1985, S. 78f.; Cottret 1991; Statt 1995, S. 33–35.

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Berufsausbildung für ihre Kinder und das Recht zum Erwerb von Grundbesitz; durch eine vom Parlament vergebene naturalization kamen zu diesen Vorzügen noch das Recht zur Vererbung von Landbesitz, zur politischen Partizipation und die Erlaubnis, Schiffe zu besitzen, hinzu. Wie überall in Europa wurde auch in England diese auf den ersten Blick eindeutige Einteilung durch Ausnahmen und lokale Sonderregelungen geschwächt. Somit ist abschließend festzuhalten, dass das komplexe Zusammenwirken der übergreifenden territorialen Regelungen mit den lokalen Rechtsordnungen zum Verständnis jedes Einzelfalls eine genaue Prüfung anhand von Quellen zur spezifischen Situation vor Ort erforderlich macht. Typisch ist für die Frühe Neuzeit allerdings, dass keine der beiden Ebenen von der anderen losgelöst betrachtet werden kann, denn wenn auch nicht jeder Untertan eines Monarchen überall im Herrschaftsbereich lokale Zugehörigkeitsrechte besaß, so waren doch alle, die solche Rechte besaßen, seine Untertanen.

4. Die Überw indung von Fr emdheit Wie bereits mehrfach angedeutet, besaßen Fremde im frühneuzeitlichen Europa die Möglichkeit, den mit ihrem Status verbundenen Rechtsstand zu überwinden und sich zu Einheimischen erklären zu lassen oder zumindest ihre dauerhafte Gleichstellung rechtlich zu sichern. Die unterschiedlichen dafür angewandten Verfahren wurden auf territorialer Ebene als Naturalisation oder Denisation bezeichnet. Gemeinsam war ihnen, dass sie einen durch Eid bekräftigten Rechtsakt benannten, der ein Band zwischen dem neuen Untertan und dem Souverän knüpfte. Hierin lag meist die Grundvoraussetzung für Fremde, um in wiederum variierenden Verfahren das Indigenat, also einen lokalen Rechtsstatus in einem Adelsverband oder als Bürger einer Stadt, zu erwerben.38 Die Kooperation beider Ebenen konnte im europäischen Vergleich unterschiedliche Formen annehmen, wobei stets zu beobachten ist, dass die Vergabe von Zugehörigkeitsrechten an einzelne Fremde sich von der an Gruppen erheblich unterschied. Wenn Individuen Fremdheit überwanden, so ging dies meist auf ihre eigene Initiative zurück. Sie unterzogen sich dafür einem in der Regel kostspieligen und langwierigen Verfahren, bei dem sie eine Vielzahl von Bedingungen erfüllen mussten. Wenn diese auch unterschiedliche Ausprägung haben konnten, so sind drei zentrale Gemeinsamkeiten erkennbar, die bereits als Voraussetzungen für den Aufstieg in den Kreis der Stadtbürger zu beobachten waren: Der einzelne Fremde brauchte erstens Geld, um seine Aufnahme bezahlen zu können; er musste zweitens alle anderen politischen Zugehörigkeiten aufgeben; und drittens musste er nachweisen, dass er in seiner neuen Hei38 Schnabel-Schüle 2008a, S. 55. Ausnahmen bestanden aber in Gebieten mit starken eigenen Rechtstraditionen, die nach Herrschaftswechseln nur langsam in einen Herrschaftsverband eingegliedert wurden: Sonkajärvi 2008b, S. 173–180.

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mat bereits sozial vernetzt war und von den Einheimischen akzeptiert wurde. Letzteres konnte durch Bürgen, Ehevereinbarungen, Mitgliedschaft in Korporationen und Fürsprache durch Geistliche geschehen. Dies bedeutet, dass Assimilierungsprozesse vorausgesetzt wurden. Fremde, die sich individuell um Zugehörigkeit bemühten, waren in ihrer neuen Heimat daher meist sozial vernetzt, verfügten über finanzielle Ressourcen und strebten nach standesspezifischem politischen Handeln entweder auf lokaler Ebene oder im Dienst des Herrschers.39 Die erheblichen Unterschiede, die bei solchen Prozessen zwischen der Einflussnahme der lokalen und territorialen Ebene auftraten, kann ein vergleichender Blick auf die Rechtspraxis in vier Ländern – Frankreich, England, Spanien und dem anhand der Stadt Bologna betrachteten Kirchenstaat – verdeutlichen. In Frankreich hatten der König und seine Kanzlei seit dem 16. Jh. das Naturalisationsverfahren und die Vergabe von Zugehörigkeitsrechten weitgehend vereinnahmt.40 Das hierbei erworbene Patent war für Fremde Voraussetzung, um Ämter kaufen und ihren Besitz innerhalb Frankreichs vererben zu können. Dafür mussten sie zunächst eine hohe Gebühr zahlen und dann ihre längere Residenz in Frankreich und ihren katholischen Glauben nachweisen. Abgeschlossen wurde das Verfahren erst nach einem Eid, das weitere Leben in Frankreich verbringen zu wollen und als Untertan des Königs keine politischen Verbindungen mit Ausländern zu unterhalten.41 Danach wurde der ehemalige Fremde durch ein patent de naturalisation zu einem Untertanen des Königs erklärt und den gebürtigen Franzosen an Rechten gleichgestellt. Allerdings war dieser Status widerruflich und damit der Zugehörigkeit durch Geburtsort oder Abstammung nachgeordnet. Der Eindruck eines herrschaftlichen Monopols auf die Ermöglichung der Überwindung von Fremdheit, der auch von den Quellen zu den Naturalisationsverfahren vermittelt wird, ist allerdings trügerisch. Die Naturalisation bedeutete zwar Zugehörigkeit zur Monarchie und Befreiung vom Erbgesetz, dem droit d‘aubaine, aber nicht automatisch den Besitz ständischer Rechte in einer bestimmten Gemeinde oder Provinz. Dies galt insbesondere für Gebiete, in denen ein eigenes traditionelles Fremdenrecht bestand, wie das Elsass. Außerdem besaß die lokale Ebene selbst in diesem kanzleiorientierten Verfahren Einfluss durch Rücksprache beim Nachweis der Residenz und des katholischen Glaubens. Wendet man den Blick nach England, so ist auffällig, dass dort, wie bereits angedeutet, zwei getrennte Formen des Erwerbs von Zugehörigkeit bekannt waren: die ein39 Sahlins 2004, S. 135–155. 40 Sahlins 2004, S. 65–108. Vgl. dagegen die Betonung zahlreicher andere Formen der Inklusion und Exklusion auf lokaler Ebene bei Sonkajärvi 2008b, S. 179. 41 Auch ausländische Ehefrauen französischer Männer unterlagen der Pflicht, sich formell naturalisieren zu lassen, wenn sie keinen verminderten Rechtsstatus behalten wollten.

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geschränkte denization als königlicher und die umfassendere naturalization als parlamentarischer Rechtsakt.42 Diese Unterteilung war eine Beschränkung der königlichen Macht, da der englische König ausländische Gefolgsleute nicht eigenmächtig zu Untertanen im Besitz aller Rechte erklären konnte. Beide Verfahren waren mit hohen Gebühren und erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden, wobei die Anforderungen für eine naturalization erheblich höher waren. Fremde mussten demnach entscheiden, welche Kosten sie auf sich nehmen konnten und wollten, um einen bestimmten Rechtsstand zu erhalten. Ihre Entscheidung spiegelt sich in den Zahlen der Jahre 1558–1603 wider, in denen 1962 denizations, aber nur zwölf naturalizations erworben wurden.43 Vereinfacht kann man festhalten, dass der König wesentlich häufiger und leichter neue Untertanen aufnahm als die Parlamentsmitglieder neue gleichberechtigte Mitbürger. Das königliche Aufnahmerecht blieb auch nach den Revolutionen des 17. Jhs. unangetastet, vermutlich, da die denizen gegenüber den citizen einen verminderten Rechtsstatus hatten und das Parlament dadurch bei der Vergabe von Zugehörigkeitsrechten eine Führungsrolle besaß. Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jhs. wurde zuerst das Denisations-, dann das Naturalisationsverfahren stark vereinfacht, um die Aufnahme von Fremden zu erleichtern. So kostete die parlamentarische Naturalisation ab 1709 nur noch einen Schilling. Diese Maßnahme war sehr erfolgreich und ließ die Zahl der Neubürger nach oben schnellen, während gleichzeitig die Denisation an Bedeutung verlor. Allerdings blieb die Reform im Kontext der englischen Parteienpolitik kurzlebig und wurde bereits 1711 vor dem Hintergrund einer schlechten Wirtschaftslage wieder aufgehoben. Dadurch nahmen die Anträge auf Denisation wieder zu, die als juristische Option bis in das 19. Jh. bestehen blieb. Wenn das englische System der Vergabe von Zugehörigkeitsrechten bereits komplexer als das französische war und der ständischen Mitwirkung mehr Raum bot, so besaß schließlich in Spanien die lokale Ebene die höchste Bedeutung.44 Dies lag an der Unterscheidung zwischen einer impliziten und einer expliziten Naturalisation. Sie beruhte auf der Annahme, dass Zugehörigkeit im unmittelbaren sozialen Umfeld auf der Ebene der Gemeinden ausgehandelt wird. Ein Fremder, der über einen langen Zeitraum an einem Ort residierte, wurde durch übergreifendes Recht nicht gehindert, lokal nach Mitwirkung und Anerkennung zu streben. Wenn es ihm oder seinen Kindern gelang, auf lokaler Ebene politisch zu partizipieren oder Gemeinderessourcen zu nutzen, so galt dies als implizite Naturalisation. Voraussetzung hierfür waren in der Regel eine Ausbürgerung am Herkunftsort, Abstammung aus einer katholischen Familie, eheliche Geburt, Grundbesitz, längere Residenz, Zahlung von Abgaben und natürlich 42 Vgl. Lottes 1985, S. 78f.; Cottret 1991, S. 3, 53f.; Schilling 1972, S. 40; Statt 1995, S. 33–35. 43 Freist 2008, S. 1026. 44 Vgl. die beiden grundlegenden Untersuchungen Herzog 2003 und Manz 2006.

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eine soziale Vernetzung. Ergebnis der impliziten Naturalisation war eine widerrufliche De-facto-Anerkennung als Einheimischer, die aber lokal gebunden war und in der sozialen Praxis erhebliche Unterschiede aufweisen konnte. Dieser Status der lokalen Gemeindezugehörigkeit wurde als „vecino“ bezeichnet und bedeutete eine indirekte Zugehörigkeit zum jeweiligen iberischen Königreich, die aber vom Status der indigenen Bevölkerung vor Ort, der „naturales“, unterschieden blieb. Die explizite Naturalisation erfolgte hingegen durch die Verwaltungsbehörden, wobei einer Befragung der Stände und der Aufnahmegemeinde großer Raum im Verfahren eingeräumt wurde. Auch hier gab es nur wenige klare Kriterien, wie beispielsweise die katholische Abstammung, da dieser Akt lediglich als Bekräftigung lokal ausgehandelter Eingliederung verstanden wurde, der den neuen Untertan mit dem Souverän verbinden sollte. Als Folge der expliziten Naturalisation konnten neue Untertanen in einem abgestuften System von Rängen aufsteigen, die es erlaubten, Ämter für Krone und Kirche zu bekleiden. Völlig den Einheimischen gleichgestellt wurden sie allerdings nie. Sie brauchten beispielsweise eine Sondererlaubnis des Indienrates, um im Kolonialhandel tätig zu werden. Erst ihre Kinder unterlagen keiner rechtlichen Einschränkung mehr. Gegen diese Praxis setzte sich erst im 19. Jh. ein zentrales Verfahren der Ein- und Ausbürgerung durch. In der zum Kirchenstaat gehörenden Stadt Bologna schließlich ist für das 16. und 17. Jh. zu beobachten, dass ein bloßes Untertanenverhältnis zum Papst nicht ausreichte, um Zugang zum gestaffelten Bürgerrecht zu erhalten.45 Vielmehr waren bereits für eine Aufnahme als Bürger minderen Rechts nicht nur mehrjährige Residenz und eine Mehrheitsentscheidung im Senat, die je nach Aufenthaltsdauer unterschiedlich hoch ausfallen musste, sondern auch der Nachweis eines guten katholischen Lebenswandels notwendig. Mit der einfachen Bürgerschaft besaß ein Fremder dann eine Grundlage, um sich in weiteren separaten Verfahren erstens von einer städtischen Fremdenabgabe zu befreien und zweitens Ämter ausüben zu dürfen. Für beides waren ein weiterer Antrag und Senatsbeschluss notwendig, der beim Zugang zu Ämtern sogar einstimmig ausfallen musste. Alle Verfahren setzten Grundbesitz, Vermögen und soziale Beziehungen voraus. Erst in der zweiten Generation entfielen diese Reglementierungen, denn die Söhne von Bürgern waren unabhängig von der Herkunft ihrer Väter direkt zur Kandidatur um Ämter berechtigt. Erweitert man den Blick über die vier Beispiele hinaus, so lassen sich im gesamteuropäischen Vergleich zwei Aspekte festhalten. Erstens strebten in vielen Herrschaftsverbänden die Zentralgewalten zwar nach stärkerer Kontrolle über die Vergabe von Zugehörigkeitsrechten, konnten aber die lokale Einflussnahme bis ins 19. Jh. nicht verdrängen.46 Zweitens spielte die Konfession für die individuelle Überwindung von 45 Benedictis 2002, S. 128. 46 Vgl. Schnabel-Schüle 2008a, S. 54, Häberlein 2002 und auch die Studien zu Städten im Heiligen Römischen Reich Holenstein u. a. 2004 und Litten 2003, die an mehreren Beispielen Konflikte zwischen Gemeinden und Landesherren aufzeigen.

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Fremdheit eine bedeutende Rolle. Dies ist nicht auf katholische Länder beschränkt, sondern galt auch für protestantische Gemeinschaften wie die Reichsstadt Hamburg oder das Königreich Schweden.47 Wendet man den Blick von den Individuen ab und richtet ihn auf die Aufnahme von Personengruppen, lassen sich zusätzliche Problemlagen erkennen. So stellt sich angesichts der Häufigkeit von territorialer Expansion in der Frühen Neuzeit die Frage, wie deren Folgen, genauer: die veränderte Zugehörigkeit ganzer Bevölkerungen, rechtlich verarbeitet wurden. Wenn Herrscher durch Eroberung, Diplomatie oder Erbe die Souveränität in einem Territorium erwarben, so bedeutete dies auch Herrschaft über die darin lebenden Menschen. Diese neue Verbindung zwischen Herrscher und Untertanen nahm bei der feierlichen Huldigung, einem gegenseitigen Eid, der die Aufnahme des Gebietes in den Herrschaftsbereich fixierte, Gestalt an. Alle Personen, die lokale Zugehörigkeitsrechte besaßen, wurden durch dieses Ritual formell zu Untertanen des neuen Herrschers und waren damit theoretisch keine Fremden in dessen Reich mehr.48 In der Praxis vollzogen sich diese Wechsel allerdings nicht reibungslos. Die multiple Einbindung von Städten und Landgemeinden in rechtliche, kirchliche und herrschaftliche Strukturen machte bei territorialer Expansion meist die Einberufung von Grenzfindungskommissionen und mehrjährige Verhandlungen notwendig. Dennoch ließ sich nicht verhindern, dass beispielsweise kirchliche und weltliche Grenzen selten übereinstimmten. Noch komplizierter konnte es sein – wie im Eingangsbeispiel angedeutet –, die Ansiedlung und Aufnahme von Fremdengruppen in einem bestehenden Herrschaftsverband umzusetzen, die oftmals auf eine Initiative des Souveräns zurückgingen. Die unter Umständen hohe Zahl der Fremden machte es erforderlich, dass die Herrscher und ihre Kanzleien hierbei stärkeren Einfluss ausübten als bei Individuen, wodurch sie unter Umständen ihre Autorität gegenüber lokalen Gewalten stärken konnten. Die Staatslehre der Frühen Neuzeit befürwortete die Ansiedlung von Fremdengruppen durch die Thesen des Populationismus oder der Peuplierung.49 Demnach war die Vermehrung der Bevölkerungszahl ein Maßstab für erfolgreiche Politik, da sie höhere Wirtschaftskraft und steigendes militärisches Potenzial mit sich brachte. Diese Thesen blieben aber nicht unumstritten. Speziell in England wurde zu Beginn des 18. Jhs. die Aufnahme gering qualifizierter und besitzloser Fremder angesichts einer schlechten Wirtschaftslage

47 In Hamburg konnten Nichtlutheraner zwar ein Bürgerrecht erwerben, blieben aber dennoch von den Zünften und dem Zugang zu Magistratsämtern ausgeschlossen, vgl. Whaley 1985, S. 111–145; Litten 2003, S. 233–310. 48 Sahlins 2004, S. 51, Beispiele: ebd., S. 193, 226; Schnabel-Schüle 2008a, S. 60. Selbstverständlich konnten sie dennoch – je nach Struktur des Herrschaftsverbandes – andernorts ‚inländische Fremde‘ sein. 49 Kraus 2008.

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kritisch diskutiert.50 Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass selten allein wirtschaftliche und demographische Motive ausgemacht werden können, denn Außenund Konfessionspolitik waren untrennbar mit ihnen verwoben.51 Dieses Motivbündel bewegte aber nicht nur einen, sondern oft mehrere Monarchen dazu, Interesse an der Ansiedlung einer Emigrantengruppe zu haben, wie sich am Beispiel der Hugenotten gezeigt hat. Für die Fremden bot sich daher – speziell, wenn sie im Ruf wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit standen – eine Möglichkeit, über die Bedingungen ihrer Aufnahme zu verhandeln.52 Diese Konkurrenz bewirkte häufig eine Milderung der konfessionellen Bedingungen. So fürchteten die Bürger der Reichsstadt Hamburg beispielsweise eine Bedrohung ihres Wohlstandes, als benachbarte Fürsten in Altona und Glückstadt Juden, Calvinisten und Katholiken weitreichende Rechte zusicherten.53 In Sorge darum, dass nicht nur vermögende Fremde, sondern auch eingesessene Hamburger nichtlutherischer Konfession sich auswärts ansiedeln würden, beschloss man, religiöse und konfessionelle Zugeständnisse zu machen. Wenn es gelang, eine Gruppe von Fremden zur Ansiedlung zu bewegen, so bildeten meist Edikte oder Fremdenkontrakte die rechtliche Grundlage für ihren dauerhaften Aufenthalt. Dadurch traten sie in ein spezifisches Rechtsverhältnis zum Souverän und waren fortan Teil des Herrschaftsverbandes. Eine wirkliche Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft war damit allerdings nicht verbunden, es sei denn, sie erhielten eine kollektive Naturalisation oder Denisation. Doch auch dann besaßen sie keine Zugehörigkeit zu einer Gemeinde und unterschieden sich durch bei ihrer Ansiedlung vereinbarte Rechte oder Pflichten von den übrigen Untertanen. Somit kann die Politik der Herrscher eindeutig als Siedlungs- und nicht als Integrationspolitik bezeichnet werden. Dies findet besonderen Ausdruck in der Gründung neuer Dörfer oder Städte für die Siedler, wodurch Spannungen vermindert, aber nicht vermieden werden konnten. Sogenannte Durchmischung, bei der neue Untertanen in kleinen Gruppen in bestehende Gemeindestrukturen integriert wurden, boten hingegen hohes Konfliktpotenzial.54 Dies galt insbesondere, wenn konfessionelle Differenz die Aufnahme der neuen Untertanen in die lokalen Strukturen verhinderte und wenn die Siedler per Dekret Privilegien bekamen, die zuvor streng reglementiert waren. Als Folge traten Spannungen bei der Umsetzung der obrigkeitlichen Anordnungen auf, bei denen jeweils mehrere Motive zusammenwirkten. Primäre Bedeutung hatte dabei die Furcht vor wirtschaft50 Statt 1995, S. 38–98, 166–222, mit einem treffenden Zitat aus der Zeitschrift Spectator, S. 227. 51 Dennoch sind von Fall zu Fall unterschiedliche Prioritäten zu erkennen. Vgl. Schilling 1972, S. 152–160; Freist 2008. 52 Jersch-Wenzel 1995, S. 161f.; Weitzel 1985. 53 Whaley 1985, S. 54f., 74, 93; Kopitzsch 1997, S. 48f.; Schilling 1972, S. 39–41; Schaser 1995, S. 150. 54 In England wurde dies häufig praktiziert, bspw. war in Norwich ein Drittel der Einwohner Fremde, Cottret 1991, S. 60–62.

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licher Konkurrenz, die aber oft mit anderen Argumenten, wie einem konfessionellen, kulturellen oder ethnischen Gegensatz, verknüpft war.55 Trotz möglicher Kontroversen konnte die Ansiedlung von Fremden aus der Perspektive der Herrscher als politisches Instrument dienen, um die eigene Autorität und die Anbindung neu erworbener Territorien an den bisherigen Herrschaftsbereich zu verstärken. So forcierte Ludwig XIV. Ende des 17. Jhs. die Ansiedlung französischer Untertanen in neu erworbenen Städten mit mehrheitlich deutscher Bevölkerung.56 Durch Dekrete drängte er darauf, dass die neuen Einwohner, die als inländische Fremde kamen, rasch Zugehörigkeit zur Gemeinde erwarben und mit Bürgerrecht in die Zünfte aufgenommen wurden. Die Folge war mancherorts eine zunehmend von französischer Sprache geprägte Gemeindekultur. Anders war dies in Straßburg, wo sich die mehrheitlich deutsche Bevölkerung und die französischen Neubürger in separaten Gilden und Zünften organisierten.57 Dabei blieben kulturelle oder ethnische Unterschiede den wirtschaftlichen Konflikten untergeordnet. Die hier geschilderte Bandbreite der Möglichkeiten zur Aufnahme von Fremdengruppen lässt sich im europäischen Vergleich anhand der bereits eingangs erwähnten Hugenotten illustrieren.58 Sie wurden nach 1685 in Brandenburg-Preußen bekanntermaßen mit Privilegien angesiedelt, die ihnen unter anderem die Gründung eigener Gemeinden – der sog. Kolonien – in Form eigener Städte oder Stadtteile ermöglichten. Ähnliches vollzog sich im Pfälzer Kurfürstentum, wo eigene Städte wie Mannheim für Calvinisten angelegt wurden, die erst aus den Spanischen Niederlanden und später aus Frankreich kamen. In Baden war dies im kleineren Maßstab ebenso zu beobachten. Die Folge war stets die Ausbildung eigener Bereiche in der Rechtsordnung, die allein dem Herrscher zugeordnet waren. Auch in England hatten bereits seit Längerem hugenottische Flüchtlinge aus den Spanischen Niederlanden Zuflucht gefunden, die in den städtischen Gemeinden eigene Kirchen besaßen. Angesichts der Massenimmigration nach 1685 wurde im Parlament über die rechtlichen Folgen debattiert und beschlossen, dass den Flüchtlingen keine pauschale Naturalisation durch das Parlament gewährt werden solle. Stattdessen blieb es der königlichen Kanzlei vorbehalten, die Fremden als neue Untertanen des Königs aufzunehmen und zu denizen zu erklären. Auch in der Republik der Niederlande, die keinen Monarchen mehr besaß, vollzog sich die Aufnahme zögerlich. Die Hugenotten erhielten hier von den Generalstaaten zunächst eine kleine Naturalisation, bei der ihnen vor allem Partizipationsrechte verweigert blieben, und erst Jahre später eine vollständige, sog. große Naturalisation. 55 So bspw. in London, Frankfurt, Köln oder Freiburg, vgl. Schilling 1972, S. 44–64; Cottret 1991, S. 190–199; Häberlein 2002, S. 16–18; Statt 1995, S. 142–222. 56 Häberlein 2002, S. 20–28. 57 Sonkajärvi 2008b, S. 127–156. 58 Für England Lottes 1985; Cottret 1991. Für das Reich Weitzel 1985; Häberlein 2004; Kopitzsch 1997. Für Migration von Hugenotten aus den südlichen Niederlanden Freist 2008.

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Bei einem Vergleich der Vergabe von Zugehörigkeitsrechten an Individuen und Gruppen sind drei Aspekte auffällig. Erstens lassen sich als zentrale Kriterien wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, konfessionelle Gemeinsamkeiten und soziale Einbindung ausmachen. Ethnische Zuschreibungen wurden dagegen meist nur auf lokaler Ebene problematisiert – da viele Herrschaftsverbände mehrere Ethnien und Kulturräume umfassten – und standen stets in Verbindung mit anderen Faktoren. Zweitens unterlagen Individuen strengeren Anforderungen als Gruppen. Dies wird besonders bei dem Erwerb von Rechten durch Fremdkonfessionelle deutlich. Drittens waren die Partikular- und Zentralgewalten bei der Aufnahme von fremden Individuen oder Gruppen unterschiedlich involviert. Bei Individuen, die nicht unmittelbar im herrschaft­lichen Dienst standen, besaßen die lokalen politischen Kräfte erheblichen Einfluss. Dies sicherte die rechtliche Ordnung in den Gemeinden und vermied Konflikte. Bei Gruppen hingegen vereinnahmten die Landesherren zunehmend Rechte zur Vergabe von Zugehörigkeit. Durch die Etablierung paralleler Strukturen bei der Ansiedlung, die an die Person des Souveräns gebunden waren, stärkten sie zugleich ihren Einfluss gegenüber den Ständen. Zum Verständnis der relativ einfachen Aufnahme von Fremden durch den Monarchen ist zu beachten, dass auf territorialer Ebene keine Partizipationsrechte der Stände bestanden, wie sie auf lokaler Ebene oft umstritten waren. Vereinfacht ausgedrückt: Die Herrscher nahmen neue Untertanen auf, die Stände und Gemeinden hingegen neue Mitglieder. Hierin findet eine tendenzielle Verschiebung des Bezugsrahmens von Zugehörigkeit von der lokalen auf die staatliche Ebene Ausdruck, die sich in den philosophischen und staatsrechtlichen Diskursen der Frühen Neuzeit ankündigte, im Zuge der Bildung frühmoderner Staaten erprobt wurde und schließlich im Gefolge der Französischen Revolution zur Entfaltung kam.59 Sie spiegelt sich in den Kategorien Bürger und Untertan wider. In der Staatstheorie des 16. Jhs. wandte man das Wort Untertan übergreifend an und verstand darunter alle Personen, die einem Monarchen durch erbliche Gefolgschaft verbunden waren. Dies galt unabhängig von der individuellen Rechtsstellung und schloss auch die Stadtbürger und die führenden Stände ein, die bisher in antiker Tradition aufgrund ihrer besonderen Rechte und ihrer Dienste für die Gemeinschaft in der Tradition des antiken civis gesehen wurden. Die Kombination aus dem neuen Untertanenbegriff und der ständischen Gliederung der Gesellschaft in der Staatslehre des 17. Jhs. bedeutete, dass alle Bürger Untertanen waren, aber nicht alle Untertanen Bürger. Somit wurde in der Theorie bereits eine übergreifende, auf den Herrscher als alleinigen Inhaber der Souveränität fixierte Zugehörigkeit formuliert und bei der Ansiedlung von Fremdengruppen auch angewendet, während sie durch die Praxis noch vielfach gebrochen wurde.

59 Vgl. zum Folgenden Sahlins 2004, S. 215–267; Stolleis 1990.

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Die Kategorie des Bürgers gewann dann in den gelehrten Diskursen der frühen Aufklärung neue Bedeutung. Sie diente nun dazu, den Einzelnen als Teil einer größeren sozialen Gemeinschaft zu beschreiben, die nicht auf einen städtischen oder ständischen Kontext beschränkt war. Mit der Bezeichnung aller Mitglieder der Gemeinschaft als Bürger war allerdings zunächst kein spezifischer Rechtsstand oder die Vorstellung von Partizipationsrechten verbunden. Dieser Bürgerbegriff, der in den weitreichenden Staatsreformen des späten 18. Jhs. Anwendung fand, war mit dem Versuch verbunden, zentralistische Politik – offiziell zum Zwecke allgemeiner Wohlfahrt – gegenüber dem ständischen Einfluss durchzusetzen. Es kam jedoch zum Widerspruch, als im weiteren Verlauf der Debatten einige Autoren Partizipationsrechte für die Bürger forderten und schließlich die Souveränität nicht mehr als Eigenschaft des Herrschers, sondern als Ausdruck der Gemeinschaft verstanden. Diese neuen Ideen entfalteten ihre Wirkung in Europa trotz Vorläufern wie England und den Niederlanden allerdings erst durch die umwälzende Wirkung der Französischen Revolution. In ihrer Folge wurde recht­liche Zugehörigkeit vom lokalen Rahmen gelöst und auf die Ebene des Staates und der Nation übertragen.60

5. Ver zicht auf, Verweigerung und Ver lust von Zugehör igk eit Aufgrund der Komplexität der bisher geschilderten Vorgänge ist nachvollziehbar, dass viele Fremde auf den Erwerb rechtlicher Zugehörigkeit durch langwierige und teure Verfahren verzichteten. Es bestanden schließlich Alternativen in Form von Fremdenkontrakten oder anderer rechtlicher Absicherung, die es Individuen erlaubten, eine Verbindung zu ihrer Heimatgemeinde und ihrem Heimatland aufrechtzuerhalten. Dies war besonders dann wichtig, wenn sie wie Kaufleute oder Studenten nur eine begrenzte Zeit blieben und/oder rechtlich bessergestellt waren. Lediglich, wenn sie eine volle rechtliche Integration auf der Gemeindeebene oder einen vererbbaren Rechtsanspruch auf Zugehörigkeit anstrebten, bemühten sich Fremde um die kostspielige Naturalisation. Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme bestand aber auch dann nicht, wenn das für die Gebühren notwendige Vermögen und eine Gruppe von Fürsprechern vorhanden waren, denn eine Reihe von Gründen konnte die Aufnahme eines Fremden verhindern oder dazu führen, dass Zugehörigkeitsrechte aberkannt wurden. Da viele von ihnen bereits angeführt wurden, seien sie an dieser Stelle nur zusammenfassend skizziert. An erster Stelle ist die Mitgliedschaft in einer aus Sicht der Mehrheit falschen Glaubensgemeinschaft zu nennen, die ein Motiv bot, um eine Aufnahme von Fremden zu verhindern oder bisher Zugehörige zu unerwünschten Fremden zu erklären. Dies lag daran, dass ihr abweichender Glaube einerseits als Gefahr für die politische Gemeinschaft, die 60 Zur weiteren Entwicklung siehe den Beitrag von Beate Althammer in diesem Band.

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gleichzeitig Heilgemeinschaft war, gesehen wurde und andererseits als Widerspruch gegen die herrschaftliche Autorität und die soziale Ordnung interpretiert wurde. Als zweiter Grund galt die aufrechterhaltene oder neue Gefolgschaft gegenüber einem anderen Souverän. Allerdings konnte solch ein Verhältnis unter Umständen auch geduldet werden, beispielsweise im Falle des Militärdienstes für Verbündete. Im Laufe der Frühen Neuzeit wurde das Herrscher-Untertanen-Verhältnis jedoch zunehmend exklusiv verstanden und der Eintritt in sog. ‚fremde Dienste‘ bestraft. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Verschwinden der sujets mixtes, meist Adeliger, die durch Besitz und Titel in verschiedenen Territorien gleichzeitig Untertan verschiedener Fürsten waren. Sie mussten sich schließlich zunehmend für einen Herrn entscheiden. Die dafür grundlegende Vorstellung einer zentralisierten Form von Zugehörigkeit, wie sie die Staatslehre des 17. Jhs. betonte, setzte sich aber auf lokaler Ebene vorerst noch nicht durch. Als dritte Ursache für den Verlust einmal erworbener oder angeborener Rechte muss dementsprechend nicht nur die Migration über Grenzen hinweg, sondern auch innerhalb größerer Herrschaftsbereiche genannt werden. Menschen auf der Iberischen Halbinsel wie auch in der Habsburgermonarchie wurden dadurch zu Fremden, ohne den Herrschaftsbereich ihres Souveräns zu verlassen. Ein vierter Grund bestand im Falle von schwerer Straffälligkeit. In Gesetzbüchern, die im Rahmen der Staatsreformen des 18. Jhs. entstanden, wurde die ältere Regelung kodifiziert, dass ein zu schwerer Strafe Verurteilter kein Mitglied der Gemeinschaft mehr sei und seine damit verbundenen Rechte verliere. Zwar wurde der Straftäter nicht explizit zu einem Fremden, aber durch Strafen wie lebenslange Zwangsarbeit, Konfiskation aller Güter oder Deportation in entlegene Landesteile verlor er seine gesellschaftliche Zugehörigkeit. Dass fünftens finanzielle Aspekte die Aufnahme armer Fremder verhindern konnten, wurde bereits ausgeführt. Doch die hohen Gebühren wirkten nicht nur abschreckend auf Fremde, sondern zugleich verlockend auf Souveräne. Beispielsweise hob Ludwig XIV. durch ein Dekret im Jahr 1697 alle in den letzten einhundert Jahren verliehenen Naturalisationen wieder auf.61 Die plötzlich wieder zu Fremden gewordenen Untertanen mussten somit ein neues patent de naturalisation beantragen und bezahlen. Wie auch in den vorherigen Kapiteln ist es unumgänglich, den Blick neben der territorialen auch auf die lokale Ebene zu richten. Dort zeigt sich, dass wirtschaftliche Motive, wie eine befürchtete Konkurrenz um Einnahmen und Ressourcen, besonders wirksam waren, um eine Verweigerung oder Aberkennung von Zugehörigkeit zu begründen.62 In Relation zur Wirtschaftslage konnten Unruhen entstehen, bei denen vor allem Mitglieder von Korporationen organisiert vorgingen. Wenn sie entweder – wie in Reichsstädten – selbst die Obrigkeit darstellten oder diese von ihnen ab61 Hinzu kamen mehrere Sondersteuern für Naturalisierte: Sahlins 2004, S. 41. 62 Freist 2008, S. 1024f.; Jersch-Wenzel u. a. 1978, S. 43–54 und 75–88; Kopitzsch 1997, S. 53.

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hängig war, so waren Vertreibungen und erschwerte Ansiedlung eine mögliche Folge. Im Kontext solcher Unruhen fanden oftmals auch konfessionelle oder religiöse Argumentationen Verwendung. Daran zeigt sich erneut, dass die beschriebenen Motive keineswegs isoliert, sondern in Wechselwirkung miteinander auftraten. Aus heutiger Perspektive ist es daher schwer möglich, Gewichtungen vorzunehmen und aus Bündeln von Motiven Aussagen über die realen Ursachen abzuleiten. Dies gilt besonders dann, wenn sich die Handlungen der Akteure modernen, säkularen Vorstellungen von Rationalität entziehen. Kriterien späterer Epochen, wie fehlende kulturelle Assimilation oder ethnische Differenzierungen, die eine Aufnahme verhindern oder zu Ausschlüssen führen konnten, sind in dem Durcheinander der Motive schwer auszumachen und kaum zu isolieren.63 Die Beherrschung der Landessprache und Kenntnis der Bräuche war sicherlich Voraussetzung für den Erwerb lokaler Zugehörigkeit in Gemeinden. In Bezug auf die übergreifende territoriale Ebene konnten hingegen gänzlich andere Kriterien gelten, wie beispielsweise die Kenntnis der französischen Sprache und der Regeln der Etikette für die Aufnahme an einen Hof. Ethnische Zuschreibungen schließlich werden kaum explizit thematisiert, zumal sie im Falle der häufig anzutreffenden Juden oder Türken mit religiöser Fremdheit oder wirtschaftlichen Konflikten einhergingen, die als Argument bereits fest etabliert waren. Die Tatsache, dass beispielsweise Beschränkungen bei der Vergabe von Ämtern in der Habsburgermonarchie von Juden durch Taufe überwunden werden konnten, weist darauf hin, dass auch in diesem Fall religiöse Fremdheit bis ins 18. Jh. das entscheidende Kriterium blieb.

6. Fa zit Auch wenn die Heterogenität der Phänomene Fremdheit und Zugehörigkeit im Europa der Frühen Neuzeit eine Zusammenfassung mit Anspruch auf allgemeine Gültigkeit unmöglich macht, lassen sich dennoch einige Leitlinien ausmachen. Diese sind allerdings nur als Tendenzen zu verstehen, da für jede bisher getroffene Feststellung sicherlich ein Gegenbeispiel gefunden werden könnte. Zunächst lässt sich festhalten, dass beide Zuschreibungen auf lokaler wie auch auf territorialer Ebene anhand unterschiedlicher Kriterien und mit ebenso unterschied­ lichen Folgen vorgenommen werden konnten. Ursache hierfür war die ständische Gliederung der Gesellschaft, die es notwendig machte, Fremde in eine komplexe Hierarchie einzubinden. So konnten beispielsweise innerhalb einer Stadt zahlreiche Abstufungen zwischen Rechtlosigkeit und dem Besitz voller (stadt-)bürgerlicher Rechte auftreten. 63 So wurde beispielsweise in Freiburg „Welschen“ pauschal die Aufnahme ins Bürgerrecht verweigert. Hierfür wurde zur Begründung angeführt, sie würden durch Schmuggel die Wirtschaft schädigen: Häberlein 2002, S. 16–18.

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Bei der Betrachtung des Rechtsstatus spezifischer Fremder aus heutiger Sicht sind daher stets die Rechtsstände der unterschiedlichen sie umgebenden Gruppen von Zugehörigen zu beachten. Die Komplexität wird dadurch gesteigert, dass die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Aufnahme Fremder auf der lokalen und der territorialen Ebene miteinander verwoben waren. Hier konnten Interessenkonflikte zwischen der Zentralgewalt und den ständisch-lokalen Partikulargewalten Ausdruck finden, die im Kontext der herrschaftlichen Durchdringung des frühmodernen Staates stehen. Auch wenn Souveräne zunehmend Siedlungspolitik betrieben und große Fremdengruppen in ihren Herrschaftsbereich aufnahmen, so blieb die konkrete Aushandlung von Zugehörigkeit vorerst in erheb­lichem Maße ihrer Zentralgewalt entzogen und von sozialen Prozessen vor Ort geprägt. Besonders im Umgang mit einzelnen Fremden oder Familien, die nicht in parallelen Strukturen neben der ursprünglichen Bevölkerung lebten, sondern wirklich in die Gesellschaft aufgenommen werden wollten, ist erkennbar, wie Gemeinden ihre bestehende Ordnung durch sorgsame Fremdenpolitik zu sichern suchten. Aus ihrer doppelten Bedeutung als Lebens- und Heilsgemeinschaft resultierte hierbei die gleichermaßen hohe Relevanz wirtschaftlicher und konfessioneller Interessen. Ein neuer Bürger musste sich demnach auf der lokalen Ebene zunächst beweisen, wohingegen die herrschaftliche Siedlungspolitik zeitweise deutlich simplere demographische Ziele verfolgte, die den Lehren des Populationismus entsprachen. Die Souveräne waren deutlich eher bereit, Fremde in ihren Herrschaftsverband aufzunehmen und ihnen gegebenenfalls Privilegien für ihre Glaubensausübung oder die niedere Gerichtsbarkeit einzuräumen, als ihre Untertanen willens waren, Fremden gleiche Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zu gewähren. Hierin findet ein herrschaftliches Verständnis von Zugehörigkeit Ausdruck, nach dem die verbindende Eigenschaft aller Einwohner ihr Untertanenverhältnis zum Souverän war. Dieser Standesgrenzen übergreifende Untertanenbegriff ging mit einer zunehmenden Einflussnahme der Kanzleien auf die Aufnahme von Fremden einher. Zugleich wurde jedoch in philosophischen und rechtlichen Diskursen der umfassende Untertanenbegriff zu einem ebenfalls alle Zugehörigen bezeichnenden Bürgerbegriff weiterentwickelt. Auch wenn damit noch keine Forderungen nach Partizipationsrechten verbunden waren, so bildete dieser Gedanke doch die Grundlage für die spätere Entwicklung eines Konzeptes rechtlich gleichgestellter Staatsbürger. Doch für dessen Durchsetzung bedurfte es – ebenso wie für die Ausschaltung der Partikulargewalten in den früh­ modernen Staaten – eines Ereignisses, welches die politische Entwicklung rapide beschleunigte. Erst die Französische Revolution und die aus ihr resultierende Herausforderung für die politischen Systeme Europas brachten diese Veränderungen mit sich.

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7. Kommentierte Liter atur auswahl Einen pointierten Einstieg in das Thema Fremdheit und Zugehörigkeit in der Frühen Neuzeit bietet Schnabel-Schüle 2008a. Ferner liegen zahlreiche Detailstudien zu den im Beitrag behandelten Herrschaftsverbänden vor, die einen tieferen Einblick in die jeweiligen Normen und Praktiken eröffnen: Für einen Überblick über dieses Phänomen im Heiligen Römischen Reich kann zunächst der auf den deutschen Südwesten konzentrierte Überblick von Häberlein 2005 herangezogen werden. Detailliertere Einsicht, speziell in ländliche Gebiete, erlauben die Beiträge zum Sammelwerk Holenstein 2004. Die Situation in den Städten des Alten Reiches lässt sich hingegen durch einen Vergleich der kurzen Übersicht von Schaser 1995 mit neuen, quellennahen Untersuchungen – wie Küntzel 2008 und Litten 2003 – gut erschließen. Für das französische Königreich empfiehlt es sich, zwei Studien vergleichend he­ ranzuziehen: erstens die Untersuchung von Sahlins 2004, der die zentralen Mechanismen der Vergabe von Zugehörigkeitsrechten und die Rolle des Souveräns darin untersucht; zweitens die Studie Sonkajärvi 2008a, in der lokale Fremdheitskonstruktionen in Straßburg im Mittelpunkt stehen und die sich kritisch mit der Konzentration auf obrigkeitliche Perspektiven auseinandersetzt, welche die Forschung lange Zeit geprägt hat. Auch der Überblick über die Vergabe von Zugehörigkeitsrechten in Spanien von Manz 2006 berücksichtigt ausführlich die lokale politische Ebene und ihre Wechselwirkung mit dem frühmodernen Staat. Die Vergabe von Zugehörigkeitsrechten im Königreich England ordnen schließlich Dummett u. a. 1990, S. 39–71, in einen breiteren Kontext ein. Eine wichtige Ergänzung hierzu ist die Untersuchung Statt 1995, die einen Einstieg in das weite Feld der zeitgenössischen Rezeption und der damaligen Diskurse eröffnet.

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U NTEROR DNU NG U ND TR ENNU NG: DIE R ECHTLICHE STELLU NG VON EUROPÄ ER N U ND INDIGENEN IN DEN EUROPÄ ISCHEN KOLONI A LR EICHEN DOMINIK NAGL

1. Einleitung Die Frage von Zugehörigkeitsrechten und Fremdheit stellt sich in der kolonialen Situation auf eine fundamental andere, geradezu umgekehrte Weise, als sie uns aus dem Kontext europäischer Nationalstaaten vertraut ist. Partha Chatterjee, Mitglied der bekannten indischen Postkolonialismusforschungsgruppe Subaltern Studies Collective, hat diesen Gegensatz klar benannt: „There is no question that the legitimacy of the modern state is now clearly and firmly grounded in a concept of popular sovereignty. [...] The story of citizenship in the modern West moves from the institution of civic rights in the civil society to political rights in the fully developed nation-state. […] The colonial state was […] an ethnographic state. Populations there had the status of subjects, not citizens. Obviously, colonial rule did not recognize popular sovereignty.“1 In der kolonialen Situation wurde der aus der Fremde eingewanderte Kolonisator europäischer Herkunft nicht mit einem prekären Rechtsstatus und minderen ­politischen Rechten versehen, wie dies innerhalb Europas die Regel war, wenn man als fremder Zuwanderer sich andernorts niederließ. Sie trafen vielmehr als Kolonisatoren auf eine einheimische Bevölkerung, von der sie sich ethnisch und kulturell unterschieden und der sie – sofern sie diese nicht gleich ganz verdrängten oder vernichteten – durch ihre militärische Überlegenheit einen niedrigeren politischen und rechtlichen Status zuwiesen. Dem als Theoretiker der algerischen Revolution bekannt gewordenen Arzt und Psychoanalytiker Frantz Fanon erschien die koloniale Welt als eine in „Abteile getrennte Welt“, in der eine kleine Gruppe von Kolonisatoren einer Masse von Kolonisierten in einem Ausbeutungsverhältnis gegenüberstand: „[D]ie Ausbeutung des Kolonisierten durch den Kolonialherrn [...] wurde mit Hilfe von Bajonetten und Kanonen erzwungen. Der Kolonialherr und der Kolonisierte sind alte Bekannte. [...] Er [der Kolonialherr] ist es, der den Kolonisierten geschaffen hat und noch fortfährt, ihn zu schaffen.“2 Der Kolonisierte, der im Sprachgebrauch der Kolonisatoren als „Einge1 Chatterjee 2004, S. 27, 36f. 2 Fanon 1981, S. 30.

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borener“ bezeichnet wurde, war keine vorgefundene Figur, sondern musste mit gewaltsam abgesicherten juristischen Mitteln erst geschaffen werden. Er war Ausdruck von Machtverhältnissen, also bereits das Produkt kolonialer Herrschaft. Rechtliche Mittel spielten von Beginn des europäischen Kolonialismus an eine entscheidende Rolle bei der, wie Sartre es ausdrückte, Teilung der Welt in „Menschen“ und „Eingeborene“. Es war das Bestreben der Kolonisatoren, den bipolaren Charakter der kolonialen Ordnung zu verewigen. Dennoch war diese Ordnung alles andere als stabil. Sie provozierte nicht nur die offene Rebellion, sondern schuf auch Momente der Interkulturalität, die die strikte Entgegensetzung von Kolonialherren und Kolonisierten zu unterlaufen drohten. Trotz des Machtgefälles zwischen beiden Seiten wäre es daher eine unzulässige Verkürzung, sich Kolonialherrschaft als ein Herrschaftsverhältnis vorzustellen, in dem die Kolonisierten nur als passive Opfer vorkommen. Vielmehr handelt es sich um ein Verhältnis der wechselseitigen, jedoch asymmetrischen Beeinflussung und Interaktion. Prozesse der Trans- und Akkulturation, also der Übernahme von Elementen der dominanten Kultur durch die Kolonisierten, der kulturellen Hybridisierung, aber auch hierauf erfolgende feindselige Reaktionen der Kolonisatoren sind in diesem Zusammenhang besonders aufschlussreich. Insbesondere das Bemühen von Kolonialuntertanen, den staatsbürgerlichen Status der Kolonisatoren zu erlangen, und die Schließung von ‚Mischehen‘ waren Entwicklungen, die eine für die koloniale Ordnung subversive Dynamik entfalteten und Gegenmaßnahmen der Kolonialherren provozierten. Bei der Konstruktion rechtlicher, sozialer und politischer Barrieren zwischen herrschenden Kolonisatoren und beherrschten Kolonisierten spielten Formen ‚rassifizierenden‘ und rassistischen Denkens eine entscheidende Rolle. Hier wird die These vertreten, dass der kolonialen Ordnung zwar von Anfang an rassistische Elemente immanent waren, da das koloniale System von Beginn an darauf ausgerichtet war‚ separate Rechtssphären für Kolonisierte und Kolonisatoren – und damit zugleich für „Weiße“ und „Nichtweiße“ – zu etablieren. Zugleich ist aber auch unübersehbar, dass sich die Funktionsweise, die Artikulationsformen und die Bedeutung dieser kolonialen Politik der Differenz mit dem Übergang zur Moderne, in der in den west­ lichen Metropolen die Ideen staatsbürgerlicher Gleichheit und liberaler Freiheitsrechte als neue politische Leitvorstellungen aufkamen, gegenüber der von ständischen Privilegien und rechtlichen Statusunterschieden gekennzeichneten Frühen Neuzeit erheblich verändern mussten. Im Folgenden wird dieser Prozess samt seinen rechtlichen und biopolitischen Auswirkungen im Kontext verschiedener europäischer Kolonialimperien näher beleuchtet. Der hier angestrebte Überblick ist daher zeitlich und räumlich weit gefasst. Er schlägt im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung einen Bogen von den frühneuzeitlichen Kolonialreichen, die England und Spanien in Amerika errichteten, bis hin zu den englischen, französischen und deutschen Kolonialregimen in der Ära des Hochimperialismus.

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2. Die frühneuzeitlichen Kolonialr eiche 2.1 Das spanische Koloni alr eich in Süda mer ik a Spanier und Portugiesen hatten nicht nur als Erste mit der Kolonisierung der Neuen Welt begonnen, sondern auch als Erste erfolgreiche Kolonisationsmethoden entwickelt und finanziellen Nutzen aus ihren Kolonialimperien gezogen. In Spanisch-Amerika kamen hierbei zwei unterschiedliche Modelle der Kolonisierung zum Einsatz. Im Kerngebiet, dem Vizekönigreich Neuspanien, das Mexiko und Peru umfasste, beutete eine dort ansässige Oberschicht von Kreolen und europäischen Spaniern die Arbeitskraft von Indianern und afrikanischen Sklaven in Bergbau und Landwirtschaft aus und installierte ein am Mutterland orientiertes Regierungssystem. Wo es aber, wie in NeuMexiko, Texas, Kalifornien, Florida, Chile, La Plata, Paraguay und in Teilen von Oberperu und den Westindischen Inseln, an Rohstoffen und den Voraussetzungen zur Ausbeutung einheimischer Arbeitskräfte mangelte, beschränkten sich die Spanier auf die Etablierung von Militärstützpunkten und Missionsstationen. In diesen Gebieten blieb die indigene Bevölkerung, wo sie europäische Gewaltakte und eingeschleppte Epidemien überstanden hatte, trotz der nominellen Oberherrschaft von spanischen Gouverneuren meist relativ autonom.3 Rechtlich galten die Kolonien als Schwesterkönigreiche Kastiliens und wurden von Vizekönigen regiert. Diese waren der politischen Aufsicht und den Weisungen des Indienrats in Madrid unterstellt, der die oberste koloniale Verwaltungsinstitution bildete und zusammen mit weiteren Fachbehörden Gesetze und Verordnungen für die Kolonien entwarf. Durch das zentralistische Regierungssystem wurde in Spanisch-Amerika eine an das Mutterland angelehnte einheitliche Rechtsprechung und Verwaltungsstruktur durchgesetzt, was mit dazu beitrug, dass die katholische Kirche und die spanische Kultur die Region nachhaltig prägten. In der Praxis verfügten jedoch selbst die kolonialen Kerngebiete über ein beträchtliches Maß an Regierungs- und Verwaltungsautonomie, da sich angesichts der großen Entfernungen und der langen Kommunikationswege eine rigide politische Steuerung durch den Indienrat als unmöglich erwies.4 Die merkantilistischen Handelsgesetze Spaniens sahen vor, dass nur Untertanen der spanischen Krone im Kolonialhandel tätig werden durften, welcher zudem über königlich zertifizierte Häfen und auf Schiffen mit spanischer Besatzung abgewickelt werden musste. Zur Auswanderung und Niederlassung in die Kolonien war eine seit 1546 vom Indienrat erteilte königliche Erlaubnis erforderlich. Ausländer durften sich in den Ko3 Vgl. Fieldhouse 1965; Parry 2000; Reinhard 1988, Bde. 2 und 3; Schmitt 1984ff., Bde. 2 und 3; Bitterli 1986; Bitterli 1991; Reinhard 1996; Elliot 2002; Maltby 2008; Thomas 2010 (zwei chronologische Folgebände geplant); Brown 2012; Burkholder u. a. 2012. 4 Vgl. Burkholder u. a. 2012.

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lonien nur niederlassen, wenn sie den Weg der Naturalisation beschritten und damit entsprechende Zugehörigkeitsrechte erwarben, was erst nach langjährigem Wohnsitz in Spanien und der Erfüllung anderer Bedingungen möglich war. Zwar wanderte dennoch eine beträchtliche Zahl von europäischen Ausländern (insbesondere Portugiesen, Franzosen, Deutsche, Engländer, Iren, Italiener und Griechen) illegal in die Kolonien ein, aber die Befehle zur Ausweisung von Ausländern wurden dennoch immer wieder aufs Neue eingeschärft und gelegentlich auch tatsächlich umgesetzt. Der ausländische Bevölkerungsanteil blieb aber stets so gering, dass er leicht assimiliert werden konnte. Mitunter duldeten die Kolonialbehörden die Anwesenheit von Ausländern auch und stellten gegen Gebühr Aufenthaltsgenehmigungen aus, die allerdings zeitlich und räumlich befristet waren. Diese sog. composiciónes beinhalteten die Aufforderung an alle untergeordneten Amtsträger, trotz der eigentlich illegalen Anwesenheit des Ausländers von seiner Ausweisung abzusehen. Praktische Unsicherheiten konnten sich daraus ergeben, dass nicht immer eindeutig zu ermitteln war, ob es sich bei einer Person um einen Ausländer oder Spanier handelte. Die spanische Gesetzgebung schloss außerdem bestimmte auch im Mutterland diskriminierte ethnische und religiöse Gruppen grundsätzlich von der Auswanderung in die Kolonien aus. Von dem Verbot betroffen waren Juden, ‚Zigeuner‘ und Muslime. Obgleich auch Neuchristen nicht nach Amerika ausreisen durften und der Nachweis einer christlichen Abstammung für die Gewährung einer Auswanderungslizenz erforderlich war, gelang es einer allmählich wachsenden Zahl von Juden, die sich als christliche Konvertiten ausgaben, über das portugiesische Brasilien in das spanische Amerika einzureisen. Sie ließen sich vornehmlich in Buenos Aires, Lima sowie den mittelamerikanischen Hafenstädten Portobello und Cartagena nieder. Die Einwanderung von vertraglich gebundenen Knechten auf Zeit, die die Kosten für ihre Überfahrt aus Europa in langjähriger Zwangsarbeit abarbeiten mussten und die in den englischen und französischen Kolonien (indentured servants, redemptioners, engagés) einen wichtigen Faktor darstellten, spielte in Spanisch-Amerika keine Rolle.5 Bei der Betrachtung der rechtlichen Kategorisierung der spanischen Kolonialbevölkerung muss bedacht werden, dass das frühneuzeitliche kastilische Staatsangehörigkeitsrecht keinen einheitlichen Untertanenstatus kannte. Wie Tamar Herzog detailliert dargelegt hat, handelte es sich bei diesem vielmehr um ein komplexes Geflecht lokaler und nationaler Zugehörigkeitselemente. Die allgemeinste Form der rechtlichen Zugehörigkeit zu den spanischen Königreichen definierte der für alle Einheimischen verwendete Begriff der naturaleza. Das vecinidad genannte lokale Bürgerrecht, welches von den Gemeinden nach eigenen Kriterien verliehen und auf unterschiedliche Weise selbst reguliert werden durfte, übertrug seinen Inhabern über ihren allgemeinen Status als einheimische Untertanen des Königshauses hinaus konkrete Rechte und Pflichten in einer bestimmten Kommune. Hierzu zählten insbesondere das lokale Heimatrecht, 5 Vgl. Konetzke 1960.

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politische Partizipationsmöglichkeiten, Nutzungsrechte am Gemeindeland, die kommunale Steuerpflicht und der Dienst in der örtlichen Miliz. Wie Herzog ausführt, wurde allerdings in den kolonialen Städten im spanischen Amerika anders als in Kastilien seit dem 17. Jh. in rechtlichen und praktischen Belangen zunehmend nicht mehr zwischen Stadtbürgern und anderen Einwohnern unterschieden. Allgemeiner Untertanenstatus (naturaleza) und lokale Bürgerrechte (vecinidad) verschmolzen in den Kolonien zusehends. Zugleich wurden seit dem ausgehenden 17. Jh. Schwarze, Mestizen (Abkömmlinge von Weißen und Indianern) und Mulatten (Nachkommen von Weißen und Afrikanern) zunehmend von lokalen Bürgerrechten ausgeschlossen. Hierfür existierte jedoch keine gesetzliche Grundlage. Die auf Hispanisierung und katholische Missionierung der indigenen Bevölkerung setzende spanische Kolonialpolitik schloss die Indianer nie offiziell von der Übernahme weltlicher und kirchlicher Ämter aus. Die spanischen Autoritäten differenzierten aber zwischen den einer bestimmten indianischen Gemeinde zugeordneten Indianern (originarios) und sich dort nur zeitweilig aufhaltenden indigenen Migranten (forasteros) . Letztere besaßen, sofern sie sich nicht dauerhaft an einem Ort niederließen, kein Recht zur Nutzung der Gemeindeländereien und waren nicht zur Zahlung von Tributen und der Ableistung von Arbeitsdiensten verpflichtet. Um die indigene Bevölkerung vor exzessiver Ausbeutung durch spanische encomenderos (Großgrundbesitzer, denen nach der conquista treuhänderisch Ländereien samt der Herrschaftsgewalt über die darauf lebende Bevölkerung übertragen worden waren) zu schützen, versuchten die spanischen Autoritäten seit dem 16. Jh., die ‚Republik der Indianer‘ räumlich von der ‚Republik der Spanier‘ zu trennen. Obwohl es allerdings weißen Spaniern ebenso wie Schwarzen, Mestizen und Mulatten verboten war, sich in indigenen Gemeinden niederzulassen, wie umgekehrt den Indianern in europäischen Siedlungen, wurden die Vorschriften zur Trennung der Gemeinwesen in der Praxis ständig unterlaufen.6 Staatsrechtlich waren die überseeischen Besitzungen Spaniens Patrimonialeigentum (reinos patrimoniales) der Krone, über das die Monarchen mit uneingeschränkter Herrschaftsgewalt verfügten. Diese schloss auch die indigene Bevölkerung mit ein, die die Spanier ohne Rücksicht auf ihre heterogene ethnische Identität kollektiv als „Indianer“ bezeichneten. Trotz der brutalen Ausbeutung der indigenen Bevölkerung und der genozidalen Folgen der Conquista galten die amerikanischen Ureinwohner rechtlich als freie Vasallen der kastilischen Krone. Ihnen wurde theoretisch der Schutz ihres Eigentums zugesichert, ihre politischen Oberhäupter (Kaziken) waren als spanische Adlige (hidalgos) anerkannt und die indigenen Gemeinschaften besaßen lokale Selbstverwaltungsrechte. Im Zuge der Durchsetzung ihrer Herrschaft brachten die spanischen Kolonialherren so eine komplexe und widersprüchliche Gliederung der Gesellschaft hervor, die auf der hierarchischen Einteilung der Bevölkerung entlang dem Kriterium der 6 Vgl. Herzog 2003, S. 17–118.

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Hautfarbe in politisch, rechtlich und sozial abgestufte Kasten basierte.7 In die koloniale Herrschaftsstruktur integrierte indigene Autoritäten regierten die indianischen Gemeinschaften zumindest noch teilweise nach Maßgabe angestammter Gewohnheiten, während die Spanier zugleich die indigene Bevölkerung in ihrer Bewegungsfreiheit und ihren wirtschaftlichen und sozialen Rechten stark einschränkten. Zudem waren die Indianer zu Tributzahlungen und Zwangsarbeitsdiensten (mita, cuatequil) verpflichtet. Ausgenommen waren sie aber von der Zahlung des Kirchenzehnten (diezmos), der Verkaufssteuer (alcabala) und dem Militärdienst. Der Gebrauch von Feuerwaffen und Schwertern war ihnen ebenso verboten wie das Reiten auf Pferden und der Kauf von Wein. Außerdem konnten sie keine rechtsgültigen Verträge schließen. Grundsätzlich stand ihnen aber in Neuspanien der Zugang zu dem von königlichen Amtsträgern verwalteten kolonialen Gerichtswesen offen. In Mexiko gelang es insbesondere im 17. Jh. indianischen Klägern immer wieder, auf dem Rechtsweg zivilrechtliche Konflikte mit Spaniern in ihrem Sinne zu regeln.8 Da die indigene Bevölkerung infolge von Krankheiten, Zwangsarbeit und kolonialer Gewalt in kürzester Zeit einen dramatischen Rückgang erlebte – 1519 hatte sie in Neuspanien Schätzungen zufolge 27.650.000 betragen, 1595 war sie auf 1.375.000 gesunken –, setzten die spanischen Kolonialherren zunehmend aus Afrika verschleppte schwarze Sklaven als Arbeitskräfte ein. Rechtlich gesehen waren sie das frei veräußerliche persönliche Eigentum ihrer Herren. Sie besaßen weder Besitz- noch Persönlichkeitsrechte und standen rechtlich noch unter der indigenen Bevölkerung. Die Versklavung von Indianern war dagegen bereits 1542 durch die zu ihrem Schutz erlassenen sog. „Neuen Gesetze“ zumindest offiziell verboten worden. Tatsächlich konnte das Verbot allerdings nur mit größten Schwierigkeiten umgesetzt werden und schützte die Indianer auch nicht vor neuen Formen der Zwangsarbeit. Schätzungen zufolge wurden insgesamt ca. 1.552.000 Afrikaner als Sklaven in die spanischen Kolonialbesitzungen in Amerika (und davon etwa 200.000 nach Neuspanien) verschleppt. In Neuspanien wurden sie insbesondere zu schwerer und gefährlicher Arbeit auf Plantagen und in Minen herangezogen. Ein nicht unerheblicher Teil lebte aber auch in den städtischen Zen­tren wie Mexiko-Stadt als versklavte Hausdiener, Knechte und Handwerker. Nach einer berühmten These des Historikers Frank Tannenbaum führte der Einfluss des Katholizismus im spanischen Amerika zu einem, verglichen mit der in den protestantisch geprägten englischen Kolonien praktizierten Form, milderen Typus der Sklaverei.9 Diese Behauptung stützt sich hauptsächlich auf einige Elemente in den spanischen Sklavengesetzen (Códigos de Negros), die auf eine Bekehrung der Sklaven zum Christentum zielten und ihnen gewisse Persönlichkeitsrechte beließen. So war es Sklaven unter bestimm7 Vgl. Mörner 1967, S. 53–74. 8 Vgl. Owensby 2008, S. 49–89. 9 Tannenbaum 1946.

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ten Bedingungen möglich, vor Gericht als Zeugen aufzutreten, mit kirchlichem Segen zu heiraten, sich freizukaufen, durch eine (mit Zustimmung ihres Herrn) geschlossene Heirat mit einer freien Person ihre Freiheit zu erlangen oder sogar mithilfe eines sie repräsentierenden Sklavenanwalts (procurador de esclavos) gerichtlich ihre Freilassung zu erstreiten. Eine Vielzahl von Untersuchungen hat allerdings gezeigt, dass eine holistische und abstrakte Entgegensetzung nationaler Sklavereiregime in die Irre führt.10 Denn diese erfuhren auch innerhalb einzelner Kolonialreiche eine lokal höchst unterschiedliche praktische Ausformung, die stark von der spezifischen ökonomischen Funktion sowie der sozialen und demografischen Position der versklavten Bevölkerung abhing. Die Sklavengesetze können somit nicht losgelöst von ihrer sozialen Praxis in konkreten Wirtschaftsregionen und Zeiträumen betrachtet werden. Wie Hermann L. Benett etwa für das koloniale Mexiko gezeigt hat, bewirkte die Tätigkeit kirchlicher Gerichte und deren besondere Auslegung kanonischer Rechtsgrundsätze, dass den Sklaven in der Praxis bestimmte Persönlichkeitsrechte, etwa bei der Eheschließung und zivilrechtlichen Streitigkeiten, zugebilligt wurden.11 Mit der sog. Real Cédula para el gobierno de los esclavos von 1789 versuchte die spanische Krone zwar, ein uniformes und umfassendes Sklavengesetz für die Kolonien zu formulieren, welches der Willkür und Strafgewalt einzelner Herren Grenzen ziehen sollte. Da viele Sklavenhalter das Gesetz jedoch grundsätzlich ablehnten, blieb es weitgehend wirkungslos.12 Das für die hierarchische Sozialordnung Spanisch-Amerikas charakteristische Kastensystem entstand im Zuge der Vermischung von vermeintlich reinblütigen europäischen und kreolischen (criollos, d. h. den bereits in den Kolonien geborenen) Spaniern, Indianern und Afrikanern. Diese fand in den spanischen Kolonien von Beginn an in großem Umfang statt. Da diese Hybridisierung der Bevölkerung die gesellschaftliche Hierarchie zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten rasch zu unterminieren drohte, definierten die spanischen Kolonialherren im 17. Jh. ein komplexes System abgestufter sozialer Statusgruppen auf Basis von Herkunft und Hautfarbe. Der spanische Begriff der casta implizierte allerdings noch nicht wie der heutige Kastenbegriff eine endogame Geschlossenheit von sozialen Gruppen. Ausgangspunkt der kolonialen ‚Pigmentokratie‘ war aber dennoch eine Ideologie der Blutsreinheit (limpieza de sangre). Ihre Ursprünge reichen bis zu dem mittelalterlichen kastilischen Gesetzbuch Siete Partidas aus dem 13. Jh. zurück, das die Rechtsgrundlage der spanischen Kolonien in Amerika bildete und Ehen zwischen Christen, Juden und Mauren verbot.13 Bei seiner kolonialen Adaption mischten sich rassistische Vorstellungen von Blutsreinheit mit religiösen Überlegenheitsgefühlen gegenüber den vermeintlich heidnischen nicht europäischen Teilen der 10 11 12 13

Vgl. La Fuente u. a. 2010, S. 469–485. Vgl. Bennett 2003, S. 79–153. Vgl. Mörner 1967, S. 114–117. Vgl. Mörner 1967, S. 54–56.

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Bevölkerung. Die Spanier gingen davon aus, dass physische und geistige Eigenschaften über das Blut weitervererbt würden. Personen, die jüdische, muslimische, indianische oder schwarze Vorfahren hatten, galten demnach als minderwertig. Auf dieser geistigen Grundlage entstand in den spanischen Kolonien eine differenzierte und sehr umfangreiche Taxonomie, die Personen entsprechend ihrer ethnisch-rassischen Abstammung klassifizierte, sozial hierarchisierte und mit obskuren und herabwürdigenden Begriffen titulierte. Unter dem Oberbegriff castas firmierten alle vermeintlich ‚gemischtrassigen‘ Personen, aber auch ‚reinblütige‘ Afrikaner. Die Kinder von Spaniern und Indianern wurden als mestizos (Mestizen), die von Spaniern und Afrikanern als ‚Mulatten‘ (auch pardos – ‚Erdfarbene‘) und die von Indianern und Afrikanern als zambos (‚Gekreuzte‘) oder lobos (‚Wölfe‘) bezeichnet. Darüber hinaus existierte noch eine verwirrende Vielzahl weiterer Kategorien, die je nach lokaler Gewohnheit variierten. In alltäglichem Gebrauch waren allerdings nur wenige dieser anhand von Hautfarbe und anderer phänotypischer Merkmale nicht wirklich anwendbaren Kategorien. Auch die meisten Kirchenregister unterschieden nur zwischen Spaniern, Indianern und castas de mezcla.14 Die casta-Bevölkerung erfuhr ebenso wie die indianische aufgrund ihrer niederen Herkunft und Hautfarbe eine starke rechtliche und soziale Diskriminierung. In Neuspanien waren Mestizen ausdrücklich von bestimmten öffentlichen Ämtern wie dem des Amtsschreibers ausgeschlossen. Mestizen unehelicher Abstammung durften nicht zu Priestern ordiniert werden. Außerdem durften sie kein Land besitzen, wodurch ihnen der Zugang zur wichtigsten Quelle politischer und wirtschaftlicher Macht versagt war. Die durch den doppelten Makel der illegitimen Abstammung und der Sklaverei stigmatisierten Mulatten, zambos und freien Schwarzen hatten nicht nur dieselben rechtlichen Diskriminierungen wie die Mestizen zu erleiden, sondern mussten auch wie indios Tributzahlungen leisten. Zudem unterstanden sie einer eigenen Kleiderordnung, konnten zu Zwangsarbeit herangezogen werden, waren in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt und durften keine Waffen besitzen. In der zweiten Hälfte des 18. Jhs. gewährte die Krone allerdings einer ganzen Reihe von angesehenen und politisch lo­yalen Mulatten sog. cédulas de gracias al sacar, die sie rechtlich zu Weißen machten. Das spanische Königshaus verfolgte damit sowohl das Ziel, neue finanzielle Einnahmen zu erschließen, als auch die Macht des weißen kreolischen Kolonialadels zu schwächen. Ein entscheidender Faktor bei der rechtlichen Klassifikation einer Person war neben der Hautfarbe ihre ethnokulturelle Identität. Während etwa die Spanier sprachlich und kulturell assimilierte ‚Euromestizen‘ als mestizos anerkannten, behandelten sie in der indigenen Kultur verhaftete ‚Indiomestizen‘ meist als indios.15 Wie Magnus Mörner gezeigt hat, bestanden aber auch Unterschiede zwischen der offiziellen rechtlichen und der alltäglichen sozialen Hierarchie der Bevölkerungsgruppen. Während etwa die weißen Spanier 14 Vgl. Mörner 1967, S. 101f. 15 Vgl. Mörner 1967, S. 63f.

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rechtlich gesehen die oberste, nicht weiter differenzierte gesellschaftliche Gruppe bildeten, machte es sozial einen großen Unterschied, ob Personen europäisch-‚peninsularer‘ oder kolonial-‚kreolischer‘ Herkunft waren. Die criollos standen – obwohl die legitimen Nachfahren der spanischen Konquistadoren – unter dem Generalverdacht, Mestizen zu sein. Sie besaßen daher einen niedrigeren sozialen Status als die peninsulares, die von der Krone politisch, wirtschaftlich und bei der Vergabe von Kirchenämtern bevorzugt wurden.16 Am unteren Ende der sozialen Skala rangierten die indios. Sie besaßen zwar rechtlich einen höheren Status als die schwarzen Sklaven, aber im Alltag verfügten die Sklaven aufgrund der räumlichen und sozialen Nähe zu ihren spanischen Eigentümern tatsächlich oft über ein höheres soziales Ansehen als die Indianer. Langfristig wurde das ‚pigmentokratische‘ Kastensystem durch denselben Mechanismus unterminiert, der es hervorgebracht hatte. Die Mischung der verschiedenen Gruppen führte zu einer so starken Hybridisierung der kolonialen Bevölkerung, dass die Zuordnung in eine Kaste oft eher den Charakter einer strategischen Aushandlung als den einer ‚objektiven‘ Herkunftsklassifikation hatte. Die Erosion der sichtbaren körperlichen Unterschiede ermöglichte es etwa indios, sich als Mestizen zu bezeichnen, wenn sie die Zahlung von Tributen vermeiden wollten, oder Mestizen, sich als indios auszugeben, um sich der Jurisdiktion der Inquisition zu entziehen.17

2.2 Das englische Kolonialr eich in Nor da mer ik a Das erste britische Empire stellte im Gegensatz zum spanischen Kolonialreich, das verfassungsrechtlich einen hierarchisch klar gegliederten Staatsverband bildete, ein komplexes Geflecht konkurrierender Herrschaftseinheiten dar, die durch die Souveränität der britischen Krone nur lose zusammengehalten wurden. Anders als in den autokratisch verwalteten spanischen Kolonien erkämpften sich in den englischen die Kolonialparlamente, die von der weißen, männlichen Siedlerbevölkerung aus den eigenen Reihen gewählt wurden, die wesentlichen legislativen und haushaltsrechtlichen Vorrechte und waren gegenüber den von der Krone eingesetzten Gouverneuren und Beamten das politisch dominierende Element. Die innere rechtliche und staatlich-institutionelle Entwicklung der nordamerikanischen Kolonien vollzog sich daher in der bis zum Ende des Siebenjährigen Kriegs im Jahr 1763 andauernden Phase der sog. wohlwollenden Vernachlässigung weitgehend unbehelligt von metropolitanen Interventionen als autogener Prozess auf der kolonialen Ebene.18

16 Vgl. Burkholder 2012. 17 Vgl. Jackson 1999, S. 41–65. 18 Vgl. Andrews 1934–1937; Rose 1929/30, Bde. 1 und 2; Gipson 1936–1970; Marshall 2001, Bde. 1 und 2; Nagl 2012.

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Die komplexe imperiale Rechtsstruktur lässt sich deutlich an den vielschichtig segmentierten Zugehörigkeitsrechten im Empire und der rechtlichen Konstruktion des englischen Untertanenstatus ablesen. Der wichtigste gerichtliche Präzedenzfall in diesem Bereich betraf allerdings keine außereuropäische Kolonie, sondern Schottland. Gleichwohl wurde dieses Verfahren für das fundamentale kolonialrechtliche Problem entscheidend, ob das von der königlichen Gerichtsbarkeit im Mutterland flächendeckend zur Anwendung gebrachte Common Law auch in den Kolonien automatische Gültigkeit beanspruchen konnte. Der 1608 als Calvin’s Case (Calvin vs. Smith) berühmt gewordene Fall gilt bis heute als entscheidende Wegmarke in der Entstehungsgeschichte des modernen britischen Staatsangehörigkeitsrechts. Den Anlass für diese Gerichtsentscheidung gaben zwei zivilrechtliche Klagen, die im Namen des minderjährigen schottischen Waisenkindes Robert Calvin von dessen Vormündern vor der King’s Bench and Chancery angestrengt wurden. Calvins Rechtsvertreter behaupteten, ihr Mündel sei auf unrechtmäßige Weise um seine Erbansprüche in England gebracht worden. Die Beklagten stellten sich dagegen auf den Standpunkt, Robert Calvin sei in Schottland geboren, damit gemäß dem in England geltenden Bodenrechtsprinzip (ius soli) im englischen Königreich ein Ausländer und als solcher in England weder erb- noch klageberechtigt.19 Für den bewusst konstruierten Präzedenzfall hatten sich die Juristen einen Musterkläger ausgesucht, der drei Jahre, nachdem der schottische König Jakob VI. zusätzlich die englische Krone erlangt hatte, geboren worden war. Das Gericht entschied schließlich, dass Robert Calvin innerhalb Englands und vor englischen Gerichten nicht als Ausländer zu gelten habe, da er postnatus, d. h. erst nach Jakobs Besteigung auch des englischen Throns (1603) auf die Welt gekommen sei. Wichtiger als der Geburtsort waren demnach für die Behandlung von Untertanen als In- oder Ausländer innerhalb Englands die territorialen Herrschaftsverhältnisse zum Zeitpunkt der Geburt und die daraus resultierende Treuepflicht gegenüber der unteilbaren natürlichen Person des Königs. Die rechtliche Unterscheidung einer schottischen und einer englischen Krone war aus Sicht der Richter für das bei der Geburt erzeugte unmittelbare Untertanenverhältnis gegenüber dem einen König irrelevant.20 Bedeutsam für die koloniale Rechtsentwicklung wurde der Fall, da Richter Edward Coke bei dieser Gelegenheit nicht nur die Frage thematisierte, unter welchen Bedingungen ein Untertan des Königs auf dem Boden des englischen Stammlandes den Rechtsschutz englischer Gerichte für sich in Anspruch nehmen konnte. Coke erörterte zugleich auch das Problem des unklaren rechtlichen Status neu erworbener königlicher Territorialbesitzungen und des dort geltenden Rechts. Er argumentierte wegweisend, dass es sich bei diesen Gebieten nicht immer (wie im Falle Schottlands) um ererbte, sondern in der Regel um eroberte (conquered) Ländereien handele. Bei den eroberten Territorien machte es für Coke sodann einen großen recht19 Pollock u. a. 1968, S. 458. 20 Vgl. Dummett u. a. 1990, S. 59–63.

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lichen Unterschied, ob es christliche oder „heidnische“ Ländereien seien. Während in eroberten christlichen Königreichen deren bisherige Gesetze zumindest so lange weiterhin Geltung besäßen, bis der König ausdrücklich ihre Änderung verfüge, sollte dies nicht auch für „heidnische“ Gebiete gelten. Dort werde vielmehr mit der Eroberung das komplette autochthone Recht automatisch außer Kraft gesetzt. An dessen Stelle hätten vom König oder seinen Repräsentanten zu erlassende Gesetze zu treten. (Coke war der Auffassung, dass das Parlament für den kolonialen Raum keinerlei legislative Kompetenzen geltend machen könne.) Solange dies nicht geschehen sei, dürfte die königliche Gerichtsgewalt allein auf Basis naturrechtlicher Billigkeitsprinzipien praktiziert werden. Der sonst als prominenter Kritiker aller absolutistischen Ansprüche des Könighauses bekannte Jurist räumte also erstaunlicherweise der Krone eine unbegrenzte Gestaltungsfreiheit über die politischen und rechtlichen Verhältnisse in den Kolonien ein.21 Ganz ähnlich argumentierte rund 150 Jahre später auch William Blackstone in seinen in den 1760erJahren erschienenen Commentaries on the Laws of England, die unter Zeitgenossen einen autoritativen Status genossen: „Our American plantations [...] being obtained in the last century either by right of conquest and driving out the natives [...] or by treatise. And therefore the common law of England, as such, has no allowance or authority there; they being no part of the mother country, but distinct (though dependent) dominions.“22 Dass es in den englischen Kolonien in Nordamerika inzwischen dennoch fast überall zur Einführung des Common Law gekommen war, war indessen keineswegs das Ergebnis königlicher Zwangsverordnungen, die an dem Selbstregierungsanspruch der Siedler gescheitert wären. Es handelte sich vielmehr um eine freiwillige und meist selektive Übernahme durch die Kolonisten, die im Laufe der Zeit das englische Recht durch ihre eigene Gesetzgebung und seine gewohnheitsrechtliche Anwendung in jeder Kolonie einzeln einführten. Obwohl die englischen Kolonien sich also anders als die spanischen weitgehend selbst regierten und der weißen, männlichen Siedlerbevölkerung von der Krone erhebliche politische Partizipationsrechte zugestanden werden mussten, verabschiedete das englische Parlament zumindest zur Regulierung des Kolonialhandels für das gesamte Empire gültige merkantilistische Handelsgesetze. Die Navigation Acts sahen vor, NichtEngländer weitgehend vom Kolonialhandel auszuschließen. Tatsächlich wurden diese Gesetze allerdings ständig unterlaufen. Anders als Spanien öffnete England zudem zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung sein amerikanisches Kolonialreich für die Einwanderung von religiösen Dissidenten aus dem Mutterland und auswanderungswilligen Europäern aller Konfessionen. Hierdurch entstand eine weiße Siedlerbevölkerung mit einem ethnisch und religiös deutlich heterogeneren Gepräge als in den spanischen Kolonien. Mit der Ausnahme von New Hampshire eröffneten koloniale Gesetze einge21 Vgl. Karatani 2003, S. 40–50. 22 Blackstone 1768, S. 107.

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wanderten Ausländern überall den Zugang zum (kolonialen) englischen Bürgerrecht. Die neuen englischen Untertanen erhielten nicht nur das aktive und passive Wahlrecht, sondern durften auch Land besitzen.23 Während man im Mutterland Ausländern zu dieser Zeit politisch misstraute, Einbürgerungen unerwünscht waren und ihnen daher hohe rechtliche Hürden und ein kompliziertes Rechtsverfahren entgegenstanden, zeichneten sich die englischen Festlandkolonien in Nordamerika durch eine bemerkenswert großzügige Einbürgerungspolitik aus. In den trotz der massenhaften Einführung von europäischen indentured servants und afrikanischen Sklaven stets an Arbeitskräftemangel leidenden Kolonien sollte anders als in England Einwanderung aus dem Ausland nicht verhindert, sondern zum Zweck einer raschen Besiedlung gefördert werden. Selbst Juden und in einigen Fällen sogar die stets der politischen Illoyalität besonders verdächtigen Katholiken konnten sich in den nordamerikanischen Kolonien Englands einbürgern lassen. Da für eine Einbürgerung zudem nur sehr geringe Gebühren verlangt wurden, war gewährleistet, dass sie auch für Personen mit bescheidenen wirtschaftlichen Mitteln bezahlbar war.24 Durchgeführt wurden die Naturalisationsverfahren meist in Form von Sondergesetzen, die vom Siedlerparlament einer Kolonie für individuelle Einbürgerungsanträge erlassen wurden. In South Carolina und zeitweise auch einigen anderen Kolonien existierten dagegen Gesetze, die alle Ausländer, die sich in der Kolonie niedergelassen hatten oder sich künftig niederlassen würden, auf Antrag automatisch naturalisierten. In allen Kolonien agierten die Kolonialparlamente in diesem Bereich autonom, d. h. ohne Autorisierung durch das Mutterland. Nicht zuletzt aus diesem Grund erstreckte sich die Wirkung einer kolonialen Einbürgerung auch nur auf den Raum der Kolonie, in der sie vollzogen wurde. Nur hier, nicht aber im Mutterland oder in anderen Kolonien konnten die Neubürger also ihre Rechte als englische Untertanen geltend machen. Dies bedeutete, dass naturalisierte Personen bezüglich der in den Navigation Acts niedergelegten imperialen Handelsvorschriften weiterhin als Ausländer angesehen wurden und sich daher auch nicht als Schiffsführer von Handelsschiffen betätigen durften. Im Mutterland tolerierte man offenbar wegen dieser Einschränkungen lange die großzügige koloniale Naturalisationspraxis. Nach 1760 wurde von London allerdings zunehmend Kritik geäußert und schließlich den Kolonisten das Recht bestritten, eigenständig Einbürgerungen vornehmen zu dürfen. 1773 erging eine Anweisung an alle Gouverneure, die es ihnen künftig untersagte, von den Kolonialparlamenten erlassene Naturalisationsgesetze zu genehmigen. Mit dieser Maßnahme verfolgte die Krone zwei Ziele. Zum einen sollte den Siedlern ihre politische Unterordnung unter das Mutterland demonstriert werden. Zum anderen beabsichtigte man in London, die territoriale Westexpan-

23 Vgl. Hoyt 1952. 24 Vgl. Hoyt 1952.

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sion der Festlandkolonien staatlich zu regulieren, die zunehmend Spannungen und gewaltsame Konflikte mit indigenen Gruppen verursachte.25 Anders als das von einem katholischen Missionierungsanspruch und Inkorporationswillen gegenüber den Indianern getragene spanische Kolonisationsmodell zeichnete sich die englische Form des Siedlerkolonialismus durch eine fortschreitende kriegerische Verdrängung der indigenen Bevölkerung aus dem Bereich des europäischen Herrschaftsbereichs aus.26 Es bedurfte daher auch keiner institutionalisierten Sondergerichtsbarkeit zur juristischen Regelung der europäisch-indigenen Beziehungen. Zwar wurde in Massachusetts bereits 1656 das Amt eines Commissioner for Indian Affairs eingerichtet. Außerdem urteilten in der Kolonie in den 1670er Jahren besondere Geschworenengerichte, denen jeweils sechs Weiße und sechs Indianer angehörten, Straffälle ab, die zwischen Siedlern und Algonkin-Indianern entstanden. Nach der für beide Seiten verlustreichen kriegerischen Konfrontation im King Philip‘s War (1675/76) wurden diese aber abgeschafft und wurde stattdessen ein System der unmittelbaren polizei­lichen und strafgerichtlichen Kontrolle der indigenen Bevölkerung durch die Kolonialregierung etabliert. Schon zuvor hatten die Siedler ein Gesetz erlassen, das Indianern und Schwarzen das Tragen von Waffen und die aktive Teilnahme am Milizdienst untersagte. Auf Beschluss des Kolonialparlaments von 1677 sollten fortan alle in der Kolonie beheimateten Indianer (mit Ausnahme der indianischen Kinder und Diener in den weißen Gemeinden) nur noch in vier Reservaten (plantations) leben. Auch die den indianischen Gemeinden 1658 noch gewährten gerichtlichen Selbstverwaltungsrechte – den Gemeinden war erlaubt worden, eigene indianische Friedensrichter zur Entscheidung niederer Straf- und Zivilverfahren zu bestimmen – wurden jetzt abgeschafft. An ihre Stelle traten 1694 besondere Beauftragte (commissioners), die zunächst vom Gouverneur und seinem Rat bzw. später vom Kolonialparlament ernannt wurden. Diese weißen Aufseher über die indigenen Gemeinschaften fungierten fortan unter anderem auch als deren Friedensrichter und übten in diesen nach Maßgabe englischer Gesetze und Rechtsgrundsätze die niedere Straf- und Zivilgerichtsbarkeit aus.27 Die meisten anderen englischen Kolonien auf dem nordamerikanischen Festland gingen allerdings bei der Unterwerfung der indianischen Bevölkerung unter das englische Recht und die kolonialen Gerichtsinstitutionen nicht so weit wie Massachusetts, wo im 18. Jh. nur noch wenige Indianer lebten. Zwar spielte im englischen Herrschaftsbereich die spanische Vorstellung einer parallel zur Gemeinschaft der Siedler existierenden „Republik der Indianer“ keine Rolle. Die englischen Kolonialregierungen erkannten aber den in ihrem Herrschaftsbereich befindlichen indigenen Gemeinschaften häufig insofern noch eine relative Souveränität zu, als sie deren Unterstellung unter das 25 Vgl. Hoyt 1952. 26 Vgl. Elliott 2006, S. 29–88. 27 Vgl. Kawashima 1986, S. 21–35.

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Kolonialrecht von expliziten vertraglichen Vereinbarungen abhängig machten.28 In den meisten Kolonien wurden zwar kriminelle Handlungen von Siedlern gegenüber Indianern durch das koloniale Strafrecht geahndet und waren auch für europäisch-indigene Zivilrechtsstreitigkeiten die Kolonialgerichte zuständig. Strafrechtliche Vergehen von Indianern gegen Siedler sollten aber von einem als „Sachem“, „King“ oder „Chief“ bezeichneten indianischen Oberhaupt eigenverantwortlich abgeurteilt werden. Hierbei galt dann das Prinzip der Kollektivverantwortung, d. h. von englischer Seite wurde nicht nur ein individueller Täter, sondern eine gesamte indigene Gruppe als verantwortlich und zu Kompensationsleistungen verpflichtet angesehen.29 Zugleich wurde vielfach implizit (und im Fall von Connecticut sogar explizit) die Eigenverantwortlichkeit der indigenen Gemeinschaften für die Verfolgung von zwischen Indianern begangenen Verbrechen nach Maßgabe indigenen Gewohnheitsrechts anerkannt.30 Da an der frontier allerdings vielfach Faustrecht, Selbstjustiz und Krieg herrschten, sollte die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes nicht überbewertet werden. Rechtlich wurde die Frage der Anerkennung der Souveränität der indigenen Gemeinschaften, die Gegenstand einer berühmten, zwischen 1705 und 1773 immer wieder verhandelten Landrechtsklage der Mohegan-Indianer gegen Connecticut war, nie eindeutig geklärt. Bei der gewaltsamen Enteignung und Verdrängung der Indianer wären klare recht­liche Vorgaben ohnehin nur hinderlich gewesen. Die kolonisierten indigenen Gemeinschaften, die meist als „befreundet“, „alliiert“, „tributpflichtig“, „unterworfen“ oder als unter dem „Schutz“ einer Kolonialregierung stehend, nicht aber als „englische Untertanen“ bezeichnet wurden, erhielten ebenso wenig einen effektiven Schutz ihres Eigentums wie politische Bürgerrechte im kolonialen Gemeinwesen. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass viele Kolonien diskriminierende Sondertatbestände und Strafgesetze verabschiedeten, die ausschließlich der Kontrolle und Unterdrückung von Indianern, Schwarzen, Sklaven und zum Teil der weißen indentured servants dienten. In Virginia, Maryland und North Carolina gehörten hierzu auch Eheschließungsverbote zwischen Europäern und Indianern. Freien und versklavten Schwarzen wurde innerhalb der kolonialen Rechtsordnung eine noch deutlicher diskriminierende Rechtsstellung zugewiesen. Die konkrete Ausgestaltung ihres Status unterschied sich jedoch wie im spanischen Kolonialreich von Region zu Region. Er war insbesondere davon abhängig, wie hoch der Anteil der Schwarzen an der Bevölkerung war und welche Rolle Sklavenarbeit in der lokalen Wirtschaft spielte.31 Die erhebliche Spannbreite der unterschiedlichen rechtlichen Artikulationsmöglichkeiten dieses Unterdrückungsverhältnisses zeigt sich, wenn man Massachusetts mit 28 29 30 31

Vgl. Walter 1996. Vgl. Walter 1996, S. 800; Calloway 1997, S. 115–133. Vgl. Walter 1996, S. 799–801. Vgl. Berlin 1999, S. 195–215.

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South Carolina vergleicht. Die exportorientierte südliche Kolonie South Carolina folgte dem plantagenwirtschaftlichen Entwicklungsmodell der benachbarten Westindischen Inseln und war ökonomisch von Reis- und Indigoplantagen geprägt, die von einem riesigen Heer aus Afrika und der Karibik eingeführter Sklaven bewirtschaftet wurden. Auch bei der rechtlichen Kodifikation der Sklaverei und der polizeilich-militärischen Kontrolle der nicht weißen Bevölkerung orientierten sich die Siedler in ­South Carolina stark an gesetzlichen Vorbildern aus Barbados, von wo ein erheblicher Teil der Pflanzerfamilien eingewandert war. Das erste größere Sklavengesetz der Kolonie aus dem Jahr 1690 umfasste lediglich 15 Artikel, die auf die Niederhaltung der indianischen und afrikanischen Sklaven zielten. Seine Bestimmungen reichten von drakonischen Körperstrafen für widerständiges Verhalten bis hin zu einem Bewaffnungsverbot und der Einführung von Passierscheinen für Sklaven. Außerdem erlaubte es, dass zwei Friedensrichter unter Beteiligung von drei weißen Grundbesitzern alle Arten von Strafprozessen gegen Sklaven durchführen und Strafen bis hin zu Verstümmelung und ­Exekution aussprechen durften. 1696 wurden diese Bestimmungen dann zu einem noch umfassenderen slave code erweitert, der zwischen 1701 und 1740 zu immer detailreicheren Versionen ausgebaut wurde, bis er schließlich 58 Artikel umfasste. Viele seiner Vorgaben, allen voran zu gerichtlichen Schnellverfahren, richteten sich nicht nur gegen Sklaven, sondern bezogen auch freie Schwarze und Indianer mit ein. Zudem sollten einige Vorschriften die Sklaven vor körperlicher Misshandlung und exzessiver Ausbeutung schützen, um Unruhen wie die Stono Rebellion 1739, der größte Sklavenaufstand in Nordamerika, zu verhindern. Rechtlich galten die Sklaven jedoch als bewegliches Eigentum ihrer Herren, weshalb sie keine eigene Rechtspersönlichkeit oder Eigentumsrechte besaßen. Sklaven hatten somit auch keinen Zugang zum regulären Gerichtswesen. Selbst die Ermordung oder Tötung von Sklaven durch Weiße wurde lediglich mit Geldstrafen geahndet.32 In der nördlich gelegenen Kolonie Massachusetts, die wirtschaftlich von kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Familienbetrieben und kaufmännischen Seehandelsaktivitäten geprägt war, spielte Sklavenarbeit nur eine marginale Rolle. Die wenigen Sklaven waren zu einem erheblichen Teil in der Hauptstadt konzentriert, lebten in enger sozialer und räumlicher Nähe zu ihren Herren im Haushalt ihrer Eigentümer und wurden meist als Diener und Knechte eingesetzt. Rechtlich wies Massachusetts den Sklaven einen widersprüchlichen Status zu: Sie waren bewegliches Eigentum ihrer Besitzer und eigenständige Rechtspersonen zugleich. Eigentum waren sie in dem Sinn, dass sie wie Waren gekauft, verkauft und vererbt wurden. Rechtspersonen blieben die Sklaven, weil sie bestimmte Rechte geltend machen konnten und ihre Tötung strafrechtlich nicht anders als die von Weißen gewertet wurde. In Neuengland blieben Sklaven Rechtssubjekte, die Verträge schließen, Eigentum erwerben und vor Gericht als Zeugen aussagen und sogar Weiße verklagen durften. Auch gesellschaftlich wurde 32 Vgl. Wood 1974, S. 271–285; Higginbotham 1978, S. 151–215.

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den Sklaven ein höherer Status als im Süden zugebilligt. Dies manifestierte sich etwa darin, dass sie in den Kirchengemeinden zu Taufe und Heirat zugelassen waren und am Gottesdienst teilnehmen konnten. Die kolonialen Sklavenhalter South Carolinas standen dagegen einer christlichen Bekehrung ihrer Sklaven feindlich gegenüber. Der Rechtsstatus der Sklaven in Massachusetts ähnelte in mancherlei Hinsicht dem weißer indentured servants. In Neuengland trugen räumliche Nähe, die besondere Form der Sklavenarbeit sowie die puritanische Kultur zur sozialen Integration der Sklaven in den Haushalt ihrer Herren und die Gesellschaft als Ganzes bei. William D. Piersen hat diesen Typus der Sklaverei daher treffend als „Familiensklaverei“ bezeichnet.33 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Sklaven, freie Schwarze und Indianer auch in Massachusetts diskriminierenden Kontrollregelungen, Verboten und Sonderstrafgesetzen unterworfen waren. Ein anti-miscegenation-law stellte sowohl den nicht ehelichen Geschlechtsverkehr als auch die Eheschließung von Weißen und Schwarzen unter Strafe. (Bemerkenswerterweise hob sich ausgerechnet South Carolina mit seiner schwarzen Bevölkerungsmehrheit, wo sich insbesondere in Charleston weiße Männer in aller Öffentlichkeit zu ihren schwarzen Geliebten bekannten, durch seine liberale Regelung dieser Frage von den anderen Kolonien ab.) Weitere, zum Teil nur auf Boston bezogene Regelungen sahen unter anderem nächtliche Ausgangssperren für Sklaven, härtere Strafen bei Straftaten, ein Bewaffnungs- und Versammlungsverbot sowie Beschränkungen ihrer Tätigkeit im Kleinhandel vor. Die Institution der Sklaverei und die Sondergesetze zu ihrer Absicherung gründeten sich in Neuengland ebenso wie in South Carolina auf eine rassistsiche Denkweise gegenüber Nichtweißen. Diese darf aber genauso wenig wie das pigmentokratische Klassifikationsregime in den spanischen Kolonien anachronistisch mit dem modernen wissenschaftlichen rassenbiologischen Diskurs des 19. Jhs. gleichgesetzt werden. Der Begriff der Rasse sollte vielmehr im Sinne der Racial-Formation-Theorie von Michael Omi und Howard Winant als eine variable und zeitlichem Wandel unterworfene soziale Formation verstanden werden, die durch soziale, ökonomische, politische und kulturelle Kräfte beständig in immer neuen Formen hervorgebracht wird.34 Demnach dient die Kategorie ‚Rasse‘ zwar stets der Privilegierung und Diskriminierung bestimmter Gruppen, aber der konkrete Inhalt dieser sozialen Konstruktion ist nie essenzialistisch fixiert, sondern muss jeweils innerhalb spezifischer historischer Konstellationen interpretiert und kontextualisiert werden. Im puritanischen Neuengland verdichteten sich schon im 17. Jh. ein ausgeprägtes christliches Sendungsbewusstsein, der europäische Teufelsglaube, ein kulturalistischer englischer Ethnozentrismus und stereotype Vorstellungen über den Zusammenhang von somatischen Merkmalen wie der Hautfarbe mit denen einer zugeschriebenen kulturellen Inferiorität der „Wilden“ zu einem abwertenden rassisti33 Vgl. Piersen 1988, S. 25f. 34 Vgl. Omi u. a. 1994, S. 53–76.

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schen Diskurs (Heidentum, barbarische Grausamkeit, Sitten- und Kulturlosigkeit). Auf dieser Basis wurden schließlich unüberwindliche soziale und rechtliche Schranken zwischen den weißen, christlichen Europäern auf der einen und den vermeintlich heidnischen dunkelhäutigen Afrikanern und Indianern auf der anderen Seite konstruiert, die die Sklaverei zu einer rassisch exklusiv definierten und lebenslangen Form der Knechtschaft machten. Es ist allerdings auffällig, dass ungeachtet der teilweise drakonischen Strafgesetze gegen Indianer und Schwarze die rechtliche Regulierung der Sklaverei in Massachusetts einen deutlich weniger systematischen Charakter aufwies als in South Carolina. Hieran lässt sich erkennen, dass die Anwesenheit von nicht weißen Sklaven zwar auch in Massachusetts innerhalb der weißen Bevölkerung erhebliche Ängste freisetzte, auf die situativ mit gesetzlichen Maßnahmen reagiert wurde. Anders aber als in den wirtschaftlich auf Sklavenarbeit basierenden südlichen Kolonien musste der koloniale Staat im Norden dank der marginalen wirtschaftlichen Rolle und der vergleichsweise geringen Zahl der Sklaven nicht die Rolle eines ideellen Gesamtsklavenhalters einnehmen, dem die Aufgabe der Sicherung der Reproduktionsbedingungen der Sklaverei als Gesamtsystem zufiel. Vielmehr konnte er sich in dieser Hinsicht auf punktuelle Maßnahmen beschränken.

3. Die moder nen Koloni alr egime 3.1 Fr ankr eich Anders als es oft nahegelegt worden ist, machte der von der aufklärerischen Leitidee eines zivilisatorischen Missionierungsprogramms getragene vermeintlich assimilatorische Kolonialismus des postrevolutionär-bürgerlichen Frankreichs im 19. und 20. Jh. seine Kolonialuntertanen nicht zu vollberechtigten französischen Bürgern.35 Vielmehr führte Frankreich ebenso wie die anderen europäischen Kolonialmächte eine Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen im Sinne von bloßen Kolonialuntertanen und vollberechtigten Staatsbürgern ein. Dies ist insofern bemerkenswert, als in Frankreich während der Revolution nicht nur die politischen Bürger- und universalen Menschenrechte proklamiert worden waren, sondern auch schon seit der Zeit des Ancien Régime im Staatsbürgerschaftsrecht das inklusiv wirkende Territorialprinzip des ius soli galt, das allen auf französischem Boden geborenen Personen die französische Staatsangehörigkeit übertrug. Mit der Französischen Revolution wurde dieses Prinzip um die staatsbürgerliche Gleichberechtigung von Juden und Protestanten ergänzt und im Code civil prinzipiell fortgeschrieben. Der assimilatorische Anspruch im Staatsbürgerschaftsrecht beschränkte sich jedoch auf die Metropole. Im kolonialen Raum setzte Frankreich von 35 Betts 2005. Zum französischen Kolonialismus grundlegend vgl. Hanotaux u.  a. 1929–1934; Girardet 1972; Meyer u. a. 1991; Bouche u. a. 1991.

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Anfang an auf eine rechtliche Segmentierung der Bevölkerung in Kolonisatoren und Kolonisierte.36 Diese Entwicklung hatte auch der Sklavenaufstand auf Haiti von 1791 letztlich nicht aufhalten können, der die Insel während der Französischen Revolution erfasste und die Chance bot, das Emanzipationsversprechen der Menschenrechte tatsächlich universal zu verwirklichen. Zwar beschloss die französische Nationalversammlung 1794 unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Haiti, die Sklaverei in allen französischen Kolonien abzuschaffen, aber schon acht Jahre später versuchte Napoleon, sie auf der Insel gewaltsam wieder einzuführen, was schließlich mit der Loslösung Haitis von Frankreich endete. Auch nach der endgültigen Abschaffung der Sklaverei im französischen Kolonialreich 1848 kam es nicht zu einer staatsbürgerlichen und rechtlichen Gleichstellung der Kolonialuntertanen mit den metropolitanen Franzosen. Von zentraler Bedeutung hierbei war der sog. Code de l’indigénat. Bei diesem Gesetz handelte es sich um ein erst 1946 endgültig abgeschafftes diskriminierendes Sonderrecht für Kolonialuntertanen, das Kritiker schon im 19. Jh. als „juristisches Monstrum“ und „Knüppelcode“ bezeichneten.37 Der Begriff des Indigenen (indigène) oder „Eingeborenen“ als besondere rechtliche Kategorie zur Bezeichnung der minderberechtigten autochthonen Kolonialbevölkerung hatte seinen Ursprung in der Eroberung Algeriens, der ersten modernen kolonialen Neuerwerbung Frankreichs, in den 1830er Jahren. Die Indigenen wurden durch die Unterwerfung ihres Landes keine französischen Bürger. Konkret bedeutete dies, dass in Algerien die einheimischen Muslime, Juden und anderen nicht christ­lichen Bevölkerungsteile als französische Untertanen ohne staatsbürgerliche Rechte galten, für die weiterhin die durch ihre Religion vorgegebene Rechts- und Gerichtsordnung verbindlich blieb. Die französische Kolonialadministration betrieb in Algerien eine aktive Besiedlungspolitik, enteignete zugunsten französischer Siedler das traditionelle Gemeineigentum an Land und verdrängte die einheimischen Bauern in weniger fruchtbare Gebiete. Zwischen 1825 und 1847 ließen sich 50.000 Siedler in Algerien nieder, während die einheimische Bevölkerung zwischen 1830 und 1872 durch Gewalt und Epidemien um fast ein Drittel dezimiert wurde. Im Zuge der militärischen Niederschlagung des einheimischen Widerstands etablierte Frankreich in Algerien nach 1845 ein Verwaltungssystem, welches den rein von Kolonisten bewohnten Siedlungen in den „befriedeten“ sog. „zivilen Territorien“ demokratische Selbstverwaltungsrechte auf kommunaler Ebene einräumte.38 Die einheimischen Gemeinschaften an der Peripherie des französischen Herrschaftsbereichs galten dagegen als „militärische Territorien“ , die weiterhin Kriegs36 Vgl. Le Cour Grandmaison 2009, S. 210f. 37 Vgl. Le Cour Grandmaison 2010, hier zitiert nach der textidentischen online-Ausgabe auf der Verlagswebsite von Editions Zones, URL: http://www.editions-zones.fr/spip.php?page=lyberplayer&id_ article=113 (18.07.2011); Merle 2006; Verdès-Leroux 2009, S. 466–471. 38 Vgl. Verdès-Leroux 2009, S. 214f.; Bouche 1991, S. 110f.

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recht unterlagen. In den „gemischten“, von Siedlern und Einheimischen gemeinsam bewohnten Kommunen, die sich sowohl in militärischen als auch in zivilen Territorien befinden konnten, lag die Verwaltung zur Festigung der französischen Herrschaft in den Händen eines militärischen oder zivilen Verwaltungschefs und eines Gemeindebeirats. Diesem gehörten neben französischen Zivilbeamten und/oder Militärs und gewählten Vertretern der französischen Siedler meist auch einige wenige ernannte einheimische Repräsentanten der muslimischen Mehrheitsbevölkerung an. 1848 wurden in den zivilen Territorien außerdem nach französischem Verwaltungsvorbild drei départements gebildet, die von den Kolonisten gewählte Abgeordnete als Interessenvertreter in die französische Nationalversammlung entsenden durften. Ein Senatsdekret von 1865 eröffnete jüdischen und muslimischen „Eingeborenen“ zwar theoretisch die Möglichkeit, im Militär oder der Marine zu dienen, zivile Ämter zu bekleiden sowie die französische Staatsbürgerschaft zu beantragen. In den folgenden fünf Jahren erhielten jedoch (nicht zuletzt wegen des Widerstands der zuständigen Verwaltungsbeamten, aber auch, weil die Einbürgerung die Unterstellung unter das französische Personenstandsrecht bedeutet hätte) weniger als 200 Muslime und nur 152 Juden die französische Staatsbürgerschaft.39 (Im gesamten Zeitraum zwischen 1865 und 1962 beantragten weniger als 7000 muslimische Algerier die französische Staatsbürgerschaft.) Zwar verlieh das 1870 erlassene Crémieux-Dekret schließlich allen Juden und Ausländern, die in einem der drei algerischen départements lebten, die französischen Bürgerrechte. Es sparte aber die muslimische Bevölkerungsmehrheit weiterhin aus.40 Seit 1903 galt zudem der rassistische Grundsatz, dass ungeachtet der tatsächlichen individuellen religiösen Praxis jede Person als Muslime galt, die von muslimischen Eltern abstammte.41 Der 1875 erstmals verabschiedete und 1881 ergänzte Code de l’indigénat unterwarf die algerischen Kolonialuntertanen einem systematisch ausformulierten diskriminierenden Rechts- und Strafregime. Seine Umsetzung oblag französischen Verwaltungsbeamten, die in der Kolonie ohne Rücksicht auf das Prinzip der Gewaltenteilung zugleich als Richter fungierten. Der Code etablierte für die einheimische Bevölkerung eine Vielzahl besonderer Straftatbestände, zu denen respektloses Verhalten gegenüber Europäern, die Beleidigung von Autoritätspersonen, unerlaubte Versammlungen und das nicht genehmigte Verlassen des Wohnortes gehörten. Zwar wurde der muslimischen Bevölkerung ein begrenztes Recht zur Wahl eigener lokaler Repräsentanten zugestanden. Dies änderte indessen nichts daran, dass Grundstücke von Einheimischen jederzeit konfisziert und ‚Eingeborene‘ kollektiv mit Geldstrafen und Internierung bestraft werden konnten.42 39 Vgl. Bouche 1991, S. 114; Manceron 2003, S. 143. 40 Im Oktober 1940 wurde das Cremieux-Dekret von der Vichy-Regierung im Zuge seiner antisemitischen Maßnahmen aufgehoben, sodass alle algerischen Juden ihre staatsbürgerlichen Rechte verloren. Vgl. Le Cour Grandmaison 2010. 41 Vgl. Weil 2003, S. 7; Le Cour Grandmaison 2005, S. 247–275. 42 Weil 2002, S. 233–235.

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Nach 1881 wurde das diskriminierende Zweiklassenrecht des Code de l'indigénat schrittweise auf alle französischen Kolonien in Afrika, Asien und Südamerika übertragen.43 Allein in Afrika waren ihm schließlich 50 Millionen Menschen unterworfen, die einer verschwindend kleinen Gruppe rechtlich privilegierter französischer Staatsbürger gegenüberstanden. Im Bereich des Strafrechts bedeutete dies, dass die lokalen Kreiskommandanten (commandants de cercle), bei Bedarf aber auch andere weiße Männer, ‚Eingeborene‘ in willkürlichen Schnellverfahren für zunächst 34 und später zwölf Strafvergehen aburteilen konnten. Die offiziell vorgesehenen Strafen reichten von Geldzahlungen über maximal 15-tägige Haftstrafen bis hin zur sofortigen Exekution.44 Zwar sah das Gesetz vor, dass der Gouverneur die Bestrafungen genehmigen musste. In der Praxis geschah dies jedoch in der Regel erst, wenn sie bereits vollzogen waren. In Französisch-Äquatorialafrika sollen so allein 1908/09 1500 Verletzungen des Code abgeurteilt worden sein.45 Auch Körperstrafen, obwohl offiziell verboten, wurden regelmäßig verhängt. Zudem stellte der Code de l’indigénat ein Instrument der wirtschaftlichen Auspressung der Kolonialuntertanen dar. In Afrika sanktionierte er Zwangsdienste für öffentliche Arbeiten und militärische Aufgaben sowie die Erhebung von Sondersteuern. Zwangsarbeit musste von der afrikanischen Bevölkerung und „eingeborenen“ Strafgefangenen außerdem nicht selten für private Minengesellschaften, Plantagenunternehmer und von den Franzosen anerkannte und als Hilfsbeamte eingesetzte indigene Herrscher geleistet werden.46 Auch das in den französischen Kolonien in Afrika etablierte Gerichtswesen unterschied zwischen ‚Eingeborenen‘ und Europäern. Als ‚eingeborene Gewohnheitsgerichtsbarkeit‘ bezeichnete die französische Kolonialverwaltung islamische Schariagerichte und die von lokalen afrikanischen Oberhäuptern im Einverständnis mit der Kolonialadministration auf der Basis meist nicht schriftlich niedergelegter Rechtsgewohnheiten ausgeübte Gerichtsbarkeit. Zivilrechtsfälle, die von der Kolonialverwaltung an sich gezogen oder an sie herangetragen wurden, wurden in erstinstanzlichen tribunaux du premier degré entschieden. Diese bestanden aus einem örtlichen französischen Kolonialbeamten als Richter und zwei beratenden lokalen afrikanischen Würdenträgern (assesseurs indigènes). Sie entschieden nach Maßgabe lokaler Gewohnheiten und vermeintlich „eingeborener“ Traditionen, die stets im Sinne der Kolonialmacht interpretiert oder erfunden wurden. Zugleich waren diese Gerichte auch für die Durchführung von Strafverfahren zuständig. Als einzige zivile und strafrechtliche Berufungsinstanz sowie als erste Gerichtsinstanz für schwere Straftaten fungierte das tribunal du deuxième 43 Der Code de l’indigénat galt theoretisch in allen Kolonien und den Mandatsgebieten Togo und Kamerun. Seine Bestimmungen wurden allerdings in den ‚alten‘ Kolonien, die noch aus der Zeit des ersten französischen Kolonialreichs stammten, d. h. auf den Antillen, in Französisch-Guayana, auf Réunion und in den sogenannten „vier Gemeinden“ von Senegal, nicht umgesetzt. 44 Vgl. Crowder 1978, S. 141–143; Suret-Canale 1969, S. 111–113, 424–432. 45 Vgl. Martin 1995, S. 83–87. 46 Vgl. Le Vine 2004, S. 48–51.

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degré, in welchem der örtliche commandant du cercle (ebenfalls unter Heranziehung beratender afrikanischer Beisitzer) Recht sprach. Auf Gewaltenteilung zwischen Gerichtswesen und Exekutive wurde bewusst verzichtet. Zugang zu der Europäergerichtsbarkeit erhielten lediglich einige herausgehobene einheimische Sondergruppen. Hierzu zählten als assimiliert angesehene Afrikaner (évolué) und die Einwohner der sog. „vier Gemeinden“ von Senegal (Saint-Louis, Dakar, Gorée und Rufisque), denen schon 1848 die französischen Bürgerrechte gewährt worden waren.47

3.2 Grossbr itannien Auch Großbritannien etablierte in seinem modernen Kolonialreich überall dort, wo eine kleine Schicht von Kolonisatoren einer Mehrheit von kolonisierten Subjekten gegenüberstand, eine duale Gerichts- und Rechtsordnung. Dass Großbritannien hierbei ebenfalls auf die funktionale Integration indigener Institutionen, lokaler Machthaber und lokaler Rechtsordnungen in das System kolonialer Herrschaft setzte, ist als Methode der indirect rule bezeichnet und häufig als besonderes Merkmal des britischen Kolonialismus angesehen worden (so etwa in Lord Frederick Lugards berühmter Abhandlung von 1922: The Dual Mandate in British Tropical Africa). Wie die Betrachtung des französischen Falls gezeigt hat, ist es allerdings fragwürdig, eine französische Methode der direct rule, angeblich basierend auf der Vorstellung eines universalen und unteilbaren bürgerlich-revolutionären Zivilisationskonzepts, einer britischen Methode der indirect rule schematisch gegenüberzustellen. Alle Kolonialmächte bedienten sich bei Bedarf Methoden direkter und indirekter Herrschaft. Eine vollständige direkte herrschaftliche Durchdringung aller kolonialen Territorien wäre allein schon mangels Ressourcen nicht möglich gewesen. Michael Crowder hat allerdings in einer Kontroverse mit Hubert Deschamps (bezogen auf die indirekten französischen und britischen Herrschaftstechniken in Westafrika) behauptet, dass die französischen Kolonialadministratoren stärker als die britischen in die lokalen Herrschaftsverhältnisse eingriffen und die lokalen Machthaber zu bloßen Agenten der Kolonialmacht degradierten.48 Nach Andreas Eckert ist es zumindest plausibel, anzunehmen, dass unterschiedliche nationale Verwaltungskonzeptionen die Mentalität der jeweiligen Kolonialadministratoren prägten und bei der Beurteilung afrikanischer Herrschaftsverhältnisse und deren Nutzen für die lokale Kolonialpolitik eine Rolle spielten. Demnach bevorzugten sie jene Elemente, die ihren eigenen Traditionen nahestanden. Im britischen Fall könnte dies, so Eckert, dazu geführt haben, dass die Kolonialbeamten insbesondere hierarchisch-aristokratische afrikanische Herrschaftsstrukturen bevorzugten.49 47 Vgl. Suret-Canale 1969, S. 230–233; Manning 1998, S. 59f. 48 Vgl. Crowder 1978, S. 198–208. 49 Vgl. Eckert 2007, S. 41f.

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Ihren Anfang nahm die moderne Form der britischen Kolonialherrschaft nicht in Afrika, sondern in Indien.50 Dort konnten im Zuge militärischer Eroberungen die Residenten der Kolonialgesellschaft British East India Company nach 1757 schrittweise die britische Oberherrschaft über lokale Fürsten und deren Territorium errichten. Die Phase der Company Rule endete erst mit dem indischen Aufstand von 1857, welcher die Auflösung der East India Company und die politische Reorganisation Indiens zur Folge hatte. Diese als British Raj bezeichnete Periode, in der Indien unter die unmittelbare Herrschaft der britischen Krone geriet, dauerte von 1858 bis zur Unabhängigkeit 1947.51 In der Ära der Company Rule regierte dagegen die zwar von britischer Regierung und britischem Parlament kontrollierte, aber private East India Company unter Einbeziehung lokaler Herrschaftsstrukturen und indischer Hilfsstreitkräfte den Subkontinent. Die bisherigen Gouverneure der Handelsniederlassungen der East India Company verwandelten sich so in Provinzgouverneure, die wichtige Verwaltungsaufgaben wie das Eintreiben von Steuern von indischen Aristokraten erledigen ließen. Zum Teil hatten diese, wie zum Beispiel die bengalischen zamindari, die Aufgabe der Steuererhebung zusammen mit polizeilichen und gerichtlichen Funktionen schon unter den Mogulherrschern verrichtet. Seit dem Ende des 18. Jhs. unternahm die East India Company verstärkt Anstrengungen, die zunehmend als rückständig angesehenen traditionellen indischen Gesellschaftsstrukturen nach dem Vorbild englischer Eigentumskonzepte und westlich-wissenschaftlicher Rationalitätsprinzipien umzugestalten.52 Die indische Bevölkerung wurde von den Briten seit den ersten Kontakten im 17. Jh. als ‚Eingeborene‘ (natives) bezeichnet. Als Kalkutta, das Zentrum der britischen Macht in Indien, 1773 zu britischem Territorium erklärt wurde, erhielten die dortigen Einwohner im Gegensatz zu allen übrigen Indern den Status von britischen Untertanen. Aber erst mit der Unterstellung Indiens unter die unmittelbare Herrschaft der Krone erlangten dann alle indischen Einwohner Britisch-Indiens den Status britischer Untertanen. Ihre vorherige rechtliche Stellung muss als eine Art britische Protektoratsangehörigkeit angesehen werden.53 Ein britisches Einbürgerungsgesetz für Indien erlaubte 1852 die Naturalisation von Ausländern in der Kolonie. Ihre Wirkung beschränkte sich allerdings gemäß der bereits an anderer Stelle diskutierten kolonialen Anwendung der Staatsangehörigkeit im britischen Empire lediglich auf Britisch-Indien, wo eine Einbürgerung keine nennenswerten politischen Rechte mit sich brachte.54

50 Zum zweiten britischen Empire allgemein vgl. Harlow 1952/64; Albertini 1985, S. 15–24; James 1994; Lloyd 1996; Marshall 2001, Bde. 3 und 4; Cain u. a. 2001; Wende 2008; Hyam 2010. 51 Vgl. Johnson 1988–2004, Bde. 2.1–2.5 und 3.1–4.3; James 2001. 52 Vgl. Stokes 1959; Iyer 1960; Metcalf 1994; Mehta 1999; Schultz u. a. 2005; Major 2010. 53 Vgl. Sinah 1962, S. 71–76. 54 Vgl. Gammerl 2010, S. 130–132.

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Überdies bedeutete die Ausdehnung des britischen Untertanenstatus auf ganz BritischIndien keinesfalls die Einführung einer allgemeinen Rechtsgleichheit. Zwar hatte schon die East India Company die Kontrolle über das Gerichtswesen in ihrem Einflussbereich an sich gezogen und 1773 einen obersten Gerichtshof in Kalkutta etabliert. Dies führte jedoch nicht zur Einführung eines einheitlichen und gemeinsamen Rechtssystems für Einheimische und Europäer.55 Vielmehr entwickelte sich ein von Rechtspluralismus gekennzeichnetes, die soziale Ungleichheit des Kastenwesens perpetuierendes und den Gegensatz von Europäern und Indern dichotomisch verfestigendes Rechtssystem, wie es für die meisten modernen europäischen Kolonialregime charakteristisch werden sollte. Der Gerichtsstand der indischen Bevölkerung richtete sich hierbei nach ihrer Religionszugehörigkeit, und die Verfahren wurden auf Basis „gewohnheitsrechtlicher“ muslimischer und hinduistischer Rechtsgrundsätze geführt. Auch ein 1861 verabschiedeter Strafrechtscode (Code of Criminal Procedure), welcher auf den ersten Blick von der liberalen Reformidee getragen war, die indische Bevölkerung der weißen strafrechtlich gleichzustellen, schrieb letztlich die rassisch konnotierte Ungleichheit im kolonialen Rechtssystem fort. Er sah etwa vor, dass gegen Europäer nur vor Geschworenenjurys mit mehrheitlich europäischer Beteiligung prozessiert werden durfte. Während Inder in lokalen Gerichtsverfahren abgeurteilt wurden, waren Strafverfahren vor den höheren Presidency Courts Europäern vorbehalten. Auch die Strafen für Inder unterschieden sich von denen für Europäer.56 Mit dem Code of Criminal Procedure wurde damit analog zum kulturalistisch-ethnisch differenzierten Zivilrecht auch im Strafrecht ein diskriminierender Dualismus beibehalten. Zudem sanktionierte der britische Kolonialstaat über das System der indentured labor und das koloniale Arbeitsrecht die Willkür und Gewaltanwendung von weißen Plantagenbesitzern gegenüber indischen Arbeitskräften. Die Grundstruktur einer rechtlichen Ungleichbehandlung zwischen Europäern und ‚Eingeborenen‘ auf Basis der Fixierung eines rechtlichen Pluralismus entlang zugeschriebener religiöser und ethnischer Identitäten prägte auch das Gerichtswesen in den britischen Kolonien in Afrika. Im Falle des britischen Protektorats in Ostafrika stand hierbei sogar das indische Vorbild unmittelbar Pate.57 Allerdings versuchte der britische Kolonialstaat in Afrika meist weit weniger stark als im indischen Fall, die indigenen Rechtsverhältnisse unmittelbar durch staatliche Gesetze zu normieren und zu reformieren.58 Auffällig ist, dass sich die englischen, französischen und deutschen Kolonialregime in Afrika hinsichtlich der diskriminierenden Unterscheidung von Europäern und Indigenen im Gerichtswesen ähnelten. Konstruiert wurde dieser Dualismus meist mittels einer herr55 Vgl. Jain 1976, S. 297–307. 56 Vgl. Kolsky 2010, S. 69–107. 57 Vgl. Mungeam 1996, S. 55–59; Gregory 1971, S. 46–95. Zur kolonialen Staatsbürgerschaft in den hier aus Platzgründen nicht behandelten besonderen Fällen Südafrika und Australien vgl. Chesterman u. a. 1997; Hamilton u. a. 2011. 58 Vgl. Benton 1999, S. 563–588; Fischer-Tiné 2009, S. 241–264; Waligora 2004.

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schaftsfunktionalen Integration von wirklichen oder erfundenen gewohnheitsrechtlichen Gerichtsstrukturen der Einheimischen. Mahmood Mamdami hat in einer wegweisenden Studie die Kooptation und Inkorporation indigener Institutionen als das hervorstechende Merkmal kolonialer Staatlichkeit in Afrika beschrieben. An der Einbindung autochthoner Gerichtsträger in die Kolonialherrschaft, die eine wesentliche Voraussetzung für die Gabelung oder Zweiteilung des kolonialen Rechtswesens war, lässt sich dies besonders deutlich zeigen.59 Auch das koloniale Gerichtswesen in den britisch beherrschten Teilen Afrikas war von einer auf diesem Weg hergestellten Differenzierung zwischen Europäern und Afrikanern geprägt. Sie basierte sowohl auf der Verwischung exekutiver und judikativer Funktionen als auch auf der Integration der von der Kolonialmacht autorisierten, umgestalteten, gegliederten und inhaltlich wie formell kontrollierten gewohnheitsrechtlichen Gerichtsbarkeit der Einheimischen in den kolonialen Herrschaftsapparat.60 Im britischen Fall war der für den Kolonialismus allgemein typische Dualismus, die Rechtsangelegenheiten von Europäern anders zu behandeln als die von Kolonialuntertanen, allerdings manchmal weniger offensichtlich als in anderen Kolonialreichen. 1912 legte etwa der deutsche Jurist, Kolonialbeamte und spätere Nationalsozialist Rudolf W. Asmis in einem in England veröffentlichten Bericht über die Rechtsverhältnisse in Nigeria sichtlich verblüfft dar, dass die Einheimischen dort theoretisch als gleichberechtigte britische Untertanen galten. (Dies galt allerdings nur für die Einwohner der rechtlich besonders behandelten Stadt Lagos.) Aus der Sicht von Asmis stellte diese vermeintliche Rechtsgleichheit eine bemerkenswerte Besonderheit des britischen Kolonialismus dar: „All the inhabitants of a colony are British subjects, without distinction as to race, and as such they enjoy fully and equally the benefits of British legal protection, provided that no special enactments interfere.“61 Asmis wunderte sich insbesondere darüber, dass die harschen, das Strafrecht und Körperstrafen betreffenden Kolonialgesetze theoretisch auch für Europäer galten und ‚Eingeborene‘ sogar als Geschworene in Verfahren gegen Europäer zugelassen waren. Tatsächlich führten aber auch in Nigeria der weite Ermessensspielraum der als Richter fungierenden Kolonialbeamten und die koloniale Adaption einer separaten ‚Eingeborenengerichtsbarkeit‘ auf lokaler, vermeintlich gewohnheitsrechtlicher Grundlage zu einer diskriminierenden rechtlichen Unterscheidung zwischen Europäern und Einheimischen.62 Die Rechtsprechung über die ‚Eingeborenen‘ an den native und an den diesen übergeordneten provincial courts (Letztere konnten bei Bedarf auch englisches Recht zur Anwendung bringen) übten offiziell anerkannte einheimische Autoritäten bzw. britische Kolonialbeamte ohne Hinzuziehung von Anwälten aus. Ein Mitglied der britischen Kolonialverwaltung in Nigeria brachte die Einstellung, die die Kolonialadminis­tration 59 60 61 62

Vgl. Mamdani 1996, S. 15f., 109–137. Vgl. Adewoye 1977, S. 42–44, 63–80, 137–140. Vgl. Asmis 1912/13, S. 17–51, 136–164, insbes. S. 28, 37; Lindner 2011. Vgl. Mamdani 1996, S. 111–114.

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bei der Organisation des kolonialen Justizwesens zumindest bis in die 1930er Jahre leitete, prägnant auf den Punkt: „This country needs justice and not law, and justice must be administered on the spot and as promptly as possible.“63 In der Praxis blieb unter dem britischen Kolonialregime von dem hehren Prinzip staatsbürgerlicher Gleichheit genauso wenig übrig wie unter dem französischen oder deutschen. Die Grundstruktur einer diskriminierenden bipolaren kolonialen Rechtsordnung und der Ausschluss der kolonialen Untertanen aus der Rechtsgemeinschaft der Staatsbürger war für den modernen Kolonialismus insgesamt kennzeichnend. In den deutschen Kolonien entwickelte der dem kolonialen System inhärente Rassismus allerdings vor dem Ersten Weltkrieg in Form von ‚Mischehen‘-Verboten und Diskussionen über eine konsequentere recht­liche Umsetzung rassenideologischer Vorstellungen bei der Definition des Eingeborenenbegriffs besonders extreme Ausprägungen.64

3.3 Deutsches R eich Nach der Errichtung der ersten deutschen Kolonien in den Jahren 1884 und 1885 in Afrika besaßen weder die mit kolonialen Fragen betrauten Beamten des Auswärtigen Amtes noch die deutsche Rechtswissenschaft eine klare Vorstellung davon, in welchem rechtlichen Verhältnis die kolonialen Gebiete und seine Bewohner künftig zum Deutschen Kaiserreich stehen sollten.65 Vielmehr hafteten dieser überseeischen ‚zweiten Reichsgründung‘, die hastig in einer günstigen außenpolitischen Situation vorangetrieben wurde, starke Züge von Improvisation und Torschlusspanik an. Grundlegend für die Regulierung der kolonialen Rechtsordnung war das Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete von 1886, das nach mehreren Änderungen ab 1900 als „Schutzgebietsgesetz“ bezeichnet wurde. Dieses koloniale Grundgesetz regelte die Rechtsverhältnisse und das Gerichtswesen in den deutschen Kolonien und legte zum Missfallen der meisten Reichstagsabgeordneten die Gesetzgebungsgewalt über die deutschen Kolonien in die Hände des Kaisers (bzw. später auch des Reichskanzlers und durch ihn ermächtigter Beamter). Die kaiserliche Gesetzgebungsgewalt für die Kolonien wurde so interpretiert, dass sie die Befugnis einschloss, die Rechtsverhältnisse der „Eingeborenen“ bei Bedarf auch abweichend von deutschem (und einheimischem) Recht nach eigenem Gutdünken zu regeln. Zwar ist durch kaiserliche Verordnungen nie eine umfassende und einheitliche Sondergesetzgebung für die Eingeborenen erlassen worden, gleichwohl konnten so aber einzelne, für die Kolonialherrschaft wichtige 63 Vgl. Adewoye 1977, S. 137. 64 Für weiterführende Literatur vgl. Kundrus 2003, S. 220f.; Dietrich 2009, S. 230; Hyam 1990; Stoler 1992. 65 Zur deutschen Kolonialpolitik allgemein vgl. Wehler 1969; Smith 1978; Stoecker 1991(zuerst 1977 in zwei Bänden); Gründer 2004; Laak 2005; Speitkamp 2005; Conrad 2008a; Conrad 2008b; Pogge von Strandmann 2009.

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Rechtsbereiche, insbesondere das koloniale Straf- und Arbeitsrecht, den disziplinarischen Bedürfnissen der deutschen Kolonialmacht angepasst werden.66 Bei der Frage der Regelung der Rechtsverhältnisse in den Kolonien griff das Gesetz auf das in anderen Zusammenhängen seit Langem gebräuchliche Instrument der Konsulargerichtsbarkeit zurück. Bei der Konsulargerichtsbarkeit handelte es sich ursprünglich um ein Mittel, mit dem sich europäische Staaten gegenüber weniger mächtigen Staaten das gewichtige Privileg einer eigenen Rechtsprechung auf fremdem Territorium sicherten. In ihrer modernen Form stellte sie ein Instrument zur Durchbrechung des Prinzips der territorialen Begrenzung von Staatsgewalt dar und wurde von den europäischen Großmächten eingesetzt, um auch im Ausland staatliche Hoheitsrechte über ihre Staatsangehörigen und diesen gleichgestellte Personen ausüben zu können. Die Exemtion von Angehörigen europäischer Staaten von der Gerichtsbarkeit des Aufenthaltsstaates und ihre Unterstellung unter die Jurisdiktion des Konsuls war die weitreichendste Befugnis, die den Konsuln eingeräumt wurde, deren primäre Funktion die Vertretung der Handelsund Wirtschaftsinteressen ihres Entsendestaates war. Das Schutzgebietsgesetz verwandelte die Konsulargerichtsbarkeit in einen Bestandteil direkter kolonialer Herrschaftsausübung. Es bestimmte, dass in den Kolonien für deutsche Staatsangehörige und deutsche Schutzgenossen (gemeint waren damit Angehörige westlicher bzw. völkerrechtlich anerkannter Staaten) deutsches Recht galt, das von kolonialen Konsulargerichten zur Anwendung gebracht werden sollte. Für die Masse der kolonisierten einheimischen Bevölkerung galt dagegen weiterhin das von den einheimischen Gerichten angewendete autochthone ‚Gewohnheitsrecht‘. Mit der Übertragung der nur leicht abgewandelten Konsulargerichtsbarkeit auf die Kolonien wurde dort also ein originäres Sondergesetz in Kraft gesetzt. Reichsangehörige in den Kolonien wurden damit so behandelt, als ob sie sich im Ausland befänden. (Tatsächlich war unter zeitgenössischen Juristen die heute reichlich skurril anmutende Frage umstritten, ob die Kolonien rechtlich als Inland oder Ausland anzusehen waren.) Der Hintergrund dieser Vorgehensweise war zunächst rein pragmatisch motiviert. Denn diese Lösung konnte auch ohne die Existenz einer kolonialen Bürokratie schnell umgesetzt werden und verursachte keine hohen Kosten. Der Rückgriff auf die Konsulargerichtsbarkeit erscheint aus heutiger Sicht allerdings zugleich wie eine ironische Illustration von Frantz Fanons Bemerkung, dass „trotz der Besitzergreifung der Kolonialherr [in den Kolonien] immer Ausländer“ bleibt.67 Im Ergebnis entstand somit also auch in den deutschen Kolonien eine duale Gerichtsverfassung, die „Weiße“ und „Farbige“ rechtlich verschieden behandelte und eine vermeintlich traditionelle „gewohnheitsrechtliche Eingeborenengerichtsbarkeit“ zum Bestandteil der kolonialen Herrschaftsordnung machte. Da sich die rechtliche Einordnung der in den Kolonien lebenden Bevölkerung an dem Gesetz über die Konsu66 Vgl. Nagl 2007, S. 27–42; Schlottau 2007; Schaper 2012. 67 Fanon 1981, S. 31.

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largerichtsbarkeit orientierte, kam dem Kriterium der Staatsangehörigkeit hierbei die Schlüsselfunktion zu. Sie erhielt somit im kolonialen Kontext eine rassische Aufladung. Der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit oder der Staatsbürgerschaft „in einem Gemeinwesen mit europäischer Kultur“ wurde umstandslos mit der Eigenschaft, ‚weiß‘ zu sein, identifiziert. Zwar war damit auch gesagt, dass etwa „z. B. Neger, die die deutsche Reichsangehörigkeit oder das Bürgerrecht in den Vereinigten Staaten von Amerika erworben haben“, so ein empörter zeitgenössischer Jurist, theoretisch vor der Rechtsordnung als ‚Weiße‘ gelten mussten. Grundsätzlich sollte aber das Kriterium der Staatsangehörigkeit als das rechtliche Hilfsmittel fungieren, welches die koloniale Bevölkerung nach Hautfarbe getrennt in verschiedene Rechtsklassen einordnete und damit die Trennlinie zwischen Kolonisierten und Kolonisatoren markierte. Diese Beobachtung verweist auf einen grundsätzlichen Funktionswandel von Staatsangehörigkeit in der kolonialen Situation. In der Metropole unterschied die Staatsbürgerschaft Menschen in Inländer und Ausländer. In der kolonialen Situation hingegen unterschied sie primär den Kolonisator vom ‚Eingeborenen‘, während sich der Gegensatz zwischen weißen Inländern und weißen Ausländern tendenziell abschwächte.68 Das koloniale Gerichtswesen, das sich so herausbildete, hatte zwar je nach Kolonie ein etwas anderes Gesicht, im Grundsatz war es jedoch in allen ‚Schutzgebieten‘ gleich. Die Gerichtsbarkeit über die ‚Weißen‘ gliederte sich in zwei Instanzen: eine erste und eine Berufungsinstanz. In der kolonialen Gerichtsbarkeit herrschte grundsätzlich keine Gewaltenteilung, sodass die Richter zumeist auch ein Verwaltungsamt in der Kolonie bekleideten. Die für die ‚Weißen‘ in erster Instanz – je nach Angelegenheit alleine oder mit Beisitzern (‚Bezirksgericht‘) – zuständigen Bezirksrichter benötigten nicht zwingend eine juristische Vorbildung und wurden vom Reichskanzler ernannt. Als Berufungsinstanz existierte neben den Bezirksgerichten ein Oberrichter, der auch mit Beisitzern als Obergericht tagen konnte. Bei Strafsachen musste ein Beamter als Staatsanwalt hinzugezogen werden. Obwohl damit in den Kolonien nicht unerhebliche Abweichungen von der Gerichtsverfassung im Mutterland bestanden, wurde von juristischer Seite meist von einer rechtlichen Gleichberechtigung mit den im Reichsgebiet lebenden Reichsangehörigen ausgegangen oder zumindest von der Garantie des für Reichsangehörige „nötigen Rechtsschutzes“ gesprochen, da zumindest materiell weitgehend das gleiche Recht galt wie in Deutschland.69 Ganz anders und weitaus vielfältiger sah die Gerichtsbarkeit über die einheimische Bevölkerung in den Kolonien aus. In Zivilrechtssachen sollte weiterhin das autochthone Recht gelten, und auch die Ausübung der Gerichtsbarkeit oblag anfänglich der einheimischen Bevölkerung. Am Ende der deutschen Kolonialherrschaft lag allerdings auch die sog. „Farbigenzivilgerichtsbarkeit“ in Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika und 68 Vgl. Nagl 2007, S. 46f. 69 Vgl. Nagl 2007, S. 49.

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­Kiautschou bereits grundsätzlich in den Händen von ‚weißen‘ Richtern, die allerdings lokales ‚Eingeborenenrecht‘ zur Anwendung bringen sollten. Als erste Gerichtsinstanz fungierten meist lokale Verwaltungsbeamte, so etwa die Bezirksamtmänner, die in einigen Kolonien sogar befugt waren, ihre richterlichen Kompetenzen an andere Beamte zu übertragen, und davon auch ausgiebig Gebrauch machten. Die zweite Instanz – soweit überhaupt zugelassen – bildete ein Oberrichter oder der Gouverneur. In Kamerun existierten daneben sog. ‚Eingeborenenschiedsgerichte‘. Das strafrechtliche Verfahren war ein Inquisitionsprozess, d. h. der mit der Gerichtsbarkeit betraute Beamte trat zugleich als Ermittler, Ankläger und Richter auf. Gegen sein Urteil bestand keine Berufungsmöglichkeit. Lediglich eine Dienstaufsichtsbeschwerde an die höhere Behörde stand dem Angeklagten offen. Für die nicht europäische Bevölkerung hatte das rechtsstaatliche Nulla-poenasine-lege-Prinzip keine Bedeutung, d. h. sie konnte auch für Delikte bestraft werden, die nicht ausdrücklich zu strafbaren Handlungen erklärt worden waren. Die nicht weißen Bewohner der Kolonien sahen sich so weitgehend der Willkür der über sie richtenden Beamten ausgesetzt. Sogar in Deutschland sorgte ein kolonialer Justizskandal für Aufsehen, bei dem Beamte Geständnisse durch Folter erpresst hatten und einige der Beschuldigten gestorben waren. Besonders offensichtlich trat die Parteilichkeit des Kolonialrechts auch im deutschen Fall im Bereich des Straf- und Arbeitsrechts zutage, das auf dem Verordnungsweg den kolonialen Bedingungen angepasst wurde. So konnten in den Kolonien gegen Nichtweiße auch Strafen ausgesprochen werden, die das Reichsstrafgesetzbuch nicht kannte (z. B. Kettenhaft, Zwangsarbeit ohne Verwahrung im Gefängnis und körperliche Züchtigungen). Auch das Strafmaß orientierte sich nicht an deutschen Rechtsstandards. In Afrika wurde hauptsächlich die Prügel- und Kettenstrafe verhängt, aber auch ausgiebig von der Todesstrafe Gebrauch gemacht. In den Südseekolonien war die Prügelstrafe zwar grundsätzlich verboten, wurde jedoch häufig gegen melanesische Arbeiter in Neuguinea und chinesische Vertragsarbeiter auf Samoa eingesetzt. Angeblich um die Disziplin der ‚farbigen‘ Arbeiter aufrechtzuerhalten, wurde in den deutschen Kolonien „zivilrechtlicher Schadensersatz strafrechtlich organisiert“, d. h., dass zum Beispiel Prügelstrafen auch bei Nichterfüllung von Arbeitsverträgen ausgesprochen werden konnten. Insgesamt trug das koloniale Arbeitsrecht starke Züge des Gesinderechts und machte die nicht weißen Arbeiter praktisch rechtlos.70 Angesichts der Nachteile, die der subalterne Rechtsstatus eines ‚Eingeborenen‘ mit sich brachte, ist es kaum verwunderlich, dass auch in den deutschen Kolonien immer wieder Gruppen und Einzelpersonen forderten, dass sie rechtlich wie Deutsche und andere Europäer behandelt werden. In Deutsch-Ostafrika etwa führten die Proteste von Goanesen, Parsen und christlichen Syrern schließlich dazu, dass sie der ‚Europäergerichtsbarkeit‘ unterstellt wurden. Auf Samoa erkämpften sich chinesische Vertragsarbeiter, die von der Regierung ihres Heimatlandes unterstützt wurden, die gerichtliche 70 Vgl. Wolter u. a. 1995.

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Gleichstellung mit Europäern, wenngleich ihnen Handels- und Grunderwerbsrechte weiterhin versagt blieben.71 Zugleich lehnten die deutschen Behörden so gut wie alle Einbürgerungsanträge von nicht weißen Kolonialuntertanen ab, da sie nicht weißen Personen grundsätzlich nicht die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie Reichsbürgern verleihen wollten.72 In Samoa, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika wurden auf dem Weg öffentlich umstrittener Verwaltungsverordnungen rassistische ‚Mischehenverbote‘ oder, genauer, ‚Mischehenschließungsverbote‘ (in Deutsch-Südwestafrika sogar rückwirkend) erlassen, die Ehen zwischen Deutschen und ‚Eingeborenen‘ und damit zugleich die gefürchtete Auflösung der rassistischen kolonialen Herrschaftshie­ rarchie verhindern sollten. Die vor dem Ersten Weltkrieg von konsequenten Kolonialrassisten erhobene Forderung nach einem allgemeinen gesetzlichen Verbot von Mischehen scheiterte jedoch im Reichstag daran, dass die Mehrzahl der Abgeordneten das Eheschließungsrecht deutscher Männer und das patriarchalische patrilineare Prinzip im Staatsangehörigkeits- und Familienrecht nicht einschränken wollte.73 Bei der Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913 blieben alle Anträge erfolglos, die darauf zielten, Nichtweiße grundsätzlich von der deutschen Staatsangehörigkeit auszuschließen. Das Auswärtige Amt, das offenbar aus den Schwierigkeiten gelernt hatte, die aus der extrem rassistischen und schon damals kontroversen Rechtsauslegung der Kolonialgerichte in Deutsch-Südwestafrika erwachsen waren, fürchtete im Falle einer konsequenten Durchsetzung eines blutsbezogenen ‚Eingeborenen‘-Begriffs (und der damit einhergehenden rechtlichen Diskriminierung nicht weißer Staatsbürger westlicher Länder wie der Vereinigten Staaten) außenpolitische Verwicklungen.

4. Fa zit Alle europäischen Kolonialregime waren durch eine ungleiche Rechtsordnung gekennzeichnet, die die Bevölkerung in rechtlich privilegierte und rechtlich diskriminierte Gruppen einteilte. Im 19. und 20. Jh. stand diese koloniale Entwicklung allerdings in einem eklatanten Widerspruch zu den Ideen der staatsbürgerlichen Rechtsgleichheit und der universellen Menschenrechte, die im Anschluss an die Französische Revolution in ganz Europa Verbreitung fanden. Die Politik der Differenz in den modernen Kolonialreichen sollte allerdings nicht allein als residuales Element vormoderner Verhältnisse an der Peripherie des europäischen Herrschaftsbereichs missverstanden werden, das schließlich im Prozess einer nachholenden Modernisierung überwunden wurde. 71 Vgl. Nagl 2007, S. 64–79. 72 Vgl. Nagl 2007, S. 119–144; Oguntoye 1997, S. 14–48. 73 Vgl. Schulte-Althoff 1985; Wildenthal 1997; Gosewinkel 2006; Kundrus 2003, S. 219–280; ElTayeb 2001, S. 60–141; Sippel 2004; sowie Walgenbach 2004; Nagl 2007, S. 165–182; Henrichsen 2009; und Dietrich 2009.

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Vielmehr konnte sie sich in dieser spezifischen Form erst auf der Basis genuin moderner Ideologien und Herrschaftskonzepte entwickeln. Sie stellt somit einen ebenso integralen (aber lange verdrängten) Bestandteil der europäischen Moderne dar wie der in der westlichen Wahrnehmung dominierende liberale Gleichheits- und Rechtsdiskurs der Metropolen. Zwar ist auffällig, dass sich die Art und Weise der kolonialen Grenzziehungen und Segmentierungen sowie die hierbei zur Anwendung gebrachten Methoden nicht nur in den verschiedenen nationalen Kolonialreichen, sondern auch, bedingt durch lokal unterschiedliche Voraussetzungen und Erfordernisse, oft von Kolonie zu Kolonie unterschieden. Letztlich ähnelten sich aber alle modernen europäischen Kolonialregime darin, dass sie eine diskriminierende bipolare koloniale Rechtsordnung schufen, die die kolonialen Untertanen aus der Rechtsgemeinschaft der metropolitanen Staatsbürger ausschloss. Der dieser Politik prinzipiell inhärente Rassismus stand nicht von vornherein und permanent als Selbstzweck im Vordergrund der kolonialen Rechtssetzungsmaßnahmen, sondern blieb vielfach instrumentell dem Zweck der Aufrechterhaltung der kolonialen Herrschaft und ihren funktionalen Erfordernissen untergeordnet. Diese Willkür und widersprüchliche Inkonsequenz bei der Umsetzung einer rassistischen Gesellschaftsordnung verlieh den modernen Kolonialregimen eine für ihr Funktionieren unerlässliche pragmatische Flexibilität. Auch dem modernen europäischen Rasseverständnis lag nicht von vornherein eine naturwissenschaftlich-biologistisch und somatisch-phänotypisch determinierte Differenzkonstruktion zugrunde, sondern dieses war anfänglich stark von kulturalistischen, religiösen und sozialen Differenzzuschreibungen überlagert. Im Laufe des 19. Jhs. begann sich dies jedoch zu ändern. Vor dem Hintergrund kolonialer Aufstände und Proteste, der Einforderung staatsbürgerlicher Rechte durch die nicht europäischen Kolonialuntertanen und einer zunehmenden Verbreitung von wissenschaftlichen Rassentheorien und den damit einhergehenden Forderungen nach einer – nicht nur auf die Kolonien beschränkten – eugenischen ‚Biopolitik‘, die eine generelle Tendenz zur „Verstaatlichung des Biologischen“ (Foucault) am Ende des 19. Jhs. anzeigt, setzte sich nicht zuletzt im deutschen Kolonialrecht immer stärker der Trend zu einem blutsbezogenen ‚Eingeborenen‘-Begriff und damit auch zu einer explizit rassistischen Rechtsordnung durch. Im Zuge dieser Entwicklung erschien Kolonialherrschaft aus Sicht vieler ihrer europäischen Befürworter immer weniger als eine mission civilisatrice zur assimilatorischen Angleichung außereuropäischer Gesellschaften an europäische Standards, sondern als ein ‚natür­liches‘ und dauerhaftes System der Ungleichheit. Diese Entwicklung wirkte auch auf die nationalen Identitätsentwürfe in Europa zurück. Wie David Harvey konstatiert, produzierte der moderne Imperialismus das Problem, dass „die politische Solidarität, die von der Idee der Nation vorausgesetzt wird, nicht leicht auf andere ausgedehnt werden kann, ohne das zu schwächen, wofür die Nation eigentlich steht.“74 Dieser „Abgrund“ zwischen 74 Harvey u. a. 2005, S. 50.

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Nation und Imperialismus ist dann im 20. Jh., so Hannah Arendt, in der Praxis „immer wieder durch rassisch oder völkisch orientierte Nationalismen überbrückt worden.“75

5. Kommentierte Liter atur auswahl Die koloniale Dimension der Geschichte des Staatsangehörigkeitsrechts und der damit verbundenen Thematik staatsbürgerlicher Zugehörigkeits- und Partizipationsrechte ist in der historischen, politologischen und soziologischen Forschung lange nur unzureichend reflektiert worden. So fehlt etwa in T. H. Marshalls (1950)76 bis heute viel zitiertem Modell einer fortschreitenden Entfaltung und sozialen Ausweitung staatsbürgerlicher Rechte jegliche Bezugnahme auf die Besonderheiten der kolonialen Situation. Insbesondere in den letzten beiden Dekaden hat jedoch der akademische Siegeszug der Postcolonial Studies (Castro Varela u. a. 2014; McLeod 2012) dazu geführt, dass dieser Eurozentrismus zunehmend problematisiert wurde (Conrad 2013b). Inzwischen wird der historischen Bedeutung von Kolonialismus und Dekolonisation nach einer Phase ihrer geschichtswissenschaftlichen Vernachlässigung (Cooper 2012) insbesondere durch eine transnational orientierte Globalgeschichte (Conrad u. a. 2007; Conrad 2013a) und eine kritische „Neue Imperialgeschichte“ (Wilson 2004; Howe 2010) Rechnung getragen. Einen einflussreichen Bezugspunkt vieler Analysen der sozialen und staatsbürgerlichen In- und Exklusionsmechanismen der kolonialen Welt und ihrer gewaltsamen Dynamik stellen nach wie vor die Schriften Frantz Fanons dar. Fanon beschrieb nicht nur eindringlich aus eigenem Erleben die Strukturen der sich antagonistisch gegenüberstehenden Lebenssphären von Kolonisierten und Kolonisatoren (Fanon 1981), sondern analysierte auch die deformierende psychologische und politische Wirkung kolonialer und rassistischer Ungleichbehandlung auf die kolonialisierten Subjekte (Fanon 2013). Von grundlegender Bedeutung für die Deutung der Auswirkungen von Sklaverei und Rassismus auf dem amerikanischen Kontinent ist W. E. B. DuBois‘ 1903 erschienene Aufsatzsammlung Du Bois 2003. In dieser unterzog DuBois die vielfältige staatsbürgerliche Diskriminierung der Afroamerikaner in den USA in der Zeit vor und nach dem Bürgerkrieg einer umfassenden Kritik und erklärte prophetisch mit dem Problem der „color line“ den kolonialen und metropolitanen Rassismus zum zentralen Konfliktfeld des 20. Jhs. Den aktuellen Stand der internationalen geschichtswissenschaftlichen Forschung zur Sklaverei kondensiert Zeuske 2013 in seinem Handbuch der Sklaverei in Form eines globalgeschichtlichen Überblicks.

75 Arendt 1955, S. 238. 76 Marshall 1950.

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V ER FASSU NGSSTA AT U ND BÜRGER LICHES R ECHT: DIE STELLU NG VON FR EMDEN IM EUROPA DES L A NGEN 19. JA HR HU NDERTS (1789 –1914) BEATE ALTHAMMER

1. Die Polenausweisung aus Pr eussen 1885/86 Im Jahr 1885 verfügte die preußische Regierung, dass „alle Ausländer polnischer Zunge“, die in den vier östlichen Provinzen Posen, Schlesien, Ost- und Westpreußen lebten, des Landes zu verweisen seien.1 Die Anordnung betraf potenziell an die 44.000 Menschen, und sie blieb nicht nur auf dem Papier: Tatsächlich zwangen die Behörden bis 1887 rund 31.000 Personen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit nachweisen konnten, über die Grenzen. Viele betroffene Familien hatten seit Langem in Preußen gelebt. Manche der Frauen waren geborene Preußinnen, die russisch-polnische oder österreichisch-galizische Zuwanderer respektive deren Söhne geheiratet hatten. Nun mussten sie das Land innerhalb kurzer Frist verlassen. Diese Massenausweisung aus dem bismarckschen Preußen war kein typisches Ereignis im Europa des 19. Jhs., im Gegenteil: Es handelte sich um eine absolut ungewöhnliche Maßnahme, und sie erregte entsprechend großes Aufsehen sowie heftige Kritik. Positives Recht verletzte sie nicht: Dass es im Ermessen jedes Staates lag, inwieweit er Angehörige fremder Staaten auf seinem Territorium dulden wollte, war ein allgemein akzeptierter Grundsatz. Wegen ihres Umfangs, der mit ihr verbundenen menschlichen Härten und der durch sie provozierten zwischenstaatlichen Irritationen verstieß die Aktion aber eklatant gegen die Gepflogenheiten der Zeit. Trotzdem hat sie zugleich einen exemplarischen Charakter, treten in ihr doch fundamentale Entwicklungslinien hervor, die den Status des Fremden und überhaupt das Fremdsein im Europa des 19. Jhs. maßgeblich bestimmten. Ausweisungen ganzer Bevölkerungsgruppen hatte es auch in früheren Epochen gegeben, aber die Begründungen hatten sich gewandelt. Die einzige offizielle Rechtfertigung bildete nunmehr der Umstand, dass es sich um Ausländer handelte, also nicht um Angehörige Preußens oder eines anderen deutschen Bundesstaats. Darin zeigt sich, wie existenziell wichtig die noch junge Rechtskategorie der Staatsangehörigkeit innerhalb weniger Jahrzehnte geworden war. Noch zu Beginn des 19. Jhs. hatte gar keine trennscharfe Einteilung der ansässigen Bevölkerung nach staatlicher Mitgliedschaft vorgelegen. Nun entschied sie darüber, wer gehen musste und wer blei1 Erlass vom 26.7.1885, vgl. Neubach 1967, S. 60.

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ben durfte, und sie entscheidet darüber bis heute: In der modernen Welt ist das forma­ lisierte Staatsangehörigkeitsrecht zu der zentralen Institution geworden, die über Zugehörigkeit zu politischen Einheiten entscheidet. Während das Kriterium der Staatsangehörigkeit zur unangreifbaren Legitimationsfigur für Inklusion und Exklusion aufstieg, konnten Fremdheitsmerkmale, die in der Frühen Neuzeit zentral gewesen waren, Diskriminierungen nicht mehr rechtfertigen. Das gilt insbesondere für die Andersgläubigkeit. Bei den aus Preußen ausgewiesenen Polen handelte es sich zwar fast durchweg um Katholiken und Juden, also um Angehörige von minoritären Glaubensgemeinschaften, und unterschwellig spielte dies eine bedeutende Rolle. Rechtlich jedoch waren im Deutschen Reich wie mittlerweile beinahe überall in Europa die religiösen Bekenntnisse gleichgestellt. Ebenso wenig konnte in einer Epoche, die das Prinzip der Rechtsgleichheit auf ihre Fahnen geschrieben hatte, die ethnisch-kulturelle Andersartigkeit Diskriminierungen begründen, obgleich im Problem der nationalen Identität faktisch das maßgebliche Motiv für die Massenausweisung lag. Angesichts der erstarkenden polnischen Nationalbewegung ging es der preußischen Regierung primär darum, den polnischen Bevölkerungsteil als politisch subversive Kraft einzudämmen. Hinauswerfen ließen sich aber nur Ausländer, nicht die viel zahlreicheren Einwohner polnischer Sprache, deren Status als Inländer unstrittig war. Das war der Schutz, den die Staatsangehörigkeit unter den Bedingungen des liberalen Rechtsstaats garantierte, sowohl gegen überkommene konfessionelle Unduldsamkeiten als auch gegen den aufsteigenden Radikalnationalismus. Die Polenausweisung vollzog sich vor dem Hintergrund einer anschwellenden antislawischen und antisemitischen Publizistik, die weiter reichende Forderungen stellte, als sie die Regierung umzusetzen bereit war. Sie entwarf das sozialdarwinistische Szenario eines nationalen Existenzkampfes des ‚Deutschtums’ gegen heranflutende fremde Elemente aus dem Osten, der den Einsatz energischster Mittel erfordere, auch jenseits der Schranken geltenden Rechts. Völkische Ideologien begannen, wie sich hier manifestierte, grundlegende Errungenschaften des 19. Jhs. an seinem Ende wieder infrage zu stellen, und im Zeitalter der demokratischen Massenpolitik stellte der Druck der öffentlichen Meinung einen zunehmend gewichtigen Faktor im staatlichen Handeln dar. In der Massenausweisung von Polen und Juden aus dem Preußen der 1880er kündigten sich mithin auch Entwicklungen an, die erst im 20. Jh. ihr destruktives ­Potenzial voll entfalten sollten.

2. Umr isse der Epoche Das 19. Jh. war das Zeitalter der sich ausbildenden modernen Nationalstaaten, die ihren Mitgliedern Gleichheit, Partizipation und Solidarität versprachen, durch ihr Streben nach Binnenhomogenität aber zugleich neue, emotional hochgradig aufgeladene Grenzlinien im Inneren wie nach außen zogen. Idealerweise deckten sich in der natio-

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nalstaatlichen Logik das Staatsgebiet, der Verband der Staatsangehörigen und die Nation. Wo sie als nicht deckungsgleich erschienen, entstanden zunehmend Spannungen. Unmittelbar rechtsrelevant war die nationale Dimension indes nicht. In rechtlicher Hinsicht Fremde sind seit dem 19. Jh. vielmehr in erster Linie Ausländer im Sinn von Nicht-Staatsangehörigen. Trotzdem blieb der Begriff des Fremden selbst in der Sphäre des Rechts mehrdeutig, denn zunächst wirkten ältere, aus der Frühen Neuzeit tradierte Bezugsgrößen nebenher noch fort. Vor allem die Gemeindezugehörigkeit blieb in weiten Teilen Europas lange rechtlich relevant. Außerdem stellten zusammengesetzte politische Gebilde mit abgestuften Mitgliedschaften, die die Scheidelinie Inländer/Ausländer verwischten, eher die Regel als die Ausnahme dar. Im Deutschen Bund von 1815 etwa galten die Angehörigen der jeweils anderen Bundesstaaten als Ausländer, waren aber in gewissen Hinsichten gegenüber Fremden aus nicht deutschen Staaten privilegiert. Die Reichsgründung von 1867/71 konstituierte dann ein „gemeinsames Indigenat“,2 das den Angehörigen aller Bundesstaaten die prinzipielle Gleichbehandlung als Inländer garantierte. Trotzdem blieb die Staatsangehörigkeit an die auf ihre Souveränität pochenden Einzelstaaten gebunden. Ähnliches gilt für die Schweiz, wo die Kantone über die Gründung des Bundesstaats von 1848 hinaus eine staatliche Qualität mit eigenem Kantonsbürgerrecht behielten, aus dem sich das Schweizer Bürgerrecht ableitete. Während lockere Föderationen wie der Deutsche Bund oder die Eidgenossenschaft allmählich zu Nationalstaaten zusammenwuchsen, tendierte die Habsburgermonarchie in die andere Richtung. Die einzelnen Königreiche und Länder dieses Vielvölkerreichs unterlagen unterschiedlichen Graden der Sonderbehandlung, die Lombardei und Venetien gingen nach der Jahrhundertmitte an das entstehende Italien verloren, und seit dem Ausgleich von 1867 standen Ungarn und Österreich als weitgehend selbstständige Staaten nebeneinander, die ihre Angehörigen wechselseitig wie Ausländer behandelten. In Relation zu Drittstaaten vertrat die Doppelmonarchie aber das Konzept einer gemeinsamen Reichsangehörigkeit. Für die österreichische Reichshälfte bestätigte die Verfassung von 1867 ein einheitliches Staatsbürgerrecht, garantierte jedoch zugleich ein unverletzliches Recht aller „Volksstämme“ auf Wahrung und Pflege ihrer Nationalität und Sprache,3 ein Recht, das später partiell ins politische Feld erweitert wurde. Diese Strategie, die das Reich entgegen dem epochalen Trend zur nationalstaatlichen Homogenisierung mittels der Anerkennung von Differenz zu stabilisieren versuchte, konnte indes nicht verhindern, dass es im Gefolge des Ersten Weltkriegs endgültig entlang seiner nationalen Bruchlinien zerfiel. Eine ähnliche Sprengkraft ging von den teilautonomen christlichen Völkern Südosteuropas aus, die sich seit den 1830er Jahren vom Osma-

2 Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.4.1871, in: Gosewinkel u. a. 2006, S. 783–805, Art. 3. 3 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21.12.1867, in: Gosewinkel u. a. 2006, S. 1515–1517, Art. 19.

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nischen Reich in eigene Nationalstaaten abspalteten und ihrerseits wenig gewillt waren, religiös-ethnische Minderheiten als voll zugehörig zu akzeptieren.4 Nochmals anders war die Konstellation im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland. Zwar stellte die Union von 1801 alle Landesteile formal gleich. Wichtige Rechtsfelder wie das Armenwesen waren in England, Schottland und Irland jedoch unterschiedlich geregelt, und kulturell-konfessionelle Schranken perpetuierten starke Fremdheitsgefühle, insbesondere gegenüber den Iren.5 Diese galten in England oder Schottland rechtlich nicht als Ausländer, wohl aber als die problematischsten Immigranten überhaupt, und sie wurden in den mittleren Jahrzehnten des 19. Jhs. zu Zehntausenden über die Irische See zurückgeschafft. Vor allem aber die traumatische Hungerkatastrophe der 1840er Jahre, die rund einer Million Menschen auf der Schwesterinsel das Leben kostete, vergegenwärtigte drastisch das mindere Recht der Iren an den reichen Ressourcen Großbritanniens. Und wenn die außereuropäischen Besitzungen mit bedacht werden, erhellt sich vollends, dass die Scheidelinie zwischen subjects und aliens nur eine unter vielen war, die die Gesellschaft des britischen Empire durchzogen.6 Über Zugehörigkeit wurde auf allen Ebenen der mehr oder weniger vielschichtig verfassten Staaten, Bünde und Reiche verhandelt, aber tendenziell stieg die Rechtskategorie der Staatsangehörigkeit zum wichtigsten Ordnungsprinzip von Inklusion und Exklusion auf. Im Folgenden soll der Begriff des Fremden denn auch auf den Ausländer reduziert werden unter gleichzeitiger Begrenzung des Blicks auf West- und Mitteleuropa. Das Themenfeld bleibt auch so noch komplex genug. Diverse Prozesse beförderten zwar einerseits eine überregionale und gesamteuropäische Angleichung von einschlägigen Normen, wie das Aufgehen zahlloser kleiner Herrschaften in größeren Staatswesen, das Erstarken von zentralstaatlichen Instanzen, der Rechtsexport im Gefolge der napoleonischen Expansion, der Aufstieg des Liberalismus zur politischen Leitideologie oder die zunehmende Dichte von internationalen Abkommen. Solchen vereinheitlichenden Tendenzen standen andererseits aber ein enorm beschleunigtes Reformtempo sowie eine immer umfassendere Normierungstätigkeit gegenüber, die zeitgenössische Zusammenstellungen des Ausländerrechts zu voluminösen Kompendien anschwellen ließ.7 Dieses Kapitel wird sich folglich darauf beschränken müssen, die allgemeine Richtung der Reformen sowie exemplarisch einige Variationen zu skizzieren. Den zeitlichen Auftakt der Epoche markiert die Französische Revolution. Sie leitete eine fundamentale Transformation der Herrschaftsstrukturen ein und schuf so die Grundlagen für das spezifisch moderne Konzept der Staatsangehörigkeit.8 An die Stel4 5 6 7 8

Sundhaussen 2001; Müller 2005. MacRaild 2001; Lucassen 2005, S. 27–49. Zu britischem Empire und Habsburgermonarchie im Vergleich siehe Gammerl 2010. Vgl. nur etwa Legat 1832 oder Vesque Püttlingen 1842. Vgl. als Überblicke Fahrmeir 2007; Costa 2000.

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le eines von der königlichen Macht zusammengehaltenen Agglomerats aus Regionen, Kommunen, Ständen und Korporationen mit unterschiedlichen Rechten und Freiheiten trat die einheitliche Staatsnation, auf die die Einwohner als formal gleiche Individuen unmittelbar bezogen waren. Während das Bürgerrecht in seiner althergebrachten Gestalt immer das exklusive Privileg einer Minderheit gewesen war, postulierte das revolutionäre Bürgerrecht die Inklusion des gesamten Staatsvolks, das vom passiv zu Gehorsam verpflichteten Untertanenverband zum Träger der nationalen Souveränität avancierte. Dieses neue Verständnis einer egalitären und partizipatorischen staatlichen Zugehörigkeit hatte zwar eine längere ideelle Vorgeschichte. Mit der Französischen Revolution aber kam es erstmals voll zum Durchbruch. In Frankreich war die Staatsangehörigkeit seither unauflöslich mit dem Anspruch auf konstitutionell garantierte Individualrechte verbunden. Wie die Deklaration der Bürger- und Menschenrechte emphatisch unterstrich, standen gewisse ‚natürliche‘ Rechte allen Menschen zu, und die Idee einer universellen Gleichheit blieb ein wichtiges Erbe der Revolution. Andere und zumal politische Rechte waren jedoch dem citoyen vorbehalten, ein Begriff, den deutsche Zeitgenossen in Abgrenzung sowohl zum alten Stadtbürger als auch zum Untertan mit Staatsbürger übersetzten. Obwohl im revolutionären Verständnis des citoyen beides zusammenfloss, ist es sinnvoll, analytisch zwischen Staatsangehörigkeit – der formalen Mitgliedschaft in einem Staatsverband – und Staatsbürgerschaft – welche die Mitgliedschaft mit Rechten auffüllt – zu unterscheiden. Denn die beiden Komponenten müssen nicht Hand in Hand gehen. Konservative Monarchien adaptierten das Konzept einer uniformen Staatsangehörigkeit und selbst den Terminus des Staatsbürgers, ohne aber im gleichen Maß zur Gewährung staatsbürgerlicher Rechte bereit zu sein. Und auch in Frankreich fiel beides nur bedingt zusammen. Die Revolution sprach zwar alle Franzosen als Staatsbürger an, führte aber die Unterscheidung zwischen vollberechtigten ‚Aktivbürgern’ und minderberechtigten ‚Passivbürgern’ ein. Nur kurzzeitig zählte zu Ersteren immerhin die Mehrheit der Männer, während bald nur noch die Besitzenden und Gebildeten als zur politischen Partizipation befähigt galten. Der Ausschluss der Unterschichten aus den politischen Bürgerrechten sollte sich als zählebig erweisen, und noch viel zählebiger war der Ausschluss der Frauen, die darüber hinaus ihren zivilrechtlichen Handlungsspielraum massiv eingeschränkt sahen. Zu den Passivbürgern schlug einer der intellektuellen Vordenker der Revolution, Emmanuel Sieyès, neben Frauen, Kindern und Armen auch die Ausländer.9 Diese Zuordnung spiegelt noch die überkommene vage Abgrenzung staatlicher Zugehörigkeit und zugleich den kosmopolitischen Idealismus der Frühphase der Revolution wider. Mit Ausbruch von Krieg und Bürgerkrieg wandelten sich die Ausländer dann rasch zur Projektionsfläche für Verdächtigungen, die sie zu potenziellen Feinden der Nation

9 Sieyès 1789, S. 21.

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stempelten.10 Aber auch nach Überwindung der radikalen Revolutionsphase kehrte die anfängliche Offenheit nicht zurück: Je mehr sich die Staatsangehörigkeit als Rechtskategorie neben dem Aktivbürgerstatus, der die Revolutionäre primär interessiert hatte, verfestigte, desto stärker trat ihre Funktion hervor, Ausländer eben gerade eindeutig von den Inländern zu unterscheiden. Trotzdem behielt die Zuordnung des Abbé Sieyès noch längerfristig einen wahren Kern: Tatsächlich unterschieden sich die rechtlichen Möglichkeiten von Ausländern im 19. Jh. in vieler Hinsicht kaum von denen der Masse der Einheimischen. Erst mit der demokratischen Ausweitung und wohlfahrtsstaatlichen Anreicherung der staatsbürgerlichen Rechte wirkte sich die Scheidelinie Inländer/Ausländer immer deutlicher aus. Im Alltagsleben auswirken konnte sich die Scheidelinie zudem erst, wenn Ausländer durch grenzüberschreitende Wanderungen als reales Phänomen entstanden. Grenzverschiebungen hingegen brachten keine Ausländer hervor. Während noch im ausgehenden 18. Jh. kollektive Huldigungseide für notwendig erachtet worden waren, um die Bevölkerung neu erworbener Territorien rechtswirksam in den Untertanenverband zu integrieren,11 setzte sich seit der napoleonischen Zeit der Grundsatz durch, dass die Veränderung der staatlichen Hoheit eine automatische Veränderung der Staatsangehörigkeit nach sich ziehe. Zugleich etablierte sich allerdings ein Recht der Einwohner annektierter Gebiete, für die Beibehaltung ihrer ehemaligen Zugehörigkeit zu optieren, sofern der betreffende Staat noch existierte und sie auf dessen Territorium überwechselten. Nach der Annexion Elsass-Lothringens durch das Deutsche Reich 1871 beispielsweise optierten über 110.000 Einheimische für die französische Staatsangehörigkeit und wanderten nach Frankreich aus.12 Das 19. Jh. war eine Epoche der massenhaften geographischen Mobilität.13 Trotzdem blieb die Präsenz von Ausländern in den europäischen Gesellschaften quantitativ lange marginal, denn die Mobilität richtete sich vorrangig nach außen: Geschätzte 50 Millionen Menschen wanderten aus Europa aus, überwiegend nach Amerika. Unter dem Eindruck von Pauperismus und malthusianischen Übervölkerungsängsten schien den meisten Regierungen dieses Ventil erwünscht. Die gezielte Ansiedlung von Fremden, wie sie frühneuzeitliche Territorialstaaten betrieben hatten, hörte mit Ausnahme einiger peripherer Räume auf, Auswanderungsverbote wurden sukzessive beseitigt, Übersiedlungen nach Übersee mitunter sogar direkt gefördert. Auch die Freisetzung der ländlichen Bevölkerung aus feudalen Bindungen und die Aufhebung von Abzugsgeldern begünstigten die Ab- und Auswanderung. Neben der Massenemigration über den Atlantik legte im Zuge der Industrialisierung die Binnenmigration rapide zu, die ebenfalls Millionen in 10 11 12 13

Rapport 2000; Wahnich 1997. Schmitt 2008a. Gosewinkel 2001, S. 191–211. Zur europäischen Migrationsgeschichte allgemein vgl. etwa Bade u. a. 2008.

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Bewegung setzte. Dagegen spielte die Einwanderung aus anderen europäischen Staaten oder gar anderen Kontinenten eine vergleichsweise unbedeutende Rolle. Infolge territorialer Arrondierungen schrumpfte der ausländische Bevölkerungsanteil vielerorts sogar zunächst. In einem Stadtstaat wie Frankfurt am Main etwa zählte um die Jahrhundertmitte rund die Hälfte der Einwohner rechtlich zu den Fremden, aber die allermeisten stammten aus den deutschen Nachbarstaaten und wurden mit der Reichsgründung zu Inländern. Auf Reichsebene registrierte die Volkszählung von 1871 eine Ausländerquote von gerade einmal 0,5 Prozent. Ähnlich waren die Größenordnungen in England, wo der Anteil der aliens von 0,4 Prozent 1871 auf 0,8 Prozent im Jahr 1911 stieg; gegenüber dem der geborenen Iren blieb er weit zurück. Selbst in den kleinen, zentral gelegenen Niederlanden betrug die Ausländerquote im Jahr 1909 bloß 1,2 Prozent. Merklich höher lag sie nur in wenigen Staaten wie Frankreich (1866: 1,7 %; 1911: 3,0 %), Belgien (1866: 2,0 %; 1910: 3,4 %) und vor allem der Schweiz (1870: 5,7 %; 1910: 14,7 %).14 Die Ziffern reflektieren die relativ geringe Attraktivität der meisten europäischen Regionen für Wanderungswillige, doch begann sich um die Wende zum 20. Jh. eine epochale Änderung abzuzeichnen. Teile des Kontinents entwickelten sich nun zu Mag­ neten der grenzüberschreitenden Migration. Im Deutschen Reich etwa, das einen besonders rasanten ökonomischen Strukturwandel durchlief, kehrte sich die Wanderungsbilanz in den 1890er Jahren um. Der ausländische Bevölkerungsanteil vervierfachte sich von 1871 bis 1910, in absoluten Zahlen sprang er auf das Sechsfache. Wie mit Fremden umzugehen sei, geriet nun zu einer Frage, die nicht mehr bloß einige Regierungsbeamte und Juristen interessierte, sondern die öffentliche Meinung bewegte. Der Zuzug erschien einerseits als ökonomisch notwendig und andererseits als Menetekel einer drohenden Überfremdung der Nation. Diese Widersprüchlichkeit, die seit den 1880er Jahren eine Konstante in den periodisch aufflammenden Ausländerdebatten darstellt,15 zeigte sich im Kaiserreich am eklatantesten hinsichtlich der russischen und galizischen Polen: Als Arbeitskräfte waren sie vor allem in der ostelbischen Landwirtschaft hochbegehrt; im Lichte des sich zuspitzenden Nationalitätenkampfes galt die „Polonisierung“ des deutschen Ostens hingegen als große Gefahr. Nach den Massenausweisungen von 1885/86 verhängte die preußische Regierung deshalb zunächst eine völlige Sperre gegen ausländisch-polnische Arbeitskräfte. Ab 1891 wurde sie gelockert zugunsten eines saisonal und regional-sektoral strikt begrenzten Zuwanderungssystems. Im frühen 20. Jh. pendelten auf dieser Grundlage jährlich weit über 200.000 Menschen über die öst­ lichen Grenzen Preußens.16 Saisonale Arbeitswanderungen waren an sich kein neues Phänomen, und viele Beteiligte beabsichtigten gar nicht, dauerhaft in der Fremde zu bleiben. Trotzdem lässt 14 Daten zu England (inkl. Wales) nach Zensen, die übrigen nach Flora 1983, S. 42–54. 15 Herbert 2001, S. 9. 16 Bade 1984.

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die preußische Saisonarbeiterregelung eine neue Qualität von Migration und Migrationspolitik in den europäischen Industriegesellschaften prägnant hervortreten. Gefragt war nun in erster Linie die massenhafte reine Arbeitskraft von Ausländern. Während sie noch bis ins frühe 19. Jh. vielfach als versierte Spezialisten willkommen gewesen waren, trat eine solche Wertschätzung mit der Hochindustrialisierung zurück: Das Bild des Ausländers wurde nun dominiert vom ungelernten Arbeiter aus der rückständigen europäischen Peripherie, der flexibel verfügbar körperlich schwere und unangenehme Tätigkeiten verrichten sollte. Die Politik Preußens, die einer wegen ihrer Nationalität besonders gering geschätzten Kategorie ausländischer Arbeitskräfte jede Möglichkeit der festen Niederlassung rundum verweigerte, blieb in ihrer Rigidität jedoch singulär. Wie offen die europäischen Staaten für Zuwanderer waren, ist in der Forschung allerdings umstritten. Lange dominierte die Anschauung, dass das 19. Jh. in historisch einmaliger Weise durch die Freiheit der grenzüberschreitenden Migration gekennzeichnet gewesen sei.17 Erst mit dem Aufstieg protektionistischer und nationalistischer Ideologien seit der Wende zum 20. Jh. und vor allem infolge des Ersten Weltkriegs sei das Goldene Zeitalter der Wanderungsfreiheit zu Ende gegangen. Manche neueren Studien haben dieses Bild frontal angegriffen und die engmaschigen Kontrollen betont, denen Fremde stets unterworfen geblieben seien. In dieser Perspektive erscheint das 19. Jh. nicht als liberales oder gar goldenes, sondern als bürokratisches Zeitalter, in dem expandierende Behördenapparate Migranten unablässig überwachten.18 Für beide Einschätzungen lassen sich Indizien und Gegenindizien finden. Die Geburt der modernen Staatsangehörigkeit im Gefolge der Französischen Revolution, der Aufstieg des Nationalstaats als politisches Ordnungsmuster und der regional disparate Übergang zur kapitalistisch-industriellen Wirtschaftsordnung bilden ein Koordinatensystem, innerhalb dessen sich die Möglichkeiten für Menschen jenseits ihrer ursprünglichen Heimat in variabler und ambivalenter Weise neu bestimmten.

3. Die R echte von Ausl änder n Im Europa des 19. Jhs. war der Status von Ausländern durch zwei parallele und doch gegenläufige Tendenzen geprägt. Einerseits zog die Staatsangehörigkeit eine eindeutige Demarkationslinie zwischen ihnen und den Inländern, und das bedeutete ihren konsequenten Ausschluss von manchen Staatsbürgerrechten. Andererseits verschwanden mit den vielfältigen ständischen Privilegien früherer Epochen auch die Sonderrechte für Fremde, sodass in weiten Bereichen eine Gleichstellung mit den Einheimischen erfolgte. Dieser Abschnitt unternimmt einen kurzen Rundgang durch verschiedene Rechtsfelder, um die jeweilige relative Position der Ausländer etwas näher zu beleuchten. Da17 So etwa Bade 2000, S. 14f. 18 So mit Blick vor allem auf die deutschen Staaten Fahrmeir 2000, S. 3, 138–141.

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bei wird grob der Dreiteilung gefolgt, die der englische Soziologe Thomas H. Marshall in seiner klassischen Analyse der modernen Staatsbürgerschaft vorgenommen hat: erstens die zivilen oder bürgerlichen Rechte, die persönliche Freiheit garantieren; zweitens die politischen Rechte, die Partizipation an den öffentlichen Angelegenheiten ermög­ lichen; und drittens die sozialen Rechte, die Teilhabe an den materiellen Ressourcen einer Gesellschaft sichern.19 Zu den zivilen Rechten im weiteren Sinn zählt die Freizügigkeit, und sie muss ganz am Anfang stehen, denn ohne die Möglichkeit, sich in die Fremde zu begeben, können dort sonstige Rechte überhaupt nicht beansprucht werden. Die französische Revolutionsverfassung von 1791 proklamierte ein solches Recht, indem sie „einem jeden Menschen die Freiheit zu gehen, zu bleiben, zu reisen“ garantierte.20 Dieses Ideal unterlag indes rasch der Realität einer massiv verschärften Mobilitätskontrolle: In den Kriegsjahren um 1800 generalisierte sich in Europa das Passwesen in seiner modernen Gestalt.21 Staatliche Außengrenzen erlangten eine ganz neue Relevanz, seit sie prinzipiell nur noch mit amtlichen Reisedokumenten überschritten werden durften, und viele Staaten etablierten darüber hinaus eine besondere Registrierungspflicht für Ausländer, um sie permanent unter Aufsicht zu behalten. Dabei machte die ideologische Ausrichtung des Regierungssystems kaum einen Unterschied: Sowohl das revolutionäre Frankreich als auch die konservative Habsburgermonarchie bauten spätabsolutistische Ansätze weiter aus, und selbst das traditionell liberale Großbritannien führte 1793 ein strenges Überwachungsregime für Ausländer ein. Großbritannien schaffte die kriegsbedingten Sondervorschriften jedoch bald wieder ab: Seit 1826 stellte der Ärmelkanal die einzige Einreisehürde dar, und Ausländer mussten keinerlei Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit mehr fürchten. Inländer mussten das ohnehin nicht, wohingegen die meisten kontinentaleuropäischen Staaten um die Wende zum 19. Jh. auch eine Inlandspass- und/oder Meldepflicht für die eigenen Angehörigen eingeführt hatten. Auf dem Kontinent blieben Legitimationskontrollen sowohl an den staatlichen Außengrenzen als auch im Landesinneren bis über die Jahrhundertmitte hinaus eine alltägliche und für Reisende ausgesprochen lästige Erfahrung. Im Allgemeinen stellten die Pass- und Visumsvorschriften zwar kein unüberwindliches Mobilitätshindernis dar. Das Beantragen der Dokumente war aber mit Mühe und Kosten verbunden, sie konnten aus vielerlei Gründen verweigert werden, und ihre ständige polizeiliche Prüfung bot Anlass für manche Schikane. Angesichts des rapide zunehmenden Reiseverkehrs erschien indes auch den Regierenden der Aufwand immer weniger gerechtfertigt: Seit den 1850er Jahren lockerten alle west- und mitteleuropäischen Staaten 19 Marshall 1950. 20 Verfassung vom 3.9.1791, in Gosewinkel u. a. 2006, S. 165–192, Titel 1. 21 Vgl. übergreifend Torpey 2000; zu Österreich Burger 2000, S. 3–87; zum habsburgischen Norditalien Geselle 2000; zu den deutschen Staaten und Großbritannien Fahrmeir 2000, S. 100–151.

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ihre Passbestimmungen, und viele hoben sie schließlich für In- wie Ausländer ganz auf. Das bedeutete nicht einen völligen Kontrollverzicht. Meldesysteme blieben bestehen oder wurden sogar ausgebaut, und Reisende taten gut daran, sich irgendwie ausweisen zu können, wenn sie keine Schwierigkeiten riskieren wollten. Aber spezifische amtliche Dokumente waren in weiten Teilen Europas nicht mehr nötig. Damit entfiel auch das Erfordernis, eine Erlaubnis für die Ein- oder Ausreise über Staatsgrenzen einzuholen. Die Reisefreiheit gewährleistete noch nicht das Recht, überall dauerhaft bleiben zu dürfen. Im Ancien Régime hatten vor allem lokale Schranken diese Möglichkeit stark behindert, und die Macht der Gemeinden, unerwünschte Auswärtige abzuweisen, ging in sehr unterschiedlichem Tempo verloren. In Großbritannien war sie nie sehr ausgeprägt gewesen. In Frankreich fiel sie endgültig mit der Revolution. Auch das wirtschaftsliberal orientierte Preußen kannte bereits seit der Wende zum 19. Jh. eine relativ weitgehende innerstaatliche Niederlassungsfreiheit. In den meisten übrigen deutschen Staaten hingegen setzte sie sich erst in den 1860er Jahren endgültig durch.22 Allerdings blieb die Pflicht der Gemeinden, neu Zuziehende zu akzeptieren, in zwei Richtungen limitiert: Gewisse Personenkategorien wie vor allem Verarmte blieben fast überall ausgenommen, und dasselbe galt häufig auch für Ausländer. Das preußische Gesetz über die Aufnahme neu anziehender Personen von 1842 beispielsweise hielt fest, dass die Gemeinden jedem, der nicht nachweise, dass er Preuße sei, die Niederlassung versagen könnten, und das deutsche Freizügigkeitsgesetz von 1867 garantierte das Recht auf freie Niederlassung nur den Angehörigen aller Bundesstaaten. Gegenüber Ausländern behielten lokale Instanzen somit einen Ermessensspielraum. Zwischenstaatliche Abkommen schränkten ihn jedoch zunehmend ein. Der deutsch-schweizerische Niederlassungsvertrag von 1876 etwa bestimmte, dass unbescholtene Deutsche in der Schweiz gleich aufzunehmen seien wie Angehörige anderer Schweizer Kantone, und analog galt dasselbe für Schweizer im Deutschen Reich.23 Solche Verträge trugen in der zweiten Jahrhunderthälfte dazu bei, eine grenzüberschreitende Freizügigkeit zu verankern. Sie schufen aber zugleich unterschiedliche Kategorien mehr oder minder berechtigter Ausländer. Zu letzteren gehörten vor allem Osteuropäer, und primär auf sie zielten auch Maßnahmen, welche die Migrationsfreiheit seit der Wende zum 20. Jh. partiell wieder einschränkten. So verschärfte Preußen die Auflagen für osteuropäische Saisonarbeiter noch einen Schritt weiter mittels des 1907 eingeführten Inlandslegitimationszwangs, der die Aufenthaltserlaubnis an einen amtlich anerkannten Arbeitsvertrag koppelte. Auch Großbritannien rückte von seiner Politik der offenen Tür ein Stück weit ab mit dem neuen Aliens Act von 1905: Er ermöglichte es, Neuankömmlinge gleich bei der Einreise zurückzuweisen, wenn sie krank oder armutsgefährdet erschienen. Das Gesetz reagierte auf den verstärkten Zustrom russischer Juden seit den 1880er Jahren, die die Deutschen als größte Ausländergruppe ablösten, und es gilt in der Forschung als 22 Zur Entwicklung in den Staaten des Deutschen Bundes vgl. Ziekow 1997, S. 140–270. 23 Niederlassungsvertrag vom 27.4.1876, in: Reichsgesetzblatt 1877, S. 3–7.

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Wendepunkt, ab dem die britische Einwanderungspolitik unaufhaltsam in eine ausgrenzende Richtung driftete.24 Ein tiefer Einschnitt auf breiter Front erfolgte jedoch erst mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs: Alle kriegsbeteiligten Staaten reaktivierten sofort strikte Pass- und Ausländerkontrollregime, und auch nach Friedensschluss kehrte die weitgehende transnationale Bewegungsfreiheit der Vorkriegszeit nicht zurück. Fremde, die sich im Land niedergelassen hatten, unterstanden im Allgemeinen denselben Gesetzen wie Inländer und genossen tendenziell dieselben zivilrechtlichen Möglichkeiten. Anders als die Französische Revolution, die grundlegende Rechte als Menschenrechte gefasst hatte, bauten die Kodifikationen des frühen 19. Jhs. allerdings meist den Vorbehalt der Reziprozität ein. Das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 etwa proklamierte, dass Fremden prinzipiell die gleichen bürgerlichen Rechte und Verbindlichkeiten wie den Einheimischen zukämen, vorausgesetzt, dass deren Herkunftsstaaten Österreichern ebenfalls Gleichbehandlung gewährten. Der napoleonische Code civil gestand Ausländern zivile Rechte sogar nur insoweit zu, als eine Gegenseitigkeit vertraglich fixiert war. Viele frühere Behinderungen wie im Erbrecht oder beim grenzüberschreitenden Vermögenstransfer wurden denn auch zunächst auf reziproker Basis aufgehoben, bevor sie ganz verschwanden.25 Auch bei der Gleichstellung im Wirtschaftsleben spielten zwischenstaatliche Abkommen eine maßgebliche Rolle. Ausländische Kaufleute waren ohnehin in einer relativ günstigen Position, aber soweit sie noch besonderen Konzessionspflichten oder Abgaben unterlagen, halfen Handelsverträge, sie abzubauen. Beim Zugang zum lokalen Kleingewerbe blieben Ausländer teilweise länger und stärker benachteiligt, vor allem dort, wo, wie in den meisten deutschen Staaten, noch Zunftregulative existierten. Aber die Durchsetzung der Gewerbefreiheit und das Freihandelsvertragsystem der 1860er Jahre ließen auch diese Schranken fallen. So machte die norddeutsche Gewerbeordnung von 1869 außer hinsichtlich des Wandergewerbes überhaupt keinen Unterschied mehr zwischen In- und Ausländern.26 Für unselbstständig Beschäftigte standen die Arbeitsmärkte schon zu Beginn der Epoche offen: Einer besonderen Arbeitserlaubnis, wie sie im 20. Jh. typisch werden sollte, bedurften Ausländer nicht. Zwar begannen einzelne Staaten im späten 19. Jh., ihre Anheuerung in spezifischen Hinsichten zu limitieren, wie das Beispiel der polnischen Saisonarbeiter in Preußen signalisierte. Das blieben aber Ausnahmen, generell kam es vor dem Ersten Weltkrieg zu keinen staatlichen Interventionen, die fremde gegenüber einheimischen Arbeitskräften diskriminiert hätten. Problematischer war für Ausländer die Ausübung freier Berufe, die eine staatlich reglementierte Ausbildung voraussetzten: 24 Vgl. etwa die kritischen Überblicke von Holmes 1991 und Panayi 2010. Eine komparative Analyse bietet Reinecke 2010. 25 Zur Beseitigung etwa des alten französischen droit d’aubaine vgl. Sahlins 2004, S. 267–327. 26 Zur Entwicklung der gewerberechtlichen Bestimmungen der deutschen Staaten vgl. Friederichsen 1967, S. 163–191; zur Bedeutung der Handelsverträge: Strauch 1869.

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Ausländische Qualifikationen wurden oft nicht anerkannt und Ausländer nicht ohne Weiteres zu inländischen Staatsprüfungen zugelassen. Auch gewisse Tätigkeiten im politisch heiklen Pressegewerbe blieben mitunter Inländern vorbehalten. Während in Kontinentaleuropa diverse, obgleich insgesamt schwindende Barrieren eine gleichberechtigte wirtschaftliche Entfaltung mehr oder weniger behinderten, konnten Zuwanderer in Großbritannien schon früh fast sämtlichen Gewerben und Berufen frei nachgehen. Dafür bestand hier eine alte Benachteiligung fort, die auf dem Kontinent weitgehend obsolet war: Ausländer durften Land und Häuser weder kaufen noch erben noch überhaupt besitzen. Seit 1844 konnten sie Immobilien zum Eigengebrauch immerhin auf bis zu 21 Jahre pachten; auch galt nun eine Ausnahme für Kinder britischer Mütter. Aber das grundsätzliche Verbot, das in der herrschaftlich-politischen Bedeutungsdimension des Grundeigentums wurzelte, fiel erst 1870. In anderen europäischen Staaten waren Ausländer allenfalls vom Erwerb gewisser Kategorien von Gütern ausgeschlossen, längst aber nicht mehr vom Immobilienbesitz an sich. In Preußen etwa konnten sie sogar Rittergüter kaufen, sofern sie einen Inländer mit den da­ran gebundenen hoheitlichen Funktionen betrauten. Unter den persönlichen Freiheitsrechten, die sich im 19. Jh. allmählich durchsetzten, war aber wohl die Religionsfreiheit am signifikantesten für die veränderten Möglichkeiten von Zugehörigkeit. Sie leitet zugleich von den zivilen zu den politischen Rechten über. In Frankreich war das religiöse Bekenntnis seit der Revolution irrelevant für die Beziehung zwischen Individuum und Staat, und die Verallgemeinerung dieses zentralen Aspekts von Rechtsgleichheit gehörte in der Folge zum Kern liberaler Reformprogramme. Sie stieß indes auf viele Hindernisse. Zu den Staaten, in denen noch nicht einmal die Kultusfreiheit obsiegte, gehörte das monokonfessionelle Spanien: Zwar genossen Ausländer ohne expliziten Konfessionsvorbehalt das Recht auf freie Niederlassung und eine praktisch völlige zivilrechtliche Egalität mit den Inländern; aber ungeachtet des Übergangs zu einem liberal-konstitutionellen Regierungssystem blieb der römische Katholizismus als einzig zugelassene Religion sakrosankt. Selbst noch die Verfassung von 1876 verbot zumindest die öffentliche Ausübung aller anderen Bekenntnisse.27 Mit der Gleichstellung der Konfessionen tat sich auch Großbritannien schwer, und angesichts substanzieller religiöser Minderheiten hatte das viel weiter reichende praktische Konsequenzen als im spanischen Fall. Für die Bekleidung öffentlicher Ämter war im frühen 19. Jh. noch generell das Bekenntnis zur anglikanischen Staatskirche vonnöten. Katholiken und protestantische dissenters erlangten die Emanzipation erst 1828/29, die Juden 1858, und in mächtigen Institutionen wie den Universitäten von Oxford und Cambridge zog sich die Abschaffung von religiösen Diskriminierungen noch bis 1871 hin.28 Im konfessionell gemischten deutschen Raum reichte die Toleranz hinsichtlich 27 Delgado 2007; Babiano 2007, S. 696–701. 28 Fahrmeir 2000, S. 166f.

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der christlichen Glaubensgemeinschaften bereits in die Frühe Neuzeit zurück, und die Bundesakte von 1815 sicherte ihren Angehörigen ausdrücklich Gleichberechtigung zu. Dafür war die Ausgrenzung der Juden umso schärfer, die ihre rechtliche Gleichstellung endgültig erst im Zuge der Reichsgründung erlangten. Österreich tat denselben Schritt fast zeitgleich 1867. In der Schweiz, wo bis zur Bundesstaatsgründung selbst Angehörige der jeweils anderen christlichen Konfession vom Bürgerrecht vieler Gemeinden und Kantone ausgeschlossen gewesen waren, vollendeten die Verfassungsrevisionen von 1866 und 1874 die Emanzipation der Juden. Trotz aller Widerstände war die Gleichberechtigung der Angehörigen aller Konfessionen um 1870 zu einem gemeineuropäischen Völkerrechtsprinzip geworden. Das zeigte sich anlässlich des Berliner Kongresses von 1878, der die jungen südosteuropäischen Nationalstaaten zu seiner Akzeptanz zwang.29 Benachteiligungen aus religiösen Gründen hatten in erster Linie den Status von innerstaatlichen Minderheiten betroffen, aber Ausländer waren ebenfalls tangiert, soweit sie nicht der dominanten Konfession angehörten. So konnten sich etwa katholische und jüdische Zuwanderer in Großbritannien bis in die 1820er Jahre nicht naturalisieren lassen,30 und nach preußischem Gesetz von 1842 war für die Einbürgerung von Juden eine besondere ministerielle Genehmigung vorgeschrieben. Auch solche Diskriminierungen entfielen mit der Gleichstellung der Glaubensbekenntnisse, zumindest auf der rechtlichen Ebene. Unterschwellig lebten sie vielfach fort,31 wobei rassistische Vorstellungen das religiöse Moment zunehmend überlagerten. Dennoch hatte das Recht eine real wirksame Kraft. Forderungen nach einer Zurücknahme der Emanzipation der Juden oder nach ihrem radikalen Ausschluss von Einwanderung und Einbürgerung, wie sie erstarkende antisemitische Bewegungen seit dem ausgehenden 19. Jh. erhoben, blieben in der Epoche vor dem Ersten Weltkrieg chancenlos. Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Bereich, wo die Differenz zwischen Inländern und Ausländern nur relativ schwach markiert war, prägte sie sich bei den politischen Rechten zunehmend stark aus. Von politischen Artikulationsspielräumen wie dem Vereinigungs- und Versammlungsrecht oder der Pressefreiheit waren Fremde zwar in der Regel nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Das aktive und passive Wahlrecht avancierte jedoch überall zum Vorrecht der Staatsbürger, und auch die Ausübung von öffentlichen Ämtern und Funktionen aller Art wurde im Lauf des 19. Jhs. immer exklusiver an den Besitz der jeweiligen Staatsangehörigkeit gekoppelt. Diese Tendenz zeigte sich deutlich im öffentlichen Dienst. Manche Gesetzestexte hielten zunächst noch eine Tür für Ausländer offen, indem sie bestimmten, dass die Aufnahme in den höheren Staats29 Sundhaussen 2001, S. 201f. 30 Beerbühl 2003, S. 60f. 31 Zur faktischen Diskriminierung ausländischer Juden in Preußen vgl. etwa die Fallstudie von van Rahden 1998.

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dienst die Naturalisation bewirke. Zumal im deutschen Raum ermöglichte das die Fortführung der traditionellen Elitenmobilität. Entsprechende Klauseln enthielten beispielsweise das österreichische Bürgerliche Gesetzbuch von 1811, das preußische Untertanengesetz von 1842 und selbst noch das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz von 1870. Umgekehrt verboten viele Staaten ihren eigenen Angehörigen allerdings unter teilweise drastischen Strafandrohungen, ohne Sondererlaubnis in fremde Dienste zu treten. Die sich durchsetzende Auffassung vom Staatsdienst als staatsbürgerlichem Privileg ließ die Heranziehung von Ausländern aber ohnehin immer mehr zur Ausnahme werden. Tendenziell wurden die Schranken im öffentlichen Sektor rigider und weiteten sich sogar auf subalterne Ebenen aus. So verloren etwa die hessischen Straßenkehrer von Paris ihre Existenzgrundlage, als die Stadtverwaltung seit den 1890er Jahren nur noch Franzosen beschäftigte.32 Eine analoge Entwicklung vollzog sich im Militär. Während Heere ausländischer Söldner ein prägendes Charakteristikum der Frühen Neuzeit dargestellt hatten, propagierte das 19. Jh. das Idealbild des Staatsbürgers in Uniform. Wenn von außerhalb Europas eingesetzten Sondertruppen abgesehen wird, etablierte sich der Grundsatz, dass nur Staatsangehörige in der jeweiligen Armee dienen sollten und zugleich mussten – das augenfälligste Exemplum dafür, dass staatliche Mitgliedschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten zuordnet. Außer Großbritannien, das bis zum Ersten Weltkrieg keine Wehrpflicht kannte, verlangten praktisch alle europäischen Staaten dieses Opfer von ihren Bürgern. Seine Durchsetzung war einer der Hauptgründe für die rigiden Mobilitätskontrollen des frühen 19. Jhs.: Passerteilung und Auswanderungserlaubnis hingen vielfach von der Erfüllung der militärischen Pflichten ab. Der Ausschluss von Fremden war zunächst noch nicht komplett, und mancherorts war es noch möglich, rechtliche Zugehörigkeit mittels freiwilliger Soldatendienste zu erwerben. Selbst wo dies nicht vorgesehen war, galt der geleistete Militärdienst in Zweifelsfällen als Subs­ titut für einen formellen Rechtstitel. So blieben etwa im Zuge der Polenausweisung von 1885/86 Männer, die im preußischen Militär gedient hatten, samt ihren Familien verschont, auch wenn sie ansonsten keinen Beleg für ihre preußische Staatsangehörigkeit beibringen konnten. Je eindeutiger sich die Grenzziehung zwischen In- und Ausländern ausbildete, desto exklusiver verkoppelte sich der generell ungeliebte Militärdienst jedoch mit der vorgängig erworbenen Staatsangehörigkeit. Nicht-Zugehörigkeit konnte in dieser Hinsicht von Vorteil sein. Allerdings legten viele Regierungen nachdrücklich Wert darauf, dass im Ausland weilende Staatsangehörige ebenso wie im Inland lebende Ausländer dem Militärdienst nicht entgingen. Zu den diesbezüglich besonders rigorosen Staaten zählte Preußen. Die preußischen Behörden drohten jungen Ausländern, die die Wehrpflicht nicht im Heimatstaat erfüllt hatten, mit der Ausweisung, sofern sie sich nicht einbürgern ließen und somit der preu32 König 2003, S. 23.

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ßischen Wehrpflicht unterstellten. Vor allem mit den Niederlanden kam es darüber zu langwierigen Konflikten. Hart sprang Preußen auch mit eigenen Staatsangehörigen um, die mutmaßlich zwecks Umgehung der Militärpflicht emigriert waren und eine andere Staatsangehörigkeit erworben hatten. Wenn sie zurückkehrten, mussten sie ebenfalls mit der Ausweisung rechnen oder aber doch noch den preußischen Militärdienst ableisten. Die daraus resultierenden Spannungen mit den USA wurden zwar durch den sog. Bancroft-Vertrag von 1868 entschärft. Aber Preußen hielt prinzipiell daran fest, dass Emigranten, die die Staatsangehörigkeit vor Erfüllung ihrer Militärpflicht wechselten, im Fall der Rückkehr unter Umständen auszuweisen seien.33 Die Verankerung von sozialen Rechten schließlich rückte erst seit der Wende zum 20. Jh. auf die politische Agenda. Bis dahin bildete die Armenfürsorge das wichtigste öffentliche Sicherungsnetz gegen materielle Notlagen. Herkömmlich oblag sie den Gemeinden, und im Kern änderte sich daran im 19. Jh. nichts: Eine Anwartschaft auf Unterstützung hatte grundsätzlich nur, wer der jeweiligen Gemeinde angehörte. In dieser Hinsicht galten auch Inländer als Fremde außerhalb der für sie zuständigen Gemeinde, im Verarmungsfall konnten sie dorthin zurückgeschickt werden. Der für die Armenunterstützung relevante Zugehörigkeitstitel war in weiten Teilen Europas nicht mehr identisch mit dem alten Gemeindebürgerrecht, und die Hürden zu seinem Erwerb waren tendenziell sinkend. So verkürzten Großbritannien oder Preußen respektive das Deutsche Reich sukzessive die Aufenthaltsfristen, nach deren Ablauf neu Zugezogene nicht mehr abgeschoben werden durften. In anderen Ländern hingegen blieben die Regeln äußerst starr. Österreich verschärfte sie um die Jahrhundertmitte sogar noch, sodass die von den Eltern ererbte armenrechtliche Zugehörigkeit praktisch gar nicht mehr gewechselt werden konnte. In der Folge stieg der Anteil der Bevölkerung, der am Wohnort und selbst am Geburtsort nicht heimatberechtigt war, kontinuierlich an.34 Noch länger hielten die meisten Schweizer Kantone an einem unflexiblen Heimatprinzip fest, obwohl um die Wende zum 20. Jh. bereits die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr am ererbten Heimatort lebte. Ausländer konnten in der Regel keine armenrechtlichen Zugehörigkeitstitel erwerben. Dennoch hatten die Gemeinden ihnen gegenüber ebenso gewisse Verpflichtungen wie gegenüber ortsfremden Inländern. Nach dem preußischen Armenpflegegesetz von 1842 etwa durften sie Fremde keinesfalls hilflos sich selbst überlassen, und die preußischen Ausführungsbestimmungen zum Unterstützungswohnsitzgesetz von 1870 hielten sogar fest, dass Ausländer gleich wie Inländer zu behandeln seien. Der Gleichbehandlungsgrundsatz galt allerdings nur so lange, wie sie überhaupt im Inland geduldet wurden. Das war der große Vorbehalt: Ausländer konnten stets ausgewiesen werden, unabhängig von den 33 Siehe etwa die entsprechende Klausel in dem bereits erwähnten deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrag von 1876, Art. 8 und Zusatzprotokoll. Vgl. oben FN 23. 34 Hahn 2005. Zur Praxis des sich aus dem Heimatrecht ergebenden Schubverkehrs vgl. Wendelin 2000.

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für Inländer geltenden Aufenthaltsfristen, und sofern sich eine längere Hilfsbedürftigkeit abzeichnete, wurde von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch gemacht. Seit der Mitte des 19. Jhs. garantierten diverse Abkommen die reziproke Hilfeleistung an Angehörige der Vertragsstaaten in Notfällen und lenkten das Heimschaffungsverfahren in geordnete Bahnen. Großbritannien war auch in dieser Hinsicht ein Sonderfall: Während inländische Arme in großer Zahl in die für sie zuständigen Gemeinden oder Landesteile geschoben wurden, waren hilfsbedürftige Ausländer vor der Ausweisung sicher. Das bedeutete jedoch umgekehrt, dass sie sich keine Heimreise auf Kosten der Armenkassen verschaffen konnten. Angesichts einer nur notdürftigsten öffentlichen Unterstützung zogen es viele Mittellose letztlich vor, mithilfe der Konsulate oder eines Wohltätigkeitsvereins freiwillig in die Heimat zurückzukehren. So finanzierten britisch-jüdische Organisationen um die Wende zum 20. Jh. die Repatriierung Tausender osteuropäischer Glaubensgenossen.35 Als mit dem Aufstieg des modernen Wohlfahrtsstaats neue Sicherungsmechanismen neben die Armenfürsorge traten, verloren lokale Zugehörigkeiten an Relevanz, während die Staatsangehörigkeit an materiellem Wert gewann. Trotzdem lässt sich nicht behaupten, dass Ausländer zu Beginn des 20. Jhs. weniger soziale Rechte genossen hätten als ein Jahrhundert zuvor.36 Es trifft zwar zu, dass sie von manchen der neuen Sicherungssysteme ausgeschlossen wurden, so etwa von den 1908 eingeführten, staatlich finanzierten britischen Alterspensionen. In Systemen wie den bismarckschen Arbeiterversicherungen hingegen, deren Finanzierung auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen basierte, waren ausländische Arbeitskräfte in der Regel genauso versicherungspflichtig wie inländische, und sie hatten grundsätzlich Anspruch auf dieselben Leistungen. Obwohl sich manche Relativierung anbringen ließe, waren Sozialversicherungen für den Status von Ausländern insgesamt vorteilhaft, nicht zuletzt, indem sie die armenrecht­liche Hilfsbedürftigkeit und somit die drohende Ausweisung vermeiden halfen. Arbeiterschutzbestimmungen und das Koalitionsrecht galten ebenfalls generell für alle Arbeitskräfte. In der Praxis waren Ausländer allerdings oft bereit oder gezwungen, schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, vor allem, wenn sie sich nur vorübergehend im Land aufhielten. Als die Beschäftigung von Ausländern um die Wende zum 20. Jh. in manchen Regionen stark zunahm, ergaben sich hieraus vermehrt Konflikte: Seitens der Einheimischen sahen sich Zuwanderer oft als Lohndrücker und Streikbrecher diffamiert. Wenn Gewerkschaften und Regierung am selben Strang zogen, konnten sich aus solchen Spannungen indes auch produktive Lösungsansätze ergeben. So schloss Frankreich 1904/06 mit Italien und Belgien, den beiden wichtigsten Herkunftsländern ausländischer Arbeitskräfte, Abkommen, die unter anderem den Grundsatz der Lohngleichheit stipulierten. Die meisten Staaten mochten in der Vorkriegszeit jedoch noch nicht solchermaßen in die Vertragsfreiheit intervenieren. 35 Feldman 2003. 36 So Fahrmeir u. a. 2003, S. 6.

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4. Zum Inl änder wer den: Nor men und Ver fahr en der Einbürgerung Volle Rechte in allen Rechtsbereichen konnte nur genießen, wer über eine anerkannte Mitgliedschaft im jeweiligen Staat verfügte. Dem Beispiel des revolutionären Frankreich folgend, gaben etliche frühkonstitutionelle Staaten den Regeln, nach denen sie zu erwerben war, Verfassungsrang. Andere orientierten sich am einflussreichen napoleonischen Code civil und verankerten die fraglichen Normen in bürgerlichen Gesetzbüchern. Wiederum andere erließen eigenständige Staatsangehörigkeitsgesetze. Überall aber erfolgte eine präzise Fixierung der Kriterien und Verfahren, nach denen sich staatliche Mitgliedschaft bestimmte. In der Forschung ist intensiv über die Frage debattiert worden, inwieweit die beiden Grundmodelle des primären Erwerbs von Staatsangehörigkeit eine Affinität zu bestimmten Nationsvorstellungen aufweisen. Vielfach ist argumentiert worden, dass das ius soli, wonach die Geburt in einem Territorium Zugehörigkeit konstituiert, die Inklusion von Zuwanderern begünstige, weil es auf einem politisch-staatlichen Verständnis der Nation basiere. Das ius sanguinis, wonach sich Zugehörigkeit von den Eltern, in der Regel dem Vater, auf die Kinder vererbt, sei hingegen inhärent ausgrenzend gegenüber Fremden, weil es mit ethnisch-kulturellen Vorstellungen der Nation verknüpft sei. Frankreich und Deutschland gelten manchen als historische Musterfälle für diese Dichotomie: Im territorial früh gefestigten französischen Nationalstaat habe sich das inklusive ius soli etabliert; für den mitteleuropäischen Raum hingegen, wo das entstehende Nationalbewusstsein auf einen erst noch zu schaffenden Nationalstaat zielte, sei das exklusive ius sanguinis typisch geworden. Nach dieser Interpretation dienten Staatsangehörigkeitsregeln als Instrument zur Realisierung kontrastierender Nationskonzepte.37 Unterdessen ist dieses Bild erheblich relativiert worden. Wie neuere Studien verdeutlicht haben, spielte bei der Einführung des ius sanguinis das Motiv, ethnisch-kulturelle Homogenität herzustellen, anfänglich keine Rolle. Vielmehr verbreitete es sich vom napoleonischen Frankreich aus über weite Teile Europas, weil es zeitgemäßer erschien als das ius soli, das für die überlebten Herrschaftsverhältnisse des Ancien Régime stand. Mit dem Abstammungsprinzip ließ sich der Verband der Staatsangehörigen fester umreißen und der Zugehörigkeitswechsel zu einem willentlichen Akt machen. Potenziell ließ es sich allerdings mit ethnisch-nationalen Ideologien aufladen, was seit der Wende zum 20. Jh. zunehmend geschehen sollte. Aber im 19. Jh. standen zunächst ganz andere Erwägungen im Vordergrund. Das spiegelt sich auch darin wider, dass praktisch kein Staat ein reines ius soli oder ius sanguinis einführte. Außerdem war neben dem primären Zuteilungsmodus bei der Geburt stets die Möglichkeit der Einbürgerung vorgesehen, die mehr oder weniger restriktiv gehandhabt werden konnte. 37 Vgl. Brubaker 1994.

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Als Beispiel für die traditionale Qualität des ius soli kann Großbritannien stehen. Nach hergebrachtem Common Law begründete die Geburt im Herrschaftsbereich der britischen Krone den Status als British subject, und noch bis ins 20. Jh. hinein hielten die Rechtstexte an dieser Konzeption fest, die Zugehörigkeit nicht als Staatsangehörigkeit, sondern als persönliche Treuebindung an den Monarchen fasste. Theoretisch bildeten alle Untertanen einen einheitlichen Verband, unabhängig davon, in welchem Teil des Empire sie geboren waren. Die Frage, inwieweit die Bevölkerung der Kolonien diese Zugehörigkeit praktisch im Mutterland geltend machen könne, begann sich, wie für andere Kolonialmächte, erst nach 1914 akuter zu stellen. Neben dem zentralen ius soli enthielt das britische Recht seit dem 18. Jh. auch eine Abstammungskomponente, indem im Ausland geborene legitime Kinder und Enkelkinder von männlichen Briten deren Status erbten. Während im Vereinigten Königreich geborene Kinder von Zuwanderern in jeder Hinsicht als Inländer rangierten, war die Einbürgerung schwierig, teuer und führte da­rüber hinaus nicht zur völligen Gleichstellung mit geborenen Briten. Das gilt sowohl für die durch königliches Patent verliehene denization, die noch bis 1870 existierte, als auch für die ursprünglich durch Parlamentsbeschluss bewirkte naturalization, die zwar höherwertig war, doch bis 1844 ebenfalls nicht zur Bekleidung öffentlicher Ämter berechtigte. Mit der Reform jenes Jahres wurde die naturalization vereinfacht und verbilligt, aber das Verfahren war weiterhin stark zentralisiert, indem das Innenministerium über alle Gesuche zu befinden hatte, und Naturalisierte blieben noch bis 1870 im Regelfall von einzelnen Funktionen wie vor allem der Parlamentsmitgliedschaft ausgeschlossen. Zudem konnten sie zeitweise kaum Auslandspässe erhalten und riskierten, bei längerem Auslandsaufenthalt ihren britischen Untertanenstatus wieder zu verlieren. Die Ungleichbehandlung der Naturalisierten war im frühneuzeitlichen Europa weit verbreitet gewesen, aber im britischen Fall hielt sie sich besonders hartnäckig. Der Grund lag in der Auffassung, dass das Untertanenverhältnis eigentlich unauflösbar sei, naturalisierte Ausländer ihren Herkunftsstaaten also nach wie vor verpflichtet blieben. Erst das Naturalisationsgesetz von 1870 rückte von dieser Position ab. Gleichzeitig verlängerte es die Mindestdauer, die Einbürgerungskandidaten im Vereinigten Königreich gelebt haben mussten, auf fünf Jahre. Um die Jahrhundertwende wurden ausreichende Sprachkenntnisse zu einer weiteren obligatorischen Voraussetzung. Angesichts des günstigen Rechtsstatus von Ausländern in Großbritannien erstaunt es nicht, dass nur relativ wenige den Aufwand einer mit diversen Vorbehalten umgebenen Einbürgerung auf sich nahmen. Besonders vor 1844 waren Anträge äußerst selten, und auch später bewegten sich die Naturalisationen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.38 So lagen die Zahlen in den deutschen Staaten in Relation zur Gesamtbevölkerung um ein Vielfaches höher. Die französischen Verhältnisse ähnelten den britischen insofern, als auch hier ein inkludierender primärer Zuteilungsmodus von Zugehörigkeit mit einem wenig einla38 Vgl. Beerbühl 2003; Fahrmeir 2000, S. 43–52, 69–93; Gammerl 2010, S. 225–232.

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denden Naturalisationsverfahren einherging.39 Aus dem Ancien Régime überkommen war ein vom ius soli dominiertes Verständnis dessen, was einen Franzosen ausmache, und hieran änderte die Revolution nichts. Sie ergänzte das Geburtsprinzip jedoch vorübergehend durch die automatische Naturalisation von Zuwanderern aufgrund ihres Domizils in Frankreich. Am weitesten ging hierbei die republikanische Verfassung von 1793, die jedem erwachsenen ausländischen Mann staatbürgerliche Rechte (und Pflichten) zusprach, der seit einem Jahr in Frankreich ansässig war und dort von seiner Arbeit lebte, Besitz erwarb, eine Französin heiratete, ein Kind annahm oder einen Greis ernährte. Die Verfassung von 1795 war bereits wieder deutlich zurückhaltender: Sie verlangte einen siebenjährigen Aufenthalt in Frankreich nach erreichter Volljährigkeit und expliziter Absichtserklärung, bevor das Staatsbürgerrecht erworben werden konnte, eine Frist, die die Verfassung von 1799 auf zehn Jahre verlängerte. Die Revolutionsverfassungen nannten primär die Bedingungen für das Aktivbürgerrecht, während die Abgrenzung der Staatsangehörigen als solcher eher implizit geblieben war. Eine explizite Definition erfolgte mit dem Code civil von 1803, der zugleich einen Umschwung hin zum Abstammungsprinzip vollzog: Franzosen waren seither in erster Linie die Kinder französischer Väter, unabhängig vom Ort ihrer Geburt. Trotzdem lebte ein starkes territoriales Element fort: In Frankreich geborene Kinder ausländischer Eltern hatten auch fernerhin einen Anspruch auf die französische Staatsangehörigkeit, sie konnten sie nach ihrer Volljährigkeit einfordern. Dieses Angebot nutzten indes nur wenige. Die meisten jungen Männer zogen es vor, Ausländer zu bleiben und so der französischen Konskription zu entgehen. Angesichts eines stetig wachsenden ausländischen Bevölkerungsanteils und einer beunruhigend niedrigen französischen Geburtenrate erschien das mit der Zeit immer problematischer. Deshalb verlagerten bereits ein Gesetz von 1851 und dann vor allem die Reform von 1889 das Gewicht wieder stärker zum ius soli: Seit 1889 erhielten die in zweiter Generation im Land geborenen Enkel von Einwanderern automatisch die französische Staatsangehörigkeit mit allen daran hängenden Rechten und Pflichten. Die erste Generation erhielt sie ebenfalls automatisch, aber erst mit der Volljährigkeit und mit der Möglichkeit, sie abzulehnen. Für im Land geborene und sozialisierte Kinder ausländischer Eltern stand die französische Staatsangehörigkeit mithin durchgehend offen. Die Naturalisation hingegen war seit der napoleonischen Ära eine höchst langwierige und kostspielige Angelegenheit, wenn von kürzeren Phasen der Lockerung abgesehen wird. Im Regelfall durften Kandidaten in Anlehnung an die Verfassung von 1799 erst zehn Jahre nach registrierter Absichtserklärung einen Antrag stellen, über den zentralstaatliche Instanzen nach freiem Ermessen entschieden. Kein anderes europäisches Land verlangte von Einbürgerungswilligen eine derart lange Mindestwohnsitzdauer. Zudem blieben Naturalisierte wie in Großbritannien politisch minderberechtigt, indem sie nicht ohne Weiteres Par39 Vgl. zum Folgenden Weil 2002, S. 17–69.

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lamentsmitglieder werden konnten. Immerhin existierte mit der admission à domicile ein leichter zu erlangender alternativer Status, der zwar keine politische Partizipation, aber eine volle zivilrechtliche Gleichstellung mit den Inländern gewährte. Admissions à domicile waren häufiger als Naturalisationen, doch selbst die Summe beider Verfahren verharrte während Jahrzehnten auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie im britischen Fall. Erst im ausgehenden 19. Jh. legte die Zahl der Naturalisationen merklich zu, obwohl die Reform von 1889 die Bedingungen kaum erleichterte. Eine Ursache war, dass die admission à domicile nun nur noch als Vorstufe zur Naturalisation und nicht mehr als eigenständiger Status erworben werden konnte. Verwandte Staatsangehörigkeitsregeln entwickelten westeuropäische Staaten, die stark vom französischen Recht beeinflusst waren, wie beispielsweise Spanien.40 Alle spanischen Verfassungen des 19. Jhs. nannten die Geburt im Land an erster Stelle unter den Kriterien, welche die Eigenschaft als Spanier begründeten. Das Territorialprinzip wurzelte auch hier in der Tradition des Ancien Régime, stand nun aber unter nationalstaatlichen Vorzeichen. Ergänzend griff seit 1837 das ius sanguinis, indem im Ausland geborene Kinder spanischer Väter oder Mütter deren Status erbten. Anders als in Frankreich konnte die staatliche Zugehörigkeit darüber hinaus nicht nur durch Naturalisation seitens des Staats, sondern bis ins 20. Jh. hinein auch vermittels der Gemeindezugehörigkeit (vecindad) erlangt werden. Ein Dekret aus dem Jahr 1852, das das Ausländerrecht mit langfristiger Wirkung systematisierte, unterteilte die verbleibenden Fremden in vorübergehend Anwesende und Niedergelassene, die im Wirtschaftsleben eine weiter gehende Gleichstellung mit den Einheimischen genossen. Vor allem aber schrieb das Dekret ein fakultatives Moment in das ius soli ein, das unmittelbar an die französische Lösung erinnert: Im Land geborene Kinder ausländischer Eltern hatten ebenso wie im In- oder Ausland geborene Kinder eines ausländischen Vaters und einer spanischen Mutter die Möglichkeit, bei der Volljährigkeit für die spanische Staatsangehörigkeit zu optieren. Den in zweiter Generation in Spanien Geborenen blieb hingegen keine Wahl: Sie unterstanden jedenfalls der Militärpflicht, selbst wenn sie sich für die Beibehaltung der elterlichen Staatsangehörigkeit entschieden. Anders als die westeuropäischen gingen die deutschen Staaten im Lauf des 19. Jhs. zu einem praktisch reinen ius sanguinis über: Eheliche Kinder erbten die Zugehörigkeit des Vaters, uneheliche die der Mutter, und Kinder ausländischer Eltern galten stets als Ausländer. Das Abstammungsprinzip verfestigte sich jedoch erst sukzessive, anfänglich war das territoriale Moment noch stark ausgeprägt. Das gilt namentlich für Preußen, wo allerdings nicht der Geburtsort, sondern das Domizil entscheidend war: Bereits die Wohnsitznahme im Inland konstituierte die Eigenschaft als preußischer Untertan, sofern die Absicht eines dauerhaften Bleibens bestand, ebenso wie die als dauerhaft intendierte Aufgabe des inländischen Wohnsitzes sofort zu deren Verlust führte. Dieses 40 Torres Campos 1891; Manz 2006, S. 315–318. Einen Überblick zu Italien bietet Bersani 1997.

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ebenso einfache wie vage Verfahren der Inklusion führte zu vielfältigen Unsicherheiten. Auch in den meisten übrigen deutschen Territorien fehlten mindestens bis in die 1830er Jahre präzise Regelungen, während einige in Orientierung am französischen Code civil oder in Anknüpfung an ältere gemeinderechtliche Normen schon früh das Abstammungsprinzip kodifizierten, es in der Regel aber mit territorialen Elementen kombinierten. Oft war eine automatische Einbürgerung nach einer Reihe von Jahren der unbeanstandeten Ansässigkeit im Land vorgesehen. Eine gewisse Harmonisierung innerhalb des Deutschen Bundes bewirkten die Verträge, die seine Mitgliedsstaaten zur Regelung von Abschiebungen abschlossen. Sie hielten die Kriterien fest, nach denen unerwünschte Personen im Zweifelsfall zuzuordnen waren. Dabei stand durchweg die Abstammung an erster Stelle. Ließ sich diese nicht ermitteln, zählte der Geburtsort, und falls auch der unbekannt war, der Aufenthaltsort. Ferner fixierten die Verträge als Norm, dass ein zehnjähriger stillschweigend gestatteter Aufenthalt oder die Verheiratung unter Gründung eines eigenen Haushalts die Zugehörigkeit implizierte, aber nur in Fällen, in denen kein anderes Untertanenverhältnis fortbestand. Ansonsten hatten die Vertragsstaaten auch ehemalige Angehörige, die ihre Zugehörigkeit verloren, aber keine neue erworben hatten, zurückzunehmen. Die direkten Konsequenzen dieser Verträge für das Staatsangehörigkeitsrecht dürfen allerdings nicht überschätzt werden.41 Schon gar nicht dürfen sie so gelesen werden, als hätte die zehnjährige Anwesenheit in einem anderen deutschen Staat effektiv stets die Einbürgerung bewirkt. Denn erstens kam es in der Regel nicht dazu, weil die meisten Staaten den Angehörigen von Vertragspartnern einen längeren Aufenthalt überhaupt nur dann gestatteten, wenn sie einen Heimatschein oder Pass beibrachten, der den Fortbestand ihrer alten Zugehörigkeit bestätigte. Und zweitens differenzierten die Verträge je länger, desto deutlicher zwischen Zugehörigkeit im Sinn einer Übernahmepflicht im Ausweisungsfall und Zugehörigkeit im Sinn des Untertanen- oder Staatsbürgerrechts. Vor allem die preußische Regierung legte Wert auf die Feststellung, dass die Untertaneneigenschaft allein nach der einzelstaatlichen Gesetzgebung, nicht aber nach den Vertragsklauseln zu beurteilen sei.42 Der multilaterale Gothaer Vertrag von 1851, der alle älteren Abkommen ablöste, stellte schließlich unmissverständlich klar, dass er das Staatsangehörigkeitsrecht nicht tangierte. Jeder Vertragspartner verpflichtete sich vielmehr dazu, seine aktuellen und ehemaligen Staatsangehörigen auf Verlangen zeitlich unbefristet zurückzunehmen, solange sie nicht die Zugehörigkeit zu einem anderen Staat nach dessen Recht erworben hatten. Andere Zuordnungskriterien wie eine auf fünf Jahre verkürzte Aufenthaltsdauer zählten nur noch bei Personen und Familien, die weder einem 41 Vgl. hingegen Fahrmeir 2000, S. 26–39. 42 Vgl. etwa den Vertrag zwischen Preußen und Hannover vom 12./20.8.1839. Alle von Preußen eingegangenen Verträge finden sich in der Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, hier 1839, S. 257–263.

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der Vertragsstaaten je angehört hatten noch nach außerhalb des Vertragsgebietes abgeschoben werden konnten, und auch bei ihnen sagte die Übernahmepflicht nichts über ihre Anerkennung als Staatsangehörige aus. Preußen war unterdessen mit Gesetz von 1842 zum ius sanguinis übergegangen. Selbstredend galt es nicht rückwirkend, aber Ausländer, die nach 1842 zuwanderten, konnten Zugehörigkeit nur noch durch explizite Einbürgerung erlangen. Dass die Reform nicht durch ethnisch-nationale Vorstellungen motiviert war, liegt auf der Hand, denn in Kombination mit den Übernahmeverträgen verschärfte sie die Abgrenzung der preußischen Untertanen gerade gegenüber den Angehörigen der übrigen deutschen Staaten. Im Gefolge der Reichsgründung wurden die Grundregeln für Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit nach preußischem Muster vereinheitlicht, und Angehörige eines Gliedstaates erhielten einen Rechtsanspruch darauf, in jedem anderen als Staatsangehörige aufgenommen zu werden. Die Naturalisation von Reichsausländern hingegen lag weiterhin in der Kompetenz der Einzelstaaten, wie überhaupt die Staatsangehörigkeit eine primär einzelstaatliche blieb. Hieran hielt auch das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 fest. Ähnlich verlief die Entwicklung im Habsburgerreich: Bereits das österreichische Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 brach mit der feudalen Tradition des ius soli zugunsten des Abstammungsprinzips, und der daneben zunächst noch wirksame implizite Zugehörigkeitserwerb durch zehnjährigen Wohnsitz im Land entfiel 1833. Ungarn galt zwar seit 1867 endgültig als Ausland in Relation zu Österreich und erließ 1879 ein eigenes Staatsangehörigkeitsgesetz, dieses basierte aber ebenfalls auf dem Abstammungsprinzip.43 Die Naturalisationsverfahren variierten in den deutschen Ländern stark, doch war es gerade in Preußen bemerkenswert einfach. Das Gesetz verlangte von Kandidaten nur wenige Mindestvoraussetzungen wie einen unbescholtenen Lebenswandel und die Fähigkeit, sich und ihre Familien zu ernähren. Ansonsten blieb die Abwicklung von Einbürgerungen im Regelfall den Bezirksregierungen überlassen. Die Praxis schwankte mit den politischen Konjunkturen und je nach Landesteil. Die traditionelle Diskriminierung von Juden verstärkte sich wieder nach dem relativ liberalen Reichsgründungsjahrzehnt, auch auf Polen und generell Osteuropäer zielten restriktive ministerielle Sondervorschriften. Die zahlreich in den Westprovinzen lebenden Niederländer hingegen wurden zur Einbürgerung geradezu genötigt. Um die Jahrhundertwende legten indes ausgerechnet die Naturalisationen von Kandidaten russischer Staatsangehörigkeit besonders markant zu, und auch die jüdische Konfession stellte keinen absoluten Ausschlussgrund dar. Chancenlos waren der Verarmung Nahestehende, keineswegs aber einfache Arbeiter: Die Mehrheit der in Preußen Naturalisierten verfügte über ein nur geringes Einkommen. In der Summe stieg die Zahl der Einbürgerungen, und sie lag

43 Burger 2000, S. 88–172; Gammerl 2010, S. 49–52, 75–78.

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auch im frühen 20. Jh. noch deutlich höher als in Großbritannien.44 Der Unterschied war freilich, dass sich viele im Land Geborene darunter befanden. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs zeichnete sich eine Abkehr von dem dezentralen Verfahren ab, und zwar auf Druck Preußens, das sich an der wesentlich liberaleren Praxis in manch anderen Reichsteilen stieß: Seit Inkrafttreten des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913 durften Einbürgerungen erst erfolgen, nachdem den Regierungen aller Bundesstaaten Gelegenheit zum Widerspruch gegeben worden war. Was die Einbürgerung in den meisten deutschen Mittel- und Kleinstaaten komplizierter als in Preußen machte, war der starke kommunale Einfluss auf das Verfahren. Zwar konnten die Gemeinden über Naturalisationen nicht eigenmächtig entscheiden. Aber sie konnten sie massiv erschweren oder gar blockieren, da eine kommunale Mitgliedschaft lange unabdingbar für die staatliche Zugehörigkeit blieb. In der Regel war die Gemeindemitgliedschaft abgestuft in das volle Bürgerrecht und einen minderen Rang wie das Beisassenrecht oder das für die Armenfürsorge relevante Heimatrecht.45 Die Hürden zum Erwerb des einen oder anderen Titels differierten von Land zu Land, aber sie blieben insgesamt hoch, und trotz Beschränkungen der kommunalen Autonomie durch gesetzliche Richtlinien behielten die Gemeinden in etlichen Staaten ein faktisches Vetorecht gegen die Aufnahme unerwünschter Fremder. Das gilt für ortsfremde Inländer wie für Ausländer, wobei Letztere aber teilweise noch höhere Auflagen zu erfüllen hatten und es für sie zugleich um die Naturalisation ging. Trotzdem bestand gerade in Staaten mit starken Gemeindebürgerrechten ein ausgeprägter Anreiz zur Einbürgerung, blieben doch Fremden viele ökonomische und soziale Möglichkeiten versperrt. Im Zuge der Reichsgründung verlor die lokale Zugehörigkeit in den deutschen Staaten einen Gutteil ihrer früheren Relevanz. Österreich hingegen erweiterte die gemeindliche Macht über Heimatrecht und Naturalisation in der zweiten Jahrhunderthälfte nochmals. Noch größer blieb sie in der Schweiz.46 Hier entschieden die Gemeinden prinzipiell allein über die Vergabe ihres Bürgerrechts und damit zugleich des Schweizer Bürgerrechts an Ausländer. Sie machten von ihrer Autonomie nicht immer im exkludierenden Sinn Gebrauch. So nahmen manche recht großzügig politische Flüchtlinge in ihr Bürgerrecht auf, um sie vor der Ausweisung zu schützen; andere verkauften es mitunter an überhaupt nicht vor Ort lebende Ausländer, die so der Wehrpflicht in ihrer Heimat zu entgehen suchten. Erst ein Bundesgesetz von 1876 schrieb einen zweijährigen Aufenthalt sowie die jeweilige Einwilligung des Bundesrats als Mindestvoraussetzungen vor. Missliebige Antragsteller konnten die Gemeinden jedoch weiterhin fast unbegrenzt ablehnen. Angesichts der in der Schweiz besonders rapide anwachsenden ausländischen Wohnbevölkerung forderten um die Wende zum 20. Jh. verschiedene 44 Vgl. die statistischen Übersichten zu Preußen, Bayern und Baden bei Trevisiol 2006, S. 59–96. 45 Zu den kommunalen Zugehörigkeitsregeln vgl. Ziekow 1997, S. 158–169. 46 Argast 2007.

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Vorstöße letztlich erfolglos, Elemente des ius soli einzuführen. Andererseits regten sich auch hier verstärkt Tendenzen zur Diskriminierung bestimmter Zuwanderergruppen, die die Schweizer ‚Eigenart‘ zu bedrohen schienen. Die Wege zum Erwerb der Staatsangehörigkeit waren im Europa des 19. Jhs. verschieden, aber sie basierten auf einem beschränkten Spektrum von Grundprinzipien. Unabhängig von den jeweiligen Regeln bestand eine Gemeinsamkeit darin, dass überall nur ein kleiner Bruchteil der ansässigen Ausländer je ein Gesuch stellte. Teils lag das an den zu hürdenreich wirkenden Verfahren, teils aber auch daran, dass die Naturalisation gar nicht unbedingt erstrebenswert erschien. Viele Zuwanderer beabsichtigten nicht, dauerhaft zu bleiben, oder wollten sich die Heimkehr zumindest offen halten. Oft war die mit der Staatsangehörigkeit verbundene Militärpflicht ein Grund, ihre Annahme tunlichst zu vermeiden. Ein Großteil erlebte den Ausländerstatus in dieser Epoche der relativ friedlichen internationalen Beziehungen und der weitgehenden zivilrechtlichen Gleichstellung wohl nicht als so nachteilig, dass der Aufwand der Einbürgerung gelohnt hätte. Ein großer Minuspunkt blieb jedoch bestehen, nämlich das Risiko der Ausweisung.

5. Gr enzen der Zugehör igk eit: Ausbürgerung, Ausweisung, Auslieferung Im 19. Jh. setzte sich die Rechtsauffassung weitgehend durch, dass die einmal erworbene Staatsangehörigkeit nicht entzogen und Staatsangehörigen der Aufenthalt im jeweiligen Hoheitsgebiet nicht versagt werden könne. Zu seinem Beginn war das noch keineswegs selbstverständlich, und auch später kam es vereinzelt zu Abweichungen. So erließ das Deutsche Reich während des Kulturkampfes 1874 ein Strafgesetz, das renitente Geistliche mit Aberkennung der Staatsangehörigkeit und Ausweisung bedrohte. Und das unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs verabschiedete neue britische Staatsangehörigkeitsgesetz enthielt eine Klausel, die in bestimmten Fällen die Rückgängigmachung von Naturalisationen ermöglichte – ein Ansinnen, das noch 1870 zurückgewiesen worden war.47 Im Großen und Ganzen aber avancierten die Nicht-Aberkennbarkeit der Staatsangehörigkeit und die Nicht-Ausweisbarkeit von Staatsangehörigen zu Grundnormen des liberalen Rechtsstaats sowie des sich herausbildenden europäischen Völkerrechts. Trotzdem konnte die Staatsangehörigkeit verloren gehen, und zwar hauptsächlich auf zwei Wegen. Der eine war durch Heirat. Praktisch alle europäischen Staatsangehörigkeitsrechte fixierten in der ersten Hälfte des 19. Jhs. den Grundsatz der Familieneinheit. Frauen, die eine Ehe mit einem Ausländer eingingen, verloren demnach automatisch ihre bisherige Zugehörigkeit und wechselten in die des Mannes, und zwar selbst 47 Gammerl 2010, S. 240.

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dann, wenn das Paar in der Heimat der Frau lebte. Am längsten widerstand Großbritannien diesem Trend: Ausländerinnen wurden seit 1844 durch Heirat mit einem Briten zu Britinnen, Britinnen verloren aber erst seit 1870 ihren Untertanenstatus durch Heirat mit einem Ausländer. Um die Wende zum 19. Jh. noch recht weit verbreitete Regelungen, wonach zugewanderte Männer durch Eheschließung mit einer Einheimischen die Staatsangehörigkeit erwerben konnten, verschwanden hingegen aus dem europäischen Recht. In manchen Situationen war die automatische Einbürgerung für Frauen vorteilhaft, in anderen zeitigte die automatische Ausbürgerung dramatische Folgen. Sie konnte zur Ausweisung aus der Heimat führen wie 1885/86 im Fall jener ehemaligen Preußinnen, die mit zugewanderten Polen eine Familie gegründet hatten. Hilfsbedürftige Witwen wurden mitunter in den Herkunftsstaat (oder den Heimatort) ihres verstorbenen Ehemannes abgeschoben, selbst wenn sie noch nie zuvor dort gewesen waren.48 Fatale Konsequenzen konnte es auch haben, wenn die Rechtsgültigkeit einer Heirat in Zweifel stand. Das konnte aus gesetzlichen Heiratsbeschränkungen resultieren, wie sie im frühen 19. Jh. in den meisten deutschsprachigen Ländern bestanden, oder aus divergierenden nationalen Eherechten. Anfang des 20. Jhs. trieb beispielsweise die britische Regierung der tragische Fall einer ehemaligen Britin um, die einen Russen standesamtlich geheiratet hatte und von diesem verlassen worden war: Sie fand sich zwischen allen Stühlen wieder, da die Ehe nach britischem Recht gültig und sie somit Ausländerin geworden war, nach russischem Recht, das die Zivilehe nicht anerkannte, aber nicht existierte. In der Folge hatten die Standesbeamten heiratswillige Frauen noch nachdrück­ licher als zuvor auf die Gefahren hinzuweisen, die die Wahl eines ausländischen Mannes mit sich bringen konnte.49 Immerhin ermöglichte das neue Staatsangehörigkeitsgesetz von 1914 Witwen und Geschiedenen, die ihren britischen Status durch Heirat verloren hatten, die erleichterte Wiedereinbürgerung, eine Vergünstigung, die auch einige andere Staaten ihren ehemaligen weiblichen Angehörigen boten. Der zweite Weg, die Staatsangehörigkeit zu verlieren, war durch Emigration, und das geschah millionenfach. Nach der Logik des Territorialprinzips bedeutete die Auswanderung aus dem Hoheitsgebiet grundsätzlich die Lösung des Untertanenverhältnisses, aber auch der Übergang zum Abstammungsprinzip brachte zunächst nur partielle Änderungen. Teils erlosch die alte Staatsangehörigkeit im Moment der Annahme einer anderen, teils allein durch die Tatsache der Abwesenheit. Vor allem im deutschen Raum setzte die legale Auswanderung meist die ordentliche Entlassung aus dem Untertanenverband voraus. Illegale Absentierung zog den Ausschluss von allen Rechten und mitunter harte Sanktionen nach sich. Zunehmend wurden jedoch Übergangsfristen eingeführt, nach deren Verstreichen erst die Staatsangehörigkeit erlosch. Nach österrei48 Wecker 1999, S. 28. 49 The National Archives, RG 48/200; HO 45/10531/148679.

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chischem Recht waren es seit 1867 fünf Jahre, nach preußischem seit 1842 zehn Jahre, eine Frist, die auch in vielen anderen deutschen Staaten galt. Die auffälligste Ausnahme stellte wiederum Großbritannien dar: Der britische Untertanenstatus lebte selbst bei jahrzehntelangem Auslandsaufenthalt fort und konnte überhaupt nicht aufgekündigt werden. Diese Weigerung, Emigranten samt ihrer im Ausland geborenen Kinder und Enkel aus der Treueverpflichtung gegenüber der britischen Krone zu entlassen, führte zu zwischenstaatlichen Reibungen, vor allem mit den USA, was schließlich zu einer Anpassung an die internationalen Gepflogenheiten zwang: Seit 1870 gaben nicht nur Frauen ihre Zugehörigkeit durch Heirat mit einem Ausländer auf, sondern im Regelfall auch Auswanderer, sobald sie eine andere Staatsangehörigkeit annahmen. Just zu der Zeit, als Großbritannien die Auflösung des Treuebandes erstmals zuließ, begannen kontinentaleuropäische Staaten seine dauerhafte Aufrechterhaltung zu ermög­ lichen. Das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz von 1870 sah vor, dass sich die Zehnjahresfrist durch Eintragung in die Matrikel eines Konsulats unbegrenzt verlängern ließ, und die Novellierung von 1913 ließ sie ganz fallen: Im Ausland lebende Deutsche und ihre Nachkommen behielten die alte Staatsangehörigkeit nunmehr für alle Zeiten, solange sie nicht ohne Genehmigung aktiv eine andere annahmen und sofern sie der Wehrpflicht nachkamen. Außerdem erhielten ehemalige deutsche Staatsangehörige nun einen Rechtsanspruch auf Wiedereinbürgerung, und zwar sowohl Migranten, die sie durch die frühere Zehnjahresfrist verloren hatten, als auch verwitwete und geschiedene Frauen, denen sie durch Heirat abhandengekommen war. Das Auswanderungsland Italien erleichterte 1912 ebenfalls die Beibehaltung der Staatsangehörigkeit im Ausland sowie die Wiedereinbürgerung von Rückkehrern.50 In solchen Reformen zeigte sich um die Jahrhundertwende eine deutliche Tendenz zur Nationalisierung der Staatsangehörigkeit. Aber trotz aller nationalistischen Rhetorik, die sie begleitete, verfolgten sie auch pragmatische Zwecke. Großbritannien sah sich gezwungen, die Auflösung des Treuebandes zuzulassen, um das wachsende Problem doppelter Zugehörigkeiten abzumildern. Umgekehrt stärkten die kontinentaleuropäischen Staaten das Band zu ihren Auswanderern, um das zunächst schwerwiegendere Problem der Staatenlosigkeit aufzufangen. Zahllose Migranten büßten im Lauf des 19. Jhs. ihre alte Zugehörigkeit ein, ohne eine neue erlangt zu haben. Präventionsmaßnahmen wie die Klausel der Deutschen Bundesakte von 1815, die das Recht zur freien Auswanderung in einen anderen Bundesstaat von dessen nachgewiesener Einbürgerungsbereitschaft abhängig gemacht hatte, konnten dagegen wenig ausrichten. Deshalb enthielten Übernahme- und Niederlassungsverträge regelmäßig die Bestimmung, dass nicht nur aktuelle, sondern auch ehemalige, staatenlos gewordene Angehörige im Ausweisungsfall zurückgenommen werden müssten. Gegenüber Zuwanderern aus Staaten, die den automatischen Verlust der Staatsangehörigkeit vorsahen und mit denen keine Verträge bestanden, wuchsen die Reserven. Die Behörden der preußischen Westprovin50 Gosewinkel 2001, S. 278–327; Gironda 2010, S. 129–228.

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zen etwa verlangten im ausgehenden 19. Jh. von Niederländern die Vorlage einer jährlich erneuerten Bescheinigung ihrer Heimatbehörden, ohne welche die niederländische Staatsangehörigkeit bereits nach fünfjähriger Abwesenheit verloren ging. Wer keine Bescheinigung beibrachte, durfte nicht in Preußen bleiben, sofern er nicht einen erfolgreichen Naturalisationsantrag stellte.51 Fast alle europäischen Staaten behielten sich das Recht auf Ausweisung von Ausländern vor.52 Nur im Vereinigten Königreich waren sie seit 1826 und bis zum Erlass des Aliens Act von 1905 vor Zwangsabschiebung sicher. Auch vor und nach diesen Daten erfolgten Ausweisungen relativ selten und immer nur auf Beschluss einer hohen Regierungsinstanz, dem seit 1905 zudem eine gerichtliche Empfehlung zugrunde liegen musste.53 In Preußen hingegen, das als kontrastierender Extremfall angesehen werden kann, waren die Möglichkeiten zur Ausweisung theoretisch unbegrenzt. Sie konnte entweder infolge einer gerichtlichen Verurteilung für bestimmte Delikte oder aber auf rein administrativem Weg ausgesprochen werden, wofür „Lästigkeit“ genügte. Ministerielle Ins­ truktionen des späten 19. Jhs. unterschieden zwischen individuell und objektiv lästigen Ausländern. Zu Letzteren, deren Ausweisung unabhängig von einem persön­lichen Fehlverhalten zu erwägen war, gehörten Juden, Polen und ungediente Männer im militärpflichtigen Alter; überhaupt nicht geduldet werden sollten ‚Zigeuner‘. Über administrative Ausweisungen entschieden die lokalen Polizeibehörden bis 1899 in eigener Kompetenz. Inwieweit sie von ihren weitreichenden Befugnissen Gebrauch machten, ist bislang nur in Ansätzen erforscht. Vieles deutet indes darauf hin, dass Abschiebungen in der zweiten Jahrhunderthälfte rückläufig waren, wenn von punktuellen Aktionen wie der Polenausweisung von 1885/86 abgesehen wird. Die Besserung der Arbeitsmarktlage, der Wegfall des meisten Auslands infolge der Reichsgründung sowie Freizügigkeits- und Niederlassungsverträge wirkten in diese Richtung. Nicht alle Ausländer lebten permanent unter dem Damoklesschwert des drohenden Ausreisebefehls. Trotzdem blieb ihr Aufenthaltsstatus in Preußen prekär, jede missliebige Auffälligkeit konnte zumindest potenziell gravierende Konsequenzen haben, zumal für Angehörige von ohnehin ungern gesehenen Herkunftsgruppen. Andere europäische Staaten nahmen eine mittlere Position zwischen den Extremen Großbritannien und Preußen ein, indem sie die Entscheidungskompetenz auf höheren Behördenebenen ansiedelten, die Ausweisungsgründe enger fassten oder Rekursmöglichkeiten institutionalisierten. Manche gewährten fest ansässigen Ausländern einen erweiterten Schutz gegenüber nur kurzzeitig anwesenden, wie etwa Belgien. Zu Belgien liegt eine der wenigen Untersuchungen vor, die die quantitative Entwicklung von Ausländerausweisungen rekonstruieren. Sie 51 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, RD Nr. 30437: Verfügung vom 17.6.1893. 52 Aus rechtsgeschichtlicher Sicht vgl. die umfassende, allerdings über weite Strecken auf das innerstaatliche Schubwesen fokussierende Studie von Reiter 2000. 53 Fahrmeir 2000, S. 194f.; Reinecke 2010, S. 134–194. Vgl. zum Folgenden auch Althammer u. a. 2008.

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deutet auf eine massive Zunahme im ausgehenden 19. Jh. hin.54 Ob dieser Befund einen breiteren europäischen Trend widerspiegelt, werden erst weitere Studien erweisen. Von der Ausweisung, die das Aufenthaltsland initiiert, ist die Auslieferung zu unterscheiden, die ein anderer Staat zwecks Strafverfolgung verlangt. Zahlenmäßig spielte Letztere eine weit geringere Rolle, aber auch von ihr waren praktisch nur Ausländer betroffen. Seit Beginn des 19. Jhs. verankerten viele Staaten explizit ein Verbot der Auslieferung eigener Staatsangehöriger. Das Auslieferungswesen gehörte zu den Materien, die bereits seit dem 18. Jh. durch bilaterale Verträge zunehmend dicht normiert wurden.55 Soweit es um schwere gewöhnliche Verbrechen ging, war es wenig umstritten, obgleich sich manche Differenzen aus abweichenden Rechtskulturen ergaben. Hochgradig brisant wurde im 19. Jh. hingegen die Frage des Umgangs mit politischen Straftätern. Während manche Staaten ihre Auslieferung grundsätzlich ablehnten und damit ein Recht auf Asyl ins­ titutionalisierten, beharrten andere darauf, dass gerade politisch motivierte Delikte besonders gefährlich und verfolgungswürdig seien. Flüchtlinge und Exilanten stellten nur einen winzigen Bruchteil der Migranten, aber seit der Revolutionsepoche erzeugten sie immer wieder internationale Spannungen, zumal sie sich in ihren Gastländern der politischen Aktivität nicht enthielten. Im Gegenteil: Viele wählten das Exil auch freiwillig, um von dort aus offen auf Veränderungen in der Heimat hinzuarbeiten. Die bedeutendsten Refugien für ausländische Oppositionelle waren Frankreich, Belgien, die Schweiz und Großbritannien.56 Frankreich nahm vor allem in den frühen 1830er Jahren viele Flüchtlinge auf, darunter Tausende Polen nach dem gescheiterten Aufstand gegen die russische Herrschaft. Gesetze von 1831/32 regelten die Aufenthaltsbedingungen und gewährleisteten sogar finanzielle Unterstützungen, womit in Ansätzen ein anerkannter Flüchtlingsstatus entstand. Das aus einer Revolution hervorgegangene Belgien erließ 1833 ein Asylgesetz, das in erster Linie das Auslieferungsverbot für politische Straftäter verankerte. Die Schweiz normierte das Asyl erst später, doch gewährte sie traditionell bereitwillig Schutz, und insbesondere nach den 1848er Revolutionen konnte sich eine große Welle von Flüchtlingen ins Land retten. Angesichts des Drucks der konservativen Nachbarmächte bemühte sich der Bundesrat allerdings, möglichst viele zur Heimkehr oder zur Weiterreise zu bewegen, und schreckte bei politischen Aktivisten mitunter auch nicht vor der Ausweisung – wohl aber vor der Auslieferung – zurück. Die Aufnahmebereitschaft Frankreichs und Belgiens hatte ebenfalls ihre Grenzen und schwankte im Lauf der Zeit. Mit der größten Toleranz konnten Exilanten jeder politischer Couleur in Großbritannien rechnen, das bereits während der Französischen Revolution Zehntausende beherbergt hatte und seit den 1820er Jahren überhaupt niemanden mehr auswies. Paradigmatisch ist der Fall von Karl Marx, der schließlich in 54 Caestecker 2000, siehe Grafiken S. 194–197. 55 Härter 2011. 56 Vgl. Reiter 1992; Noiriel 1994, S. 18–64; Freitag 2003; Burgess 2008.

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London endete, nachdem er aus Paris und Brüssel ausgewiesen worden war. Der mittlerweile Staatenlose lebte zwar in Armut und bemühte sich vergeblich um die Naturalisation, aber seinen politischen Aktivitäten konnte er im Vereinigten Königreich ungehinderter als in jedem anderen Land nachgehen. Ein Auslieferungsverbot für politische Straftäter wurde 1870 explizit im britischen Recht verankert, und als der Aliens Act von 1905 Ab- und Ausweisungen von Ausländern wieder möglich machte, bestimmten spezielle Klauseln, dass politisch oder religiös Verfolgte nicht betroffen sein dürften. Mit dem verstärkten Hervortreten von gewaltbereiten Oppositionszirkeln rückten manche Zufluchtsländer von einem unbedingten Schutz für politische Straftäter wieder ab. So baute Belgien bereits 1856 eine Klausel in das Asylgesetz ein, die Attentäter vom Auslieferungsverbot ausnahm, und viele spätere Rechtstexte folgten dem Beispiel. Aber im Prinzip hielten die liberal orientierten Staaten an einer Vorzugsbehandlung von politischen Flüchtlingen fest. Die Länder des Deutschen Bundes bzw. das Deutsche Reich und die Habsburgermonarchie hingegen erkannten nie ein solches Privileg ausgerechnet für subversive Elemente an. Trotzdem zögerten auch sie, Flüchtlinge dorthin zurückzuschicken, wo ihnen Übles drohte. So wurden Polen, die sich nach den niedergeschlagenen Erhebungen im russischen Teilungsgebiet nach Preußen absetzten, zwar unter Aufsicht gestellt und großteils in Drittstaaten weitergeleitet, nicht aber zurück nach Russland gezwungen. Vor allem nach dem Aufstand von 1863 blieben viele auch in den preußischen Ostprovinzen und wurden dort lange geduldet, ebenso wie Fahnenflüchtige aus dem russischen Heer. Erst Mitte der 1880er Jahre erfolgte ihre Ausweisung, zusammen mit Tausenden, die sich in Preußen bloß ein besseres Leben erhofft hatten.

6. Fa zit Die Position von Fremden entwickelte sich im Europa des 19. Jhs. ambivalent. Einerseits zogen die modernen Nationalstaaten eine scharfe Grenze zwischen Staatsangehörigen und Ausländern, eine Grenze, die mit der demokratischen Generalisierung und wohlfahrtsstaatlichen Ausweitung von Staatsbürgerrechten immer deutlicher hervortrat. Verstärkte transnationale Wanderungsbewegungen begannen Abwehrreaktionen hervorzurufen, die die Grenze weiter befestigten. In der Epoche der sich entfaltenden Massenpresse und Massenpolitik konnten Reibungen, die aus Begegnungen zwischen Einheimischen und Fremden resultierten, zudem leichter als je zuvor aufgebauscht und instrumentalisiert werden. Unübersehbar erlebten im ausgehenden 19. Jh. radikalnationalistische, von antisemitischen und völkisch-rassistischen Ideologien unterfütterte Strömungen einen Aufschwung. Ihre Feindseligkeit richtete sich sowohl gegen innerstaatliche Minoritäten als auch gegen bestimmte Kategorien von Ausländern, die als essenziell andersartig und als Gefahr für die nationale Identität stigmatisiert wurden. Dieser aggressive Nationalismus wies auf Entwicklungen des 20. Jhs. voraus, die die Zugehörigkeitsrechte von Fremden fundamental infrage stellen sollten.

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Andererseits aber war das 19. Jh. zunächst einmal eine Ära der zunehmenden Freizügigkeit und Rechtsgleichheit, des Freihandels und der Gewerbefreiheit, in der sich die Möglichkeiten, an einem beliebigen Ort einer beliebigen Tätigkeit nachzugehen, gewaltig erweiterten. Mobilitätskontrollen und Niederlassungshindernisse schwanden tendenziell, zivilrechtlich genossen Ausländer eine weitgehende Gleichstellung mit Inländern. Theoretisch konnten sie zwar aus fast allen Staaten ausgewiesen werden, aber sofern sie sich regelkonform verhielten und nicht den Armenkassen zur Last fielen, mussten sie gewöhnlich nicht damit rechnen. Zuwanderern, die dauerhaft bleiben wollten, boten sich gangbare Wege zur Einbürgerung. Wenn die meisten vom Erwerb voller Zugehörigkeitsrechte absahen, so lag das im Allgemeinen nicht an prohibitiven Hürden, sondern daran, dass zu wenig dafür und manches – vor allem die leidige Militärpflicht – dagegen sprach. Trotz aller Relativierungen, die vorgenommen werden könnten, und trotz gewisser gegenläufiger Tendenzen an seinem Ende war das 19. Jh. insgesamt von einer vergleichsweise liberalen Haltung gegenüber Fremden geprägt. Sie wurde begünstigt durch die vorwiegend friedlichen zwischenstaatlichen Beziehungen und durch expandierende Ökonomien mit entsprechenden Wohlstandsgewinnen. Erst im Gefolge der Kriege und Krisen seit 1914 sollten in Europa rigide Grenzbarrieren errichtet, Ausländer einer systematischen Kontrolle unterworfen, nationale Arbeitsmärkte abgeschottet, Einbürgerungsvoraussetzungen massiv verschärft und schließlich ethnisch-nationale Fremdheitszuschreibungen zu unüberwindbaren Hindernissen für die Gewährung von Zugehörigkeitsrechten verabsolutiert werden.

7. Kommentierte Liter atur auswahl Eine detaillierte Rekonstruktion der ambivalenten Haltungen gegenüber Ausländern in der Geburtsstunde des modernen Nationalstaats während der Französischen Revolution bietet Rapport 2000. Das voluminöse Sammelwerk von Heindl u. a. 2000 ist eine Fundgrube für Informationen zum Umgang mit Fremden in der konservativen, heterogen zusammengesetzten österreichischen Monarchie. Der Band von Fahrmeir u. a. 2003 vermittelt einen breiten Überblick über das Forschungsfeld der Migrationskontrollen, mit Beiträgen von Peter Sahlins, John Torpey, David Feldman, Leo Lucassen, Patrick Weil und anderen. Eine umfassende Geschichte des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts seit dem frühen 19. Jh. hat Gosewinkel 2001 vorgelegt. Die vergleichend angelegte, zuerst 1992 auf Englisch erschienene Studie von Brubaker 1994 ist zwar vielfach als zu undifferenziert kritisiert worden, hat jedoch enorm anregend auf die historische Forschung zum Staatsangehörigkeitsrecht gewirkt und zählt heute zur unverzichtbaren Standardliteratur.

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DEMOK R ATIE, NATIONA LSTA AT U ND EUROPÄ ISCHE EINIGU NG: DIE POLITISCHE U ND R ECHTLICHE STELLU NG VON FR EMDEN IM ZEITA LTER DER E XTR EME JENNY PLEINEN

1. Einleitung 1 Als im Juli 1922 eine von Fridtjof Nansen, dem ersten Hochkommissar des Völkerbundes für Flüchtlingsfragen, eingeladene Konferenz in Genf zu Ende ging, hatten sich die Delegierten von Staaten auf die Einführung eines Ausweisdokuments geeinigt, das als Nansen-Pass weltweit bekannt werden sollte.2 Auslöser war ein Bericht Nansens, in dem er eindringlich die prekäre Situation der über zwei Millionen russischen Emigranten beschrieb, die während der Russischen Revolution und des darauf folgenden Bürgerkriegs geflohen und nun vor allem in Konstantinopel und Polen gestrandet waren. Der Nansen-Pass sollte den russischen Flüchtlingen, die weder die sowjetische Staatsbürgerschaft noch die eines anderen Staates besaßen, die Einreise in andere Länder Europas und eventuell auch eine dauerhafte Ansiedlung ermöglichen – eine Option, zu der sich immer mehr von ihnen entschlossen, als sich die Vorstellung, den neuen politischen Verhältnissen sei nur eine kurze Lebensdauer beschieden, Mitte der 1920er Jahre als Trugschluss erwies.3 Im Jahr 1924 dehnte der Völkerbund die Regelungen zum Nansen-Pass auf armenische Flüchtlinge aus:4 Rund 600.000 Armenier hatten den zwischen 1915 und 1917 von der osmanischen Regierung an dieser christlichen Minderheit verübten Genozid überlebt und warteten an der Mittelmeerküste auf eine Möglichkeit, nach Australien, Lateinamerika und in die USA zu emigrieren. Eine Verpflichtung, die staatenlosen Flüchtlinge dauerhaft aufzunehmen, war für die Unterzeichnerstaaten mit dem Abkommen jedoch nicht verbunden. Ein wichtiger Grund, warum sich die Mitgliedsstaaten trotz einer allgemeinen Skepsis gegenüber dem Völkerbund auf die Ausweisregelungen für russische und armenische Flüchtlinge einigten, lag darin, dass die Staaten, die die Fluchtgründe verursacht hatten, selbst nicht zur Organisation gehörten. 1 Ich danke Lutz Raphael für Hinweise und Anregungen zu einer früheren Fassung dieses Textes. 2 League of Nations: Arrangement of 5 July 1922 with regard to the Issue of Certificates of Identity to Russian Refugees, in: Treaty Series Vol. XIII, No. 355. 3 Marrus 2002, S. 60. 4 League of Nations: Arrangement of 12 May 1926 relating to the Issue of Identity Certificates to Russian and Armenian Refugees, in: Treaty Series Vol. LXXXIX, No. 2004.

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Die Einführung des Nansen-Passes markiert eine Zäsur in der Entwicklung von Fremdheit: Er verdeutlicht einerseits die zunehmende Nationalisierung des europäischen Staatsangehörigkeitsrechts und die damit einhergehende Bedeutung des Phänomens der Staatenlosigkeit. Andererseits übernahmen die Nationalstaaten hier aber auch zum ersten Mal eine zwar begrenzte, aber immerhin vertraglich festgehaltene Zuständigkeit für die Situation von Flüchtlingen.

2. Definitionsfr agen Betrachtet man die Kriterien näher, anhand derer Fremde im 20. Jh. von der übrigen Bevölkerung unterschieden wurden, so lässt sich feststellen, dass sich der im 19. Jh. beginnende Aufstieg des Staatsbürgerrechts weiter fortsetzte. Der Besitz der Staatsbürgerschaft eines Landes war zumindest in den sich am liberalen Rechtsstaatsmodell orientierenden Ländern für ihren Träger mit einer Vielzahl von Rechten, wie Rechtsgleichheit und Abwehrrechten gegenüber dem Staat, sowie einigen Pflichten, wie dem Militärdienst, verbunden. Ihr Besitz bzw. ihr Fehlen bedeutete zunächst einmal eine binäre Unterscheidung der Wohnbevölkerung in Inländer und Ausländer. Der rechtliche Status des Staatsbürgers ließ sich ebenso wie der des Ausländers ohne viel Aufwand durch einen Blick in seinen Pass feststellen – ein Vorgang, der nicht nur anlässlich der zunehmend üblich werdenden Kontrollen bei Grenzübertritten zu einer Normalität wurde. In immer mehr kontinentaleuropäischen Staaten mussten sich sowohl eigene als auch fremde Staatsbürger ständig ausweisen können, auch wenn sie keine Staatsgrenze überschritten, sondern sich nur im Inland bewegten. Die meisten europäischen Länder besaßen Anfang des 20. Jhs. auch bereits ein Ensemble besonderer Gesetze und Verordnungen – das Ausländerrecht –, dem fremde Staatsangehörige unterlagen. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise enthielten die meisten nationalen Ausländergesetze eine Verpflichtung für diese rechtlich markierten Fremden, ihren Aufenthalt durch eine Erlaubnis der Behörden zu legitimieren. Andere Kriterien von Fremdheit wie Herkunft, Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit, politische Missliebigkeit oder auch die im 19. Jh. populär werdenden Rassevorstellungen waren nur auf den ersten Blick nicht mit der modernen Institution des Staatsbürgerrechts vereinbar. Solche Unterscheidungskriterien blieben nicht nur in der sozialen Realität wichtige Kriterien, anhand derer Fremde von der einheimischen Bevölkerung unterschieden wurden, sondern sie übten auch Einfluss auf die rechtliche Konstruktion der Staatsbürgerschaft aus. Dies betraf sowohl den Entzug der Staatsbürgerschaft als auch ihre Verleihung. Die Sowjetunion nahm 1921 als erster Staat überhaupt eine Massenausbürgerung vor, indem sie allen Emigranten, die bereits länger als fünf Jahre im Ausland lebten oder das Staatsgebiet ohne Ausreiseerlaubnis der Behörden verlassen hatten, die Staatsbürgerschaft entzog. Die Ausbürgerung zielte auf eine Bestrafung der politischen E ­ migranten

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ab und betraf insgesamt fast zwei Millionen Personen, die nun staatenlos wurden.5 Rechtlich gesehen bedeutete diese Novellierung eine Rückkehr zum Domizilprinzip,6 das im 18. und frühen 19. Jh. europaweit noch üblich gewesen und sukzessive durch ein vom Aufenthaltsort weitgehend unabhängiges Staatsbürgerschaftsrecht abgelöst worden war. Mit einer ähnlichen Veränderung ging Polen im Oktober 1938 gegen seine im Ausland lebenden Staatsbürger vor: Polen, die sich bereits länger als fünf Jahre außerhalb des polnischen Staatsgebiets aufhielten, mussten zukünftig einen Sichtvermerk bei der Botschaft beantragen, um in ihr eigenes Herkunftsland einreisen zu können, und waren in diesem Punkt somit Ausländern gleichgestellt. Diese Entscheidung war nicht primär gegen politische Oppositionelle gerichtet, sondern sollte polnische Juden, die in Deutschland zunehmend Opfer rassistischer Verfolgung wurden, an einer unerwünschten Flucht nach Polen hindern.7 Die nationalsozialistischen Machthaber nutzten die Staatsbürgerschaft seit Beginn ihrer Herrschaft als Instrument, um auf religiös-rassistischen Fremdheitszuschreibungen basierende Exklusionen umzusetzen. Bereits 1933 erklärte ein Gesetz Einbürgerungen von Juden, die während der Weimarer Republik zustande gekommen waren, für ungültig.8 Die Nürnberger Rassegesetze von 1935 machten Juden (ebenso wie andere rassistisch diskriminierte Gruppen) durch eine enge Verzahnung des Reichsbürger- und Blutschutzgesetzes offiziell zu Bürgern zweiter Klasse. Nur „Arier“ konnten der neu geschaffenen Kategorie des „Reichsbürgers“ angehören und erhielten alle mit dieser „vollständigen“ Staatsbürgerschaft verbundenen Rechte.9 Diese Koppelung ermöglichte die rechtliche Exklusion der Juden aus immer mehr gesellschaftlichen Teilbereichen. Ähnlich wie die Sowjetunion entzog das nationalsozialistische Deutschland auch politischen Oppositionellen die Staatsbürgerschaft, jedoch in einem deutlich geringeren Ausmaß (40.000 Personen). Angesichts dieser Massenausbürgerungen durch totalitäre Staaten enthielt die Menschenrechtscharta, die die Vereinten Nationen im Dezember 1948 verabschiedeten, auch einen Artikel, der ein Menschenrecht auf Schutz vor

5 Nuschler 2004, S. 44. 6 Gemeint ist hier die Bedingung eines ständigen Aufenthalts auf dem Staatsterritorium für den Erhalt und das Bewahren einer Staatsangehörigkeit. Thedieck 1989, S. 98. Der Begriff wird in der Forschungsliteratur davon abweichend auch als Antonym zum der Staatsbürgerschaft zugrunde liegenden Herkunftsprinzip verwendet (siehe als Beispiel: Richter 2005, S. 438). 7 Wenige Wochen nach der polnischen Ausbürgerungsaktion nutzte Heinrich Himmler als Chef der deutschen Polizei sie als Vorwand, um alle nun staatenlos gewordenen Juden polnischer Herkunft auszuweisen. Tomaszewski 2002, S. 73–100. 8 Gosewinkel 2008, S. 410. 9 Gosewinkel 2008, S. 416f. In der Rechtswirklichkeit der nationalsozialistischen Diktatur waren jedoch auch die Abwehrrechte der „Reichsbürger“ gegenüber dem Staat praktisch nicht mehr existent.

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willkürlicher Ausbürgerung proklamierte.10 Kollektivausweisungen fremder Staatsbürger ächtete die Charta jedoch nicht – ein solcher Schritt hätte aufgrund der auch von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges beschlossenen und sich bis Anfang der 1950er Jahre hinziehenden Vertreibungen und Umsiedlungen zu viele politische Konflikte mit sich gebracht.11 Die Rechtsgleichheit zumindest der eigenen Staatsbürger untereinander war in nahezu allen Verfassungen Europas verankert und zwar sowohl in Demokratien als auch in Diktaturen. So proklamierte etwa die Verfassung der Sowjetunion von 1924 deren Charakter als freie Vereinigung einander rechtlich gleichgestellter Völker, deren Mitglieder eine einheitliche föderale Staatsbürgerschaft besaßen, während sie die politischen Rechte der früheren „Unterdrückerklassen“ einschränkte. In der Rechtswirklichkeit eskalierte diese Ungleichheit zu massiven Diskriminierungen und Verfolgungen, was seit dem Ende der 1920er Jahre in der Regel auch nicht mehr durch Ausbürgerungsaktionen legitimiert wurde. Als Beispiel lassen sich etwa die Kampagnen und Maßnahmen gegen die sog. Kulaken oder die Angehörigen bürgerlicher Berufe anführen, die die forcierte Industrialisierung und die Zwangskollektivierungen in der Sowjetunion begleiteten. Kulaken als eine Gruppe selbstständiger, relativ wohlhabender Bauern wurden dabei nicht ethnisch, sondern sozio-ökonomisch markiert. Während der Herrschaft Stalins steigerten sich diese und andere Fremdheitszuschreibungen sozialer Gruppen zur regelrechten Verfolgung, bis hin zu Deportation und Ermordung. Seit 1937 wurden auch ethnische Gruppen, die die bolschewistische Elite als Angehörige einer fremden Macht ansah, zunehmend als feindliche Agenten diffamiert und wegen unterstellter Illoyalität verfolgt. Betroffen waren davon insbesondere Nationalitäten, die „sich in eine ethnisch homogene Landschaft nicht einfügten“ und von denen „befürchtet werden musste, dass sie die sowjetische Ordnung destabilisierten“,12 wie etwa Armenier und Deutsche in der Ukraine. Auch in Exklusionsprozessen, in denen die Staatsbürgerschaft wie in diesem Beispiel formal nicht angetastet wurde, spielte die Markierung als Fremde eine zentrale Rolle. Sie reichten im 20. Jh. nicht selten bis zur Ermordung der Betroffenen. Anhand welcher Kriterien Fremde definiert wurden, war zwar grundsätzlich variabel, jedoch lässt sich für das 20. Jh. insgesamt eine zunehmende Bedeutung der Staatsangehörigkeit feststellen. Parallel dazu machte die Ordnungsvorstellung einer essenzialistisch verstandenen, möglichst homogenen Nation sowohl in Demokratien als auch in Diktaturen Karriere, 10 „(1) Everyone has the right to a nationality. (2) No one shall be arbitrarily deprived of his nationality nor denied the right to change his nationality.“ Artikel 15, The Universal Declaration of Human Rights vom 10.12.1948, offizielle englische Textfassung veröffentlicht auf http://www. un.org/en/documents/udhr/index.shtml (03.01.2011). 11 Henckaerts 1995, S. 9. 12 Barberowski 2012, S. 345. Siehe zur Situation ethnischer Minderheiten in der Sowjetunion auch: Weeks 2012.

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was in Kombination mit multinationalen Realitäten zu einer der zentralen Problemlagen dieses Jahrhunderts führte.

3. Die Minderheitenfr age oder ‚Fr emde im eigenen L and‘ Das Konzept der ‚Minderheit‘ ist eine Übersetzung des englischen „minority“ und fand seit den 1960er Jahren Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch, als die Diskriminierung von Schwarzen, Frauen und anderen Gruppen zunehmend Gegenstand gesellschaftlicher Aufmerksamkeit wurde.13 Es wird jedoch auch im Rückblick verwendet, um Bevölkerungsgruppen zu beschreiben, die sich kulturell, politisch oder durch andere Kriterien von der Bevölkerungsmehrheit unterschieden. Als besonders brisanter Punkt stand die Minderheitenfrage nach dem Ende des Ersten Weltkrieges weit oben auf der politischen Tagesordnung – ganz im Gegensatz zu den fast zehn Millionen Flüchtlingen, die in Europa unterwegs waren. Die Pariser Vorortverträge schufen in Ost- und Mitteleuropa eine ganze Reihe neuer souveräner Gebilde, was für 60 Millionen Europäer erstmals das Gefühl mit sich brachte, in einem eigenen Staat zu leben, der seine Legitimität aus dem Volk zog. Gleichzeitig entstanden durch die neuen Grenzziehungen ungefähr 25 Millionen neue Minderheiten, die teilweise vor dem Weltkrieg die Titularnation gestellt hatten, wie etwa Deutsche in den nun an Polen abgetretenen Gebieten Westpreußen und Posen. Rein zahlenmäßig verringerte die neue Nachkriegsordnung die Minderheiten in Europa. Deren Lage war jedoch eine andere geworden: Die alten Imperien hatten sich über ihre kulturelle Heterogenität definiert – entscheidend für die politische Herrschaft war hier nicht die ethnische, religiöse oder sprachliche Zugehörigkeit der Untertanen gewesen, sondern die Unterstützung der Eliten. Für die neuen Nationalstaaten war die kulturelle Homogenität ihrer Bevölkerung als Staatsbürger ein zentrales Element der politischen Integration.14 Mit der Nachkriegsordnung war eine liberale Ordnungsvorstellung verknüpft, die Minderheiten bestimmte Schutzrechte sowie kulturelle, vor allem sprachliche Autonomierechte gegenüber den jeweiligen Mehrheitsgesellschaften und der Staatsgewalt zugestand. Als Garant dieses Schutzes sollte die internationale Staatengemeinschaft fungieren. Vertreter der neuen Ordnung waren die Siegermächte Großbritannien, USA und Frankreich, die sich gegen die auf Mittel- und Osteuropa gerichteten imperialen Interessen Russlands und Deutschlands durchgesetzt hatten.15 Der Ansatz, Minderheiten in den neuen Nationalstaaten mit Sonderrechten auszustatten, war auch ein Gegenmodell zu Versuchen, ethnische bzw. ­nationale Homogenität durch 13 Van der Dunk 2004, S. 501. 14 Osterhammel 2010, S. 607–610. 15 Mazower 2002, S. 70–73.

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eine Vertreibung von Bevölkerungsgruppen notfalls auch mit Gewalt herzustellen. Die Staatengemeinschaft ächtete „Bevölkerungsaustausche“ wie den zwischen Griechenland und der Türkei Anfang der 1920er Jahre trotz der dabei gegenüber den etwa zwei Millionen Betroffenen angewendeten Gewalt nicht. Vielmehr wurden die seit den Balkankriegen (1912/13) systematischen Vertreibungen von Minderheiten, die aufgrund der auf dem Balkan verbreiteten Multilingualität nicht anhand der von ihnen gesprochenen Sprache, sondern der (unterstellten) praktizierten Religion (orthodoxe Griechen und muslimische Türken) ausgewählt wurden, durch den Vertrag von Lausanne nachträglich legitimiert.16 Die in den Pariser Vorortverträgen entworfene Nachkriegsordnung setzte voraus, dass sowohl Staat als auch Mehrheitsgesellschaft Toleranz gegenüber den Minderheiten übten und ihnen Gelegenheit gaben, Teil der neuen (National-)Staaten zu werden, ohne ihre kulturellen Eigenheiten aufgeben zu müssen. Dieses System funktionierte von Beginn an mehr schlecht als recht. Pluralistische Gesellschaftsmodelle hatten es generell schwer in einem Europa, das während der Zwischenkriegszeit von scharf ausgetragenen Konflikten innerhalb der Gesellschaften und einer allgemeinen Orientierung an einem möglichst geschlossenen, homogenen Nationalstaatsmodell geprägt war.17 Minderheiten galten in dieser Situation häufig als Störfaktor – oft genug auch als Bedrohung des nationalen Kollektivs –, und ihre Rechte wurden daher auch nur in wenigen Staaten geschützt und respektiert. Dies galt insbesondere für Minderheiten wie die Juden Osteuropas, deren Stigmatisierung eine lange Tradition hatte.18 Vertraglich zur Wahrung von Minderheitenrechten verpflichtet waren ohnehin nur die nach dem Ersten Weltkrieg neu geschaffenen Staaten. Die beiden Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich hatten sich dagegen verwahrt, Minderheitenrechte auch in den von ihnen beherrschten Überseegebieten flächendeckend umsetzen zu müssen. Die koloniale Situation hatte einen großen Teil der Weltbevölkerung zu Minderheiten innerhalb eines von der jeweiligen europäischen Metropole aus beherrschten Weltreiches gemacht: Anfang der 1920er Jahre umfasste das britische Empire ungefähr ein Viertel der Weltbevölkerung, zusätzlich lebten ungefähr fünf Prozent der Menschheit unter französischer Herrschaft. Betroffen waren vor allem große Teile Afrikas sowie Südostasiens. Sowohl Großbritannien als auch Frankreich stärkten die rechtliche Situation der Bewohner ihrer Kolonien erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als der Kolonialismus zunehmend in die Kritik geriet und die Autonomiebestrebungen in den Kolonien unübersehbar wurden. Großbritannien führte 1948 ein einheitliches Staatsbürgerschaftsrecht für alle Untertanen der Krone ein, das zumindest formal eine rechtliche Gleichstellung a­ ller Koloni-

16 Marrus 2002, S. 102. 17 Raphael 2011, S. 115. 18 Mendelsohn 1983, S. 41.

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sierten mit den Bewohnern des Mutterlandes bedeutete.19 Die Bewohner der Kolonien konnten sich nun innerhalb des Commonwealth ohne Visum frei bewegen. Trotz Bedenken gegen eine angesichts dieser Rechtslage möglichen Einwanderung aus den nicht weißen Kolonien – eine Möglichkeit, die in den Nachkriegsjahren auch vermehrt genutzt wurden – bestanden in der politischen Elite der Metropole große Vorbehalte dagegen, eine rechtliche Unterscheidung einzuführen. Die Freizügigkeit innerhalb des Commonwealth wurde erst Anfang der 1960er Jahre eingeschränkt.20 Die französische Verfassung von 1946 stellte die Bevölkerung der Kolonien entgegen dem britischen Modell in eine rechtliche Hierarchie: Formal mit den Franzosen im Mutterland gleichgestellt waren nur die Bewohner der Gebiete, die als integraler Bestandteil des Staatsgebiets galten, vor allem die Departements Algeriens. Die damit einhergehende Freizügigkeit sowie die räumliche Nähe zu Frankreich führten dazu, dass Algerier die erste zahlenmäßig relevante außereuropäische Immigrantengruppe in Frankreich darstellten. Die rechtliche Gleichstellung der „français musulmans“, wie Algerier in der Verwaltungssprache nun genannt wurden, wurde durch Praktiken der französischen Polizei konterkariert, die sie als „subversive“ Elemente einer engmaschigen Überwachung unterwarf. Diese Paradoxie verschärfte sich noch, als der französische Staat von 1954 bis 1962 einen Krieg gegen die algerische Unabhängigkeitsbewegung führte: Die in der Metropole lebenden Algerier waren in dieser Situation nicht mehr nur Fremde im formal eigenen Land, sondern potenzielle Feinde.21 Der Algerienkrieg sollte das Verhältnis Hunderttausender Franzosen algerischer Herkunft zum französischen Staat dauerhaft belasten. Das liberale Modell der Zwischenkriegszeit geriet zunehmend unter Druck, als Deutschland und die Sowjetunion erneut imperiale Interessen in Ost- und Mitteleuropa hegten. Durch den Aufstieg des Nationalsozialismus fand zudem die radikal abweichende Ordnungsvorstellung eines extremen rassistischen Nationalismus Verbreitung, die bereits vor dem deutschen Eroberungsfeldzug in Osteuropa auf Resonanz stieß und dort Mitte der 1930er Jahre wieder vermehrt zu Übergriffen auf Minderheiten führte. Nachdem Deutschland 1939 den Zweiten Weltkrieg begonnen und in rascher Folge die meisten Länder Europas besetzt sowie große Teile Mittel- und Osteuropas dem eigenen Herrschaftsgebiet angegliedert hatte, setzte das NS-Regime seine bis zur Vernich19 In der Forschungsliteratur wird teilweise angeführt, dass die allgemeine Staatsbürgerschaft für das gesamte britische Weltreich und die damit verbundene Freizügigkeit bereits vor 1948 bestanden habe. (Siehe etwa: Sturm-Martin 2001, S. 127). Im „British Nationality and Status of Aliens Act“ von 1914 heißt es jedoch eindeutig, dass nur in den dominions geborene Personen diesen Status erhalten. Dazu gehörten weder die Kolonien noch die Protektorate. Erst durch den „British Nationality Act“ von 1948 wurden auch die Einwohner der Kolonien zu den Bewohnern des Mutterlandes rechtlich gleichgestellten „subjects“. 20 Hansen 1996, S. 35–61. 21 Spire 2005.

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tungsabsicht gehende Rassenpolitik gegenüber verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den besetzten Gebieten und in den Territorien der verbündeten Staaten fort. Betroffen waren vor allem rassistisch definierte Minderheiten wie Juden, Sinti und Roma, die in Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden. Aber auch die slawische Mehrheit in Ost- und Südosteuropa stand dem nationalsozialistischen Kriegsziel eines germanisierten Europas im Weg und wurde hinter der Front und in den besetzten Gebieten Opfer von Hunger, Vertreibung und teilweise auch von Massenerschießungen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges richtete sich der Zorn der von der nationalsozialistischen Herrschaft befreiten Länder Osteuropas gegen die dort lebenden deutschsprachigen Minderheiten, die für die in ihrem Namen geführte aggressive Eroberungs- und Vernichtungspolitik mitverantwortlich gemacht wurden. Sie wurden für den Fall eines erneut erstarkten Deutschlands auch als potenzielles Sicherheitsrisiko angesehen, da der Schutz der deutschen Minderheiten dem NS-Regime als Vorwand für Expansion und Eroberungskrieg gedient hatte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es zur Vertreibung mehrerer Millionen deutschsprachiger Bewohner aus den ehemals zum Deutschen Reich gehörenden Ostgebieten sowie aus den angrenzenden östlichen und südöstlichen Nachbarländern. Bis 1950 flohen über acht Millionen dieser Vertriebenen in das Staatsgebiet der Bundesrepublik und fast vier Millionen in das der DDR. Sie wurden als deutsche Staatsbürger anerkannt und von der Bundesrepublik für die Enteignung ihres Eigentums entschädigt. Als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Zahl der Immigranten, die sich auf diese Sonderregelung bezogen, sprunghaft anstieg, wurde die Legitimität ihrer Zugehörigkeit in der Bundesrepublik zunehmend kritisch diskutiert. Seit 1993 mussten die nun als Spätaussiedler etikettierten Personen vorab einen Aufnahmebescheid beantragen und ihre deutsche Volkszugehörigkeit nachweisen, wozu seit den späten 1990er Jahren auch das Bestehen eines Sprachtests gehörte. Mitte der 1990er Jahre einigten sich die Mitglieder des Europarates auf das „Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“. Das Abkommen erweiterte die allgemeine Menschenrechtskonvention, indem es Angehörigen von Minderheiten das Recht zusprach, als Teil dieser sozialen Gruppe behandelt zu werden oder eine solche Zugehörigkeit zu verweigern.22 Die Unterzeichnerstaaten verpflichteten sich, Minderheiten bei der Ausübung ihrer Kultur zu fördern, was auch das Betreiben eigener Bildungseinrichtungen, in denen ihre Sprache unterrichtet wird, umfasste.23 Einige nationale Minderheiten hatten bereits in den vorherigen Nachkriegsjahrzehnten von bilateralen Abkommen profitiert, die ihnen – wie die Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955 der dänischen Min22 Artikel 3, Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 01.02.1995, amt­ liche Textfassung veröffentlicht auf http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/157. htm (17.12.2012). 23 Artikel 12 und 13, Rahmenübereinkommen.

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derheit in der Bundesrepublik und der deutschen Minderheit in Dänemark – einen besonderen Status garantierten.24 Die Bundesrepublik erkannte insgesamt vier Gruppen als nationale Minderheit an: Dänen in Schleswig-Holstein, Friesen in Niedersachsen (Ostfriesland), Sinti und Roma sowie Sorben in Brandenburg. Alle diese Gruppen hatten gemeinsam, dass ihre Niederlassung nicht das Ergebnis zeitnaher Migrationsprozesse war. Vielmehr mussten Minderheiten traditionell auf dem Staatsgebiet heimisch und bereits seit Generationen deutsche Staatsbürger sein. Neben den genannten kulturellen Rechten erhielten diese Gruppen auch politische Sonderrechte.

4. Ver leihung von Zugehör igk eitsr echten Volle Zugehörigkeitsrechte waren im 20. Jh. untrennbar mit dem Erwerb der Staatsangehörigkeit des Wohnlandes verbunden. Seit dem frühen 20. Jh. wurde das Wahlrecht als politisches Zugehörigkeitsrecht in den europäischen Demokratien zunehmend von Kriterien wie Besitz (allgemeines Wahlrecht für Männer) oder Geschlecht (Frauenwahlrecht) entkoppelt. Die rechtliche Differenz zwischen Ausländern als nicht zugehörigen Fremden und den untereinander zunehmend politisch gleichgestellten Inländern wuchs somit deutlich an. Trotz der gravierenden Veränderungen, die die Gesellschaften Europas während des 20. Jhs. durchmachten, blieben sowohl die Rechtsprinzipien der Staatsangehörigkeit als auch das Prozedere ihres Erwerbs weitgehend erhalten. Der Erwerb einer Staatsangehörigkeit konnte auf drei klassische Arten zustande kommen: durch Geburt, durch Heirat mit einem Staatsbürger (diese Option bestand nur für Frauen) oder durch Einbürgerung. Relativ neu waren Optionsregelungen für Migranten der zweiten oder dritten Generation, wenn diese nicht durch Geburt auf dem Staatsgebiet automatisch Staatsbürger wurden, sondern mit Erreichen der Volljährigkeit ein verkürztes Einbürgerungsverfahren durchliefen. Die strikte, ideologisch aufgeladene Trennung zwischen ius-soli- und ius-sanguinis-basierten Rechtssystemen, die sich bereits für das 19. Jh. nicht aufrechterhalten lässt, verwischte im 20. Jh. vor allem durch diese vierte Option noch weiter: Länder mit starken ius sanguinis-Traditionen wie Deutschland führten – wenn auch spät (1999) – ius soli-Elemente ein, um die dauerhafte Exklusion bereits im Land geborener Migrantengenerationen zu beenden.25 Trotz einer Relativierung der Brubaker’schen These, die bereits im vorangegangenen Kapitel diskutiert worden ist, muss festgehalten werden, dass der Erwerb der vollen rechtlichen Gleichberechtigung für diese Generationen in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden (hier nur für die dritte Generation) automatisch erfolgte, während er in Österreich, Schweden, Italien, Spanien oder Belgien begründungspflichtig und an ein – wenn auch verkürztes – Verfahren gekoppelt blieb. 24 Hoffmann 2003. 25 Weil 2001.

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Eine reguläre Einbürgerung von Migranten, die entweder selbstständig als Erwachsene oder als Kinder bzw. Jugendliche zusammen mit ihren Eltern eingereist waren, war in den meisten Ländern mit einem Verwaltungsverfahren verbunden. Die Entscheidungsstrukturen waren dabei analog zu den Verfahren der Migrationsregime für Aufenthaltserlaubnisse und Ausweisungen organisiert. In Länder mit einer nationalen Ausländerbehörde wie Belgien oder Frankreich wurde auch zentral über Einbürgerungen entschieden, während lokale Behörden nur Informationen über die Antragsteller lieferten. In Ländern mit dezentral organisierten Migrationsregimen wie der Bundesrepublik fiel auch die Entscheidung über die volle rechtliche Gleichstellung auf der lokalen Ebene. 8000 7500

Einbürgerrungsrate 1970 – 1989 Einbürgerrungsrate 1990 – 2004 Einwanderungsrate 1970 – 1989 Einwanderungsrate 1990 – 2004

7000 6500 6000 5500 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 Einbürgerrungsrate 1970 – 1989 Einbürgerrungsrate 1990 – 2004 Einwanderungsrate 1970 – 1989 Einwanderungsrate 1990 – 2004

Frankreich

UK

BRD

Niederlande

Belgien

2816

6539

350

2673

1320

418

2906

1476

4448

3854

3473

3706

1254

7034

4241

769

2838

1695

7056

7980

213

355

946

362

488

193



967

734

215

137

453

1025

681

890

245

1597

1452

989

373

Italien Österreich

Schweiz Schweden

USA

Die Einbürgerung wurde in Europa meist als Endpunkt einer gelungenen, durch den Fremden vollbrachten Inklusionsleistung gesehen. Die volle rechtliche Gleichstellung folgte also einer möglichst weitgehenden Inklusion in alle erreichbaren gesellschaftlichen Teilsysteme, während Ansätze, die die Einbürgerung selbst als Inklusionsinstrument ansehen, in Europa im Gegensatz zu den USA eher schwach ausgeprägt waren. Die angeführte Tabelle/Grafik26 zeigt, dass selbst diejenigen Länder Europas, die wie Schweden oder die Niederlande relativ viele Fremde einbürgerten, nicht die 26 Zahlen entnommen aus: Janoski 2010, S. 223.

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US-amerikanische Einbürgerungsquote der 1990er Jahre (fast 8 %) erreichten, obwohl die USA die Hürden in diesem Zeitraum im Verhältnis zu den ersten Nachkriegsjahrzehnten bereits relativ hoch ansetzten. Die 1990er Jahre waren insgesamt eine Phase vermehrter Einbürgerungen, obwohl nun in den meisten Ländern auch das Bestehen von Sprachtests für die Verleihung von Zugehörigkeitsrechten verlangt wurden.

5. Ent w ick lungen im 20. Jahrhundert 5.1 Der Erste Weltkr ieg und seine Folgen Für unsere Frage nach der Situation von Fremden in Europa markiert der Erste Weltkrieg aus zwei Gründen eine wichtige Entwicklungszäsur: 1. Bereits während des Krieges führten die meisten Staaten Europas eine Ausweispflicht ein, die für alle auf ihrem Staatsgebiet lebenden Personen galt. Durch das kriegsbedingte Misstrauen gegenüber Fremden als potenziellen Spionen wurde die Unterscheidung zwischen den eigenen Staatsbürgern und denen anderer Staaten zunehmend wichtiger. Die Ausweispflicht bot den Nationalstaaten sowohl die Option, die Mobilität von Ausländern zu beschränken und ihren Aufenthalt eventuell auch ganz zu beenden, als auch bessere Möglichkeiten, die eigene Bevölkerung zu kontrollieren und ihre Mobilisierung zum Kriegsdienst zu organisieren. Nach Kriegsende wurden die zunächst als Produkte eines Ausnahmezustands deklarierten Passregelungen meist nicht aufgehoben. Teilweise reagierten die Staaten Europas (etwa Italien) damit auch auf die neuen Einreiserestriktionen, die die USA als wichtiges Einwanderungsland gegen Ende des Krieges eingeführt hatten: Nur ein nationaler Pass, der die geforderten Maßstäbe einer eindeutigen Identifikation erfüllte, sicherte den eigenen Staatsbürgern von nun an die Auswanderung und den Herkunftsstaaten den Export von Arbeitslosigkeit und Armut. Der Erste Weltkrieg bedeutete für Fremde das Ende eines Zeitalters relativer Freizügigkeit, das zumindest in der zweiten Hälfte des langen 19. Jhs. in weiten Teilen Europas geherrscht hatte.27 2. Zweitens markiert der Erste Weltkrieg eine geopolitische Zäsur: Während bzw. unmittelbar nach dem Krieg zerfielen mit dem zaristischen Russland (1917), der Habsburgermonarchie (1918) und dem Osmanischen Reich (1920/22) drei Imperien alten Stils, die das Europa des 19. Jhs. – neben imperialen Nationalstaaten wie Großbritannien – entscheidend geprägt hatten.28 An die Stelle der alten Vielvölkerreiche traten meist souveräne Einzelstaaten, die sich als Nationalstaaten verstanden. Im Vergleich zum Prototyp des Vielvölkerstaates, der österreich-ungarischen Doppelmonarchie, in der keine der einander rechtlich gleichgestellten Nationalitäten in einem der Reichsteile die einfache Mehrheit der Bevölkerung ausgemacht hatte, waren die Nachfolgestaaten (mit 27 Torpey 2000, S. 111–118. 28 Osterhammel 2007, S. 125f.

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Ausnahme Jugoslawiens und der Tschechoslowakei) ethnisch homogener.29 So gehörten über 70 Prozent des vergrößerten Rumäniens zur Titularnation. Die neuen Nationalstaaten bestanden dennoch zu großen Teilen aus (rechtlich segregierten) ethnischen Minderheiten, was zunehmend problematisiert wurde. Insbesondere für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen des Balkans, die sich zwar einerseits kulturell voneinander abgrenzten, andererseits durch Heiratsverhalten und andere soziale Praktiken aber auch zahlreiche Überschneidungen aufwiesen, bedeutete der Prozess der Nationalstaatsbildung, dass sie – wie Holm Sundhaussen es treffend ausgedrückt hat – in einen „Sog nationaler Klassifizierungszwänge“ gerieten.30 Komplizierter war die Entwicklung der späteren Sowjetunion: Ähnlich wie das zaristische Russland blieb auch die Sowjetunion im Gegensatz zu den übrigen Nachfolgestaaten der alten Imperien ein Vielvölkerstaat, den zusammenzuhalten der kommunistischen Herrschaft zumindest für den Großteil des 20. Jhs. weitgehend gelang. Grundlage war verfassungsrechtlich die Durchsetzung des Föderalismus, der den einzelnen Sowjetrepubliken gleiche Rechte wie der größten russischen Sowjetrepublik einräumte, und die Einrichtung autonomer Republiken innerhalb der einzelnen Sowjetrepubliken, die wiederum kleineren Ethnien kulturelle Autonomie sichern sollte. Die rigorose Nationalisierung bzw. Ethnisierung der gesamten Bevölkerung und des Territoriums der Sowjetunion wurde Grundlage des neuen sozialistischen Imperiums. Zusammengehalten wurden die Republiken und Regionen des Sowjetreichs durch Partei und Armee, während ethnischen Minderheiten (definiert durch Abstammung, Kultur und Sprache) auf den darunter liegenden Ebenen eine relativ weitgehende kulturelle Selbstbestimmung eingeräumt wurde. Eine formelle rechtliche Gleichstellung aller Ethnien sollte – im Gegensatz zu den im Zarismus üblichen Diskriminierungen – Loyalität mit dem sowjetischen Staat erzeugen, was zunächst in vielen Fällen auch gelang, und ethnische Zugehörigkeiten auf lange Sicht obsolet machen, was sich als folgenreiche Fehleinschätzung erwies. Die pro-nationalistische Kulturpolitik („Einwurzelung“) endete während der durch Terror geprägten 1930er Jahre und machte einer zunehmenden Russifizierung der Eliten Platz. Auf der ideologischen Ebene hielt die Sowjetunion jedoch an der Formel gleichberechtigter „Sowjetvölker“ fest und schützte die kulturellen und sprachlichen Rechte der verschiedenen Titularvölker der Teilrepubliken. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Erste Weltkrieg dem Prinzip des Nationalen als Grundlage europäischer Staatlichkeit, das erstmals in der Französischen Revolution zu politischer Bedeutung gelangt war, zu einem allgemeinen Durchbruch verhalf. In der Folge genügte es nicht mehr, Untertan dieser oder jener Herrschaft zu sein, sondern jeder Einzelne musste sich eindeutig einer Nationalität zuordnen oder – häufiger – erhielt das Etikett einer solchen Zugehörigkeit durch Fremdzuschreibung. 29 Sundhaussen 2000. 30 Sundhaussen 2007.

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Die Lage von Fremden hing während der Zwischenkriegszeit von vielen Faktoren ab. Insgesamt war es eine Zeit, in der sich die Länder Europas relativ weitgehend gegen die Zuwanderung neuer Ausländer abschlossen. In der kurzen Phase wirtschaftlicher Entspannung zwischen 1923 und 1929 lockerten einige Länder Westeuropas zwar die Einreiserestriktionen, um den steigenden Bedarf bestimmter Sektoren an Arbeitskräften decken zu können. So wurde Frankreich während der 1920er Jahre nach den USA das wichtigste Einwanderungsland für Migranten aus (Ost-)Europa.31 Der europäische Trend bestand jedoch da­rin, die während des Krieges eingeführten Restriktionen gegenüber ausländischen Arbeitskräften, Warenimporten und ausländischen Investitionen grundsätzlich aufrechtzuerhalten. Zum niedrigen europäischen Migrationsniveau (im Sinne von dauerhafter Ansiedlung) der 1920er und 1930er Jahre trug auch bei, dass die Sowjetunion als wichtiges Herkunftsland die Ausreise (häufig Flucht) seiner Bürger in andere Länder stark behinderte.32 Personen, die von der Mehrheitsgesellschaft als fremd behandelt wurden und sich teilweise auch selbst kollektiv so darstellten, wiesen unterschiedliche Rechtsstatus auf: Ausländer, die staatenlos waren oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besaßen, genossen in den meisten Ländern Europas zwar einen Grundrechtsschutz, der dem der eigenen Staatsbürger entsprach. Sie hatten durch die menschenrechtlichen Passagen der Verfassungen meist einen Anspruch auf staatlichen Schutz ihres Lebens sowie ihres Besitzes und auf Gleichheit vor dem Gesetz. Bilaterale Verträge wie das 1927 beschlossene Niederlassungsabkommen zwischen Deutschland und der Türkei33 zeigen jedoch, dass die Herkunftsstaaten solchen allgemeinen Selbstverpflichtungen der Einwanderungsländer zum Schutz ihrer Staatsbürger kaum vertrauten. Als dieses Abkommen abgeschlossen wurde, lebten nur wenige Tausend Staatsbürger der Vertragsparteien im Gebiet der jeweils anderen – es zielte hauptsächlich darauf ab, das zwischenstaatliche Verhältnis zu verbessern und das Handelsaufkommen zu erhöhen. Bei einer konsequenten rechtlichen Gleichstellung wären einige der folgenden Bestandteile des Abkommens jedoch obsolet gewesen: Unter „der ausdrücklichen Bedingung der Gewährung völliger Gegenseitigkeit hinsichtlich der Staatsangehörigen und Gesellschaften des anderen Teils“34 verpflichteten sich die Vertragspartner, das Recht auf Leben, Eigentum und Freizügigkeit zu respektieren und die Ausländer vor Zwangsarbeit zu schützen. Der Vertrag sah darüber hinaus auch Ansprüche auf Berufs-, Gewerbe- und Handelsfreiheit vor, „sofern diese nicht den eigenen Staatsbürgern vorbehalten“ waren.35 31 Oltmer 2001, S. 57. 32 Roses u. a. 2010, S. 183. 33 Ein ähnliches Abkommen schlossen der Iran und Deutschland 1930 ab: „Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.02.1929“, veröffentlicht im RGBl II, S. 1006. 34 Artikel 1, „Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 25.06.1927“, veröffentlicht im RGBl II, S. 76. 35 Diese Ausnahmeregelung bezog sich auf den verbeamteten Staatsdienst.

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Auch die Verfassung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen enthielt ein allgemeines Recht auf Eigentum. In der Rechtswirklichkeit spielte die Kategorie der Fremdheit bei der Gewährung dieses Rechts eine wichtige Rolle:36 Die Bodenreformen, die Großgrundbesitzer enteigneten und ihr Land an Kleinbauern verteilten, betrafen in den neuen baltischen Staaten, Jugoslawien oder Rumänien vor allem Angehörige nationaler Minderheiten, die mit ausländischen Staaten in Verbindung gebracht wurden (wie türkische, ungarische oder baltendeutsche Großgrundbesitzer). Sie galten nun als Fremde, die kaum politischen Rückhalt hatten. In anderen Ländern wie Polen, in denen die Großgrundbesitzer mehrheitlich zur Titularnation gehörten, wurden solche Enteignungen wesentlich zögerlicher und moderater durchgeführt.37 Der Grundrechtsschutz, den Ausländer zumindest nominell genossen, fand seine Grenzen explizit bei allen Aspekten des öffentlichen Lebens, die als politische Betätigung ausschließlich den eigenen Staatsbürgern vorbehalten waren. Darunter fielen nicht nur das Wahlrecht und das Recht, sich in politischen Parteien zu engagieren, sondern in der Zwischenkriegszeit häufig auch noch das Recht, sich an Streiks zu beteiligen. Nationale Minderheiten waren aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft in den meisten Ländern auch in diesem Punkt mit den Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft rechtlich gleichgestellt. Dies schloss jedoch nicht aus, dass mit dem Status einer nationalen Minderheit, der die Betreffenden als Fremdkörper kennzeichnete, Diskriminierungen einhergingen, wenn ihnen die Loyalität zum Nationalstaat abgesprochen wurde.38 Der rechtliche Unterschied zwischen nationalen Minderheiten und Ausländern vertiefte sich während der 1930er Jahre in fast allen Ländern Europas erheblich: Während der Weltwirtschaftskrise wurden Fremde häufig als Konkurrenten der eigenen Staatsbürger um das knappe Gut Arbeitsplatz gesehen. Für die meisten Gewerkschaften in Europa gehörten ausländische Arbeiter nicht zu ihrer Klientel, weshalb sie im Allgemeinen für restriktivere Arbeitsmarktregelungen warben. Dies lag zum Teil auch im Inte­resse der Arbeitgeber: Unternehmer aus eher unattraktiven Sektoren wie dem Bergbau, die auch in der allgemeinen Krise periodisch noch Arbeitskräfte benötigten, wollten verhindern, dass sich ausländische Arbeiter nach der Anwerbung eine andere, besser bezahlte Arbeit suchten und den Arbeitgeber wechselten. Mit Frankreich39, Belgien40 und Deutsch-

36 37 38 39

Jetzinger 2006, S. 142. Walters 1988, S. 153. Simkuva 2005, S. 70; Bamberger-Stemmann 2007, S. 217. „Loi du 10 août 1932 protégeant la main d’œuvre nationale“, veröffentlicht im Journal Officiel vom 12.10.1932. 40 „Arrêté-Royal complétant et coordonnant les dispositions relatives à l’emploi de la maind’œuvre étrangère“ vom 31.03.1936, veröffentlicht im Moniteur Belge vom 07.04.1936; „ArrêtéRoyal portant réglementation de l‘activité professionnelle des étrangers“ vom 16.11.1939, veröffentlicht im Moniteur Belge vom 27./28.11.1939.

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land41 führten drei wichtige Einwanderungsländer Europas in der Zwischenkriegszeit erstmals ein Steuerungsinstrument ein, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein durchsetzen sollte: Ausländer mussten nun erst eine Erlaubnis einholen, bevor sie eine Erwerbstätigkeit aufnahmen oder sich selbstständig machten.42 In wirtschaftlichen Krisenzeiten erließen die zuständigen Ministerien Quotenregelungen, die genau vorgaben, in welchen Sektoren ausländische Arbeitskräfte in geringem Ausmaß zugelassen werden sollten und in welchen nicht. Bei niedriger Arbeitslosigkeit wurden die Quoten erhöht und wurde die Vergabe von Arbeits- und Gewerbeerlaubnissen insgesamt großzügiger gehandhabt – das Prinzip blieb jedoch auch in wirtschaftlichen Blütezeiten erhalten. Diese Neuerung wirkte sich sowohl auf bereits im Land lebende Migranten als auch auf Einreisewillige aus, zu denen während der 1930er Jahre viele Flüchtlinge aus Deutschland und Osteuropa gehörten. Die Arbeitserlaubnispflicht bedeutete für die erste Gruppe eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit, ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einer ohnehin sehr angespannten wirtschaftlichen Lage und ein wesentlich höheres Risiko, in Zeiten von Arbeitslosigkeit ausgewiesen zu werden. Neu einreisende Migranten, die zuvor meist erst einen Arbeitgeber gesucht und unter dieser Voraussetzung dann – oft entgegen den Regeln des Ausländerrechts – eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatten, bekamen während der frühen 1930er Jahre kaum die Chance, in Westeuropa legal Fuß zu fassen. Diese Schließung betraf zwischenzeitlich sogar etablierte Migrationssysteme wie den Einsatz polnischer Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft, der bereits seit dem späten 19. Jh. bestanden hatte.43

5.2 Nationalsozialismus, Zweiter Weltkr ieg und die Folgen Unterbrochen wurde diese Logik der Schließung gegenüber Zuwanderung, die die meisten Länder Europas während der Weltwirtschaftskrise und der darauf folgenden Jahre übernommen hatten, erst durch die Aufrüstung für einen neuen Weltkrieg. Seit 1936 warb Deutschland wieder polnische Saisonarbeitskräfte an, um den Arbeitskräftebedarf der Landwirtschaft zu decken, und die deutschen Behörden tolerierten bis zu einem gewissen Grad auch illegale Arbeitsmigranten. Bis zum deutschen Angriff auf Polen ähnelten die Bedingungen dieser Anwerbung weitgehend denen vor der Macht41 „Verordnung über ausländische Arbeitnehmer vom 23.01.1933“, veröffentlicht im RGBl I 1933, S. 26. 42 In den Niederlanden bedeutete die Arbeitserlaubnispflicht vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem Aufwand für den Arbeitgeber, während eine illegale Tätigkeit auf den ausländischen Arbeitnehmer kaum Auswirkungen hatte, also zum Beispiel keine Ausweisung nach sich zog. Dies änderte sich erst nach 1945, als sich die Niederlande weitgehend dem skizzierten westeuropäischen Modell anpassten. Van Eijl 2008, S. 52. 43 Herbert 2001, S. 120–123.

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übernahme durch die Nationalsozialisten: schlechte Bezahlung und gerade noch akzeptable Unterbringung der überwiegend weiblichen polnischen Arbeitskräfte, die diese Bedingungen vor allem wegen der extrem hohen Arbeitslosigkeit in Polen und der zeitlichen Beschränkung der Beschäftigung auf wenige Monate im Jahr in Kauf nahmen. Obwohl die Anwerbung bis zum Kriegsanfang nie das von der Wirtschaft tatsächlich benötigte Ausmaß erreichte, war die Einreise „fremdrassiger“ Arbeitskräfte, die in der nationalsozialistischen Rassenhierarchie weit unten rangierten, ein Thema, das bis zum Ende des Regimes zu großen Konflikten zwischen der Arbeitsverwaltung auf der einen und der Partei sowie der SS auf der anderen Seite führen sollte. Rassepolitisch unprob­ lematisch erschien demgegenüber die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem 1938 annektierten Österreich sowie unter den Sudetendeutschen, die als Arier galten, während die tschechische Bevölkerung im annektierten Teil der Tschechoslowakei zunächst nur zögerlich als Arbeitskräftereservoir gesehen wurde.44 Zu einem Wendepunkt kam es Anfang 1940, als sich die Arbeitsverwaltung durchsetzte und die Verwaltung des Generalgouvernements die Anweisung erhielt, über eine Million Polen zum Arbeitsein­ satz nach Deutschland zu schicken. Formal sollten diese Menschen regulär angeworben werden – de facto wurden sie unter Androhung oder auch unter Einsatz von Gewalt zur Arbeitsmigration gezwungen, und sie durften (ebenso wie die im Sommer 1940 zu Zivilarbeitern erklärten polnischen Kriegsgefangenen) ihren Arbeitsplatz in Deutschland nicht verlassen. Zahlreiche Verordnungen, die Modellcharakter für die Behandlung anderer deportierter Gruppen erhalten sollten, versuchten, die nicht mehr nur als Saisonarbeiter eingesetzten Polen innerhalb der deutschen Gesellschaft zu isolieren. Sie waren praktisch rechtlos der Gnade der deutschen Sicherheitsbehörden – insbesondere der Gestapo – ausgeliefert, die vor allem eine „rassische Vermischung“ der „Fremdarbeiter“ mit der deutschen Bevölkerung verhindern sollten: Polnische Männer, die sexuelle Beziehungen mit deutschen Frauen unterhielten, konnten zum Beispiel ohne Gerichtsverfahren öffentlich hingerichtet werden.45 Das Problem des Arbeitskräftemangels der deutschen Kriegswirtschaft schien mit dieser Form der Zwangsarbeit zunächst gelöst zu sein. Ein zweiter Wendepunkt fiel in den Winter 1941/42, als klar wurde, dass sich der Krieg gegen die Sowjetunion im Gegensatz zu den schnellen bisherigen Eroberungen länger hinziehen würde und die in der Produktion fehlenden deutschen Soldaten ersetzt werden mussten. Aufgrund der hohen Sterberaten in den deutschen Kriegsge44 Herbert 2001, S. 124f. 45 Herbert 2001, S. 132f. Bei der Kriminalisierung sexueller Kontakte zwischen Deutschen und Ausländern, die bei den Zwangsarbeitern und Kriegsarbeitern eine besondere Relevanz erhielt, spielten Gender-Vorstellungen eine große Rolle: Entsprechend der Vorstellung, dass durch solche Kontakte gezeugte Kinder die deutsche Rasse verdürben, wurde die Konstellation deutsche Frau – ausländischer Mann besonders hart bestraft. Deutsche Männer wurden demgegenüber für sexuelle Beziehungen zu ausländischen Frauen praktisch nie sanktioniert. Siehe dazu auch: Schneider 2010a.

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fangenenlagern und des erbärmlichen Gesundheitszustands, in dem sich viele der dort überlebenden sowjetischen Kriegsgefangenen befanden, griff die deutsche Arbeitsverwaltung auf die Zivilbevölkerung der Sowjetunion zurück und deportierte unter dem massiven Einsatz von Gewalt über drei Millionen Menschen nach Deutschland. Hinzu kam die Zwangsarbeit in den besetzten Gebieten selbst. Die Situation der ausländischen Zwangsarbeiter verschlechterte sich mit Fortdauer des Krieges zunehmend, auch wenn die deutschen Behörden zwischenzeitlich versuchten, deren Arbeitsleistung durch eine bessere Ernährung zu erhöhen. Insgesamt boten sie als entrechtete Fremde – und unter ihnen vor allem diejenigen Gruppen, die in der rassistischen Doktrin des Regimes weit unten standen, wie die polnischen und russischen Zwangsarbeiter – ein bequemes Ziel für angesichts des Kriegsverlaufs aufgestaute Frustrationen.46 Am deutlichsten trat der Konflikt zwischen der auf wirtschaftliche Nützlichkeit ausgerichteten Arbeitsverwaltung und der Rassenpolitik des Nationalsozialismus bei den Juden zutage: Ihre Vernichtung als aus Sicht der Rassenideologie schädlichste Gruppe gehörte mit zu den Kriegszielen, was ihren Einsatz als Arbeitskräfte (als Alternative oder Aufschub ihrer Ermordung) in der deutschen Wirtschaft aus Sicht der NSDAP und der SS kategorisch ausschloss.47 Seit Anfang 1944, als sich der Arbeitskräftemangel in Deutschland trotz der genannten Deportationen zuspitzte, musste die SS jedoch zunehmend Kompromisse eingehen und den Arbeitseinsatz jüdischer Zwangsarbeiter dulden, der auf von der SS geführte Betriebe und in die Konzentrationslager inte­ grierte Fabriken beschränkt blieb.48 Eine Überlebenschance bedeutete die Zwangsarbeit für die meisten Juden nicht, obwohl das NS-Regime lange den Eindruck aufrechtzuerhalten suchte, dass nur Arbeitsunfähige getötet würden. Die Vernichtung der europäischen Juden ging parallel zum Arbeitseinsatz jüdischer Zwangsarbeiter praktisch bis zum Kriegsende weiter.49 Durch den zunächst überaus erfolgreichen – und für die militärisch unterlegenen Länder verstörend schnellen – Eroberungsfeldzug Nazideutschlands wurde die nicht deutsche Bevölkerung Europas also zu einem weitgehend entrechteten Arbeitskräftereservoir, das je nach den Bedürfnissen der Kriegswirtschaft deportiert und ausgebeutet werden konnte. Unter welchen Bedingungen dies geschah und wie mit diesen Menschen während des Krieges umgegangen wurde, hing entscheidend von ihrer „Rassezugehörigkeit“ ab. Das Konzept der Rasse weist einige Gemeinsamkeiten zur Nationalität im ethnischen Sinne (nicht im Sinne von Staatsangehörigkeit) auf. Bei beiden handelte es sich um Zugehörigkeiten, die als feststehend und von der Willensentscheidung des Individuums unabhängig konstruiert wurden. Das Extrembeispiel der national46 Herbert 2001, S. 136–147. 47 1940 verbot Adolf Hitler per Erlass ausdrücklich den Arbeitseinsatz von Juden im Altreich oder gar zusammen mit der deutschen Bevölkerung. Friedländer 2006, S. 106. 48 Herbert 2001, S. 167–181. 49 Mommsen 1983, S. 415.

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sozialistischen Rassenpolitik macht jedoch die zentralen Unterschiede deutlich: Während die ethnisch verstandene Nationalität meist an kulturellen Merkmalen wie Sprache oder Religion festgemacht wurde, waren Rassen angeblich biologisch determiniert und ließen sich mit pseudowissenschaftlicher Gewissheit anhand physischer Merkmale feststellen. „Rassische Fremdkörper“ wurden per se als schädlich für die homogene „Volksgemeinschaft“ angesehen. Diese spezielle Zugehörigkeit setzte einen durch Erbgut begründeten Automatismus in Gang, dem sich das Individuum durch sein Verhalten, etwa durch Wechsel der Religion oder Erlernen einer Sprache, nicht entziehen konnte. Rassistische Ideologien waren bereits vor dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbreitet gewesen, aber durch den Einfluss Nazideutschlands als Besatzungsmacht erhielten rassistische Deutungsmuster eine neue Dominanz in Europa.50 Dies erleichterte zum einen die Verfolgung von Juden in den besetzten Ländern, etwa wenn deren Bürger mit den Deutschen zusammenarbeiteten und Informationen über den Aufenthaltsort von Verfolgten weitergaben. Der Zugriff der deutschen Besatzungsbehörden auf Juden oder andere aus rassistischen Gründen verfolgte Minderheiten war umso einfacher, je eher sich die Kategorien der Rassenlehre mit den Kategorien des Staatsbürgerschaftsrechts deckten: So waren zum Beispiel viele der in Belgien bei Kriegsausbruch lebenden Juden Ausländer (häufig polnische Staatsbürger), die unter Aufsicht der belgischen Fremdenpolizei standen. Ungeachtet vereinzelter erfolgloser Versuche der Desinformation stellten deren Akten eine wichtige Grundlage dar, als die Gestapo im Winter 1942/43 die Deportation aller in Belgien lebenden Juden in die Vernichtungslager im Osten organisierte. Zum anderen schürte der Rassismus in den besetzten Gebieten auch die Konflikte zwischen den verschiedenen Nationalitäten. Die brutale völkische ‚Lebensraum‘-Politik bot während der deutschen Besatzung auch Gruppen, die in der Rassenlehre selbst nicht an der Spitze standen, Anknüpfungspunkte, um mit Billigung der deutschen Sicherheitsbehörden gegen andere verhasste Nationalitäten vorzugehen. In einigen Fällen wie dem Verhältnis zwischen Kroaten und Serben im nun aufgeteilten Königreich Jugoslawien verbanden sich die Zugehörigkeiten zu einzelnen Nationalitäten auch mit einer (zumindest mehrheitlich vertretenen) bestimmten Haltung gegenüber der deutschen Besatzung, was sich noch Jahrzehnte nach Kriegsende auf das Zusammenleben im vom ehemaligen Partisanenführer Josip Broz Tito beherrschten kommunistischen Jugoslawien auswirkte.51 Auch in Ländern, die sich dem Rassenwahn nationalsozialistischer Prägung erfolgreich verweigerten, wurden Fremde in der Kriegssituation als Problem gesehen und behandelt: Die meisten kriegsteilnehmenden Länder internierten zivile Angehörige von Feindstaaten während des Krieges und ignorierten dabei häufig, wie lange die 50 Mazower 2009, S. 167, 363. 51 Pohl 2008, S. 277.

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­ etreffenden bereits dort lebten und ob sie die Staatsangehörigkeit ihres Wohnlandes B angenommen hatten. Dies galt für Deutsche, Italiener und Österreicher in Großbritannien52 sowie für die Staatsangehörigen der Achsenmächte in den meisten kontinentaleuropäischen Ländern, solange sie noch nicht von Deutschland besetzt waren. Die Staaten knüpften damit an eine bereits während des Ersten Weltkrieges übliche Logik an und stellten Zweifel an der Loyalität der nun als feindselige Fremde Wahrgenommenen und Ängste vor Spionage über deren individuelle Rechte. Diese in den liberalen Demokratien häufig umstrittenen Internierungen waren jedoch weder als Strafaktionen konzipiert noch mit Vernichtungsabsichten verbunden.

5.3 Ar beitsmigr ation und K alter Kr ieg (1945–1990) Die späten 1940er und auch noch die 1950er Jahre waren in Europa in mehrfacher Hinsicht von Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges geprägt, durch Kriegsschäden, die Rückkehr der Kriegsgefangenen und die Rückführung der nach Deutschland und Westeuropa zur Zwangsarbeit verschleppten Displaced Persons (DPs). Eine der brisantesten politischen Fragen der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Aufarbeitung der Kollaboration während der deutschen Besatzungszeit. In den Sog solcher Säuberungsprozesse gerieten auch Fremde, die nicht aufgrund ihres individuellen Verhaltens während der Besatzungszeit, sondern aufgrund ihrer Nationalität bestraft wurden. Im August 1945 einigten sich die Alliierten darauf, dass die Aussiedlung der deutschsprachigen Minderheiten aus Osteuropa angesichts der Verbrechen der Besatzungszeit unvermeidlich sei und daher zumindest möglichst human gestaltet werden sollte. Versuche etwa der ungarischen Regierung, Vertreibungen auf solche Deutsche zu beschränken, die persönlich als Nazikollaborateure bekannt waren, scheiterten am energischen Widerstand lokaler Kommunisten, die von der sowjetischen Führung unterstützt wurden.53 Die Enteignungen und Vertreibungen der deutschsprachigen Minderheiten aus Osteuropa waren insbesondere in der unmittelbaren Nachkriegszeit von Gewaltexzessen geprägt und wurden meist erst nachträglich durch Gesetze legitimiert, die zentrale Rechtsgrundsätze außer Acht ließen. Die humanitäre Einhegung der Vertreibungen gelang jedoch nur in bescheidenem Umfang.54 Die westeuropäischen Staaten wiesen Ausländer, die wegen Kollaboration mit den deutschen Besatzern verurteilt wurden, häufig unabhängig vom Schweregrad aus. Sie hielten sich dabei jedoch weitgehend an die bestehenden Ausländergesetze und beschränkten Ausweisungen auf Fremde, deren Illoyalität als verbürgt galt. Staatsangehörige der Achsenmächte durften grundsätzlich – wenn auch unter Hinnahme sozialer Diskriminierungen im Alltagsleben – im Land bleiben. 52 Panayi 2005, S. 17–26. 53 Marrus 2002, S. 329. 54 Marrus 2002, S. 327f.

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Im Herbst 1945 befanden sich elf Millionen Europäer aufgrund des Kriegsgeschehens außerhalb ihres Herkunftslands und sollten nach Auffassung der „International Refugee Organization“ (IRO), einer Sonderorganisation der neu gegründeten Vereinten Nationen, möglichst bald „repatriiert“ werden.55 Ziel der IRO war es, entweder alle DPs zurückzuführen oder sie, wenn sie sich aus „nachvollziehbaren“ Gründen weigerten und dies von einer Kommission der Organisation anerkannt wurde, als (politische) Flüchtlinge in einem anderen Land anzusiedeln.56 Ein Jahr nach Kriegsende lebten im besetzten Deutschland noch fast sieben Millionen DPs in entsprechenden Lagern (häufig ehemaligen KZs wie etwa Bergen-Belsen). Diese Unterbringung in Lagern, die von der IRO für die von ihr erfassten DPs vorgeschrieben war, wirkte für viele ehemalige Zwangsarbeiter als starker Anreiz, sich nicht als solche registrieren zu lassen, sondern sich als Arbeitsmigranten mit (zunächst) unsicherem Aufenthaltsstatus durchzuschlagen.57 Es zeigte sich, dass Zwangsarbeiter aus Westeuropa meist freiwillig die Hilfe der IRO in Anspruch nahmen, um relativ zügig in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Aus Osteuropa verschleppte Zwangsarbeiter verweigerten sich der Rückführung demgegenüber häufiger, da sie in ihren Herkunftsländern Verfolgungen fürchteten. Die Zahl der in den DP-Lagern lebenden Menschen aus Osteuropa nahm trotz der Repa­ triierung einiger Hunderttausend DPs nach Polen in den späten 1940er Jahren nicht ab, da neu einreisende jüdische Flüchtlinge aus der Sowjetunion diese zahlenmäßig wieder ausglichen.58 Die Situation dieser Fremden, die weiterhin keinen deutschen Pass besaßen, war in der Bundesrepublik der späten 1940er und 1950er Jahre äußerst ambivalent, von einer Gleichzeitigkeit rechtlicher Privilegierung und politisch-sozialer Diskriminierung geprägt.59 Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die europäischen Ökonomien eine Boomphase. In einer für Zeitzeugen der ersten Nachkriegsjahre angesichts der massiven Zerstörung vieler Städte kaum vorstellbaren Geschwindigkeit erholte sich Europa und erreichte innerhalb weniger Jahre wieder das Einkommensniveau der Vorkriegszeit. Seit 1950 gewöhnten sich die meisten Länder an ein starkes, stabiles Wachstum und an eine meist noch akzeptable Inflationsrate.60 Mit dieser Boomphase einher ging ein fundamentaler Wandel der meisten Volkswirtschaften: Viele Länder im Süden und Osten sowie in der Peripherie Europas waren Anfang der 1950er Jahre noch stark agrarisch geprägt und erlebten nun erst eine rasante Industrialisierung.61 Vor allem die Industrie und der Bergbausektor benötigten in den meisten höher industrialisierten Ländern 55 56 57 58 59 60 61

Marrus 2002, S. 298. Holborn 1956, S. 203–213. Pleinen 2012, S. 166–185. Benz 2009, S. 96f. Schönwälder 2001, S. 221f. Crafts u. a. 2002, S. 3. Kaelble 2007, S. 58–61.

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­darüber hinaus zunehmend Arbeitskräfte. Eine mögliche Anwerbung von Arbeitskräften in anderen, zum Westen gehörenden Ländern Europas erschien angesichts dieser politischen Großwetterlage zunehmend attraktiv. Die noch eher agrarisch geprägten (euro-)mediterranen Volkswirtschaften hatten wiederum ein großes Interesse daran, ihre zum Teil sehr hohe Arbeitslosigkeit durch Emigration zu senken und durch die zu erwartenden Geldtransfers der Emigranten außerdem zusätzliche Devisen zu erhalten.62 Die meisten westlichen Industrieländer schlossen daher bereits bald nach Kriegsende Verträge ab, in denen die Modalitäten einer staatlich kontrollierten Anwerbung von Arbeitskräften vereinbart wurden. Frankreich hatte bereits in der Zwischenkriegszeit mit Polen (1919) ein Anwerbeabkommen abgeschlossen, dessen Grundsätze zum Modellfall für ähnliche Verträge in ganz Europa wurden. Zu ihnen gehörte die Gleichstellung der angeworbenen Arbeiter mit den eigenen Staatsbürgern in Fragen des Arbeitsrechts, des Vereinigungsrechts und der Bezahlung. Dem anwerbenden Staat wurde dafür gestattet, eigene Anwerbestellen auf dem Gebiet des Vertragspartners einzurichten, deren Mitarbeiter sich um die Auswahl und den Transport der Arbeitskräfte kümmerten.63 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Frankreich eine Vorreiterrolle ein, als es 1946 ein ähnliches Anwerbeabkommen mit Italien abschloss und damit einen wichtigen Schritt hin zu einer Normalisierung des europäischen Arbeitsmarkts vollzog.64 Diesem Modell folgten bald die meisten Industrieländer, um ihren Bedarf an Arbeitskräften zu decken, und machten einander bei der Anwerbung Konkurrenz. Die Bundesrepublik schloss sich diesem Trend erst spät an, als sie 1955 ihr erstes Anwerbeabkommen mit Italien abschloss. Zu einer zahlenmäßig relevanten Einwanderung führte diese Übereinkunft erst Ende der 1950er Jahre, als die Vertriebenen bereits weitgehend in das westdeutsche Wirtschaftsleben inkludiert waren und aufgrund eines stabilen Wachstums weitere Arbeitskräfte benötigt wurden. Dann folgten in schneller Folge ähnliche bilaterale Verträge mit Spanien und Griechenland (beide 1960), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) sowie mit Jugoslawien (1968). Nachträglich sollte sich der 1961 mit der Türkei abgeschlossene Anwerbevertrag als der wichtigste erweisen, da von dort die meisten Migranten in die Bundesrepublik kamen. Kaum auf eine Anwerbung im europäischen Ausland griff hingegen Großbritannien zurück: Seit der Änderung des britischen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 1948 stand es den Bewohnern seiner Kolonien frei, innerhalb des Commonwealth zu reisen und sich auch in Großbritannien niederzulassen. Aufgrund der Armut, die in den m ­ eisten Kolonien herrschte, und des vergleichsweise hohen britischen Lohnniveaus nutzten Zehntausende Migranten jedes Jahr diese Möglichkeit. Eine gezielte Anwerbung von Arbeitskräften in den Kolonien war in Großbritannien zugunsten der unregulierten 62 Steinert 1995, S. 278. 63 Rass 2010, S. 358. 64 Rass 2010, S. 387.

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Einwanderung aus Irland und einer kurzfristigen Arbeitsmigration vom Kontinent eigentlich verworfen worden. Letztlich kam bis Anfang der 1960er Jahre, als die Freizügigkeit innerhalb des Commonwealth wieder eingeschränkt wurde, jedoch ein großer Teil der benötigten Arbeitskräfte aus den Kolonien. In diesem Zeitfenster ermöglichte die erzwungene Zugehörigkeit zum Kolonialreich außereuropäischen Migranten, trotz der allgemeinen Tendenz der meisten europäischen Länder, sich gegen diese als besonders fremd empfundene Zuwanderung abzuschirmen, einen weitgehend problemlosen Zugang nach Europa. Im Gegensatz zu den angeworbenen Migranten galten Zuwanderer aus den Kolonien nicht als Ausländer und fielen dementsprechend auch nicht in die Zuständigkeit der spezialisierten Verwaltungen. Eine ähnliche Situation entwickelte sich – allerdings unter viel dramatischeren Rahmenbedingungen – in Frankreich, das Algeriern bis 1962 die Einreise und Arbeitsaufnahme im Mutterland erlaubte. Die Arbeitsmigration der Nachkriegszeit sollte nach den Planungen von Einwanderungs- wie Auswanderungsländern hauptsächlich unter den in den Anwerbeverträgen vorgesehenen Bedingungen stattfinden und von nur kurzer Dauer sein. Die Einreiseregelungen und Ausländergesetze der meisten europäischen Länder, die Ziel von Einwanderung waren, sahen jedoch auch die Möglichkeit vor, ein Arbeitsvisum bei einer Botschaft im Herkunftsland zu beantragen. Dabei war meist ebenfalls die Zustimmung der jeweils zuständigen Behörden – teils, wie in Belgien zentralstaatlicher Institutionen, teils, wie in der Bundesrepublik lokaler Verwaltungen – vorgesehen. Im Verhältnis zur staatlich organisierten Anwerbung war es in diesem Fall für beide Länder schwieriger, Migrationsbewegungen zentral zu erfassen und zu steuern. Die staatliche Steuerung dieser Migrationen stieß bereits früh an ihre Grenzen, und die Grenzen zwischen der erwünschten Arbeitsmigration und einer geduldeten Zuwanderung ganzer Familien sowie dauerhafter Ansiedlung waren von Anfang an fließend. Auch illegale Migration war nicht ausschließlich ein Phänomen späterer Zeiten, als sie vermehrt Gegenstand medialer Aufmerksamkeit wurde, sondern kam – ebenso wie in der Zwischenkriegszeit – bereits in den ersten Nachkriegsdekaden vor. Die meisten Länder Europas, die einen positiven Einwanderungssaldo aufwiesen, ließen phasenweise zu, dass die entsprechenden Behörden den Aufenthalt von Migranten nachträglich legalisierten, wenn diese als unproblematisch gesehen wurden und einen Arbeitsplatz gefunden hatten. Die Arbeitsmigranten der ersten Nachkriegsdekaden arbeiteten mehrheitlich in der Industrie, waren den einheimischen Arbeitnehmern – unabhängig davon, ob sie über die Anwerbeabkommen eingereist waren oder nicht – arbeitsrechtlich gleichgestellt und sollten auch entsprechend entlohnt werden. Tatsächlich kam es jedoch häufig vor, dass Ausländer ungeachtet ihrer Qualifikation hauptsächlich für – teilweise gefährliche – Handlangerdienste bzw. als an- oder ungelernte Produktionsarbeiter eingesetzt und entsprechend niedrig bezahlt wurden.65 Ein weiterer Kritikpunkt bestand in der Un65 Bade 2000, S. 318.

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terbringung der Arbeitsmigranten, die häufig in heruntergekommenen und überteuerten Sammelunterkünften lebten. Beides war wiederholt Gegenstand von Verhandlungen zwischen Italien als dem wichtigsten Auswanderungsland der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und den Einwanderungsländern der Gemeinschaft, Frankreich, Belgien und der Bundesrepublik. Als Belgien nicht auf die wiederholte Kritik an den gefährlichen Arbeitsbedingungen italienischer Arbeiter in den belgischen Kohlebergwerken reagierte, kündigte Italien das Anwerbeabkommen 1956 wieder auf. EWG-Binnenmigranten konnten sich seit den späten 1950er Jahren zunehmend auf Regelungen für eine freie Zirkulation von Arbeitskräften innerhalb der Gemeinschaft berufen, während bilaterale Abkommen an Bedeutung verloren. Dies gipfelte Ende 1968 in der Umsetzung der Freizügigkeit für EWG-Staatsbürger: Ab diesem Zeitpunkt waren sie von der Visapflicht befreit und brauchten auch keine Arbeitserlaubnis mehr. Spätestens seit 1968 wurden Fremde in Europa nicht nur sozial, sondern auch rechtlich anhand einer neuen Kategorie voneinander unterschieden: Auf der einen Seite standen Migranten aus den EWG-Mitgliedsstaaten, die einen Anspruch darauf hatten, ihre Kernfamilie nachkommen zu lassen und sich im Alter dauerhaft in dem Land niederzulassen, in dem sie gearbeitet hatten. Ihre dauerhafte Ansiedlung hing zwar immer noch davon ab, ob es ihnen gelang, in das Wirtschaftsleben inkludiert zu werden, aber die Mitgliedsstaaten konnten europäische Binnenmigranten nicht mehr aus allgemeinen wirtschaftspolitischen Erwägungen ausweisen. Auf der anderen Seite standen entsprechend diesem neuen Unterscheidungskriterium von Fremdheit nun aber die Staatsangehörigen von inner- und außerhalb Europas gelegenen Drittstaaten, für die zunächst alles beim Alten blieb. Ihre Situation änderte sich seit 1970 grundlegend, als zunächst die Schweiz und dann in schneller Folge alle Einwanderungsländer Europas einen Anwerbestopp verhängten. Damit endete nicht nur die aktive Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, sondern auch die Vergabe individueller Arbeitsvisa durch die Botschaften. Viele Migranten aus Drittstaaten, die bisher häufig für längere Zeiträume zwischen Herkunftsland und Einwanderungsland gependelt waren, standen nun ohne Aussicht auf ein neues Arbeitsvisum vor der Wahl, endgültig zurückzukehren oder sich mit ihrer Familie im Einwanderungsland niederzulassen. Die meisten entschieden sich für eine dauerhafte Niederlassung, sodass der Anwerbestopp – eigentlich geplant als Maßnahme gegen die als zu hoch empfundene Präsenz von Fremden – zunächst einen gegenteiligen Effekt hatte und der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung anstieg.66 Für neue Migranten aus Drittstaaten waren die Auswirkungen drastischer: Ihnen war die Arbeitsaufnahme in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft von nun an verwehrt, es sei denn, sie hatten nahe Verwandte dort, die bereit waren, im Falle einer Arbeitslosigkeit für die Kosten ihres Unterhalts aufzukommen. Die einzige andere Möglichkeit, 66 Bade 2000, S. 336.

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legal in die Länder der Gemeinschaft einzureisen, bestand bald darin, einen Antrag auf Anerkennung als politischer Flüchtling zu stellen. Zusammen mit einer Häufung von Fluchtursachen führten diese Schließungsprozesse seit den späten 1970er Jahren dazu, dass die Zahl der Asylanträge in vielen Ländern Europas deutlich anstieg. Die europäischen Einwanderungsländer reagierten unterschiedlich auf das Scheitern der Vorstellung, liberale Demokratien könnten sich einer ausgewählten Form von Migration phasenweise öffnen, ohne dabei langfristige Selbstverpflichtungen einzugehen, und sich gegen jede unerwünschte Zuwanderung abschirmen.67 In Ländern wie Belgien und Frankreich waren Inklusionskonzepte wie das der Integration bereits in den 1960er Jahren diskutiert und eine dauerhafte Niederlassung zumindest eines Teils der Ausländer als gegeben hingenommen worden. Demgegenüber hielt sich die Vorstellung, kein Einwanderungsland zu sein und dementsprechend die Zuwanderung und ihre Auswirkungen auch kaum in mittel- und langfristigen Planungen berücksichtigen zu müssen, besonders lange in der Bundesrepublik und der Schweiz. Ein langsames Umdenken setzte hier erst während der 1980er Jahre ein, was sich für bereits etablierte Migranten vor allem in der Möglichkeit niederschlug, nun erstmals unbefristete Aufenthaltserlaubnisse beantragen zu können. Um 1990 lag der Ausländeranteil in den zwölf Mitgliedsstaaten der EG durchschnittlich bei etwas über fünf Prozent – ein Mittelwert, der eine erhebliche Ungleichverteilung verdeckt: Von absoluten Ausnahmen wie Luxemburg (28,7 %) abgesehen, wiesen die klassischen Einwanderungsländer der Gemeinschaft wie Frankreich, Deutschland und Belgien einen Ausländeranteil von zwischen sechs und neun Prozent auf, während die mediterranen Entsendestaaten der ersten Nachkriegsdekaden zu diesem Zeitpunkt (mit um 1 %) kaum Ziel von Einwanderung waren.68

5.4 Aktuelle Tendenzen Europa hatte sich – beginnend mit Westeuropa – seit Anfang der 1960er Jahre, als die überseeische Auswanderung der Europäer erstmals zahlenmäßig hinter der Zuwanderung nach Europa zurückblieb, langsam vom Auswanderungskontinent zum Einwanderungskontinent gewandelt.69 Während der 1990er und 2000er Jahre verwischte auch die oben beschriebene Aufteilung Europas in Einwanderungs- und Auswanderungsländer zunehmend: Der offizielle Ausländeranteil versechsfachte sich in den mediterranen Staaten in diesem Zeitraum. Hinzu kam dort ein vergleichsweise hoher Anteil illegaler Migranten, die aufgrund ihrer Rolle als billige Arbeitskräfte in der Agrarwirt67 Bade 2000, S. 321. 68 Zahlen entsprechend den Angaben von Eurostat: http://www.bpb.de/themen/KAGJSA,0,0, Migration_im_europ%E4ischen_Vergleich_Zahlen_Daten_Fakten.html (10.04.2012). 69 Bade 2001, S. 17.

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schaft geduldet wurden. Illegale Migration stellt ein ambivalentes Phänomen dar, das durch den während des 20. Jhs. deutlich angestiegenen Anspruch der Nationalstaaten, jede Form von Einwanderung zu kontrollieren, entstand und vor allem im letzten Drittel zunehmend als Bedrohung gesehen wurde. Die Verhinderung illegaler Einwanderung wurde seit den 1980er Jahren zu einem zentralen Projekt der EG. Sie war Teil eines Konzepts des europäischen Raums, das völlige Binnenfreizügigkeit mit einer verstärkten Kontrolle an den Außengrenzen kombinierte. Für die Staatsbürger der Mitgliedsstaaten schlug sich die zunehmende europäische Integration in der Einführung einer Unionsbürgerschaft im Maastricht-Vertrag von 1992 nieder: Die EU-Staatsbürgerschaft trat nicht an die Stelle der bisherigen nationalen Staatsbürgerschaften, sondern ergänzt diese als eine rechtliche Zugehörigkeit zweiter Ordnung und leitete sich aus deren Besitz ab.70 Sie stärkte die rechtliche Situation von Gemeinschaftsbürgern, die sich in einem Mitgliedsstaat aufhielten, erheblich, da diese nun ein einklagbares Recht auf das kommunale Wahlrecht an ihrem Wohnort, auf Freizügigkeit und auf Schutz vor Diskriminierung hatten. Ein zweiter wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren Inklusion von Gemeinschaftsbürgern bestand darin, dass die Mitgliedsstaaten ihre Kontrollen an den Binnengrenzen weitgehend aufgaben. Da diese Maßnahme mit dem Aufbau eines relativ komplexen Datenbanksystems (c.SIS und EURODAC) flankiert wurde, dauerte die Umsetzung des 1990 beschlossenen Schengensystems bis 1997. Die meisten Mitgliedsstaaten überprüften seit der Umsetzung der EU-Freizügigkeit häufiger die Ausweispapiere von Reisenden in Zügen und an Bahnhöfen und ließen vor allem in Grenzgebieten „verdachtsunabhängige“ Fahrzeugkontrollen durchführen. Bei dieser sog. „Schleierfahndung“ wurden in den meisten Ländern relativ offen Fremdheitszuschreibungen wie Hautfarbe oder ethnische Zugehörigkeitsmerkmale wie Kleidung angewandt, da sie in der neuen Logik des Binnenraums am ehesten als Indiz für die Zugehörigkeit zu einem Drittstaat angesehen wurden. Seit den Anschlägen islamistischer Terrorgruppen in den USA im September 2001, in Spanien im März 2004 und in Großbritannien im Juli 2005 nimmt auch die Fremdheitskategorie religiöser Zugehörigkeit, die ebenfalls häufig am Aussehen der Betreffenden festgemacht wurde, eine wichtige Rolle bei Kontrollen ein. Für Drittstaatsangehörige hatte die zunehmende europäische Integration sowohl inkludierende als auch exkludierende Folgen. Für sie bedeutete das Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedsstaat nun auch die Reisefreiheit in den übrigen Schengenraum, die zumindest für eine Aufenthaltsdauer von unter drei Monaten ohne Pflicht zur behörd­ lichen Genehmigung bestand. Gleichzeitig erweiterte sich seit den frühen 1990er Jahren aber auch die Reichweite nationalstaatlich organisierter Exklusionen auf den gesamten 70 Artikel 8, Vertrag über die Europäische Union, Amtsblatt Nr. C 191 vom 29. Juli 1992, online einzusehen auf http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/11992M/htm/11992M.html8000002 (10.04.2012).

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Raum der EU: Drittstaatsangehörige konnten nunmehr nur noch in einem Mitgliedsstaat einen Asylantrag stellen und mussten im Falle einer Ablehnung oder einer sonstigen Ausweisung den gesamten Binnenraum verlassen, da ein Aufenthaltsverbot eines Mitglieds zugleich auch für alle anderen galt. Europa wurde seit den 1970er Jahren aufgrund der weiteren Verbreitung des zivilen Flugverkehrs zunehmend zum Ziel außereuropäischer Fluchtbewegungen, sodass sich Ereignisse wie die Putsche in Chile und Pakistan, der Libanonkrieg sowie die Armut und politische Instabilität großer Teile Afrikas hier erstmals durch (versuchte) Zuwanderung auswirkten. Trotz dieser wachsenden Bedeutung globaler Migrationsbewegungen war die überwiegende Mehrheit der neuen, häufig exkludierten Fremden nach wie vor Europäer, deren Herkunftsstaaten (noch) nicht der EG/EU angehörten. Massive Wanderungsbewegungen löste Anfang der 1990er Jahre der Zusammenbruch der osteuropäischen Diktaturen aus: Der während der sowjetischen Herrschaft mehr oder weniger unterdrückte Nationalismus brach sich nun häufig in Neonazismus und offener Xenophobie Bahn.71 Hinzu kamen Flüchtlinge aufgrund der ethnischen Konflikte in der Türkei und auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, deren Zahl in die Hunderttausende ging. EU-weite Asylbewerberzahlen von bis zu 700.000 pro Jahr lösten in den meisten Ländern Abwehrreaktionen aus, die in einer deutlich restriktiveren Asylpolitik resultierten. Zugangsrestriktionen konnten dabei das Resultat von Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien sein, in deren Wahlprogrammen xenophobe Haltungen einen wichtigen Platz einnahmen.72 Aber auch Parteien der Mitte und eher linke Parteien Europas vertraten in dieser Phase häufig die Argumentation, nur ein konsequenter Zuwanderungsstopp könne weitere Fremdenfeindlichkeit verhindern. Selbst Anschläge auf Asylbewerber-Wohnheime wurden als eine extreme Reaktion auf eine über das erträgliche Maß hinausgehende „Überfremdung“ interpretiert.73 Illegale Migranten oder sog. Sans-Papiers hatten prinzipiell einen rechtlichen Anspruch darauf, dass der Staat, in dem sie lebten, die in der jeweiligen Verfassung vorgesehenen Menschenrechte wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützte, auch wenn er sie des Landes verweisen wollte. In der Rechtswirklichkeit lebten diese Menschen unter äußerst prekären Umständen, da sie selbst diese rudimentären Rechte meist nicht einfordern konnten, ohne ihren Aufenthaltsstatus preiszugeben und in ihr Herkunftsland oder das letzte Land, in dem sie sich legal aufgehalten hatten, deportiert zu werden.74 Die Möglichkeit der Staaten, abgelehnte Asylbewerber und andere illegale Migranten abzuschieben, wurde durch die Genfer Flüchtlingskonvention eingeschränkt, da sie eine „Rückführung“ in Länder verbot, in denen die Ausgewiesenen 71 72 73 74

Mazower 2002, S. 549f. Hartleb 2006, S. 134. Niehr 2000, S. 109–134. Stobbe 2005.

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um ihr Leben fürchten mussten.75 Durch eine Kombination strikterer Asylgesetze, einer weitreichenden Definition sog. sicherer Drittstaaten und dieser internationalen Selbstverpflichtung, die die meisten Länder Europas eingegangen waren, entstand im Europa der 1990er Jahre ein neuer Rechtsstatus von Fremden, der des geduldeten Flüchtlings. Diese Personen erhielten häufig über viele Jahre immer wieder einen Aufschub ihrer Abschiebung, ohne jedoch reguläre Aufenthaltserlaubnisse zu erhalten und dauerhaft in die widerwilligen Aufnahmegesellschaften inkludiert zu werden. Parallel dazu stiegen die Einbürgerungsquoten in den meisten Ländern Europas während der 1990er Jahre an. Die nach dem Anwerbestopp etablierte Dichotomie zwischen etablierten Fremden und neu zugewanderten, deren Anwesenheit an sich bereits problematisiert wurde, vertiefte sich somit weiter.

6. Zusa mmenfassung Die Staatsangehörigkeit entwickelte sich im 20. Jh. zur wichtigsten Fremdheitskategorie, da sie konstitutiv für das Verhältnis der modernen Nationalstaaten, die nun in Europa an die Stelle der alten Imperien traten, zu ihren Staatsbürgern war. Andere Fremdheitszuschreibungen wie Religion, Ethnie oder Rasse beeinflussten die Vergabe, die Ausgestaltung oder den Entzug von Staatsangehörigkeit. Das 20. Jh. lässt sich auch für die Entwicklung von Fremdheit nur als Zeitalter der Extreme bezeichnen: Einerseits formulierten zahlreiche internationale und bilaterale Abkommen ebenso wie die meisten Verfassungen ein bisher unbekanntes Ausmaß an Menschenrechten, die unabhängig von rechtlichen oder ethnischen Zugehörigkeiten gelten sollten. Über diese individuellen Rechte hinaus erhielten Fremde, wenn sie als Teil einer Minderheit anerkannt waren, in einigen Fällen auch religiöse, kulturelle und politische Sonderrechte. Andererseits ließen essentialistisch definierte Zugehörigkeiten, wie sie der in dieser Zeit häufig in radikalisierter Form auftretende Nationalismus oder rassistische Deutungsmuster verlangten, Fremde aber auch als Bedrohung des Kollektivs erscheinen. Fremde waren daher im 20. Jh. immer wieder Ziel von Diskriminierung, Verfolgungen und Übergriffen bis hin zum Massenmord.

75 „Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“ Artikel 33, Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, offizielle deutsche Textfassung veröffentlicht auf http://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/refworld/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=48ce50912 (01.12.2012).

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7. Kommentierte Liter atur auswahl Einen guten allgemeinen Überblick zur europäischen Migrationsgeschichte bietet Bade 2000. Für einen Zugang zum 20. Jh. als Flüchtlingszeitalter empfiehlt sich Marrus 2002. Für die Entwicklung des europäischen Passregimes als Grundlage der modernen Migrationskontrolle siehe Torpey 2000. Einen guten Überblick über die Debatten zum Staatsbürgerschaftsrecht im 20. Jh. bietet Conrad u. a. 2001. Die Forschung zur Migration ist während der letzten zwanzig Jahre stark angewachsen. Ein Forschungsbericht zu diesem relativ unübersichtlichen Feld findet sich zumindest für Deutschland in Oltmer 2009.

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A BKÜR ZU NGSV ER ZEICHNIS AESC Annales. Économies, Sociétés, Civilisations Annales. Histoire, Sciences sociales AHSS AfS Archiv für Sozialgeschichte AHR American Historical Review Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn BJ The Classical Journal CJ CSSH Comparative Studies in Society and History Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters DA DNP Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hrsg. v. Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Stuttgart 1996–2010 EI Encyclopaedia of Islam. 2nd Edition, hrsg. v. Peri J. Bearman, Thierry Bianquis u. a., Leiden 1960‒2005 GG Geschichte und Gesellschaft HA Historische Anthropologie HJB Historisches Jahrbuch RE Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung, hrsg. v. Georg Wissowa und Wilhelm Kroll, Stuttgart 1893–1980 SOF Südost-Forschungen WiBiLex Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, hrsg. von Michaela Bauks und Klaus Koenen, 2007, URL: http://www.wibilex.de (11.03.2014) ZRG Germ. Abt. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung

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AUTOR EN V ER ZEICHNIS Beate Althammer studierte Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaft in Zürich und promovierte im Jahr 2000 an der Universität Trier. Von 2002 bis 2012 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im SFB 600, wo sie zu Armenpolitiken im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts forschte, mit besonderem Schwerpunkt auf Kontrollpraktiken gegenüber umherziehenden ‚fremden‘ Armen. Gegenwärtig ­arbeitet sie als Stipendiatin des Deutschen Historischen Instituts London an einem Projekt zum Begnadigungsrecht in der Moderne. Zu ihren aktuellen Publikationen gehören: Das Bismarckreich 1871–1890, Paderborn 2009, sowie: (hg. zusammen mit Christina Gerstenmayer) Bettler und Vaganten in der Neuzeit (1500‒1933). Eine kommentierte Quellenedition, Essen 2013. Francis Amadeus Karl Breyer studierte in Tübingen Ägyptologie, Sprachwissenschaft und Altorientalistik sowie in Berlin Semitistik. Nach seiner Promotion in Basel (2005), einem Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts und einer Gastprofessur in Wien habilitierte er sich 2012 in Bonn in Ägyptologie und Altorientalistik. Die Schwerpunkte seiner Forschungen liegen auf dem Gebiet der semitohamitischen Komparatistik und der Kontaktlinguistik, beides in einen dezidiert kulturgeschicht­lichen Ansatz eingebettet. Dabei ist sein besonderes Augenmerk auf die Nachbarkulturen des pharaonischen Ägyptens gerichtet. Zurzeit forscht er über die bibelhebräischen Wörter ägyptischen Ursprungs. Unter seinen Publikationen seien sein Buch über den letzten kuschitischen Pharao Tanutamani, eine umfassende Darstellung der Kulturkontakte zwischen Ägyptern und Hethitern sowie ein Band über das spätantike Königreich Aksum, ferner ein Altakkadisches Elementarbuch und eine Einführung in die ­Meroitistik hervorgehoben. Christoph Cluse, geb. 1964, ist seit 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent der Geschäftsführung am Arye Maimon-Institut für Geschichte der Juden der Universität Trier. Nach Studium der Geschichte und Anglistik in Trier und Leeds wurde er 1998 mit einer Arbeit über die Juden in den mittelalterlichen Niederlanden in Trier promoviert. Schwerpunkte seiner Forschungen sind die Geschichte der Juden im hohen und späten Mittelalter, mittelalterliche Predigten und die Sklaverei im Mittelmeerraum während des 13.‒15. Jahrhunderts. Unter seinen weiteren Publikationen sind besonders folgende Untersuchungen hervorzuheben: Jewish Community and Civic Commune in the High Middle Ages, in: Strangers and Poor People. Changing Patterns of Inclusion and Exclusion in Europe and the Mediterranean World from Classical Antiquity to the Present Day, hg. v. A. Gestrich u. a., Frankfurt a. M. 2009, S. 165‒191; Konversion, Inklusion, Exklusion. Zur narrativen Identität des „Taufjuden“ in Spätmittelalter und früher Neuzeit, in: Inklusion/Exklusion und Kultur, hg. v. I. Patrut und H. Uerlings, Köln 2013, S. 163‒187.

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Altay Coşkun studierte Alte Geschichte und Klassische Philologie in Trier (Promotion 1999). Während seines Postdoktorats in Oxford legte er zahlreiche Studien zur Gesetzgebung und Verwaltung des spätrömischen Reiches vor (2000‒2002). Danach widmete er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter des SFB 600 der Außenpolitik der Römischen Republik, der Geschichte des römischen Bürgerrechts und dem hellenistisch-römischen Kleinasien (Habilitation 2007). Als Humboldt-Stipendiat der University of Exeter (2009, 2011) forschte er vor allem zur Seleukidenherrschaft und zum Kult des römischen Kaisers in Galatien. Seit 2009 lehrt er als Associate Professor of Classical Studies an der University of Waterloo, wo er 2010 das Waterloo Institute for Hellenistic Studies mitbegründete. Seine Arbeiten zum römischen Bürgerrecht wurden 2008 von der Mainzer Akademie auf den Colloquia Academica ausgezeichnet (Großzügige Praxis der Bürgerrechtsvergabe in Rom? Zwischen Mythos und Wirklichkeit, Stuttgart 2009). Seine beiden wichtigsten Bücher zum Thema sind: Bürgerrechtsentzug oder Fremdenausweisung? Studien zu den Rechten von Latinern und weiteren Fremden sowie zum Bürgerrechtswechsel in der Römischen Republik (5. bis frühes 1. Jh. v. Chr.), Stuttgart 2009, sowie: Cicero und das römische Bürgerrecht. Die Verteidigung des Dichters Archias, Göttingen 2010. David Engels, geb. 1979 in Verviers (Belgien), studierte 1997‒2005 Geschichte, Philosophie und VWL an der RWTH Aachen und wurde dort 2006 in Alter Geschichte promoviert. 2005‒2008 arbeitete Engels als Assistent am Lehrstuhl für Alte Geschichte an der RWTH, wo er 2006‒2008 das Forschungsprojekt „Die antike Bienensymbolik“ leitete. 2008 erfolgte die Berufung auf den Lehrstuhl für Römische Geschichte an der Université libre de Bruxelles (ULB). Seit 2009 ist Engels Redakteur, seit 2012 auch Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift und Einzelschriftenreihe „Latomus“. Wichtige Publikationen: Das römische Vorzeichenwesen, Stuttgart 2007; Le déclin. La crise de l’Union Européenne et la chute de la République romaine – analogies historiques, Paris 2013. Zum islamisch-christlichen Verhältnis im Mittelalter vgl. zuletzt: Entre tolérance, désintérêt et exploitation: Les relations christiano-musulmanes en Sicile du 9ème au 13ème siècle et leurs racines dans l’histoire religieuse de l’île, in: Les Cahiers de la Méditerranée 86, 2013, S. 273‒300. Simon Karstens wurde 2008 an der Universität Trier in Geschichte promoviert. In seiner von der Studienstiftung des Deutschen Volkes geförderten Dissertation untersuchte er das Ego-Netzwerk des einflussreichen österreichischen Staatsreformers Joseph von Sonnenfels (1733‒1817). Infolge dieser Arbeit entstanden weitere Publikationen zur Theorie der Biografie als historischer Darstellungsform. 2008‒2012 war Karstens im Projekt „Fremde Herrscher ‒ fremdes Volk“ des SFB 600 beschäftigt. Zu diesem Themenfeld veröffentlichte er mehrere Aufsätze in deutschen und internationalen Zeitschriften, die Fragen der Zugehörigkeit und Prozesse der Inklusion und Exklusion thematisieren.

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Mit Ende seiner Tätigkeit im SFB 600 wechselte Simon Karstens 2013 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit in Trier, wo er sich derzeit einem Habilitationsprojekt zur Geschichte gescheiterter transatlantischer Kolonialprojekte im 16. und frühen 17. Jahrhundert widmet. Wichtige Publikation: Lehrer ‒ Schriftsteller ‒ Staatsreformer. Die Karriere des Joseph von Sonnenfels, Wien 2011. Markus Koller studierte Geschichte Ost- und Südosteuropas, Osmanistik und Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und schloss seine Promotion im Jahre 2003 mit der Arbeit Bosnien an der Schwelle zur Neuzeit. Eine Kulturgeschichte der Gewalt (1747‒1798) (München 2004) an der Ruhr-Universität Bochum ab. Danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Transformation im Donauraum 1686‒1699“ des Schweizerischen Nationalfonds an der Universität Bern und anschließend am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas in Leipzig tätig. Seine Habilitation erfolgte 2009 mit einer Studie zur osmanischen Herrschaft in Ungarn im 17. Jahrhundert (Stuttgart 2010). Zwischen 2007 und 2010 nahm er eine Juniorprofessur zur Südosteuropäischen Geschichte an der Justus-Liebig-Universität in Gießen wahr und seit 2011 ist er als Professor für die Geschichte des Osmanischen Reichs und der Türkei an der Ruhr-Universität Bochum tätig. In zahlreichen Publikationen hat er sich mit der osmanischen Geschichte Südosteuropas und sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten der osmanischen Geschichte beschäftigt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen außerdem die europäisch-­osmanische Beziehungsgeschichte sowie die Geschichte des Mittelmeerraumes. Dominik Nagl studierte Geschichte, Nordamerikastudien und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Mannheim. Von 2004 bis 2010 war er am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien und am Sonderforschungsbereich „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ sowie von 2011 bis 2012 am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel beschäftigt. 2007 veröffentlichte er die Studie Grenzfälle ‒ Staatsangehörigkeit, Rassismus und nationale Identität unter deutscher Kolonialherrschaft, 1884‒1914. Er promovierte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin mit der 2013 erschienenen Dissertation No Part of the Mother Country, but Distinct Dominions ‒ Rechtstransfer, Staatsbildung und Governance in England, Massachusetts und South Carolina, 1630‒1769. Zu seinen Interessen- und Forschungsgebieten gehören die Global-, Migrations- und Kolonialgeschichte sowie die deutsche, britische und nordamerikanische Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Sein Habilitationsprojekt Die Welt des Nationalsozialismus – Das Dritte Reich und das globale Imaginäre untersucht die Welt- und Globalitätsvorstellungen in der NS-Ideologie.

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Jenny Pleinen (geb. 1981) studierte Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Germanistik an der Universität Trier und war 2005‒2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin im SFB 600 „Fremdheit und Armut“. Sie wurde 2011 in Trier mit einer Arbeit zu den Migrationsregimen Belgiens und der Bundesrepublik promoviert, die mit dem Förderpreis der Universität für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgezeichnet wurde. Nach einer Mitarbeit im BMBF-geförderten Drittmittelprojekt „Gute Arbeit nach dem Boom“ ist Jenny Pleinen seit 2013 wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg. Ihr Forschungsschwerpunkt ist neben der Migrationsgeschichte die Geschichte der sozialen Ungleichheit und politischen Kultur. Ihre wichtigsten Veröffentlichungen zum Thema des Handbuches lauten: Die Migrationsregime Belgiens und der Bundesrepublik seit dem Zweiten Weltkrieg, Göttingen 2012, und: Moral disciplining of migrants in Belgium or What conservative family policy and expulsions have to do with one another, in: Caruso, Clelia/Pleinen, Jenny/Raphael, Lutz (Hrsg.): Postwar Mediterranean Migration to Western Europe. Legal and Political Frameworks, Social Mobility and Memory, Frankfurt a. M. [u. a.] 2008, S. 73‒95. Die aktuellste Veröffentlichung ist (zusammen mit Lutz Raphael): Zeithistoriker in den Archiven der Sozialwissenschaften, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 2 (2014), S. 321‒342. Lutz Raphael hat Geschichte, Romanistik und Soziologie in Münster und Paris studiert, wurde 1984 an der WWU Münster promoviert und habilitierte sich 1994 an der TU Darmstadt. Seit 1996 ist er Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, Geschichte der modernen Geschichtswissenschaften. Seine wichtigsten Publikationen sind: Die Erben von Bloch und Febvre: Annales-Historiographie und nouvelle histoire in Frankreich nach 1945, Stuttgart 1994; Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert, Frankfurt 2000; Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Ex­ treme. Hauptwerke und Hauptströmungen von 1900 bis zur Gegenwart, 2. Aufl. 2009; (zusammen mit Ilaria Porciani:) Atlas of European Historiography. The Making of a Profession 1800‒2005, Houndmills, Basingstoke 2010; (zusammen mit A. Doering-Manteuffel:) Nach dem Boom. Zeitgeschichte Westeuropas seit 1970, Göttingen 2008; Imperiale Gewalt und mobilisierte Nation. Europa 1914‒1945, München 2011. Oliver Schipp studierte Alte Geschichte, Mittlere und Neuere Geschichte, Klassische Archäologie und Papyrologie in Mainz und Trier. 2002 schloss er dieses Studium mit dem Magister Artium und dem ersten Staatsexamen ab (die Magisterarbeit zu den Weiheinschriften in der nördlichen Germania superior erscheint 2014 unter dem Titel: Römische Religion in Mainz und Umgebung. Untersuchung zu Kulttradition und Kultträgern in einer Grenzregion). Im Anschluss daran war er Stipendiat des Trierer Graduiertenkollegs „Sklaverei – Knechtschaft und Frondienst – Zwangsarbeit“ und promovierte 2007 mit einer rechtshistorisch angelegten Arbeit zum spätantiken Kolonat (Der weströmi-

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sche Kolonat von Konstantin bis zu den Karolingern (332 bis 861), Hamburg 2009). Von 2006‒2008 war er Koordinator des Graduiertenkollegs und verfasste in dieser Zeit einen Aufsatz zum Menschenhandel in der Spätantike: Der Raub freier Menschen in der Spätantike, in: H. Heinen (Hrsg.): Menschenraub, Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive, Stuttgart 2008, S. 157‒181. Seit 2010 ist er im Schuldienst als Lehrer für Latein und Geschichte aktiv. Außerdem ist er Lehrbeauftragter für Alte Geschichte am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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PER SONEN V ER ZEICHNIS A Abū Muslim Khurasānī 204, 205 Abūs Ḥanīfa 203 Agis IV. von Sparta 109 Alarich II., König der Westgoten 124 Alarich I., König der Westgoten 88, 138 Albertus Magnus 157 Alexander der Große 87, 90, 96 Alfons II. von Aragón 161 al-Ḥağğāğ ibn-Yūsuf 201 al-Ḥakīm, Kalif 212 Ali, Schwiegersohn des Propheten 234 al-Mansūr, Kalif 205, 207 al-Mutawakkil 205 Al-Muwahhidun (Almohaden, 1147-1249) 211 Amenemhat I.-II., Pharaonen 68 Antiochos III., seleukidischer König 32 Aquin, Thomas von 172 Aristoteles 29, 89, 91, 96, 99, 114, 115, 157 as-Saffāh 205 Assurbanipal, assyrischer König 77 aṭ-Ṭurṭūšī 198 Augustinus von Hippo 159 Augustus 26, 88, 90, 99, 100, 101, 102, 105, 112, 118

Cicero 114, 118, 145 Claudius, Kaiser 112, 114

D Dante Alighieri 188 Dareios I., persischer Großkönig 73 Diokletian, Kaiser 102

F Fanon, Frantz 269, 294 Friedrich II., Kaiser 173

G Giordano da Pisa 157 Gregor von Tours 147 Gritti, Andrea 217 Gritti, Ludovico 217

H Hatschepsut 61 Heinrich I., Herzog von Schlesien 165 Herodot 57, 59, 95 Himmler, Heinrich 333 Hitler, Adolf 347 Homer 85 Honorius, Kaiser 127

B Balduin von Trier, Erzbischof 166 Bāyezīd, Sultan 163 Blackstone, William 279

C Caesar 100, 101, 112 Caracalla, Kaiser 112, 119, 132 Cassius Dio 133 Chattusili, hethitischer Großkönig 70, 71 Chlodwig, König 45, 125, 145

I Ibn Haldūn 208 Ibn Taymiyya 213 Ibrahim Pascha, Großwesir 217 Ismail I., Schah 234

J Jakob VI., König von Schottland 278 Jesus 43 Justinian I., Kaiser 123, 124, 133

418 K Karl II. von Anjou 174 Katharina die Große, Zarin 28, 245 Kleisthenes 91, 92, 95, 100, 110, 115, 116 Kleomenes III., König von Sparta 109 Konstantin, Kaiser 43, 44, 136, 137, 140, 143

Personenverzeichnis Pepis II., Pharao 66 Perikles 89, 91, 96, 110, 114, 115, 116, 117 Philipp II., König von Makedonien 96 Polyphem 85 Psammetik I., Pharao 73

R L Leon VI., Kaiser von Byzanz 126 Ludwig I. der Fromme, Kaiser 164 Ludwig II., König von Ungarn 217 Ludwig XIV., König von Frankreich 241, 255, 262, 265 Luther, Martin 159

M Marius, C. 112 Mark Anton 112 Marshall, Thomas H. 53, 299 Marx, Karl 328 Mehmet II., Sultan 222 Mentuhotep II., Pharao 67, 68 Mohammed, Prophet 193, 196, 197, 199, 206 Mursili II., hethitischer Großkönig 82 Mustafa Ali 234

Ramses II., Pharao 59, 70, 71, 72

S Sahure, Pharao 65, 66 Sartre, Jean-Paul 270 Sesostris III., Pharao 67 Sieyès, Emmanuel 16 Sokrates 37 Solon 94, 109 Sophokles 37 Süleyman I., Sultan 217, 235 Sulla 114 Suppiluliuma, hethitischer Großkönig 80, 82

T

Nansen, Fridtjof 331 Napoleon 225

Tacitus 145 Theoderich der Große, König der Ostgoten 124 Theodosius I., Kaiser 137, 138, 143, 144 Theodosius II., Kaiser 123, 135 Tito, Josip Broz 348 Trajan, Kaiser 88

O

U

Odysseus 85 Orhan, Emir 218, 238 Osman I. 218, 238

Uluç Ali 232, 233 ‘Umar Ibn al-Chattab, Kalif 225 ‘Umar II., Kalif 197, 198, 201 Unas, Pharao 66

N

P Paulus 38, 43, 159 Peisistratos 95, 115

419

Personenverzeichnis

V

W

Valens, Kaiser 123 Valentinian I., Kaiser 123, 129, 130 Valentinian III., Kaiser 135, 136, 142 Vergil 145, 147

Weber, Max 29, 31, 156

Z Zeus Xenios 85

421

SACHR EGISTER A Abkommen, internationale 86, 87, 92, 304, 310, 311, 315, 316, 321, 322, 326, 327, 328, 335, 336, 338, 343, 351, 352, 355, 356 Abschiebung 113, 154, 249, 301, 304, 315, 316, 321, 325, 327, 349, 353 Abstammung 89, 90, 91, 92, 99, 111, 113, 116, 120, 244, 321, 342 Adel 27, 33, 168, 179, 203, 204, 256, 276 Ahd-name, Fremdenschutz (osm.) 221, 222, 223, 228, 235, 236 Akkulturation 63, 68, 69, 70, 71, 74 Almosen, auch -steuer (zakāt) 199, 202 Amarna-Zeit 59, 61 Ansiedlung 23, 28, 53, 73, 79, 87, 88, 106, 122, 123, 132, 134, 135, 140, 149, 210, 242, 245, 254, 260, 261, 262, 267, 306, 338 Apostasie 44, 178, 196, 198, 212 Appellationsrecht, Provokationsrecht 114 Arbeiter 21, 23, 27, 32, 65, 172, 308, 322, 344, 351, 353 Arbeitsmigration 21, 23, 27, 28, 35, 50, 66, 102, 104, 158, 249, 307, 308, 310, 311, 316, 344, 345, 346, 349, 350, 351, 352 Armut 16, 30, 33, 248, 253, 305, 306, 310, 315, 316, 322, 325, 329, 330, 341, 351, 356 Assimilation 29, 40, 53, 66, 68, 213 Aufenthaltserlaubnis 272 Ausländer, Ausland 16, 29, 34, 47, 51, 53, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 70, 74, 77, 79, 81, 82, 83, 84, 130, 133, 190, 236, 237, 238, 257, 271, 272, 278, 279, 280, 287, 290, 294, 295, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 318, 320, 322, 323, 324, 326, 327, 328, 329, 330, 332, 333, 339, 341, 343, 344, 345, 348, 349, 352, 354

Ausländerrecht 34, 79, 320, 332, 345, 346, 349, 352 Auslieferung (Strafverfolgung) 324, 328, 329 Auswanderungsverbot, Ausreiserestriktionen 53, 54, 114, 241, 272, 306, 318, 325 Ausweisung 15, 17, 20, 47, 103, 105, 106, 109, 113, 118, 155, 188, 248, 272, 301, 302, 304, 307, 310, 314, 315, 316, 321, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 334, 340 Autonomie 97, 98, 99, 105, 106, 107, 108, 111, 119, 335, 336, 342

B Barbaren 19, 20, 21, 47, 76, 77, 80, 92, 122, 123, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 134, 135, 136, 138, 140, 142, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 160, 195, 284 Bauern 132, 173, 180, 201, 204, 206, 207, 224, 232, 234, 254, 286, 334 Beamte 51, 67, 68, 70, 73, 95, 307, 325 Bergleute 219 Bestattung 58, 64 Bettler 27, 36, 102, 103 Bibel 36, 39, 44, 160 British East India Company 290 Bruderschaft, Phratrie 17, 30, 45, 91, 165, 172, 229, 235 Bundesgenossenkrieg 88, 99, 107, 112, 119 Bürgerkrieg 331 Bürgerliches Gesetzbuch 52, 311, 314, 317, 322 Bürgerrecht 16, 29, 49, 50, 88, 89, 90, 91, 93, 95, 96, 97, 98, 101, 102, 103, 104, 105, 108, 109, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 122, 132, 142, 149, 161, 173, 175, 180, 248, 253, 254, 256, 258, 259, 303, 305, 309, 311, 323

422

Sachregister

C

E

Christen (Gruppe) 15, 32, 50, 144, 153, 154, 161, 176, 182, 184, 218, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 231, 233, 234, 235, 238, 275, 303 Christentum (Religion) 36, 38, 41, 42, 43, 44, 88, 90, 143, 144, 153, 154, 174, 195, 196, 197, 205, 212, 213, 217, 218, 219, 220, 221, 226, 231, 238, 313 Code Civil 41, 52, 285, 311, 317, 319, 320, 321 Codex Justinianus 123, 126 Codex Theodosianus 123, 124, 125, 129 Common Law 278, 279, 318 Constitutio Antoniniana 99, 102, 112, 132, 149 conubium siehe Ehe, -recht, -verbot

Ehe, -recht, -verbot 17, 30, 41, 64, 68, 69, 71, 90, 93, 94, 103, 104, 107, 108, 111, 115, 116, 129, 130, 131, 135, 150, 161, 170, 179, 180, 200, 202, 206, 229, 253, 270, 275, 282, 293, 297, 324, 325, 326, 339 Einbürgerung/Erwerb von Zugehörigkeitsrechten 18, 29, 30, 35, 49, 52, 89, 90, 92, 107, 108, 109, 110, 112, 120, 132, 170, 172, 175, 180, 181, 182, 219, 230, 233, 234, 243, 245, 253, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 262, 263, 264, 267, 268, 272, 280, 287, 290, 297, 306, 313, 317, 318, 319, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 330, 332, 333, 338, 339, 340, 341, 357 Einheimischer siehe Indigene Bevölkerung Einreiserestriktionen 341, 343 Elite 58, 74, 82, 88, 90, 98, 109, 111, 112, 119, 120, 123, 127, 131, 148, 212, 213, 314, 334, 335, 337, 342 Emigranten 331, 332, 351 Endogamie siehe Ehe, -recht, -verbot Erbschaft, Erbrecht 17, 101, 131, 200, 311 Eremiten 159 Erster Weltkrieg 53, 335, 336, 341, 342, 349 Ethnikon, Ethnonym 62, 63, 68, 76, 78, 89 Ethnizität 19, 42, 52, 58, 60, 64, 68, 74, 75, 92, 96, 160, 189, 201, 208, 263, 274, 291, 302, 304, 317, 322, 330, 334, 335, 342, 355 Ethnozentrismus 57 Europäische Gemeinschaften (EU, EWG, EG, Europarat) 13, 53, 54, 338, 353, 356

D dār al-ḥarb (Haus des Krieges) 42, 196, 223 dār al-’islām (Haus des Islams) 42, 196, 197, 223 dār-i zimmet (Haus des tributären Schutzes) 223 Demographie siehe auch Migration 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 50, 76, 87, 93, 96, 99, 104, 106, 110, 111, 113, 115, 116, 119, 158, 319 Demokratie 29, 34, 51, 89, 95, 96, 97, 98, 100, 104, 110, 117, 119, 302, 306, 329, 339, 354 dēmotikon 89, 92 Deportation 21, 72, 78, 81, 173, 238, 334, 347, 348 Digesten 126 ḏimma, dhimma (Andersgläubige Untertanen im Islam) 42, 173, 194, 195, 198, 204, 205, 212, 213, 214, 222, 223, 231 Diplomatie 61, 65, 70, 71, 82, 93, 109 Diskriminierung 10, 11, 20, 50, 55, 64, 107, 189, 198, 203, 205, 212, 213, 276, 284, 297, 302, 311, 312, 313, 318, 322, 324, 333, 334, 335, 337, 342, 344, 349, 350, 355 Displaced Person 349, 350 Doppelzugehörigkeiten 105, 326

F Familie 68, 301, 314, 321, 322, 324, 325, 352, 353 Fehlen von Zugehörigkeit 242, 248, 249, 261, 326, 332 Feind (Fremder als) 10, 19, 42, 86, 337, 349 Flucht und Asyl 11, 12, 13, 78, 82, 114, 120, 141, 158, 163, 173, 179, 211, 212, 229, 262, 323, 328, 329, 331, 335, 345, 350, 354, 356, 357

423

Sachregister Foederati 136, 137, 138, 139, 140, 147, 149 Folter 101, 109, 114, 296 Französische Revolution 16, 51, 342 Frauen, Rechte von 16, 40, 129, 131, 171, 172, 176, 177, 180, 223, 225, 229, 233, 301, 305, 324, 325, 326, 339 Freigelassene (Sklaven, Hörige) 16, 102, 103, 106, 107, 109, 115, 122, 126, 142, 179, 180, 194, 206, 207, 230, 275 Freizügigkeit 17, 34, 53, 109, 222, 309, 310, 327, 330 Fremdenfeindlichkeit 54, 72, 76, 84, 105, 356 Fremdheit (Begriff, Wahrnehmung) 9, 16, 17, 19, 40, 46, 57, 58, 60, 61, 62, 64, 72, 75, 77, 78, 79, 85, 86, 102, 108, 109, 118, 126, 145, 150, 153, 159, 160, 171, 173, 178, 196, 217, 219, 221, 222, 228, 229, 232, 233, 234, 235, 238, 239, 243, 245, 266, 269, 301, 302, 303, 304, 307, 332, 343, 353, 357 Fremdherrschaft 64, 73, 154, 175 Freundschaft, Freunde 64, 69, 86, 96

H Handel, Händler 27, 33, 40, 65, 66, 73, 76, 78, 82, 92, 101, 102, 103, 106, 108, 158, 162, 163, 165, 169, 172, 177, 184, 185, 189, 217, 219, 221, 222, 224, 225, 226, 228, 230, 236, 237, 251, 271, 311, 330 Handwerker 27, 32, 33, 68, 81, 82, 106, 158, 172, 189, 224, 230, 274 Häresie, Häretiker, Ketzer 43, 44, 45, 90, 127, 143, 144, 187, 209, 219, 235 Hausverband 160 Heidentum siehe Polytheismus Heimatort 248, 249, 251 Herkunft 64, 332, 337 Herrscherkult 31, 37, 43, 90 Hof, herrschaftlicher 32, 65, 69, 70, 74, 83, 146 Hopliten 94, 95, 97, 99, 103, 106 Hörigkeit, Hörige 80, 81, 161, 170, 179, 181, 254

I G Gastfreundschaft 36, 39, 85, 86, 93 Gemeinde, kirchliche 172 Gemeinde, ländliche 50, 98, 174, 201, 202, 219, 224 Gericht siehe Rechtsprechung Geschlecht siehe auch Frauen 24, 38, 39, 44, 51, 53, 177, 195, 255, 324, 335 Getto 14, 15, 47, 163 Gewalt gegen Fremde 12, 13, 35, 45, 60, 85, 173, 220 Grenze, -region, -kontrolle 11, 12, 14, 54, 61, 81, 88, 122, 123, 137, 141, 229, 309, 310, 332, 344, 352, 355 Grundbesitz, Erwerb von 18, 42, 52, 93, 101, 103, 105, 107, 108, 169, 180, 201, 202, 232, 245, 250, 252, 256, 312

Immunität 71, 163, 164 Imperialismus 53, 119, 220, 221, 227, 270, 298, 299, 304 Imperium 166, 217, 219, 220, 221, 238, 239, 303, 304, 318 Indianer 271, 273, 276, 277, 281, 282 Indigene Bevölkerung 22, 55, 78, 79, 98, 105, 122, 168, 174, 183, 189, 242, 247, 252, 255, 256, 259, 269, 271, 272, 273, 286, 287, 290, 291, 292, 294, 295, 296, 297, 332 Inklusion/Exklusion 14, 17, 19, 20, 21, 25, 29, 30, 31, 33, 35, 41, 46, 47, 51, 61, 122, 129, 134, 145, 149, 154, 159, 162, 166, 178, 187, 189, 194, 196, 200, 204, 209, 211, 213, 214, 215, 218, 219, 220, 221, 239, 250, 302, 304, 305, 317, 318, 321, 323, 333, 340, 355 Integration 53, 61, 67, 78, 79, 120, 193, 217, 218, 219, 221, 239, 284, 289, 292, 306, 340

424 International Refugee Organization 350 Islam (Religion) siehe auch Muslime 12, 15, 36, 41, 42, 44, 154, 174, 178, 200, 202, 218, 220, 221, 223, 224, 232, 233, 235 Ius domicilii, Domizilrecht 49, 52, 319, 320, 333 Ius Sanguinis 48, 49, 244, 317, 318, 319, 320, 321, 322, 325, 339 Ius Soli 48, 49, 244, 278, 285, 317, 318, 319, 320, 322, 324, 339

J Janitscharen 232, 235, 240 Juden (Gruppe) siehe auch Judentum, Jüdische Religion 14, 15, 16, 20, 32, 35, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 50, 53, 72, 73, 113, 143, 144, 154, 155, 161, 163, 165, 167, 172, 173, 175, 176, 177, 178, 181, 182, 184, 185, 187, 188, 189, 196, 197, 205, 209, 211, 222, 223, 224, 250, 261, 266, 272, 275, 280, 286, 287, 302, 310, 312, 313, 316, 322, 327, 333, 336, 338, 347, 348 Judentum (Religion) 36, 39, 41, 42, 43, 44, 154, 178

K Kaiserkult siehe Herrscherkult Kalifat 42, 154, 174, 200, 204, 205, 206, 207, 208, 212, 224 Kammerknecht 175 Katholizismus 45, 128, 144, 145, 220, 226, 233, 234, 247, 257, 259, 261, 271, 274, 280, 281, 302, 304, 312, 313 Kaufleute siehe Händler Kinder 41, 107, 172, 182, 223, 229, 230, 231, 233, 253, 305, 312, 317, 318, 319, 320, 326, 340 Kirchengebäude, christl. 163 Klerus, Kleriker 51, 162, 163, 172, 177, 178, 187, 220, 222, 225, 251, 257 Klientelwesen 32, 86, 100, 101, 111, 119, 194, 202, 203, 206, 207, 214

Sachregister Kloster 157, 162, 163, 172, 177, 179 Knabenlese, Devşirme 222, 231, 232, 240 Kolone 127, 129, 134, 135, 140, 141, 149 Kolonialherrschaft 194, 269, 270, 273, 274, 275, 281, 289, 294 Kolonialismus 17, 318, 336 Kolonialrecht 55, 282, 286, 287, 289, 291, 293, 294, 295, 296, 298 Kolonien 16, 22, 25, 27, 55, 73, 85, 87, 88, 108, 111, 116, 118, 162, 163, 178, 209, 295, 318, 336, 337, 351, 352 Kolonisierte, koloniale Untertanen siehe auch Untertanen 55, 56, 269, 270, 282, 286, 289, 336, 337 Kolonist, Siedler 23, 25, 26, 28, 32, 33, 50, 51, 65, 87, 104, 106, 158, 173, 269, 279, 280, 286 Konsulargerichtsbarkeit 294 Konversion, Bekehrung 154, 155, 173, 174, 178, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 211, 212, 214, 230, 232, 233, 266, 272, 274 Konzil, Synode 143, 144, 176, 177, 210, 224 Koran 36, 41, 44, 194, 195, 196, 198, 199, 200, 208, 210, 213 Kosmopolitismus 90 Kreuzzüge, Kreuzfahrerstaaten 45, 154, 157, 173, 174, 178, 207, 212, 221 Kriegsgefangene 65, 66, 68, 70, 72, 78, 79, 80, 118, 122, 133, 142, 162, 206, 219, 228, 231, 232, 346, 347, 349 Kriminalität 54, 163, 166, 167, 265, 327, 328 Kult, Kultwesen 18, 35, 36, 37, 89, 90, 91, 92, 99, 104, 107, 118, 144 Kultur 60, 64, 74, 147, 148, 149, 205, 214, 270, 295, 302, 304, 312, 317, 338, 342

L Lebensmittelversorgung 68, 92, 94, 102 lokale Zugehörigkeiten 33, 89, 108, 245, 246, 247, 248, 253, 256, 258, 259, 260, 267, 268, 303, 310, 313, 315, 316, 320, 321, 323, 327

425

Sachregister

M

N

Magie, Hexerei 60, 65, 66 Manichäismus 38, 90, 205, 206, 214 Massenausweisung siehe Ausweisung 301 Menschenrechte 333 Mestizos (Mestizen) 276, 277 Metöken 41, 95, 96, 103, 104, 105, 109, 110, 111, 113, 114, 116 Migration 13, 15, 23, 24, 25, 27, 33, 47, 48, 49, 52, 54, 86, 103, 107, 113, 115, 120, 157, 160, 169, 180, 183, 241, 262, 265, 269, 272, 273, 279, 306, 307, 308, 317, 324, 325, 326, 328, 329, 343, 345 Militärwesen / Wehrdienst 18, 32, 49, 67, 79, 87, 93, 94, 95, 98, 99, 102, 104, 106, 107, 108, 109, 119, 122, 127, 130, 135, 145, 158, 179, 194, 199, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 223, 224, 227, 228, 231, 232, 234, 237, 240, 265, 271, 274, 287, 314, 315, 319, 320, 323, 324, 326, 327, 330, 332 Millet (Glaubensgemeinschaft im osmanischen Reich) 16, 223, 225, 226 Minderheiten 22, 29, 36, 154, 178, 193, 208, 209, 238, 241, 244, 250, 253, 254, 302, 304, 312, 313, 329, 331, 335, 336, 337, 338, 339, 342, 344, 348, 349, 357 Mischehe siehe Ehe, -recht, -verbot, conubium 111 Mission 159, 174, 178, 226, 271, 273, 281 Mobilität, soziale 68, 102, 113, 158 Monarchie 29, 31, 32, 33, 87, 94, 101, 111, 255, 257, 263, 305 Monolatrie, Henolatrie 72 Monotheismus 36, 47, 196, 197, 210, 212 Moschee 163 Mulatten / pardos 276 Muslime (Gruppe) 16, 45, 50, 154, 173, 174, 175, 176, 177, 184, 193, 197, 199, 200, 202, 224, 225, 226, 228, 231, 233, 238, 239, 272, 275, 286, 287

Nationalität 19, 77, 190, 302, 303, 308, 324, 334, 342, 349 Nationalstaat 16, 29, 34, 45, 48, 89, 100, 220, 221, 226, 227, 238, 239, 269, 302, 303, 304, 305, 308, 313, 317, 318, 319, 320, 329, 330, 332, 335, 336, 341, 342, 344, 355, 357 Nation, Nationalismus 34, 52, 53, 75, 220, 226, 238, 239, 244, 299, 302, 303, 308, 317, 326, 329, 333, 337, 345, 348, 356, 357 Naturkatastrophen 26, 28, 76 Neubürger 16, 89, 92, 106, 109, 111, 112, 116, 170, 175, 181, 182, 183, 253, 258, 262, 280 Nomaden 63, 75, 76, 79, 84, 234 Notabeln 219 NS-Regime 35

O Oppositionelle, Dissidenten 333

P Papst(tum) 45, 226 Paröken 98, 104, 105, 106 Pass, Geleitschreiben 14, 71, 249, 283, 331, 332, 337, 341, 350 Periöken 93, 106, 107, 120 Personenname, Anthroponym 78, 79, 82, 89, 92 Pharao, König Ägyptens 62, 65, 67 Phyle (Tribus, Stamm) 37, 91, 92, 95, 100, 106, 109, 112 Pilger 102, 159 Piraterie 86 Polis siehe auch Stadt 16, 26, 30, 36, 37, 41, 59, 75, 87, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 104, 105, 106, 109, 110, 119, 120 politische Partizipation 10, 16, 18, 34, 94, 100, 101, 110, 112, 245, 250, 252, 253, 302, 305, 306, 308, 309, 312, 313, 318, 319, 320, 329, 339, 344

426 Polizei, Sicherheitskräfte 12, 13, 18, 68, 337 Polygamie 195 Polytheismus 36, 41, 72, 90, 196 Priester, Priesterin 36, 69, 82, 89, 90, 94 Privilegierte Fremde 30, 32, 50, 88, 104, 108, 112, 157, 158, 169, 184, 185, 217, 219, 222, 223, 227, 238, 243, 245, 250, 251, 262, 303, 308, 314, 319, 322, 327, 350, 357 Protestantismus 44, 45, 241, 242, 247, 250, 260, 261, 262, 274

R Rassismus 12, 24, 54, 61, 84, 195, 211, 270, 284, 293, 297, 298, 313, 329, 332, 333, 335, 337, 338, 346, 347, 348 Rat(sherr), Senat(or) 98, 100, 101, 102, 109, 112, 113, 117 Recht, allgemein 17, 219, 338, 344 Rechtliche Abstufung 10, 17, 30, 50, 102, 103, 107, 109, 119, 128, 169, 198, 201, 219, 239, 245, 247, 248, 250, 252, 254, 259, 266, 269, 270, 296, 297, 303, 305, 310, 319, 320, 323, 333, 337, 339, 343 Rechtlosigkeit 10, 11, 13 Recht, religiöses 176, 178 Recht, römisches 10, 48, 73, 123, 124, 126, 127, 128, 132, 134, 141, 147, 161, 171 Rechtsgleichheit 30, 34, 52, 84, 178, 220, 291, 292, 297, 302, 305, 311, 312, 315, 330, 332, 334, 337 Rechtskodifizierung 55 Rechtsprechung, Gerichtswesen 17, 40, 73, 86, 90, 95, 96, 98, 100, 101, 103, 108, 110, 114, 116, 117, 118, 127, 161, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 174, 176, 182, 184, 186, 249, 251, 275, 281, 288, 291, 294 Rechtsunsicherheit 86, 321 Reconquista 35, 45, 50, 154, 158, 173, 207, 211, 221 Reisende 86, 102, 108, 249, 355

Sachregister Religion, allgemein 18, 35, 38, 39, 42, 50, 64, 83, 90, 143, 144, 148, 178, 196, 218, 219, 220, 224, 225, 226, 227, 231, 244, 246, 249, 254, 264, 266, 286, 291, 302, 304, 312, 313, 329

S Scharia, Islamisches Recht 197, 219, 221, 222, 227, 228, 229, 230, 231, 238, 239, 288 Schutz von Fremden 32, 85, 102, 249, 252, 327, 328, 329, 334, 335 Seeleute 66, 69, 233 Segregation 21, 22, 47, 70, 176 Sesshaftigkeit 59 Shia, Schiiten 204, 205, 207, 210, 219, 220, 234 Sinti und Roma 20, 21, 272, 327, 338, 339 Sklave/n, Sklaverei 10, 25, 32, 36, 66, 79, 80, 83, 85, 86, 93, 94, 95, 99, 102, 103, 105, 107, 108, 111, 117, 122, 126, 127, 129, 131, 132, 134, 135, 136, 140, 141, 142, 143, 146, 149, 150, 161, 162, 171, 173, 174, 177, 179, 180, 194, 195, 198, 203, 206, 207, 208, 219, 228, 229, 230, 231, 232, 240, 271, 274, 276, 277, 282, 283, 284, 285, 286 Söldner, Soldaten siehe auch Militärwesen / Wehrdienst 23, 27, 32, 51, 63, 64, 67, 72, 73, 79, 92, 102, 104, 129, 132, 137, 150, 251, 314, 346 Souveränität 88, 104, 139, 244, 246, 260, 263, 303, 305 Spezialisten 32, 308 Sprache 60, 64, 68, 73, 77, 81, 82, 87, 88, 92, 144, 145, 147, 148, 149, 151, 160, 205, 214, 232, 242, 262, 266, 301, 302, 303, 318, 336, 338, 341, 342, 348 Staatenbund 92, 97, 304, 322 Staatenlosigkeit 332 Staatsangehörigkeit 34, 48, 51, 52, 56, 220, 237, 238, 239, 269, 278, 285, 287, 288, 289, 290, 293, 295, 297, 301, 302, 303, 304, 305, 306,

427

Sachregister 308, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 321, 322, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 331, 332, 339, 343, 353, 355, 357 Staatsbürger 16, 49, 51, 53, 56, 263, 264, 295, 305, 329, 332, 333, 334, 335, 338, 339, 341, 343, 344, 348, 351, 353, 355, 357 Staatsdienst, Zugang zu (höherem) 18, 53, 144, 183, 203, 205, 206, 217, 220, 266, 276, 312, 313, 318 Staatsreligion 196, 197, 220 Stadtbürgerrecht siehe auch Bürgerrecht 16, 87, 156, 158, 171, 172, 272, 273 Stadtfremder 64, 168, 169, 170 Stadt, -recht siehe auch Polis 16, 22, 29, 64, 75, 78, 87, 88, 156, 162, 164, 165, 169, 170, 248, 252 Steuern 18, 88, 98, 101, 102, 103, 105, 106, 107, 108, 112, 113, 135, 136, 137, 138, 148, 173, 174, 199, 200, 201, 202, 206, 213, 219, 222, 223, 224, 225, 227, 228, 236, 237, 239, 251, 255, 273, 274 Stimmrecht siehe auch politische Partizipation 18, 53, 87, 94, 95, 100, 101, 107, 108, 118, 119, 253, 254, 313 Studium, Studenten 51, 159, 251 Sultanat 217, 219, 220, 222, 223, 227, 228, 234, 235, 236 Sunna, Sunniten 204, 212, 219, 234, 239 sympoliteia 97, 119 Synagoge 163, 176

T Theten 95, 96, 97, 109, 110, 116 Thora 40, 73 Timokratie 94 Todesstrafe 296 Toleranz (Duldung religiöser Differenz) 38, 45, 196, 205, 209, 210, 211, 213, 215, 312, 336

U Überfremdungsängste 307, 319, 322, 324, 329, 356 Überwachung und Kontrolle von Fremden 14, 53, 100, 101, 112, 116, 119, 134, 155, 158, 163, 236, 259, 281, 282, 283, 307, 308, 309, 310, 311, 314, 327, 330, 337, 355 ’umma (Gemeinschaft der Gläubigen) 42, 194, 196, 200, 203, 205, 232 Ungleichbehandlung 30, 78, 84, 195, 203, 206, 214, 291 Untertan (subject, mawali) siehe auch ḏimma 31, 49, 51, 55, 88, 93, 98, 102, 112, 118, 122, 132, 133, 174, 189, 190, 199, 200, 202, 203, 204, 206, 214, 215, 217, 220, 221, 222, 223, 225, 236, 237, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 249, 251, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 265, 267, 269, 271, 272, 273, 278, 280, 282, 286, 290, 292, 293, 298, 305, 306, 314, 318, 320, 321, 322, 325, 326, 335, 336, 342

V Verfolgung siehe auch Vertreibung 166, 178, 215, 220, 235, 333, 334, 348, 350, 357 Verlust von Zugehörigkeitsrechten 113, 114, 118, 141, 187, 188, 219, 235, 237, 264, 265, 318, 320, 324, 325, 326, 329, 332, 333, 334 Vertreibung siehe auch Ausweisung 85, 100, 211, 213, 238, 247, 254, 334, 336, 338, 349 Verwandtschaft 64, 69, 92 Verweigerter Zugang zu Ressourcen 34, 217, 249, 273, 276, 304 Verweigerte Zugehörigkeitsrechte 141, 219, 247, 254, 264, 265, 273, 274, 283, 285, 286, 306, 310, 318, 319, 323, 329, 330 Veteranen 88, 98, 106, 107 Völkerbund 331 Völkerrecht 71, 122, 313, 324

428

Sachregister

W

X

Weltbild, Weltanschauung, Ideologie 61, 77, 298, 302, 304, 308, 317, 329 Wiedereinbürgerung 321, 325, 326 Wirtschaft 12, 30, 54, 58, 61, 66, 92, 96, 185, 221, 227, 237, 251, 271 Wirtschaftliche Partizipation siehe auch Steuern, Grundbesitz 18, 241, 242, 250, 311, 312, 320, 323 Wohlfahrtsstaat 54, 304, 306, 315, 316, 328, 329, 330 Wohnsitz, Domizil siehe auch ius domicilii 92, 97, 103, 108, 249, 251, 320, 322

Xenophobie siehe Fremdenfeindlichkeit, Überfremdungsängste

Z zambos / lobos 276 Zensus, Zensor siehe auch Demographie 99 Zisterzienser 158 Zoroastrianismus 196, 205, 214 Zunft 30, 165, 172, 181, 183, 190, 242, 250, 253, 260, 262, 311 Zwangsarbeiter 68, 79, 288, 347, 350 Zweiter Weltkrieg 54, 334, 336, 337, 338, 345, 349, 350, 351

429

GEOGR A PHISCHE SCHL AGWORTE A Abbasiden (Dynastie) 204, 205, 206, 207, 208, 209, 212, 214, 224 Afrika 25, 54, 88, 129, 135, 141, 195, 200, 206, 208, 229, 274, 276, 282, 283, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 296, 336, 356 Ägäis 63, 87, 227 Ägypten 10, 11, 39, 40, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 79, 82, 83, 84, 87, 88, 116, 194, 200, 207, 213, 225, 229 Akkad, Akkader 75, 76, 77 Alamannen 88 Albanien 233 Alexandria 73, 92, 107 Algerien 16, 55, 286, 337 Almohaden 161 Amerika 25, 270, 272, 274, 295 Anatolien 24, 32, 79, 80, 82, 83, 84, 87, 88, 106, 107, 116, 153, 218, 229, 231, 232, 234 Anjou 173 Äolier 92 Apulien 173 Arabien, Araber 16, 24, 42, 133, 154, 194, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 208, 209, 210, 214 Aragón 155, 173 Arles 143 Armenien, Armenier 153, 183, 226, 331, 334 Asien 25, 54, 63, 66, 67, 68, 69, 71, 72, 107, 336 Assuan 73 Assyrien 73, 75, 82 Athen 10, 12, 29, 73, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 101, 103, 104, 105, 106, 109, 110, 111, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 120 Äthiopien 195

Atlantikraum 27 Australien 331 Awaren 24

B Babylon, Babylonier 58, 75, 83 Bagdad 205, 208, 212 Balkan 154, 336, 342, 344 Barbados 283 Basra 202 Belgien 139, 163, 262, 307, 316, 327, 328, 329, 339, 340, 344, 348, 352, 353, 354 Berber 63, 66, 202, 205, 206, 208, 210 Berlin 242, 243, 313 Boppard 166 Bosnien 222, 228, 231, 235 Brandenburg an der Havel 189 Brasilien 272 Breslau 183 Britannien siehe auch Großbritannien 88 Britisches Empire 277, 278, 279, 290, 336 Brüssel 329 Buenos Aires 272 Bulgarien, Bulgaren 24 Burgunder 122, 124, 125, 126, 128, 131, 139, 142, 144, 146, 150 Bursa 230 Byblos 66

C Caffa 162 Cambridge 312 Cartagena 272 Chajasa 80 Chalkidike 227 Chattusa, Hattuscha 58, 80, 83, 84 Chile 271

430 Chios 231 Chorasan 204, 205, 206, 207 Cordoba 209, 210

D Damaskus 225 Dänemark 339 Deutsche Kolonien 293, 294, 296 Deutsches Reich 293, 302, 307, 310, 338 Deutschland, Deutsche siehe auch Deutsches Reich, Heiliges Römisches Reich 28, 51, 242, 254, 272, 291, 295, 302, 303, 306, 310, 311, 312, 314, 317, 318, 320, 321, 322, 323, 325, 326, 327, 329, 333, 334, 337, 338, 339, 340, 343, 345, 349, 351, 352, 353, 354 Deutsch-Ostafrika 295, 296, 297 Deutsch-Südwestafrika 295, 297 Don (Asowsches Meer) 28 Donau 88 Donauraum 229 Dubrovnik 228

E Elam, Elamiter 65, 76 Elephantine 62, 72, 73 Eleusis 89 Elsass-Lothringen 257, 306 Elvira 143, 211 England 28, 154, 155, 157, 175, 176, 187, 242, 244, 246, 255, 256, 257, 260, 262, 264, 270, 272, 278, 279, 280, 291, 292, 304, 307 Etrurien, Etrusker 87, 88, 114 Euphrat 87, 88 Europa 11, 13, 24, 25, 33, 34, 45, 48, 122, 155, 156, 166, 221, 225, 227, 229, 230, 236, 237, 241, 243, 245, 246, 248, 255, 256, 264, 266, 267, 269, 272, 297, 301, 302, 303, 304, 306, 307, 308, 309, 310, 312, 313, 314, 315, 317, 318, 324, 326, 327, 329, 330, 332, 334, 335, 337, 338, 340, 341, 343, 344, 350, 351, 352, 353, 354, 357

Geographische Schlagworte

F Fāṭimiden (Dynastie) 210, 212, 224 Flandern 27 Fojnica 228 Frankenreich, Franken 45, 88, 122, 125, 126, 127, 128, 131, 133, 136, 139, 140, 142, 145, 147, 149, 150, 154, 208 Frankfurt a.M. 307 Frankreich 52, 55, 154, 155, 222, 226, 236, 241, 255, 257, 262, 272, 285, 286, 291, 305, 306, 307, 309, 310, 312, 316, 317, 318, 319, 320, 328, 336, 337, 339, 340, 343, 344, 351, 352, 353, 354 Französisch-Äquatorialafrika 288 Französisches Kolonialreich 272, 286, 288 Freiburg 165 Fusṭāt 202

G Galata 222, 231 Gallier 88, 99, 109, 124, 125, 135, 138, 139, 140, 143 Gascogne 154 Genf 331 Genua 162, 222 Germanien, Germanen 10, 26, 32, 120, 133, 145 Goten 88, 122, 123, 124, 128, 130, 131, 133, 136, 137, 138, 144, 148, 150 Granada 154, 211 Griechen, Griechentum, Hellenismus siehe auch Griechenland 31, 32, 39, 59, 64, 72, 73, 77, 81, 85, 87, 89, 98, 102, 108, 119, 147, 214 Griechenland 12, 27, 86, 87, 88, 93, 105, 272, 336, 351 Großbritannien 16, 27, 244, 289, 304, 309, 310, 312, 313, 314, 315, 316, 318, 319, 320, 323, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 336, 339, 341, 349, 351, 355

431

Geographische Schlagworte

H Habsburger (Dynastie) 45, 217, 229, 232, 245, 248 Haiti 286 Hamburg 250, 260, 261 Hamm 165 Hanse(städte) 163, 185, 249 Hattier 81 Heiliges Römisches Reich 248, 254, 268 Herakleopolis 73 Hethiter 41, 64, 70, 71, 76, 79, 80, 81, 82, 83 Hunnen 133, 142, 143 Hyksos (Volk) 59, 60, 72

I Iberische Halbinsel siehe auch Spanien, Portugal 25, 88, 154, 155, 158, 162, 173, 174, 175, 207, 209, 210 Indien, Indus 27, 87, 133, 290 Ionier 92 Irak 201, 203, 204, 207 Iran siehe auch Persien 64, 73, 133, 196, 202, 203, 204, 207 Irland 27, 272, 304, 307, 352 Island 153 Israel 72 Italien 87, 88, 99, 107, 108, 109, 111, 116, 118, 119, 122, 135, 140, 141, 154, 155, 157, 172, 175, 188, 245, 254, 257, 259, 272, 303, 316, 326, 339, 341, 351, 353

J Jemen, Jemeniten 204 Jerusalem 154, 174, 212 Jugoslawien 342, 344, 348, 351

K Kalkutta 290, 291 Kamerun 296 Karibik 271, 283

Karolinger (Dynastie) 45, 125, 126 Karthago 87, 88, 118 Kastilien 35, 155 Katalonien 163 Kaukasus 229 Kleinasien siehe Anatolien 32 Konstantinopel / Byzanz (Stadt) / Istanbul 92, 153, 158, 163, 189, 199, 217, 222, 225, 226, 229, 232, 235, 236, 239, 331 Korinth 118 Kreševo 228 Kreta 64 Krim 28, 162 Krimtartaren 229 Kroatien 28 Kūfa 202 Kurdistan, Kurden 204 Kuschiten 62, 64, 73

L Lagos 292 Lakonien, Lakedämonier siehe Sparta 93 Lampedusa 11 Langobarden 124, 144, 145 La Plata 271 Latiner, latinische Kolonien 87, 88, 107, 108, 112, 113, 119 Lausanne 238 Lepanto 232 Levante 157, 162, 173 Libanon 224 Libyen, Libyer 11, 62, 63, 64, 65, 71 Lima 272 Lippstadt 165 Lombardei 303 London 27, 163, 280, 329 Lübeck 164, 170 Lucera 173, 174 Luxemburg 354

432

Geographische Schlagworte

M

O

Maastricht 177 Makedonien 32, 92, 97, 104, 119, 227 Malaga 211 Mamluken (Dynastie) 194, 195 Markomannen 132, 133 Marokko 211, 351 Medina 193 Mekka 193, 197 Memphis (Ägypten) 72 Merowinger (Dynastie) 125 Mesopotamien 65, 74, 75, 78, 79, 81, 84, 88, 130 Messenien 93, 106 Mexiko 271, 274, 275 Mexiko-Stadt 274 Mitanni 82 Mitteleuropa 25, 28, 150, 155, 158, 176, 178, 234, 247, 304, 309, 317, 335 Mittelmeerraum 16, 22, 24, 26, 27, 45, 54, 86, 118, 119, 155, 156, 171, 173, 196, 206, 331 Mittlerer Osten 196, 203, 214 Mongolei, Mongolen 207, 212, 213 Moskau 220

Osmanisches Reich, Osmanen 16, 28, 45, 163, 207, 208, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 304, 341 Ostasien 25 Österreich 28, 52, 53, 229, 301, 303, 311, 313, 314, 315, 322, 323, 326, 339, 346 Österreich-Ungarn 28, 193, 220, 265, 266, 303, 309, 322, 329, 330, 341 Osteuropa 24, 54, 155, 178, 310, 322, 335, 336, 337, 338, 343, 345, 349, 350, 356 Ostgotenreich, Ostgoten 124, 126, 131, 147 Ostpreußen 301, 329 Oströmisches Reich, Byzantinisches Reich 123, 126, 157, 160, 162, 176, 183, 197, 203, 213, 218 Oxford 312

N Naher Osten 26, 196, 203, 213, 214 Naukratis 72, 73 Neuengland 283, 284 Neuguinea 296 Niederlande 27, 28, 242, 247, 262, 264, 307, 315, 322, 327, 339, 340 Nigeria 292 Nizäa (Iznik) 144, 218 Nordafrika, Maghreb 26, 196, 203, 207, 214, 229 Nordamerika 27, 277, 279, 280, 283 Normannen 154, 157, 211 Norwegen 27 Nubier 62, 63, 65, 66, 67, 68, 84 Nürnberg 168

P Paderborn 164 Palästina / Israel / Kanaan 40, 42, 63, 154, 174 Paraguay 271 Paris 314, 329 Partherreich, Parther 214 Persien, Perser 87, 110, 115 Peru 271 Pfalz 262 Phäaken 85 Polen 28, 155, 229, 301, 302, 307, 311, 322, 325, 327, 328, 329, 331, 333, 335, 344, 346, 351 Portobello 272 Portugal 27, 271, 272, 351 Posen 301, 335 Preußen 51, 241, 242, 243, 247, 250, 262, 301, 302, 307, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 320, 321, 322, 323, 325, 326, 327, 329 Ptolemäer 73

433

Geographische Schlagworte

R Ravenna 127 Rhein 27, 88, 154, 178, 185 Rhodos 97, 231 Romanen 124, 125, 126, 128, 139, 149 Römisches Reich siehe auch Rom 24, 26, 29, 37, 39, 88, 99, 109, 122, 126, 129, 130, 132, 133, 134, 136, 139, 144, 179, 214 Rom (Stadt), Römer 16, 37, 86, 87, 88, 92, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 104, 105, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 114, 117, 118, 119, 120, 124, 125, 129, 130, 131, 132, 139, 142, 145, 146, 147, 148, 154, 220, 226 Rostock 12 Rumänien 342, 344 Russland 28, 51, 53, 163, 229, 235, 301, 307, 310, 322, 325, 328, 329, 332, 333, 334, 337, 338, 341, 342, 343, 356

S Sachsen 45 Safawiden (Dynastie) 234, 235 Sahara 229 Salzburg 247 Samoa 296, 297 Sarajevo 228, 230 Sardinien 88 Sassaniden, -reich 88, 123, 196, 197, 199, 203, 213, 214 Schlesien 28, 165, 301 Schottland 27, 244, 278, 304 Schwarzmeerraum 27, 28, 87, 154, 227 Schweden 260, 339, 340 Schweiz 303, 307, 310, 313, 315, 323, 324, 328, 353, 354 Seistan 207 Seldschuken (Dynastie) 208, 212 Seleukidenreich 98, 213 Senegal 289 Severer (Dynastie) 102

Sibirien 28 Siebenbürgen 228 Sinai 65, 88 Sizilien 11, 87, 88, 99, 105, 154, 173, 174, 175, 209, 210, 211 Slawen 24 Soest 165 Spandau 164 Spanien 15, 45, 50, 154, 174, 176, 207, 209, 211, 221, 232, 233, 247, 257, 258, 265, 270, 271, 272, 273, 276, 279, 312, 320, 339, 351, 355 Sparta, Spartaner 93, 94, 96, 97, 105, 106, 109, 118 Srebrenica 228 Staufer (Dynastie) 173, 183 Südamerika 25, 27, 259, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 279, 282, 288, 331, 356 Sudan 207 Südasien 25 Südeuropa 25, 350 Südosteuropa 231, 233, 303, 313 Sumer, Sumerer 59, 65, 75, 76, 84 Syrakus 118 Syrien 11, 64, 87, 153, 200, 207

T Teruel 161, 164, 165, 176, 177 Theben (Griechenland) 106 Theben, Thebaner (Ägypten) 70 Thessalien 227 Toledo 211 Treviso 183 Tschechoslowakei 342, 346 Tunesien 11, 351 Tunis 232 Türkei, Türken 25, 203, 208, 212, 217, 238, 336, 343, 351

434

Geographische Schlagworte

U

W

Ukraine 334 Umayyaden (Dynastie) 198, 199, 201, 204, 206, 209, 214 Ungarn, Magyaren 24, 28, 154, 155, 217, 303, 322, 349 Ural 27 Uruk 65, 74 USA 271, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 297, 306, 315, 326, 331, 340, 341, 343, 355

Westeuropa 25, 54, 55, 155, 156, 175, 220, 223, 226, 229, 235, 237, 304, 309, 320, 345, 354 Westfalen 27 Westgotenreich, Westgoten 123, 124, 126, 130, 131, 138, 139, 142, 145, 146, 147, 154 Westpreußen 301, 327, 335 Wien 186, 220, 236 Wolgaregion 28 Worms 181, 182

V

Z

Valencia 173 Vandalen 144 Vareš 228 Venetien 14, 183, 217, 219, 303 Visby 185 Vorderasien 65

Zentralasien 27, 206 Zirkassien 195 Zypern 116

LUTZ RAPHAEL (HG.)

THEORIEN UND EXPERIMENTE DER MODERNE EUROPAS GESELLSCHAFTEN IM 20. JAHRHUNDERT UNTER MITARBEIT VON CLELIA CARUSO (INDUSTRIELLE WELT, BAND 82)

Europas Gesellschaften wurden im 20. Jahrhundert zu Experimentierfeldern konkurrierender Ordnungsentwürfe. Sozialexperten und Sozialwissenschaftler versuchten, die unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken auf den Begriff zu bringen und in die gewünschte Richtung zu lenken. Der vorliegende Sammelband fragt übergreifend nach den Analysekonzepten und Selbstbeschreibungen europäischer Gesellschaften seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Dabei wird in den einzelnen Beiträgen die Frage nach den Spezifi ka der europäischen Sozialgeschichte und nach Gemeinsamkeiten und Verknüpfungen in den europäischen Gesellschaften neu formuliert. Mit Beiträgen von Dietrich Beyrau, Thomas Etzemüller, Hartmut Kaelble, Wolfgang Knöbl, Lutz Raphael, Jürgen Osterhammel, Morten Reitmayer, Dirk van Laak, Joachim von Puttkamer, Adelheid von Saldern und Benjamin Ziemann. 2012. 311 S. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-20857-8

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

IULIA-KARIN PATRUT, HERBERT UERLINGS (HG.)

INKLUSION/EXKLUSION UND KULTUR THEORETISCHE PERSPEKTIVEN UND FALLSTUDIEN VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART

Das Begriffspaar Inklusion/Exklusion ist zu einem zentralen Paradigma der Sozial- und Kulturwissenschaften geworden. Der Band geht, in Auseinandersetzung mit Luhmanns Systemtheorie, erstmals der These nach, dass gerade die Inklusion/Exklusion von Fremden und Armen kulturkonstitutiv sind. Fallstudien aus Geschichts-, Politik- und Literaturwissenschaft sowie Ethnologie bringen in einer Perspektive langer Dauer von der Antike bis zur Gegenwart Eigenart und Eigenlogik der untersuchten Praktiken, Gegenstände, Zeiten und Räume unverkürzt zur Geltung. Dadurch entsteht ein ebenso aufschluss- wie spannungsreiches Verhältnis von Empirie und Theorie. 2013. 485 S. 4 S/W-ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-22161-4

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

GERT MELVILLE, GREGOR VOGT-SPIRA, MIRKO BREITENSTEIN (HG.)

GERECHTIGKEIT (EUROPÄISCHE GRUNDBEGRIFFE IM WANDEL: VERLANGEN NACH VOLLKOMMENHEIT, BAND 1)

So hoch der Stellenwert ist, der Gerechtigkeit beigemessen wird, so trefflich lässt sich streiten, was »gerecht« ist. Doch über eines scheint Konsens zu bestehen: Die Realität ist nie vollständig gerecht, überall lassen sich noch »Ungerechtigkeiten« ausmachen, die überwunden werden müssen. Ein solches »Streben nach Vollkommenheit« zeichnet die Auseinandersetzung mit Gerechtigkeit durch die ganze europäische Geschichte hindurch aus. Der Band betrachtet Gerechtigkeit daher nicht als einen statischen Wert, sondern widmet sich der Dynamik des Gerechtigkeitsbegriffs im doppelten Blick auf theoretische Entwürfe wie auf praktische Umsetzungen. Der Bogen wird dabei von den griechisch-römischen Grundlagen bis zu den »Gerechtigkeiten« im Diskurs der Gegenwart gespannt. Als Kontrapunkt zur europäischen Sicht wird zum Abschluss das islamische Verständnis von Gerechtigkeit gesetzt, das sich davon unterscheidet. 2014. 270 S. 6 S/W-ABB. FRANZ. BR. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-22182-9

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

DETLEF BRANDES, HOLM SUNDHAUSSEN, STEFAN TROEBST (HG.)

LEXIKON DER VERTREIBUNGEN DEPORTATION, ZWANGSAUSSIEDLUNG UND ETHNISCHE SÄUBERUNG IM EUROPA DES 20. JAHRHUNDERTS

Das „Lexikon der Vertreibungen“ ist das erste Nachschlagewerk zu einem Thema , das in letzter Zeit sowohl in der Forschung wie in der breiten Öffentlichkeit heftig diskutiert worden ist. Es hat zum Ziel , den derzeitigen Stand der Forschung zur Geschichte der Deportationen , Zwangsaussiedlungen und ethnischen Säuberungen in Europa zwischen 1912 und 1999 zu bilanzieren. Als Ergebnis einer internationalen wissenschaftlichen Kooperation umfasst das Lexikon mehr als 300 Artikel von über 100 Experten aus verschiedenen Ländern Europas. Die betroffenen ethnischen Gruppen und Akteure , die wichtigsten Vertreibungs- und Aufnahmegebiete werden im Lexikon ebenso systematisch erschlossen wie zentrale Begriffe aus Wissenschaft und Recht sowie historische Ereignisse , Erinnerungskulturen und Geschichtspolitiken. Zur Erleichterung weiterer Recherchen sind jedem Lexikontext Literaturhinweise beigegeben. Das Werk ist zudem mit einem Personen- , Orts- und Sachregister ausgestattet. 2010. 801 S. GB. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-205-78407-4

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar