Philosophie in der Antike: Von den Vorsokratikern bis zur Schule von Nisibis 9783787342297, 378734229X

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Philosophie in der Antike: Von den Vorsokratikern bis zur Schule von Nisibis
 9783787342297, 378734229X

Table of contents :
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abgekürzt zitierte Literatur
Weitere Abkürzungen
Bemerkungen zu den verwendeten Umschriften
Einleitung ›Was ist Philosophie in der Antike?‹
1. Was ist Philosophie in der Antike? Zur Zielsetzung der vorliegenden Darstellung
2. Bemerkungen zum Forschungsstand
3. Zur Anlage und den Leitfragen dieses Buches: Diachrone Analyse der antiken Philosophie(n) in ihren historischen Kontexten
4. Zur konkreten Ausarbeitung
A. Die vorsokratische Philosophie Die Entwicklung des philosophischen Diskurses aus einem dunklen Anfang
I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung
1. Die Anfänge des philosophischen Denkens – eine griechische Konstruktion
2. Charakterisierungen der vorsokratischen Epoche der Philosophie- geschichte in der modernen Forschung
3. Charakteristika des frühgriechischen Denkens
4. Zum Forschungsstand
5. Leitfragen
II. Historischer Überblick
1. Allgemeines zur historischen Entwicklung der frühgriechischen Zeit
2. Hintergrundbedingungen für die Entstehung der Philosophie
3. Verbreitung und soziale Rolle der Philosophierenden in vorsokratischer Zeit
4. Herodot und die Bedeutung der vorsokratischen Denker in ihrer Zeit
5. Hypothesen zur Einbettung der Vorsokratiker in das politische Leben ihrer Zeit und die Bedeutung ihrer literarischen Formen
6. Das terminologische Problem: (Selbst-)Bezeichnungen der vorsokratischen Philosophen
III. Vorbereitung in der Dichtung
1. Vorbemerkung
2. War Homer ein Philosoph? Einige Bemerkungen zur antiken und modernen Rezeption
3. (Vor-)Philosophische Denkweisen in der Epik und Lyrik und ihre Bedeutung für die spätere Tradition
4. Würdigung
IV. Erste Prinzipien und ihre Begründungen: Die Vorsokratiker im engeren Sinne
1. Vorbemerkung
2. Die ionischen Naturphilosophen: Thales, Anaximander, Anaximenes
3. Die Anfänge der philosophischen Theologie und das Selbstbewusstsein der Weisen: Xenophanes von Kolophon
4. Unsterblichkeitshoffnung und politische Aktivität: Pythagoras und die Pythagoreer
5. Auf der Suche nach dem einen Weisen: Das Ziel der Philosophierenden nach Heraklit
6. Die Verbindung von Denken, Sein und Einem: Parmenides, die Eleaten und Diogenes von Apollonia
7. Naturphilosophie anhand der vier Elemente und ihrer Wandlungen: Empedokles
8. Der Geist und die Materie: Anaxagoras
9. Der Beginn der Naturphilosophie als solcher: Der Atomismus des Leukipp und Demokrit
V. Die Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern in der hippokratischen Medizin
1. Allgemeines / Historischer Überblick
2. Medizinisch-philosophische Theoriebildung
3. Begriffliche Bestimmungen: Philosophie, Historie, Sophisten
4. Würdigung
VI. Allegorische Exegese von mythischen Texten
VII. Fazit: Die Grundlegung von Formen und Themen antiker Philosophie bei den Vorsokratikern
1. Allgemeines
2. Philosophiebegriff
3. Das Verhältnis der Philosophie zu Mythos und Religion
4. Philosophie und Politik
5. Philosophie und Wissenschaft
Praktische Hinweise
B. Die klassische Epoche Die Herausbildung des Philosophie-Konzepts in Athen ab 400 v. Chr
I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung
1. Charakterisierungen der klassischen Epoche
2. Zusammenfassende Charakteristika der Philosophie der klassischen Zeit. Ein Vorschlag
3. Bemerkungen zum Forschungsstand
4. Leitfragen der Untersuchung
II. Historischer Hintergrund: Die Sophisten und Philosophen in der Polis Athen
1. Allgemeines zur Geschichte Athens im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr
2. Die philosophische Landschaft in Athen
III. Eine Lehrerin und zwei Lehrer: Aspasia, Archelaos und Kratylos als mögliche Katalysatoren des klassischen philosophischen Denkens
IV. Lehrer guten Lebens oder Verdreher der Wahrheit? Die Impulse der Sophisten für die Entfaltung der Philosophie
1. Allgemeines / Historischer Überblick
2. Inhaltliche Hauptthemen
3. Verhältnis zur Philosophie
4. Die Rolle der Sophisten im Spannungsfeld Philosophie – Rhetorik – Politik
5. Würdigung
V. Sokrates als Modell eines Philosophen
1. Antike und moderne Perspektiven auf die Sokratesfigur
2. Der historische Sokrates: Philosophische Frageperspektiven
3. Der historische Sokrates: Die Quellen und ihre relative Bedeutung
4. Ein philosophisches Leben? Biographisches zu Sokrates
5. Systematische Thesen des Sokrates
6. Sokratische Gesprächsführung und Ironie
7. Sokrates und der Philosophiebegriff
8. Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik
9. Verhältnis der Philosophie zur Religion
10. Würdigung
VI. Erkenntniskritik und Ethik: Die Schulen der Sokratiker
1. Allgemeines
2. Aristipp und die Kyrenaiker
3. Euklid (Eukleides) von Megara, die megarische Schule und die Dialektiker
4. Antisthenes, Diogenes von Sinope und die Kyniker
5. Xenophon
6. Zusammenfassende Würdigung
VII. Andere Blicke auf das Bildungsideal ›Philosophie‹: Isokrates und Alkidamas
1. Allgemeines und Biographisches
2. Philosophische Positionen
3. Philosophiebegriff
4. Verhältnis zu anderen Disziplinen und Gebieten
5. Würdigung
VIII. Die Konturierung des Philosophiebegriffs im Werk Platons
1. Allgemeines
2. Leben und Werk
3. Philosophische Theorien
4. Philosophiebegriff
5. Philosophie und Politik
6. Philosophie und Rhetorik
7. Philosophie und Wissenschaften
8. Verhältnis der Philosophie zur Religion
9. Würdigung
IX. Nachplatonische Debatten: Die Ältere Akademie und die Pseudoplatonica
1. Allgemeines / Historischer Überblick
2. Philosophische Positionen
3. Philosophiebegriff
4. Die Philosophie im Verhältnis zu benachbarten Gebieten
5. Würdigung
X. Die Methoden des Strebens nach Weisheit: Aristoteles über die Philosophie
1. Allgemeines
2. Biographisches
3. Werk
4. Wichtige Positionen
5. Philosophiebegriff und Einteilungen der Philosophie
6. Aufteilung der Philosophie und Verhältnis zu denEinzelwissenschaften
7. Die Philosophie im Verhältnis zu den Nachbargebieten
8. Würdigung
XI. Zusammenfassung: Etappen der Etablierung einer wissenschaftlichen Suche nach wahrer Erkenntnis
1. Definitionen der Philosophie
2. Einteilungen der Philosophie
3. Philosophie und Fachwissenschaften
4. Philosophie und Rhetorik
5. Philosophie und Religion
6. Philosophie und Politik
Praktische Hinweise
C. Die hellenistische Epoche Die Entfaltung der philosophischen Schulen und Lebensformen
I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung
1. Historische Bemerkungen zur Abgrenzung der Epoche
2. Zusammenfassende Charakteristika der hellenistischen Philosophie
3. Bemerkungen zum Forschungsstand und Leitfragen der Untersuchung
II. Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin
1. Vorbemerkung zur Quellensituation
2. Historischer Überblick
3. Geschichte und gesellschaftliche Rolle der Philosophie
III. Glücksstreben, System und Zufall: Die Philosophenschulen
1. Allgemeines: Die hellenistischen Philosophenschulen und ihre Darstellung
2. Lehrer guten Lebens im Athen des späten 4. Jahrhunderts
3. Zwischen wissenschaftlicher Blüte und dem Neubeginn: Die Aristoteliker bzw. der Peripatos in hellenistischer Zeit
4. Freundschaft, Freude und Zufall: Epikur und seine Schule
5. Die wohlverwaltete Welt begreifen: Alte und mittlere Stoa
6. Skepsis und Dogma: Die platonische Akademie von Arkesilaos bis Antiochos von Askalon
IV. Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom
1. Allgemeines / Historischer Überblick
2. Marcus Terentius Varro
3. Die Einheit von skeptischer Methode, rhetorischer Praxis und Politisierung der Philosophie bei Marcus Tullius Cicero
V. Der Blick von außen: Rezeption und Diskussion des Philosophie-Ideals jenseits der Philosophenschulen
1. Philosophiegeschichtsschreibung der hellenistischen Zeit: Philosophen- Biographie und philosophische Doxographie
2. Philosophie und Medizin in der hellenistischen Zeit
3. Die Beziehungen der Philosophie zu Mathematik, Astronomie und Geometrie
4. Die Rezeption der Philosophie in weiteren Fachwissenschaften
5. Würdigung
VI. Eine Projektion wird real: Philosophie im hellenistischen Judentum
1. Allgemeines / Historischer Überblick
2. Judentum und Philosophie – Spuren einer spiegelbildlichen Beziehung
3. Philosophie und ihre Spuren in biblischen Texten der hellenistischen Zeit
4. Die Aufnahme von Philosophie in nicht-biblischen hellenistisch-jüdischen Texten
5. Würdigung
VII. Zusammenfassung
1. Der hellenistische Philosophiebegriff und seine Bedeutung
2. Die Philosophie und andere gesellschaftliche Praktiken
Praktische Hinweise
D. Philosophie in der Kaiserzeit Die Vielheit der Philosophien und die Suche nach der einen Wahrheit
I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung
1. Abgrenzungsprobleme im Spiegel historischer Darstellungen
2. Gemeinsame Charakteristika der kaiserzeitlichen Philosophie
3. Leitfragen der Erforschung des kaiserzeitlichen Philosophie- verständnisses
II. Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie
1. Die Ausbreitung des Philosophie-Ideals in breiten Gesellschaftsschichten
2. Die Rolle der Philosophie im Bildungsbetrieb
3. Die Philosophen: Ideal, Wirklichkeit und Kritik
4. Die Philosophenschule: eine typische Lehrform seit der Kaiserzeit
5. Ziele des philosophischen Unterrichts
6. Philosophierende Frauen in der Kaiserzeit
7. Die Aufnahme der Philosophie bei Juden und Christen
8. Die Philosophie in Konkurrenz zur Rhetorik bzw. Sophistik
9. Die politische Rolle der Philosophen
10. Textformen der Philosophie in der Kaiserzeit
III. Eine vielfältige Wahrheitssuche: Die Philosophenschulen
1. Allgemeine Einschätzung und quellenkundliche Probleme
2. Der Neuansatz des systematischen platonischen Denkens im Mittelplatonismus
3. Philosophie in wissenschaftlicher Form: Die aristotelische Schule der Kaiserzeit
4. Eine römische Philosophenschule: Die Sextier
5. Philosophische Lebensführung in allen Gesellschaftsschichten: Die stoische Richtung in der Kaiserzeit
6. Das Fortleben der Epikureer
7. Eine unabschließbare Suche: (Neu-)Pyrrhonische Skepsis
8. Philosophie für das Volk: Die Kyniker
9. Zusammenfassende Würdigung
IV. Begeisterung und Spott: Das Philosophie-Ideal außerhalb der Philosophenschulen
1. Doxographie und Biographie: Die Philosophiegeschichtsschreibung der Kaiserzeit
2. Geographie als Philosophie: Strabons Blick auf die Philosophie
3. Klaudios Ptolemaios: Die Philosophie und ihr Wahrheitskriterium aus dem Horizont der mathematischen Disziplinen
4. Professionalisierung und Auseinandersetzung mit der Philosophie: Die Medizin in der Kaiserzeit
5. Die Philosophie aus dem Blickwinkel der Konkurrenz: Bilder der Philosophie in der Zweiten Sophistik
6. Philosophie in satirischer Bewunderung: Lukian von Samosata
7. Offenbarte Philosophie? Der Hermetismus
8. Zusammenfassende Würdigung
V. Richtiges Denken und Sterben: Philosophie im kaiserzeitlichen Judentum
1. Die jüdische Bibel als philosophisches Werk: Philon von Alexandrien
2. Das rechte Sterben auf jüdische Weise: Philosophie im ›4. Makkabäerbuch‹
3. Das hohe Alter als Vorzug des Judentums: Philosophie im Werk des Flavius Josephus
4. Rezeption von Philosophie im rabbinischen Judentum
5. Zusammenfassende Würdigung
VI. Abgrenzung und Aneignung: Die Anfänge des christlichen Philosophierens
1. Ein kritischer Dialog: Neutestamentliche Schriften und die Philosophie
2. Die Debatte über Dualismen im 2. Jahrhundert: Gnostiker, Markioniten und Hermogenes
3. Die Begründung und Verteidigung des christlichen Philosophie-Ideals bei den Apologeten
4. Philosophische Zeugnisse und Argumente bei den Häresiographen Eirenaios und ›Hippolyt‹
5. Die Begründung des christlichen Denkens in lateinischer Sprache: Das Werk des Tertullian
6. Nach Tertullian: Philosophie bei Minucius Felix, Cyprian und Arnobius
7. Die Darstellung von Philosophie in frühchristlichen Romanen
8. Die alexandrinischen Lehrer der Philosophie: Clemens und Origenes
9. Die kritische Wendung des christlichen Philosophierens bei Methodios von Olympos
10. Zusammenfassende Würdigung
VII. Die Anfänge philosophischer Schriftstellerei in orientalischen Sprachen
1. Die syrische Sprache und ihre Situation in der Kaiserzeit
2. Bezeichnungen der Philosophie
3. Bardai.an von Edessa und sein Umfeld
4. Zwei weitere Zeugnisse philosophischer Argumentation: Mara bar Serapiyon und Pseudo-Meliton
VIII. Resümee: Die Ausdifferenzierung des Philosophieverständnisses in der Kaiserzeit
1. Allgemeines
2. Der Philosophiebegriff in seinen Bezügen
Praktische Hinweise
E. Die Philosophie in der Spätantike Konkurrenz und Konvergenz von neuplatonischem und christlichem Denken
I. Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche
1. Der Neuplatonismus als Epoche in der philosophiegeschichtlichen Forschung
2. Die Spätantike als Epoche in Quellen der Zeit
3. Grundlinien spätantiker Philosophie bei Christen und Lateinern
4. Stichpunkte zur Besonderheit der Epoche
5. Zum Forschungsstand und den Zielen der Untersuchung
II. Die historische Situation der Spätantike und die Rolle der Philosophie
1. Die historische Situation im 4./5. Jahrhundert
2. Philosophie und Philosophen in der Gesellschaft
3. Philosophie bei den Christen: Soziale und politische Rahmenbedingungen
4. Frauen in der spätantiken Philosophie
5. Textformen philosophischer Arbeit
III. Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike
1. Der griechische Neuplatonismus: Die letzte große philosophische Richtung der griechisch-römischen Antike und ihr Umfeld
2. Kaiser Julian: Die Restitution des philosophischen Kaisertums und seine philosophischen Grundlagen
3. Eine Sammlung philosophischen Wissens zu didaktischen Zwecken: Johannes Stobaios und das ›Anthologion‹
4. Ein aristotelisierender Platoniker: Themistios
5. Kynisches Philosophieren in der Spätantike
6. Zusammenfassende Würdigung
IV. Philosophie in fachwissenschaftlichen und medizinischen Texten
V. Philosophie im Judentum
VI. Größe und Grenzen des Platonismus im patristischen Denken der griechischen Spätantike
1. Allgemeines
2. Über den Platonismus zum Christentum: Eusebios von Kaisareia und die ›Ermahnung an die Hellenen‹ (›Cohortatio ad Graecos‹)
3. Philosophie in den dogmatischen Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts
4. Philosophie und Christentum bei den kappadokischen Vätern Basileios, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa
5. Das Philosophieideal im christlichen Mönchstum
6. Im Grenzgebiet von Philosophie und Christentum: Nemesios und Synesios
7. Die Schule von Antiochien und ihr Umfeld
8. Philosophische Bildung in Polemik und Christologie bei Kyrill von Alexandrien
9. Zusammenfassung: Platonische Theologie und aristotelisches Trinitätsdenken bei den griechischen Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts
VII. Traditionalisten und christliche Vordenker: Das Philosophie-Ideal in der lateinischen Spätantike
1. Einführung
2. Laktanz und die Einheit von Philosophie und Religion
3. Platons Naturphilosophie im lateinischen Gewand bei Calcidius
4. Artes liberales und neuplatonisches Trinitätsdenken bei Marius Victorinus
5. Die ›Zehn Kategorien‹ (›Categoriae decem‹) bzw. ›Paraphrasis Themistiana‹ und der Kreis um Vettius Agorius Praetextatus
6. Trinitätsdenken in Gallien bei Hilarius von Poitiers
7. Hieronymus zwischen Kenntnis und Kritik der Philosophie
8. Ambrosius von Mailand: Christliche Reichspolitik und Adaption hellenisch- römischer Philosophie
9. Die pelagianische Position am Beispiel des Julian von Aeclanum
10. Der Platonismus und seine Grenzen: Augustinus’ Ringen um Philosophie im Christentum
11. Die platonischen Ausleger Ciceros: Macrobius und Favonius Eulogius
12. Eine allegorische Darstellung des lateinischen Bildungskanons: Martianus Capella
13. Gallische Autoren des 5. Jahrhunderts (Johannes Cassian, Eucherius von Lyon, Claudianus Mamertus, Salvian von Marseille)
14. Zusammenfassende Würdigung
VIII. Philosophie in den Sprachräumen des christlichen Orients
1. Allgemeines und kulturgeschichtlicher Hintergrund
2. Philosophische Kenntnisse im syrischen Sprachraum
3. Die Rolle der Philosophie bei der Entstehung der armenischen Literatursprache
IX. Zusammenfassende Würdigung
1. Formen platonischer Denkansätze als Charakteristika der Spätantike
2. Systembau und Dialektik: Philosophische Arbeit in der Spätantike
3. Kynismus, Cicero und Aristoteles: Die Rolle nicht-platonischer Traditionen in der Spätantike und die Bedeutung der Logik
4. Aspekte des Philosophiebegriffs
Praktische Hinweise
F. Philosophie in der Ausgehenden Antike Aristotelische Logik und platonische Metaphysik an der Schwelle zum Mittelalter
I. Einleitung: Eine verkannte Epoche
1. Philosophiegeschichtliche Gründe für die besondere Behandlung der Ausgehenden Antike
2. Philosophische Charakteristika der Epoche – ein Überblick
3. Zum Forschungsstand
4. Leitfragen und Vorgehensweise der Untersuchung
II. Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie
1. Allgemeines
2. Innerchristliche Spaltungen und Debatten
3. Philosophie und Philosophen in der Gesellschaft
3. Christen als Träger der philosophischen Arbeit
4. Frauen in der Philosophie in der Ausgehenden Antike
5. Übersetzungen philosophischer Texte
III. Fachphilosophie in der Ausgehenden Antike: Aristotelisch-platonische Studien in Athen und Alexandrien
1. Ein gelehrter Aristotelismus: Der alexandrinische Schulbetrieb
2. »Die Blüte der Philosophen unserer Zeit«: Die neuplatonische Schule von Athen vom Tod des Proklos bis zu ihrer Schließung
3. Skeptische Philosophie
4. Kynismus
5. Politische Philosophie im Dialog ›Über das politische Wissen‹
6. Zusammenfassende Würdigung
IV. Die Heiden in ihrer Paradedisziplin übertreffen: Christliche Auseinandersetzungen mit der Fachphilosophie
1. Allgemeines
2. Die Schule von Gaza und ihr Umfeld (Aineias von Gaza, Prokop von Gaza, Zacharias Rhetor)
3. Auseinandersetzungen mit der Philosophie in der ›nestorianischen‹ Quaestionenliteratur
4. Philosophische Philosophiekritik: Christliche Naturtheorie bei Johannes Philoponos
V. Christliche Adaptionen platonischen Denkens: Pseudo-Dionysios Areopagites und Johannes von Skythopolis
1. Die pseudo-dionysischen Traktate
2. Die Scholien des Johannes von Skythopolis zu den pseudo-dionysischen Schriften
VI. Logica universalis: Die Entstehung von Corpora philosophischer Fachtexte jenseits des Griechischen
1. Allgemeines
2. Syrische Übersetzungen von und Kommentare zu Aristotelica aus dem 6. Jahrhundert
3. Die Übertragung der aristotelischen Philosophie in die lateinische Sprache: Boethius und Cassiodor
4. Im Land des ›unbesiegbaren Philosophen‹: Übertragungen philosophischer Texte in die armenische Sprache
5. Philosophie (nicht nur) in mittelpersischer Sprache im Reich der Sassaniden
VII. Die ›Magd‹ der Christologie und die ›Erklärung von Worten‹: Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen des 6. Jahrhunderts
1. Allgemeines
2. Miaphysitische Christologie und evagrianische Mystik auf Syrisch: Philoxenos von Mabbug
3. Ein Dialog über Aristoteles und den Nutzen der Philosophie: Severos von Antiochien und Sergios der Grammatiker
4. Die neuchalkedonensische Kontroverstheologie
VIII. Jesus definiert die Philosophie: Philosophie-Ideal und Philosophie-Rezeption in syrischen Texten
1. Allgemeines
2. Das ›Buch des Hierotheos‹ und Stephanos bar Sudaili
3. Die Schule von Nisibis und die ostsyrische Schultradition
IX. »Die Mutter aller Künste«: Das Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften
X. Zusammenfassende Würdigung
1. Aspekte des Philosophieverständnisses
2. Die Entwicklung der Philosophie im 6. Jahrhundert: Zusammenfassende Erklärungen
Praktische Hinweise
G. Fazit
I. Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit
1. Die formative Periode der Philosophie bis ca. 300 v. Chr
2. Die Periode der Schulen: Hellenismus und Kaiserzeit im griechischen Sprachraum
3. Philosophie und Religion in zwei Entwürfen: Die griechische Spätantike
4. Regionalisierung der Philosophie: Besonderheiten des lateinischen Raums vom 1. bis zum 5. Jahrhundert
5. Auf dem Weg zu einer neuen Professionalisierung: Philosophie in der Ausgehenden Antike
6. Die Rolle der Frauen in den philosophischen Richtungen der Antike
II. Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und Grenzgebiete der Philosophie in der Antike
1. ›Wahre Philosophie‹ als Bildung mit Bezug zur Wahrheit: Verwendung und Konnotationen des Wortstamms philosoph-
2. Definitionen der Philosophie in ihren Kontexten
3. Die Einteilungen der Philosophie und ihre Bedeutung
4. Die Abgrenzungen der Philosophie
Exkurs: Stationen auf dem Wege zur Unterscheidung von rein rationaler Philosophie zu Religion und Theologie
III. Conclusionis conclusio: Was ist antike Philosophie?
1. Versuch einer bündigen Antwort
2. Einige Überlegungen zur Aktualität des antiken Modells
Verzeichnis der zitierten Quellen
Hilfsmittel
Sekundärliteratur
Register

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Matthias Perkams

GRUNDRISS

PHILOSOPHIE IN DER ANTIKE  on den Vorsokratikern bis zur V Schule von Nisibis Meiner

PHILOSOPHIE IN DER ANTIKE

Matthias Perkams

GRUNDRISS PHILOSOPHIE IN DER ANTIKE Von den Vorsokratikern bis zur Schule von Nisibis

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie ; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http ://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-4229-7 ISBN eBook: 978-3-7873-4230-3

Umschlagfoto: © Philosophenmosaik aus Herculaneum (Detail) © Felix Meiner Verlag Hamburg 2023. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53, 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Gestaltung: Jens-Sören Mann. Satz : mittelstadt 21, Vogts­burg-­Burkheim. Druck und Bindung : Druckerei C. H. Beck, Nördlingen. Werkdruck­papier : alte­r ungs­beständig nach DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100 % chlor­­frei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

Inhalt Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Abgekürzt zitierte Literatur   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Weitere Abkürzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bemerkungen zu den verwendeten Umschriften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Einleitung ›Was ist Philosophie in der Antike?‹  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Was ist Philosophie in der Antike? Zur Zielsetzung der ­vorliegenden Darstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bemerkungen zum Forschungsstand   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Anlage und den Leitfragen dieses Buches: Diachrone Analyse der antiken Philosophie(n) in ihren historischen Kontexten  . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur konkreten Ausarbeitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 14 32 40

A. Die vorsokratische Philosophie Die Entwicklung des philosophischen Diskurses aus einem dunklen Anfang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der U ­ ntersuchung  . . . . . . . 51 1. Die Anfänge des philosophischen Denkens – eine griechische Konstruktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Charakterisierungen der vorsokratischen Epoche der ­Philosophiegeschichte in der modernen Forschung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Charakteristika des frühgriechischen Denkens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Leitfragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 53 55 58 60

II. Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Allgemeines zur historischen Entwicklung der frühgriechischen Zeit  . . . 62 2. Hintergrundbedingungen für die Entstehung der Philosophie  . . . . . . . . . 64 3. Verbreitung und soziale Rolle der Philosophierenden in vorsokratischer Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Herodot und die Bedeutung der vorsokratischen Denker in ihrer Zeit  . . 67 5. Hypothesen zur Einbettung der Vorsokratiker in das politische ­Leben ihrer Zeit und die Bedeutung ihrer literarischen Formen  . . . . . . . . . . . . . . 69

Inhalt 6. Das terminologische Problem: (Selbst-)Bezeichnungen der vorsokratischen Philosophen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

III. Vorbereitung in der Dichtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Vorbemerkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. War Homer ein Philosoph? Einige Bemerkungen zur antiken und modernen Rezeption  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. (Vor-)Philosophische Denkweisen in der Epik und Lyrik und ihre Bedeutung für die spätere Tradition  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

IV. Erste Prinzipien und ihre Begründungen: Die Vorsokratiker im engeren Sinne  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Vorbemerkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Die ionischen Naturphilosophen: Thales, Anaximander, ­Anaximenes  . . . 86 3. Die Anfänge der philosophischen Theologie und das ­Selbstbewusstsein der Weisen: Xenophanes von Kolophon  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unsterblichkeitshoffnung und politische Aktivität: Pythagoras und die Pythagoreer   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auf der Suche nach dem einen Weisen: Das Ziel der ­Philosophierenden nach Heraklit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Verbindung von Denken, Sein und Einem: Parmenides, die Eleaten und Diogenes von Apollonia  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Naturphilosophie anhand der vier Elemente und ihrer ­Wandlungen: Empedokles  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der Geist und die Materie: Anaxagoras  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Der Beginn der Naturphilosophie als solcher: Der Atomismus des Leukipp und Demokrit   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V. Die Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern in der hippokratischen Medizin  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  /  Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Medizinisch-philosophische Theoriebildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriffliche Bestimmungen: Philosophie, Historie, Sophisten  . . . . . . . . . . 4. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 94 106 111 115 118 120

124 124 125 126 128

VI. Allegorische Exegese von mythischen Texten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 VII. Fazit: Die Grundlegung von Formen und Themen antiker Philosophie bei den Vorsokratikern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Philosophiebegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis der Philosophie zu Mythos und Religion  . . . . . . . . . . . . . . *6

130 130 131 132

Inhalt 4. Philosophie und Politik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5. Philosophie und Wissenschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Praktische Hinweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

B. Die klassische Epoche Die Herausbildung des Philosophie-Konzepts in Athen ab 400 v.  Chr.  . 135 I.

Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung  . . . . . . . 137 1. Charakterisierungen der klassischen Epoche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Zusammenfassende Charakteristika der Philosophie der klassischen Zeit. Ein Vorschlag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Bemerkungen zum Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Leitfragen der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

II. Historischer Hintergrund: Die Sophisten und ­Philosophen in der Polis Athen 145 1. Allgemeines zur Geschichte Athens im 5. und 4. Jahrhundert v.  Chr.  . . . . 145 2. Die philosophische Landschaft in Athen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Eine Lehrerin und zwei Lehrer: Aspasia, Archelaos und K ­ ratylos als mögliche Katalysatoren des klassischen ­philosophischen Denkens  . . . . . . 161 IV. Lehrer guten Lebens oder Verdreher der Wahrheit? Die I­mpulse der Sophisten für die Entfaltung der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  /  Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Hauptthemen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zur Philosophie   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 165 167

4. Die Rolle der Sophisten im Spannungsfeld Philosophie – Rhetorik – Politik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

V. Sokrates als Modell eines Philosophen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antike und moderne Perspektiven auf die Sokratesfigur  . . . . . . . . . . . . . . 2. Der historische Sokrates: Philosophische Frageperspektiven  . . . . . . . . . . . 3. Der historische Sokrates: Die Quellen und ihre relative Bedeutung  . . . . 4. Ein philosophisches Leben? Biographisches zu Sokrates  . . . . . . . . . . . . . . 5. Systematische Thesen des Sokrates  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sokratische Gesprächsführung und Ironie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sokrates und der Philosophiebegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik   . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verhältnis der Philosophie zur Religion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 171 173 174 177 178 181 182 184 185 185 *7

Inhalt

VI. Erkenntniskritik und Ethik: Die Schulen der Sokratiker  . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Aristipp und die Kyrenaiker  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Euklid (Eukleides) von Megara, die megarische Schule und die Dialektiker  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antisthenes, Diogenes von Sinope und die Kyniker  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Xenophon  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190 192 201 205

VII. Andere Blicke auf das Bildungsideal ›Philosophie‹: Isokrates und Alkidamas  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines und Biographisches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Philosophische Positionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophiebegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zu anderen Disziplinen und Gebieten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 207 208 210 214 216

VIII. Die Konturierung des P ­ hilosophiebegriffs im Werk Platons  . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leben und Werk  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophische Theorien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Philosophiebegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Philosophie und Politik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Philosophie und Rhetorik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Philosophie und Wissenschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verhältnis der Philosophie zur Religion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 217 217 224 236 250 253 254 256 258

IX. Nachplatonische Debatten: Die Ältere Akademie und die Pseudoplatonica  1. Allgemeines  /  Historischer Überblick   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Philosophische Positionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophiebegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Philosophie im Verhältnis zu benachbarten Gebieten  . . . . . . . . . . . . . 5. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 261 263 264 269 270

X. Die Methoden des Strebens nach Weisheit: ­Aristoteles über die Philosophie 271 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Biographisches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Werk  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4. Wichtige Positionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 5. Philosophiebegriff und Einteilungen der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 6. Aufteilung der Philosophie und Verhältnis zu den ­Einzelwissenschaften  306

*8

Inhalt 7. Die Philosophie im Verhältnis zu den Nachbargebieten  . . . . . . . . . . . . . . . 312 8. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

XI. Zusammenfassung: Etappen der E ­ tablierung einer wissenschaftlichen Suche nach wahrer Erkenntnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definitionen der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einteilungen der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophie und Fachwissenschaften   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Philosophie und Rhetorik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Philosophie und Religion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Philosophie und Politik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Hinweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

318 320 320 321 322 322 323 324

C. Die hellenistische Epoche Die Entfaltung der philosophischen Schulen und Lebensformen  . . . . . . 327 I.

Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der U ­ ntersuchung  . . . . . . . 1. Historische Bemerkungen zur Abgrenzung der Epoche  . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassende Charakteristika der hellenistischen ­Philosophie  . . . . 3. Bemerkungen zum Forschungsstand und Leitfragen der ­Untersuchung  .

329 329 330 334

II. Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin  . . . . . . . . 1. Vorbemerkung zur Quellensituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschichte und gesellschaftliche Rolle der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . .

336 336 336 339

III. Glücksstreben, System und Zufall: D ­ ie Philosophenschulen  . . . . . . . . . . . . . 361 1. Allgemeines: Die hellenistischen Philosophenschulen und ihre Darstellung 361 2. Lehrer guten Lebens im Athen des späten 4. Jahrhunderts  . . . . . . . . . . . . 361 3. Zwischen wissenschaftlicher Blüte und dem Neubeginn: Die Aristoteliker bzw. der Peripatos in hellenistischer Zeit  . . . . . . . . . . . . 4. Freundschaft, Freude und Zufall: Epikur und seine Schule  . . . . . . . . . . . . 5. Die wohlverwaltete Welt begreifen: Alte und mittlere Stoa  . . . . . . . . . . . . 6. Skepsis und Dogma: Die platonische Akademie von Arkesilaos bis Antiochos von Askalon  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

369 381 404 441

IV. Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 1. Allgemeines  /  Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 2. Marcus Terentius Varro   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 3. Die Einheit von skeptischer Methode, rhetorischer Praxis und Politisierung der Philosophie bei Marcus Tullius Cicero  . . . . . . . . . . . . . . . 457 *9

Inhalt

V. Der Blick von außen: Rezeption und Diskussion des Philosophie-Ideals jenseits der Philosophenschulen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 1. Philosophiegeschichtsschreibung der hellenistischen Zeit: ­Philosophen-Biographie und philosophische Doxographie  . . . . . . . . . . . . 2. Philosophie und Medizin in der hellenistischen Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beziehungen der Philosophie zu Mathematik, Astronomie und Geometrie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rezeption der Philosophie in weiteren Fachwissenschaften  . . . . . . . . 5. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

474 477 480 482 482

VI. Eine Projektion wird real: Philosophie im h ­ ellenistischen Judentum  . . . . . . 483 1. Allgemeines  /  Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 2. Judentum und Philosophie – Spuren einer spiegelbildlichen B ­ eziehung  . 485 3. Philosophie und ihre Spuren in biblischen Texten der ­hellenistischen Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 4. Die Aufnahme von Philosophie in nicht-biblischen hellenistisch-jüdischen Texten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 5. Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

VII. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der hellenistische Philosophiebegriff und seine Bedeutung  . . . . . . . . . . . . 2. Die Philosophie und andere gesellschaftliche Praktiken  . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Hinweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

503 503 506 511

D. Philosophie in der Kaiserzeit Die Vielheit der Philosophien und die Suche nach der einen Wahrheit  513 I.

Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung  . . . . . . . 515 1. Abgrenzungsprobleme im Spiegel historischer Darstellungen  . . . . . . . . . . 515 2. Gemeinsame Charakteristika der kaiserzeitlichen Philosophie  . . . . . . . . . 517 3. Leitfragen der Erforschung des kaiserzeitlichen ­Philosophie­verständnisses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520

II. Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . 523 1. Die Ausbreitung des Philosophie-Ideals in breiten ­Gesellschaftsschichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rolle der Philosophie im Bildungsbetrieb  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Philosophen: Ideal, Wirklichkeit und Kritik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Philosophenschule: eine typische Lehrform seit der Kaiserzeit  . . . . . 5. Ziele des philosophischen Unterrichts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

*10

523 524 525 527 529

Inhalt 6. 7. 8. 9. 10.

Philosophierende Frauen in der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aufnahme der Philosophie bei Juden und Christen  . . . . . . . . . . . . . . . Die Philosophie in Konkurrenz zur Rhetorik bzw. Sophistik  . . . . . . . . . . . Die politische Rolle der Philosophen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textformen der Philosophie in der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

531 532 534 535 537

III. Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen  . . . . . . . . . . . . . . . 539 1. Allgemeine Einschätzung und quellenkundliche Probleme  . . . . . . . . . . . . 539 2. Der Neuansatz des systematischen platonischen Denkens im ­Mittelplatonismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophie in wissenschaftlicher Form: Die aristotelische Schule der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eine römische Philosophenschule: Die Sextier  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Philosophische Lebensführung in allen Gesellschaftsschichten: Die stoische Richtung in der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Fortleben der Epikureer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Eine unabschließbare Suche: (Neu-)Pyrrhonische Skepsis  . . . . . . . . . . . . . 8. Philosophie für das Volk: Die Kyniker  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

540 557 567 568 579 580 584 588

IV. Begeisterung und Spott: Das Philosophie-Ideal ­außerhalb der Philosophenschulen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 1. Doxographie und Biographie: Die Philosophiegeschichtsschreibung der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geographie als Philosophie: Strabons Blick auf die Philosophie  . . . . . . . . 3. Klaudios Ptolemaios: Die Philosophie und ihr Wahrheitskriterium aus dem Horizont der mathematischen Disziplinen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Professionalisierung und Auseinandersetzung mit der Philosophie: Die Medizin in der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Philosophie aus dem Blickwinkel der Konkurrenz: Bilder der Philosophie in der Zweiten Sophistik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Philosophie in satirischer Bewunderung: Lukian von Samosata  . . . . . . . . 7. Offenbarte Philosophie? Der Hermetismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

589 593 594 596 603 608 610 612

V. Richtiges Denken und Sterben: Philosophie im kaiserzeitlichen Judentum  613 1. Die jüdische Bibel als philosophisches Werk: Philon von Alexandrien  . . . 614 2. Das rechte Sterben auf jüdische Weise: Philosophie im ›4. Makkabäerbuch‹  623 3. Das hohe Alter als Vorzug des Judentums: Philosophie im Werk des Flavius Josephus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 4. Rezeption von Philosophie im rabbinischen Judentum  . . . . . . . . . . . . . . . . 625 5. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628

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Inhalt

VI. Abgrenzung und Aneignung: Die Anfänge des christlichen Philosophierens 630 1. Ein kritischer Dialog: Neutestamentliche Schriften und die Philosophie  . 630 2. Die Debatte über Dualismen im 2. Jahrhundert: Gnostiker, Markioniten und Hermogenes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Begründung und Verteidigung des christlichen Philosophie-Ideals bei den Apologeten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Philosophische Zeugnisse und Argumente bei den Häresiographen Eirenaios und ›Hippolyt‹  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Begründung des christlichen Denkens in lateinischer Sprache: Das Werk des Tertullian   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nach Tertullian: Philosophie bei Minucius Felix, Cyprian und Arnobius . 7. Die Darstellung von Philosophie in frühchristlichen Romanen  . . . . . . . . . 8. Die alexandrinischen Lehrer der Philosophie: Clemens und Origenes  . . . 9. Die kritische Wendung des christlichen Philosophierens bei ­Methodios von Olympos  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII. Die Anfänge philosophischer Schriftstellerei in orientalischen Sprachen  . . 1. Die syrische Sprache und ihre Situation in der Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . 2. Bezeichnungen der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bardaiṣān von Edessa und sein Umfeld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

634 641 649 653 658 660 662 680 681 686 687 688 690

4. Zwei weitere Zeugnisse philosophischer Argumentation: Marā bar Serapiyōn und Pseudo-Meliton  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693

VIII. Resümee: Die Ausdifferenzierung des P ­ hilosophieverständnisses in der ­Kaiserzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Philosophiebegriff in seinen Bezügen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Hinweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

697 697 701 707

E. Die Philosophie in der Spätantike Konkurrenz und Konvergenz von neuplatonischem und christlichem Denken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 I.

Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche  . . . . . . . . . . 713 1. Der Neuplatonismus als Epoche in der philosophiegeschichtlichen Forschung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 2. Die Spätantike als Epoche in Quellen der Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 3. Grundlinien spätantiker Philosophie bei Christen und Lateinern  . . . . . . . 718 4. Stichpunkte zur Besonderheit der Epoche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 5. Zum Forschungsstand und den Zielen der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . 722 *12

Inhalt

II. Die historische Situation der Spätantike und die Rolle der Philosophie  . . . 727 1. Die historische Situation im 4./5. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 2. Philosophie und Philosophen in der Gesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 3. Philosophie bei den Christen: Soziale und politische ­Rahmenbedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 4. Frauen in der spätantiken Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 5. Textformen philosophischer Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740

III. Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 1. Der griechische Neuplatonismus: Die letzte große philosophische Richtung der griechisch-römischen Antike und ihr Umfeld  . . . . . . . . . . . . 2. Kaiser Julian: Die Restitution des philosophischen Kaisertums und seine philosophischen Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eine Sammlung philosophischen Wissens zu didaktischen Zwecken: Johannes Stobaios und das ›Anthologion‹  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ein aristotelisierender Platoniker: Themistios   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kynisches Philosophieren in der Spätantike   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

742 779 785 786 790 791

IV. Philosophie in fachwissenschaftlichen und ­medizinischen Texten  . . . . . . . . 793 V. Philosophie im Judentum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794 VI. Größe und Grenzen des Platonismus im patristischen Denken der griechischen Spätantike  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 1. Allgemeines   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 2. Über den Platonismus zum Christentum: Eusebios von Kaisareia und die ›Ermahnung an die Hellenen‹ (›Cohortatio ad Graecos‹)  . . . . . . . . . . 3. Philosophie in den dogmatischen Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Philosophie und Christentum bei den kappa­dokischen Vätern Basileios, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Philosophieideal im christlichen Mönchstum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Im Grenzgebiet von Philosophie und Christentum: Nemesios und Synesios  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Schule von Antiochien und ihr Umfeld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Philosophische Bildung in Polemik und Christologie bei Kyrill von Alexandrien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung: Platonische Theologie und aristotelisches Trinitätsdenken bei den griechischen Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts  . . . . . . .

796 807 813 829 836 844 855 860

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Inhalt

VII. Traditionalisten und christliche Vordenker: Das Philosophie-Ideal in der ­lateinischen Spätantike  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Laktanz und die Einheit von Philosophie und Religion   . . . . . . . . . . . . . . . 3. Platons Naturphilosophie im lateinischen Gewand bei Calcidius   . . . . . . .

864 864 865 869

4. Artes liberales und neuplatonisches Trinitätsdenken bei Marius Victorinus   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 5. Die ›Zehn Kategorien‹ (›Categoriae decem‹) bzw. ›Paraphrasis ­ Themistiana‹ und der Kreis um Vettius Agorius Praetextatus  . . . . . . . . . . 873 6. Trinitätsdenken in Gallien bei Hilarius von Poitiers   . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 7. Hieronymus zwischen Kenntnis und Kritik der Philosophie   . . . . . . . . . . . 875 8. Ambrosius von Mailand: Christliche Reichspolitik und Adaption ­hellenisch-römischer Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 9. Die pelagianische Position am Beispiel des Julian von Aeclanum  . . . . . . . 880 10. Der Platonismus und seine Grenzen: Augustinus’ Ringen um P ­ hilosophie im Christentum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 11. Die platonischen Ausleger Ciceros: Macrobius und Favonius Eulogius  . . 900 12. Eine allegorische Darstellung des lateinischen Bildungskanons: ­ Martianus Capella  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903 13. Gallische Autoren des 5. Jahrhunderts (Johannes Cassian, Eucherius von Lyon, Claudianus Mamertus, Salvian von Marseille)  . . . . . 907 14. Zusammenfassende Würdigung   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 910

VIII. Philosophie in den Sprachräumen des c­ hristlichen Orients  . . . . . . . . . . . . . . 912 1. Allgemeines und kulturgeschichtlicher Hintergrund  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912 2. Philosophische Kenntnisse im syrischen Sprachraum   . . . . . . . . . . . . . . . . . 912 3. Die Rolle der Philosophie bei der Entstehung der armenischen ­Literatursprache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917

IX. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 920 1. Formen platonischer Denkansätze als Charakteristika der Spätantike   . . 920 2. Systembau und Dialektik: Philosophische Arbeit in der Spätantike  . . . . . 921 3. Kynismus, Cicero und Aristoteles: Die Rolle nicht-platonischer ­ Traditionen in der Spätantike und die Bedeutung der Logik  . . . . . . . . . . . 923 4. Aspekte des Philosophiebegriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 924 Praktische Hinweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 928

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Inhalt

F. Philosophie in der Ausgehenden Antike Aristotelische Logik und platonische Metaphysik an der Schwelle zum Mittelalter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931 I.

Einleitung: Eine verkannte Epoche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 1. Philosophiegeschichtliche Gründe für die besondere Behandlung der ­Ausgehenden Antike  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Philosophische Charakteristika der Epoche – ein Überblick  . . . . . . . . . . . 3. Zum Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leitfragen und Vorgehensweise der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

933 935 937 940

II. Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innerchristliche Spaltungen und Debatten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophie und Philosophen in der Gesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Christen als Träger der philosophischen Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Frauen in der Philosophie in der Ausgehenden Antike  . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übersetzungen philosophischer Texte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

942 942 944 946 956 960 960

III. Fachphilosophie in der Ausgehenden Antike: Aristotelisch-platonische Studien in Athen und Alexandrien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967 1. Ein gelehrter Aristotelismus: Der alexandrinische Schulbetrieb  . . . . . . . . 967 2. »Die Blüte der Philosophen unserer Zeit«: Die neuplatonische Schule von Athen vom Tod des Proklos bis zu ihrer Schließung  . . . . . . . . . . . . . . . 3. Skeptische Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kynismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Politische Philosophie im Dialog ›Über das politische Wissen‹  . . . . . . . . . 6. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

991 1009 1010 1010 1011

IV. Die Heiden in ihrer Paradedisziplin ü ­ bertreffen: Christliche Auseinandersetzungen mit der F ­ achphilosophie  . . . . . . . . . . . . . 1012 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 2. Die Schule von Gaza und ihr Umfeld (Aineias von Gaza, Prokop von Gaza, Zacharias Rhetor)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1013 3. Auseinandersetzungen mit der Philosophie in der ›nestorianischen‹ Quaestionenliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 4. Philosophische Philosophiekritik: Christliche Naturtheorie bei J­ ohannes Philoponos  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027

V. Christliche Adaptionen platonischen Denkens: Pseudo-Dionysios Areopagites und Johannes von Skythopolis  . . . . . . . . . . . 1038 1. Die pseudo-dionysischen Traktate  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1038 *15

Inhalt 2. Die Scholien des Johannes von Skythopolis zu den pseudo-­dionysischen Schriften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1044

VI. Logica universalis: Die Entstehung von Corpora philosophischer Fachtexte ­jenseits des Griechischen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047 2. Syrische Übersetzungen von und Kommentare zu Aristotelica aus dem 6. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Übertragung der aristotelischen Philosophie in die ­lateinische Sprache: Boethius und Cassiodor  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Im Land des ›unbesiegbaren Philosophen‹: Übertragungen ­ philosophischer Texte in die armenische Sprache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Philosophie (nicht nur) in mittelpersischer Sprache im Reich der Sassaniden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1047 1059 1074 1079

VII. Die ›Magd‹ der Christologie und die ›Erklärung von Worten‹: Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen des 6. Jahrhunderts  . . . 1086 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086 2. Miaphysitische Christologie und evagrianische Mystik auf Syrisch: ­ Philoxenos von Mabbug  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1088 3. Ein Dialog über Aristoteles und den Nutzen der Philosophie: Severos von Antiochien und Sergios der Grammatiker  . . . . . . . . . . . . . . . 1091 4. Die neuchalkedonensische Kontroverstheologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1095

VIII. Jesus definiert die Philosophie: Philosophie-Ideal und Philosophie-Rezeption in syrischen Texten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 2. Das ›Buch des Hierotheos‹ und Stephanos bar Sudaili  . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 3. Die Schule von Nisibis und die ostsyrische Schultradition  . . . . . . . . . . . . . 1099 IX. »Die Mutter aller Künste«: Das Verhältnis der ­Philosophie zu den Fachwissenschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1104 X. Zusammenfassende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107 1. Aspekte des Philosophieverständnisses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107 2. Die Entwicklung der Philosophie im 6. Jahrhundert: ­Zusammenfassende Erklärungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115 Praktische Hinweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1119

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Inhalt

G. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123 I.

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1125 1. Die formative Periode der Philosophie bis ca. 300 v.  Chr.  . . . . . . . . . . . . . . 1125 2. Die Periode der Schulen: Hellenismus und Kaiserzeit im griechischen Sprachraum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Philosophie und Religion in zwei Entwürfen: Die griechische Spätantike  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regionalisierung der Philosophie: Besonderheiten des lateinischen Raums vom 1. bis zum 5. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auf dem Weg zu einer neuen Professionalisierung: Philosophie in der Ausgehenden Antike  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Rolle der Frauen in den philosophischen Richtungen der Antike  . . .

1129 1132 1135 1136 1138

II. Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und G ­ renzgebiete der Philosophie in der Antike  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1140 1. ›Wahre Philosophie‹ als Bildung mit Bezug zur Wahrheit: Verwendung und Konnotationen des Wortstamms philosoph-  . . . . . . . . . 2. Definitionen der Philosophie in ihren Kontexten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Einteilungen der Philosophie und ihre Bedeutung  . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Abgrenzungen der Philosophie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Stationen auf dem Wege zur Unterscheidung von rein rationaler ­Philosophie zu Religion und Theologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1140 1143 1145 1148 1157

III. Conclusionis conclusio: Was ist antike Philosophie?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1162 1. Versuch einer bündigen Antwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1162 2. Einige Überlegungen zur Aktualität des antiken Modells  . . . . . . . . . . . . . 1168

Verzeichnis der zitierten Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfsmittel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1171 1206 1207 1267

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Vorwort

»Seit ich Dich kenne, arbeitest Du an diesem Philosophie-Buch«. Als man um 2008 an mich herantrat, für ein großes Nachschlagewerk das Lemma ›Philosophie‹ zu verfassen, hatte ich eher eine Ahnung als eine klare Vorstellung davon, welch weite Wege zu gehen sein würden, um eine Gesamtdarstellung des antiken Philosophieverständnisses zu liefern. Wenn ich jetzt ein Ergebnis aus der Hand gebe – est quodam prodire tenus quo non datur ultra –, tue ich dies um e­ inige Erkenntnisse reicher. Diese umfassen nicht nur mir zuvor ganz unbekannte Namen und Phänomene. Sie betreffen auch ein Wissenschaftssystem, in dem selbst eine ehrwürdige Enzyklopädie keinen Platz mehr für eine adäquate Behandlung der Philosophie einräumen kann. Zugleich durfte ich einmal mehr lernen, dass nach wie vor auch das Rettende wächst: Es fehlte nicht an Personen, die mit ebenso großem Wissen wie einer kaum überbietbaren φιλία σοφίας mein Projekt bereitwillig unterstützt haben. Die Menschen, denen nun zu danken ist, stehen dabei für viele andere, die die Universität und ihr Umfeld weiterhin zu einem lebenswerten, der wissenschaftlichen Ehrlichkeit und Wahrheitssuche sowie dem Dienst an den Studierenden verpflichteten Ort machen. Es sei also gedankt: Zunächst einmal denen, die konstant meine Reflexionen über die antike Philosophie begleitet und manch abstrusen Gedanken wohlwollend, aber nicht unkritisch zur Kenntnis genommen haben: Andreas Lammer, Jörn Müller, Andreas Schmidt, Michael Schramm, Rainer Thiel, Christian Tornau – ἄνδρες φιλοσοφώτατοι. Zu danken ist sodann denjenigen, ohne welche mir die Anregung und die Möglichkeit gefehlt hätten, mich (wieder) in die Sprachen des Orients einzuarbeiten und somit eine ernsthafte interkulturelle Perspektive auf die antike Philosophie und ihre Wirkung zu gewinnen: Christa Müller-Kessler, Anne Multhoff, Norbert Nebes, Tilman Seidensticker, Peter Stein und ganz besonders Alexander Schilling – maestro raro di color che sanno. Besonderer Dank sei ferner denen gesagt, die sich, wie wahre καϑηγέμονες, der Mühe unterzogen haben, Teile dieses Buches vorab zu lesen und zu kommentieren: Stefan Enke, Michael Erler, Benjamin Gleede, Arbogast Schmitt, Christian Vassallo. Dank gilt sodann den 2008 tätigen Herausgebern des Reallexikons für Antike und Christentum, die den Anstoß zu diesem Projekt gaben – ἀρχὴ ἥμισυ παντός –, und dem Team des Meiner Verlags: Jens-Sören Mann, Hannah Schey und vor allen Dingen Marcel Simon-Gadhof: ihre äußerst wohlwollende, großzügige und effektive Betreuung ermöglicht eine Veröffentlichung auf Verlagskosten und in sehr begrüßenswerter, heute keineswegs selbstverständlicher Qualität. Ferner danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena und der Bibliothek des Franz-Josef Dölger-Instituts in Bonn, die 1

Vorwort

über die Jahre hinweg mit ihren Schätzen, ihren Ressourcen sowie ihrer Geduld und Hilfsbereitschaft wesentlich zu diesem Werk beigetragen haben. Dank zu sagen gilt es ferner einer langen Reihe von Personen, die einzelne Aspekte dieses Buchs oder das ganze Projekt durch Anfragen, Ideen, Staunen, kritische Bemerkungen und nicht zuletzt das Übersenden schwer erhältlicher Publikationen immer wieder gefördert haben: Yury Arzha­nov, Egbert Ballhorn, Hannes Bezzel, Katharina Bracht, Riccardo Chiaradonna, Armenuhi Drost-Abgarjan, Veronika Egetenmeyr, Oliver Ehlen, ­Alfons Fürst, Dimitri Gutas, Ruth Hagengruber, Udo Hartmann, Martin Heimgartner, Ronja Hildebrandt, Tabea Hlavati, Christoph Horn, Katerina Ierodiakonou, Wolfgang Kienzler, Roderich Kirchner, Kai Lämmerhirt, Hartmut Leppin, Sabrina Mancuso, Aurelia Maruggi, Gernot Müller, Christian Neddens, Karl-Wilhelm Niebuhr, Jens Pahnke, Kyuhee Park, Rosa Maria Piccione, Enno Edzard Popkes, Tilman Reitz, William Remus, Christoph Riedweg, Tabea Rohr, Frank Schleicher, Timo Stickler, Meinolf Vielberg, Denis Walter, Annette Weissenrieder, Tilo Wesche, Wenjia Xue, Francesco Zanella und Mario Ziegler. Nicht zuletzt ist denjenigen zu danken, die über die Jahre an der Jenaer Professur für Antike und mittelalterliche Philosophie an dem einen oder anderen Aspekt dieses Buches mitgewirkt haben. Besonders zu nennen sind hier, für nie versiegende Freundschaft und Anregungskraft, Lisa-Maria Knothe und Tim Haubenreißer sowie Elisabeth Jahn für die perfekte Organisation der Arbeitsprozesse. Schließlich ist den Hilfskräften zu danken, die bei der Vorbereitung und Korrektur des Manuskripts und der Indizes herausragende Arbeit geleistet haben: Maren Büttner, Michelle Buschbeck, Marcelo Glower Mendoza, Tobit Kohl, ­Hannah Lieb­aug, Vivien Rein, Kai Steffens und Annemarie Zöllner, welche auch die Karten gezeichnet hat. Ihre Namen mögen für viele Kommilitonen stehen, mit denen ich immer wieder aufs Neue mit Freude zwar nicht dem otium, gewiss aber der philosophia frönen darf. Je mehr die eigene Lebenszeit voranschreitet, desto deutlicher erkennt man, wie viel man den eigenen Lehrern und ihren Einflüssen bereits zur Schulzeit verdankt. Daher seien Pater Peter Hartmann, Manfred Kreuzheck und Pater Johannes Regel für ihre Hinführung zu den alten Sprachen und der Begeisterung für die antike Kultur ausdrücklich in den Dank mit eingeschlossen – der aber nicht abschließen kann, ohne, einmal mehr, meinen Eltern für ihre Unterstützung zu danken, Ursula und Günter Perkams, die das Fundament all meiner Versuche gelegt haben. Jena, im November 2022

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Matthias Perkams

Abgekürzt zitierte Literatur

ANRW

Haase, W. / Temporini, H. (Hrsg.), Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt, Berlin 1972 ff. CCG Corpus Christianorum. Series Graeca, Turnhout 1977 ff. CCL Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout 1954 ff. CMG Corpus Medicorum Graecorum, Berlin (u. a.) 1927 ff. CML Corpus Medicorum Latinorum, Berlin (u. a.) 1915 ff. CSCO Syr.: Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium. Scriptores Syri, Leuven 1903 ff. CSCO Subsidia Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium. Subsidia, Löwen 1950 ff. CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Wien 1866 ff. D: Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937. DPhA Goulet, R. (Hrsg.), Dictionnaire des philosophes antiques, Paris 1994–2018. FGrHist F. Jacoby (et al.), Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin (ab Band III: Leiden) 1923 ff. GCS Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten [drei] Jahrhunderte, Berlin 1897 ff. [Bei dieser Reihe muss der Auto­ ren­name abgekürzt vor der Bandnummer mitzitiert werden, weil nur die Bände eines Autors nummeriert sind: GCS Clem. = Clemens Alexandrinus, GCS Eus. = Eusebius, GCS Orig. = Origenes] GCS NF Die griechischen christlichen Schriftsteller. Neue Folge, Berlin 1995 ff. [mit fortlaufender Zählung; enthält z. T. auch Neuausgaben der ursprünglichen Reihe] GNO Gregorii Nysseni Opera, Berlin (später Leiden) 1920 ff. GGPh 1, 1–2 Flashar, H. / Bremer, D. / Rechenauer, G. (Hrsg.), Antike Philosophie 1. Frühgriechische Philosophie 1 (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), Bd.  1–2, Basel 2013. GGPh 2, 1 H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike (GGPh) 2, 1. Sophistik. Sokrates. Sokratik. Mathematik. Medizin (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), Basel 1998. GGPh 2, 2 M. Erler, Platon = H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg) 2, 2, Basel 2007. 3

Abgekürzt zitierte Literatur

GGPh 3

H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike (GGPh) 3. Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), Basel 2 2004. GGPh 4, 1–2 Flashar, H. (Hrsg.), Die Philosophie der Antike 4. Die hellenistische Philosophie (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), Bd.  1–2, Basel 1994. GGPh 5, 1–3 Riedweg, Ch. / Horn, Ch. / Wyrwa, D., Die Philosophie der Antike 5 (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), Bd.  1–3, Basel 2018. GGPh U. Rudolph (Hrsg.), Philosophie in der islamischen Welt 1. Arabische Welt 1 8.–10. Jahrhundert (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), Basel 2012. GGPh Cesalli, L. et al. (Hrsg.), Die Philosophie des Mittelalters 3. Mittelalter 3, 1 12. Jahrhundert (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), 1, Basel 2021. GGPh Brungs, A. / Mudroch, V. / Schulthess, P. (Hrsg.), Die Philosophie Mittelalter 4, 1 des Mittelalters 4. 13. Jahrhundert (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg), 1, Basel 2017. HWbPhil Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel 1971–2007. LACL Döpp, S. / Geerlings, W. (Hrsg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u. a. 21999. LS Long, A. A. / Sedley, D., The Hellenistic Philosophers. Texts and Commentaries. Volume 1–2, Cambridge et al. 1987. PG Patrologiae cursus completus accurante J.-P. Migne. Series Graeca, Paris 1857–1868. PL Patrologiae cursus completus accurante J.-P. Migne. Series Latina, Paris 1841–1855. PO Patrologia orientalis, Paris (ab Band 24: Turnhout) 1907 ff. RAC Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950 ff. RE Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 1894–1972; Supplement 1903–1980. SC Sources chrétiennes, Paris 1941 ff. SSR Socratis et Socraticorum reliquiae (SSR). Collegit, disposuit, apparatibus notisque instruxit G. Giannantoni, Volumina 1–4; Napoli 1990 [Sammlung der Überlieferung zu Sokrates und den kleinen Sokratikern, einschließlich der Kyniker, soweit sie sich nicht bei Platon, Xenophon, Aristophanes und Aristoteles findet]. SVF Stoicorum veterum fragmenta, collegit Ioannes ab Arnim. ­Tomus 1–3, Leipzig 1903–1924. TRE Theologische Realenzyklopädie, Berlin 1976 ff.

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Weitere Abkürzungen

bzw. beziehungsweise col. columna et al. et alii f. und die unmittelbar folgende Seite / Spalte Hrsg. Herausgeber(in/nen) Jhdt. Jahrhundert l. linea p. pagina S. /  s. Seite  /  Siehe Sp. Spalte s. v. sub voce (unter dem jeweiligen Stichwort in einem Lexikon) u. a. unter anderem / und andere u. U. unter Umständen v. a. vor allem vgl. Vergleiche z. B. zum Beispiel

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Bemerkungen zu den verwendeten Umschriften

Die Umschriften arabischer Namen und Wörter folgen den Richtlinien der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (https://de.wikipedia.org/wiki/DIN_31635, geprüft am 13. 2. 2023). Für das Syrische und Hebräische wird analog verfahren. In der Umschrift dieser Sprachen bezeichnet, wie im Arabischen, ein Strich über einem Vokal dessen lange Aussprache, ferner ein Strich unter b, g, d, k, p, t dessen Assibilation (vgl. im Übrigen Th. Nöldeke, Kurzgefasste syrische Grammatik, Leipzig 21898, 2–4; A. Jenni, Lehrbuch der hebräischen Sprache des Alten Testaments. Neubearbeitung des ›Hebräischen Schulbuchs‹ von Hollenberg-Budde, Basel / Frankfurt 2 1981, 26–30). Das Syrische wird nach der älteren ostsyrischen Variante umgeschrieben. Vgl. zu den lediglich die Aussprache betreffenden Unterschieden zur westsyrischen Variante A. Ungnad, Syrische Grammatik mit Übungsbuch, München 1913, 2 f.; J. Payne Smith, A Compendious Syriac Dictionary. Founded upon the Thesaurus Syriacus of R. Payne Smith, Oxford 1902, Preface. Die Umschrift des Armenischen folgt D. van Damme, Armenische Kurzgrammatik. Neu bearbeitet von Th. Böhm, Fribourg / Göttingen 2004, 4 f. Man beachte vor allem, dass der Doppelkonsonant »iw« als »ju« ausgesprochen wird.

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Einleitung ›Was ist Philosophie in der Antike?‹

1. Was ist Philosophie in der Antike? Zur Zielsetzung der ­vorliegenden Darstellung »Weißt Du, was das Philosophieren ist?«, fragt der Sokrates des Dialogs ›Rivalen‹ (Ἐρασταί) seine Gesprächspartner. Er formuliert eine Frage,1 die schon von Platon selbst mit Isokrates diskutiert wurde und die auch die weitere Antike – auch in der Form, was »wahre Philosophie« sei – begleitet hat. Genauso wenig aber, wie die Frage in dem pseudo-platonischen Werk eine befriedigende Antwort findet, hat die spätere Antike sich darauf einigen können, was denn nun das Philosophieren bzw. was die Philosophie sei. Stattdessen geht die Diskussion über diesen Punkt bis heute weiter und hat, nach den kontroversen Diskussionen des Mittelalters und der frühen Neuzeit,2 gerade auch im 19. und 20. Jahrhunderts eine ganze Reihe höchst diverser, ja geradezu kontroverser Antworten gefunden.3 Als Ergebnis solcher Debatten wird vielfach ganz bewusst darauf verzichtet, die Frage, was Philosophie sei, aufzuwerfen und zu diskutieren. Sondern die etablierte und bewährte Praxis, theoretische und praktische Fragen des menschlichen Lebens und der Welt- und Sprachdeutung vor dem Hintergrund eines mehr oder weniger wandel- und erweiterbaren Corpus »klassischer« Texte in methodisch unterschiedlich abgesicherter, rational vorgehender Weise zu diskutieren, wird von Generation zu Generation weitergegeben, so dass eher ein faktischer Umriss denn ein klarer Begriff der Philosophie unter ihren Anhängern zu einer Art Konsens geworden ist. Diese Praxis impliziert auch eine fortwährende Bedeutung der antiken Philosophie. Denn nicht nur nehmen die Werke eines Aristoteles und Platon einen zentralen Platz auf fast allen philosophischen Lektürelisten ein und werden so zum Vorbild heutigen Philosophierens. Vielmehr sind auch die archetypischen Erzählungen der Philosophie – wie die Erfindung des wissenschaftlichen Welt­zugriffs durch die Vorsokratiker, die Diskussionen des Sokrates mit den Sophisten und sein gewaltsamer Tod oder auch die Übertragung der antiken Philosophie in die lateinische Sprache durch Cicero – zum nicht geringen Teil der Antike entnommen. Es ist also nur folgerichtig, dass der antiken Philosophie bis heute teils im1

  Ps.-Plato, Amatores 133c.   Vgl. W. Schröder u. a., Philosophie III.–IV., in: HWbPhil 7, (1989), 656–795; R. Elberfeld (Hrsg.), Was ist Philosophie? Programmatische Texte von Platon bis Derrida, Stuttgart 2006, 119–242. 3   Vgl. die in K. Salamun (Hrsg.), Was ist Philosophie?, Tübingen 52009, gesammelten Beiträge. 2

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Einleitung

plizit, teils ausdrücklich eine Art normativer Charakter im Hinblick auf die Frage zugeschrieben wird, was Philosophie überhaupt sei. Nicht zufällig wird White­ head’s Diktum, die Philosophiegeschichte bestehe aus Fußnoten zu Platon, immer wieder angeführt.4 Seine Aussage stellt eine moderne Fassung der alten Praxis dar, bestimmte, klassische Formen antiker Philosophie zu immer wieder neu aktualisierbaren Vorbildern für gelingendes, ja manchmal für vollkommenes Philosophieren zu nehmen: Zeigt sich dies bereits in der Spätantike im Selbstverständnis der (Neu-)Platoniker, das vom Schulgründer Gesagte unverfälscht der eigenen Gegenwart zu lehren, so äußert es sich im europäischen Mittelalter darin, Aristoteles den ›Philosophen‹ schlechthin zu nennen,5 was er in der frühen islamischen Philosophie ebenfalls ist, bevor ihm im arabischen und im hebräischen Sprachraum autochthone Denker – al-Fārābī, Ibn Sīnā (Avicenna), Ibn Rušd (Averroes) und Moses Maimonides – den Rang ablaufen, die sich freilich selbst als Fortsetzer der aristotelischen Tradition verstehen.6 In der Renaissance und Neuzeit ist die Lektüre der antiken Philosophie weit verbreitet, und gerade Stoiker, Atomisten und Epikureer befruchten viele Theorien bis hin zu Kant,7 bevor bei Hegel wieder das neuplatonische System des Proklos und der antike Skeptizismus zu entscheidenden Faktoren der Systembildung werden,8 die nun erstmals mit einer systematischen Deutung der Geschichte der Philosophie einhergeht. Auch die frühe analytische Philosophie empfängt von den Oxforder Lektürekursen zu Platon und Aristoteles bedeutende Anregungen, deren Konsequenzen auf begrifflicher 4

  Vgl. A. N. Whitehead, Process and Reality. An Essay in Cosmology. Gifford Lectures Delivered in the University of Edinburgh During the Session 1927–27, New York 1929, 63. 5   Vgl. P. Schulthess, Die Philosophie im lateinischen Mittelalter. Ein Handbuch mit bio-bibliographischem Repertorium, Zürich  /  Düsseldorf 1996, 160; zu den Diskussionen um die aristotelische Philosophie vgl. B. Geyer, Die Patristische und Scholastische Philosophie, Berlin 111928, 400 f.; Schulthess, Die Philosophie im lateinischen Mittelalter, 160–236. 6   Die arabische Philosophie ist seit Avicenna vorwiegend durch das Studium von dessen Werk geprägt, vgl. D. Gutas, Avicennas Erbe. Das ›Goldene Zeitalter‹ der arabischen Philosophie, in: Eichner  /  Perkams  /  Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter: Ein Handbuch, Darmstadt 2013, 96–112. Ins Hebräische werden die aristotelischen Schriften z. T. gar nicht übersetzt, weil die arabischen Zusammenfassungen der von ihm behandelten Themen durch al-Fārābī (in der Logik) und Averroes (in anderen Bereichen der Philosophie) bevorzugt werden, vgl. M. Zonta, La filosofia antica nel Medioevo ebraico. Le traduzioni ebraiche medievali dei testi filosofichi antichi, Brescia 1996, 138–152. 7   Vgl. Kants außerordentlich positive Wertung Epikurs unten S. 384. Inzwischen gibt es auch instruktive Überblicke zur frühneuzeitlichen Antiken-Rezeption, z. B. B. Neymeyr  / J. Schmidt  /  B. Zimmermann (Hrsg.), Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne 2, Berlin  /  New York 2008. 8   Vgl. J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung, Hamburg 22005; K. Vieweg, Skepsis und Freiheit. Hegel über den Skeptizismus zwischen Philosophie und Literatur, München 2007; W. Jaeschke, Hegel-Handbuch. Leben – Werk – Schule, Stuttgart 32016, 132–136, 282 f.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

Ebene sich bis heute erkennen lassen.9 Verweise auf und Anregung durch antike Vorbilder und Lehren finden sich folglich bei der überwiegenden Mehrzahl der bedeutenden philosophischen Autorinnen und Autoren, unter denen in der Gegenwart etwa eine Martha Nussbaum das aristotelische Erbe wirkmächtig fruchtbar macht.10 Auch in der philosophischen Lehrpraxis, an der Universität wie der Schule, liefern Platon und Aristoteles, aber auch die Stoiker und Epikur, bis in die Gegenwart Modelle dafür, was Philosophie sein kann und wie Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schüler ihr eigenes Philosophieren gestalten können. Ein besonderer Aspekt der Weiterwirkung der griechischen Philosophie ist die Tatsache, dass sie der Disziplin ihren Namen gegeben hat: Das Wort ›Philosophie‹ verweist, gerade in der Konnotation einer Liebe zur Weisheit, auf die Antike zurück. In der globalen Perspektive der Gegenwart wird diese Bindung an den Ursprung etwa dann sichtbar, wenn diskutiert wird, ob man von ›chinesischer Philosophie‹ oder von ›chinesischem Denken‹ sprechen sollte.11 Damit zeigt sich die Bedeutung des Ursprungskontexts: Was Philosophie in der Antike ist, wie sie entsteht, wie sie sich definiert, wie sie sich entwickelt – alle diese Fragen berühren nicht nur die Geschichte der Philosophie, sondern bleiben unverzichtbare Elemente ihrer Selbstfindung. In den Worten von Jürgen Mittelstraß können wir »nicht ›außerhalb‹ (der Form) des griechischen Denkens denken […], in der Rolle des unbeteiligten Beobachters, sondern« dieses »nur ›von innen‹, als Teil seines Wirkzusammenhangs« verstehen.12 Erweist sich somit die Frage, was Philosophie in der Antike sei, schon von der Geschichte und dem Begriff der Philosophie her als ein durchaus anspruchsvolles Forschungsfeld, so scheint ihre Untersuchung besonders sinnvoll und aktuell, wenn man die bemerkenswert vielen und verschiedenen gesellschaftlichen Bedürfnisse bedenkt, die heutzutage, auch jenseits eines rein akademischen Interesses, an die Philosophie herangetragen werden:13  – Da ist zunächst ein Bedürfnis nach Ethik: Für vielerlei und kontrovers diskutierte ethische Fragen werden in multipolaren und multikulturellen Gesellschaften rationale Entscheidungskriterien verlangt, wie sie gerade von philosophischen Theorien oder mit deren Hilfe erbracht werden können.

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  Vgl. W. Charlton, Weakness of Will, Oxford  /  New York 1988, 9 f.   Vgl. z. B. M. Nussbaum, Sex and Social Justice, Oxford 1999, z. B. 229–331; dazu auch. J. Müller, Das normative Verständnis der menschlichen Natur bei Martha C. Nussbaum, in: Philosophisches Jahrbuch 110 (2003), 311–329. 11   Dies wird in Darstellungen der chinesischen und anderer nicht-westlicher Philosophien recht regelmäßig erörtert, vgl. z. B. W. Bauser, Geschichte der chinesischen Philosophie. Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus, München 2001, 17–20. 12   J. Mittelstraß, Die griechische Denkform. Von der Entstehung der Philosophie aus dem Geiste der Geometrie, Berlin  /  Boston 2014, 21. 13   Zum Folgenden vgl. z. B. H. Lenk, Perspektiven pragmatischen Philosophierens, in: Salamun (Hrsg.), Was ist Philosophie?, 315–336. 10

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Einleitung

 – Analoges lässt sich in Bezug auf den schulischen Unterricht beobachten: In dem Maße, wie konfessioneller Religionsunterricht zurückgeht, wird eine Lücke empfunden, die zunehmend durch Fächer mit philosophischem Zuschnitt gefüllt wird. Ob diese nun – wie in verschiedenen deutschen Bundesländern – ›Ethik‹, ›Werte und Normen‹, ›Lebenskunde, Ethik, Religion‹ oder noch anders heißen: Ihre (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer werden an philosophischen Instituten mithilfe philosophischer Texte ausgebildet und sollen so aus dem rationalen Weltzugriff der Philosophie heraus, und auch im Rückbezug auf die philosophische Tradition, Grundlagen des Zusammenlebens vermitteln.  – Ein weiteres Wirkungsfeld von Philosophie firmiert als ›Philosophische Praxis‹, da auch außerschulisch und -universitär Menschen philosophische Angebote nachfragen, sei es aus intellektuellem Interesse, sei es zur rationalen Klärung essentieller Lebensfragen. Auch hier gewinnt die Philosophie an Bedeutung in Feldern, in denen traditionell religiöse Seelsorger gefragt waren.  – An den Universitäten selbst ist Philosophie als Schlüsselkompetenz gefragt, und zwar in dem Maße, wie die rationale Klärung von Begriffen, Problemstellungen und Diskussionen sich als zentral gerade für überfachliche Diskurse erweist: Nicht nur bei der Frage, was naturwissenschaftliche und überhaupt empirische Erkenntnisse für unser Weltbild bedeuten, sondern überhaupt bei dem immer wichtiger werdenden Versuch, neue Erkenntnisse und Forschungsprogramme interdisziplinär zu formulieren, findet die philosophische Kompetenz zur Begriffsklärung ein breites Anwendungsfeld.  – Auch für interkulturelle Fragestellungen, zu denen nicht zuletzt interreligiöse Diskurse gehören, erweist sich philosophische Kompetenz als bedeutungsvoll, bleibt doch die Erkenntnis gültig, dass gerade die menschliche Vernunft, in deren Gebrauch sich alle Diskursteilnehmer begegnen, einer eigenen Reflexion über ihre Möglichkeiten und Grenzen bedarf. Derartige Interessen an Philosophie lassen auch die universitäre Disziplin, die ihren Namen führt, nicht unberührt. Denn sie markieren nicht lediglich ein Bedürfnis nach einem philosophischen Diskurs klassischer Prägung, sondern machen es erforderlich, dass es Menschen gibt, die die methodischen Standards und die inhaltlichen Beiträge der Philosophie in verschiedenen genannten gesellschaftlichen Feldern vertreten und sich mit philosophischer Urteilskraft an deren Diskursen beteiligen können – auf dass eben diese Diskurse Teil der Suche nach Wahrheit und der Einübung in eine gute Lebensführung werden können. Sie erweisen also den Bedarf nach einer Fachphilosophie, die nicht nur eine Forschungs-, sondern insbesondere auch eine Ausbildungsdisziplin von Praktikern der Philosophie, von Lehrerinnen und Lehrern, von interdisziplinären Expertinnen und Experten ist. Diese Situation lässt die Frage, was Philosophie in der Antike ist, in einer sehr weiten Perspektive aktuell erscheinen: Denn so umfassende gesellschaftliche Erwartungen, wie sie an die gegenwärtige Philosophie gestellt werden, scheint ihre 10

›Was ist Philosophie in der Antike?‹

antike Vorgängerin jahrhundertelang so überzeugend zu erfüllen,14 dass ihr Stellenwert als Leitideal antiker Menschen selbst den innerantiken Übergang zu einer primär christlichen geprägten Gesellschaft übersteht. Tatsächlich bilden Philosophenschulen in der Antike wesentlich mehr Menschen aus, als faktisch (lehrende) Mitglieder der Schule werden. Weil die als Wahrheitssuche verstandene philosophia, noch mehr als die auf sprachliche Exzellenz abzielende Rhetorik, das höchste Lebensideal der Antike darstellt, betreiben große Teile der antiken Gesellschaft, nicht nur der Oberschicht, sie als Teil ihrer Ausbildung für kürzere oder längere Zeit, indem sie entsprechenden Unterricht nehmen oder sogar mit einem Lehrer zusammenleben. Diese gesellschaftliche Wirkung und Verwurzelung der Philosophie in der Antike machen diese für die Gegenwart auf neue Weise interessant: Nicht die antike Philosophie als ein Begriff oder eine Abfolge von Gedankengebäuden, sondern ihre Gestalt als ein erfolgreiches rationales Bemühen, die Ausbildung vieler gesellschaftlich aktiver Menschen zu philosophischer Urteilsund Lehrfähigkeit, zu einem Urteil über die Wahrheit und Falschheit von Behauptungen und Lebensformen zu erreichen, verdient es, zum Gegenstand einer Untersuchung zu der Frage zu werden, was Philosophie in der Antike sei. Die vorliegende Darstellung strebt daher an, einen allgemeinen Begriff von Philosophie im antiken Verständnis zu erarbeiten: Weil die antike Philosophie zwar ein komplexer, aber doch ein historisch eingrenz- und als solcher erforschbarer Gegenstand ist, scheint es möglich, sie so zu beschreiben, dass nicht einfach bestimmte philosophische Entwicklungen und Strömungen in den Vordergrund gerückt und andere ausgrenzt werden: Vielmehr soll es darum gehen, ein Gesamtbild entstehen zu lassen, das zwar für ganz verschiedene philosophische Traditionen interessant ist, aber einen gewissen einheitlichen Blickwinkel im gemeinsamen Philosophie-Ideal finden kann. Im Übrigen ist auch die antike Philosophen- und Institutionengeschichte inzwischen durch althistorische und philologische Untersuchungen in einer Weise aufgearbeitet worden,15 die einen Ver14   Darauf hat namentlich für die hellenistische Philosophie hingewiesen M. C. Nussbaum, The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics, Princeton 1994, 3–6. Für eine beispielhafte Aktualisierung antiker Theorien für den Ethikunterricht, die es fortzusetzen gilt, vgl. M. Ziegler, Ethik in Szene setzen. Die ›Nikomachische Ethik‹ als Lehrstück in der Unterrichtspraxis, Hamburg 2021. 15   Vgl. namentlich J. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 1989; sowie weiterhin P. Scholz, Der Philosoph und die Politik. Die Ausbildung der philosophischen Lebensform und die Entwicklung des Verhältnisses von Philosophie und Politik im 4. und 3. Jahrhundert v.  Chr., Frankfurt 1998; M. Haake, Der Philosoph in der Stadt: Untersuchungen zur öffentlichen Rede über Philosophen und Philosophie in der hellenistischen Polis, München 2007; M. Edwards, Culture and Philosophy in the Age of Plotinus, London 2006, K. Nebelin, Philosophie und Aristokratie. Die Autonomisierung der Philosophie von den Vorsokratikern bis Platon, Stuttgart 2016; U. Hartmann, Der spätantike Philosoph. Die Lebenswelten der paganen Gelehrten und ihre hagiographische Ausarbeitung in den Philosophenviten von Porphyrios bis Damaskios 3, Bonn 2018.

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Einleitung

such sinnvoll erscheinen lässt, die Geschichte der antiken Philosophiebegriffe vor dem Horizont sowohl einer Theorie- als auch einer Personen- und Institutionengeschichte zu schreiben und so mehrere Dimensionen unter einem Blickwinkel zusammenzuführen, die letztlich verständlich machen, wie die Philosophie, als eine institutionalisierte Form der Wahrheitssuche, zugleich breiten Gesellschaftsschichten eine Orientierung bieten kann. Diese komplexe Fragestellung entspricht einem weiten Verständnis der Aufgabe eines Historikers der antiken Philosophie, wie sie einer von deren renommiertesten Erforschern prägnant formuliert hat: »Man hat einmal Fragen gestellt wie: ›Was ist Philosophie?‹ Ein Weg, diese Frage zu beantworten, liegt weder nur darin, […] antike Philosophen als Vorbilder zu erforschen, noch einfach in dem Versuch, sie in die Geschichte der Philosophie einzupassen, sondern darin, all die Geschichten in den Blick zu nehmen, in denen sie vorkommen, um an ihrem Beispiel so konkret wie möglich zu sehen, was es tatsächlich bedeutet und worauf es hinausläuft, wenn jemand Philosophie betreibt«.16

Die hier angesprochene Mannigfaltigkeit der zum Verständnis der antiken Philosophie nötigen Perspektiven ist keine Privatmeinung, sondern sie entspricht der Tendenz aktueller geistesgeschichtlicher Forschung, sich von einer Geschichte großer, womöglich ›anschlussfähiger‹ Theorien hin zu einer Diskursgeschichte zu entwickeln, in der diese entwickelt werden. Auf diese Weise können nicht nur die Entstehungskontexte ebenso gewürdigt werden wie die Beiträge vermeintlich kleiner Theorien,17 sondern auch die Vielfalt der Kontexte philosophischen Arbeitens kann in gebührendem Maße Berücksichtigung finden. Das schließt nicht 16

  »Once one asked questions such as ›What is philosophy?‹ A way to answer is question is […] not just by studying ancient philosophers as paradigms, nor by just trying to fit them into the history of philosophy, but by looking at all the histories, in which they occur, to see by their example, as concretely as possible, what it actually means and amounts to when one does philosophy«. M. Frede, Essays in Ancient Philosophy, Oxford u. a.1987, xxvi. Das entsprechende Kapitel ›The Study of Ancient Philosophy‹ auch bei M. van Ackeren  /  J. Müller (Hrsg.), Antike Philosophie verstehen. Understanding Ancient Philosophy, Darmstadt 2006, 34–53, Zitat 53. Frede wird von A. A. Long, Finding Oneself in Greek Philosophy, in: Van Ackeren  /  Müller, Antike Philosophie verstehen, 54–71 dafür kritisiert, den Bezug zur modernen Philosophie nicht als elementaren Bestandteil der Erforschung antiker Philosophie zu sehen – was freilich nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz eher indirekt realisiert werden soll, indem gerade die von Frede reklamierte Weite des Zugangs zur Philosophie als verbindend zwischen Antike und Moderne gesehen wird. 17   Vgl. z. B. W. Kluxen, Aspekte und Stationen der mittelalterlichen Philosophie, Paderborn 2012, 441–455; R. Imbach, Neue Perspektiven für die Erforschung der mittelalterlichen Philosophie, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 34 (1987), 243–256 (ND in: R. Imbach, Quodlibeta. Ausgewählte Artikel  /  Articles choisis, Freiburg [Schweiz] 1996), hier 254–256; Ph. J. Van der Eijk, Medicine and Philosophy in Classical Antiquity. Doctors and Philosophers on Nature, Soul, Health and Deasise, Cambridge 2005, 1–41.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

zuletzt die kulturenübergreifende Dimension antiken Philosophierens zwischen Orient und Okzident, zwischen Griechenland, Rom und den Sprachräumen im Osten der alten Welt mit ein, die sich erst nach und nach als wichtiger Gegenstand der Erforschung antiker Philosophie heraus­kristallisieren.18 Dieser sehr facettenreichen Aufgabe soll im Folgenden durch eine komplexe Anlage der Untersuchung entsprochen werden, die das Philosophieverständnis selbst als Kristallisationspunkt der Begegnung philosophischer Theorien und Lebensumfelder in den Mittelpunkt rückt und von hierher die verschiedenen Dimensionen der Philosophie in der Antike erschließt. Die expliziten Aussagen antiker Philosophen zum Thema sollen vor dem Hintergrund der Arten und Weisen interpretiert werden, in denen in der Antike Philosophie gedacht, praktiziert und gelebt wird: Der Plural »Arten und Weisen« verweist nicht nur auf die Pluralität antiker philosophischer Richtungen und Denkansätze, sondern auch auf die Mehrdimensionalität von Philosophie überhaupt, insofern sie nicht nur aus Theorien, sondern auch aus bestimmten Lebensformen und sozialen Praxen besteht, welche die philosophische Weltsicht ausdrücken und realisieren sollen. ›Antike Philosophie verstehen‹ heißt daher, die Differenziertheit des Verständnisses von Philosophie begreiflich zu machen, das die antiken Akteure, die sich der Philosophie zugehörig fühlen, sie praktizieren oder einfach Aussagen über sie treffen – unabhängig von ihrer schulischen, disziplinären und religiösen Affiliation –, voraussetzen, realisieren und erörtern. Dazu gehören nicht zuletzt die (Qualitäts-)Anforderungen, die in der Antike für dieses Konzept formuliert werden. Nachdem die antike Philosophie in solcher Breite in den Blick genommen wurde, soll dann gegen Ende des Werkes versucht werden, die untersuchte Mannigfaltigkeit auf einen begrifflichen Punkt zu bringen. Er möchte das Proprium antiker Philosophie deutlicher machen und eine Vielzahl von Phänomenen, die aus heutiger Sicht überraschend wirkt, aus einem einheitlichen Blickwinkel erklären. Über weite Strecken wird aber im Folgenden der Weg selbst das Ziel sein, und zwar nicht nur der Weg der Untersuchung, sondern auch der Blick auf die vielen Begriffe und Verwirklichungsformen, welche die Antike hervorgebracht hat und welche jeweils gewisse Perspektiven von ihr ausmachen.

18   In der mittelalterlichen Philosophie ist dies schon seit dem 19. Jahrhundert Thema: Vgl. Kluxen, Aspekte und Stationen, 453. Zu den – fragwürdigen – Gründen für ihre Vernachlässigung in der Erforschung der antiken Philosophie vgl. M. L. Gemelli Marciano, Einführung, in: Die Vorsokratiker 1. Thales, Anaximander, Anaximenes. Pythagoras und die Pythagoreer. Xenophanes. Heraklit. Griechisch  /  Lateinisch – Deutsch. Auswahl der Fragmente und Zeugnisse, Übersetzung und Einleitung von M. L. Gemelli Marciano, Düsseldorf 2007, 373–480, hier 374–377.

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Einleitung

2. Bemerkungen zum Forschungsstand Ein solches Vorhaben legt sich auch vor dem Hintergrund eines Forschungsstandes dar, der zwar auf lang zurückliegende, äußerst bedeutsame Vorläufer zurückblicken kann, aber auch äußerst diversifiziert ist und erst in neuerer Zeit, durch Pierre Hadots These von der Philosophie als Lebenskunst, einen wirkmächtigen Vorschlag für eine eigenständige Perspektive erhalten hat. Einige notwendigerweise selektive Bemerkungen hierzu sind geeignet, die hier vorgenommene Unter­suchung historisch zu verorten und als Schritt zu einem vertieften Verständnis der Philosophie in der Antike zu erweisen.

Wesensbeschreibungen der Philosophie und ihre Unterscheidung vom Christentum: Von Hegel zu Zeller Man kann den Beginn der modernen Erforschung der antiken Philosophie beim Leitstern jedenfalls der deutschen Philosophiegeschichtsschreibung 19 ansetzen, nämlich bei Hegels mehrmals an verschiedenen Orten gehaltenen20 ›Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie‹. In der knappen Einleitung zur Mitschrift von 1825/26 erhält man gleich eine sehr dezidierte Auskunft dazu, was »das Prinzip der griechischen Philosophie« sei, nämlich (nichts weniger als) die »Freiheit des Subjekts« bzw. »das Ich, das sich unendlich weiß, worin denn das Allgemeine als präsent bestimmt wird«.21 Sosehr man freilich die Betonung der Freiheit des sich denkenden Subjekts und seine Öffnung für vielerlei Ideen begrüßen mag, so wenig wird man sagen können, dass diese Definition in historischkritischer Weise aus den (von Hegel intensiv studierten22) Quellen gewonnen sei und die Besonderheiten des antiken Denkens nach den Maßstäben historischer Forschung darlege. Etwas klarer gefasst – und gerade deswegen hervorragend zur Anzeige für die Probleme des Forschungsstands geeignet – begegnet uns die Frage nach der Philosophie in der Antike in ihrer vielleicht berühmtesten historischen Gesamtdarstellung, dem ursprünglich zwischen 1856 und 1868 entstandenen dreiteiligen Werk des evangelischen Theologen Eduard Zeller.23 Zeller stellt zunächst, anhand 19

  Genaueres zur Bedeutung Hegels, zu Prinzipien vorhegelscher Geschichtsschreibung antiker Philosophie und zu einigen hier nicht erwähnten Zeitgenossen findet sich bei Gemelli Marciano, Einführung, 373–381. 20   Zu den verschiedenen Versionen vgl. Jaeschke, Hegel-Handbuch, 476 f. 21   G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 2. Griechische Philosophie I. Thales bis Kyniker, hrsg. von P. Garniron und W. Jaeschke, Hamburg 1989, 3. Vgl. Jaeschke, Hegel-Handbuch, 485–488. 22   Vgl. Jaeschke, Hegel-Handbuch, 487 f. 23   Zur fundamentalen Bedeutung Zellers für die Geschichtsschreibung der antiken Philosophie vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 378 f. 381–383. Zu Zellers eigener Stellung zur

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

weniger allgemeiner Bemerkungen, eine Uneinheitlichkeit des Gebrauchs des Wortes ›Philosophie‹ in der Antike fest und gibt eine Aufzählung von dessen in den Augen des Autors schwankenden Bedeutungen, die teils alle möglichen Wissenschaften umgriffen, und folgert für sein Projekt: »Wollten wir nun alles, was bei den Griechen Philosophie genannt wird oder in philosophischen Schriften vorkommt, in die Geschichte der griechischen Philosophie aufnehmen, alles dagegen, was nicht ausdrücklich jenen Namen führt, von ihr ausschließen, so würden wir die Grenzen unserer Darstellung offenbar teils zu eng, teils und besonders viel zu weit ziehen«.24

Zeller weist dann explizit darauf hin, dass der Gegenstand der Philosophie­ geschichte sich nach einem »Philosophiebegriff« richten müsse, der sich durchaus ändern könne – sich selbst aber sieht er in der Pflicht, »unserer Darstellung eine möglichst richtige und erschöpfende Ansicht vom Wesen der Philosophie zugrunde legen [zu] sollen«. Diese Ansicht findet er darin, dass er »die Philosophie zunächst als eine rein theoretische Tätigkeit, d. h. als eine solche, bei der es sich nur um das Erkennen handelt«, betrachtet, und schließt folglich »alle praktischen oder künstlerischen Bestrebungen […], abgesehen von ihrem Zusammenhang mit einer bestimmten theoretischen Weltsicht, von dem Begriff und der Geschichte der Philosophie aus«.25

Aufgrund dieser begrifflichen Bestimmungen erklärt Zeller es im Folgenden für »das Natürlichste«, »die Philosophie so lange eine griechische zu nennen, als das Hellenische in ihr über das Fremde im Übergewicht ist« – was dann als Rechtfertigung dafür angeführt wird, die römische Philosophie und die jüdische in griechischer Sprache aufzunehmen, das christliche antike Denken hingegen wegzulassen, denn in diesem werde »die hellenische Wissenschaft von einem neuen Prinzip überwältigt, an das sie fortan ihre selbständige Bedeutung verloren hat«.26 Diese erfreulich klaren und lobenswert aufrichtigen Äußerungen Zellers legen mehrere Punkte offen, welche bis heute Probleme für die Erforschung der antiken Philosophie und für die Frage danach darstellen, was denn diese ausmacht:  – Zeller formuliert ausdrücklich eine Strategie, die auch sonst vielfach verhindert, dass das Philosophieverständnis der antiken Philosophierenden in modernen Publikationen relevant wird: Anstatt auf die unklaren und nicht leicht zu überRolle der Philosophie vgl. G. Hartung, Zum Verhältnis von Philosophie und Wissenschaften bei Eduard Zeller, in: G. Hartung (Hrsg.), Eduard Zeller. Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte im 19. Jahrhundert, Berlin  /  New York 2010, 153–176. 24   E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Erster Teil. Allgemeine Einleitung, Vorsokratische Philosophie. Erste Hälfte, Leipzig 1869, 1–6, Zitat 5 (= 61919, 1–6, Zitat 5 f.). Der Bearbeiter dieser posthumen Auflage, Wilhelm Nestle, lässt hierbei Zellers eigenen Text der 5. Auflage von 1891 »durchaus« unverändert, vgl. S.  X. 25   Zeller, Die Philosophie der Griechen 1, 1, 5 f., Zitat 6 (= 61919, 6–8, Zitat 7 f.). 26   Zeller, Die Philosophie der Griechen 1, 1, 7 f. (= 61919, 9).

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Einleitung

blickenden antiken Belege abzustellen, sucht man in den antiken Texten das auf, was nach der eigenen Meinung ›Philosophie‹ ihrem angeblichen ›Wesen‹ nach ist, nämlich ein theoretischer, wissenschaftlicher Wahrheitszugang, der insofern von der Religion, der Politik und anderen Kulturtechniken hinreichend unterschieden ist und allenfalls noch von anderen Wissenschaften abgegrenzt werden muss.27 Die Konsequenz ist klar: Nicht die Philosophie der Antike, sondern die antiken Vorläufer der Philosophie der Moderne werden so zum Gegenstand der Forschung  – Ferner legt Zeller die fragwürdigen Kriterien offen, mit denen bis heute das zu untersuchende Feld faktisch eingegrenzt wird: Die römischen Denker und den Juden Philon immerhin noch als Teil der antiken Philosophie zu berücksichtigen, die antiken Christen aber grundsätzlich nicht, folgt keineswegs aus dem (überhaupt nicht operationalisierbaren) Kriterium, dass »das Hellenische« hier überwiege und dort nicht. Es handelt sich eher um eine Rechtfertigungsstrategie für die vielfach anzutreffende Tendenz, das umfangreiche und schwer bearbeitbare Corpus christlicher Texte, die sich der philosophia verschreiben bzw. philosophische Theorien enthalten, nicht als antike Philosophie zu behandeln – sondern etwa als ›Theologie‹ im mittelalterlich-neuzeitlichen Verständnis als Offenbarungswissenschaft28 – und folglich nicht berücksichtigen zu müssen, während man sich im Übrigen an einen wohlgefügten Kanon griechischer und lateinischer Schriften hält.

Vom alten zum neuen ›Ueberweg‹: Einige Charakterisierungen der antiken Philosophie im 20. Jahrhundert Im Anschluss an Zeller gibt es einen Fortschritt der Forschung insbesondere durch Karl Praechters Bemerkungen in der Einleitung zum von ihm zuletzt 1926 bearbeiteten ›Ueber­weg‹-Band. Hier listet er eine gute Auswahl antiker Belege zum Philosophiebegriff auf, weist auf ihre verschiedenen Konnotationen hin und erklärt somit den Eindruck, dass sich diese nicht auf einen einheitlichen Punkt fest-

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  Vgl. dazu die im Folgenden besprochenen Beispiele.   Bezeichnend für die Verwirrung, die dieser ubiquitäre Sprachgebrauch in die Behandlung spätantiken Denkens einträgt, ist L. Honnefelder, Christliche Theologie als »wahre Philosophie«, in: C. Colpe  /  L. Honnefelder  /  M. Lutz-Bachmann (Hrsg.), Spätantike und Christentum. Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, Berlin 1992, 55–75, wo auch ein christliches Denken ohne jede Problematisierung als ›Theologie‹ bezeichnet wird, das sich ausdrücklich als ›wahre Philosophie‹ versteht. Vgl. dagegen die Klärungen bei J. Zachhuber, Philosophy and Theology in Late Antiquity, in: Anagnostou-Laoutides  /  Parry (Hrsg.), Eastern Chris­ tia­nity and Late Antique Philosophy, Leiden  /  Boston 2020, 52–77, vor allem 56–68. Zur Entstehung dieses modernen Theologiebegriffs s. unten S. 1157–1161. 28

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

legen lassen.29 Praechter selbst bezieht die Frage danach, was Philosophie in der Antike sei, primär auf ihre Abgrenzung zu anderen Wissenschaften und meint, dass sich ein allgemein akzeptabler Philosophiebegriff am ehesten als »Wissenschaft der Prinzipien« formulieren lasse.30 Überlegungen zum Verhältnis von antiker Philosophie und christlicher Religion ist er im Übrigen schon durch die Anlage des ›Ueberwegs‹ enthoben, der die patristischen Philosophie-Ansätze zwar behandelt, aber in dem von Bernhard Geyer erstellten Mittelalter-Band. Diese kommen also nur als erste Instanzen christlichen Denkens in den Blick, »dessen ganze geistige Haltung von der Antike prinzipiell verschieden« sei.31 Dabei wird die Besonderheit der antiken christlichen Philosophie gegenüber der mittelalterlichen darauf zurückgeführt, »daß sie weder prinzipiell noch tatsächlich von der christlichen Theologie und Religion geschieden ist«.32 Diese Perspektive prägt auch wichtige Darstellungen der Folgezeit. So wird schon im Titel der zuerst 1946 erschienenen Philosophiegeschichte von Nicola Abbagnano zwischen »antiker Philosophie« und »Patristik« unterschieden und Erstere ausschließlich durch ihren »wissenschaftlichen Charakter« als »rationale Forschung« charakterisiert. Somit trägt Abbagnano, obwohl er eine enge und weite Bedeutung von philosophia in der Antike durchaus kennt,33 Zeller nicht unähnlich, ohne weitere Argumentationen einen modernen, an einem Wissenschaftlichkeits- und Rationalitätsideal orientierten Philosophiebegriff an die antiken Texte heran und behauptet so deren sachliche Einheit miteinander und mit der Folgezeit. Im Vergleich dazu repräsentiert Richard Wohlgenannt 1977 die gegensätzliche, ebenfalls bei Zeller bereits vorfindliche Tendenz, wenn er nicht weniger als sechs antike Philosophiebegriffe nebeneinanderstellt, ohne deren Einheit wirklich zu erwägen.34 Auch er unterstreicht die grundsätzliche Dichotomie der antiken Verwendung des Wortes philosophia, die sowohl Belege für eine »Fachphilosophie« bzw. philosophia im strengen Sinne umfasst als auch solche, die in der »Philosophie« ein Bildungsstreben im Allgemeinen bezeichnen.35 Ähnlich wie W.  K.  C. Guthrie in seiner Geschichte der antiken Philosophie36 erkennt Wohlgemuth im Übrigen den philosophischen Anspruch des christlichen Denkens vorbehaltlos an,37 ohne dieses aber ausdrücklich zu behandeln. 29

  Vgl. K. Praechter, Die Philosophie des Altertums, Berlin 121926, 1–6.   Vgl. Praechter, Die Philosophie des Altertums, 1. 31   Vgl. Geyer, Die patristische und scholastische Philosophie, 1. 32   Vgl. Geyer, Die patristische und scholastische Philosophie, 3. 33   Vgl. N. Abbagnano, Storia della filosofia. La filosofia antica, la Patristica e la Scolas­ tica, Turin 31974, 4–6. 34   Vgl. R. Wohlgenannt, Der Philosophiebegriff. Seine Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wien  /  New York 1977, 8–22. 35   Vgl. Wohlgenannt, Der Philosophiebegriff, 10–12. 36   Vgl. W. K. C. Guthrie, A History of Greek Philosophy 1. The Earlier Presocatics and the Pythagoreans, Cambridge 1962, 23 f. 37   Vgl. Wohlgenannt, Der Philosophiebegriff, 22. 30

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Einleitung

Eine größere Klarheit in der Darstellung des antiken Philosophiebegriffs sowie die Herausarbeitung einer Einheit hinter der Vielfalt der Belege und Per­ spektiven werden auch in neueren Darstellungen nur teilweise erreicht. In der für die Antike von Margarita Kranz, Günther Bien, Walter Görler und Pierre Hadot erarbeiteten Behandlung des Stichworts ›Philosophie‹ im ›Historischen Wörterbuch der Philosophie‹ ist, trotz zahlloser wertvoller Einzelbeobachtungen, ein gemeinsamer Blickwinkel oder eine gemeinsame Fragestellung nicht zu erkennen.38 Die von Herwig Görgemanns behandelte Patristik wird auch hier mit dem Mittelalter verbunden und der »fertige[n] und relativ einheitliche[n] Größe« der antiken Philosophie gegenübergestellt. Immerhin wird die ambivalente christliche Haltung zur Philosophie – einerseits Aneignung des Ideals, andererseits scharfe Abgrenzung und der Vorwurf, christliche ›Häresien‹ seien aus der Philosophie abgeleitet – deutlich herausgearbeitet39 und ein wichtiger Hinweis auf parallele Inanspruchnahmen des Philosophiebegriffs in verschiedenen Wissenschaften gegeben.40 Die Traditionalität dieses Artikels ist umso bedauerlicher, als schon Anfang der 60er Jahre Anne-Marie Malingrey einige Entwicklungen des Gebrauchs der Wortstamms philosoph- in der gesamten griechischen Antike nachzeichnet. Dabei weist sie eine in mehreren Etappen verlaufende Entwicklung vom Abstrakten zum Konkreten, vom Allgemeinen zum Gruppengebrauch nach, in der neben Platon namentlich Philon, Justin und Clemens von Alexandrien große Bedeutung erhalten.41 Ansonsten gibt es zur Erhellung der Bedeutung des Wortes ›Philosophie‹ (bzw. φιλοσοφία) in der Antike in ihrer Breite vorwiegend Einzelstudien, z. B. zu den Philosophiebegriffen bei Platon,42 Aristoteles und der Stoa43 sowie sowie zum Philosophiebegriff beim jungen Augustinus.44 Dass es solche Untersuchungen gerade zu einigen ›klassischen‹ Autoren sowie zu bestimmten Kirchenvätern gibt, ist ein Indiz dafür, dass bisher nur ein Kanon von Kerntexten sowie einige Grenzfälle unter dieser Fragestellung bearbeitet werden, während eine breitere Perspektive kaum in den Blick kommt. Eine Veränderung der Situation hin zu einer übergreifenden Betrachtung der Geschichte der Philosophie, welche etwa auch das patristische Denken ohne einen prinzipiellen Unterschied einbezieht, zeigt sich demgegenüber in jüngeren Publi­ kationen. Knapp und ambivalent ist die ›Routledge History of Philosophy‹, de38   Vgl. M. Kranz  /  G. Bien  /  P. Hadot  /  W. Görler, Philosophie I. Antike, in: HWbPhil 7 (1989), 572–616. 39   H. Görgemanns, Philosophie II. Patristik und Mittelalter. A. Griechische Patristik, in: HWbPhil 7 (1989), 616–623, v. a. 616–618 40   Vgl. Görgemanns, Philosophie II. A, 620 41   Vgl. A.-M. Malingrey, Philosophia. Étude d’un groupe de mots dans la littérature grecque, des Présocratiques au IVe s. après J.-C., Paris 1961, v. a. 290–294. 42   Vgl. M. Dixsaut, Le Naturel philosophe. Essai sur les Dialogues de Platon, Paris 22016. 43   Vgl. die Angaben in den jeweiligen Kapiteln. 44   G. Catapano, Il concetto di filosofia nei primi scritti di Agostino. Analisi dei passi metafilosofici dal ›Contra Academicos‹ al ›De vera religione‹, Rom 2001.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

ren der Antike gewidmeter 2. Band ein Kapitel zu Augustinus enthält,45 während ­Boethius erst im dritten, das Mittelalter behandelnden seinen Platz findet46 und weitere antike christliche Denker keine Rolle spielen. Demgegenüber berücksichtigt die 1993 von Pietro Rossi und Carlo A. Viano herausgegebene ›Storia della filosofia‹ in ihrem der Antike gewidmeten Band 1 die komplette christliche Philosophie der Antike.47 Die von Lloyd Gerson 2010 herausgegebene ›Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity‹ ordnet drei ausführlich dargestellte »Begegnungen des Christentums mit antiker griechischer Philosophie« (encounters of Christianity with ancient Greek philosophy) in seine Gliederung ein.48 Nur wenig später legt George Karamanolis einen eindrucksvollen Versuch vor, die philosophischen Leistungen einiger antiker Christen als solche anzuerkennen und zu rechtfertigen.49 Johannes Zachhuber geht neuerdings so weit, das antike christliche Denken nicht mehr als Theologie, sondern als »Philosophie in Übergröße« (oversized philosophy) zu beschreiben, wofür er sowohl strukturelle Gründe – wie einen parallelen Schulaufbau – als auch die inhaltliche Arbeit an Themen wie der Christologie sowie den gemeinsamen Bezug auf Aristoteles’ Logik in der Spätantike namhaft macht.50 Im deutschsprachigen Raum erstreben besonders die seit den 80er Jahren erschienenen fünf Bände der Neuausgabe von Ueberwegs ›Grundriss der Geschichte der Philosophie‹ zur Antike eine vollständige Darstellung: In ihren Einleitungen werden jeweils die epochenspezifischen Philosophiebegriffe diskutiert und auch je nach Band diverse Kontextualisierungen vorgenommen, die gegenwärtig als die besten Darstellungen auf diesem Gebiet gelten können.51 Insbesondere berücksichtigt der fünfte, von Christoph Riedweg, Christoph Horn und Dietmar Wyrwa gemeinsam verantwortete Band auch die christlichen Texte der Spätantike vollumfänglich und stellt damit einen wichtigen Schritt hin zu einer umfassenderen Wahrnehmung des antiken philosophischen Diskurses in seiner Breite dar.52 Ein Gesamtbild über die verschiedenen Epochen der antiken Philosophie hinweg wird in all diesen Darstellungen jedoch schon wegen der Vielzahl der Autoren und der Verteilung des Materials nur ansatzweise entworfen. 45

  G. O’Daly, Augustine, in: D. Furley (Hrsg.), Routledge History of Philosophy 2, London 1999, 388–428. 46   J. Marenbon, Boethius. From Antiquity to the Middle Ages, in: J. Marenbon (Hrsg.), Routledge History of Philosophy 3, London 1998, 11–28. 47   P. Rossi  /  C. A. Viano (Hrsg.), Storia della filosofia 1. L’antichità, Rom  /  Bari 1993, 393– 436 und 466–532. 48   Vgl. die Gliederung in L. Gerson (Hrsg.), The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, Bd.  1–2, Cambridge 2010, 1, V–VII; 2, V–VI. 49   G. Karamanolis, The Philosophy of Early Christianity, Durham 2013. 50   Vgl. Zachhuber, Philosophy and Theology in Late Antiquity, 60–66 und 73. 51   Vgl. dazu im Einzelnen die Diskussionen zu Beginn der Darstellungen der einzelnen Epochen in diesem Band. 52   GGPh 5, 3 = Ch. Riedweg  /  Ch. Horn  /  D. Wyrwa (Hrsg.), Die Philosophie der Antike 5. Kaiserzeit und Spätantike 3, Basel 2018.

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Einleitung

Das Verhältnis von antiker Philosophie und Christentum in Darstellungen aus christlicher Perspektive Die Hintergründe der Tatsache, dass die christliche Philosophie der Antike bisher eher nicht als Teil der antiken Philosophie behandelt und diese folglich als wesentlich auf nichtchristliche Autoren beschränkt dargestellt wurde, liegen aber nicht nur in der Geschichtsschreibung der antiken Philosophie. Daher lohnt sich ein exkursartiger Rückblick in die Teile der Forschungsgeschichte, die von (durchaus unterschiedlichen) christlichen Standpunkten aus verfasst wurden. Schon ein etwas rhapsodischer Überblick macht deutlich, dass auch aus dieser Perspektive eine Abgrenzung (früh-)christlicher und auch jüdischer Phänomene von der Philosophie programmatisch die Agenda bestimmte und vielfach noch bestimmt. Die erste hier zu nennende Tendenz, die nicht zuletzt dank dem bedeutenden protestantischen Kirchenhistoriker Adolf von Harnack in der theologischen Forschung des 20. Jahrhunderts immens einflussreich, wenn auch keineswegs unumstritten ist,53 wird von dem Stichwort einer ›Hellenisierung des Christentums‹ geprägt. Dessen »Wesen« (das Harnack offenbar noch genauer kennt als Zeller dasjenige der Philosophie) sei durch ein »Einströmen« der griechischen Philosophie, als Beginn eines breiteren Einströmens antiker Kultur, seit ca. 130 im »Centrum der Religion« geformt worden.54 Dies geschieht nach Harnack vor allem durch die »Identifizierung des Logos mit Christus«, eine »geschichtliche Tatsache metaphysischer Bedeutung«.55 Er betont zugleich die Bedeutung des »griechisch-philosophische[n] Gedankens, daß die wahre Religion in erster Linie ›Lehre‹ sei, die sich über den gesamten Kreis des Wissens erstrecke«.56 Harnack nimmt also einen wesentlichen Einfluss der antiken Philosophie auf die christliche Religion an, so dass seine Perspektive grundsätzlich geeignet scheint, eine klare Frontstellung von Christentum und Philosophie zu überwinden und den Blick für ihre Gemeinsamkeiten zu öffnen. Das ist allerdings keinesfalls die Harnack interessierende Stoßrichtung, sondern er sieht in dieser Entwicklung vor allem eine Gefahr für den Ernst und die Unmittelbarkeit, mit der die christliche Botschaft an sich die Menschen erreichen könne.57 Diese kritische – und in der Sache äußerst fragwürdige58 – Sichtweise auf den Versuch, Philosophie in christlicher Weise zu betreiben, 53   Vgl. die Zusammenfassung bei L. Scheffczyk, Tendenzen und Brennpunkte der neueren Problematik um die Hellenisierung des Christentums, München 1982. 54   A. von Harnack, Das Wesen des Christentums, 72. Tausend, Leipzig 1929, 126 (zitiert nach: A. von Harnack, Das Wesen des Christentums. Sechzehn Vorlesungen vor Studierenden aller Fakultäten im Wintersemester 1899/1900 an der Universität Berlin gehalten, hrsg. von C.-D. Osthövener, Tübingen 32012, 116 [von nun an: 116 Osthövener]). 55   Von Harnack, Wesen des Christentums, 128 (118 Osthövener). 56   Von Harnack, Wesen des Christentums, 132 (121 Osthövener). 57   Von Harnack, Wesen des Christentums, 132 (121 f. Osthöverner). 58   Man vergleiche nur die angemessen differenzierte Analyse von M. Lutz-Bachmann, Hellenisierung des Christentums?, in: Colpe  /  Honnefelder  /  Lutz-Bachmann (Hrsg.), Spät-

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

bleibt auch dann erkenntnisleitend, wenn später z. B. – in deutlichem Gegensatz zur Annahme einer ›Hellenisierung des Christentums‹ – argumentiert wird, am Ende der Antike sei unter dem Einfluss des christlichen Logosdenkens »die ganze klassische Metaphysik« »zerplatzt«59 oder Platonismus und Christentum seien so wesensverschieden, dass eine Hellenisierung gar nicht möglich gewesen sei.60 Eine ganz andere Perspektive auf die patristische Philosophie wurde von Étienne Gilson unter dem Schlagwort ›Christliche Philosophie‹ vertreten: Ihm zufolge gibt es eine »christliche Philosophie«, die nur in »Wahrheiten« ihren Ausgangspunkt nehmen dürfe, »die der natürlichen Erkenntniskraft erreichbar sind«, während die Offenbarung »eine wertvolle […] Hilfe« für die Natur darstelle. Wegen dieser Vernunftorientierung sei die christliche Philosophie »wesentlich verschieden von der christlichen Theologie«.61 Zu dieser »wohlbegrenzte(n) Gruppe« »philosophischer Systeme« werden neben den Scholastikern des Mittelalters auch die Autoren der griechischen und lateinischen Patristik gerechnet. Sie werden zu diesem Zweck – reichlich unhistorisch – in ihre angeblich theologischen und philosophischen Bestandteile aufgeteilt, zugleich aber wegen ihres christlichen Propriums von ihrem antiken Umfeld klar unterschieden.62 Wird also in dieser Tendenz der Wert der christlichen Philosophierezeption durchaus gewürdigt, bleibt ein historischer Blickwinkel, der verschiedene Konzepte derselben Epoche zusammen betrachtet, doch einmal mehr unerwünscht. Derartige generalistische Wesenskonzeptionen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machen in der Folgezeit zunehmend historischer Forschung Platz, welche die Interaktion von ›Antike‹ und ›Christentum‹ im Detail beschreiben möchte. Allerdings sind die dabei eingenommenen Blickwinkel, selbst wenn sie der spätantiken Terminologie selbst entstammen, wenig geeignet, einen einheitlichen Blick auf die Spätantike zu ermöglichen: Das zeigt sich sehr deutlich an der seit 1984 von Christian Gnilka63 mit Emphase betonten Tatsache, dass viele Kirchenväter selbst die antike Kultur und Philosophie als etwas vom Christenantike und Christentum, 77–98; auch Th. Kobusch, Christliche Philosophie. Die Entdeckung der Subjektivität, Darmstadt 2006, 28 f. 59   Vgl. W. Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung über Theodor von Pharan und seine Zeit als Einführung in die alte Dogmengeschichte, Berlin 1957, 70. 60   So H. Dörrie, Die andere Theologie. Wie stellen die frühchristliche Theologie des 2.–4. Jahrhunderts ihren Lesern die ›Griechische Weisheit‹ (= den Platonismus) dar?, in: Theologie und Philosophie 56 (1981), 1–46. 61   É. Gilson  /  Ph. Böhner, Christliche Philosophie von ihren Anfängen bis Nikolaus von Cues, Paderborn 31954, 1 f. 62   Darstellung bei Gilson  /  Böhner, Christliche Philosophie, 21–253. Dagegen unterscheidet Kobusch, Christliche Philosophie, 12–33, sehr deutlich zwischen patristischer und hochmittelalterlich-scholastischer Perspektive und beschränkt eine ›christliche Philosophie‹ auf die erste Epoche. 63   Vgl. Ch. Gnilka, ΧΡΗΣΙΣ. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur I. Der Begriff des ›rechten Gebrauchs‹, Basel  /  Stuttgart 1984.

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Einleitung

tum Verschiedenes darstellen und vor diesem Hintergrund betonen, dass Christen ­davon allenfalls »Gebrauch« (χρῆσις, usus) machen dürften. »Wenn die so genannten Philosophen zufällig etwas Wahres und zu unserem Glauben Passendes sagten, besonders die Platoniker, dann ist dies nicht nur nicht zu fürchten, sondern von ihnen, wie von ungerechten Besitzern, in unseren Gebrauch zu übernehmen«.64

Dieses Selbstbild der meisten Kirchenväter, etwas ganz anderes zu tun als die antiken Philosophen und deren Einsichten dann »gebrauchen« zu können, wenn sie sich denn als wahr erweisen, wird von Gnilka als »Methode« bezeichnet und als Möglichkeit der Integration antiken Bildungsguts für die christliche Mission begrüßt.65 Mit diesen Worten schreibt sich Gnilka in eine ältere Strömung der Erforschung der christlichen Antike ein, welche sich der »Auseinandersetzung« der spätantiken Christen mit der antiken Kultur verschreibt,66 unterwirft sie aber ganz offen einer modernen Zweckbestimmung. Jedenfalls hält er ebenso wie seine Vorgänger daran fest, eine grundsätzliche Verschiedenheit der antik-philosophischen und der christlich-religiösen Perspektive seinen Überlegungen zugrunde zu legen. Diese Tendenz setzt sich mitunter bis in die Gegenwart fort: Eine neuere Publikation sieht beispielsweise zwei »grundlegend unterschiedliche soteriologische Modelle der Spätantike. Das ›Lukasevangelium‹ formuliert […] eine Position, die für das Christentum […] unverändert gültig bleiben wird. […] Dem steht das soteriologische Modell Jamblichs gegenüber: […] Im Gegensatz zum Christentum ist der Mensch prinzipiell selbst für sein (Seelen-)Heil zuständig«.67

Dass eine derartig fundamentale Aufteilung des antiken Diskurses in zwei feste, unveränderliche Blöcke grundsätzlich inkommensurabler Erlösungsvorstellungen  – also kategorial unterschiedlicher Wege zur Eudaimonie – den Weg zu einem methodisch reflektierten Zugriff auf komplexe, häufig uneindeutige historische Fakten und Loyalitäten eher versperrt als eröffnet, bedarf keiner weiteren Erörterung. Für die Erforschung von Antike und Spätantike im Speziellen gilt es 64   Philosophi autem qui uocantur, si qua forte uera et fidei nostrae accommodata dixerunt, maxime Platonici, non solum formidanda non sunt, sed ab eis etiam tamquam ab iniustis possessoribus in usum nostrum uindicanda. Augustinus, De doctrina Christiana 2, 60 (CCL 32, p.  73, 1–4 Martin). 65   Vgl. Gnilka, ΧΡΗΣΙΣ, 16–19, 25–28. 66   Vgl. zu den Hintergründen Th. Klauser, Franz-Joseph Dölger. 1897–1940. Sein Leben und sein Forschungsprogramm ›Antike und Christentum‹, Münster 1980, 16–22. 67   D. S.  du Toit, Heilsbringer im Vergleich. Soteriologische Aspekte im ›Lukasevangelium‹ und in Jamblichs ›Vita pythagorica‹, in: M. von Albrecht u. a., Jamblich, ›Pythagoras‹. Legende – Lehre – Lebensgestaltung. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen, Darmstadt 2002, 275–294, hier 294.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

jedenfalls auf mindestens drei äußerst unvorteilhafte Konsequenzen der scharfen Abtrennung von Antike und Christentum hinzuweisen: 1)  Sie weist Denker, die gleichzeitig im gleichen geographischen Raum mit teils den gleichen Quellen gearbeitet haben, verschiedenen Kontexten zu und macht es unmöglich, die geistige Dynamik angemessen zu berücksichtigen, die zwischen ihnen möglicherweise geherrscht hat. 2)  Sie macht die u. a. von Zeller formulierte grundlegende Trennung griechischer Philosophie von der ganz anderen Strömung des Christentums zur Leit­ linie der Forschung und damit einen Gesamtzugriff jedenfalls auf das Phänomen Philosophie in der Spätantike unmöglich, da ein Teil des Diskurses einer ›Theologie‹ zugewiesen wird, die doch in der Antike zumeist als (Teil der) Philosophie gesehen wird. 3)  Sie verhindert somit auch inhaltlich einen komplexen Zugriff auf die Spezifika antiker Philosophie, soweit sie ein nicht durch Abgrenzung bestimmtes Verhältnis zur Religion beinhalten, das bereits in der vorsokratischen Philosophie fassbar wird und, jedenfalls im Selbstverständnis der Beteiligten, auch in der Spätantike nicht aufhört. Um derartigen Risiken zu begegnen, sollen im Folgenden die christlichen Philosophien der Antike als Teil der gemeinsamen Geschichte der philosophischen Wahrheitssuche verstanden werden, um eine historisch umfassende, angemessen komplexe und vor allem von späteren Begrifflichkeiten weitgehend freie Antwort auf die Frage zu geben: Was ist Philosophie in der Antike? Dabei sind Unterscheidungen wie die zwischen Wissen und Glaube, zwischen Schrift und Vernunft genau so weit im Blick zu behalten, wie sie für antike Philosophiebegriffe konstitutiv sind – aber nicht von vornherein in diese einzutragen.

Antike Philosophie als Ursprung wissenschaftlichen Denkens: Der Ansatz von Jürgen Mittelstraß Ein weiteres wichtiges Fragegebiet, das Antike und Moderne verbindet, betrifft nämlich das Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften. Instruktive Überlegungen hierzu finden sich in Jürgen Mittelstraß’ 2014 erschienener Aufsatzsammlung ›Die griechische Denkform‹, die den programmatischen Untertitel ›Von der Entstehung der Philosophie aus dem Geist der Geometrie‹ trägt. Mittelstraß geht von der Frage aus, ob die Philosophie eine Wissenschaft sei, und sieht diese schon bei Platon und Aristoteles als »Ausdruck eines genauen Denkens, einer expliziten Begründungsorientierung und, mit Kant gesprochen, des Geistes der Gründlichkeit«.68 Als Hintergrund der Herausbildung der antiken Philosophie führt Mittelstraß insbesondere die mathematischen Disziplinen der Griechen, namentlich die Geometrie, an. Ihre Besonderheit, auch im Vergleich 68

  Mittelstraß, Die griechische Denkform, 1 f., Zitat 2.

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Einleitung

zu vorgriechischen, z. B. babylonischen Mathematiken sieht er in der bei Thales erstmals vorfindlichen »Theorieform«, die 1. im Formulieren allgemeiner Sätze (anstelle von Konstruktionsanweisungen) und 2. im Anspruch auf den Beweis des Gesagten bestehe.69 Für eine weitere methodisch strukturierte Ausarbeitung dieses Modells verweist er auf Platon und Aristoteles.70 Dieser Zugriff auf die antike Philosophie von der Entstehung einer wissenschaftlichen Rationalität her hat den Vorzug, tatsächlich an antike Wissensbegriffe anzuschließen, namentlich wenn diese eher das »warum« (τὸ διότι) bzw. die Ursache als das bloße »dass« (τὸ ὅτι) zum Gegenstand wahren Wissens machen und dieses insbesondere in ewigen, unveränderlichen Sätzen sehen wollen.71 Insbesondere kann sich eine Konzeption wie die Mittelstraß’sche auch auf Philosophiebegriffe wie die bei Aristoteles zu findende Apodeiktik72 als strikte Form von Wissen beziehen und damit eine bleibende Leistung antiker Wissenschaft deutlich machen. Gleichwohl lässt sich über sie genauso wie über den allgemeineren Ansatz Zellers sagen, dass hier in Grunde genommen gar nicht nach der antiken Philosophie als solcher gefragt wird, sondern wiederum ein modernes Philosophieverständnis zugrunde gelegt und seine Wurzeln in der Antike gesucht werden. Welche Rolle das Selbstverständnis als eine Wissenschaft aber für die antike Philosophie bzw. ihre Vertreter spielt und ob es den antiken Begriff von ›Philosophie‹ wesentlich prägt, bleibt bei Mittelstraß ganz offen. Im Hinblick auf die Ursachenkenntnis stellt sich sicherlich nicht die Frage, ob sie für viele der bedeutendsten antiken Philosophen zentral ist, sondern vielmehr, ob sie tatsächlich für die Philosophie im antiken Verständnis im Allgemeinen konstitutiv ist. Ähnliches trifft sich auch auf den Bereich zu, der im Zentrum von Mittelstraß’ Interesse steht, nämlich das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft: Weder zählt Mittelstraß alle Wissenschaften auf, die in der Antike wichtig sind – so zentrale Disziplinen wie Medizin und Grammatik bleiben unberücksichtigt –, noch geht er historisch gründlich dem Verhältnis dieser Wissenschaften und den wechselnden Einflüssen beider nach. Schließlich betrifft sein Beitrag zum antiken Philosophieverständnis – wie viele Forschungen zu ›Mythos‹ und ›Logos‹73 – vor allem die frühe Epoche der antiken Philosophie bis Aristoteles. Will man hingegen eine komplexere Antwort auf die Frage wagen, wie sich das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft in der Antike in seiner Breite darstellt, wird man um ein Quellenstudium vieler, ihrem eigenen Selbstverständnis nach ›philosophischer‹ und wissenschaftlicher Texte der Antike nicht herumkommen. 69

  Vgl. Mittelstraß, Die griechische Denkform, 22–29.   Vgl. Mittelstraß, Die griechische Denkform, 30–42. 71   Zum Beispiel bei Aristoteles, Ethica Nicomachea 6, 3, 1139b 18–36. Vgl. u. S. 226  f., 278  f. 72   Vgl. dazu unten S.  302  f., 318  f. 73   Genannt sei W. Nestle, Vom Mythos zum Logos. Die Selbstentfaltung des griechischen Denkens von Homer bis auf die Sophistik und Sokrates, Stuttgart 21940; für Weiteres vgl. unten S.  55  f. 70

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

›Lebenskunst‹ als Angebot zur Beschreibung des Kerns des antiken Philosophieverständnisses Die These Pierre Hadots Dass die Frage, was die Philosophie in der Antike ist, als solche eine Rolle in der Forschung spielt, ist vor allem Pierre Hadot zu verdanken, der nach intensiver Arbeit auf verschiedenen Gebieten der antiken Philosophie die These formuliert hat, die antike Philosophie sei in erster Linie eine »Art zu leben« bzw. eine »Lebensweise« (manière de vivre / mode de vivre) oder gar eine »Lebenskunst« (art de vivre).74 Diese These hat Hadot in mehreren Publikationen vertreten, die, in nicht ganz einheitlicher Weise, a) einen großen Unterschied zwischen der antiken philosophia und der modernen Philosophie betonen, b) die These von der antiken Philosophie als Lebensweise mit der Idee »geistiger Übungen« (exercices spirituels) verbinden und c) eine Geschichte der Auflösung dieses Konzepts dank christlicher Einflüsse enthalten. In frühen Publikationen wird besonders die Rolle der geistigen Übungen betont, aber bereits 1977 eine breitere These formuliert: »Die Philosophie erscheint«, wenn man die antiken Texte in dieser Perspektive liest, »in ihrem ursprünglichen Blickwinkel, nicht mehr als eine theoretische Konstruktion, sondern als eine Methode der Ausbildung hin zu einer neuen Art zu leben und die Welt zu sehen«.75 1984/85 stellt Hadot dann die Philosophie selbst als eine ›Art zu leben‹ zunächst für die hellenistische und römische Philosophie vor, um dann, mit kursorischen Verweisen auf Sokrates, Platon und Aristoteles, dieses Modell zurückzudatieren und zu behaupten: »Schon bei Sokrates und seinen Schülern ist die Philosophie eine Lebensweise, eine Technik des inneren Lebens. Die Philosophie hat ihr Wesen im Laufe ihrer Geschichte in der Antike nicht geändert«.76

Sie bestehe in einer »Übung eines jeden Augenblicks« (exercise de chaque instant), welche auf ein »kosmisches Bewusstsein« (conscience cosmique) abziele, das sich von wissenschaftlichem Wissen wesentlich unterscheide, und sei in den antiken Schulen zwar mit Unterschieden, aber doch in ähnlicher Weise geübt worden, wo-

74

  Verschiedene Formulierungen stehen z. B. in P. Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, Paris 31993, 221 und 227 so nebeneinander, als seien sie entweder synonym oder erklärten sich gegenseitig. 75   »La philosophie apparaît alors, dans son aspect originel, non plus comme une con­stru­ ction theorique, mais comme une méthode de formation à une nouvelle manière de vivre et de voir le monde«. Hadot, Excercices spirituels (1977), in: Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, 56. 76   Hadot, La philosophie comme manière de vivre (1984/85), in: Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, 217–222, Zitat 222.

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bei die einzelnen Schulen durchaus idealtypisch für solche Ansätze seien.77 Der für Hadot zentrale Begriff der »geistigen Übungen«, der zunächst eher unspezifisch als »eine innere Aktivität des Denkens und des Willens« definiert wird,78 erhält in dem Werk ›Die innere Festung‹ (›La citadelle intérieure‹ [1992]) mithilfe einer Interpretation Mark Aurels schärfere Konturen: Die Rolle der Vernunft für die Stoa kulminiere darin, dass »das moralische Gewissen […] sich auf die Universalität der Vernunft gründen [soll], die sich selbst als Ziel begreift«.79 Dabei hülfen geistige Übungen dem Philosophen, »sich selbst zu kritisieren, sich selbst zu untersuchen, […], sich zu ermahnen, sich zu überzeugen, die Worte zu finden, die ihm helfen können, zu leben und gut zu leben«.80 Demnach wäre unter »geistige Übungen« nach Hadot eine stete, auf Entwicklung zielende rationale Selbstprüfung zu verstehen, keineswegs aber feste Vorschriften wie die abendliche Gewissensprüfung als solche, die zu diesen einen Beitrag leisten mögen. Allerdings treten die geistigen Übungen in der Einleitung zu Hadots zusammfassendem Werk: ›Was ist die antike Philosophie?‹ (›Qu’est-ce que la philosophie antique?‹ [1996]) zugunsten einer allgemeinen Betonung der lebenspraktischen Seite der Philosophie zurück, die in den Behauptungen gipfelt, dass jedenfalls in der nachsokratischen Philosophie a) eine existenzielle Entscheidung bzw. Bekehrung des Individuums einer bestimmten Lehrmeinung vorhergehe und b) die Philosophie stets in der Gemeinschaft einer Schule erfolge, in der die philosophischen Lehrmeinungen weiterentwickelt würden. Dies stelle einen exakten Gegensatz zum modernen Philosophiebegriff dar, wo praktische Überlegungen allenfalls aus Theorien folgten.81 Eine wichtige Rolle in Hadots Narrativ(en) spielt eine Erzählung davon, wie sich das Konzept der Philosophie als Lebensform unter christlichem Einfluss hin zum heute üblichen wissenschaftlichen Verständnis gewandelt habe: Hierbei schildert Hadot kenntnisreich die Aneignung der antiken Philosophie in ihrem Übungscharakter durch die antiken Christen bzw. ein bestimmtes Milieu im Chris77

  Vgl. Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, 225 f.   Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, 61. In der Betonung dieses Begriffs steht Hadot unter dem Einfluss von P. Rabbow, Seelenführung, München 1954, der freilich die geistigen Übungen nicht zum Inbegriff der antiken Philosophie macht. Eine parallele Ausarbeitung des Themas findet sich bei J. Voelke, La philosophie comme thérapie de l’âme. Études de philosophie hellénistique, Fribourg 1993. 79   »La conscience morale n’est d’ailleurs morale, que si elle est pure, c’est à dire si elle se fonde dans l’Universalité de la raison se prenant elle même pour fin«. Hadot, La citadelle intérieure, 329. 80   Mit Mark Aurel treffen wir »un homme de bonne volonté, qui n’hésite pas à se critiquer lui même, à s’examiner lui même, qui reprend sans cesse la tâche de s’exhorter, de se persuader, de trouver les mots que l’aideront à vivre et à vivre bien«. Hadot, La citadelle intérieure, 332. 81   Vgl. P. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, Paris 1996, 17–19; vgl. schon die erstmals 1977 erschienene Darlegung in P. Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, 56 f. 78

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tentum. Zugleich betont er allerdings die Neuheit dieser Elemente im Vergleich zum ursprünglichen Christentum und stellt dessen Synthese mit der Philosophie – Zeller nicht unähnlich – als »wesentlich christlich« heraus, zumal die Gnade in diesen Systemen eine besondere Rolle spiele.82 Dieser (begrenzten) Aneignung der Philosophie durch (einige) antike Christen stellt Hadot das Narrativ der Philosophie als »Magd der Theologie« (ancilla theologiae) gegenüber, das seit dem Mittelalter zu ihrer Reduzierung auf bzw. ihrer Umwandlung in eine theoretische Perspektive geführt habe.83 Diese These, bzw. ihre verschieden Formulierungen, hat einige Prominenz erlangt, viel Zustimmung erfahren und eine eigene Debatte über die Philosophie als Lebensform angeregt.84 Von philosophiehistorischer Seite hat sie allerdings auch einige wichtige Präzisierungen erfahren: So lehnt Christoph Horn die These von der Philosophie als Lebensform nur für die Vorsokratiker im Ganzen ab – für die Hadot sie im Übrigen nicht behauptet85 –, unterstützt sie aber im Großen und Ganzen für alle anderen antiken Autoren. Hierbei fasst er nötige Differenzierungen sehr prägnant zusammen, nämlich zwischen einem »Aufklärungs- und Bildungsbedürfnis (wie bei den Sophisten), der Konzeption ­einer philosophischen Einheitswissenschaft, die das Leben des Individuums und des Staates richtig ordnen soll (Platon), der Philosophie als politisch-moralischer und als zweckfrei-theoretischer Lebensform (Aristoteles), der Suche nach angemessener Lebensführung, Glückserlangung und Affekttherapie (hellenistische Schulen) sowie der Suche nach Erlösung und metaphysischem Heil (Neuplatoniker)«.

Wenn Horn auch zugesteht, dass sich all dies unter einem entsprechend weit gefassten Konzept von Lebenskunst vereinen lasse,86 macht seine Darstellung doch klar, dass allenfalls das den antiken Schulen gemeinsame Streben nach Eudaimonie (des Philosophen selbst oder der Polis) den gemeinsamen Fokussierungspunkt bilden kann, und nicht ein Konzept geistiger Übungen, das sich nur bei bestimmten antiken Autoren verfolgen lässt. Noch prägnanter betont John Madison Cooper in seinen ›Pursuits of Wisdom‹ die Verbindung der Lebensform Philosophie mit ihrem theoretischen Fundament und legt viel Wert auf die motivationstheoretischen Hintergründe der Lebens82   Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique, 59–74, Zitat 73; ähnlich Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 355–378, dort 372 zum spezifisch Christlichen. 83   Vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 379–391 84   Vgl. z. B. im deutschsprachigen Raum die Bände W. Schmid, Philosophie als Lebenskunst. Eine Grundlegung, Frankfurt 1998; W. Kersting  /  C. Langbehn (Hrsg.), Kritik der Lebenskunst, Frankfurt 2007; G. Ernst (Hrsg.), Philosophie als Lebenskunst. Antike Vorbilder, moderne Perspektiven, Frankfurt 2016. 85   Vgl. die kursorische Behandlung der Vorsokratiker in Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 27–30. 86   Ch. Horn, Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern, München 32014, 15–31.

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form-These. Philosophie werde in der Antike »weithin nicht nur als beste Anleitung für das Leben, sondern auch als intellektuelle Basis und motivationale Kraft für das beste menschliche Leben betrieben«.87 Letzteres liege an drei von allen antiken Denkern – mit relativ geringen Abweichungen – geteilten Grundüberzeugungen, dass 1) eine rationale Erkenntnis selbst motivationale Kraft besitze, ein richtiges Denken also zu einem guten Handeln führe, und dass 2) die Philosophie eine solche rationale Erkenntnis in bestmöglicher Form vermitteln und insofern zu einem guten Leben und einem rationalen Handeln anleiten könne, und zwar 3) deswegen, weil eine solche Philosophie beanspruche, wahr zu sein, während eine unwahre Philosophie das nicht könne.88 Vor dem Hintergrund dieser Thesen unterstreicht Cooper den rationalen Charakter der antiken Philosophie im Sinne einer Lebensführung sola ratione: »Vernunft allein könne« für die antiken Philosophen »eine letztlich akzeptable Basis sein, um ein Leben zu führen«, wozu insbesondere »philosophisches Diskutieren und Argumentieren« gehöre.89 Antike Modelle einer philosophischen Lebensführung seien folglich nicht nur auf das Engste mit den antiken philosophischen Systemen verbunden, sondern wer in antiker Tradition philosophiere, sei »wesentlich dem Gebrauch der eigenen Fähigkeit zu denken beim Führen des eigenen Lebens verpflichtet«.90 Die von Hadot stark gemachten meditativen Techniken gehörten hingegen nicht wesentlich zur antiken Philosophie und träten erst relativ spät auf.91 Insgesamt unterscheide sich antike Philosophie wesentlich von paganen wie von monotheistischen Religionen, denen sich erst die spätantike Philosophie langsam annähere.92 Im Hinblick auf das Ende der Konzeption einer Philosophie als Lebensform akzeptiert Cooper Hadots Überlegungen zur veränderten Rolle der Philosophie im Christentum.93

87   Cooper, Pursuits of Wisdom. Six Ways of Life in Ancient Philosophy from Socrates to Plotinus, Princeton 2012, 2: »Philosophy was widely pursued as not just the best guide to life but as both the intellectual basis and the motivating force for the best human life«. Zu Cooper’s Position und ihren Hintergründen vgl. Sharpe, M., Drafted into a Foreign War? On the Very Idea of Ancient Philosophy as a Way of Life, in: Rhizomata 8 (2020), 183–217. 88   Vgl. Cooper, Pursuits of Wisdom, 11–16. 89   »Only reason […] could be an ultimately acceptable basis on which to live a life. […] Socrates himself, in setting the pattern for all later thinkers in this tradition, made the activities of philosophizing (philosophical discussion and argument) central ones of that best life«. Cooper, Pursuits of Wisdom, 6. 90   Cooper, Pursuits of Wisdom, 18: »To be a philosopher in this ancient tradition, then, is to be fundamentally committed to the use of one’s own capacity for reasoning in living one’s life«. 91   Vgl. Cooper, Pursuits of Wisdom, 19 f. 92   Vgl. Cooper, Pursuits of Wisdom, 17–19. 93   Vgl. Cooper, Pursuits of Wisdom, 8–11.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

Philosophie als Lebensform: Kritische Anmerkungen zum derzeitigen ­Diskussionsstand Aufs Ganze gesehen erweist sich die Debatte um die Philosophie als Lebensform somit als bisher überzeugendster Beitrag zur Frage, was denn die Philosophie in der Antike spezifisch ausmache. Auch wenn die Kernthese der Verbindung der Philosophie mit einer bestimmten Lebensform kaum mehr wegzudenken ist, können aber die vorliegenden Darstellungen nicht wirklich überzeugen: Die Fokussierung auf die geistigen Übungen und die Betonung des Vorrangs der Lebens­ wahl vor der philosophischen Ausbildung erweisen sich schon bei Hadot als zu schmales Fundament, das insbesondere der Bedeutung der theoretischen Debatten für die antike Philosophie, deren wissenschaftliche Leistungen ja bis heute grundlegend sind, nicht wirklich gerecht werden kann. Das zeigt sich, wenn man das Prioritätsverhältnis von Theorie und Praxis in der Antike unter zwei Blickwinkeln differenziert:  – Plausibel mag Hadots Konzept auf der Ebene des Eintritts Einzelner in eine einmal begründete Philosophenschule bzw. derjenigen des Zusammenlebens in ihr sein. In solchen Situationen könnte die Aneignung und ggf. Ausarbeitung theoretischer Überlegungen tatsächlich nur ein (auch zeitlich) nachgeordneter Teil der Ausbildung sein, die in der Antike vielfach mit einer Einübung einer philosophischen Lebensweise beginnt oder gar, z. B. im Falle der Kyniker, mehr oder weniger ausschließlich in dieser besteht. Überhaupt dürften für das Leben in antiken Philosophenschulen die gelebten Praxen, zu denen neben ›geistigen Übungen‹ im engeren Sinne etwa das Memorieren philosophischer Lehren, das Abfassen schultypischer Texte und die Teilnahme an gemeinsamen Lehr- und Diskussionsveranstaltungen (συνουσίαι) gehören, in der Tat ebenso wichtig sein wie die theoretische Arbeit.  – Anders dürfte es sich aber auch in der Antike auf der Ebene der Theoriebildung selbst durch philosophische Denker verhalten. In dieser Hinsicht wird man kaum sagen können, dass das Entstehen neuer Theorien aus der Idee einer Lebensform resultiert oder aus ihr abgeleitet wird. Vielmehr scheint auch in der Antike das intellektuelle Interesse und die Originalität bestimmter Persönlichkeiten – Platon, Aristoteles, Epikur, Zenon usw. – im Lichte einer bestimmten Diskurssituation, in der bestimmte philosophische Probleme im Zentrum des Interesses stehen, dazu zu führen, dass eine neue Theorie entworfen wird, in deren Rahmen sich – nicht nur – ein neues Ideal der Lebensführung herausbildet. Die Trivialität, dass antike Autoren sich für Philosophie interessieren und eine entsprechende Bildung erwerben müssen, bevor sie schreiben, berechtigt nicht zu der Behauptung, sie hätten im Allgemeinen zuerst eine bestimmte Lebensform gewählt, bevor sie mit dem Nachdenken begonnen hätten. Dass eine Theorie als Reflex auf eine bereits entstehende Lebensentscheidung entsteht, kommt zwar durchaus vor, z. B. wenn Chrysipp bewusst die Theorie seines Meis29

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ters Zenon ausarbeitet,94 setzt aber voraus, dass die Lehre, die es, evtl. aufgrund ihrer praktischen Relevanz, auszuarbeiten gilt, schon in irgendeiner Form vorliegt und man sich ihr anschließen kann. Das kann aber naturgemäß nur innerhalb bestimmter, einigermaßen konturierter Weltanschauungen der Fall sein. Allerdings scheint auch die starke Verbindung zwischen der motivierenden Kraft der Vernunft, der philosophischen Forschung und der Bindung an die Lebensführung, wie sie Cooper entwirft, nicht wirklich überzeugend. Denn zum einen lässt sie die von Hadot betonten Praktiken der Philosophie recht einseitig zugunsten eines modern anmutenden Ideals außer Betracht, das Philosophie und theoretische Forschung fast zu Synonymen macht.95 Zum anderen ist es fraglich, ob die enge Verbindung zwischen Vernunft als motivationaler Kraft und philosophischer Theorie tatsächlich die antike Situation angemessen differenziert beschreibt. Denn nicht nur antike Handlungstheorien, sondern auch die ihnen zugrunde liegenden Epistemologien stellen keineswegs stets eine so enge Verbindung zwischen Theorie und Handlung her, wie sie Cooper suggeriert: Abgesehen von Philosophengruppen wie den Vorsokratikern und den Kynikern, die sowieso kaum eine Verbindung von Theorie und Praxis kennen, äußern sich antike Philosophen in der Regel deutlich differenzierter: Weder die platonische Seelenteilungs- und Ideenlehre noch die aristotelische Theorie der Klugheit sind so abgefasst, dass tatsächlich die philosophische Theorie selbst zum guten Handeln motiviert. Denn diese findet ja ihre Vervollkommnung entweder in einer Ideenschau, welche die verfügbare Vernunft in rational kaum fassbarer Weise transzendiert, oder in einer korrekten Beurteilung von Einzelfällen, die wissenschaftlichem Wissen eben nicht zugänglich sind. Auch in der epikureischen Schule – und faktisch wohl selbst bei den Stoikern – leitet nicht die eigene wissenschaftliche Reflexionsfähigkeit direkt das Handeln an, sondern eine Klugheit, welche auf der (durchaus reflexiven) Aneignung der tradierten – und nicht notwendigerweise selbst erforschten – Dogmen der Schule basiert, deren Aneignung die Fähigkeit zum guten Leben ermöglicht, ohne dass die Theorie hierzu unbedingt verändert werden müsste. Da also sowohl eine Priorisierung des philosophischen Lebens vor der Theorie als auch eine unauflösbare Verbindung beider scheitern, bleibt lediglich die Übersicht Horns, welche die Elemente einer Anleitung zum guten Leben in verschiedenen Richtungen der antiken Philosophie aufsucht und so die Einheit in der Verschiedenheit darstellt, als prinzipiell überzeugender Vorschlag bestehen, der zudem an die antike Klassifikation des Karneades anschließen kann, welche die Philosophien nach den in ihnen verfolgten Lebenszielen gliedert.96 Damit wird aber entweder, gerade in Horns Darstellung, die Idee der Lebensform zu einem relativ abstrakten Rahmenbegriff, der allenfalls eine allgemeine Ausrichtung auf 94

  Vgl. unten S.  405  f.   Vgl. Sharpe, Drafted into a Foreign War?, vor allem 183–190. 96   Vgl. unten S. 445. 95

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

Eudaimonie als Merkmal antiker Philosophie erhält, oder, nach Karneades, ein theoretisches Konzept von Eudaimonie gerade in seiner theoretischen Formulierung zum Gliederungspunkt einzelner Schulen, ohne dass es für seine lebenspraktische Umsetzung zentral wäre. Zudem ist es zweifelhaft, ob irgendeine der Konzeptionen, die Philosophie als Lebensform auffassen, tatsächlich trennscharf erklären kann, was Philosophie in der Antike ist und was nicht: Dies zeigt sich, wenn man versucht, dieses Konzept zur Unterscheidung von Philosophie und Religion anzuwenden: Hier wird die Möglichkeit, die jüdische und die christliche Religion als ein Streben nach einer bestimmten Form von Eudaimonie oder einem glücklichen Leben darzustellen, das auf einem bestimmten Theorieideal sowie Regeln philosophischer Schulpraxis beruht, durch viele antike Texte bezeugt. Faktisch ist z. B. die Rolle der Tugenden in der Lebensleitung gemäß einer christlich informierten Vernunft derjenigen recht ähnlich, die auf einer stoisch oder platonisch informierten Vernunft beruht – Unterschiede zeigen sich allenfalls in der inhaltlichen Ausgestaltung des angestrebten Lebensziels und evtl. gewissen Folgen dieser Festlegung in der Lebensführung. Das Fehlen unterscheidender Merkmale tritt des Weiteren dann noch deutlicher hervor, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch klassische Texte der antiken Philosophie, anders als Cooper behauptet, keineswegs durchweg ein Vorgehen sola ratione zeigen: Das wird nicht nur durch die Rolle der Mythen bei Platon sowie das Sich-Zeigen der Wahrheit in der Diotima-Rede des ›Symposion‹ deutlich. Auch die religiöse Prägung des vorsokratischen bzw. frühgriechischen Denkens – überdeutlich im Proöm des Parmenides –, die stoische Deutung der antiken Religion nebst der dazugehörigen Gebetspraxis sowie die Deutung kultischer Erzählungen in Plutarchs ›Über Isis und Osiris‹ zeigen die dauernde Verbindung von Philosophie und antiker Religion lange vor der Spätantike, so dass der Rückgriff auf die wahrheitserschließende Kraft religiöser Lehren als eine mögliche legitime Strategie innerhalb antiker Philosophie erscheint. Eine klare Unterscheidung ergibt sich im Übrigen auch nicht durch die – der Zeller’schen Tradition verpflichtete – Behauptung Hadots, die christliche ›Philosophie‹ der Antike sei deswegen nicht ›antike Philosophie‹ in vollem Sinne, weil in ihr das Christliche der ›dominierende‹ bzw. ›überwiegende‹ Faktor bleibe, in den die Philosophie eingearbeitet werde. Eine solche Dominanz kann nicht durch pauschale Verweise auf ein biblisches ›Urchristentum‹ überzeugend begründet werden, das angeblich »wahres« Christentum im Gegensatz zur Philosophie präge, sondern müsste ggf. für konkrete christliche philosophische Positionen im Vergleich zu ähnlichen Ansichten nicht-christlicher, vor allem platonischer Philosophie kriteriell klar ausgewiesen werden. Das aber leistet ein pauschaler Verweis auf die Rolle der Gnade im Christentum schon deswegen nicht, weil sich die sehr starke Akzentuierung des Gnadenbegriffs in der westlichen christlichen Tradition letztlich auf Augustinus’ Ablehnung eines am Modell antiker Philosophie orientierten Verständnisses christlichen Lebens stützt, den es bei anderen antiken Christen so nicht gibt. Allenfalls ein vor- oder nicht-augustinischer Gnaden31

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begriff könnte daher effektiv zur Unterscheidung der philosophischen Tradition der Antike taugen – wenn sich denn das Verhältnis von göttlicher Unterstützung und eigener auf den Logos gestützter Aktivität in Christentum und antiker Philosophie tatsächlich als klar unterschieden darstellen ließe. Während diese Punkte eher Schwächen aktueller Theorien einer Philosophie als Lebensform anzeigen, erlaubt es der Fokus auf die Lebensform, einen weiteren wichtigen Aspekt antiker philosophia, nämlich deren herausragende soziale Rolle, in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Erklärung dessen, was philosophia ist, kann nämlich auch im Sinne der Frage verstanden werden, wie einzelne Philosophinnen und Philosophen leben, welche Rollenbilder sie haben und ausfüllen und wie sie sich selbst darstellen sowie, damit zusammenhängend, welche Erwartungen potentielle Schüler und andere Mitglieder der Gesellschaft mit der Philosophie als Ideal verbinden.

3. Zur Anlage und den Leitfragen dieses Buches: Diachrone Analyse der antiken Philosophie(n) in ihren historischen Kontexten Der Durchgang durch die Forschungsgeschichte zeigt einerseits die Breite der Perspektiven, unter denen antike Philosophie erforscht wird, die Bedeutung dieser Perspektivenvielfalt für wichtige Gegenwartsfragen wie das Verhältnis der Philosophie zu Religion und Theologie, zu den Fachwissenschaften und zu verschiedenen gesellschaftlichen Praktiken, welche die Philosophie gerade als ausbildende Disziplin zu bedenken hat. Nicht zuletzt ist hier ihre Wahrnehmung in unterschiedlichen Kulturräumen zu beachten, die sich in der Antike an der Rezeption von Philosophie in verschiedenen Sprachräumen, aber auch in ihrer Auffassung dieser Diversität zeigt. Andererseits tritt zutage, dass die Vielfalt von Forschungsperspektiven auf die antike Philosophie stets von modernen Standpunkten geprägt und daher in hohem Maß einseitig ist – bis dahin, dass ganze Sprachräume und Textcorpora aus der Untersuchung der Philosophie in der Antike ganz ausgeblendet und dass nachantike Gegensätze in ihre Deutung hereingetragen werden. Demgegenüber möchte die folgende Darstellung unter voller Berücksichtigung dieser Mannigfaltigkeit den dahinter liegende(n) Einheit(lichkeiten) nachspüren, welche antike Debatten wie die über Redekunst und gute Lebensführung, über Religion und Wissenschaft oder über die Methodik der Fachwissenschaften stets auch zu einem Diskurs darüber machen, was eigentlich ›Philosophie‹ ist und wie und wer eigentlich philosophisch lebt. Um die angesprochene Vielfalt im Blick zu behalten, soll dabei über das engere Feld der philosophiehistorischen Forschung im Sinne der Interpretation ganz bestimmter Texte und der Geschichte ganz bestimmter Theorien hinausgegangen und eine Integration der Perspektiven verschiedener Nachbardisziplinen, z. B. von Alter Geschichte, Wissenschafts32

›Was ist Philosophie in der Antike?‹

geschichte und Theologie, aber auch der Klassischen Philologie, der Judaistik und der Wissenschaft vom Christlichen Orient, zum Versuch einer komplexen Antwort auf die Frage, was antike Philosophie bzw. Philosophie in der Antike sei, genutzt werden. Im Mittelpunkt der Untersuchung sollen die ausdrücklichen Aussagen der antiken Philosophierenden zum Philosophiebegriff stehen.97 Mit ihnen sind die Theorien zu berücksichtigen, welche den theoretischen Hintergrund expliziter Aussagen zur Philosophie bilden, aber auch die Bedeutung des philosophischen Diskurses wesentlich ausmachen. Sodann sind die Abgrenzungen der Philosophie zu den Nachbarfeldern – Religion und Fachwissenschaft, aber auch Politik und Rhetorik – und schließlich ihre gesellschaftliche und politische Rolle besonders zu beachten. Hierzu gilt es, ein vielfältiges Corpus weiterer Quellen heranzuziehen, namentlich die philosophisch bedeutsamen christlichen und jüdischen Denker der Antike wie auch weitere Autoren, insbesondere aus dem Bereich der Rhetorik und Fachwissenschaften. Dies hat sprachlich und kulturell angemessen differenziert zu geschehen, denn die Bedingungen der Philosophie im Raum ihrer griechischen Muttersprache weisen nennenswerte Unterschiede zu ihrer Wirkung in den lateinischen, hebräisch-aramäischen, syrischen, armenischen und persischen Räumen auf. Diese transkulturelle Dimension kann nur erschlossen werden, wenn sich die Untersuchung nicht auf einen kurzen, ›klassischen‹ Moment antiker Philosophie beschränkt, sondern die Fährnisse der Philosophie von den Vorsokratikern bis zu einem Ende der Antike nachzeichnet. Als ein solches ist hier das Jahr 600 n.  Chr. gewählt, in dem wohl der Philosophieunterricht in Alexandrien endet und die Befassung mit Philosophie im lateinischen Westen weitgehend zum Erliegen kommt, während im christlichen Osten die Expansion des Islam bald darauf eine Zeitenwende einleitet. Als Nukleus der Einteilung eines solch umfangreichen und disparaten Materials bietet sich insbesondere die Tatsache an, dass die antike Philosophie körperschaftlich in Schulen organisiert war, welche fast durch die ganze Antike hindurch ihr primärer Ort waren. In den Schulen werden Theorien und Definitionen der Philosophie entwickelt und diskutiert, hier werden diese Denksysteme und entsprechende Modelle der Lebensführung nicht nur an Generationen von Fachphilosophen vermittelt, sondern auch an Mitglieder der Oberschicht und teils auch an weitere Schichten der antiken Gesellschaft. Weil also gerade die philosophischen Schulen – zu denen sowohl die festen Institutionen im klassischen, hellenistischen und spätantiken Athen gehören als auch kleinere Lehrer-Schüler-Verbünde an vielen antiken Orten98 – der Ort sind, an dem verschiedene Themen, die eine um97

  Vgl. zum Folgenden die von Imbach, Neue Perspektiven für die Erforschung der mittelalterlichen Philosophie, 254–256, benannten Gesichtspunkte, die grundsätzlich auch für die Erforschung der antiken Philosophie relevant sind. 98   Zu den Dimensionen des Begriffs ›Schule‹ vgl. prägnant C. Giraud, Die intellektuellen Orte, in: GGPh Mittelalter 3, 1 (2020), 47–54, hier 47. Zu den Institutionen der antiken

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Einleitung

fassende Untersuchung zu behandeln hat, ihren Bezugspunkt haben, bietet es sich an, zunächst einmal sie zum Fokus der Darstellung zu machen und anhand ihrer die verschiedenen genannten Aspekte der Untersuchung zu diskutieren. Dort, wo eine Gliederung nach philosophischen Richtungen bzw. Schulen nicht möglich ist – im nicht-griechischen Raum gibt es solche meist nicht –, können andere Personen oder Personengruppen zur Gliederung der Untersuchung dienen. Als zusätzliche Strukturierungshilfe können – in dem Bewusstsein, dass es sich um eine behelfsmäßige Klassifizierung handelt99 – die verschiedenen, in der Forschung üblicherweise verwendeten Epochen der Philosophiegeschichte genutzt werden: die Vorsokratische bzw. frühgriechische, Klassische, Hellenistische, Kaiserzeitliche und Spätantike Epoche der Philosophie. Mit der Trennung der ›Ausgehenden Antike‹ ab ca. 480 v.  Chr. von der ›Spätantike‹ wird in diesem Buch eine zusätzliche Abgrenzung vorgenommen, weil – wie in der Einleitung in diese Epoche näher ausgeführt wird – gerade zu dieser Zeit, parallel in mehreren sich entwickelnden Kulturräumen, ähnliche Grundlagen für ein neues, verändertes Philosophieverständnis gelegt werden, das in der arabisch-islamischen Welt und im lateinischen Mittelalter wirksam werden wird.100 Schließlich gilt es – je nach der konkreten Situation in einer Epoche – auch eine Unterscheidung der Philosophie im griechischen Sprachraum zu der in den nicht-griechischen Gebieten vorzunehmen und auch die religiöse Zugehörigkeit der philosophischen Akteure zu berücksichtigen. In diese Grundstruktur können in vielfacher Weise die einschlägig relevanten Einzelpersönlichkeiten bzw. Personengruppen einbezogen werden, anhand derer die vielen Geschichten erzählt und eingeordnet werden können, welche die antike Philosophie ausmachen. Als Kriterium für die Berücksichtigung einzelner Personen sollen, wie bereits angedeutet, insbesondere die Belege für das Wortfeld ›Philosophie  /  Philosoph‹ dort erhoben werden, wo sie auftauchen, so dass möglichst viele der antiken Menschen berücksichtigt werden können, die dieses Wortfeld für sich, für ihre Vorbilder oder für ihre Gegner in Anspruch genommen haben. Gerade diese Berücksichtigung sich lexikalisch aufdrängender Quellen ermöglichen einen Blickwinkel, der den Quellen selbst entnommen ist und die moderne Philosophie vgl. zusammenfassend P. Hadot, Philosophie V. Institutionelle Formen. A. Antike, in: HWbPhil 7 (1989), 795–800. Für weitere Untersuchungen vgl. vor allem die oben S.  11 Anm.  15 genannten Forschungen. 99   Vgl. zur Entstehung der heute geläufigen Epocheneinteilung der antiken Philosophie und den Gründen dafür Gemelli Marciano, Einführung, 373–375; zum Epochenbegriff allgemein z. B. J. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, 84. 100   Die Argumente, die mich zu dieser Ansetzung führen, habe ich bereits dargelegt in M. Perkams, Einheit und Vielfalt der Philosophie von der Kaiserzeit zur Ausgehenden Antike, in: Ch. Riedweg (Hrsg.), Philosophia in der Konkurrenz von Schulen, Wissenschaften und Religionen. Zur Pluralisierung des Philosophiebegriffs in Kaiserzeit und Spätantike. Akten der 17. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 16–17. Oktober 2014 in Zürich, Berlin  /  Boston 2017, 3–31.

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Perspektive ein Stück weit korrigieren kann, welche sich sowohl aus den eben ausgewiesenen Fragen als auch aus der Enge überlieferter Textkanones ergibt. Hierbei gilt es allerdings, mehrere Punkte zu beachten: So verwenden einige Denker, die auch im antiken Sinn philosophia betreiben, den Wortstamm selbst (fast noch) nicht, z. B. die Vorsokratiker. Sie lassen sich aber durchaus zum Gegenstand einer Geschichte des Begriffs philosophia rechnen, und zwar nicht nur wegen der fraglosen Qualität ihrer Arbeit, sondern auch, weil sie aus Sicht der antiken Philosophen seit Sokrates als Vorläufer der eigenen Arbeit und Lebenshaltung verstanden werden und insofern auch aus antiker Perspektive zur (Entwicklungs-)Geschichte der philosophia gehören. Dies gilt freilich nicht für alle Gruppen, denen die Griechen philosophia zuschreiben, da z. B. bei den sogenannten Vertretern einer ›Barbarenphilosophie‹ aus nichtgriechischen Völkern eine Kontinuität gelegentlich konstruiert wird, ohne dass sie sich in der Geschichte der philosophischen Theorie und Lebensweise tatsächlich irgendwie feststellen lässt. Dagegen sind aus der Perspektive des antiken Sprachgebrauchs und der realen Betätigungen die Juden und Christen, die am antiken Bemühen um die philosophia teilnehmen, auf jeden Fall zu berücksichtigen, zumal sie sich an jeder der eben genannten Dimensionen der philosophia beteiligen: Sie entwickeln philosophische Theorien, leben und vermitteln philosophische Praxen, stellen sich als Philosophen dar und besuchen Philosophenschulen. Tatsächlich werden jüdische und christliche Ansichten auch von ihren Kritikern durchaus als philosophisch wahrgenommen, auch wenn die Möglichkeit und Qualität einer solchen jüdisch-christlichen Philosophie bezweifelt wird – denn die geäußerten Kritiken unterscheiden sich nicht wesentlich vom antiken Diskurs über die ›richtige‹ Philosophie im Vergleich zu ihren falschen Gegenstücken, die meist in anderen Schulen ver­ortet werden.101 Schließlich ist zu bedenken, dass keineswegs alle antiken Menschen, die einmal Philosophie betrieben haben und sich als philosophoi bezeichnen, ›Philosophen‹ werden oder zumindest keine Fachphilosophen, sondern primär in anderen Lebenssphären aktiv bleiben. Berühmte Beispiele wie Cicero oder Kaiser Julian zeigen jedoch, dass einige von ihnen auch die Fähigkeit zu eigenständigem philosophischen Arbeiten in hohem Maße besitzen102 und insofern auch das Ideal eines philosophischen Forschens auf bestimmte Weise realisieren. Folglich müssen auch diese wichtigen Persönlichkeiten hier Berücksichtigung finden. Als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird schließlich, dass man die gesellschaftliche Rolle der antiken Philosophie nicht ohne die Theorien begreifen kann, welche in den Schulen gelehrt werden und die die große Reichweite der antiken Philosophie ermöglichen. Die grundsätzlich gut erforschten systematischen 101

  Dies ist vielfach untersucht und nachgewiesen worden, vgl. z. B. Görgemanns, Philosophie II. A., 617–620; Karamanolis, The Philosophy of Early Christianity, 29–59. 102  Auch dies ist bekanntlich – mit meist recht wohlfeilen Charakterisierungen wie ›Eklek­tiker‹ oder ›Dilettant‹ – vielfach bestritten worden, hält aber den Ergebnissen genauer philosophiehistorischer Analysen nicht stand. Vgl. dazu unten S. 517  f.

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Grundlinien dieser Theorien sollen hier regelmäßig skizziert, aber vor allem in ihrer Verbindung zu den programmatischen Äußerungen und Vermittlungs­instru­ menten der antiken Philosophenschulen betrachtet werden, welche diese Theorien diskutieren, lehren und so ihre Breitenwirkung ermöglichen. Ferner finden solche Themen besondere Beachtung, die in der Antike breit rezipiert werden und die gesellschaftliche Haltung zur Philosophie in der Antike beeinflussen. Dies gilt z. B. für Thesen wie die Ewigkeit der Welt oder die göttliche Vorsehung, die in der (Spät-)Antike viel diskutiert werden, während sie aus heutiger Sicht eher historisch interessant scheinen. Zu den Vermittlungsinstrumenten zählen z. B. die Textformen der antiken Philosophie, ihre didaktischen Ansprüche und die entsprechenden Lektürelisten, deren Besonderheiten die Forschung der letzten Jahrzehnte in bewundernswerter Weise herausgearbeitet hat.103 Doch ist auch zu beachten, dass bereits die antiken philosophischen Theorien selbst didaktische Konzepte beinhalten, die sich in ihrer systematischen Gestaltung zeigen, so dass es eine Parallelität von Theorie und Vermittlung gibt, bei der das prioritäre Anliegen nicht immer leicht zu ermitteln ist. Alle diese Punkte sind wichtige Kontexte der programmatischen Aussagen zur Philosophie, welche aus heutiger Sicht das Rückgrat der Erforschung des antiken Philosophiebegriffs bilden müssen, aus antiker Sicht aber – wie sich vielfach zeigen wird – ohne die im Hintergrund stehenden Theorien gar nicht in ihrer Tragweite verständlich sind: An erster Stelle stehen hierbei ohne Zweifel die antiken Definitionen von ›Philosophie‹. Sie werden entweder von Platon (›Ähnlichwerden mit Gott, soweit es dem Menschen möglich ist‹ [ὁμοίωσις θέῳ κατὰ τὸ δυνατόν ἀνθρώπῳ]; ›Sorge um den Tod‹ [μελετἠ τοῦ θανάτου]), von Aristoteles (›die Wissenschaft des Seienden, insofern es seiend ist‹ [ἐπιστήμη τοῦ ὄντος ῇ ὂν ἐστιν]) oder von den Stoikern (›Wissenschaft über die göttlichen und die menschlichen Dinge‹ [ἐπιστήμη τῶν θείων καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων]) bzw. in einer späteren Metareflexion (›Wissenschaft der Wissenschaften und Fertigkeit der Fertigkeiten‹ [ἐπιστήμη ἐπιστήμων καὶ τέχνη τέχνων]) entwickelt. Auch Platons allgemeine Charakterisierung der Philosophie im ›Symposion‹ als ›Streben nach Weisheit‹ (ὄρεξις σοφίας bzw. studium sapientiae) wird in der Antike als Definition von Philosophie verstanden und gebraucht. Alle diese Definitionen werden durch die ganze Antike hindurch von zahlreichen Autoren zitiert, die auf diese Weise auf das Ideal der Philosophie anspielen, auch ohne den Begriff ›Philosophie‹ ausdrücklich zu nennen: Wenn Neuplatoniker wie Plotin darüber diskutieren, wie man Gott ähnlich wird, ist für den gebildeten antiken Leser die Platon-Referenz und der Anklang an die Frage, was Philosophie ist, genauso klar wie für moderne Fachleute. Dies 103   Wichtige Publikationen hierzu sind M. Untersteiner, Problemi di Filologia filosofica, Milano 1980; J. Mansfeld, Prolegomena. Questions to be Settled Before the Study of an Author, or a Text, Leiden u. a. 1994; H. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie. Schrift – Schule – Lebensform, Frankfurt 2004, 38–94; I. Männlein-Robert  /  Ch. Riedweg, Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung und Methoden der Textinterpretation in historischer Perspektive, in: GGPh 5, 1 (2018), 64–83.

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ist nicht zuletzt zu beachten, wenn jüdische und christliche Autoren derartige Formeln zitieren – ggf. in veränderter Form, z. B. als ›Nachahmung von‹ und nicht als ›Ähnlichwerden mit Gott‹ – und sich somit erkennbar in die philosophische Tradition der Antike einordnen, ohne dies explizit zu machen. Als Ergänzung zu den Definitionen sind die Einteilungen der Philosophie in ihre verschiedenen Teile zu beachten, deren Geschichte vor allem von Pierre Hadot erforscht worden ist.104 Die Anfänge finden sich einerseits bei Aristoteles und andererseits in einer Reihe eng verwandter Texte der Alten Akademie und der frühen Stoa. Aus dieser Entwicklung geht die Einteilung der Philosophie in Logik, Physik und Ethik hervor, während Aristoteles vor allem eine Einteilung in theoretische und praktische Philosophie anregt (bzw. in Teilen bereits selbst durchführt), die wieder in Physik, Mathematik und Theologie  /  Erste Philosophie  /  Metaphysik sowie in Ethik, Politik und Ökonomik eingeteilt werden. Eine spätere Entwicklung stellt vor allem die anagogische Anordnung Ethik, Physik, Metaphysik  /  Theologie dar, die, mit oder ohne Berücksichtigung der Logik, seit dem 2. Jahrhundert sicher nachweisbar ist und in der Spätantike bei Platonikern und Christen stark überwiegt. Derartige Einteilungen sind nicht nur zu einem besseren Verständnis der philosophischen Inhalte wichtig, sondern auch, weil sie, gerade in stoischer Tradition, angeben, was zur Philosophie gehört und was nicht zu ihr zählt. Auch finden sie eine breite Rezeption in der Antike und werden zu Chiffren der Philosophie selbst, selbst dort, wo diese nicht explizit genannt wird – und sind so ein wesentlicher Bestandteil jeder Ermittlung des antiken Philosophiekonzepts. Neben den Definitionen und Einteilungen gilt es, Aussagen zu beachten, welche die eigene Rolle durch Konturierung des eigenen Programms sowie durch Abgrenzung zu rivalisierenden Ansprüchen auf gesellschaftlichen Einfluss begründen. Während die programmatischen Aussagen der antiken Philosophen sich vielfach mit ihren Definitionen und Einteilungen der Philosophie decken oder berühren, setzen die Abgrenzungen einen eigenen Blickwinkel voraus, geht es doch letzten Endes darum, auf welchen Feldern die antike Philosophie Akzente setzt und wie sie in Auseinandersetzungen tritt – sowie ihrerseits kritisiert wird. Eine Durchsicht der relevanten Felder kann auf das eben Gesagte zurückgreifen, hat aber auch weitere typisch antike Fragestellungen zu berücksichtigen:  – Das gilt insbesondere für das Verhältnis der Philosophie zur Rhetorik, dessen zentrale Rolle ein Spezifikum der antiken Situation darstellt und diese wesentlich prägt. Die Rivalität beider Lehrtraditionen um das Ziel, Leitdisziplin der 104

  Vgl. P. Hadot, Les divisions des parties de la Philosophie dans l’Antiquité, in: Museum Helveticum 36 (1979), 201–223 (dt. Die Einteilung der Philosophie im Altertum, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 36 [1982] 422–444). Vgl. ferner M. Bonazzi, Il posto dell’etica del sistema del platonismo, in: Ch. Pietsch (Hrsg.), Ethik des antiken Platonismus. Der platonische Weg zum Glück in Systematik, Entstehung und historischem Kontext. Akten der 12. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 15. bis 18. Oktober 2009 in Münster, Stuttgart 2013, 25–33; M. Perkams, Die Ursprünge des spätantiken philosophischen Curriculums im kaiserzeitlichen Aristotelismus, in: Elenchos 36 (2015), 149–163.

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Bildung zu sein,105 die letztlich spätestens auf die Rivalität zwischen Platon und Isokrates zurückgeht, wird bis in die Spätantike intensiv geführt und trägt so zur Konturierung der Philosophie bei. Dabei geht es nicht einfach um einen Kampf um eine intellektuelle Lufthoheit, sondern um ganz konkrete Fragen wie soziale Anerkennung, die Gewinnung neuer Schüler und damit um das finanzielle Auskommen von Lehrern beider Fächer – Fragen, die für die Beteiligten derart wichtig waren, dass sich das Spezifikum antiker Philosophie in den verschiedenen Epochen nicht beschreiben lässt, ohne jeweils darauf einzugehen, wie sie sich gegenüber der Rhetorik in Stellung bringt.  – Das Verhältnis von Philosophie zur Politik bzw. politischen Bildung ist nicht erst aufgrund heutiger Interessen an der praktischen Relevanz der Philosophie zentral, sondern wegen des seit Pythagoras und Platon erhobenen Anspruchs, dass Philosophenherrscher ganze Städte regieren oder doch wenigstens Philosophen die Herrschenden lehren und beraten sollen. Faktisch ist auch in der Antike, wie kaum anders zu erwarten, meist allenfalls der zweite Punkt realisierbar. Jedenfalls erweist sich aber die Verbindung von Philosoph und Herrscher als ein langlebiges Ideal, dessen faktische Wirkung allerdings in der Antike wie der modernen Forschung selten genau erhoben, aber wohl umso häufiger überschätzt wird.106 Die Frage nach Philosophie und Politik trägt demnach auf mehreren Ebenen zur Kontur der Philosophien der Antike bei und erfordert eine vielschichtige Betrachtung: Parallel zu der Frage, wie bei den einzelnen Denkern und in den verschiedenen Schulen politische Aktivität oder Kompetenz als mögliches Merkmal der Philosophie theoretisch behandelt wird, gilt es sowohl die faktische Wirkung des Ideals als auch die gesellschaftliche Bedeutung des Topos von Philosoph und Herrscher im Blick zu behalten.  – Das Verhältnis von Philosophie und (Fach-)Wissenschaft ist ebenfalls mehrschichtig: Einerseits ist die Philosophie von ihrem Anspruch, eine rationale Methodik zu verwenden und eine Leitdisziplin zu sein, mit den übrigen Wissenschaften eng verbunden und steht in faktischem inhaltlichen Austausch mit ihnen; andererseits bringt ihr Ideal, eine leitende Disziplin höherer Bildung mit universalem Welterklärungsanspruch, lebensleitender Funktion und politischen Akzenten zu sein, eine gewisse Distanzierung zur spezielleren Forschung mit sich. Es ist daher für eine Einschätzung des Selbstverständnisses antiker Philosophie wichtig zu schauen, wie dieses Spannungsverhältnis von den verschiedenen Philosophen und in den verschiedenen Schulen jeweils gelöst, aber auch wie es von Vertretern der Fachwissenschaft betrachtet wird. Im Vergleich zur Moderne stellt sich für die Antike insbesondere die Frage, inwieweit es der 105   Eine immer noch nützliche Zusammenfassung zu diesem Punkt liefert H. von Arnim, Leben und Werke des Dio von Prusa mit einer Einleitung. Sophistik, Rhetorik und Philosophie in ihrem Kampf um die Jugendbildung, Berlin 1898, 4–114; vgl. auch Ch. Tornau, Rhetorik, in: RAC 29 (2019), 1–94. 106   Vgl. die ebenso allgemeinen wie belegarmen Ausführungen zu diesem Punkt von Brown, Power and Persuasion, 61–70 (dt. 85–94).

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

Philosophie in der Antike gelingt, die anderen Disziplinen durch methodische Ideen und eine Metareflexion zu bereichern.  – Während das Verhältnis von Philosophie und Religion aus heutiger Sicht durch Gegensatzpaare wie Glaube und Wissen oder geistlich und säkular geprägt ist,107 wirkt die Situation in der Antike – deren Sprachen ja über keinen Begriff verfügen, der dem modernen Wort ›Religion‹ entspricht108 – komplexer: Bei aller Entgegensetzung von Logos und Mythos seit den Vorsokratikern bleibt letzterer doch eine literarische Form des philosophischen Diskurses, und eine rationale Kritik überlieferter religiöser Annahmen und Daseinsformen – z. B. mit dem Ziel, diese zur Garantin eines moralisch richtigen Lebens zu machen – geht Hand in Hand mit der Bejahung bestimmter, anscheinend philosophisch korrekter religiöser Annahmen und Kulte sowie der Aufnahme mystischer Ideale in philosophische Traditionen. Die Komplexität der antiken Situation zeigt sich schlaglichtartig daran, dass etwa Ciceros Skeptiker Cotta seine unangefochtene Bereitschaft zum kultischen Dienst bekennt und dass, nach Meinung einiger moderner Interpreten, jedenfalls der späte Neuplatonismus selbst geradezu zu einer Religion wird. Am augenfälligsten zeigt sich die Nähe, die in der Antike zwischen Philosophie und Religion bestehen kann, in der Aufnahme des Philosophie-Ideals durch Juden und Christen, dank derer gerade zwei religiöse Bewegungen in Theorie und Praxis dem Ideal eines philosophischen Lebens neue Impulse und Inhalte verleihen. Um dieser Beobachtung einen breiten, das Verständnis ermöglichenden Horizont zu verleihen, gilt es, bei den einzelnen Autoren und Schulen sowohl die expliziten Aussagen zum Verhältnis von Philosophie und Religion zu erheben als auch auf die gedanklichen und faktischen Hintergründe dieses Verhältnisses hinzuweisen. Auch im Hinblick auf die verschiedenen Sprachräume der Antike gilt es angemessen zu differenzieren: Schon in der lateinischen Welt, die in einer idealisierenden Optik als ›griechisch-römische Antike‹ mit dem griechischen Bereich fast in eins vermengt wird, muss ein Cicero sein beträchtliches rhetorisches Geschick aufwenden, um seine Beschäftigung mit griechischer Philosophie zu rechtfertigen, und nicht zufällig sind Philosophenschulen und Fachphilosophen ein praktisch ausschließlich im griechischen Raum vorfindliches Phänomen. Auch im syrisch- oder armenischsprachigen Raum, wie überhaupt im Christentum, ist die Philosophie so sehr als etwas Griechisches konnotiert, dass die Worte ›Philosophen‹ und ›Hellenen‹ nicht selten fast austauschbar gebraucht, jedenfalls aber eng miteinander verbunden werden. Für alle diese Räume ist daher die Frage, wie die Rezeption der Philosophie gerechtfertigt und wie ihre Begriffe kulturell angepasst werden, 107

  Vgl. zur Entstehung dieser Konzeptualisierung die Überlegungen im Fazit dieser Untersuchung unten S. 1157–1161. 108   Vgl. zu dieser Problematik und möglichen modernen Umgangsweisen damit I. Tanaseanu-Döbler, Religion, in: RAC 28 (2018), 1015–1082, vor allem 1015–1020.

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besonders zu beachten. Das ist auch deswegen unerlässlich, weil die unterschiedlichen Charakteristika der Philosophie in diesen Sprachräumen den Übergang zu den zwei wirkmächtigsten Kulturen prägen, welche das Erbe der Antike lebendig halten: zum lateinischen Mittelalter und zur arabisch-islamischen Welt.109 Die teils etwas enigmatischen Faktoren, welche den Weg vom spätantiken Neuplatonismus zu den bekennenden Aristotelikern der Folgezeit erklären, bilden insofern einen der bedeutendsten Gegenstände philosophie­historischer Forschung. Letztlich soll durch die breite Einbeziehung all dieser Traditionen die Antike diachron wie synchron als eine Art ›Möglichkeitsraum‹ sichtbar werden, in dem sich in verschiedenen Perspektiven zeigt, was Philosophie in einem voruniversitären (bzw. außeruniversitären) Kontext leisten und nicht leisten kann.

4. Zur konkreten Ausarbeitung Um eine Systematisierung der Inhalte zu ermöglichen und den Zugang zu ihnen zu erleichtern – um also das Werk einer handbuchartigen Nutzung zugänglich zu machen –, werden die verschiedenen Themen in einer standardisierten Reihenfolge abgehandelt, deren Prinzipien die folgenden sind:

Epocheneinteilung Da der Sinn und vor allem die Begründbarkeit dieser Epocheneinteilung der antiken Philosophie gerade in neuerer Zeit immer wieder Gegenstand der Diskussion sind, werden zu Beginn jedes Hauptkapitels kurz die Geschichte der Behandlung der Epoche dargestellt sowie Gründe für deren Eigenständigkeit und Zusammengehörigkeit gesammelt. Hier werden regelmäßig Hegels ›Vorlesung zur Geschichte der Philosophie‹ von 1825/26 sowie die bereits erwähnten Darstellungen von Eduard Zeller, Pierre Hadot sowie den beiden neuesten von Karl Praechter bzw. Hellmut Flashar hauptsächlich verantworteten Ausgaben des ›Ueberweg‹ herangezogen, während weitere Darstellungen von Fall zu Fall zum Vergleich benutzt wurden. Die angegebenen Charakteristika der einzelnen Epochen sind aber auf der Grundlage dieser Veröffentlichungen anhand der Ergebnisse der vorliegenden Bearbeitung eigenständig neu zusammengestellt worden. Vor dem Hintergrund dieses allgemeinen Überblicks werden zudem zu Beginn jeder Epoche Leitfragen formuliert, die sich im Hinblick auf ein angemessenes Verständnis des Philosophiebegriffs insbesondere für die Philosophie dieses Zeitraums stellen. 109

  Zur Frage, warum die Rede von einem Mittelalter im Islam unpassend ist, vgl. Th. Bauer, Warum es kein islamisches Mittelalter gab. Das Erbe der Antike und der Orient, München 22019.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

Historische, literarische und gesellschaftliche Hintergründe Bevor im Hauptteil der Epochendarstellung die einzelnen Philosophen- bzw. Philosophengruppen behandelt werden, widmet sich jeweils ein ausführliches Kapitel den historischen und gesellschaftlichen Hintergründen sowie der literarischen Form der philosophischen Entwicklungen: Hier werden neben einem knapp gehaltenen Überblick über wichtige geschichtliche Entwicklungen der Epoche insbesondere die Verbreitung und die soziale Stellung der Philosophen sowie ihre politische Rolle erörtert. Diese Teile haben eine mehrfache Funktion: Sie sind nicht nur eine kurze Einleitung, sondern liefern wichtige Informationen, um die Rolle der Philosophie in einem Zeitabschnitt sowie den Zusammenhang der philosophischen Entwicklungen miteinander und mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu verstehen. Gerade für die gesellschaftliche Rolle der Philosophen kann inzwischen für fast jede Epoche auf gute althistorische Arbeiten zurückgegriffen werden. Diese verdienen insofern auch ein philosophisches Interesse, als sie z. B. darlegen, wie sich der philosophische Anspruch auf eine (Fähigkeit zur) politische(n) Tätigkeit in der Praxis auswirkt. In diesem Abschnitt findet sich sodann ein Überblick über literarische Formen der Philosophie in einer Epoche: Diese können in der Antike sehr unterschiedlich sein und reichen vom parmenideischen Lehrgedicht über die platonischen Dialoge, die Briefe Epikurs und Senecas und die Selbstgespräche Mark Aurels bis hin zu Traktaten, Kommentaren und ausführlichen Widerlegungen von Gegenpositionen. Bereits an dieser Vielfalt zeigt sich, dass die philosophischen Texte den Charakter einer philosophischen Richtung oder gar einer Epoche wesentlich ausmachen. Sie zeugen mit ihrem jeweiligen literarischen Anspruch sowie ihrer wissenschaftlichen oder didaktischen Zielstellung von der Vorstellung, welche sich bestimmte Autoren von der Philosophie machen, sowie der Rolle, welche die Philosophie zu einer bestimmten Zeit einnimmt. Es überrascht daher nicht, dass die Verbindung von Philosophie und Literatur in neuerer Zeit zu einem eigenen Forschungsgebiet wird,110 ohne dass die dadurch gegebenen Anregungen für den Philosophiebegriff bereits komplett fruchtbar gemacht worden wären. Ein wichtiges Element stellt aus heutiger Sicht eine Zusammenfassung der in den Quellen enthaltenen Informationen über die Rolle von Frauen in den verschiedenen Philosophenschulen und Schriften der Epoche dar. Der Verweis auf Schriften ist hier deswegen wichtig, weil für die Ermittlung der Rolle, welche in der antiken Philosophie Frauen zugeschrieben wird, weibliche Figuren in Texten sowie fiktive Autorinnen pseudonymer Texte häufig fast die einzige belastbare Quelle darstellen, da Informationen über das tatsächliche Wirken antiker Philosophinnen spärlich sind und Texte, die sich Frauen sicher zuweisen lassen, weit-

110

  Vgl. oben Anm. S.  36 Anm. 103.

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gehend fehlen.111 In jedem Fall lässt nur eine Zusammenschau von historischen Informationen und einschlägigen Texten annähernd erkennen, welche Rolle Frauen in der antiken Philosophie spielen.

Die Darstellung der einzelnen Autoren, Richtungen und Schulen Den Kern des Werkes bilden die Darstellungen der einzelnen Philosophen, der philosophischen Richtungen und Schulen sowie weiterer Autoren, welche sich zur Philosophie äußern oder für sich beanspruchen, ein(e) philosophos zu sein oder philosophia zu praktizieren. Hierbei werden nicht alle einschlägigen Personen einzeln behandelt, sondern vielfach werden größere Autorengruppen gebildet, die meist mit den Angehörigen einer philosophischen Richtung in der jeweiligen Epoche zusammenfallen; so wird etwa die jüngere Stoa in der Kaiserzeit, die mittlere hingegen zusammen mit der älteren Stoa in der hellenistischen Epoche behandelt. Zentrale Figuren wie Platon und Aristoteles bleiben Gegenstand eines eigenen Kapitels. Bei allen Personen oder Gruppen werden regelmäßig folgende Punkte dargestellt: 1) eine kurze historisch-biographische Charakterisierung, welche die vorangehende allgemeine Darstellung der Epoche konkretisiert, 2) eine kurze Charakterisierung des philosophischen bzw. philosophisch relevanten Œuvres der jeweiligen Gruppe, 3) eine Zusammenfassung der philosophischen Theorien der einzelnen Autoren und Gruppen. 4) eine zusammenfassende Untersuchung der Verwendung der Begriffe philosophia, philosophos und weiterer einschlägiger Begriffe; zu diesem Punkt werden jeweils mehrere Unterpunkte berücksichtigt: a) der allgemeine Gebrauch des Wortstamms ›philosoph-‹, b) die Verwendung von bzw. die Aussagen zu konkreten Definitionen der Philosophie, und zwar auch dann, wenn die Definitionen ein Eigenleben zu führen beginnen, d. h. als Chiffre für ein (ursprünglich) philosophisches Ideal benutzt werden, ohne dass die Philosophie selbst erwähnt würde, c) erwähnte und diskutierte Einteilungen der philosophischen Teilgebiete bzw. der ›Teile der Philosophie‹, d) Verhältnisbestimmungen der Philosophie zu Politik, Rhetorik, Fachwissenschaften und Religion, wozu sowohl explizite Aussagen zu diesem Feld als auch allgemeine Bemerkungen zur konkreten Arbeit gehören.

111   Der einzige Fall, wo das nach jetzigem Forschungsstand wahrscheinlich ist, sind die Briefe der Epikureerin Batis, s. unten S. 383.

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›Was ist Philosophie in der Antike?‹

5) eine zusammenfassende, tendenziell wohlwollend formulierte Würdigung, die versucht, den Beitrag der jeweiligen Personen zur antiken Philosophie kurz zu charakterisieren. Die hier gegebene Gliederung ist insofern als idealtypisch zu verstehen, als nicht bei allen Autoren und Gruppen alle Punkte abgehandelt werden, da nicht überall einschlägiges Material vorhanden ist. Die hier vorgegebene Reihenfolge wird aber weitestgehend streng durchgehalten, so dass man auch dann, wenn ggf. einzelne Punkte nicht oder nur knapp (ohne eigene Zwischenüberschrift) behandelt werden, schnell finden kann, was man sucht. Für die richtige Bewertung der bei diesen Teilen erstrebten Zeile sind einige konkrete Bemerkungen angebracht:

Auswahl und Zusammenstellung der zu behandelnden Autoren Grundsätzlich wird eine gewisse Vollständigkeit bei der Behandlung der Autorinnen und Autoren angestrebt, die in der Antike Philosophie betrieben oder dies beansprucht oder sich theoretisch zur Philosophie geäußert haben. Neben Fachphilosophen werden daher insbesondere auch wissenschaftliche und jüdische und christliche Autoren in großem Maße einbezogen, ohne dass eine Kanonbildung angestrebt wurde: Jeder Autor, der den oben genannten Kriterien genügt, sollte berücksichtigt werden. Bearbeitet wurden auch die jüdische und christliche Bibel als Quellentexte, die für die weitere Rezeption des Philosophiebegriffs von großer Bedeutung sind. Eine sprachliche Grenze wurde nicht gezogen, sondern lateinische, syrische und altarmenische Texte wurden, soweit sie zugänglich waren, berücksichtigt. In den meisten Fällen werden die verschiedenen Sprachräume in eigenen Unterkapiteln behandelt, um die Besonderheiten des Philosophieverständnisses in diesen Gebieten herauszuarbeiten; lediglich für die Kaiserzeit wurde hierauf verzichtet, weil in dieser Zeit die griechischen Strömungen, Theorien und Darstellungsweisen der Philosophie auch stark auf die benachbarten Sprachräume ausstrahlen, so dass eine große Ähnlichkeit lateinischer Texte mit griechischen gegeben ist. Für alle anderen Epochen ist das hingegen nicht der Fall, und es schien wichtig, hierauf explizit hinzuweisen. Im Ganzen stellt daher die Herausarbeitung der besonderen Entwicklungen in den einzelnen Sprachräumen auch eine Zieldimension dieses Bandes im Sinne einer Regionalisierung der Philosophiebegriffe dar. Eine einheitliche zeitliche Grenze war für den Beginn der Arbeit durch die antike Tradition der Philosophiegeschichtsschreibung gegeben, welch die philosophische Arbeit mit Thales bzw. Anaximander einsetzen lässt. Nach hinten wurde, wie schon erwähnt, eine einheitliche Linie um 600 n. Chr. gezogen: Bis zu diesem Punkt vollziehen sich im lateinischen, syrischen, griechischen und altarmenischen Sprachraum teils parallele Entwicklungen, die den Ausgang der antiken Philoso43

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phie und den Übergang zum Mittelalter klar markieren. Ein Überschreiten dieser zeitlichen Grenze hätte auch bedeutet, viele kaum zugängliche syrische oder armenische sowie früharabische Texte berücksichtigen zu müssen, was auch sachlich nicht machbar war und keinen wesentlichen Beitrag zum antiken Philosophieverständnis hätte erwarten lassen. Dass auf diese Weise Autoren wie Isidor von Sevilla oder Johannes von Damaskus keine Berücksichtigung fanden, schien insofern verschmerzbar, als sie mit Fug und Recht als frühmittelalterlich bzw. früharabisch oder frühbyzantinisch gelten können. Nicht systematisch durch eigene Einträge berücksichtigt werden konnten literarische bzw. poetische Autoren und Historiker. Ihre detaillierte Behandlung hätte bei geringem sachlichen Gewinn für die Philosophiegeschichte ein Überquellen eines sowieso schon hinreichend umfangreichen Werkes bedeutet. Wichtige Aussagen solcher Autoren werden aber in den historischen Einführungen zu den einzelnen Epochen oder im Rahmen von Schulen, denen diese Autoren nahe stehen, genannt.

Die systematischen Darstellungen Eine knappe Darstellung der wichtigen philosophischen Positionen der einzelnen Philosophen und philosophischen Richtungen erwies sich für die Fragestellung nach dem Philosophieverständnis schon als notwendig, um die Beobachtungen zur Verwendungsweise des Wortstamms philosoph- nicht im leeren Raum stehen zu lassen. Für die Frage, was Philosophie in der Antike ist, sind ja nicht nur programmatische Texte der Autoren zu beachten, sondern auch deren Hintergrund, also die theoretische Arbeit und die inhaltlichen Überzeugungen eines Autors oder einer philosophischen Richtung sowie die in ihr vorherrschende Form des philosophischen Lehrens. Hierzu habe ich auch die Benutzung und explizite Nennung philosophischer Autoren und Quellen in nicht fachphilosophischen Schriften gerechnet, welche ein Begreifen des Bezuges bestimmter Texte zur Philosophie erst ermöglichen. Erst wenn man diese Faktoren kennt, kann man einschätzen, mit welchen Praxen und geistigen Leistungen es in bewusster oder auch unbewusster Verbindung steht, und auf diese Weise reine Lippenbekenntnisse zur Philosophie erkennen, die freilich für die Verbreitung des Philosophie-Ideals ebenfalls relevant sind. Im Einzelnen kann der Zusammenhang zwischen philosophischer Arbeit und Lebensführung sowie programmatischen Aussagen sehr unterschiedlich sein: Gerade bei klassischen philosophischen Autoren und Schulen wie Platon, Aristoteles, Epikur und den Stoikern gibt es eine sehr enge Verbindung zwischen Philosophieverständnis und konkreter Arbeit, so dass die expliziten Aussagen zur Philosophie in direktem Zusammenhang mit der jeweiligen systematischen und didaktischen sowie praktischen Konzeption stehen und beide sich wechselseitig erklären. Schwerpunkte der Darstellung bilden einerseits solche Aussagen, die für das Verständnis 44

›Was ist Philosophie in der Antike?‹

der jeweiligen Philosophiebegriffe relevant sind, und andererseits Theorien, die eine intensive Rezeption vor allem in der Antike erfahren haben und an späterer Stelle dieses Buches wieder aufgegriffen werden. Bei Autoren aus dem Judentum und Christentum sowie aus Nachbardisziplinen der Theorie wie Medizin, Rhetorik und Mathematik ist hingegen die Frage interessant, ob es überhaupt eine Entsprechung zwischen philosophischer Arbeit und Lebensführung sowie der Verwendung des Begriffs gibt. Bei diesen Autoren kommt noch hinzu, dass ihre philosophischen Theorien häufig wenig bekannt und Informationen dazu nicht leicht zu finden sind. In diesen Fällen konzentriert sich dieser Absatz auf philosophisch einschlägige Theorien oder auf explizite Benutzungen fachphilosophischer Klassiker. Spezifisch theologische, rhetorische oder fachwissenschaftliche Leistungen werden an dieser Stelle in der Regel nicht erwähnt, aber u. U. wird auf Schnittpunkte aufmerksam gemacht. Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass die Darstellung einschlägiger Positionen, selbst wenn sie nicht vollständig sein kann, auch eine zugängliche Erkenntnisquelle zu wenig bekannten Konzeptionen und Belegstellen bietet. Die systematischen Zusammenfassungen der Lehren eines Philosophen oder einer Schule tragen im Allgemeinen nicht den Anspruch, autonome Forschungsbeiträge zu sein, sind doch die entsprechenden Passagen stets mit Blick auf einschlägige Überblicksliteratur geschrieben worden. Aber da sämtliche zitierte Belegstellen selbst überprüft und meist auch größere Textcorpora durchgearbeitet wurden, enthalten die entsprechenden Passagen durchaus persönliche Wertungen. Gerade der Kontext einer diachronen, vergleichenden Gesamtdarstellung hat zu diesen wesentlich beigetragen, treten doch vor diesem Hintergrund einige Akzentsetzungen klarer hervor, die sich aus der Sicht rein autoren- oder schulbezogener Untersuchungen weniger klar herausschälen.

Der Gebrauch des Wortstamms philosophBei der eigentlichen Analyse des Philosophiebegriffs werden neben dem Nomen ›Philosophie‹ die übrigen Formen desselben Stammes berücksichtigt, nämlich das griechische Verb philosophein und das Substantiv  / Adjektiv philosophos (für das weibliche wie das männliche Geschlecht) bzw. philosophon und deren Übersetzungen (lat. philosophus  /  philosophari; syr. philosophā; arm. imastasēr; hebr. filosofos). Auf diese Weise können gerade die expliziten Bezugnahmen auf das philosophia-Ideal erfasst werden. In diesen Kontext gehören auch die Übersetzungen des Wortstamms philosoph- in andere antike Sprachen (Latein: philosophia, Syrisch: philosophūṯā112, Altarmenisch: imastasirowtciwn), deren Beachtung 112

  Diese Transkription geht von der Annahme aus, dass gebildete Syrer das Wort möglichst Griechisch aussprechen. Faktisch könnte das Wort, weil das Syrische als semitische Sprache keine Vokale schreibt, auch anders vokalisiert worden sein, z. B. pilsapūttā.

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Einleitung

auch die Grundlage für eine Differenzierung von ›griechischer Philosophie‹ und ›antiker Philosophie‹ ist. Zu beachten ist bei einer solchen Untersuchung, dass der Wortstamm philosoph- im Griechischen z. T. in einer gewissen Überfülle genutzt wird, während andere antike Sprachen – das Lateinische, das Syrische und vor allem das Armenische – diesen Wortstamm u. U. geradezu vermeiden und stattdessen Worte vom Stamm ›Weisheit‹ verwenden. Weitere Übersetzungen und Umschreibungen der Philosophie, z. B. der lateinische Ausdruck sapientia, können hingegen nicht in gleicher Vollständigkeit berücksichtigt werden, zumal eine klare Referenz auf die Philosophie hier stets eine Frage der Interpretation ist; für das Ideal der philosophia, das sie nur indirekt ausdrücken, sind sie aber auch weniger erforderlich. Für eine Annäherung an das Verständnis der Autoren von der Philosophie wurde zunächst ihr Gebrauch des entsprechenden Wortstamms im Allgemeinen untersucht. Hierzu wurden anhand der Lektüre längerer Textpassagen oder ganzer Traktate oder mittels TLG-Suchen Passagen ermittelt, an denen bestimmte Autoren den Wortstamm philosoph- verwenden. Die wichtigeren dieser Passagen werden in den entsprechenden Abschnitten zusammenfassend interpretiert, um ein klares Bild davon zu gewinnen, auf welche Weise antike Autoren von Philosophie bzw. Philosophieren sprechen. Für viele Autoren und Autorengruppen stellt dieses Kapitel den Kern ihrer Vorstellung dar, während Autoren aus Randgebieten, die das Wortfeld philosoph- nicht verwenden, häufig nicht eigens berücksichtigt wurden.

Philosophiebegriffe und Einteilungen der Philosophie Die von den einzelnen Autoren geprägten, begründeten oder einfach angeführten Definitionen und Einteilungen der Philosophie sollen in relativer Vollständigkeit erfasst werden. Zu beachten ist freilich, dass die Situation im Detail komplex sein kann, da die Philosophie-Definitionen im Laufe der Zeit ein Eigenleben als wiedererkennbare Formeln führen, die angeführt werden können, ohne dass der Philosophiebegriff genannt wird. Es wurde versucht, dies zu berücksichtigen, aber je variabler die verschiedenen Formulierungen gebraucht werden, desto weniger war hier an Vollständigkeit zu denken. Trotzdem möchten die entsprechenden Abschnitte die wesentlichen antiken Entwicklungen abbilden. Häufig werden die Definitionen der Philosophie mit der Begriffsverwendung in einen Absatz zusammengefasst, da beide Größen sich gegenseitig erläutern. Die Einteilungen der Philosophie werden in der Regel in einem eigenen Absatz erläutert, ihre Begründungen werden, wo erforderlich, diskutiert und die einzelnen Formulierungen werden in einen breiteren diskussionsgeschichtlichen Kontext eingeordnet. Auch hier ist zu bedenken, dass die Einteilungen zum Teil formelhaft dekontextualisiert erscheinen, so dass sie keineswegs immer als Einteilung der Philosophie angeführt werden, aber doch deren Weiterwirkung anzeigen. 46

›Was ist Philosophie in der Antike?‹

Abgrenzungen der Philosophie von Nachbargebieten Aussagen zu den Abgrenzungen der Philosophie von Rhetorik, Politik, Religion und Fachwissenschaft werden jeweils am Ende eines Abschnitts angeführt und können mehr oder weniger ausführlich ausfallen, je nach der Wichtigkeit des Gegenstandes bei den einzelnen Philosophierenden. Es werden keineswegs immer alle vier Punkte angesprochen, während weitere Punkte, z. B. das Verhältnis der Philosophie zur Dichtung, ggf. mit der Religion zusammen behandelt werden. Neben direkten Aussagen zur Abgrenzung der Philosophie von diesen Gebieten enthalten diese Abschnitte auch Beobachtungen zur faktischen Ausgestaltung dieser Verhältnisse, die aus eigener Lektüre relevanter Abschnitte gewonnen sind. Sie können naturgemäß die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Philosophie und ihren Nachbargebieten nur ansatzweise erfassen.

Zur Methodik der Erarbeitung und zur verwendeten Literatur Die genannten Themen wurden für diese Untersuchung weitestgehend anhand der Ergebnisse einer Interpretation von einschlägigen Originaltexten bzw. zentralen Passagen aus diesen erarbeitet, wobei die eben aufgeführten Ziele und Fragestellungen erkenntnisleitend waren. Die interpretative Arbeit wurde dabei jeweils selbst am Text geleistet. Im Ergebnis können die Passagen, auf denen die einzelnen Deutungen beruhen, daher anhand dieses Bandes für die gesamte Antike aufgefunden werden. Für die Kontextualisierung der einzelnen Lektüren wurden für die einzelnen Philosophen regelmäßig vor allem die Zusammenfassungen des Forschungsstandes in den beiden hervorragenden aktuellen Nachschlagewerken ›Dictionnaire des philosophes antiques‹, hrsg. von Richard Goulet (DPhA), und ›Die Philosophie der Antike‹ im Neuen ›Ueberweg‹, hrsg. von H. Flashar u. a. (GGPh), verwendet. Besonderen Nutzen hatte dabei der ›Ueberweg‹, der regelmäßig auch die systematischen Positionen einzelner Denker zusammenfasst, doch konnte hier leider der Band 5, der die Kaiserzeit, die Spät- und die Ausgehende Antike behandelt, wegen seines späten Erscheinens erst bei der Überarbeitung herangezogen werden. Die Grundlage dieser Teile bilden dabei in erheblichem Maße die Erkenntnisse aus meiner eigenen jahrelangen Beschäftigung gerade mit diesen Epochen sowie anderen Überblickswerken, soweit diese greifbar waren. Aufgrund der immensen Ausdehnung des Themenbereichs konnte nur jeweils ein kleiner Teil der umfangreichen Sekundärliteratur zu den einzelnen Themen herangezogen werden.

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Einleitung

Zur Zitationsweise Der Umfang des Bandes und der Thematik bringt es mit sich, dass hier Texte aus allen Epochen der Antike zitiert werden, und zwar nicht nur fachphilosophische Texte, sondern auch solche aus anderen Wissensgebieten. Die Zitationspraxis musste daher der Situation gerecht werden, dass viele Editionen den Benutzern dieses Bandes unbekannt sein werden. Daher wurden in vielen, gerade weniger bekannten Fällen sowohl Paragraphen- als auch Seitenzählungen angegeben. Grundsätzlich ist für die Gestalt der Zitate aus antiker Literatur Folgendes zu beachten:  – Autorname und Werktitel werden bei der Anführung von Stellen grundsätzlich auf Latein ausgeschrieben.  – Nach dem Werktitel werden ohne Klammern werkinterne Buch-, Kapitel- und Paragraphenzählungen zitiert, die in den Editionen genannt sind. Kapitel- und Paragraphenzählungen werden nur dann getrennt aufgeführt, wenn nicht beide Zählungen fortlaufend sind. In diesen Fällen wurde nur die kleinteiligere Paragraphenzählung angegeben.  – In Klammern werden jeweils Angaben zu Bänden und Seitenzahlen der verwendeten Edition genannt. Angegeben werden dabei, soweit einschlägig, die Abkürzung für die Reihe (wo diese nicht steht, aber ein Band angegeben ist, handelt es sich um eine mehrbändige Werkausgabe des entsprechenden ­Autors), die Nummer des Bandes der Edition, Seiten- und Zeilenzahl in der Edition (vor der Seitenzahl steht kleine p. um den Übergang anzuzeigen) und der Editor. Einen Überblick über die verwendeten Editionen gibt das Editionenverzeichnis am Schluss des Bandes. Übersetzungen werden nur dann angegeben, wenn die im Text vorzufindenden Übersetzungen nicht von mir stammen.

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A. Die vorsokratische Philosophie Die Entwicklung des philosophischen Diskurses aus einem dunklen Anfang

I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

1. Die Anfänge des philosophischen Denkens – eine griechische Konstruktion Die Frage nach dem Ursprung der Philosophie ist kaum abschließend zu beantworten: Denn jede Antwort kann nichts anders sein als eine Rückprojektion des eigenen Philosophieverständnisses bzw. des eigenen Selbstverständnisses als Philosophierender auf die Ursprünge des eigenen Tuns. Insofern ist jede Angabe zum Ursprung der Philosophie notwendigerweise eine Konstruktion, die bestimmte Zeitpunkte und Autoren aus dem eigenen Blickwinkel als ›philosophisch‹ hervorhebt und andere weniger berücksichtigt. Alle Antworten auf die Frage, wo die Philosophie beginnt, sind jedenfalls stets von einem entwickelten Verständnis dessen, was Philosophie ist, geprägt.1 Dies lässt sich bereits für die antiken Darstellungen des Anfangs der Philosophie darlegen: Für sie ist eine rationale bzw. philosophische Welterklärung bereits von der archaischen Zeit an ein integraler Bestandteil der eigenen, griechischen Kultur. Schon in dem ersten großen Werk, das nach den homerischen Epen einen kulturellen Neuansatz darstellt, der ›Theogonie‹ Hesiods,2 findet Aristoteles3 Ansätze des philosophischen Denkens.4 Später wird der Anfang der »Philosophie über die Himmelskörper« mithilfe allegorischer Interpretation sogar im Mythos selbst, nämlich dem über Endymion, gefunden.5 Wenn Aristoteles und auch spätere Generationen eine Philosophie im eigentlichen Sinne bzw. eine »reine Philosophie«6 erst mit Thales und seinen Nachfolgern beginnen lassen, gerät die Vor1   Vgl. W. K. C. Guthrie, A History of Greek Philosophy 1. The Earlier Presocratics and the Pythagoreans, Cambridge 1962, 40 f.; Ch. Schäfer, Xenophanes von Kolophon. Ein Vorsokratiker zwischen Mythos und Philosophie, Stuttgart  /  Leipzig 1996, 24 f.; M. L. Gemelli Marciano, Einführung, in: Die Vorsokratiker 1. Thales, Anaximander, Anaximenes. Pythagoras und die Pythagoreer. Xenophanes. Heraklit. Griechisch  /  Lateinisch – Deutsch. Auswahl der Fragmente und Zeugnisse, Übersetzung und Einleitung von M. L. Gemelli Marciano, Düsseldorf 2007, 373–480, hier 389–392. 2   Vgl. H. Fränkel, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts, München 5 2006, 4 f. 3   Aristoteles, Metaphysica 1, 5, 982b 11. 4   Vgl. unten S. 298. 5   Scholia in Apollonium Rhodium 4, 58 (265, 10–13 Wendel). Als Quelle wird der Era­ thos­thenes-Schüler Mnaseas angegeben: Vgl. E. Bethe, Endymion, in: RE 5, 2 (1905), 2557– 2560, hier 2559 f. Zu Mnaseas vgl. O. Dreyer, Mnaseas 2, in: Der Kleine Pauly 3 (1979), 1369. 6   Vgl. Fränkel, Dichtung und Philosophie, 289–295.

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Die vorsokratische Philosophie

sicht des Stagiriten, der in der Neugier des Philosophen eine Parallele zum Liebhaber von Mythen beobachtet7 und sich daher der Unmöglichkeit einer völlig klaren Scheidung von Philosophie und Nicht-Philosophie durchaus bewusst ist, nie vollständig aus dem Blick.8 Weitere Dimensionen einer Darstellung des Anfangs der Philosophie lassen sich im größten erhaltenen philosophiegeschichtlichen Werk der Antike, in Diogenes Laertios’ ›Lebensbeschreibungen der Philosophen‹, beobachten:9 Diogenes zählt zu Beginn seiner Philosophiegeschichte eine Reihe »barbarischer« Vorläufer der Philosophie auf und wirft so die zusätzliche Frage nach dem spezifisch griechischen Charakter der Philosophie auf. Die Besonderheit der Griechen liegt ihm zufolge in der Begründung eines philosophischen »Geschlechts von Menschen«,10 das er gleichzeitig in Ionien bei Anaximander und in Italien bei Pythagoras beginnen lässt. Eine Linie davon setze sich ununterbrochen fort bis Kleitomachos, Chrysipp und Theophrast, eine zweite bis Epikur.11 Philosophie ist für Diogenes Laertios demnach nicht nur durch inhaltliche und methodische Besonderheiten, sondern auch, in terminologischer Anlehnung an Platon,12 als ein zeitlich ununterbrochener Lehr- und Lernzusammenhang gekennzeichnet. Damit benennt er ein Moment, das für die Herausbildung der Philosophie als eigenständiger Weise der Weltdeutung essentiell ist (selbst wenn die von ihm und anderen im Einzelnen angeführten, wohl auf Theophrast zurückgehenden Überlieferungsketten sämtlich eher artifiziell wirken13). Denn nur dadurch, dass sich die Philosophie selbst als rationale Wirklichkeitsdeutung von anderen Zugängen wie Religion, Mythos und Dichtung (sowie später Rhetorik und Sophistik) abgrenzt, kann sie sich als soziale und geistige Größe etablieren und den von Platon erhobenen Anspruch lebendig erhalten, etwas zu sein, »im Vergleich zu dem ein größeres Gut dem sterblichen Geschlecht niemals als Geschenk der Götter gekommen ist oder kommen wird«.14

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  Aristoteles, Metaphysica 1, 5, 982b 18.   Vgl. die lobenden Worte von A. A. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, in: A. A. Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie. Von Thales bis zu den Sophisten, Stuttgart 2001, 8. 9   Vgl. unten S. 591–593. 10   Γένος ἀνθρώπων; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 3 (6, 15 f. Marcovich = 68, 25 f. Dorandi). 11   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 1, 13 f. (12, 8–13, 5 Marcovich = 74, 142–147 Dorandi). 12   Plato, Timaeus 47b. Vgl. unten S. 258. 13   Dazu z. B. Schäfer, Xenophanes, 28–30, sowie unten S. 590  f. 14   Plato, Timaeus 47b. 8

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

2. Charakterisierungen der vorsokratischen Epoche der ­Philosophiegeschichte in der modernen Forschung In der modernen Forschung finden sich in Bezug auf das frühe griechische Denken und seine Anfänge bemerkenswert ähnliche Darstellungen, da die im Hinblick auf den Anfang der Philosophie diskutierten Autoren und Themen die antiken Konstruktionen recht treu wiedergeben: In allen durchgesehenen Werken zur Philosophiegeschichte, darunter auch eine ganze Reihe neuerer Gesamtdarstellungen der griechischen Philosophie, halten sich die antiken Epocheneinteilungen und Fragestellungen im Wesentlichen durch:15 Nach einer Vorbereitung bei einzelnen Dichtern und unter dem Einfluss orientalischer Quellen bestehe eine – noch namenlose – griechische Philosophie seit Thales von Milet bzw., wie ebenfalls schon in der Antike behauptet, seit seinem wohl jüngeren Zeitgenossen Anaximander.16 Nicht weniger treu folgen die modernen Periodisierungen den antiken im Hinblick auf das Ende der frühen griechischen Philosophie bei Sokrates, wo lediglich die Rolle der Sophisten schwankt: Während Hegel in seiner Vorlesung zur Geschichte der Philosophie und Praechter in der 12. Auflage des Ueberweg die Sophisten zusammen mit Sokrates behandeln, werden sie in Eduard Zellers ›Philosophie der Griechen‹ noch zur frühen Periode gerechnet, da »die Sophistik […] nicht die positive Begründung des Neuen« sei.17 Die gleiche Spannung zeigt sich auch in neueren Publikationen: Zum Beispiel behandeln der von Hellmut Flashar organisierte neue ›Ueberweg‹ sowie die Darstellung der ›Vorsokratischen Philosophen‹ von Kirk, Raven und Schofield die Sophisten nicht im Zusammenhang mit den vorsokratischen Naturphilosophen, während etwa das von Anthony Long herausgegebene ›Handbuch Frühe Griechische Philosophie‹ sie durchaus einschließt. So wird von Fall zu Fall Sokrates von seinem Entwicklungskontext getrennt oder nicht, und die recht kontinuierliche Entwicklung der eleatischen Tradition bis zu Gorgias und die Parallelen zwischen Protagoras und den Atomisten (beide aus Abdera) werden entweder pointiert herausgestellt oder nicht. 15   Wenn man davon absieht, dass die moderne Epocheneinteilung in Spannung steht zur antiken Einteilung in Lehrer-Schüler-Sukzessionen, vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 373–376. Scharfe Kritik an der Traditionsgebundenheit moderner Forschung übt P. Kingsley, Ancient Philosophy, Mystery, and Magic. Empedocles and Pythagorean Tradition, Oxford 1995, 3 f.; vgl. bereits H. Cherniss, Aristotle’s Criticism of Presocratic Philosophy, New York 1935, 374–404, für Beobachtungen zu Aristoteles’ Einfluss auf unsere Wahrnehmung der vorsokratischen Entwicklung. 16   Zu Vorschlägen, Anaximander als den ersten Philosophen im strengen Sinn anzusehen, s. unten S. 88. 17   E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung 1, 1. Allgemeine Einleitung. Vorsokratische Philosophie, erste Hälfte, Leipzig 31869, 135 (= 61919, 217 f.; hier eindeutiger formuliert). Die sechste Auflage ist von Franz Lortzing und Wilhelm Nestle so bearbeitet worden, dass der Text »durchaus unverändert gelassen« wurde (S.  X).

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Die vorsokratische Philosophie

Stärkere Unterschiede zeigen sich im Hinblick auf die Namen und teils die philosophischen Konzepte, mit denen die Frühzeit des philosophischen Denkens gedeutet wird: Für Hegel beginnt mit den Vorsokratikern der erste Teil der antiken Philosophiegeschichte, der bei Aristoteles endet; er beginne, als »erste Versuche«, »im Absoluten«, bis bei Anaxagoras mit dem »Verstand überhaupt« (d. h. dem νοῦς) »der objektive Gedanke, der sich selbst bestimmende Gedanke« auftrete – eine Objektivität, der sich dann, bei Sokrates und den Sokratikern, teils bereits »Subjektivität« entgegenstelle.18 Zeller, der bereits ›Vorsokratische Philosophie‹ als Überschrift für den entsprechenden Teil benutzt, erklärt den Charakter der Epoche bereits konkreter »schon wegen des Gegenstands« als »Naturphilosophie« und sieht ein »Übergewicht« dieses Themas »gegenüber der Selbstbetrachtung«, obwohl er erste erkenntnistheoretische Überlegungen zur Sinneswahrnehmung durchaus anerkennt; über die Rolle des Anaxagoras, bei dem der »Geist hier doch nur als Naturkraft wirkt«, ist er sich unsicher.19 In Praechters ›Ueberweg‹, wo die früheste Periode die »vorattische« heißt, ist die Historisierung stärker vorangekommen: »Forschungsobjekt« in dieser Epoche sei »die Entstehung und Entwicklung des Alls«, die »mit fachwissenschaftlichen Studien im engsten Bunde« erklärt werde. Ansonsten wird die – auch schon bei Hegel und Zeller zu findende – Charakterisierung als »Dogmatismus« wiederaufgenommen, metaphysische Lehrstücke werden erwähnt, solche in Ethik und »Dialektik« hingegen nur mit Vorsicht. Als Besonderheit der Epoche stellt Praechter auch die räumliche Verbreitung in den griechischen Randgebieten heraus.20 In der Folgezeit setzt sich die Bezeichnung »Vorsokratiker« wohl besonders dank dem Einfluss von Hermann Diels’, später von Walther Kranz bearbeiteter Fragmentensammlung, weitgehend durch.21 Doch verwenden zwei wichtige neuere Publikationen wieder die zusammenfassende Bezeichnung ›Frühe griechische Philosophie‹.22 Diese Wechsel sind in den Augen der jeweiligen Bearbeiter nicht zufällig: Kranz betont im Vorwort zur 5. Auflage (1934) der ›Fragmente der Vorsokratiker‹, dass in der Edition »auch viele Zeitgenossen des Sokrates erscheinen, ja mancher, der ihn weit überlebt hat«, dass aber alle diese Denker eine »Philosophie« verträten, »die nicht durch die Gedankenschule des Sokrates (und des Platon) gegangen« und deswegen eine »nichtsokratische« Philosophie sei.23 Anthony Long wendet sich, ohne die Bezeichnung ›Vorsokratiker‹ generell abzu18

  G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 2. Griechische Philosophie 1. Thales bis Kyniker, hrsg. von P. Garniron  /  W. Jaeschke, Hamburg 1989, 5 f. 19   Vgl. Zeller, Die Philosophie der Griechen, 154–158 (= 61919, 236–240). 20   K. Praechter, Die Philosophie des Altertums, Berlin 121926, 31, 33. 21   Vgl. A. A. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, in: Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie, 9. 22   So GGPh 1; Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie; A. Laks  /  G. W. Most, Les débuts de la philosophie. Édition et traduction, Paris 22016, 7. 23   W. Kranz, in: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Berlin 61951, 1, VIII.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

lehnen, einerseits gegen eine Bestimmung des Verständnisses der Vorsokratiker durch eine Abgrenzung vom als primär ethisch vorgestellten Denken des Sokrates und andererseits gegen die Idee, diese Denker seien eine Einheit, da schon die Antike zu Recht mehrere Traditionen angenommen habe; auch sieht er in Kranz’ Darstellung eine Unterbewertung der Rolle Platons für unser Verständnis der Vorsokratiker.24 Er selbst bevorzugt die Charakterisierung der frühgriechischen Philosophien als Deutungen »von allem«.25 Bei all diesen Feststellungen plädiert allerdings auch Long nicht für ein komplettes Aufgeben des Begriffs ›Vorsokratiker‹, weswegen der Begriff auch im Folgenden neben ›früher griechischer Philosophie‹ verwendet werden soll, ohne eine inhaltliche Verengung im Kranz’schen Sinne zu implizieren.

3. Charakteristika des frühgriechischen Denkens Die vorliegende Darstellung unternimmt schon deswegen keine wesentliche Kritik der genannten Periodisierungen und der zugrunde liegenden Wahl zu behandelnder Autoren, weil die Quellen uns kaum über weitere relevante Gestalten unterrichten und weil die orientalischen Bezüge zu weitgestreut und zu unspezifisch sind, um eine andere Einschätzung des Anfangs der Philosophie begründen zu können.26 Um vor dem Hintergrund der genannten Debatten festen Grund zu gewinnen, sollen stattdessen die vielfältigen Dimensionen zusammengefasst werden, in denen das vorsokratische Denken die Hauptlinien der antiken Philosophie eröffnet, prägt oder sich von ihnen unterscheidet: 1. Die Herausbildung eines philosophischen Diskurses bzw. das Kommen der Philosophie zu sich selbst wird gerne als Übergang »vom Mythos zum Logos« gedeutet.27 Damit wird – grob gesagt – ausgedrückt, dass die Erklärung mit abstrakten Begriffen und mit der Angabe von Gründen an die Stelle personifizierter und erzählender Erklärungen tritt,28 aber auch hervorgehoben, dass das vorsokrati24

  Vgl. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, 5–10.   Vgl. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, 10–14. 26   Vgl. dazu M. L. West, Early Greek Philosophy and the Orient, Oxford 1971; W. Burkert, Frühgriechische Philosophie im Orient, in: GGPh 1, 1 (2013), 97–125. 27   Die klassische Darstellung ist W. Nestle, Vom Mythos zum Logos. Die Selbstentfaltung des griechischen Denkens von Homer bis auf die Sophistik und Sokrates, Stuttgart 1940. Vgl. zu problematischen Punkten dieser Rekonstruktion G. W. Most, From Logos to Mythos, in: R. Buxton (Hrsg.), From Myth to Reason? Studies in the Development of Greek Thought, Oxford 1999, 25–47, hier 25–31. 28   Detaillierter, am Beispiel Heraklits, Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, 12 f. Zur antiken Begriffsgeschichte von μῦθος und λόγος bis Platon vgl. M. F. Meyer, Die Bedeutungsgeschichte der Begriffe Mythos und Logos in der griechischen Antike, in: Archiv für Begriffsgeschichte 41 (1999), 35–63. 25

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Die vorsokratische Philosophie

sche Denken gerade als Deutung von Ursprüngen in der genealogischen Tradition der Welterklärung steht und auch weiterhin über eine religiös konnotierte Natur spricht.29 Bleiben insofern im rationalen Denken mythische Elemente bestehen, so erschließt sich dieses rasch auch Gebiete etwa ethisch-politischer Natur, die vom Mythos nicht bzw. in anderer Weise berührt werden.30 Obwohl also gerade für die frühesten Autoren eine sinnvolle Unterscheidung zwischen ›mythischen‹ und ›logos-artigen‹ Argumentationen kaum möglich ist,31 behält die mit dem Gegensatzpaar Mythos und Logos aufgeworfene Frage, wie viel Wissenschaftlichkeit einzelne vorsokratische Standpunkte enthalten, für die Analyse einzelner frühgriechischer Positionen eine gewisse Berechtigung und wird auch hier nicht ganz aufgegeben. 2. Das vorsokratische Denken bleibt vom 6. bis zum frühen 4. Jahrhundert eine Debatte über die Erklärung der Natur sowohl in ihren Details als auch in ihrer Gesamtheit. Gerade die Erklärungen der Gesamtheit sind dabei insofern ›metaphysisch‹, als letztlich die nicht sichtbaren Prinzipien der wahrnehmbaren Welt gedanklich rekonstruiert werden, wodurch sich zentrale Begriffe des griechischen Denkens wie das ›Prinzip‹ (ἀρχή), das ›Seiende‹ (τὸ ὄν), die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft und schließlich auch der Geist (νοῦς) bzw. das Denken (νοεῖν) herausschälen. Damit bleibt das Lebendige ein wichtiges Paradigma auch für das logische Denken,32 das andererseits durch Besonderheiten der griechischen Sprache, z. B. die Leichtigkeit der Bildung von Abstrakta, eine wissenschaftliche Form findet.33 3. Dabei entstehen bereits erste Selbstreflexionen des philosophischen Denkens, z. B. bei Heraklit und Parmenides, und auch erkenntnistheoretische sowie, bei den Eleaten und Demokrit, methodologische Überlegungen, welche sich freilich noch nicht zu eigenen Teilbereichen der Philosophie auswachsen, sondern in die Gesamtentwürfe zur Welterklärung integriert bleiben. 29   Vgl. D. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, in: GGPh 1, 1 (2013), 61–96, hier 63 f., 80–82. Eine besondere Form dieses Erklärungstyps schlägt G. Colli, Die Geburt der Philosophie, Frankfurt 1990, vor, der die Entstehung des rationalen Denkens aus einem verzückten Wahn bzw. einer Mania ableitet. 30   Vgl. B. Snell, Der Weg zum Denken und zur Wahrheit. Studien zur frühgriechischen Sprache, Göttingen 1978, 202 f. 31   Vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 385–389. 32   Vgl. Z. Bojadshieff, Die frühgriechische Philosophie als Phänomen der Kultur, Würzburg 1995, 29–41. 33   Die griechische Sprache wird vor allem in älteren Beiträgen häufig zum Thema gemacht, z. B. K. Reinhardt, Parmenides und die Geschichte der griechischen Philosophie, Frankfurt 52012, 252 f.; Snell, Der Weg zum Denken und zur Wahrheit, 9–20; W. Schadewaldt, Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Die Vorsokratiker und ihre Voraussetzungen. Tübinger Vorlesungen 1, Frankfurt 1978, 122–209; B. Snell, Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, Göttingen 6 1986, 178–218; vgl. auch Th. Buchheim, Die Vorsokratiker. Ein philosophisches Porträt, München 1994, 13–22 zu τὸ ἄπειρον.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

4. Darüber hinaus gibt es eine enge Verbindung von vorsokratischer und allgemein wissenschaftlicher Forschung (ἱστορία). Philosophische Denker behandeln nicht nur, wie z. B. Anaximander, Pythagoras und Alkmaion, Gegenstände anderer ›Disziplinen‹ (Medizin, Mathematik, Geographie), sondern sie bilden mit deren Fachvertretern – also mit Geographen wie Hekataios,34 Historikern wie Herodot und den hippokratischen Medizinern – ein komplexes Feld gebildeter Forscher mit ähnlichen Ideen und Interessen, in dem sich erst langsam erste Scheidungen von Disziplinen herausbilden. 5. In dieser Einheit zeigt sich das Feld der philosophisch arbeitenden Denker äußerst mannigfaltig und innovativ, so dass immer neue, radikal verschiedene Entwürfe des Denkens entstehen. Es gibt also in frühgriechischer Zeil allenfalls eine Einheit des Mannigfaltigen, die sich zudem in einer rapiden Entwicklung befindet, ohne dass konstante Theorieentwürfe das Feld dominierten. 6. Dem entspricht eine gewisse Vereinzelung der Denker, die sich meist höchstens in einzelnen Lehrer-Schüler-Verhältnissen oder punktuellen Begegnungen miteinander auseinanderzusetzen scheinen. Ein Teil des Austausches, z. B. zwischen Heraklit und Pythagoras oder zwischen Parmenides und Melissos, scheint sogar schriftlich zu erfolgen. Lediglich bei den Pythagoreern zeigen sich erste Grundlinien einer philosophischen Gemeinschaft, welche die späteren Philosophenschulen vorausahnen lässt. 7. Räumlich zeigt das vorsokratische Denken eine, offenbar durch Auswanderung wesentlich geförderte, Ausdehnungsbewegung von Ionien nach Großgriechenland bzw. Italien und schließlich auch in nördliche Randgebiete der griechischen Welt, deren Zentrum, Athen, erst um die Mitte des 5. Jahrhunderts philosophische Denker anzieht und hervorbringt. Anzumerken ist, dass sich viele dieser Punkte in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts ändern: Nicht nur begegnen sich viele philosophisch Interessierte in Athen, sondern neue Themen, gerade die Frage des politischen Lernens, treten in den Mittelpunkt. Zudem grenzen sich zu dieser Zeit Ärzte, Sophisten, Sokratiker, Meteorologen usw. in dem Maße mehr voneinander ab, in dem sie sich regelmäßig begegnen und austauschen. Insofern ist es jedenfalls für die vorliegende Darstellung sinnvoll, sich in diesem einleitenden Kapitel auf die Naturphilosophen im engeren Sinne zu beschränken und die Sophisten an der Stelle zu erwähnen, wo ihr Wirken wesentlich zu neuen Entwicklungen beiträgt, also im zweiten, der ›klassischen‹ Epoche gewidmeten Teil.

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  Vgl. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, 9.

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Die vorsokratische Philosophie

4. Zum Forschungsstand Eine Untersuchung über den Begriff und die Rolle der Philosophie bei den frühen Naturphilosophen kann sich auf einen breiten Forschungsstand stützen: Nachdem diese Denker seit jeher zu den Hauptinteressengebieten der philosophiehistorischen Forschung gehörten, haben insbesondere die schon erwähnten ›Fragmente der Vorsokratiker‹ von Diels  /  Kranz die Grundlage für die Forschung des 20. Jahrhunderts gelegt, auf die sich, dank Diels’ Klärungen der antiken Überlieferung, die folgende Forschung stützen konnte.35 In neuerer Zeit hat dieses Feld noch einige zusätzliche Akzentuierungen erfahren, namentlich durch den Neufund des »Straßburger Empedokles«, der unsere Kenntnis dieses Autors wesentlich erweitert,36 durch die verbesserten Sammlungen der Atomisten-Fragmente von Lurje und Leszl,37 durch die teils beachtlich alte syro-arabische Parallelüberlieferung38 sowie durch die Zitate in den Neufunden aus Herkulaneum.39 Neuerdings liegt mit der Sammlung ›Les débuts de la philosophie‹ von André Laks und Glenn Most sogar so etwas wie eine Neuauflage der ›Fragmente der Vorsokratiker‹ vor, die bei einer teils neuen Gliederung ähnliche Vollständigkeit erreicht.40 Noch größere Vollständigkeit und eine neue, an der Genese der Tradition orientierte Anordnung der Fragmente strebt eine Neuausgabe der Vorsokratiker an, die an der Universität Trier nach und nach erstellt wird.41 In der historischen Forschung sind neuerdings Reflexionen zum sozialen Hintergrund, welcher die Entstehung der vorsokratischen Philosophie ermöglicht, zur Rolle, die die Vor­sokratiker darin

35

  Vgl. J. Mansfeld, Quellen, in: Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie, 21–41, hier 21–24; Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, 5. Eine gegliederte Liste wichtiger Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert findet sich bei Schäfer, Xeno­ phanes, 272–279. 36   Vgl. grundsätzlich A. Martin, Le papyrus de Strasbourg, in: DPhA 3 (2000), 67–70. 37   Vgl. G. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, in: GGPh 1, 2 (2013), 839–846, 839. 38   Vgl. die jetzt erstmals edierte kurze Vorsokratiker-Doxographie des Porphyrios bei Y. Arzhanov, in: Porphyry, ›On Principles and Matter‹. A Syriac Version of a Lost Greek Text with an English Translation, Introduction and Glossary, Berlin  /  Boston 2021, 41–47 (Erläuterungen) und 84–89 (Text und Übersetzung). Eine weitere, unedierte und schwer lesbare syrische Doxographie findet sich als Untertext auf einigen Folios der Handschrift Sinai Arab. NF 68. 39   Vgl. Ch. Vassallo (Hrsg.), Presocratics and Papyrological Tradition. A Philosophical Reappraisal of the Sources. Proceedings of the International Workshop Held at the University of Trier (22–24 September 2016), Berlin  /  Boston 2019; Ch. Vassallo, The Presocratics at Herculaneum. A Study of Early Greek Philosophy in the Epicurean Tradition. With an Appendix on Diogenes of Oinoanda’s Criticism of Presocratic Philosophy, Berlin  /  Boston 2021. 40   Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie. 41  Vgl. G. Wöhrle, Allgemeine Bemerkungen, in: Die Milesier. Thales, hrsg. von G. Wöhrle, Berlin 2009, 1–7.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

einnehmen,42 und zu ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Bedeutung entstanden,43 die neue Perspektiven eröffnen. Die Inhalte und Theorien der Vorsokratiker sind im 20. und 21. Jahrhundert zum Gegenstand einer breiten Spezialforschung geworden und haben auch das philosophische Denken des 20. Jahrhunderts, namentlich bei Martin Heidegger,44 intensiv befruchtet. Zu jedem vorsokratischen Denker steht im Ergebnis eine Fülle von Spezialliteratur zur Verfügung, und es gibt für Autoren wie Anaximander, Parmenides und Heraklit mehrere, ganz verschiedene Interpretationsansätze zur Auswahl.45 Nicht nur für Heraklit »ergibt sich […] ein völlig disparates Bild«, und die »Deutungen sind völlig divergent«.46 Nützlich ist vor diesem Hintergrund die nicht geringe Zahl von Gesamtdarstellungen der vorsokratischen Epoche, welche die einzelnen Persönlichkeiten und Theorien in einen breiteren Kontext stellen und somit einen Rahmen für einzelne Interpretationen abstecken, welcher für eine historische Würdigung unerlässlich ist.47 Allerdings gibt es auch hier, von den oben angesprochenen Periodisierungsfragen abgesehen, bemerkenswert unterschiedliche Gesamtdeutungen der Vorsokratiker, etwa im Hinblick auf die Frage, ob man die frühen griechischen Denker primär als Vorläufer der Naturwissenschaft oder eher als ›theologische‹ Denker zu verstehen hat.48 Eine gemeinsame Behandlung der verschiedenen Autoren ist jedenfalls notwendig, wenn man die Rolle der Vorsokratiker für die Herausbildung der antiken Philosophie verstehen will.49 Denn auch in dieser Hinsicht bleiben wesentliche Fragen offen bzw. sind ganz unterschiedlich behandelt worden. Das betrifft zum einen die Begriffsgeschichte, denn gerade die überlieferten vorsokratischen Belegstellen für das Wort ›Philosoph‹ bzw. ›philosophisch‹ (φιλόσοφος) sind, bei Heraklit wie bei Pythagoras, grundsätzlich angezweifelt worden, so dass bis heute umstritten ist, ob beide Autoren das Wort bereits benutzt haben.50 Auch seine Bedeutung ist unklar, wobei sich das zusätzliche Problem ergibt, wie der Gebrauch in nicht-›fachphilosophischen‹ Texten – bei den Historikern Herodot und Thu42   Hierzu wird hier v. a. K. Nebelin, Philosophie und Aristokratie. Die Autonomisierung der Philosophie von den Vorsokratikern bis Platon, Stuttgart 2016, herangezogen. 43   Vgl. dazu etwa J. Longrigg, Greek Rational Medicine. Philosophy and Medicine from Alcmaeon to the Alexandrians, London  /  New York 1993. 44   Vgl. M. Kraus, Parmenides, in: GGPh 1, 2 (2013), 441–530, hier 444. 45   Vgl. N. Ch. Dührsen, Anaximander, in: GGPh 1, 1 (2013), 263–320, hier 265–267; Kraus, Parmenides, 443–446; D. Bremer  /  R. Dilcher, Heraklit, in: GGPh 1, 2 (2013), 601–656, 601– 656, hier 604 f. 46   So Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 605; ähnlich skeptisch ist Dührsen, Anaximander, 267. 47   Für einen Überblick über wichtige Publikationen und Stationen der Foschungsgeschichte vgl. D. Bremer, Forschungsgeschichte und Darstellungsprinzipien, in: GGPh 1, 1 (2013), 3–60. 48   Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 80–82, 85 f. 49   Vgl. dazu die nützliche Überblicksdarstellung von Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen. 50   Vgl. unten S. 101–103, 108–110.

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Die vorsokratische Philosophie

kydides, bei einzelnen Sophisten sowie im Traktat ›Über die alte Medizin‹ – zum Fachdiskurs in Beziehung zu setzen ist.51 Gegenstand der Debatte ist aber auch, inwieweit einzelne Vorsokratiker überhaupt als philosophische Denker zu betrachten sind: Das ist nicht nur für Hesiod, sondern auch für Thales und Pythagoras52 in verschiedener Hinsicht bezweifelt worden. Umgekehrt wurde gerade für einige Texte aus dem Corpus Hippocraticum53 oder für den Historiker Herodot54 betont, dass sie philosophische Themen wie die Rolle der Wahrnehmung oder die Religionskritik behandeln. Einen weiteren enigmatischen Punkt bilden die Anfänge der Philosophie als kultureller Praxis einer bestimmten Personengruppe, besonders bei den Pythagoreern, denn nicht nur ist die Frühgeschichte dieser Bewegung aufgrund der schwierigeren Überlieferungslage schwer zu rekonstruieren, sondern auch ihr philosophischer Charakter ist gerade für die frühere Zeit unklar. Nicht zuletzt kann nach den gesellschaftlichen Modellen für eine solche Gruppenbildung gefragt werden.55

5. Leitfragen Im Folgenden soll vor allem versucht werden, die wichtigsten Aspekte einer Antwort auf solche Probleme zusammenzutragen und ein Netzwerk von Informationen zu liefern, das besser zu verstehen hilft, inwieweit einzelne Vorsokratiker als Philosophen zu bezeichnen sind, die spätere antike Entwicklungen vorwegnehmen. Dabei kann das Vorverständnis, das in der Einleitung zu diesem Band entwickelt wurde, einen Hintergrund liefern: Denn während Definitionen und Einteilungen der Philosophie bei den Vorsokratikern naturgemäß weitgehend fehlen, können die Arbeit der bekannten Philosophierenden, ihr methodisches Bewusstsein sowie ihre Bezüge zu den Gebieten der Religion, der Politik und der Wissenschaften durchaus beschrieben und gewürdigt werden. Sie sollen im Folgenden in entwicklungsgeschichtlicher Perspektive betrachtet werden, um näher zeigen zu können, wie sich einzelne Merkmale der vorsokratischen Philosophie nach und nach herauskristallisieren.

51

  Einige dieser Aspekte werden erst bei der Behandlung der Klassischen Epoche diskutiert, vgl. unten S.  147  f., 210  f. 52   Vgl. G. Bechtle, Pythagoras. Zwischen Wissenschaft und Lebensführung, in: M. Erler  /  A. Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums. Von der Frühzeit bis zur Klassik, Darmstadt 2000, 36–55, hier 43 f. 53   Vgl. z. B. M. Frede, Philosophy and Medicine in Antiquity, in: M. Frede, Essays in Ancient Philosophy, Minneapolis 1987, 225–242, hier 225; 233 f. 54   Vgl. A. B. Lloyd, Herodotus. Book II. Introduction, Leiden  /  New York  /  Köln 21994, 168–170. 55   Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 89 f.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

Folgende Fragen lassen sich vor diesem Hintergrund formulieren: 1. Wie sieht die philosophische Tätigkeit der Vorsokratiker aus? Was kennzeichnet sie als philosophisch bzw. was spricht gegen eine solche Charakterisierung? Inwieweit lassen sich bei ihnen methodische Reflexionen feststellen? 2. Inwieweit zeigt sich bei den Vorsokratikern ein Selbstverständnis als eigene Gruppe und worin äußert sich dies? 3. Welche Züge antiken Philosophierens (schulische Zusammenschlüsse, Habitusformen, literarische Formen) treten bei den Vorsokratikern bereits auf und in welcher Form? 4. Wie beeinflusst die Religion das naturphilosophische Denken der Vorsokratiker. bzw. wie wird sie ausdrücklich zum Thema gemacht? 5. Inwieweit reflektieren die Vorsokratiker ihr Verhältnis zu anderen Disziplinen bzw. Interessengebieten, und wie berührt sich ihre Arbeit mit derjenigen auf Nachbargebieten? 6. Inwieweit zeigen die Vorsokratiker politische und ethische Reflexionen und Aktivitäten? Was lässt sich über ihre gesellschaftliche Rolle sagen?

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II. Historischer Überblick

1. Allgemeines zur historischen Entwicklung der frühgriechischen Zeit Die Herausbildung des vorsokratischen Denkens im griechischen Sprach- und Kulturraum wird sinnvollerweise vor dem Hintergrund der sehr speziellen historischen und geographischen Bedingungen dieses Raumes verstanden.1 Hierzu gehören grundsätzlich eine sehr kleinteilige politische Aufgliederung sowie das Faktum, dass die griechischen Staatswesen nicht effektiv Teil eines Großreiches sind. Vor und während der Zeit der Vorsokratiker entwickeln sich zudem einige weitere Besonderheiten auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, welche als Hintergrund des frühen wissenschaftlichen Denkens wichtig sind: Ereignisgeschichtlich ist zunächst die sogenannte griechische Kolonisationsbewegung von entscheidender Bedeutung: Seit ca. 1000 v.  Chr. gründen Griechen Niederlassungen an der Westküste Kleinasiens2 und ab ca. 750 v.  Chr. rund um das Mittelmeer. Die neugegründeten Siedlungen konstituieren sich meist als eigene Städte (πόλεις), behalten aber die griechische Sprache sowie einen engen Bezug zu ihren Muttersiedlungen bei. In ihnen bildet sich die Form eines Stadtstaates heraus, in dem die alte Königsherrschaft zunächst durch eine Dominanz der Aristokratie abgelöst wird, der sich aber nach und nach für die Beteiligung sozialer Aufsteiger und weiterer Bevölkerungsschichten öffnet.3 Auf diese Weise entsteht rings um das Mittelmeer ein Netz größerer und kleinerer griechischer Städte, die kulturell und sprachlich geeint, politisch und räumlich aber voneinander getrennt sind.4 Folglich steht der griechische Kulturraum in intensivem Austausch mit den zahlreichen Kulturen seiner Umgebung, die – abgesehen vom griechischen Kernland – meist das direkte Hinterland der griechischen Pflanzstädte prägen. Diese Situation besteht auch im engeren Entstehungsgebiet der Philosophie, in Ionien, d. h. den vorwiegend von Angehörigen des Stammes der Ionier besiedelten Städten an der kleinasiatischen Westküste, die um 600 v.  Chr. bereits mehrere Jahrhunderte griechisch und vielleicht der erste Ort sind, an dem sich die charakteristische Organisation in Poleis herausbildet:5 Sie stehen in engem Austausch mit und teilweise in politischer Abhängigkeit von dem Reich der Lyder, die das 1

  Vgl. Bojadshieff, Die frühgriechische Philosophie, 9–28; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 87–92. 2   Vgl. H. Bengtson, Griechische Geschichte: von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit, München 102009, 57–60. 3   Zur sozialen Entwicklung in Griechenland vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 80–88; 102–127; konkreter Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 32. 4   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 93–100; 5   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 59 f.

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Historischer Überblick

westliche Kleinasien beherrschen, und ihrerseits intensive Kontakte zu weiteren orientalischen Staaten unterhalten.6 In griechischer Perspektive gelten diese orientalischen Staaten, in erster Linie Ägypten, häufig als der Vorort alter Weisheit und Kultur schlechthin.7 Die politische Situation in Ionien ändert sich im 6. Jahrhundert dadurch, dass die Lyder um das Jahr 546/547 v.  Chr. vom aufstrebenden Perserreich besiegt werden, das die Hauptstadt Sardeis erobert und im westlichen Kleinasien zwei Satrapien einrichtet.8 Die ionischen Städte kommen so unter die Dominanz einer weit entfernten Macht, was zu beträchtlichem Druck führt, angesichts dessen die Bevölkerung ganzer Städte – Phokaia und Teos – in den Westen des griechischen Siedlungsraums umsiedelt, wo die Phokäer schließlich an der Küste Etruriens die Stadt Elea gründen, in der kurz darauf Parmenides geboren wird.9 Die persische Herrschaft übt dabei auch auch auf geistigem Gebiet einen gewissen, offiziell propagierten Einfluss aus, der eine – im Einzelnen jeweils zu diskutierende – Rolle für einige spezifische Themen vorsokratischen Philosophierens spielen könnte.10 Etwa gleichzeitig verbreitet sich in den griechischen Gebieten die Herrschaft von Tyrannen (Alleinherrschern), namentlich des Polykrates (gest. ca. 522) auf der Insel Samos, vor dem auch Pythagoras nach Westen ausweicht.11 Ab etwa 500 entwickelt sich in Ionien ein offener Aufstand gegen die persische Herrschaft,12 auf dessen Scheitern ein Teil der griechischen Staaten, unter Führung von Athen und Sparta, mit offener Unterstützung der ionischen Städte reagiert, die 490 und 480/79 zu den glanzvollen griechischen Siegen bei Marathon, Plataiai und Mykale führt. In deren Folge entwickelt sich dann das bisher eher unbedeutende Athen nach und nach zur politischen und kulturellen Vormacht des griechischen Kulturraums.13 Damit zieht die Stadt auch ein zahlreiches Publikum aus Großgriechenland bzw. den unteritalischen Griechenstädten an. Diese Region gerät ebenfalls unter politischen Druck, von Seiten der Etrusker und Karthager, behauptet sich aber trotz innerer Kämpfe, an denen die Pythagoreer und angeblich auch Empedokles beteiligt sind.14

6   Über sie berichtet Herodotus, Historiae 1, 6–94. Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 75 f. 7   Dazu nicht zuletzt Herodotus, Historiae 2, der die kulturellen Übernahmen der Griechen von den Ägyptern betont. 8   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 129–131. 9   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 130; Th. Schirren  /  G. Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, in: GGPh 1, 1 (2013), 182–215, hier 192 f. 10   So jedenfalls Gemelli Marciano, Einführung, 402–410. 11   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 142. 12   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 156–160. 13   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 177–181; 190–208. 14   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 141–143; 216–218; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 201.

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Die vorsokratische Philosophie

2. Hintergrundbedingungen für die Entstehung der Philosophie Mit dieser historischen Situation der griechischen Poleis sind einige Bedingungen verbunden, welche die Entstehung eines philosophisch-wissenschaftlichen Diskurses begünstigen: In den neu gegründeten Städten führen die Bürger bzw. ihre Elite gemeinschaftlich die Regierung, was nach und nach auch im griechischen Kernland anstelle der Königs- und Adelsherrschaft übernommen wird. Die ausgeprägte Handelsaktivität der einzelnen Städte untereinander und mit ihren nichtgriechischen Nachbargebieten fördert den kulturellen Austausch sowie die Bereitschaft zur Suche nach Lösungen, die neuen Situationen angepasst sind. Bedeutsam ist auch die gemeinsame griechische Sprache, die als Verbindungsglied weit verstreuter Siedlungen ein wichtiges Identifikationsmerkmal wird; die Neigung des Griechischen zu abstrakten Bildungen dürfte dabei der philosophischen Theoriebildung zugutekommen.15 Die weiten Distanzen und die gemeinschaftliche Wahrnehmung von Verantwortung dürften weiterhin den schriftlichen Austausch als eine wichtige Vorbedingung für einen nicht nur lokalen Diskurs über wissenschaftliche Fragen fördern. Weitere wichtige Rahmenbedingungen, die den frühen Philosophierenden nutzen, ergeben sich aus der relativen Instabilität der sozialen Situation in den teils neu gegründeten Poleis, in denen keine fest gefügten sozialen und religiösen Hierarchien bestehen, so dass eine gewisse Offenheit der Situation eine stete Aktivität aller Beteiligten erfordert und dabei auch Neuerungen ermöglicht. Im Einzelnen lassen sich die folgenden Punkte festhalten: 1) der aristokratische Lebensstil der städtischen Oberschichten, der nicht nur durch relativ viel freie Zeit gekennzeichnet ist, sondern auch durch die Notwendigkeit, sich – aufgrund der steten Gefahr des sozialen Abstiegs – stets neu auszuzeichnen; dies wird 2) durch ein agonales Ethos ermöglicht, in dem der Wettstreit bzw. Agon untereinander immer wieder neue Möglichkeiten bietet, sich hervorzutun; dies wird 3) durch die bewegliche Situation in den Poleis nur noch wichtiger, in denen sich zunehmend weitere Kreise an der Macht beteiligen und in denen 4) eine relativ offene Religiosität herrscht, welche, ohne eine mit autonomer Sanktionsmacht ausgestattete Priesterschaft, die Kritik herrschender religiöser Ideale und das Entwickeln neuer Ideen auf diesem Feld zulässt, zumal verschiedene Deutungen und Konzeptionen des Religiösen legitim nebeneinander bestehen können.16

15

  Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 86.   In diesen vier Punkten folge ich Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 27–36. Zum letzten Punkt vgl. auch J. Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie 1. Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen, Frankfurt 2019, 410–414. 16

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Historischer Überblick

5) Der durch die räumlich weit verstreuten griechischen Siedlungen, deren starke Handelsaktivität und die auswärtigen politischen Einflüsse stete Kontakt mit verschiedenen Nachbarkulturen und deren Ideen.

3. Verbreitung und soziale Rolle der Philosophierenden in vorsokratischer Zeit17 Die Entwicklung der ersten Denkansätze in Zeit und Raum lässt sich im Allgemeinen recht gut mit den historischen Entwicklungen parallelisieren: Nach den prä-philosophischen Tendenzen in der frühgriechischen Dichtung18 sind es zunächst Bewohner Ioniens, die sich an einer rationalen Naturerklärung versuchen. In der Metropole Milet entwickeln Thales, sein jüngerer Zeitgenosse Anaximander und der noch etwas jüngere Anaximenes bis zur Mitte des 6. vorchristlichen Jahrhunderts erste Ansätze einer Suche nach einem Urprinzip der Wirklichkeit. Zur Wahrnehmung ihrer Lehren dürften auch die technische Kreativität des Thales, in den Diensten des Lyderkönigs Kroisos, und des Anaximander einiges beitragen, zumal deren theoretische Weltentwürfe vielleicht eher Nebenprodukte einer praktisch orientierten Aktivität beider ist.19 In jedem Fall ruft ihr Wirken bald weitere wissenschaftliche Unternehmungen z. B. in Geographie, Medizin und Geschichtsschreibung hervor, woraus sowohl eine Schlüsselstellung der Philosophie für die Entstehung einer rationalen Wirklichkeitsdeutung abgeleitet als auch deren Herkunft aus einem allgemeinen Weltinteresse auf vielen Feldern (Polymathia) behauptet werden kann.20 Ionische Wurzeln haben auch die etwas jüngeren Zeitgenossen Xenophanes und Pythagoras, die aber beide Ionien in Richtung Unteritalien verlassen: Xenophanes beginnt nach der Vertreibung aus seiner Heimatstadt Kolophon ein Leben als wandernder Dichter, während Pythagoras offenbar vor der bedrückenden Herrschaft des Polykrates flieht. Abgesehen davon, dass Pythagoras in Ionien offenbar bei dem Dichter Pherekydes lernt, bleiben die Netzwerke im Dunklen, die diese beiden Männer mit ihren philosophierenden Vorgängern und Zeitgenossen verbinden; doch spricht ihr naturphilosophisches Interesse und ihre rationale Geisteshaltung dafür, dass diese Züge im Ionien des frühen 6. Jahrhunderts bereits eine gewisse Verbreitung haben, die wir nicht mehr im Detail nachvollziehen können. In der Folgezeit scheint dieser Diskussionszusammenhang, vielleicht unter persischem Druck, eher zu schwinden, denn in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts sind in Ionien nur noch Heraklit in Ephesos, 17

  Dieser Absatz enthält nur gelegentlich Belege, weil diese bei der Behandlung der einzelnen Denker genannt werden, auf die somit verwiesen sei. 18   Vgl. dazu im Detail Fränkel, Dichtung und Philosophie. 19   Vgl. dazu Gemelli Marciano, Einführung, 392–399, sowie unten S. 86  f. 20   Vgl. Schäfer, Xenophanes, 80–89; Gemelli Marciano, Einführung 412–414.

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von dem sich keine philosophischen Gesprächspartner nachweisen lassen, sowie der in Milet vielleicht um 500 geborene Leukipp als Philosophen bezeugt. Demgegenüber entwickelt sich, angeregt offenbar durch die Auswanderungsbewegung aus Ionien, im griechischen Italien eine recht breite Kette geistiger Arbeit, die auch eine politische Aktivität der Philosophen einschließt: Pythagoras schart zunächst in seiner neuen Heimat Kroton eine ganze Gruppe politisch aktiver Anhänger um sich, die in verschiedenen Städten der Region politischen Einfluss ausüben, bevor sie um die Mitte des 5. Jahrhunderts vertrieben werden.21 In ihrer Gemeinschaft, zu der auch einige Frauen zählen,22 werden offenbar erstmals Regeln des gemeinschaftlichen Zusammenlebens unter ›philosophischen‹ Vorzeichen entwickelt und praktiziert. Aus diesem Kreis sind vor allem Alkmaion sowie später Philolaos und Archytas, der in Tarent bis zu Platons Zeit die Stadtregierung leitet, philosophisch bzw. wissenschaftlich aktiv. In Elea eröffnet Parmenides eine weitere Tradition philosophischen Denkens, die unter anderem von seinem Schüler Zenon in Italien weitergeführt wird. Unabhängig von der Frage, ob Parmenides direkt von Xenophanes lernt, muss man jedenfalls auch bei ihm mit dem Weiterwirken von Ideen aus Ionien rechnen, die unter den Auswanderern aus Phokaia sicherlich lebendig sind. Unter dem Einfluss beider Richtungen entwickelt schließlich im 5. Jahrhundert Empedokles im sizilischen Akragas (Agri­gent), wo er offenbar auch politischen Einfluss ausübt, eine komplexe philosophische Theorie. Die religiösen Aspekte des Wirkens der italischen Philosophierenden führt offenbar auch zur Intensivierung einer Debatte über das Verhältnis ihrer Arbeit zur Magie, welche einer genaueren Reflexion der philosophischen Wahrheitssuche Vorschub leistet.23 Zu dieser Zeit breitet sich, besonders nach den Perserkriegen, die philosophische Aktivität noch weiter aus und erreicht die nördlichen Randgebiete des griechischen Siedlungsraumes: Aus dem ionischen Klazomenai stammt Anaxagoras, von der Insel Samos der Eleat Melissos, wohl vom schwarzen Meer Diogenes von Apollonia. Zudem entsteht ein weiteres philosophisches Zentrum bei den Atomisten im nordgriechischen Abdera, woher auch der Sophist Protagoras stammt.24 Nach der Vertreibung der Pythagoreer aus Unteritalien lehrt Philolaos mit einigem Erfolg in Theben.25 Gerade das späte 5. Jahrhundert sieht dann aber eine weitere Schwerpunktverlagerung, nämlich nach Athen: Hierhin ziehen Anaxagoras und wohl auch Diogenes von Apollonia, Zenon und vielleicht Demokrit26 21

  Vgl. L. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, in: GGPh 1, 1 (2013), 375–438, hier 405 f. 22   Vgl. dazu unten S. 100. 23   Vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 425–430. 24   Vgl. unten S. 120. 25   Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 421. 26   Vgl. allerdings G. Rechenauer, Anaxagoras, in: GGPh 1, 2 (2013), 740–796, hier 740, auch zu den widersprüchlichen Angaben bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 36 f. (656, 11–15; 657, 3–5 Marcovich = 683, 30–34; 683, 42–684, 45 Dorandi).

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Historischer Überblick

sind gelegentlich zu Gast. Schließlich bringt Athen wohl mit Archelaos den ersten eigenen philosophischen Denker hervor,27 gewinnt aber vor allem als der Ort an Bedeutung, an dem die verschiedenen philosophischen Einflüsse einander und den sophistischen Strömungen begegnen. Diese Begegnung mit Fachdisziplinen wie der Medizin, die ebenfalls um ein angemessenes Verständnis ihrer eigenen Rolle ringen, leistet einen weiteren Beitrag zur Konturierung einer Gruppe, die sich als Naturforscher versteht und damit wesentliche Aspekte des Philosophiebegriffs vorbereitet.28

4. Herodot und die Bedeutung der vorsokratischen Denker in ihrer Zeit Die gesellschaftliche Stellung der Philosophierenden in vorsokratischer Zeit lässt sich aufgrund der spärlichen Quellen nur schwer erfassen. Immerhin wissen wir von Melissos, Heraklit und Archytas, dass sie in hohen politischen Ämtern aktiv sind. Bei Letzterem könnte dies etwas mit seiner Zugehörigkeit zu den Pythagoreern zu tun haben, deren politische Aktivität gut bezeugt ist. Xenophanes zieht als wandernder Sänger umher. Auch die anderen frühen Vorsokratiker sind wohl noch keine ›professionellen Philosophen‹, sondern aktive Bürger ihrer Heimatpoleis, ggf. auch in den dortigen Priesterschaften aktiv.29 Eine gewisse Professionalisierung lässt sich erst gegen Ende der Epoche vermuten, als Anaxagoras, Archelaos, Zenon und wohl auch Diogenes von Apollonia in Athen als Vertreter bestimmter Lehren wahrgenommen werden. Wahrscheinlich geben sie auch einen Unterricht, der formal dem der Sophisten vergleichbar ist, und sind vielleicht, ähnlich wie diese, professionelle Lehrer. So schemenhaft diese sozialen Rollen der ersten Vorsokratiker sind, so deutlich wird die Achtung, die sie genießen, doch beim wichtigsten Chronisten der Zeit, Herodot, dem bereits Cicero den Namen »Vater der Geschichtsschreibung« (pater historiae) verliehen hat.30 In seinem um 430 in Athen verfassten Werk erwähnt Herodot mehrmals die Bedeutung des Thales, der ein Erdbeben vorhergesagt, einen Fluss umgeleitet und die Ionier beraten habe,31 und würdigt auch Pythagoras, »nicht den schwächsten Sophisten« (οὐ τῷ ἀσθενεστάτῳ σοφιστῇ).32 Daneben nennt er weitere Errungenschaften vorsokratischen Denkens, z. B. eine Weltkarte, wohl die des Anaximander und Hekataios, mit deren Hilfe die Sparta27

  Vgl. unten S.  162  f.   Vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 431–434. 29   Vgl. die Listen von Zuschreibungen bestimmter Tätigkeiten an vorsokratische Denker bei Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 51–55. 30   Cicero, De legibus 1, 5. 31   Herodotus, Historiae 1, 74 f.; 1, 107. 32   Herodotus, Historiae 4, 95 f. 28

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Die vorsokratische Philosophie

ner zur Hilfe für Milet überredet werden,33 und greift stillschweigend auf andere zurück, z. B. auf die Religionskritik des Xenophanes34 oder auf politische Diskurse, die wohl auf sophistische Vorläufer zurückgehen.35 Seine Darstellung von Meinungen zur Entstehung der Nilüberschwemmungen (die Thales, Euthymenes aus Massalia und Anaxagoras zugeschrieben werden können), gilt als frühestes Beispiel für eine naturphilosophische Doxographie.36 Nicht zuletzt beweisen auch die methodischen Bemerkungen Herodots seine Nähe zu vorsokratischem Denken: Nachdem schon sein Vorgänger, der Geograph Hekataios, betont hat, das schreiben zu wollen, »was mir wahr erscheint« (ὥς μοὶ δοκεῖ ἀληθέα εἶναι), da ihm viele Behauptungen lächerlich vorkommen,37 erläutert Herodot seine Erkenntnisprinzipien etwas genauer: Bevorzugt hält er sich an seine eigene Beobachtung (ὄψις), sein Urteil (γνώμη) und seine Untersuchung (ἱστορίη),38 während er sich des Urteils über fragwürdige Berichte enthält bzw. seine Behauptungen auf »menschliche Dinge« (ἀνθρωπήια πρήγματα) beschränkt.39 An einigen Stellen zieht Herodot auch die vorgeblichen »Beweise« für bestimmte Behauptungen in Zweifel.40 Somit zeigt er ein wissenschaftliches Reflexionsniveau, welches ein inhaltliches Argument für den Einfluss der Vorsokratiker darstellt:41 Offenbar hat die von diesen wesentlich vorangetriebene rationale Weltsicht gegen Ende der vorklassischen Zeit breite Gesellschaftsschichten und weite Wissensgebiete erfasst, so dass die vorsokratische Bewegung zu den prägenden Elementen der griechischen Frühzeit gerechnet werden kann.

33   Zu dieser Weltkarte vgl. Agathemerus, Geographiae informatio 1, 1 (Geographi Graeci Minores 2, p.  471, 1–6); Strabo, Geographia 1, 1, 11 (7, 9–12 Cobet) = DK 12 A 6; Herodotus, Historiae 5, 49, 1; auch Herodots Kritik daran Historiae 4, 36, 2. 34   Vgl. Herodotus, Historiae 1, 131, 1 mit DK 21 A 11. Dazu z. B. Lloyd, Herodotus, 157 f. 35   Herodotus, Historiae 3, 80–82. Zu allen diesen Punkten vgl. K. A. Raaflaub, Philosophy, Science, Politics. Herodotus and the Intellectual Trends of his Time, in: E. J. Bakker  / I.  J.  F. de Jong  /  H. van Wees (Hrsg.), Brill’s Companion to Herodotus, Leiden  /  Boston  /  Köln 2002, 149–186, hier 156–164. 36   Herodotus, Historiae 2, 20–23. Vgl. L. Zhmud, Die doxographische Tradition, in: GGPh 1, 1 (2013), 150–171, hier 155. 37   Ps.-Demetrius Phalereus, De elocutione 12 (6, 11–13 Chiron). 38   Herodotus, Historiae 2, 99, 1. Vgl. E. J. Bakker, The Making of History: Herodotus’ Historiēs Apodexis, in: Bakker  /  De Jong  /  Van Wees (Hrsg.), Brill’s Companion to Herodotus, 3–32, hier 15 f. 39   Herodotus, Historiae 1, 5; 2, 4, 1; 7, 152, 3. 40   Herodotus, Historiae 4, 8, 2. 41   Vgl. R. Thomas, Herodotus in Context. Ethnography, Science, and the Art of Persuasion, Cambridge 2000, 153–161.

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Historischer Überblick

5. Hypothesen zur Einbettung der Vorsokratiker in das politische ­Leben ihrer Zeit und die Bedeutung ihrer literarischen Formen42 In Anbetracht der sehr rudimentären Informationen, welche die Quellen über die frühgriechischen Denker bieten, gewinnen historische und soziologische Erklärungen an Bedeutung, die sich ihrem Wirken indirekt annähern: In den vorsokratischen Diskursen dürfte sich, wie schon erwähnt, die agonale Situation der griechischen Aristokratie in der besonderen Weise einer Zur-Schau-Stellung eines überlegenen Wissens ausdrücken, was durch eine scharfe Kritik an vorhandenen Weltdeutungen der Dichter und anderer Philosophierender, aber auch durch ein Herabblicken auf eine ›dumme‹ Masse flankiert wird, wie es in vorsokratischen Texten gelegentlich überliefert ist.43 Eine wichtige Rolle kommt ferner der neuerdings ›Hypolepse‹ genannten Kulturtechnik zu, schriftlich verfasste Äußerungen anderer zur Kenntnis zu nehmen, auf sie zu reagieren und so zu einer wissenschaftlich-kulturellen Weiterentwicklung beizutragen, was als Besonderheit des griechischen Kulturraums gedeutet wird.44 Die Bedeutung schriftlicher Kommunikation für die vorsokratischen Denker kann in diesem Horizont dadurch erklärt werden, dass ein direkter Dialog bzw. eine Diskussion unter ihnen, wie er einen traditionellen Agon ausmacht, in Anbetracht einer räumlichen Distanz nicht möglich ist. Diese textuelle Kommunikation stellt auch ein Abrücken von der für den Mythos typischen Wiederholung einer Erzählung bzw. einen »Übergang von ritueller zu textueller Kohärenz« dar.45 Philosophiegeschichtlich betrachtet hat eine solche agonistische Deutung des frühgriechischen Denkens im Übrigen den Vorteil, dieses bereits als ›Diskurs‹ über bestimmte Probleme und nicht, wie in älteren Zugängen,46 als ein bloßes Aussprechen bezeichnen zu können;47 insofern wird der philosophisch-suchende Charakter dieser frühen Denker und ihre Kontinuität zur Folgezeit verdeutlicht. Ein bemerkenswerter Zug des vorsokratischen Denkens ist jedenfalls, dass es – nach einer ersten Phase der Mündlichkeit48 – bereits einen großen Reichtum literarischer Formen hervorbringt, die teils keine Wiederholung mehr finden, teils aber zum Modell für spätere philosophische Texte werden. In der Forschung wird, durchaus in Übereinstimmung mit dem agonalen Modell, vorgeschlagen, dass die 42  Vgl. insgesamt A. Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, in: GGPh 1, 1 (2013), 126–149. 43   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 49–71. 44   Vgl. J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und kulturelle Identität in frühen Hochkulturen, München 41992, 102, 269, 280–285; Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 38–43. 45   So Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 290–292. 46   So etwa Schadewaldt, Die Anfänge der Philosophie, 15 f. 47   Zur Bedeutung des ›Problems‹ vgl. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 288. 48   Vgl. dazu Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 126–128. Zum umstrittenen pythagoreischen Schweigegebot vgl. unten S. 95  f.

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kunstvolle Gestaltung einer Reihe von vorsokratischen Werken – des Xenophanes, Heraklit, Parmenides, Empedokles – dem Ziel diene, den eigenen besonderen Wahrheitsanspruch gegenüber rivalisierenden Behauptungen vor der breiten Bevölkerung zu rechtfertigen.49 Da von anderen Autoren – Anaximander – jedoch schon früh eher nüchterne Prosawerke verfasst werden, spiegeln sich in den vorsokratischen Literaturformen wohl die im konkreten Fall recht unterschiedliche soziale Rolle sowie verschiedene Adressatenkreise auf unterschiedliche Weise wider.50 Durch einen kleinen gebildeten Adressatenkreis erklären sich die sehr kunstvolle, durch eine sentenzenartige Antithetik gekennzeichnete Prosa Heraklits und die hexametrischen Darstellungen philosophischer Lehren durch Parmenides und Empedokles, in denen sich die intellektuellen Kapazitäten ihrer Verfasser ausdrücken (sollen).51 Derartige Formen tragen zwar nur bedingt zur leichten Verständlichkeit der darin ausgedrückten Lehren bei,52 kommen allerdings der Überlieferung des Wortlauts zugute. Gerade die dichterischen Formen schließen in wesentlichen Punkten, wie ihrem Wahrheitsbezug und der Behandlung essentieller Fragen, an die ältere epische Dichtung an.53 Bei Parmenides und Empedokles erklärt sich die poetische Form wohl auch durch den Wunsch, ihre Ideen dadurch zu rechtfertigen, dass sie ihnen in Musen- oder Götteranrufen eine quasi-religiöse Autorität zuschreiben.54 Neben solch spektakulären Formen lässt sich in vorsokratischer Zeit aber auch eine Entwicklung einer eher nüchternen philosophischen Fachprosa beobachten, die wohl bei Anaximander beginnt, aber in den Fragmenten des Anaxagoras, Diogenes von Apollonia und Zenon im 5. Jahrhundert schon weit entwickelt ist.55 In ihr konstituiert sich die langfristig erfolgreichste Darstellungsform der Philosophie, was wohl auch darin liegt, dass gerade in dieser Form die rationale Argumentationsgrundlage, welche für die eigene Position spricht, besonders gut dargelegt werden kann. Auch hier zeigen aber gerade die Anfänge des frühgriechischen Denkens einen bewussten Anschluss an bereits etablierte Argumentationspraktiken anderer gesellschaftlicher Felder, z. B. wenn Vorsokratiker (wie schon Anaximander) ihre Ideen über den Kosmos und seine Entstehung mithilfe von rechtlich-politischen Begriffen wie des Rechts (δίκη) und der Strafe (τίσις) erläutern, die insofern auf einen neuen Anwendungsbereich übertragen werden,56 oder mit 49   Vgl. G. W. Most, Die Poetik der frühen griechischen Philosophie, in: Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie, 304–331, hier 307; Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 103–109. 50   So Gemelli Marciano, Einführung, 382–384 und 434–451. 51   Vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 436–439. 52   Vgl. Kraus, Parmenides, 447; Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 606. 53   Vgl. Most, Die Poetik 313–321. 54   Vgl. Most, Die Poetik, 323–326. 55   Zu verschiedenen Formen und deren Zielsetzungen vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 439–444. 56   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 112–118.

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Analogien aus der sinnlichen Welt arbeiten, wenn etwa Thales die Erde mit einem Bimsstein vergleicht, der auf dem Wasser schwimmt.57 Eine methodische Meta­ reflexion hält hingegen erst langsam Einzug,58 ist aber in Heraklits Überlegungen zum Philosophieren oder in Parmenides’ Reflexion über die beiden Wege des Denkens durchaus bereits zu fassen.59

6. Das terminologische Problem: (Selbst-)Bezeichnungen der vorsokratischen Philosophen An diesem Punkt kann sich, gerade in Anbetracht der großen Nähe eines Hekataios und Herodot zu vorsokratischen Rationalitätsidealen, die Frage nach der Identität der philosophisch Denkenden als eigener Gruppe stellen.60 Sie ergibt sich u. a. deswegen, weil sich das Wort ›Philosophie‹ noch nicht als typische Bezeichnung für diese Forscher durchgesetzt hat, ohne dass ganz klar wäre, inwieweit andere Wortbildungen seine Stelle einnehmen. Hier sollen daher die Wortstämme ›histor-‹ (mit den Derivaten ἱστορεῖν  /  ἱστορία), ›soph-‹ (σοφός  /  σοφία) und ›phys-‹ (τὰ φυσικά  /  φυσιολογία) kurz betrachtet und das Problem behandelt werden, inwieweit sie als typische Bezeichnungen für die vorsokratischen Denker infrage kommen. Beiseite lassen kann man hingegen die später wichtigen Begriffe ›Wissen‹ (ἐπιστήμη) und ›(Kunst-)Fertigkeit, Handwerk‹ (τέχνη), die in vorklassischer Zeit nur eine geringe Rolle spielen.61

›Historie‹: Die Charakterisierung als das Forschen und Suchen im Allgemeinen Ursprünglich meint das griechische Wort ›historia‹ (ionisch: ἱστορίη), das später ganz allgemein sowohl eine ›Untersuchung‹ bzw. ›Erforschung‹ als auch das daraus resultierende ›Wissen‹ bezeichnen kann, eine Augenzeugenschaft bzw. Kenntnisse, die von anderen Augenzeugen gewonnen wurden; im Ganzen bezieht es sich also auf eine empirische Beobachtung.62 Noch bei Herodot wird das Wort überwiegend in dieser Bedeutung gebraucht, wobei durchaus schon schriftliche Nie-

57

  Vgl. unten S.  87  f.   Vgl. die skeptischen Bemerkungen bei Gemelli Marciano, Einführung, 463–465. 59   Vgl. unten S.  112  f. 60   Vgl. dazu auch Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 142–162. 61   Vgl. R. Schaerer, ΕΠΙΣΤΗΜΗ et ΤΕΧΝΗ. Étude sur les notions de connaissance et d’art, d’Homère à Platon, Macon 1930, 1–21, der bei den Vorsokratikern nur einzelne Belege in pythagoreischen Texten findet. 62   Vgl. B. Snell, Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie. sophia, gnōmē, sýnesis, historía, máthēma, epistēmē, Berlin 1924, 59–71. 58

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Die vorsokratische Philosophie

derlegungen mitgemeint sein können.63 In seiner Titelei, wo er von »Aufzeigen der Historie« (ἱστορίης ἀπόδεξις) spricht,64 sowie im hippokrateischen Traktat ›Über die Alte Medizin‹65 (ebenfalls mit Bezug zur Naturphilosophie) scheint der Begriff ›Historie‹ dagegen eher ein umfassendes, auf Untersuchung basierendes Wissen in einem bestimmten Gegenstandsbereich zu bezeichnen.66 Das Fragment Heraklits, das die philosophische Untersuchung eine ›Historie‹ nennt, gibt entweder einen bereits allgemein etablierten Sprachgebrauch oder denjenigen des Pythagoras wieder,67 welcher möglicherweise allerdings nur die Geometrie mit diesem Wort bezeichnet.68 Auf eine breitere Bedeutung des Wortes weist schließlich ein Fragment des Euripides hin, in dem jemand für ›das Erlernen‹ oder ›die Disziplin der Untersuchung‹ (μάθησις ἱστορίας) selig gepriesen wird, die sich u. a. auf die unsterbliche Natur (φύσις) beziehe und von ungerechten Handlungen frei sei. 69 Hier scheinen in der Tat die Kernanliegen der antiken Philosophie unter dem Begriff ›Untersuchung‹ bzw. ›Wissen‹ (des Untersuchten) (ἱστορία)70 vereint zu sein. Das bedeutet freilich nicht, dass wir es hier mit einer spezifischen Bezeichnung für die Aktivität der Vorsokratiker zu tun haben, da ›Historie‹, wie gezeigt, im 5. und wohl auch schon im späten 6. Jahrhundert auf jede Art von methodischer Sammlung von Informationen angewandt werden kann. Als Reaktion auf diese Situation kann man es lesen, dass Platon und Aristoteles in spezifischerer Weise von einer »Historie über die Natur« (περὶ φυσέως ἱστορία) sprechen, um die vorsokratische Naturphilosophie zu bezeichnen.71 Hierbei scheint es sich allerdings am ehesten um einen späten Versuch einer Präzisierung der Begrifflichkeit zu handeln, aus dem nicht gefolgert werden kann, dass eine allgemein verbreitete Bezeichnung der Tätigkeit der Vorsokratiker vorliegt.72

63   Herodotus, Historiae 2, 99; 2, 118 f.; 7, 96; vgl. Lloyd, Herodotus, 72–84; Bakker, The Making of History, 13–22. 64   Herodotus, Historiae 1, praef. Vgl. Bakker, The Making of History, 3–13. 65   Vgl. unten S. 126–128. 66   Vgl. Thomas, Herodotus in Context, 163–166. 67   Vgl. unten S. 103. 68   Vgl. unten S. 103. 69   Euripides, frg.  910 (Kannicht). Vgl. Ch. Riedweg, Pythagoras. Leben, Lehre, Nachwirkung, München 32017, 120–128. 70   Zum Bedeutungsspektrum von ἱστορία vgl. LSJ S.  v., Sp. 842a. 71   Plato, Phaedo 96a; Aristoteles, De partibus animalium 1, 1, 639a 13. 72   Vgl. P. Hadot, Wege zur Weisheit oder was lehrt uns die antike Philosophie, Berlin 1999, 26.

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›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως): Die Charakterisierung des vorsokratischen ­Denkens von seinem (Haupt-)Gegenstand Allerdings sind bei späteren Autoren verschiedene Ausdrücke von Stamme ›physi-‹ (φυσικοί, περὶ φύσεως, φυσιολογεῖν) als Bezeichnung für die Vorsokra­ tiker im Sinne von ›Naturphilosophen‹ recht weit verbreitet.73 Auf ein hohes Alter dieser Tradition weisen zahlreiche Angaben hin, denen zufolge ›Über die Natur‹ (περὶ φύσεως bzw. περὶ φύσιος) der Titel von Schriften des Anaximander, Pherekydes, Xenophanes, Empedokles und anderer sei.74 Es ist aber zweifelhaft, ob es sich hier um Originaltitel oder um spätere Rückprojektionen handelt,75 zumal die genaue Form der Titel in vielen Fällen nicht einheitlich überliefert wird.76 Zu bedenken ist auch, dass frühe literarische Produkte anscheinend, wie im Falle Herodots, Heraklits, Alkmaions und wohl Anaximanders, gar keinen Titel tragen, sondern ihren Inhalt durch ein Proöm angeben.77 Gut bezeugt ist der Titel ›Über die Natur‹ allerdings für die Mitte des 5. Jahrhunderts, nämlich durch den späten, aber im Regelfall gut informierten, an den Werken der Vorsokratiker als solchen interessierten Simplikios für Diogenes von Apollonia, Zenon und Melissos.78 Aller­dings zitiert der Aristoteles-Kommentator das mehrbändige Werk des Anaxagoras auch als ›Naturwissenschaft‹ bzw. ›Physik‹ (τὰ φυσικά), was möglicherweise darauf hindeutet, dass ihm kein Titel vorliegt, sondern er das Werk eher charakterisiert.79 Von besonderer Wichtigkeit ist daher das Zeugnis der Schrift ›Über die Alte Medizin‹, welche wohl noch im 5. Jahrhundert von einer Gruppe von Personen spricht, die »über die Natur geschrieben haben«:80 Hier wird anscheinend aus dem Buchtitel eine Gruppencharakterisierung, die freilich immer noch auf die Weise einer Umschreibung funktioniert und daher alles andere als griffig ist. Eine allgemeine Verbreitung dieser Bezeichnung ist auch zweifelhaft, denn sie fehlt ebenso wie jeglicher Hinweis auf die Philosophierenden als ab73   Zum Beispiel Aristoteles, Metaphysica 1, 3 983a 29 f.; Aristoteles, Physica 3, 6, 406b 24; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 23 (17, 3 Marcovich = 79, 11 Dorandi); Themistius, Oratio 36 (317c). 74   Die zahlreichen Belege sind zusammengestellt bei DK, Bd.  3, Zürich 61952, 465 f. 75   Die Authentizität des Titels wird jedenfalls für viele Vorsokratiker bezweifelt: Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 88 f.; Dührsen, Anaximander, 268. 76   Zu Empedokles und Anaxagoras vgl. Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 133; 142. 77   Herodotus, Historiae, 1, praef.; Heraclitus, apud: Aristoteles, Rhetorica 3, 5, 1407b 11–25 = DK 22 A 4; B 1; Alcmaeon, apud Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 8, 83 (626, 2–5 Marcovich = 649, 9–12 Dorandi) = DK 24 B 1. Vgl. Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 137–140. 78   Vgl. unten S. 113  f. und Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 140–142. 79   Letzteres wird von Simplikios als Werktitel für Anaxagoras verwendet: Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  163, 19 Diels) = DK 59 B 17. 80   Zitiert unten S. 126.

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grenzbare Gruppe im Werk Hero­dots, der mit vorsokratischen Theorien wohl vertraut ist, sowie in den meisten anderen Schriften des Corpus Hippocraticum. Immerhin repräsentiert die Bezeichnung ›Über die Natur‹ bereits eine gewisse thematische Breite, denn sie ist nicht naturwissenschaftlich-deskriptiv zu verstehen, sondern umfasst – neben Ansätzen, die eher die beobachtbare Natur aus sich selbst erklären (Anaximenes, Empedokles) – gerade auch die Werke eleatischer Autoren, denen es weniger um die beobachtbare Natur als um eine Auseinandersetzung mit dem Sein als Ganzem geht.81

Termini der Weisheit und der Suche danach (σοφίη, σοφιστής, φιλοσοφίη) Weiterhin werden bereits frühzeitig Begriffe aus dem Wortfeld ›Weisheit‹ (σοφία bzw. σοφίη) von den frühen Philosophierenden für ihr eigenes Tun verwendet: ›Weisheit‹ taucht als Selbstbezeichnung bereits bei Xenophanes auf, der ebenfalls sein Tun als Suche (ζήτησις) beschreibt, und wird auch mit Thales als einem der sieben Weisen verbunden.82 Bei Empedokles ist eine Göttin, die »auf der Höhe der Weisheit« sitzt, die Begleiterin seines Weges.83 Hier, und auch bei späteren Vorsokratikern, muss Weisheit (σοφία) im Sinne einer Exzellenz in verschiedenen Dingen und nicht, wie dann verstärkt in nachsokratischen Texten, als ein hervorragendes handwerkliches Können verstanden werden.84 Besonders intensiv setzt sich Heraklit85 mit der Bedeutung von ›Weisheit‹ auseinander, der zum »einen Weisen« (ἓν σοφόν) hinter der Natur vordringen will, während er Pythagoras für ein falsches, mit Vielwisserei belastetes Ideal kritisiert, das dessen »eigene Weisheit« darstelle. Schließlich verbindet Heraklit seine Idee der ›Weisheit‹ einerseits mit wahrer Rede, andererseits mit rechtem Handeln, so wie es später, besonders bei Aristoteles, für den Philosophiebegriff typisch ist (und wohl schon in dem gerade besprochenen Euripides-Fragment unterminologisch angesprochen wird). Die Rede von der ›Weisheit‹ gehört in den Kontext einer Aufwertung dieses geistig konnotierten Begriffes, weelcher sich somit zu einem eigenständigen Distinktionsmerkmal entwickelt.86 Im Zusammenhang von Heraklits Aussagen zur Weisheit taucht schließlich das erste Mal in einem erhaltenen Text die Rede von ›philosophischen Männern‹ auf, die »Erforscher« (ἵστορας) von sehr vielem sein sollen, ohne dass freilich klar wird, ob hier eine Beziehung von ›philosophisch‹ und ›Weisheit‹ hergestellt wer81

  Plutarchus, Themistocles, 2, 5 (112cd), der Melissos und Anaxagoras φυσικοί nennt; Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  557, 10–12 Heiberg). 82   Vgl. unten S. 93. 83   Vgl. unten S. 116. 84   Vgl. Snell, Ausdrücke, 6–8; F. Kudlien, Heilkunde, in: RAC 14 (1988), 223–249, hier 225 f. 85   Für die genauen Formulierungen vgl. unten S. 109. 86   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 162–177.

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den soll. Für Pythagoras wird eine solche Verbindung zwar in der antiken Tradition behauptet, doch fehlen hier Originaltexte, an denen sie sich absichern ließe. Wohl für das späte 5. Jahrhundert wird das Nomen ›Philosophie‹ immerhin vom pseudo-hippokrateischen Traktat ›Über die Alte Medizin‹ bestätigt und mit Empedokles sowie anderen Autoren, die »über die Natur« schreiben, in Verbindung gebracht.87 Für die Verbindung der Philosophie zur empirischen Beobachtung ist hingegen eine Passage bei Herodot von besonderem Interesse, in welcher sich der Lyderkönig Kroisos mit folgenden Worten an Solon wendet: »Gast aus Athen, uns hat nämlich reichliche Kunde über Dich sowohl wegen Deiner Weisheit als auch wegen Deines Herumziehens erreicht, dass Du philosophierend viele Länder wegen der Betrachtung betreten hast«.88

Hier wird bemerkenswerterweise das ›Philosophieren‹ bereits als Weg zur ›Weisheit‹ bzw. zur ›Betrachtung‹ oder ›Theorie‹ verstanden und weniger als eine unverbindliche Nähe bzw. ein Besitz von Weisheit, der etymologisch als ältester Hintergrund des Wortes vermutet wird.89 Diese klar vorplatonische Passage nimmt also in auffälliger Weise einige Aspekte der platonischen Erklärung des Begriffs ›Philosophie‹ vorweg, die Philosophie sei eine Liebe zur Weisheit, die eben nicht deren Besitz einschließe. Herodots Formulierung enthält zwar die ontologischen Vorstellungen Platons noch nicht, welche die zu erreichende Weisheit in den Besitz der Ideen legt, doch lässt seine pointierte und wiederholte Verwendung des Wortes ›wegen‹ (εἵνεκεν) klar erkennen, dass Philosophieren für Herodot eine Suche nach Weisheit um der Theoria selbst willen darstellt, was mit Heraklits Rede von »philosophischen Männern« verglichen werden kann. Wenn somit eine solche Beziehung von Philosophieren und Weisheit Herodot bereits bekannt ist, liegt es nahe, deren Ursprungskontext in den Personengruppen zu vermuten, für die Worte vom Stamm ›philosoph-‹ vor oder zu seiner Zeit bereits bezeugt sind, nämlich bei Pythagoras und Heraklit sowie überhaupt bei denjenigen, die, laut ›Über die Alte Medizin‹, »über die Natur« forschen. Da Herodot die Lehren dieser Gruppen, wie gezeigt, gut kennt, scheint alles dafür zu sprechen, dass der Wortstamm ›philosoph-‹ bereits im 5. Jahrhundert in diesen Zirkeln bekannt und als Weisheitssuche konnotiert ist.90 Allerdings zeigt Herodot auch, dass der Wortstamm keine ausdrückliche Gruppenbezeichnung ist. Vielmehr wird der einzige als solcher genannte Philosoph, 87

  Vgl. unten S. 126–128.   Ξεῖνε Ἀθηναῖε, παρ’ ἡμέας γὰρ περὶ σέο λόγος ἀπῖκται πολλὸς καὶ σοφίης εἵνεκεν τῆς σῆς καὶ πλάνης, ὡς φιλοσοφέων γῆν πολλὴν θεωρίης εἵνεκεν ἐπελήλυθας. Herodotus, Historiae 1, 30, 2. Vgl. Riedweg, Pythagoras, 125–127. 89   Zur Etymologie Schäfer, Xenophanes, 26 f.; zu möglichen Bedeutungsnuancen von Wortbildungen der Form philo-x P. Cipriano, I composti Greci con philos, Viterbo 1990, 107 f. 90   Vgl. für dessen mögliche Konturen z. B. Gemelli Marciano, Einführung, 410–414. 88

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Pytha­goras, von ihm ausdrücklich als ›Sophist‹ (σοφιστής) bezeichnet. Auch dies ist wiederum eine Entsprechung zu ›Über die Alte Medizin‹, wo die Gruppe der Naturforscher um Empedokles, die sich von den Ärzten unterscheidet und ›Philosophie‹ betreibt, ebenfalls als Sophisten bezeichnet wird. Dieser Sprachgebrauch schlägt schließlich eine Brücke zu dem Gorgias-Schüler Alkidamas, der das Nomen ›Philosophie‹ wohl etwas später in einem unmittelbaren Zusammenhang zu ›Rhetorik‹ verwendet.91 Die Spannung im Sprachgebrauch, die sich zwischen ihm und dem hippokratischen Traktat zeigt, wird in der klassischen Zeit zu weiteren Präzisierungen Anlass geben, bei denen vor allem Platon und Aristoteles die wissenschaftlichen Konnotationen des Wortes gegen den Ansatz des Isokrates zur Geltung bringen, der eher die allgemeinbildend-politischen Aspekte hervorhebt.

91

  Vgl. im Übrigen u. S. 210  f.

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III. Vorbereitung in der Dichtung

1. Vorbemerkung Wie erwähnt, schreiben bereits antike Philosophen bzw. Philosophiehistoriker ihrem Gegenstand einen Beginn in der griechischen Dichtung zu. In der modernen Forschung wird dies teilweise aufgenommen, z. B. in den Fragmenten der Vorsokratiker von Diels  /  Kranz, in Wilhelm Nestles ›Vom Mythos zum Logos‹, in Hermann Fränkels ›Dichtung und Philosophie‹. Hingegen werden die alten Dichter von Hegel nicht behandelt und fehlen in vielen neueren Publikationen. Im von Flashar, Bremer und Rechenauer herausgegebenen neuen ›Ueberweg‹ zur ›Frühgriechischen Philosophie‹ werden sie eher summarisch innerhalb eines Einleitungskapitels als ein Phänomen behandelt, an dem sich der Übergang vom Mythos zum Logos zumindest teilweise ablesen lasse.1 Dagegen widmen unter neueren deutschsprachigen Publikationen z. B. Friedo Ricken dem hesiodeischen oder Michael Erler und Andreas Graeser dem orphischen Schrifttum2 eigene Kapitel, und die neue vorsokratische Fragmentensammlung durch Laks und Most nimmt einiges aus der Dichtung auf.3 Für eine Darstellung der poetischen Vorläufer der Philosophie, die den antiken Blickwinkel aufnimmt, soll im Folgenden kurz miterwähnt werden, wie verschiedene Dichter, nachdem sie früh allegorisch ausgelegt4 und auch von den Sophisten als Vorläufer in Anspruch genommen worden sind,5 die ganze Antike hindurch einen Bezugspunkt philosophischen Denkens bilden.

1

  Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 64–80.   Vgl. J.-M. Roessli, Orpheus, Orphismus und Orphiker, in: Erler  /  Graeser, Philosophen des Altertums von der Frühzeit bis zur Klassik, 10–35. 3   In Form einer Auswahl von Dichterzitaten, teils sogar aus Homer, die philosophische Gedanken vorwegnehmen, sowie eines Pherekydes-Kapitels, das noch vor Thales steht: Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 63–133. 4   Vgl. dazu Nestle, Vom Mythos zum Logos, 126–153. 5   Vgl. Plato, Protagoras 316de. 2

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Die vorsokratische Philosophie

2. War Homer ein Philosoph? Einige Bemerkungen zur antiken und modernen Rezeption Im Gegensatz zur großen Bedeutung der homerischen Epen6 für viele Felder der antiken Kultur soll gemäß einer Position der modernen Forschung »in Homer von der griechischen Philosophie so gut wie nichts enthalten« sein.7 Andere Untersuchungen arbeiten hingegen bereits rationale Grundstrukturen wie eine humorvoll-kritische Sicht auf die Götter, eine sittliche Grundhaltung8 sowie erste Überlegungen zum Ursprung der Dinge heraus, nämlich – gleichsam im Vorgriff auf Thales’ Lehre vom Urstoff Wasser9 – zu »Okeanos, dem Ursprung der Götter, und der Mutter Thetys« (Ὠκεανὸν τε θεῶν γένεσιν, καὶ μητέρα Τηθύν) bzw. Okeanos als »Ursprung für alle« (γένεσις πάντεσσι).10 Auch einige homerische Erzählungen, z. B. die Unterweltsfahrt des Odysseus11 oder die Schildbeschreibung in der Ilias12 lassen sich philosophisch ausdeuten. Schließlich finden sich bei Homer die ersten Belege für Begriffe, die später philosophisch relevant werden.13 Insofern sind in den homerischen Epen bereits Motive mit philosophischem Bezug enthalten,14 aber sie werden nicht aus einer Gesamtsicht heraus entwickelt und auch nicht explizit reflektiert. In dieser Hinsicht ist es durchaus folgerichtig, dass Homer bzw. die homerischen Epen bei Aristoteles und Diogenes Laertios nicht spezifisch als Vorläufer der Philosophie behandelt werden. Ein Verhältnis dieser Epen zur Philosophie ist in der Antike allerdings durchaus gegeben: Denn ebenso wie andere griechische Schriftsteller bedienen sich auch die Philosophen vielfach homerischer Zitate. In dieser Hinsicht haben die Epen eine ähnliche Bedeutung wie z. B. Simonides, Euripides oder der Komödiendichter Menander: Sie alle gehören zum kulturellen Gedächtnis der Antike und ihre Worte können jederzeit als Plausibilitätsargument in geeigneten Kontexten angewandt werden. Die Auseinandersetzung über Simonides in Platons ›Protagoras‹,15 die sich in dieser Hinsicht mit Platons Homerkritik16 vergleichen lässt, 6   Zur komplexen homerischen Frage nach der Zusammengehörigkeit und Autorschaft der homerischen Epen vgl. A. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, München 31999, 29–101. 7   So Fränkel, Dichtung und Philosophie, 5. 8   Vgl. Nestle, Vom Mythos zum Logos, 21–41. 9   So schon Aristoteles, Metaphysica 1, 3, 983b 30–32. 10   Homerus, Ilias 14, 201; 14, 246. Vgl. Nestle, Vom Mythos zum Logos, 41–44; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 73 f. 11   Homerus, Odyssea 11, 23–640. 12   Homerus, Ilias 18, 478–608. Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 71 f. 13   Vgl. Nestle, Vom Mythos zum Logos, 34–36; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 74 (zu φύσις). 14   Vgl. auch Gemelli Marciano, Einführung, 390 f. 15   Plato, Protagoras 338e–347a. 16   Plato, Respublica 3, 377c–392c.

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Vorbereitung in der Dichtung

ist für die Rolle der Dichter im klassischen Athen durchaus instruktiv: In beiden Kontexten wenden sich Sokrates bzw. Platon gegen eine Überbewertung oder eine irreführende bzw. nicht rational geprüfte Verwendung der jeweiligen Dichter für didaktische Zwecke, ohne dass es darum ginge, diese ganz aus der Philosophie auszuschließen – wie ja z. B. die Benutzung Pindars in Platons ›Menon‹ zeigt.17 In jedem Fall bleiben Bezugnahmen auf Dichterzitate die ganze Antike hindurch Teil des argumentativen Diskurses,18 ohne dass das freilich heißen würde, dass die Dichter durchweg als Philosophen gesehen worden wären. Vielmehr gehört das Zitieren von Dichtern zur pädagogischen bzw. rhetorischen Praxis.19 Die Rolle Homers geht über die der übrigen genannten Autoren aber insofern hinaus, als kürzere oder längere Auszüge aus seinem Werk zum Ausgangspunkt eigener philosophischer Abhandlungen (bzw. längerer Teile von solchen) werden, die nach Platon nicht mehr negativ ausfallen. So entwirft der Epikureer Philodem im 1. Jahrhundert v.  Chr. in ›Über den guten König gemäß Homer‹ (›De bono rege secundum Homerum‹) ein Bild des guten Herrschers.20 In der Spätantike widmen sich neuplatonische Autoren wie Porphyrios und Proklos ebenfalls der Homer­ auslegung, nicht zuletzt mit den Zielen, Homer selbst unter die eigenen Vorläufer einzuordnen und ihn zu diesem Zweck von der platonischen Kritik auszunehmen, die sich lediglich gegen eine falsche Homerinterpretation richte.21 Hierbei ermöglicht die allegorische Auslegungsmethode in ihren verschiedenen Spielarten22 eine philosophische Auslegung auch solcher Texte, die eigentlich keine terminologisch

17

  Plato, Meno, 81bc.   Zum topischen Gebrauch des Euripides neben den Versen des Kleanthes vgl. z. B. M. Perkams, Stoische Schicksalslehre und christlicher Monotheismus. Kleanthes’ Verse im Spiegel ihrer Überlieferung, in: R. M. Piccione  /  M. Perkams (Hrsg.), Selecta colligere 2. Beiträge zur Technik des Sammelns und Kompilierens griechischer Texte von der Antike bis zum Humanismus, Alessandria 2005, 57–78, hier 64–66. 19   Vgl. R. M. Piccione, Encyclopédisme et enkyklios paideia. À propos de Jean Stobée et de l’›Anthologion‹, in: Philosophie antique 2 (2002), 169–187, hier 185 f. 20   Vgl. unten S. 402. Vgl. St. Enke, Nicht schaden und nicht geschädigt werden. Philosophie des Politischen im Gesamtsystem der epikureischen Lehre und in ihrem Kontext, Diss. Jena 2020, 364–383. 21   Zu beachten sind insbesondere Porphyrius, De antro nympharum (dazu M. Edwards, Porphyrios, in: GGPh 5, 2 [2018], 1327–1349, hier 1334) sowie Proclus, In rem publicam, Traktat 6 (dazu M. Perkams  /  Ch. Helmig  /  C. Steel, Proklos. 2. Werke, in: GGPh 5, 3 [2018], 1912–1928, hier 1918), wo die in Platon enthaltene Homerkritik mit dem Argument zurückgewiesen wird, dass es Platon hier um eine falsche Homerauslegung gehe. Zum Hintergrund vgl. W. Bernard, Die methodischen Grundlagen neuplatonischer Literaturinterpretation. Proklos’ Theorie der Dichtungsarten, in: K. Bracht u. a. (Hrsg.), Heteronome Texte in Antike und Mittelalter. Kommentierende und tradierende Literatur in Antike und Mittel­alter, Berlin  /  Boston 2022, 111–129. 22   Vgl. hierfür – trotz der unbillig antistoischen Tendenz – Bernard, Die methodischen Grundlagen, 124–128. 18

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Die vorsokratische Philosophie

und argumentativ klare Darstellung enthalten – wie es später auch für heilige Schriften gelten wird.23

3. (Vor-)Philosophische Denkweisen in der Epik und Lyrik und ihre Bedeutung für die spätere Tradition Gedankengänge, die man als philosophische Begründungen verstehen kann, bilden sich in der archaischen Epik und Lyrik des 8./7. Jahrhunderts heraus.24 Der bedeutendste Autor ist zweifelsohne Hesiod, dem bisweilen »der entscheidende Schritt von der Poesie in Richtung auf die Philosophie« zugeschrieben wird.25 Schon Aristoteles findet in seiner ›Theogonie‹, die die Entstehung der Götter mit dem Chaos beginnen lässt, aus welchem Erde und Eros hervorgehen,26 eine Erklärung des Ursprungs der Wirklichkeit.27 Der durch die Musen verbürgte Anspruch, Wahrheiten über das Seiende auszusagen,28 korrespondiert in seinem Werk zum Vertrauen des Dichters in die Geltung des Rechts (δίκη) in den kosmischen und menschlichen Angelegenheiten, das durch Zeus garantiert wird.29 Auch wenn dieses Vertrauen inhaltlich Parallelen zu orientalischer Weisheitsliteratur aufweist,30 hebt sich die rational strukturierte, »in sich kohärente Darstellung der Götterund Weltentstehung« bei Hesiod, »die auf das Seiende in seiner Gesamtheit zielt«, durch ihre durchdachte Bearbeitung von solchen Stoffen ab und weist auf die Philosophie voraus.31 Zwar kennt Hesiod, wie Homer, »den Begriff der [Weisheit] nur in der Bedeutung der Fertigkeit in einer Kunst«32 und zeigt noch keine ausdrückliche Reflexion seines eigenen Vorgehens – trotzdem stellt er einen Höhepunkt in der dichterischen Vorbereitung philosophischer Arbeit dar. In der Folgezeit finden sich vergleichbare Elemente vorwiegend bei lyrischen Dichtern, die zum Teil Hesiods Werk ausarbeiten: Epimenides benennt die Luft 23   Vgl. dazu Nestle, Vom Mythos zum Logos, 126–131; Most, From Logos to Mythos, 32–36. 24   Vgl. Fränkel, Dichtung und Philosophie, 289–291; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 63–67, 74–80. 25   So Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 74. Vgl. ferner Nestle, Vom Mythos zum Logos, 44–53; Fränkel, Dichtung und Philosophie, 109 f.; W. Röd, Die Philosophie der Antike 1. Von Thales bis Demokrit, München 32009, 36; N. Abbagnano, Storia della filosofia 1. La filosofia antica, la Patristica e la Scolastica, Turin 31974, 6–8; F. Ricken, Philosophie der Antike, Stuttgart 42007, 14–19. 26   Hesiodus, Theogonia 117–122. 27   Aristoteles, Metaphysica 1, 4, 984b 25–31. 28   Hesiodus, Theogonia 26–34. 29   Hesiodus, Theogonia 73 f.; Hesiodus, Opera et dies 276–281. 30   Vgl. Ricken, Philosophie der Antike, 19. 31   Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 64, 75. 32   Vgl. Nestle, Vom Mythos zum Logos, 51.

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Vorbereitung in der Dichtung

und die Nacht sowie den Tartaros als Ursprünge (ἀρχαί) aller Dinge,33 wobei er seine Einsichten allerdings auf göttliche Inspiration zurückzuführen scheint.34 Bei Alkman (2. Hälfte 7. Jhdt.) gibt es Spuren einer Lehre von der Materie (ὕλη), aus der heraus sich Poros als aktives und die Grenze (τέκμωρ) als passives Prinzip entwickelten.35 Der besonders durch Platon überlieferte Simonides von Keos (2. Hälfte 6. Jhdt.) macht sich Gedanken über das Schicksal guter sowie schlechter Menschen und betont allgemein den Unterschied zwischen Mensch und Gott.36 Besonders wichtig ist ebenfalls im 6. Jahrhundert Pherekydes von Syros, ein Zeitgenosse Anaximanders, der in der Antike z. B. von Aristoteles dafür anerkannt wird, »nicht alles mythisch zu sagen« (μὴ μυθικῶς ἅπαντα λέγειν).37 Jedenfalls unterscheidet er sich durch die Prosa, die er oder Anaximander als erste griechische Autoren verwenden sollen,38 von den bis jetzt genannten Dichtern, denen seine erzählende Theogonie inhaltlich nahesteht. Sie fällt allerdings durch die Deutlichkeit ihrer orientalischen Einflüsse aus dem Rahmen,39 enthält aber offenbar auch eine abstrakte Charakterisierung des ersten Hervorbringenden als »Bestes« (ἄριστον).40 Pherekydes, der von der antiken Philosophiegeschichtsschreibung zum Lehrer des Pythagoras und Begründer der ›italischen‹ Sukzession des Philosophierens gemacht wird,41 wird in diesem Zusammenhang die Lehre von der Seelenwanderung zugeschrieben.42

33

  Damascius, De principiis (3, p.  164, 9–16 Westerink  /  Combès) = DK 3 B 5.   Plutarchus, De defectu oracolorum 1 (409e) = DK 3 B 11; vgl. Scholia in Apollonium Rhodium 4, 57 (265, 1–5 Wendel) = DK 3 B 14; vgl. Schäfer, Xenophanes, 54 f.; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 65. Auch der Bericht bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 109–112 (80, 18–82, 25 Marcovich = 139, 1–141, 49 Dorandi) betont eher seine religiösen Aspekte. 35   Alcman, Carmina 1, 13 f.; 3 col. II 9–25 (p.  2; 13 Page); vgl. Fränkel, Dichtung und Philosophie, 183–185. 36   Simonides, Carmina 354, 5 f.; 371, 1–15 (p.  172; 179 Page). Für die Überlieferung bei Platon vgl. v. a. Plato, Protagoras 339e–347a und dazu z. B. W. Nestle, Platon, ›Protagoras‹, Stuttgart 81978, 55 f. Zu Simonides allgemein vgl. Fränkel, Dichtung und Philosophie, 346– 370; A. Dihle, Griechische Literaturgeschichte. Von Homer bis zum Hellenismus, München 3 1998, 82–84. 37   Aristoteles, Metaphysica 14, 4, 1091b 9 f. Vgl. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 65 f. 38   Plinius, Historia naturalis 7, 205 (2, p.  51, 30–32 Mayhoff). Vgl. C. Macris  /  R. Goulet, Phérécyde de Syros, in: DPhA 5a (2012), 296–300, hier 299. 39   Vgl. West, Early Greek Philosophy and the Orient, 1–75. 40   Aristoteles, Metaphysica 14, 4, 1091b 9 f. 41   Was wenig wahrscheinlich ist: Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 113. 42   Scholia in Apollonium Rhodium 1, 645 (56, 19–22 Wendel) = DK 7B 8. Vgl. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie, 8; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 66. 34

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Die vorsokratische Philosophie

Die Annahme der Seelenwanderung ist aber vor allem für die teils eindrucksvollen orphischen Texte43 typisch, die trotz ihrer relativ rezenten Überlieferung auf eine sehr alte Tradition zurückgehen könnten.44 Bei ihnen finden sich neben der Seelenwanderung45 auch eigene Theogonien.46

4. Würdigung Die klassische griechische Dichtung kann man noch nicht wirklich als Philosophie bezeichnen, da ihr eine rationale Reflexion ihrer eigenen Bearbeitung mythischer Elemente noch fehlt. Sie markiert aber durch ihre vor allem bei Hesiod strikte Auswahl und Anordnung der mythischen Überlieferungen einen wichtigen Schritt auf dem Weg vom Mythos zum Logos. Eine inhaltliche Bedeutung für die werdende Philosophie besitzt die klassische Dichtung als Quelle für die Frage nach dem Ursprung von allem sowie, bei Pherekydes und den Orphikern, für die Lehre von der Seelenwanderung, wobei spätestens bei Platon poetische und pythagoreische Traditionen unverbunden nebeneinander aufgegriffen werden.47

43   Texte: Orphicorum fragmenta, collegit O. Kern, Berolini 1922. Überblick: Roessli, ­Orpheus; Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, 64 f. 44   Das kann man mit L. Brisson, Orphée, Orphisme et littérature orphique, in: DPhA 4 (2005), 843–858, bezweifeln, der die erhaltenen Versionen meist in Kaiserzeit bzw. Spätantike zu datieren geneigt ist. 45   Vgl. Roessli, Orpheus, 29 f.; G. Casadio, La metempsicosi tra Orfeo e Pitagora, in: Ph. Borgeaud (Hrsg.), Orphisme et Orphée. En l’honneur de Jean Rudhardt, Génève 1991, 119–155; Riedweg, Pythagoras, 86 f. 46   Damascius, De principiis (3, p. 159, 17–164, 8 Westerink  /  Combès) = Orphici, frg.  28; 54; 60 (Kern); vgl. M. L. West, The Orphic Poems, Oxford 1983; zu den verschiedenen von Damaskios unterschiedenen Versionen vgl. Brisson, Orphée, 845–847. 47  Vgl. J. Müller, Seelenwanderung, in: Ch. Horn  /  J. Müller  /  J. Söder (Hrsg.), PlatonHandbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 22017, 331–335, hier 331 f.

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IV. Erste Prinzipien und ihre Begründungen: Die Vorsokratiker im engeren Sinne

1. Vorbemerkung Auch bei der Darstellung der vorsokratischen Denker mit klar philosophischem Profil ist von dem bekannten Problem auszugehen, dass wir über ihre Texte im Ganzen nicht mehr verfügen. Unsere Kenntnisse beruhen auf einer sehr zersplitterten indirekten Überlieferung, die im Wesentlichen aus zwei Arten von Quellen stammt:1 a) Wörtliche Zitate bei späteren Autoren: Diese sind von großer Bedeutung, aber die meisten von ihnen sind entweder gnomischer bzw. sentenzenhafter Natur und daher sehr kurz. Allerdings finden sich bei einigen Autoren mit einem vorwiegend theoretisch-philosophischen Interesse auch längere Zitate, vor allem beim Skeptiker Sextos Empirikos und dem neuplatonischen Aristoteles-Kommentator Simplikios, der vor allem von Parmenides, Zenon und Anaxagoras längere Abschnitte bewahrt. b) Antike Berichte über das Denken der Vorsokratiker, die sich einerseits bei Platon und vor allem Aristoteles finden und andererseits aus hellenistischen Handbüchern der Meinungen der Philosophen(-schulen) stammen, welche womöglich ursprünglich vor allem in Theophrasts ›Meinungen der Naturphilosophen‹ gesammelt wurden.2 Sie sind uns im Wesentlichen bei einigen noch späteren Autoren erhalten, vor allem bei Sextos Empirikos, Diogenes Laertios, in den pseudo-plutarchischen ›Meinungen‹ (›Placita‹) und ihren Paralleltexten, v. a. Johannes Stobaios, (diese Textgruppe wird seit nunmehr fast 150 Jahren unter dem Namen ›Aetios‹ zusammengefasst)3 und in der Hippolyt von Rom zugeschriebenen ›Widerlegung sämtlicher Häresien‹.4 Derartige heteronome Texte, von denen insbesondere die vergleichenden Listen naturphilosophischer Meinungen in der modernen Forschung seit Hermann Diels’ Epoche machendem Werk ›Doxographi Graeci‹ (1879) ›doxographisch‹

1

  Vgl. Zhmud, Die doxographische Tradition, 150.   Vgl. unten S.  379  f. 3   Vgl. die kurze Zusammenfassung der Rekonstruktion von Aetios’ Sammlung und den ihnen vorausgehenden ›Vetusta placita‹ bei Zhmud, Die doxographische Tradition, 166–169. Die ursprüngliche Edition ist H. Diels, Doxographi Graeci. Collegit, recensuit, prolegomenis indicibusque instruxit, Berlin 1879, 267–444. Eine neue Version liegt nun vor: Aëtiana 5. An Edition of the Reconstructed Text of the ›Placita‹ with a Commentary and a Collection of Related Texts, Bd.  1–4, Leiden  /  Boston 2020. 4   Vgl. zu allen diesen Autoren die jeweiligen Abschnitte im Kaiserzeit-Teil. 2

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genannt werden,5 stellen die vorsokratischen Theorien im Zusammenhang dar, orientieren sich dabei aber regelmäßig an Interessen und Fragen der eigenen Zeit, was – gerade im Fall des sehr eigenständig denkenden Aristoteles6 – zusätzliche Interpretationsprobleme schafft. Weitere Probleme ergeben sich z. B. aus der lehrbuchartigen Auflistung der Meinungen der einzelnen Vorsokratiker gemäß einem bestimmten, durch ein Einzelwerk hindurch und häufig auch in der ganzen Gattung mehr oder weniger stabilen Frageraster, das nicht der Terminologie und der Stoffgliederung der Originaltexte entspricht.7 Hinzu kommt, dass sich doxographisches Material leicht durch Regruppierungen, Hinzufügungen und Abänderungen verändern lässt, wenn z. B. ein Autor Zusatzinformationen über seine Quelle besitzt oder zu besitzen meint. Auch mechanische Probleme wie das Eindringen von Randnotizen (Glossen) ­einer bestimmten Handschrift in den Fließtext einer von ihr genommenen Abschrift oder das Auftreten von Homoioteleuta (Auslassungen beim Abschreiben aufgrund einer Wiederholung der gleichen Formulierung) beeinflussen die Überlieferung doxographischer Handbuchliteratur in erheblichem Maße.8 Dadurch kann zum Beispiel der korrekte Name eines Autors von dem ihm zugeschriebenen Text getrennt werden.9 Somit lässt sich häufig weder sicher feststellen, was die Ursprungsquelle der berichteten Positionen ist, noch, wie alt die in den späteren Quellen vorausgesetzten Exzerpte sind und wer sie wie verändert hat. Plausible Informationen aus alten Quellen können direkt neben völlig abwegigen Ergänzungen stehen, ohne dass sich dies anders als mithilfe einer inhaltlichen Analyse unterscheiden lässt. Aus diesem Grund ist bei der Benutzung antiken philosophiegeschichtlichen Materials in der Regel die Beachtung der Überlieferungs­geschichte der Fragmente sowie der zu ihnen vorliegenden Forschung unerlässlich. Wenn die moderne philosophiehistorische Forschung anhand von Sammlungen derartiger Fragmente und Berichte zu einem Autor oder einer bestimmten Richtung eine Zusammenstellung bietet, bleibt für die interpretatorische Arbeit trotzdem zu überlegen, wie die erhaltenen Fragmente und Testimonien, nach dem Gesagten also zum überwiegenden Teil nur indirekte und zugleich aus ihrem an5   Vgl. zur Geschichte, Verbreitung und Kritik dieses Konzepts J. Mansfeld  /  D. Runia, Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer 1. The Sources, Leiden u. a. 1997, XIIIf., aber auch die Präzisierungen bei Zhmud, Die doxographische Tradition, 154. 6   Vgl. dazu allgemein Cherniss, Aristotle’s Criticism of Prescocratic Philosophy, v. a. ix– xiii und 352–357 sowie unten S. 589  f. 7   Vgl. P. Moraux, Diogène Laërce et le Peripatos, in: Elenchos 7 (1986), 247–294, hier 273 f.; zum ursprünglichen Fragenkatalog Zhmud, Die doxographische Tradition, 162. 8   Ich verweise z. B. auf die Darlegungen mehrerer Autoren zu verschiedenen Quellen des Diogenes Laertios in Elenchos 7 (1986). Hier lassen sich z. B. in dem Beitrag von Moraux, Diogène Laërce, 247–294 leicht Beispiele für alle hier benannten Probleme finden. Gründliche Untersuchungen hierzu wurden in jüngerer Zeit namentlich von Jaap Mansfeld und David Runia angestellt: Mansfeld  /  Runia, Aëtiana 1. 9   Vgl. Mansfeld  /  Runia, Aëtiana 1, 222.

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tiken Kontext gerissene10 Zeugnisse älterer Berichte,11 genau abzugrenzen und zu bewerten sind. Jedenfalls setzen die modernen Editoren von Fragmentensammlungen den Prozess der Auswahl und Rekombinierung des Materials unter veränderten methodischen Prämissen fort, so dass auch ihre Entscheidungen leicht zur Ursache für Irrtümer in der Forschung werden können.12 Für die Frage nach der Entstehung des antiken Philosophiebegriffs und der Rolle der Vorsokratiker darin ergeben sich aus dieser Situation einige besondere Folgerungen: Zum einen stellt sich das konkrete Problem, dass sich das Auftreten des Wortes ›Philosophie‹ nicht mehr sicher nachvollziehen lässt: So sind die überlieferten Erwähnungen von Wörtern des Stamms ›philosoph-‹ bei Pythagoras und Hera­ klit nicht ohne weitere Prüfung als plausibel anzusehen, während es andererseits nicht auszuschließen ist, dass weitere Vorkommnisse, z. B. bei Demokrit, verloren sind. Dagegen sind gelegentliche Angaben zu Einteilungen der Philosophie häufig Rückprojektionen späterer Verhältnisse auf die vorsokratischen Texte, die solche Einteilungen wohl kaum enthalten haben dürften. Insofern ist die Darstellung des folgenden Teils besonders unsicher in ihren Folgerungen. Zum anderen muss zugestanden werden, dass die antike Überlieferung selbst eine durchaus eigene Relevanz für die hier vorliegende Untersuchung hat: Für die antike Philosophie sind die Vorsokratiker nicht nur als zu beachtende Vorläufer wichtig, sondern auch als Gründerfiguren, die in gewissen Traditionen systematisiert werden, so dass sich in dem Bild, das man sich von ihnen macht, bestimmte Aspekte des antiken Philosophieverständnisses spiegeln. Daher soll im Folgenden immer wieder auf Konstruktionen der antiken Tradition hingewiesen werden, um so auf die Bedeutung aufmerksam zu machen, welche die vorsokratischen Denker aus antiker Sicht haben.

10

  Zur Problematik der unverzichtbaren Ausgabe DK vgl. Mansfeld, Quellen, 23–25.   Gut erforscht ist das z. B. für die Philosophiegeschichte des Philodem, zu deren platonischem Teil die verwendeten Quellen recht genau angegeben werden können, vgl. unten S. 390. 12   Vgl. J. Glucker, Theophrastus, the Academy and the Athenian Philosophical Atmosphere, in: J. M. van Ophuijsen  /  M. van Raalte (Hrsg.), Theophrastus. Reappraising the Sources, New York 1998, 299 f. 11

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2. Die ionischen Naturphilosophen: Thales, Anaximander, ­Anaximenes13 Allgemeines  /  Historischer Überblick Bereits die antike Tradition lässt die Philosophie in Milet an der kleinasiatischen Westküste beginnen.14 Als erster Philosoph gilt meist der Milesier Thales, der in der Antike zu den sieben Weisen gerechnet wird, weswegen ihn Diogenes Laertios und, in seiner Nachfolge, Hegel mit diesen zusammen behandeln.15 Sein Mannesalter (ἀκμή) setzen die antiken Quellen, insbesondere mit Bezug auf die angeblich von Thales vorhergesagte Sonnenfinsternis, auf ca. 585 an.16 Herodot und Aristoteles berichten von praktischen Anwendungen seiner, wohl mathematisch geschulten, Rationalität im wirtschaftlichen und politischen Leben, wobei gerade die Vorhersage der Sonnenfinsternis, die die laufende Schlacht zwischen Medern und Lydern unterbrochen und zum Frieden geführt haben soll, seinen Ruhm begründet.17 Als Prototyp des Philosophen ist Thales auch bei Platon bekannt, wie die berühmte Anekdote von der thrakischen Magd zeigt.18 Als ersten unter den Philosophen behandelt demgegenüber Diogenes Laertios Thales’ Schüler oder Gefährten19 Anaximander, allerdings auf sehr dürftige Weise,20 was ebenfalls nicht ohne Einfluss auf Hegel bleibt.21 Anaximander, der wie Thales in Milet lebt, erlebt wohl noch die Einnahme der Nachbarstadt Sardeis durch die Perser ca. 547 und

13

  Vgl. z. B. Schäfer, Xenophanes; Ricken, Philosophie der Antike, 21–30.   Aristoteles, Metaphysica 1, 3, 983b 20; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 13 (12, 8–13 Marcovich = 74, 142–147 Dorandi) (der, im Sinne der Annahme einer ›italischen Tradition‹ der Philosophie, einen Parallelbeginn bei Pythagoras zugibt). 15   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 22–44 (16, 11–31, 19 Marcovich = 79, 1–93, 277 Dorandi) = DK 11 A 1; vgl. v. a. 1, 22; 1, 122 (16, 16 f.; 91, 1–5 Marcovich = 79, 5  f.;149, 1–5 Dorandi); Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 2, 9–22. 16   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 37 f. (27, 1–7 Marcovich = 89, 189–195 Dorandi) = DK 11 A 1. Zur Biographie allgemein vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 182–184; D. Panchenko, Thalès de Milet, in: DPhA 6 (2016), 771–793, hier 774–777. 17   Herodotus, Historiae 1, 74, 2; Aristoteles, Politica 1, 11, 1259a 6–19 = DK 11A 5 f. 10. Zur Problematik der Vorhersage einer Sonnenfinsternis durch Thales vgl. N. Ch. Dührsen, Thales, in: GGPh 1,1 (2013), 237–262, hier 239–242; Panchenko, Thalès de Milet, 785–787. 18   Plato, Theaetetus, 174a. Vgl. unten S. 245  f. 19   Als Schüler (ἀκροατής) des Thales wird er in der späteren Überlieferung in SchülerLehrer-Ketten z. B. bei ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 6, 1 (GCS Hipp. 3, p.  10, 13 Wendland) = DK 12A 11 bezeichnet. Als Gefährte (ἑταῖρος) gilt er bei Ps.-Plutarchus, Stromata = Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 8, 2 (GCS Eus. 8, 1, p.  28, 20 Mras) = DK 12 A 10. 20   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 122–2, 2 (91, 2–92, 12 Marcovich = 149, 1–150, 28 Dorandi). 21   In Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 2, wird Anaximander nicht eigens hervorgehoben, vgl. nur die knappen Bemerkungen auf S.  15 f. 14

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ist wahrscheinlich um 610 geboren worden.22 Seine von Hekataios fortgeführte Weltkarte ist wohl ebenfalls von praktischem Nutzen für seine Heimatstadt.23 Sehr verworren ist die Überlieferung zum Leben des dritten hier zu behandelnden Naturphilosophen Anaximenes, die vielleicht so zu korrigieren ist, dass er ein jüngerer Zeitgenosse des Anaximander ist.24 Es ist vorgeschlagen worden, sein Werk als Produkt einer griechischen Selbstbesinnung nach der persischen Eroberung Ioniens etwas von seinen Vorgängern abzusetzen.25

Die Ansichten der Ionier und ihr Beitrag zur Philosophie Als Philosoph gilt Thales traditionell in erster Linie wegen seiner Spekulation über das Wasser als Urstoff oder Prinzip (ἀρχή). Allerdings weist bereits Aristoteles auf die mythischen bzw. »theologischen« Wurzeln dieser Idee hin, die sich in der Vorstellung von der Ursprünglichkeit des Okeanos fänden.26 Wie auch Homers Darstellung des Okeanos als Ursprung der Götter erinnert diese Schilderung eher an orientalische als an griechische Mythen.27 In seiner überlieferten Form zeichnet sich Thales’ Ansatz aber gegenüber dem mythischen Denken dadurch aus, dass er die Kosmogonie nicht durch Erzählungen von Göttergestalten personalisiert, sondern als einen natürlichen Prozess beschreibt, wenn er diese auch wieder für göttlich bzw. für beseelt erklärt bzw. meint, »alles sei voll von Göttern« (πἀντα πλήρη θεῶν εἶναι).28 Die neuere Forschung kennt daher auch eine starke Tendenz, Thales’ Welterklärung auf einen Wechsel der mythischen Grundlage zu reduzieren, ohne ihm eine besondere naturphilosophische Position zuzugestehen.29 Hiergegen könnten weitere Besonderheiten von Thales’ Vorgehen sprechen, namentlich die rationale Rekonstruktion von Naturprozessen sowie die Entwicklung von aus der Wahrnehmung gewonnenen Modellen, z. B. der Wiederauflösung aller Dinge in Wasser30, des Magnetsteins für die Beseelung und eines schwimmenden Bims22   Zum Geburtsdatum ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 6, 7 (GCS Hipp. 3, p.  11, 14 f. Wendland) = DK 12 A 11; zur Akme Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 1 (92, 5–7 Marcovich = 149, 20–150,23 Dorandi), unter Berufung auf Apollodor. Vgl. R. Goulet, Anaximandre de Milet, in: DPhA 1 (1994), 192 f.; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 184 f. 23   Strabo, Geographia 1, 1, 11 (7, 9–12 Cobet) = DK 12 A 6. Vgl. auch oben S. 67  f. 24   Vgl. Goulet, Anaximène de Milet, 195; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 185 f., auf der Grundlage von Korrekturen an Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 3 (93, 5–7 Marcovich = 151, 6–8 Dorandi) = DK 13A 1. 25   Vgl. Gemelli Marciano, Einführung, 400 f. 26   Aristoteles, Metaphysica, 1, 3, 983b 20–984a 3. 27   Vgl. Dührsen, Thales, 250–255. Ein Beispiel für die orientalischen Parallelen ist in der Bibel ›Genesis‹ 1, 2. 28   Aristoteles, De anima 1, 5, 411a 8 = DK 11A 22. 29   So z. B. Dührsen, Thales, 255–257. 30   Vgl. Panchenko, Thalès de Milet, 780 f.

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steins für die Tragwirkung des Wassers.31 In dieser Hinsicht dürfte das antike Lob des Thales nicht ohne Grundlage sein: »Ohne Ruhe im Hinblick auf die Beschreibung und Untersuchung der Sterne, wird dieser für die Griechen zum Urheber dieser Disziplin«.32 Einen auch terminologischen Hinweis auf die Philosophie gibt in dieser Hinsicht die Wurzel ›soph-‹ ab, die mit Thales als einem der sieben Weisen (σοφοί) bereits in Verbindung gebracht wird.33 Aufgrund dieser Zweifel daran, dass man bereits das Denken des Thales klar von mythischem Denken abgrenzen kann, gilt allerdings vielen modernen Forschern – anders als Aristoteles und Hegel – Anaximander als eigentlicher Begründer philosophisch-wissenschaftlichen Arbeitens.34 Seine Beurteilung wird allerdings dadurch erschwert, dass alle Nachrichten über sein Werk durch eine aristotelisch-peripatetische Doxographie vermittelt sind. Auch wenn diese vereinzelte Originalzitate enthält, deutet sie Anaximanders Werk mit einer technisch ausgefeilten Terminologie, die für einen archaischen Pionier philosophischen Denkens anachronistisch anmuten muss.35 Auf jeden Fall zeigen die wörtlichen Zitate – die ersten wörtlich erhaltenen Fragmente in der Geschichte der Philosophie –,36 dass Anaximander mindestens ein Werk in Prosa verfasst (und deswegen mit Pherekydes um den Titel des ersten griechischen Prosaautors wetteifert), was als Versuch einer Versachlichung der poetisch-genealogischen Weltbeschreibung verstanden werden kann.37 Inhaltlich unterscheidet sich Anaximander im Hinblick auf die Weltentstehung insofern von Thales, als er anstelle des Wassers ein (zumindest in der Interpretation des Aristoteles38) den materialen Elementen vorausliegendes »Unbegrenz31

  Aristoteles, De caelo 2, 13, 294a 29–32; Aristoteles, De anima 1, 2, 405a 19–21 = DK 11 A 14; 11 A 22; vgl. Schäfer, Xenophanes, 58–61. 32  Überliefert bei ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 1, 4 (GCS Hipp. 3, p.  4, 19–21 Wendland): οὗτος περὶ τὸν τῶν ἄστρων λόγον καὶ τὴν ζήτησιν ἀσχοληθεὶς Ἕλλησι ταύτης τῆς μαθήσεως αἴτιος πρῶτος γίνεται (der Bezug auf die Astronomie ergibt sich daraus, dass gleich danach die Episode von Thales im Brunnen referiert wird). Ein ähnlich positives modernes Urteil äußert z. B. J. Barnes, The Presocratic Philosophers, London  /  New York 2 1982, 12 f.; Panchenko, Thalès de Milet, 781. 33   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 22 (16, 16 f. Marcovich = 79, 5 f. Dorandi). 41 f.; Cicero, Tusculanae disputationes, 5, 8. 34   Vgl. Dührsen, Anaximander, 264 f. So schon Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 13 (12, 8–10 Marcovich = 74, 142–144 Dorandi). Zur Problematik vgl. Panchenko, Thalès de Milet, 778. 35   Vgl. Dührsen, Anaximander, 263 f.; 271–297. 36   Dies sind Aristoteles, Physica 3, 4, 203b 13 f. = DK 12 B 3 und Simplicius, In Physicam (CAG 9, p.  24, 18–20 Diels) = DK 12 B 1. Zum ursprünglichen Textbestand vgl. die kritische Sicht von Dührsen, Anaximander, 288. 37   So Dührsen, Anaximander, 268. 38   Aristoteles, Physica 3, 5, 204b 23–29 = DK 12A 16. Für die Einflüsse der aristotelischen bzw. peripatetischen Überlieferung auf unser Anaximander-Bild vgl. Dührsen, Anaximander, 263 f.; 271–285.

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tes« (ἄπειρον) zum Urstoff  /  Prinzip erhebt. Er soll hierfür auch als Erster den Begriff ›Anfang‹ bzw. ›Prinzip‹ (ἀρχή) benutzen.39 Während sich zu einem ungeordneten Ursprung z. B. in Hesiods Chaos oder dem biblischen tohu wa-bohu40 durchaus mythische Vorlagen bzw. Parallelen finden lassen, gilt dies nicht für die Lehre, dass das von Anaximander wörtlich als »unsterblich und frei von Verderben« (ἀθάνατον […] καὶ ἀνώλεθρον)41 sowie, vielleicht wörtlich, als göttlich (θεῖον) beschriebene Unbegrenzte die Welt auch umfasst und leitet (κυβερνᾶν).42 Mit diesen Gedanken nähert sich Anaximander weniger einem transzendenten Gottesbild,43 als er eine physische und irgendwie materielle Potenz im Sinn hat, die immer wieder die ursprünglichen Elemente der Wirklichkeit hervorbringt. Vor diesem Hintergrund wird die in der Tradition vorfindliche Parallelisierung mit der »ersten Materie« des Aristoteles und die substantivierte Form »das Unendliche« für Anaximander fraglich,44 während es, archaisch gedacht, plausibler erscheint, seinen »Ursprung« als das »unendliche« Chaos zu verstehen, aus dem heraus auch bei Hesiod die Wirklichkeit entsteht bzw. sich im Entstehensprozess befindet.45 Auf das Verhältnis der Elemente der Welt könnte sich Anaximanders Aussage beziehen, das Seiende »leiste einander Recht und Strafe für das Unrecht, gemäß der zeitlichen Ordnung« (δίδοναι γὰρ αὐτὰ δίκην καὶ τίσιν ἀλλήλοις τῆς ἀδικίας κατὰ τὴν τοῦ χρόνου τάξιν).46 In diesem Kontext formuliert Anaximander erstmals den Kerngedanken griechischen Denkens, dass Seiendes nur aus Seiendem entstehe, und führt zur Erklärung die juridische Analogie als Mittel einer rationalen Beschreibung der Welt ein, die sich folglich bei ihm wohl auf das Verhältnis der Elemente der Welt untereinander bezieht.47 Anaximanders Naturerklärung erstreckt sich auch auf weitere Gebiete als die Lehre vom Ursprung, z. B., neben der Kartographie, auf eine Lehre der Entwicklung des Lebens aus dem Wasser hin zum Trockenen, bei der dem Menschen erstmals eine Sonderstellung zukommt.48 Sie ist zwar letztlich ebenfalls noch im archaischen Denken verwurzelt, aber sein

39   ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 6, 2 (GCS Hipp. 3, p.  10, 18 f. Wendland) = DK 12 A 11; 12 B 2. Vgl. Dührsen, Anaximander, 270. 40   Genesis 1, 2. Vgl. Barnes, The Presocratic Philosophers, 37. 41   Aristoteles, Physica 3, 4, 203b 12 f. = DK 12 B 3. 42   Aristoteles, Physica 3, 4, 203a 6–15 = DK 12 A 15; 12 B 3. Zur Interpretation vgl. Dührsen, Anaximander, 294–297. 43   Vgl. Schäfer, Xenophanes, 70. 44   So Dührsen, Anaximander, 271–285. 45   Vgl. Dührsen, Anaximander, 300 f. 46   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  24, 18–20 Diels) = DK 12 B 1. 47   Vgl. Dührsen, Anaximander, 288–294. 48   ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 6, 6 f. (GCS Hipp. 3, p.  11, 9–15 Wendland); Plutarchus, Quaestiones conviviales 7, 4 (730e) = DK 12 A 11; 12 A 30; Vgl. Barnes, The Presocratic Philosophers, 19–28; Dührsen, Anaximander, 302–308; J. Mansfeld  /  O. Primavesi, in: Die Vorsokratiker. Griechisch – Deutsch. Ausgewählt, übersetzt und erläutert von J. Mansfeld  / O.  Primavesi, Stuttgart 2021, 60 f.

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kreatives Bemühen um rationale Darstellung und Interpretation des Prozesses der Weltentstehung zeigt bereits einen begrifflichen Reichtum und das Verwenden origineller Analogien, welche ein eigentlich mythisches Denken in der Weise einer rationalen Methodik transzendieren. Dem jüngsten Vertreter der Gruppe, Anaximenes, wird man wohl am besten gerecht, wenn man seine Lehre von der Luft (ἀήρ) als Urstoff als eine Weiterentwicklung der Lehre seiner beiden Vorgänger sieht: Während die Luft nach Anaximenes die Unendlichkeit des anaximandrischen Apeiron wohl auch wörtlich bewahrt (»er sagte, der Anfang sei unendliche Luft«),49 ist sie doch, wie das Wasser bei Thales, ein physisches Element, dem man aber vielfältige Wirkungen zuschreiben kann.50 »So wie unsere Seele, die Luft ist, uns zusammenmischt, so umfasst auch den ganzen Kosmos Pneuma und Luft«, wie wohl der Doxograph Aetios es, vielleicht mit wörtlichen Anklängen an Anaximenes’ Original, formuliert.51 Dies ermöglicht wohl auch eine physische Erklärung der Weltentstehung durch Verdünnung und Verdickung der Luft,52 ohne dass das genealogische Paradigma ganz verlassen würde. Vielmehr ist es gerade für Anaximenes noch ausdrücklich bezeugt, denn »aus« der Luft sollen sich ihm zufolge »das Werdende, das Gewordene und das Zukünftige, die Götter und das Göttliche« entwickeln, »das Übrige aber aus deren Nachkommen«.53 Somit zeigt Anaximenes sowohl die archaisch-genealogische Grundstruktur des Denkens der Ionier als auch ihr zunehmendes Bemühen darum, den genealogischen Vorgang auf rationale Weise zu erklären, wobei sein ontologisch sparsames Erklärungsmodell durchaus eine gewisse Attraktivität besitzt.54

49

  So geht es ziemlich klar aus ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 7, 1 (GCS Hipp. 3, p.  11, 16 f. Wendland: ἀέρα ἄπειρον ἔφη τὴν ἀρχήν εἶναι) = DK 13 A 7 hervor; s. auch Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  24, 26–25, 1 Diels) = DK 13 A 5 hervor, der wohl wörtlich auf die Doxographie des Theophrast rekurriert. Vgl. N. Ch. Dührsen, Anaximenes, in: GGPh 1, 1 (2013), 321–338, hier 325. 50   Vgl. Dührsen, Anaximenes, 321–325. 51   Οἶον ἡ ψυχή, φησίν, ἡ ἡμετέρα ἀὴρ οὖσα συγκρατεῖ ἡμᾶς, καὶ ὅλον τὸν κόσμον πνεῦμα καὶ ἀὴρ περιέχει. Aetius, Placita 1, 3, 3 (278a, 9–26; 278b, 5–19 Diels = 5, 1, p.  201, 23–32 Mansfeld  /  Runia, Zitat 24–26) = DK 13 B 2. Zur Wörtlichkeit vgl. Dührsen, Anaximenes, 322 f. 52   ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 7, 3 (GCS Hipp. 3, p.  12, 4–8 Wendland) = DK 13 A 7. 53   Ἐξ οὗ τὰ γινόμενα καὶ τὰ γεγονότακαὶ τὰ ἐσόμενα καὶ θεοὺς καὶ θεῖα γίνεσθαι, τὰ δὲ λοιπὰ ἐκ τῶν τούτου ἀπογόνων. ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 7, 1 (GCS Hipp. 3, p.  11, 17–12, 1 Wendland) = DK 13 A 7. 54   Vgl. Ricken, Philosophie der Antike, 27 f.

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Würdigung Unternimmt es die philosophiehistorisch-philologische Analyse, den aristotelischen Firnis von den letztlich auf den Stagiriten zurückgehenden Überlieferungen zu entfernen, tritt der archaische, die mythischen Genealogien eines Hesiod ausdeutende Charakter des ionischen Nachdenkens wieder hervor. Sein nach ratio­ nal formulierbaren Erklärungen der Weltentstehung suchender Charakter erweist sich besonders, wenn Anaximander einen »unendlichen«, aber stofflichen Ursprung hinter den beobachtbaren Veränderungen sucht und wenn sich Anaximenes bemüht, diesen Ursprung doch wieder – naturphilosophisch – in die Luft als wahrnehmbaren Stoff zu überführen. Vor allem die hier sichtbare Suche nach alternativen Lösungen lässt es gerechtfertigt erscheinen, auch in Thales’ Rede vom Wasser als Ursprung eine rationale Umformung zu sehen, obwohl seine Lösung von einer Anleihe an orientalische Mythen für uns kaum mehr zu unterscheiden ist. In jedem Fall deuten Thales’ Überlegungen zur Geometrie einen Zusammenhang seiner Genealogie mit einem wissenschaftlichen Blick auf die Welt an und lassen somit Aristoteles’ Entscheidung, ihn als Begründer der Prinzipiensuche zu sehen, gerechtfertigt erscheinen.

3. Die Anfänge der philosophischen Theologie und das ­Selbstbewusstsein der Weisen: Xenophanes von Kolophon55 Schwer zu definieren ist die Rolle des Xenophanes aus der Polis Kolophon in Ionien, »der einen bestimmten eigenen Weg bereist, der auch von allen bis jetzt Genannten abweicht«.56 Mit einer nicht exakt zu datierenden, langen Lebenszeit zwischen ca. 580 und 470 ist er sowohl ein Zeitgenosse des Anaximenes und des Simonides als auch des Pythagoras, Heraklit und Parmenides.57 Am plausibelsten ist wohl, seine Akme um 540 v.  Chr. anzusetzen.58 Er lebt in Ionien, bevor er vermutlich mit seinen Mitbürgern in das unteritalische Zankle (heute Messina) und Katane (Catania) oder sogar, wohl im Sinne der doxographischen Konstruktion

55

  Dazu Schäfer, Xenophanes; D. Arnould  /  R. Goulet, Xénophane de Colophon, in: DPhA 7 (2018), 211–219; Th. Schirren, Xenophanes, in: GGPh 1, 1 (2013), 339–374. 56   Ἰδίαν τινὰ ὁδὸν πεπορευμένος καὶ παρηλλαχυῖαν πάντας τοὺς προειρημένους. Ps.Plutarchus, Stromata = Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 8, 4 (GCS Eus. 8, 1, p.  29, 18 Mras) = DK 21 A 32. 57   Zu den widersprüchlichen Daten vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 190 f. 58   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 20 (644, 20 f. Marcovich = 669, 33 f. Dorandi) = DK 21 A 1.

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seines Verhältnisses mit Parmenides, nach Elea umzieht.59 In der Tradition gilt er bei Diogenes Laertios als vereinzelter Autor (σποράδην),60 während der bei ›Hippolyt‹ überlieferte Bericht ihn, im Anschluss an Platon, als Lehrer des Parmenides in der Lehre vom Einen und Begründer der eleatischen Sukzession konstruiert.61 Mit Skeptizismus und Theologie führt er mindestens zwei neue Fragebereiche in die entstehende Philosophie ein, aber seine genaue Wirkung ist weit weniger klar. Die poetischen Fragmente zeigen einen talentierten Dichter, der einerseits den Anthropomorphismus überlieferter Gottesbilder62 sowie, gleichsam als Vorläufer Platons, die Zuschreibung unrechten Handelns an Götter durch die Dichter Homer und Hesiod kritisiert.63 Trotz dieser Religions- und Mythenkritik, die bei den Milesiern interessanterweise keine Vorläufer hat,64 lehnt er den überlieferten Kult nicht ab, sondern spricht in lobenden Worten von einer durch gute Reden verdeutlichten, auch kultischen Gottesverehrung.65 Andererseits enthalten seine Fragmente eine positive Theologie mit monotheistischen Zügen, wenn er von einem höchsten Gott spricht, dem bereits Unveränderlichkeit und ein Geist (νοῦς) zugeschrieben werden.66 Insofern legen die Fragmente nahe, dass Xenophanes aus seiner Kritik der überlieferten Religion die Grundlinien einer natürlichen Theologie, im Sinne einer rationalistisch formulierten Lehre vom ersten Prinzip, entwickelt. Diese sind, wenn man der doxographischen Überlieferung, vor allem bei Aristoteles und in der Schrift ›Über Melissos, Gorgias und Xenophanes‹,67 glauben darf, im Detail sehr ausgearbeitet und enthalten ein Denken des einen Gottes als ersten Prinzips,68 weswegen er in der doxographischen Tradition teils, im Anschluss an Platon, als Begründer der dritten, eleatischen Linie der Philoso59

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 18; 9, 20 (643, 8 f.; 644, 19 f. Marcovich = 668, 4 f.; 669, 32 f. Dorandi) = DK 21 A 1. 60   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 91; 9, 20 (632, 1–3; 645, 7 Marcovich = 657, 1–3; 670, 41 Dorandi). 61   Plato, Sophista, 242d. Eine Analyse dieser Problematik gibt Schirren, Xenophanes, 343–356. Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 211, sprechen sogar von einer »éléatisation massive« der Xenophanes-Überlieferung. 62   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 109; 5, 110; 7, 22, 1 (GCS Clem. 2, p.  399, 19 f.; 2, p.  400, 1–5; 3, p.  16, 6–9) = DK 21 B 14–16. 63   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 193 (2, p.  255, 4–6 Mutschmann) = DK 21 B 11 f. 64   Vgl. Schäfer, Xenophanes, 161 f. 65   Athenaeus, Dipnosophistae 11, 7 (462e–463a) = DK 21 B 1, 11–24. Vgl. Schäfer, Xenophanes, 204; Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker, 212 f. 66   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 109, 1 (GCS Clem. 2, p.  399, 16 f. Stählin) = DK 21 B 23. Vgl. auch DK 21 B 24–26. 67   Zur problematischen Bewertung und Datierung der Schrift und des Berichtes über Xenophanes (möglicherweise aus dem frühen Mittelplatonismus) vgl. z. B. Schäfer, Xenophanes, 208–210; Schirren, Xenophanes, 346–349. 68   Aristoteles, Metaphysica 1, 5, 986b 21–27; Anonymus, De Melisso, Xenophane, Gorgia 3 f., 977a 14–979a 9 = DK 21 A 30; 21 A 28.

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phie angesehen wird.69 Hier findet sich etwa bereits eine dialektische Entfaltung des ersten Prinzips, welche die Annahme zweier gleichrangiger Urprinzipien als widersprüchlich erweist.70 Man hat daher zusammenfassend gesagt: »Die Hauptgedanken der antiken Philosophie bezüglich des Gottesproblems sind hier […] bereits angelegt und präformiert«,71 woraus allerdings nicht notwendig gefolgert werden muss, dass Xenophanes’ Lehre, wie häufig vermutet, pantheistisch gelesen werden sollte.72 Ein eindeutiger Beleg dafür fehlt jedenfalls. Xenophanes scheint auch naturphilosophische Reflexionen angestellt zu haben,73 in deren Kontext möglicherweise sein skeptisch anmutender Zweifel an der Möglichkeit einer zuverlässigen (sinnlichen) Erkenntnis über die Götter einzuordnen ist.74 Das theologische Denken des Xenophanes schließt es jedenfalls aus, ihn als konsequenten Skeptiker im Sinne der späteren Pyrrhoneer und Akademiker zu sehen.75 Für den Philosophiebegriff ist Xenophanes deswegen von Interesse, weil er seine eigene Position durch die Bemerkung bewertet, »unsere Weisheit« (ἡμετέρη σοφίη) sei »besser als die Kraft von Menschen und Pferden«.76 Damit haben wir das erste antike Selbstzeugnis eines antiken ›Weisen‹, der sich durch seine professionell betriebene Tätigkeit von seiner Umgebung abhebt. Zwar ist das noch kein Beleg für den Begriff Philosophie, doch ist es in Ergänzung dazu interessant, dass die Verehrung der Götter für Xenophanes keine Aufhebung der menschlichen Aktivität des Suchens ist, zu der er ausdrücklich auffordert.77 Man findet also bei Xenophanes sowohl die Rolle des Weisen als auch die des Suchers reflektiert, und damit zwei entscheidende Elemente, die den antiken, aber auch noch den modernen Philosophiebegriff prägen.

69

  Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 64, 2 (GCS Clem. 2, p.  40, 20 Stählin) = DK 21 A 8. Vgl. J. Mansfeld, Heresiography in Context. Hippolytus’ ›Elenchos‹ as a Source for Greek Philosophy, Leiden  /  New York  /  Köln, 30 f. 70   Anonymus, De Melisso, Xenophane, Gorgia, 3, 977a 23–29. Vgl. Barnes, The Presocratic Philosophers, 90–94, für einen Versuch des Abgleichs der Traditionen. 71   Vgl. Schäfer, Xenophanes von Kolophon, 204. 72   Zur Forschungsgeschichte vgl. Schirren, Xenophanes, 339 f. 73   Vgl. die kontextlose Bemerkung zum Ursprung des Menschengeschlechts (?) bei Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 10, 314 (2, p.  367, 12 Mutschmann) = DK 21 B 33. Die Themenvielfalt wird ersichtlich bei ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 14, 3–6 (GCS Hipp. 3, p.  17, 20–18, 5 Wendland) = DK 21 A 33. Vgl. Schirren, Xenophanes, 358–362. 74   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 49; 110 (2, p.  12, 11–14; 25, 26–29 Mutschmann) = DK 21 B 34; vgl. Aristocles, frg.  7 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 17, 1 (GCS Eusebius 8, 2, p.  303, 13–18 Mras) = DK 21 A 49. Vgl. zur Sache Schirren, Xenophanes, 362–367. 75   So schon Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 20 (644, 17 f.) gegen Sotion (der vielleicht bei ›Hippolytus‹, Refutatio, 1, 14, 1 [GCS Hipp. 3, p.  17, 13–16 Wendland], zitiert ist; vgl. aber Mansfeld, Heresiography in Context, 37). 76   Athenaeus, Dipnosophistae 10, 6 (414a) = DK 21 B 2, 11 f. 77   Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 8, 2 = DK 21 B 18.

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Insgesamt scheint der philosophierende Dichter Xenophanes am ehesten als Begründer eines neuen Typs des Theoretikers einzuordnen zu sein: Gegenüber den ionischen Naturphilosophen unterscheidet er sich durch eine kritische Positionierung zum etablierten Kult und wohl auch durch eine skeptische Haltung jedenfalls im Hinblick auf die Sinneswahrnehmung. Versteht man seine Spekulation über einen höchsten Gott als Antwort auf die Frage nach dem Anfang, so ist zwar eine Kontinuität gegeben, doch führt diese tendenziell weg von naturphilosophischen Erklärungen des Anfangs hin zu einer Metaphysik des ersten Prinzips, wie sie bei Parmenides und den Eleaten, in einer ganz anderen Begründungsform, zum Zentrum des philosophischen Projektes wird. Bemerkenswert ist, dass gerade während dieser Begegnung von Sinnesskepsis und rationaler Kühnheit das erste Mal das Selbstbewusstsein des suchenden Weisen aufleuchtet.

4. Unsterblichkeitshoffnung und politische Aktivität: Pythagoras und die Pythagoreer Allgemeines  /  Historischer Überblick Neue Impulse verleihen der philosophischen Diskussion und ihrer Institutionalisierung ab dem 5. Jahrhundert Pythagoras und die sich an ihn anschließende Bewegung. Die Person des Pythagoras hat in der antiken Biographie große Beachtung gefunden, was dazu führt, dass ziemlich viele Quellen und historisch plausible Informationen vorliegen – Pythagoras ist also keineswegs eine legendarische Gestalt –,78 die sich aber chronologisch und in anderen Fragen auffällig wiedersprechen.79 So werden neben der Herkunft von Samos auch eine etruskische oder syrische Herkunft suggeriert,80 und zeitlich wird von Eratosthenes eine Geburt vor 600 nahegelegt.81 All diese Überlegungen beruhen entweder auf Irrtümern oder spiegeln antike philosophiehistorische Konstruktionen wider. Während Pythagoras’ Verbindung zu Pherekydes umstritten ist,82 kann es als wahrscheinlich gelten, dass er vor der Mitte des 6. Jahrhunderts auf Samos geboren wird und in dessen letztem Drittel nach Kroton in Süditalien übersiedelt, wo er wesentlich zu den beträchtlichen politischen und militärischen Erfolgen der Stadt beiträgt.83

78

  Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 381.   Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 186–190; C. Macris, Pythagore de Samos, in: DPhA 7 (2018), 691–850, hier 769–779. 80   Belege: Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 381. 81   Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 189. 82   Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 784 f. und Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 113. 83   Vgl. dazu Macris, Pythagore de Samos, 799 f. 79

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­ egen Ende seines Lebens zieht er in die Nachbarstadt Metapont, wo er verG stirbt.84 Seine Lebenszeit reicht wahrscheinlich von ca. 570–497 oder 492.85

Einige quellentechnische Vorbemerkungen86 Die besondere Problematik der Darstellung der Pythagoreer ergibt sich aus der langen Geschichte der pythagoreischen Tradition, die nach Pythagoras zunächst bis ins 4. Jahrhundert v.  Chr. fortbesteht, aber bereits in hellenistischer Zeit in Form von pseudepigraphischen Schriften fortgeführt wird. Der Neupythagoreismus ist schließlich ein Phänomen der Kaiserzeit und Spätantike, das seinen Höhepunkt im 3./4. Jahrhundert n. Chr. in den pythagoreischen Schriften von Jamblich von Chalkis und Porphyrios von Tyros87 findet. Die ›Pythagoras-Viten‹ dieser beiden Autoren sind, zusammen mit der Darstellung des etwas älteren Diogenes Laertios,88 die umfangreichsten Texte über die Pythagoreer, aber zumindest teilweise von Traditionen des und Diskussionen über den zeitgenössischen Pythagoreismus geprägt, so dass das Alter der hier übermittelten Informationen nicht leicht zu ermitteln und daher umstritten ist.89 Auch die Informationen über Pythagoras, die sich im 4. Jahrhundert v.  Chr. z. B. bei Isokrates, Aristoteles und Aristoxenos90 finden, die aber namentlich in Platons Werk eine prägende Rolle spielen,91 sind erst 100–200 Jahre nach Pythagoras’ Tod entstanden.92 Von großer Bedeutung sind daher die alten, z. T. auf die Lebzeiten des Pythagoras zurückgehenden Zeugnisse, die aber nur einen kleinen Einblick in den zeitgenössischen Ruhm des Pythagoras geben.93 Ein besonderes Problem ist schließlich die in den Quellen zu findende Behauptung, Pythagoras und die ersten Generationen seiner Anhänger gäben ihre Lehre nur mündlich weiter – was von einem Teil der modernen Forschung akzeptiert, von einem anderen Teil ins Reich 84

  Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 802–804.   So Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 188 f. 86   Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 695; 708 f. 87   Vgl. unten S.  751  f. 88   Vgl. unten S. 591–593. Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 753–755. 89   Vgl. C. A. Huffman, Die pythagoreische Tradition, in: Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie, 61–69, hier 62 f.; Macris, Pythagore de Samos, 694 f. 90   Vgl. unten S. 103. 91   Vgl. Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 487. 92   Auflistung bei Macris, Pythagore de Samos, 704–724. Zu Aristoteles vgl. auch Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 401 f. 93   V. a. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 8, 36 (594, 3–10 Marcovich = 620, 400– 407 Dorandi) = Xenophanes, DK 21 B 7 (zeitgenössische Bezeugung der Seelenwanderungslehre); Herodotus, Historiae, 4, 95 f.; Scholia in Euripidis Hecubam 131 (1, p.  26, 3–5 Schwartz); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 6 (575, 20–23 Marcovich = 603, 59–62 Dorandi) = Heraclitus, DK 22 B 81; 129. Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 696–704 für eine Auflistung aller älteren Zeugnisse. 85

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der Legende verwiesen wird.94 Insgesamt ist daher die Lehre des Pythagoras und seines unmittelbaren Umfeldes nicht leicht zu ermitteln und hängt von einer komplexen Bewertung der reichlich vorhandenen Quellen ab. Im Folgenden können daher nur einige grobe Linien geboten werden.

Die Pythagoreer, die pythagoreische Richtung bzw. Schule und die ­pythagoreischen Lehrmeinungen: begriffliche Klärungen Für das Phänomen der Pythagoras-Rezeption sind also neben dem Meister selbst auch seine Anhänger von Bedeutung, bei denen man aber ganz unterschiedliche Formen der Zugehörigkeit unterscheiden muss. Nach Leonid Zhmud lassen sich folgende terminologische Klärungen festhalten:95  – Pythagoreer‹ sind einerseits die Mitglieder der pythagoreischen Gemeinschaften (Hetairien) in verschiedenen unteritalischen Poleis bis ins 4. Jahrhundert v.  Chr. Sie leben vermutlich (mehr oder weniger konsequent) nach den ethischen Regeln des Pythagoras und engagieren sich politisch, treten aber nicht durch eigene philosophische Positionen hervor. Die wichtigste Quelle für die Mitglieder dieser Gemeinschaften ist der auf Aristoxenos zurückführbare ›Pythagoreerkatalog‹ des Jamblich.96 Insofern sind sie von den ›Pythagoreern‹ zu unterscheiden, denen in antiken Texten (vor allem von Aristoteles) bestimmte Positionen zugeschrieben werden,97 und auch von solchen, die sich selbst aus verschiedenen Gründen als ›Pythagoreer‹ bezeichnen.  – Die philosophisch aktiven Pythagoreer fasst man am besten als ›pythagoreische Schule‹ bzw. Richtung zusammen. Sie sind philosophisch aktiv, stehen aber ebenfalls bis ins 4. Jahrhundert v.  Chr. in einer personalen Kontinuität zum Schulgründer. Die Identität derer, die ›Pythagoreern‹ zugeschriebene Lehren vertreten, bleibt aber in den Quellen häufig unklar.  – Alle antiken Strömungen, die sich selbst der pythagoreischen Bewegung zuordnen, ohne in der gerade erwähnten Kontinuität zum Meister zu stehen, kann man kann man unter dem Begriff ›Pythagoreismus‹ zusammenfassen. Hierzu gehören vor allem der (vor allem mittelplatonische) Neupythagoreismus sowie die pythagoreischen Pseudepigrapha (mit meist platonischem oder aristotelischem Inhalt), die es ab dem 2. Jahrhundert v.  Chr. (Ps.-Okellos Lukanos) gibt,98 94

  Akzeptanz z. B. bei Patzer, Ausdrucksformen der frühen griechischen Philosophie, 127; ablehnend Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 383 und 384 f.; Huffman, Die pythagoreische Tradition, 67 f. 95   Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 404. Für einen anderen terminologischen Vorschlag vgl. Bechtle, Pythagoras, 37–40. 96   Iamblichus, Vita Pythagorae 267 (143, 16–147, 6 Deubner) = DK 58 A. Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 403. 97   Dazu Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 401  f. 98   Vgl. unten S. 378 f., 616.

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aber auch die vielen in ihrer Lebensform pythagoreisierenden antiken Persönlichkeiten.

Sind die Pythagoreer die erste Philosophenschule? Um Pythagoras bildet sich bereits zu Lebzeiten der bereits erwähnte Kreis von Anhängern, der von ca. 510–450 und z. T. noch bis Mitte des 4. Jahrhunderts v.  Chr. einen beträchtlichen politischen Einfluss in Kroton und anderen Städten Großgriechenlands ausübt.99 In der Antike wird sie als Philosophenschule (αἵρεσις) verstanden, und zwar näherhin als der Beginn der sogenannten ›italischen‹ Tradition des Philosophierens, was möglicherweise Porphyrios zu korrigieren sucht.100 Ein wichtigeres Zeugnis als diese jüngere Generation ist Platon, der eine »pythagoreische Lebensweise« (Πυθαγόρειον τρόπον τοῦ βίου) erwähnt, wobei das hiermit zusammenhängende Ideal eines »Leiters der Erziehung« (ἡγεμών παιδείας) auf Homer zurückgeführt wird, der seine Anhänger beim Zusammensein bzw. in einem Lehrvortrag (συνουσία) angeleitet habe.101 Hieraus wird man zumindest schließen dürfen, dass das Zusammenleben in der Gemeinschaft rund um Platons Bekannten Archytas in Tarent102 bereits auf eine bestimmte Lebensweise ausgerichtet ist. Weit weniger sicher sind hingegen fast alle weiteren Schlussfolgerungen, die davon abhängen, inwieweit die Berichte der späten Pythagoras-Biographien bereits auf die Zeit des Schulgründers zurückführbar sind. So berichtet Porphyrios, dass Pythagoras auf einen Schlag zweitausend Hörer gewonnen habe, die eine Gütergemeinschaft eingegangen seien und die Geheimlehren der Schule sorgfältig bewahrt hätten.103 Ferner gibt er an, Pythagoras habe morgens zu Hause gelehrt, er habe Spaziergänge zu zweit oder zu dritt gemacht, er habe Kranke getröstet, sich vegetarisch ernährt, an den Opfern für die Götter teilgenommen, religiös-ethische Vorschriften gemacht und schließlich die morgendliche und abendliche Gewissensprobe empfohlen.104 Aufgrund von derartigen Berichten wird auch heute 99

  Porphyrius, Vita Pythagorae, 21 f. (45, 22–46, 14 des Places) = Aristoxenus, frg.  17. Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 387 f. 100   Zu Pythagoras als Beginner der italischen Sukzession Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 1 (573, 3 f. Marcovich = 601, 2 f. Dorandi). Zur Rolle des Porphyrios vgl. G. Staab, Pythagoras in der Spätantike. Studien zu ›De vita pythagorica‹ des Iamblichos von Chalkis, München  /  Leipzig 2002, 112–114. 101   Plato, Respublica 10, 600ab. Vgl. P. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, Paris 1996, 94 f.; I. M. Bodnár, Wissenschaft und Philosophie in der Akademie, in: Ch. Rapp  / T.  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, Stuttgart  /  Weimar 2006, 257–268, hier 258 f. 102   S. unten S. 218. 103   Porphyrius, Vita Pythagorae, 20 (45, 3–19 des Places). 104   Porphyrius, Vita Pythagorae, 32–40 (51, 3–54, 23 des Places). Vgl. dazu A. R. Sodano, in: Porfirio, ›Vita di Pitagora‹. Monografia introduttiva e analisi filologica, traduzione e

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Pythagoras zum Vorläufer des Philosophie-Ideals gemacht, z. B. wenn Heinrich Niehues-Pröbsting »den Gemeinschaftscharakter, eine strenge Reglementierung des täglichen Lebens und das politische Engagement für eine bestimmte Regierungsform« als charakteristische Merkmale bereits der (früh-)pythagoreischen Schule festhält.105 Hier ist allerdings Vorsicht geboten, denn die späten Berichte, die ihrerseits auf mehrere Schichten von Quellen zurückgehen, projizieren offensichtlich Züge der Philosophenschulen ihrer Zeit bzw. ihrer eigenen, zeitbedingten Idealvorstellung davon auf die frühen Pythagoreer zurück.106 Ein illustratives Beispiel ist die Einteilung von Pythagoras’ Schülern in »Akusmatiker« (ἀκουσματικοί), also Hörende, und »Mathematiker« (μαθηματικοί), Wissende. Von Porphyrios werden sie, ohne großes Federlesen, im Sinne der zu seiner Zeit üblichen Unterscheidung eines weiteren und eines engeren Hörerkreises interpretiert.107 Dagegen liefert Jamblich unterschiedliche historische und systematische Erklärungen für diese beiden Gruppen, welche u. a. darauf hinauslaufen, dass die Akousmatiker als Anhänger einer älteren, auf die sieben Weisen zurückgehenden Philosophie oder sogar als solche des Hippon bzw. Hippasos (und nicht des Pythagoras) gälten – um freilich ebenfalls bei einer Lesart zu enden, die beide Gruppen als authentische Pythagoreer darstellt.108 Beide Neuplatoniker möchten also das, was sie in älteren Quellen vorfinden, harmonisieren und gestalten ihre eigene Darstellung so, dass sie auf Fragen ihrer Zeit zu antworten vermag – historische Evidenz kann aus solchen Beispielen also nur mit größter Vorsicht gewonnen werden, zumal einige Quellen, wie der von Porphyrios auch für die philosophischen Lebensregeln zitierte Antonios Diogenes, offenbar kaiserzeitlich sind, also nicht unbedingt alte Tradition repräsentieren.109 In der modernen Pythagorasforschung gibt es vor diesem Hintergrund die Auffassung, die Pythagoreer seien nicht von Anfang an als Philosophenschule anzunote di A. R. Sodano. Saggio preliminare e interpretazione filosofica, notizia biografica, parole chiave e indici di G. Girgenti, Milano 1998, 60–70. Auch Staab, Pythagoras in der Spätantike, 109–134, verweist auf Porphyrios’ Tendenz, seine Quellen wörtlich zu zitieren, enthält sich aber Behauptungen darüber, was und wie alt diese Quellen sind. 105   H. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie. Schrift – Schule – Lebensform, Frankfurt 2004, 153–156, Zitat 153. Vgl. auch Bechtle, Pythagoras, 159. 106   Vgl. die bündige Zusammenfassung bei Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 487, die vor allem die Rolle Platons in diesem Prozess betont. 107   Porphyrius, Vita Pythagorae, 37. Vgl. zu diesen Punkten Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 153–156. 108   Iamblichus, Vita Pythagorae, 80–89 (46, 3–52, 19 Deubner). Vgl. auch Iamblichus, De communi mathematica scientia 25 (76, 19–77, 24 Festa). Zur Interpretation vgl. Staab, Pytha­goras in der Spätantike, 313–321. 109   Mit Skepsis betrachtet bei Porphyrius, Vita Pythagorae, 10 (40, 11–13 des Places). Vgl. Sodano, in: Porfirio, ›Vita di Pitagora‹, 92 f., Anm.  20, der auf S.  68 f., Antonios Diogenes auch, »quasi certamente« (also ohne weitere Argumentation), die meisten der eben zitierten Lebensregeln zuschreibt, die auch Parallelen im neuplatonischen ›Carmen aureum‹ finden. Vorsichtiger Staab, Pythagoras in der Spätantike, 119 mit Anm.  287.

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sehen, sondern, aufgrund ihrer politischen Aktivitäten, zunächst als eine aristokratische politische Gemeinschaft, eine Hetairie,110 welche womöglich auch Züge eines religiösen Vereins trage.111 Erst später, als sie nach und nach ihre Macht verliere, gewinne sie einen stärker philosophischen, auf rationalen Annahmen beruhenden Charakter.112 Die legendarischen Züge, welche der Figur des Pythagoras zugeschrieben werden, sowie die sehr detaillierten ethischen Vorschriften der pythagoreischen Gemeinschaft113 seien parallel zu dieser Entwicklung angewachsen.114 In Anbetracht der Tatsache, dass die Lehre der Seelenwanderung, die schon Xenophanes für Pythagoras bezeugt, bestimmte körperliche und geistige Verhaltensregeln nahelegen dürfte, kann man es aber durchaus für plausibel halten, dass schon die frühesten pythagoreischen Zirkel ihr Leben nach dieser theoretischen Annahme ausrichten und daher als eine erste Form einer Philosophenschule gelten können.115 Dass die pythagoreische Gemeinschaft jedenfalls zur Zeit Platons bereits einige Elemente späterer Philosophenschulen vorwegnimmt, wird auch durch Porphyrios’ Bericht über die pythagoreische Vorschrift einer abendlichen und morgendlichen Selbstprüfung – also eine zentrale philosophische Übung – nahegelegt, die man auf den Historiker Timaios von Tauromenion (4./3. Jhdt. v.  Chr.) zurückführen kann.116 Auf alte Traditionen zurückgehen dürften auch die sogenannten ›Akousmata‹, d. h. Merksprüche, die von den Akousmatikern gelernt und, ohne Überprüfung, zu ihrer Lebensregel gemacht werden sollen;117 sie werden schon von Aristoteles ausführlich aufgelistet118 und könnten das Vorbild der auswendig zu lernenden Schuldogmen werden, die sich zuerst bei Epikur nachweisen lassen.119 Zu beachten ist allerdings, dass die pythagoreischen Akousmata keineswegs, wie später die epikureischen Sentenzen, eine Kurzfassung einer Schullehre sind, sondern offenbar allgemein zu einem ethischen und religiös ehrfürchtigen Verhalten anleiten sollen. Die von Jamblich genannten Beispiele »Man soll Kinder bekommen, denn man muss wiederum Diener Gottes zurücklassen, und man soll 110

  Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 383.   Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 798 f. 112   Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 404 f. 113   Aristoteles, frg.  158 f.; 171–177 (Gigon). 114   Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 387 f. 115   Vgl. Huffman, Die pythagoreische Tradition, 66 f.; körperliche Übungen werden auch von Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 383, bereits für die frühe Zeit zugestanden. 116   Vgl. Sodano, in: Porfirio, ›Vita di Pitagora‹, 70. Zur Bedeutung des Timaios vgl. Macris, Pythagore de Samos, 727 f. 117   Besonders instruktiv ist dazu Iamblichus, Vita Pythagorae 82–86 (47, 4–50, 17 Deubner). Diese Sprüche können teils alt, müssen aber ursprünglich keineswegs typisch pythagoreisch sein: Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 388–390. 118   Dazu Porphyrius, Vita Pythagorae 41 (55, 5 f. des Places), mit der Erklärung bei Sodano, in: Porfirio, ›Vita di Pitagora‹, 70–73; Staab, Pythagoras in der Spätantike, 316, Anm.  776. 119   Vgl. unten S. 388. 111

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den rechten Schuh zuerst anziehen«120 verdeutlichen dies ebenso wie den wenig philosophischen Charakter dieser Vorschriften,121 die sich somit von den Dogmen späterer Schulen beträchtlich unterscheiden.

Frauen in der pythagoreischen Schule Der bei Jamblich überlieferte ›Pythagoreerkatalog‹ nennt eine ganze Reihe von Frauen als Mitglieder der pythagoreischen Schule.122 Insofern liegt hier das erste Zeugnis einer offenbar gleichberechtigten Beteiligung von Frauen an einer philosophisch inspirierten Bewegung vor, ohne dass wir über das Wirken einzelner von ihnen Näheres wüssten (so wie es für die meisten im Katalog genannten Männer auch der Fall ist). Einige der hier genannten Frauen, namentlich die berühmte Theano,123 werden, wohl lange nach ihrem Tod, als angebliche Verfasserinnen zahlreicher pseudonymer Briefe, Gnomen und Traktate vorgeschoben.124

Philosophische Positionen Zumindest den Quellen125 zufolge lassen sich drei wichtige Ansichten bzw. Arbeitsgebiete angeben, die auf Pythagoras selbst zurückgehen könnten: a)  Einführung der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und ihrer Wanderung in die Philosophie. Die Seelenwanderungslehre, die Herodot auf ägyptische Tradition zurückführt,126 dürfte ursprünglich im griechischen Raum orphisch sein und von Pythagoras ins philosophische Denken eingeführt werden, da sie schon Xenophanes für ihn bezeugt.127 Dabei bezieht sie sich offenbar zunächst nur darauf, dass die Wiedergeburt ein menschliches Los ist. Umstritten ist, ob die orphische Idee der Wiedervereinigung mit den Göttern, von der sich bei Alkmaion erste Spuren finden,128 bereits auf Pythagoras zurückgeht.

120   Ὅτι δεῖ τεκνοποιεῖσθαι (δεῖ γὰρ ἀντικαταλιπεῖν τοὺς θεραπεύοντας τὸν θεόν), ἢ ὅτι δεῖ τὸν δεξιὸν ὑποδεῖσθαι πρότερον. Iamblichus, Vita Pythagorae, 83 (48, 14–16 Deubner). 121   Vgl. auch Barnes, The Presocratic Philosophers, 102. 122   Iamblichus, Vita Pythagorae 267 (146, 17–147, 6 Deubner). 123   Vgl. C. Macris, Théano (de Crotone ou de Metaponte ?), in: DPhA 6 (2016), 820–839. 124   Vgl. unten S. 531. 125   Vgl. die nützliche Übersicht bei K. von Fritz, Pythagoras, in: RE 24, 1 (= 47), 171–209, hier 171–186. 126   Herodotus, Historiae 2, 123; 4, 95 = DK 14, 1 f. 127   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 8, 36 (594, 3–10 Marcovich = 620, 400–407 Dorandi) = Xenophanes, DK 21 B 7. 128  Vgl. die gegensätzlichen Positionen bei Bechtle, Pythagoras, 48–50, und Zhmud, ­Pythagoras und die Pythagoreer, 386 f.

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b)  Betonung der Bedeutung einer guten Lebensführung, die einer erfolgreichen Wanderung der Seele würdig macht; im Mittelpunkt stehen möglicherweise weniger ethische Regeln im engen Sinn als kultische Reinheitsvorschriften, zu denen, wie erwähnt, auch die Forderung einer (zumindest teilweise) vegetarischen Ernährung gehört. Man vermutet, dass zumindest die Verbote von Fleisch und Bohnen129 sowie dasjenige, die Toten in Wollkleidung zu begraben, auf Pythagoras selbst zurück­gehen könnten.130 c) Weiterführung und Vertiefung der Naturphilosophie. Hierzu gehört vor ­allem eine nicht näher erklärbare Weltentstehungslehre, die wohl schon den Gegensatz von »Grenze« (πέρας) und »Unbegrenztheit« (ἄπειρον) am Anfang der Weltentstehung behauptet. Diese These ist auch deswegen interessant, weil sie vermuten lässt, dass Pythagoras die Überlegungen seines ionischen Vorgängers Anaximander kennt.131 Die Prinzipienlehre wird zu Platons Zeiten von Philolaos fortgesetzt.132 Die bekannte pythagoreische These, die Naturgegenstände seien durch Zahlenverhältnisse erklärbar, führt auf die Beschäftigung der Pythagoreer mit mathematischen Fragen.133 Für einzelne Pythagoreer sind auch weitere Lehren bezeugt: So zweifelt Alkmaion (fl. um 500) generell die Zuverlässigkeit der Erkenntnis an134 und Aristoteles’ Berichte über pythagoreische Positionen setzen voraus, dass jedenfalls im 4. Jahrhundert einige Pythagoreer beachtliche metaphysische Theorien entwickeln, die sich freilich kaum namentlich zuordnen lassen.135

›Erfindet‹ Pythagoras den Philosophiebegriff? Einigen antiken Berichten zufolge ist Pythagoras der erste, der die Weisheit (σοφία) zur Philosophie (φιλοσοφία) in Beziehung setzt.136 Nach einem auf He­ ra­kleides Pontikos zurückgehenden, von Cicero überlieferten Bericht nennt bereits er sich selbst, in einem Gespräch mit Leon, dem Fürsten von Phleius, ›Philo­ 129

  Aristoteles, frg. 157 (Gigon) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 34–36 (592, 3–593, 18 Marcovich = 618, 367–619, 395 Dorandi); Heraclides Ponticus, frg.  40 (Wehrli) = Porphyrius, De abstinentia 1, 26, 2 (1, p.  60 Bouffartigue). 130   Herodotus, Historiae, 2, 81. Zu diesen Verboten vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pytha­goreer, 390. 131   Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 391 f. 132   Zum Beispiel Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 21, 7a (1, p.  188, 9–12 Wachsmuth) = DK 44 B 2. Zur Authentizität vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 421–424. 133   Vgl. dazu Riedweg, Pythagoras, 116–119. 134   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 83 (626, 4 f. Marcovich = 649, 11 f. Dorandi) = DK 24 B 1. Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 409. 135   Zum Beispiel Aristoteles, Metaphysica 1, 5, 985b 23–986b 8, wo die Position des Alkmaion gesondert erwähnt wird. Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 402, für weitere wichtige Stellen. 136   So Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 12 (11, 19–22 Marcovich = 74, 130–133

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soph‹,137 im Sinne von jemandem, »der, da er alles andere für bedeutungslos halte, fleißig die Natur der Dinge betrachte. Denn derartige Leute nennten sich Fleißige der Weisheit, d. h. nämlich Philosophen«. So wie es auf dem Markt »am großzügigsten sei, zu schauen, ohne etwas für sich zu erwerben, so sei im Leben die Betrachtung und Erkenntnis der Dinge weit besser als alle Bemühungen«.138 Eine Selbstbezeichnung des Pythagoras als Philosoph erscheint, so formuliert, auch für die Zeit vor Platon keineswegs ausgeschlossen. Denn nicht nur spielt hier die Beziehung zu einem unerreichbaren transzendenten Sein, wie sie für Platon typisch ist, keine Rolle, sondern auch sonst lässt sich bereits vor Platon ein Netzwerk von Texten feststellen, das das Weisheitssuchen bzw. Philosophieren schildert und als in sich wertvoll darstellt.139 Einschlägig sind vor allen Dingen die Parallelen bei Herodot, welche die ›Weisheit‹ des Solon damit verknüpft, dass er »wegen einer Betrachtung philosophiere«, und der Wortgebrauch Heraklits, der die Wortform ›philosophos‹ mit einem Suchen verknüpft.140 Wenn sich somit die Grundelemente von Herakleides’ Bericht über Pythagoras’ Wortgebrauch von ›Philosoph‹ schon vor Platon wiederfinden lassen, spricht nichts gegen eine grundsätzliche historische Richtigkeit von Herakleides’ Zeugnis. Die Gegenthese Walter Burkerts,141 erst Platon habe von Philosophie gesprochen, da die Pythagoras zugeschriebene Verwendung des Wortes ihrerseits vom platonischen Wortgebrauch beeinflusst sei, trifft nur auf spätere Zeugnisse für die Position des Pythagoras zu: Das gilt sowohl für die Behauptung des Diogenes Laertios, Pythagoras habe sich nur Philosoph genannt, weil Weisheit den Göttern vorbehalten sei,142 als auch für die Aussage des Platonikers Jamblich, mit ›Philosophie‹ sei nach Pythagoras die Betrachtung (θεωρία) des ›eigentlich Seienden‹ gemeint.143 Während diese beiden PhilosophieDefinitionen in der Tat Platons Etymologie von Philosophie als ›Streben nach Weisheit‹ voraussetzen, wobei diese in einem Überschreiten des Menschlichen Dorandi); Iamblichus, Vita Pythagorae 58 (31, 20–32, 10 Deubner). Vgl. auch David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  8, 18 f. Busse). 137   Cicero, Tusculanae disputationes 5, 8. 138   Qui ceteris omnibus pro nihilo habitis rerum naturam studiose intuerentur; hos se appellare sapientiae studiosos, id est enim philosophos. Et ut illic liberalissimum esset spectare nihil sibi adquirentem, sic in vita longe omnibus studiis contemplationem rerum cognitionemque praestare. Heraclides Ponticus, frg.  88, 30–32 (Wehrli) = Cicero, Tusculanae disputationes 5, 9; vgl. Heraclides Ponticus, frg.  87 (Wehrli). 139   So Ch. Riedweg, Zum Ursprung des Wortes ›Philosophie‹ oder Pythagoras von Samos als Wortschöpfer, in: A. Bierl  /  A. Schmitt  /  A. Willi (Hrsg.), Antike Literatur in neuerer Deutung, München 2004, 147–181, hier 162–172; Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 390 f. Anders z. B. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 156. 140   Vgl. oben S. 74  f. und unten S.  108–110. 141   Vgl. W. Burkert, Platon oder Pythagoras? Zum Ursprung des Wortes Philosophie, in: Hermes 88 (1960), 159–173. 142   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 1, 12 (11, 18 f. Marcovich = 73, 129 f. Dorandi). 143   Iamblichus, Vita Pythagorae 159 (89, 23–25 Deubner).

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bestehe, ist dies bei Cicero, der wohl als Einziger direkt Herakleides referiert, nicht der Fall.144 Jedoch sollte nicht der Eindruck bestehen, der Wortstamm ›philosoph- sei die einzige oder auch nur die primäre Bezeichnung, mit der Pythagoras oder seine frühen Anhänger die eigene Tätigkeit umschrieben hätten. Wenn z. B. ausdrücklich überliefert wird, dass Pythagoras (nur?) die Geometrie eine Untersuchung bzw. ein Wissen (ἱστορία) genannt habe,145 deutet das darauf hin, dass er sich in ähnlichen Begriffsfeldern bewegt wie seine Zeitgenossen. Hierbei dürfte auch ›philosophos‹ eine Rolle spielen.

Philosophie und Politik Die Quellen, insbesondere die historischen, machen die politische Bedeutung der pythagoreischen Schule deutlich, die vermutlich bereits mit Pythagoras’ eigener Aktivität in Kroton beginnt.146 Eine andere Frage ist freilich, ob dieser politischen Aktivität auch eine politische Philosophie zugrunde liegt. Dies wird zumindest von Aristoxenos in gewissem Sinn nahegelegt, der Pythagoras’ Übergang nach Italien dadurch erklärt, dass Pythagoras »sieht, dass die Tyrannis des Polykrates zu streng ist, als dass es für einen freien Mann richtig wäre, die Aufsicht und Zwangsherrschaft zu ertragen«.147 Ebenso habe er in Großgriechenland die untereinander geknechteten Städte mithilfe seiner Hörer (ἀκουστοί) befreit.148 Diesen beiden Stellen zufolge wäre das Motiv, welches das politische Handeln der Pythagoreer anleitet, der Drang nach Freiheit – was kaum über das Verständnis dieses Begriffes hinausginge, das in Griechenland v. a. seit den Perserkriegen Gemeingut ist. Obwohl Aristoxenos hier, wie auch sonst, eine unter den Pythagoreern des 4. Jahrhunderts bekannte Lehre referieren dürfte,149 kann daher kaum davon gesprochen werden, dass die Pythagoreer eine gedanklich eigenständig ausgearbeitete politische Philosophie entwickeln.

144   Hiergegen wendet Burkert ein, textliche Parallelen zwischen Cicero und Jamblich berechtigten zu dem Schluss, dass Cicero das platonisierende Ende von Herakleides’ Episode ausgelassen habe: Burkert, Platon oder Pythagoras, 161 f. Da es Jamblich aber gerade um diese geht (vgl. unten S. 757  f.), ist es eher wahrscheinlich, dass er sie selbst zum vorliegenden Herakleides-Text hinzufügt. 145   Iamblichus, Vita Pythagorae 89 (52, 22 Deubner). 146   Vgl. z. B. Porphyrius, Vita Pythagorae 18 (44, 7–13 des Places) = DK 14, 8a. 147   Ὁρῶντα τὴν τοῦ Πολυκράτους τυραννίδα συντονωτέραν οὖσαν ὥστε καλῶς ἔχειν ἐλευθέρῳ ἀνδρὶ τὴν ἐπιστατείαν τε καὶ δεσποτείαν ὑπομένειν. Porphyrius, Vita Pytha­gorae 9 (40, 7–10 des Places) = Aristoxenus, frg.  16 (Wehrli). 148   Porphyrius, Vita Pythagorae 21 (45, 21–46, 6 des Places) = Aristoxenus, frg.  17 (Wehrli). 149   Vgl. Macris, Pythagore de Samos, 719–722.

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Philosophie und Wissenschaften Aufgrund ihrer Affinität zur Mathematik ist die pythagoreische Schule bedeutsam für die Entwicklung des Quadriviums mathematischer Disziplinen, das zuerst für Archytas bezeugt ist.150 Die Leistung der Pythagoreer besteht in dieser Hinsicht darin, die alten Disziplinen Geometrie und Astronomie um die Arithmetik und die Musik zu ergänzen. Eine besondere Leistung besteht in der offenbar experimentell erlangten Erkenntnis, dass sich Töne auf Zahlenverhältnisse zurückführen lassen,151 welche zur Entstehung der Musik als mathematischer Disziplin führt. Zentral ist generell für die pythagoreische Lehre die Theorie der Proportionen.152 Die Verbindung zur Astronomie wird dadurch hergestellt, dass die Pythagoreer die Lehre vom Klang der Sphären in die Philosophie einführen.153 Unter den Pythagoreern treten vor allem Hippasos aus Metapont (fl. um 500)154 und Archytas (ca. 435–360) als Mathematiker hervor, wobei sich von Letzterem eine rudimentäre ›Wissenschaftstheorie‹ erhalten hat, der zufolge die Arithmetik die exakteste und daher der »Weisheit« (σοφία) nächste Disziplin sei.155 Einige Pythagoreer sind wohl auch auf weiteren Wissensgebieten aktiv. Das gilt insbesondere für Alkmaion, der als Vorläufer für die Medizin große Bedeutung hat: Sein in der Antike ›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως) genanntes Werk156 stellt z. B. die Verbindung aller Glieder mit dem Gehirn heraus157 und begründet die Beschreibung der Gesundheit des Körpers als dessen rechte Mischung aus feucht, trocken, warm und kalt,158 was die medizinische Viersäftelehre vorbereitet.159 Menes­tor von Sybaris befasst sich früh mit der Botanik.160 150   Porphyrius, In Ptolemaei Harmonica (56, 8–10 Düring) = DK 47 B 1. Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 395, aber auch die Bedenken von A. Barker, Porphyry’s ›Commentary on Ptolemy’s Harmonics‹. A Greek Text and Annotated Translation, Cambridge 2015, 197, Anm.  195. 151   Porphyrius, In Ptolemaei Harmonica (30, 1–9 Düring) = Xenocrates, frg.  87 (Isnardi Parente). Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 394. 152   Porphyrius, In Ptolemaei Harmonica (93, 5–17 Düring) = DK 47 B 2. Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 395. 153   Aristoteles, De caelo 2, 9, 290b 12–291a 28. Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 393. 154   Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 412–415. 155   Archytas, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, pr. 4 (1, p.  18, 8 f. Wachsmuth) = DK 47 B 4. 156   Vgl. Longrigg, Greek Rational Medicine, 47–81; B. Centrone, Alcméon de Crotone, in: DPhA 1 (1994), 116 f.; Zhmud, Pythagoras und Pythagoreer, 409–412. 157   Theophrastus, De sensibus 26 (507, 3–6 Diels) = DK 24 A 5. 158   Aetius, Placita 5, 30, 1 (442a, 3–9  /  b, 1–5 Diels = 5, 3, p.  2043, 1–4 Mansfeld  /  Runia) = DK 24 B 4. 159   Vgl. H. Derschka, Die Viersäftelehre als Persönlichkeitstheorie. Zur Weiterentwicklung eines antiken Konzepts im 12. Jahrhundert, Ostfildern 2013, 17, sowie unten S.  125  f. 160   Theophrastus, Historia plantarum 21, 5 = DK 32, 5. Vgl. Zhmud, Pythagoras und Pytha­goreer, 416–418.

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Philosophie und Religion Die Frage nach Pythagoras’ Verhältnis zur Religion hängt ein Stück weit von seiner Gesamtbewertung ab, denn lange Zeit war schon umstritten, ob bereits er selbst philosophisch und wissenschaftlich aktiv oder eher als eine Art ›Schamane‹ anzusehen und folglich sowieso in einem religiösen Begriffsfeld zu deuten ist.161 Da neuerdings die letztere extreme Position keine Rolle mehr zu spielen scheint,162 lässt sich einerseits Pythagoras’ Nähe zum delphischen Apoll konstatieren, andererseits die bereits erwähnte Übernahme der Seelenwanderungslehre (oder von Teilen von ihr) aus der orphischen Tradition.163

Würdigung Die genannten Punkte weisen darauf hin, dass die bei den Ioniern einsetzende rationale Welterklärung durch die Pythagoreer teils ganz neue Konturen erfährt. Hierzu gehören einerseits die für das Menschenbild wichtige Übernahme der Lehre von der Seelenwanderung, welche eine Unsterblichkeitshoffnung zumindest nahelegt, und die damit zusammenhängenden ethischen Vorschriften, aber auch ein Übergreifen philosophischer Arbeit auf medizinische und mathematische Fragen. Diesen Aktivitäten steht der Zusammenschluss als Gruppe gegenüber, die auch politisch aktiv ist. Damit werden die Schulbildung der Philosophie und ihr politischer Charakter vorbereitet. Da alle diese Punkte am Anfang des 4. Jahrhunderts von Platon in veränderter Weise rezipiert und diskutiert werden, beeinflusst die pythagoreische Lehre langfristig die Gestalt der Philosophie in der Antike. Daher kann sie, bei allen Vorbehalten gegen manche pythagoreische Ausdrucksformen unbestimmten Alters, in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden.

161

  Gegensätzliche Positionen hierzu vertreten z. B. W. Burkert, Lore and Science in Ancient Pythagoreanism, Cambridge (Mass.) 1972, 97–217 (v. a. 162–165) und L. Zhmud, Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus, Berlin 1997. 162   So jedenfalls Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 386. 163   Vgl. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 386 f.

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5. Auf der Suche nach dem einen Weisen: Das Ziel der ­Philosophierenden nach Heraklit Der letzte in Ionien wirkende Vorsokratiker ist Heraklit aus Ephesos,164 dessen (wiederum recht unsichere) Lebenszeit neuerdings auf die Zeit von 520 bis 460 v.  Chr. geschätzt wird.165 Es gibt Indizien, dass Heraklit zur Führungsschicht der Polis Ephesos und zum Priesterkollegium am berühmten Artemistempel gehört.166 Er gilt bereits in der antiken Tradition als Autodidakt, es wird aber auch eine Verbindung zu Xenophanes behauptet,167 der bei Diogenes Laertios, ebenso wie Heraklit, aber keiner philosophischen Sukzession zugerechnet wird (σποράδην).168 Eine Quelle ›Hippolyts‹ ordnet Heraklit hingegen mit Pythagoras und Empedokles unter die Naturphilosophen ein.169 Jedenfalls besitzt Heraklit eine gute Kenntnis der philosophischen und literarischen Kultur seiner Zeit und steht auch im Kontakt zu zeitgenössischen Denkern wie dem Parmenides-Anhänger Melissos.170 Dagegen lässt sich nicht feststellen, ob Heraklit bereits auf Parmenides reagiert oder ob es eher umgekehrt ist.171 Heraklit legt seine Gedanken in einem Buch nieder, das er im Tempel der Artemis von Ephesos hinterlegt.172 Hier führt er die von Anaximander begonnene Darlegung philosophischer Gedanken in Prosa fort, die bei ihm sowohl durch Antithesen als auch durch den Sprachrhythmus sehr anspruchsvoll gestaltet ist.173 In der antiken Philosophietradition ist Heraklit daher der als schwer verständlich berüchtigte »Finstere« (ὁ σκοτεινός)174, so dass, nach einem Sokrates zugeschrie164   Überblicke z. B. bei G. O’Daly, Heraklit, in: RAC 14 (1988), 583–602; S.  N. Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, in: DPhA 3 (2000), 573–617; M. van Ackeren, Heraklit. Vielfalt und Einheit seiner Philosophie, Bern u. a. 2006; Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 601–656. 165   Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 577 f. Zur Problematik vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 196–198. 166   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 6 (635, 3 f. Marcovich = 659, 48 f. Dorandi). Dazu Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 578 f.; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 197. 167   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 5 (635, 6–8 Marcovich = 659, 51–53 Dorandi). Vgl. Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 584. 168   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 91; 9, 20 (632, 1–3; 645, 7 Marcovich = 657, 1–3; 670, 41 Dorandi). Vgl. Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 582 f. 169   ›Hippolytus‹, Refutatio, 1, 4, 2 f. (GCS Hipp. 3, p.  9, 19–10, 3 Wendland). 170   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 24 (648, 4–6 Marcovich = 674, 1–4 Dorandi). Vgl. Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 583, 585. 171   Vgl. die Anspielungen in Plato, Sophista, 242cd. Nach Reinhardt, Parmenides, 220– 230, bezieht sich Heraklit auf diesen; dagegen z. B. Buchheim, Die Vorsokratiker, 78–83. Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 582 f. 172   Vgl. dazu Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 595–612; Bremer  /  Rechenauer, Heraklit, 601. 173   Vgl. die Beispiele bei Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 612–617. Kritische Würdigung bei Niehues-Pröbsting, Philosophie der Antike, 49–52. 174   So ›Hippolytus‹, Refutatio, 9, 8, 1 (GCS Hipp. 3, p.  241, 6 Wendland).

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benen Wort, nur ein delischer Schwammtaucher sein Verständnis bis zum Grund erreichen könnte.175

Grundzüge seines Denkens Inhaltlich hinterlässt Heraklit seinen Nachfolgern eine reichhaltige und komplexe philosophische Theorie: Während seine Ansetzung des Feuers als Prinzip an die ältere Naturphilosophie erinnert, lässt seine Lehre sich abwechselnder Gegensätze, die durch das Feuer bzw. ein Fließen ermöglicht werden, einen Neuansatz erkennen: Denn letztlich geht es Heraklit darum, die – durchaus in dauerndem Wandel befindliche, aber ewig bestehende – Welt176 auf ihr einheitliches Prinzip zurückzuführen, wozu in seinen Augen eine reine Darstellung der innerweltlichen Phänomene und Entwicklungen nicht mehr ausreicht. Dies hängt mit Heraklits für die Entwicklung des philosophischen Denkens bedeutsamer Idee zusammen, das alles durchwaltende Feuer mit dem Logos in Verbindung zu bringen, in dem letztlich alles eines (ἓν πάντα) ist.177 Indem er ferner einen derartigen Logos bzw. Geist (νοῦς) dem Menschen zuschreibt,178 deutet Heraklit eine »verborgene Harmonie« (ἁρμονίη ἀφανής) von Denken, Sprache und Wirklichkeit an.179 In diesem Zusammenhang macht er auch die menschliche Seele erstmals ausdrücklich zum Thema des Philosophierens, wobei er seinen Leser darauf hinweist, dass »Du die Grenzen der Seele beim Umschreiten nicht auffinden wirst« (ψυχῆς πείρατα ἰὼν οὐκ ἂν ἐξεύροιο).180 Umso wichtiger ist seine Aufforderung, den Logos recht zu gebrauchen und sich selbst richtig zu erkennen,181 damit der Weg zur Einheit des Strebens nach wahrer Erkenntnis und das Bemühen um ein richtiges Leben offenbar wesentlich vermittels einer Beschäftigung des Denkens mit sich selbst

175   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 22 (107, 3–6 Marcovich = 164, 52–55 Dorandi). 176   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 104, 2 (GCS Clem. 2, p.  396, 10–13 Stählin) = DK 22 B 30. Vgl. Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 616–619. 177   ›Hippolytus‹, Refutatio 9, 9, 1 (GCS Hipp. 3, p.  241, 17 f. Wendland) = DK 22 B 50. Vgl. Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 607–615. 178   Zum Beispiel Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 132 (2, p.  32, 26–33, 5 Mutschmann); Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 1, 179 (3, p.  129, 15–130, 3 Hense) = DK 22 B 1; 114 179   ›Hippolytus‹, Refutatio 9, 5 (GCS Hipp. 3, p.  242, 10 f. Wendland) = DK 22 B 54; vgl. M. Thurner, Der Ursprung des Denkens bei Heraklit, Stuttgart 2001, 215 f.; möglicherweise in Abgrenzung zu Pythagoras: Riedweg, Pythagoras, 73. 180   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 7 (636, 13 f. Marcovich = 661, 78 Dorandi) = DK 22 B 45. Vgl. Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 619–623. 181   Plutarchus, Adversus Colotem 20 (1118c); Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 5, 6 (3, p.  257, 3 f. Hense) = DK 22 B 101; 116.

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begangen werden soll.182 Mit diesem Gedanken etabliert Heraklit eine Grundüberzeugung der antiken Ethik.183

Heraklits Gebrauch des Wortes ›philosophisch‹ Für die Geschichte des Philosophiebegriffs ist Heraklit deswegen von großer Bedeutung, weil in seinem Werk erstmals bei einem philosophischen Denker tatsächlich das entsprechende Adjektiv auftaucht: »Es ist nötig, dass philosophische Männer Untersucher von ganz besonders vielem sind (χρὴ γὰρ εὖ μάλα πολλῶν ἵστορας φιλοσόφους ἄνδρας εἶναι)«,184 lautet seine Formulierung. Das Wort ›philosophisch‹, das an dieser Stelle verschiedentlich als späterer Zusatz angesehen wurde, sollte hierbei sowohl wegen der Parallelüberlieferung bei Porphyrios185, bei Herodot und in ›Über die Alte Medizin‹ als auch aus inhaltlichen Gründen stehenbleiben.186 Umstritten ist die genaue Interpretation der Aussage. So wird neuerdings folgende Übersetzung vorgeschlagen: »Es müssen in gar rechter Weise vieler Dinge kundig sein weisheitsliebende Männer«.187 Diese Übersetzungsvariante ist durch eine philosophisch gedeutete Kontextualisierung motiviert: Denn die Aussage gehört offenbar in den Zusammenhang einer separat überlieferten Polemik Heraklits gegen verschiedene Zeitgenossen: So wirft er Pythagoras, Hesiod, Xenophanes und dem Geographen Hekataios von Milet vor,188 dass man an ihren Fehlern sehe, dass »die Vielwisserei nicht lehrt, Geist zu besitzen« (πολυμαθίη νόον ἔχειν οὐ διδάσκει).189 In der Überlieferung des Diogenes Laertios wird dies dadurch erklärt, dass »das Weise eines (ἓν τὸ σοφόν) sei: Die Ansicht zu kennen, welche

182   Vgl. Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 1, 178 (3, p.  129, 13 f. Hense) = DK 22 B 112. Dazu Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 623–626. 183   Betont von Barnes, The Presocratic Philosophers, 127–135. 184   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 141 (GCS Clem. 2, p.  421, 4 Stählin) = DK 22 B 35. So sinnvoll das philosophisch ist, so wenig überzeugt es sprachlich. 185   Porphyrius, De abstinentia 2, 49, 2 (2, p.  114 Bouffartigue  /  Patillon). Eine Abhängigkeit des Porphyrios von Clemens (so M. Marcovich, Heraclitus. Greek Text with a Short Commentary, Sankt Augustin 22001, 27) scheint aufgrund des historischen Verhältnisses beider Autoren wenig plausibel. 186   So auch S.  N. Mouraviev, Heraclitea III.3.B., Sankt Augustin 2006, 95; Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 632, gegen z. B. Marcovich, Heraclitus, 26 f. Zögernd Burkert, Platon oder Pythagoras, 171. 187   Hierzu wird εὖ μάλα von πολλῶν abgetrennt und mit εἰδέναι verbunden, um zu suggerieren, dass es Heraklit um die Art des Wissens (im Sinne eines Einheitswissens) gegangen sei: Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 632. 188   Zu Hekataios vgl. Dihle, Griechische Literaturgeschichte, 105 f. 189   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 9, 1 (632, 9–11 Marcovich = 657, 8–10 Dorandi) = DK 22 B 40.

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alles durch alles hindurch regierte«.190 Demnach lässt sich vermuten, dass das wissenschaftlich-philosophische Suchen in Heraklits Augen letztlich darauf abzielen muss, den einen Gesamtgesichtspunkt rational zu begreifen, der hinter dem Wandel im Universum steht191 – so dass für die Interpretation der genannten Stelle anzunehmen ist, dass Heraklit hier die Art und Weise des Wissens (εἰδέναι) und nicht das Wissen von vielem in den Fokus stellen will. »Ganz besonders« (εὖ μάλα) in der Übersetzung vom naheliegendsten Bezugswort »vieles« zu trennen, ist trotzdem nicht notwendig: Heraklits Kritik ist ja recht vielschichtig, und der genaue Ort unserer Stelle darin ist unklar: Sein am besten verständlicher Tadel richtet sich gegen Pythagoras und schreibt diesem eine »Untersuchung besonders aller Menschen« (ἱστορίην […] ἀνθρώπων μάλιστα πάντων) bzw. ihrer Schriften zu, welche Pythagoras’ »eigene Weisheit« (ἑαυτοῦ σοφίη) sowie eine Vielwisserei (πολυμαθίη) aus Büchern und eine üble Technik (κακοτεχνίη) sei.192 Weiterhin kritisiert er Homer als vorgeblich »Weiseren als alle Griechen« und Hesiod als vermeintlichen »Lehrer«.193 Alle diese Kritiken sind wohl vor dem Hintergrund von Heraklits eigener Weisheitsdefinition zu lesen, nämlich »Wahres sagen und tun gemäß der Natur, auf sie hinhörend« (ἀληθέα λέγειν καὶ ποιεῖν κατὰ φύσιν ἐπαΐοντας):194 Hier wird in bemerkenswert definitorischer Weise eine Verbindung zwischen wahrem Reden und rechtem Handeln hergestellt, welche die Verbindung zwischen theoretischer Wahrheitserkenntnis und richtigem Handeln vorwegnimmt, welche für die antike Philosophie typisch werden wird. Die Feststellung, wer philosophiere, müsse »ganz besonders vieles« erforschen, dürfte demnach vor allem die Komplexität der Wirklichkeit, die nur aus einer göttlichen Gesamtperspektive des Weisen voll verstanden werden und so ein gutes Handeln ermöglichen kann,195 der begrenzten und fruchtlosen Beschäftigung mit menschlichem bzw. für Menschen unmittelbar zugänglichem Wissen gegenüberstellen. In einer größeren Perspektive fällt auf, dass die Kennzeichnung der Philosophierenden als Forschende bereits ein Stück weit auf Platons Deutung der Philo-

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  Εἶναι γὰρ ἓν τὸ σοφόν, ἐπίστασθαι γνώμην, ὁτέη ἐκυβέρνησε πάντα διὰ πάντων. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 9, 1 (632, 11 f. Marcovich = 657, 9 f. Dorandi) = DK 22 B 41. 191   Vgl. in diesem Sinne auch die einigermaßen rätselhafte Hesiod-Kritik in ›Hippolytus‹, Refutatio 9, 10, 2 (GCS Hipp. 3, p.  243, 2 f. Wendland); Plutarchus, Camillus 19, 3 (1, 1, p.  216, 26–217, 3 Ziegler) = DK 22 B 40; 106. 192   Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 1; 8, 6 (632, 9–11; 575, 20–23 Marcovich = 657, 8–10; 603, 59–62 Dorandi) = DK 22 B 40, 129. 193   ›Hippolytus‹, Refutatio 9, 9, 6; 9, 10, 2 (GCS Hipp. 3, p.  242, 17–21; 243, 2 f. Wendland) = DK 22 B 56 f. 194   Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 1, 178 (3, p.  129, 13 f. Hense) = DK 22 B 112. 195   Origenes, Contra Celsum 6, 12 (GCS Orig. 2, p.  82, 23 Koetschau) = DK 22 B 78 f. Vgl. A. Bächli, Heraklit. Einheit der Gegensätze, in: Erler  /  Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums, 56–71, hier 70 f.

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sophie als ›Liebe zur Weisheit‹ vorausweist,196 bei der die Philosophen auch primär als Suchende verstanden werden.

Teile und Bezüge der Philosophie Heraklits Blick auf die Einheit der Wirklichkeit schließt auch aus, dass er bereits Teile der Philosophie unterscheidet. Eine Einteilung seines Buchs in drei Logoi über das All, die Politik und die Theologie197 ist daher als spätere Interpretation zu werten. Allerdings finden sich in seinem Werk erstmals philosophische Reflexionen über politische Fragen, namentlich eine Aufforderung zum Kampf für das eigene Gesetz der Polis,198 welche, ebenso wie seine Ansätze zur Ethik, auf die praktische Philosophie vorausweisen. Seine scharfe Kritik der Volksreligiosität weist sogar über Xenophanes hinaus.199

Würdigung Heraklit nimmt nicht nur als Vermittler von Einheit und Vielheit, der die Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit der Welt vielleicht als Erster als Herausforderung begreift, eine bedeutende Rolle in der Philosophiegeschichte ein. Entscheidend ist vielmehr die Beziehung des Logos auf sich selbst, die erstmals eine Selbstthematisierung des Denkens darstellt. Wenn Heraklit in diesem Sinne »der erste« ist, »der über das Denken selber nachdachte, […] kann er« nicht nur im Allgemeinen »als erster reflektierter Philosoph gelten«,200 sondern er prägt im Konkreten die Gestalt, die die antike Philosophie dominiert: eine Suche nach einer Weisheit, die nur unter Erkenntnis der Rolle des Denkens im Kosmos gefunden werden kann, die auch eine Suche der Philosophierenden nach und in sich selbst ist.

196

  Vgl. Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 632 f.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 5 (635, 13 f. Marcovich = 660, 57 f. Dorandi). 198   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 2 (633, 4 f. Marcovich = 657, 15 f. Dorandi) = DK 22 B 44. Vgl. Mouraviev, Héraclite d’Éphèse, 580 f.; Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 627–630. 199   Origenes, Contra Celsum 7, 62 (GCS Orig. 2, p.  212, 3–10 Koetschau) = DK 22 B 5. Vgl. Bremer  /  Dilcher, Heraklit, 630 f. 200   So Van Ackeren, Heraklit, 17 f. 197

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6. Die Verbindung von Denken, Sein und Einem: Parmenides, die Eleaten und Diogenes von Apollonia Allgemeines  /  Historischer Überblick Den nächsten inhaltlichen Neuansatz bringt Parmenides aus dem italischen Elea in die Philosophie ein. Seine Lebensblüte wird, wohl aufgrund der Annahmen, er sei ein Schüler des Xenophanes201 und lebe gleichzeitig wie Heraklit, auf ca. 500 v.  Chr. angegeben,202 was auf ein Geburtsdatum um 540 hinausliefe. Dies steht freilich in Spannung zu der Schilderung in Platons Dialog ›Parmenides‹, in der er sich im hohen Alter mit dem jungen Sokrates unterhält,203 was bedeuten würde, dass er um die Mitte des 5. Jahrhunderts noch gelebt hätte. Da beide Angaben wenig zuverlässig sind, lassen sich seine Lebensdaten nicht genauer eingrenzen.204 Nach der Schilderung in Platons Dialog wird Parmenides durch seinen Schüler Zenon von Elea (fl. ca. 460) verteidigt,205 dessen berühmte Argumente gegen die Bewegung in Aristoteles’ ›Physik‹ überliefert und widerlegt werden.206 Ein weiterer Parmenides-Anhänger oder -Weiterdenker ist Melissos von Samos (440 v.  Chr.), dessen Originalität gerade erst wieder entdeckt wird.207 Diogenes von Apollonia verbindet um die Mitte des 5. Jahrhunderts Eleatisches mit ionischer Naturphilosophie. Er verbringt offenbar längere Zeit in Athen und übt dort wie anderswo mannigfaltige Einflüsse auf die Dichtung und die Medizin aus.208 Ins Umfeld der eleatischen Bewegung gehört schließlich der Sophist Gorgias, der Parmenides’ Argumente zum Nichtsein hin wendet; auch er lehrt zeitweise in Athen und trägt damit zur dortigen Etablierung der theoretischen Debatten bei.209

201

  So schon Plato, Sophista, 242d. Vgl. oben S. 91  f.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 23 (647, 9 f. Marcovich = 672, 33 f. Dorandi). 203   Plato, Parmenides 127b. 204   Zur Datierungsproblematik vgl. D. O’Brien  /  R. Goulet, Parménide d’Élée, in: DPhA 5a (2012), 150–159, hier 154 f.; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 192–194. 205   Plato, Parmenides, 128b = DK 29 A 12. Zu Zenon vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 194 f.; Ch. Rapp, Zenon aus Elea, in: GGPh 1, 2 (2013), 531–572. 206   Aristoteles, Physica 6, 9, 239b 9–18; 239b 30–240a 1 = DK 29 A 24–28. Vgl. Rapp, Zenon aus Elea, 542–550. 207   Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 195 f.; Ch. Rapp, Melissos aus Samos, in: GGPh 1, 2 (2013), 573–598. 208   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 57 (672, 2–4 Marcovich = 698, 4–5 Dorandi) = DK 64 A 1. Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 209–211. 209   Vgl. unten S. 147. 202

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Inhaltliche Grundlinien Parmenides stellt als Erster den Begriff der Wahrheit und die Bedingungen für deren Erreichen explizit in den Mittelpunkt seiner Untersuchung.210 Er entwickelt einen Beweis der Möglichkeit zuverlässiger Erkenntnis, die er von weitverbreiteten Irrtümern abgrenzt: Was gedacht werden kann, das ist und kann nicht nicht sein, ist also notwendig.211 Dieses Seiende kann nicht werden, insbesondere nicht aus etwas Nicht-Seiendem, und es ist »alles zugleich, eines, kontinuierlich« (ὁμοῦ πᾶν, ἕν, συνεχές), so dass es sich nur dem Denken erschließt, in dem es aber immer präsent ist.212 Die neuere Forschung betont in diesem Punkt teilweise, entgegen der Lesart Platons, dass diese Formulierungen nicht ein zahlenmäßig Eines voraussetzen, sondern vor allem auf die Ewigkeit und Unveränderlichkeit dessen, was ›seiend‹ ist, hinweisen.213 Von dem, was ist, muss der Schein (δόξα) abgegrenzt werden, der sich in zwei Arten falschen Denkens äußert: Eine ist die Annahme, dasjenige, was nicht gedacht werden könne, sei; dies sei deswegen falsch, weil sich ein nicht-Seiendes weder erkennen noch denken lasse.214 Verfehlt sei zweitens die verbreitete Vorstellung, dasselbe könne sein und nicht sein.215 Diese zweite Konsequenz aus Parmenides’ Seinsdenken beinhaltet eine inhaltlich gewichtige Attacke auf jede Theorie, die, wie die früheren Vorsokratiker, Veränderung dadurch erklärt, dass etwas wahrhaft eine Sache sein und später eine andere werden kann. Der Preis des parmenideischen Modells gewisser Erkenntnis eines seienden ­Einen ist freilich die Überzeugung, dass die sichtbare Welt und die Veränderungen in ihr nur dem Anschein nach bestehen. Bei Parmenides ist unklar, ob er im weitgehend verlorenen zweiten Teil seines Gedichtes für dieses scheinbare Seiende überhaupt noch, etwa anhand der Gegensätzlichkeit von Licht und Dunkel, eine philosophische Erklärung liefern will.216 Formal greift Parmenides’ Lehrgedicht auf die hexametrische Form eines Hesiod und Xenophanes zurück217 und gibt durch ein feierliches Vorwort, in dem der Dichterphilosoph seine Auffahrt in einem Wagen zu einer Göttin schildert, seiner 210

  Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 111 (2, p.  27, 11 Mutschmann); Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  116, 2; p.  146, 24 Diels) = DK 28 B 1, 29; 2, 5; 8, 28. Dieser und die folgenden Punkte werden der Reihe nach diskutiert von Kraus, Parmenides, 457–481. 211   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  116, 28 f.; 117, 4 f.; 145, 3 f. Diels) = DK 28 B 2, 3 f.; 6, 1 f.; 8, 1 f. 212   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  145, 3–10; 117, 4 f. Diels) = DK 28 B 8, 3–10; 6, 1 f. Detaillierte Deutung des Arguments z. B. bei Barnes, Presocratic Philosophers, 157–168; Ricken, Philosophie der Antike, 44–51. 213   Vgl. Barnes, Presocratic Philosophers, 204–207; Rapp, Melissos, 576 f. 214   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  116, 30–117, 1 Diels) = DK 28 B 2, 5–8. 215   Plato, Sophista 237a; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 114 (2, p.  28, 4–13 Mutschmann) = DK 28 B 7, 1. 216   Dafür: Reinhardt, Parmenides, 10–32; Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker, 308–311; dagegen Barnes, Presocratic Philosophers, 156. 217   Vgl. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 46–49; Kraus, Parmenides, 447 f.

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konsequent rationalen Durchdringung das Gewand einer, freilich gerechtfertigten, Offenbarung: »Denn nicht schlechte Fügung entsandte Dich, diesen Weg zu kommen – gewiss nämlich ist er außerhalb des Weges der Menschen –, sondern Gesetz und Recht«.218 Auf diese Weise verleiht Parmenides der Überzeugung von einer Übereinstimmung zwischen menschlichem Bemühen und göttlichem Entgegenkommen Ausdruck, wie es für die antike Philosophie typisch werden wird. Parmenides’ Lehre wird in der Folgezeit von seinen Anhängern verteidigt und weiterentwickelt, die in platonischen Dialogen an prominenter Stelle auftreten. Zenon, der in der Tradition als Begründer der Dialektik gilt, entwickelt zu diesem Zweck spektakuläre Behauptungen, namentlich seine berühmten Argumente zur Bestreitung der Existenz von Veränderung, z. B. anhand von Achilles und der Schildkröte, die, wenn sie einmal vorweg laufe, Achill nie überholen könne: In jedem Moment, wo er vorwärts komme, tue dies die Schildkröte ja auch, sei ihm also weiter voraus.219 Melissos argumentiert mit Nachdruck für die numerische Einheit des ewigen Seienden, da dieses zugleich unendlich sein müsse,220 und prägt damit die Form des eleatischen Denkens, von der sich Platon im ›Sophistes‹ wieder lösen muss, um seine Ideenlehre formulieren zu können. Diogenes von Apollonia führt schließlich Parmenides’ Einheitsphilosophie in die ionische Tradition ein, indem er die ontologische Einheit und Unveränderlichkeit der vier Elemente, bei aller scheinbaren Wandelbarkeit, betont.221 Seine Lehre vom Geist (νοῦς), der ein Gott sei und über alles herrsche, sowie von der Seele der Lebewesen, die eine wärmere Luft als die Umgebung sei,222 zeigen seine von der Tradition festgehaltene Nähe zu Anaximenes und Anaxagoras.223

Über die Natur: Terminologische Bezeichnungen philosophischen Arbeitens Gerade für die späteren Fortführer des parmenideischen Denkens ist es relativ gut bezeugt, dass sie ihr Wirken als ›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως bzw., ionisch, Περὶ φύσιος) bezeichnen. Wie zuverlässige Gewährsmänner bezeugen, wird bei Melissos und Gorgias durch die Ergänzungen »oder das Seiende« (ἢ τοῦ ὄντος) bzw. »oder das Nichtseiende« (ἢ τοῦ μὴ ὄντος) der Titel ›Über die Natur‹ variiert, 218   Οὔτι σε μοῖρα κακὴ προὔπεμπε νέεσθαι  /  τήνδ’ ὁδόν (ἦ γὰρ ἀπ’ ἀνθρώπων ἐκτὸς πάτου ἐστίν),  /  ἀλλὰ θέμις τε δίκη τε. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 111 (2, p.  27, 8–10 Mutschmann) = DK 28 B 1, 22–32, Zitat 25–28 (Übersetzung in Anlehnung an DK). Vgl. Kraus, Parmenides, 452–457. 219   Aristoteles, Physica 6, 9, 239b 14–18 = DK 29 A 26. 220   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  109, 29–32 Diels); Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  557, 16 f. Heiberg) = DK 30 B 3; 6. 221   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  151, 31 f. Diels) = DK 64 B 2. 222   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  152, 22–153, 13 Diels) = DK 64 B 5. 223   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 57 (672, 1 f. Marcovich = 698, 3 f. Dorandi) = DK 64 A 1.

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Die vorsokratische Philosophie

was seine Anerkennung als Bezeichnung für das eigene Forschen voraussetzt.224 Für Diogenes von Apollonia bestätigt Simplikios für das von ihm direkt benutzte Werk den Titel ›Über die Natur‹ und erwähnt, Diogenes habe nach eigener Aussage ›Gegen die Physiologen‹, die er auch selbst »Sophisten« nennt, geschrieben, sowie eine ›Meteorologie‹ und gewiss auch ein ›Über die Natur des Menschen‹225 – also einen Titel verwendet, der auch im medizinischen Schrifttum der Zeit bekannt ist.226

Würdigung Parmenides’ Bedeutung für die Geschichte der Philosophie besteht zunächst auf methodischer Ebene, da er eine apriorische, rein aus dem Denken hervorgehende Weise des Philosophierens begründet. Er »ist der erste Philosoph, der […] absolute Gewissheit explizit für eine von ihm aufgestellte Theorie beansprucht«.227 Des Weiteren begründet er mit der Charakterisierung des Seienden als ewig und unveränderlich einen zentralen Grundgedanken der antiken Philosophie, der, vermittelt durch die platonische Ideenlehre, die antike Philosophie und ihr wissenschaftliches Selbstverständnis massiv beeinflusst. Schließlich stellen die von ihm und seinem Schüler Zenon aus dieser Grundeinsicht gezogenen kontraintuitiven Konsequenzen als zu lösende Paradoxa den folgenden Philosophen herausfordernde Aufgaben. Die Absurdität dieser Annahmen ist von Gorgias via negativa vorgeführt worden,228 bleibt aber inhaltlich äußerst schwer aufzulösen.229 Der Versuch, sie zu überwinden, ist ein wichtiges Motiv der Arbeit der späteren Vor­sokra­ tiker sowie von Platon und Aristoteles.

224

  Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  70, 16 Diels); In De caelo (CAG 7, p.  557, 10 Heiberg); Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 65 (2, p.  16, 28–32 Mutschmann) = DK 30 A 4; DK 82 B 3. 225   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  25, 6 f.; 151, 25–28 Diels) = DK 64 A 5; A 4. 226   Vgl. unten S.  125  f. 227   So Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker, 291. 228   S. unten S.  166  f. 229   Vgl. Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker, 342–359.

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Erste Prinzipien und ihre Begründungen: Die Vorsokratiker im engeren Sinne

7. Naturphilosophie anhand der vier Elemente und ihrer W ­ andlungen: Empedokles Einer der bedeutendsten derjenigen Denker, die neuerdings als Neo-Ionier zusammengefasst werden,230 ist Empedokles aus dem sizilischen Akragas (Agrigent).231 Während seines Lebens von ca. 483–423 beteiligt er sich der Überlieferung nach unter anderem an der Wiederherstellung der Demokratie in seiner Heimatstadt und ihrer Befreiung von der Tyrannis.232 Empedokles verfasst zwei Gedichte philosophischen Inhalts, die ›Reinigungen‹ (καθαρμοί) sowie die ›Physika‹, deren Originaltitel lauten könnte ›Über die Natur des Seienden‹ (Περὶ φύσεως τῶν ὄντων).233 Damit wird Empedokles möglicherweise zum Begründer der Bezeichnung der vorsokratischen Philosophie als Wissenschaft ›Über die Natur‹ bzw. ihrer Vertreter als »Naturphilosophen« bzw. »Physiologen« (Φυσιόλογοι), die sich in der Folgezeit durchsetzt. Beide Werke unterscheiden sich nach einer Hypothese durch die jeweils verwendete Rolle des fiktiven poetischen Erzählers:234 Der Ich-Erzähler der ›Reinigungen‹ stilisiere sich als ein Gott, der sich nach einer Phase der Wanderung seiner Seele in der Welt von seinen Freunden verabschiede,235 während derjenige des Gedichtes ›Über die Natur‹ sich als philosophischer Lehrer darstelle.236 Diese These wird allerdings mit Verweis auf Empedokles’ Gebrauch von Elementen des Epos neuerdings wieder bestritten, zumal die Einleitung der ›Physika‹ vergleichbare religiös konnotierte Aussagen treffe wie auch die ›Reinigungen‹.237 Empedokles integriert verschiedene Anliegen der früheren Vorsokratiker: In der poetischen Form folgt er Parmenides, in der Seelenwanderungslehre238 und politischen Aktivitäten der pythagoreischen Tradition. Bekannt ist vor allem seine 230

  Vgl. Barnes, Presocratic Philosophers, 305 f.   Vgl. R. Laurenti, Empedocle, Neapel 1999; A. Martin  /  R. Goulet, Empédocle d’Agrigente, in: DPhA 3 (2000), 67–88; O. Primavesi, Empedokles, in: GGPh 1, 2 (2013), 667–739. 232  Zur Biographie und zu Datierungsproblemen vgl. Martin  /  Goulet, Empédoclè d’Agrigente, 71–80; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 198–202. 233   Vgl. Martin  /  Goulet, Empédoclè d’Agrigente, 81–86. 234   Vgl. Primavesi, Empedokles, 667 f.; Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsakratiker, 393– 396. 235   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 62 (612, 3–12 Marcovich = 636, 116–125 Dorandi); Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 9, 1 (GCS Clem. 2, p.  331, 14 Stählin); ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 29, 14 (GCS Hipp. 3, p.  212, 19 Wendland) = DK 31 B 112; 114 f. 236   So ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 31, 4 (GCS Hipp. 3, p.  217, 1–4 Wendland) = DK 31 B 131. 237   So Ch. Ferella auf einem Vortrag in Jena im Sommer 2021 mithilfe eines Vergleichs von DK 31B 112 und 115, die sie den beiden Werken zuordnet. Eine Publikation unter dem Titel »Reconstructing Empedocles On Nature« ist m. W. in Vorbereitung. Ähnliche Skepsis äußern z. B. Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 659 f. 238   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 29, 16–19; 1, 3, 2 (GCS Hipp. 3, p.  213, 1–21; 9, 8–12 Wendland) = DK 31 B 115; 117. 231

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Naturphilosophie, der zufolge sich die vier göttlichen ›Wurzeln‹ (ῥιζώματα),239 wie Empedokles, auf der Ebene der Naturbetrachtung,240 die von ihm eingeführten Grundelemente Feuer, Wasser, Erde und Luft nennt, durch Liebe (φιλότης) und Streit (νεῖκος) immer wieder vereinen und dann trennen. Durch diesen – in seinem Ablauf viel diskutierten241 – kosmischen Zyklus entstehen und vergehen, während das Seiende im Ganzen niemals als solches zugrunde geht,242 die Lebewesen und andere Erscheinungen der beobachtbaren Wirklichkeit.243 Auf diese Weise werden, im Anschluss an Parmenides, ewige und unveränderliche Seinsbestandteile angenommen, die gleichwohl in einer Prozessualität stehen, die wir als Veränderung wahrnehmen. Wohl auch deswegen wird, entgegen dem Rationalismus des Parmenides, die Sinneswahrnehmung bei Empedokles erstmals zum philosophischen Thema. Indem er sie behandelt und den Gedanken der Erkenntnis des Gleichen durch das Gleiche in die Geistesgeschichte einführt,244 setzt er erkenntnistheoretisch einen deutlich anderen Akzent als Parmenides. Empedo­ kles’ Naturphilosophie hat insofern ethische Konnotationen, als er seine e­ igene Aktivität als Predigt wider die Vorherrschaft des Hasses in der Gegenwart versteht.245 Auch Empedokles erwähnt die Weisheit zu Beginn seines Werkes, freilich als etwas Göttliches, auf dem nämlich die Muse beizeiten thronen wird.246 Insofern scheint er, nicht anders als Heraklit, bereits die Unerreichbarkeit des Weisen gegenüber dem Menschenmöglichen zu betonen. Immerhin schreibt er Pythagoras zu, »jedweder weisen Werke« (παντοίων σοφῶν ἔργων) mächtig zu sein, und lässt so die Weisheit anscheinend als Möglichkeit für außergewöhnliche Men-

239

  Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 10, 315 (2, p.  358, 16–19 Mutschmann) = DK 31 B 6, 1. 240   Vgl. Primavesi, Empedokles, 694–696. 241   Vgl. besonders die neuere Rekonstruktion von Primavesi, Empedokles, 696–698, 704–713; Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker, 396–413; skeptisch ist Ch. Ferella, The Byzantine Scholia to Aristotle and Empedocles’ Cosmic Cycle, in: Mnemosyne 4, 73 (2020), 1–23. 242   Plutarchus, Adversus Colotem 12 (1113c); Anonymus, De Melisso, Xenophane, Gorgia 2, 6, 975b 1 = DK 31 B 11 f. 243   Dazu DK 31 B 17–26; jetzt auch bei A. Martin  /  O. Primavesi, L’Empédocle de Strasbourg (P. Strasb. Gr. Inv. 1665–1666). Introduction, édition et commentaire, Berlin u. a. 1999, 127–139, oder vgl. auch die Rekonstruktion eines Teils von Buch I bei von ›Über die Natur‹ durch R. Janko, Empedocles, ›On Nature‹ 1, 233–364. A New Reconstruction of P. Strasb. gr. Inv. 1665–1666, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 150 (2004), 1–26. 244   Aristoteles, Metaphysica 3, 4, 1000b 5–9; Theophrastus, De sensibus 1; 7–24 (499, 1–3; 500, 19–506, 18 Diels) = DK 31 B 109; A 86. Vgl. Primavesi, Empedokles, 700–702. 245   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 128 f. (2, p.  243, 9–24 Mutschmann) = DK 31 B 136 f.; vgl. J. Mansfeld, in: Die Vorsokratiker. Auswahl der Fragmente, Übersetzung und Erläuterungen von J. Mansfeld, Stuttgart 1983, 2, 64. 246   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 125 (2, p.  31, 2 Mutschmann).

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schen gelten.247 Des Weiteren trägt Empedokles zur Entfaltung des Philosophieverständnisses vor allem gewisse Motive bei, namentlich der Weisheitslehre als Geberin von »Heilmitteln« (φάρμακα), welche ihre Funktion als Medizin für die Seele vorbereitet.248 Komplex ist das Verhältnis des empedokleischen Denkens zur Religion bzw. zum Mythos, da man seine Naturphilosophie als eine Art menschliche Darstellung einer mythischen Erzählung begreifen kann.249 Während der religiöse Charakter seines Werkes bereits aus der schon erwähnten Einleitung mit einem Gebet an eine Muse deutlich wird,250 ist für die religiöse Aufladung des empedokleischen Kosmos von Bedeutung, dass die vier ›Wurzeln‹, d. h. die Elemente, mit Göttern identifiziert werden.251 Während er die höchste Einheit der Elemente an einer Stelle als eine Art kugelförmige Gottheit mit dem Namen ›Sphairos‹ schildert,252 stellt Empedokles, teils mit denselben Worten, an anderer Stelle eine Gottheit so dar, dass »ein heiliger und unsagbarer Verstand, der mit schnellen Gedanken den ganzen Kosmos durchstürmt«253 – mit dem der genannte Sphairos wohl als identisch zu denken ist – und so die Möglichkeit der Vervollkommnung für das menschliche Denken in sich trägt.254 Ganz im Sinne derartig nicht anthropomorpher Gottesvorstellung plädiert Empedokles in den ›Reinigungen‹ entschieden gegen Tieropfer für die Götter.255 Die Tradition, Empedokles sei der Erfinder der Rhetorik,256 kann sich eher auf seine sprachliche Praxis stützen als auf konkrete Leistungen in dieser Wissensdisziplin. Eine gewisse Verbindung zur Rhetorik ergibt sich durch Empedokles’ magisch anmutende Vorstellung, der Weise könne durch seine Kompetenz die

247

  Porphyrius, Vita Pythagorae 30 (50, 10–15 des Places) = DK 31 B 129.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 59 (610, 1–9 Marcovich = 634, 87–95 Dorandi) = DK 31 B 111, 1 f. 249   Vgl. Primavesi, Empedokles, 717–721. 250   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 125 (2, p. 31, 23–27 Mutschmann) = DK 31 B 3. 251   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 10, 315 (2, p.  368, 17–19 Mutschmann) = DK 31 B 6, 1. 252   ›Hippolytus‹, Refutatio, 7, 29, 13 (GCS Hipp. 3, p.  212, 10–14 Wendland) = DK 31 B 29. 253   Φρὴν ἱερὴ καὶ ἀθέσφατος ἔπλετο μοῦνον,  /  φροντίσι κόσμον ἅπαντα καταΐσσουσα θοῆισιν. Ammonius, In De interpretatione (CAG 4, 5, p.  249, 7–11 [Zitat 10] Busse) = DK 31 B 134. 254   Zur Interpretation vgl. S.  Broadie, Rationale Theologie, in: Long (Hrsg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie, 187–205, hier 197–201. 255   Porphyrius, De abstinentia 2, 21, 2–4; 27, 7 (2, p.  89; 94 Bouffartigue  /  Patillon) = DK 31 B 128. 256   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 57 (608, 16 f. Marcovich = 633, 64 f. Dorandi) = Aristoteles, frg.  17 Gigon. 248

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Natur lenken,257 da diese später von Gorgias auf die Lenkung des Logos durch den Rhetor übertragen wird.258 Die literarisch und philosophisch komplexe Lehre des Empedokles erweist sich in mehrfacher Hinsicht als ein Grenzphänomen: Einerseits zeigt sie die Philosophie an der Grenze hin zu einer differenzierteren Darstellung des Weltlaufs, indem erstmals Grundbegriffe der Naturphilosophie mit der ausdrücklichen Frage nach der Sinneswahrnehmung verbunden werden, was beträchtlichen Einfluss auf Sophistik und Medizin ausübt.259 Andererseits ist die Besonderheit rationalen Denkens bei Empedokles eben nur teilweise ausgeprägt, indem die Grenzen zu Mythos und Religion in seinem Werk verschwimmen, da der menschliche Logos nur als eine Weise der Beschreibung der Wirklichkeit neben dem übergreifenden Mythos verstanden wird.260

8. Der Geist und die Materie: Anaxagoras Die philosophiegeschichtliche Bedeutung des Anaxagoras aus dem ionischen Klazomenai (ca. 500–427/6 v.  Chr.)261 liegt unter anderem in seiner Biographie begründet, die darin kulminiert, dass er die Philosophie von Ionien nach Athen bringt:262 Anaxagoras kommt wohl in den 450er Jahren nach Athen und unterrichtet dort – was erstmals ausdrücklich für einen Philosophen bezeugt ist263 – u. a. das faktische Stadtoberhaupt Perikles, mit dem ihm offenbar auch eine persönliche Freundschaft verbindet. Vor diesem Hintergrund wird, möglicherweise um Peri­kles zu schaden, gegen Anaxagoras in den 430er Jahren ein Prozess wegen religionsgefährdender Lehren durchgeführt, in dessen Folge er verbannt wird264 und seinen Unterricht in Lampsakos fortsetzt.265 Auf diese Weise ist bei Anaxagoras viel deutlicher als bei seinen Vorgängern erkennbar, dass er bereits in professioneller 257

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 59 (610, 1–9 Marcovich = 634, 87–95 Dorandi) = DK 31 B 111. 258   Vgl. D. Bremer, Von den frühen Philosophen zu den Sophisten, in: GGPh 1, 2 (2013), 949–970, hier 955–958. Vgl. auch unten S. 169. 259   Vgl. Primavesi, Empedokles, 723; Bremer, Von den frühen Philosophen zu den Sophisten, 955–958. 260   Vgl. auch Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie,134 f. 261   Für einen Überblick vgl. Rechenauer, Anaxagoras, 740–796. Zu den Lebensdaten vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 202–204. 262   DK 59 A 11–15. 263   So Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker, 564. 264   Plutarchus, Pericles 32 (1, 2, p.  37, 24–38, 6 Ziegler) = DK 59 A 17; vgl. Mansfeld  /  Primavesi, in: Die Vorsokratiker 564 f. 265   Zu den problematischen Angaben der Quellen und möglichen Rekonstruktionen vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 204–206.

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Weise das Leben eines Lehrers führt und als ›Intellektueller‹ wahrgenommen wird266 – so wie wohl auch sein Zeitgenosse Zenon von Elea und die Sophisten. Anaxagoras, der seine Gedanken wieder in einer sprachlich nicht überkomplizierten Prosaschrift zusammenfasst,267 nimmt an, die sichtbare Wirklichkeit sei aus unendlich vielen (ἄπειρα) und kleinen ewigen Bestandteilen aufgebaut, die sich in verschiedener Weise miteinander kombinieren.268 Diese »Dinge« (χρήματα) sind allerdings, anders als die Partikeln der Atomisten, jeweils von ganz verschiedener Art.269 Letztlich sind sie wohl schon ursprünglich alle miteinander verschränkt, woraus der einflussreiche Gedanke resultiert, »alles sei in allem« (ὁμοῦ πάντα).270 Besonderen Einfluss übt, gerade auf Aristoteles,271 Anaxagoras’ Annahme aus, die Kreisbewegung (περιχώρησις) des Seienden bzw. der kosmogonische Prozess würde durch eine Quelle in Gang gesetzt und gelenkt, die nicht mit den anderen Dingen vermischt ist; er nennt sie Geist (νοῦς).272 Insofern begründet Anaxagoras die antike Geistphilosophie mit ihrer Trennung von Geist und Materie,273 wiewohl er selbst den Geist noch für feinstofflich, also materiell, hält.274 Neben diesen grundlegenden Überlegungen widmet sich Anaxagoras auch naturphilosophischen Spezialproblemen, namentlich der Flachheit der Erde, der Entstehung von Winden und Erdbeben.275 Auch die Sonne, den Mond und die Sterne erklärt er naturphilosophisch für »Steine« (λίθους).276 Auf diese Weise wirkt das philosophische Schaffen des Anaxagoras im Vergleich zu den mit religiöser Überhöhung philosophierenden italischen Autoren Pythagoras, Parmenides und Empedokles in Form und Inhalt wissenschaftlich nüchtern. Es ist daher wohl kein Zufall, vielleicht sogar zuverlässige Überlieferung, dass man ihm das Diktum zuschreibt, leben zu wollen, »um den Himmel zu betrachten, rings auf ihm die Sterne, den Mond und die Sonne« – so dass ihm zufolge die Erforschung der Natur eine selbstzweckliche Tätigkeit wäre.277 Die wissenschaftliche Form seines Denkens dürfte seine Rezeption in Athen bis hin zu 266

  Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 206 f.   Vgl. Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 142 f.; Rechenauer, Anaxagoras, 744–748. 268   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  164, 13–20 Diels) = DK 59 B 3 269   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  34, 18–26 Diels) = DK 59 B 4. 270   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  155, 26–30 Diels) = DK 59 B 1. 271   Aristoteles, De anima 3, 4, 429a 18 f. 272   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  164, 23 f. Diels) = DK 59 B 12. Vgl. Rechenauer, Anaxagoras, 773–776. 273   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 6 (95, 8 f. Marcovich = 153, 3 f. Dorandi) = DK 59 A 1. Vgl. Buchheim, Vorsokratiker, 205–207. 274   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  164, 15–25 Diels) = DK 59 B 12. 275   ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 8, 11–13 (GCS Hipp. 3, p.  14, 18–15, 2 Wendland) = DK 59 A 42, 3; 11 f. 276   Xenopho, Memorabilia, 4, 7, 7; ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 8, 6 (GCS Hipp. 3, p.  14, 1 Wendland) = DK 59 A 73; 42 A 6. 277   Τοῦ θεάσασθαι [τὰ περὶ] τὸν οὐρανὸν καὶ περὶ αὐτὸν ἄστρα τε καὶ σελήνην 267

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seiner Anklage wegen Areligiosität durchaus beeinflusst haben: In dem Wirken des Anaxagoras fordert die Athener ein wissenschaftliches Nachdenken heraus, das man fast schon säkular nennen kann, und regt somit Prozesse an, die letztlich unter Platon zur Herausbildung der Philosophie als einer eigenen Kulturtechnik beitragen.

9. Der Beginn der Naturphilosophie als solcher: Der Atomismus des Leukipp und Demokrit Einen letzten Höhepunkt der vorsokratischen Philosophie bietet das Wirken des Leukipp (fl. ca. 450 v.  Chr.) und seines Schülers Demokrit (ca. 470–380 (oder 400) v.  Chr.) im nordgriechischen Abdera.278 Besonders Letzterer hinterlässt ein umfangreiches Prosawerk, »das an Umfang das platonische Gesamtwerk übertrifft und hinter dem aristotelischen kaum zurücksteht«. Es »spiegelt die Universalität der philosophischen Interessen ebenso wider wie die inzwischen erreichte Spezialisierung der Wissensgebiete«.279 Obwohl dieses Werk praktisch vollständig verloren ist, sind seine Inhalte in zahlreichen Referaten anderer Autoren überliefert.280 Das Problem, wie angesichts eines ewigen unveränderlichen Seienden Ver­ ände­rung erklärbar ist, beschäftigt auch die Atomisten.281 Ihnen zufolge gibt es unzählig viele kleine ewige und unteilbare Bestandteile der Wirklichkeit, die Atome (ἄτομα). Als ihre Zusammenballungen im leeren Raum (τὸ κενόν) entstehen die sichtbaren Dinge, angefangen bei den vier Elementen, durch das offenbar zufällige Aufeinandertreffen der Atome in ihrer Bewegung, was letztlich zur Entstehung der Welt als ganzer führt.282 Die Atome nehmen also eine analoge Stellung zum parmenideischen ewigen Seienden ein, indem sie die sichtbare, vergängliche καὶ ἥλιον. Iamblichus, Protrepticus 9 (51, 11–15 Pistelli). Zu Parallelen und möglichen Quellen vgl. Burkert, Platon oder Pythagoras?, 167 f. 278   Zu den beträchtlichen Problemen, die Lebenszeit festzustellen, vgl. D. O’Brien, Démocrite d’Abdère, in: DPhA 2 (1994), 649–715, v. a. 655–677; Schirren  /  Rechenauer, Zum Leben der einzelnen Philosophen, 212–215. 279   So Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 145. 280   Zum auf Thrasyllos zurückgeführten Werkkatalog vgl. vor allem O’Brien, Démocrite d’Abdère, 680–693 (mit deutlichen Hinweisen auf die Mängel der Edition von DK); ferner Patzer, Ausdrucksformen der frühgriechischen Philosophie, 144–146; Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 839–846 (mit Angabe jüngerer Fragmenteditionen). 281   Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 846–850. 282   Dies wird in zahlreichen doxographischen Berichten beschrieben, z. B.: Aristoteles, De generatione et corruptione 1, 8, 324b 35–325b 13; Alexander Aphrodisiensis, apud: Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  294, 26–30 Heiberg); Plutarchus, Adversus Colotem 8 (1110 f) = DK 68 A 37; 57. Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 850–881.

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Welt konstituieren.283 Die menschliche Seele besteht nach den Atomisten ebenfalls aus Atomen, die aber noch kleinteiliger sind und vom Körper zusammengehalten werden.284 Eine ähnliche Erklärung wird auch für die sinnliche Wahrnehmung entwickelt, welche die Atomisten ebenso wie Empedokles intensiv diskutieren.285 Einflussreich ist ihre in diesem Zusammenhang entwickelte Vorstellung vom Menschen als kleiner Welt bzw. als Mikrokosmos (μικρὸς κόσμος).286 Demokrit schafft auch eine Ethik, die auf ein ausgeglichenes Wohlbefinden (εὐθυμίη) abzielt.287 Seine Behauptung, dass das Angenehme glücklich macht, klingt von ihrem Grundansatz her, nicht anders als der Atomismus, ähnlich wie die Haltung Epikurs und mag diesen tatsächlich angeregt haben.288 Wohl auf Empedokles289 baut die von ihm überlieferte, ebenfalls eine lange Tradition begründende Aussage auf, dass »die Weisheit die Seele von Leidenschaften befreit«, so wie »die Medizin die Krankheiten des Körpers heilt«.290 Zu seinem Lob der Weisheit gehört auch, dass er deren Güter im Gegensatz zu denen des Zufalls empfiehlt.291 In den Bereich der praktischen Philosophie, aber auch in die Nähe der Sophistik, gehören die Kulturentstehungstheorien Demokrits, welche Kosmogonie und Kulturentstehung offenbar eng verbinden.292 Darüber hinaus sind aber von Leukipp und von Demokrit, der selbst auch einfach »Weisheit« genannt wird,293 keine ausdrücklichen Aussagen zum Philosophiebegriff erhalten oder bezeugt. Allerdings soll Letzterer nach Diogenes Laertios bzw. Thrasyllos anonym in den pseudo-platonischen ›Rivalen‹ (Ἐρασταί) auftreten und behaupten, der Philosoph sei ein »Fünfkämpfer« (πένταθλος).

283

  Vgl. Barnes, Presocratic Philosophers, 342–346.   Aristoteles, De anima 1, 2, 405a 5–12 = DK 68 A 101. 285   Theophrastus, De sensibus, 49–83 (513, 10–524, 20) = DK 68 A 135. Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 896–904. 286   David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  38, 18 Busse) = DK 68 B 34. Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 892. 287   Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 1, 210 (3, p.  176, 9–177, 12 Hense) = DK 68 B 191. 288   Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 1, 47; 3, 3, 46 (3, p.  18, 9–11; 209, 7 f. Hense) = DK 68 B 189; 194. Zur möglichen Parallelität mit Demokrits Physik vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 910. 289   Vgl. oben S. 117. 290   Ἰατρικὴ μὲν γὰρ κατὰ Δημόκριτον σώματος νόσους ἀκέεται, σοφίη δὲ ψυχὴν παθῶν ἀφαιρεῖται. Clemens Alexandrinus, Paedagogus 1, 6, 2 (GCS Clem. 1, p.  93, 15 f. Stählin) = DK 68 B 31. 291   Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 4, 71 (3, p.  236, 14 f. Hense) = DK 68 B 197. 292   Zeugnisse gesammelt bei DK 68, p.  135–138. Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 884–890. 293   Suda, s.  v. Democritus (2, p.  44, 14 Adler) = DK 68 A 2. 284

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Die vorsokratische Philosophie

»Denn er übte die Physik und die Ethik aus, aber auch die Mathematik und den Zirkel der Argumente (τοὺς ἐγκυκλίους λόγους), und er hatte jegliche Erfahrung über die Fertigkeiten«.294

Über die genannten Disziplinen hinaus ist zudem eine Beschäftigung mit der »poli­tischen Fertigkeit« (πολιτικὴ τέχνη) ausdrücklich bezeugt, die Demokrit lobt.295 In diesem Zusammenhang spricht er sich für die demokratische Freiheit und gegen die Tyrannis aus.296 Bei Demokrit lässt sich also eine bemerkenswerte Breite an Interessen feststellen. Aber auch er lehnt, in der Nachfolge des Heraklit, die »Vielwisserei« (πολυμαθίη) ab,297 sieht jedoch das Lernen insgesamt als den Weg zur Weisheit an.298 Seine persönliche Haltung könnte sich daher in der Aussage zeigen, dass »er lieber eine einzige ursächliche Erklärung finden wolle, als dass ihm das Königreich der Perser zuteil werde«.299 In diesem Sinne kann man für Demokrit vermuten, dass er die wissenschaftliche Suche in ihrer Breite, aber auch in ihrer Tiefe, wie Aristoteles, als einen Lebensentwurf eigener Art ansieht. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang seine Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Göttern, die dem Menschen nach Demokrit als Bilder (εἴδωλα) erscheinen.300 Dies kann man so verstehen, dass Demokrit darauf hinarbeitet, die ethische Funktion der Göttervorstellung aufrechterhalten zu können.301 Von der inhärenten Logik seines Denkens her liegt das allerdings nur bedingt nahe, denn letzten Endes eignen sich weder die Atome noch das Leere dazu, als Götter beschrieben zu werden – womit sich eine wesentliche Abkehr von einem Denken andeutet, für welches die Behandlung des Göttlichen und die rationale Welt­erklä­ rung letztlich zusammenfallen.302 In der modernen Forschung gilt die weit ausgreifende und kohärente Theorie der Atomisten zur Vermittlung zwischen parmenideischem Rationalismus und ionischem Empirismus vielfach als »die Krone der griechischen Philosophie vor

294  Τὰ γὰρ φυσικὰ καὶ τὰ ἠθικὰ , ἀλλὰ καὶ τὰ μαθηματικὰ καὶ τοὺς ἐγκυκλίους λόγους. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 37 (656, 21–657, 2 Marcovich = 683, 40–42 Dorandi) = DK 68 A 1. 295   Plutarchus, Adversus Colotem 32 (1126a) = DK 68 B 157. Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 913 f. 296   Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 1, 42 (4, p.  12, 10–12 Hense) = DK 68 B 251. 297   Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 4, 81 (3, p.  238, 4 Hense); vgl. Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 1, 12 (2, p.  5, 16 f. Wachsmuth) = DK 68 B 64; 169. 298   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 31, 71 (2, p.  214, 9 Wachsmuth) = DK 68 B 59. 299   Βούλεσθαι μᾶλλον μίαν εὑρεῖν αἰτιολογίαν ἢ τὴν Περσῶν οἱ βασιλείαν γενέσθαι. Dionysius Alexandrinus, apud: Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 27, 4 (GCS Eus. 8, 2, p.  335, 11 f. Mras) = DK 68 B 118. Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 846 f. 300   Cicero, De natura deorum 1, 29; 1, 120; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 19 (2, p.  217, 29–3 Mutschmann) = DK 68 A 74; B 166. 301   Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 904–906. 302   Vgl. Broadie, Rationale Theologie, 201–203.

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Erste Prinzipien und ihre Begründungen: Die Vorsokratiker im engeren Sinne

Platon«.303 Eine solche Aussage ist vor allem deswegen berechtigt, weil im Atomismus endgültig die naturphilosophische Theoriebildung eine Eigengesetzlichkeit entwickelt, welche eine religiöse Deutung der Natur schwierig werden lässt. Zwar lässt sich, da nur die groben Züge der Theorie langfristig bekannt bleiben, kaum mehr ermitteln, inwieweit Demokrit hieraus Konsequenzen für den Weisheitsbegriff zieht. Sein Einfluss auf spätere Philosophien ist jedenfalls in verschiedener Hinsicht spürbar: Am augenfälligsten ist sicher die Fortführung und Verfeinerung seines Atomismus durch Epikur und seine Schule. Die Einbeziehung verschiedener Nachbardisziplinen ins philosophische Denken kann dagegen eher als wichtige Vorleistung zu Aristoteles’ enzyklopädischem Philosophieverständnis gelten, während die Idee, die Philosophie sei eine Medizin für die Seele, in verschiedenen Traditionen fortgeführt wird, unter denen wiederum diejenige Epikurs herausragt, bei dem auch Folgerungen für das Verhältnis von Philosophie und Religion g­ ezogen werden, die durchaus in der Konsequenz des Atomismus stehen.

303

  Vgl. Rechenauer, Leukipp und Demokrit, 850.

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V. Die Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern in der ­hippokratischen Medizin

1. Allgemeines  /  Historischer Überblick Wichtige Zeugnisse zur vorsokratischen Philosophie und ihrem Einfluss auf Nachbardisziplinen finden sich in mehreren gegen Ende des 5. Jahrhunderts entstandenen Texten des Corpus Hippocraticum.1 Diese Texte stammen aus der Anfangszeit der Konstitution der Medizin als eigener Disziplin, die der kaiserzeitliche Enzyklopädiker Celsus2 ausdrücklich so schildert, dass »die Wissenschaft zu heilen, für einen Teil der Weisheit (sapientia) gehalten wurde, so dass die Heilung von Krankheiten und die Betrachtung der Natur der Dinge durch die selben Autoren geboren wurde. […]«, bis »Hippokrates von Kos«, angeblich ein Schüler Demokrits, »als erster […] diese Disziplin vom Studium der Weisheit trennte«.3

Dass philosophische Autoren wie Empedokles und Alkmaion überhaupt einen wissenschaftlichen – und nicht rein magischen – Diskurs über den Körper und seine Heilung eingeführt haben, ist in der Tat bedeutsam für die Herausbildung der Medizin als wissenschaftlicher Disziplin, deren Selbstfindung in den Jahrzehnten vor 500 anzusetzen ist.4 Die frühen hippokratischen Texte zeugen entsprechend von einer lebhaften Diskussion über die Frage, inwieweit philosophische Theorien über die Natur auf den Menschen und seine Behandlung übertragen werden können.5 Hierbei bilden sich zwei gegenläufige Tendenzen heraus, die Medizin entweder aufgrund von Beobachtungen oder aufgrund von Theorien weiter1

  Vgl. J. Jouanna, in: Hippocrate, ›La nature de l’homme‹. Édité, traduit et commenté par J. Jouanna (CMG 1, 1, 3), Berlin 1975, 59–61; H. Diller, Medizin. Antike, in: HWbPhil 5 (1980), 968–976, hier 968 f.; J. Jouanna  /  C. Magdeleine, Hippocrate de Cos, in: DPhA 4 (2005), 771–790; C. Oser-Grote, Medizinische Schriftsteller, in: GGPh 2, 1 (1998), 455–485; Jouanna  /  Magdeleine, Hippocrate 774–784 (mit Werkliste und Informationen zu Genese und Inhalt). 2   Vgl. unten S.  596  f. 3   Primoque medendi scientia sapientiae pars habebatur, ut er morborum curatio et rerum natura contemplatio sub isdem auctoribus nata sit. […] Hippocrates Cous […] primus a studio sapientiae disciplinam hanc separauit. Celsus, De medicina, prooem. 6–8 (p.  3 f. Serbat); vgl. Frede, Philosophy and Medicine, 225 f.; A. Stückelberger, Hippokrates und hippokratisches Denken, in: Erler  /  Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums, 84–98, hier 84–86. 4   Vgl. oben S. 65. 5  Vgl. Jouanna, in: Hippocrate, ›La nature de l’homme‹, 38 f.; Jouanna  /  Magdelaine, Hippocrate, 786 f.

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Die Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern in der ­hippokratischen Medizin

zuentwickeln.6 Gerade die eher theoretischen Traktate sind für die Entwicklung der Wissenschaftsdisziplinen und die dabei verwendete Terminologie höchst aufschlussreich – was auch zum wahrscheinlich frühesten Gebrauch des Substantivs »Philosophie« (φιλοσοφίη) führt.

2. Medizinisch-philosophische Theoriebildung Wissenschaftsgeschichtlich ist allerdings die Medizin in vorklassischer Zeit vor ­allem für ihre Neigung zu empirischen Methoden und deren z. T. recht gründliche Diskussion bedeutsam, in der aus empirischen Prämissen bereits skeptische wie dogmatische Positionen entwickelt werden.7 Demgegenüber sind gerade für einen Traktat wie ›Über die Nahrung‹ (›De victu‹, Περὶ διαίτης), der eine deduktive, von der menschlichen Natur im Allgemeinen ausgehende Methodik vertritt,8 Einflüsse von mehreren vorsokratischen Philosophen in Rechnung zu stellen.9 Dieses Werk gilt, neben der Überlieferung zu Kratylos,10 als eines der wesentlichen Zeugnisse des herakliteischen Philosophierens, das sich offenbar aus dem Studium von Heraklits Buch heraus entwickelt.11 Noch bedeutender für unsere Fragestellung sind aber zwei Schriften, die den eigenen Charakter der medizinischen Zugangsweise betonen: ›Über die Natur des Menschen‹ (Περὶ φύσιος ἀνθρώπου, ›De natura hominis‹), wohl von Hippokrates’ Schulnachfolger Polybos verfasst,12 grenzt sich von Tendenzen ab, die Beschaffenheit des Menschen aus nur einem Prinzip abzuleiten, und arbeitet demgegenüber die sogenannte »Viersäftelehre« heraus,13 die jahrhundertelang die westliche me6

  So schon Celsus, Medicina, prooem. 12 (p.  5 Serbat). Vgl. Stückelberger, Hippokrates, 93 sowie 94–98 zu den stark beobachtend vorgehenden Schriften und Jouanna  /  Magdelaine, 784 und 790 für einen allgemeineren Überblick über die philosophisch relevanten Inhalte des Corpus Hippocraticum. 7   Vgl. Ph. H. De Lacy  /  E. A. De Lacy, in: Philodemus, ›On Methods of Inference‹. Edited with Translation and Commentary by Ph. H. De Lacy  /  E. A. De Lacy, Neapel 21978, 166–169. 8   Ps.-Hippocrates, De victu 1, 2, 1 (CMG 1, 2, 4, p.  122–124 Joly). Vgl. Stückelberger, Hippokrates, 87–90. 9   R. Joly, in: Hippocrate, ›Du regime‹. Édité, traduit et commenté par R. Joly (CMG 1, 2, 4), Berlin 22003, 25–34. 10   Vgl. unten S. 163. 11   Vgl. D. Bremer, Kratylos und die Herakliteer, in: GGPh 1, 2 (2013), 657–664, hier 657. 12   Unter diesem Namen wird die Schrift zitiert in Aristoteles, Historia animalium 3, 3, 512b 12–513a 7. Vgl. Jouanna, in: Hippocrate, ›La nature de l’homme‹, 55–59; V. BoudonMillot, Polybe de Cos, in: DPhA 5b (2012), 1236–1239. 13   Ps.-Hippocrates, De natura hominis 1–5 (CMG 1, 1, 3, p.  164, 1–178, 9 Jouanna). Inhaltsübersicht bei Oser-Grote, Medizinische Schriftsteller, 466–468. Zur Viersäftelehre in ›De natura hominis‹ vgl. Stückelberger, Hippokrates, 90–93; Boudon-Millot, Polybe de Cos, 1239; Derschka, Die Viersäftelehre, Ostfildern 2013, v. a. 18–20.

125

Die vorsokratische Philosophie

dizinische Theorie stark beeinflussen wird.14 Unter den bekämpften Einheitstheoretikern wird der Eleat Melissos ausdrücklich erwähnt, offenbar als eindeutig absurdes Extrembeispiel, während der Hauptgegner wohl Diogenes von Apollonia ist und auch Empedokles fleißig benutzt wird.15 Ähnliche Gegner,16 zu denen diesmal auch Empedokles gehört, dürfte der anonyme Autor von ›Über die Alte Medizin‹ (Περὶ ἀρχαιῆς ἰατρικῆς, ›De vetere medicina‹) im Auge haben, der ihnen gegenüber einen primär empirischen Ansatzpunkt für die Medizin mit einem besonderen Augenmerk auf die Vielfältigkeit der menschlichen Natur vertritt.17 Zur Begründung seines Standpunkts führt er insbesondere historische Erwägungen zur Entstehung der Medizin sowie Erläuterungen zum Begriff der »Fertigkeit« (τέχνη) an.18 Diese Überlegungen tragen wesentlich zu einer Methodenreflexion bei, die über die Rezeption bei Platon, der im ›Phaidros‹ vielleicht auf ›Über die alte Medizin‹ eingeht,19 auch die Entwicklung des Philosophiebegriffs beeinflusst.

3. Begriffliche Bestimmungen: Philosophie, Historie, Sophisten Besonderes Interesse für die Herausbildung eines eigenen Konzepts von ›Philosophie‹ hat ›Über die alte Medizin‹ durch die folgende allgemeine Charakterisierung der bekämpften Gegner: »Manche Leute, sowohl Ärzte als auch Sophisten, behaupten aber, dass derjenige die Medizin nicht kennen könne, der nicht wisse, was der Mensch sei. Vielmehr müsse dies derjenige lernen, der die Menschen richtig therapieren wolle. Ihr Argument tendiert aber zur Philosophie – so wie Empedokles oder andere, die von Anfang an über die Natur geschrieben haben, was der Mensch sei, wie er zuerst entstanden und woraus er zusammengefügt sei. Ich aber glaube, dass alles, was von

14   Vgl. für einen bis ins Mittelalter reichenden Überblick Derschka, Die Viersäftelehre, vor allem 18–20. 15   Ps.-Hippocrates, De natura hominis 1, 4 (CMG 1, 1, 3, p.  166, 11 Jouanna). Vgl. Jouanna, in: Hippocrate, ›La nature de l’homme‹, 39–44. 16   Zu deren Identität vgl. auch Jouanna  /  Magdelaine, Hippocrate, 788 f. 17   Ps.-Hippocrates, De vetere medicina 20, 3–6 (CMG 1, 1, p.  51, 18–52, 14 Heiberg). Inhaltsübersicht und philosophische Parallelen bei Oser-Grote, Medizinische Schriftsteller, 462–465. Zur Zielsetzung prägnant Stückelberger, Hippokrates, 86. 18   Ps.-Hippocrates, De vetere medicina 1–7 (CMG 1, 1, p.  36, 2–40, 23 Heiberg). Vgl. zum Verständnis von τέχνη im Corpus Hippocraticum H. Wilms, Techne und Paideia bei Xenophon und Isokrates, Stuttgart  /  Leipzig 1995, 47–93. 19   Vgl. M. J. Schiefsky, in: Hippocrates, ›On Ancient Medicine‹. Translated with Introduction and Commentary by M. J. Schiefsky, Leiden  /  Boston 2005, 67–70.

126

Die Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern in der ­hippokratischen Medizin

einem Sophisten oder Arzt über die Natur gesagt oder geschrieben wurde, weniger der ärztlichen Fertigkeit zugehört als der Schreibkunst«.20

Dieser Text ist mit großer Wahrscheinlichkeit der zeitlich früheste Beleg für das Substantiv ›Philosophie‹, weil ›Über die alte Medizin‹ mit guten Argumenten ins späte fünfte Jahrhundert, also wohl früher als die ersten Schriften des Platon, Alkidamas und Isokrates, datiert werden kann.21 Bemerkenswert ist ferner die Verbindung des Wortes ›Philosophie‹ mit dem theoretischen Wirken des Empedokles. Doch auch für eine weitere Einordnung dieser Terminologie gibt der Text sehr aufschlussreiche Hinweise: Interessant ist zunächst, dass hier ›Sophisten‹ neben den Ärzten genannt werden, ohne dass das Wort die von Platon, z. B. aus dem ›Protagoras‹, bekannte Konnotation hätte, dass es sich bei den Sophisten um poli­ tische Lehrer handelt.22 Wenn die Inhalte des Unterrichts der ›Sophisten‹ mit der hier gemeinten ›Philosophie‹ zu identifizieren sind, entspricht das aber durchaus der in Athen üblichen Terminologie der Zeit.23 Jedoch haben beide Begriffe hier eine naturphilosophische Konnotation, die insbesondere durch den Namen Empedokles verdeutlicht wird: Der Autor wendet sich gegen Kollegen, die durch Berufung auf vorsokratische Theorien einen übergreifenden wissenschaftlichen Anspruch erheben:24 »Ich meine, diese Untersuchung: exakt zu wissen, was der Mensch ist und durch welche Ursache er entsteht, usw.«25 – was er selbst letzten Endes für unmöglich hält. Wenn der Autor diese Tätigkeit ferner als ›Schreib­ kunst‹ (γραφική) bezeichnet, verleiht er einmal mehr seiner kritischen Haltung Ausdruck, dass derartige theoretische Ansätze für die angewandte Medizin nicht relevant seien.26 Dieser negative Bezug auf Schriftlichkeit weist darauf hin, dass

20

  Λέγουσι δέ τινες καὶ ἰητροὶ καὶ σοφισταὶ ὡς οὐκ ἔνι δυνατὸν ἰητρικὴν εἰδέναι ὅστις μὴ οἶδεν ὅ τί ἐστιν ἄνθρωπος· ἀλλὰ τοῦτο δεῖ καταμαθεῖν τὸν μέλλοντα ὀρθῶς θεραπεύσειν τοὺς ἀνθρώπους. Τείνει δὲ αὐτέοισιν ὁ λόγος ἐς φιλοσοφίην, καθάπερ Ἐμπεδοκλῆς ἢ ἄλλοι οἳ περὶ φύσιος γεγράφασιν ἐξ ἀρχῆς ὅ τί ἐστιν ἄνθρωπος, καὶ ὅπως ἐγένετο πρῶτον καὶ ὅπως ξυνεπάγη. Ἐγὼ δὲ τουτέων μὲν ὅσα τινὶ εἴρηται σοφιστῇ ἢ ἰητρῷ, ἢ γέγραπται περὶ φύσιος, ἧσσον νομίζω τῇ ἰητρικῇ τέχνῃ προσήκειν ἢ τῇ γραφικῇ. Ps.-Hippocrates, De vetere medicina 20, 1 f. (CMG 1, 1, p.  51, 5–14 Heiberg); vgl. auch die englische Übersetzung bei Schiefsky, in: Hippocrates, ›On Ancient Medicine‹, 101 f. 21   Vgl. Schiefsky, in: Hippocrates, ›On Ancient Medicine‹, 63 f.; 300. Zur Datierung des Alkidamas, der ebenfalls in dieser Zeitspanne aktiv sein dürfte, vgl. unten S. 207. 22   Vgl. unten S. 147 f. 23   Vgl. unten S. 154–156. Zu möglichen Bezügen des Traktats zu Protagoras vgl. OserGrote, Medizinische Schriftsteller, 463 f. 24   Vgl. Longrigg, Greek Rational Medicine, 84 f.; Schiefsky, in: Hippocrates, ›On Ancient Medicine‹, 299–302. 25   Λέγω δὲ τὴν ἱστορίην ταύτην εἰδέναι ἄνθρωπος τί ἐστι, καὶ δι’ οἵας αἰτίας γίνεται, καὶ τἄλλα ἀκριβέως. Ps.-Hippocrates, De vetere medicina 20, 2 (CMG 1, 1, p.  51, 15 f. Heiberg) 26   Vgl. Schiefsky, in: Hippocrates, ›On Ancient Medicine‹, 302–314.

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Die vorsokratische Philosophie

er den Diskurs kennt, den Aristophanes’ ›Frösche‹, Alkidamas’ ›Sophistenrede‹27 und später Platons ›Phaidros‹ bezeugen: Ebenso wie sich der Sophist Alkidamas einer Verschriftlichung der praktizierten Redekunst entgegenstellt, stellt sich der Arzt, der ›Über die Alte Medizin‹ verfasst, der Verschriftlichung der praktizierten Heilkunst in den Weg.

4. Würdigung Die früheren Texte des Corpus Hippocraticum sind bedeutende Zeugnisse für die Herausbildung und Wahrnehmung der Philosophie als eigene geistige Strömung: Empedokles und Melissos werden ausdrücklich als Vertreter einer bestimmten Wissensform bzw. Disziplin benannt, welche den Anspruch hat, übergreifende Theorien ›über die Natur‹ aufzustellen, welche die Medizin zur Antwort und zur Selbstreflexion herausfordern. Die Vertreter der neuen Disziplin heißen wohl ›Sophisten‹, das, was sie tun, ist ›Philosophie‹, und sie sucht nach definitorischen Erklärungen von Phänomenen der Wirklichkeit wie dem Menschen. Deutlich erkennbar ist, dass die medizinischen Autoren in ihren Antworten ebenfalls philosophisches Niveau erreichen, ohne dass der Unterschied zu den Philosophen ­dadurch infrage gestellt würde.

27

 Zu diesem Diskurs und dem möglichen Zusammenhang dieser beiden Werke E. Heitsch, in: Platon, ›Phaidros‹. Übersetzung und Kommentar von E. Heitsch, Göttingen 1993, 193 f. Anm.  426.

128

VI. Allegorische Exegese von mythischen Texten Ein relativ spätes Phänomen in der Tradition vorsokratischen Philosophierens stellt die allegorische Exegese von Mythen im Sinne philosopischer Theorien dar. Berühmt ist aufgrund eines Neufunds im 20. Jahrhundert die Verbindung von Orphismus und Philosophie, die sich im Derveni-Papyrus zeigt, einem der ältesten materiell erhaltenen Zeugen philosophischen Denkens (4. Jahrhundert v.  Chr.).1 Hier wird ein orphisches Gedicht philosophisch, besonders mit Bezügen zu Anaxagoras und Diogenes von Apollonia, erklärt.2 Für den Philosophiebegriff relevanter ist eines der Fragmente des Herodoros aus Herakleia im Pontos, der meist, mangels konkreter Ansatzpunkte, um 400 v.  Chr. datiert wird.3 Der hier einschlägige Text ist wohl erst etwas später anzusetzen. Denn im 14. Fragment seines Werkes zur Exegese des Herakles-Mythos berichtet Herodoros, der von Herakles laut dem Mythos getötete Drache entspreche »dem vielfarbigen Gedanken der Begierde« (πολυποίκιλον τῆς ἐπιθυμίας λογισμόν), den er »durch den Stock der Philosophie« (διὰ τοῦ ῥοπάλου τῆς φιλοσοφίας) bzw. den »maßhaltenden Gedanken« (σώφρονος λογισμοῦ) getötet und so die drei Lämmer erbeutet habe, die für die Tugenden stünden, nicht zu zürnen sowie weder Geld noch Lust zu begehren. 4 Eine derartige ethische Wendung des Nomens Philosophie, in Verbindung mit mehreren anderen Worten vom selben Wortstamm in wenigen Zeilen, inklusive der bemerkenswerten textlichen Bezüge zur Seelenteilungslehre aus Platons ›Poli­teia‹,5 ist ohne Kenntnis dieses Werkes kaum denkbar.6 Insofern scheint diese Stelle weniger einen frühen Beleg für den Philosophiebegriff darzustellen als anzuzeigen, wie schnell die platonischen Werke auch auf die Tradition allegorischer Mythenauslegung einwirken, zumal wenn deren Autor direkte Beziehungen nach Athen hat. 1   Text: Poetae Epici Graeci. Testimonia et fragmenta 2, 3, Berlin  /  New York 2007, 169– 269. 2   Vgl. West, Orphic Poems, 68–115; Roessli, Orpheus, 27 f.; Laks  /  Most, Les débuts de la philosophie, 1195 f. 3   Vgl. F. Jacoby, Die Fragmente der griechischen Historiker (F Gr Hist). Erster Teil. Genealogie und Mythologie. Kommentar, Nachträge, Leiden 21957, 502; P. P. Fuentes González  /  J. Campos Daroca, Hérodore d’Héraclée, in: DPhA 3 (2000), 671–675, hier 671 f. 4   Herodorus (FGrHist 31), frg.  14. 5   Auf die Bezüge zu Plato, Respublica 9, 588c–e, weist hin B. Th. Schur, ›Von hier nach dort‹. Der Philosophiebegriff bei Platon, Göttingen 2013, 32 Anm.  35. 6   Die Tatsache, dass Herodoros’ Sohn Bryson (Aristoteles’ Historia animalium 6, 5, 563a 7; 9, 11, 615a 9 f.) um 360 v.  Chr. eine bekannte Persönlichkeit ist (R. Muller, Bryson d’Héraclée, in: DPhA 2 [1994], 142 f.), schließt keineswegs aus, dass sein Vater nach 374 oder 370 v.  Chr., wenn Platons ›Politeia‹ wahrscheinlich vorliegt (vgl. G. Leroux, Platon – République, in: DPhA 5a [2012], 789–814, hier 789–791), noch literarisch aktiv ist. Das Problem, das in den Übersichtsartikeln zu Herodoros, soweit ich sehe, nicht angesprochen wird, verdient allerdings eine genauere Betrachtung.

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VII. Fazit: Die Grundlegung von Formen und Themen antiker Philosophie bei den Vorsokratikern

1. Allgemeines Die Durchsicht durch die Vorsokratiker und ihr Umfeld lässt die gewaltigen Leistungen erkennen, die binnen 200 Jahren aus bescheidenen Anfängen erwachsen: Zeigen die ersten Ansätze zur antiken Philosophie bei Hesiod, Pherekydes und auch Thales noch eine große Nähe zu orientalischen und griechischen Mythen, die genealogisch erklärt bzw. als rationale Einsicht gedeutet werden, so kennt die Zeit um 430 bereits einen weitgespannten wissenschaftlichen Austausch, in dessen Rahmen die Philosophierenden bzw. Naturphilosophen, als Autoren von Schriften ›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως), als eine eigene Richtung geistiger Tätigkeit wahrgenommen werden, die sich von Medizinern sowie Mathematikern, Rhetoriklehrern, Historikern u. a. unterscheiden und sich von ihnen abgrenzen. Zugleich ist die Reichweite philosophischer Themen weit über eine allgemeine Natur­ beschreibung hinausgetreten und schließt Kulturentstehungstheorien ebenso ein wie ethische Lehren und eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Religion. Inhaltlich tritt seit Parmenides die Betrachtung des Seienden als solchen an die Stelle der Betrachtung reiner Naturphänomene, wobei die Leistungen der späteren Vorsokratiker wie Anaxagoras, Empedokles und Demokrit bereits als komplexe Versuche der Vermittlung von ionischer Naturphilosophie und eleatischer Seinsspekulation zu werten sind. Weniger entwickelt erscheint die Philosophie auf institutioneller Ebene: Nicht nur die ersten Vorsokratiker erscheinen als große Einzelgestalten, deren gegenseitige Abhängigkeit sich kaum mehr feststellen lässt. Sondern auch im 5. Jahrhundert wirken Anaxagoras und Demokrit eher durch Vorträge oder einen Unterricht an einzelne Schüler, als dass sie organisierte Schulen gründen würden – so wie im Übrigen auch die gleichzeitigen Sophisten. Eine Ausnahme bilden wohl allein die Pythagoreer, die frühzeitig organisierte Gemeinschaften gründen, die sich aus primär politischen bzw. religiösen Vereinen hin zu philosophischen Lehrzirkeln mit relativ fester Zugehörigkeit entwickeln, wie es zu Platons Zeit für Archytas in Tarent und Philolaos in Theben wahrscheinlich ist. In ihnen entwickeln sich Formen philosophischer Lebensgestaltung wie die abendliche Gewissensprüfung, die ursprünglich mit der Vorbereitung auf die Wanderung der Seele zu tun haben könnten.

130

Fazit

2. Philosophiebegriff Mit der erst allmählichen Abgrenzung der Philosophierenden von den Angehörigen anderer Disziplinen bzw. Fertigkeiten (τέχναι) geht eine Unklarheit der Begrifflichkeit einher. Die später für die vorsokratischen Denker typische Bezeichnung ›Naturphilosophen‹ (φυσικοί) bzw. Schriftsteller ›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως) ist erst um die Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts für Anaxagoras, Zenon und Diogenes von Apollonia gut bezeugt und vorher auch als Titel vorsokratischer Schriften durchaus unsicher. Sie kann insofern wohl auch selbst als Resultat einer zunehmenden Konstituierung der Naturphilosophie als eigener Disziplin gelten. Diesem Zweck genügen offenbar zwei andere Begriffe nicht, die ebenfalls bereits früh in entsprechenden Texten auftauchen: Das ist zum einen der Begriff der (sinnlichen) ›Untersuchung‹ bzw. des ›Wissens‹, das als Historie (ἱστορίη) bezeichnet wird: Obwohl er offenbar bei Vorsokratikern Verwendung findet, namentlich bei Pythagoras und Heraklit, wird er doch auch für andere Erkenntnisbemühungen verwandt, namentlich im Corpus Hippocraticum für die Medizin und bei Herodot für die Geschichtsschreibung. Zum anderen verbinden die Vor­sokra­ tiker bereits früh ihr Bemühen mit dem Begriff der ›Weisheit‹ (σοφίη), der sich erstmals zur Selbstbezeichnung bei Xenophanes findet und auch von Empedokles, Heraklit und Demokrit entweder als eigenes oder als überhaupt erstrebenswertes Ziel benannt wird. Freilich entsprechen sich ›Weisheit‹ als Profession und ›Weisheit‹ als Lebensideal nur bedingt, doch dient die Idealisierung des Begriffs auch zur sozialen Aufwertung der eigenen Tätigkeit. Das gilt umso mehr, als in der zeitgenössischen Terminologie keineswegs nur oder auch nur in erster Linie die vorsokratischen Denker als ›Weise‹ bezeichnet werden bzw. ihnen ›Weisheit‹ zugeschrieben wird. Vielmehr weist der Terminus allgemeiner auf eine hohe geistige und praktische Kompetenz namentlich der ›sieben Weisen‹ hin, von denen Solon wohl der bekannteste ist. Immerhin scheint die abgeleitete Form ›Sophist‹ bei Herodot und in ›Über die alte Medizin‹ relativ spezifisch für eine bestimmte Form der Wahrheitssuche verwandt zu werden, welche der Arbeit der Vorsokratiker recht nahesteht oder sogar mit ihr zu identifizieren ist. Daneben sind der Begriff ›Philosophie‹ bzw. entsprechende Verb- und Adjektivformen in vorsokratischer Zeit durchaus bereits bekannt. Entsprechende Belege des Verbs ›philosophieren‹ finden sich bei Herodot, eben mit Bezug auf Solon, und Thukydides. Der Traktat ›Über die Alte Medizin‹ belegt wahrscheinlich als frühester Text das Substantiv ›Philosophie‹ (φιλοσοφίη). Während diese – allerdings nicht sicher datierbare – Schrift die Abgrenzung der ›Philosophie‹, als deren Repräsentant Empedokles gilt, von der Medizin belegt, zeigt insbesondere das Zeugnis des Herodot bemerkenswerte Berührungen mit der platonischen Definition von Philosophie, wenn über Thales, der »wegen seiner Weisheit« bewundert wird, gesagt wird, er »philosophiere« »wegen der Betrachtung« (θεωρίη): Hier ist offensichtlich das Philosophieren bereits auf eine Form von Erkenntnis 131

Die vorsokratische Philosophie

gerichtet, die nicht mit ihm selbst identisch ist. Dazu passen die für vorsokratische Denker überlieferten Formen des Adjektivs bzw. Substantivs ›philosophos‹: Nach Heraklit müssen »philosophische Männer Untersucher« (ἱστορας) von sehr vielem sein, wobei der breitere Kontext seines Werks durchaus die (richtig verstandene) ›Weisheit‹ bzw. das ›eine Weise‹ als Ziel dieser Untersuchung erscheinen lässt. Der von Herakleides Pontikos überlieferte Bericht über Pythagoras, dieser habe sich einen ›Philosophen‹ in dem Sinn genannt, dass er sich zweckfrei der Betrachtung der Dinge (contemplatio rerum) selbst widme, steht terminologisch Herodots ›Betrachtung‹ nahe, berührt sich aber auch mit Heraklits Absicht, das Ganze in den Blick zu nehmen. Gerade dieses Netzwerk von Texten deutet also darauf hin, dass der Begriff des Philosophen in den Kreisen der Vorsokratiker seinen Ursprung nimmt, ohne sich in vorsokratischer Zeit als distinktive Bezeichnung dieser Gruppe durchzusetzen, zumal in frühklassischer Zeit, wohl infolge der Verbindungen zwischen Vorsokratikern und Sophisten, ein weiterer Gebrauch des Wortstamms belegt ist.1

3. Das Verhältnis der Philosophie zu Mythos und Religion Das Verhältnis des frühen philosophischen Denkens zur Religion ist schon deswegen komplex, weil seine Anfänge allenfalls als eine Rationalisierung religiös-mythischer Vorstellungen gelten können. Das bedeutet zunächst einmal, dass die Art und Weise der Darstellung sich ändert, insofern an die Stelle einer mythischen Erzählung eine begrifflich-abstrakte Darlegung und Argumentation tritt. Aber auch darüber hinaus ist das frühe griechische Denken sowohl implizit als auch explizit in vielen Hinsichten eine Philosophie der Religion: Implizit deswegen, weil sich die typisch frühgriechischen Überlegungen zum Ursprung der Natur oder zum Sein an sich hinter den sichtbaren Dingen mit Größen beschäftigen, die religiös konnotiert sind, weswegen Thales »alles voller Götter« nennt. Aber auch explizit ist die Religion im vorsokratischen Denken präsent, wenn z. B. Empedokles und Parmenides ihre Lehrgedichte mit Schilderungen der Begegnung mit einer Göttin oder einer Muse beginnen und wenn immer wieder der göttliche Charakter der Wirklichkeit durchscheint, der verstanden werden muss. In diesem Sinne sind die Kritiken von Xenophanes, Empedokles und Heraklit an den Anthropomorphismen der faktischen Religion auch eine Ermahnung aus dem Blickwinkel einer, nun richtig verstandenen, Religiosität. Erst die atomistische Naturphilosophie eines Leukipp und Demokrit sieht sich, wenn sie eine Welt aus kleinsten Atomen und dem Leeren beschreibt, genötigt, über die Rolle der Götter in diesem Kosmos separat nachzudenken2 – und eröffnet so die Kette von Versuchen, dieses Verhält1

  Vgl. unten S. 154–156.   Ich folge in diesem Gedanken Broadie, Rationale Theologie.

2

132

Fazit

nis immer wieder neu zu bestimmen, die seitdem nicht mehr abreißen wird –, ohne dass im griechischen Denken generell der religiöse und mythische Charakter des philosophischen Denkens je ganz verschwinden würde, wie die Beispiele Platons, der Stoiker und der Platoniker zeigen.

4. Philosophie und Politik Die Verbindung der Philosophie zur Politik reicht ebenfalls bereits bis in die frühgriechische Zeit zurück: Während allerdings für viele Vorsokratiker wie Thales und Heraklit eine Aktivität im politischen Bereich mehr oder weniger natürlich aus ihrer sozialen Stellung zu erwachsen scheint, beginnt offenbar mit den Pythagoreern der Versuch, die Politik als eine Gruppe zu gestalten, die durch gemeinsame Prinzipien verbunden ist. Eine solche Aktivität, die auch für Empedokles als Einzelperson bezeugt ist und die sich noch in Archytas’ Regentschaft in Tarent fortsetzt, kann jedoch noch nicht als Versuch betrachtet werden, politisch-philosophische Prinzipien in die Praxis umzusetzen, denn eine politische Philosophie bildet sich offenbar erst langsam heraus und ist in ihren Konturen nur schwer zu ermitteln. Immerhin entwickeln z. B. Heraklit, Empedokles und Demokrit einige Überlegungen zu guter Politik. Das bedeutendste Modell für die Zukunft zeigt sich aber wohl in Anaxagoras’ Freundschaft mit Perikles, in der sich vielleicht das erste Mal ein Philosoph als vertrauter Berater in der Nähe eines Regenten etabliert.

5. Philosophie und Wissenschaft Die vorsokratische Zeit sieht eine gemeinsame Entstehung des philosophischen Denkens und anderer Fachgebiete, in dem Geometrie und Astronomie offensichtlich bereits von frühen Denkern wie Thales und Pythagoras betrieben werden, während Alkmaion Grundlagen der theoretischen Medizin legt. Noch Herodots Konzept der Geschichtsschreibung und die frühe hippokratische Medizin zeigen starke Einflüsse von bzw. Parallelen zu vorsokratischem Denken, doch zeigt sich bei beiden auch bereits ein starkes Bewusstsein ihrer intellektuellen Eigenständigkeit. Für Herodot erklärt sich dies ganz natürlich daraus, dass auf dem Gebiet der Geographie und Geschichtsschreibung bereits mit Hekataios und anderen parallel zur vorsokratischen Philosophie eine spezifische Entwicklung begonnen hat, während die frühen Mediziner ihre fachliche Selbständigkeit auch im Vergleich zur Naturphilosophie erst entwickeln müssen. Letztlich zeigt sich das vorsokratische Denken insofern als ein wesentlicher Teil der Herausbildung einer frühgrie133

Die vorsokratische Philosophie

chischen Rationalitätskultur, aber keineswegs als ihr einziger Strang – weswegen spätestens mit dem Wirken der Sophisten in Athen intensive Diskussionen über das Verhältnis der Wissensbereiche zueinander einsetzen.

PRAK TISCHE HINWEISE Texte und Übersetzungen praktisch aller bekannten Vorsokratikerfragmente sind seit mehr als einem Jahrhundert in den »Fragmenten der Vorsokratiker« von Hermann Diels und Walther Kranz verfügbar, nach der nach wie vor im Regelfall zitiert wird (Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch, von Hermann Diels. Achte Auflage herausgegeben von W. Kranz, Bd.  1–3, Berlin 1956). Sie enthält auch die Fragmente und Berichte über die Sophisten sowie die frühgriechische Dichtung und kann nach wie vor als Arbeitsgrundlage benutzt werden. An den Stellen, wo es bedeutende Neufunde gibt, ist für den deutschen Leser vor allem die ursprünglich von Jaap Mansfeld besorgte Reclam-Ausgabe nützlich, die jüngst, unter Mitarbeit von Oliver Primavesi, in einer noch einmal erweiterten Neuauflage erschienen ist und über empfehlenswerte Einführungen zu den einzelnen Denkern verfügt (Die Vorsokratiker. Griechisch – Deutsch. Ausgewählt, übersetzt und erläutert von J. Mansfeld  /  O. Primavesi, Stuttgart 2021). Sie enthält freilich nur die vorsokratischen Naturphilosophen und auch nur eine gute Auswahl der Texte, die allerdings völlig ausreichend ist, wenn man keine Spezialstudien betreiben will. Auf internationaler Ebene stellt hingegen, sieht man von Zitierkonventionen ab, die Ausgabe von Glenn W. Most und André Laks, die parallel auf Englisch und Französisch (A. Laks  /  G. W. Most, Early Greek Philosophy, Bd.  1–9, Cambridge (Mass.)  /  London 2016; A. Laks  /  G. W. Most, Les débuts de la philosophie. Édition et traduction, Paris 22016) vorliegt, eine neue Referenzausgabe dar. Sie ist bei problematischen oder unklar überlieferten, weniger wichtigen Figuren weniger vollständig als Diels  /  Kranz, verfügt aber über einen nützlichen hinführenden Teil, der auch einen Einblick in die doxographische Tradition gibt und somit den Wert der überlieferten Nachrichten und Fragmente über die Vor­sokra­tiker einzuschätzen hilft. Diese Forschung macht gegenwärtig methodisch beträchtliche Fortschritte, die freilich nur einen begrenzten Effekt auf den Wortlaut und die Einschätzung der überlieferten Fragmente haben. Das betrifft besonders die Behandlung der aetianischen Doxographie mit neuer Edition bei J. Mansfeld  /  D. T. Runia, A ­ ëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer 1–5, Leiden u. a. 1997–2020.

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B. Die klassische Epoche Die Herausbildung des Philosophie-Konzepts in Athen ab 400 v.  Chr.

I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung

1. Charakterisierungen der klassischen Epoche Die klassische Epoche hat für die Philosophie und ihre Geschichte, wie für viele andere Disziplinen, besondere Bedeutung. Das allgemein bekannte Narrativ, das sich im Laufe der Zeit durchgesetzt hat, kann man folgendermaßen zusammenfassen: Im Athen des 5./4. Jahrhunderts v.  Chr. wendet sich zunächst Sokrates gegen die relativistisch argumentierenden Sophisten, die auf verschiedenen Gebieten umfassende Lehrkompetenz für sich beanspruchen und für ihren Unterricht Geld nehmen. Auf der Grundlage seiner Annahme, Tugend und Wissen seien notwendigerweise verbunden, formuliert sein Schüler Platon das Ideal der Philosophie als einer Suche nach Weisheit, welche ihre Vollendung in der Schau der Wahrheit, wie sie in den ewigen Ideen besteht, und einem entsprechend guten und gerechten Handeln findet. Er und sein kritischer Schüler Aristoteles entwickeln bis zu dessen Tod 322 v.  Chr. die beiden großen Ansätze, welche die Philosophie bis heute prägen, vor allem mit ihrem Unterschied zwischen einer rationalen Ideenerkenntnis und einer empirischen Erkenntnis durch Wahrnehmung. Diese Erzählung scheint inzwischen so selbstverständlich zu sein – und die Werke des Platon und Aristoteles inhaltlich so unerschöpflich –, dass in neueren Darstellungen kaum je gemeinsame Merkmale der ›klassischen Zeit‹ als eigener Epoche im Vergleich zu früheren und späteren Epochen herausgearbeitet werden.1 Ebenso selten sind Versuche, ihre philosophischen Gedanken und die Auseinandersetzungen mit ihren Zeitgenossen vor einem breiteren historischen Hintergrund darzulegen. Das führt dazu, dass die Fortschritte, welche die Forschung gegenüber den Darstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts erreicht hat, nur selten überblickshaft reflektiert werden. Um eine Zusammenführung der verschiedenen Dimensionen zu versuchen, in denen sich die Philosophie in der klassischen Zeit herausbildet, lohnt es sich daher, zunächst einige der älteren Darstellungen ins Gedächtnis zu rufen, welche sich im Ganzen mit den Besonderheiten dieser Zeit auseinandergesetzt haben: Bei Hegel werden die hier der ›klassischen Epoche‹ zugeordneten Denker im zweiten Abschnitt des zweiten Teils seiner Vorlesung ›Philosophie der Griechen‹ 1

  So unternimmt etwa der neue ›Ueberweg‹ (GGPh), der die Klassische Epoche auf drei Bände verteilt, keinen Versuch einer Gesamtcharakterisierung, und auch im von Andreas Graeser besorgten zweiten Band von Röd’s Geschichte der Philosophie werden die Besonderheiten der Epoche nicht diskutiert (vgl. lediglich A. Graeser, Die Philosophie der Antike. Sophistik und Sokratik, Platon und Aristoteles, München 21993, 2, 13–19).

137

Die klassische Epoche

behandelt. Ihren Beitrag zur Entwicklung der Philosophie charakterisiert er als weiteren Schritt in der Entwicklung des Denkens: Nachdem die vorsokratische Philosophie das »Denken« als bloße »Tätigkeit« eingeführt habe, gewinne dieses nun ein »Bewußtsein« seiner selbst in seiner »Subjektivität« und suche nach seinem Inhalt, den es sowohl in sich selbst als dem »Setzenden« der Denkinhalte als auch in der gedachten »Idee« finde.2 In der klassischen Epoche findet also Hegel zufolge erstmals ein bewusstes Selbstdenken des Subjekts statt, indem es sich von seinem Objekt unterscheidet. Zeller fügt dieser Deutung in seiner eigenen ›Philosophie der Griechen‹ vor allem hinzu, dass die Philosophie sich nun, vorbereitet durch die Sophisten (mit denen bei ihm die vorsokratische Epoche schließt), »von der physikalischen Forschung« abkehre und der »ethischen und dialektischen« zuwende.3 Diese aus der antiken Doxographie übernommene Einteilung4 interpretiert er, im Anschluss an Hegel, als eine »Selbstbetrachtung«, durch die über den Begriff der Geist, nicht die Natur als solche erkannt werde.5 Im Unterschied zur folgenden »nacharistotelischen« Zeit trete aber die Ethik noch nicht so in den Vordergrund, dass es der Philosophie ganz um das Subjekt gehe, sondern das begriffliche Wissen als solches stehe im Mittelpunkt, womit sich eine besonders ausgewogene Situation er­gebe.6 In einem markanten Bild – das an die stoischen Metaphern für die Teile der Philosophie anschließt – beschreibt Zeller schließlich den Dreischritt der großen Vertreter der Epoche: »Sokrates […] ist der schwellende Keim, Plato die reiche Blüthe, Aristoteles die gereifte Frucht der griechischen Philosophie auf dem Höhe­punkt ihrer Entwicklung«.7 Auch Karl Praechter, bei dem die Periode »attische Philosophie« heißt, nähert sich ihr in seiner Bearbeitung des ›Ueberweg‹ mit den Kategorien des 19. Jahrhunderts: Er findet bereits bei den Sophisten »Erkenntnistheorie und Ethik«, deren Skeptizismus Sokrates einen »Dogmatismus« entgegensetze, der bei Platon und Aristoteles zu »Systemen« ausgebaut werde, die auch wieder die Naturphilosophie und andere Gebiete berücksichtigten.8 Eher schlecht weg kommen bei ihm wie bei seinem Vorgänger die übrigen Sokrates-Schüler, welche bei Zeller »unvollkommene« und bei Praechter »die konservativen und die einseitigen Sokra­ tiker« heißen.9

2

  G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 2. Griechische Philosophie. I. Thales bis Kyniker, Hamburg 1989 [1825/26], 109 f. 3   Vgl. E. Zeller, Philosophie der Griechen 2, 1, Leipzig 31875, 32 (= 61919, 34). 4   Vgl. unten S. 329. 5   Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen 2, 1, 35 (= 61919, 37). 6   Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen 2, 1, 37 (= 61919, 38 f.). 7   Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen 2, 1, 37–39, Zitat 39 (= 61919, 40–42, Zitat 42). 8   Vgl. K. Praechter, Die Philosophie des Altertums, Berlin 121926, 37 f.; 125. 9   Zeller, Philosophie der Griechen 2, 1, V; 39–41 (= 61919, V; 42 f.); Praechter, Die Philosophie des Altertums, 125, 163.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung

Gegenüber solchen sehr abstrakten Charakterisierungen betont die neuere Forschung in verschiedener Hinsicht, dass sich die antike Philosophie in der klassischen Epoche vor einem bestimmten historischen Hintergrund konstituiert habe: So weist Pierre Hadot darauf hin, dass sich der Begriff ›Philosophie‹ und die verwandten Worte im Athen des 5. Jahrhunderts v.  Chr. unter den Bedingungen der Demokratie durchsetzen.10 Michel Foucault bezeichnet dies als »die große platonische Grenzziehung« (le grand partage platonicien) zwischen der vorklassischen und der klassischen Zeit. Sie bringe einen Diskurs über das Wahre und das Falsche hervor, der sich so von anderen Diskursen unterscheide, dass eine erfolgreiche Teilnahme nicht mehr an den gesellschaftlichen Erfolg oder Nutzen einer bestimmten Rede, sondern an die Richtigkeit der Satzinhalte als solcher gebunden sei.11 Diese Formulierung wird von der Historikerin Katarina Nebelin auf die Abgrenzung Platons von der Sophistik und Rhetorik enggeführt und als Bildung ­eines »autonomen Feldes« der Philosophie charakterisiert: Dieses bewirke in ­einer »offensiv betriebenen Abwendung von der gesellschaftlichen Wirklichkeit« einen »Rassismus der Intelligenz« durch Abwertung ihrer (sophistischen und rhetorischen) Gegner.12 Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive wird hingegen die Rolle von Platon und Aristoteles positiv bewertet, wenn Jürgen Mittelstraß ihre Leistungen anhand der Begriffe »Konstruktion« und »Rekonstruktion« darstellt.13 Dagegen betont z. B. Helmut Meinhardt weiterhin die Rolle des Sokrates als eigentlichem Anfangspunkt der klassischen Philosophie, die durch eine »Selbstkontrolle der Rationalität« gekennzeichnet sei: Sie beginne in der Auseinandersetzung mit den Sophisten, die Abgrenzung richtiger von falschen Aussagen mit logischen Mitteln aufzuzeigen, Platon verhelfe diesem Philosophieverständnis literarisch zum Durchbruch und Aristoteles »formuliert jene formalen Regeln, mit deren Hilfe sich die innere Schlüssigkeit eines ›Logos‹ überprüfen lässt«.14 Derartige, hier nur in Auswahl andeutbare Narrative zeigen vor allem, dass eine zeitgemäße Darstellung der klassischen Epoche mehrere Dimensionen im Blick behalten muss, um die innere Dynamik der Herausbildung der Philosophie als eigener Disziplin beschreiben zu können: Diese ist sowohl in die Diskus­ sions- und Identitätsbildungsprozesse der demokratischen Polis Athen und anderer Orte einzuordnen als auch vor dem Hintergrund der Konsolidierung einer wissenschaftlichen Weltsicht zu einem Zeitpunkt zu betrachten, als sich in deren Rahmen verschiedene Ansätze und Teilgebiete, unter denen Rhetorik, Mathe10

  P. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, Paris 1996, 35–39.   Vgl. M. Foucault, L’ordre du discours. Leçon inaugurale au collège de France, prononcée le 2 décmbre 1970, Paris 1971, 17–19; K. Nebelin, Philosophie und Aristokratie. Die Autonomisierung der Philosophie von den Vorsokratikern bis Platon, Stuttgart 2016, 312. 12   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 312–315, 346, 357–364. 13   Vgl. J. Mittelstraß, Die griechische Denkform. Von der Entstehung der Philosophie aus dem Geiste der Geometrie, Berlin  /  Boston 2014, 30–43. 14   Vgl. H. Meinhardt, in: Platon, ›Der Sophist‹. Griechisch – Deutsch. Einleitung, Übersetzung und Kommentar von H. Meinhardt, Stuttgart 1990, 6–10. 11

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Die klassische Epoche

matik und Medizin besonders zu erwähnen sind, deutlicher herausbilden. Alle diese Aspekte bilden den Rahmen für die Auseinandersetzungen um den Begriff der ›philosophia‹, die insbesondere Platon und Isokrates vor dem Hintergrund des sokratischen und sophistischen Erbes bewusst führen, bevor Aristoteles und die Alte Akademie langfristig wirksame Differenzierungen einbringen. Das Bewusstsein für die damit verbundene Abgrenzung der ›Philosophen‹ von anderen gesellschaftlichen Gruppen darf dabei den inhaltlichen Anspruch und die theoretische wie auch literarische Qualität der Entwürfe eines Sokrates, Platon und Aristoteles nicht aus den Augen verlieren lassen: Letztlich sind es diese Faktoren, welche bereits den Respekt der Zeitgenossen einfordern und somit die Grund­ lagen für den Wissenschaftsbetrieb und für die philosophische Selbstreflexion von Individuen und ganzen Gesellschaften legen, die bis heute das menschliche Leben in wesentlicher Weise mit prägen.

2. Zusammenfassende Charakteristika der Philosophie der klassischen Zeit. Ein Vorschlag Um diese Vielschichtigkeit herausarbeiten zu können, möchte ich zunächst einige Charakteristika vorstellen, die mir typisch für die klassische Zeit zu sein scheinen, wie sich im folgenden Durchgang weiter verdeutlichen wird: 1. Das klassische Denken ist eine ›attische Philosophie‹15, insofern es sich vor dem Hintergrund der Konflikte der demokratischen Polis ergibt: a) Das zeigt sich zunächst auf personaler Ebene, weil die klassische Philosophie sich aus der kritischen Auseinandersetzung von Athener Bürgern wie Sokrates, Platon und Isokrates mit den sophistischen Bildungsidealen entwickelt, bevor sie sich unter deren Schülern Speusipp und Aristoteles weiterhin in Athen fortsetzt. Somit entwickelt sich die Stadt, die zu Beginn der Epoche vor allem dank ihres Wohlstands auswärtige Sophisten als Lehrer und Gesprächspartner anzieht, tatsächlich zur »Ratsversammlung der Weisheit Griechenlands« (τῆς Ἑλλάδος τὸ πρυτανεῖον τῆς σοφίας).16 b) Ferner zeigt es sich auf inhaltlicher Ebene: Die philosophische Debatte kreist um die spezifischen Lernbedürfnisse der demokratischen Polis und den angemessenen philosophischen Umgang mit ihnen. Diese Bedürfnisse richten sich insbesondere auf Fähigkeiten des politischen Umgangs, für die im kompetitiven Kontext der Demokratie eine innerfamiliäre Weitergabe nicht mehr auszureichen scheint, so dass sich ein Betätigungsfeld für professionelle Lehrer wie die Sophisten ergibt.17 Hierzu gehören vor allem a) die 15

  So die Bezeichnung bei Praechter, Die Philosophie des Altertums, 125.   Plato, Protagoras 337d. 17   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 201–206. 16

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung

überzeugende öffentliche Rede und b) eine allgemeinere Fähigkeit, (wahrnehmbar) gut politisch agieren zu können. Diese wird in der Diktion der Zeit vor allem mit dem Wort Tugend (ἀρετή) bezeichnet. 2. Diese Situation führt zu zwei sich ergänzenden charakteristischen Schwerpunkten der klassischen Philosophie: a) Entsprechend den Bedürfnissen der Polis und ihrer Bewohner gewinnt die Beschäftigung mit Grundfragen der Ethik an Bedeutung, welche bereits zu Beginn der Epoche (Archelaos) neben die Naturphilosophie tritt und für Sokrates charakteristisch wird. Dieses Interesse richtet sich einerseits auf die Frage nach der Lernbarkeit der Tugend, welche sich mit dem Problem des Verhältnisses von Tugend und Wissen verbindet. Andererseits wird diskutiert, ob ein tugendhaftes Verhalten ausschließlich für die jeweils handelnde Person, für deren Gemeinschaft oder in einem universalen Sinn gut sein soll. Dieses Problem verbindet sich mit der Diskussion um die sophistische Unterscheidung zwischen einer natürlichen (φύσει) oder konventionellen (νόμῳ) Geltung der Gesetze. Dadurch erreicht die Debatte eine Komplexität, die zu einer allmählichen Trennung der philosophischen Reflexion über Politik vom politischen Handeln als solchem führt. b) Als weiterer inhaltlicher Schwerpunkt schält sich vor diesem Hintergrund die Erkenntnistheorie heraus, die aus der Frage resultiert, ob es ein Wissen über richtiges und falsches Handeln geben kann. Diese Frage erweitert sich zu der nach den Bedingungen und der Begründung von Wissen überhaupt und führt in den Formen der platonischen Dialektik und der aristotelischen Logik zu grun­dlegenden Programmen des Erwerbs und der Darstellung gesicherten Wissens. 3. In der Konsequenz wird eine methodisch begründete Integration verschiedener Wissensbereiche von der Naturphilosophie über die Mathematik bis hin zur Metaphysik in ein strukturiertes Gesamtbild der philosophischen Wissenschaften möglich. Auf diese Weise behandeln Platon und Aristoteles auch die Hauptthemen der vorsokratischen Philosophie, sodann die teils von den Sophisten bereits erörterten18 Sprach- und Kulturwissenschaften sowie die Geschichten der einzelnen (Wissenschafts-)Disziplinen. Spätestens an diesem Punkt zeigt sich eine Eigendynamik der philosophischen Entwicklung, welche nicht direkt aus politischen Problemen abzuleiten ist. 4. Kontrovers bleibt in der klassischen Epoche das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft zur Religion: Während einerseits zu Beginn der Epoche Prozesse wegen Religionsfrevels (Asebie) eine zunehmende Gefahr für die Philosophierenden werden, trägt andererseits deren Wirken auch religiöse Züge, wie sich am ›Daimonion‹ des Sokrates, den Mythen Platons und Aristoteles’ Ideal einer göttlichen Aktivität beispielhaft zeigt. Die Prägung des Begriffs ›Theologie‹, der sich zunächst auf die dichterische Beschreibung von Mythen bezieht, 18

  Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 208–212.

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Die klassische Epoche

weist ebenfalls auf den Anspruch einer philosophisch-rationalen Würdigung religiöser Phänomene hin. 5. Die Identität der Philosophierenden bildet sich in einer voranschreitenden Klärung der Bedeutung von ›Philosophie‹ ab: a) Meint dieses Wort zu Beginn der Epoche ein Ideal aller Athener Bürger, bedeutet es an deren Ende in erster Linie ein wissenschaftlich-methodisches Streben zur wahren Weisheit, das sich von der erfolgsorientierten Lehre der ›Sophisten‹ abheben soll. Mit dieser Begriffsbestimmung setzen sich Platon und Aristoteles gegen den Versuch des Isokrates durch, den Begriff enger an eine ethischen Grundsätzen verpflichtete Rhetorik zu binden. b) Dies führt seinerseits zu einer Professionalisierung auf diesem Feld, dessen Bezeichnung ›Rhetorik‹ erstmals bei Alkidamas erscheint. Als wichtiges Element der Elitenbildung tritt die Rhetorik in ausdrückliche Konkurrenz zur Philosophie, und es bildet sich ein Gegensatz heraus, der das geistige Leben der Antike wesentlich mitbestimmen wird. 6. Vollendet wird die Professionalisierung der Philosophie durch deren institutionelle Absicherung mittels der auf Permanenz angelegten Gründung der privat finanzierten und daher kostenlosen Schulen der Akademie und des Lykeions. Neben ihnen bestehen aber konkurrierende, freiere Angebote philosophischen Unterrichts seitens der Kyniker, Megariker und anderer weiter, welche, ebenso wie die Vorsokratiker seit Thales in historischen Rückblicken, ebenfalls zur Philosophie gerechnet werden.

3. Bemerkungen zum Forschungsstand Die klassische Periode war und ist auch in der Philosophie der Zeitraum, der die meiste Aufmerksamkeit der Forschung erfährt. Im Ganzen und im Detail kann die Epoche daher als recht gut erforscht gelten. Gerade die intensive Detailforschung der letzten Jahre zu den Werken Platons und des Aristoteles hat auch zu einem besseren Verständnis spezieller Probleme geführt, wenngleich die vieldimensionalen Werke eines Platon und Aristoteles stets aufs Neue zur Bearbeitung zentraler Fragestellungen einladen. Allerdings erfahren einige Teile der Corpora – z. B. Aristoteles’ biologische und meteorologisch-astronomische Schriften – nur eine relativ geringe Aufmerksamkeit, während die Hauptwerke und großen Linien z. T. wiederum recht umstritten sind, ohne dass sich ein ­Konsens ab­zeichnete. Wenn ein Überblick über die Epoche als ganze trotzdem nach wie vor nicht ganz leicht fällt, liegt das zunächst einmal daran, dass wichtige Stationen der geistigen Entwicklung der Zeit nur fragmentarisch oder fast gar nicht überliefert sind. Das betrifft namentlich das Werk der Sophisten, der Sokratiker abgesehen von Platon, die aristotelischen Dialoge und die Alte Akademie. Das trägt unter ande142

Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung

rem dazu bei, dass die historisch-philosophische Einordnung der Schlüsselfigur Sokrates nach wie vor schwerfällt und häufig einseitig von Platons Darstellung her erfolgt. Des Weiteren stellt die große Bandbreite von Themen und Ansätzen im Werk des Platon und Aristoteles eine Herausforderung für jeden Versuch dar, eine angemessene Beschreibung der Entwicklungslinien sowohl bei jedem Autor als auch beide übergreifend zu ziehen. Denn aufgrund des Verlustes der genannten Quellen fehlt uns ein Teil des Diskussionskontextes, vor dessen Hintergrund diese Texte ursprünglich geschrieben wurden. Schließlich ist zum eigentlichen Thema der vorliegenden Untersuchung ein unterschiedlicher Forschungsstand festzustellen: Zwar gibt es für Platon und die spärlichen Belege vor ihm einige Untersuchungen zum Begriff der Philosophie.19 Das Werk des Aristoteles wird in dieser Hinsicht jedoch weniger behandelt,20 zumal nicht unter Einbeziehung der Fragmente der exoterischen Schriften. Große Bereicherungen für das Verständnis der Entwicklung des Philosophiebegriffs sind verschiedene Studien zum Verhältnis von Platon und Isokrates sowie einige althistorische Untersuchungen der letzten Jahre, welche die Philosophen, ihre soziale Stellung, ihr Selbstverständnis und die Kritik an ihnen explizit zum Thema machen.21

4. Leitfragen der Untersuchung Insofern scheint es sinnvoll, im Folgenden die Philosophiebegriffe vor ihrem historischen und philosophischen Hintergrund näher verstehen zu wollen. Folgende Leitfragen können dabei von Nutzen sein:  – Wie entwickelt sich im Detail der Philosophiebegriff von Sokrates bis hin zu Aristoteles? Welche Entwicklungslinien lassen sich nachzeichnen?  – Wie ist das Verhältnis der Sophisten, des Sokrates und der Sokratiker zu der (natur-)philosophischen Tradition der Vorsokratiker? In welcher Weise lassen sie sich als deren Fortsetzer verstehen, was sind entscheidende Neuansätze?  – Wie genau verläuft die ›große Grenzziehung‹, durch die sich die Philosophen als eigene soziale Gruppe unter diesem Namen konstituieren? Wie verhält sich der neue Philosophiebegriff zu älteren Konzepten und welche Rolle spielen Platon, Isokrates und Aristoteles bei seiner Ausarbeitung?

19

  Vor allem M. Dixsaut, Le Naturel philosophe. Essai sur les Dialogues de Platon, P ­ aris 2016; B. Th. Schur, ›Von hier nach dort‹. Der Philosophiebegriff bei Platon, Göttingen 2013. 20   Zum Forschungsstand vgl. die angemessen lapidaren Bemerkungen von R. Hildebrandt, What is Philosophy in the ›Protrepticus‹?, in: A. P. Mesquita, S.  Noriega Olmos  / Ch.  Shields (Hrsg.), Revisiting Aristotle’s Fragments. New Essays on the Fragments of Aristotle’s Lost Works, Berlin  /  Boston 2020, 11–47, hier 12 f. 21   Z. B. J. Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose. Kritik an Philosophie und Rhetorik im klassischen Athen, Berlin  /  Boston 2014; Nebelin, Philosophie und Aristokratie. 2

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Die klassische Epoche

 – Welche Interaktionen zwischen philosophischen Ansätzen und ihrem sozialen Umfeld lassen sich beobachten? Inwieweit prägen die Fragen der Zeit die Philosophen, und wie wirken ihre Theorien auf diese zurück?  – Inwieweit lässt sich eine Eigengesetzlichkeit der philosophischen Entwicklung feststellen? Welches Verhältnis haben die neuen Philosophiebegriffe zu den groß angelegten theoretischen Ansätzen des Platon und Aristoteles? Prägen sie diese Ansätze wesentlich mit oder folgen sie ihnen eher nach? Es wird, wie auch in den übrigen Teilen, sicherlich nicht möglich sein, diese Fragen abschließend zu beantworten, aber vielleicht gelingt es, die eine oder andere Entwicklungslinie sichtbar zu machen und damit andere Forschende anzuregen.

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II. Historischer Hintergrund: Die Sophisten und ­Philosophen in der Polis Athen

1. Allgemeines zur Geschichte Athens im 5. und 4. Jahrhundert v.  Chr. Die klassische Epoche Griechenlands1 ist in der Philosophie, ebenso wie in Bezug auf Tragödie und Komödie sowie die Geschichtsschreibung, im Wesentlichen ein Athener Phänomen und lässt sich ohne einen Blick auf die Rolle der Stadt im griechischen Kulturraum sowie ihre inneren Entwicklungen nicht wirklich verstehen. Nach dem Sieg in den Perserkriegen, während derer sich unter ihrer Führung die griechischen Städte in Kleinasien, der Ägäis und einigen griechischen Gebieten zum sogenannten ›attischen Seebund‹ vereinigen, entwickelt sich Athen, namentlich unter der Führung des Perikles (ca. 461–429 v.  Chr.), zum politischen, wirtschaftlichen und auch kulturellen Zentrum Griechenlands. Das geschieht unter den Vorzeichen einer demokratischen Verfassung, die allen männlichen Vollbürgern breite Mitwirkungsmöglichkeiten, aber auch -pflichten einräumt, für welche sie bezahlt werden. Allerdings bringt diese breite Partizipation auch eine gewisse Instabilität der Athener Politik mit sich, zumal die Mitgliedschaft in den wichtigsten demokratischen Gremien – dem Rat (βουλή) und dem Volksgericht (ἡλιαία) – durch das Los zugeteilt wird, während nur wenige Ämter, wie das des Strategen (Heerführers), jährlich durch Wahl neu vergeben werden.2 Gegen Ende von Perikles’ Zeit führt schließlich der Gegensatz zur Rivalin Sparta zum Peloponnesischen Krieg (431–404), den Athen, durch die Pest ebenso eingeschränkt wie durch die Dysfunktionalität seines Systems, schließlich verliert. Sparta belässt Athen grundsätzlich seine Unabhängigkeit, setzt aber dreißig angesehene Athener Bürger als eine oligarchische Regierung ein (die sog. 30 Tyrannen), welche jedoch rasch unter demokratischen Vorzeichen wieder gestürzt wird. Die folgenden Jahrzehnte sind von kleinteiligen Auseinandersetzungen unter den Griechenstädten geprägt, die den Athenern zwar einige Teilerfolge (Gründung des 2. Attischen Seebundes 378/77 v.  Chr.), aber keinesfalls wieder die Wiederherstellung der alten Macht bringen. Zunehmend bestimmen auswärtige Könige die Politik in Griechenland, zunächst der Perserkönig Artaxerxes, dann der Ma1   Für einen historischen Überblick über den hier relevanten Zeitraum vgl. H. Bengtson, Griechische Geschichte von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit, München 51977, 151–364; spezifischer zum historischen Hintergrund der Philosophie G. C. Field, Plato and his Contemporaries. A Study in Fourth-Century Life and Thought, New York  /  London 1930, 77–131; W. Detel, in: Aristoteles, ›Analytica posteriora‹, Berlin 1995, 1, 115–140; Graeser, Die Philosophie der Antike 2, 13–17. 2   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 123–126; 199–201.

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Die klassische Epoche

kedonenherrscher Philipp II., der Athen im Jahre 346 v.  Chr. eine schwere Niederlage zufügt. Die klassische Epoche der Philosophie ist somit für Athen eine Epoche des poli­tischen und wirtschaftlichen Niedergangs, wohingegen die Bedeutung der Stadt als Vorort griechischer Bildung immer mehr zunimmt – und damit auch das Gewicht der philosophischen Reflexion. Dies geht einher mit einem fundamentalen Wechsel der literarischen Form: Die bisher vorherrschenden poetischen Formen (Tragödie, Komödie, Epos) weichen um 400 v.  Chr. weitgehend der Prosa,3 deren erster großer Meister zusammen mit den Historikern Thukydides und Herodot nicht zuletzt Platon ist. Diese literarische Form, die sich ebenso für die freie Rede wie für das kritische Fragen eignet,4 trägt zur Formung einer Demokratie bei, die auch weiterhin ein Ort der Debatte, des Wortes und der Überzeugung ist, in dem jeder Bürger der Stadt mit militärischen und politischen Tugenden ebenso wie mit freier Rede beträchtlichen Einfluss ausüben kann. Sie bildet zugleich einen Raum für den geistigen Wettstreit unter Rückbezug auf textliche Vorlagen, welcher das Entstehen von Wissenschaft erst möglich macht.5

2. Die philosophische Landschaft in Athen Das Lehrhaus Griechenlands: Das Philosophieren als Athener Bürgertugend unter Perikles Die gesellschaftliche Gruppe der Philosophierenden, die wohl in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts in den Randgebieten des griechischen Siedlungsraums bereits als solche erkennbar ist,6 erscheint offenbar erst ab Perikles’ Regierungszeit verstärkt in Athen, und zwar namentlich in Gestalt des Anaxagoras (ca. 500–428 v.  Chr.). Dieser hält sich der Überlieferung zufolge ab ca. dem zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts für 30 Jahre – nicht notwendig ohne Unterbrechungen – in Athen auf.7 Bald folgen ihm weitere Naturforscher in vorsokratischer Tradition wie Archelaos, 3   Vgl. W. Schadewaldt, Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Die Vorsokratiker und ihre Voraussetzungen. Tübinger Vorlesungen 1, Frankfurt 1978, 186. 4   Vgl. B. Snell, Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, Göttingen 1975, 24 f. 5   Vgl. Schadewaldt, Die Anfänge der Philosophie, 186; J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1997, 285–288. 6   Hierfür spricht z. B., dass Aristophanes, Nubes 180, ganz selbstverständlich eine Verbindung der von ihm mit Sokrates verbundenen Lehre zu Thales zieht, der auch bei Plato, Theaetetus 174ab, nicht minder selbstverständlich als Urahn der Philosophen gilt. Vgl. auch oben S. 129. 7   Vgl. oben S. 118 f.

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Historischer Hintergrund: Die Sophisten und ­Philosophen in der Polis Athen

Zenon von Elea und Diogenes von Apollonia sowie die große Gruppe politischer Lehrer, die sich als ›Sophisten‹ bezeichnen.8 Derartige von außen kommende Impulse treffen auf eine demokratische Bürgerschaft, die das Streben nach Bildung, ausgedrückt durch den Wortstamm ›philosophieren‹, in ihr eigenes Selbstbild aufnimmt. So bezeugt es eine Grabrede für die Gefallenen des zweiten Jahres des Peloponnesischen Krieges, die der Historiker Thukydides (ca. 460–400 v.  Chr.),9 der selbst aktiv an den Ereignissen beteiligt ist, Perikles in den Mund legt: »Wir leben in einer Staatsform, die nicht den Gesetzen der Nachbarn nachstrebt, sondern wir sind eher ein Vorbild für andere als deren Nachahmer. Ihr Name ist Demokratie, weil sie nicht auf einer Minderheit, sondern auf einer Mehrzahl der Bürger beruht. Vor dem Gesetz gilt bei persönlichen Unterschieden für alle das gleiche, gemäß dem Rang jedoch, wie sehr jemand in irgendetwas besonders angesehen ist, richtet sich im Blick auf das Allgemeine nicht nach seiner Volksklasse, sondern nach seiner Tugend wird er bevorzugt. […] In freier Weise aber handeln wir politisch im Hinblick auf die Allgemeinheit. […]   Wir lieben die Schönheit ohne den Luxus; wir lieben die Weisheit (φιλοσοφοῦμεν) ohne Verweichlichung. […] Es ist nämlich für dieselben die Fürsorge für das Häusliche und das Politische zugleich möglich. […] Dieselben beurteilen die Tatsachen und wägen sie richtig ab, da sie nicht die Worte als Schaden für die Taten ansehen, sondern lediglich, nicht mit dem Wort belehrt worden zu sein, bevor man mit einer Tat das, was erforderlich ist, angeht. […] Zusammenfassend sage ich, dass die ganze Stadt eine Lehranstalt für Griechenland ist«.10

Nach dieser Passage geht die Existenz als Bürger, zu dessen Aufgabe politisches Engagement gehört, einher mit der Bereitschaft, sich selbst in geeigneter Weise zu bilden. Dazu gehört insbesondere, sich, bevor man aktiv wird, so belehren zu lassen, dass man seine Aufgaben auch angemessen ausführen kann. Die rechte, 8   So ausdrücklich in Plato, Protagoras, 312a–c; 318d–319a. Beachte, dass nach ›Über die Alte Medizin‹ der Terminus auch auf Naturphilosophen anwendbar ist, vgl. oben S. 124–126. 9   Zu Thukydides vgl. z. B. B. Kytzler, Die Klassiker der griechischen Literatur. Die großen Autoren von Homer bis zum Hellenismus, Düsseldorf 1985, 117–121; A. Dihle, Griechische Literaturgeschichte. Von Homer bis zum Hellenismus, München 31998, 193–199. 10   Χρώμεθα γὰρ πολιτείᾳ οὐ ζηλούσῃ τοὺς τῶν πέλας νόμους, παράδειγμα δὲ μᾶλλον αὐτοὶ ὄντες τισὶν ἢ μιμούμενοι ἑτέρους. καὶ ὄνομα μὲν διὰ τὸ μὴ ἐς ὀλίγους ἀλλ᾿ ἐς πλείονας οἰκεῖν δημοκρατία κέκληται· μέτεστι δὲ κατὰ μὲν τοὺς νόμους πρὸς τὰ ἴδια διάφορα πᾶσι τὸ ἴσον, κατὰ δὲ τὴν ἀξίωσιν, ὡς ἕκαστος ἔν τῳ εὐδοκιμεῖ, οὐκ ἀπὸ μέρους τὸ πλέον ἐς τὰ κοινὰ ἢ ἀπ᾿ ἀρετῆς προτιμᾶται […]. ἐλευθέρως δὲ τά τε πρὸς τὸ κοινὸν πολιτευόμεν. […] Φιλοκαλοῦμέν τε γὰρ μετ᾿ εὐτελείας καὶ φιλοσοφοῦμεν ἄνευ μαλακίας. […] ἔνι τε τοῖς αὐτοῖς οἰκείων ἅμα καὶ πολιτικῶν ἐπιμέλεια. […] οἱ αὐτοὶ ἤτοι κρίνομέν γε ἢ ἐνθυμούμεθα ὀρθῶς τὰ πράγματα, οὐ τοὺς λόγους τοῖς ἔργοις βλάβην ἡγούμενοι, ἀλλὰ μὴ προδιδαχθῆναι μᾶλλον λόγῳ πρότερον ἢ ἐπὶ ἃ δεῖ ἔργῳ ἐλθεῖν. […] Ξυνελών τε λέγω τήν τε πᾶσαν πόλιν τῆς Ἑλλάδος παίδευσιν εἶναι. Thucydides, Historiae 2, 37; 2, 40 f. Übersetzung z. T. nach A. Horneffer, geändert.

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im Logos vermittelte Wahrheitssuche, die sich im ›Philosophieren‹ ausdrückt, wird also nicht (mehr) als ein Unternehmen weniger Naturforscher verstanden, wie es die vorsokratischen Belege nahelegen, sondern als Grundlage dafür, dass ein tugendhaftes Handeln dem freien Bürger zum gesellschaftlichen Erfolg und der Stadt zu einer guten Politik verhilft. Eine Relevanz des Philosophierens für praktische Fragen zeigt sich auch während der Machtübernahme der Athener Frauen in Aristophanes’ späten, nach 400 entstandenen ›Ekklesiazusen‹, deren Anführerin Praxagora aufgefordert wird, eine ›philosophische Sorge‹ (φιλόσοφον φρόντιδα) zu entwickeln,11 sowie in einer Rede von Sokrates’ Bekanntem, dem Rhetor ­Lysias.12 Die Möglichkeit aller, sich am eigenen Staatswesen zu beteiligen, bringt sowohl ein Bildungsideal als auch ein Bildungsbedürfnis hervor.

Sophisten, Naturforscher und Sokratiker: Strömungen philosophischer Bildung in Athen seit der Zeit des peloponnesischen Krieges Perikles’ bzw. Thukydides’ Aussage, Athen sei die Lehranstalt Griechenlands, erweist sich seit etwa der Zeit vor Beginn des Peloponnesischen Krieges zunehmend als sich selbst erfüllende Prophezeiung: Neben Anaxagoras, seinem Schüler Archelaos und wohl auch Diogenes von Apollonia13 trägt in Perikles’ unmittelbarem Umfeld auch dessen gebildete Gattin Aspasia zum Einfluss ionischer Bildung in Athen bei. Hinzu kommen offenbar Besuche anderer Denker, z. B. des Zenon von Elea und seines Lehrers Parmenides, wenn man denn Platons ›Parmenides‹ in diesem Punkt trauen will. Entscheidend ist aber in der Breite der Einfluss einer Gruppe von Lehrern, die sich offenbar selbst als ›Sophisten‹ bezeichnen.14 Sie gehen der Profession des Unterrichtens beruflich und gegen Bezahlung nach. Obwohl sie meistens von auswärts nach Athen kommen, werden bald in der öffentlichen Wahrnehmung auch Athener Bürger wie Antiphon, Kritias, der Anti­ sokratiker Polykrates15 und auch Sokrates zu ihnen gerechnet. Spätestens während der Peloponnesische Krieg für Athen zusehends katastrophal verläuft, entspinnt

11   Aristophanes, Ecclesiazousae, 571 ff. Vgl. Schur, ›Von hier nach dort‹, 31. Zum Datum der ›Ekklesiazusen‹ vgl. W. Kraus, Aristophanes 3., in: Der Kleine Pauly 1 (1979), 575–580. 12   Lysias, Oratio 24, 10. Vgl. dazu Schur, ›Von hier nach dort‹, 30 f. Zur Person des Lysias vgl. L. Brisson, Lysias, in: DPhA 4 (2005), 212 f. 13   Vgl. oben S. 113. 14   Im Folgenden wird das Wort ohne Anführungszeichen auf diese Gruppe bezogen, wenn es hingegen um das griechische Wort ›Sophist‹ geht, steht dieses in einfachen Anführungszeichen. 15   Für diese Autoren ist die Zurechnung zur Gruppe der Sophisten aus verschiedenen Gründen uneindeutig, wird aber doch oft vorgenommen: Vgl. G. B. Kerferd  /  H. Flashar, Die Sophistik, in: GGPh 2,1 (1998), 1–137, hier 69–72; 81; 88. Zu Polykrates vgl. v. a. M. Narcy, Polycrate d’Athènes, in: DPhA 5b (2012), 1246–1252.

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sich allerdings eine heftige Debatte um die Rolle derartiger Lehrer und ihrer Schüler. Aufschlussreich für die Wahrnehmung der Philosophen und Sophisten ist vor allem die Philosophentopik der Komödie: Wenn z. B. Aristophanes Sokrates sowohl seltsame Formen der Naturforschung und mathematische Studien ohne praktischen Nutzen als auch die Maxime zuschreibt, »das schwächere Wort zum stärkeren zu machen« (τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν),16 belegt dies zum einen, dass die Naturforscher und die ›Sophisten‹ in der Öffentlichkeit als eine einzige Gruppe wahrgenommen werden, wobei auch die Ersteren, ähnlich wie in ›Über die Alte Medizin‹,17 als ›Sophisten‹ bezeichnet werden. Zum anderen zeigt es, dass sowohl ihre Forschungen auf Unverständnis und z. T. Ablehnung treffen als auch ihr Unter­richt kritisch gesehen wird.18 Dass gemeinsame Interessengebiete der philosophischen und sophistischen Lehrer in der Tat bestehen, wird z. B. dadurch deutlich, dass sich Archelaos und Sokrates ebenso wie die Sophisten Gorgias und Hippias, zumindest zeitweise oder in kritischer Absicht, sowohl mit ethischen oder rhetorischen als auch mit naturphilosophisch-ontologischen Studien beschäftigen.19 Für den ambivalenten Charakter vieler Lehrerpersönlichkeiten typisch dürfte die von Aristophanes ironisch geschilderte Situation in der »Denkanstalt weiser Seelen« (ψυχῶν σοφῶν φροντιστήριον) unter der Leitung des Sokrates und Chairephon sein:20 Sie erscheint zwar als bekannter Ort der Unterweisung, ohne dass es der Lehrer Sokrates aber allzu eilig hätte, Schüler aufzunehmen oder sich mit ihren Wünschen auch nur zu befassen.21 Hier tritt ein auffälliges (und bekanntermaßen bis heute nicht überwundenes) Schwanken darüber zutage, ob eher die Wahrheitssuche bzw. Forschung als solche oder die (bezahlte) Lehre die Hauptabsicht der Mitglieder der ›Denkanstalt‹ ist. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass nicht nur die Sophisten, sondern auch ihre Kritiker, vor allem Sokrates und Isokrates, nicht wenige Anhänger haben und ihrerseits Auswärtige wie die Sokratesschüler Aristipp aus Kyrene oder Euklid aus Megara nach Athen locken. Nach Sokrates’ Tod etabliert sich die Szene der Unterrichtsstätten weiter: Während seine Schüler Antisthenes und Aristipp in Athen lehren, kehrt Euklid nach Megara zurück und begründet offenbar dort eine eigene Tradition. Eine erfolgreiche Konkurrenz für sie sind die Schulen des Alkidamas und des Isokrates, der bereits um 390 in seiner Rede ›Gegen die Sophisten‹ 16

  Aristophanes, Nubes 94–98; 112–118; 200–217.   Vgl. oben S. 124–126. 18   Dass dies sich nicht nur auf Philosophen sensu stricto bezieht, ersieht man auch aus den Fragmenten der 421 v.  Chr. entstandenen Komödie ›Schmeichler‹ (κόλακες) des Eupolis, deren Rahmen eine Quelle für die Anfangsszenerie von Platons ›Protagoras‹ darstellen könnte: Vgl. W. Nestle, Platon, ›Protagoras‹. Herausgegeben und erklärt, Stuttgart 8 1978, 50 mit Anm.  4. 19   Für Näheres vgl. die jeweiligen Absätze im Folgenden. 20   Aristophanes, Nubes 94; 104. 21   Aristophanes, Nubes 240–477. 17

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eine Rivalität von mehreren etablierten Lehrhäusern (διδασκαλεῖα) in Athen voraussetzt, deren Zahl zur Zeit seiner ›Antidosis‹ von 354–353 offenbar weiter zugenommen hat.22 Aus dem ganzen griechischen Raum, von Sizilien bis zum Schwarzen Meer (Pontos) kommen nach seiner Mitteilung Schüler nach Athen, um bei den dortigen Lehrern bzw. Sophisten zu lernen,23 und die Athener werden (jedenfalls in ihrer eigenen Wahrnehmung) zu den Lehrern ganz Griechenlands.24 Andere, gewichtigere Kritiken an den Lehrerzirkeln als der volkstümliche Spott über Leute, deren wenig praxisnahe Interessen auf ihre Zeitgenossen wunderlich wirken, beziehen sich auf den öffentlichen Einfluss der sophistischen Lehrer. Ein bedeutendes Zeugnis hierfür ist bereits während des peloponnesischen Krieges das Werk des Thukydides: Seine Figur Kleon wirft den Athenern vor, sich über die eigenen Gesetze zu erheben, und vergleicht untätige Bürger mit Zuhörern von Sophisten.25 In seinem Melierdialog versuchen die Athener Gesandten erfolglos unter Androhung von Gewalt, die kleine Insel Melos zum Eintritt in den Krieg auf ihrer Seite zu überreden: Während die Melier darauf vertrauen, als Gerechte göttlichen Schutz zu erhalten, sind die Athener überzeugt, dass der göttliche Schutz stets den Mächtigeren gelte und ihnen Überlegenheit verleihe, die zu gebrauchen legitim sei.26 Das Vertrauen der Melier, durch einen Appell an die Gerechtigkeit gerettet zu werden, sei daher ein Zeichen von Irrationalität (ἀλογία).27 Mit dieser Erzählung, deren Argumentation bemerkenswerte Parallelen zu Platons Figuren Kallias und Thrasymachos bietet, weist Thukydides in der Art einer nüchternen Beschreibung auf die zweifelhaften moralischen Grundlagen der athenischen Kriegsführung hin,28 deren Verwurzelung in der Lehre der Sophisten für die Zeitgenossen wohl ebenso klar erkennbar ist wie, dank Platon, für uns. Andererseits weist die Mehrdimensionalität der Darstellung des Historikers, die verschiedene Perspektiven zu Wort kommen und nebeneinander bestehen lässt, auch auf die analytischen Fähigkeiten hin, die der sophistische Unterricht offenbar zu vermitteln in der Lage ist.29 Thukydides ist bei weitem nicht der Einzige, der sich kritisch gegen die Folgen der Lehre der Sophisten wendet: Schon in Aristophanes’ ›Wolken‹ verstehen die Sophistenschüler Strepsiades und Pheidippides den Gehalt der Lehre keineswegs, 22   Vgl. namentlich Isocrates, De permutatione, 201. Vgl. J. P. Lynch, Aristotle’s School. The History of a Greek Educational Institution, Berkeley  /  London 1972, 64 f. 23   Isocrates, De permutatione, 224. 24   Isocrates, Panegyricus, 50. 25   Thucydides, Historiae 3, 37, 3–5; 3, 38, 7. Vgl. Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 122 f. 26   Thucydides, Historiae 5, 104 f. 27   Thucydides, Historiae 5, 111. 28   Vgl. Dihle, Griechische Literaturgeschichte, 196 f. 29   Vgl. Dihle, Griechische Literaturgeschichte, 197 f. Zu weiterer Literatur über sophistisches Denken bei Thukydides vgl. Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 2 mit Anm.  9.

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wenden sie aber praktisch unter Verachtung von Recht und Sitte für ihre eigenen Zwecke an. So verlässt sich der Vater Strepsiades auf die Redekunst seines Sohnes, um seine Schulden nicht bezahlen zu müssen.30 Dieser verprügelt seinerseits den Vater Strepsiades beim nächstbesten Streit und begründet dies mit seinem Recht, Gesetze neu zu setzen, und zwar der Natur entsprechend, so wie ja auch die jungen Hähne ihre Väter verjagten.31 Abgesehen von Platon spricht etwa auch der Rhetor Aischines (ca. 389–314 v.  Chr.) vom »üblen Sophisten, der glaubt, mit Worten die Gesetze aufheben zu können« (κακοῦργον σοφιστὴν οἰόμενον ῥήμασι τοὺς νόμους ἀναιρήσειν),32 und redet vermutlich in Bezug auf die Sophisten, an eine Formulierung in Platons ›Sophistes‹ erinnernd, von einem üblen Zauberer, der diejenigen nachahme, die die Wahrheit sprächen.33 Diese beachtliche Dichte von Belegen in einer nur teilweise überlieferten Literatur zeigt, dass die moralischen Folgen der sophistischen Lehre in Athen von vielen als problematisch empfunden werden. Die Zweifel an der Nachhaltigkeit einer politischen Bildung, die allzu stark auf die Durchsetzungsfähigkeit des Logos setzt, überschneidet sich mit einem weiteren Kritikpunkt an den Philosophierenden, welcher schon länger die Gemüter bewegt: Bereits vor dem Peloponnesischen Krieg strengen die Gegner des Perikles Klagen wegen Religionsfrevels sowohl gegen Anaxagoras als wohl auch gegen Aspasia an. Zwar schreiben die Quellen diesen Klagen politischen Charakter zu,34 gehen sie doch offenbar von Gegnern des Perikles aus, um diesen zu diskreditieren. Trotzdem setzen sie voraus, dass bereits die Spekulation der Vorsokratiker über die Himmelskörper Zweifel an deren Göttlichkeit aufwürfen, welche auch die religiöse Verfasstheit der Polis selbst beträfen, die sich u. a. als kultische Gemeinschaft versteht.35 In verschärfter Form treffen ähnliche Klagen wohl vor 415 Protagoras, der in seiner Schrift ›Über die Götter‹ noch gründlicher deren Existenz hinterfragt.36 Und schließlich richten sie sich um 400 v.  Chr. gegen Sokrates, dem, wie Platon es darstellt, das vorgeworfen wird, was man üblicherweise gegen die Philosophen einzuwenden hat.37 In der Tat zeigt sich die Verwurzelung der hier 30

  Aristophanes, Nubes 1137–1144.   Aristophanes, Nubes 1421–1429. Zur Nutzung der sophistischen Lehre durch Strepsiades und Pheidippides vgl. Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 112–120. 32   Aeschines, Oratio 3, 16. Zum Redner Aischines vgl. Kytzler, Die Klassiker der griechischen Literatur, 12–14; Dihle, Griechische Literaturgeschichte, 244 f. 33   Aeschines, Oratio 2, 153; Plato, Sophista 234e–235a. Vgl. zu diesen Belegen Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 124–126. 34   Plutarchus, Pericles 32, 1–5 (169d–f); Nicias 23, 3 f. (538ef); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 12–14 (p.  99, 15–101, 8 Marcovich = 156, 74–157, 99 Dorandi). 35   Vgl., auch zu Zweifeln an der Historizität der Asebie-Prozesse, Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 226–246. 36   Vgl. Timo Phlieus, apud: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 55–57 (2, p.  228, 21–13 Mutschmann) = DK 80 A 12; Plutarchus, Nicias 23, 4 (538  f). Vgl. Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 297–302. 37   Vgl. unten S. 219. 31

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gegen Einzelpersonen vorgebrachten Vorwürfe einmal mehr in den ›Wolken‹ des Aristophanes, der die Philosophierenden ganz selbstverständlich als Menschen darstellt, die entweder gar nicht an Götter oder zumindest nicht an die der Polis glauben.38 Man kann davon ausgehen, dass eine kritische Haltung gegenüber den religiösen Vorstellungen der Philosophierenden, welche auch die durch die Götter sanktionierten Grundlagen der althergebrachten Ethik infrage stellt,39 in Athen durchweg bekannt und z. T. akzeptiert ist. Sosehr die daraus resultierenden Prozesse Einzelfälle sein mögen, so deutlich machen auch sie doch den dringenden Bedarf danach, die Tätigkeit der Philosophierenden im Kontext der Polis Athen zu rechtfertigen.

Auf dem Weg zur Philosophie als Fachdisziplin: Die Abgrenzung zu den Sophisten von Sokrates bis Aristoteles Vor diesem Hintergrund kann man bereits das Wirken des Sokrates als Versuch einer Gegenreaktion aus der Wahrheitssuche selbst heraus verstehen: Sokrates unterscheidet sich den erhaltenen Quellen zufolge von den Sophisten durch sein bescheidenes Auftreten, sein vorbildlich tugendhaftes Verhalten als Athener Bürger und den Verzicht auf den expliziten Anspruch, lehren zu können, bedient sich aber durchaus sophistischer Fragetechniken, um seine Mitbürger zu einem verantwortlichen Leben anzuregen. Da er auf diese Weise auch deren ungerechtfertigte Selbstgewissheit erschüttert, wirkt sein Vorgehen wohl nicht weniger aggressiv als das der Sophisten,40 zu denen er in den Augen der Öffentlichkeit gerechnet wird.41 Eine Folge ist schließlich der Prozess und Tod des Sokrates 399 v.  Chr.42 Allerdings hat Sokrates zu diesem Zeitpunkt bereits einen Kreis überzeugter Schüler um sich gesammelt, die ihrerseits sowohl lehren als auch publizistisch aktiv werden: Antisthenes, Euklid von Megara, Aristipp und Aischines von Sphettos verteidigen die Person und das Wirken des Sokrates gegen eine, vor allem durch eine Invektive des Polykrates,43 fortdauernde Kritik und führen zugleich, ohne 38

  Aristophanes, Nubes 1232–1242, endend mit einer Drohung.   So explizit bei Thrasymachus, apud: Hermias Alexandrinus, In Phaedrum (251, 18–252, 2 Lucarini  /  Moreschini) = DK 85 B 8. Vgl. ferner die oben zitierten Stellen aus dem Melierdialog: Thucydides, Historiae 5, 104 f. 40   So überzeugend Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 126–131. 41   Zu Sokrates und seinem von den Mitbürgern wahrgenommenen Verhältnis zu den Sophisten s. unten S. 148 f. 42   Vgl. dazu unten S.  177 f. 43   Vgl. G. Giannantoni, Socrate e i Socratici in Diogene Laerzio, in: Elenchos 7 (1986), 183–216, hier 186–189; G. Giannantoni, Les perspectives de la recherche sur Socrate, in: J. B. Gourinat (Hrsg.), Socrate et les Socratiques, Paris 2001, 1–24, hier 7 f., 9 f.; K. Döring, Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen, in: GGPh 2, 1 (1998), 139–364, hier 151 f.; Narcy, Polycrate d’Athènes, 1249–1252. 39

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dass unter ihnen Einigkeit bestünde, seinen Denkweg weiter: Trotz großer Unterschiede eint sie das gemeinsame Interesse an einer guten Lebensführung und der Frage nach der Möglichkeit der Erkenntnis.44 So bildet sich mit ihnen in Athen und Megara ein neuer Typus von Philosophierenden heraus, deren Interesse weder, wie bei den Vorsokratikern, der Natur noch, wie bei den Sophisten, der Kraft des Logos als solcher gilt. Sie stehen von vornherein in Rivalität zur erfolgreichen Schule des Isokrates, der ebenfalls die Einseitigkeit der Sophisten vermeiden will und die Begeisterung am Logos zur Lehre einer ethisch fundierten politisch-rhetorischen Praxis nutzt. Noch wesentlich weiter geht aber das literarisch wie inhaltlich gewaltige Werk Platons: Intensiver als die anderen Sokratiker fragt er nach der Möglichkeit zuverlässiger Erkenntnis und findet sie in der Annahme ewiger, unveränderlicher Ideen garantiert. Auf dieser Basis entwirft er das Bild der Philosophie als Suche nach einer Betrachtung dieser idealen Wahrheit, welche in seiner Vorstellung zugleich das Fundament für eine Politik auf moralischer Grundlage liefern soll. Diese Annahmen, die Platon ein Leben lang diskutiert, lassen sich als Reaktionen auf die Krise lesen, in die das Philosophieren der Athener aufgrund der Sophisten geraten ist: An die Stelle eines wandel- und benutzbaren Logos tritt eine strikte Orientierung an der Wahrheit. An die Stelle der Bürger, die den Logos eher zu ihren Eigeninteressen als zum Gemeinwesen nutzen, tritt die Idee einer Gruppe von spezialisierten Weisheitssuchern, die aufgrund ihrer Kompetenz eine gute Regierung zu führen in der Lage sind. Zwar wird Platon selbst rasch mit der Uneinlösbarkeit seiner Ideen konfrontiert, doch hindert ihn das nicht, sein Programm eines ethisch verantworteten Denkens auf den Gebieten weiterzuführen, die in diesen Jahrzehnten diskutiert werden: Im ›Sophistes‹ setzt er sich weiter mit der Figur des Sophisten auseinander, im ›Timaios‹ entwirft er das Bild einer rational und gut geordneten Natur, und in den ›Gesetzen‹ (Νόμοι) entwirft er ein System idealer Gesetze, in welchem eine rational fundierte Gottesverehrung eine wichtige Rolle spielt. Auf institutioneller Ebene schafft er mit seiner Gründung der Akademie eine dauerhafte Basis für eine professionell betriebene philosophische Lehre, welche er offenbar aus eigenem Vermögen finanziert: Die Schule des Logos wird von einem zwanglosen Kreis um einen Lehrer zu einer dauerhaften Bildungsund Forschungsinstitution, welche sich dem platonischen Programm widmet.45 Zum engeren Kreis der Akademie um Platon gehören so bemerkenswerte Köpfe wie seine Nachfolger Speusipp und Xenokrates sowie der Mathematiker Eudoxos, nicht zuletzt aber auch der Makedone Aristoteles aus Stageira. Schon in relativ jungen Jahren vertritt er Platons Philosophieideal in seiner Werbeschrift

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  Damit festigt sich ein Bestand von Problemen, wie er für die Konstitutierung einer geistigen Landschaft essentiell ist (vgl. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 288 f.). 45   Vgl. zur kulturhistorischen Bedeutung solcher Institutionen Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 285.

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›Protreptikos‹ sowie anderen Werken und baut sie darin auf eigene Weise aus.46 Für ihn werden Ethik, Politik und Rhetorik ebenso zu Gegenständen philosophischer Forschung wie die Regeln für die Bildung wahrer und falscher Aussagen. Die Einrichtung seiner eigenen Schule im Lykeion, die später als Peripatos bekannt wird, vollendet nicht nur die Professionalisierung der Philosophie als einer wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern ihr Beitrag zur Ausstrahlung Athens als Bildungszentrum wird offenbar auch öffentlich anerkannt.47 Die Schulen setzen somit auf ihre Weise das alte bürgerliche Bildungsideal fort, wenn sie die Philosophie, die nun mit durchaus neuen Inhalten verbunden ist, an die Oberschicht vermitteln.48

Sophisten und Philosophen: Lexikalische Entwicklungen Die Auseinandersetzung um die Problematik der sophistischen Lehre wird von einer Debatte über die angemessene Begrifflichkeit begleitet: Zu deren Ausgangspunkt scheint es im Großen und Ganzen üblich zu sein, dass der ›Sophist‹ derjenige ist, der ›Philosophie‹ besitzt bzw. das ›Philosophieren‹ lehrt, so wie es z. B. bei Herodot belegt ist.49 Im 5. Jahrhundert v.  Chr. wird vor allem in Athen, aber auch in anderen griechischen Städten, insbesondere ein privat wirkender Lehrer von allgemeiner, für das Leben in der Polis relevanter Tugend50 als ›Sophist‹ (σοφιστής) bezeichnet. Für die vorplatonische Zeit gibt es folglich keinen klar konturierten terminologischen Unterschied zwischen Sophisten und Philosophen. Das gilt umso mehr, als das Wort ›Sophist‹ (σοφιστής) seinerseits, ebenso wie wohl schon Pythagoras es für ›Philosophie‹ in Anspruch nimmt, in einem Bezug zu ›Weiser‹ (σοφός) oder ›Weisheit‹ (σοφία) steht, den es freilich in gewisser Weise konkretisiert:

46   Zum Problem der Datierung des ›Protreptikos‹ vgl. H. Flashar, Dialoge, Philosophie, Rhetorik, in: Aristoteles, Fragmente zu Philosophie, Rhetorik, Poetik, Dichtung. Übersetzt und erläutert von H. Flashar  /  U. Dubielzig  /  B. Breitenberger, Berlin u. a. 2006, 22–245, hier 168–171. 47   Vgl. unten S.  341  f. 48   Das übersieht m. E. die Betonung der kritischen Sicht auf die Philosophie bei P. Scholz, Bios philosophikos. Soziale Bedingungen und institutionelle Voraussetzungen des Philosophierens in klassischer und hellenistischer Zeit, in: Ch. Rapp  /  T. Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, Stuttgart  /  Weimar 2006, 37–58, hier 45–48, der v. a. kritische Stimmen auf die Philosophie hervorhebt, die aber in ihrer Breite selbst schon auf gewisse Weise vom Erfolg des Konzeptes zeugen. 49   Herodotus, Historiae 1, 29 f. Vgl. für die im Folgenden genannten Belege auch die Stellensammlung bei Dixsaut, Le Naturel philosophe, 592–600. 50   Plato, Protagoras 316b–317d. Vgl. W. K. C. Guthrie, The Sophists. Cambridge 1971, 29; Ch. Eucken, Isokrates. Seine Position in der Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Philosophen, Berlin 1983, 6 f.

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»Während ›Weiser‹ (σοφός) und ›Weisheit‹ (σοφία) von allen möglichen Fertigkeiten benutzt werden kann, ist der Begriff ›Sophist‹ auf diejenigen beschränkt, welche auf verschiedene Weise als die Weisen, die Exponenten von Wissen in frühen Gemeinschaften fungieren«.51

Dieser Befund lässt sich für Athen die ganze klassische Epoche hindurch bestätigen: Ihn belegen für das Athen des späten 5. Jahrhunderts, wie bereits erwähnt, Aristophanes’ ›Wolken‹.52 Auch bei Xenophon lässt sich keine klare terminologische Unterscheidung zwischen ›Philosoph‹ und ›Sophist‹ feststellen,53 und in sophistischen Schriften sind mit ›Philosophen‹ offenbar Redner in Schaudebatten gemeint, die man gut und gerne als typisch sophistisch bezeichnen könnte.54 Auch vorsokratische Denker werden als ›Sophisten‹ bezeichnet, teils zum Ausdruck von Kritik,55 teils wegen ihres Auftretens als Lehrer.56 Noch bei Isokrates und gelegentlich sogar bei Platon bedeutet ›Philosophie‹ das vom Sophisten vermittelte, wenn auch teils durch falsche Lehre verdorbene Bildungsideal.57 Ein aufschlussreiches Beispiel ist die Wortwahl des Kallikles im ›Gorgias‹, wenn er betont, Philosophie sei etwas für Kinder, was bei Erwachsenen seltsam anmute.58 Allerdings gewinnt das Wort ›Sophist‹ zusehends Konnotationen von übergroßer Schläue, einem übertriebenen intellektuellen Selbstbewusstsein sowie Geldgier.59 Hinzu kommen auch in den Augen von Platon und Isokrates die ambivalenten Wirkungen der im Wesentlichen auf rhetorische Fähigkeiten beschränkten sophistischen Ausbildung,60 welche die entsprechenden Lehrer bereitwillig in Kauf 51   »Whereas ›sophos‹ and ›sophia‹ can be used of all sorts of skills, the term ›sophistes‹ is confined to those who in one way or another function as the Sages, the exponents of knowledge in early communities«. So G. B. Kerferd, The First Greek Sophists, in: Classical Review 64 (1950), 8–10, Zitat 8, mit Belegen. Vgl. z. B. Plato, Euthydemus 271c; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 12 (11, 22 f. Marcovich = 74, 133 f. Dorandi). 52   Aristophanes, Nubes 331–334; Thucydides, Historiae 2, 38, 7. Vgl. Plato, Phaedo 96a– 99c sowie W. K. C. Guthrie, Socrates, Cambridge 1971, 98–104; Giannantoni, Les perspectives, 7 f. 53   Vgl. C. J. Classen, Xenophons Darstellung der Sophisten und der Sophistik, in: Hermes 112 (1984), 154–167; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 7. 54   Vgl. unten S. 167 f. 55   Diogenes Apolloniensis, apud: Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  151, 24–27 Diels) = DK 64A 4; Isocrates, De permutatione, 268 f.; Xenopho, Memorabilia 1, 1, 11. 56   Isocrates, De permutatione 235. Vgl. Guthrie, Sophists 30 f. 57   Isocrates, Contra Sophistas 14; De permutatione 170; 270; Plato, Euthydemus 304e. Vgl. M. Kranz, Philosophie I. A. Der Ursprung des Begriffs. B. Platon, in: HWbPhil 7 (1989), 573–583, hier 574. 58   Plato, Gorgias 484c–485d. Vgl. unten S. 251. 59   Alcidamas, De sophistis 1 (135, 6 f. Radermacher); Plato, Meno 91d; Euthydemus 288bc; Symposium 203d; Xenopho, Memorabilia 4, 2, 1; vgl. C. J. Classen, Einleitung, in: C. J. Classen (Hrsg.), Sophistik, Darmstadt 1976, 1–18, hier 1 f. 60   Isocrates, Contra Sophistas, 21; Plato, Gorgias 449a–449d; vgl. Alcidamas, De sophistis 1 (135, 3–5).

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zu nehmen scheinen.61 Besonders Platons Darstellung zu Beginn des ›Sophistes‹ bündelt die Kritiken in überspitzter Form, wenn es die Sophisten als Jäger reicher Jünglinge, Händler mit Lehren für die Seelen und Meister im Streitgespräch charakterisiert.62 In derartigen Kritiken spricht sich der Blickwinkel Athener Bürger aus, deren Interesse an der eigenen Polis mit der relativistischen Lehre der ­Sophisten aus den bereits genannten Gründen kollidiert.63 Dem so verstandenen ›Sophisten‹ setzt Platon sein berühmtes Konzept der Philosophie als »Liebe zur Weisheit« (ἔρως σοφίας) entgegen, das bereits im sokratischen Frühdialog ›Lysis‹ isoliert erscheint, im ›Symposion‹ aber aufs Engste mit der Erkenntnis einer Wahrheit verbunden ist, die wir mit unserem normalen Denken nicht erreichen können. Mit diesem wohl von den Pythagoreern angeregten Konzept64 setzt er sich nicht nur gegen die Sophisten, sondern gegen Isokrates durch, der zwar auch den Begriff der ›Philosophie‹ gegen die relativistischen Tendenzen der Sophisten stark macht, darunter aber ein recht praxisnahes Lehrprogramm versteht, das seine Hörer befähigen soll, verantwortlich für die Polis rhetorisch tätig zu sein.65 Aus seiner Schule entwickelt sich in der Folgezeit, wohl unter einem weiteren von Platon erfundenen Label, die Lehre der ›Rhetorik‹, während das Programm der Akademie von nun an mit dem Begriff der ›Philosophie‹ verbunden ist. Unter beiden Bezeichnungen sammeln sich in der Folgezeit jeweils ganz verschiedene Lehrveranstaltungen und Einzelpersönlichkeiten. Der Erfolg der Neudeutung des Begriffs ›Philosophie‹ durch Platon setzt hierbei voraus, dass diese auch über die Akademie hinaus auf Zustimmung trifft, was für mit Platon befreundete Pythagoreer wie Archytas in Tarent und Philolaos in Unteritalien66 bzw. Theben ganz plausibel und für die übrigen Sokratiker und Kyniker zumindest zu vermuten ist. Sehr deutlich ist jedenfalls, dass der junge Aristoteles in seinem ›Protreptikos‹ die platonische Begrifflichkeit aufnimmt und auf seine Weise weiter entwickelt.67 Er übernimmt und systematisiert auch Platons kritischen Gebrauch des Terminus ›Sophist‹, wenn er die Sophistik als »scheinbare Weisheit« (φαινομένη σοφία) bezeichnet und als eine auf Täuschung angelegte Argumentationsweise charakterisiert.68 Von dieser dezidierten Abwertung erholt sich das Wort ›Sophist‹ erst im Laufe der Zeit, namentlich, aber nicht nur, in der ›Zweiten Sophistik‹ der hohen Kaiserzeit, welche das Wort als Bezeichnung eines Rhetoriklehrers wieder etabliert.69 61

  Isocrates, Helena 1 f.; Contra Sophistas 12 f.; Plato, Gorgias 454b–457c.   Vgl. Platons eigene Zusammenfassung in Plato, Sophista 231c–e. 63   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 215. 64   S. oben S. 101. 65   S. unten S. 211–213. 66   So Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 6 (196, 3 Marcovich = 245, 63–64 Dorandi). 67   S. unten S. 290–294. 68   Aristoteles, Sophistici Elenchi 1, 165a 21–23. Vgl. weiterhin unten S. 303. 69   Vgl. namentlich die Platonkritik des Aelius Aristides, Oratio 3, 600–604 (2, p.  490–492 Trapp). 62

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Historischer Hintergrund: Die Sophisten und ­Philosophen in der Polis Athen

Lehrtätigkeit und gesellschaftliche Stellung der Sophisten und Philosophen Die typische Tätigkeit der Sophisten und Philosophen, die demnach historisch nicht scharf zu unterscheiden sind, ist offensichtlich eine Lehrtätigkeit, welche sich nicht an absolute Anfänger richtet, sondern erste Grammatik- und Musikstudien bereits voraussetzt.70 Insofern handelt es sich bei ihren Lehreinrichtungen, modern gesprochen, um ›weiterführende Schulen‹. Das sollte allerdings nicht so verstanden werden, als gäbe es in Athen oder sonstwo in der Antike ein einheitliches, konsequent durchgehaltenes Curriculum: Vielmehr treten die Schüler mit unterschiedlichem Alter – von 17 (Aristoteles) bis weit älter – in die Schulen ein und verweilen dort unterschiedlich lange.71 Zur Zeit der hier zu behandelnden Sophisten findet der Unterricht noch recht informell statt, entweder, wie in Platons ›Protagoras‹ geschildert, sitzend oder umherwandelnd im säulenumstandenen Innenhof eines reichen Privathaushalts,72 in einem öffentlichen Kampf- und Übungsplatz (παλαίστρα)73 oder auch, wie in Aristophanes’ ›Wolken‹, in einem speziellen, vielleicht zu diesem Zweck angemieteten Gebäude.74 Beide Beschreibungen legen nahe, dass mehrere Sophisten an einem Ort lehren können. Die Schülerkreise der einzelnen Lehrer sind offensichtlich ebenfalls recht informell, und es ist möglich, auf Wunsch bzw. gegen entsprechende Bezahlung sowohl Einzel- als auch Gruppenunterricht zu erhalten.75 Zumindest die bedeutenderen Sophisten ziehen von Stadt zu Stadt und werden dabei auch von ganzen Schülerkreisen begleitet.76 Hierbei gibt es bereits eine gewisse Gliederung, indem ältere Schüler, die selbst Sophisten werden wollen, eine besondere Stellung einnehmen.77 Es ist naheliegend, dass sie sich am Unterricht beteiligen und dort insbesondere elementarere Kenntnisse vermitteln, wie das für spätere Zeiten ausdrücklich bezeugt ist. Auch dürften sie sich, wie Polos und Zenon in Platons ›Gorgias‹ oder ›Parmenides‹, an der Verteidigung der Lehren ihrer Meister beteiligen.78 Im Vergleich zu dieser sehr flexiblen Situation stellen die Schulen des 4. Jahrhunderts offenbar eine Konsolidierung dar:79 Isokrates lehrt über eine lange Zeit in Athen und erwähnt die Konkurrenzsituation zu weiteren Rivalen, die dasselbe 70   Vgl. Plato, Protagoras 318e, wo Protagoras dies höhnisch gegenüber Hippias zur Geltung bringt. 71   Vgl. Lynch, Aristotle’s School, 65–67. 72   Plato, Protagoras 314e–316a. Vgl. zu dieser Beschreibung Nestle, Platon, ›Protagoras‹, 50 f. 73   Plato, Lysis 204a. 74   Aristophanes, Nubes 92. 75   Plato, Protagoras 316b. 76   Plato, Protagoras 315ab; 316cd. 77   Plato, Protagoras 315a. 78   Plato, Parmenides 127d; Gorgias 461bc. 79   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 318.

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Die klassische Epoche

tun, worunter man wohl auch Sokratiker wie Antisthenes vermuten kann.80 Für die Konsolidierung des philosophischen Lehrbetriebs kommt allerdings Platons Schulgründung »in der Akademie« bei einem Gymnasium vor der Stadt81 überragende Bedeutung zu; sie ist wohl eher von pythagoreischen Vorbildern als von den Sophisten angeregt.82 In dem Haus und dem Garten, die Platon für seine Neugründung erwirbt, versammelt sich ein relativ konstanter Kreis von Menschen um ihn herum, die von einem weiteren Schülerkreis umgeben sind, der sich zumeist aus wohlhabenden jungen Athenern und Auswärtigen rekrutiert. Die Schule ist zudem langfristig angelegt, wie die Weitergabe an Speusipp und Xenokrates zeigt. Ob das in gleichem Maße von Anfang an für die Schule des Aristoteles gilt oder ob diese sich erst unter Theophrast organisiert, ist umstritten, doch gibt es beachtliche Hinweise, dass die Schule Unterstützung durch den Athener Finanzbeamten Lykurg erhält und sich insofern ebenfalls früh darauf einstellt, sich zu einer dauerhaften Institution zu entwickeln.83 Mit den Unterschieden in der Lehrtätigkeit korrespondiert die gesellschaftliche Stellung der Philosophierenden. Sie hängt stark von ihrer Herkunft und Rolle in Athen ab: Die meisten Sophisten sind, ebenso wie Anaxagoras und Aspasia, aus Athener Sicht Auswärtige und gehen neben der Lehre noch einem Brotberuf nach. Ihr Unterricht, der mündlich oder schriftlich sein kann, erfolgt gegen eine Bezahlung,84 deren Höhe aber wohl nicht so beträchtlich ist, wie besonders die Kritik Platons vermuten lässt.85 In jedem Fall verkörpern die Sophisten im Vergleich zu den Vorsokratikern, die wohl meist aus ihrem eigenen Vermögen heraus einer philosophischen Begeisterung nachgehen, einen neuen Typus öffentlicher Persönlichkeiten, deren Ansehen stark von ihrer Wirkung auf das Publikum abhängt.86 Ihre Angewiesenheit auf eine Bezahlung bedeutet auch eine Abhängigkeit von den Bedürfnissen ihrer Geldgeber: Nicht ein schlicht wahrheitsorientiertes Wissen soll gelehrt werden, sondern eine Tugend, die zur erfolgreichen (und damit auch karriereorientierten) Lebensführung als Bürger beiträgt.87 Wohl auch vor diesem 80

  Vgl. oben S.  152  f.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 7 (196, 12–197, 4 Marcovich = 245, 73–246, 82 Dorandi). 82   Vgl. I. M. Bodnár, Wissenschaft und Philosophie in der Akademie, in: Rapp  /  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, 257–268, hier 257–259. 83   Vgl. dazu H. Flashar, Aristoteles, in: Flashar (Hrsg.), GGPh 3 (22004), 167–492, hier 218. 84   Xenopho, Memorabilia 1, 6, 13; 4, 2, 8 f.; Plato, Hippias maior 282d–283b. Vgl. Classen, Xenophons Darstellung der Sophistik 154–167; Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 213–215. 85   So jedenfalls Isocrates, De permutatione 155. 86   Vgl. Scholz, Bios philosophikos, 38–41. Vgl. die Selbstcharakterisierung des Protagoras im Vergleich zu anderen Sophisten bei Plato, Protagoras 316d–317d, wo selbst Homer und Hesiod als Sophisten unter dem Vorwand des Dichterberufs dargestellt werden. 87   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 213–215. 81

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Historischer Hintergrund: Die Sophisten und ­Philosophen in der Polis Athen

Hintergrund sind die bei Platon ausgedrückten Rivalitätsansprüche der Sophisten untereinander88 zu verstehen. Eine ganz andere, unabhängige Stellung haben Bürger Athens wie Sokrates und Platon: Sei es aufgrund ihrer persönlichen Bedürfnislosigkeit, sei es aufgrund ihres großen Vermögens genießen sie finanzielle Unabhängigkeit, können sich den Gegenständen widmen, die sie interessieren, und ihre Lehre kostenlos anbieten. Ähnliches scheint für die übrigen Sokratiker, die Mitglieder der Akademie und auch für Aristoteles zu gelten, obwohl zumindest bei einigen von ihnen, z. B. im Falle Aristipps, Unterricht gegen Geld bezeugt ist.89 Dagegen ist Isokrates, zum Nachteil seines Ansehens, gezwungen, sich bezahlen zu lassen.90 Der kostenlose Unterricht, der nur aufgrund des Reichtums der Schulgründer und ihrer Unterstützer möglich ist, lässt sich überzeugend als zweckfreie Tätigkeit darstellen, die freien Menschen bzw. freien Bürgern angemessen ist.91 Damit erlangen die philosophischen Lehranstalten gerade wegen ihrer Unentgeltlichkeit einen relativ elitären Charakter,92 was unter anderem dazu führt, dass sie, und mit ihnen die Stadt Athen, zu Zentren einer Netzwerkbildung junger Angehöriger der Oberschichten werden.93

Frauen in der Philosophie der klassischen Epoche Einige Frauen spielen in der philosophischen Entwicklung der klassischen Zeit offenbar eine bedeutende Rolle, doch sind ihre Beiträge aufgrund der Quellensituation nur schwer korrekt einzuschätzen: Am Anfang steht Perikles’ Gattin Aspasia aus Milet, die laut Plutarch bei einigen als »weise Frau« (σοφὴ γυνή) gilt und von Platon als Rhetoriklehrerin des Sokrates dargestellt wird.94 Sie ist offenbar vielen Anfeindungen ausgesetzt. Arētē, die Tochter des Aristipp, führt nach dessen Tod die kyreneische Schule weiter und begründet damit die lange Tradition, dass insbesondere Töchter aus den Familien von Philosophen und Rhetoren selbst eine entsprechende Bildung erwerben und als Lehrerinnen tätig werden können.95 Über ihre Leistungen wissen aber die Quellen ebenso wenig zu berichten wie über diejenigen der Axiothea und Lastheneia, von denen Diogenes Laertios berichtet, sie hätten im engeren Kreis um Platon und Speusipp »die Weisheit erlernt« (τὴν

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  Zum Beispiel Plato, Protagoras 317cd; 318e.   Vgl. unten S. 187. 90   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 318–320. 91   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 216–219. Vgl. unten S. 265 f. zur Ausarbeitung des Bildes bei Aristoteles. 92   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 319–327. 93   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 327 f. 94   Vgl. unten S.  161  f. 95   Das Modell findet sich später z. B. bei Hypatia wieder, s. unten S. 730. 89

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σοφίαν καταμαθεῖν).96 Immerhin ist uns auf Papyrus das Lob einer nicht identifizierbaren Platonikerin erhalten, die möglicherweise mit einer der beiden genannten identisch ist.97 Zumindest Lastheneia soll, wie die Kynikerin Hipparchia, im Männergewand philosophiert haben (ἀνδρεῖα ἠμπίσχετο).98 Philosophische Bildung steht also in der klassischen Zeit interessierten Frauen prinzipiell offen, aber anscheinend nicht überall (aus dem Peripatos und der nachplatonischen Akademie hören wir nichts von Frauen). Zudem zeigt die Philosophiegeschichtsschreibung der Zeit keine Tendenz, die Leistungen dieser Frauen besonders zu würdigen, so dass uns meist außer ihrem Namen und ihrer Stellung wenig bekannt ist.

96   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 46; 4, 2 (221, 7–9; 256, 15–257, 2 Marcovich = 268, 509–511; 297, 13–17 Dorandi). Vgl. die Zusammenstellung der weiteren Quellen bei R. Goulet  /  T. Dorandi, Lasthéneia de Mantinée, in: DPhA 4 (2005), 82 f. 97   Vgl. F. Decleva Caizzi, P. Oxy. 3656. Notizia su un’allieva dell’Accademia, in: Corpus dei papiri filosofici Greci e latini 2, 1 (2019), 144–152. 98   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 46 (221, 8 f. Marcovich = 268, 510 f. Dorandi). Zu Hipparchia s. unten S. 358  f.

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III. Eine Lehrerin und zwei Lehrer: Aspasia, Archelaos und ­Kratylos als mögliche Katalysatoren des klassischen ­philosophischen Denkens

Für die Ankunft der Philosophie in Athen scheinen zwei Persönlichkeiten eine gewisse Bedeutung zu haben, die in der Tradition als die Lehrerin und der Lehrer des Sokrates bezeichnet werden: Aspasia und Archelaos. Leider sind die Informationen über beide recht spärlich. Aspasia von Milet (gest. nach 428), die zweite Frau des Perikles,1 wird in Platons ›Menexenos‹ als »Rhetoriklehrerin« (διδάσκαλος ῥητορικῆς) gepriesen, die auch Sokrates selbst unterrichtet habe.2 Aischines von Sphettos schreibt ihr im nach ihr benannten Dialog Kompetenz in politischer Lehre und eine Vorwegnahme der sokratischen Gesprächsführung zu.3 Auch Plutarch ist Aspasia als »eine weise und politische« Frau (σοφὴν τινα καὶ πολιτικὴν) bekannt, die »den Philosophen weder (Gelegenheit zu) schlechter oder zu wenig Rede über sie bot«.4 Eine Rede von ihr zur Ehrung der Toten, die Sokrates im ›Menexenos‹ vorträgt, ruft die Begeisterung des Gesprächspartners hervor: »Sokrates, Du sprichst Aspasia selig, wenn sie als Frau in der Lage ist, solche Reden zu verfassen«.5 Auch Xenophon ehrt sie, namentlich als Beraterin in Fragen der Ehe und der Würdigung der Leistungen von Frauen,6 und auch Antisthenes verfasst, wie Aischines, einen sokratischen Dialog mit dem Titel ›Aspasia‹.7 Dank der von Cicero weitergegebenen Erwähnung ihres (angeblichen) Ratschlags an Xenophon und seine Frau, beide sollten ihren jeweiligen Gatten als den besten Menschen schätzen, wird der Name Aspasia bis ins

1   Die klassische Darstellung ist die von W. Judeich, Aspasia, in: RE 2, 2, col. 1716–1722. Die Herkunftsbezeichnung wird Plato, Menexenus, 249d genannt, weiteres bei Judeich, Aspasia, 1716. 2   Plato, Menexenus 235e, 236a. 3   Vgl. die Zusammenfassung des Dialogs mit Angabe der Quellen bei Döring, Sokrates, die Sokratiker, 204 bzw. die Zusammenstellung bei SSR VI A 59–72 sowie jetzt F. Pentassuglio, Eschine di Sfetto. Tutte le testimonianze, Turnhout 2017, 267–283 (Fragmente) sowie 120–166 (Erläuterungen). 4   Plutarchus, Pericles 24, 2–5 (1, 2, p. 27, 19–28, 11 Ziegler), Zitat 2 (27, 22–24): τοῖς φιλο­ σόφοις οὐ φαῦλον οὐδ’ ὀλίγον ὑπὲρ αὑτῆς παρέσχε λόγον. Eine Quelle scheint auch hier Aischines’ verlorener Dialog zu sein, vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 204. 5   Μακαρίαν γε λέγεις τὴν Ἀσπασίαν, εἰ γυνὴ οὖσα τοιούτους λόγους οἵα τ’ ἐστὶ συντιθέναι. Plato, Menexenus, 249d. 6   Xenopho, Oeconomicus 3, 14; Memorabilia 2, 6, 36. 7   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 61; 6, 16 (134, 9; 385, 3 Marcovich = 188, 20; 416, 188 Dorandi).

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Die klassische Epoche

Mittelalter häufig genannt.8 Die Wahrnehmung Aspasias als Vertreterin philosophischer Bildung wird auch durch die Nachricht gestützt, sie sei, wie Anaxagoras und Sokrates, des Religionsfrevels  /  der Asebie angeklagt worden.9 Es muss sich also bei ihr um eine eindrucksvolle und gebildete Persönlichkeit handeln, die in der mündlichen Rede zu glänzen weiß, doch lassen sich weder ihrer Person noch ihrem Einfluss auf Sokrates genauere Konturen geben. Archelaos stammt der Tradition nach entweder aus Milet oder sogar aus Athen selbst.10 Er ist, wie auch die doxographischen Berichte inhaltlich nahelegen,11 Schüler des Anaxagoras und dessen Nachfolger (nach 428 v.  Chr.?) in der Schulleitung in Lampsakos.12 Er gehört demnach in den Augen der antiken Philosophiehistoriker primär der naturphilosophischen Tradition an (innerhalb der sogenannten ionischen Sukzession), leitet aber als Lehrer des Sokrates zur ethischen Sukzession über:13 »Er überführte als Erster die Naturphilosophie aus Ionien nach Athen und wurde ein Naturwissenschaftler genannt, weswegen auch mit ihm die Naturphilosophie endete, da Sokrates die Ethik einführte«.14 8

  Cicero, De inventione 1, 51 f.   Plutarchus, Pericles 32, 1–5 (1, 2, p.  37, 21–38, 10 Ziegler). Vgl. Judeich, Aspasia, 1719. 10   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 16 (102, 8 Marcovich = 159, 1 Dorandi) (nennt beide Möglichkeiten); Suda s.  v. Archelaos (1, p.  372, 14 Adler) (für Milet) = DK 60 A 1 f.; ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 9, 1 (GCS Hipp. 3, p.  15, 3 Wendland); Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  27, 23 f. Diels) = DK 60 A 4 f. (beide für Athen). Zu Archelaos vgl. biographisch R. Goulet, Archélaos le Physicien, in: DPhA 1 (1994), 333 f.; Th. Schirren  /  G. Rechenauer, Biographie, in: GGPh 1, 1 (2013), 175–215, hier 207–209; zur Lehre G. Rechenauer, Archelaos aus Athen, in: GGPh 1, 2 (2013), 797–810. 11   Der wichtigste doxographische Bericht ist ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 9, 1–6 (GCS Hipp. 3, p.  15, 3–28 Wendland). 12   Eusebius, Praeparatio evangelica 10, 14, 13 (GCS Eus. 8, 1, p.  612, 9–11 Mras) = DK 59 A 7. 13   Die Konstruktion ist vor allem bei Diogenes Laertius 1, 14 (12, 8–28 Marcovich = 74, 142–75, 163 Dorandi) gut erkennbar. Das hier genannte Schema lässt sich bei ›Hippolyt‹ wiederfinden, dessen ausführliche Referate zwar die beiden Sukzessionen durcheinanderbringen, aber die jeweilige Zugehörigkeit vor dem Hintergrund des Diogenes Laertios gut erkennen lassen: Zu Beginn werden die ionische und »eine andere Philosophie«, nämlich die des Pythagoras und Empedokles, unterschieden (›Hippolytus‹, Refutatio 1, prooem. 11–3, 3 [GCS Hipp. 3, p.  4, 6–9, 15 Wendland]), die dann abwechselnd eingeführt werden: ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 6, 1–1, 10, 1; 1, 18, 1–21, 5 (GCS Hipp. 3, p.  10, 13–16, 2; 18, 24–27, 12 Wendland), unterbrochen von einem Abschnitt über Vertreter der italischen Sukzession in 1, 11–16 (GCS Hipp. 3, p.  16, 9–18, 19 Wendland), wie ›Hippolyt‹ selbst verklausuliert in 1, 10 (GCS Hipp. 3, p.  16, 2–8 Wendland) ankündigt. Vgl. zur komplizierten Quellenbasis dieses Abschnitts (in dem vor allem Heraklit in Kapitel 4 und Xenophanes in Kapitel 14 den Ablauf verdunkeln) J. Mansfeld, Heresiography in Context. Hippolytus’ ›Elenchos‹ as a Source for Greek Philosophy, Leiden  /  New York  /  Köln 1992, 1–43. 14   Πρῶτος ἐκ τῆς Ἰωνίας τὴν φυσικὴν φιλοσοφίαν μετήγαγεν Ἀθήναζε, καὶ ἐκλήθη φυσικός, παρὸ καὶ ἔληξεν ἐν αὐτῷ ἡ φυσικὴ φιλοσοφία, Σωκράτους τὴν ἠθικὴν 9

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Eine Lehrerin und zwei Lehrer: Aspasia, Archelaos und ­Kratylos

Die Historizität dieses Berichtes, der bei Aristoxenos dahingehend konkretisiert wird, Archelaos sei der Liebhaber des jungen Sokrates (im Rahmen der Knabenliebe) gewesen,15 lässt sich weder bestätigen noch mit Gewissheit ablehnen, zumal die Annahme einer naturphilosophischen Phase im Leben des Sokrates diskutiert wird.16 Da allerdings auch ethische Lehren für Archelaos bezeugt sind,17 namentlich eine Kulturentstehungslehre und die Geltung von Normen aufgrund des Gesetzes,18 könnte er Sokrates (und vielleicht auch manche Sophisten) in diesem Sinne angeregt haben.19 Eine dritte enigmatische Figur, die Einfluss auf die frühen Entwicklungen in Athen zu nehmen scheint, ist Kratylos, der ein Lehrer Platons gewesen sein soll.20 Dabei ist allerdings unklar, wann dieser Unterricht stattfindet und welchen Einfluss er hat. Kratylos gilt als Herakliteer, doch ist auf systematischer Ebene nicht klar, wie die Theorie einer natürlichen Bedeutung von Namen, die Platon ihm im gleichnamigen Dialog zuschreibt, mit einer Theorie steter Veränderung einhergeht, für die ihn Aristoteles kritisiert.21 Die Nachrichten über Aspasia, Archelaos und Kratylos deuten auf unterschiedliche geistige Einflüsse in Athen und auch auf Sokrates und Platon hin: Als Natur- und Sprachphilosophen sowie als Rhetoriklehrerin setzen die drei kulturelle Akzente. Diese sind jedoch laut der Tradition nicht automatisch mit denen der Sophisten zur Deckung zu bringen, welche das öffentliche Leben im Athen des späten 5. Jahrhunderts dominieren.

εἰσαγαγόντος. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 16 (102, 10–13 Marcovich = 159, 3–6 Dorandi) = DK 60A, 1. Ähnlich ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 10, 1 (GCS Hipp. 3, p.  16, 1 f. Wendland). Zu den unterliegenden doxographischen Traditionen vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 17; 42–52. 15   Aristoxenus (secundum Porphyrii Historiam philosophiae [215F Smith]) = Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 67 (SC 57, 2, p.  438, 11–15 Canivet) = DK 60A, 3. 16   Vgl. unten S. 177. 17   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 14 (2, p.  5, 17 f. Mutschmann) = DK 60A 6. 18   So (etwas zögerlich) Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 16 (102, 13–15 Marcovich = 159, 6–8 Dorandi) = DK 60A 1; deutlicher Suda s.  v. Archelaos (1, p.  372, 17–19 Adler) = DK 60A 2; ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 9, 6 (GCS Hipp. 3, p.  15, 14–28 Wendland) = DK 60A 4. 19   Vgl. Rechenauer, Archelaos aus Athen, 806 f. 20   Aristoteles, Metaphysica 1, 6, 987a 32 f. Vgl. im Allgemeinen D. Bremer, Kratylos und die Herakliteer, in: GGPh 1, 2 (2013), 657–664 21   Dazu Plato, Cratylus 383a; Aristoteles, Metaphysica 4, 5, 1010a 10–15. Vgl. Bremer, Kratylos, 660–664.

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IV. Lehrer guten Lebens oder Verdreher der Wahrheit? Die I­mpulse der Sophisten für die Entfaltung der Philosophie1

1. Allgemeines  /  Historischer Überblick2 Das Phänomen sophistischer Lehre, dessen äußere Gestalt oben schon skizziert wurde,3 scheint in Athen vor allem vor dem Peloponnesischen Krieg, unter der Herrschaft des Perikles, eine große Blüte zu erfahren. Zu dieser Zeit wirken insbesondere die bekannten Sophisten Protagoras von Abdera (ca. 490–420/400)4 und Gorgias von Leontinoi (ca. 480–380 v.  Chr.),5 denen offenbar während des Krieges und in den nachfolgenden turbulenten Zeiten weitere Lehrer folgen, unter denen namentlich Prodikos besonderes Ansehen genießt.6 Während schon ihre philosophischen Positionen nicht einfach zu ermitteln sind, gilt das für die späteren Sophisten in noch höherem Maße: Einige von ihnen, wie Hippias,7 Kallikles,8 Thrasymachos9 und Kritias10 (alle, falls nicht fiktiv, um 400 v.  Chr.), sind vor allem als Figuren in den literarisch und philosophisch stark ausgestalteten Dialogen Platons fassbar, was die Angemessenheit der Beschreibungen, ja teilweise sogar 1   Vgl. W. Jaeger, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen 1, Berlin 41959, 364– 418; Guthrie, The Sophists; G. B. Kerferd, The Sophistic Movement, Cambridge u. a. 1981; Classen (Hrsg.), Sophistik; Th. Buchheim, Die Sophistik als Avantgarde normalen Lebens, Hamburg 1986; B. H. F. Taureck, Die Sophisten. Zur Einführung, Hamburg 1995; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 1–137; H. Scholten, Die Sophistik. Eine Bedrohung für die Religion und Politik der Polis?, Berlin 2003. 2   Ein nützlicher kurzer Überblick über das Gesamtphänomen findet sich bei Taureck, Die Sophisten, 13–24; einen ausführlichen Überblick liefern v. a. Kerferd  /  Flashar, Die Sophi­stik. 3   S. oben S. 148–152. 4   Vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 28–43; P. Demont, Protagoras d’Abdère, in: DPhA 5b (2012), 1700–1708. 5   Vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 44–53; M. Narcy, Gorgias de Leontinoi, in: DPhA 3 (2000), 486–491. 6   Aristophanes, Nubes 361. Ironisch überspitzt bei Plato, Protagoras 316a. 7  Vgl. M. Narcy, Hippias d’Élis, in: DPhA 3 (2000), 755–758; Kerferd  /  Flashar, Die Sophis­tik, 64–68. 8   Vgl. M. Narcy, Calliclès, in: DPhA 2 (1994), 168 f.; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 85 f. 9   Vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 54–57; M. Narcy, Thrasymaque de Chalcédoine, in: DPhA 7 (2016), 1172–1177. 10   Vgl. L. Brisson, Critias, in: DPhA 2 (1994), 512–521; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 81–84. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 81, betonen die Sonderstellung des Athener Politikers Kritias im Umfeld der sophistischen Lehre.

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Die ­Impulse der Sophisten für die Entfaltung der Philosophie

die historische Existenz der einzelnen Persönlichkeiten unklar werden lässt. Für die wenigen erhaltenen Texte stellen sich hingegen Schwierigkeiten der Zuschreibung: Während die ›Zweierlei Thesen‹ (Δισσοὶ λόγοι)11 und der ›Anonymus des Jamblich‹ (Anonymus Iamblichi)12 namentlich und auch zeitlich nicht exakt zuzuordnen sind, ist der Sophist Antiphon nicht zuverlässig von anderen Namensvettern zu unterscheiden, so dass ein Überblick über sein Œuvre besonders spekulativ bleibt.13

2. Inhaltliche Hauptthemen Aufgrund der Variabilität der sophistischen Bewegung und ihrer Positionen und wegen der spärlichen Quellen bleibt jede Zusammenfassung ihrer Ansichten stark hypothetisch. Im Vergleich zur älteren Naturphilosophie ist aber klar, dass sich die Sophisten besonders intensiv mit Fragen des menschlichen Lebens, insbesondere der Entstehung und Rechtfertigung der Kultur (Protagoras-Mythos)14 sowie einer politischen, d. h. einer entsprechenden Laufbahn dienenden, Tugend beschäftigen.15 Für deren Erreichen stellen sie recht detaillierte Erziehungsprogramme auf.16 Das sophistische Ideal von Bildung (παιδεία) setzt voraus, dass jeder Mensch von Natur aus zu gerechtem Handeln befähigt ist.17 Das Lehrangebot der Sophisten wendet sich allerdings, schon aus finanziellen Gründen, praktisch nur an Begüterte. Ihr Erziehungsprogramm ist breit angelegt und schließt seinem Anspruch nach an die ältere Dichtung, von Homer über Simonides bis zu den Orphikern, an,18 umfasst aber auch zahlreiche weitere Wissensgebiete wie die grammatische und musikalische Ausbildung sowie mathematische und naturwissenschaftliche Studien, für die vor allem Hippias bekannt ist, etc.19 Für die historisch-systematische Einschätzung der Sophisten ist eine grundlegende Ambivalenz in den überlieferten Fragmenten zu beachten: Zum einen liefern sie auf vielen Gebieten, die gerade das praktische Leben und seine theoreti11   Vgl. M. Narcy, ›Dissoi Logoi‹, in: DPhA 2 (1994), 888 f.; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 98–101; P. Scholz  /  A. Becker (Hrsg.), ›Dissoi Logoi‹. ›Zweierlei Ansichten‹. Ein sophistischer Traktat. Text – Übersetzung – Kommentar, Berlin 2004. 12   Vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 101–104; M. Narcy, Iamblichos (Anonyme de Jamblique), in: DPhA 3 (2000), 836–839. 13   Vgl. M. Narcy, Antiphon d’Athènes, in: DPhA 1 (1994), 225–244; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 69–80. 14   Plato, Protagoras 320d–323c. 15   Isocrates, Contra Sophistas, 21; Plato, Gorgias 452e; Meno 90c–91b. 16   Plato, Protagoras 325c–326e; vgl. Jaeger, Paideia 1, 371 f. 17   Plato, Protagoras 322c–323a. 18   Plato, Protagoras 316de. 19   Plato, Protagoras 315c; 318e. Vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 67.

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schen Grundlagen betreffen, wichtige neue Anstöße: So diskutieren die Sophisten intensiv die offenbar durchaus neuartige Frage nach dem Verhältnis von Natur (φύσις) und Gesetz (νόμος) als möglichen Grundlagen eines guten Lebens.20 Hierbei kommen verschiedene Sophisten zu unterschiedlichen Bewertungen: Antiphon sieht das Gesetz als bloße Übereinkunft, an die man sich nur halten muss, sofern man unter Beobachtung steht, während ein Vergehen gegen die Natur auch dann in Wahrheit (δι’ ἀλήθειαν) ein Übel (κακόν) darstellt, wenn es niemand bemerkt.21 Der ›Anonymus Iamblichi‹ preist hingegen gerade ein langfristiges Leben gemäß den Gesetzen als tugendhaft.22 Entgegen derartigen Positionen, die offensichtlich einen Wahrheitsanspruch beinhalten, stellen viele Sophisten die Möglichkeit objektiv wahrer Aussagen grundsätzlich in Frage und vertreten insofern zumindest implizit eine relativistische Position. Dies drückt sich etwa in Protagoras’ berühmtem Homo-mensuraSatz (»Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der Seienden, dass (wie) sie sind, der Nicht-Seienden, dass (wie) sie nicht sind«)23 oder in seinem Zweifel an der Existenz von Göttern24 sowie in Gorgias’ Schrift ›Über das Nichtseiende‹ (Περὶ τοῦ μὴ ὄντος) aus.25 Diese Aussagen gehören in den Kontext einer erkenntnistheoretisch-ontologischen Debatte im Anschluss an Parmenides, an der sich nicht nur diese Sophisten, sondern z. B. auch Hippias26 und die Vorsokratiker Demokrit, Zenon und Melissos beteiligen.27 Die Auseinandersetzung mit den Eleaten prägt 20

  Vgl. allgemein Kerferd  /  Flashar, Die Sopistik, 11–19.   Antipho, DK 87 (80), B 44 (2, p.  346,12–347, 23). 22   Anonymus Iamblichi, DK 89 (82), 2 f. (2, p.  400, 11–401, 32) = Iamblichus, Protrepticus 20 (96, 1–97, 8; 97, 16–98, 13 Pistelli). Die dazwischenliegenden Abschnitte bei Jamblich, welche die φιλοσοφία explizit erwähnen, sollten wegen ihrer anderen Terminologie nicht zu diesem Abschnitt gerechnet werden. 23   Πάντων χρημάτων μέτρον ἐστὶν ἄνθρωπος, τῶν μὲν ὄντων ὡς ἔστιν, τῶν δὲ οὐκ ὄντων ὡς οὐκ ἔστιν. Man beachte zu dieser bei Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 60 (2, p.  15, 22–30 Mutschmann) überlieferten Formulierung, dass die byzantinische Akzentsetzung in ἔστιν eine existentielle Deutung impliziert, die der Sache nach keineswegs selbstverständlich ist. Weitere Belege (teils bei Protagoras, DK 80 (74) B 1) sind z. B. Plato, Theaetetus 152a; Plutarchus, Adversus Colotem 4 (1108  f–1109  b); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 51 (668, 1–3 Marcovich = 693, 14–16 Dorandi). Vgl. Plato, Euthydemus 286c. Vollständigere Stellenliste bei M. Narcy, Protagoras d’Abdère, 1705 f. Zu den komplexen Interpretationsproblemen und Lösungsansätzen vgl. den sehr guten Überblick bei Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 32–38. 24   Plato, Theaetetus 162de; Protagoras, DK 80 (74) B 4 = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 51 (668, 5–8 Marcovich = 693, 18–694, 21 Dorandi); Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 3, 7 (GCS Eus. 8, 2, p.  262, 17–19 Mras). Zu den verschiedenen Formulierungen vgl. Narcy, Protagoras d’Abdère, 1706. 25   Zu den beiden Versionen und ihren verschiedenen Deutungen vgl. Narcy, Gorgias de Leontinoi, 487 f. 26   Plato, Protagoras 315c. Vgl. auch Xenopho, Memorabilia 1, 11. 27   Vgl. Ps.-Hippocrates, De natura hominis 1 (CMG 1, 1, 3, p.  166, 3–11 Jouanna); Isocrates, Helena 2 f.; Plutarchus, Adversus Colotem 4 (1108  f–1109  b) = DK 68 (55), B 156. Dazu 21

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die Position einiger Sophisten so sehr, dass selbst die Grundlage ihres Relativismus, nämlich die Ablehnung des Satzes vom Widerspruch,28 als Radikalisierung parmenideischer Grundgedanken verstanden werden kann.29 Bei einigen Sophisten, wie Thrasymachos in der Schilderung Platons, findet vor diesem Hintergrund offenbar auch eine Relativierung des politischen Gerechtigkeitsbegriffs statt: Das Gerechte sei eine bloß faktische Setzung der Herrschenden im Sinne des für sie Nützlichen, die nicht mehr diskutiert werden kann.30 Einige Sophisten werden von Platon im Ergebnis schließlich so dargestellt, als drehten sie ihren Gesprächspartnern das Wort geradezu im Munde herum, weil sie faktisch ohnehin keinen Schluss mehr für wahrheitserschließend halten.31 Kritiken dieses Typs werden im Übrigen rasch gegen die sophistische Bewegung selbst gewendet.32

3. Verhältnis zur Philosophie Das Auftreten der Sophisten ist für die sich entwickelnde Philosophie insofern brisant, als von einer scharfen Grenze zwischen Philosophie und Sophistik im 5. Jahrhundert nicht die Rede sein kann, wie oben schon aufgezeigt wurde.33 Inhaltlich wird, abgesehen vom gemeinsamen Kontext von Philosophen und Sophisten, auch diskutiert, ob der Sophist Hippias, vielleicht im Anschluss an Protagoras’ Über­ legungen zum Alter der Sophistik, die Philosophie insofern beeinflusst, als er ihre Geschichtsschreibung begründet.34 Der Gebrauch des Wortstamms ›philosoph-‹ durch die Sophisten bestätigt, dass diese ihn nicht in einer klar definierten (oder gar von ihrem eigenen Tun) verschiedenen Weise benutzen: In den ›Zweierlei Thesen‹ (Δισσοὶ λόγοι) werden alle an den rationalen Diskursen der Zeit Teilnehmenden als ›Philosophierende‹ ausführlicher D. Bremer, Von den frühen Philosophen zu den Sophisten, in: GGPh 1, 2 (2013), 949–970, hier 949 f. 28   Plato, Sophista 260cd; Prodicus, apud: Didymus Caecus, In Ecclesiasten 16, 11–18 (1, 1, p.  76–78 Binder  /  Liesenborghs). 29   So jedenfalls Buchheim, Sophistik 32–42; vgl. Aristoteles, Metaphysica 4, 4, 1005b 35–1006a 3. 30   Plato, Respublica 1, 338c–339a. Vgl. zu verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten Narcy, Thrasymaque de Chalcédoine, 1175 f. 31   So durchweg in Platons ›Euthydemos‹, vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 215; J. Söder, Zu Platons Werken, in: Ch. Horn  /  J. Müller  /  J. Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart2 2017, 20–61, hier 37 f. 32   Isocrates, De permutatione 268 f.; Plato, Phaedrus 269e–270a (mit bewusster Neudeutung des Anaxagoras); Guthrie, The Sophists, 15. 33   S. oben S. 149. 34   Vgl. dazu L. Zhmud, Die doxographische Tradition, in: DPhA 1, 1 (2013), 150–171, hier 155 f.; Bremer, Von den frühen Philosophen zu den Sophisten, 963–966; Kerferd  /  Flashar, Sophistik, 66 f. Zu Protagoras s.  Plato, Protagoras 316d.

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Die klassische Epoche

(φιλοσοφοῦντες) bezeichnet,35 also offensichtlich die Sophisten genauso wie die von ihnen offenbar unterschiedenen »Anaxagoreer und Pythagoreer«, die insofern noch nicht tout court als Philosophen apostrophiert werden.36 Eine gewisse Einschränkung könnte die Aussage des Gorgias anzeigen, die »Gefechte der Philosophen« (ἁμίλλαι τῶν φιλοσόφων) zeigten, indem sie einen raschen Wechsel von Ansichten hervorbrächten, ebenso wie die Argumente (λόγοι) der »Meteorologen« und die »notwendigen Kämpfe mithilfe von Argumenten« (ἀναγκαῖοι διὰ λόγων ἄγωνες) vor der Menge, die Macht des Logos, jemanden durch Überredung zu nicht haltbaren Meinungen zu bringen.37 Hier sind mit ›Philosophen‹ offensichtlich agonal gegeneinander antretende Redner gemeint, welche rein zu Schauzwecken gegensätzliche Positionen einnehmen und verteidigen können.38 Da dies auch eine typisch sophistische Tätigkeit ist, muss man deren Abgrenzung von den ›Meteorologen‹ wohl eher als inhaltliche Auseinandersetzung denn als strikte Unterscheidung zweier verschiedener Diskurse verstehen. Mit der unmittelbar folgenden Behauptung, der Logos sei ein »Heilmittel« (φάρμακον), das unterschiedlich gebraucht werden könne,39 schließt sich Gorgias an die sich seit Empedokles entwickelnde und bei Demokrit explizit belegte Tradition einer rational begründeten Seelenmedizin an, die Platon auch für Protagoras bezeugt.40

4. Die Rolle der Sophisten im Spannungsfeld Philosophie – Rhetorik – Politik Die beträchtliche politische Wirkung der Sophisten zeigt sich schon daran, dass sie politische Fragen wie den Status von Gesetzen diskutieren und politische Aufträge übernehmen, wenn z. B. Protagoras im Auftrag Athens Gesetze entwickelt41 oder Gorgias und Hippias Gesandtschaften durchführen.42 Vor allem aber machen die Sophisten ein Ausbildungsangebot für Menschen mit Interesse an politischer Aktivität und versprechen mit ihrer »sophistischen Fertigkeit« (σοφιστικὴ τέχνη) eine »politische Fertigkeit« (πολιτικὴ τέχνη) zu vermitteln, die sie auch »Weis35

  Anonymus, Verba duplicia (DK 90) 1, 1.  Anonymus, Verba duplicia (DK 90) 6, 5–8. Missverständlich ist in diesem Punkt Scholz, Bios philosophikos, 43. 37   Gorgias, Helena (DK 82 [76], B 11), 13. 38   Vgl. Scholz, Bios philosophikos, 42; ferner W. Burkert, Platon oder Pythagoras? Zum Ursprung des Wortes Philosophie, in: Hermes 88 (1960), 159–173, hier 173. 39   Gorgias, Helena (= DK 82 (76), B 11), 14. 40   Plato, Protagoras, Vgl. Bremer, Von den frühen Philosophen zu den Sophisten, 956– 958. 41   Diogenes Laertius 9, 50 (667, 6 f. Marcovich = 693, 3 f. Dorandi); vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 28 f. 42   Vgl. Narcy, Gorgias de Leontinoi, 486 f.; Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 64. 36

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heit« (σοφία) nennen.43 In dieser Hinsicht bewerten zwar Sokrates und Platon, so wie andere Athener vor ihnen,44 den erheblichen Einfluss der Sophisten als Lehrer politischer Lebensführung als problematisch.45 Doch bedeutet ihre Kritik keine Ablehnung der Idee einer Tugendlehre für ambitionierte Bürger: Schon Sokrates kritisiert an den Sophisten zwar bestimmte Fehler wie Geldgier und moralische Indifferenz, lehrt aber auf ähnliche Weise wie sie.46 In anderer Weise als die Philosophen schließen sich an die Sophisten die Rhetoren der Antike an. Besonders wichtig ist in dieser Hinsicht Gorgias: Seine erhaltenen Reden ›Helena‹ und ›Palamedes‹ besitzen im Ganzen eher rhetorischen als philosophischen Charakter,47 und er lehrt die Beredsamkeit offenbar in Theorie und Praxis.48 Die Rhetoren der Folgezeit verzichten, nach dem Scheitern von Isokrates’ Versuch, ein gutes politisches Handeln zu lehren,49 offenbar sowohl auf den sokratisch-platonischen Wahrheitsanspruch der Philosophen als auch auf die erkenntniskritischen Spekulationen der Sophisten.

5. Würdigung Die Bedeutung der Sophisten für die Geschichte der Philosophie besteht grundsätzlich darin, dass ihr Auftreten im Athen des 5. Jahrhunderts zu der geistigen Auseinandersetzung führt, an deren Ende Platon, bei dem sie eher als Negativfolie erscheinen, seinen bis heute wirksamen Philosophiebegriff entwickelt. Als positive Ansätze der sophistischen Tätigkeit sind die Reflexion des politischen Betriebs, die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt sowie das Programm, als private Lehrer eine Ausbildung zum guten poli­tischen Handeln für die Oberschicht anzubieten, hervorzuheben. Gerade die inhärente Spannung dieser Punkte lässt aber Größe und Grenze der Sophisten begreifen: Ihre relativistischen Aussagen lassen sich als Ergebnis einer methodischen Reflexion über die Grenzen von Erkenntnis und als Aufkommen einer skeptischen Geisteshaltung der Philosophiegeschichte positiv würdigen. Doch da es den Sophisten offensichtlich nicht gelingt, diese Haltung durch neue Wahrheitskriterien zu überwinden bzw. zu beschränken und so eine positive theoretische Perspektive anstelle der abgelehnten vorsokratischen Positionen anzu43

  Anonymus, Verba duplicia (DK 90) 6, 1–10; Plato, Protagoras 316d; 319a. Zum Modell der τέχνη für politische Bildung vgl. H. Wilms, Techne und Paideia bei Xenophon und Isokrates, Stuttgart  /  Leipzig 1995, 19–46. 44   Vgl. oben S.  150  f. 45   So Jaeger, Paideia 1, 407 f. 46   Vgl. Classen, Xenophons Darstellung der Sophisten, 164 f. 47   Vgl. Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 47; Narcy, Gorgias de Leontinoi, 487 f. 48   Belege bei Kerferd  /  Flashar, Die Sophistik, 48 f. 49   Vgl. unten S.  209  f.

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Die klassische Epoche

bieten, müssen in der so entstehenden Optik letztlich sämtliche Lehrsätze als fragwürdig gelten. Folglich steht das Programm rationaler Welterklärung als Ganzes infrage, das sich seit Thales entwickelt hat. Die sophistische Lehrtätigkeit scheitert demnach daran, dass sie schon methodisch keine plausible rationale Erklärung der politisch relevanten Phänomene und Verhaltensweisen mehr liefern kann. Aus diesem Blickwinkel lässt sich die Kritik eines Platon, Isokrates und Aristoteles als Neubegründung des sophistischen Projekts lesen, für die Oberschicht ein Lehrangebot in gutem Verhalten zu machen – die spätere ›Bildung für Freie‹. Die Kritik will daher eher dem sophistischen Grundanliegen nachkommen, als dass sie dieses ausschaltet. Vor diesem Hintergrund findet dann die Neubewertung des Begriffsfelds philosoph- statt, das trotz seiner anfänglichen Synonymität zu s­ ophist- keinen vergleichbar negativen Klang besitzt.50

50

  Vgl. Burkert, Platon oder Pythagoras?, 173.

170

V. Sokrates als Modell eines Philosophen1

1. Antike und moderne Perspektiven auf die Sokratesfigur Im Gespräch mit den Sophisten bildet sich offenbar die Persönlichkeit des So­ kra­tes heraus, der bis heute als Idealbild des (nicht nur) antiken Philosophen gilt. Die Entwicklung dieses Bildes ist im Detail komplex, zeigt aber durch die Jahrhunderte besonders einen ethischen Schwerpunkt: Das antike Sokratesbild ist in den erhaltenen Quellen zunächst von den positiven, wenn auch divergierenden Berichten seiner Schüler Platon und Xenophon geprägt, während eine Sokrates-kritische Linie nur in Aristophanes’ ›Wolken‹ erhalten ist.2 Diese Werke bilden allerdings nur einen kleinen Rest einer umfangreichen literarischen Debatte. Indem diese in den Jahrzehnten nach Sokrates’ Tod in Vergessenheit gerät, verblasst das Sokrates-Bild und verengt sich auf seine Bedeutung für die philosophische Ethik: Schon Aristoteles betont die Vorliebe des Sokra­tes für die »Ethik, die er behandelt, die Natur im Ganzen aber keineswegs«, hebt aber immerhin noch hervor, Sokrates habe vermittels der Ethik »das Allgemeine gesucht und als erster die Aufmerksamkeit auf Definitionen gerichtet«.3 Für viele antike Philosophen v. a. platonischer, stoischer, kynischer und christlicher Couleur ist allerdings Sokrates in der Folgezeit nur noch ein Muster von Tugend sowie ein Vertreter der These, diese mache ein gutes, philosophisches Leben wesentlich aus. Eine andere Perspektive findet sich etwa bei den Epikureern, die Sokrates aufgrund seiner ironischen, d. h. täuschenden Haltung kritisch sehen.4 1   Neuere wichtige Studien sind beispielsweise Guthrie, Socrates; G. Vlastos, Socrates. Ironist and Moral Philosopher, Cambridge 1991; T. Irwin, Plato’s Ethics, Oxford 1999. Für die Einordnung sind verschiedene Forschungsberichte nützlich: A. Patzer, Einleitung, in: A. Patzer (Hrsg.), Der historische Sokrates, Darmstadt 1987, 1–40; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 141–143; Giannantoni, Les perspectives, 1–19; M. Narcy, Socrate d’Athènes, in: DPhA 6 (2016), 399–417, hier 400–408. 2   Vgl. Giannantoni, Les perspectives, 10 f. Zur Rolle der Sokrates-Figur für die weitere Philosophiedarstellung vgl. allgemein z. B. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 167–172; A. A. Long, Socrates in Later Greek Philosophy, in: D. R. Morrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Socrates, Cambridge 2011, 355–379; J. Sellars, The Art of Living. The Stoics on the Nature and Function of Philosophy, London 2013 (v. a. für die Stoa); für die Spätantike: D. A. Layne, Socrate dans le néoplatonisme, in: DPhA 6 (2016), 417–438. 3   Σωκράτους δὲ περὶ μὲν τὰ ἠθικὰ πραγματευομένου, περὶ δὲ τῆς ὅλης φύσεως οὐθέν, ἐν μέντοι τούτοις τὸ καθόλου ζητοῦντος καὶ περὶ ὁρισμῶν ἐπιστήσαντος πρώτου τὴν διάνοιαν. Aristoteles, Metaphysica 1, 6, 987b 1–4; vgl. Metaphysica 13, 4, 1078b 17–19; 1078b 23–31 und zur Erläuterung D. Ross, in: Aristotle’s ›Metaphysics‹. A Revised Text with Introduction and Commentary by D. Ross 1, Oxford 1948, XXXIII–XLV. 4   Vgl. unten S. 391.

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Die klassische Epoche

Trotzdem verdichtet sich die Verbindung des Sokrates mit der Ethik zu der bei ›Hippolyt‹ und Diogenes Laertios fassbaren lakonischen Behauptung, dass Sokra­ tes die Wende der Philosophie zur Ethik einleite,5 was auch schon hinter Ciceros begeisterter Formulierung steht, Sokrates habe die Philosophie vom Himmel unter die Menschen gebracht.6 Allerdings macht Cicero Sokrates zugleich für die von ihm kritisierte Trennung von Philosophie und Rhetorik verantwortlich.7 Die Sichtweise, in Sokrates einen Wendepunkt der philosophischen Entwicklung zu sehen, beeinflusst auch die moderne Forschung. Hier mögen zwei Beispiele genügen:8 So preist Gabriele Gianantonni, zum Abschluss einer detaillierten Präsentation des Forschungsstandes, Sokrates’ Technik des Erziehens durch Fragen als »die erste und feierlichste Behauptung der Autonomie des moralischen Gewissens, seiner Rechte und seiner Freiheit sowie des autonomen und kritischen Gebrauchs der Vernunft«.9

Dies hat laut Giannantoni auch mit dem Philosophiebegriff zu tun, denn das so­ kra­tische Bekenntnis zum Nichtwissen bilde »den Anfang dessen, was die Griechen mit dem Terminus ›Philosoph‹ bezeichnen«.10 Während diese Rückdatierung eines autonomen Gewissens auf Sokrates immerhin noch den Anspruch aufrechterhält, eine historische These zu sein, beschränkt sich John M. Cooper im Hinblick auf Sokrates von vornherein darauf, »Interpretationen der philosophischen Ansichten einer begrifflichen Person auszuarbeiten und darzulegen«. Dieser begriffliche Sokrates habe »das griechische Wort ›philosophia‹ im Sinne von »Philosophie« gebraucht, »verstanden als bewusst einem strengen Vernunftgebrauch und rational disziplinierter Untersuchung verpflichtet, so wie wir sie, in der Nachfolge meines begrifflichen Sokrates, verstehen«.11 5   ›Hippolytus‹, Refutatio, 1 Index 4; 1, 5, 1; 1, 17, 1 (GCS Hipp. 3, p.  1, 10; 10, 11; 18, 22 f.); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 14; 2, 16 (12, 17; 102, 13 f. Marcovich = 74, 151; 159, 6 f. Dorandi). Vgl. Giannantoni, Socrate e i Socratici, 201–204. 6   Cicero, Tusculanae disputationes 5, 10 f. 7   Cicero, De oratore, 3, 59–61; vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 311 f. 8   Für detaillierte Darstellungen des Forschungsstandes vgl. Patzer, Einleitung; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 141–145; Giannantoni, Les perspectives; Narcy, Socrate, 400–408. 9   »La première et la plus solennelle des affirmations de l’autonomie de la conscience morale, de ses droit et de sa liberté, ainsi que de l’usage autonome et critique de la raison«. Giannantoni, Les perspectives, 16. 10   Vgl. Giannantoni, Les perspectives, 14 f. 11   »Under these confusing circumstances it seems best not to attempt to solve the ›Socratic Problem‹ […]. Better to restrict ourselves, for our purposes, to working out and presenting interpretations of the philosophical views of a notional person. […] Originally, the Greek word ›philosophia‹ […] was not restricted to philosophy, conceived as self-consciously devoted to rigorous reasoning and rationally disciplined inquiry, as we, following

172

Sokrates als Modell eines Philosophen

Hier verblasst Sokrates, weitgehend losgelöst von den Quellen, zur Chiffre eines Neubeginns einer (jedenfalls aus antiker Sicht) ziemlich eng definierten Philosophie. Für unsere Frage gilt es, sich in Anbetracht derartig pathetischer Projektionen eigener Werte auf Sokrates vor Augen zu halten, dass dessen Schlüsselstellung in der neueren Forschung auch als solche zur Debatte steht, wenn z. B. Foucault Platon, und nicht Sokrates, für den großen Grenzzieher zwischen der Philosophie und ihren Nachbargebieten hält.12

2. Der historische Sokrates: Philosophische Frageperspektiven Eine Stellungnahme zur Rolle des Sokrates für die Entwicklung des Selbstverständnisses der Philosophie kann nur in einem Versuch bestehen, dessen eigenen Beitrag zur Entwicklung zu erheben und zu bewerten. Hierzu ist, mit Schleiermachers bahnbrechendem Aufsatz ›Ueber den Werth des Sokrates als Philosophen‹ von 1818, daran zu erinnern, dass der »philosophische Gehalt«, der mit Sokrates zu verbinden ist, nicht losgelöst von seinem »geschichtlichen Standpunkt« zu ermitteln ist,13 welcher im Übrigen seinerseits nicht mit dem geschichtlichen Standpunkt Platons zusammenfällt. Entgegen einer ostentativ betriebenen »Historisierung« der Sokrates-Figur14 gilt es dabei zudem, Fragen zu stellen, die Sokrates als Philosophen zu verstehen suchen: Lebt Sokrates tatsächlich ein ›philosophisches Leben‹ und will er das überhaupt? Was genau hat man unter einem ›sokratischen Gespräch‹ zu verstehen? Wie unterscheidet es sich von der Aktivität der Sophisten? Welche Funktion hat bei Sokrates der Tugendbegriff und wie verhält er sich zur menschlichen Vervollkommnung? Welche Rolle spielt bei ihm das Verhältnis der Tugend eines guten Bürgers zur Tugend eines guten Menschen? Handelt es sich beim sokratischen Nichtwissen um eine Art generellen Skeptizismus oder eher um einen Modus der Gesprächsführung? Lässt sich vor diesem Hintergrund die sokratische Ironie positiv würdigen oder geht der Terminus eher auf die Kritik der Zeitgenossen zurück? Inwieweit hat Sokrates’ Wirken eine politische und religionskritische Dimension?

my notional Socrates, conceive it«. J. M. Cooper, Pursuits of Wisdom. Six Ways of Life in Ancient Philosophy from Socrates to Plotinus, Princeton 2012, 29 f. 12   Vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 312 f. 13   Vgl. F. D. E. Schleiermacher, Ueber den Werth des Sokrates als Philosophen (1818), in: Patzer (Hrsg.), Der historische Sokrates, 41–58, hier 49 f. 14   Giannantoni, Les perspectives, 6, spricht warnend von einer »historisation radicale de la figure de Socrate«.

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Die klassische Epoche

3. Der historische Sokrates: Die Quellen und ihre relative Bedeutung Zur Beantwortung solcher Fragen sollen im Folgenden einige Hauptlinien gesammelt und diskutiert werden, die man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit tatsächlich auf den historischen Sokrates zurückführen kann. Einen Ausgangspunkt muss eine Bewertung des Quellenbestands bilden. Traditionell werden dabei häufig vier Hauptquellen zu Sokrates genannt:15 1)  Die platonischen Frühdialoge inklusive der ›Apologie‹. Hierbei sind im Großen und Ganzen solche Dialoge bzw. solche Aspekte und Lehren auszuschließen, welche erkennbar platonische Ansichten beinhalten, insbesondere die Ideenlehre. Häufig werden daher einige ›sokratische Frühdialoge‹ Platons, v. a. ›Charmides‹, ›Laches‹, ›Lysis‹, ›Gorgias‹ und ›Protagoras‹, als Quellen für den historischen Sokrates akzeptiert,16 ohne sie einer historischen Darstellung gleichzusetzen, die keine weitere Analyse erfordert; manche Interpreten, z. B. Gregory Vlastos, ziehen sogar noch bestimmte Passagen aus weiteren Dialogen heran.17 Eine Sonderstellung nimmt die ›Apologie‹ ein, die häufig gerade aufgrund der Tatsache, dass sie in vielen Punkten von den Dialogen abweicht, als besonders zuverlässige Quelle für die Sokratesgestalt gilt.18 2)  Die Berichte über Sokrates, die sich in den ›Memorabilien‹ sowie weiteren Werken Xenophons finden: Auch hier werden zahlreiche Gespräche des Sokrates referiert, doch fehlen einige Merkmale des platonischen Sokrates, z. B. die Ironie, weitgehend oder sind zumindest weniger stark ausgeprägt.19 Nach einer Forschungsperiode, die Xenophon als besonders authentische Quelle für den historischen Sokrates ansah, ist man heute demgegenüber eher zurückhaltend, da sich gezeigt hat, dass Xenophon seine Erinnerungen erst 30–40 Jahre nach Sokrates’ Tod nach seiner Rückkehr nach Athen niedergeschrieben hat.20

15

  Vgl. zu den Quellen v. a. Patzer, Einleitung, 11; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 143–

145. 16

  Es ist möglich, dass einige dieser Dialoge noch zu Lebzeiten des Sokrates entstanden sind: Vgl. E. Heitsch, in: Platon, ›Apologie des Sokrates‹. Übersetzung und Kommentar von E. Heitsch, Göttingen 22004, 181–189. 17   Vgl. z. B. Vlastos, Socrates, 251. Kritisch dazu z. B. Ch. Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, Cambridge 1996, 74 f. Generell spielt Platon vor allem in der angelsächsischen Forschung die wichtigste Rolle in der Sokratesforschung: Döring, Sokrates, die Sokratiker, 142, wovon Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, eine gewisse Ausnahme bildet. 18   Vgl. z. B. die Erklärung dieses Punktes bei K. Döring, Der Sokrates der platonischen Apologie und die Frage nach dem historischen Sokrates, in: Würzburger Jahrbücher NF 13, 1987, 75–94 (Nachdruck in: K. Döring, Kleine Schriften zur antiken Philosophie und ihrer Nachwirkung, Stuttgart 2010, 141–159); Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, 88–97; kritischer z. B. Narcy, Socrate d’Athènes, 414 f. Zum Verhältnis von Platons Darstellung und dem historischen Sokrates vgl. auch Irwin, Plato’s Ethics, 13–15. 19   Vgl. dazu Vlastos, Socrates, 30–32; anders Döring, Sokrates, die Sokratiker, 163 f. 20   Vgl. Patzer, Einleitung, 7–13; Giannantoni, Les perspectives, 3 f.

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3)  Die ›Wolken‹ des Aristophanes und Reste anderer Athener Komödien.21 Der entscheidende Vorteil dieser Darstellungen ist, dass sie zu Lebzeiten des So­ kra­tes – und lange, bevor Platon ihn kennenlernte – entstehen und an ein Publikum gerichtet sind, das Sokrates persönlich kennt. Problematisch ist freilich, abgesehen von der wenig philosophischen Ausrichtung der Komödien, dass deren Verfasser mit volkstümlichen Vorstellungen seltsamer Gelehrter spielen, weswegen sie für die spezifische Gestalt einzelner und ihre Interessen wenig ergiebig sind.22 Immerhin spielt Aristophanes recht deutlich auf das arme Auftreten des Sokrates sowie seine Frömmigkeit an, die ihn zu einer besonderen Figur machen.23 4)  Die Berichte des Aristoteles über Sokrates’ Leben24 oder von ihm vertretene philosophische Inhalte, die auf Gewährsleute zurückgehen könnten, die Sokrates noch persönlich kannten. Mit Übernahmen von Platon oder Xenophon ist zwar zu rechnen, doch lassen sich einige Berichte über Sokrates nicht einfach auf erhaltene Quellen zurückführen.25 Neben diesen recht bekannten Quellen werden verstärkt auch weitere, bisher vernachlässigte antike Nachrichten über Sokrates erforscht und herangezogen:26: 5)  Die Fragmente und die Lehre der sogenannten ›frühen‹ oder ›kleinen‹ So­kra­tiker, d. h. der Sokratesschüler Antisthenes, Aristipp, Euklid von Megara, Phaidon von Elis und Aischines von Sphettos, die ihrerseits sokratische Dialoge oder andere Berichte über ihn verfassen, von welchen mehr oder weniger geringe Reste erhalten sind. 6)  Zeugnisse der Sokrates-kritischen Tradition des 4. Jahrhunderts, namentlich die in etwa rekonstruierbare anti-sokratische posthume Anklage des Polykrates27 sowie die Fragmente der Biographie des Peripatetikers Aristoxenos, der angibt, sich auf Informationen von Sokrates’ Zeitgenossen Spintharos zu stützen.28 Die besondere Bedeutung dieser Zeugnisse liegt nach einigen neueren Ansätzen in zweierlei: Zum einen bezeugen sie die Ambivalenz, mit welcher die Zeitgenossen Sokrates wahrnehmen. Zum anderen lassen sie sich vor allem mit Pla21   Vgl. z. B. die von Diogenes Laertius gesammelten Zitate, vgl. die Zusammenstellung bei Giannantoni, Socrate e i Socratici, 191 f. 22   So Giannantoni, Les perspectives, 5 f.; Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 140 f. S. oben S. 149. 23   Aristophanes, Nubes 360–363, im Vergleich mit dem Sophisten Prodikos. 24   Vgl. dazu K. Döring, Biographisches zur Person des Sokrates im Corpus Aristotelicum, in: M. Erler  /  St. Schorn (Hrsg.), Die griechische Biographie in hellenistischer Zeit. Akten des internationalen Kongresses vom 26.–29. Juli 2006 in Würzburg  /  Berlin u. a. 2007, 257–267 (Nachdruck in: Döring, Kleine Schriften, 209–219). 25   Vgl. für Details Ross, in: Aristotle’s ›Metaphysics‹, 933–945 (dazu oben S. 171), sowie unten S.  180 zur sokratischen These, dass derjenige, der das richtige Wissen besitzt, auch richtig handelt. 26   Vgl. zu älteren Entwicklungen bereits Patzer, Einleitung, 16–24. 27   S. oben S. 148 und 152. 28   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 144; St. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie und Historiographie, Berlin  /  Boston 2018, 126–142.

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tons Darstellung vergleichen und können dabei helfen, die Züge des platonischen Sokratesbilds zu isolieren, welche tatsächlich auf den historischen Sokrates zurückgeführt werden können.29 Vor diesem Hintergrund wird die immer noch vertretene Behauptung, dass ein Zugriff auf diesen prinzipiell nicht möglich sei und die einzelnen Zeugnisse allenfalls in sich studiert werden könnten,30 dem engen Zusammenhang der zeitlich und räumlich recht nahe liegenden, aber keinesfalls durchweg voneinander abhängigen Quellen nicht gerecht. Hierfür ist vor allem ein Vergleich der platonischen ›Apologie‹ mit den relativ umfangreichen Fragmenten der sieben authentischen Dialoge des Aischines von Sphettos wichtig, denen nachgesagt wird, »die sokratische Gewohnheit (im Gespräch) abzubilden« (τὸ Σωκρατικὸν ἦθος ἀπομεμαγμένοι).31 Zudem ist Ais­ chines, obwohl es Berührungen auf literarischer Ebene gibt,32 keiner besonderen Nähe zu Platon verdächtig.33 Trotzdem weisen ihre Werke, wie gleich näher zu zeigen ist,34 beachtliche Gemeinsamkeiten auf.

29   Vgl. Vlastos, Socrates, 81, 105 f.; Döring, Der Sokrates der platonischen Apologie; K. Döring, Der Sokrates des Aischines aus Sphettos und die Frage nach dem historischen Sokrates, in: Hermes 112 (1984), 16–30 (Nachdruck in: Döring, Kleine Schriften, 195–208), hier 142; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 142; Giannantoni, Les perspectives, 12–14. 30   Vgl. L.-A. Dorion, The Rise and Fall of the Socratic Problem, in: Morrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Socrates, 1–23, v. a.; 18–21; andererseits die kritisch kommentierende Zusammenfassung bei Narcy, Socrate d’Athènes, 405–408. 31   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 61 (134, 7–10 Marcovich = 187, 17–188, 20 Dorandi); vgl. Ps.-Demetrius Phalereus, De elocutione 297 (p.  81 Chiron); Panaetius, apud: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 64 (136, 1–3 Marcovich = 189, 47–49 Dorandi). Die Kombination aus ›Apologie‹ und den Aischines-Fragmenten als Grundlage eines Bildes vom historischen Sokrates vertreten Döring, Sokrates, die Sokratiker, 206, und Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, 90–97. Einen Überblick über die noch rekonstruierbaren Inhalte von Aischines’ Dialogen gibt Döring, Sokrates, die Sokratiker, 203–206, eine neue Sammlung der Fragmente liegt nun vor: Pentassuglio, Eschine di Sfetto. 32   Vgl. Gh. Pascalau, Honig und Milch aus vertrockneten Brunnen. Eine dionysische Metapher bei Platon und Aischines von Sphettos, in: F. de Luise  /  A. Stavru, Socratica 3. Studies on Socrates, the Socratics, and the Ancient Socratic Literature, Sankt Augustin 2013, 233–243. 33   Er scheint Beziehungen zu Aristipp zu unterhalten, vgl. Giannantoni, Socrate e i Socratici, 208–210; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 202. 34   Im Anschluss an Döring, Der Sokrates des Aischines.

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4. Ein philosophisches Leben? Biographisches zu Sokrates35 Sokrates wird vermutlich als Athener Bürger um 469 v.  Chr. geboren und führt als solcher den Steinmetzbetrieb seines Vaters Sophroniskos weiter.36 Auf diese Weise verfügt er über genug Kapital, um sich – wie es von einem Athener Vollbürger verlangt wird – auf eigene Kosten als schwerbewaffneter Soldat (Hoplit) an mehreren Feldzügen zu beteiligen, bei denen er sich offenbar durch seine Tapferkeit auszeichnet. Überliefert werden Ehen mit zwei Frauen, nämlich Xanthippe, der Zänkischkeit nachgesagt wird, sowie einer Myrto. Von beiden, die möglicherweise Haupt- und Nebenfrau sind, hat er insgesamt drei Kinder.37 Die Anfänge von Sokrates’ Beschäftigung mit philosophischen Lehren sind unklar: Einerseits wird Aspasia als seine Lehrerin bezeichnet, andererseits suggerieren Aristophanes und Platons ›Phaidon‹, dass Sokrates auch eine Zeitlang, wohl als Schüler des Archelaos, naturphilosophischen Interessen nachgeht.38 Ende der 420er Jahre ist Sokrates offenbar in Athen wohlbekannt, da er, nach dem Zeugnis der platonischen Dialoge, der xenophontischen ›Memorabilien‹ sowie der Dialoge seiner weiteren Schüler, in konstantem Austausch und kritischer Auseinandersetzung mit den Sophisten junge Menschen von ihren eigenen Defiziten sowie der Notwendigkeit, sich weiter zu entwickeln, überzeugt. Sokrates nimmt hierfür offenbar kein Geld und kleidet sich ärmlich; über seinen Vermögensstand sind wir freilich nicht informiert.39 Sein Umfeld umfasst ganz unterschiedliche Charaktere,40 von denen nicht alle, vor allem nicht der ambitionierte Alkibiades, eine politisch positive Rolle spielen.41 Als Mitglied der Athener Volksversammlung lehnt Sokrates 406 v.  Chr. als einziger die Hinrichtung einiger erfolgloser Feldherren ab. Nach der Niederlage Athens im peloponnesischen Krieg versuchen die sogenannten 30 Tyrannen, Sokrates in ihre Verbrechen zu verstricken, was dieser entschieden zurückweist.42 Nach Wiederherstellung der Demokratie wird er jedoch vor einem Volksgericht angeklagt, nicht an die Götter zu glauben sowie die Jugend zu verderben.43 Sokra35

  Die Quellen hinter der folgenden Darstellung sind detailliert dokumentiert bei Döring, Sokrates, die Sokratiker, 146–155; Narcy, Socrate d’Athènes, 408–415. Nur zu Einzelpunkten wird explizit auf deren Wertung verwiesen. 36   Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 18 (103, 16 Marcovich = 161, 1 Dorandi). 37   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 148; Narcy, Socrate d’Athènes, 410 f. 38   Plato, Phaedo 97b–99c; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 45 (123, 8–14 Marcovich = 177, 321–327 Dorandi). Vgl. Giannantoni, Socrate e i Socratici 200–203; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 147; Narcy, Socrate d’Athènes, 412 f. 39   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 149; Narcy, Socrate d’Athènes, 413 f. 40   Vgl. das treffende Porträt des Kreises bei L. Brisson  /  R. Goulet, Platon. Biographie, in: DPhA 5b (2012), 631–639, hier 635 f. 41   Zu Xenopho, Memorabilia 1, 2, 12–48 vgl. Narcy, Polycrate d’Athènes, 1251. 42   Zu beidem vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 150. 43   Die Klageschrift ist überliefert bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 40 (119, 17–120, 1 Marcovich = 174, 261–265 Dorandi).

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tes verteidigt sich hiergegen selbst, ohne die ihm angebotene Hilfe des professionellen Redners Lysias in Anspruch zu nehmen,44 und stellt sein Wirken als eine Art göttlichen Auftrag dar. Zum Tode verurteilt, erhält er die Gelegenheit zu fliehen, die er aber nicht nützt, um sich der gesetzmäßigen Strafe nicht zu entziehen. Da das Todesurteil erst nach einiger Zeit vollstreckt wird – nämlich nach der Rückkehr des heiligen Schiffes von der Insel Delos –, hat Sokrates noch Gelegenheit, sich von seinen Freunden und Schülern zu verabschieden, bevor er – nach Platons Schilderung im ›Phaidon‹ – mit vorbildlicher Gelassenheit bereitwillig aus dem Leben scheidet.

5. Systematische Thesen des Sokrates Damit ist nun ein Hintergrund geschaffen, um einige sokratische Thesen, die von mehreren Quellen bestätigt werden, herauszuarbeiten und einzuordnen:45 a)  Sittliche Verbesserung und Selbstsorge: Ein zentrales Anliegen des Sokrates besteht demnach darin, seine Gesprächspartner anzuregen, ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten: »Ich versuche, einen jeden von Euch zu überzeugen, dass er sich um nichts von dem ihm Zugehörigen sorgt, bevor er sich um sich selbst gesorgt hat, auf dass er möglichst gut und einsichtig sei, und um nichts von dem der Polis Zugehörigen vor der Polis selbst«.46

Die Sorge um sich selbst wird, zum Teil bis in die Formulierung hinein, in einem Fragment der sokratischen Dialoge des Aischines von Sphettos für Sokrates bestätigt: »Was glaubst Du also«, dass ihr Wissen »den Schlechten nützt, d. h. denen, die in keiner Sorge um sich selbst stehen?«47 An einer weiteren Stelle der ›Apologie‹ wird betont, dass man »sich weder zuerst noch so intensiv um Körper oder um Besitztümer sorgen solle wie um die Seele, dass sie so gut wie möglich sei«.48 Demnach kann die Sorge um sich selbst, um die eigene Seele oder um die eigene sittliche Verbesserung als ein Kernanliegen des Sokrates festgehalten werden, zu 44

  Vgl. Narcy, Polycrate d’Athènes, 1250.   Ein anderer Vorschlag aufgrund ähnlicher Quellen findet sich bei Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, 90–95. 46   Ἐπιχειρῶν ἕκαστον ὑμῶν πείθειν μὴ πρότερον μήτε τῶν ἑαυτοῦ μηδενὸς ἐπιμελεῖσθαι πρὶν ἑαυτοῦ ἐπιμεληθείη ὅπως ὡς βέλτιστος καὶ φρονιμώτατος ἔσοιτο, μήτε τῶν τῆς πόλεως, πρὶν αὐτῆς τῆς πόλεως. Plato, Apologia 36c. 47   Τί οὖν οἴει τοῖς τε φαύλοις τῶν ἀνθρώπων καὶ ἐν μηδεμιᾷ ἐπιμελείᾳ ἑαυτῶν οὖσιν. Aeschines Sphettensis, apud: Aelius Aristides, Oratio 3, 348 (2, p.  288 Trapp) = SSR VI A 50, 41 f. Zur Rolle des Aischines vgl. Döring, Der Sokrates des Aischines, 16–30. 48   Μήτε σωμάτων ἐπιμελεῖσθαι μήτε χρημάτων πρότερον μηδὲ οὕτω σφόδρα ὡς τῆς ψυχῆς ὅπως ὡς ἀρίστη ἔσται. Plato, Apologia 30b. 45

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dem er seine Gesprächspartner bzw. alle Bürger Athens anhalten will.49 Alle drei genannten Formulierungen stehen in engem Zusammenhang miteinander: Wenn Sokrates die Sorge um sich selbst in eine Opposition zu anderen Gütern und zu Menschen stellt, die sich um diese sorgen – und evtl. zu den sophistischen Lehrern, die eine solche Sorge empfehlen –, wird deutlich, dass der Aufruf zur Selbstsorge zugleich ein Aufruf zu einer sittlichen Besserung ist, mit der Sokrates die ganze Stadt Athen erreichen will. In dieser Hinsicht kann man Sokrates’ Aufforderung zur Selbstbildung als Ausdruck des philosophischen Lerneifers lesen, den bereits Perikles nach der Darstellung bei Thukydides allen Athener Bürgern nahelegt. b) Tugend als Grundlage des Glücklichseins: Die sittliche Perspektive der Selbstsorge konkretisiert sich in der Aufforderung zu einem Leben in Tugend (ἀρετή). So soll die Selbstsorge zum einen auf »Klugheit und Wahrheit und auf die Seele, auf dass sie so gut wie möglich sei«, abzielen.50 Zum anderen ist insbesondere die Gerechtigkeit zentral, die nach dem Sokrates der ›Apologie‹ wichtiger ist als jeder andere Wert, ja sogar als das Leben selbst: »Du sprichst nicht richtig, Mensch, wenn Du glaubst, ein Mensch, der auch nur einen kleinen Nutzen hat, dürfe die Gefahr zu leben oder zu sterben in die Abwägung einfließen lassen, und nicht nur dies allein, wenn er etwas tut, betrachten, ob er Gerechtes oder Ungerechtes tut, oder die Taten eines guten oder schlechten Menschen«.51

Dieser unbedingte Vorrang eines guten Lebens im Vergleich zum Leben selbst, den wiederum auch andere Passagen nahelegen,52 impliziert, dass Sokrates bereits ein gutes bzw. tugendhaftes menschliches Leben mit einem glücklichen identifiziert, also das Konzept der Eudaimonie vorwegnimmt, das erstmals bei Platon (bzw. beim platonischen Sokrates im ›Symposion‹) klar ausformuliert auftritt und seit Aristoteles zu einem Leitkonzept der antiken Philosophie wird.53 Zwar begegnet dieses Konzept in der ›Apologie‹ noch nicht ausdrücklich, aber da auch die anderen Sokratiker die zentrale Rolle einer sittlich-charakterlichen Entwicklung hervorheben,54 kann man die Verbindung von Tugend und Eudaimonie als eine zumindest implizite Position des historischen Sokrates ansehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sokrates anderen Gütern außer der Tugend jeden Wert für 49

  Vgl. z. B. F. Ricken, Philosophie der Antike, Stuttgart  /  Berlin  /  Köln 32000, 71 f.   Φρονήσεως δὲ καὶ ἀληθείας καὶ τῆς ψυχῆς ὅπως ὡς βελτίστη ἔσται. Plato, Apologia 29e. Vgl. zu diesen Stellen Döring, Der Sokrates der platonischen Apologie, 76–79. Die Übersetzung beider Stellen lehnt sich an diejenige Dörings an. 51   Οὐ καλῶς λέγεις, ὦ ἄνθρωπε, εἰ οἴει δεῖν κίνδυνον ὑπολογίζεσθαι τοῦ ζῆν ἢ τεθνάναι ἄνδρα ὅτου τι καὶ σμικρὸν ὄφελός ἐστιν, ἀλλ’ οὐκ ἐκεῖνο μόνον σκοπεῖν ὅταν πράττῃ, πότερον δίκαια ἢ ἄδικα πράττει, καὶ ἀνδρὸς ἀγαθοῦ ἔργα ἢ κακοῦ. Plato, Apologia 28b. Vgl. Döring, Der Sokrates der platonischen Apologie, 77 f. 52   Weitere Belegstellen sind: Plato, Apologia 28d; Plato, Crito 48b–d. Vgl. Vlastos, Socrates, 209 f., 213 f. 53   Plato, Symposium 205a. Vgl. Vlastos, Socrates, 205 f. 54   Vgl. Döring, Der Sokrates der platonischen Apologie, 85–87. 50

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die Eudaimonie abspricht, doch werden sie erst durch diese wirklich wertvoll.55 Die Tatsache, dass sowohl sein Schüler Aristipp als auch der Sokrates des platonischen ›Protagoras‹ die Freude (ἡδονή) als das Lebensziel bestimmen, das mit richtigem Wissen verbunden werden kann bzw. durch Tugend zu erstreben ist, spricht allerdings dafür, dass Sokrates noch keine Abgrenzung von Glücklichsein (εὐδαιμονία) und Freude vornimmt, wie sie sich später bei Platon und Aristoteles finden.56 c)  Identifizierung von Tugend und Wissen: Eine bekannte und einflussreiche These betrifft die Identität von Tugend, Wissen und richtigem Handeln. Zumindest in Platons ›Protagoras‹ und Aristoteles’ ›Nikomachischer Ethik‹ wird es als Sokrates’ Position angegeben, dass jemand, der über das richtige Wissen verfüge, auch richtig handle, und jemand, der nicht richtig handle, folglich nicht über das richtige Wissen verfüge.57 Bestätigt wird eine solche herausgehobene Rolle des Wissens durch den Sokratiker Aischines, der Sokrates sagen lässt, dass für Themistokles, den Sieger über die Perser, »Wissen und keinerlei […] Zufall zur Ursache von allen diesen Werken, die er tat, geworden ist«.58 Wenn Sokrates demnach annimmt, Wissen sei in sich eine notwendige und hinreichende Bedingung für gutes Handeln, so ist, nach dem Gesagten, eine Verbindung zur Tugend unabdinglich. Sie kann man in Platons ›Menon‹ bestätigt finden, wenn die Figur des Sokrates behauptet, Wissen sei für die Tugend erforderlich.59 Eine Identifizierung von Tugend und Wissen kann auch erklären, warum Sokrates offenbar, nicht anders als viele Sophisten, meint, Tugend sei lehr- und lernbar.60 Offen lassen die Quellen allerdings, welche Art von Wissen diese handlungsleitende Funktion besitzt, wo seine Grenzen liegen – Aischines’ Sokrates zufolge konnte Themistokles etwa seine eigene Verbannung damit nicht verhindern61 – und wie es erworben werden kann. Dies gehört zu den wichtigsten Problemen, die Sokrates der antiken Philosophie hinterlässt und die deren verschiedene Entwürfe durchgängig prägen.62 55

  Plato, Apologia 30b. Vgl. Vlastos, Socrates, 214–232, sowie, mit anderer Akzentuierung, Irwin, Plato’s Ethics, 67 f. 56   Vgl. Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, 1996, 17 f.; M. Erler, Kontexte der Philosophie Platons, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 64–104, hier 85. 57   Vgl. Plato, Protagoras 356c–357e; Aristoteles, Ethica Nicomachaea 7, 3, 1145b 23– 27. Vgl. dazu z. B. J. Müller, Willensschwäche in Antike und Mittelalter: Eine Problemgeschichte von Sokrates bis Johannes Duns Scotus, Leuven 2000, 26–73, 124–130. 58  Ἐπιστήμην αὐτῷ τῶν πραγμάτων ἁπάντων, καὶ μηδεμίαν τύχην ἀξιῶν αἰτίαν γεγενῆσθαι. Aeschines Sphettensis, apud: Aelius Aristides, Oratio 3, 348 (2, p.  288 Trapp) = SSR VI A 50, 45 f. 59   Plato, Meno 88c–89b. 60   Vgl. Eucken, Isokrates, 18–26, zu Isocrates, Helena 2; Contra Sophistas 21. 61   Aeschines Sphettensis, apud: Aelius Aristides, Oratio 3, 348 (2, p.  288 Trapp) = SSR VI A 50, 39 f. 62   Vgl. Hadot, Qu’est ce que la philosophie antique?, 84 f.

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d)  Sokratische Unwissenheit: Zentral ist weiterhin die sokratische Idee des wissenden Nichtwissens: In der ›Apologie‹ wird sie eingeführt als erstaunte Reak­ tion auf einen Orakelspruch aus Delphi, dass Sokrates der weiseste aller Menschen sei, was dieser aber zurückweist: »Ich bin mir weder im Großen noch im Kleinen bewusst, weise zu sein«.63 Erst nachdem er erfolglos durch viele Gespräche versucht hat, einen Weiseren zu finden, kommt Sokrates zu dem Schluss: Jeder andere »glaubt, etwas zu wissen, weiß es aber nicht, ich aber, so wie ich es auch nicht weiß, glaube dies auch nicht«.64 Hierin besteht demnach diejenige Weisheit, die Sokrates sich vorher, in Abgrenzung zu göttlichem Wissen, aber wohl auch zu naturwissenschaftlichem Wissen im Sinn der Vorsokratiker, als »menschliche Weisheit« (ἀνθρωπίνη σοφία) zuschreibt.65 Auch bei Aischines von Sphettos wird der Zusammenhang von persönlicher Unwissenheit und Lehre bestätigt: »Ich, der ich kein Lehrgebiet verstehe, durch dessen Unterweisung ich einem Menschen nutzen könnte, glaube gewiss, dass ich Alkibiades durch Zusammenleben mit ihm wegen der Liebe besser machen kann«.66

Auch bei anderen Sokratikern wie Aristipp, Eukleides von Megara und Antisthenes finden sich erkenntnisskeptische Elemente, während Platon und Xenophon diese, wohl im Zusammenhang mit ihren Kenntnissen von Sokrates und ihren eigenen Überzeugungen, nur teilweise zeigen.67 Das sokratische Nichtwissen als solches erscheint jedenfalls bei Platon und Aischines weniger als erkenntnisskeptische These denn als Mittel dialogischen Agierens, wie es in den platonischen Frühdialogen vorgeführt wird, in denen regelmäßig offenbleibt, ob Sokrates die Antwort auf seine diversen Fragen weiß.68

6. Sokratische Gesprächsführung und Ironie Dadurch wird noch einmal deutlich, dass Sokrates’ Art und Weise der Dialogführung, die als ›sokratisches Gespräch‹ geradezu topisch geworden ist, ein wesentliches Element seiner philosophischen Aktivität darstellt. Es handelt sich dabei, so wie es Platon darstellt, nicht um eine Belehrung durch Frage und Antwort, durch 63

  Ἐγὼ γὰρ δὴ οὔτε μέγα οὔτε σμικρὸν σύνοιδα ἐμαυτῷ σοφὸς ὤν. Plato, Apologia 21b.   Οὗτος μὲν οἴεταί τι εἰδέναι οὐκ εἰδώς, ἐγὼ δέ, ὥσπερ οὖν οὐκ οἶδα, οὐδὲ οἴομαι. Plato, Apologia 21d; vgl. 29ab. 65   Plato, Apologia 20de. Das naturwissenschaftliche Wissen wurde bereits vorher (19c) erwähnt. 66   Ἐγὼ οὐδὲν μάθημα ἐπιστάμενος ὃ διδάξας ἄνθρωπον ὠφελήσαιμ’ ἂν, ὅμως ᾤμην ξυνὼν ἂν ἐκείνῳ διὰ τὸ ἐρᾶν βελτίω ποιῆσαι. Aeschines Sphettensis, apud: Aelius Aristides, Oratio 2, 74 (1, p.  388 Trapp) = SSR VI A 53, 26 f. 67   Vgl. Der Sokrates der platonischen Apologie, 87–94. 68   Vgl. Hadot, Qu’est ce que la philosophie antique?, 46–56. 64

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die der Schüler, der um Belehrung bittet, die Lehre des Meisters nachvollzieht, wie es z. B. die Dialoge des Augustinus sind. Vielmehr erschüttert das sokratische Gespräch das Selbstvertrauen der Gesprächspartner in das eigene Wissen, was im Endeffekt dazu dienen dürfte, deren Charakterbildung indirekt voranzutreiben.69 Daher geht es in einem solchen Gesprächsgang zunächst darum, die Überzeugungen des Gesprächspartners als inkohärent zu erweisen.70 Zu den Mitteln, die diesen grundlegenden Wandel beim Gesprächspartner hervorrufen wollen, gehört auch die sogenannte sokratische Ironie, welche man, breit gesprochen, darin sehen kann, dass Sokrates falsche oder übertriebene Aussagen trifft, um seine Gesprächspartner z. B. durch übertriebenes Lob zu verunsichern oder sich selbst auf humorvolle Weise einem Einwand zu entziehen. Als Beispiele kann man das Lob des seine Wichtigkeit und Vielbeschäftigtheit betonenden Hippias bei Platon anführen, dem gesagt wird, genau dies sei »wahrhaft weise« (τὸ τῇ ἀληθείᾳ σοφόν),71 oder den Hinweis des xenophontischen Sokrates an die schöne Theodote, er habe auch eigene Freundinnen zu Haus, und aufgrund seines Liebeszaubers würden auch Apollodoros und Antisthenes nicht von seiner Seite weichen.72 In der Forschung ist hierzu einerseits umstritten, ob schon der historische Sokrates tatsächlich derartig ironisch agiert, andererseits auch, was genau die sokratische Ironie ausmacht und wie wichtig sie für ihn ist.73 Dass Sokrates jedoch eine bildhafte, teils witzig überspitzende Sprache benutzt, um seine kritisch-didaktischen Ziele zu erreichen, wird in unterschiedlicher Form durch alle Quellen nahegelegt.

7. Sokrates und der Philosophiebegriff74 Ob Sokrates selbst bereits das Wort Philosophie für die eigene Tätigkeit in einer Weise benutzt, die ihn von den Sophisten unterscheiden soll, ist nicht ganz leicht zu beantworten: Dagegen spricht die Evidenz in Xenophons ›Memorabilien‹, wo die Worte ›Philosophie‹ und ›Philosophieren‹ nie von der Figur des Sokrates, sondern allenfalls von anderen für sein Agieren verwendet werden. In Platons ›Apologie‹ benutzt Sokrates immerhin einen weiten, unspezifischen Begriff des Philosophierens, der sich auf jede theoretische Wahrheitssuche bezieht: Man sage allen Philosophierenden nach, sich mit Himmelserscheinungen und Unterschiedlichem 69

  Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 162 f.   Zu den philosophischen Problemen dieser Position vgl. H. H. Benson, Socratic Me­ thod, in: Morrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Socrates, 179–200. 71   Plato, Hippias Maior 281ab. 72   Xenopho, Memorabilia 3, 11, 16 f. 73   Vgl. zur Ironie Vlastos, Socrates, 21–44; M. Lane, Reconsidering Socratic Irony, in: Morrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Socrates, 237–259. 74   Vgl. dazu z. B. Giannantoni, Les perspectives, 14–6; Hadot, Qu’est de que c’est, 70–84. 70

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(τὰ μετέωρα καὶ τὰ ὑπὸ γῆς) zu beschäftigen, nicht an die Götter zu glauben und »die schwächere Rede zur stärkeren zu machen« (τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν).75 Hier handelt es sich offenbar um eine Nachzeichnung des Bildes, das Aristophanes in den ›Wolken‹ von den Sophisten entwirft. Daneben führt die ›Apologie‹ allerdings einen spezifischen Begriff des sokratischen Philosophierens ein: So betont Sokrates, dass er den Tod nicht fürchten dürfe, »da es Gott befahl, wie ich glaubte und annahm, ich müsse philosophierend leben, d. h. mich selbst und die anderen prüfend« (τοῦ δὲ θεοῦ τάττοντος, ὡς ἐγὼ ᾠήθην τε καὶ ὑπέλαβον, φιλοσοφοῦντά με δεῖν ζῆν καὶ ἐξετάζοντα ἐμαυτὸν καὶ τοὺς ἄλλους).76

Im Anschluss heißt es noch deutlicher: »Ich werde nicht aufhören, zu philosophieren, d. h. euch zu beraten und anzuleiten, wem immer ich von Euch begegne« (οὐ μὴ παύσωμαι φιλοσοφῶν καὶ ὑμῖν παρακελευόμενός τε καὶ ἐνδεικνύμενος ὅτῳ ἂν ἀεὶ ἐντυγχάνω ὑμῶν).77

An diesen Stellen versteht Sokrates das Philosophieren nicht als ein allgemeines Bildungsstreben, sondern relativ spezifisch als seine eigene Aktivität, die Mitbürger durch Gespräche zu einer besseren Lebensführung zu animieren. Die Stellen bezeugen somit eine bewusste Neubesetzung des Begriffs.78 Ist diese aber dem historischen Sokrates zuzuschreiben? Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass diese Deutung des Philosophiebegriffs von Platons gewöhnlicher Erklärung dieses Wortes als eines Strebens des um sein Nichtwissen Wissenden zu wahrer Erkenntnis deutlich abweicht: Diese begegnet zwar schon im ›sokratischen Frühdialog‹ ›Lysis‹,79 ist aber aufgrund der Konstanz, welche die platonische Beschreibung des Philosophiebegriffs in verschiedenen Werken Platons hat,80 eher als spezifisch platonisch denn als sokratisch zu verstehen. Insofern kann man das Verständnis des Philosophierens als kritische Prüfung der Mitbürger durchaus als ein sokratisches Erbe sehen, das eine Engführung und klarere Konturierung des zuvor sehr weiten, kaum von der Arbeit der Sophisten zu unterscheidenden Begriffs Philosophie einleitet. Mit dieser hat es aber den Bezug zum Gespräch gemeinsam, der sich etwa in der Bezeichnung von agonalen Rednern als ›Philosophen‹ in den ›Zweierlei Thesen‹ ausspricht.

75

  Plato, Apologia 23d.   Plato, Apologia 28e. 77   Plato, Apologia 29de. 78   Die Bedeutung dieses Philosophie-Konzepts wird betont von Giannantoni, Les perspectives, 14–17. 79   Plato, Lysis 218ab. 80   Vgl. M. Bordt, in, Platon, ›Lysis‹. Übersetzung und Kommentar von M. Bordt, Göttingen 1998, 193 f. mit Anm.  489 f. 76

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8. Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik Ciceros Aussagen, Sokrates habe die Philosophie von Himmel auf die Erde geholt und ihre Unterscheidung von der Rhetorik eingeleitet, erfordern aus heutiger Sicht eine differenzierte Beurteilung: Einerseits ist klar, dass sich vor So­ kra­tes schon Pythagoreer und Sophisten mit den Bedingungen politischer Lehre beschäftigen,81 und andererseits kann man davon ausgehen, dass sich der Gegensatz von Philosophie und Rhetorik erst aus der Debatte Platons mit Isokrates entwickelt. Wie ist also die politische Rolle des historischen Sokrates nach dem Gesagten einzuschätzen? Der ›Apologie‹ zufolge ist seine Einstellung zur Politik ambivalent: Einerseits sieht er einen akzeptierten göttlichen Befehl oder auch das Gerechte selbst als höhere Autorität als die konkreten Gesetze oder Urteile der Athener an, selbst wenn ihn diese mit dem Tod bedrohen.82 Andererseits deuten Platons ›Kriton‹, wo er sich weigert, aus dem Gefängnis zu fliehen,83 sowie die Berichte über sein Verhalten im Arginusen-Prozess und unter den 30 Tyrannen an, dass er den Gesetzen dort, wo keine göttliche Sanktion ihnen entgegensteht, absoluten Gehorsam entgegenbringen möchte. Das erwartet er offenbar auch von anderen, allerdings aus eigener Einsicht in ihre Güte, nicht aus Angst vor Zwang und gegebenenfalls auch gegen Regierende und Mehrheiten.84 Beide Perspektiven lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass für Sokrates Handeln im politischen Raum von sittlichen Grundsätzen geleitet sein soll, in denen den Gesetzen aus diesem Grund Gehorsam entgegengebracht wird.85 Man kann Sokrates’ Haltung daher in gewissem Sinne als eine durchaus traditionelle Akzeptanz der Regeln der Polis verstehen, die bei ihm allerdings durch seine individuelle Reflexion eingeholt und besonders gerechtfertigt wird. Diese Haltung beinhaltet zugleich eine deutliche Distanzierung von der Sophistik, sofern diese eine Relativität der Gesetze betont und zur Konzentration auf individuelle Fähigkeiten und den individuellen Erfolg rät, unabhängig davon, ob dies gut oder gerecht ist. Damit dürfte Sokrates eine ähnliche Position zu den Sophisten einnehmen wie seine Athener Zeitgenossen Thukydides und Aristophanes. Das Neue der sokratischen Haltung besteht demnach gar nicht so sehr im Normativen, sondern im methodischen Rückgriff auf die individuelle Selbsterkenntnis und 81

  Vgl. Ricken, Philosophie der Antike, 60; die Nivellierung dieser Leistungen durch Cooper, Pursuits of Wisdom, 31 f., scheint unangemessen. 82   Plato, Apologie, 31e–32a. Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 165 f. 83   Plato, Crito 48d–50d. 84   Vgl. Plato, Crito 48b–d sowie die anschließende Rede der Gesetze. In der angelsächsischen Philosophie wird der Sokrates des Kriton gerne in dieser Deutung herangezogen, z. B. bei Vlastos, Socrates, 210 f.; Ch. L. Griswold, Socrates’ Political Philosophy, in: Morrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Socrates, 333–354. 85   Vgl. auch die Zusammenfassung der Tendenzen der Dialoge des Aischines bei Döring, Sokrates, die Sokratiker, 206.

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Sokrates als Modell eines Philosophen

den eigenen Logos in dem Bemühen, aus einem eigenständig kritisch reflektierten Wissen heraus zu handeln. Diese auf den Einzelnen und die Gründe seines Verhaltens konzentrierte Perspektive nimmt die Politik als Ausdruck eines gesellschaftlichen Zusammenhangs nur bedingt in den Blick, beinhaltet aber eine klare und langfristige wirksame Stellungnahme zu einer Rhetorik, die nichts weiter als eine professionelle Vermittlung der Redekunst sein will. Politisch ist sie eher indirekt ein Aufruf zu einem Philosophieren, das von der Prüfung seiner selbst den Ausgang nimmt und ein gutes Agieren in staatlichen Zusammenhängen auf diese Weise ermöglicht.

9. Verhältnis der Philosophie zur Religion Für Sokrates selbst ruht diese Vorgehensweise laut der ›Apologie‹ auf einem religiösen Fundament, nämlich seiner persönlichen Deutung eines Orakelspruchs aus Delphi, sowie aus der moralischen Verpflichtung, die er in sich selbst durch ein ›Daimonion‹ verspürt, das ihn zur kritischen Prüfung seiner Mitmenschen anleitet.86 In ähnlicher Weise deutet Aischines von Sphettos an, dass Sokrates sich von göttlichem Geschick« (θείᾳ μοίρᾳ) angetrieben fühlt, nämlich von seiner Liebe (ἔρως) bzw. seinem Begehren (ἐπιθυμία) nach Alkibades, die er als Auftrag zu dessen Besserung versteht.87 Diese göttliche Sendung, zu welcher der Gehorsamsanspruch des Daimonions wesentlich gehört, nimmt durchaus die Funktion eines religiös fundierten Gewissens ein, aber nicht im Sinne eines universalen persönlichen Beurteilungsvermögens von Gut und Schlecht. Auch Sokrates’ Religiosität beruht, so wie seine Aufforderung zur moralischen Besserung, auf einer persönlichen Erfahrung, die genauso wenig direkte Bezüge zur Kultpraxis seiner Zeit aufweist, wie sie originär politisch ist.

10. Würdigung Die Rolle des Sokrates in der antiken Philosophie, soweit man sie im Wesentlichen aus Platons ›Apologie‹ und den Zeugnissen des Aischines rekonstruiert, erscheint daher als eine Verbindung seiner materiell bescheidenen, auch in Drucksituationen konsequent an moralischen Maßstäben orientierten Lebensführung mit einer Prüfung seiner Person und seiner Mitbürger, die auf eine individuelle moralische Verbesserung abzielt. Dies versteht Sokrates als persönlichen religiösen Auftrag, 86

  Plato, Apologia, 31cd u. ö. Auch Euthyphron, in: Plato, Euthyphro 3b.   Aschines Sphettensis, apud: Aelius Aristides, Oratio 2, 62; 2, 74 (1, p.  382; 386 Trapp) = SSR VI A 53, 12–15; 53, 23–25. Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 160 f. 87

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Die klassische Epoche

vor allem aber als sein persönliches ›Philosophieren‹, das freilich auf andere Bürger ausstrahlen will. Dieses Ideal ist zwar ethisch, aber doch allenfalls indirekt politisch, insofern es auf die moralische Bildung der (zukünftig) politisch Verantwortlichen abzielt. Man kann dies plausibel als eine Erneuerung des Athener Ideals des Philosophierens entgegen dessen relativistischer Vereinnahmung durch die Sophisten verstehen. Seine Wirkung entfaltet das Ideal aber erst dadurch, dass Sokra­tes die sophistische Idee einer Lernbarkeit der Tugend einerseits mit dem Begriff eines wahrhaftigen Wissens verbindet, das durch individuelle Selbstprüfung zugänglich ist, und andererseits die Bedingungen des Wissens, wiederum aus seinem eigenen empfundenen Nichtwissen heraus, infrage stellt. Damit legt er die Grundlage für eine Philosophie, die einen kritischen, notwendigerweise methodisch reflektierten Blick auf menschliche Erkenntnismöglichkeiten mit einem ethischen Anspruch verbindet.

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VI. Erkenntniskritik und Ethik: Die Schulen der Sokratiker1

1. Allgemeines Früher als Platon setzen einige ältere Schüler des Sokrates die Arbeit am Philosophie-Begriff fort, insbesondere Antisthenes (ca. 450–45/366 v.  Chr.), traditionell als Gründer des Kynismus angesehen, Euklid (Eukleides) von Megara, Gründer der Megariker bzw. Dialektiker, sowie Aristipp von Kyrene, der Begründer der kyrenaischen Schule.2 Sie schreiben sokratische Dialoge, die heute verloren sind,3 und wirken so daran mit, dass sich im Anschluss an Sokrates eine eigene soziale Praxis entwickelt, in der sich das Philosophieren in spezifischer Weise vom sophistischen Vorgehen unterscheidet.4

2. Aristipp und die Kyrenaiker5 Ein enger Sokrates-Schüler ist Aristippos aus dem nordafrikanischen Kyrene, der Begründer der am dezidiertesten hedonistischen Richtung antiker Philosophie. Anders als Sokrates lehrt er für Geld und versucht nach der anekdotischen Tradition, diesen damit zu unterstützen, was Sokrates aber zurückweist.6 Zur Zeit von 1

  Die Fragmente sind gesammelt bei G. Giannantoni, Socratis et Socraticorum Reliquiae (SSR). Collegit, disposuit, apparatibus notisque instruxit G. Giannantoni 1 f., Neapel 1990; Untersuchungen: ebd. 3. 2   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 47 (124, 12–125, 2 Marcovich = 178, 345– 348 Dorandi) = SSR I H 5, nennt außerdem als Sokratiker noch Platon, Xenophon, Aischines von Sphettos und Phaidon von Elis, über den wenig bekannt ist. Zur Ahistorizität der Tradition von Schulgründungen vgl. Giannantoni, Socrate e i Socratichi, 213 f. 3   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 64 (136, 1–5 Marcovich = 189, 47–50 Dorandi) = SSR I H 17. Zur Gattung des sokratischen Dialogs vgl. H. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie. Schrift – Schule – Lebensform, Frankfurt 2004, 56–61. 4   In späteren Quellen ist es ganz selbstverständlich, die Sokratiker als ›Philosophen‹ zu bezeichnen oder zumindest von ihrem Umfeld klar abzugrenzen, z. B. Cicero, De oratore 3, 61 f.; Aristocles, frg.1 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3, 1–5 (GCS Eus. 8, 2, p.  8, 8–25 Mras) (beide = SSR I H 4). 5  Vgl. K. Döring, Der Sokratesschüler Aristipp und die Kyrenaiker, Stuttgart 1988 (= Döring, Kleine Schriften, 77–139); Giannantoni, SSR 4, 135–193; Graeser, Die Philosophie der Antike 2, 119–124; F. Caujolle-Zaslawska, Aristippe de Cyrène, in: DPhA 1 (1994), 370–375; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 246–266. 6   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 65 (136, 18–137, 4 Marcovich = 190, 4–8 Dorandi) = SSR IV A 1.

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Sokrates’ Tod ist Aristipp wohl nicht in Athen und gründet später eine Schule in seiner Heimat Kyrene, die sogenannten Kyrenaiker, welche seine Tochter Arētē sowie sein Enkel Aristippos Mētrodidaktos weiterführen.7 Die letzten bekannten Vertreter der Schule sind in frühhellenistischer Zeit Hegesias mit dem sympathischen Beinamen ›der Todesrater‹ (ὁ Πεισιθάνατος),8 ein gewisser Annikeris sowie Theodor der Atheist (ὁ Ἄθεος).9 Genauere chronologische Daten sowie der Anteil der einzelnen Personen an der kyreneischen Lehre, die uns in verschiedenen Referaten überliefert ist, lassen sich nicht angeben. Lehren der Kyrenaiker sind vor allem, gut sokratisch, für die Ethik und die Erkenntnistheorie überliefert. In der Ethik vertreten sie die Position, dass nur einzelne körperliche Freuden (σωματικαὶ μερικαὶ ἡδοναί) das Ziel des Menschen seien, während das Glücklichsein (εὐδαιμονία) und die Klugheit (φρόνησις) nur zu diesen hinführen könnten. Das Glücklichsein sei nämlich ein »System aus Teilfreuden« (μερικῶν ἡδονῶν σύστημα), die es folglich impliziert bzw. voraussetzt,10 die Klugheit sei zwar ebenso wie die Freundschaft ein Gut, aber nicht in sich wählenswert, sondern nur wegen der Freuden, die sie zu geben vermag.11 Hegesias lehnt angeblich sogar die Möglichkeit des Glücklichseins komplett ab.12 Alle diese Bemerkungen sind von daher zu verstehen, dass die einzelnen Freuden für die Kyrenaiker zeitlich begrenzt sind, so dass sie immer wieder neu gewonnen werden müssen;13 deswegen spielt für sie das Ideal charakterlicher Konstanz durch Tugend, das für die sokratische Tradition sonst typisch ist, eine geringe Rolle. Die Rolle der Freude in der Ethik steht auch in engem Zusammenhang mit der erkenntnistheoretischen Ansicht, nur unsere Empfindungen (πάθη) seien überhaupt sicher zu erkennen, das, was diese verursache, hingegen nicht.14 Hierin mag sich, auch

7   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 86 (151, 17–22 Marcovich = 202, 264–269 Dorandi) = SSR IV A 160. Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 247–249. 8   Vgl. R. Goulet, Hégésias de Cyrène, in: DPhA 3 (2000), 528 f. 9   Vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Théodore l’Athée, in: DPhA 6 (2016), 933–959. Zu beiden vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 257–267. Zur Rolle von Hegesias und Theodor in frühhellenistischer Zeit s. unten S. 341. 10   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 87 f. (152, 7–18 Marcovich = 203, 275– 287 Dorandi) = SSR IV A 172. Das Wort σύστημα dürfte vom stoischen Berichterstatter Panaitios stammen. Vgl. zum ganzen Zusammenhang Graeser, Philosophie der Antike 2, 122–124; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 254–157. 11   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 91 f. (154, 12–155, 5 Marcovich = 205, 318– 330 Dorandi) = SSR IV A 172. 12   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 94 (156, 5–9 Marcovich = 206, 350–354 Dorandi) = SSR IV A 172. 13   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 90 (153, 17 f. Marcovich = 204, 304 f. Dorandi) = SSR IV A 172. 14   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 191 (2. p.  46, 19–25 Mutschmann) = SSR IV A 213.

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Die Schulen der Sokratiker

wenn gerade die Erkenntnistheorie vielleicht nicht auf Aristipp zurückgeht, eine Spur der sokratischen Unwissenheit widerspiegeln.15 Obwohl aufgrund der dünnen Überlieferungslage kein Philosophiebegriff der Kyrenaiker zu fassen ist, lassen sich doch Akzente feststellen. So fallen gewisse Berührungspunkte mit den Kynikern auf, die auch eine politische Tragweite haben: Wie diese diskutieren die Kyrenaiker die Existenz einer natürlichen Gerechtigkeit (φύσει δίκαιον), lehnen sie allerdings ab und meinen, Gerechtigkeit gebe es nur »durch Gesetz und Gewohnheit« (νόμῳ καὶ ἔθει).16 Der Nutzen der Philosophie soll nach Anekdoten über Aristipp für diesen darin liegen, mit allen Menschen furchtlos sprechen sowie ohne Gesetze gut leben zu können.17 Mit Diogenes von Sinope, den er rein chronologisch kaum kennen kann, soll Aristipp die Bedingungen dafür diskutieren, furchtlos einem Tyrannen gegenübertreten zu können. Während jener dies nur aufgrund völliger Bedürfnislosigkeit für möglich hält, meint Aristipp, dass ein angemessen entlohnter Dienst größere Freiheit bedeute, da der Bettler noch abhängiger sei als er.18 Die Debatte zeigt – abgesehen von den ins Anekdotische übersteigerten Zügen der beiden Protagonisten –, dass mit der Figur des Sokrates das Ideal eines furchtlosen Menschen auch vor politischen Machthabern in der Welt ist, welches die antike Philosophie weiter prägen wird. In Bezug auf die Teile zur Philosophie, welche die Kyrenaiker anerkennen, ist die antike Tradition uneins: Nach einigen Zeugnissen halten sie Physik und Dialektik für ganz überflüssig, nach anderen lassen sie neben der Ethik auch die Logik gelten.19 In diesen Berichten, die in den späteren Referaten teils unverbunden nebeneinander stehen, dürften sich verschiedene antike Deutungen der Überlieferung über die Kyrenaiker spiegeln, zumal die Namen der drei Disziplinen sicherlich auf die (post-)hellenistischen Berichterstatter zurückgehen.20 Im Hinblick auf die Religion verfasst Theodor der Atheist, der auch in Athen wegen Leugnung der 15

  Vgl. Döring, Der Sokrates der platonischen Apologie, 89 f.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 93 (155, 14–17 Marcovich = 206, 340–342 Dorandi) = SSR IV A 172. 17   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 68 f. (139, 5–14 Marcovich = 192, 41–50 Dorandi) = SSR IV A 104–106. 18   Horatius, Epistula 1, 17, 13–32 = SSR IV A 45. Vgl. G. Gianantoni, in: Socratis et Socra­ ticorum reliquiaeg 4, 150–153. 19   Eine Beschränkung auf die Logik behaupten Seneca, Epistulae 89, 12; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 92 (155, 9–12 Marcovich = 205, 334–337 Dorandi); Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos 7, 11 (2. p.  4, 24–5, 2 Mutschmann), wobei Seneca und Sextus einen Textbaustein verwenden, nach dem die ausgelassenen Teile indirekt in der Ethik verwendet werden. Die Anerkennung von Ethik und Logik behaupten Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 92 (155, 7–9 Marcovich = 205, 332–334 Dorandi); Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 15 (2. p.  5, 22–25 Mutschmann, unter Berufung auf Sotion) Alle Texte finden sich in SSR IV A 168 und 172. Vgl. zur Interpretation Döring, Der Sokratesschüler Aristipp, 26 f. 20   Vgl. zur Frage nach der Entstehung der Begriffe Ethik, Logik und Physik unten S.  267 f., 307, 426–431. 16

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Götter angeklagt wurde, eine Schrift ›Über die Götter‹, welche die Quelle von Epikurs Anschauungen in dieser Hinsicht sein soll.21 Insgesamt zeigen sich die ›hedonistischen‹ Kyrenaiker als eine spezielle Sorte Sokratiker, insofern vor allem das Tugendideal für sie kaum mehr eine Rolle spielt. Mit dem Ideal persönlicher Unabhängigkeit sowie der Annahme der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis repräsentieren sie aber durchaus auf ihre Weise ein sokratisches Philosophieren. Insofern ihr Lebensideal bereits durch eine erkenntnistheoretische Konzeption abgesichert ist, weist ihr Ansatz bereits hellenistische Züge auf, wird allerdings dann durch die wesentlich ausgefeiltere Konzeption Epikurs bald marginalisiert.

3. Euklid (Eukleides) von Megara, die megarische Schule und die Dialektiker22 Eine weitere sokratische Richtung, die bis etwa Mitte des 3. Jahrhunderts besteht, sind die sogenannten Megariker, Eristiker oder Dialektiker. Sie werden auf den Sokrates-Schüler Euklid (Eukleides) von Megara (gest. ca. 367 v.  Chr.) zurückgeführt, wobei nicht geklärt ist, ob die Quellen mit »Dialektiker« oder »Eristiker« eine zusammengehörige Richtung meinen, die auf ihn zurückgeht, oder ob es sich um verschiedene Lehrtraditionen handelt.23 Die bedeutendsten Vertreter sind jedenfalls Stilpon, der ebenfalls in Megara lehrt,24 sowie sein Zeitgenosse Diodoros Kronos (beide fl. vor 300 v.  Chr.), der an verschiedenen Orten aktiv ist.25 Nachdem die beiden, als Lehrer Zenons von Kition, die dialektischen Errungenschaften seiner Richtung an die Stoiker weitergegeben haben, verschwindet die gesamte Bewegung.26 Eine gemeinsame einigermaßen klar konturierte Lehre der Megariker und Dia­lektiker gibt es im Ganzen nicht, doch lassen sich gemeinsame Interessenschwerpunkte festmachen: Diese betreffen zum einen die Dialektik als solche, 21

  Vgl. Goulet-Cazé, Théodore l’Athée, 947.   Vgl. K. von Fritz, Megariker, in: RE Suppl. 5 (1931), 707–724; K. Döring, Die Megariker. Kommentierte Sammlung der Testimonien, Amsterdam 1972; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 207–237. 23   Vgl. dazu K. Döring, Gab es eine dialektische Schule, in: Phronesis 34 (1989), 293–310 (= Döring, Kleine Schriften, 221–235). Für unseren Kontext ist die Frage wenig relevant. 24  Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 230–234; R. Muller, Stilpon de Mégare, in: DPhA 6 (2016), 599–601. 25   Vgl. R. Muller, Diodoros, dit Cronos, in: DPhA 2 (1994), 779–781; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 221–230. Die Datierung beider ist extrem unsicher, Muller (Diodoros, dit Cronos, 779) datiert Diodors Tod auf »kurz nach 307«, Döring (Sokrates, die Sokratiker 222) in die 280er Jahre. 26   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 235; J.-B. Gourinat, Zénon de Citium, in: DPhA 7 (2018), 364–393, hier 379. 22

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welche insbesondere Euklid von Megara zur Bestreitung vorgeblicher Wahrheitsansprüche zu benutzen scheint.27 Sein Schüler Kleinomachos trägt offenbar besonders viel zur Logik bei, indem er »als erster über Aussagen, Prädikate und derartiges Schriften verfasste« (πρῶτος περὶ ἀξιωμάτων καὶ κατηγορημάτων καὶ τῶν τοιούτων συνέγραψε).28 Spätere Repräsentanten der Richtung beschäftigen sich vor allem mit den Konzepten der Notwendigkeit und Kontingenz, also mit Modalitäten. Diodoros Kronos möchte mit seinem sogenannten »Meisterargument« (ὁ κυριεύων λόγος) widerlegen, dass es Mögliches gibt, welches nicht wahr ist und niemals wahr sein wird (δυνατόν ἐστιν, ὃ οὔτ’ ἔστιν ἀληθὲς οὔτ’ ἔσται), da a) alles vergangene Wahre notwendig sei, und b) aus Möglichem nichts Unmögliches entstehe. Das Argument, das in der Antike, auch im Zusammenhang mit Aristoteles’ Analyse der Wahrheit von Aussagen über die Zukunft (futura contingentia),29 kontrovers debattiert wird, lässt sich heute weder genau rekonstruieren noch bewerten.30 In der Ethik ist bezeugt, dass Euklid von Megara das Gute für eines hielt, was mit verschiedenen Namen zu bezeichnen sei, womit eine Parallele zu Platons Idee des Guten vorliegen könnte.31 Stilpon behauptet offenbar, ähnlich wie sein Zeitgenosse Pyrrhon, dass das Gute autark ist.32 Eigene Aussagen zum Philosophiebegriff sind für die Megariker kaum überliefert, ihre Stellung dazu lässt sich allenfalls erschließen. Euklid von Megara wird vom Mittelplatoniker Tauros als Beispiel für philosophischen Lerneifer angeführt.33 Der Megariker Alexinos wendet sich um 300 v.  Chr. gegen die Rhetoren mit dem Vorwurf, sie würden zu lange bei nutzlosen Details verweilen und sich unrichtigerweise auf Erfahrung verlassen, ohne über Schlüsse bzw. Syllogismen zu verfügen bzw. sie zu gebrauchen.34 Damit ist jedenfalls für die frühhellenistische Zeit dokumentiert, dass die Megariker sich als Teil der philosophischen Szene verstehen.

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  Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 211 f.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 112 (168, 14 f. Marcovich = 218, 85 f. Dorandi) = SSR II I 1. Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 212. 29   S. unten S. 278. 30   Vgl. v. a. Epictetus, Dissertationes 2, 19, 1–5 (189, 9–190, 13 Schenkl) = SSR II F 24, ferner SSR II F 24–31. Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 228–230; H. Weidemann, Diodor. Logik und Common Sense, in: M. Erler  /  A. Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums. Von der Frühzeit bis zur Klassik. Eine Einführung, Darmstadt 2000, 182–190. 31   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 106 (164, 12–16 Marcovich = 214, 8–12 Dorandi) = SSR II A 30. Vgl. Graeser, Philosophie der Antike 2, 113–116; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 209–211. 32   Teles, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 40; 4, 44 (3, p.  738, 8–739, 12 Hense; 5, p.  989, 15, 990, 2 Hense; das Ende der Stilpon-Zitate ist jeweils unklar). Vgl. Döring, So­ kra­tes, die Sokratiker, 234. 33   Aulus Gellius, Noctes Atticae 7, 10, 1–5 = SSR II A 2. 34   Philodemus, Rhetorica 6, col. XLIV (p.  77 f. Longo Auricchio) = SSR II C 12. Zur Datierung vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 219. 28

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Im Ganzen fällt auf, dass sich die Megariker auf ähnliche Themen konzentrieren wie die Kyrenaiker, Aischines von Sphettos und die platonische ›Apologie‹: Einerseits auf erkenntnistheoretische Fragen, wobei sie mit ihrer Dialektik offenbar eher die Tendenz verfolgen, Wahrheitsansprüche infrage zu stellen, als sie zu begründen, und andererseits auf Grundfragen der Ethik, in denen sie, ohne große Originalität, ein Interesse am Guten und an tugendhafter Lebensführung bekunden. Insofern ist es auch inhaltlich gerechtfertigt, sie als Sokratiker zu bezeichnen. Für die Philosophiegeschichte sind sie vorwiegend durch ihre Beiträge zur Dialektik bedeutsam, die nicht nur zur stoischen Logik, sondern auch überhaupt zur methodischen Prägung der Philosophie Wesentliches beizusteuern scheinen.

4. Antisthenes, Diogenes von Sinope und die Kyniker35 Allgemeines  /  Historischer Überblick Die kynische Tradition der Philosophie beginnt nach den meisten antiken Auto­ ren mit dem Sokratesschüler Antisthenes (ca. 445–360 v.  Chr.), dessen Schüler dann Diogenes von Sinope (ca. 412/403–342/321) gewesen sei. Diese Tradition stellt in unserer Hauptquelle, dem Buch VI von Diogenes Laertios’ Philosophiegeschichte, eine Linie von der Stoa über die Kyniker zu Sokrates her: Diogenes Laertios hebt nämlich auf »eine bestimmte Gemeinschaft« der Kyniker mit »den Stoikern« ab, »weshalb man den Kynismus auch einen zusammengefassten Weg zur Tugend nennt. Auch Zenon von Kition lebte so«.36 Diese Konstruktion, die auf den mittleren Stoiker Apollodor von Seleukia zurückgeht,37 wird heute kontrovers diskutiert, und zwar sowohl, was das Verhältnis von Antisthenes zu Diogenes von Sinope als auch was dasjenige des Krates zu Zenon angeht.38 Die Einschät35   Wichtige Überblicksdarstellungen zum Kynismus sind: M.-O. Goulet-Cazé, Kynismus, in: RAC 22 (2008), 631–687; W. Desmond, Cynics, Berkeley  /  Los Angeles 2008; M.‑O. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, Paris 2017; zu Antisthenes ist jetzt die kommentierte Sammlung von S.  Prince, Antisthenes of Athens. Texts, Translations, and Commentary, Ann Arbor (Michigan) 2014 (mit der Fragmentzählung von Giannantoni aus SSR V A mit englischer Übersetzung und strukturiertem Kommentar), zu vergleichen. 36   Ἐπεὶ καὶ κοινωνία τις ταῖς δύο ταύταις αἱρέσεσίν ἐστιν. ὅθεν καὶ τὸν κυνισμὸν εἰρήκασι σύντομον ἐπ’ ἀρετὴν ὁδόν. καὶ οὕτως ἐβίω καὶ Ζήνων ὁ Κιτιεύς. Diogenes Laer­ tius, Vitae philosophorum 6, 104 (443, 4 f. Marcovich = 473, 22 f. Dorandi). 37   Von diesem stammt nämlich die Formel vom Kynismus als kurzem Weg: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 121 (515, 5–7 Marcovich = 544, 937–938 Dorandi). Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 98–107; Prince, Antisthenes of Athens, 395–399. 38   Zur Einordnung dieser Aussagen vgl. R. Bees, Zenons ›Politeia‹, Leiden 2011, 261– 269, sowie die ganz andere Position bei Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 568–607.

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zung, dass Diogenes von Sinope historisch kaum Schüler des Antisthenes gewesen sein kann, ist ebenfalls bis heute umstritten.39 Tatsächlich werden die spärlichen biographischen Angaben zu Antisthenes und Diogenes so von legendarischem Material überwuchert, dass in biographischen und chronologischen Fragen wenig Sicherheit zu gewinnen ist. Das betrifft selbst die Frage, ob Antisthenes oder, wie meist angenommen, Diogenes der erste »Hund«, d. h. der erste Kyniker (griech. κύων / kyōn = Hund), ist.40 Dass aber erst Diogenes die Position des Antisthenes so radikalisiert, dass von einer kynischen Position gesprochen werden kann, kann als wahrscheinlich gelten. Für eine Rekonstruktion der kynischen Lehre stehen bei Diogenes Laertios drei Referate zu Antisthenes (als angeblichem Schulgründer), zu Diogenes von Sinope sowie zu den Kynikern im Allgemeinen zur Verfügung. Sie sind allerdings ebenfalls mit Vorsicht zu benutzen: Während der erste Bericht Anlass geben könnte, zwischen Antisthenes und Diogenes von Sinope nicht zu unterscheiden  – was keineswegs selbstverständlich ist –, zielt das dritte Referat darauf ab zu zeigen, dass die Kyniker in der Tat eine philosophische Richtung (αἵρεσις), und keine bloße Lebensweise (ἔνστασις), sind, wie es eine andere Tradition behauptet. Damit soll wiederum die Kontinuität zwischen Kynikern und Stoikern unterstrichen werden.41

Philosophische Position Antisthenes Hinsichtlich der philosophischen Position zeigen sich zwischen Antisthenes und Diogenes deutliche Unterschiede, obwohl vor allem in der Ethik Übereinstimmungen bestehen. Die Position des Antisthenes ist im Ganzen vom sokratischen Vorbild geprägt und hat dementsprechend ihre Schwerpunkte in der Ethik, für die der Wissensbegriff wichtig ist, und in einer Erkenntnistheorie, deren genaue Deutung aber Schwierigkeiten bereitet. In Bezug auf wahre Erkenntnis bestreitet Antisthenes dem Zeugnis des Aristoteles zufolge für einfache Bestandteile von Dingen (ἐξ ὧν οὐσία πρώτων) die Möglichkeit einer Definition, die das Wesen einer Sache (τὸ τί ἐστιν) erfasst. Denn eine solche Definition bestehe immer aus mehreren Begriffen, sei also »eine lange Rede« (λόγος μακρός), und könne daher den »Namen« (ὄνομα) bzw. »Begriff« einer Sache nicht angeben; es sei daher lediglich eine Beschreibung darüber mög39

  Vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Diogène de Sinope, in: DPhA 2 (1994), 812–823, hier 815.   Vgl. zu diesen Punkten Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 93–126, 261–264. 41   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 103 (442, 5–7 Marcovich = 472, 2–4 Dorandi). 40

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lich, »wie beschaffen« eine solche Sache sei.42 In einer gewissen Spannung zu dieser Aussage stehen die ebenfalls bei Aristoteles belegten Behauptungen, es gebe a) für jede Sache eine »eigentümliche Rede« (οἰκεῖος λόγος) und es sei b) nicht möglich, sich über eine Sache zu widersprechen, denn entweder spreche man über diese (mit der ihr ›eigentümlichen Rede‹) oder eben über etwas anderes, so dass man über keine Sache etwas Falsches aussage.43 Alle diese Aussagen dürfte Antisthenes in der Auseinandersetzung mit der Ideenlehre Platons getroffen haben, dem er entgegenwirft: »Ein Pferd sehe ich, eine Pferdheit sehe ich nicht« (ἵππον μὲν ὁρῶ, ἱππότητα δ’ οὐχ ὁρῶ).44 Antisthenes wendet sich also offenbar gegen die Möglichkeit einer Wesensdefinition überhaupt, deren Implikationen er bereits (wohl als erster) beschreibt, und versteht jede Aussage über einen Gegenstand, welche diesen nicht mit einem einfachen, treffenden Begriff bzw. ihrem Namen benennt, als eine Beschreibung seiner Art und Weise bzw. Qualität. Meinungs­ verschiedenheiten in der modernen Forschung betreffen vor allem die Fragen, ob Antisthenes meint, dass die ›eigentümliche Rede‹ für einen Gegenstand überhaupt gewusst werden kann, und ob sich die Unmöglichkeit von Widersprüchen auch auf Beschreibungen erstreckt oder nur eingeschränkt gilt, z. B. für die Verwendung eines richtigen oder falschen Namens. Von den Antworten hängt ab, ­inwieweit man Antisthenes als Skeptiker sieht.45 In der Ethik meint Antisthenes offensichtlich, dass die Tugend ausreichend für das Glücklichsein sowie, weil lehrbar, für alle Menschen erreichbar ist, für Frauen ebenso wie für Männer. Um sie zu erlernen, brauche es »weder Argumente noch Lehren« (μήτε λόγων μήτε μαθημάτων), denn sie bestehe in Taten (ἔργα) und bedürfe bloß einer sokratischen Kraft. Mit ihr sei der Weise autark und lebe nicht gemäß erlassenen Gesetzen.46 In diesem Zusammenhang ist Antisthenes wohl der erste, der ein vollkommenes Leben als göttlich bezeichnet und behauptet, wer ein 42   Aristoteles, Metaphysica 8, 3, 1043b 23–32; Pseudo-Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  553, 31–554, 10 Hayduck); beide in SSR V A 150; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 3 (376, 10–12 Marcovich = 408, 25–27 Dorandi); Alexander Aphrodisiensis, In Topica (CAG 2, 2, p.  42, 13–22 Wallies); beide in SSR V A 151. 43   Aristoteles, Metaphysica 5, 29, 1024b 26–34 = SSR V A 152; Aristoteles, Topica 1, 11, 104b 19–21 = SSR V A 153. Hinter dieser Lehre dürfte ebenfalls eine Variante einer »gegenstandstheoretischen Semantik« stehen (vgl. W. Kersting, Platons ›Staat‹, Darmstadt 22006, 192–200), doch lässt diese sich nicht exakt rekonstruieren. 44   Ammonius, In Isagogen (CAG 4, 3, p.  40, 6–10 Busse); Simplicius, In Categorias (CAG 8, p.  208, 28–32 Kalbfleisch); beide in SSR V A 149. 45   Gegensätzliche Überzeugungen zu diesem Punkt vertreten z. B. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 273 f., und Ch. Eucken, Antisthenes. Die geistige Unabhängigkeit des Individuums, in: Erler  /  Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums, 112–129, hier 119–122. Sehr gute Zusammenfassung der Diskussion und ihrer Probleme bei S.  Zajonz, Isokrates’ ›Enkomion auf Helena‹. Ein Kommentar, Göttingen 2002, 81–85. Vgl. ferner A. Brancacci, Oikeios Logos. La filosofia del linguaggio di Antistene, Neapel 1990, vor allem 173–262. 46   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 10 f. 12 (381, 6–14; 382, 5 f. Marcovich = 412, 109–117; 413, 128 Dorandi) = SSR V A 134. Vgl. Prince, Antisthenes of Athens, 388–394.

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solches Leben führe, werde das Menschliche überschreiten.47 Hiermit verbunden ist eine scharfe Ablehnung der These, Freude sei für das Glücklichsein wichtig. Antisthenes wird daher in einigen Quellen mit dem Spruch »Ich würde lieber verrückt sein als mich freuen« zitiert.48 Faktisch dürfte sich hier eine rhetorisch überspitzte Polemik gegen Aristipp verbergen.

Diogenes von Sinope Der Kynismus des Diogenes, der traditionsbildend wird, schließt an die ethischen Überzeugungen des Antisthenes an: Wie dieser geht Diogenes davon aus, dass die Weisheit nur durch eine Orientierung an der Natur, nicht an den Gesetzen, erreicht werden kann, dass eine Orientierung an der Freude grundfalsch ist und dass man sich daher auf das absolut Lebensnotwendige beschränken müsse.49 Er dürfte ihm auch in der Hinsicht nahestehen, dass er meint, die Tugend lasse sich nur durch Übung erlernen.50 Insofern ist für ihn eine Beschäftigung mit theoretischen Fragen bzw. theoretischer Wissenschaft allerdings ganz und gar überflüssig. In Anbetracht dieser Orientierung eines tugendhaften Lebensvollzugs an der Natur brauchen aus kynischer Perspektive die gegebenen Gesetze und Bräuche nicht eingehalten zu werden, so dass die Kyniker sich nicht an sie gebunden fühlen bzw. eine alternative Art, nach Gesetzen zu leben, entwickeln bzw. vorbereiten. »Anstelle der nutzlosen Mühen soll man diejenigen gemäß der Natur wählen und glücklich leben. […] Dies sagte Diogenes und tat es offenkundig, indem er wahrhaft die Währung verfälschte, da er nichts ebenso dem Gesetzmäßigen wie dem Naturgemäßen gab, wobei er angab, dieselbe Lebensart zu vollziehen wie auch Herakles, nämlich nichts der Freiheit vorzuziehen«.51 47   Wörtliches Zitat (in syrischer Übersetzung) bei Themistius, De virtute (Syrisch mit lateinischer Übersetzung: 3, p.  43 [syr. / lat.] Mach = SSR V A 96 [lat.]). Vgl. Prince, Antisthenes of Athens, 329–331. 48   Μανείην μᾶλλον ἢ ἡσθείην. Aulus Gellius, Noctes Atticae 9, 5, 3 = SSR V A 122; vgl. Aspasius, In Ethica Nicomachea (CAG 19, 1, p.  142, 8–10 Heylbut) = SSR V A 120. Vgl. Prince, Antisthenes of Athens, 364–368. 49   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 287 f.; Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 245. 50   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 71 (419, 19 f. Marcovich = 448, 588 f. Dorandi). 51   Δέον οὖν ἀντὶ τῶν ἀχρήστων πόνων τοὺς κατὰ φύσιν ἑλομένους ζῆν εὐδαιμόνως […] τοιαῦτα διελέγετο καὶ ποιῶν ἐφαίνετο, ὄντως νόμισμα παραχαράττων, μηδὲν οὕτω τοῖς κατὰ νόμον ὡς τοῖς κατὰ φύσιν διδούς· τὸν αὐτὸν χαρακτῆρα τοῦ βίου λέγων διεξάγειν ὅνπερ καὶ Ἡρακλῆς, μηδὲν ἐλευθερίας προκρίνων. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 71 (419, 21 f.; 420, 5–9 Marcovich = 448, 590 f.; 448, 596–600 Dorandi). Vgl. zur Interpretation des gesamten Abschnittes Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 412–417.

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In diesem laertianischen Referat über Diogenes’ theoretische Grundlagen52 werden die beiden kynischen Grundformulierungen, die Natur dem Gesetz bzw. der Sitte (νόμος) vorzuziehen und die Währung (νόμισμα) umzutauschen, auf aufschlussreiche Weise miteinander verbunden: Die Währungsverfälschung besteht in einer Umorientierung der eigenen Lebensweise auf das von Natur aus Gute, was offensichtlich für den Kyniker ein Leben nach der Tugend ist.53 Dieser Gedanke wird vorausgesetzt und nicht, wie später bei den Stoikern, durch eine komplexe Theorie erläutert. Stattdessen wird die Verfälschung der Währung zur provokativen Leitformulierung für die Distanz, die der Kyniker zu den überlieferten, für ihn aber allenfalls indifferenten Werten einnimmt. Die kynische Lebensweise und Didaktik besteht nun wesentlich darin, diese Indifferenz auf provokante Weise vorzuführen, was eine besondere Form philosophischen Freimuts (παρρησία) darstellt.54 Dazu gehört die Orientierung an der Natur, zu welcher die Kyniker nur ihren einfach gefalteten Mantel (τρίβων), ihren Rucksack (πήρα) mit allem Lebensnotwendigen sowie ihren Stock (βακτηρία) heranziehen, während sie weiteren Besitz oder eine feste Behausung ablehnen.55 Insbesondere ist das Bemühen um Belehrung für die Kyniker typisch, bei dem den Außenstehenden die Überflüssigkeit ihres Tuns durch direkte Ansprache, gezielte Tabubrüche sowie schlagfertige Antworten vor Augen geführt werden soll.56 Die Weitervermittlung dieses Ideals erfolgt in entsprechenden literarischen Formen, namentlich des witzig-provokativen, anekdotisch vorgetragenen Spruches, der Chrie, z. B., über Alexander den Großen, der von Diogenes gebeten wird, aus der Sonne zu gehen,57 oder, wie gleich zu zitieren, über die Philosophie. Möglicherweise stellt schon Diogenes, der Held zahlloser Chrien, die erste Sammlung davon zusammen.58 In welcher Radikalität ein solches Leben geführt wird, schwankt sicherlich von Kyniker zu Kyniker und auch innerhalb von dessen Leben. Das muss man vor allem aus der Tatsache schließen, dass viele Kyniker, angefangen von Antisthenes und Diogenes, als Verfasser verlorener Schriften bekannt sind, was sich ohne eine Schreibkompetenz sowie entsprechende Örtlichkeiten und (nicht unbedingt billige) Materialien nicht ohne weiteres erklären lässt. Entscheidender dürfte aber sein, dass sie ihr kynisches Leben in Freude führen und auf diese Weise dessen Vorzüge überzeugend vertreten.59 52

  Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 55–57.   Zum Begriff des νόμισμα παραχαράττειν vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 405–410; zum kynischen Naturbegriff vgl. Desmond, Cynics, 150–152. 54   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 417–419. 55   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 22 f. (389, 10–22 Marcovich = 421, 28–40 Dorandi). Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 288. 56   Das wird vor allem in vielen Chrien deutlich: Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 146–152. 57   Valerius Maximus, Facta et dicta mirabilia 4, 3, 4. 58   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 68. 59   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 405, mit Zitat von Diogenes 53

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Philosophieverständnis Philosophiebegriff und Teile der Philosophie Die Kyniker verstehen ihre ganze Lebensführung als eine bestimmte Form von Philosophie, die als solche zum guten Leben beiträgt: »Zu jemandem, der sagt: ›Ich bin zur Philosophie ungeeignet‹, sagte Diogenes: ›Wozu lebst Du, wenn Dich das gute Leben nicht kümmert?‹«60 Auf die in der Bio-Doxographie verbreitete Frage, was ihm die Philosophie bringe (τί αὐτῷ περιγέγονεν ἐκ φιλοσοφίας), werden von Diogenes zwei Antworten überliefert: »Wenn schon nichts anderes, dann jedenfalls, auf alle Zufälle vorbereitet zu sein«, sowie: »Reich zu sein, ohne einen Obolus zu besitzen«.61 Von Antisthenes wird überliefert: »In der Lage zu sein, mit sich selbst Gemeinschaft zu pflegen«, was freilich wohl eher ein späteres Ideal der Philosophie als Medizin für die Seele reflektiert.62 Offenbar auf den Vorwurf hin, ohne besondere Kenntnisse zu philosophieren (Οὐδὲν εἰδὼς φιλοσοφεῖς), sagt Diogenes schlagfertig, dass schon das Vortäuschen von Weisheit selbst ein Philosophieren ist.63 In einem möglicherweise dem Diogenes zuzuweisenden Tragödienfragment wird das Philosophieren, möglicherweise ironisch, darauf reduziert, den eigenen Magen unter Kontrolle zu halten.64 Die Besonderheiten des »Grenzphänomens«65 Kynismus geben in der Antike Anlass zu einer Diskussion darüber, ob die Kyniker überhaupt Philosophen sind.66 In dieser Auseinandersetzung ist, neben der Frage nach der schulischen Organisation und nach einem allgemeinen Lebensziel,67 die Frage wichtig, inwieweit der Grundsatz, »Geld zu fälschen« (παραχαράξαι τὸ νόμισμα), also eine andere Laertius, Vitae philosophorum 7, 27 (462, 5–15 Marcovich = 492, 354–365 Dorandi), wo die »neue Philosophie« (καινὴ φιλοσοφία) des Zenon gelobt wird. 60   Πρὸς τὸν εἰπόντα, »ἀνεπιτήδειός εἰμι πρὸς φιλοσοφίαν,« »τί οὖν,« ἔφη, »ζῇς, εἰ τοῦ καλῶς ζῆν μὴ μέλει σοι;«. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 65 (416, 9 f. Marcovich = 445, 524 f. Dorandi). 61   Καὶ εἰ μηδὲν ἄλλο, τὸ γοῦν πρὸς πᾶσαν τύχην παρεσκευάσθαι: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 63 (414, 14 f. Marcovich = 443, 496 f. Dorandi); τὸ πλουτεῖν μηδὲ ὀβολὸν ἔχοντα: Gnomologium Vaticanum 743, nr.  182 (p.  74 Sternbach) = SSR V B 360 f. 62   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 6 (378, 15 f. Marcovich = 410, 65 f. Dorandi). Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 404 Anm.  58. 63   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 64 (415, 11–13 Marcovich = 444, 510–512 Dorandi) = SSR V B, 364; etwas anders akzentuiert Gnomologium Vaticanum 743, nr. 174 (p.  71 Sternbach) = SSR V B 365. 64   Diogenes Sinopensis, frg.  6 (= 88F 6), in: Tragicorum Graecorum Fragmenta 1, ed. B. Snell, Göttingen 1986, 257. 65   Vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 171: »situation limite«; GouletCazé, Le cynisme est-il une philosophie, 273–291. 66   Vgl. Goulet Cazé, Le cynisme est-il une philosophie?; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 170–174; Texte: SSR 2, 137–509. 67   S. oben S.  195  f.

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Ordnung als die traditionelle, nämlich die natürliche, einzuführen,68 als eine reflektierte philosophische Lebensführung verstanden werden kann. Diese würde dadurch, dass sie das landläufige Philosophie-Ideal radikal verweigert, echte Philosophie sein »wollen« (βούλεσθαι).69 Da der Kynismus insofern »eine Philosophie ist, in welcher der philosophische Diskurs auf ein Minimum reduziert«,70 aber immerhin noch erkennbar ist, ist seine Akzeptanz als Philosophie kein grund­ legender Einwand dagegen, theoretische Reflexion als Kriterium dafür anzuerkennen, dass eine Richtung tatsächlich ›philosophisch‹ im antiken Sinne ist. Jedenfalls findet der Kynismus, da er für jedermann, unabhängig von seiner Bildung, zugänglich ist,71 bis zum Ende der Antike Anhänger. Diogenes Laertios berichtet, dass die Kyniker, wie die Kyrenaiker, von den Teilen der Philosophie nur die Ethik gelten lassen, während sie die Logik und die Physik ablehnen.72 Auch hier handelt es sich allerdings um eine spätere Konstruktion, für welche die Reflexion des Verhältnisses von Kynismus und Stoa essentiell ist. Faktisch dürften die Kyniker eine Art Agnostizismus vertreten, der mit dem sokratischen Desinteresse an theoretischer Spekulation vergleichbar ist.73

Verhältnis der Philosophie zu Politik, Fachwissenschaften und Rhetorik So wie Logik und Physik lehnen die Kyniker laut Diogenes Laertios auch den »Zirkel der Lehre« (ἐγκύκλιος παιδεία) sowie mathematische Disziplinen wie Geometrie und Astronomie ab.74 Sofern nicht auch diese Aussage eine spätere Konstruktion ist, muss man sie wohl auf die Beschäftigung der Mathematik beziehen, die bereits in klassischer Zeit in der Akademie stattfindet. Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass die meisten Kyniker den genannten Disziplinen dieselbe Geringschätzung entgegenbringen wie anderen Lehren.75 Für Antisthenes ist allerdings eine Nähe zur Rhetorik durch die Behauptung bezeugt, er sei Schüler des Gorgias gewesen, bevor er zu Sokrates gewechselt sei.76 Auch diese Nach68

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 71 (420, 5–9 Marcovich = 448, 596–600 Dorandi); vgl. 6, 20 (388, 6–8 Marcovich = 420, 5–7 Dorandi). 69   Gnomologium Vaticanum 743, nr. 174 (p.  71 Sternbach) = SSR V B 365 Giannantoni; 70   Vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 172 (»une philosophie dans laquelle le discours philosophique était réduit au minimum«). 71   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme est-il une philosophie, 296–301. 72   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 103 (442, 7–9 Marcovich = 472, 4–6 Dorandi). 73   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 401–403. 74   Diogenes Laertius, Vitae philosoophorum 6, 103 f. (442, 13–17 Marcovich = 472, 10–14 Dorandi). 75   Vgl. auch Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 73 (421, 11 f. Marcovich = 450, 624 f. Dorandi). 76   Vgl. A. Patzer, Antisthenes der Sokratiker. Das literarische Werk und die Philosophie, dargestellt am Katalog der Schriften, Marburg 1970, 246–255.

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richt könnte allerdings von der rhetorischen Gestaltung seiner Texte angeregt sein, denn Antisthenes’ Gegnerschaft zur Rhetorik liegt schon wegen der Kritik des Isokrates an ihm nahe.77 Insofern mag ihm auch die folgende pointierte Aussage tatsächlich zuzuschreiben sein: »Wenn« jemand »mit den Göttern Gemeinschaft pflegen soll«, soll man ihn »zum Philosophen« ausbilden, »wenn aber mit Menschen, zum Rhetoren«.78 Im Hinblick auf die Politik ist eine gewisse Distanz der Kyniker eine logische Folge ihrer grundsätzlichen Ansichten, doch bedeutet dies wohl keine eindeutige Oppositionshaltung, denn die Kyniker erkennen ja prinzipiell keine gesetzliche Ordnung an, erstreben also keinen Umsturz bzw. keine Verbesserung.79 Seine politischen Interessen äußert Diogenes in seinem Werk ›Der Staat‹ (Πολιτεία), in dem er ein kosmopolitisches Ideal vertritt:80 Das Gesetz habe nur in der Polis einen Nutzen, der einzige »richtige Staat« (ὀρθὴ πολιτεία) sei aber der Kosmos als ganzer.81 In diesem gehöre aber, fügt Diogenes ironisierend hinzu, »alles den Weisen«, denn »Freunden sei alles gemeinsam«, und »die Weisen« seien, offensichtlich wegen ihrer Tugendhaftigkeit, »Freunde der Götter«.82 Allen gemeinsam sollen auch die Frauen sein, sofern man sie zum Geschlechtsverkehr überreden könne, sowie die Kinder, denn die Ehe lehnt Diogenes ab.83 Waffen sollen hier nutzlos sein, Würfel bzw. Knöchelchen (ἀστραγάλοι) als Währung gelten, religiöse und andere Speisegebote (bis zum Verbot des Verzehrs von Menschenfleisch) soll es keine geben, sondern »durch die rechte Vernunft sei alles bei allen und durch alle«.84 77

  Vgl. unten S. 214.   Εἰ μὲν θεοῖς μέλλει συμβιοῦν, φιλόσοφον, εἰ δὲ ἀνθρώποις, ῥήτορα. Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 31 (2, p.  215, 1–3 Wachsmuth) = SSR V A 173; vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 63 (414, 16 f. Marcovich = 443, 498 f. Dorandi). 79   Für einen generellen Überblick zu dieser Frage vgl. Desmond, Cynics, 184–208. 80   Die Existenz des Werkes ist in der Antike umstritten, wird aber von Philodem bestätigt, »wie die Aufschriften der Tafeln und die Bibliotheken anzeigen« (ὡς αἱ τ’ ἀναγραφαὶ τῶν πινάκων αἵ τε βιβλιοθῆκαι σημαίνουσιν); Philodemus, De Stoicis, col. XV, 6 (T. Dorandi, Filodemo. Gli Stoici (PHerc. 155 E 339), in: Cronache ercolanesi 12 (1982), 91–133, hier 101 f.) = SSR V B 126. Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 546–549. 81   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 72 (420, 13–19 Marcovich = 448, 604– 449, 610 Dorandi); vgl. Philodemus, De Stoicis, col. XVI, 6 (Dorandi, Filodemo, De Stoicis [PHerc. 155 E 339], 102; R. Gianattasio Andria, Diogene Cinico nei papiri ercolanesi, in: Cronache ercolanesi 10 (1980), 129–151, hier 131 f. [als col. XIV]) = SSR V B 126. 82   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 72 (420, 10–13 Marcovich = 448, 601–604 Dorandi). Zur Interpretationsgeschichte dieser Syllogismen vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 13–33. 83   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 72 (420, 19–21 Marcovich = 449, 610–612 Dorandi). 84   Καὶ τῷ ὀρθῷ λόγῳ πάντ’ ἐν πᾶσι καὶ διὰ πάντων εἶναι λέγων. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 73 (420, 21–421, 4 Marcovich = 449, 612–617 Dorandi); Athenaeus, Dipnosophistae 4, 49 (159c) = SSR V B 125; Philodemus, De Stoicis, col. XVf., 6 (Dorandi, Filodemo, De Stoicis [PHerc. 155 E 339], 102) = SSR V B 126. 78

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All dies sollte man nicht so lesen, als erstrebe Diogenes ein Philosophenkönigtum à la Platon. Vielmehr symbolisiert sein Kosmopolitismus eher die Orientierung aller Kyniker durch die Tugend an der Natur, welche eine höhere Form von Gemeinschaft hervorbringt, die jede Staatsordnung überflüssig macht und einen Individualismus von Menschen mit tugendgestütztem Urteilsvermögen zulässt. Diese Ansichten finden offenbar eine Fortsetzung in Zenon von Kitions ›Politeia‹, deren kynische Grundzüge allerdings umstritten sind.85

Verhältnis der Philosophie zur Religion Grundsätzlich gilt im Verhältnis der Kyniker zur Religion dasselbe, was sich auch über ihr Verhältnis zu anderen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sagen lässt: Die meisten Kyniker sind an Religion nicht besonders interessiert und führen ein Leben, in dem diese immer wieder durch Provokationen herausgefordert wird. Allerdings findet sich jedenfalls bei Antisthenes bereits eine Variante eines gleichsam philosophischen Monotheismus, bei dem, im Unterschied zu den volkstümlichen, dem Gesetz (νόμος) zugehörigen vielen Göttern eine Vorstellung eines natürlichen, rational gedachten, guten Gottes ausformuliert wird, unter dessen Schutz sich der Philosoph sehen kann.86 Für Diogenes lässt sich auch eine solche Lehre nicht bestätigen: Auch wenn er nicht als Atheist bekannt ist und die Götter gelegentlich in seinen Chrien als Beispiel anführt, gebraucht er sie doch allenfalls als volkstümliche Vorstellungen, ohne ein Urteil über ihr Vorhandensein zu treffen.87

Würdigung Mit den Kynikern bildet sich bereits in der konstitutiven Epoche der antiken Philosophie, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Akademie Platons, eine besondere Ausprägung der philosophischen Existenz heraus, die, dank der emblematischen Figur des Diogenes, zu den langfristig prägenden Bildern gehört, welche die 85

  Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 567–572 sowie, mit einer Bestreitung der Bedeutung der kynisch-zenonischen Traditionslinie, Bees, Zenons Politeia, 263–282. 86   Philodemus, De pietate, col. VIIa, 3–8 (p.  72 Gomperz) = SSR V A, 179; Cicero, De natura deorum, 1, 32; Minucius Felix, Octavius 19, 7 (beide in SSR V A, 180). Vgl. GouletCazé, Le cynisme, une philosophie antique, 443 f. 87   Zum Beispiel Tertullianus, Ad nationes 2, 2, 10 (CCL 1, p.  43, 4–7 Borleffs); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 37; 6, 44; 6, 105 (397, 16–18; 402, 8–10; 443, 10–12 Marcovich = 428, 195–429, 197; 433, 283–285; 473, 29–31 Dorandi). Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 444–449.

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Antike hinterlässt. Für den Philosophiebegriff bedeutet die schiere Existenz der Kyni­ker durch die gesamte Antike hindurch, dass ein vollständiges Bild der antiken Philosophie nur unter Berücksichtigung ihrer besonderen philosophischen Lebensführung gegeben werden kann. Diese bedeutet allerdings keine komplette Theorielosigkeit, denn die Kyniker motiviert ein Netzwerk von Überzeugungen, auch wenn methodische Fragestellungen der Erkenntnisgewinnung, -begründung und -absicherung von ihnen nicht behandelt werden. Insofern stellen die Kyniker auch für die Beschreibung von Philosophie eine Herausforderung dar.

5. Xenophon88 Allgemeines und philosophischer Standpunkt Der letzte hier zu behandelnde Sokratiker ist Xenophon (ca. 430/25 – nach 355 v.  Chr.). Von ihm ist ein umfangreiches Œuvre erhalten, welches eine wichtige Quelle für den historischen Sokrates und einige Sokratiker bietet, aber, anders als diese, keinen ausgeprägten philosophischen Standpunkt erkennen lässt. Im vorliegenden Kontext ist Xenophon insbesondere für seinen Gebrauch des Wortstamms ›philosoph-‹ von Interesse. Xenophon verlässt Athen bereits 401/400 vor dem Tod des Sokrates und dient als Soldat und Feldherr zunächst dem persischen Thronaspiranten Kyros dem Jüngeren. Nachdem er das griechische Hilfskorps des Perserkönigs nach dessen Tod erfolgreich zurückgeführt hat, hält er sich bei dem spartanischen König Agesilaos auf und kämpft für diesen 394 in der Schlacht bei Koroneia auch gegen Athen. Entweder deswegen oder wegen seiner Verbindung mit Sokrates wird er aus Athen verbannt und lebt von ca. 390–371 im damals spartanischen Skillus und anschließend in Korinth, von wo er vielleicht noch einmal nach Athen zurückkehrt. In Skillus verfasst er wohl auch – etwa 30–40 Jahre nach Sokrates’ Tod – seine ›Memorabilien‹ (›Denkwürdigkeiten‹) bzw. Erinnerungen an diesen, welche auch von den Werken anderer Sokratiker, insbesondere Platons, Gebrauch machen.89 Die Natur von Xenophons eigenem Verhältnis zu Sokrates vor seiner Abreise lässt sich nicht mehr klar feststellen.90 Xenophon ist vielseitig interessiert und verfasst sowohl Berichte über sein Leben (›Anabasis‹) als auch ›Sachbücher‹, z. B. über die Jagd mit Hunden (Cynegeticus)91 und die griechische Geschichte. Zu seinen sokratischen Schriften gehören 88   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 182–200; L.-A. Dorion, Xénophon d’Erchia, in: DPhA 7 (2018), 227–288. 89   Für diesen Überblick vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 183–186, sowie, mit besserer Dokumentation im Detail, Dorion, Xénophon d’Erchia, 229–231. 90   Vgl. Dorion, Xénophon d’Erchia, 244–249. 91   Zur Authentizität dieses Werkes vgl. Dorion, Xénophon d’Erchia, 241.

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neben den bereits genannten ›Denkwürdigkeiten‹ (›Memorabilia‹), ein ›Symposion‹ (mit Ähnlichkeiten zum platonischen Werk92) und eine ›Apologie‹ des Sokrates, die aber nicht, wie Platons gleichnamiges Werk, dessen (angebliche) Verteidigung darstellt, sondern eher Passagen aus den ›Memorabilien‹ in neuer Ordnung versammelt.93 Xenophon hat primär ein Interesse an praktischer Erziehung, für das er das Konzept der Fertigkeit (τέχνη) auf den Bereich der Bildung überträgt.94 Neuerdings versucht man seine darin liegende Leistung auch auf philosophischem Gebiet zu würdigen.95 Die Zielsetzung seiner Werke, die stets die Interessen des Autors erkennen lassen,96 lässt sich auch von seinem Philosophiebegriff her begreifen.

Verwendung des Begriffs Philosophie Hierbei kann man von mehreren Stellen ausgehen, an denen Sokrates’ Gesprächspartner mit dem Wortstamm ›philosoph-‹ das Bemühen beschreiben, die Fähigkeiten zu erlernen, die zu einem guten Leben befähigen, zu dem eine angesehene Tätigkeit in der Polis gehört. Das tun sie regelmäßig dann, wenn sie ihre eigenen Defizite wahrnehmen: »O Sokrates, ich glaubte, die Philosophierenden müssten glücklicher werden. Aber Du scheinst mir das Gegenteil aus der Philosophie zu gewinnen: Du lebst nämlich so, wie es nicht einmal ein Diener, wenn er so von seinem Herrn ernährt wird, ­ertrüge«97 »Bei den Göttern, o Sokrates, ich glaubte durchaus eine Philosophie zu betreiben, durch die ich, so meine Überzeugung, in demjenigen erzogen wurde, was für einen Mann verpflichtend ist, der sich um Vorzüglichkeit bemüht. Was glaubst Du, wie entsetzt ich bin, wenn ich sehe, dass ich aufgrund des vorher Erarbeiteten nicht einmal auf die Frage antworten kann, worüber man in erster Linie Bescheid wissen muss?«98

92

  Vgl. Dorion, Xénophon d’Erchia, 264.   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 188 f.; Dorion, Xénophon d’Erchia, 252–257. 94   Vgl. Wilms, Techne und Paideia, 316 f. 95   Vgl. Dorion, Xénophon d’Erchia, 248 f. 96   So Döring, Sokrates, die Sokratiker, 192–198; Dorion, Xénophon d’Erchia, 251 f. 97   Ὦ Σώκρατες, ἐγὼ μὲν ᾤμην τοὺς φιλοσοφοῦντας εὐδαιμονεστέρους χρῆναι γίγνεσθαι· σὺ δέ μοι δοκεῖς τἀναντία τῆς φιλοσοφίας ἀπολελαυκέναι. ζῇς γοῦν οὕτως ὡς οὐδ’ ἂν εἷς δοῦλος ὑπὸ δεσπότῃ διαιτώμενος μείνειε. Xenopho, Memorabilia 1, 6, 2. 98   Νὴ τοὺς θεούς, ἔφη, ὦ Σώκρατες, πάνυ ᾤμην φιλοσοφεῖν φιλοσοφίαν δι’ ἧς ἂν μάλιστα ἐνόμιζον παιδευθῆναι τὰ προσήκοντα ἀνδρὶ καλοκαγαθίας ὀρεγομένῳ· νῦν δὲ πῶς οἴει με ἀθύμως ἔχειν, ὁρῶντα ἐμαυτὸν διὰ μὲν τὰ προπεπονημένα οὐδὲ τὸ ἐρωτώμενον ἀποκρίνεσθαι δυνάμενον ὑπὲρ ὧν μάλιστα χρὴ εἰδέναι. Xenopho, Memorabilia 4, 2, 23. 93

202

Die Schulen der Sokratiker

Eine ähnlich kritische Tendenz, wie sie die xenophontischen Gesprächsfiguren über sich selbst äußern, drückt Xenophon auch in eigenem Namen aus: Denn denen, »die zu philosophieren behaupten« (τῶν φασκόντων φιλοσοφεῖν), schreibt er die seines Erachtens falsche Meinung zu, wer etwas gelernt habe, z. B. gerecht oder besonnen zu sein, könne dieses Wissen nicht mehr verlieren.99 Ein Beispiel für jemanden, der wirklich philosophiert, ist hingegen der Weise Solon als guter Gesetzgeber.100 In einem allgemeineren Sinne wird das Adjektiv ›philosophisch‹ gebraucht, wenn jedes Lernen, auch das landwirtschaftliche, »in erster Linie Sache eines philosophischen Mannes« genannt wird (φιλοσόφου γὰρ μάλιστά ἐστιν ἀνδρός).101 Auch die Aussage »Du gleichst einem Philosophen, o Jüngling, und sprichst nichts Ungefälliges«,102 die sich offenbar auf die Fähigkeit zu angemessener Rede bezieht, setzt ein weites, auf Alltagstauglichkeit abzielendes Verständnis des Begriffs voraus.

Auf dem Weg zur Unterscheidung von Philosophie und Sophistik So deutet sich insgesamt eine interessante Ambivalenz des Philosophiebegriffs an: Einerseits versteht Xenophon Philosophie und Philosophieren einheitlich als das Erlernen von solchen Fähigkeiten und Gewohnheiten, die zu einem guten Alltagsleben und dem Erfüllen der eigenen Aufgaben beitragen, z. B. zu einer guten Ernährung sowie zu Tugenden. Andererseits sind Xenophon bzw. sein Sokrates offenbar der Meinung, dass die Vorstellungen ihrer Zeitgenossen über wahre Philosophie ungenügend sind, z. B. weil sie nicht durch stete Übung oder mit Selbsterkenntnis vertieft werden.103 Diese Kritik hängt nun offenbar mit der bereits angesprochenen weitgehenden Synonymie von Sophistik und Philosophie in den xenophontischen ›Memorabilien‹ zusammen.104 Denn das landläufige Verständnis von Philosophie, dessen Mängel die zitierten Belege darstellen, bezieht sich genau auf die Gebiete, welche die Sophisten zu lehren vorgeben, nämlich eine gute, politisch vielversprechende Lebensführung. Das stellt Xenophon pointiert in seinem ›Symposion‹ heraus, wenn er den Bedarf des Kallias nach »Philosophie« in Beziehung zum Bedarf von dessen Lehrer, dem Sophisten Prodikos, nach Geld setzt105 und ihm Sokrates

99

  Xenopho, Memorabilia 1, 2, 19.   Xenopho, Symposium 8, 39. 101   Xenopho, Oeconomicus 16, 9, 2. 102   Xenopho, Expeditio Cyri (Anabasis) 2, 1, 13. 103   Vgl. Xenopho, Memorabilia 1, 2, 19 f.; 4, 2, 24 f. 104   Xenopho, De vectigalibus (Poroi) 5, 4, 2. 105   Xenopho, Symposium 4, 62. 100

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und seine Freunde gegenüber stellt, welche sich als »selbständige Erwerber der Philosophie« (αὐτουργούς τινας τῆς φιλοσοφίας) verstehen.106 Die in solchen Formulierungen mehr oder weniger deutlich angedeutete Kritik am sophistischen Anspruch, Philosophie zu lehren, wird gegen Ende des Buches über die Kunst, mit Hunden zu jagen (›Cynegeticus‹),107 ganz explizit: Hier wirft Xenophon den Sophisten vor, die Jugend nicht zur Tugend hin zu führen, sondern zum Gegenteil, sich in ihren Schriften zu sehr auf sprachlichen Ausdruck zu stützen, ja sogar die Technik des Täuschens zu lehren. Dem stellt Xenophon einen von der Idee her sokratischen Anspruch entgegen, durch sich selbst und durch Lehrer, die Kenntnisse vom Guten an sich haben, zum wahrhaft Guten geführt zu werden: »Das Beste ist, von seiner eigenen Natur das Gute gelehrt zu bekommen, das zweite aber von denen, die das wahrhaft Gute kennen, eher als von denen, die die Fertigkeit des Täuschens besitzen. […] Auch viele andere tadeln die derzeitigen und nicht philosophischen Sophisten, weil sie nur in den Namen sophistisch klug sind, nicht aber in den Gedanken«.108

Zwar seien die Ratschläge beider nützlich, aber: »Die Sophisten jagen die Reichen und die Jungen, die Philosophen sind mit allen in Gemeinschaft und befreundet. Das Vermögen von Menschen ehren sie weder, noch entehren sie es«.109

Diese Passage ist bemerkenswert, weil hier bereits in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts die Philosophen als Gruppe den Sophisten gegenübergestellt werden, von denen sie offenbar unterschieden werden können. Eine solche Gruppe Philosophierender ist auch vorausgesetzt, wenn Xenophon, ähnlich wie Platon in der ›Apologie‹,110 sagt, Sokrates sei für das angeklagt worden, »was im Allgemeinen von der Masse den Philosophen vorgeworfen wird«,111 womit wohl auch hier das Verderben der Jugend und die mangelnde Achtung vor den Göttern gemeint sind.112 Die Beschreibung der Philosophen im ›Cynegeticus‹ schreibt diesen nun eine begrüßenswerte Tätigkeit zu, nämlich die Suche nach dem Guten in der eige106

  Xenopho, Symposium 1, 1–6.   Auch diese Schrift hat im Ganzen die Bildung des Charakters zum Gegenstand: Dorion, Xénophon d’Erchia, 232. Zur Authentizität vgl. V. J. Gray, Xenophon’s ›Cynegeticus‹, in: Hermes 113 (1985), 156–172; Dorion, Xénophon d’Erchia, 241. 108   Kράτιστον μέν ἐστι παρὰ τῆς αὑτοῦ φύσεως τὸ ἀγαθὸν διδάσκεσθαι, δεύτερον δὲ παρὰ τῶν ἀληθῶς ἀγαθόν τι ἐπισταμένων μᾶλλον ἢ ὑπὸ τῶν ἐξαπατᾶν τέχνην ἐχόντων. […]. ψέγουσι δὲ καὶ ἄλλοι πολλοὶ τοὺς νῦν σοφιστὰς καὶ οὐ φιλοσόφους, ὅτι ἐν τοῖς ὀνόμασι σοφίζονται, οὐκ ἐν τοῖς νοήμασιν. Xenopho, Cynegeticus 13, 4. 6. 109   Oἱ μὲν γὰρ σοφισταὶ πλουσίους καὶ νέους θηρῶνται, οἱ δὲ φιλόσοφοι πᾶσι κοινοὶ καὶ φίλοι· τύχας δὲ ἀνδρῶν οὔτε τιμῶσιν οὔτε ἀτιμάζουσι. Xenopho, Cynegeticus 13, 9. 110   S. oben S. 177 f. 111   Tὸ κοινῇ τοῖς φιλοσόφοις ὑπὸ τῶν πολλῶν ἐπιτιμώμενον. Xenopho, Memorabilia 1, 2, 31. 112   Vgl. oben S. 151. 107

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nen Natur und durch gute Lehrer, die nicht um ihrer eigenen Bereicherung willen arbeiten. Diese Formulierungen, die den Grundzügen sokratischer Lehre ähneln, wie sie auch bei Platon dem sophistischen Lehranspruch entgegengestellt werden,113 lassen vermuten, dass die Philosophen, die Xenophon empfiehlt, in erster Linie die Sokratiker sind, die inzwischen als eigene Gruppe erkennbar sind und eine bessere Lehre vertreten als die Sophisten. Für die Interpretation von Xenophons eigenem Werk bedeutet diese Stellungnahme, dass die von ihm geäußerte Kritik am zeitgenössischen Philosophiebegriff offenbar von der Möglichkeit her motiviert ist, dieser falschen Vorstellung von Philosophie eine bessere gegenüberzustellen, nämlich eine Wahrheitssuche im sokratischen Sinne. Insofern stellt die Synonymie von Sophistik und Philosophie bei Xenophon eher den Realzustand dar, der aber keineswegs zu akzeptieren, sondern im Sinne einer besseren Philosophie zu verändern ist, wie sie sich bereits zu seiner Zeit entwickelt.

Würdigung Xenophon erweist sich als wichtiger Zeuge für den Übergang eines unbestimmten, auf jede Art von Bildung bezogenen und durch die Sophisten ausgefüllten Verständnisses von Philosophie hin zu einem klarer konturierten Konzept, das sich von den Sophisten abgrenzt. Entscheidend sind hierfür Punkte, die auch in der Folgezeit wichtig bleiben: Die Arbeit an sich selbst, die Orientierung an der Wahrheit, die kostenlose Lehre. Zwar fehlt die elaborierte philosophische Per­spek­tive, die bei Platon begegnet, doch liefert gerade Xenophons ›Cynegeticus‹ ein wichtiges Argument dafür, dass dessen Konturierung des Philosophiebegriffes Teil eines breiteren, am sokratischen Ideal orientierten Prozesses ist.

6. Zusammenfassende Würdigung Die Sokratiker lassen, sieht man von Platon ab, bei allen Unterschieden zwei gemeinsame Interessenbereiche erkennen, die man wohl auf Sokrates zurückführen darf: Einerseits interessieren sie sich für Erkenntnistheorie, wobei sie einen tendenziell kritischen Standpunkt einnehmen, der sich aber bei Aristipp, Antisthenes und den Megarikern verschieden äußert, als Beschränkung wahrer Erkenntnis auf die eigenen Empfindungen, als Ablehnung der Möglichkeit des Definierens oder als dialektische Ausarbeitung der Argumentationstheorie. Andererseits in113

  Gray, Xenophon’s ›Cynegeticus‹, 158, bezeichnet die Sophisten-Kritik als konventionell und verweist auf Isokrates’ ›Gegen die Sophisten‹ als Parallele. Zum Sokratismus Xenophons vgl. auch Dorion, Xénophon d’Erchia, 256.

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teressieren sie sich für ein gutes Leben und nehmen für sich in Anspruch, dieses zu beschreiben und auch zu leben.114 Antisthenes, die Megariker und Xenophon greifen hierzu das Ideal der Arbeit an sich selbst und das Bemühen um das GutWerden auf, während Aristipp das Ideal der Freude in den Mittelpunkt stellt, das auch Platons ›Protagoras‹ dem Sokrates zuschreibt. Somit entsteht das Bild einer komplexen Bewegung, die sich in thematisch zentrierten Diskussionen um das in Wahrheit gute Leben bemüht und sich somit von den Sophisten abgrenzt. Insbesondere Xenophons ›Cynegeticus‹ lässt erkennen, dass sich auf diese Weise eine Gruppe der ›Philosophen‹ herausbildet, die von den Sophisten unterscheidbar sind, und zwar gerade durch die sokratischen Themen der Wahrheitssuche und der Arbeit an sich selbst. Wenn damit, wofür alles spricht, zunächst die Sokratiker gemeint sind, spricht auch vieles dafür, dass Platons Neubestimmungen des Philosophiebegriffs in diesen Kontext gehören und ihm Teile ihres Erfolgs verdanken. Die Ausrichtung auf ein gutes Leben und wahre Erkenntnis, welche die Sokratiker auszeichnet, wird er auch die ganze ­Antike hindurch nicht verlieren.

114

  Vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 47 f.

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VII. Andere Blicke auf das Bildungsideal ›Philosophie‹: Isokrates und Alkidamas1

1. Allgemeines und Biographisches Einen wichtigen Faktor bei der Entwicklung des Philosophiebegriffs stellt das Werk des Isokrates (ca. 436–338 v.  Chr.) dar, der insbesondere eine wichtige Rolle in der Entstehung der antiken Rhetorik einnimmt.2 Seine Bildung in diesem Bereich verdankt er unter anderem dem Gorgias, während eine für ihn als Athener Bürger wohl anzunehmende Bekanntschaft mit Sokrates nicht prägend wirkt.3 Zu den frühesten Benutzern des Wortes ›Philosophie‹ gehört aber auch ein weiterer, älterer Gorgias-Schüler, nämlich Alkidamas aus dem äolischen Elaia,4 der um 390 Isokrates gegenüber den Wert schriftlicher Darlegungen für eine richtige ›Philosophia‹ in Zweifel zieht. Seine Aktivität in Athen beginnt offenbar deutlich früher als bei Platon und Isokrates schon in den 420er Jahren und scheint bis ca. 365 anzudauern.5 Isokrates ist zunächst seit ca. dem Ende des peloponnesischen Krieges im Jahre 404 als Logograph, d. h. als Verfasser schriftlicher Vorlagen für Reden, tätig. Im Anschluss daran gründet er schließlich, vielleicht zuerst in Chios, gegen Ende der 390er Jahre aber in Athen, eine Lehranstalt guter Rede,6 welche nach eigener Aussage zu seiner Zeit die »reichhaltigste Schule der Griechen« darstellt.7 Seine als Reden überlieferten Werke, die verschiedene Gattungen der Rede inaugurieren,8 vertreten z. T. offensiv, aber faktisch erfolglos ein panhellenisches Ideal mit einer

1   Nützliche Überblicksdarstellungen sind Eucken, Isokrates; Graeser, Die Philosophie der Antike 2, 81–86; M. Tulli, Philosophie. B. I. Antike. 1. Griechenland, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 6 (2003), 969–981, hier 972 f.; J. L. López Cruces  /  P. P. Fuentes González, Isocrate d’Athènes, in: DPhA 3 (2000), 891–938. 2   Vgl. Eucken, Isokrates, 53–63. 3   Vgl. López Cruces  /  Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 894 f. 4   Überblick bei M. Narcy, Alcidamas d’Élée, in: DPhA 1 (1994), 101–109. Alcidamas, De sophistis 1 (135, 13 Radermacher). 5   Vgl. Narcy, Alcidamas d’Élée, 103, A. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, Bern 1957, 401; E. Alexiou, Die Rhetorik des 4. Jahrhunderts, in: B. Zimmermann  /  A. Rengakos (Hrsg.), Die Literatur der klassischen und hellenistischen Zeit, München 2014, 734– 859, hier 750–754; E. Heitsch, in: Platon, ›Phaidros‹. Übersetzung und Kommentar von E. Heitsch, Göttingen 1993, 194 Anm.  426. 6   Vgl. López Cruces  /  Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 895–899. 7   Πλείστην σχολὴν τῶν Ἑλλήνων. Isocrates, De permutatione 39. 8   Vgl. López Cruces  /  Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 904 f.

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besonderen Rolle Athens.9 Auf theoretische Probleme gehen sie hingegen eher kursorisch ein und machen es somit schwierig, den Standpunkt ihres Autors genau festzustellen.10 Während Isokrates als eminent wichtige Figur für die Herausbildung des Philosophiebegriffs, den er sehr häufig verwendet, bekannt ist, stellt die Rolle des Alkidamas für dessen Herausbildung ein Problem dar. Zum gegenseitigen Verhältnis ist der Vorschlag gemacht worden, dass Alkidamas’ erhaltene ›Sophistenrede‹ eine Reaktion auf Isokrates’ ca. 393–390 entstandene Rede ›Gegen die Sophisten‹ darstelle, die aber ihrerseits auf eine ältere Rede des Alkidamas reagieren könne.11 Allerdings wird nach wie vor eine Frühdatierung von Alkidamas’ ›Sophistenrede‹ ins 5. Jahrhundert vertreten.12

2. Philosophische Positionen Alkidamas setzt offenbar die auf die älteren Sophisten zurückgehende Praxis fort, ein spontanes Reden aus dem Stegreif zu fördern, wie er es etwa an einem Dichterwettstreit zwischen Homer und Hesiod zu illustrieren scheint. Möglicherweise lehrt er hierzu auch spezielle rhetorische Tropen und Gliederungen, die ein solches Vorgehen erleichtern.13 Aus dieser Perspektive wendet er sich gegen Isokrates’ Tätigkeit als Verfasser schriftlicher Reden, seine entsprechende Lehrtätigkeit sowie sein Bildungsideal. Dies tut er mit einem Argumentationsgang, der vor allem eine schädliche Rolle des Gebrauchs schriftlicher Ausführungen im Bildungssystem nachzuweisen sucht.14 Diese Ausführungen sind vermutlich, aufgrund weiterer Parallelen, älter als Platons ›Phaidros‹, dessen Diskussionskontext – nämlich die Auseinandersetzung mit Isokrates – sie anzeigen, ohne dass die Perspektive der Schriftkritik dieselbe wäre.15 Während der Standpunkt des Alkidamas also von der rhetorischen Übung geprägt ist, entwickelt Isokrates zur Rechtfertigung seiner Tätigkeit besonders in seinem Frühwerk ›Gegen die Sophisten‹, mit dem er seine Lehrtätigkeit eröffnet, 9   Vgl. z. B. P. Cloché, Isocrate et son temps, Paris 1978, 31–130; A. Masaracchia, Isocrate. Retorica e politica, Rom 1995, 47–149. 10   Vgl. Eucken, Isokrates, 3 f. 11  Vgl. Eucken, Isokrates, 5–43 (v. a. 29–31) und 121 f.; Th. Blank, Logos und Praxis. Sparta als politisches Exemplum in den Schriften des Isokrates, Berlin 2014, 39–55; zur Datierung von Isokrates’ ›Contra Sophistas‹ vgl. López Cruces / Fuentes Gónzalez, Isocrate d’Athènes, 899. 12   Bei Heitsch, in: Platon, ›Phaidros‹, 193 f. Anm.  426. 13   Vgl. Narcy, Alcidamas d’Élée, 104–109; Eucken, Isokrates, 30 f. 14   Die Schriftkritik wird Alcidamas, De sophistis 3–32 (135, 11–141, 11 Radermacher) ausgeführt, zu Details vgl. Eucken, Isokrates, 122–125; Schur, ›Von hier nach dort‹, 37 f. 15   Vgl. Heitsch, in: Platon, ›Phaidros‹, 193 f. Anm.  426; vgl. auch die vorsichtigere Stellungnahme von Narcy, Alcidamas d’Élée, 102 f.

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Andere Blicke auf das Bildungsideal ›Philosophie‹: Isokrates und Alkidamas

sowie in seinem Alterswerk ›Antidosis‹ (ca. 353)16 eine eigene Theorie darüber, was gute Bildung bzw. Philosophie ausmacht, wie sie wirken soll und warum sie entsteht. Grundsätzlich bietet er, wie die zeitgenössischen Sophisten und Sokratiker, einen Unterricht an, der darauf abzielt, aus seinen Schülern gute Menschen und gute Bürger zu machen. Man hat ihn daher den »Vater der humanistischen Bildung« genannt.17 In den grundlegenden Formeln steht er den Sokratikern nahe, z. B. wenn er sagt, man solle sich primär um sich selbst und nicht um den eigenen Besitz kümmern und sich nicht ans Herrschen (ἄρχειν) wagen, bevor man nicht den eigenen Verstand (διάνοια) kennengelernt habe.18 Konsequenterweise sieht er auch den Erwerb von Tugend sowie eine möglichst treffliche Meinung (δόξαν ὡς ἐπιεικεστάτην) als entscheidende Voraussetzungen guten Redens an.19 Allerdings glaubt er im Gegensatz zu den Sokratikern nicht, dass Gerechtigkeit bzw. Tugend lehrbar ist oder dass Menschen mit schlechter Naturanlage überhaupt zu gutem Verhalten erzogen werden können.20 Er gesteht lediglich zu, dass durch Unterricht und Erfahrung auch Menschen mit relativ geringen Naturanlagen besser veranlagte übertreffen können.21 Denn »Wissen über die Ideen zu erwerben, aus welchen wir alle Reden aussprechen und zusammensetzen, gehört« mit dem richtigen Lehrer »nicht zu dem besonders Schwierigen«.22 Die Ausbildung der Schüler erfolgt durch ein mehrjähriges Zusammenleben mit dem Lehrer (συνδιαιτᾶσθαι), das für den Erwerb entsprechender Erfahrung notwendig ist.23 Isokrates selbst bemüht sich folglich, wohl vor allem in der Nachfolge des Protagoras,24 rhetorisch-politische Bildung auf einer ethischen Grundlage zu vermitteln, und teilt insofern Sokrates’ Kritik am Relativismus (anderer) Sophisten: So möchte er ein gutes, den Umständen angemessenes Verhalten in allen denkbaren Situationen (bzw. den rechten Momenten, καιροί) lehren,25 also politische Klugheit im weiten, auf reale Praxis bezogenen Sinn. Auch der Umgang mit der eigenen Erfahrung spielt hierbei eine wichtige Rolle.26 Weitergehende Reflexionen des Isokrates betreffen z. B. die Ziele jeglichen menschlichen Handelns – die16   Vgl. D. Gillis, The Ethical Basis of Isocratean Rhetoric, in: Parola del passato 24 (1969), 321–348, hier 327 f.; 339–341. 17   Vgl. Jaeger, Paideia 3, 105 f.; Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 120. 18   Isocrates, De permutatione 290. 19   Isocrates, De permutatione 278. Vgl. Gillis, The Ethical Basis of Isocratean Rhetoric, 346 f. 20   Isocrates, Contra Sophistas 21. Vgl. Graeser, Philosophie der Antike 2, 82. 21   Isocrates, Contra Sophistas 14 f.; De permutatione 186–192. 22   Isocrates, Contra Sophistas 16. 23   Isocrates, De permutatione 87. Vgl. W. Steidle, Redekunst und Bildung bei Isokrates, in: Hermes 80 (1952), 257–296, hier 281. 24   Vgl. Gillis, The Ethical Basis of Isocratean Rhetoric, 334. 25   In De permutatione 114–139 verdeutlicht Isokrates dies anhand dessen, was sein Schüler Timotheos politisch leistet und von ihm gelernt hat. 26   Isocrates, De permutatione 187. Vgl. Steidle, Redekunst und Bildung bei Isokrates, v. a. 257–285; Wilms, Techne und Paideia, 248–254.

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ses erfolge stets wegen Freude, Gewinn oder Ehre (ἡδονῆς ἢ τιμῆς ἢ κέρδους ἕνεκα) – sowie das Problem der Willensschwäche (ἀκρασία).27 Mit diesen Überlegungen nimmt er der Sache nach einige Aspekte von Aristoteles’ Behandlung der Klugheit (φρόνησις) in der ›Nikomachischen Ethik‹ vorweg.28 Verschiedene seiner Überlegungen, z. B. zur pädagogischen Rolle der Schönheit, zum guten Staat und zur Eristik, können aus einem literarisch-philosophischen Wettstreit mit Platon heraus erklärt werden und haben in dessen Werken möglicherweise Spuren hinterlassen.29 Einen theoretischen Hintergrund von Isokrates’ Überlegungen bildet die Annahme, der Logos sei die Wurzel aller Kultur, Gesetze und guten Fertigkeiten (τέχναι), welche konkret von der Polis, insbesondere Athen selbst, vermittelt werden. Konsequenterweise könnten politische Reden, als technisch wie ethisch kundiges »Werk der gut denkenden Seele« (ψυχῆς εὖ φρονούσης ἔργον), Weise wie Ungelehrte belehren.30 Im Hintergrund dieser rhetorischen Hypostasierung der Polis steht die bereits von Thukydides’ Kleon geäußerte Vorstellung, dass jeder Athener Bürger Logos hat.31 Im 4. Jahrhundert werden wesentliche Elemente des damit verbundenen Ideals auf die Philosophie selbst übertragen, namentlich von Isokrates, aber auch Platon und Aristoteles betonen es als hohes Gut.32

3. Philosophiebegriff Alkidamas’ Verwendung von ›Philosophie‹ Alkidamas richtet sich in seiner ›Sophistenrede‹ explizit gegen »sogenannte Sophisten«, die ihre Erziehungsaufgabe dadurch vernachlässigen, dass sie das Schreiben als Haupt- und nicht als Nebenaufgabe verstehen.33 Dabei verwendet er die Worte ›Erziehung  /  Bildung‹ (παιδεία), ›Historie‹ (ἱστορία), ›Rhetorik‹ (ῥητορική) und ›Philosophie‹ (φιλοσοφία) offenbar weitgehend synonym: So wirft er seinen Gegnern vor, mit ihrer Tätigkeit »die Historie und die Bildung« zu vernachlässigen bzw. »viel von Rhetorik wie von Philosophie weggenommen zu haben« (ἀπολελεῖφθαι πολὺ καὶ ῥητορικῆς καὶ φιλοσοφίας).34 Ebenso scheint es für ihn synonym zu sein, »Anspruch auf Philosophie zu erheben und zu versprechen, 27

  Isocrates, De permutatione 217; 221–223.   Isocrates, De permutatione 217; 221–223. 29   Dies wird von Eucken, Isokrates, vertreten und begründet, vgl. dessen Zusammenfassung auf S.  284–288, ferner Niehues-Pröbsting, Antike Philosophie, 115–122. 30   Isocrates, Panegyricus 47–49; De permutatione 254–257. 31   Vgl. Leppin, Paradoxe der Parrhesie. Eine Wortgeschichte, Tübingen 2022, 15–32. 32   Vgl. Leppin, Paradoxe der Parrhesie, 111–115, und unten S. 212  f. 33   Alcidamas, De sophistis 1 (135, 1–9 Radermacher). 34   Alcidamas, De sophistis 1 (135, 1 f.; 135 12 f. Radermacher). 28

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andere zu lehren« (τὸν ἀντιποιούμενον φιλοσοφίας καὶ παιδεύσειν ἑτέρους ὑπισχνούμενον).35 Eine politische Konnotation von ›Philosophie‹ deutet Aristoteles’ Mitteilung an, Alkidamas habe diese »Ummauerung für das Gesetz« (ἐπι­ τείχισμα τῷ νόμῳ) genannt,36 doch ist uns hier der genaue Kontext nicht bekannt. In der ›Sophistenrede‹ begegnen wir jedenfalls einem sehr weiten und nicht weiter problematisierten Philosophiebegriff, bei dem das Wort all diejenige Bildung bezeichnet, die ein guter Sophist lehren sollte. Dies erinnert ebenso an den Traktat ›Über die alte Medizin‹ wie die Meinung, dass das Verfassen von Texten zur beruflichen Praxis wenig nützt; die Weite des ›Philosophie‹-Verständnisses erinnert auch an Xenophon. Im Ganzen spricht viel dafür, dass die ›Sophistenrede‹ einen traditionellen, nicht spezifisch reflektierten Begriff von Philosophie als die dem Bürger angemessene Bildung voraussetzt, die man auch ›Rhetorik‹ nennen kann. Damit bezeugt sie eine vor-platonische und vor-isokrateische Sprachstufe, die demnach nicht nur das Verb ›philosophieren‹ und das Adjektiv ›philosophisch‹, sondern auch das abstrakte Nomen ›philosophia‹ bereits kennt.

Isokrates’ Konzept von ›Philosophie‹ Grundsätzlich gebraucht auch Isokrates dieses Nomen für jede Lehrtätigkeit, die, auch gegen Geld, zur Erziehung guter junger Bürger nutzt, und unterscheidet im Hinblick auf die Lehrereigenschaft nicht zwischen Philosophen und Sophisten.37 In der Tat ist die Lehrbarkeit für Isokrates ein wesentliches Charakteristikum der ›Philosophie‹, denn »alle dürften wohl darin übereinstimmen, dass wir glauben, diejenigen füllten in allen Fertigkeiten und Handwerken die Fertigkeit am besten aus (τεχνικωτάτους εἶναι), welche sich als fähig erweisen, sich Schüler so ähnlich wie möglich heranzubilden. Auf die Philosophie scheint dies nun auch zuzutreffen«.38

Philosophie ist nach dieser Aussage wesentlich eine Fertigkeit (τέχνη), welche durch Unterricht weitergegeben werden kann. Es wäre ja auch absurd, so Isokrates weiter, wenn es bei der Klugheit (φρόνησις) anders wäre als bei allen anderen Fertigkeiten, die nur durch »Beschäftigung und Bemühung gefangen« (ταῖς μελέταις καὶ ταῖς φιλοπονίαις ἁλισκομένας), d. h. erworben, werden könnten.39 35

  Alcidamas, De sophistis 15 (137, 29 f. Radermacher).   Aristoteles, Rhetorica 3, 3, 1406b 11 f. 37   Isocrates, De permutatione 154–179, namentlich 174 f. Vgl. auch De permutatione 197 f. mit Contra Sophistas 14. Dazu Eucken, Isokrates, 7 f. 38   Πάντες ἂν ὁμολογήσειαν, ὅτι τούτους τεχνικωτάτους εἶναι νομίζομεν ἐπὶ πασῶν τῶν τεχνῶν καὶ χειρουργιῶν, οἵτινες ἂν τοὺς μαθητὰς ὡς οἷόν θ’ ὁμοιοτάτους ἐργάτας ἀλλήλοις ἀποδείξωσιν. Τῇ τοίνυν φιλοσοφίᾳ φανήσεται καὶ τοῦτο συμβεβηκός. Isocrates, De permutatione 205. 39   Isocrates, De permutatione 209–211, Zitat 209. 36

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Die klassische Epoche

Insofern ist die Philosophie für ihn eine umfassende, eng mit einer rationalen Klugheit verbundene Quasi-Technik guten Lebens, für deren Beschreibung er sich Elementen des medizinischen Ideals einer Fertigkeit (τέχνη) bedient.40 Neben diesem Akzent auf ihrer Lehr- und Lernbarkeit charakterisiert Isokrates die Philosophie aber auch, wie schon Sokrates,41 als Fürsorge (ἐπιμέλεια) für die Seele (ψυχή), welche parallel zur Ertüchtigung (παιδοτριβική) des Körpers anzustreben ist, wobei die Philosophie in dem Maße wichtiger ist als ihr Gegenstück, in dem die Seele wichtiger als der Körper ist.42 Vor diesem Hintergrund ist es wohl auch zu verstehen, dass Isokrates, wie Xenophon, zugibt, dass sich »viele Philosophierende privat vervollkommneten«, also ohne Lehrer.43 Wenn Isokrates trotzdem die Schule als den Ort ansieht, an dem Philosophie regelmäßig erworben wird, liegt das in seinen Augen daran, dass die Schüler im verständigen Lehrer »dieselbe Bildung« (τῆς αὐτῆς παιδείας) wiederfinden, die sie in sich selbst haben.44 Insofern läuft die Aussage, einige Lehrer »gebrauchten die Philosophie auf schöne«, d. h. in sich gute »Weise« (καλῶς τῇ φιλοσοφίᾳ χρωμένους),45 darauf hinaus, dass sie entsprechend der eigenen Bildung aktiv sind,46 und zwar insbesondere als Lehrer. Überhaupt ist die Philosophie für Isokrates kein isoliertes Ideal, sondern der Nutzen für das Reden (λέγειν) und das Handeln (πράττειν) ist die Bedingung dafür, dass ein Unterricht »Training für die Seele und Vorbereitung der Philosophie« (γυμνασίαν τῆς ψυχῆς καὶ παρασκευὴν φιλοσοφίας) sein kann.47 Vorausgesetzt ist bei dieser Aussage ein sehr weiter Begriff von ›Philosophie‹, womit z. B. eine kluge politische Überlegung bezeichnet werden kann.48 Auch der Freimut (παρρησία), bisher eine Tugend, die man bei allen Athener Bürgern voraussetzt, wird von Isokrates mit dem Philosophie-Ideal verbunden.49 Letztlich ist Philosophie für Isokrates ein Synonym für Bildung (παιδεία), weswegen für ihn »meine Fähigkeit« und »meine Schule« Synonyme für »meine Philosophie« sind.50 Diese Philosophie umfasst den gesamten von den Sophisten behandelten Kanon von Disziplinen: »Die Arten der Worte sind nicht weniger als die Tätigkeiten mit Maß: Einige vergeudeten ihr eigenes Leben, indem sie das Leben von Halbgöttern suchten, andere 40

  Dies wird ausführlich erläutert von Wilms, Techne und Paideia, 208–318.   Vgl. Graeser, Philosophie der Antike 2, 82. 42   Isocrates, De permutatione 180 f.; 250. 43   Πολλοὶ μὲν τῶν φιλοσοφησάντων ἰδιῶται διετέλεσαν ὄντες. Isocrates, Contra Sophistas 14. 44   Isocrates, De permutatione 206. 45   Isocrates, De permutatione 224. 46   Vgl. Isocrates, De permutatione 246 f. 47   Isocrates, De permutatione 265; vgl. De permutatione 304–306. 48   Z. B. Isocrates, De permutatione 121. 49   Isocrates, Ad Nicoclem 3. Vgl. Leppin, Paradoxe der Parrhesie, 25–27. 50   Isocrates, De permutatione 50. 41

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Andere Blicke auf das Bildungsideal ›Philosophie‹: Isokrates und Alkidamas

philosophierten über die Dichter, wieder andere wollten die Taten in den Kriegen sammeln, noch andere, welche man Antilogiker nennt, verlegten sich auf die Fragen und Antworten«.51

Wie sich in dieser Aussage, deren kritische Untertöne gleich zu erläutern sind, schon andeutet, sieht Isokrates sich als Lehrer einer relativ präzis definierten, ethisch fundierten Kunst, die zu einer Besserung der Sitten aufruft.52 Sie strebt ein besseres Verständnis der Gesetze und Verträge an, als dies den vielen Gesetzgebern, die sich anderswo bedienten, gegeben sei.53 An Spekulationen zum Verhältnis von Weisheit und Philosophie, wie er sie wohl von Platon kennt, möchte sich Isokrates hingegen nicht beteiligen, zumal Weisheit seiner Meinung nach durch eine praxisorientierte Lehre gerade nicht vermittelt werden kann.54 Die Philosophie selbst, als das Ziel des Bildungsgangs des Isokrates, realisiert sich vielmehr nur durch rhetorische, praktische und erzieherische Tätigkeit im Kontext der Polis. Seine Zielgruppe in dieser Erziehung zur Tugend sind nicht Einzelne, wie sie andere Lehrer vielfach zu sich locken, sondern die Polis als Ganze.55

Isokrates’ Polemik gegen andere Lehrer seiner Zeit Isokrates verteidigt dieses Philosophieverständnis scharf gegen andere Lehrer, deren Unterricht er als Gefahr für den Ruf der politischen bzw. philosophischen Lehre als Ganzer ansieht.56 Isokrates »muss seine Gegner pulverisieren. […] ›Gegen die Sophisten‹ ist nichts Geringeres als eine Kriegserklärung«.57 Seine Kritik richtet sich nicht nur gegen die heute als Sophisten bekannten Autoren, unter ihnen Alkidamas, sondern auch gegen die Sokratiker, unter denen er zunächst Antisthenes und später Platon sowie Aristoteles zu seiner Hauptzielscheibe macht.58 Die Polemik gegen die Sophisten im engeren Sinn richtet sich, wie bei anderen 51  Τρόποι τῶν λόγων εἰσὶν οὐκ ἐλάττους ἢ τῶν μετὰ μέτρου ποιημάτων. Οἱ μὲν γὰρ τὰ γένη τὰ τῶν ἡμιθέων ἀναζητοῦντες τὸν βίον τὸν αὑτῶν κατέτριψαν, οἱ δὲ περὶ τοὺς ποιητὰς ἐφιλοσόφησαν, ἕτεροι δὲ τὰς πράξεις τὰς ἐν τοῖς πολέμοις συναγαγεῖν ἐβουλήθησαν, ἄλλοι δέ τινες περὶ τὰς ἐρωτήσεις καὶ τὰς ἀποκρίσεις γεγόνασιν, οὓς ἀντιλογικοὺς καλοῦσιν. Isocrates, De permutatione 45. Mit »Antilogikern« ist dasselbe gemeint wie mit »Eristiker«, vgl. Eucken, Isokrates, 11. 52   Z. B. Isocrates, De permutatione 71 f. 53   Isocrates, De permutatione 79–83. 54   Isocrates, De permutatione 270. Vgl. Zajonz, Isokrates’ ›Enkomion auf Helena‹, 88, und, zur ganzen Debatte, Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 315–318. 55   Isocrates, De permutatione 84–86. 56   Isocrates, Contra Sophistas 1. Vgl. Kranz, Philosophie, 575. 57   So Gillis, The Ethical Basis of Isocratean Rhetoric, 321. 58   Zu den verschiedenen Polemiken des Isokrates und der Reaktion seiner Zeitgenossen vgl. Jaeger, Paideia 3, 105–225; Gillis, The Ethical Basis of Isocratean Rhetoric, 322 f.; sowie für Weiteres López Cruces / Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 911–936.

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Die klassische Epoche

Zeitgenossen auch, gegen deren unethische Grundhaltung, auch das Überzeugen von unwahren Behauptungen zu lehren.59 Dagegen weiß Isokrates die Leistung des Gorgias, des Protagoras, des Zenon von Elea und anderer für das Niveau ihrer Bestreitungen eines objektiven Seins zu schätzen und sieht insbesondere ihre praktische Perspektive als nachahmenswert an.60 Die Kritik an den Sokratikern, die er weder unter dieser Bezeichnung noch unter ihren einzelnen Namen offen anspricht, sondern als ›Eristiker‹ verunglimpft,61 richtet sich gegen beide Grundlinien dieser Richtung: Einerseits kritisiert er ihre erkenntniskritische Grundhaltung insgesamt als Eristik, die dem vorgetragenen Wahrheitsanspruch widerspreche, da ja sowieso jeder wisse, dass man die Zukunft nicht vorhersagen könne.62 Andererseits hält er den Anspruch für ganz unmäßig, Interessierten zu versprechen, ihnen beizubringen, »was zu tun ist« und dass sie »durch dasselbe Wissen glücklich sein werden«.63 Diese Aussagen, die sich wohl direkt gegen Antisthenes richten, treffen das Projekt der Sokratiker als ganze Bewegung.64 Sie zeigen, dass Isokrates’ Anliegen, eine lebens- und praxisnahe, ethisch fundierte Handlungskompetenz zu vermitteln, auf die Behandlung der Fragen verzichtet, welche später die Faszination des antiken Philosophie-Ideals ausmachen, in dem sich Bildung, theoretische Forschung und menschliche Vervollkommnung als Ziele begegnen.

4. Verhältnis zu anderen Disziplinen und Gebieten Philosophie, Rhetorik und Politik Aus Sicht einer späteren Zeit sind Alkidamas und Isokrates eher Lehrer der Rhetorik als der Philosophie. Terminologisch sind sie jedoch wichtige Zeugen der Entwicklung, in der sich dieser Unterschied erst herausbildet. Vor diesem Hintergrund ist das Zeugnis des Alkidamas in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen könnte er überhaupt der erste sein, der das Wort ›Rhetorik‹ verwendet: Das ist jedenfalls dann sehr wahrscheinlich, wenn man Platons ›Gorgias‹ zu dessen mittleren Dialogen rechnet. Denn Alkidamas’ ›Sophistenrede‹ dürfte nicht lange nach Isokrates’ ›Gegen die Sophisten‹ entstanden sein, also wohl vor oder 59

  Isocrates, Helena 4; Contra Sophistas 9 f.   Isocrates, Helena 2–5. Vgl. López Cruces / Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 913– 916; Zajonz, Isokrates’ ›Enkomion auf Helena‹, 90–97; Blank, Logos und Praxis, 83–88. 61   Vgl. Eucken, Isokrates, 8–12; Zajonz, Isokrates’ ›Enkomion auf Helena‹, 89 f. 62   Isocrates, Contra Sophistas 2; Helena 6. Vgl. Epistula ad Alexandrum 3. 63   Isocrates, Contra Sophistas 3. 64   Antisthenes ist eindeutig gemeint in Isocrates, Helena 1; vgl. Zajonz, Isokrates’ ›Enkomion auf Helena‹, 81–87, sowie López Cruces / Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 911–930. 60

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Andere Blicke auf das Bildungsideal ›Philosophie‹: Isokrates und Alkidamas

während Platons Sizilienreise.65 Zum anderen verwendet er aber, wie gezeigt, die Worte ›Philosophie‹ und ›Rhetorik‹ im Grunde synonym, ohne dies zu problematisieren. Er ist also auf jeden Fall ein Zeuge dafür, dass der ›Gorgias‹ mit seiner Differenzierung beider Größen auf eine bereits bestehende Diskussion reagiert, also den Begriff ›Rhetorik‹ wohl kaum selbst prägt.66 Auch die isokrateische Position steht mit ihrem Fokus auf praktische Fähigkeiten, unter denen das Überzeugen (πείθειν) eine der wesentlichen Funktionen des Logos ist, der späteren Rhetorik sehr nahe.67 Auch die Beschäftigung mit Stimme und Sprache, wie sie für die antike Rhetorik typisch ist, gehört zu seinem Lehrprogramm.68 Den von Platon geprägten Begriff ›Rhetorik‹ übernimmt Isokrates allerdings nur für einen Teilbereich seiner eigenen Lehre, nämlich die Fähigkeit, vor einer größeren Menge zu sprechen, während er diejenigen, die sich selbst gut raten können, »wohlberaten« (εὐβούλους) nennt.69 Überhaupt lehnt er einen schlechten Gebrauch der Rede, der zu Streitigkeiten führt, ab und lehrt eine Orientierung auch der politischen Reden an der Wahrheit und Sachdienlichkeit sowie dem Wohlwollen (εὐνοία).70 Die Schärfe seiner Kritik an den Sokratikern erklärt sich im Übrigen aus der durchaus hellsichtigen Beobachtung, dass eine polemische Auseinandersetzung um die Wahrheit kategoriell von politischem Handeln zu unterscheiden ist, das auf Kompromisse und Einigkeit angewiesen ist.71

Philosophie und Fachwissenschaften Isokrates’ Stellung zu den fachwissenschaftlichen Disziplinen ist etwas ambivalent, wie besonders aus einer Polemik gegen Aristoteles deutlich wird:72 In Astronomie und Geometrie sieht er in der Tat einen gewissen Nutzen für die Praxis, der insbesondere darin besteht, durch die Konzentration auf sie und die intensive geistige Arbeit die Fähigkeit zum Lernen praxisrelevanter Fähigkeiten zu fördern.73 Insofern empfiehlt er die Beschäftigung mit diesen Disziplinen sowie mit Musik und Grammatik ein Stück weit für die Jüngeren, auch wenn er einige Theorien, wie 65   Eine derartige Datierung des ›Gorgias‹ vertritt mit guten Gründen J. Dalfen, in: Platon, ›Gorgias‹. Übersetzung und Kommentar von J. Dalfen, Göttingen 2004, 114–118; vgl. auch Söder, Zu Platons Werken, 26. 66   Vgl. auch Heitsch, in: Platon, ›Phaidros‹, 194, Anm.  426: »Im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts hat die Schrift [des Alkidamas] m. E. eine Funktion«. 67   Isocrates, De permutatione 254. 68   Isocrates, De permutatione 296. 69   Isocrates, De permutatione 256. 70   Isocrats, De permutatione 258–260; 272–280; 291–294. 71   Isocrates, Epistula ad Alexandrum 3 f. 72   Zur Polemik des Isokrates gegen Aristoteles vgl. López Cruces  /  Fuentes González, Isocrate d’Athènes, 933 f. 73   Isocrates, De permutatione 262–265.

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Die klassische Epoche

die des Empedokles, für Wundererzählungen (τερατολογίας) hält.74 Ein Philosophieren, das hierin und nicht im Nutzen für das eigene Haus und die Stadt besteht, lehnt er aber dezidiert ab.75 Auch hält er eine Beschränkung auf den »Zirkel der Lehre« (τοὺς ἐγκυκλίους) für einer Stadt wie Athen nicht angemessen.76 Im Ganzen steht er mit dieser Bestimmung Platon recht nah.77

5. Würdigung Von den beiden Gorgias-Schülern ist Alkidamas vor allem ein wichtiger begrifflicher Zeuge: Seine synonyme Verwendung von ›Philosophie‹, ›Rhetorik‹ und ›Paideia‹ sowie ›Historie‹ bezeugt für uns ein frühes, wenig reflektiertes Stadium der Verwendung dieser Begriffe, das man als Hintergrund ihrer Klärung und Differenzierung in den folgenden Jahrzehnten vermuten muss. Isokrates hingegen spielt selbst eine bedeutende Rolle bei dieser Herausbildung eines inhaltlich gefüllten Philosophie-Begriffs: Mit den Sokratikern teilt er die Idee, dass die Philosophie eine Sorge um sich selbst ist, die auf eine ethisch fundierte Weiterentwicklung der Person abzielt. Isokrates gestaltet diese Grundannahme jedoch eigenständig aus, indem er die Philosophie gleichsam als eine Fertigkeit bzw. Technik bzw. Kunst (τέχνη) eines guten Lebens in der Polis entwickelt, die den so gebildeten Menschen befähigt, sich in den einzelnen Situationen (καιροί) richtig zu verhalten. Somit ist das gute Handeln für Isokrates vom guten Reden, wie es für eine Rhetorik im engen Sinne typisch ist, nicht zu trennen. Zwar kann sich Isokrates’ eng an der politischen Praxis orientiertes Konzept mit seiner gegenüber den wissens- und vollkommenheitsbasierten Tugendidealen von Antisthenes, Platon, Epikur und den Stoikern relativ geringen theoretischen Ausarbeitung nicht durchsetzen.78 Doch wird ein Aspekt seiner Überlegungen für den antiken Philosophiebegriff langfristig bedeutsam, nämlich die Verbindung der Philosophie mit dem Konzept der erlernbaren Fertigkeit, die in Schulen gelehrt werden kann. Sie wird seit der Stoa in veränderter Form den antiken Philosophiebetrieb prägen, während Isokrates’ eigenes Konzept am ehesten bei Rhetoren mit philosophischem Interesse, wie Cicero und Ailios Aristeides,79 Nachahmer findet.

74

  Isocrates, De permutatione 267–269.   Isocrates, De permutatione 285. 76   Isocrates, De permutatione 316. 77   Vgl. Masaracchia, Isocrate 17–45. 78   Zu den Gründen vgl. Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 315–318. 79   Vgl. dazu P. Papaevangelou-Varvaroussi, Isokrates und Aelios Aristeides im Spiegel der Rhetorik und der Politik, München 2003. 75

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VIII. Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

1. Allgemeines Mit den genannten Autoren ist der Hintergrund skizziert, vor dem Platon seinen Begriff von Philosophie erarbeitet. Dieser stellt, dank seiner Verbindung der Philosophie mit wahrem Wissen und ihrer Abtrennung von der Rhetorik, die Grundlage für die gesamte spätere Diskussion über die Philosophie, insbesondere in der Antike, dar.1

2. Leben und Werk Platons Leben und die Gründung der Akademie2 Für ein Verständnis von Platons Werk bildet seine Biographie, die sich anhand der nicht immer absicherbaren und teils widersprüchlichen antiken Berichte in etwa folgendermaßen rekonstruieren lässt, einen wichtigen Hintergrund:3 Platon wird um 428 v.  Chr. in eine der einflussreichsten Athener Familien geboren, die sich väterlicherseits auf den letzten Athener König Kodros und mütterlicherseits auf die Verwandtschaft Solons zurückführt. Seine Jugend zur Zeit des Peloponnesischen Krieges ist allerdings von der zunehmenden Krisensituation in Athen geprägt. Platon schließt sich als junger Mann um 408 Sokrates an, dessen Schüler er bis zu dessen Tod 399 bleibt. Die verworrenen Verhältnisse nach dem Ende des Krieges, als einige seiner Verwandten an der Diktatur der 30 Tyrannen mitwirken und die anschließende Demokratie Sokrates zum Tode verurteilt, beeinflussen Platon nachhaltig, wie uns im ›Siebten Brief‹ berichtet wird,4 der entweder von Platon selbst oder aus seinem Umfeld stammen dürfte.5 Nach Sokrates’ Tod begibt er sich zu Euklid von Megara und wohl auch, um 388, nach Unteritalien, wo 1

  So schon H. von Arnim, Leben und Werke des Dion von Prusa. Mit einer Einleitung. Sophistik, Rhetorik, Philosophie in ihrem Kampf um die Jugendbildung, Berlin 1898, 66–68. 2   Ausführliche Überblicke zu Platons Leben, die hier benutzt wurden, geben M. Erler, Platon, München 2006, 35–59; L. Brisson  /  R. Goulet, Platon – Biographie, in: DPhA 5a (2012), 631–639; K. Döring, Zur Biographie Platons, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 2–18. 3   Zu den Quellen vgl. v. a. Erler, Platon, 35–38. 4   Vgl. Plato (?), Epistula 7, 324b–326b. 5   Vgl. Söder, Zu Platons Werken, 21 f.

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Die klassische Epoche

er die Pythagoreer kennenlernt und insbesondere mit dem etwas älteren Archytas Freundschaft schließt.6 Während Reisen nach Nordafrika und Ägypten unsicher sind, ist gut bezeugt, dass Platon in Sizilien mithilfe seines Freundes Dion versucht, den Tyrann von Syrakus, Dionysios I., von einer philosophischen Regierungsweise zu überzeugen, was aber scheitert und mit der Vertreibung Platons endet, der dabei in Sklaverei gerät. Weitere Reisen nach Sizilien in den Jahren um 366 und 362 bleiben ähnlich erfolglos, weil sich der nun amtierende Herrscher Dionysios II. ebenfalls nur oberflächlich an philosophischen Ratschlägen interessiert zeigt. Nach der ersten sizilischen Reise, wohl 387/86, gründet Platon in Athen eine eigene Lehranstalt »in der Akademie«, für die er ein Gymnasium und ein Gartengrundstück erwirbt. Dies stellt sicherlich auch eine Reaktion auf die erfolgreiche Lehrtätigkeit des Isokrates dar.7 In der Akademie lehrt Platon direkt und führt im kleinen Kreis wohl auch Gedankengänge, z. B. zur Idee des Guten, weiter aus, die in den für die Öffentlichkeit bestimmten Dialogen nur angedeutet werden. Zum engeren Kreis gehören offenbar 16 bzw. 19 engere Schülerinnen und Schüler, zu denen weitere auswärtige Hörer kommen.8 Eine naheliegende Vermutung ist, dass die pythagoreischen Gemeinschaften Unteritaliens, z. B. in Archytas’ Heimatstadt Tarent, wichtige Anregungen für diesen für Athener Verhältnisse ungewöhnlichen, relativ geschlossenen Kreis in einem spezifischen Gebäudekomplex liefern. Das mit aristokratischen Zügen verbundene politische Ideal der Pythagoreer dürfte jedenfalls Platons Vorstellung einer philosophischen Expertenherrschaft entgegenkommen.9 Allerdings gibt die Akademie ganz unterschiedlichen Philosophen und Wissenschaftlern wie Speusipp, Aristoteles und Eudoxos Raum, auch wenn ihre Meinungen einander und Platons eigener Position widersprechen.10 Insofern handelt es sich, im Gegensatz zu den meisten antiken Philosophenschulen (wohl auch den pythagoreischen), nicht um eine Gemeinschaft, in der eine bestimmte Lehrmeinung vermittelt und eingeübt wird, sondern eher um eine relativ freie Forschungs- und Lehrinstitution, in der lediglich der Einfluss von Platons Lehre sowie die dauernden Gespräche für eine gewisse Nähe der vertretenen Meinungen sorgen. Der Unterricht ist kostenlos, weil Platon die Akademie mit seinem Vermögen versorgt und dabei von anderen mit Spenden unterstützt wird. Auch in der Öffentlichkeit ist die Akademie offenbar so erfolgreich, dass Platon Antisthe6   Vgl. L. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, in: GGPh 1, 1 (2013), 375–438, hier 425 f. 7   Vgl. Erler, Platon, 49. 8   Vgl. H. Flashar, Leben, in: Ch. Rapp  /  C. Corcilius (Hrsg.), Aristoteles-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Berlin 22021, 3–7, hier 4. 9   Zur Akademiegründung Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 7 (p.  196, 12–197, 3 Marcovich = 245, 73–246, 81 Dorandi); zu Platons Vorstellung einer philosophischen Expertenherrschaft Plato (?), Epistula 7, 326ab. Vgl. Erler, Platon, 51; Döring, Zur Biographie Platons, 4. Zu den pythagoreischen Gemeinschaften vgl. z. B. Zhmud, Pythagoras und die Pythagoreer, 405 f. 10   Zu Platons Lehre in der Akademie vgl. v. a. Döring, Zur Biographie Platons, 5–8.

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

nes als bedeutendster Sokratiker den Rang abläuft und der wichtigste Konkurrent des Isokrates wird.11 Nach dem Ende seiner Reisetätigkeit lebt Platon offenbar bis zu seinem Tod 348/47 v.  Chr. in der Akademie, ist dort schriftstellerisch tätig und hält wohl seine berühmte (und in der heutigen Forschung umstrittene) Vorlesung ›Über das Gute‹.12 Diese Biographie enthält einige plausible Bezugspunkte zum erhaltenen Werk Platons: So dürfte, wie bereits im möglicherweise unechten ›Siebten Brief‹ Platons dargestellt, seine Erschütterung über den Tod des Sokrates zu seinem Interesse an politischen Fragen wesentlich beitragen, nachdem er bereits zuvor die sokratischen Bemühungen um Erkenntniskritik und um Tugend kennengelernt hat. Mit dem Namen Euklid von Megara sind insbesondere dialektische Studien verbunden, welche einen Hintergrund für die platonische Dialektik oder gewisse Aspekte seines Denkens, z. B. sein Interesse an Dihairesen, bilden können. Pythagoreer wie Archytas dürften ihm nicht nur Anregungen zu einer Politisierung von Philosophie geben, sondern insbesondere seine Interessen an der Unsterblichkeit der Seele, der Mathematik und der Bedeutung transzendenter Annahmen für die Absicherung von Wahrheitsansprüchen beeinflussen. Auf literarischer Ebene entspricht die von Platon gewählte Dialogform den Werken der anderen Sokratiker. Eine Rolle spielt auch der Wettstreit mit Isokrates, der sich z. T. durch Vergleich der Werke beider nachweisen lässt.13 Zwar lassen sich alle diese Einflüsse meist nur indirekt aus den Quellen erschließen, die, ebenso wie Isokrates, zeitgenössische Rivalen nur selten direkt erwähnen. Dennoch lässt sich Platons Werk, wenn man seinen zeitgeschichtlichen und biographischen Hintergrund kennt, als eine persönliche, umfassende Antwort auf dessen Herausforderungen verstehen.14

Der Homer der Philosophie: Das literarische Werk Platons Das literarische Werk Platons besteht bekanntermaßen überwiegend aus Dialogen, wovon vor allem die ›Apologie‹ sowie die Briefe, deren Echtheit aber mit mehr oder weniger stichhaltigen Gründen bezweifelt wird, eine Ausnahme bilden. Man kann diese Dialoge mit gutem Grund als den literarischen Höhepunkt der ganzen Philosophiegeschichte ansehen, weswegen man ihren Autor als den

11

  Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 270.   Dazu Aristoxenus, Elementa harmonica 2 (30, 13–31, 10 Meibom). Vgl. Erler, Platon, 56 f.; Döring, Zur Biographie Platons, 6 f. 13   Vgl. dazu die anonym überlieferte Anekdote bei Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 31 (2, p.  221, 21–25 Wachsmuth). Vgl. Eucken, Isokrates, 45–53; Erler, Platon, 49; 51; NiehuesPröbsting, Die antike Philosophie, 115–122. 14   Eine frühe, aber immer noch lesenswerte Darstellung von Platons Interaktion mit seinem Umfeld ist Field, Plato and his Contemporaries. 12

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Die klassische Epoche

»­Homer der Philosophie« bezeichnet hat.15 In den meisten Dialogen kommt So­ kra­tes vor, allerdings in durchaus verschiedenen Rollen, die durch unterschiedliche Charakterisierungen der Sokrates-Figur ausgemalt werden.16 Nur in einem Teil der Dialoge leitet Sokrates durch Fragen mehr oder weniger stark das Gespräch. In anderen Werken erscheint er nur noch als Fragender, der von einem Gesprächsführer belehrt wird, vor allem im ›Sophistes‹, wo ein Gast aus Elea das Gespräch leitet, im ›Timaios‹, wo die gleichnamige Person die kosmologische Lehre darlegt, und im ›Parmenides‹, wo Zenon von Elea und sein Lehrer Parmenides das Wort führen. In den meisten Fällen wird in platonischen Dialogen ein Problem bzw. ein bestimmter Blickwinkel darauf im Frage- und Antwortstil entwickelt, während nur selten (v. a. im ›Timaios‹) eine Grundfrage die Gelegenheit zu einem ausführlichen und unwidersprochenen Lehrvortrag gibt. Schon lange ist eine umfassende Chronologie der platonischen Dialoge aufgrund stilistischer Beobachtungen ziemlich allgemein anerkannt: Es lassen sich drei Gruppen bilden, zu deren erster neben der ›Apologie‹ viele Dialoge mit Sokrates als Hauptfigur gehören, namentlich ›Euthyphron‹, ›Kriton‹, ›Phaidon‹, ›Lysis‹, ›Laches‹, ›Charmides‹, ›Protagoras‹, ›Gorgias‹, ›Kratylos‹, ›Menon‹ und ›Symposion‹. Die zweite Gruppe umfasst die ›Politeia‹ (›Der Staat‹), den ›Phaidros‹, den ›Parmenides‹ und den ›Theaitet‹, die dritte das Quartett ›Sophistes‹, ›Politikos‹, ›Kritias‹ und ›Timaios‹ sowie den ›Philebos‹ und die wohl unvoll­ende­ ten ›Nomoi‹ (›Gesetze‹). Über die zeitliche Abfolge innerhalb dieser Gruppen lässt sich genauso wenig etwas wirklich Zuverlässiges sagen wie über eine absolute Chronologie oder den Zusammenhang der Dialoge mit Platons Auffassungen zu einem bestimmten Zeitpunkt.17 Letzteres ergibt sich schon daraus, dass die Dialoge als literarische Werke bestimmte Theorien auch deswegen verschweigen können, weil ihre Einführung nicht zum Gesprächsziel oder der Gesprächsthematik passt. Selbst die plausible Annahme, dass zu den frühen Werken insbesondere solche sokratischen Dialoge gehören, welche die Ideenlehre noch nicht kennen oder gerade erst einführen, ist insofern mit einem Fragezeichen zu versehen.18 Allerdings lässt sich an einigen Punkten aufzeigen, in welchen Dialogen bestimmte Gedanken nach und nach entfaltet werden, und es lassen sich Überlegungen dazu anstellen, in welcher historisch fassbaren Situation bestimmte Dialoge verfasst wurden. Wenn dies im Folgenden gelegentlich geschieht, sollte klar

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  Vgl. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 62–70, zu den Besonderheiten der platonischen Dialoge (Zitat 63). 16   Vgl. Kahn, Plato and the Socratic Dialogue, 97–100; D. Frede, in: Platon, ›Philebos‹. Übersetzung und Kommentar von D. Frede, Göttingen 1997, 387 f. 17   Es gibt allerdings durchaus für einige Werke recht plausible Vermutungen zur ungefähren Abfassungszeit, die z. B. in den Lemmata zu den einzelnen Dialogen in DPhA 5a (2012) oder einigen Editionen und Übersetzungen nachvollzogen werden können. 18   Vgl. zur Chronologie den Überblick bei Erler, Platon, 22–26, sowie Söder, Zu Platons Werken, 23–27.

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

sein, dass ­damit eher Platons Gestaltungswille als eine historische Abfolge der Dialoge rekonstruiert wird.

Mythen und Gleichnisse in den platonischen Dialogen Eine Besonderheit platonischer Dialoge ist die Verwendung verschiedener Formen einer bildlichen oder narrativen Darstellung. Dazu gehören sowohl die berühmten Mythen Platons als auch zahlreiche Bilder und Gleichnisse.19 Mythen werden in den Dialogen besonders dann erzählt, wenn Themen diskutiert werden, die zwar philosophisch interessant sind, aber, jedenfalls in der Dialogsituation, nicht rational-deduktiv begründet werden können. Typisch sind protologische Mythen über die Entstehung der Menschheit und ihrer Kultur (z. B. im ›Protagoras‹) sowie eschatologische Mythen über das Leben nach dem Tod (z. B. im ›Gorgias‹ und am Ende der ›Politeia‹).20 Gleichnisse verdeutlichen nicht nur einzelne Punkte, z. B. in der Gyges-Erzählung die Bereitschaft aller Menschen zum Unrechttun, solange sie damit nur nicht auffallen,21 sondern auch metaphysische Theorien, die in der jeweiligen Dialogsituation nicht unverhüllt dargestellt werden sollen. Das betrifft namentlich die Idee des Guten (Sonnengleichnis) oder die Grenzen der menschlichen Erkenntnis und die Möglichkeiten ihrer Überwindung (Höhlengleichnis).22 Auch Platons Idealstaat ist – als ideales Gegenstück zum realen Athen – als ein Gleichnis dieser Art gewertet worden.23 Derartige Gleichnisse können der Rezeption teils überraschende Anknüpfungspunkte geben, z. B. die eher beiläufige Bezeichnung des Denkvermögens als »innerer Mensch« (ὁ ἐντὸς ἄνθρωπος), die in der späteren Antike, dank eines vielleicht eher zufällig ähnlichen Wortgebrauchs bei Paulus, das Zusammendenken von Christentum und Platonismus erleichtert.24 Die genaue Beziehung rationaler Argumentationen und bildlicher Darstellungen ist bei Platon schwer zu bestimmen. So hält der platonische Sokrates selbst den eschatologischen Mythos im ›Gorgias‹ für einen ›Logos‹, obwohl er ­seinem Ge19

  Vgl. P. Murray, What is a muthos for Plato?, in: R. Buxton (Hrsg.), From Myth to Reason. Studies in the Development of Greek Thought, Oxford 1999, 251–262, hier 258–262. 20   Vgl. G. W. Most, Platons exoterische Mythen, in: M. Janka  /  Ch. Schäfer (Hrsg.), Platon als Mythologe. Neue Interpretationen zu den Mythen in Platons Dialogen, Darmstadt 2002, 7–19, mit einer Liste der platonischen Mythen auf S.  10; mit anderer Klassifizierung M. Janka, Semantik und Kontext. Mythos und Verwandtes im Corpus Platonicum, in: M. Janka  /  Ch. Schäfer (Hrsg.), Platon als Mythologe. Neue Interpretationen zu den Mythen in Platons Dialogen, Darmstadt 2002, 20–43. 21   Plato, Respublica 2, 358e–362c. 22   Plato, Respublica 6, 514a–518b. 23   Bei Ch. Rowe, Myth, History, and Dialectic in Plato’s ›Republic‹ and ›Timaeus‹-›Critias‹, in: Buxton (Hrsg.), From Myth to Reason, 263–278. 24   Plato, Respublica 9, 589ab. Vgl. Ch. Markschies, Innerer Mensch, in: RAC 18 (1998), 266–312, hier 267 f.

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Die klassische Epoche

sprächspartner Kallikles als Mythos erscheinen soll.25 Auch im ›Timaios‹ scheint kein klarer Unterschied zwischen den Worten ›Logos‹ und ›Mythos‹ zu bestehen.26 So kann man festhalten: »Nach einer konsistenten Unterscheidung zwischen mythos (Mythos) und logos (Vernunft), geschweige denn einer Entwicklung vom einen zum anderen suchen wir in Platons Werk vergeblich«.27

Hauptströmungen der modernen Platon-Deutung Für die Rezeption Platons stellt sich in Anbetracht dieser Probleme die Frage nach der rechten Zugangsweise. Hierbei unterscheiden sich die heutigen Herangehensweisen an das platonische Werk von denen, die in der Antike vorherrschen. In der modernen, mit Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher zu Beginn des 19. Jahrhunderts beginnenden Forschung28 lassen sich mehrere Hauptströmungen unterscheiden, die teilweise miteinander kompatibel sind: 1) Seit Schleiermacher gibt es die Tendenz, die einzelnen Dialoge zunächst für sich zu interpretieren und dabei auf die dialogischen und formalen Elemente (z. B. die Interaktion der Personen) genauso zu achten wie auf die ausgesprochenen philosophischen Inhalte. Dabei kann jedes Werk sowohl in sich als auch als Teil eines umfassenden Ansatzes Platons gedeutet werden. Aufgrund dieses Blicks auf den Gesamtkontext wird diese Interpretationslinie als ›unitarische‹ bezeichnet. 2) Seit K. F. Hermann (1839) wird als Alternative zu einer unitarischen Lesart eine entwicklungstheoretische (bzw. genetische oder biographische) Deutung vertreten, die davon ausgeht, dass sich die Position Platons im Laufe der Zeit verändert und dass die einzelnen Dialoge von ihrem Ort im Werke Platons her zu interpretieren sind. Hierbei wird besonders auf die wechselnden Positionen geachtet, die Sokrates in den verschiedenen Dialogen vertritt.29 Auch diese Lesart steht insofern in Schleiermacher’scher Tradition, als sie ebenfalls die literarische und philosophische Dimension einzelner Dialoge in ihrem Zusammenhang betrachten möchte.30 3) Eine gewisse Distanz zu Schleiermachers Deutung haben solche Ansätze, die sich stark auf den philosophischen Standpunkt konzentrieren, den Platon jeweils einnimmt, und die Dialogform eher als Ornament nehmen.31

25

  Plato, Gorgias 523a.   Vgl. Plato, Timaeus 30b; 69b. 27   »If we look in Plato’s work for a consistent distinction between muthos (myth) and logos (reason), let alone a development from one to the other, we look in vain«. Murray, What is a muthos for Plato, 261. 28   Vgl. Erler, Platon, 1. 29   Zu diesen beiden Modellen vgl. Söder, Zu Platons Werken, 27–30. 30   So Erler, Platon, 2–4. 31   Verschiedene Ansätze dieser Art erwähnt Erler, Platon, 4 f. 26

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

4) Als Alternative zu Deutungen, die sich vorwiegend auf die Dialoge stützen, ist insbesondere in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Tendenz entwickelt worden, Platons eigene Meinung in einer »ungeschriebenen Lehre« (ἄγραφα δόγματα) zu suchen, welche durch verschiedene antike Quellen, von denen die Bücher XIII und XIV von Aristoteles’ Metaphysik die wichtigste sind, in relativ großer Übereinstimmung bezeugt wird. Diese ungeschriebene Lehre, die vielleicht aus der Vorlesung ›Über das Gute‹ stammt, ist nach den Anhängern dieser Minderheitsmeinung Platons eigentliche Position, die in den Dialogen nur angedeutet, aber nicht ausgesprochen werde.32

Tendenzen der Platon-Deutung in der Antike Zwar weisen auch die antiken Deutungen Unterschiede auf, unterscheiden sich aber insgesamt von ihren modernen Nachfolgern: Sie lesen Platons Dialoge generell nicht als Dokumente für das Denken einer bestimmten historischen Person, sondern als Zeugnisse einer philosophischen Theorie mit einem Wahrheits­ anspruch. Diese Theorie wird enfaltet, indem man die platonischen Dialoge erklärt, und kritisiert, wenn man, wie einige Epikureer,33 bestimmte Aussagen Platons kritisiert. Im Detail ist allerdings erläuternd zu bemerken, dass aus großen Teilen der platonischen Tradition der Antike, vor allem der Alten und der Neuen Akademie, nicht viel über ihre Platon-Auslegung bekannt ist, da die Quellen hierüber keine direkte Auskunft geben. Immerhin betonen neuere Forschungen, dass es Anklänge der Texte der Neuen Akademie gerade an die sokratischen Frühdialoge gibt.34 Die Interpretationstradition des Mittel- und Neuplatonismus, über welche wir relativ gut informiert sind, geht zusätzlich davon aus, dass Platons Œuvre ein einheitliches System enthält, das die Interpretation berücksichtigen und herausarbeiten muss, indem sie alle Einzelaussagen in platonischen Dialogen auf einen bestimmten Aspekt des angenommenen Systems bezieht. Hierbei können sogar andere Autoren als Platon zur Verdeutlichung herangezogen werden, wenn diese auch als Zeugen der einen Wahrheit gelten, so dass man gewisse stoische oder aristotelische Aussagen als Erläuterung des platonischen Gedankengebäudes im Detail verstehen kann.35 Wird dieser Ansatz mit einer allegorischen Deutung verbunden, kann er so weit gehen, dass bereits die Dialogfiguren als Allegorie für be32

  Vgl. Erler, Platon, 7; Söder, Zu Platons Werken, 31 f.   Vgl. unten S. 391. 34   S. unten S. 442. 35   Zum neuplatonischen Deutungsansatz vgl. z. B. Ch. Tornau, Spätantike I: früherer Neuplatonismus, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch, 421–430; M. Perkams, Spätantike II: späterer Neuplatonismus, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 430–434; M. Perkams, Das Prinzip der Harmonisierung verschiedener Traditionen in den neuplatonischen Kommentaren zu Platon und Aristoteles, in: M. van Ackeren  /  J. Müller 33

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stimmte Momente der Wirklichkeit verstanden werden.36 In vielen Fällen wird die dialogische Form aber eher als reine Einkleidung wenig beachtet, was sich z. B. in der Erstellung von Synopsen äußert, welche die ›Inhalte‹ einzelner Dialoge unter Weglassung der dialogischen Argumente bietet.37 Diese systematisierenden Interpretationslinien sind ursprünglich von dem Bedürfnis geprägt, ein platonisches Gedankengebäude den geschlossenen Theorien der Stoiker und Epikureer gegenüberzustellen (früher Mittelplatonismus),38 und verfolgen später ein ähnliches Ziel, indem platonische und aristotelische Positionen gegenüber dem Christentum als die eine wahre Philosophie interpretiert werden (später Neuplatonismus).39 Die systematische Interpretationsperspektive wird übrigens auch von den antiken Platon-Editionen vorausgesetzt, die darauf beruhen, dass die Dialoge jeweils in einen Sinnzusammenhang gesetzt werden, wie wir das für die namentlich von Thrasyllos (1. Jhdt. n. Chr.) erstellte Anordnung in Tetralogien noch nachvollziehen können.40 Im Neuplatonismus wird die inhaltliche Anordnung zu einem ganzen Curriculum ausgebaut, innerhalb dessen jede Aussage eines jeden Dialogs von genau der Themenstellung (σκοπός) her gedeutet wird, die diesem Dialog entsprechend seiner Einordnung ins Curriculum zugrunde liegt.41

3. Philosophische Theorien Die Philosophie Platons übertrifft in vielerlei Hinsicht die ethischen und erkenntnistheoretischen Bemühungen der anderen Sokratiker sowie der Sophisten und ist in ihrer Mannigfaltigkeit und Tiefe bis heute ein anregender Gegenstand immer neuer Untersuchungen. Die Vielfalt platonischen Philosophierens ist in den Dialogen durch ein Netzwerk von Gedanken und Interessen verbunden, die immer wieder auftauchen. Insofern all dies offenbar flexibel und entwicklungsoffen ist, lässt es sich kaum angemessen als geschlossenes ›System‹ bezeichnen, doch ist ein systematischer Zusammenhang von Platons verschiedenen Meinungen zu (Hrsg.), Antike Philosophie verstehen. Understanding Ancient Philosophy, Darmstadt 2006, 332–347, v. a. 333–335. 36   So bei Proklos: In Timaeum 1 (1, p.  14, 3–18, 28 Diehl). 37   Derartige Texte sind vor allem auf Arabisch erhalten, vgl. D. N. Hasse, Plato ArabicoLatinus. Philosophy – Wisdom Literature – Occult Sciences, in: St. Gersh  /  M. J. F. M. Hoenen (Hrsg.), The Platonic Tradition in the Middle Ages. A Doxographic Approach, Berlin  /  New York 2002, 31–65, hier 31–34. 38   S. unten S.  543  f. 39   S. unten S.  773  f. 40   Überblicke bei Erler, Platon, 13 f., 20 f.; L. Brisson, Platon. Œuvres, in: DPhA 5a (2012), 639–644, hier 639–642; Söder, Zu Platons Werken, 20 f. Vgl. auch unten S. 518. 41   Vgl. unten S.  764  f.

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erkennen,42 den die Mittel- und Neuplatoniker mit nachvollziehbaren Gründen als geschlossenes Gedankengebäude interpretieren können.43 Vor Platons eigenem historischem Hintergrund ist zu beachten, dass die sogenannte Ideenlehre als Kernstück platonischen Philosophierens,44 wenn sie denn philosophisch abgesichert werden kann, sich als Begründung der Möglichkeit zuverlässiger Erkenntnis eignet, welche wegen ihrer Objektivität dem relativistischen Zugriff der Sophisten entzogen ist.45 Somit kann Platon mit ihrer Hilfe eine moralische Grundlage des menschlichen Zusammenlebens darlegen und, auch unter Einbeziehung religiöser Lehren, zeigen, wie Philosophie, fern von aller Asebie, Grundlagen für das Zusammenleben in der Polis liefern kann.

Erkenntnistheorie und Ideenlehre Platons erkenntnistheoretischer Ansatz zielt grundlegend darauf ab, wahre Erkenntnis, namentlich des Guten, durch eine rationale bzw. transrationale Wahrheitserkenntnis zu erreichen, und nimmt zu diesem Zwecke von jeglichen empirischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien sehr bewusst Abstand.46 Zentrales Element ist die Ideenlehre, die in verschiedenen Werken Platons nach und nach durch Einführung unterschiedlicher Elemente entwickelt wird:47 Während er im ›Protagoras‹ die Bedeutung des Wissens für die Tugend und deren Erlernbarkeit etabliert,48 erläutert er im ›Menon‹ die Besonderheiten des Wissens, grenzt es von der wahren Meinung (ὀρθὴ δόξα) ab und führt die Anamnesis-Lehre ein. Im ›Phaidon‹ wird sie um die Ideenlehre mit dem Argument ergänzt, dass die Begriffe, mit welchen wir das sinnlich Erkannte klassifizieren, insbesondere ›gleich‹ und ›ungleich‹ oder ›eines‹ und vieles‹, ein implizites Wissen darüber voraussetzen, was diese Begriffe an sich bedeuten bzw. auf welche Gegenstände sie sich beziehen.49 42

  Vgl. Erler, Platon, 353 f.   Vgl. dazu unten S. 543  f. und 773  f. 44   Vgl. dazu Ch. Schäfer, Idee  /  Form  /  Gestalt  /  Wesen (idea  /  eidos  /  morphē  /  paradeigma), in: Ch. Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon. Begriffswörterbuch zu Platon und der platonischen Tradition, Darmstadt 2007, 157–165, 160 f. 45   Vgl. J. Szaif, Epistemologie, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 117– 135, hier 126 f. 46   Vgl. Ph. H. De Lacy  /  A. E. De Lacy, in: Philodemus, On Methods of Inference. Edited with Translation and Commentary by Ph. H. De Lacy  /  A. E. De Lacy, Neapel 21978, 169–171. 47   Da die Chronologie der hier genannten Werke, wie gerade erläutert, nicht sicher zu ermitteln ist, muss es offenbleiben, ob sie Entwicklungen im Denken Platons oder einen Versuch abbilden, seine Leser nach und nach mit seiner kontroversen Position bekanntzumachen. 48   Vgl. Sokrates’ Zusammenfassung des Ergebnisses seines Austauschs mit Protagoras: Plato, Protagoras 360e–361b. 49   Plato, Phaedo 73c–75e. Vgl. die Liste der einschlägigen Texte zur Anamnesislehre 43

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Derartige Strukturbegriffe implizieren Platon zufolge, als eine Bedingung von Wissen (ἐπίστήμη) im Vergleich zur Fertigkeit (τέχνη), die Fähigkeit, Gleiches als gleich zu identifizieren und Ungleiches als ungleich zu erkennen. Dies ist auch eine Bedingung dafür, nicht durch vordergründige sprachliche Ähnlichkeiten zu Fehlschlüssen verleitet zu werden (wie es Platon zufolge zumindest einige Sophisten tun).50 Aus diesem Grund beschäftigt sich Platon intensiv mit Fragen der rechten Aufteilung des Seienden, den sogenannten Dihairesen, welche helfen sollen, eine klare Antwort auf die Frage zu erhalten, ›was etwas ist‹ (τί ἐστιν), d. h. was es seinem Wesen bzw. seiner Natur nach ist. Dies ist auch deswegen wichtig, weil Platon bereits, in einer spezifischen Form, den Satz vom Widerspruch kennt,51 also dass etwas nicht in derselben Hinsicht etwas und etwas damit nicht vereinbares anderes – in antiker Terminologie ein »Gegenteil« (ἐναντίον)52 – sein kann. Für eine richtige Anwendung des Argumentes ist es d ­ aher entscheidend, diese Hinsichten bestimmen zu können. Wissen zeichnet ferner sich dadurch aus, dass es etwas aus seiner Ursache heraus begreift und somit eine gewisse Fehlerlosigkeit aufweist. Das unterscheidet das »Wissen« (ἐπιστήμη) von der »wahren Meinung« (ὀρθὴ δόξα), die zwar auch richtig ist, der aber die entsprechende Kenntnis der Ursachen fehlt.53 Allerdings stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, welche Ursache richtiges Wissen ermöglicht. Ein für die platonische Philosophie typischer Zug besteht nun darin, dasjenige als die Ursache eines Gegenstandes im relevanten Sinn anzusehen, was dessen ›Sein‹ ausmacht. Gemeint ist die Ursache für das allgemeine Charakteristikum, anhand dessen etwas als etwas bestimmt und von Verschiedenem unterschieden werden kann, »weil durch das Schöne alles Schöne schön wird«.54 Eine solche Ursache nennt Platon Idee,55 und das Verursacht-Sein bezeichnet er als »Anteil haben« (μετέχειν).56 Platon vergleicht sein Vorgehen in dieser Hinsicht mit der Geometrie, in welcher anhand sichtbarer Figuren auf Regeln geschlossen wird, die (in Platons Deutung) jenseits dieser Figuren angesiebei B. Manuwald, Wiedererinnerung  /  Anamnesis, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), PlatonHandbuch2, 360–362. 50   Ein typischer Gedankengang, in dem Sokrates vor solchen Fehlschlüssen warnt, ist z. B. Plato, Protagoras 330e–331e. Zum Verhältnis von und bei Platon vgl. Szaif, Epistemologie, 118 f., 123–125. 51   Plato, Respublica 4, 436bc. Vgl. N. Strobach, Logik und Methodologie, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 106–117, hier 109 f. 52   Vgl. dazu z. B. Plato, Protagoras 332a–333b. 53   Plato, Meno 97a–d. Vgl. Szaif, Epistemologie, 122–124. 54   Ὅτι τῷ καλῷ πάντα τὰ καλὰ γίγνεται καλά. Plato, Phaedo 100cd. Die Frage, welche ontologische Bedeutung diese Ideen haben, ist freilich in der Platonforschung umstritten, vgl. die Kritik bei Th. Ebert, Meinung und Wissen in der Philosophie Platons, Berlin  /  New York 1974, zusammengefasst auf S.  209–213. 55   Faktisch spricht eher die Tradition von »platonischen Ideen«, denn Platon verwendet für »Idee« unterschiedliche Begriffe; vgl. Schäfer, Idee  /  Form  /  Gestalt  /  Wesen, 157. 56   Plato, Phaedo 100d.

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delt sein müssen, um die an ihnen sichtbaren Phänomene erklären zu können.57 Im Unterschied zur Geometrie erschließt er aber keine transzendenten Regeln, sondern mit unserem alltäglichen Denken nicht erreichbare, wahrhaft – und nicht nur scheinbar – seiende Realitäten, welche die Wahrheit unserer Begriffe erklären und verbürgen sollen, eben die Ideen.58 Zumindest in späteren Dialogen wird nahegelegt, dass es nicht nur von einigen Strukturbegriffen des Denkens Ideen gibt, sondern von allem, was über eine Vielzahl von Einzelgegenständen korrekterweise ausgesagt werden kann.59 Insofern kann man den Schluss ziehen, dass sämtliche Aussagen, die ein Wissen ausdrücken, sich direkt auf allgemeine Ideen beziehen, sowie darauf, dass jede Idee in einer bestimmten Beziehung zu allen anderen Ideen steht, welche letztlich auch das Verhältnis eines Einzelgegenstandes, der dieser Idee gemäß ist, zu anderen Gegenständen und Relationen in der Welt bestimmt.60 Mithilfe von Ideen ist es demnach in Platons Vorstellung möglich, eine wahrheitsfähige Beschreibung der ganzen Wirklichkeit zu geben. Aus all diesen Annahmen resultieren nun einige bekannte Probleme, die Platon in Dialogen wie dem ›Parmenides‹ und dem ›Sophistes‹ diskutiert: So legt er sowohl nahe, dass eine Idee a) (in gewissem Sinne) die Ursache von etwas ist und b) dessen ›Sein‹ bzw. Wesen ausmacht. Folglich scheint die Idee einerseits  – qua Ursache – von dem von ihr abhängigen Objekt verschieden zu sein – und andererseits – seine wesentlichen Merkmale zu beinhalten. Folglich kann Platon sagen: »Schwerlich wird gewiss irgendetwas fromm sein, wenn nicht wenigstens die Frömmigkeit fromm ist«.61 Doch kann z. B. die Idee des Menschen, wenn sie ewig und unveränderlich sowie die Ursache des Menschen ist, schwerlich selbst ein Mensch sein, und auch alle seine wesentlichen Eigenschaften, z. B. Sterblichkeit, kann eine Idee nicht aufweisen. Muss man aber nicht gerade das annehmen, wenn diese Idee tatsächlich Wissen vom Menschen vermitteln soll?62 Eine Antwort Platons auf derartige Schwierigkeiten ist seine Unterscheidung von Urbild und Abbild: Die Idee ›Mensch‹ ist in ihrem Sein das ewige Urbild all der konkreten Abbilder, die Menschen sind, und besitzt somit alle Eigenschaften, die den Menschen ausmachen, in einer urbildhaften, ewigen Weise, während die Men57

  Plato, Respublica 6, 510c–e.   Vgl. Mittelstraß, Die griechische Denkform, 30–36. Zu Unterschieden zwischen Platons Zugang und der Geometrie vgl. Szaif, Epistemologie, 126. 59   Vgl. Plato, Respublica 10, 596a und dazu B. Strobel, Idee  /  Ideenkritik  /  Dritter Mensch, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 295–302, hier 295. 60   Plato, Phaedo 100e–101b. Zu einigen Problemen dieser Annahme Plato, Parmenides 133b–d, sowie Schäfer, Idee  /  Form  /  Gestalt  /  Wesen, 163  f.; Strobel, Idee  /  Ideenkritik  /  Dritter Mensch, 295 f. 61   Σχολῇ μεντἄν τι ἄλλο ὅσιον εἴη, εἰ μὴ αὐτή γε ἡ ὁσιότης ὅσιον ἔσται. Plato, Protagoras 330d–e. 62   Vgl. zu den genaueren Hintergründen dieses Problems der Selbstprädikation Strobel, Idee  /  Ideenkritik  /  Dritter Mensch, 44 f. 58

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schen sie in einer abbildhaften, zeitlichen Weise besitzen. Zudem darf die Ähnlichkeit zwischen einem Menschen und seiner Idee selbst nicht der Art ›Mensch‹ angehören und dessen Merkmale besitzen.63 Ferner muss Platon, der annimmt, dass es viele Ideen gibt, erklären, wie es viele ewige Entitäten nebeneinander geben kann, die eine gewisse Struktur aufweisen, was u. a. dem Argument des Parmenides widerspricht, dass das ewige, gedachte Sein nur ein einziges sein kann.64 Der Gesprächsführer in Platons ›Sophistes‹, der selbst mit der Bezeichnung »Gast aus Elea« als Parmenides-Anhänger eingeführt wird, bekennt, deswegen zum »Vatermörder« werden zu müssen.65 Faktisch entwickelt er eine Theorie von den fünf »größten Gattungen« (μεγίστα γένη) innerhalb der Ideen – Seiendes (ὄν), Identität (ταὐτόν), Differenz (ἕτερον), Bewegung bzw. Veränderung (κίνησις) und Ruhe bzw. Stillstand (στάσις) –, welche die Verschiedenheit jeden Seins, auch des Ewigen, begründen sollen.66 Letztlich führt die Annahme von Ideen mit der Ordnung von Urbild und Abbild sowie den verschiedenen Gattungen somit zu der hierarchisch gestuften Onto­logie, welche typisch für platonische Positionen ist. Hierbei laufen die verschiedenen ontologischen Grade parallel zu den verschiedenen Arten von Erkenntnis. Dies erläutert Platon vor allem im Liniengleichnis der ›Politeia‹, wo den vier Seinsebenen der Ideen, der mathematisch-geometrischen Gegenstände, der abbildhaften Dinge und deren Spiegelungen wie Abbilder die vier Erkenntnisformen des reinen Denkens (νόησις) bzw. Wissens (ἐπιστήμη), des mathematischdiskursiven Denkens (διάνοια), der Überzeugung (πίστις) und der Vorstellung (εἰκασία) entsprechen.67 Jeder Stufe der Wirklichkeit entspricht also ein eigenes Erkenntnisvermögen, das, bei entsprechender Schulung durch Dialektik, die Möglichkeit zu einer adäquaten Erkenntnis des jeweils Seienden in seiner Eigenart und zur Unterscheidung von anderem besitzt.68 Offen lässt Platon dabei in gewisser Weise, wie der sprachliche Bezug auf die Ideen und ihre Abbilder genau zustande kommt, ob er von Natur aus gegeben oder durch menschliche Setzung entstanden ist, wie es vor allem im ›Kratylos‹ diskutiert wird.69 Eine gewisse Über63

  Plato, Parmenides 132cd. Für weitere Termini vgl. Plato, Sophista 241e. Zur Problematik vgl. Ch. Tornau, (Ab)Bild (eidōlon, eikasia, eikōn), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 29–33; Strobel, Idee  /  Ideenkritik  /  Dritter Mensch, 298–300. 64   Vgl. oben S. 112. 65   Plato, Sophista 241d. Vgl. Meinhardt, in: Platon, ›Der Sophist‹, 218; Erler, Kontexte der Philosophie Platons, 75. 66   Plato, Sophista 254b–257b. 67   Plato, Respublica 6, 509d–511e; vgl. 7, 533e–534a. Vgl. Szaif, Epistemologie, 127 f. Zum hierarchisch gestuften Aufbau des Kosmos in Timaios 28a; 30b s. unten zur Kosmologie Platons. 68   Dieser Punkt ist, für Platon wie für Aristoteles, insbesondere von Arbogast Schmitt in vielen Publikationen inhaltlich gerechtfertigt worden: Vgl. nur A. Schmitt, Denken ist Unterscheiden. Eine Kritik an der Gleichsetzung von Denken und Bewusstein, Heidelberg 2020, 30–47. 69   Plato, Cratylus 383ab.

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einstimmung von korrekt verwendeter Sprache und Wirklichkeit muss er jedenfalls voraussetzen, wenn seine Dialektik funktionieren soll.70

Die Seele und ihre Unsterblichkeit Die Annahme eines Erkenntnisvermögens, das spezifisch die Ideen erfassen kann, ist wiederum nur unter gewissen anthropologischen Voraussetzungen möglich. Zu ihnen gehört, dass die Seele ihrer Natur nach den Ideen in gewisser Weise ähnlich, also ihrerseits ewig ist, weswegen an »überhimmlischem« Ort »das farb- und gestaltlose, unberührbare, wahrhaft seiende Sein« der Ideen, »auf welches sich die Gattung des wahren Wissens bezieht, nur für den Steuermann der Seele, den Geist, zu schauen ist«.71 Insofern ist die im antiken Platonismus und Aristotelismus verbreitete Annahme der Ewigkeit der Seele bzw. ihres höchsten Teiles, des Geistes (νοῦς), von ihrem Ursprung her mit der platonischen Ideenlehre verbunden. Die Möglichkeit einer wahren Beschreibung der sichtbaren Welt ergibt sich für Menschen aber nicht direkt aus der Wesensähnlichkeit unserer Seele bzw. des Geistes zu den Ideen, sondern indirekt daraus, dass wir uns an das Leben erinnern, das unsere Seelen vor dem Eintritt in den Körper geführt haben: Damals waren wir zur Erkenntnis der Ideen befähigt, und wenn wir im körperlichen Leben etwas sehen, was ein Abbild einer der Idee ist, erkennen wir es aus dieser Erinnerung wieder.72 Diese Lehre ist Platon zufolge auch die Grundlage der sokratischen Hebammenkunst (Maieutik), indem durch gezieltes Nachfragen jemand dazu geführt wird, sich seines eigenen Wissens bewusst zu werden.73 Auf diese Weise behandelt die Lehre von der Anamnesis bzw. der Wiedererinnerung das philosophische Problem der apriorischen Bestandteile unseres Wissen, d. h. woher wir etwas wissen, das wir offenbar nicht aus der sinnlichen Erfahrung gewonnen haben. Das betrifft z. B. Strukturbegriffe wie ›gleich‹ oder ›ungleich‹ oder, wenn man von einem weiteren Ideenbegriff ausgeht, die Frage nach den Gattungen oder Arten.74 Die Unsterblichkeit der Seele selbst leitet Platon nicht nur aus unserer Fähigkeit zur Wiedererinnerung ab, sondern begründet sie vor allem im ›Phaidon‹ auch mit weiteren Argumenten: a) Jeder Veränderung entspricht komplementär 70   Vgl. Ch. Kahn, Plato and the Post-Socratic Dialogue. The Return to the Philosophy of Nature, Cambridge 2013, 144–147. 71   Ἡ γὰρ ἀχρώματός τε καὶ ἀσχημάτιστος καὶ ἀναφὴς οὐσία ὄντως οὖσα, ψυχῆς κυβερνήτῃ μόνῳ θεατὴ νῷ, περὶ ἣν τὸ τῆς ἀληθοῦς ἐπιστήμης γένος. Plato, Phaedrus 247a. Für den höchsten Teil der Seele vgl. auch Plato, Symposium 210b, wo von der »Blüte« (ἄνθος) in der Seele die Rede ist, was im Neuplatonismus aufgenommen wird. 72   Plato, Meno 85d–86c; Phaedo 76d–77a. 73   Plato, Theaetetus 148e–151d. Vgl. H.-O. Seitschek, Wiedererinnerung  /  Anamnesis (anamnēsis), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 330 f. 74   Vgl. zusammenfassend Seitschek, Wiedererinnerung  /  Anamnesis, in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexion, 330–332.

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eine Veränderung in die andere Richtung, so ist es auch zwischen Sterben und Leben. b) Im Rahmen eines zyklischen Wechsels muss dem Sterben auch ein Wiederbelebt-Werden entsprechen.75 c) Unsere Fähigkeit, das Schöne und Gute in seinem Sein zu erkennen, setzt nach der Anamnesislehre notwendig eine Präexistenz der Seele voraus.76 d) Nichts kann sein eigenes Gegenteil aufnehmen. Die Seele ist Leben, ihr Gegenteil wäre der Tod. Also kann die Seele den Tod nicht aufnehmen.77 Das offensichtliche Ungenügen dieser Argumente für einen strikten Beweis der Annahme der Unsterblichkeit der Seele sorgt bis heute für Verwunderung unter den Interpreten.78 Es lässt sich vielleicht so erklären, dass die Plausibilität eines Lebens nach dem Tod mindestens genau so sehr wie durch die Argumente durch Sokrates’ eigenes vorbildliches Verhalten im ›Phaidon‹ angeregt wird. Sein Beispiel kann ebenso wie die Argumente Stoff zum Nachdenken geben, auch wenn man über keinen wissenschaftlichen Beweis verfügt. In anderen Dialogen b ­ egegnet auch das Argument, dass die Seele dazu in der Lage ist, sich selbst zu bewegen, was ihr auch eine kosmische Funktion als Weltschöpferin zuzuschreiben erlaubt.79 Mit der Unsterblichkeit der Seele hängen auch die körperskeptischen Aussagen Platons zusammen, dass der Körper etwa »das Grab für die Seele« (σῶμα σῆμα τῆς ψυχῆς), »Gefängnis« der Seele (φρουρά) oder, weniger pointiert, ein Gefährt der Seele sei. Platon selbst nennt diese Aussagen »mythisch«,80 doch stehen sie in einem engen Zusammenhang damit, dass a) Platon zufolge eine direkte Erkenntnis der Wahrheit, d. h. der Ideen oder Urbilder, nur der Seele möglich ist und dass er b) die unkörperliche Seele und den Körper ontologisch klar unterscheidet. Eine Dimension, in der dieser Punkt wichtig ist, sind die Schilderungen des Totengerichts in Platons eschatologischen Mythen: In den verschiedenen Varianten dieser Erzählungen werden jeweils die einzelnen gestorbenen Seelen ausschließlich nach ihrer moralischen Qualität von den Totenrichtern bewertet. Denn »alles ist kenntlich an der Seele, sobald sie des Körpers entkleidet ist«, nämlich ihre moralischen Eigenschaften, während ihr äußerer Rang dabei keine Rolle spielt.81 Dieses Gericht, das im gerade zitierten ›Gorgias‹ noch vor der Alternative zwischen Inseln der Seligen und Tartaros erfolgt, wird in anderen Mythen 75

  Beide Argumente gehen in Plato, Phaedo 70c–72d direkt ineinander über.   Plato, Phaedo 76d–77a. 77   Plato, Phaedo 102a–107d. Zu den drei Argumenten und ihrem Kontext vgl. besonders die prägnanten Zusammenfassungen von Th. Ebert, in: Platon, ›Phaidon‹. Übersetzung und Kommentar von Th. Ebert, Göttingen 2004, 169–228; 371–412. 78   Vgl. Ebert, in: Platon, ›Phaidon‹, 412–420; J. Müller, Psychologie, in: Horn  /  Müller  / ­Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 147–160, hier 152–154. 79   Plato, Phaedrus 245c–246a; Leges 10, 896ab. 80   Plato, Gorgias 493a; Phaedo 62b; Phaedrus 246a–c. Vgl. W. Brinker, Seele (psychē), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 253–258, hier 254. 81   Ἔνδηλα πάντα ἐστὶν ἐν τῇ ψυχῇ, ἐπειδὰν γυμνωθῇ τοῦ σώματος. Plato, Gorgias 523e– 525a, Zitat 524d (Übs. M. Erler). 76

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mit der Vorstellung einer Seelenwanderung (Metempsychose) verbunden: Die besten Seelen, nämlich die der Philosophen, gelangten auf die Inseln der Seligen, während die Seelen der Übrigen sich je nach ihrer moralischen Qualität in Menschen oder auch in verschiedene Tiere verwandeln, von wo sie sich durch eine angemessene Lebensführung in einem oder mehreren Abläufen langfristig wieder nach oben arbeiten müssen.82

Die Idee des Guten und der Auf- und Abstieg Der komplexen ontologischen Struktur, die sich aus all diesen Lehren ergibt – von den Ideen über die Seelen bis hin zu den Tieren –, entsprechen auch die Grundstrukturen der Ethik, die für Platon typisch sind. Die Ethik bezieht sich dabei, wie im Sonnengleichnis der ›Politeia‹ deutlich wird, letztlich sogar auf die höchste aller Ideen, die Idee des Guten, deren Licht überhaupt jede denkende Erkenntnis ermöglicht. Sie ist, wohl in Parallelität zum Einen der ungeschriebenen Lehre,83 »jenseits des Seins« (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας), d. h. der Ideen, wodurch sie zum Vorbild der Stellung des neuplatonischen Einen wird.84 Hieraus wird man schließen dürfen, dass ein Streben zum Guten nach Platon bereits jeder Lebensführung inhärent ist. Allerdings ist die Idee des Guten jedenfalls für rationale Wesen wie Menschen nur eine Form, deren inhaltliche Füllung dem Einzelnen unbekannt ist, so dass sie erst, z. B. durch die Dialektik, gesucht werden muss.85 Hierfür spielt nicht zuletzt die Handlungsfreiheit der Seele eine Rolle, die Platon unter dem Stichwort ihrer Selbstbewegung diskutiert. Dabei trifft er beachtliche Aussagen zu spontanen Aktivitäten der Seele,86 deren Handlungsmöglichkeiten jedoch durch eine ursprüngliche Wahl vor dem Leben stets nur in eingeschränktem Maße für die Seele im Körper verfügbar sind.87

82   Plato, Gorgias 523a–527a; Respublica 10, 614b–621b. Vgl. J. Müller, Seelenwanderung, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 331–335. Besonders zur Entwicklung der verschiedenen Mythen bei Platon K. Alt, Jenseits  /  Jenseits-Gericht, in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 175–178. 83   Erwähnt bei Aristoteles, Metaphysica 1, 6, 988a 7–15; 14, 4, 1091b 13–15. Vgl. H. J. Krämer, Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie, Heidelberg 1959, 250–252. 84   Plato, Respublica 6, 506b–509b. Vgl. R. Rehn, Sonnen-, Linien- und Höhlengleichnis, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 338–342, hier 339. Zur neuplatonischen Interpretation vgl. unten S. 745  f. 85   Plato, Respublica 6, 505de. Vgl. P. Staudacher, Dialektik, in: Schäfer (Hrsg.), PlatonLexikon, 81–87, 82 f. 86   Plato, Phaedrus 245e; Plato, Leges 896e–898d. Vgl. Brinker, Seele, 253 f.; M. Perkams, Handlung  /  Praxis (praxis), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 151–154, hier 153. 87   Plato, Respublica 10, 617de. Vgl. D. Cürsgen, Freiheit  /  Notwendigkeit (anankē), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 121–124, hier 122 f.

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Die klassische Epoche

Konkretisiert wird diese Beschreibung besonders, indem Platon ausdrücklich das spätestens im sokratischen Denken angelegte Prinzip der Eudaimonie formuliert, das zum Leitbild für die ganze antike Ethik werden wird: Alles, was Menschen wollen und tun, dient letztlich dazu, die Eudaimonie bzw. das Glücklichsein zu erwerben.88 Dieses ist für Platon allerdings nicht mit der Freude (ἡδονή) identisch, sondern diese ist vielmehr größer oder kleiner, je nachdem, ob die Aktivität, die sie begleitet, besser oder schlechter ist.89 Durchaus folgerichtig wird sie daher im ›Philebos‹ als ein »Werden« (γένεσις) und nicht als ein Sein definiert.90 Im ›Symposion‹ stellt die Seherin Diotima in Sokrates’ Rede dar, wie Eudaimonie und höchste Freude mithilfe eines Aufstiegs erreicht werden, welcher von den schönen Körpern über die schönen Seelen und die schönen Ideen bis dahin führt, dass sich einem »plötzlich« (ἐξαίφνης) die Wahrheit in ihrer Gänze und Schönheit von sich aus zeigt.91 Während der Aufstieg somit letztlich kraft der menschlichen Erkenntnis möglich ist, ist seine Vollendung in der höchsten Schau nur möglich, indem sich das Höchste selbst zeigt. Dieser Gedanke, ein Urahn aller europäischen und islamischen Mystik,92 entspricht strukturell anderen Aufstiegsschilderungen Platons, von denen diejenige im Höhlengleichnis die bekannteste ist, die ebenfalls den Gedanken enthält, dass eine unmittelbare Erkenntnis der Wahrheit für den Menschen nur möglich ist, wenn er sich an ihren Gedanken gewöhnt hat. Besonders im Höhlengleichnis wird dieser Aufstieg mit der Forderung nach einem folgenden Abstieg verbunden, durch den derjenige, der die Wahrheit geschaut hat, danach strebt, diese weiterzugeben, womit er freilich am begrenzten Fassungsvermögen seiner Mitmenschen scheitert.93 Mit dem Verhältnis von Seele und Körper hängt auch die Form zusammen, welche die Tugendlehre in Platons Werken schließlich einnimmt: Hierbei wird die sokratische Auseinandersetzung mit dem Tugendbegriff aufgenommen, zugleich aber der Körper als Quelle der Begierden identifiziert.94 Da Platon nun grundsätzlich, wie Sokrates, der Meinung ist, dass ein tugendhaftes Handeln immer auf einer Vernunfterkenntnis beruht, bleibt auch bei ihm die moralische Qualität eines Menschen von dieser abhängig.95 Allerdings unterscheidet sich Platons 88

  Plato, Gorgias 507cd; Symposium 204e–205a. In der modernen Forschung wird allerdings diskutiert, ob Platon diesem Prinzip nicht eine wesentlich eingeschränktere Funktion zuschreibt als Aristoteles: Vgl. R. Kraut, Eudaimonism and Platonic erōs, in: P. Destrée  / Z. Giannopoulou (Hrsg.), Plato’s ›Symposium‹. A Critical Guide, Cambridge 2017, 235–252. 89   Plato, Gorgias 506cd. Vgl. Respublica 5, 485de. 90   Plato, Philebus 53c–55c. Vgl. Frede, in: Platon, ›Philebos‹, 306–318. 91   Plato, Symposium 209e–211c. 92   Vgl. W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 22011, 478. Zur Frage, ob Platon selbst ein Mystiker ist, äußert sich kritisch z. B. Seitschek, Wiedererinnerung  /  Anamnesis, 331. 93   Plato, Respublica 7, 514a–517a. Vgl. Rehn, Sonnen-, Linien- und Höhlengleichnis, 340 f. 94   Plato, Gorgias 493a. 95   Plato, Respublica 4, 441e.

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

Konzeption von der sokratischen nicht zuletzt durch die Einbettung des Leitungsanspruchs der Vernunft in eine komplexere Psychologie, die sich vor allem in der Lehre von den Seelenteilen zeigt.

Die Seelenteile und ihre Verortung Zwar wird hierbei in gewissem Sinn der Gedanke beibehalten, dass lediglich die Vernunft zur Ausrichtung auf das Gute in der Lage ist, aber dies muss nach Platons Vorstellung so geschehen, dass die anderen Vermögen ebenfalls auf das Gute ausgerichtet sind, wozu sie im richtigen Verhältnis zur rationalen Seele stehen, sich also von dieser leiten lassen müssen.96 Andernfalls behindern sie die rationale Erkenntnis und das gute Handeln. Aus diesem Grundgedanken erklärt sich vor allem die berühmte Dreiteilung der Seele in ›Politeia‹ IV, nämlich in Logos bzw. Vernunft, Begehren (ἐπιθυμία) und Zornmut (θυμοειδές),97 die in anderen Dialogen mit verschiedenen Formulierungen aufgegriffen, aber in den ›Nomoi‹ abgewandelt wird.98 In der ›Politeia‹ wird die Seelenteilung gleich mit der Tugendlehre verbunden, indem die Gerechtigkeit das rechte Verhältnis der drei Vermögen bzw. Seelenteile99 zueinander darstellt, das dann besteht, wenn deren je eigene Tugenden Klugheit, Besonnenheit und Tapferkeit ebenfalls richtig arrangiert sind.100

Kosmologie und Demiurg Im späten ›Timaios‹ entwickelt Platon, nachdem er immer wieder naturphilosophische Themen angesprochen und im ›Philebos‹ ihre Verbindung mit der Dialektik angedeutet hat,101 eine detailliert ausgearbeitete Kosmologie, welche eine Naturbeschreibung einschließt, welche, aufgrund der Unmöglichkeit einer direkten und exakten Kenntnis des Natürlichen, freilich nur »durch ein wahrscheinliches« bzw. »näherungsweises Argument« (κατὰ λόγον τὸν εἰκότα) erfolgen kann.102 Die 96   Zum Beispiel im ›Marionettengleichnis‹ der ›Nomoi‹: Plato, Leges 1, 644d–645c. Vgl. Ch. Bobonich, The Puzzles of Moderation, in: Ch. Horn (Hrsg.), Platon, ›Gesetze‹ – ›Nomoi‹, Berlin 2013, 23–43, v. a. 30–33; J. Müller, Der Mensch als Marionette. Psychologie und Handlungstheorie, in: Horn (Hrsg.), Platon, ›Gesetze‹ – ›Nomoi‹, 45–66, hier 54–59. 97   Plato, Respublica 4 435e–441c. Vgl. Brinker, Seele, 256 f. 98   Vgl. Müller, Psychologie, 150 f.; Müller, Der Mensch als Marionette, 45–66. 99   Wie auch sonst in der Antike ist nicht immer klar, wie sich die Konzepte von »Seelenteilen« und »Seelenvermögen« zueinander verhalten. Zur platonischen Terminologie vgl. Brinker, Seele, 254 f.; Müller, Psychologie, 152. 100   Plato, Respublica 4, 441e–444a. 101   Plato, Philebus 58e–59c; zum weiteren Kontext Kahn, Plato and the Post-Socratic Dialogue, 157–175. 102   Plato, Timaeus 29c; 30b.

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Die klassische Epoche

Entstehung der Welt wird dabei auf einen guten Schöpfergott, den Demiurgen, zurückgeführt, der sich von dem Ziel leiten lässt, eine möglichst gute Welt zu schaffen, die, als sinnlich wahrnehmbare, »entstanden ist« (γέγονεν).103 Zu diesem Zweck schaut er vor der Schöpfung nach oben zum unveränderlichen Urbild (παράδειγμα) der Ideen, die ihm somit übergeordnet sind,104 und schafft eine Welt aus dem, was »durch Denken mit Vernunft erfassbar ist und sich immer gleich verhält«, und dem, »was durch Meinung in Verbindung mit nicht rationaler Wahrnehmung gemeint werden kann, entsteht und vergeht, aber niemals wahrhaft ist«, wobei all das Letztere »aus Notwendigkeit aufgrund einer bestimmten Ursache entsteht«.105 Damit erkennt Platon das Kausalitätsprinzip an. Entscheidend ist im ›Timaios‹ die Vorstellung, dass der Kosmos so gut ist, wie er nur hätte werden können: »Denn aufgrund von Nachdenken baute« der Demiurg »das All zusammen, indem er diesen Geist in eine Seele, die Seele in einen Leib einfügte«.106 Er selbst befasst sich auch nur mit der Struktur des Geistigen und Seelischen und überlässt die Herstellung der unteren Teile des Kosmos, »indem sie dem Unsterblichen das Sterbliche hinzuweben« (ἀθανάτῳ θνητὸν προσυφαίνοντες), den sogenannten »jungen Göttern«, welche also die schöpferische Kraft des Demiurgen in die Körperwelt vermitteln.107 Diese bildet einen weiteren Teil des Kosmos und wird durch eine Weltseele belebt, die sich selbst zwischen der geistigen und der materiellen Welt bewegt. Sie ist zugleich Ursache der Zeitlichkeit der Welt.108 Diese setzt ihrerseits zu ihrer Realisierung die Materie als das Mögliche voraus, aus dem alles Körperliche werden kann; im ›Timaios‹ heißt sie »Amme des Werdens« (τιθήνη τῆς γενέσεως).109 Die drei Seelenteile werden in diesem Zusammenhang in verschiedenen Körperteilen verortet, nämlich der rationale Seelenteil im Kopf, der zornmütige in der Brust und der begehrende im Bauche.110 Diese Beschreibung wird zum Anlass einer komplexen physiologischen Diskussion über das Verhältnis von Seele(nteilen) und Körper. 103

  Plato, Timaeus 28b.   Plato, Timaeus 28e–29b; 39e. Vgl. bereits Plato, Respublica 10, 596b. 105   Ἀεί, ὂν δὲ οὐδέποτε; τὸ μὲν δὴ νοήσει μετὰ λόγου περιληπτόν, ἀεὶ κατὰ ταὐτὰ ὄν, τὸ δ’ αὖ δόξῃ μετ’ αἰσθήσεως ἀλόγου δοξαστόν, γιγνόμενον καὶ ἀπολλύμενον, ὄντως δὲ οὐδέποτε ὄν. πᾶν δὲ αὖ τὸ γιγνόμενον ὑπ’ αἰτίου τινὸς ἐξ ἀνάγκης γίγνεσθαι. Plato, Timaeus 28a. 106   Διὰ δὴ τὸν λογισμὸν τόνδε νοῦν μὲν ἐν ψυχῇ, ψυχὴν δ’ ἐν σώματι συνιστὰς τὸ πᾶν συνετεκταίνετο, ὅπως ὅτι κάλλιστον εἴη κατὰ φύσιν ἄριστόν τε ἔργον ἀπειργασμένος. Plato, Timaeus 30b. 107   Plato, Timaeus, 41a–d. Vgl. Brinker, Seele, 254. 108   Plato, Timaeus, 34b–35b. Vgl. W. Mesch, Kosmologie, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 217–222, hier 221. 109   Plato, Timaeus 49a. Vgl. W. Mesch, Naturphilosophie, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 223–230, hier 229 f. 110   Plato, Timaeus 69a–72d. 104

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

Während Platon die ganze Wirklichkeit in elaborierten mathematischen Strukturen beschreibt, bleibt doch seine ethische Wertung entscheidend für die Gestalt der Naturphilosophie als Ganzer, nämlich dass der Kosmos dank der rationalen Anordnung durch den Demiurgen im Ganzen gut ist. Diese göttlich gegebene Güte der Welt, welche auch in anderen Dialogen als Bedingung für die Erkennbarkeit der Natur genannt wird,111 bedeutet letztendlich, dass bereits bei Platon die Naturphilosophie nicht zum geringen Teil in den Dienst ethischer und politischer Vorstellungen gestellt wird, die sich an einer solchen guten Natur orientieren können. Die tendenziell deterministischen Implikationen eines solchen Weltbildes – Gott hätte offenbar die Welt nicht besser und damit nicht anders schaffen können – werden von Platon noch nicht problematisiert, bestimmen aber seit der Stoa die antike Debatte.

Orientliebe und Schriftkritik Eine kurze Erwähnung verdienen im Hinblick auf das antike Bild von der Philosophie einige Meta-Überlegungen Platons. Dieser führt nämlich einen Teil seiner Lehren, namentlich im ›Timaios‹ und im ›Phaidros‹, auf die ununterbrochene Tradition der Weisheit zurück, die in Ägypten unverändert von Generation zu Generation weitergegeben worden sei und die der Athener Solon dort erfahren habe.112 Diese mündliche Tradition erfährt bei Platon besondere Würdigung, während er sich im ›Phaidros‹ gegen eine schriftliche Abfassung von Gedanken äußert, weil diese zu verfehlenden Interpretationen und zum Verlust von Gedächtnisfähigkeiten führe.113 Diese berühmte Schriftkritik läuft darauf hinaus, dass der Philosoph sich auf sein eigenes inneres Wort bzw. Verständnis und dessen Wirkung bei möglichen Schülern konzentrieren soll, nicht aber auf schriftliche Ausarbeitungen, bei denen es in erster Linie um den eigenen Namen gehe.114 Auch diese Ausführungen gehören in eine zeitgenössische Diskussion, wie eine interessante, explizit gegen die Sophisten und implizit gegen Isokrates gerichtete Parallele beim Rhetoriklehrer Alkidamas zeigt, der freilich, anders als Platon, einer improvisierten Stegreif­ rede das Wort reden möchte.115 Während diese Ausführungen die weitgehende Durchsetzung der Schriftlichkeit im antiken Denken nicht verhindern können,116 bleibt der Vorrang orientali111

  Plato, Timaeus 29d–30c; vgl. Plato, Phaedo 98b–99d; Leges 10, 888a–892b.   Plato, Timaeus 21e–25d. 113   Plato, Phaedrus 274d–278d. Vgl. N. Blößner, Schrift(kritik), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 248–253; Eucken, Isokrates, 130–132. 114   Plato, Phaedrus 277c–278d. 115   Vgl. oben S. 208. 116   Vgl. A. Dihle, Mündlichkeit und Schriftlichkeit nach dem Aufkommen des Lehrbuchs, in: W. Kullmann  /  J. Althoff  /  M. Asper (Hrsg.), Gattungen wissenschaftlicher Literatur in der Antike, Tübingen 1998, 265–277, hier 274 f. 112

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Die klassische Epoche

scher, vorzugsweise alter Weisheit ein prägender Zug des westlichen Denkens (ex oriente lux). Auch wenn sich, bei aller Attraktivität z. B. der Annahme indischer Vorbilder der Seelenwanderungslehre,117 ein tatsächlicher orientalischer Einfluss auf griechische Lehren methodisch kaum nachweisen lässt, ist die Idee eines orientalischen Ursprungs der Philosophie, als sogenannte ›Barbarenphilosophie‹, die ganze Antike hindurch populär und trägt zur jüdisch-christlichen Aneignung des Philosophie-Ideals bei.

4. Philosophiebegriff118 In engem Zusammenhang mit diesen komplexen Überlegungen unternimmt Platon auch eine gründliche Neubestimmung des Philosophiebegriffs selbst. Ihm geht es darum, eine »wahre Philosophie«119 zu charakterisieren, die sich durch Bezug zur Wahrheit von falschen Ansprüchen auf diesen Titel abhebt.120 Nur die Erkenntnis dieser Wahrheit soll zur Tugend führen,121 zur richtigen Politik befähigen122 und ein gutes ewiges Leben ermöglichen.123 Dieses Programm, das Platon ausgehend von Sokrates’ Kritik an den Sophisten über mehrere Dialoge hindurch entwickelt, umfasst sowohl mehrere Charakterisierungen der Philosophen bzw. der Philosophie, die in der späteren Antike zu Definitionen »geronnen« auftreten,124 als auch ihre Abgrenzung von anderen Bereichen gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Aktivität. Insofern kann es über die mehreren Hauptbezugsfelder von Philosophie hinweg im Zusammenhang dargestellt werden, zumal Platon die entscheidenden Eckdaten des Verhältnisses der Philosophie zu Rhetorik, Politik und Religion für die gesamte Antike liefert.125

117   Vgl. W. Burkert, Frühgriechische Philosophie und Orient, in: GGPh 1, 1 (2013), 97– 125, hier 99. 118   Dazu z. B. Kranz, Philosophie, 576–583; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 70–86; Ch. Schäfer, Philosophie (philosophia), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 220–223; Schur, ›Von hier nach dort‹ (mit einer Untersuchung der Formulierungen in Platons verschiedenen Werken); B. Manuwald, Philosophie, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), PlatonHandbuch2, 325–328, und, vor allem, Dixsaut, Le Naturel philosophe; Schur, ›Von hier nach dort‹, v. a. die Bemerkungen zum Forschungsstand S.  15 f. 119   Ἀληθὴς φιλοσοφία: Plato, Respublica 7, 521c; ὀρθὴ φιλοσοφία: Plato (?), Epistula 7, 326a; ἀληθινὴ φιλοσοφία: Plato (?), Epistula 10, 358c. 120   Plato, Respublica 5, 475b–475e. 121   Plato, Symposium 212a 122   Plato, Respublica 5, 473de; Plato (?), Epistula 7, 326ab. 123   So schon Plato, Gorgias, 526c. 124   Vgl. Erler, Platon, 350. 125   Vgl. schon von Arnim, Dion von Prusa, 64 f.

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

Allgemeiner Sprachgebrauch Die Worte ›Philosophie‹, ›philosophieren‹ oder ›Philosoph‹ kommen nach Bernd Manuwald in Platons Werken ca. 280-mal in sieben Bedeutungen vor.126 Von diesen sieben Bedeutungsebenen sollen drei den allgemeinen Sprachgebrauch repräsentieren: »1. Übereinstimmung mit dem vor-platonischen Gebrauch: ›Bildungseifer‹, ›Gern-mit-Gegenständen-der-Bildung-Umgehen‹, ›allgemeine Bildung‹ […], 2. Erwerb von Wissen, 3. (Einzel-)Wissenschaft, ›Wissenschaftler‹«. Dagegen sieht Manuwald vier Bedeutungen als spezifische Aspekte im Rahmen von Platons Auseinandersetzung mit dem Philosophiebegriff an. Hierzu gehören (in Manuwalds Nummerierung) 4. sokratisches Prüfen, 5. seelische Tätigkeit in Unabhängigkeit vom Körper, 6. die Mitte zwischen Wissen und Nicht-Wissen, 7. Mittel der Erwerbung von Wissen. Man kann sich fragen, ob eine so kleinteilige Bedeutungsunterscheidung dem inneren Zusammenhang von Platons Herangehensweise gerecht wird. Von den drei erstgenannten Bedeutungen bildet jedenfalls die zweite, die lediglich aufgrund einer Charakterisierung von Philosophie an einer Stelle im ›Euthydemos‹ angeführt wird,127 den Rahmen für die Verwendungen 3., 4. und 7., der von Platon anhand der Bestimmungen 5. und 6. näher ausgefüllt wird. Die Bedeutung 1. kommt zwar manchmal in ganz unspezifischer Weise vor,128 doch ist zu bedenken, dass Platon die Klärung dieses unklaren Begriffs eines ›Philosophen‹ programmatisch betreibt, wobei er von der Erlangung des sokratischen (Tugend-)Wissens seinen Ausgang nimmt. Die übrigen Bedeutungen des Philosophiebegriffs entsprechen verschiedenen Aspekten der gerade nachgezeichneten Lehren Platons. Platons Programm einer Klärung des Philosophiebegriffs wird am deutlichsten, mit feiner Ironie, zu Beginn des ›Sophistes‹ ausgesagt. Nachdem der Gesprächspartner Theodoros die »Philosophen« zwar nicht für »Götter«, aber für »göttlich« hält, stellt Sokrates ironisch die Schwierigkeit dar, einen wahren Philosophen zu erkennen: »Allerdings ›durchstreifen‹ nämlich diese Männer, die Philosophen nicht in Nachbildung sondern in Wirklichkeit, ›die Städte‹, indem sie sich als ›vielfältig‹ darstellen und von oben das Leben derer da unten betrachten, und scheinen den einen nichtswürdig, den anderen aber alles wert zu sein. Mal stellen sie sich als Politiker

126   Vgl. Manuwald, Philosophie, 325 f. Vgl. auch die tabellarische Übersicht bei Schur, ›Von hier nach dort‹, 374–381. 127   Plato, Euthydemus 288d. 128   Das ist etwa Plato, Lysis 213d; Protagoras 335d, deutlich, wo mit φιλοσοφία Bildung bzw. Bildungseifer als persönliche Eigenschaft gemeint ist. Diese Bedeutung ist auch Plato, Gorgias 525c wahrscheinlich.

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dar, mal als Sophisten, mal geben sie einigen den Eindruck, dass sie völlig verrückt sind«.129

Hier gibt Platon einerseits den Eindruck wieder, den die gelehrten Sophisten als vermeintliche Inkarnationen wahrer Philosophie ihren (in Platons Augen) leichtgläubigen Zeitgenossen vermitteln: Sie präsentieren sich geradezu als Wesen e­ iner höheren Art bzw. »Götter der Prüfung«,130 wobei sie, wie bei Aristophanes geschildert, der breiten Masse z. T. einfach als verrückt erscheinen. Andererseits deutet die Stelle an, welchen Rang die (tatsächlich) wahren Philosophen nach Platons Meinung in der Gesellschaft haben sollten, nämlich, wie v. a. in ›Symposion‹ und ›Politeia‹ dargestellt, die von gottbegabten und daher in den Augen der Masse verrückten wahren Politikern.131 Die Aufgabe des Dialogs besteht daher u. a. darin, den Sophisten durch eine entsprechende Darstellung als Spezialisten des Scheins zu zeigen132 und somit implizit auf das Bild des wahren Philosophen hinzuweisen. Die Passage bringt somit sehr deutlich auf den Punkt, dass die Verwendung der Worte ›Philosophie‹ und ›Philosoph‹ bei Platon ganz bewusst changiert, weil sie verschiedene Aspekte und Sichtweisen des Versuchs zum Ausdruck bringt, das Begriffsfeld ›Philosophie‹ mit einem bestimmten Inhalt zu versehen und von volkstümlichen Vorstellungen abzugrenzen. Wie Platon den Begriff verstanden wissen möchte, ist nun näher darzulegen.

Liebe zur Weisheit. Platons allgemeine Begriffsbestimmung der Philosophie Platons Grundgedanke ist eine genauere Darlegung des Verhältnisses von Philosophie und Weisheit (σοφία), der zufolge die Philosophie die Liebe zur Weisheit und nicht diese selbst ist, weswegen weise Menschen und Götter nicht philosophierten.133 Die erste Behandlung dieses Themas findet sich wohl in dem aporetischen Dialog ›Lysis‹, welcher dem späteren ›Symposion‹ thematisch nahe-

129  Πάνυ γὰρ ἇνδρες οὗτοι παντοῖοι φανταζόμενοι διὰ τὴν τῶν ἄλλων ἄγνοιαν ›ἐπιστρωφῶσι πόληας‹, οἱ μὴ πλαστῶς ἀλλ’ ὄντως φιλόσοφοι, καθορῶντες ὑψόθεν τὸν τῶν κάτω βίον, καὶ τοῖς μὲν δοκοῦσιν εἶναι τοῦ μηδενὸς [τίμιοι], τοῖς δ’ ἄξιοι τοῦ παντός· καὶ τοτὲ μὲν πολιτικοὶ φαντάζονται, τοτὲ δὲ σοφισταί, τοτὲ δ’ ἔστιν οἷς δόξαν παράσχοιντ’ ἂν ὡς παντάπασιν ἔχοντες μανικῶς. Plato, Sophista 216cd. Die in Anführungszeichen gesetzten Stellen sind Anspielungen auf Homerus, Odyssea, 17, 487. Vgl. Meinhardt, in: Platon, ›Der Sophist‹, 200. 130   Vgl. Plato, Sophista 216b: θεὸς ἐλεγκτικός. 131   Die Ambivalenz der Stelle wird schön herausgearbeitet bei Meinhardt, in: Platon, ›Der Sophist‹, 201–203. Dort auch dazu, dass Platon wohl nicht wirklich beabsichtigt, einen Dialog mit dem Titel ›Der Philosoph‹ zu schreiben. 132   Vgl. dazu oben S. 156. 133   Plato, Phaedrus 278d; Lysis 218ab; Symposium 203d–204c.

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

steht.134 Dieser Dialog kommt von der Frage, was »Freunde« bzw. »liebe« Menschen (φίλοι) sind, auf das allgemeinere Problem, was einem »lieb« (φίλον) ist, und behandelt in diesem Kontext auch die Philosophie: »Das, was weder gut noch schlecht ist, ist manchmal, wenn etwas Schlechtes anwesend ist, noch nicht schlecht, manchmal ist dies aber schon eingetreten. […] Deswegen sagen wir gewiss auch, dass die, die weise sind, nicht mehr philosophieren  – seien diese nun Götter oder Menschen –, und auch wieder nicht, dass die philosophieren, die in der Weise Unwissen besitzen, dass sie schlecht sind. Denn niemand Schlechtes, d. h. Unwissendes, philosophiere. Übrig bleiben natürlich die, die dieses Schlechte, die Unwissenheit, aufweisen, aber dadurch weder falsch urteilend noch unbelehrt sind, sondern noch überzeugt, nicht zu wissen, was sie nicht wissen. Deswegen philosophieren natürlich die, die irgendwie weder gut noch schlecht sind, alle Schlechten aber philosophieren nicht und die Guten auch nicht«.135

Diese Passage enthält bereits grundlegende Themen des platonischen Philosophiebegriffs: Götter und Weise philosophieren generell nicht, so dass die Philosophierenden in einer Mitte stehen bzw. einen »Zwischenstatus« einnehmen,136 der sowohl von der Weisheit als auch von der Unwissenheit verschieden ist, da es sich um eine ihrer selbst bewusste Unwissenheit handelt. Im Hintergrund dieser Einschätzung steht klarerweise das sokratische wissende Nichtwissen.137 Seine inhaltliche Einordnung durch Platon zeigt sich vor allem im sogenannten MenonParadox aus dem gleichnamigen Dialog, dem zufolge ein Übergang vom Unwissen zum Wissen nicht möglich ist, da der Unwissende nicht einmal weiß, was er suchen soll; wer die Wahrheit sucht, muss also bereits einen gewissen Begriff von ihr haben,138 nämlich, nach unserer Stelle, dass sie das ist, was er (noch) nicht weiß. Auffällig ist, dass die Stelle terminologisch konservativ ist: Der Philosoph ist derjenige, dem die Weisheit »lieb« bzw. »teuer« (φίλον) ist. Damit ist Platon durchaus 134   Diese aufgrund der inhaltlichen Nähe von ›Symposion‹ und ›Politeia‹ ohnehin naheliegende Reihenfolge wird heute auch von einer computerisierten Auswertung bestätigt, die allerdings teils überraschende Befunde bietet. Vgl. Söder, Zu Platons Werken, 27 im Vergleich mit der traditionellen Vierteilung bei Brisson, Platon. Œuvres, 643: Beide setzen den ›Lysis‹ in eine chronologisch frühere Schriftengruppe als das ›Symposion‹. Zur generellen Problematik der Chronologie vgl. oben S. 220. 135   Τὸ μήτε κακὸν ἄρα μήτ’ ἀγαθὸν ἐνίοτε κακοῦ παρόντος οὔπω κακόν ἐστιν, ἔστιν δ’ ὅτε ἤδη τὸ τοιοῦτον γέγονεν. […] Διὰ ταῦτα δὴ φαῖμεν ἂν καὶ τοὺς ἤδη σοφοὺς μηκέτι φιλοσοφεῖν, εἴτε θεοὶ εἴτε ἄνθρωποί εἰσιν οὗτοι· οὐδ’ αὖ ἐκείνους φιλοσοφεῖν τοὺς οὕτως ἄγνοιαν ἔχοντας ὥστε κακοὺς εἶναι· κακὸν γὰρ καὶ ἀμαθῆ οὐδένα φιλοσοφεῖν. λείπονται δὴ οἱ ἔχοντες μὲν τὸ κακὸν τοῦτο, τὴν ἄγνοιαν, μήπω δὲ ὑπ’ αὐτοῦ ὄντες ἀγνώμονες μηδὲ ἀμαθεῖς, ἀλλ’ ἔτι ἡγούμενοι μὴ εἰδέναι ἃ μὴ ἴσασιν. διὸ δὴ καὶ φιλοσοφοῦσιν οἱ οὔτε ἀγαθοὶ οὔτε κακοί πω ὄντες, ὅσοι δὲ κακοὶ οὐ φιλοσοφοῦσιν, οὐδὲ οἱ ἀγαθοί·. Plato, ­Lysis 217e–218b. 136   Vgl. Erler, Platon, 350. 137   S. oben S. 181. 138   Plato, Meno 80d.

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noch in der Nähe der traditionellen Semantik von ›philosophos‹ auf der Basis des Adjektivs ›philon‹ und nicht des Verbs ›philein‹.139 Interessant ist, dass er schon vorher eine Umdeutung signalisiert hat, wenn er darauf hinweist, dass niemand »philosophisch ist, wenn die Weisheit ihn nicht ebenfalls liebt«.140 Die Beziehung des Philosophen zur Philosophie ist also eine reziproke, die auf Vollendung durch die Weisheit angelegt ist. Eine weitere Ausführung erfährt das Bild vor allem in zwei eher mythisch vorgehenden Texten. Der bekannteste davon ist die Passage im ›Symposion‹, welche als Platons klassische Beschreibung der Philosophie gelten kann. Sie steht in dem größeren Zusammenhang der Charakterisierung der begehrenden Liebe, des Eros, als einem Sohn von Armut (πενία) und Unternehmungslust (πόρος), welcher ­daraus immer zum Höheren strebt. So ist Eros »ein gewaltiger Jäger, […] ein Begehrer und Verschaffer der Klugheit, philosophierend durch das ganze Leben, ein gewaltiger Zauberer, Giftmischer und Sophist. Und weder ist er als Unsterblicher geboren noch als Sterblicher […]. Von den Göttern philosophiert keiner und begehrt, weise zu werden (er ist es ja), auch nicht irgendein anderer Weiser. Auch die Unbelehrten philosophieren weder, noch begehren sie, weise zu werden. Gerade dieser Fehler ist ja die Unbelehrtheit: Ohne schön und gut oder klug zu sein, zu meinen, dieses sei genug. […] Denn zum Schönsten gehört gewiss die Weisheit, der Eros ist aber Liebe (ἔρως) in Bezug auf das Schöne, es ist daher notwendig, dass Eros philosophisch ist, dass er als philosophischer aber zwischen dem Weisen und dem Unbelehrten ist. […] Die Natur des Daimons, lieber Sokrates, ist diese«.141

Wie man hier sieht, entfaltet sich die platonische Charakterisierung der Philosophie als ›Liebe zur Weisheit‹ als großartige mythologische Darstellung, die auf diese Weise, gemäß antikem Gebrauch, ›aitiologisch‹ die Ursache (αἴτιον) für etwas angibt.142 Mythisch ist aber für Platon offenbar nicht nur die Form des Textes, sondern auch der Philosoph selbst, ist er doch nicht einfach ein Mensch, der sich 139

  Vgl. dazu oben S. 75.   Plato, Lysis 212d. Vgl. Bordt, in: Platon, ›Lysis‹, 196. 141   Θηρευτὴς δεινός […] καὶ φρονήσεως ἐπιθυμητὴς καὶ πόριμος, φιλοσοφῶν διὰ παντὸς τοῦ βίου, δεινὸς γόης καὶ φαρμακεὺς καὶ σοφιστής· καὶ οὔτε ὡς ἀθάνατος πέφυκεν οὔτε ὡς θνητός, […] θεῶν οὐδεὶς φιλοσοφεῖ οὐδ’ ἐπιθυμεῖ σοφὸς γενέσθαι – ἔστι γάρ – οὐδ’ εἴ τις ἄλλος σοφός, οὐ φιλοσοφεῖ. οὐδ’ αὖ οἱ ἀμαθεῖς φιλοσοφοῦσιν οὐδ’ ἐπιθυμοῦσι σοφοὶ γενέσθαι· αὐτὸ γὰρ τοῦτό ἐστι χαλεπὸν ἀμαθία, τὸ μὴ ὄντα καλὸν κἀγαθὸν μηδὲ φρόνιμον δοκεῖν αὑτῷ εἶναι ἱκανόν. […] ἔστιν γὰρ δὴ τῶν καλλίστων ἡ σοφία, Ἔρως δ’ ἐστὶν ἔρως περὶ τὸ καλόν, ὥστε ἀναγκαῖον Ἔρωτα φιλόσοφον εἶναι, φιλόσοφον δὲ ὄντα μεταξὺ εἶναι σοφοῦ καὶ ἀμαθοῦς. […] ἡ μὲν οὖν φύσις τοῦ δαίμονος, ὦ φίλε Σώκρατες, αὕτη·. Plato, Symposium 203d–204d. 142   Zur philosophischen Bedeutung der Aitiologie vgl. z. B. Th. K. Johansen, Myth and Logos in Aristotle, in: Buxton (Hrsg.), From Myth to Reason?, Oxford 1999, 279–291, hier 284 f. 140

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um etwas bemüht, sondern ein Wesen auf der Grenze zum Göttlichen, ein Daimon. Spezifisch menschlich und aus psychologischer Analyse gewonnen sind demgegenüber das ›dynamische‹ Streben nach dem Glücklichsein, dessen Vollendung ebenfalls zu einem Seligwerden wird, sowie das Desinteresse des Unbelehrbaren an Bildung.143 Die Möglichkeiten, die sich einer solchen halb-sterblichen Natur wie dem Philosophen, bzw. dem exemplarischen Philosophen Sokrates,144 bieten, zeigen sich in der im ›Symposion‹ anschließenden Schilderung des Aufstiegs, bei dem sich das schlechthin Schöne plötzlich zeigt: Gegenüber dem ›Lysis‹ kommt hier die Nähe des Philosophen zur Schau der Ideen als weiteres Element seiner Beschreibung hinzu. Zu vergleichen ist auch die Darstellung im ›Phaidros‹, wo lediglich die Menschen, die als Philosophen geboren werden, wenn sie dreimal die richtige Wahl treffen, dem Kreislauf der Wiedergeburten entgehen können.145 Mit der Ewigkeit der Philosophen hängt ihre im ›Symposion‹ erwähnte Möglichkeit des »Gebärens« (τίκτειν) zusammen, mit dem sie immer Neues in Form von Wissen, Tugenden und Gesetzgebung hervorbringen sowie letztlich, auf einer eige­ nen Stufe, »epoptisch« das Göttliche sehen können, nachdem sie zuvor »Argumente« (λόγους) und »Wissenschaften« (ἐπιστήμας) hervorgebracht haben. Die Dauerhaftigkeit der Philosophen ist daher nicht als unveränderliche Ewigkeit zu verstehen.146 Diesen Darstellungen zufolge unterscheidet sich Platons Philosoph schon seiner Natur nach vom normalen Menschen ebenso wie von den Göttern, so dass er die Mittelstellung der menschlichen Seele in einem ganz besonderen Maße verwirklicht. Platon entwickelt Antisthenes’ Lehre vom tugendhaften Leben als Vergöttlichung weiter, während er eine philosophische Bildung für alle Bürger, wie sie vor allem Isokrates anstrebt, (letztlich mit Erfolg) zurückweist:147 Das Streben nach Erkenntnis gewinnt eine kosmische Dimension, die nur wenigen offen steht. Die traditionellen Werte eines tugendhaften Lebens, einer politischen Aktivität sowie einer Beschäftigung mit dem Wahren bleiben jedoch Bestandteil des Ideals, ja werden erst in ihm in ihrer vollendeten Form deutlich. Eine etwas andere Akzentuierung des Gedankens findet sich in den Büchern 5–7 der ›Politeia‹: Hier diskutiert Platon, in Vorbereitung seiner Lehre vom Philosophenkönigtum,148 die Besonderheiten einer philosophischen Natur bzw. Veranlagung, die freilich weiter auszubauen ist:

143

  Vgl. Plato, Symposium 205a. Vgl. auch Erler, Platon, 350; M. Bordt, Platon, Freiburg  /  Basel  /  Wien 1999, 46 f. 144   Zur Rolle der Sokrates-Figur im ›Symposion‹ vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 83 f. 145   Plato, Phaedrus 248d–249a. 146   Plato, Symposium 206c–211c. 147   Zu dieser Debatte und den Gründen für Platons Erfolg vgl. zusammenfassend Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 315–318. 148   Vgl. unten S. 250–252.

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»Hierin lass uns über die philosophischen Naturen übereinstimmen, dass sie immer die Lehre lieben, die ihnen jenes Sein aufzeigt, das immer besteht und nicht durch Werden und Vergehen umherwandert«.149

Auch hier ist also, wie im ›Symposion‹, das Konzept der Liebe zu einem ewigen Sein ein zentrales Motiv des Philosophiebegriffs. Es durchzieht die Passage mit verschiedenen Variationen: Der Philosoph (ὁ φιλόσοφος) strebt nach Erkenntnis (γνῶσις) des ›Seins‹ der Dinge (τὸ ὄν) an sich, d. h. nach deren ewigem Sein, wie es, als Gegenstand des Wissens (γνωστόν als Objekt der ἐπιστήμη), in den Ideen des Gerechten, Schönen usw. präsent ist. Zugleich hat er den Wunsch und die Fähigkeit (δύναμις), dies zu erreichen. Dadurch unterscheidet er sich vom Meinungsliebenden (ὁ φιλόδοξος), der nur an einzelnen gerechten, schönen oder anderswie beschreibbaren Dingen interessiert ist und diese bzw. deren Gemeinsamkeit als »den Gegenstand des Meinens« (τὸ δοξαστόν) mit dem ewigen Sein der Ideen verwechselt.150 In diesem Sinn bezieht sich der Meinungsfreund, in Platons »gegenstandstheoretischer Semantik«,151 auf etwas Mittleres zwischen dem sinnlich Wahrnehmbaren und dem Gewussten. Die Philosophen werden in einer etwas variierten Formulierung als Begehrende der Weisheit (σοφίας ἐπιθυμητήν) charakterisiert, was dann als »die, die Wahrheit zu schauen lieben« (ἀληθείας φιλοθεάμονες), erläutert wird, »welche allein man mit Recht Philosophen nennt«.152 Letztlich richtet sich das philosophische Wissen auf die im Sonnengleichnis beschriebene Idee des Guten, deren Gehalt sich jedoch, jedenfalls im exoterischen Kontext der ›­Politeia‹, nur in bildlicher Weise mitteilen lässt.153 In der ›Politeia‹ wird also insbesondere das Konzept der Mittelstellung des Philosophen abweichend von ›Lysis‹ und ›Symposion‹ verwendet, und der Philosoph wird stärker als dort von seiner Fähigkeit zur Erkenntnis bzw. zur Schau der Wahrheit anstatt von seinem Auf-dem-Weg-Sein her beschrieben. Ein systematischer Gegensatz zu den anderen Stellen ergibt sich dadurch nicht, denn die Möglichkeit zur Ideenschau ist ja schon Gegenstand des ›Symposions‹. Die ›Politeia‹ stellt aber in anderer Weise als die übrigen Schriften die Sonderstellung des Philosophen unter seinen Mitmenschen heraus und führt vor allem, wie gleich näher zu erläutern ist,154 die Inhalte des philosophischen Bildungsgangs unter dem Schlagwort ›Dialektik‹ näher aus. 149

  Τοῦτο μὲν δὴ τῶν φιλοσόφων φύσεων πέρι ὡμολογήσθω ἡμῖν ὅτι μαθήματός γε ἀεὶ ἐρῶσιν ὃ ἂν αὐτοῖς δηλοῖ ἐκείνης τῆς οὐσίας τῆς ἀεὶ οὔσης καὶ μὴ πλανωμένης ὑπὸ γενέσεωςκαὶ φθορᾶς. Plato, Respublica 6, 485ab. Vgl. Dixsaut, Le naturel philosophe, 397 f. 150   Plato, Respublica 5, 475c–480a. 151   Zu diesem Begriff, der hilft, die Probleme einiger platonischer Passagen zu verstehen, vgl. Kersting, Platons ›Staat‹, 192–200. 152   Plato, Respublica 5, 475b–476b. 153   Vgl. Plato, Respublica 6, 506de; 7, 516e–517. Es ist möglich, dass Platons verlorene Vorlesung ›Über das Gute‹ eine genauere Begriffsklärung anstrebt. 154   S. unten S. 247–249.

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In der historischen Sichtweise sind zwei Punkte an diesem insgesamt recht kohärent präsentierten Lehrstück bemerkenswert: Zum einen fällt auf, dass die Mittelstellung der Philosophie vermutlich, da ›Lysis‹ der früheste hier behandelte Dialog ist, von Platon nicht ursprünglich im Kontext der Ideenlehre formuliert wird. Zum anderen sind die Ähnlichkeiten von Platons Darstellung mit der von Herakleides Pontikos auf Pythagoras zurückgeführten Charakterisierung der Philosophie als »Bemühen um Weisheit« (studium sapientiae) gering, da gerade die für Platon typische Mittelstellung des Philosophen in diesem Fall keine große Rolle zu spielen scheint.155 Man kann es daher für möglich halten, dass Platon von einem früheren pythagoreischen Begriff von Philosophie beeinflusst ist, doch falls das der Fall ist, durchdenkt er ihn auf jeden Fall vom sokratischen Unwissen ausgehend in einer durchaus neuen Weise.

Ars moriendi: Die Philosophie als Sorge um das rechte Sterben im ›Phaidon‹ Neben ihrer Stellung in der Mitte zwischen Unwissenheit und Wissen schreibt Platon den Philosophen auch zwei andere einflussreiche Charakterisierungen zu: Die eine findet sich im ›Phaidon‹, wo Sokrates die ›Sorge um den Tod‹ (μελέτη τοῦ θανάτου) als eigentümliche Beschäftigung der Philosophierenden anführt.156 Er erwartet von der Philosophie, als der größten Musik bzw. Erziehung,157 eine Vorbereitung auf die Begegnung mit göttlichen und weisen Menschen nach dem Tode.158 Denn sie wende den Menschen mit ihrer Anleitung zum Denken von der sinnlichen Welt weg hin zum wahren Sein und bereite so die Trennung der Seele vom Körper vor, die eigentlich den Tod ausmache.159 Diese Haltung, welche die Mittelstellung des Philosophen in anderer Weise zum Ausdruck bringt, wird zugleich mit den sokratischen Themen des Erwerbs von Klugheit, und damit indirekt von Tugend, verbunden.160 Insgesamt ist die Sorge um den Tod die Haltung des idealisierten sterbenden Sokrates des ›Phaidon‹, dessen klare Jenseitsperspektive sich von der Offenheit des Sokrates der ›Apologie‹, dem mehrere mögliche Wege nach dem Tod offen scheinen (auch wenn er sie alle positiv bewertet),161 in auffälliger Weise unterscheidet. Demgegenüber weist die Idee eines Philosophierens als Loslösung vom Körper eher auf pythagoreisch-orphische Wurzeln hin, welche 155

  Vgl. dazu oben S. 239  f.   Die topisch gewordene Formulierung findet sich so bei Platon nicht wörtlich, vgl. aber Plato, Phaedo, 67de. 157   Plato, Phaedo, 61a; zur Identifizierung von Musik und Paideia vgl. M. Baltes, in: Timaios Lokros, ›Über die Natur des Kosmos und der Seele‹. Kommentiert von M. Baltes, Leiden 1972, 227 f. 158   Plato, Phaedo 63bc. 159   Plato, Phaedo 63e–65e. 160   Plato, Phaedo 67b–69a. 161   Plato, Phaedo 40c–41c. 156

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sowohl in den Personen des ›Phaidon‹, darunter Simmias und Kebes als Schüler des Pythagoreers Philolaos,162 als auch in der Seelenwanderungslehre zu erkennen sind, da in diesem Dialog wohl erstmals die platonische Jenseitsvorstellung breiter ausgeführt wird.163 Das Verständnis der Philosophie als Sorge um den Tod, das im ›Phaidon‹ insgesamt wenig ausgearbeitet wird,164 ist somit vor allem als wesentliches Element von Platons Neubestimmung des Philosophiebegriffs vom Streben nach den Ideen her zu würdigen.

Das Ähnlichwerden mit Gott und die Freiheit des philosophischen Lebens im ›Theaitet‹ In engem Zusammenhang hiermit steht Platons im ›Theaitet‹ geäußerte einflussreiche Empfehlung, die Philosophen müssten das »Ähnlichwerden mit Gott, soweit es möglich ist« (ὁμοίωσις θέῳ κατὰ τὸ δυνατόν), anstreben.165 Die ›Flucht‹ (φυγή) des Philosophen aus der Welt, die ihn nicht versteht,166 wird hier vor dem Hintergrund von zwei Grundannahmen empfohlen: a) Wahre Weisheit kommt den Göttern zu; b) Tugend, vor allem die Gerechtigkeit, ist in diesen so vollendet, wie der philosophierende Mensch dies erstrebt: »Das Ähnlichwerden besteht darin, in Verbindung mit Klugheit gerecht und fromm zu werden. […] Ein Gott ist niemals auf irgendeine Weise ungerecht, sondern so gerecht wie nur möglich«.167

Ein näheres Verständnis der Stelle lässt sich am besten aus deren Stellung im ›Theaitet‹ ableiten: Hier wird die Definition während der erkenntnistheoretischen Debatte in einer metaphilosophischen Digression geäußert, deren zentrale Stellung im Dialog ihre Wichtigkeit erkennen lässt.168 Sie schließt zugleich an frühere, verstreute Aussagen aus demselben Werk an, namentlich an das Staunen des Theaitetos anlässlich der Aporien einer Position, die ganz auf die Sinneswahrneh162

  Vgl. M. Dixsaut, Platon. ›Phédon‹, in: DPhA 5a (2012), 672–685, hier 674.   Vgl. K. Alt, Unsterblichkeit, in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 296–300 (296 f. zur Reihenfolge des Auftauchens der Metempsychose in den Dialogen); Müller, Seelenwanderung, 332 f.; D. Frede, Platons ›Phaidon‹. Der Traum von der Unsterblichkeit der Seele, Darmstadt 1999, 4–8; Ebert, in: Platon, ›Phaidon‹, 113–135. Zu Philolaos vgl. C. Macris, Philolaos de Crotone, in: DPhA 7 (2018), 637–667. 164   Vgl. Kranz, Philosophie, 577 f. 165   Plato, Theaetetus 176b. 166   S. unten S. 252. 167  Ὁμοίωσις δὲ δίκαιον καὶ ὅσιον μετὰ φρονήσεως γενέσθαι. […] θεὸς οὐδαμῇ οὐδαμῶς ἄδικος, ἀλλ’ ὡς οἷόν τε δικαιότατος. Plato, Theaetetus 176bc. 168   Vgl. F. Buddensiek, Thales’ Fall. Zur Funktion der Digression in Platons ›Theätet‹, in: J. Kulenkampff  /  Th. Spitzley (Hrsg.), Von der Antike bis zur Gegenwart. Erlanger Streifzüge durch die Geschichte der Philosophie, Erlangen  /  Jena 2001, 9–23, hier 9 f. 163

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mung abhebt: Sokrates nutzt bereits hier die Gelegenheit, seine hebammenartige, maieutische Rolle hervorzuheben, und betont in diesem Sinne nichts anderes als, das Staunen (τὸ θαυμάζειν) sei der Anfang der Philosophie (ἀρχὴ φιλοσοφίας).169 Diese Bemerkung unterbricht allerdings die Untersuchung des Satzes des Protagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge,170 nur kurz, und Sokrates relativiert im Folgenden den Satz vor allen Dingen unter der Perspektive, dass einige Menschen weiser bzw. in bestimmten Fähigkeiten besser sein können als andere.171 Gleichsam als Kontrast, der an die Bemerkung zum Staunen anschließt und ihre Implikationen aufdeckt, entwirft dann die Digression anhand der Gestalt des Philosophen ein konkurrierendes Ideal, bei dem die göttliche Weisheit und Gerechtigkeit den gewöhnlichen Menschen absolut übertreffen und somit die Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen mehr als nur graduell erscheinen lassen: Entweder man hat die Wahrheit erreicht oder nicht172 bzw. wird Gott ähnlich oder nicht. Ganz ähnlich äußert sich Platon auch in den ›Nomoi‹: Hier fordert er zum Ähnlichwerden mit Gott auf, weil kein Mensch, so besonnen (σώφρων) er auch sei, wie ein Gott zum Maß aller Dinge (πάντων χρημάτων μέτρον) werden könne.173 Das Ähnlichwerden des Philosophen mit Gott gehört also zu Platons Bemühen, die Geltung und die Erkennbarkeit einer absoluten Wahrheit, zu der der Philosoph Zugang haben soll, gegen den sophistischen Relativismus zu behaupten.174 Einen religiösen Charakter hat die Aussage bei Platon nur insofern, als die Rede von der Göttlichkeit eine absolute Richtigkeit anzeigt, die über das menschliche Meinen und ein von subjektiven Rechtfertigungen geleitetes Handeln hinausgeht. In der Digression wird ferner der in ›Phaidon‹, ›Politeia‹ und ›Sophistes‹ erwähnte Gedanke ausgedrückt,175 dass die Masse der Menschen (οἱ πολλοί) die Philosophen nicht verstehe. Dies verdeutlicht die berühmte Anekdote von der thrakischen Magd, die über Thales lacht, nachdem er in einen Brunnen gefallen ist.176 Dieses Beispiel gehört in eine Erläuterung des Ideals der Philosophie »von ihren Leitgestalten« (τῶν κορυφαίων) her, die sowohl inhaltlich als auch zeitlich zu verstehen sein dürften: An ihnen wird die Natur des philosophischen Lebens deutlich, sich von Jugend auf von gesellschaftlichen Verbindungen und Alltags169

  Plato, Theaetetus, 155cd; 157cd. Vgl. Schur, ›Von hier nach dort‹, 83–93.   Vgl. oben S. 166. 171   Plato, Theaetetus,171c–172b; 177c–179b. 172   Vgl. J. McDowell, in: Plato, ›Theaetetus‹. Translated with Notes by J. McDowell, Oxford 1973, 177. 173   Plato, Leges 4, 716cd. Vgl. K. Schöpsdau, in: Platon, ›Nomoi‹ (›Gesetze‹) IV–VII. Übersetzung und Kommentar von K. Schöpsdau, Göttingen 2003, 211 f.; M. Bordt, Angleichung an Gott, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 258–260. 174   Vgl. Buddensiek, Thales’ Fall, 20–22. 175   McDowell, in: Plato, ›Theaetetus‹, 174, betont den Bezug der Digression zu anderen Schriften Platons. 176   Plato, Theaetetus 174ab. Vgl. Plato, Phaedo 64ab; Respublica 7, 516e–517a. 170

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geschäften zurückzuziehen. Da sich nur der eigene Körper in der Polis befindet, die Seele aber im Himmel, erstrebt der Philosoph »Pindar gemäß ›das über der Erde Befindliche‹« (κατὰ Πίνδαρον ‘τᾶς τὲ γᾶς ὑπένερθε’).177 Auf diese Weise soll sich die »Verhaltensweise des wahrhaft in Freiheit und Muße Erzogenen, den Du Philosophen nennst« (τρόπος […] ὁ μὲν τῷ ὄντι ἐν ἐλευθερίᾳ τε καὶ σχολῇ τεθραμμένου, ὃν δὴ φιλόσοφον καλεῖς), von der Masse der Menschen abheben, da er sich aufgrund seines Wissens zu keiner Knechtschaft eigne und allein die Götter richtig zu würdigen verstehe.178 Auf diese Weise entwirft der ›Theaitet‹ zu einem Zeitpunkt, an dem Platon offenbar die Herrschaft der Philosophen als ein unrealistisches Ideal erkennt, ein neues Ideal der Philosophie als selbstbestimmter Lebensführung. Die hierin liegende Absonderung der Philosophen vom breiteren Volk wird heutzutage vielfach kritisch gesehen.179 Man sollte jedoch nicht übersehen, dass Platon in diesem Exkurs mit dem Modell einer ›freien‹ Bestimmung über das eigene Leben und dessen Bewertung als Chance zu einer göttlichen Existenz durchaus einen Begriff eines guten Lebens entwickelt, der gerade durch die Idee der Freiheit als Ungebundenheit an gesellschaftliche Zwänge immer noch attraktiv wirken kann. Jedenfalls zeichnet er so das Philosophie-Ideal in einer neuen Weise, mit deren Hilfe die ganze Antike hindurch und darüber hinaus das Ansehen der Philosophie gerechtfertigt werden kann.

Personifikationen der Philosophie Im Zusammenhang der gerade dargestellten Entwicklungen können zwei Stellen besonders hervorgehoben werden, an denen die Philosophie nachgerade personale Züge annimmt und dank dieser Darstellungsform eine besondere Lebendigkeit erhält: Als »meine Geliebte« (τὰ ἐμἀ παιδικά), die ihm dauernd dieselben Worte einflöße, führt der Sokrates des ›Gorgias‹ die Philosophie gegen Kalli­ kles ins Feld und stellt seine Liebe zur Philosophie, die der zu seinem Geliebten Alkibiades gleichkomme, Kallikles’ Liebe zu seinem Geliebten Pyrilampos sowie zum Volk (δῆμος) von Athen gegenüber: Während diese ihn, Kallikles, stets dazu brächten, Verschiedenes zu sagen, sage die Philosophie immer dasselbe, und wollte Kallikles ihn, Sokrates, widerlegen, so müsse er sich gegen die Philosophie selbst wenden, deren Aussagen er nur vertrete.180 Im ›Phaidon‹ wird die Philosophie als eine Trösterin der Seele dargestellt, die sie während ihrer Gefangenschaft im Körper zu erlösen versucht, weswegen sich die wahrhaften Philosophen von den körperlichen Begierden ab- und ihr zuwenden.181 Beide Passagen sind offen177

  Plato, Theaetetus 173d–174a.   Plato, Theaetetus 175a–e. Zu Platons Freiheitsideal vgl. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 159 f. 179   Vgl. z. B. M. Burnyeat, The ›Theaetetus‹ of Plato, Indianapolis  /  Cambridge 1990, 35–38. 180   Plato, Gorgias 481c–482c. 181   Plato, Phaedo 82d–83b. 178

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sichtlich eng mit den bereits genannten Themen verbunden, sprechen sie doch von der Philosophie als Objekt der Liebe, als einer konstanten Kraft und religiös konnotierter Helferin bei der Erlösung.182 Trotzdem heben sie sich in mindestens dreierlei Hinsicht von anderen Passagen ab: a) durch die Kraft des evozierten Bildes von der Philosophie als geliebter bzw. heilender Persönlichkeit, durch das die Werbung für die Philosophie eine religiöse Note erhält; b) durch die starke Rolle, die hier der Philosophie als eigener Kraft und nicht den Philosophierenden zukommt; und c) dadurch, dass hier die Philosophie selbst, und nicht deren Ziel, die Weisheit, zum Objekt der Liebe und zum Subjekt der Tröstung wird. Durch diese Besonderheiten bereichern die beiden Passagen das platonische Bild von der Philosophie und lassen deren besondere Rolle als Ideal menschlicher Selbstbildung besonders hervortreten. Letztlich gehören in dem ganzen geschilderten Motivkomplex Philosophie, Weisheit und Philosophen als verschiedene Elemente eines Ideals wesentlich zusammen: Wenn die Philosophen durch die Philosophie zur Weisheit hin streben, dann verändert sich ihr Charakter bereits auf diesem Weg und macht schon ihren Zustand zum erstrebenswerten Ideal. Diese eher assoziative Verbindung, welche der Rede über das Philosophieren verschiedene Facetten ermöglicht, ist letztlich für das platonische Philosophieideal wichtiger als ein ganz exakt aufeinander hingeordnetes Begriffsraster, wie es z. B. bei den Stoikern begegnen wird.

Die platonische Dialektik: Der erste Ansatz zu einem philosophischen ­Curriculum Obwohl Platon mit ›Rhetorik‹ und ›Theologie‹ die Bezeichnungen zweier potentiell philosophischer Disziplinen als einer der ersten benutzt,183 findet sich bei ihm noch keine Einteilung der Philosophie in verschiedene Disziplinen.184 Allerdings können seine Ausführungen zur Dialektik, welche, ausgehend vom sprachlichen Prozess des Fragens und Antwortens, insbesondere auf gymnastische, musische und mathematische Studien aufbaut,185 als erste Formulierung eines philosophischen Curriculums gelten, welche auch verschiedene Elemente des Philosophierens sichtbar macht. 182   Vgl. T. Irwin, Plato, ›Gorgias‹, Translated with Notes, Oxford 1979, 169 f.; Dalfen, in: Platon, ›Gorgias‹, 311–314; Ebert, in: Platon, ›Phaidon‹, 271–273. 183   Vgl. unten S. 256. 184   Vgl. Erler, Platon, 351 f. 185   Vgl. D. Frede, Platons mathematisches Curriculum, in: Rapp  /  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, 127–146, 139–143. Zur Rolle der Mathematik s.  unten S.  254  f.

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Das Wortfeld ›Dialektik‹ (ἡ διαλεκτική), zu dem auch der ›Dialektiker‹ (ὁ διαλεκτικός) gehört, ist wohl ein Neologismus Platons, der vom griechischen Wort für das Miteinander-Sprechen (διαλέγεσθαι) abgeleitet wird: Die »dialektische Methode« (ἡ διαλεκτικὴ μέθοδος) und die »Fähigkeit zum Miteinander-Sprechen« (ἡ τοῦ διαλέγεσθαι δύναμις) scheinen insoweit synonym zu sein,186 und Dialektiker wird der genannt, der »zu fragen und zu antworten weiß« (τὸν ἐρωτᾶν καὶ ἀποκρίνεσθαι ἐπιστάμενον).187 Die Dialektik, die ohne Zwang gelehrt werden muss,188 befähigt dazu, Rechenschaft bzw. den Grund für eigene Positionen anzugeben (λόγον δίδοναι).189 Diese Bestimmungen stehen offensichtlich im Zusammenhang mit Platons Bemühen, die Dialektik sowohl von der Rhetorik190 als auch von der Eristik abzugrenzen, der es angeblich nur ums Streiten geht.191 Das weist darauf hin, dass seine Darstellungen der Dialektik grundsätzlich im Zusammenhang mit der erkenntnistheoretisch-methodischen Auseinandersetzung mit Isokrates und den Sophisten zu lesen sind. Eine diachrone Analyse lässt aber erkennen, dass gerade in späteren Werken die Rolle der Dialektik für die Erschließung des ›wahren Seins‹ nach und nach wichtiger wird und zu verschiedenen Differenzierungen Anlass gibt.192 Spätestens seit der ›Politeia‹ bemüht sich Platon zu zeigen, wie die Dialektik über alle Möglichkeiten hinauskommt, welche die an der Sinneswahrnehmungen orientierten Disziplinen, inklusive der mathematischen, bieten.193 Zwar schreitet auch sie mithilfe von Hypothesen voran, zielt jedoch auf ein »unhypothetisches« Ende ab, das als absoluter Schlusspunkt keiner weiteren Klärung mehr zugänglich ist, so dass es selbst die aus ihm abgeleiteten Aussagen garantieren kann.194 Für die methodische Absicherung der Untersuchung, die zu einer solchen Hypothese hinführen kann, ist es allerdings erforderlich – wie Platon bereits im ›Phaidon‹ als Merkmal philosophischen Vorgehens festhält –, dass sämtliche Ableitungen jeder Hypothese ebenfalls überprüft werden.195 Aufgrund des besonders in der ›Politeia‹ wichtigen Bezugs der Dialektik zur politischen Bildung wird hier ihr Ausgang von ethischen Überlegungen und einer rechten Erfassung des Lebensziels betont.196 Vollendet 186

  Plato, Respublica 7, 533a; 533c; vgl. Plato, Philebus 57e–58a.   Plato, Cratylus 390c. Vgl. Respublica 7, 534d, sowie Staudacher, Dialektik, 81 f. 188   Plato, Respublica 7, 536e; vgl. Plato, Theaetetus 172d–173a. 189   Plato, Respublica 7, 534b–534d; Theaetetus 175b–175d. 190   Plato, Phaedrus 266c; vgl. Plato, Philebus 58a–c. Vgl. N. Strobach, Dialektik  /  Dihairesis, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 264–268, hier 264. 191   Plato, Philebus 17a. Vgl. zur Problematik dieser Abgrenzung W.-R. Mann, Was kann man von Euthydemos und seinem Bruder lernen?, in: Rapp  /  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, 103–126. 192   Vgl. Kahn, Plato and the Post-Platonic Dialogue, 131–156. 193   Plato, Respublica 6, 511c. 194   Plato, Respublica 6, 511b; 7, 533cd. 195   Plato, Phaedo 101d–102a. Vgl. zu dieser Aussage und ihrer Bedeutung für Platons Philosophieverständnis Ebert, in: Platon, ›Phaidon‹, 359–365. 196   Plato, Respublica 7, 519b–d. 187

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ist die Dialektik mit der Schau der Idee des Guten, die der dann ausgebildete Philosoph als Urbild bzw. Modell (παράδειγμα) nutzen kann, um die vollendete Stadt gut zu regieren.197 Die mit diesen Überlegungen angesprochene ontologische Dimension der Dialektik, die in der modernen Forschung freilich besonders umstritten ist,198 spielt auch in späteren Dialogen wie dem ›Philebos‹ eine wichtige Rolle, wo Sokrates festhält, sie »sei die wahrste Erkenntnis […] über das Seiende und das wahrhaft und immer auf die gleiche Weise Bestehende«.199 Zugleich werden hier aber auch weitere Anwendungsfelder deutlich, insbesondere die Untersuchung der Welt des Werdens und Vergehens bzw. die dann im ›Timaios‹ ausgeführte Kosmologie.200 Konkretere Aussagen Platons hierüber gibt es aber kaum, sondern er teilt über die Dialektik vor allem mit, dass sie mit den Methoden der Dihairese bzw. Aufteilung (διαίρεσις) und der Zusammenfassung (συναγωγή) vorgehen soll.201 Schon die politisch-ethischen Konnotationen sowie die umfassende Zielsetzung schließen jedenfalls aus, in der Dialektik ohne weitere Klarstellungen eine Vorläuferdisziplin zur späteren Logik zu sehen. Zwar sieht die antike Tradition durchaus richtig, dass Platon viele logische Einsichten des Aristoteles vorwegnimmt,202 gibt aber genauso zutreffend zu, dass er sie nicht ordnet und zu einer eigenen Disziplin zusammenfasst.203 Die bleibende Bedeutung der platonischen Dialektik liegt daher vor allem in der ihr inhärenten Idee einer spezifisch philosophischen Methodik, aber deren Ort im Ganzen der Philosophie bleibt ebenso unbestimmt, wie ihr Inhalt allenfalls implizit geboten wird.204

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  Plato, Respublica 7, 534bc; vgl. Plato, Philebus 58a–e.   Vgl. Strobach, Dialektik  /  Dihairesis, 265. 199   Τὴν […] περὶ τὸ ὂν καὶ τὸ ὄντως καὶ τὸ κατὰ ταὐτὸν ἀεὶ πεφυκὸς […] ἀληθεστάτην εἶναι γνῶσιν. Plato, Philebus 58a. 200   Plato, Philebus 58e–59c. Vgl. Kahn, Plato and the Post-Socratic Dialogue, 164–175. 201   Plato, Phaedrus 265c–266b. Vgl. Strobach, Dialektik  /  Dihairesis, v. a. 265–267. 202   Vgl. Strobach, Logik und Methodologie. 203   Philoponus, In Analytica priora (CAG 13, 2, p.  6, 14–18 Wallies); Olympiodorus, Prolegomena (CAG 12, 1, p.  17, 37–18, 1; 18, 3–6 Busse); David, In Analytica priora (52, 24–56, 6 Topchyan); Elias, In Analytica priora (136, 19–29 Westerink); Cassiodorus, Institutiones 2, 3 (109, 6–11 Mynors). Vgl. M. Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften. Ein Bild des Sergios von Rēšʿaynā, seine Rezeption bei Paul dem Perser und die spätantiken Wurzeln der arabischen Aristoteles-Eulogien, in: Sh. Talay (Hrsg.), Über­leben im Schatten. Geschichte und Kultur des syrisch-aramäischen Christentums. Akten des 10. Deutschen Syrologentags, Wiesbaden 2020, 179–201, hier 191–196. 204   Vgl. P. Hadot, Philosophie, discours philosophique et division de la Philosophie chez les stoïciens, in: Revue internationale de Philosophie 45 (1991), 205–219, hier 207 f., 210. 198

249

Die klassische Epoche

5. Philosophie und Politik Die Einsicht des Philosophen in die Ideen, insbesondere die Idee des Guten, soll auch die Grundlage für die politische Dimension von Platons Projekt liefern, die v. a. im Fünften bis Siebten Buch der ›Politeia‹, Platons ausführlichster Darstellung der Philosophie, aber auch, vielleicht aus Platons Umfeld heraus, im ›Siebten Brief‹ ausgeführt wird. Zentral ist die Vision vom Philosophenkönigtum:205 »Wenn nicht entweder die Philosophen als Könige in den Städten herrschen oder die jetzt so genannten Könige und Herrscher echt und hinreichend philosophieren und die politische Herrschaft und die Philosophie in eins zusammenfallen […], gibt es kein Ende der Übel für die Städte und, denke ich, auch nicht für das Menschengeschlecht«.206 »Ich war gezwungen, die wahre Philosophie zu loben, weil man aus dieser das poli­ tisch Gerechte und alles auf die Privatleute Bezogene ersehen kann. Denn das Menschengeschlecht wird nicht von Übeln frei sein, bevor das Geschlecht der Philosophierenden richtig und wahrhaft in politische Ämter kommt oder dasjenige der Herrschenden in den Städten aufgrund eines göttlichen Loses wahrhaft philosophiert«.207

Diese sehr starken Behauptungen, welche auch die eigenen Erfahrungen mit den Schwächen der zeitgenössischen Demokratie reflektieren,208 setzen zunächst die philosophische Grundannahme voraus, dass praktisches, und somit auch politisches, Handeln sich nur aus einer theoretisch richtigen Erkenntnis heraus einstellen kann. Die Voraussetzungen dafür, dass Philosophen dazu in der Lage sind, sind Platon zufolge eine geeignete »philosophische Natur« (φιλόσοφος φύσις)209 bzw. Veranlagung sowie eine lange Ausbildung. Diese soll über eine übertragene Deutung der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit und der mit ihnen befassten Wissenschaften über die Dialektik hin zur Idee des Guten, also zu vollkommenem Wissen, führen.210 Auch nach dieser gründlichen Schulung beschäftige sich ein Phi205

  Plato, Respublica 5, 473c–473e.   Ἐὰν μή […] ἢ οἱ φιλόσοφοι βασιλεύσωσιν ἐν ταῖς πόλεσιν ἢ οἱ βασιλῆς τε νῦν λεγόμενοι καὶ δυνάσται φιλοσοφήσωσι γνησίως τε καὶ ἱκανῶς, καὶ τοῦτο εἰς ταὐτὸν συμπέσῃ, δύναμίς τε πολιτικὴ καὶ φιλοσοφία, […] οὐκ ἔστι κακῶν παῦλα. Plato, Res­ publica 5, 473cd. 207   Λέγειν τε ἠναγκάσθην, ἐπαινῶν τὴν ὀρθὴν φιλοσοφίαν, ὡς ἐκ ταύτης ἔστιν τά τε πολιτικὰ δίκαια καὶ τὰ τῶν ἰδιωτῶν πάντα κατιδεῖν· κακῶν οὖν οὐ λήξειν τὰ ἀνθρώπινα γένη, πρὶν ἂν ἢ τὸ τῶν φιλοσοφούντων ὀρθῶς γε καὶ ἀληθῶς γένος εἰς ἀρχὰς ἔλθῃ τὰς πολιτικὰς ἢ τὸ τῶν δυναστευόντων ἐν ταῖς πόλεσιν ἔκ τινος μοίρας θείας ὄντως φιλοσοφήσῃ. Plato, Epistula 7, 326ab. 208   Vgl. Ch. Horn, Politische Philosophie, in: Horn  /  Müller  /  Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch2, 174–187, hier 174 f. 209   Plato, Respublica 5, 485c–486b. 210   Plato, Respublica 7, 533e–534. Vgl. Horn, Politische Philosophie, 178. 206

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

losoph, den es an sich gar nicht in die Politik zieht,211 Platon zufolge freilich primär mit Philosophie und »müht sich um der Polis Willen« nur phasenweise »nicht als etwas Schönes, sondern als Notwendiges, mit den politischen Dingen ab«, deren Auszeichnungen – Ehren, Ämter usw. – ihn gerade deswegen nicht von seinem Ziel abbringen.212 Platon ist sich bewusst, dass dies eine kaum zu verwirklichende Position ist, obwohl er die von ihm geschilderte Ausbildung und damit die Realisierung des Ideals nicht für absolut unmöglich hält.213 Das ist allerdings insofern dem Kontext angemessen, als sich utopische Züge auch sonst in der ›Politeia‹ zeigen, etwa die Idee einer Gemeinschaft von Männern, Frauen (die in der Darstellung der ›Poli­ teia‹ voll und ganz gleichberechtigt sind) und Kindern.214 Doch bereits im Höhlengleichnis weist Platon auf die Schwierigkeit hin, die geschauten Wahrheiten einer unverständigen Welt zu vermitteln,215 und lässt dadurch seine Skepsis gegenüber der Realisierbarkeit des eigenen Modells erkennen. Dass er es trotzdem äußert, kann als philosophische Reaktion auf die Zeitumstände verstanden werden: So wird das Philosophenkönigtum im ›Siebten Brief‹ durch Platons Erfahrungen mit ungerechter Herrschaft begründet. Vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Ideals einer lehrbaren Tugend weist Michel Foucault darauf hin, dass für Platon und seine Zeitgenossen die »Herrschaft über sich selbst«, ein typischer Zug des Tugendideals, zugleich Bedingung für eine »Herrschaft über andere« ist und den philosophischen Freimut (παρρησία) begründet.216 Derartige Überlegungen sind für Platon selbst offenbar sehr plausibel, denn schon in der ›Politeia‹ behauptet er, dass philosophische Naturen, die nicht in rechter Weise erzogen werden, auch eine besondere Gefahr für die Polis darstellten.217 Auch die Position des Kalli­kles im ›Gorgias‹, Philosophie sei lediglich etwas für Kinder, wird durch die Herausstellung von deren politischem Charakter implizit zurückgewiesen.218 Demnach erweist sich das Philosophenkönigtum als eine Position, deren Entwicklung in Anbetracht von Platons kulturellem und zeitlichem Hintergrund sowie seiner philosophischen Überzeugungen durchaus nachvollziehbar ist. Trotzdem bleibt die Frage bestehen, ob Platon diese Theorie jemals so wörtlich nimmt, dass etwa seine sizilischen Unternehmungen tatsächlich darauf abzielen, seine Gesprächspartner zum Philosophen im Vollsinn zu machen, und ob sie tatsächlich so verstanden wurde. 211

  Plato, Respublica 7, 520a–521a.   Πολιτικοῖς ἐπιταλαιπωροῦντας […] τῆς πόλεως ἕνεκα, οὐχ ὡς καλόν τι ἀλλ’ ὡς ἀναγκαῖον. Plato, Respublica 7, 540ab. 213   Plato, Respublica 7, 540d. Vgl. Horn, Politische Philosophie, 179. 214   Plato, Respublica 5, 457c–466d. Vgl. Kersting, Platons ›Staat‹, 171–187. 215   Plato, Respublica 7, 516e–517. 216   Vgl. hierzu M. Foucault, Le gouvernement de soi et des autres. Cours au collège de France, 1982–1983, Paris 2008, 200–212 (dt. Regierung des Selbst und der anderen, Frankfurt 2009, 277–292). 217   Plato, Respublica 6, 489c–492d. Vgl. Dixsaut, Naturel philosophe, 418–424. 218   Plato, Gorgias 484c–485c. 212

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Die klassische Epoche

Jedenfalls gibt es in Platons Werk durchaus Züge einer realistischeren Sichtweise auf Politik: So diskutiert Platon schon in der ›Politeia‹ neben der Philosophenherrschaft auch auf Erfahrung beruhende Szenarien wie den Kreislauf der Verfassungen, den er im ›Politikos‹ weiter ausführt.219 In den Überlegungen zum guten Staat spielt auch die Bürgertugend des Freimuts (παρρησία) eine Rolle, der gerade vor Tyrannen unterdrückt bzw. von gerechten Herrschern bei ihren Beratern ermutigt werde;220 er wird allerdings nicht, wie bei Isokrates, direkt mit der Philosophie verbunden. In den späten ›Nomoi‹ treten an die Stelle der Philosophenherrscher Gesetze,221 die geradezu als idealtypisch ausgeführt werden. Auch hier wird allerdings eingeräumt, dass ein durch göttliches Los entsprechend vollkommener Mensch von den Gesetzen unabhängig regieren kann. »Nun aber gibt es ihn nirgendwo, außer für kurze Zeit. Daher ist das Zweitbeste zu wählen, Gesetz und Ordnung«.222 Das wichtigste Gremium, das sie überwacht, der sogenannte Nächtliche Rat, besteht allerdings nicht aus Philosophen, sondern vor allem aus alten und insoweit erfahrenen Bürgern.223 Vor diesem Hintergrund kann man in der bereits diskutierten Digression im ›Theaitet‹ eine zunehmende Skepsis Platons gegenüber den politischen Möglichkeiten des Philosophen ausgedrückt sehen. Da dort aber sowohl dessen überlegene Erkenntnis des Gerechten als auch seine Fremdheit gegenüber der Masse in ähnlicher Weise wiederholt werden wie in früheren Werken,224 lässt sich die hier ausgedrückte Trennung von philosophischer und politischer Aktivität225 als die Fortführung und Durchsetzung eines anderen Strangs von Platons eigenem Denken über Philosophen und Politiker verstehen, bei dem die Gesetzgebung wichtiger wird als die konkrete Herrschaft.226

219

  Vgl. Horn, Politische Philosophie, 178.   Plato, Respublica 8, 567b; Plato, Leges 3, 694b. Vgl. Leppin, Paradoxe der Parrhesie, 29 f. 221   Deren Vorrang kann man schon Plato, Theaetetus 177e–178a, angedeutet sehen. 222   Νῦν δὲ οὐ γάρ ἐστιν οὐδαμοῦ οὐδαμῶς, ἀλλ’ ἢ κατὰ βραχύ· διὸ δὴ τὸ δεύτερον αἱρετέον, τάξιν τε καὶ νόμον. Plato, Leges 9, 875cd. 223   Plato, Leges 12, 961a–c. Vgl. Horn, Politische Philosophie, 181–183. 224   Plato, Theaetetus 174a–176b. 225   Vgl. dazu auch M. Narcy, Platon. ›Politique‹, in: DPhA 5a (2012), 707–712, hier 711. 226   Dies wird erkennbar vorbereitet in Plato, Politicus 291c–294b, wo ein gerechter Inhaber des politischen Wissens dargestellt wird. 220

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

6. Philosophie und Rhetorik Die Rhetorik ist eines der wichtigsten Gebiete, gegen das Platon die Philosophie abgrenzt,227 auch wenn er selbst das sprachliche Können, das die Rhetorik lehrt, im Übermaß besitzt.228 Der klassische Text hierzu ist vor allem der ›Gorgias‹, wo Platon die ›Rhetorik‹ (ἡ ῥητορική) – deren Bezeichnung er wohl kaum, wie manchmal behauptet,229 erfindet230 –, als »Herstellerin von Überredung« (πειθοῦς δημιουρφγός) umschreibt.231 Der faktisch praktizierten Rhetorik wird der Status einer lehrbaren Disziplin (τέχνη) abgesprochen, und sie wird auf eine Erfahrung (ἐμπειρία) reduziert, die, wie die Tätigkeit der Sophisten, allenfalls mit dem Kochen, aber nicht mit der Medizin vergleichbar ist.232 Zudem kritisiert Sokrates die fehlende Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht durch die Rhetoren und die Ausrichtung von deren Überzeugungstätigkeit auf die Unwissenden,233 die auch zur Wertlosigkeit der Rhetorik für das Leben nach dem Tod führe.234 Eine gute, als Fertigkeit bzw. Kunst zu bezeichnende Rhetorik kann sich Platon nur vorstellen, wenn diese wirklich darauf abzielt, die Hörer zu besseren Menschen zu machen, was er freilich bei seinen Gegnern vermisst.235 Diese Auseinandersetzung wird in anderen Dialogen fortgeführt: Auch im ›Euthydemos‹ spricht der platonische Sokrates den Redenschreibern die Kompetenz für eine zum Glück beitragende Lebensführung ab236 und wirft ihnen vor, durch eine Trennung von Philosophie und Politik beides nicht ernstzunehmen.237 Im ›Phaidros‹, der sich wie der ›Euthydemos‹ vorwiegend mit schriftlichen Reden beschäftigt, lehnt Platon ebenfalls die übliche, auf öffentliches Auftreten zielende Rhetorik der Sophisten Gorgias und Thrasymachos ab238 und fordert eine vorher-

227

  Vgl. Tulli, Philosophie, 973 f.; Ch. Tornau, Rhetorik, in: RAC 29 (2019), 1–94, hier 7 f.; M. Erler, Platon und seine Rhetorik, in: M. Erler  /  Ch. Tornau (Hrsg.), Handbuch Antike Rhetorik, Berlin  /  Boston 2019, 315–337; Ch. Rapp, Der Streit zwischen Rhetorik und Philosophie. Aristoteles, in: Erler  /  Tornau (Hrsg.), Handbuch Antike Rhetorik, 339–360, hier 341–343. 228   Vgl. Von Arnim, Dion von Prusa, 19 f.; Erler, Platon und seine Rhetorik. 229   So etwa Dalfen, in: Platon, ›Gorgias‹, 191; mit der Behauptung, hier finde sich der erste Beleg des Wortes, jetzt wieder Erler, Platon und seine Rhetorik, 318; anders z. B. M. Janka, Rhetorik (rhētorikē [technē]), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 238–241, hier 238 f. 230   Vgl. oben S. 214  f. zum Gebrauch des Wortes bei Alkidamas. 231   Plato, Gorgias 453a. 232   Plato, Gorgias 463e–466. 233   Plato, Gorgias 458e–461. 234   Plato, Theaetetus 177b. 235   Plato, Gorgias 503d–504e. 236   Plato, Euthydemus 289d. 237   Plato, Euthydemus 305c–306c. 238   Plato, Phaedrus 261bc.

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Die klassische Epoche

gehende Kenntnis von gut und schlecht.239 Folglich werde jemand, »wenn er nicht richtig philosophiert hat, auch nicht dazu kompetent sein, über irgendetwas zu reden«.240 Einen Sonderfall stellt der rhetorische Lobpreis Athens im ›Menexenos‹ dar, der als, möglicherweise ironisches, Gegenbild zur traurigen Wirklichkeit der Stadt gedeutet worden ist.241 Diese Auseinandersetzung mit der Rhetorik, die sich wohl vor allem gegen den im ›Phaidros‹ namentlich erwähnten Isokrates richtet,242 bereitet eine die gesamte Antike durchziehende Debatte zwischen Rhetoren und Philosophen vor, welche von beiden die leitende Bildungsdisziplin sein soll.243 Die Argumente Platons behalten dabei ihre Bedeutung und werden, bei vielen Distinktionen und Variationen, gerne wiederholt.

7. Philosophie und Wissenschaften Der Anspruch der Philosophie auf umfassende Bildung erlaubt eine Integration der übrigen von den Sophisten gelehrten Wissensgebiete, von denen Platon, älteren Vorbildern folgend, zumindest einige ›Philosophien‹ (φιλοσοφίαι) nennt,244 in die philosophische Ausbildung. Verschiedene Disziplinen werden dabei anhand ihrer Objekte unterschieden und hierarchisch geordnet.245 In der ›Politeia‹ werden zunächst Gymnastik und Musik in die Ausbildung der Wächter246 und später Geometrie und Astronomie in die Dialektik eingebunden. Ihre Erkenntnisse über sinnlich wahrnehmbare Gegenstände werden, angeblich nach pythagoreischem Vorbild,247 v. a. als Bilder für eine geistige Harmonie verstanden,248 denn die abstrakten und unveränderlichen Gegenstände dieser mathematischen Disziplinen

239

  Plato, Phaedrus 260c.   Ἑὰν μὴ ἱκανῶς φιλοσοφήσῃ, οὐδὲ ἱκανός ποτε λέγειν ἔσται περὶ οὐδενός. Plato, Phaedrus 261a. 241   Vgl. Rowe, Myth, History, and Dialectic, 274–277; M. Narcy, Platon. ›Ménexène‹, in: DPhA 5a (2012), 784–788. 242   Plato, Phaedrus 278e–279b. Vgl. Eucken, Isokrates, 105 f.; 270–283. 243   Vgl. dazu bereits von Arnim, Dion von Prusa, 43–114. 244   Plato, Theaetetus 172c. Zur Herkunft dieses Begriffs vgl. Manuwald, Philosophie, 325. 245  Vgl. P. Hadot, Einteilung der Philosophie im Altertum, in: Zeitschrift für philo­ sophische Forschung 36 (1982), 422–444, hier 423 f.; A. Dihle, Lebenskunst und Wissenschaft, in: Rapp  /  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, 25–26, hier 27. 246   Plato, Respublica 2, 376e–377c. 247   Plato, Respublica 7, 530d. Zur Problematik der Frage nach der Reichweite pythagoreischer Einflüsse auf Platon vgl. für dessen Spätwerk Frede, in: Platon, ›Philebos‹, 394–402. 248   Plato, Respublica 7, 522e–531d. 240

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sind nach dem Liniengleichnis besonders geeignet, die menschliche Erkenntnis zum Begreifen der Ideen zu führen.249 Die Mathematik, die in den sokratischen Dialogen noch kaum eine Rolle spielt, wird auf diese Weise, vielleicht angeregt von den Diskussionen in der Akademie,250 seit dem ›Menon‹251 zunehmend zum Vorbild philosophischer Methodik, insbesondere für das konstruktive Verfahren der Hypothesenbildung, durch das der Aufstieg zu den Ideen gelingen soll.252 Das wohl von Archytas übernommene253 Quadrivium aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik rechnet Platon zu den notwendigen philosophischen Wissensgütern und empfiehlt sein zehnjähriges Studium.254 Nachdem bereits im ›Theaitet‹ das Betreiben von Geometrie und Astronomie ausdrücklich die philosophische Wahrheitssuche charakterisiert hat,255 zählen auch im ›Philebos‹, wo die exakte Arithmetik zum Vorbild wahrer Dialektik wird, Geometrie und Arithmetik, da sie für zahlreiche andere Disziplinen wichtig sind, zu den Bildungsgütern des Philosophen.256 Dabei wird zunehmend die Rolle der mathematischen Disziplinen für das Verständnis der Strukturen der sinnlich wahrnehmbaren Welt deutlich, das dann im ›Timaios‹ breit ausgeführt wird.257 Eine größere Selbständigkeit bewahrt die Medizin, deren methodischen Anspruch Platon sicherlich kennt – denn er empfiehlt sie als Vorbild für eine methodisch vorgehende Rhetorik258 –, wenn auch seine genaue Quellenbasis umstritten ist.259 Sie wird vor allem gegen die Rhetorik angeführt, wobei ihre Leistung für den Körper mit der der Gerechtigkeit für die Seele verglichen wird.260 249   Plato, Respublica 6, 510a–510c. Zu den Hintergründen vgl. Frede, Platons mathematisches Curriculum, 143–145. 250   Vgl. Bodnár, Wissenschaft und Philosophie in der Akademie, 263–266. 251   Plato, Meno 82a–85d; 86e–87b. 252   Plato, Timaeus 47bc. Vgl. Von Arnim, Dion von Prusa, 65; Strobach, Dialektik  / Dihairesis, 264; Mittelstraß, Die griechische Denkform, 30–36. 253   Vgl. oben S. 104. 254   Plato, Respublica 7, 524a–531d; 537b–d; auch erwähnt in Aristoxenos’ Bericht über Platons Vorlesung ›Über das Gute‹ (Aristoxenus, Elementa harmonica 2 [30, 25–27 Meibom]). Vgl. Schöpsdau, in: Platon, ›Nomoi‹ IV–VII, 601; Frede, Platons mathematisches Curriculum, 127–139. 255   Plato, Theaetetus 173e–174a. 256   Plato, Philebus 55d–59b. Zu den besonderen Schwierigkeiten dieses Textes vgl. ausführlich Frede, in: Platon, ›Philebos‹, 320–341. 257   Vgl. Kahn, Plato and the Post-Socratic Dialogue, 158 f. 258   Plato, Phaedrus 270b–d. 259   Vgl. schon Galenus, In Hippocratis De natura hominis, prooem. 4 f. (CMG 5, 9, 1, p.  4, 20–5, 9 Mewaldt); des Weiteren M. Vegetti, La medicina in Platone, Venedig 1995; H. Diller, Medizin. Antike, in: HWbPhil 5 (1980), 968–976, hier 969 f.; zur Frage nach den Quellen der Passage vgl. R. Joly, La question hippocratique et le témoignage du ›Phèdre‹, in: Revue des études Grecques 74 (1961), 69–92, hier 71–79; Vegetti, Medicina in Platone 102–107; s. oben S. 230. 260   Plato, Gorgias 464bc.

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8. Verhältnis der Philosophie zur Religion261 Aus den bisher angesprochenen Themen – Mythen, Demiurg, Ähnlichwerden mit Gott – ergibt sich bereits die Bedeutung religiöser Ausdrucksformen und Überzeugungen für Platons Gesamtwerk. Einer der großen Platon-Interpreten der Neuzeit hat daher »das Ganze« von Platons »Philosophie von Religion nicht bloß durchsetzt, sondern damit völlig Eins« genannt.262 Dies mag insofern richtig sein, als die religiös-mythische Darstellung bei Platon keineswegs weniger wichtig zu sein scheint als die Entwicklung rationaler Argumente, sondern gerade für einige der zentralen Thesen Platons – Philosophenkönigtum, Unsterblichkeitslehre – geradezu bevorzugt wird.263 Auch die Erklärung der Ideenschau in der Terminologie der Initiation in die Mysterienkulte,264 die in den folgenden Jahrhunderten intensiv weiterwirkt – »es gibt nach Platon keine Theologie, die nicht in seinem Schatten stünde« –,265 können als religiöse Züge von Platons Denken gelten. Allerdings stellen die religiösen Vorstellungen und Begriffe, mit denen Platon operiert, wie beispielsweise das »Ähnlichwerden mit Gott«,266 letztlich rationale Konstruktionen dar, so dass der religiösen Färbung des platonischen Philosophierens der Anspruch einer Rationalisierung des Religiösen entspricht. Eine rationalisierende Deutung der traditionellen Götter zeigt sich z. B. im ›Timaios‹, wo sie dem demiurgischen Hersteller der Welt untergeordnet werden,267 und in den ›Nomoi‹, wo die Gestirne als göttlich bezeichnet werden.268 Wenn Platon in der ›Politeia‹ das Wort ›Theologie‹ (θεολογία) für die Gottes­erzählungen der Dichter prägt bzw. verwendet,269 geschieht dies im Rahmen einer Polemik gegen rational nicht zu rechtfertigende Vorstellungen und Erzählungen über einzelne Götter.270

261

  Vgl. Burkert, Griechische Religion, 478.   P. Natorp, Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus, Leipzig 21921, 509, vgl. 467 f. zur ›Mystik‹; vgl. Erler, Platon, 464. 263   Vgl. Erler, Platon, 91. 264   Plato, Symposium 210a 265   Vgl. Burkert, Griechische Religion, 478 (Zitat); R. Turcan, Liturgies de l’initiation bacchique à l’époque romaine (Liber). Documentation littéraire, inscrite et figurée, Paris 2003, 124 f. 266   Vgl. oben S. 244–246. 267   Plato, Timaeus 40e–41a. Vgl. Burkert, Griechische Religion, 484–486. 268   Plato, Leges 12, 967a–968b. Vgl. Burkert, Griechische Religion, 485. 269   Plato, Respublica 2, 379a. Vgl. M. Bordt, Verstehen, wie die Götter sind. Zum Verhältnis von Theologie und Metaphysik in Platons ›Politeia‹, in: Rapp  /  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, 147–160, hier 149. 270   Plato, Respublica 3, 386c–392c; 10, 612a–613e. Vgl. Murray, What is a muthos for Plato?, 253 f.; Bordt, Verstehen, wie die Götter sind, 150; Erler, Platon, 468 f.; Ch. Schäfer, Dichtung (poiēsis, poiētikē oder bisweilen mousikē), in: Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, 87–92. 262

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Ganz ähnlich wie religiöse Vorstellungen werden auch poetische Werke be­ urteilt und verwendet: Die überlieferte Dichtung, z. B. Homer, zeichnet nach Platon ein zur rechten Erziehung untaugliches, weil unmoralisches Bild der Götter und müsse daher durch eine neue, geeignete Dichtung bzw., wie Platon selbst häufiger vorführt, durch rational fundierte Mythen ersetzt werden.271 Platon spricht daher einerseits von einem »alten Gegensatz von Philosophie und Dichtung«, betont aber im selben Atemzug, »eine Dichtung«, die »irgendeinen Logos habe«, »wie sie in einer Polis mit guten Gesetzen sein müsse«, sei durchaus willkommen.272 In ähnlichem Sinne wird im ›Phaidon‹ Sokrates’ Wendung von der Dichtung zur Philosophie als rechte Vorbereitung auf den Tod gewürdigt.273 Die Bedeutung, die bestimmte dichterische Zitate für Platon haben können, zeigt sich exemplarisch im ›Menon‹, wo ein Zitat aus Pindar den Weg für die womöglich zeitlich früheste Einführung der Anamnesis-Lehre im Zusammenhang mit der Seelenwanderungslehre ebnet.274 Demnach eignen sich für Platon nur religiöse und poetische Formen, die philosophisch nachvollziehbar sind, zur Vermittlung ethisch fundierter Gottesvorstellungen und besitzen daher gesellschaftlichen Wert. In der Dichterkritik erfolgt auch erstmals in der Antike die Charakterisierung eines, nämlich des höchsten, Gottes als gut, was man mit der Einführung der Idee des Guten im Sonnengleichnis verbinden kann.275 Die Wichtigkeit der Lehre von der Güte Gottes für Platon zeigt sich jedenfalls an der Güte des Schöpfergottes im ›Timaios‹, der »Handwerker« bzw. Demiurg (δημιουργός) oder »Hersteller und Vater« (ποιητὴς καὶ πατήρ) des Kosmos genannt wird und auf diese Weise, durch Blick zu einem höheren Vorbild, die Güte der gesamten Schöpfung garantiert.276 Wichtig ist das Gottesbild auch in den ›Nomoi‹, wo die stabilisierende politische Funktion der Religion klar ausgesprochen277 und entfaltet wird: Hierzu gehören nicht nur Vorschriften für einen rechten Kult, sondern nicht zuletzt auch Beweise für die Existenz, fürsorgende Tätigkeit und Gerechtigkeit der Götter, welche somit ein religiöses Fundament des Staatswesens gegen die Atheisten absichert.278 In diesem Kontext entwickelt Platon, in verbalen Umschreibungen, auch die Gottes271

  Plato, Respublica 2, 383a–c; 3, 401d; 10, 606e–608a.   Παλαιὰ μέν τις διαφορὰ φιλοσοφίᾳ τε καὶ ποιητικῇ· […] ὅμως δὲ εἰρήσθω ὅτι ἡμεῖς γε, εἴ τινα ἔχοι λόγον εἰπεῖν ἡ πρὸς ἡδονὴν ποιητικὴ καὶ ἡ μίμησις, ὡς χρὴ αὐτὴν εἶναι ἐν πόλει εὐνομουμένῃ, ἅσμενοι ἂν καταδεχοίμεθα, ὡς σύνισμέν γε ἡμῖν αὐτοῖς κηλουμένοις ὑπ’ αὐτῆς. Plato, Respublica 10, 607bc. 273   Plato, Phaedo 60c–61b. 274   Plato, Meno 81a–d mit Zitation von Pindarus, frg.  133 (Snell). Zum Zusammenhang vgl. Müller, Seelenwanderung, 332–334. 275   Plato, Respublica 2, 379bc. Vgl. Bordt, Verstehen, wie die Götter sind, 154–159, mit einer Kritik zu verbreiteten gegenläufigen Deutungen. 276   Plato, Timaeus 28a–29c. Zu seiner Rolle im Schöpfungszusammenhang s. oben S. 233– 235. Zur Problematik vgl. z. B. Mesch, Kosmologie, 220. 277   Plato, Leges 10, 887bc. 278   Plato, Leges 10, 887c–907b. Vgl. Erler, Platon, 469. 272

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attribute Allmacht (δύνασθαι πάντα, freilich »soweit die Macht bei Sterblichen und Unsterblichen reicht«279), Allwissenheit (γίγνωσκειν καὶ ὁρᾶν καὶ ἀκούειν πάντα) und Güte (ἀγαθούς γε καὶ ἀρίστους εἶναι),280 welche bis heute die Grundlage philosophischer Auseinandersetzungen, z. B. über die Theodizee, bilden. Platons Rede von den Göttern wendet sich bewusst an die breiten Bevölkerungsteile, die keine volle wissenschaftliche Ausbildung genossen haben,281 und strebt auf diese Weise an, die philosophischen Einsichten auch zu verbreiten, was seit der hellenistischen Zeit ein umstrittener Punkt sein wird.282

9. Würdigung Insgesamt entwirft Platon in seinen Dialogen ein sehr anspruchsvolles Bild von Philosophie: Sie soll wegen ihres Bezugs zur absoluten Wahrheit der Ideen zur alleinigen Leitdisziplin des gesamten menschlichen Lebens werden, der sich alle anderen Bildungsanstrengungen unterzuordnen haben. Entsprechend hymnisch preist er ihre Bedeutung, nachdem sie einmal aus der Betrachtung der Welt den Menschen zugänglich geworden ist: »Hieraus haben wir das Geschlecht der Philosophie erworben, im Vergleich zu dem kein größeres Gut als Geschenk von den Göttern zum sterblichen Geschlecht jemals kam oder kommen wird«.283 Zu beachten ist der dynamische Charakter dieses Bildes, der typisch ist für Platons Umgang mit dem Philosophiebegriff: Weder ist die Philosophie bereits die Erreichung der angestrebten Vollkommenheit, sondern das Streben nach ihr; noch sind ihre Charakterisierungen durch Platon ein einheitliches, definitorisches Lehrstück, sondern gerade in ihrer Vielfalt drücken sie eine fortdauernde Suche aus. Sie nimmt beim historischen Sokrates ihren Anfang, geht aber weit über seine Interessen hinaus. Kommt Platon insofern unbestritten ein unvergleichliches Verdienst für die Konturierung des Philosophiebegriffes zu, so gilt es zu diskutieren, inwieweit man sagen kann, dass »Platon für immer den Maßstab gesetzt hat, was Philosophie heißen soll«.284 Auffällig sind jedenfalls die Unterschiede von Platons Ansatz zu 279   Ὃπόσων αὖ δύναμίς ἐστιν θνητοῖς τε καὶ ἀθανάτοις. Burkert, Griechische Religion, 483, weist mit Verweis auf diese Stelle darauf hin, dass es Platon nicht um göttliche Allmacht in dem Sinne geht, wie sie einige monotheistische Religionen später verstehen werden. 280   Plato, Leges 10, 901de. Für den volksreligiösen Hintergrund vgl. K. J. Dover, Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle, Berkeley  /  Los Angeles 1974, 257 f. 281   Plato, Leges 7, 818ab. 282   Vgl. unten S. 455, 509  f. 283   Ἐξ ὧν ἐπορισάμεθα φιλοσοφίας γένος, οὗ μεῖζον ἀγαθὸν οὔτ’ ἦλθεν οὔτε ἥξει ποτὲ τῷ θνητῷ γένει δωρηθὲν ἐκ θεῶν. Plato, Timaeus 47a. 284   Burkert, Griechische Religion, 478.

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Die Konturierung des ­Philosophiebegriffs im Werk Platons

anderen bekannten Konzepten von Philosophie: Im Vergleich zu manch heutiger Vorstellung ist Philosophie für Platon weder eine einzelne noch eine Metawissenschaft, sondern sie strebt zu einem absoluten Wissen, das über das (fach-) wissenschaftlich und wohl auch mit der bloßen Vernunft Nachweisbare hinausgeht. Eine rein rationale, wissenschaftliche Vorgehensweise ist sie auch deswegen nicht, weil sie narrativ-religiöse Züge bewusst einschließt, und zwar gerade dann, wenn es um die Grundlagen des Guten oder zentrale Fragen wie die nach den letzten Dingen geht. Sie ist ferner auch als solche keine Lebensform, sondern die philosophische Lebensführung im platonischen Sinn ist primär eine theoretische Beschäftigung, welche letztlich über sich hinausweist. Die hellenistische (und vielleicht schon kynische) Vorstellung, ein Set philosophischer Regeln bzw. Dogmen könnten zu einem guten Leben anhalten, ist Platon fremd. Schließlich ist die platonische Philosophie keine klar begrenzte Aktivität, sondern sie kann politische Aktivität ebenso einschließen wie eine Auseinandersetzung mit allen Gebieten des Wissens. Nimmt man diese Unterschiede ernst, lässt sich genauer fragen, in welcher Weise Platon die Philosophie der Antike geprägt hat. Eine mögliche Antwort lautet, dass seine Identitäts- und Abgrenzungsstrategien in veränderter Form langfristig wirksam bleiben: Denn einerseits grenzt sich die Philosophie nach Platon durch ihren Anspruch auf umfassende, moralisch wirkende Erziehung und Ermöglichung eines guten und glücklichen Lebens sowohl a) von der Rhetorik als auch b) von den Fachwissenschaften ab. Andererseits zeigt sie sich c) offen gegenüber der Politik, in welcher der Philosoph eine aktive Rolle spielen soll, und d) der Religion, welche der Philosoph nicht ablehnt, sondern einer rationalen Deutung unterzieht. Mit diesem vierblättrigen Kleeblatt von Bezügen setzt sich Platons Philosophiebegriff in der Tat relativ weitgehend in der Antike durch: Zwar wird Punkt a) gelegentlich, z. B. von Cicero und der Zweiten Sophistik, hinterfragt, und Punkt b) von Aristoteles und dem frühen Peripatos, doch setzen sich diese Kritiken in der Antike auf konzeptueller Ebene nicht durch. Die deutlichsten Abweichungen gibt es in Punkt d), wo sich die religionskritische Tendenz der Kyrenaiker noch bis in den späten Epikureismus durchzieht, doch gibt es auch in diesem Bereich in der späteren Antike, z. B. in der Stoa und besonders im Neuplatonismus, auch Berührungen mit der Religion. Punkt c) wird schließlich in veränderter Form zur gemeinsamen Annahme fast aller Philosophen, welche in der Praxis wohl sogar von Epikureern und Skeptikern, wenn auch natürlich nicht ohne gewisse ­Abmilderungen, akzeptiert und z. T. praktiziert wird. In dieser strukturellen Betrachtung wird die Philosophie in ihrer platonischen Form also zu einer Art kulturellem Leitbild der Antike. Dazu tragen nicht zuletzt die Offenheit und literarische Qualität der platonischen Dialoge entscheidend bei, welche diese zu einem zentralen Bildungsgut werden lassen. Vor diesem Hintergrund findet die Philosophie allenfalls in der Rhetorik zeitweise eine ernstzunehmende Konkurrentin, bevor sich das gesellschaftliche Umfeld durch die christliche Religion wesentlich wandelt, so dass das Prestige der Rhetorik abnimmt und 259

Die klassische Epoche

das Christentum versucht, die Rolle der Philosophie zu übernehmen. Langfristig bleibt jedenfalls der Platonismus in seinen verschiedenen Formen das wichtigste philosophische Modell der Antike. Das gelingt vor allem, indem er im Mittel- und Neuplatonismus wieder die Form einer systematischen Theorie annimmt, welche nicht nur wichtige stoische, aristotelische und epikureische Impulse integriert, sondern auch religiöse Modelle guten Lebens aufnehmen oder inspirieren kann.

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IX. Nachplatonische Debatten: Die Ältere Akademie und die Pseudoplatonica

1. Allgemeines  /  Historischer Überblick1 Unmittelbar fortgeführt wird die Lehre Platons in der sogenannten Alten bzw. Älteren Akademie, zu der man die Platoniker von seinen unmittelbaren Schülern bis ca. 273 v.  Chr. rechnet. Während dieser Zeit amtieren als Schulleiter bzw. Scholarchen zunächst Platons unmittelbarer Nachfolger Speusipp (Scholarch von 348/47–339/38),2 dann Xenokrates von Chalkedon (339/38–314/13)3 sowie schließlich Polemon (314/13–276/75)4 und Krates (276/75–274/73).5 Auch weitere bedeutende Persönlichkeiten gehören der Akademie an, namentlich der Mathematiker Eudoxos von Knidos (400/395–347/342),6 Platons-Schüler Philipp von Opus (gest. nach 347)7, Herakleides Pontikos (gest. nach 322)8 und Krantor (gest. 276/75).9 Eine Sonderrolle spielt Aristoteles, der wohl nicht zuletzt aus politischen Gründen bei der Nachfolge Platons nicht zum Zuge kommt.10 Die Alte Akademie vertritt auch nach Platons Tod keine feste Lehre, sondern diskutiert Probleme, die mit platonischer Philosophie zu tun haben (Ideen, Mathematik, Eudaimonie, Tugenden) in durchaus kontroverser Weise. Der Schule gehören jeweils neben dem Scholarchen die lernenden »Jünglinge« oder »Knaben« (νεανίσκοι, μειράκια, νέοι) sowie mehrere Lehrende an.11 Auch die Frauen 1

  Dieser Absatz folgt, soweit nicht anders angegeben, H. J. Krämer, Die Ältere Akademie, in: GGPh 3 (2004), 1–165, hier 4–7. 2   Vgl. H.-J. Krämer, Ältere Akademie, in: GGPh 3 (22004), 1–165, hier 13–31; M. Isnardi Parente, Speusippe de Myrrhinonte, in: DPhA 6 (2016), 528–539. 3   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 32–55; M. Isnardi Parente, Xénocrate de Chalcédoine, in: DPhA 7 (2018), 194–208. 4   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 115–122; I. Kupreeva, Polémon d’Athènes, in: DPhA 5b (2012), 1190–1194. 5   Die Scholarchenliste findet sich bei Krämer, Ältere Akademie, 7. 6   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 56–66, hier 56 f.; J.-P. Schneider, Eudoxe de Cnide, in: DPhA 3 (2000), 293–302. 7  Vgl. Krämer, Ältere Akademier, 81–93, hier 81 f.; S.  Roux  /  T. Dorandi, Philippe d’Oponte, in: DPhA 5a (2012), 313–320. 8   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 67–80, hier 67; J.-P. Schneider, Héraclide le Pontique, in: DPhA 3 (2000), 563–568. 9   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 115, 122–125. 10   So Philochorus (3. Jhdt. v.  Chr.), frg.  223 (FGrHist 328) = Vita Aristotelis Marciana 11–14 (p.  99 Düring). Vgl. Flashar, Aristoteles, 215 f. 11   Ps.-Plato, Epinomis 990c; Aelianus, Historiae variae 3, 19; Epicrates, apud: Athenaeus, Dipnosophistae 2, 54 (59d).

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Die klassische Epoche

Lastheneia aus Mantineia und Axiothea aus Phlius lernen bei Platon und Speusipp.12 Neue Scholarchen werden offenbar gekürt, indem die Lernenden aus den Lehrenden eine Wahl treffen.13 Spätestens seit Aristoteles’ Gründung des Peripatos um 335 v.  Chr., welcher eigene Schwerpunkte setzt,14 ist die Akademie nicht einfach »eine Stätte der Diskussion und eines offen Meinungsaustausches«,15 sondern führt in besonderer Weise die Philosophie Platons fort. Ein Ausdruck davon ist, dass Krantor mit seiner Deutung des platonischen ›Timaios‹ der Überlieferung nach die Gattung des philosophischen Kommentars begründet, wobei er an Xeno­krates’ Auseinandersetzung mit diesem Dialog anschließt.16 Mit seiner Schrift ›Über die Trauer‹ begründet Krantor ferner die antike Gattung philosophischer Trostschriften.17 Dieser Charakter der Akademie verändert sich allerdings unter dem Scholarchat des Arkesilaos grundlegend, so dass sich die Alte Akademie zur skeptischen Neuen Akademie wandelt, ohne dass die Kontinuität der Institution endet.18 In der Alten Akademie entstehen wohl die meisten pseudo-platonischen Dialoge, die allerdings meist nicht genau datierbar sind. Im Gegensatz zu den spärlichen Resten der eigentlichen Alten Akademie bilden sie ein nennenswertes Corpus.19 Neben den schon unter Platon mitbehandelten, ebenfalls zumindest teilweise pseudepigraphen Briefen weisen vor allem die ›Rivalen‹ (›Erastai‹) Signi­fikanz für den Philosophiebegriff auf. 12

  Vgl. oben S.  159  f.   So berichtet bei Philodemus, Historia Academiae, col. VI 41; XVIII 6 (p.  136; 152 Dorandi). Vgl. aber Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 14 (267, 10 f. Marcovich = 306, 151 f. Dorandi) sowie Isnardi Parente, Xénocrate de Chalcédoine, 196. 14   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 6. 15   So A. Metry, Speusippos, in: Erler  /  Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums, 149– 162, hier 149. Tatsächlich benennt Metry vorwiegend Diskussionen zur Ideenlehre, also zu dem von Platon selbst stets kritisch weiterentwickelten, aber nie aufgegebenen Kern seiner Lehre. 16   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 122–124; H. Dörrie, Die geschichtlichen Wurzeln des Platonismus. Bausteine 1–35. Text, Übersetzung, Kommentar, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, 166 f. Überlegungen zur frühen platonischen Kommentar-Tradition auch bei H. Dörrie  / M. Baltes, Der Platonismus im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Bausteine 73–100. Text, Übersetzung, Kommentar, Stuttgart-Bad Canstatt 1993, 328 f. Unsere tatsächlichen Belege für philosophische Kommentare sind, abgesehen vom Derveni-Papyrus, der wohl in der Tat einer noch älteren Tradition des Kommentierens angehört, freilich weit jünger als Krantor und beginnen wohl mit dem (früh-)mittelplatonischen anonymen ›Theaitet-Kommentar‹, vgl. D. Sedley, Plato’s auctoritas and the Rebirth of the Commentary Tradition, in: J. Barnes  /  M. Griffin (Hrsg.), Philosophia togata 2, Oxford 1997, 110–129, hier 114 mit Anm.  11. 17   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 27 (277, 6 f. Marcovich = 317, 42 f. Dorandi); Cicero, Academica posteriora 2, 135. Vgl. Krämer, Alte Akademie, 124 f. 18   Zur Neuen Akademie (die manchmal auch in ›Mittlere‹ und ›Neue‹ Akademie unterschieden wird: Krämer, Ältere Akademie, 7) vgl. unten S. 441–448. 19   Überblicke bei Erler, Platon, 290–337; L. Brisson, Platon. Dialogues douteux et apocryphes, in: DPhA 5a (2012), 833–841. 13

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Nachplatonische Debatten: Die Ältere Akademie und die Pseudoplatonica

2. Philosophische Positionen In der Akademie werden die Anregungen Platons in unterschiedlicher Weise aufgegriffen und weitergeführt, teils auch in der Diskussion mit Aristoteles, bei dem sich Spuren dieser Debatte im Vergleich mit Fragmenten der Altakademiker entdecken lassen. So stellt Xenokrates’ Unterscheidung einer »praktischen und einer theoretischen Klugheit« (φρόνησιν τὴν μὲν πρακτικὴν, τὴν δὲ θεωρητικὴν), von welchen letztere die »menschliche Weisheit« ist,20 eine Parallele bzw. einen Vorläufer zum aristotelischen Unterschied von theoretischer und praktischer Vernunft und Wissenschaft dar.21 In der Alten Akademie entwickeln Speusipp und Xenokrates Platons prinzipientheoretische Überlegungen weiter. Insbesondere der Erstere arbeitet die transzendente Stellung des Einen (ἕν), »selbst, allein in sich betrachtet« (unum ipsum, seorsum et solum meditatum), über dem Sein (ὄν) heraus, womit er als Vorläufer neuplatonischer Positionen gelten kann (bzw. eine entsprechende Position aus Platons ungeschriebener Lehre referiert).22 In der Erkenntnistheorie betont Xeno­krates die Bedeutung der Sinneswahrnehmung und der von ihr ausgehenden Prozesse für den Gewinn zuverlässigen Wissens.23 Er beschäftigt sich auch mit einer weiteren Ausarbeitung der Grundzüge des rechten Sprechens, die als Vorläufer der Logik gelten können.24 In der Ethik kreisen die innerakademischen Debatten um das Verhältnis verschiedener Ebenen von Gütern zur Eudaimonie. Eudoxos vertritt, wie Aristipp, die Meinung, die Eudaimonie bestehe ausschließlich in der Freude (ἡδονή).25 Xeno­krates und Polemon formulieren hingegen die Trennung von in sich guten oder schlechten Dingen von indifferenten, die später in der Stoa wirksam wird.26 Eine weitere Grundlage der stoischen Ethik, welche sein Schüler Zenon von 20   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 24, 1 (GCS Clem. 2, p.  125, 20–23 Stählin) = Xeno­ crates, frg.  259 (Isnardi Parente). 21   So jedenfalls Krämer, Ältere Akademie, 37, für die Formulierung »Klugheit, die definierend und theoretisch in Bezug auf das Seiende« ist (φρόνησις ὁριστικὴ καὶ θεωρητικὴ τῶν ὄντων), bei Aristoteles, Topica 6, 3, 141a 6–9; Alexander Aphrodisiensis, In Topica (CAG 2, 2, p.  433, 15–19 Wallies) = Xenocrates, frg.  84 f. (Isnardi Parente). 22   Vgl. Proclus, In Parmenidem 7, Versio Latina (501, 62–67 Steel) = Speusippus, frg.  62 (Isnardi Parente) sowie zur Diskussion J. Halfwassen, Proklos über die Tendenz des Einen bei Platon, in: M. Perkams  /  R. M. Piccione (Hrsg.), Proklos. Methode, Seelenlehre, Metaphysik. Akten der Konferenz in Jena am 18.–20. September 2003, Leiden  /  Boston 2006, 363–383, v. a. 381 f. mit Anm.  106. 23   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 147–149 (2, p.  36, 16–37, 33 Mutsch­ mann); Porphyrius, In Ptolemaei Harmonica 3 (30, 1–31, 26 Düring) = Xenocrates, frg.  87 (Isnardi Parente). 24   Vgl. Krämer Ältere Akademie, 37–40. 25   Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 2, 1172b 9–25. Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 64–66. 26   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 3–5 (2, p.  376, 8–2 Mutschmann); Plu-

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­ ition bedeutend ausarbeitet, liefert Polemon mit der Formel »gemäß der Natur K leben«.27 Zu der Frage, ob nur die Tugend in sich gut ist oder ob auch andere Güter des Körpers und der Seele, wie schon in Platons ›Nomoi‹ diskutiert,28 als Teil der Eudaimonie gelten können, beziehen Xenokrates und Polemon noch keine einheitliche Position.29 Krantor bereitet anscheinend die Idee der Metriopathie vor,30 welche spätere Generationen gegen die Stoiker ins Feld führen.

3. Philosophiebegriff Die Beschäftigung der Akademiker mit dem Philosophiebegriff ergibt sich bereits aus den überlieferten Titeln einschlägiger Schriften, über deren Inhalt allerdings wenig bekannt ist.31 Ihr Interesse an diesem Thema wird durch Herakleides Pontikos’ Bericht über die Erfindung des Philosophie-Begriffs durch Pythagoras bestätigt und illustriert.32

Die pseudo-platonischen ›Rivalen‹ (›Erastai‹) Das bedeutendste Zeugnis für die Diskussionen um diesen Punkt stellt aber der pseudo-platonische Dialog ›Rivalen‹ (Ἐρασταί bzw. Ἀντερασταί, ›Amatores‹) dar, »in dem – zum ersten Mal in der erhaltenen Literatur – explizit gefragt wird, »was ist das eigentlich, die Philosophie?« (ὅτι ἔστιν τὸ φιλοσοφεῖν).33 Sokrates’ Gesprächspartner, der als Liebhaber im Rahmen der athenischen Päderastie seinen jungen Geliebten beim Sport beobachtet, erklärt die Philosophie zu einer Grundbedingung der Humanität: »Sähe ich das Philosophieren als schändlich an, hielte ich mich selbst nicht für einen Menschen, noch einen anderen, der so eingestellt ist«.34 Als Antwort auf die Frage, was das Philosophieren ist, werden im Anschluss tarchus, De communibus notionibus 23 (1069e) = Xenocrates, frg.  231; 233 (Isnardi Parente). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 118 f. 27   Cicero, De finibus 4, 3 f.; 4, 14 f. = Xenocrates, frg, 234 f. (Isnardi Parente). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 120–122. 28   Plato, Leges 5, 726a–729a. 29   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 133, 5–7 (GCS Clem. 2, p.  186, 23–187, 2 Stählin) = Xenocrates, frg.  232 (Isnardi Parente). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 118–120. 30   Wenn Cicero, Academica posteriora 2, 135, so zu verstehen ist. Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 124 f. 31   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 4; 4, 13 (258, 17; 258, 20; 265, 23 Marcovich = 299, 48; 299, 51; 305, 114 Dorandi). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 15. 32   S. oben S. 102  f., 132. 33   So Kranz, Philosophie, 582. 34   Ὁπότε γάρ τοι […] τὸ φιλοσοφεῖν αἰσχρὸν ἡγησαίμην εἶναι, οὐδ’ ἂν ἄνθρωπον νομίσαιμι ἐμαυτὸν εἶναι, οὐδ’ ἄλλον τὸν οὕτω διακείμενον. Ps.-Plato, Amatores 133ab.

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daran mehrere Definitionsversuche geboten: Nach dem ersten besteht die Philosophie im »Lernen von vielen« bzw. der Vielwisserei (πολυμαθία).35 Dies wird mit dem Argument abgewiesen, jede Bemühung sei stets nur im rechten Maße zuträglich. Der zweite Versuch lautet: Die Philosophie bestehe in dem, was zu dem meisten Ansehen (δόξα) verhelfe, was man durch »alle« oder »die meisten Fertigkeiten (τέχναι)« erhalte, »die den Freien zu lernen zukommen, welche um Verständigkeit kreisen, nicht um das Handwerk«.36 »So wie es angemessen ist für einen freien und gebildeten Mann«, gelte es nicht, die einzelnen Fertigkeiten »exakt zu wissen« (ἐπιστάσθαι ἀκριβῶς), sondern man solle den Worten von Fachleuten so folgen können, »dass man der gewitzteste und weiseste der stets Anwesenden zu sein scheine«.37 Der Sokrates des Dialogs antwortet, der Philosoph sei in diesem Fall ein »Fünfkämpfer«, der jedoch in den einzelnen Künsten den anderen nachstünde. Folglich wäre er ein »nutzloser« (ἄχρηστος) Dilettant, »schlechter als jeder von denen, die Fertigkeiten beherrschen« (ἑκάστου τῶν τὰς τέχνας ἐχόντων φαυλότερος), was aber seiner zuvor festgehaltenen Güte widerspreche.38 Schließlich wird daraus, dass vor allem der, der die Menschen kennt und richten kann, diese besser macht, geschlossen, dass ein Philosoph die Menschen und daher vor allem sich selbst kennen müsse, um sie besser zu machen.39 In diesem Falle ist er, mit den Tugenden der Gerechtigkeit und Besonnenheit versehen, zugleich König, Politiker und Hausherr (οἰκόνομος).40 Diese Formulierungen zeigen die Auseinandersetzung mit einer Bildungskonzeption für freie Menschen, die, ohne Erwähnung der Philosophie, sowohl in Platons ›Nomoi‹ als auch in Aristoteles’ ›Politik‹ auftaucht: Beide Autoren lehnen einerseits ab, dass eine freien Männern adäquate politische Bildung ein Lernen von allem Möglichen (πολυμαθία) sei.41 Andererseits benennen sie bestimmte Disziplinen, welche von diesen gelernt werden sollen, aber nicht in exakter Weise.42 Vor diesem Hintergrund, der auf den späteren »Zirkel der Lehre« (ἐγκύκλιος 35

  Ps.-Plato, Amatores 133c.   Τῶν τεχνῶν ἔμπειρος εἶναι πασῶν, εἰ δὲ μή, ὡς πλείστων, […] ἃ προσήκει τοῖς ἐλευθέροις μαθεῖν, ὅσα συνέσεως ἔχεται, μὴ ὅσα χειρουργίας. Ps.-Plato, Amatores 133d– 135b (Zitate 135b). 37   Ὡς εἰκὸς ἄνδρα ἐλεύθερόν τε καὶ πεπαιδευμένον, […] οἷόν τ’ εἶναι διαφερόντως τῶν παρόντων […], ὥστε δοκεῖν χαριέστατον εἶναι καὶ σοφώτατον τῶν ἀεὶ παρόντων. Ps.-Plato, Amatores 135cd. 38   Ps.-Plato, Amatores 135e–137a (Zitat 136c). 39   Ps.-Plato, Amatores 137a–138b. 40   Ps.-Plato, Amatores 138b–139a. 41   Plato, Leges 7, 818b–d; 819a; Aristoteles, Politica 8, 2, 1337b 5. Der Schlüsselbegriff πολυμαθία findet sich bei Platon in 819a. Die zahlreichen Parallelen im Detail lassen sich hier nicht aufführen. Vgl. zum Ganzen H. Fuchs, Enkyklios Paideia, in: RAC 5 (1962), 365–398, hier 366–368. 42   Plato, Leges 7, 817e–818a; 819b–d; Aristoteles, Politica, 1337b 5–21. Der Schlüssel­ begriff ἀκριβεία findet sich bei Platon in 818a, bei Aristoteles 1337b 17. Zum Hintergrund der platonischen Darstellung vgl. Schöpsdau, in: Platon, ›Nomoi‹ IV–VII, 601–605. 36

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παιδεία) vorausweist, weisen die ›Rivalen‹, in Opposition zu einer missverständlichen Interpretation von Platon und Aristoteles, auf die Notwendigkeit hin, zwischen einer solchen gehobenen Allgemeinbildung und der Philosophie zu unterscheiden, die in erster Linie ethisch sein muss, wenn man die politische Rolle der Philosophen von derjenigen der gebildeten Freien unterscheiden will. Dies unterscheidet sich, vielleicht unbeabsichtigt, von Platons ›Philebos‹, dem zufolge die Philosophen die für die Dialektik nötigen Wissenschaften anders als die einfachen Bürger exakt wissen sollten.43 In Anbetracht dieser Bezüge sollte man den Text nicht zu spät, vielleicht noch in die Lebenszeit des Aristoteles, datieren. Jedenfalls ist die Betonung eines tugendhaften Lebens kein belastbares Element für eine frühhellenistische Datierung, da die sokratische Tradition sicherlich das ganze 4. Jahrhundert hindurch, z. B. in der kynischen Bewegung, in Athen lebendig ist.44

Pseudo-platonische Definitionen Eine weitere akademische Quelle für den Philosophiebegriff ist eine Liste von ›Definitionen‹, die unter Platons Schriften bzw. in einem Anhang dazu (sog. Appendix Platonica) überliefert wird. Sie überliefern frühe Definitionen der Philosophie als »Streben zum Wissen über das ewig Seiende« (τῆς τῶν ὄντων ἀεὶ ἐπιστήμης ὄρεξις), »theoretischer (betrachtender) Habitus im Hinblick auf das Wahre (ἕξις θεωρητικὴ τοῦ ἀληθοῦς) und »Sorge für die Seele mit rechter Vernunft« (ἐπιμελεία ψυχῆς μετὰ λόγου ὀρθοῦ).45 Alle drei Definitionen sind nicht direkt Platon entnommen, teilen aber mit ihm und mit Xenokrates die Ausrichtung der Philosophie auf die ›Weisheit‹ (σοφία) und enthalten zusätzlich Bezüge zur Erkenntnis der ewigen Ideen und die sokratische Selbstsorge.46 Andererseits weisen Begriffe wie ›Streben‹, ›rechte Vernunft‹ oder ›Habitus‹ auch aristotelische Konnotationen auf, was in einem akademischen Kontext, der das alte Mit43

  Plato, Philebus 57c. S. oben S. 249–251.   Damit schließe ich mich der Sache nach, aber mit anderer Begründung, an Einordnungsvorschläge an, die man bei Kranz, Philosophie, 582; B. Centrone, Die ›Anterastai‹ und Platons erotische Dialoge, in: K. Döring  /  M. Erler  /  St. Schorn (Hrsg.), Pseudoplatonica. Akten des Kongresses zu den Pseudoplatonica vom 6.–9. Juli 2003 in Bamberg, Stuttgart 2005, 38–49, und Brisson, Dialogues douteux et apocryphes, 837, findet. Verbreiteter ist eine Datierung in »frühhellenistische«, ja sogar früh-neuakademische Zeit (I. Männlein-Robert, Zur literarischen Inszenierung eines Philosophiekonzepts in den pseudoplatonischen ›Anterastai‹, in: Döring  /  Erler  /  Schorn (Hrsg.), Pseudoplatonica, 119–133 [die »um 300  v.  Chr.« vorschlägt]; Erler, Platon, 297–299), wofür ich im Text mit seinem politischen Philosophieideal keinerlei Anhaltspunkt finde. 45   Ps.-Plato, Definitiones 414a 5–9. Ich fasse πῶς ἀληθές als Glosse auf. 46   Zu vergleichen ist, zur Weisheit, Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 24, 1 (GCS Clem. 2, p.  125, 20–23 Stählin) = Xenocrates, frg.  259 (Isnardi Parente). Vgl. H. G. Ingenkamp, Unter­suchungen zu den pseudoplatonischen ›Definitionen‹, Wiesbaden  /  Bonn 1966, 76 f. (mit Parallelstellen); Kranz, Philosophie, 581; Krämer, Ältere Akademie, 110. 44

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glied Aristoteles nicht aus dem Blick verliert, keineswegs widerspricht.47 Für eine nicht zu späte Entstehung spricht auch die Tatsache, dass die Philosophie-Definitionen trotz der Überlieferung in der Appendix Platonica keine weitere Rezeption erfahren, vermutlich weil sie unter hellenistischen Vorzeichen überholt sind.

Einteilung der Philosophie Xenokrates bzw. einige Altakademiker – »die Leute um Xenokrates« (οἱ περὶ Χενοκράτην), wie Sextos Empirikos formuliert – sollen als Erste die Dreiteilung der Philosophie in Physik, Ethik und Logik vertreten, womit sie angeblich Implikationen der platonischen Philosophie ausformulieren. Diese Nachricht ist nicht unproblematisch. Denn bei Cicero, der Antiochos von Askalon referiert, ist die Behauptung, Platon, und nicht etwa der Stoiker Zenon, vertrete die Dreiteilung als Erster, Teil einer (mittel-)platonischen Strategie: Die systematische philosophische Darstellung und Überlieferung soll insgesamt auf Platon zurückgeführt werden.48 Man kann Sextos’ Nachricht daher als Teil des Versuchs lesen, das Dreier-Schema als platonisch-akademische Erfindung darzustellen, zumal zeitliche Priorität in der Antike ein Argument für den Wert einer Ansicht sein kann.49 Reflektiert wird dies bereits bei Sextos selbst, wo Platon nur noch »der Möglichkeit nach« (δυνάμει) Urheber dieser Einteilung ist, weil er alle drei Teile behandelt, die Altakademiker um Xenokrates hingegen »ganz ausdrücklich« (ῥητότατα).50 Gerade diese relativ präzise Formulierung legt jedoch ganz im Gegenteil nahe, dass Sextos bzw. seine Quelle ihre Information einem Studium von Xenokrates’ Texten verdankt, die Dreiteilung also tatsächlich auf diesen zurückzuführen ist, was auch deswegen ganz plausibel ist, weil die Einteilung von Fragen bzw. Problemen in ethische, logische und naturphilosophische etwa gleichzeitig durch Aristoteles’ ›Topik‹ bezeugt wird.51 Allerdings dürften Xenokrates und sein Umfeld die drei Disziplinen kaum, wie die Stoa, als einen engen, die Philosophie 47

  So im Ergebnis auch Ingenkamp, Untersuchungen, 106–114, v. a. 108.   Vgl. zur Problematik der Behauptung akademischer Einflüsse auf Zenon generell Gourinat, Zénon de Citium, 379, und zum konkreten Problem unten S. 404  f., 450. 49   So sehr wahrscheinlich Atticus, frg.  1 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 2, 2 und 4 (GCS Eus. 8, 2, p.  7, 11–13; 7, 20–8, 3 Mras); Aristocles, frg.  1 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3, 6 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  8, 25–9, 9 Mras). Vgl. dazu M. L. Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments. Edited with Translation and Commentary by M. L. Chiesara, Oxford 2002, 65 f.; M. Perkams, Sergius de Rēšʿaynā. Le renouveau syro-occidental de l’aristotélisme et sa transmission syro-orientale, in: E. Fiori  /   H. Hugonnard-Roche (Hrsg.), La philosophie en syriaque, Paris 2019, 209–230, hier 212 f. 50   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 16 (2, p.  5, 28–6, 1 Mutschmann) = Xenocrates, frg.  82 (Isnardi Parente). 51   Vgl. unten S. 307. 48

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Die klassische Epoche

ausmachenden Zusammenhang verstehen. Wahrscheinlicher ist, dass sie die drei Begriffe, so wie Aristoteles, als Kennzeichnung locker verbundener Themenfelder ansehen, die »vermutlich pragmatisch motiviert und dazu bestimmt« ist, »die Vielzahl auseinander strebender Themen und Schriftenkomplexe übersichtlicher zu gliedern«.52 Hierfür spricht auch, dass in den sogenannten ›Aristotelischen Divisionen‹, die offenbar ebenfalls in Bezug zur Alten Akademie stehen,53 das Dreierschema um Rhetorik und Politik erweitert ist,54 was eher gegen eine bereits erreichte Festigkeit der Anordnung spricht. Diese wird womöglich erst durch den Stoiker Kleanthes hergestellt, wenn er das erweiterte Fünfer- bzw. Sechserschema (nämlich noch ergänzt um die Theologie) als differenziertes Dreierschema ­deutet.55 Besondere Fragen wirft der damit implizierte ›logische‹ Bereich der Philosophie auf.56 Nach einem Zeugnis des Sextos Empirikos bezieht sich die Dialektik sowohl nach Xenokrates als auch dem Stoiker Zenon, ganz im Sinne Platons, auf das »Miteinander-Sprechen« (διαλέγεσθαι), das »knapp« (ἐν συντομίᾳ) und »im Rechenschaft Empfangen und Geben« (ἐν τῷ λαμβάνειν καὶ διδόναι λόγον) erfolgt.57 Allerdings wird weder hier noch in den ›Divisiones Aristotelicae‹ eine Zuordnung von Rhetorik und Dialektik zur Logik vorgenommen, wie es in der Stoa gegeben ist. Zudem stellt sich die Frage, wie die Alte Akademie das Verhältnis der ›Logik‹ zur platonischen Dialektik bestimmt, welche bei Platon, ebenso wie später im Mittelplatonismus, als Hinführung zu den Ideen verstanden wird.58 Man sollte jedenfalls aus der Tatsache, dass Polemon bereits die später verbreitete Warnung vor einer zu intensiven Beschäftigung mit logischen Details zugeschrieben wird, die zur Ethik nichts nützten, nicht folgern, dass er dialektische bzw. logische Studien abgelehnt hätte.59 Wie er oder andere Altakademiker diese aber genau bezeichnen und einordnen, muss hingegen offen bleiben.

52

  So Krämer, Ältere Akademie, 36 f.   So Krämer, Ältere Akademie, 110 f. 54   Divisiones Aristotelicae 42 (55, 5–56, 7 Mutschmann). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 36. 55   Vgl. unten S. 427. 56   Vgl. M. Isnardi Parente, in: Senocrate. Ermodoro, Frammenti. Edizione, traduzione e commento a cura di M. Isnardi Parente, Neapel 1982, 311. Vgl. zur Diskussion auch K. Lorenz, Die Logik der Antike, in: HWbPhil 5 (1980), 362–367, hier 362, ferner die Bemerkungen zu Philosophie und Rhetorik sowie unten S.  427 f. 57   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 2, 6 f. (3, p.  84, 18–28 Mau) = Stoici, frg.  35 f. (Hülser) = Xenocrates, frg.  90 (Isnardi Parente). 58   Vgl. Hadot, Die Einteilung der Philosophie, 427 f. 59   Diogenes, Laertius, Vitae philosophorum, 4, 18 (270, 4–9 Marcovich = 309, 30–34 Dorandi). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 117. 53

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Nachplatonische Debatten: Die Ältere Akademie und die Pseudoplatonica

4. Die Philosophie im Verhältnis zu benachbarten Gebieten Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik Das Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik scheint für die Akademiker von geringerem Interesse zu sein als für Platon. Immerhin beschäftigt sich der einzige vielleicht wirklich auf Speusipp zurückgehende Brief mit der politischen Frage nach der Ausbildung Alexanders des Großen, und einige Gesandtschaften sind für Xenokrates und Krates bezeugt.60 Insgesamt scheint sich die frühe Akademie jedoch, soweit das die sehr rudimentären Quellen erkennen lassen, auf wissenschaftliche Arbeit zu konzentrieren und kaum politisch hervorzutreten.61 Für die Rhetorik übernimmt Xenokrates nach dem gerade zitierten Bericht des Sextos Empirikos Platons negative Meinung nicht, sondern erkennt sie, ebenso wie die Dialektik, als »Wissenschaft« (ἐπιστήμη) bzw. »Fertigkeit« (τέχνη) vom »langen und durchgängigen Reden« (τὸ λέγειν ἐν μήκει καὶ διεξόδῳ) an.62

Philosophie und Wissenschaft Das Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften ist in der Akademie faktisch eng: Sie bietet nicht nur dem Mathematiker Eudoxos die Möglichkeit zur Entwicklung mathematischer Theorien, sondern auch die übrigen Akademiker berühren in ihrer Arbeit Fragen der Mathematik, Geometrie und Astronomie. Die Quellen geben allerdings keine Auskunft darüber, ob dieses Verhältnis auch theoretisch reflektiert wird.

Philosophie und Religion Xenokrates gibt offenbar mithilfe der altakademischen Prinzipienlehre inklusive ihrer von den Pythagoreern ererbten mathematischen Analogien eine interpretatio philosophica der traditionellen Götter, bei der dem Daimon sowie der menschlichen Seele eine Mittelstellung zwischen diesen und der sterblichen Welt zukommt. »Zum Beispiel für das Argument machte Platons Gefährte Xenokrates die Situation bei den Dreiecken, indem er das Gleichseitige mit dem Göttlichen verglich, 60   Zu Krates vgl. die schwache Evidenz bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 23 (274, 7 f. Marcovich = 313, 30 f. Dorandi). Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 33 (zu Xenokrates); Kupreeva, Polémon d’Athènes, 1193 (zu Krates). 61   Vgl. Krämer, Ältere Akademie, 14. 62   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 2 (3, p.  84, 18–28 Mau) = Stoici, frg.  35 f. (Hülser) = Xenocrates, frg.  90 (Isnardi Parente). Vgl. Isnardi Parente, in: Senocrate. Ermodoro, Frammenti, 320.

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Die klassische Epoche

mit dem Sterblichen das Ungleichseitige sowie das Gleichschenklige dem Daimonischen«.63

Es ist gut möglich, dass die Akademie auch in dieser Hinsicht die stoische Theologie anregt, obwohl wir über religiöse Positionen anderer Akademiker wenig wissen.

5. Würdigung Die Bedeutung der Akademie für die Philosophiegeschichte ist offenbar beträchtlich, aber aus den Quellen nur eingeschränkt zu erschließen. Sie scheint nicht nur mit ihrer Prinzipientheorie die Geschichte des Platonismus wesentlich zu prägen, sondern sie bereitet mit ihrer Ethik das konzeptuelle Feld vor, das später sowohl die Stoiker als auch ihre Gegner intensiv bearbeiten. Besondere Wirkung entfaltet die akademische Einteilung der Philosophie, welche die Begriffe und Unterteilungen entwickelt, die die Stoa und der Mittelplatonismus später systematisieren. Die akademischen Philosophiebegriffe mit ihrer sokratischen oder platonischen Prägung in den ›Rivalen‹ oder den pseudo-platonischen ›Definitionen‹ entfalten hingegen keine lange Wirkung, vermutlich weil ihre Bezüge zur platonischen Ontologie oder zu einer politischen Philosophie in hellenistischer Zeit obsolet werden. Institutionell ist die Akademie die erste permanente, mit einem eigenen Vermögen und einer kontinuierlich wechselnden Leitung versehene Institution der Philosophiegeschichte, welche die Gestaltung späterer Philosophenschulen stark beeinflusst. Dagegen setzt sich ihre relative inhaltliche Offenheit nur in Aristoteles’ Peripatos, unter anderen inhaltlichen Vorzeichen, fort, wird aber auf mittlere und lange Sicht von der epikureisch-stoischen Konzeption abgelöst, dass die Philosophenschule der Ort ist, an dem eine bestimmte Lehre vermittelt wird. Sie bestimmt auch den Mittel- und den Neuplatonismus, die institutionell kaum an die Alte Akademie anschließen.

63

  Παράδειγμα δὲ τῷ λόγῳ Ξενοκράτης μὲν ὁ Πλάτωνος ἑταῖρος ἐποιήσατο τὸ τῶν τριγώνων, θείῳ μὲν ἀπεικάσας τὸ ἰσόπλευρον θνητῷ δὲ τὸ σκαληνὸν τὸ δ’ ἰσοσκελὲς δαιμονίῳ. Plutarchus, De defectu oraculorum 13 (416cd) = Xenocrates, frg.  222 (Isnardi Parente). Vgl. auch Xenocrates, frg.  223–229 Isnardi Parente sowie Krämer, Ältere Akademie, 48–52.

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X. Die Methoden des Strebens nach Weisheit: ­Aristoteles über die Philosophie

1. Allgemeines Aristoteles, ebenso wie Platon einer der bedeutendsten Philosophen überhaupt, führt dessen Ausarbeitung des Konzepts der Philosophie als einer methodischrational fundierten Suche nach wahrem, handlungsleitenden Wissen fort. Liegt Platons Bedeutung für die Geschichte des Begriffs ›Philosophie‹ in dessen grundsätzlicher Klärung und der Abgrenzung von verschiedenen Positionen, wird Aristoteles zum Begründer ihrer systematischen Gestalt: Er verleiht ihrer logischen Methodik, ihrer Einteilung in verschiedene Teilgebiete1 und deren Zusammenfassung in verschiedene Traktate sowie der Werbung für die Philosophie entscheidende Impulse.

2. Biographisches Aristoteles’ Biographie, die anhand der vagen antiken und arabischen Traditionen nur näherungsweise rekonstruierbar ist,2 lässt den Einfluss griechischer Bildung auf die Nachbarländer ebenso erahnen wie die Chancen und Schwierigkeiten, welche die politische Situation für einen Menschen aufgrund seiner Herkunft bringen:3 Als Sohn eines Arztes aus dem makedonischen Stageira, der Beziehungen zur dortigen Königsfamilie besitzt, kommt Aristoteles um 367 v.  Chr. nach Athen und wird in den engeren Kreis um Platon aufgenommen. Er beteiligt sich an der Auseinandersetzung der Akademie mit der Schule des Isokrates, entwickelt aber wohl frühzeitig sein eigenes philosophisches Programm, wozu ihm Platon die Freiheit lässt. Vielleicht aufgrund seiner makedonischen Herkunft muss er um 347 nach Platons Tod, wegen der Gegnerschaft zu Makedonien, zu der der Redner Demosthenes die Athener im Namen ihrer Freiheit ermutigt,4 Athen verlassen. 1

  Vgl. O. Höffe, Aristoteles, München 42014, 31–35.   Die Grundlage der Quellenreduktion ist die Edition, Übersetzung und Analyse der biographischen Quellen zu Aristoteles bei I. Düring, Aristotle in the Ancient Biographical Tradition, Göteborg 1957. Dessen Hypothese, dass alle Reste von Aristoteles-Viten auf die auf Arabisch erhaltene Vita des Ptolemaios zurückgehen, wird heute verworfen (vgl. St. Toulouse, Ptolémée le Platonicien, in: DPhA 5a [2012], 1739–1743, hier 1741–1743; auch R. Goulet  /  St. Toulouse, Ptolémée al-ġarīb, in: DPhA 5a [2012], 1744–1747). 3   Basis der folgenden Übersicht ist Flashar, Aristoteles, 213–219. 4   Vgl. dazu Bengtson, Griechische Geschichte, 315–319. 2

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Die klassische Epoche

Für relativ kurze Zeit hält er sich bei König Hermeias im kleinasiatischen Assos sowie auf der nahen Insel Lesbos auf und kehrt wohl noch einmal kurzzeitig nach Athen zurück,5 bevor er 343/42 v.  Chr. Erzieher des zukünftigen Makedonenkönigs Alexander (der Große) wird. Dies bleibt Aristoteles, bis Alexander 340/39 v.  Chr. die Regentschaft antritt. Auch danach ist er keineswegs untätig. 338 v.  Chr. wird er beispielsweise geehrt, weil er mit seinem Großneffen Kallisthenes die Liste der Sieger der Pythischen Spiele erstellt hat. Schließlich kann er ca. 335 v.  Chr., nachdem Alexanders Vater Philipp II. die Griechen weitgehend bezwungen hat,6 endgültig nach Athen zurückkehren. Dort nimmt er außerhalb der Akademie im Peripatos bzw. Lykeion einen eigenen Unterricht auf.7 Ob dies bereits als formelle Schulgründung zu betrachten ist, ist nicht ganz klar, doch muss man wohl davon ausgehen, dass Aristoteles mit offizieller Unterstützung seitens der Polis eigenständige Lehrmöglichkeiten erhält.8 322 muss er jedoch, wegen der Unruhen nach dem Tod Alexanders des Großen, Athen wieder verlassen und stirbt noch im selben Jahr auf der Insel Euboia.

3. Werk Diese Biographie hat in der Forschung des 20. Jahrhunderts dazu angeregt, die aristotelischen Schriften als Zeugnisse seiner geistigen Entwicklung zu lesen. Diese Versuche, zu denen Werner Jaeger die einflussreichste Ausarbeitung lieferte,9 sind nicht zuletzt aufgrund einiger Eigenheiten des aristotelischen Werkes gescheitert:10 Denn zwar ist bekannt, dass Aristoteles einerseits philosophische Dialoge und andererseits systematische Pragmatien bzw. Abhandlungen hinterlässt, doch lässt sich weder die Chronologie der einzelnen Werke noch die Redaktionsgeschichte der erhaltenen Texte exakt rekonstruieren: Die für ein öffentliches 5   So jedenfalls Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum 10 f. (4, 11–5, 2 Rashed). Zur Historizität dieser Information vgl. M. Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », Épître à Gallus. Sur la vie, le testament et les écrits d’Aristote. Texte établi et traduit par M. Rashed, Paris 2021, LXXXV–LXXXVIII. 6   Zu Aristoteles’ schwierig einzuschätzender Situation zwischen Athener Bürgerschaft und makedonischem Königshaus vgl. auch Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », LXXX– XCIV. 7   So Diogenes Laertius 5, 2; 5, 4 (305, 5–10; 306, 17 f. Marcovich = 344, 16–345, 21; 346, 43 f. Dorandi). 8   Vgl. Flashar, Aristoteles, 218; F. Wehrli  /  G. Wöhrle  /  L. Zhmud, Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, in: GGPh 3 (2004), 493–666, hier 496–498. 9   Vgl. W. Jaeger, Aristoteles. Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung, Berlin 21955. 10   Vgl. die Übersicht über den Forschungsstand bei Flashar, Aristoteles, 169–174; kürzer Höffe, Aristoteles, 27 f.

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Aristoteles über die Philosophie

Publikum bestimmten (exoterischen) Dialoge sind nämlich praktisch vollständig verloren, und die in Bezug zu schulinternen Vorlesungen stehenden (esoterischen) Pragmatien sind uns in einer redaktionell bearbeiteten Form erhalten, zu welcher wohl Andronikos gegen Ende des 1. Jahrhunderts v.  Chr. den entscheidenden Beitrag leistet.11 Dieser komplexe Entstehungsprozess zeigt sich in fast allen Werken des Aristoteles in Form von Wiederholungen, unklaren Übergängen, inneren Widersprüchen und anderen formalen Auffälligkeiten, die freilich die Gesamtgestalt des aristotelischen Denkens kaum betreffen. Besonders auffällig ist, dass die drei mittleren Bücher der ›Nikomachischen Ethik‹ (Buch V–VII) und der ›Eudemischen Ethik‹ (Buch IV–VI) miteinander identisch sind, ohne dass es hierfür eine bekannte Erklärung gäbe.12 Auch die verschiedenen Kataloge der Werke des Aristoteles deuten eine längere Textgeschichte an: In den einander ähnlichen Listen bei Hesychios und Diogenes Laertios13 sind die uns erhaltenen Werke kaum wiederzufinden, sondern sie tauchen erst im nur auf Arabisch erhaltenen Katalog des Ptolemaios al-ġarīb auf, der sich ausdrücklich auf Andronikos als Quelle bezieht.14 In Anbetracht dieser Situation überrascht es nicht, dass sein Werk dem Leser insgesamt recht einheitlich entgegentritt: Einzelne Partien liegen im Rahmen größerer Traktate vor, aus welchen die Ursprungsgestalt der Texte und deren Chronologie kaum sicher zu rekonstruieren sind.15 Die erhaltenen Werke sind durchweg in der Form des Prosatraktats überliefert, so dass Aristoteles eine gewisse Bedeutung für die Entwicklung wissenschaftlicher Fachprosa zukommt.16 Die einzelnen Texte bzw. Textabschnitte sind allerdings 11

  O. Primavesi, Ein Blick in den Stollen von Skepsis. Vier Kapitel zur frühen Überlieferung des Corpus Aristotelicum, in: Philologus 151 (2007), 51–77, hier 70–73, zeigt anhand der Nummerierung der aristotelischen Bücher, dass die ›Eudemische Ethik‹ eine andere Redaktionsgeschichte besitzt als die übrigen Schriften, vermutlich, weil sie schon vor Andronikos ihre gegenwärtige Form erhält. 12   Diese Bücher hat A. Kenny, The Aristotelian Ethics. A Study of the Relationship between the ›Eudemian‹ and the ›Nicomachean Ethics‹ of Aristotle, Oxford 1978, gesondert untersucht, ohne dass es zu einem Konsens über ihre ursprüngliche Zugehörigkeit gekommen wäre. D. Frede, in: Aristoteles, ›Nikomachische Ethik‹. Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von D. Frede, Bd.  1–2, Berlin  /  Boston 2020, 1, 217–220 plädiert für eine Zugehörigkeit zur ›Nikomachischen Ethik‹. Für eine inhaltliche Abgrenzung Flashar, Aristoteles, 302 f. 13   Vgl. die Synopse in: R. Goulet et al., Aristote de Stagire, in: DPhA 1 (1989), 413–442, hier 424–431. 14   Zu diesem Ptolemaios vgl. unten S.  558. Eine nützliche griechische Retroversion der Werkliste ins Griechische findet sich bei Goulet et al., Aristote de Stagire, 432–434; vgl. auch Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CLIV–CLXXV. 15   Vgl. die aufschlussreichen Bemerkungen zur Redaktion der ›Kategorien‹ bei M. Frede, The Title, Unity, and Authenticity of the Aristotelian ›Categories‹, in: M. Frede, E ­ ssays in Ancient Philosophy, Oxford 1987, 11–28. 16   Vgl. Höffe, Aristoteles, 25 f.; Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 78–82.

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Die klassische Epoche

unter­schiedlich gut ausgearbeitet.17 Zu großen Sammelpragmatien mit thematischer Einheit zusammengefasst sind v. a. die Hauptwerke ›Erste‹ und ›Zweite Analytik‹ (›Analytica priora‹ bzw. ›posteriora‹), ›Rhetorik‹, ›Topik‹, ›Physik‹, ›Meta­ physik‹, ›Nikomachische‹ und ›Eudemische Ethik‹, ›Politik‹. Mit Fragen der Naturphilosophie beschäftigen sich neben der ›Physik‹ (›Physica‹ bzw. ›De physico auditu‹, Φυσικὴ ἀκρόασις) eine Reihe weiterer Schriften: ›Über die Seele‹ (›De anima‹), ›Über Werden und Vergehen‹ (›De generatione et corruptione‹), ›Über die Teile der Lebewesen‹ (›De partibus animalium‹), ›Über die Bewegung der Lebewesen‹ (›De motu animalium‹), ›Meteorologie‹, ›Über den Himmel‹ (›De caelo‹) u. a. Von kleinerem Umfang sind neben einigen naturwissenschaftlichen Werken, die zum großen Teil unter dem Sammeltitel ›Parva naturalia‹ zusammenfasst werden, einige sehr wichtige logischen Schriften, namentlich die ›Kategorien‹ sowie die ›Hermeneutik‹ (De interpretatione‹, Περὶ ἑρμηνείας). Einblick in einen anderen Stil des Aristoteles bieten die mehr oder weniger spärlichen Reste der Dialoge und anderer exoterischer Schriften, unter denen namentlich von ›Über die Philosophie‹ (›De philosophia‹) und offenbar auch vom ›Protreptikos‹ beachtliche Reste erhalten sind.18 Die sachliche Bedeutung dieser Schriften, die zum Teil in der Antike als formale Muster geschätzt werden,19 liegt darin, dass sie Themen (wie z. B. den Philosophiebegriff und die Religion) behandeln, welche in den esoterischen Traktaten nur kurz erwähnt werden.20

4. Wichtige Positionen Allgemeines Typisch für die aristotelische Philosophie ist die Aufteilung des Stoffs auf verschiedene Teilgebiete, die sich bereits in (wohl meist nicht originalen)21 Werktiteln wie ›Metaphysik‹, ›Physik‹ und ›Rhetorik‹ spiegelt,22 aus denen später ganze Disziplinen hervorgehen. Aufgrund der komplizierten Überlieferungslage ist es allerdings 17

  Vgl. zusammenfassend Höffe, Aristoteles, 24 f.   Eine detaillierte Werkübersicht findet sich bei Flashar, Aristoteles, 220–276. 19   Vgl. unten S. 463–465. Zur Textform des aristotelischen Dialogs vgl. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 74–77. 20   Vgl. Flashar, Aristoteles, 179 f. 21   Die Titel finden sich häufig erst in der Werkliste des Andronikos bzw. Ptolemaios alġarīb, nicht in den älteren Katalogen. Diskutiert wird der Titel insbesondere bei der ›Metaphysik‹, für deren Namen verschiedene Erklärungen vorgeschlagen werden. S. unten S. 308  f. 22   Die heutige deutsche Nomenklatur führt allerdings in Bezug auf das Geschlecht häufig in die Irre: Die Namen sind meist im Griechischen ein Neutrum Plural: Τὰ Φυσικά, Τὰ Μετὰ τὰ Φυσικά. In einigen Fällen ist der Singular des Femininums aber richtig: Ῥητορκκὴ τέχνη. 18

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Aristoteles über die Philosophie

nur bedingt – nämlich anhand einiger Meta-Aussagen zu den Disziplinen – möglich festzustellen, wie Aristoteles selbst das Verhältnis der verschiedenen Gebiete bzw. seiner verschiedenen Aussagen zueinander bestimmt.23 Daher bietet es sich  – auch im Hinblick auf die folgenden Kapitel – an, der traditionellen Anordnung zu folgen, da sich so die Form des Corpus Aristotelicum, die sich in der Antike durchsetzt, adäquat darstellen lässt. Sie beruht auf einem curricularen Schema, das uns vorwiegend aus den spätneuplatonischen Kommentaren bekannt ist, aber im Wesentlichen bereits auf Andronikos zurückgeht oder in Teilen sogar noch älter ist. Denn die Liste des Ptolemaios al-ġarīb, die das Werk des Andronikos zwar nicht direkt benutzt, aber zumindest in Kenntnis von dessen Anordnung entstanden ist,24 führt die logischen Schriften bereits in der Reihenfolge ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹, ›Topik‹, ›Analytica priora‹ und ›posteriora‹, ›Sophistici elenchi‹ auf, woran sich die ethischen und politischen Schriften (ohne ›Nikomachische Ethik‹25) sowie ›Poetik‹ und ›Rhetorik‹, dann die naturphilosophischen Schriften und schließlich die ›Metaphysik‹ anschließen.26 An diesem Schema, das der Reihenfolge Logik, Ethik, Physik  /  Theologie folgt,27 wird im Laufe der Antike nur noch Folgendes verändert: In der Logik wird die ›Topik‹ hinter die ›Analytiken‹ gerückt, an welche sich – von der Sache her korrekt – die ›Sophistici Elenchi‹ anschließen.28 ›Poetik‹ und ›Rhetorik‹ werden ausschließlich an das Ende des logischen Grundkurses gerückt, der ›Organon‹ (Werkzeug) genannt wird, weil die Peripatetiker die Logik, wohl ebenfalls seit späthellenistischer Zeit, nicht als Teil, sondern als Werkzeug der Philosophie bewerten.29 Das achtteilige Organon wird so von den Arabern übernommen, während sich im lateinischen Bereich ›Poetik‹ und ›Rhetorik‹ nicht als dessen Teile durchsetzen können.30 In der Naturphilosophie schließen sich an die 23

  Auch hierzu sei beispielhalber auf die Situation bei den ›Kategorien‹ verwiesen: Vgl. Frede, The Title, Unity, and Authenticity, v. a. 17–21. 24   Zum häufig verkannten Verhältnis von seinem Werk zu dem des Andronikos vgl. die klaren Worte in dessen Widmungsbrief: Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum 1; 3 (1, 5–12; 2, 9–13 Rashed); zur Interpretation Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CCXXXV–CCCII, v. a. CCCf. 25   Vgl. dazu Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CCXLVI–CCLVIII. 26   Vgl. Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum 43 (p.  420–439 Hein = 12, 13–21, 5 Rashed) sowie die Übersicht und Diskussion der Überlieferungsvarianten bei Rashed, in: Ptolémée Ptolémée « al-Gharīb », CLIII–CLXVIII; vgl. auch schon Goulet et al., Aristote de Stagire, 433, zur Anordung des Andronikos. 27   Vgl. hierzu die Bemerkungen zur Bedeutung eines aristotelischen Curriculums bei Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum 2 (1, 13–2, 8 Rashed); vgl. auch Höffe, Aristoteles, 27. 28   Vgl. zur dadurch entstehenden Problemlage Höffe, Aristoteles, 38–40. 29   Vgl. dazu unten S.  375  f., 563  f., 702  f. 30   Vgl. M. Perkams, Logik und Religion. Entstehungsbedingungen autonomer Philosophiebegriffe im lateinischen und im syrisch-arabischen Raum (6.–12. Jh.), in: M. Enders  / B.  Goebel (Hrsg.), Die Philosophie der monotheistischen Weltreligionen im frühen und hohen Mittelalter, Freiburg u. a. 2019, 72–98, hier 77–86. Zur arabischen Tradition vgl. v. a.

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Die klassische Epoche

›Physik‹ als allgemeines Einführungswerk ›Über den Himmel‹ als Einführung zum Sein der ewigen Himmelskörper sowie ›Über Werden und Vergehen‹ mit der Behandlung des Seins der veränderlichen Dinge an. Hierauf folgen, nach der ›Meteorologie‹, ›Über die Seele‹ sowie thematisch verwandte Schriften (›Parva naturalia‹) vor der ›Metaphysik‹.31 Unklar bleibt in der Antike der curriculare Ort der ethisch-politischen Schriften, von denen anscheinend nur die ›Nikomachische Ethik‹, und auch nur im 2. Jahrhundert, schriftlich kommentiert wird.32 Teils behalten sie ihren Platz nach der Logik, teils, als sich die Trennung von theoretischer und praktischer Philosophie als Klassifizierungsschema durchsetzt, treten sie ans Ende des Katalogs.33 Ihre große Wirkungszeit beginnt aber geistesgeschichtlich, nachdem ihnen auch die Araber relativ wenig Interesse entgegenbringen, erst im Byzanz des 12. und im lateinischen 13. Jahrhundert, das allein mehr ›Nikomachische-Ethik‹- und ›Poli­ tik‹-Kommentare hervorbringt als alle vorhergehenden Jahrhunderte zusammen.34 Damit erweist sich der besondere Fokus auf Ethik als ein Phänomen, das spezifisch für das lateinische Mittelalter und die ihm nachfolgende Neuzeit typisch ist, in der Antike aber eine bedeutend geringere Rolle spielt.

Von der Wahrnehmung zur Theorie: philosophische Methodik nach Aristoteles und die Formen der Logik Die Besonderheit der aristotelischen Philosophie erschließt sich am besten über seine methodischen Überlegungen und deren wissenschaftlichen Rahmen. Aristoteles zufolge beruht wissenschaftliches Wissen stets auf der Sinneswahrnehmung (αἴσθησις). Wenn eine Wahrnehmung wiederholt erfolgt, wird aus ihr, dank unserer Erinnerung (μνήμη), Erfahrung (ἐμπειρία), welche ihrerseits die Grundlage dafür abgibt, dass komplexere Wissensbestände in Form einer Fertigkeit (τέχνη)

D. L. Black, Logic and Aristotle’s Rhetoric and Poetics in Medieval Arabic Philosophy, Leiden  /  Boston 1990. 31   Vgl. Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum 43, 39–54 (p.  15 f. Rashed = p.  426 f. Hein); vgl. schon früher Goulet et al., Aristote de Stagire, 433, zur Anordung des Andronikos. 32   Vgl. unten S. 561. 33   So spätestens bei Paul dem Perser, vgl. M. Perkams, The Syro-Persian Reinvention of Aristotelianism. Paul the Persian’s Treatise on the Scopes of Aristotle’s Works between Sergius of Rëšʿaynā, Alexandria, and Baghdad, in: Studia Graeco-Arabica 9 (2019), 129– 146, und s. unten S. 1002  f., 1084. 34   Vgl. M. Perkams, in: Thomas von Aquin, ›Kommentar zur Nikomachischen Ethik‹, Buch I und X. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von M. Perkams, Freiburg  /  Basel  / Wien 2014, 13–17. Zu den Kommentierungen der ›Nikomachischen Ethik‹ im Mittel­alter vgl. die Beiträge in I. P. Bejczy (Hrsg.), Virtue Ethics in the Middle Ages. Commentaries on Aristotle’s ›Nicomachean Ethics‹, 1200–1500, Leiden  /  Boston 2007.

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oder eben einer Wissenschaft (ἐπιστήμη) geordnet werden können.35 Daher hat man Aristoteles’ Ansatz als »Rekonstruktion« von empirischen Phänomenen mittels der Regeln wissenschaftlicher Darstellung beschrieben,36 wobei zweierlei zu beachten ist: 1. Die Phänomene werden nicht durch Experimente gewonnen, sondern liegen gleichsam in Form entweder von kondensierter Erfahrung oder von begrifflich fassbaren Problemen in den grundsätzlich plausiblen Ansichten kompetent urteilender Menschen (ἔνδοξα) vor.37 2. Die wissenschaftliche Rekon­ struk­tion besteht in der Darstellung der erfahrungsgenerierten Sätze in einer zusammenhängenden Form, wofür Aristoteles in seinen logischen Schriften grundlegende Regeln angibt. In der antiken Reihenfolge der aristotelischen Schriften beginnt der logische Kurs, wie gesagt, mit den ›Kategorien‹, welche die sprachlichen Begriffe behandeln sollen, mit denen wir uns auf die Gegenstände beziehen, obwohl auch eine ontologische Deutung möglich ist, der zufolge die Schrift die Einteilung der Gegenstände als solche beschreibt.38 Wie dem auch sei: Die kleine Schrift führt jedenfalls eine ganze Reihe zentraler philosophischer Begriffe ein: Unter dem schon von Platon diskutierten Begriff des selbständigen Seienden (οὐσία) versteht Aristoteles in der ›Kategorienschrift‹, im Gegensatz zu Platon,39 in erster Linie Einzelgegenstände, die er als »erste Substanz« (πρώτη οὐσία) bezeichnet, während allgemeine Bezeichnungen für Arten (εἴδη) und Gattungen (γένη) von Einzelgegenständen »zweite Substanzen« genannt werden.40 Kategorial verschieden von den Substanzen sind die übrigen neun Kategorien, die nicht selbständig bestehen, sondern nur von Substanzen ausgesagt werden können; die wichtigsten Beispiele sind Qualitäten wie Farben und Quantitäten wie Größen etc.41 In anderen Schriften nennt Aristoteles sie »Akzidenzien« (συμβεβηκότα).42 35

  Aristoteles, Metaphysica 1, 1, 980a 28–981b 7; Aristoteles, Analytica posteriora 2, 19, 100a 3–b 17. 36   Vgl. Mittelstraß, Die griechische Denkform, 36–43. 37   Aristoteles, Ethica Nicomachea 7, 1, 1145b 2–7. Vgl. G. E. L. Owen, Tithenai ta phainomena, in: S.  Mansion (Hrsg.), Aristote et les problèmes de méthode. Communications présentées au Symposium Aristotelicum tenu au Louvain du 24 aout au 1er septembre 1960, Löwen  /  Paris 1961, 83–103. 38   Zur Interpretation der ›Kategorien‹ in der Antike vgl. den Überblick bei K. Oehler, in: Aristoteles, ›Kategorien‹. Übersetzt und erläutert von K. Oehler, Berlin 21986, 43–48. Aufgrund einer ontologischen Deutung kann man die Einordnung der ›Kategorien‹ in das Organon für verfehlt halten, vgl. Höffe, Aristoteles, 39. Zur älteren Verbindung der ›Kategorien‹ mit der ›Topik‹ vgl. Frede, The Title, Unity, and Authenticity, 18–20. 39   Frede, The Title, Unity, and Authenticity, 27 f., meint konkret, dass Aristoteles sich gegen eine spezifische ontologische Deutung von Allgemeinbegriffen richtet, die sich beim späten Platon findet. 40   Aristoteles, Categoriae 5, 2a 13–19; 2b 5 f. 41   Erste Übersicht der Kategorien bei Aristoteles, Categoriae 4, 1b 25–27. Die Zehnerliste findet sich auch in Aristoteles, Topica 1, 9, 103b 20–23. 42   Z. B. in der Definition Aristoteles, Metaphysica 5, 30, 1025a 4–6.

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Die ›Hermeneutik‹ (›De interpretatione‹) beginnt mit einer grundlegenden Unterscheidung von Lauten, »Leidenschaften der Seele« (παθήματα τῆς ψυχῆς), die Symbole (σύμβολα) für diese sind, und »Dingen« (πράγματα), von denen die Leidenschaften der Seele Ähnlichkeiten (ὁμοιώματα) sind.43 Bedeutend an dieser Schrift sind auch die Aussagen über unsichere Ereignisse in der Zukunft (futura contingentia), wie einer Seeschlacht, die morgen stattfindet oder nicht: Nur dass sie stattfindet oder nicht, kann jetzt schon wahr sein, nicht aber, dass sie stattfindet oder dass sie nicht stattfindet.44 Aristoteles’ Lehre vom Schluss findet sich vor allem in den ›Ersten Analytiken‹ (›Analytica priora‹). Hier führt Aristoteles den Syllogismus ein, in seiner Definition »ein Argument, in dem unter bestimmten Voraussetzungen etwas vom Gesetzten Verschiedenes aufgrund des Gesetzten notwendigerweise zutrifft«.45 Faktisch ist ein aristotelischer Syllogismus in seiner vollständigen Form eine Figur, in dem ein Satz dadurch erklärt und gerechtfertigt wird, dass er als Konklusion aus zwei früheren Sätzen bzw. Prämissen gerechtfertigt wird, welche einen Grund dafür angeben, dass er richtig ist. Diese Begründung gelingt formal dadurch, dass die beiden Prämissen einen Mittelbegriff gemeinsam haben, der in der Konklusion fehlt: Prämisse 1: Alle Menschen sind Lebewesen. Prämisse 2: Alle Lebewesen sind sterblich. Konklusion: Alle Menschen sind sterblich.46 Diese Rolle des Mittelbegriffs, also hier ›Lebewesen‹, gibt Anlass zu der freilich sehr groben Begründung, dass die aristotelische Logik eine Begriffslogik sei, von der sich Aussagenlogiken wie die der Stoiker strukturell unterschieden.47 Aristoteles erörtert in den ›Analytica priora‹ eine große Zahl syllogistischer Schlussformen, welche er auf drei »Figuren« verteilt,48 und vermittelt so ein beeindruckend vollständiges Bild der Materie in den von ihm gewählten Grenzen.49 Während die ›Analytica priora‹ den Syllogismus im Allgemeinen behandeln, beschäftigen sich die ›Analytica posteriora‹ vor allem mit dem »wissenschaftlichen Syllogismus« (ἐπιστημονικὸς συλλογισμός). Eine apodeiktische Wissenschaft (ἀποδεικτικὴ ἐπιστήμη) (im strengen Sinn) zeichnet sich dem Stagiriten zufolge dadurch aus, dass sie einen Beweis (ἀπόδειξις) bzw. eine notwendige Ableitung

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  Aristoteles, De interpretatione 1, 16a, 3–8.   Aristoteles, De interpretatione 9, 18a 23–19b 3. 45   Λόγος ἐν ᾧ τεθέντων τινῶν ἕτερόν τι τῶν κειμένων ἐξ ἀνάγκης συμβαίνει διὰ τῶν κειμένων. Aristoteles, Topica 1, 1, 100a 25–27. Vgl. Flashar, Aristoteles, 282. 46   Vgl. zu all dem knapp zusammenfassend Höffe, Aristoteles, 51–55. 47   Vgl. zur Kritik an dieser Unterscheidung z. B. Höffe, Aristoteles, 38 f. 48   Aristoteles, Analytica priora 2, 2–4, 53b 4–57b 17. Vgl. Höffe, Aristoteles, 52 f. 49   Vgl. Th. Ebert  /  U. Nortmann, in: Aristoteles, ›Analytica priora‹. Buch 1. Übersetzt und erläutert von Th. Ebert  /  U. Nortmann, Berlin 22007, 103–108; Höffe, Aristoteles, 50–53. 44

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von ihrerseits notwendigerweise ewigen Gegenständen bzw. Sätzen be­inhaltet,50 die ferner lehrbar ist. Hierdurch unterscheidet sie sich von der Fertigkeit (τέχνη), welche vor allem darauf abzielt, Erzeugnisse zu produzieren.51 Der entsprechende Syllogismus muss folglich auf nachweisbar wahren Prämissen beruhen, die letztlich aus unfehlbar wahren ersten Axiomen (ἀξίωματα) bzw. Prinzipien (ἀρχαί) der Deduktion erschlossen werden.52 Da freilich die Prinzipien erst als solche erkannt werden müssen, aber selbst nicht deduktiv aus noch allgemeineren Begriffen abgeleitet werden können,53 stellt ihre Auffindung für das apodeiktische bzw. beweisende Vorgehen ein besonderes Problem dar. Für ihre Erkenntnis verweist Aristoteles an verstreuten Stellen auf ein eigenes, offenbar nicht syllogistisch schließendes Seelenvermögen, den Geist (νοῦς)54 oder, wie gleich näher zu erläutern ist,55 auf die Dialektik aus der ›Topik‹. Eine weitere Voraussetzung apodeiktischen Vorgehens lautet, dass gültige Schlüsse nur aus Prämissen gewonnen werden können, die ein Ding wesentlich (καθ’ αὑτό) richtig einordnen,56 das heißt: die nur auf substantiellen, d. h. das Wesen einer Sache (be-)treffenden, nicht akzidentellen, d. h. unwesentlichen Bestimmungen beruhen. Auf diese Weise können, wie Aristoteles in ›Metaphysik‹ 4 (Gamma) aus dem Satz vom Widerspruch ableitet,57 insbesondere sophistische Fehlschlüsse ausgeschlossen werden. Schließlich weist Aristoteles auch darauf hin, dass der Syllogismus eigentlich kein Prinzip der Wahrheitsfindung ist, sondern eher dazu dient, Erkenntnisse wissenschaftlich zu rechtfertigen, indem die Prämissen eine Antwort auf die Frage liefern, »warum« (διὰ τί) die Konklusion wahr ist.58 Somit ermöglicht der Syllogismus eine Erkenntnis aufgrund der Ursache eines Sachverhalts. Eine andere Methode syllogistischen Vorgehens bietet die ›Topik‹. Sie erörtert die »Orte« (τόποι) bzw. Redefiguren, anhand derer man »über jedes vorgelegte Problem anhand von Plausibilitäten einen Syllogismus bilden kann« (συλλογίζεσθαι περὶ παντὸς τοῦ προτεθέντος προβλήματος δι’ ἐνδόξων).59 Die durch sie gebildeten »dialektischen« Syllogismen greifen nicht auf nachweisbar wahre Prämissen zurück, sondern stattdessen auf Meinungen (δόξαι) oder allgemein geteilte Überzeugungen (ἔνδοξα), deren Wahrheit nicht garantiert ist, aber 50

  Aristoteles, Analytica posteriora 1, 2, 71b 17–72a 14.   Die wichtigsten Texte zum ἐπιστήμη-Begriff sind Aristoteles, Ethica Nicomachea 6, 3, 1139b 18–36; Analytica posteriora 1, 2, 71b 9–16. Zum Verhältnis von τέχνη und ἐπιστήμη sowie Erkenntnismodalitäten vgl. M. Schramm, Die Prinzipien der aristotelischen Topik, Berlin 2004, 24–26, allgemeiner zur Hierarchie wissenschaftlicher Schlussformen Höffe, Aristoteles, 43 f. 52   Aristoteles, Analytica posteriora 1, 2, 72a 14–17. 53   Aristoteles, Analytica posteriora 1, 2, 71b 26–72a 8. 54   Aristoteles, Analytica posteriora 2, 19, 100b 5–17; Ethica Nicomachea 6, 6, 1141a 3–8. 55   Vgl. unten S.  283  f. 56   Aristoteles, Analytica posteriora 1, 19, 81b 23–29. 57   Vgl. unten S.  284  f. 58   Aristoteles, Analytica posteriora 1, 2, 71b 16–72a 9. 59   Aristoteles, Topica 1, 1, 100a 18–20. 51

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für das Ziel, im Gespräch zu überzeugen, angenommen werden kann. Dies hat besonders für die Methode der Ethik ihre Bedeutung,60 betrifft aber auch die Auffindung von Prinzipien einer Wissenschaft.61 Die in der ›Topik‹ vorgelegten Regeln für das philosophische Gespräch sind gleichwohl nicht beliebig, da die vier Prädikabilien, aus denen die Topoi entfaltet werden – Akzidenz (συμβεβηκός), Gattung (γένος), Proprium (spezifische Eigenschaft; ἴδιον) und die Definition (ὅρος), welche auf das Wesen einer Substanz (τὸ τί ἦν εἶναι) abzielt –, Aristoteles zufolge jedwedes syllogistisch aufweisbare Problem abdecken.62 Folglich hat man die ›Topik‹ als ein systematisches »Klassifikationssystem« bezeichnet, »durch das Sätze und Begriffe bestimmt werden können […]. Sie […] entwickelt Prinzipien zur Bildung dialektischer Argumente, […] die Prädikabilien und die Topoi«,63 und unterscheidet sich so von der Apodeiktik, für die sie aber durchaus, wie gleich näher zu erläutern ist, einen beträchtlichen Nutzen besitzt.64

Das Kontinuum zielgerichteter Bewegung: Naturphilosophische Grundpositionen Schon aufgrund seiner Erkenntnistheorie, die bei der Sinneswahrnehmung ansetzt, liegt Aristoteles die Naturphilosophie besonders nahe. Indem er sie zum Kern seiner theoretisch-philosophischen Arbeit macht, schließt er in einer Weise an die vorsokratische Neugierde gegenüber der Natur an, die bei Sokrates und auch bei Platon, der vor allem die Güte des Kosmos nachweist,65 kaum eine Rolle spielt. Die natürlichen Körper bzw. Substanzen, die den Ausgangspunkt unserer sinnlichen Wahrheitserkenntnis bilden, sind Aristoteles zufolge durch Bewegung bzw. Veränderung (κίνησις) gekennzeichnet,66 die, wie beim Wachstum (Quantität) 60   Aristoteles, Topica 1, 1, 100a 29 – b 23; 1, 14, 105b 30 f; Analytica posteriora 1, 19, 81b 18–22. Vgl. J. Barnes, Aristotle and the Method of Ethics, in: Revue Internationale de Philosophie 34 (1980), 490–511; O. Primavesi, Die Aristotelische ›Topik‹. Ein Interpretationsmodell und seine Erprobung am Beispiel von ›Topik‹ B, München 1996, 19 f.; G. Frank, Topik als Methode der Dogmatik. Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit, Berlin  /  Boston 2017, 8–13. 61   Aristoteles, Topica 1, 2, 101a 37–101b 3. Vgl. P. Hadot, Philosophie, Rhétorique, Dialectique dans l’Antiquité, in: Studia philosophica (Basel) 39 (1980), 145–147; ferner die – die ontologischen Vorannahmen des Aristoteles vielleicht unterschätzende – These von W. Wieland, Die aristotelische Physik. Untersuchungen über die Grundlegung der Naturwissenschaft und die sprachlichen Bedingungen der Prinzipienforschung bei Aristoteles, Göttingen 31992, 202–204, die aristotelischen Prinzipien (ἀρχαί) seien selbst Topoi im Sinne von »Reflexionsbegriffen«. 62   Aristoteles, Topica 1, 4, 101b 14–28. 63   So Schramm, Prinzipien der aristotelischen Topik, 18–20. 64   Vgl. dazu unten S.  302–304. 65   Vgl. oben S. 257. 66   Aristoteles, Physica 3, 1, 200b 28–201a 3.

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oder beim Aufstehen (Lage), in allen Kategorien stattfinden kann.67 Diese Veränderung ist kontinuierlich (wie Aristoteles gegen die Paradoxe des Eleaten Zenon herausarbeitet68), weswegen auch die Zeit ein Maß für Bewegung ist.69 Die Kontinuität von Raum, Zeit und Veränderung ist so zentral für Aristoteles’ Naturphilosophie, dass er die Annahme eines schlechthin Leeren entschieden ablehnt und den Begriff umdeutet.70 Ein wesentlicher Grund hierfür liegt darin, dass für Aristoteles Wirkkausalität immer durch einen direkten Kontakt ausgeübt wird.71 Die Wirkkausalität ist freilich für Aristoteles nicht die einzige Form von Kausalität, sondern nur eine seiner vier Ursachenarten: Zwei werden durch den ›Hylemorphismus‹ gebildet, dem zufolge sich an jedem physischen Gegenstand seine Materie bzw. sein Stoff (ὕλη) und seine (Art-)Form (εἶδος) unterscheiden lassen. 72 Sie bezeichnen respektive die stoffliche Struktur und das organisierende Element des zielgerichteten Zusammenhangs, den insbesondere jedes Lebewesen, im weiteren Sinne aber jeder Naturgegenstand, bildet.73 Auf diese Weise kann jede Substanz die ihrer Natur innewohnenden Ziele erreichen, zu denen, namentlich bei Lebewesen, Selbst- und Arterhaltung ebenso gehören wie das Finden von geeigneter Nahrung, Licht etc. Die Zielursache nimmt daher, weil sie den Funktionszusammenhang jedes Elements der Natur bestimmt, im Vergleich zu den übrigen drei Ursachen – Wirkursache, Form und Stoff – eine besondere Rolle ein, weswegen Aristoteles’ Denken insgesamt teleologisch ist.74 Unter dem Stoff bzw. der Materie, der vierten Ursache, versteht Aristoteles nicht in erster Linie einen Körper, sondern ganz allgemein das potentielle Element jedweder Zusammensetzung aus Stoff und Form; eine Materie an sich, ohne eine Form, wäre »unerkennbar« (ἄγνωστος).75 Moderne Interpretationen haben deutlich gemacht, dass das Vier-Ursachen-Schema in erster Linie Formen der Erklärung natürlicher Prozesse angibt. Für Aristoteles können, entsprechend einer Korrespondenztheorie der Wahrheit, solche Erklärungen nur richtig sein, wenn ihnen etwas in der Wirklichkeit entspricht.76 Man kann ihn daher so verstehen, dass die vier Ursachen »die notwendigen und, zusammen genommen, auch hinreichenden Bedingungen für jede (natürliche oder technische) Veränderung« angeben.77 Doch diskutiert Aristoteles nicht, ob aus dieser Lehre, die er auch nicht explizit formuliert, deterministische Konsequenzen folgen, sondern setzt voraus, dass viele Regelmäßigkeiten 67

  Aristoteles, Metaphysica 12, 2, 1069, 9–13.   Aristoteles, Physica 6, 9, 239b 5–240b 7. Vgl. Höffe, Aristoteles, 120–122. 69   Definition: Aristoteles, Physica 4, 11, 219b 1 f. 70   Aristoteles, Physica 2, 6, 213a 12–2, 9, 217b 2. 71   Vgl. dazu Höffe, Aristoteles, 109. 72   S. z. B. Aristoteles, Metaphysica 8, 1, 1042a 25–31. 73   Vgl. die mit Beispielen unterlegte Erklärung bei Höffe, Aristoteles, 111–113. 74   Zusammengefasst z. B. bei Aristoteles, Metaphysica 1, 3, 983a 26–32. 75   Aristoteles, Metaphysica 7, 10, 1036a 8 f.; 7, 11, 1036b 2 2–1037a 5. 76   Vgl. Aristoteles, De partibus animalium 1, 1, 642a 1–13. 77   So Höffe, Aristoteles, 116 f. 68

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nur »in den allermeisten Fällen« (ὡς ἐπὶ τὸ πόλυ) gelten, weswegen auch der Zufall (τύχη), das beiläufige Zusammentreffen verschiedener teleologischer Ereignisketten, einen Platz in seiner Naturphilosophie besitzt.78 Eine besondere Leistung des Aristoteles ist die weitere Ausfaltung der Naturphilosophie in den entsprechenden Schriften zu biologischen Einzelwissenschaften, zu den Himmelskörpern, der Seele, deren besonderen Vermögen sowie den Tieren in ihren verschiedenen Ausprägungen.79 Als vollkommene Bewegungsrichtung der Himmelskörper, aus deren ewig scheinenden Eigenschaften viele antike Denker Schlüsse über die Struktur des Kosmos ziehen, beschreibt Aristoteles die Kreisbahn, welche die Gestalt des Himmels ausmache.80 Ferner nimmt er an, dieser bestehe aus einem besonderen Stoff, dem Äther, der als »fünftes Element« neben Feuer, Wasser, Erde, Luft Berühmtheit erlangt.81 Sowohl mit der anfangslosen und unaufhörlichen Kontinuität von Bewegung als auch mit der Natur des Ewigen als solchem ist Aristoteles’ Überzeugung verbunden, dass die Welt als ganze ewig ist: Wenn jede Bewegung stets von einer früheren Bewegung verursacht wird, so lässt sich kein Anfang und kein Ende dieser Bewegungskette – und damit auch nicht der sichtbaren Welt – denken.82 Aristoteles verteidigt die Ewigkeit der Welt, die auch eine Spitze gegen den Weltschöpfungsbericht des ›Timaios‹ mit seiner Aussage, die Welt sei ›entstanden‹, beinhaltet, offenbar bereits in seinen exoterischen Schriften.83

Die Seele als Funktionsprinzip des Körpers und als abtrennbarer Geist: ­Aristoteles’ Seelenlehre In der Seelenlehre betont Aristoteles, wiederum im Gegensatz zu Platon, die Untrennbarkeit der Seele vom Körper, was seine Position für heutige Diskussionen über das Leib-Seele-Problem interessant macht.84 Seiner Charakterisierung zufolge ist die Seele »die erste Verwirklichung eines natürlichen Körpers, der in Möglichkeit Leben hat« (ἐντελέχεια ἡ πρώτη σώματος φυσικοῦ δυνάμει ζωὴν 78

  Aristoteles, Physica 2, 4, 196b 10–197a 8. Vgl. Höffe, Aristoteles, 118 f.   Vgl. die Angaben zu den biologischen Schriften oben S. 281. 80   Aristoteles, De caelo 2, 4, 286b 10–287b 21. 81   Aristoteles, De caelo 1, 2, 268b 11–269b 17; 1, 3, 270b 22–5. Vgl. Flashar, Aristoteles, 351–353. 82   Aristoteles, Physica 8, 1, 251a 12–28. Weitere Argumente für die Ewigkeit der Welt finden sich bei Aristoteles, De caelo 1, 11, 280b 1–1, 12, 283b 22. 83   Hierauf bezieht sich wohl vor allem, Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 10 f., 16, 20–47 (6, p.  76, 3–11; 77, 15–20; 79, 6–87, 16 Cohn  /  Reiter) = Aristoteles, frg.  916 (Gigon); Cicero, Lucullus, 119 = Aristoteles, frg.  829 (Gigon). 84   Einschlägige Beiträge finden sich gesammelt bei J. Barnes  /  M. Schofield  /  R. Sorabji (Hrsg.), Articles on Aristotle 4. Psychology & Aesthetics, London 1979; M. C. Nussbaum  /   A. O. Rorty (Hrsg.), Essays in Aristotle’s ›De anima‹, Oxford 1992. 79

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ἔχοντος).85 Da die erste Verwirklichung, die er hier mit einem speziellen Begriff Entelechie (ἐντελέχεια) nennt, der Form des Wesens entspricht, beschreibt er das Verhältnis des körperlich verfassten Menschen und seiner Seele als hylemorphistische Einheit gemeinsamen Funktionierens: »Daher darf man auch nicht fragen, ob die Seele und der Körper eines sind […]; denn da ›eines‹ und ›Sein‹ in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, ist die Verwirklichung  /  Entelechie beides in primärer Bedeutung«.86

Die Geltung dieses Satzes erläutert Aristoteles unter anderem durch seine Theorie der Seelenvermögen, unter denen er dem ›vegetativen Vermögen‹ die Zuständigkeit für Wachstum und Verdauung, dem ›sinnlichen‹ die Wahrnehmung, der sogenannten Vorstellungskraft (φαντασία) das bildliche Vorstellen sowie die Erinnerung und dem Geist (νοῦς) das Denken zuschreibt.87 Die menschliche Bewegung entsteht durch diese Erkenntnisvermögen in Verbindung mit dem Strebe­ vermögen (ὀρεκτικόν), zu dem Begehren (ἐπιθυμία), Zornmut (θυμός) und Wollen (βούλησις) gehören.88 Einen großen Teil seiner Seelenlehre widmet Aristoteles der Sinneswahrnehmung, die ihm zufolge unfehlbar ist, sofern es die »eigentümlichen Wahrnehmungsobjekte« (ἴδια αἰσθητά) der einzelnen Sinne wie Farben und Töne betrifft.89 Denn sie funktioniere so, dass eine äußere Information durch kontinuierliche Übermittlung mittels verschiedener stofflicher Übertragungswege die Sinnesorgane erreicht.90 Mit der Aktivität der komplexeren Zusammenarbeit der Sinne (αἰσθήσεις) sowie der Vorstellungskraft (φαντασία), welche sie weiterführt, sei jedoch die Ebene des seelischen Verarbeitens von Informationen erreicht, welche zu Fehlern führe.91 Andererseits seien menschliche Denkaktivitäten ohne Vorstellungsbilder nicht möglich.92 Während also Aristoteles die Seele im Allgemeinen in enger Verbindung mit ihrer körperlichen Existenz sieht, ändert sich das Bild beim Geist: Dieser ist Aristoteles’ sehr knappen Bestimmungen zufolge nämlich »frei von Erleiden« 85

  Aristoteles, De anima 2, 1, 412a 27 f.   Διὸ καὶ οὐ δεῖ ζητεῖν εἰ ἓν ἡ ψυχὴ καὶ τὸ σῶμα […]. τὸ γὰρ ἓν καὶ τὸ εἶναι ἐπεὶ πλεοναχῶς λέγεται, τὸ κυρίως ἡ ἐντελέχειά ἐστιν. Aristoteles, De anima 2, 1, 412b 6–9. 87   Aristoteles, De anima 2, 2, 413a 20–2, 3, 415a 13; 3, 3, 427a 17–429a 13. Nach A. Schmitt, Wie aufgeklärt ist die Vernunft der Aufklärung? Eine Kritik aus aristotelischer Sicht, Heidelberg 2016, 35 f., werden dabei in der φαντασία nur erkannte Formen anderer Erkenntnisvermögen vorgestellt. Dieser Punkt, der Schmitt zufolge wichtig für den Vergleich mit modernen Bewusstseinstheorien ist, wird in den ›De-anima‹-Kommentaren klarer formuliert als bei Aristoteles, vgl. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 186 f., 213 f. 88   Aristoteles, De anima 3, 9, 432a 26–3, 10, 433b 30; Aristoteles, De motu animalium 8–10, 701b 33–703b 2. 89   Aristoteles, De anima 2, 6, 418a 7–13. 90   Dies ist allgemein das Thema von Aristoteles, De anima 2, 5–12. 91   Aristoteles, De anima 3, 1, 424b 22–3, 3, 429a 9. 92   Aristoteles, De anima 3, 8, 432a 9 f. 86

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(ἀπαθής), »unvermischt« (ἀμιγής) mit anderen, körperlichen Dingen sowie »abgetrennt« bzw. »abtrennbar« (χωριστός) von diesen,93 so dass er offenbar – anders als der Rest der Seele – von der körperlichen Welt überhaupt abtrennbar und somit wohl unsterblich ist. Jedenfalls vertritt (bzw. verkündet – κήρυττει) Aristoteles die Lehre von einem unsterblichen Geist auch im verlorenen Dialog ›Eudemos‹.94 Die aus dieser Lehre resultierenden Spannungen haben zu einer komplexen Interpretationstradition geführt, die mit Aristoteles’ Nachfolger Theophrast beginnt, in der Antike vor allem vom 2. bis zum 6. Jahrhundert blüht95 und sich in der arabischen Welt sowie dem lateinischen Mittelalter und der Renaissance fortsetzt.

Hauptthemen der aristotelischen ›Metaphysik‹ Die aristotelische ›Metaphysik‹ ist in ihrer überlieferten Form eine redaktionelle Zusammenstellung verschiedenerer kleinerer Schriften nach thematischen Gesichtspunkten.96 Obwohl eine gewisse Einheitlichkeit gegeben ist, ist der inhaltliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Untersuchungen nicht leicht genau festzustellen.97 Auf der Ebene einer allgemeinen Ontologie kreisen diese um das Konzept des primär Seienden bzw. der Substanz (οὐσία), und zwar nicht nur der natürlichen, sondern einer jeden Substanz. Grundlegend ist hierfür im Buch 4 (Gamma) die Rechtfertigung der Möglichkeit einer allgemeinen Seinslehre mit dem Satz vom Widerspruch: Weil nichts in derselben Hinsicht etwas und etwas damit Inkompatibles sein kann, gibt es einen Ausgangspunkt für die Beschreibung alles Seienden, insofern es unter diese Regel fallen muss.98 Freilich ist der Begriff des Seienden als solchem (τὸ ὂν ᾗ ὄν) für Aristoteles kein Gattungsbegriff – der Begriff ›seiend‹, also von etwas anderem unterscheidbar, kommt einem Gegenstand ja vor jeder anderen Bestimmtheit zu –, aber er kann von seiner primären Erscheinung, der 93

  Aristoteles, De anima 3, 4, 429a15–b23; 3, 4, 429b5–16.   So z. B. Themistius, De anima paraphrasis (CAG 5, 3, p.  107, 3–5 Heinze) = Aristoteles frg.  58 (Gigon); David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  114, 25–115, 12 Busse) = Aristoteles, Testimonium 16, 5, 2 (Gigon). Vgl. Flashar, Aristoteles, 263 f.; M. Zanatta, in: Aristotele, I dialoghi. A cura di M. Zanatta, Mailand 2008 149–151, sowie, mit ausführlicherer Diskussion, L. C. Sánchez Castro, Traditio animae. La recepción aristotélica de las teorías presocráticas del alma, Bogotá 2016, 52–60. 95   Vgl. hierzu M. Perkams, Einleitung, in: H. Busche  /  M. Perkams (Hrsg.), Antike Interpretationen zur aristotelischen Lehre vom Geist. Texte von Theophrast, Alexander von Aphrodisias, Themistios, Johannes Philoponos, Priskian (bzw. ›Simplikios‹) und Stephanos (›Philoponos‹), Griechisch / Lateinisch – Deutsch, Hamburg 2018, 13–54, sowie die in diesem Band versammelten Texte. 96   Vgl. M. Frede  /  G. Patzig, Aristoteles, ›Metaphysik‹ Z. Text, Übersetzung und Kommentar 1. Einleitung, Text und Übersetzung, München 1988, 27–29. 97   Vgl. zur Thematik des Werkes unten S.  297–302. 98   Aristoteles, Metaphysica 4, 3, 1005b 7–4, 4, 1006a 28. 94

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Substanz, ausgehend bestimmt werden.99 Eine Kombination aus der Bestimmung des Seins anhand des Satzes vom Widerspruch in Verbindung mit der Kategorienlehre ermöglicht es Aristoteles, die ontologische Grundlage von (der Falschheit von) sophistischen Fehlschlüssen zu erklären, da sie zeigt, warum z. B. in der Sub­ stanzkategorie inkompatible Begriffe wie ›Mensch‹ und ›Stein‹ nicht auf denselben Gegenstand angewandt werden können, während Begriffe aus anderen Kategorien wie ›gesund‹ oder ›Musiker‹ mit der Beschreibung als Mensch kompatibel sind.100 In diesen Zusammenhang gehört die grundlegende Unterscheidung eines Wortgebrauchs »im eigentlichen Sinne« (κυρίως) von anderen Verwendungen ­eines Wortes, die Aristoteles ins griechische Denken einführt.101 Von der Definition des Substanzbegriffs behandelt Aristoteles in den Büchern 7 (Zēta) und 8 (Ēta) wiederum die sinnlichen Substanzen, während wir seine Theorie zu den unkörperlichen Substanzen nicht kennen.102 Hier führt er die in den ›Kategorien‹ fehlenden Begriffe ›Stoff‹ bzw. ›Materie‹ (ὕλη) und ›Form‹ (εἶδος, auch μορφή) ein und fragt vor allem, ob eine (Einzel-)Substanz eher Stoff, eher Form oder etwas Zusammengesetztes ist,103 wobei er sie sowohl vom Aspekt des Zusammengesetzten als auch von der bestimmenden Form her weiter betrachtet. An einigen Stellen der ›Metaphysik‹ wird zwar wörtlich gesagt, dass nicht wie in der ›Kategorienschrift‹ die einzelne Substanz, sondern der allgemeine Artbegriff die »erste Substanz« sei.104 Andere Passagen sprechen aber dafür, dass für ihn auch hier der Einzelgegenstand im höchsten Maße Substanz ist.105 Das Buch 9 (Theta) widmet sich schließlich dem Begriffspaar von ›Möglichkeit‹ (δύναμις) und ›Wirklichkeit‹ bzw. ›Aktivität‹ (ἐνέργεια).106 Dieses wird von Aristoteles vor allem, neben vielen anderen Anwendungsmöglichkeiten, auf die Materie als reine, passive Möglichkeit (eine aktive Möglichkeit suggeriert er kaum je irgendwo) und auf die Form als die (erste) Wirklichkeit bezogen. Diese überformt, wie die Seele des Menschen, die potentielle Materie in ihrem Sinn107 oder stellt als ›zweite Wirklichkeit‹ eine Realisierung der Möglichkeit in Form einer Aktivität bzw. eines einzelnen Aktes oder einer Handlung dar.108 99

  Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004b 27–1005a 17.   Aristoteles, Metaphysica 4, 4, 1006b 11–34 sowie die folgenden Kapitel des vierten Buches. 101   Vgl. G. E. R. Lloyd, Demystifying Mentalities, Cambridge 1990, 20–27. 102   Vgl. dazu Frede  /  Patzig, Aristoteles, ›Metaphysik Z‹ 1, 29. 103   Aristoteles, Metaphysica 7, 3, 1029a 1–7. 104   Z. B. Aristoteles, Metaphysica 7, 11, 1037a 5. 105   Dafür haben insbesondere Frede  /  Patzig, Aristoteles, ›Metaphysik‹ Z 1, 47–57, sehr plausibel argumentiert. 106   Eine Art Definition findet sich Aristoteles, Metaphysica 9, 6, 1048a 30–35. 107   Die analoge Verwendung wird von Aristoteles in Metaphysica 9, 6, 1048a 35–b 17 erläutert. Vgl. Höffe, Aristoteles, 111 f. 108   Dies wird vielleicht am deutlichsten gesagt in De anima 2, 5, 417a 22–b 2. Vgl. A. Hahmann, Aristoteles’ ›Über die Seele‹. Ein systematischer Kommentar, Stuttgart 2016, 117– 119. 100

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Schließlich findet sich in der ›Metaphysik‹, nämlich im Buch 12 (Lambda),109 auch Aristoteles’ Lehre vom unbewegten Beweger: Da alles in der Welt letztlich durch eine Zielursache bewegt werde, müsse man eine solche Letztursache annehmen, die »wie etwas Geliebtes« (ὡς ἐρώμενον) bewege, d. h. die Dinge dadurch in Bewegung versetze, dass sie sie anziehe und so ihr Streben in Gang setze.110 Dieser unbewegte Beweger liegt laut Aristoteles auf einer perfekt bewegten Kreisbahn außerhalb noch der Sternensphären und denkt sich, als reiner Geist, konstant selbst.111 Insofern gewinnt Aristoteles’ Theorie des Geistes (νοῦς) auch eine kosmische Bedeutung, die aber nicht die eines wirkursächlichen Schöpfergottes ist.

Die ›Ethiken‹ und die ›Politik‹ Die ›Nikomachische‹ und ›Eudemische Ethik‹ sowie die ›Politik‹ sind im Kontext der klassischen Epoche dadurch bemerkenswert, dass hier die politische Tugend bzw. Praxis zum Gegenstand philosophischer Forschung wird, ohne dass diese Praxis selbst durch den philosophischen Zugriff unmittelbar gelehrt werden soll. Insofern setzt Aristoteles die Tendenz fort, zwischen Philosophie und politischem Handeln zu differenzieren, die bereits bei Platon langsam hervortritt.112 Besonderes Augenmerk legt er gerade in dieser Hinsicht auf eine dem Gegenstand angemessene Methodik, die der großen Wandelbarkeit ethischer Gegenstände Rechnung trägt.113 In der Antike ist besonders Aristoteles’ Erklärung des Eudaimoniebegriffs aus dem Guten heraus von Bedeutung, welche später als Rahmen für die Unterscheidung der unterschiedlichen Richtungen der Philosophie verstanden wird. Aristoteles entwickelt den Eudaimonie-Begriff folgendermaßen: Weil alles nach dem Guten strebe,114 müsse eine wahre menschliche Ethik insbesondere einen Begriff des menschlich Guten entwickeln. Dieser müsse in einer Aktivität liegen, die stets einer bloßen Anlage, wie der Tugend, vorzuziehen sei und zudem der Besonder-

109   Dieses auch textkritisch schwierige Buch ist neuerdings separat ediert worden: St. Alexandru, Aristotle’s ›Metaphysics‹ Lambda. Annotated Critical Edition Based Upon a Systematic Investigation of Greek, Latin, Arabic, and Hebrew Sources, Leiden  /  Boston 2014. 110   Aristoteles, Metaphysica 12, 7, 1072b 3. 111   Aristoteles, Metaphysica 12, 7, 1072a 19–24; 12, 9, 1074b 15–1075a 11. Vgl. beispielsweise die Aufsätze in Ch. Horn (Hrsg.), Aristotle’s ›Metaphysics‹ Lambda. New Essays. Proceedings of the 13th Conference of the Karl and Gertrud Abel-Foundation, Bonn, November, 28th-December 1st, 2010, Berlin  /  Boston 2016. 112   Vgl. oben S.  251  f. 113   Aristoteles, Ethica Eudemia 1, 6, 1216b 35–38; Ethica Nicomachea 1, 1, 1094b 11– 1095a 11. 114   So eröffnet Aristoteles schon pointiert in Ethica Nicomachea 1, 1, 1094a 1–3.

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heit der menschlichen Natur, der Vernunft (λόγος), entspringe.115 Hieraus ergeben sich die Rahmenbedingungen für das Konzept der Eudaimonie als das an sich erstrebenswerte menschliche Gut:116 Dieses muss, gemäß dem Gesagten, in derjenigen menschlichen Lebensweise bestehen, welche die beste vernunftgemäße Tätigkeit ist. Weitere Kriterien, welche eine Eudaimonie-taugliche Lebensweise erfüllen muss, sind Autarkie und Vollständigkeit.117 Die Dauerhaftigkeit wird insbesondere dadurch sichergestellt, dass Aristoteles die Eudaimonie als eine Tätigkeit aufgrund von Tugend (ἀρετή) beschreibt, da schon der Begriff Tugend eine dauerhafte Haltung impliziert.118 Aristoteles’ zumindest partieller Anschluss an die ältere Tradition zeigt sich z. B. daran, dass er zur Darstellung der Vollkommenheit der Tugend auf das traditionelle Bild zurückgreift, der Tugendhafte sei »viereckig«.119 Die Freude (ἡδονή) taugt hingegen nicht zum Kriterium zur Eudaimonie, da für Aristoteles die höchste Freude diejenige ist, welche der vollkommene Mensch (ὁ σπουδαῖος) empfindet.120 Die Frage nach der besten Beschreibung von Eudaimonie reduziert sich daher auf die Frage, was die beste tugendhafte Tätigkeit ist, welches unmittelbar die Frage nach dem Begriff und Status der Philosophie tangiert und daher dort behandelt wird. Im Vergleich zum Eudaimonie-Begriff werden Aristoteles’ Mesotes-Lehre, die bereits in hellenistischer Zeit der Vorstellung eines »mittleren Erleidens« (μετριο­ πάθεια) weicht,121 seine Unterscheidung von ethischer und dianoetischer Tugend122 und seine Lehre von der Klugheit als praktische Wahrheitsfindung123 in der Antike weniger intensiv rezipiert. Die von ihm vertretene Unterscheidung von rationalen und nicht rationalen Seelenaktivitäten sowie seine Analyse der Willensschwäche (ἀκρασία) gewinnen hingegen in der Auseinandersetzung mit der Stoa neue Bedeutung.124

115   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 6, 1098a 3–18. Für einen Überblick vgl. Ph. Brüllmann, Glück, in: Rapp  /  Corcilius (Hrsg.), Aristoteles-Handbuch, 259–266, v. a. 262–264 zu grundsätzlichen Forschungsproblemen. Für Überblicke zur ›Nikomachischen Ethik‹ vgl. A. Hahmann, Aristoteles’ ›Nikomachische Ethik‹. Ein systematischer Kommentar, Stuttgart 2022; U. Wolf, Aristoteles’ ›Nikomachische Ethik‹, Darmstadt 2002. 116   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 5, 1097a 28–b 6. 117   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 5, 10976 6–21. 118   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 8, 1098b 30–1099a 7. 119   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 11, 1100b 21 f. Vgl. schon Simonides, apud: Plato, Protagoras 339b. 120   Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 4, 1174b 14–23; 10, 5, 1175b 24–1176b 19. Vgl. Wolf, Aristoteles’ ›Nikomachische Ethik‹, 204–208. 121   So schon in hellenistischer Zeit, wie das Referat bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 5, 31 (328, 17 f. Marcovich = 364, 452 f. Dorandi) zeigt. Zur Datierung s. unten S. 376. 122   Vgl. zusammenfassend Höffe, Aristoteles, 224–228. 123   Dargelegt z. B. bei Aristoteles, Ethica Nicomachea 6, 5, 1140a 24–b 30. 124   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 13, 1102a 27–1103a 3. Vgl. unten S. 519.

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5. Philosophiebegriff und Einteilungen der Philosophie Aristoteles’ Philosophieverständnis ist bislang kein großes Thema der Aristoteles-Forschung.125 Allerdings weist es bei näherer Betrachtung eine große innere Komplexität auf, da der Philosophiebegriff in zahlreichen Werken des Stagiriten  – exoterischen wie esoterischen – diskutiert wird, zu einer ganzen Reihe zentraler aristotelischer Themen in Bezug steht und nicht zuletzt den Philosophiebegriff in mehrfacher Hinsicht langfristig prägt.

Bedeutung des Wortes Philosophie in den Texten Das Wort ›philosophia‹ wird von Aristoteles nicht explizit definiert, obwohl bestimmte Formulierungen, welche bei ihm die ›erste Philosophie‹ bzw. Metaphysik betreffen, später als Definition der Philosophie verstanden werden.126 ›Philosophie‹ bedeutet in den erhaltenen aristotelischen Schriften primär eine theoretische Tätigkeit bzw. wird quasi synonym zum entsprechenden griechischen Terminus (θεωρητική) verwendet. Gleiches gilt auch für die zugehörigen Verb- und Partizipialformen.127 Aufgrund ihres Bezugs zur Wahrheit (ἐπιστήμη τῆς ἀληθείας) ist die Philosophie somit vom auf Tätigkeit bezogenen praktischen Denken unterschieden,128 das freilich ebenfalls ›der Philosophie gemäß‹ (κατὰ φιλοσοφίαν), d. h. theoretisch, behandelt werden kann.129 Diese Grundbedeutung wird in mehrfacher Weise variiert: 1.  bezeichnet der Wortstamm philosoph- die theoretische Untersuchung als Gesamtunterfangen, besonders in historischen Darstellungen130 sowie zum Ausdruck des in einem Gegenstand enthaltenen Forschungsinteresses.131 Entscheidend für die Philosophie ist, wie schon bei Platon, ein Bezug zur Wahrheit.132 Gelegentlich wird auf ihre Zweckfreiheit angespielt133 und eine Unterscheidung zu den methodischen Vorbedingungen impliziert.134 2.  bezeichnet ›Philosophie‹, wie schon bei Platon und in ›Über die Alte Medizin‹, ein bestimmtes Forschungsgebiet, z. B. die Lehre vom Menschen oder die 125   Einen Überblick gibt G. Bien, Philosophie. I. Antike. C. Aristoteles, in: HWbPhil 7 (1989), 583–590. 126   Vgl. unten S. 977–979. 127   Vgl. Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 7, 1177a 24–29. 128   Aristoteles, Metaphysica 2, 1, 993b 19–21; Ethica Eudemia 1, 1, 1214a 14 f.; dazu Bien, Philosophie, 584. 129   Aristoteles, Politica 3, 12, 1282b 19. 130   Aristoteles, Physica 1, 7, 191a 24 f.; Metaphysica 1, 2, 982b 11; 1, 3, 983b 6. 131   Aristoteles, Physica 1, 2, 185a 20; Politica 3, 12, 1282b 19. 132   Aristoteles, Topica 1, 14, 105b 30; Metaphysica 2, 1, 993b 19–21. 133   Aristoteles, De caelo 2, 12, 291b 27; Metaphysica 1, 9, 992a 33; Politica 1, 11, 1259a 10. 134   Aristoteles, Sophistici elenchi 16, 175a 5.

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Politik.135 In diesen Fällen wird das Wort synonym zu Wissenschaft (ἐπιστήμη) oder Fertigkeit (τέχνη) verwendet.136 3.  bezeichnet der Wortstamm ›philosoph-‹ die theoretische Lebens- und Lehrform des Philosophen, teils als solche,137 teils im Sinne eines tugendhaften Lebens.138 4.  bedeutet ›Philosophie‹ eine bestimmte philosophische Richtung, z. B. in Wendungen wie »die derartige Philosophie« (ἡ τοιαυτὴ φιλοσοφία).139 5. verwendet Aristoteles das Wort ›Philosophie‹ auch vereinzelt im umgangssprachlichen Sinn irgendeiner auf den Logos bezogenen Tätigkeit beziehungsweise der damit verbundenen Überzeugungen.140 So nennt er die Philosophie für die Allgemeinheit, welche er in den exoterischen Schriften niederlegt, wohl in Anlehnung an den sich herausbildenden propädeutischen »Zirkel der Lehre« (ἐγκύκλιος παιδεία),141 »Zirkel philosophischer Lehren« (ἐγκύκλια φιλοσοφήματα).142 Schwerpunktmäßig spitzt Aristoteles Platons sehr breite, ganz allgemein auf Wissbegierde fokussierte Konzeption von Philosophie auf ein Verständnis als theo­retische Wissenschaft hin zu. Die beiden Pole dieser Zuspitzung – das Ziel, die Weisheit zu erreichen, und die methodische Strenge, welche dafür vonnöten ist – lassen sich bereits in einigen protreptischen exoterischen Werken des Aristoteles verfolgen, erhalten aber in den logischen Schriften, der ›Metaphysik‹ und der ›Nikomachischen Ethik‹ ihre klassische Form in methodischer und inhaltlicher Hinsicht.

Die Philosophie und die Weisheit in Aristoteles’ protreptischen Schriften Wohl noch zu Platons Lebzeiten, im Rahmen der Auseinandersetzung der Akademie mit Isokrates143 sowie der Diskussion von Platons Thesen, verfasst Aristoteles die beiden bereits erwähnten metaphilosophischen (Werbe-)Schriften ›Protrepti135

  Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 4, 1096a 31; 10, 10, 1181b 15 (περὶ τὰ ἀνθρώπινα φιλοσοφία); Politica 3, 12, 1282b 23 (πολιτικὴ φιλοσοφία); De partibus animalium 2, 7, 653a 10; De longitudine vitae 1, 464b 33; Metaphysica 7, 11, 1037a 15 (φυσικὴ φιλοσοφία); De partibus animalium 1, 5, 645a 4 (περὶ τὰ θεῖα φιλοσοφία). 136   Aristoteles, De partibus animalium 1, 1, 641a 36; Metaphysica 12, 8, 1074b 11. 137   Aristoteles, Rhetorica 2, 2, 1379a 36 f.; Politica 8, 7, 1341b 28–34. 138   Aristoteles, Ethica Nicomachea 7, 12, 1152b 1 f.; 9, 1, 1164b 3; 10, 7, 1177a 24; Politica 2, 5, 1263b 40; 8, 15, 1334a 23. 139   Aristoteles, Physica 4, 4, 203a 2; Metaphysica 1, 3, 983b 20 f.; 1, 6, 987a 29–31. 140   Aristoteles, Rhetorica 2, 20, 1394a 5; Ethica Nicomachea 2, 3, 1105b 10–18; Metaphysica 12, 8, 1074b 11. 141   Zum ersten Auftauchen einer ähnlichen Begrifflichkeit bei Demokrit s. oben S.  122. 142   Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  288, 28–289, 2 Heiberg) = Aristoteles, frg.  30 (Gigon). 143   Vgl. Flashar, Aristoteles, 261.

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kos‹ und ›Über die Philosophie‹ (Περὶ φιλοσοφίας). Beide werden in der Antike intensiv rezipiert, und noch heute lassen sich ihre Inhalte, inklusive der Philosophiebegriffe, relativ gut in Umrissen rekonstruieren.

Werbung für die Philosophie: Die Motive des ›Protreptikos‹ Der ›Protreptikos‹ (Προτρεπτικός), die eigentliche ›Werbeschrift‹, ist, wie auch einige Schriften des Isokrates, z. B. die ›Antidosis‹, auf die Aristoteles’ Schrift wohl reagiert, einem zyprischen König zugeeignet,144 nämlich Themison. Im Vergleich zu ihm, so die rhetorisch übersteigerte Widmung des Werks, seien »niemandem mehr Güter zum Philosophieren gegeben« (οὐδενὶ πλείω ἀγαθὰ ὑπάρχει πρὸς τὸ φιλοσοφῆσαι).145 Somit wird der Widmungsempfänger als idealer Adressat des Werks inszeniert, dessen Haltung allen Lesern nahegelegt wird. Alle übrigen Aspekte des Werks, einschließlich seiner literarischen Form, seiner Gliederung und der zur Rekonstruktion benutzbaren Fragmente146 werden bis heute recht kontrovers diskutiert und haben zu einer Zurückhaltung gegenüber dem Gebrauch des ›Protreptikos‹ in der jüngeren Aristoteles-Forschung geführt.147 Dies beginnt sich möglicherweise, nach einer genauen Analyse der vermuteten Hauptquelle, nämlich Jamblichs ›Protreptikos‹, der in seinem Mittelteil ein Cento aus Aristoteles-Stellen darstellen soll, durch Monte R. Johnson und Douglas S.  Hutchinson,148 wieder zu ändern.149 Allerdings liegt deren Edition – wohl auch aufgrund der beträchtlichen methodischen Schwierigkeiten – erst in einer Entwurfsfassung vor150 und ist dem Einwand ausgesetzt, die neuplatonische Per­ spek­tive Jamblichs nicht so berücksichtigt zu haben, dass der Wortlaut des Textes tatsächlich dem (von Jamblich sonst kaum exzerpierten) Aristoteles zugeschrie144

  Vgl. Flashar, Dialoge, 168.   Teles, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 32 (5, p.  786, 2–4 Hense). 146   Diese können nach Flashar, Aristoteles, 262; Flashar, Dialoge, 171 f. auch aus anderen aristotelischen Werken als dem ›Protreptikos‹ stammen, denn »die ›aristotelische‹ Partie« von Jamblichs ›Protreptikos‹ (5–12 [p. 34, 5–60, 15 Pistelli]) bestehe »ausschließlich aus Aristoteles-Zitaten«, doch entnehme Jamblich diese wohl aus verschiedenen aristotelischen Schriften und ordne sie seinen eigenen Vorstellungen entsprechend an. Zu Jamblichs Einführung in die Philosophie vgl. unten S. 751  f. 147   Vgl. aber die kritischen Anmerkungen von Ph. Brüllmann, ›Protreptikos‹, in: Rapp  / Corcilius (Hrsg.), Aristoteles-Handbuch, 174–179, hier 177 f. 148   D. S.  Hutchinson  /  M. R. Johnson, Authenticating Aristotle’s ›Protrepticus‹, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 29 (2005), 193–294. 149   Vgl. dazu Hildebrandt, What is Philosophy in the ›Protrepticus‹?, mit der positiven Bewertung des Forschungsstands auf S.  14–17. 150   Aristotle, ›Protrepticus or Exhortation to Philosophy‹ (Citations, Fragments, Paraphrases, and Other Evicence). Edited and Translated by D. S.  Hutchinson and M. R. Johnsons, 2017 (auf www.protrepticus.info/protr2017x20.pdf, geprüft am 23. 09. 2022). Hier wird der ›Protreptikos‹ als Dialog gelesen. 145

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ben werden kann.151 Jedenfalls rät das Fehlen sowohl einer expliziten Zuschreibung der von Jamblich wiedergegebenen Passagen an Aristoteles als auch von klaren textlichen Übereinstimmungen mit Fragmenten, die eine solche Zuschreibung haben, zur Vorsicht, obwohl der aristotelische Charakter der einschlägigen Jamblich-Passagen kaum zu leugnen ist. Bereits recht am Anfang des ›Protreptikos‹ dürfte wohl deren bekanntestes Argument seinen Ort haben. Es wird am vollständigsten von Alexander von Aphrodisias als Beispiel für eine topische Argumentation angeführt, »welche, indem sie alles Bezeichnete aufgreift, für sie alle die These nachweisen kann«: »Wenn jemand zum Beispiel sagt, dass man nicht philosophieren soll, dann werden wir – ›weil Philosophieren einerseits das Untersuchen davon genannt wird, ob man philosophieren soll oder nicht‹, wie er im ›Protreptikos‹ sagte, ›aber andererseits, sich der philosophischen Theorie zu widmen‹ – indem wir zeigen, dass beides davon dem Menschen eigen ist, die Behauptung von allen Seiten widerlegen«.152

Das Argument stellt in dieser Formulierung offenbar eine Variante des elenktischen Beweises dar, ähnlich dem Argument für den Satz vom Widerspruch, der sich als zentral für die Abgrenzung der Philosophie als solcher erweisen wird:153 Jeder, der bestreitet, dass man philosophieren solle, dem wird nachgewiesen, dass er bereits philosophiert, weil schon die Frage, ob man philosophieren soll oder nicht, selbst eine philosophische Betrachtung darstellt. Allerdings scheint sich Aristoteles im ›Protreptikos‹ gar nicht lange bei diesem Punkt aufzuhalten, sondern gleich zu einer positiven Vorstellung der Philosophie überzugehen: Der kritisch Nachfragende soll also nicht in einen Widerspruch verwickelt und so düpiert werden, sondern ihm wird vermittelt, dass er sich schon mit seinem Interesse an der Phi151

  Vgl. Ch. Schubert, Die Arbeitsweise Iamblichs im ›Protreptikos‹, in: S.-P. Brandt  /   Ch. Schubert (Hrsg.), Rekonstruktion, Refragmentierung und Kontextualisierung. Der ›Protreptikos‹ des Iamblich, Heidelberg 2017, 17–48. Hinweise auf eine nicht wörtliche Wiedergabe des aristotelischen Textes durch Jamblich liefern etwa Burkert, Platon oder Pythagoras?, 167 f.; M. Rashed, L’héritage Aristotélicien. Textes inédits de l’antiquité, P ­ aris 2 2016, 410–414. 152   Ἔστι δὲ ἐφ’ ὧν καὶ πάντα τὰ σημαινόμενα λαμβάνοντας ἔστιν ἐπὶ πάντων αὐτῶν ἀνασκευάζειν τὸ κείμενον· οἷον εἰ λέγοι τις ὅτι μὴ χρὴ φιλοσοφεῖν, ἐπεὶ φιλοσοφεῖν λέγεται καὶ τὸ ζητεῖν αὐτὸ τοῦτο, εἴτε χρὴ φιλοσοφεῖν εἴτε καὶ μή, ὡς εἶπεν αὐτὸς ἐν τῷ Προτρεπτικῷ, ἀλλὰ καὶ τὸ τὴν φιλόσοφον θεωρίαν μετιέναι, ἑκάτερον αὐτῶν δείξαντες οἰκεῖον τῷ ἀνθρώπῳ πανταχόθεν ἀναιρήσομεν τὸ τιθέμενον. Alexander Aphrodisiensis, In Topica (CAG 2, 2, p.  149, 9–15 Wallies) = Aristoteles, frg.  55, 1 (Gigon). Die einfachen Anführungszeichen bezeichnen die Abgrenzung des Fragments in den – sehr spekulativen – Rekonstruktionen Der ›Protreptikos‹ des Aristoteles. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar von I. Düring, Frankfurt 1969, 26–29 und Aristoteles, ›Protreptikos‹. Hinführung zur Philosophie. Rekonstruiert, übersetzt und kommentiert von G. Schneeweiß, Darmstadt 2005, 92 f. Zur Problematik beider Vorschläge vgl. Brüllmann, ›Protreptikos‹, 178 f. 153   S. oben S.  284  f.

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losophie in dieser selbst befindet.154 Auf spielerische Weise wird trotzdem deutlich, wie stark Aristoteles’ Philosophieverständnis von methodischen Annahmen durchdrungen ist: Der Tonfall der rhetorisch agierenden Werberede schwingt sich, gleichsam aus dem Nichts, zu einem dialektischen Argument auf, in dessen Fallstricken der Gegner plötzlich gefangen ist, so dass er die Eleganz philosophischer Argumente am eigenen Leibe erfährt. Eine Reihe alexandrinischer Autoren der Ausgehenden Antike überliefern ­einen anderen, stärker schematisierten Gedanken, der häufig für eine andere Zusammenfassung desselben Arguments gehalten wird: »Wenn man philosophieren muss, muss man philosophieren; wenn man nicht philosophieren muss, muss man philosophieren. Im Ganzen muss man aber philosophieren« (εἴτε φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον, εἴτε μὴ φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον. Πάντως δὲ φιλοσοφητέον).155

Diese Version, an der die etwas plakative Nebeneinanderstellung der Bejahung und Verneinung des Philosophieren-Müssens auffällt, die einer näheren Erläuterung zu bedürfen scheint, wird wohl deswegen in der Nebenüberlieferung zu einem vollständigen Syllogismus umformuliert.156 Damit geht allerdings die Eleganz des aristotelischen Arguments ebenso verloren wie seine spezifische logische Struktur. Das spricht dafür, dass diese Textform kein Zitat ist, sondern sich dem Versuch einer pointierten Zusammenfassung des gerade genannten Arguments mithilfe anderer Formulierungen aus dem ›Protreptikos‹ verdankt. Hierfür sprechen die aristotelischen Passagen in Jamblichs ›Protreptikos‹, wo die Notwendigkeit des Philosophierens mit folgenden Argumenten begründet wird: 1) Man muss schon wegen des praktischen Lebens »nach Wissen streben, es besitzen und angemessen gebrauchen. […] Wir müssen also philosophieren, wenn 154   Es ist in der Forschung umstritten, ob der ›Protreptikos‹ ein Dialog war, vgl. Flashar, Aristoteles, 261. 155   Die zitierte Variante findet sich wörtlich bei Olympiodorus, In Alcibiadem 1, 144, 16 f. (p.  93 Westerink); David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  9, 2–5 Busse) = Aristoteles, frg.  55, 2 und 4 (Gigon). 156   Anonymus, Scholia in Analytica priora = Aristoteles, frg.  55, 5 (Gigon), ergänzen den Syllogismus um die zweite Prämisse: »Aber nun muss man entweder philosophieren oder nicht philosophieren« (ἀλλὰ μὴν ἢ φιλοσοφητέον ἢ οὐ φιλοσοφητέον). – Etwas umschreibend ist Elias, In Isagogen (CAG 18, 1, p.  3, 17–23 Busse) = Aristoteles, frg.  55, 3 (Gigon). – Die anonymen, bei Severos bar Šakkō (gest. 1241) erhaltenen, vielleicht auf Stephanos von Alexandrien zurückgehenden syrischen ›Prolegomena zur Philosophie‹ setzen das Argument, vielleicht aufgrund der Schwierigkeit, φιλοσοφητέον angemessen zu übersetzen, in die 1. Person Plural: »Wenn wir philosophieren, philosophieren wir, und wenn wir nicht philosophieren, philosophieren wir. In jeder Hinsicht philosophieren wir also« ( ; Baumstark, Aristoteles bei den Syrern, 17, 9–11[syr.]/194, 18–20 [dt., stark an die mutmaßliche griechische Vorlage angepasst]).

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wir richtig politisch tätig sein wollen«. Demnach präsentiert Aristoteles im ›Protreptikos‹ das Ideal von Philosophie als dem Verfügen über ein praxisrelevantes Wissen, das – ohne die für Platon typische Bindung an die Ideenlehre zu zeigen – offenbar einen Wahrheitsbezug voraussetzt.157 2) In Anbetracht der Unterscheidung von helfenden und befehlenden Wissensarten (ἐπιστῆμαι) »muss man philosophieren« (φιλοσοφητέον). Denn nur das Wissen kann allen anderen Arten befehlen, da dieses »allein die Richtigkeit des Urteils besitzt, den Logos gebraucht und das Gute im Ganzen betrachtet, welches die Philosophie ist«.158 Im Anschluss daran wird 3) ausführlich gezeigt, dass die Philosophie zu erwerben möglich und nützlich sowie dass sie leicht zu erreichen ist.159 In diesem Zusammenhang wird, zum Nachweis für den Nutzen der Philosophie, programmatisch festgehalten: »Man darf gewiss nicht vor der Philosophie fliehen, wenn die Philosophie, wie wir meinen, der Besitz und der Gebrauch von Weisheit ist, die Weisheit aber zu den größten Gütern gehört«.160 Als Zeugnis für die Leichtigkeit der Philosophie gilt die Tatsache, dass viele ihrer Lehrer nicht für Lohn arbeiten, obwohl es im Prinzip möglich ist, mit der Philosophie Geld zu verdienen.161 Diese Passage ist auch interessant, weil sie, wie die Pythagoras-Tradition des Herakleides Pontikos162, den Bezug der Philosophie zur Weisheit ohne die platonischen Motive der Mittelstellung und der Liebe beschreibt. – Im Anschluss wird sodann 4) die Fähigkeit zur richtigen Lehre auf die Philosophie zurückgeführt,163 und insbesondere 5) das Glücklichsein (εὐδαιμονία) mit der Philosophie verbunden: Wenn nämlich der Inhalt des Glücklichseins »die Klugheit ist, ist klarerweise das glückliche Leben nur den Philosophen gegeben, ist es aber Tugend der Seele oder das Freudig-Sein, ist es entweder nur ihnen oder doch am meisten von allen Menschen

157   Δεῖ τοίνυν ὀρέγεσθαι τῆς ἐπιστήμης κτᾶσθαί τε αὐτὴν καὶ χρῆσθαι αὐτῇ προ­ σηκόντως. […] φιλοσοφητέον ἄρα ἡμῖν, εἰ μέλλομεν ὀρθῶς πολιτεύσεσθαι. Iamblichus, Protrepticus 6 (36, 27–37, 11 Pistelli, Zitat 37, 7–11). Der – auch für die Praxis leitende – Gebrauch von Wissen stellt nach Hildebrandt, What is Philosophy in the ›Protrepticus‹?, 11–47, den Kern des Philosophiebegriffs im ›Protreptikos‹ dar. Eine ausführliche Darstellung der zugrunde liegenden Analyse findet sich bei R. Hildebrandt, Why Philosophy? Aristotle’s Defense of Philosophy in the ›Protrepticus‹, Diss. Berlin 2020. 158   Μόνη ἡ τοῦ κρίνειν ἔχουσα τὴν ὀρθότητα καὶ ἡ τῷ λόγῳ χρωμένη καὶ ἡ τὸ ὅλον ἀγαθὸν θεωροῦσα, ἥτις ἐστὶ φιλοσοφία. Iamblichus, Protrepticus 6 (37, 11–22 Pistelli). 159   Iamblichus, Protrepticus 6 (37, 22–41, 5 Pistelli). 160   Οὐ δὴ δεῖ φεύγειν φιλοσοφίαν, εἴπερ ἐστὶν ἡ μὲν φιλοσοφία, καθάπερ οἰόμεθα, κτῆσίς τε καὶ χρῆσις σοφίας, ἡ δὲ σοφία τῶν μεγίστων ἀγαθῶν. Iamblichus, Protrepticus 6 (40, 1–4 Pistelli). 161   Iamblichus, Protrepticus 6 (40, 14 f. Pistelli). Der zweite Punkt wird vor allem in Aristoteles, Politica 1, 11, 1259a 5–19 betont. 162   Vgl. oben S. 101–103. 163   Iamblichus, Protrepticus 10 (54, 20–55, 15 Pistelli).

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gegeben. […] Folglich müssen«, zumal Tugend und Klugheit das Höchste und Freudigste in uns seien, »alle, die können, philosophieren«.164 Diese Liste erstaunt nicht nur durch die vielen Varianten eines Lobes der Philosophie. Es fällt vielmehr auch auf, dass sie einzelne Elemente enthält (1) und 4)), welche die Philosophie allein aus Nützlichkeitserwägungen empfehlen. Im Kontext der aristotelischen Philosophie verwundern schließlich die undifferenzierten Nebeneinanderstellungen von Weisheit und Klugheit sowie von verschiedenen möglichen Inhalten der Philosophie.165 Es ist möglich, alle diese Besonderheiten nicht primär als mögliche Abweichungen von anderswo überlieferten Ansichten des Aristoteles anzusehen, sondern sie von den Zielen und Konventionen der Gattung ›Protreptikos‹ bzw. philosophische Werbeschrift her zu deuten, die sich zu Aristoteles’ Zeit langsam etabliert:166 Das Ziel einer solchen Schrift ist ja nicht eine differenzierte Darstellung einer bestimmten Philosophie, sondern eher eine allgemeine Charakterisierung des Ideals der Philosophie als solchem. Dieses kann seinen Wert auf verschiedene Weisen entfalten, die vom Außenstehenden, also ohne philosophische Klugheit, eben noch nicht beurteilt werden können. Die genaue Feststellung der richtigen philosophischen Position dürfte demgegenüber bereits eine bestimmte philosophische Lehre voraussetzen, die man erst nach Annahme der Philosophie erlernen kann. Insofern ist es nur konsequent, dass Aristoteles sein »Man muss philosophieren« (φιλοσοφητέον) aus ganz unterschiedlichen, wenig differenzierten Erwägungen heraus entwickelt, die nur eine lockere Klammer in der Überlegenheit von Klugheit bzw. Weisheit gegenüber der Nicht-Weisheit haben.167 Auf diese Weise muss man den ›Protreptikos‹ weder, wie in der berühmten These Werner Jägers, als platonisierendes Frühwerk ansehen,168 noch alle unaristotelisch wirkenden Formulierungen auf Jamblich zurückführen, sondern kann ein Werk des Aristoteles annehmen, das einer bestimmten Gattung angehört und ihren Konventionen ein Stück weit folgt.169

164   Οὐκοῦν εἴτε φρόνησίς ἐστι, φανερὸν ὅτι μόνοις ἂν ὑπάρχοι τοῖς φιλοσόφοις τὸ ζῆν εὐδαιμόνως, εἴτε ἀρετὴ ψυχῆς ἢ τὸ χαίρειν, κἂν οὕτως ἢ μόνοις ἢ μάλιστα πάντων· […] ὥστε φιλοσοφητέον ἂν εἴη πᾶσι τοῖς δυναμένοις. Iamblichus, Protrepticus 12 (60, 1–8 Pistelli). 165   Vgl. ähnlich Brüllmann, ›Protreptikos‹, 174 f. 166   Vgl. die Liste früher Protreptikoi bei O. Gigon, in: Aristotelis Opera 3. Librorum deperditorum fragmenta. Collegit et annotationibus instruxit O. Gigon, Berlin  /  New York 2 1987, 283 f. 167   Vgl. auch unten S. 466  f. zu Ciceros ›Hortensius‹. 168   Vgl. Jäger, Aristoteles, 53–101. 169   Ähnlich auch Flashar, Dialoge, 167–176; vgl. Brüllmann, ›Protreptikos‹, 178.

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Die vielen Aspekte des Weges zur Weisheit: ›Über die Philosophie‹ Auch die Schrift ›Über die Philosophie‹ (Περὶ φιλοσοφίας) nimmt eine zeitgenössische Gattung auf, von der jedoch kein Beispiel erhalten ist.170 In der Tat wird Aristoteles’ Werk selbst in der Antike zum Muster seiner Gattung.171 Nach den antiken Zitaten setzt sein erstes Buch bei der Selbsterkenntnis ein und gibt dann einen historischen Abriss der Philosophie seit ihren Anfängen im Orient, das zweite Buch kritisiert Platon, wohl vor allem die Ideenlehre,172 und im dritten führt Aristoteles einen theistischen kosmologischen Aufriss aus,173 der, auch gegen die Weltherstellungslehre aus Platons ›Timaios‹, Argumente für die Ewigkeit der Welt entwickelt.174 Wie bei einem fragmentarisch überlieferten Werk zu erwarten, hat die Forschung ganz verschiedene Vorschläge zur genauen zeitlichen Einordnung vorgebracht.175 Unklar bleibt, in welchem Sinne die Philosophie als solche Thema des Werks ist. Jedenfalls lässt sich die These, die von Eusebios und Philoponos aus Aristo­ kles’ gleichnamigem Werk überlieferten verschiedenen Bedeutungen von ›weise‹ seien auf Aristoteles’ ›Über die Philosophie‹ zurückzuführen, nicht absichern.176 Eine besondere Rolle der Weisheit lässt sich zwar auch für Aristoteles’ Werk aus den Fragmenten erhärten, aber ihre Erläuterung könnte auch den Ausführungen in ›Metaphysik‹ 1 nahestehen, d. h. keine Reihe von Definitionen, sondern ein historischer Abriss sein. Plausibel ist jedenfalls, dass Aristoteles’ im selben Kontext wie Aristokles’ Ausführungen überlieferte Definition der Weisheit als »Wissenschaft, die zum Licht führt« (εἰς φῶς ἄγουσαν ἐπιστήμην), d. h. zum verborgenen Göttlichen (τὰ κεκρυμμένα), diesem Werk entstammt.177 170

  Vgl. die Liste einschlägiger Titel bei Gigon, in: Aristotelis Opera 3, 267.   So Th. Tarver, Varro and the Antiquarianism of Philosophy, in: Barnes  /  Griffin (Hrsg.), Philosophia togata 2, 130–164, hier 146. 172   Plutarchus, Adversus Colotem 14 (1115bc) = Aristoteles, frg.  907 (Gigon). Vgl. Flashar, Aristoteles, 264. 173   Vgl. den Überblick bei Flashar, Aristoteles, 264 f. 174   Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  289, 2–14 Heiberg) = Aristoteles, frg.  30 (Gigon). Vgl. A. Falcón, The Lost ›On Philosophy‹ and Aristotle’s Natural Philosophy, in: Mesquita  /  Noriega Olmos  /  Shields (Hrsg.), Revisiting Aristotle’s Fragments, 93–108. 175   Vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick bei E. Berti, La filosofia del primo Aristotele, Mailand 21997, 257–262. Eine sehr umfangreiche Rekonstruktion einiger angeblich »höchst wahrscheinlicher« Inhalte gibt Zanatta, in: Aristotele, I dialoghi, 547–571. 176   Die These vertritt Berti, La filosofia del primo Aristotele, 262–270. Zustimmend L. P. Gerson, Aristotle and Other Platonists, Ithaca  /  London 2005, 68. Schon der Wortlaut des Philoponos spricht allerdings dagegen, denn er führt Aristokles ausdrücklich nach bzw. als Ergänzung zu einem Aristoteles-Zitat (ohne Werkangabe) an: Philoponus, In Nicomachum 1, 1 (105, 13–106, 1 Giardina) = Aristocles, Testimonium 5, 3 (Chiesara); ebenso Asclepius, In Nicomachum 1 (24, 13–17 Tarán) = Aristocles, Testimonium 3, 3 (Chiesara). 177   Philoponus, In Nicomachum 1, 1 (105, 8–13 Giardina) = Aristocles, Testimonium 5, 2 (Chiesara); vgl. Asclepius, In Nicomachum 1 (24, 6–12 Tarán) = Aristocles, Testimonium 3, 171

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Die historische Dimension, die Aristoteles hier dem Philosophiebegriff verleiht, umfasst die Aussage, die »Reste der alten Philosophie« (τῆς παλαῖας φιλοσοφίας ἐγκαταλείμματα) hätten sich durch die menschlichen Zerstörungen hindurch in Sprichwörtern erhalten.178 Er behandelt z. B. auch die sieben Weisen, die er ›Sophisten‹ nennt.179 Gerade die historische Ausrichtung von ›Über die Philosophie‹ scheint spätere Werke mit diesem Sujet zu beeinflussen, wie die Reste von Aristokles’ und Varros einschlägigen Schriften zeigen.180 In den Kontext des Philosophiebegriffs gehört ferner die Nachricht, dass Aristoteles sich in ›Über die Philosophie‹ unter anderem mit dem Aufruf zur Selbsterkenntnis (γνῶθι σαυτόν) auseinandersetzt.181 Auch die von Philon von Alexandrien wiedergegebene Formel, Aristoteles schone Platon »wegen der Ehrfurcht vor der Philosophie« (διὰ τὴν τῆς φιλοσοφίας αἰδῶ),182 könnte ein wörtliches Zitat aus dieser Schrift sein. Aufs Ganze gesehen ist bemerkenswert, dass ein Plädoyer für einen (bestimmten?) Philosophiebegriff durch eine gründliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Weisheit und Philosophie sowie der platonischen Position geleistet wird, an denen sich für Aristoteles offenbar der Philosophiebegriff in besonderer Weise bemisst.

Aristoteles als Begründer des historischen Blicks auf die Philosophie Diese Feststellung weist auf die besondere Bedeutung hin, die für Aristoteles ein historischer Zugriff auf das Philosophieideal besitzt.183 Hierzu arbeitet er, gleichsam als erster Historiker der Philosophie,184 gelegentlich auch schon biogra-

2 (Chiesara). Zum (letztlich nicht sicher zu bestimmenden) respektiven Quellenwert beider Texte einerseits für Aristokles, andererseits für Aristoteles vgl. Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments, 55–60. 178   Synesius, Laus calvitiae 22, 1 (4, p.  87 Lamoureux) = Aristoteles, frg.  463 (Gigon). Die Weltzerstörungen, auf die Aristoteles anspielt, müssen denen entsprechen, die Platon in Timaeus 22cd erwähnt. Es ist gut möglich, dass Philoponus, In Nicomachum 1, 1 (106, 16–107, 43 Giardina) = Aristocles, Testimonium 5, 4 (Chiesara); vgl. Asclepius, In Nicomachum 1 (24, 17–43 Tarán) = Aristocles, Testimonium 3, 4 (Chiesara) hier anschließen; vgl. Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments, 60. 179   Etymologicum magnum (722, 16 f. Gaisford) = Aristoteles, frg.  871 (Gigon). 180   Vgl. dazu Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments, XXXV– XXXVIII. 181   Porphyrius, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 21 (3, p.  579, 7–21 Hense); Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 60, 3–61, 1 (GCS Clem. 1, p.  38, 17–39, 5 Stählin) = Aristoteles, frg.  28 f. (Gigon). 182   Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 16 (6, p.  77, 15–17 Cohn  /  Reiter). 183   Vgl. Zhmud, Die doxographische Tradition, 151; 157. 184   Vgl. D. Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen, in: GGPh 1, 1 (2013), 61–96, hier 61.

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phisch,185 vor allem aber argumentativ, indem er die Positionen seiner Vorgänger, entsprechend der dialektischen Methode der ›Topik‹, als ›anerkannte Meinungen‹ (ἔνδοξα) zu jeder Frage erhebt, um sich den Ausgangspunkten bzw. Prinzipien für jedes philosophische Fachgebiet anzunähern.186 Dies führt er z. B. im Ersten Buch von ›Über die Seele‹ ausführlich vor.187 Zu einer Geschichte der Philosophierenden wird dieser Zugang in den erhaltenen Texten besonders in Alpha Meizōn, dem Ersten Buch der ›Metaphysik‹. Hier verweist Aristoteles zur Bestätigung seiner Thesen über das Verhältnis von Philosophie und Weisheit auf die »ersten Philosophierenden« (οἱ πρῶτοι φιλοσοφήσαντες), an denen sich deutlich ablesen lasse, dass sie aus reiner Wissbegierde, und nicht, wie bei einer herstellenden Kunst (ποιητική), zu irgendeinem Zweck die Wahrheit gesucht hätten.188 »Denn wegen des Staunens begannen die Menschen sowohl jetzt als auch am Anfang zu philosophieren, wobei sie zu Beginn die auf der Hand liegenden Merkwürdigkeiten bestaunten und dann, während sie im Kleinen so voranschritten, auch über das Größte Fragen aufwarfen, z. B. über die Widerfahrnisse des Mondes und diejenigen in Bezug auf die Sonne und die Sterne sowie über das Entstehen des Alls. Denn wer fragt und staunt, glaubt nicht zu wissen«.189

Aristoteles entfaltet aus dem Motiv des Staunens (θαυμάζειν), mit dem er an Platons ›Theaitet‹ anschließt,190 ein Modell der ganzen Geschichte des Philosophierens: Das Staunen bzw. Sich-Wundern über bestimmte Sachverhalte ist für ihn ein Beleg für das zweckfreie Verhalten derer, die sich dem Philosophieren widmeten, da es sich a) auf Gegenstände wie die Mondphasen bezieht, die (jedenfalls unmittelbar) keinen Nutzen haben, und b) von einer Einsicht in die Unwissenheit zeugt, welche die Philosophierenden aus eigenem Antrieb überwinden möchten. Da gerade der letztere Punkt Platons Definition der Philosophie als Mitte zwischen 185

  Aristoteles, Atheniensium Respublica 8–17. Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Biographie,

178 f. 186

  Die historischen Schwierigkeiten, die sich aus diesem Vorgehen ergeben, betont H. Cherniss, Aristotle’s Criticism of Presocratic Philosophy, Baltimore 1935, z. B. 347. Vgl. für weitere Belege und Einschätzungen zu diesem Punkt auch Flashar, Aristoteles, 385; Schramm, Die Prinzipien der aristotelischen Topik, 33 f.; Zhmud, Die doxographische Tradition, 156 f.; Sánchez Castro, Traditio animae, z. B. 113, 290 f. 187   Kurze Übersicht bei Zhmud, Die doxographische Tradition, 158. Ausführlich nachgezeichnet von Sánchez Castro, Traditio animae, 115–291. 188   Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 11 f. Der Ausdruck erscheint noch einmal in Meta­ physica 1, 3, 983b 6 f.; De partibus animalium 1, 1, 640b 4 f. 189   Διὰ γὰρ τὸ θαυμάζειν οἱ ἄνθρωποι καὶ νῦν καὶ τὸ πρῶτον ἤρξαντο φιλοσοφεῖν, ἐξ ἀρχῆς μὲν τὰ πρόχειρα τῶν ἀτόπων θαυμάσαντες, εἶτα κατὰ μικρὸν οὕτω προϊόντες καὶ περὶ τῶν μειζόνων διαπορήσαντες, οἷον περί τε τῶν τῆς σελήνης παθημάτων καὶ τῶν περὶ τὸν ἥλιον καὶ ἄστρα καὶ περὶ τῆς τοῦ παντὸς γενέσεως. ὁ δ’ ἀπορῶν καὶ θαυμάζων οἴεται ἀγνοεῖν. Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 12–18. 190   Vgl. oben S.  244  f.

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Wissen und Nicht-Wissen191 in veränderter Weise wiedergibt, zeichnet Aristoteles in gewisser Weise geschichtlich bzw. diachron nach, bei wem sich dieses Konzept seiner Meinung nach faktisch findet. Wohl nicht zufällig spricht er in diesem Kontext nur von ›Philosophierenden‹, nicht von ›Philosophen‹, weil er sich bewusst ist, keine Selbstbezeichnung einer bereits definierten Gruppe zu geben, sondern aufgrund einer definierten Tätigkeit eine solche Gruppe erst zu identifizieren und zu beschreiben. Aristoteles schreibt also in gewisser Weise die Geschichte des Philosophierens im Sinne der von ihm selbst noch präzisierten Definition Platons. Bezeugt das Staunen nun, dass es tatsächlich eine zweckfreie Weisheitssuche im Sinne des aristotelischen Philosophiebegriffs gibt, schildert Aristoteles in den anschließenden Kapiteln die Dynamik, die sich von hier aus entfaltet: Er stellt eine gewisse Genealogie der Philosophierenden auf und erörtert, welche Themen diese in den Mittelpunkt stellen. Während er in ›Über die Philosophie‹ so unspezifische Phänomene wie Sprichwörter und die Sieben Weisen in die Geschichte philosophischen Denkens einbezieht, beschränkt er sich im ersten Buch der ›Metaphysik‹, dem Thema des Werks wie auch dem hier vertretenen, gleich näher zu erläuternden Weisheitsverständnis entsprechend, auf die Arbeit der ersten Philosophierenden als Suche nach Prinzipien (ἀρχαί) und Ursachen (αἰτία).192 Hierbei legt er, eher unhistorisch, sein eigenes Vier-Ursachen-Schema der Darstellung zugrunde.193 Er beginnt die Genealogie mit Thales und Hesiod und lässt sie, über die verschiedenen Vorsokratiker, bis zu den Pythagoreern und Platon reichen, wobei auch Sokrates kurz erwähnt wird.194 Während die methodischen Unterschiede zwischen hesiodeischer Poesie bzw. ›Theologie‹ und vorsokratischer Naturphilosophie dabei zugunsten der gemeinsamen Frage nach dem Urprinzip in den Hintergrund treten,195 ist die Abfolge von Naturphilosophen (φυσιο­ λόγοι), der pythagoreischen Zahlenlehre und der platonischen Ideenlehre – was für Aristoteles jeweils eine bestimmte ›Philosophie‹ ist – deutlich.196 Allerdings verzichtet A ­ ristoteles nicht darauf, alle diese Meinungen auch noch ausführlich zu kritisieren.197

191   Dieser Punkt wird noch einmal deutlich unterstrichen in Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 19–24. 192   Zum Metaphysikbegriff s. unten S. 301. 193   Das Schema wird Aristoteles, Metaphysica 1, 3, 983a 24–983b 6 als Einführung in das Folgende angeführt. Vgl. Ross, in: Aristotle’s ›Metaphysics‹, 126 f.; Zhmud, Die doxographische Tradition, 158 f. 194   Aristoteles, Metaphysica 1, 3, 983b 6–1, 6, 988a 17. 195   Vgl. unten S. 315. 196  Terminologisch wichtige Stellen sind z. B. Aristoteles, Metaphysica 1, 5, 986b 14 (Erwähnung der φυσιόλογοι) und 1, 6, 987a 29 f. (Μετὰ δὲ τὰς εἰρημένας φιλοσοφίας ἡ Πλάτωνος ἐπεγένετο πραγματεία). Die Naturphilosophen werden auch in Aristoteles, De partibus animalium 1, 1, 641a 7 als φυσιολόγοι bezeichnet. 197   Aristoteles, Metaphysica 1, 7, 988a 18–1, 10, 993a 22.

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Mit diesen Ausführungen etabliert Aristoteles erstmals eine sachlich begründete historische Identität all derer, welche (seiner Meinung nach) auf relevante Weise die Wahrheit gesucht haben. So werden nicht nur die Vorsokratiker zu ›Philosophierenden‹, sondern auch Sokrates, Platon, die Akademie und der Berichterstatter Aristoteles selbst werden in eine zusammenhängende Traditionslinie gestellt. In den exoterischen Schriften werden die Anfänge der Philosophie sogar auf außergriechische, »barbarische« Weise zurückgeführt.198 Sowohl das Aufstellen von Traditionslinien als auch die Ansetzung der Ursprünge der Philosophie entweder bei einer ›Barbarenphilosophie‹199 oder bei den Vorsokratikern setzen sich in der Antike durch, wenn auch das Niveau, mit dem Aristoteles diese Einheit begründet, in der späteren antiken Philosophiebeschreibung kaum mehr gesucht und sicher nirgendwo erreicht wird.

Weisheit als vollendetes Wissen vom Seienden im Allgemeinen: ›Metaphysik‹ Alpha Meizōn Auch systematisch legt das Erste Buch der ›Metaphysik‹ Grundlinien von Aristoteles’ Philosophieverständnis dar.200 Am Beginn des Buches steht zunächst die auch in den ›Analytica posteriora‹ erwähnte Serie von Erkenntnistypen,201 an deren Spitze die Weisheit steht: Ausgehend von der Beobachtung, dass die Menschen von Natur aus nach dem Wissen streben (τοῦ εἰδέναι ὀρέγονται φύσει), weil sie ohne einen konkreten Nutzen (χωρὶς τῆς χρείας) Freude an der Sinneswahrnehmung haben, hält Aristoteles zunächst, im Sinne der oben schon skizzierten Erkenntnistheorie, fest, dass aus vielen Wahrnehmungen, dank der Erinnerung, Erfahrung (ἐμπειρία) wird, die bereits »der Wissenschaft und Fertigkeit ähnelt« (ἐπιστήμῃ καὶ τέχνῃ ὁμοίον εἶναι). Das Besondere einer Fertigkeit, im Unterschied zur Erfahrung, bestehe aber darin, dass sie »eine Auffassung des Ähnlichen im Allgemeinen« bedeute (μία καθόλου περὶ τῶν ὁμοίων ὑπόληψις).202 Das heißt auch, dass man mithilfe von Fertigkeit und Wissen »die Ursache« von etwas kenne (τὴν αἰτίαν ἴσασι), was das entscheidende Kriterium dafür sei, jemanden für »weiser« zu halten, »nicht weil man tätig werden kann, sondern weil man ein

198

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 1 (p.  5, 2–7 Marcovich = 67, 2–6 Dorandi). Vgl. Schirren  /  Rechenauer, Biographie, 177. 199   Vgl. zur Barbarenphilosophie unten S.  363  f., 437 f. 200   Die Überlieferungsgeschichte ist nicht ohne Probleme: So fehlt das Buch im überwiegenden Teil der arabischen Überlieferung, wo das Werk erst später übersetzt wird: Vgl. M. Perkams, Die Übersetzung aus dem Griechischen ins Arabische und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, in: H. Eichner  /  M. Perkams  /  Ch. Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter: Ein Handbuch, Darmstadt 2013, 115–142, hier 135. 201   Vgl. oben S.  276  f. 202   Aristoteles, Metaphysica 1, 1, 980a 21–981a 22.

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Argument besitzt und die Ursachen angeben kann«.203 Weitere Kriterien für das Vorliegen von Weisheit seien die Fähigkeit zu lehren sowie die Bewunderung, die man den Erfindern von etwas entgegenbringe.204 Wie schon im ›Protreptikos‹ wird das allgemeinere Wissen ferner als befehlendes dem übrigen gegenübergestellt. 205 Aus all dem schließt Aristoteles, dass »die Weisheit«, die er suchen möchte, sich »auf die ersten und Prinzipien« bezieht, und entwirft ein komplexes Idealbild von ihr, das er als Ziel aller Philosophierenden darstellt.206 Zusammenfassend werden demnach in der Weisheit a) die allgemeinsten und b) am schwierigsten zu erfassenden c) theoretischen Gegenstände d) um ihrer selbst willen gesucht. Gerade der letzte Punkt wird emphatisch betont:207 »Es ist klar, dass wir die Weisheit wegen keines anderen Bedürfnisses suchen, sondern wir sagen, dass sie, wie ein freier Mensch, der um seinetwillen und nicht um jemand anderes willen da ist, als einzige der Wissenschaften frei ist«.208

Mit diesem Vergleich erläutert Aristoteles den besonderen gesellschaftlichen Status der Philosophie als einer Wissenschaft, die sich, wie schon von Isokrates und Platon hervorgehoben,209 spezifisch an freie Menschen wendet bzw. ihre Anhänger (auch unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status) zu solchen macht. Weiterhin bedient er sich der traditionellen Idee, dass die Weisheit etwas Göttliches sei bzw. göttlichen Menschen zukomme.210 Der aristotelische Weisheitsbegriff ist also durch einen bestimmten Typ von Wissen sowie durch Zweckfreiheit und die Allgemeinheit der Fragestellung geprägt. Zugleich verzichtet der Stagirite nicht auf gesellschaftlich werbende Idealzuschreibungen – die höchstmögliche Freiheit und Göttlichkeit menschlichen Tuns –, welche teils bis heute zur Empfehlung der philosophischen Wahrheitssuche beitragen.

203

  Ὡς οὐ κατὰ τὸ πρακτικοὺς εἶναι σοφωτέρους ὄντας ἀλλὰ κατὰ τὸ λόγον ἔχειν αὐτοὺς καὶ τὰς αἰτίας γνωρίζειν. Aristoteles, Metaphysica 1, 1, 981a–b6, Zitat b 5 f. 204   Aristoteles, Metaphysica 1, 1, 981b 7–25. 205   Aristoteles, Metaphysica 1, 1, 982a 17–19. 206   Sie taucht aber in Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 11 in Gestalt der πρώτων φιλοσοφησάντων auf, soweit ihre Präsenz nicht offensichtlich oder durch die Berührungspunkte mit dem ›Protreptikos‹ klar ist. 207   Aristoteles, Metaphysica 1, 1 f., 981b 25–982a 30. 208   Δῆλον οὖν ὡς δι’ οὐδεμίαν αὐτὴν ζητοῦμεν χρείαν ἑτέραν, ἀλλ’ ὥσπερ ἄνθρωπος, φαμέν, ἐλεύθερος ὁ αὑτοῦ ἕνεκα καὶ μὴ ἄλλου ὤν, οὕτω καὶ αὐτὴν ὡς μόνην οὖσαν ἐλευθέραν τῶν ἐπιστημῶν. Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 24–28. 209   Vgl. oben S. 212, 265  f. 210   Aristoteles, Metaphysica, 1, 2, 982b 28–983a 11. Vgl. auch unten S. 304  f. zur Parallele in der ›Nikomachischen Ethik‹.

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Aristoteles über die Philosophie

Philosophie als Wissenschaft vom Seienden qua Seiendes: ›Metaphysik‹ Gamma Genauere Überlegungen dazu, wie diese besondere Wissenschaft aussehen soll, finden sich zu Beginn des Vierten Buches der ›Metaphysik‹ (Gamma), das wohl ursprünglich zum selben Traktat gehört.211 Hier stellt Aristoteles die Philosophie bzw. deren Höchstform, die Erste Philosophie, als ein(e) Wissen(schaft) vom Sein als solchen bzw. vom »Seienden qua Seienden« (ὂν ᾗ ὄν) dar. Er begründet die Notwendigkeit einer allgemeinen Seinswissenschaft im Ausgang von der Tatsache, dass das Wort ›Sein‹ viele Bedeutungen hat, die sorgfältig unterschieden werden müssen, wodurch eine Vielfalt von Wissenschaften bzw. Philosophien möglich wird, die sich an der Vielfalt der »Seinsweisen« (οὐσίαι) orientieren soll.212 Gerade diese Vielfalt führt aber zur Notwendigkeit einer ersten, umfassenden Wissenschaft, der Philosophie, welche eine Meta- und Grundlagenreflexion für die anderen Wissenschaften leistet.213 Hierbei wird die Philosophie in ihrer Gänze, in expliziter Analogie zur Mathematik, von ihrer Höchstform her gedeutet, nämlich der sogenannten ›Ersten Philosophie‹ (ἡ πρώτη φιλοσοφία), auf die jede andere Philosophie, namentlich die Naturphilosophie, bezogen ist, insofern sie lediglich auf einen Bereich des Seienden bezogen ist.214 Die (Erste) Philosophie zeichnet sich dadurch aus, dass sie ganz allgemein alles Seiende sowie dessen Prinzipien (ἀρχαί) einschließlich der Formen (εἴδη), der abtrennbaren Dinge (τὰ χωριστά) sowie weiterer Charakteristika des Seienden, wie z. B. dessen jeweilige Einheit, untersucht.215 Damit ist sie das grundlegende Streben nach Weisheit (σοφία), das die Einheit aller Wissenszweige bzw. Philosophien garantiert, insofern sie alle eine Art von Weisheit anstreben.216 Die Zuverlässigkeit der Philosophie in dieser Hinsicht wird von Aristoteles, wie bereits erwähnt, durch den Satz vom Widerspruch begründet, den er mit einem sogenannten ›elenktischen Beweis‹ belegt: Schon wer diesen Satz bestreitet, gibt ihn damit zu, denn er sagt etwas Bestimmtes (und nicht etwas anderes), und somit geht er implizit von einem Widerspruch zwischen der Geltung und der NichtGeltung des Satzes aus.217 Mit diesem Argument, das so allgemein ist, dass es nicht

211   Dieser Traktat erstreckt sich nach einer Hypothese über die Bücher Alpha Meizōn, Beta, Gamma und Epsilon der heutigen ›Metaphysik‹; vgl. Ross, in: Aristotle’s ›Metaphysics‹, XIII–XVIII; Flashar, Aristoteles, 239 f. 212   Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004a 2–6. 213   Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004a 1–4. 214   Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004a 5–9. 215   Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1003b 22–33. Vgl. auch Aristoteles, Physica 1, 8, 192a 36–192b 1; 2, 2, 194b 14 f.; De caelo 1, 8, 277b 10; 11, 4, 1061b 19; De anima 1, 1, 403b 16. 216   Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982a 6–b 10. 217   Aristoteles, Metaphysica 4, 4, 1005b 35–1006a 18. Vgl. G. Reale, in: Aristotele, La ›Metafisica‹, Bd.  1–3, Neapel 1968, 1, 333 f.

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aus noch allgemeineren Prämissen syllogistisch abgeleitet werden kann,218 zwingt Aristoteles seine Gegner, alle Aussagen als bezogen auf ein bestimmtes Seiendes vermittels einer Wesensbestimmung zu verstehen, durch die jede andere Wesensbestimmung ausgeschlossen ist: So ist namentlich die von einigen Heraklit zugeschriebene These, etwas könne sein und zugleich nicht sein, ausdrücklich falsch.219 Wenn somit in Aristoteles’ Augen eine sophistische Schlussfolgerung, die Schlüsse aus nicht hinreichend klar Bestimmtem zieht, als falsch erwiesen ist, stellt dies auch eine wesentliche Vorbedingung für das Selbstverständnis der Philosophie als Wahrheitssuche dar. Die Ernsthaftigkeit, mit der diese betrieben wird, drückt sich wohl am deutlichsten in Aristoteles’ Aussage aus, man müsse »zur Rettung der Wahrheit auch Vertrautes aufheben, zumal man ein Philosoph sei. Denn obwohl beide Freunde sind, ziemt es sich, die Wahrheit vorzuziehen«.220

Philosophie als Methode: Ihre Bestimmung im Verhältnis zu Sophistik und Dialektik221 Die damit angesprochene methodische Besonderheit der Philosophie ergibt sich aus einem Vergleich mit Sophistik und Dialektik, da alle drei Zugangsweisen mit dem universalen Anspruch sind, jede Form von Sein zum Gegenstand machen zu können. Die Unterschiede zwischen ihnen liegen folglich nicht in ihren Gegenständen – so wie das bei verschiedenen Einzelwissenschaften der Fall ist –, sondern auf methodischer Ebene: Der Sophistik mangelt es schon am Anspruch, wahre Erkenntnis erlangen zu wollen, der Dialektik zumindest an einer angemessenen Methodik für eine abgesicherte wahre Erkenntnis.222 Dieser Gedanke wird vor allem in Aristoteles’ logischen Schriften weiter ausgearbeitet, wobei die Rhetorik zumindest teilweise zur Dialektik gerechnet wird.223 Aristoteles erläutert jedenfalls, dass die philosophische Vorgehensweise primär durch das Ziel des Erlangens von Wissen (ἐπιστήμη) gekennzeichnet ist, was aufgrund der von ihm angenommenen Unveränderlichkeit von allem Wissbaren 224 nur eingelöst werden kann, wenn die Philosophie mithilfe der Apodeiktik der ›Analytica posteriora‹ betrieben wird, bei der aus bekannten Prämissen mithilfe 218

  Aristoteles, Metaphysica 4, 4, 1006a 15–18.   Aristoteles, Metaphysica 4, 3, 1005b 23–25. 220   Δόξειε δ’ ἂν ἴσως βέλτιον εἶναι καὶ δεῖν ἐπὶ σωτηρίᾳ γε τῆς ἀληθείας καὶ τὰ οἰκεῖα ἀναιρεῖν, ἄλλως τε καὶ φιλοσόφους ὄντας. Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 4, 1096a 14–17. Zur Tradition hinter dieser Stelle vgl. Frede, in: Aristoteles, ›Nikomachische Ethik‹, 2, 340 f. 221   Vgl. dazu allgemein Ch. Rapp, in: Aristoteles, ›Rhetorik‹ 1, Berlin 2002, 351–354. 222   Vgl. Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004b 17–26; Rhetorica 1, 1, 1355b 15–21. 223   Vgl. Aristoteles, Rhetorica 1, 4, 1356a 30 f. 224   Zum aristotelischen Begriff der ἐπιστήμη s. oben S. 276  f. 219

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von Syllogismen auf notwendige Weise (ἀνάγκη) weitere Konklusionen abgeleitet werden.225 In diesem Zusammenhang trifft er grundlegende Unterscheidungen zwischen diesem Vorgehen und dem topischen, gesprächsbezogenen der Dialektik und den sophistischen bzw. eristischen Fangschlüssen: »Eine philosophische Aussage (φιλοσοφήμα) ist nun ein beweiskräftiger Syllogismus, ein Angriff (ἐπιχείρημα) aber ein dialektischer Syllogismus, ein Fangschluss (σόφισμα) ein eristischer Syllogismus, eine Problemstellung (ἀπόρημα) schließlich ein dialektischer Syllogismus für einen Widerspruch«.226

Sowohl Apodeiktik als auch Dialektik erkennt er, bei allem Vorzug der Ersteren für die Philosophie, als verschiedene legitime Formen syllogistischer Argumentation an,227 während die Sophistik bzw. Eristik als »scheinbare Weisheit« (φαινομένη σοφία)228 scharf kritisiert und abgelehnt wird. Denn auch die dialektische Vorgehensweise ist für Philosophen unverzichtbar: Zwar sind all diejenigen Überlegungen, welche der Dialektiker bloß anstellt, um seine Gesprächspartner überzeugen zu können, für den Philosophen entbehrlich, weil dieser für sich von den einmal als wahr erkannten Prinzipien ausgehen kann. Aber der Philosoph muss zunächst, ebenso wie der Dialektiker, den richtigen Topos auffinden, um aus ihm Ableitungen anstellen zu können.229 Damit stellt Aristoteles die Behauptung auf, dass eine Methode zur Abhilfe des strukturellen Problems deduktiver Wissenschaft, die eigenen Prinzipien zu begründen, darin besteht, diese anhand geeigneter Topoi darzulegen.230 Als ein Beispiel darf man wohl den ›elenktischen Beweis‹ aus ›Metaphysik‹ Gamma verstehen, der als Argument gegenüber einem (fiktiven) Gesprächspartner231 dialektische Züge aufweist.232 Ein weiterer, kaum minder wichtiger Nutzen der Dialektik für die Philosophie liegt darin, dass die durch die Topik geleistete Herausarbeitung von Widersprüchen als solche eine 225

  Aristoteles, Topica 1, 1, 100a 27–29; Analytica posteriora 1, 19, 81b 10–18.   Ἔστι δὲ φιλοσόφημα μὲν συλλογισμὸς ἀποδεικτικός, ἐπιχείρημα δὲ συλλογισμὸς διαλεκτικός, σόφισμα δὲ συλλογισμὸς ἐριστικός, ἀπόρημα δὲ συλλογισμὸς διαλεκτικὸς ἀντιφάσεως. Aristoteles, Topica 8, 11, 162a 12–18. Vgl. die etwas paraphrasierende Wiedergabe bei Schramm, Prinzipien der aristotelischen Topik, 38 f. sowie 34 f., dort auch zur Übersetzung von ἐπιχείρημα; nach R. Smith, in: Aristotle, ›Topics‹. Books I and VIII. Translated with a Commentary by R. Smith, Oxford 1997, 144, handelt es sich womöglich um eine Glosse, die später in den Text eingedrungen ist. 227   Aristoteles, Analytica priora 1, 1, 24a 22–24b 3. 228   So Aristoteles, Sophistici Elenchi 165a 21–23; Metaphysica 4, 2, 1004b 26. 229   Aristoteles, Topica 8, 1, 155b 3–16. 230   Aristoteles, Topica 1, 2, 101a 36–b 4. Vgl. Schramm, Prinzipien der aristotelischen Topik, 187 f. 231   Das wird betont von Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  273, 8–274, 32 Hayduck). 232   Alexander von Aphrodisias bezieht den analogen Fall, dass jemand die Notwendigkeit des Philosophierens bestreitet, auf einen Topos im Bezug zum Akzidens: Aristoteles, Topica 2, 3, 110a 23–b 7. Vgl. das Zitat oben S. 291. 226

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Grundlage für philosophische Problemlösungen ist.233 Nicht zuletzt dürfte in Aristoteles’ Augen eine Kenntnis der Sophistik und Dialektik unerlässlich dafür sein, die philosophische Methodik tatsächlich durchführen zu können und nicht versehentlich hinter dem eigenen Anspruch zurückzubleiben.234 Somit kommt Aristoteles das Verdienst zu, als Erster die methodische Vorgehensweise der Philosophie als ein Hauptmerkmal von ihr herauszustellen.235 Zu beachten ist, dass er Platons Ansicht von der Bedeutung der Dialektik für die Prinzipienfindung zumindest in gewisser Hinsicht teilt, auch wenn sein Verständnis von Dialektik ein anderes ist. Die eigentliche methodische Neuheit des Aristoteles liegt aber darin, die Philosophie als apodeiktische Deduktion methodisch zu charakterisieren und somit auch die philosophische Dignität von dialektisch abgesicherten Konklusionen zu behaupten.

Philosophie als Lebensweise: Theorie als beste Form der Eudaimonie Eine Integration des aristotelischen Ideals der Philosophie als Weg zur Weisheit in die Dimension des Praktischen kann man schließlich in der ›Nikomachischen Ethik‹ sehen. Denn laut diesem Werk besteht das höchste Glück des Menschen, seine Eudaimonie, gemäß den in Buch 1 genannten Bedingungen236 in theoretischer Aktivität: »Die freudvollste aller Aktivitäten gemäß einer Tugend ist nach übereinstimmender Meinung diejenige gemäß der Weisheit. Die Philosophie scheint also an Weisheit und Festigkeit staunenswerte Freuden zu enthalten«.237

Dieses Plädoyer für die theoretische Lebensform als vollständigste Realisierung der Eudaimonie bezieht sich wohl auf die als selbstzwecklich und frei verstandene wissenschaftliche Tätigkeit.238 Dem entspricht die Ansicht, dass die Aktivität 233   Aristoteles, Topica 1, 2, 101a 34–36. Vgl. zum Nutzen der Topik für die Philosophie v. a. Schramm, Prinzipien der aristotelischen Topik, 113–117, 187 f., weiterhin O. Primavesi, Topik  /  Topos, in: HWbPhil 10 (1998), 1263–1269; Rapp, in: Aristoteles, Rhetorik 1, 244–247; O. Primavesi, Dialektik, in: Rapp  /  Corcilius (Hrsg.), Aristoteles-Handbuch, 224–226, hier 225; ausführlich C. D. C. Reeve, Dialectic and Philosophy in Aristotle, in: J. Gentzler (Hrsg.), Method in Ancient Philosophy, Oxford 1998, 227–252. 234   Hiervor warnt Aristoteles, Ethica Eudemia 1, 6, 1216b 35–1217a 10. 235   Vgl. dazu auch Hadot, Philosophie et discours philosophique, 207. 236   S. oben S.  285  f. 237   Ἡδίστη δὲ τῶν κατ’ ἀρετὴν ἐνεργειῶν ἡ κατὰ τὴν σοφίαν ὁμολογουμένως ἐστίν· δοκεῖ γοῦν ἡ φιλοσοφία θαυμαστὰς ἡδονὰς ἔχειν καθαρειότητι καὶ τῷ βεβαίῳ. Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 7, 1177a 17–1178a 8, Zitat 1177a 23–26. Eine aktuelle Überlegung zum Verhältnis dieses Kapitels zur Lehre vom Unbewegten Beweger bietet St. Herzberg, God as Pure Thinking. An Interpretation of ›Metaphysics‹ Λ 7, 1072b 14–26, in: Horn (Hrsg.), Aristotle’s ›Metaphysics‹ Lambda, 157–180. 238   Vgl. dazu Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 130–137. Was genau Aristo-

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gemäß der politischen Tugend für Aristoteles nur die zweitbeste Aktivität ist.239 Diese Wertung steht allerdings nicht nur in einer gewissen, nicht voll auflösbaren Spannung zu den politischen Zielen von Platons ›Politeia‹, sondern auch zu der ausgedehnten und methodisch eigenständigen Tugendlehre im Rest der ›Nikomachischen Ethik‹. In der modernen Diskussion hat sie zu einer ausgedehnten Debatte darüber geführt, ob der Vorrang der theoretischen Lebensform gegenüber der praktischen absolut sei (sogenannte ›dominante Interpretation‹) oder ob ein vollständiges Glück praktische Vervollkommnung einschließe (sogenannte ›inklusive Interpretation‹).240 Aristoteles selbst stellt heraus, dass er gerade in einer theoretischen Vollendung die Realisierung des Göttlichen im Menschen sieht: »Denn nicht, insofern man Mensch ist, wird man so leben, sondern insofern etwas Göttliches in einem vorhanden ist« (οὐ γὰρ ᾗ ἄνθρωπος ἐστιν οὕτω βιώσεται, ἀλλ’ ᾗ θεῖον τι ἐν αὐτῷ ὑπάρχει).241 In dieser Hinsicht schließt er an Antisthenes’ und Platons Vorstellung an, die Philosophie könne den Menschen den Göttern ähnlich machen,242 positioniert sich aber seinen Vorgängern gegenüber neu, indem er diese Möglichkeit in der Vollendung der Theorie und nicht der praktischen Tugend gegeben sieht. Wie bei seinen Vorgängern ist im Übrigen auch bei Aristoteles die göttliche bzw. gottähnliche Aktivität des Menschen als ein Höchstmaß rationaler Aktivität zunächst eine Vollendung der menschlichen, rationalen Tätigkeit als solcher.243 Hierzu passt auch Aristoteles’ Klarstellung, dass die Eudaimonie allen »nicht im Hinblick auf die Tugend Verhärteten« (τοῖς μὴ πεπηρωμένοις πρὸς ἀρετήν) offen stehe und primär durch Bemühen, nicht durch glücklichen Zufall (τύχη) zu erreichen sei.244 Insofern strebt Aristoteles ein nicht-elitäres philosophisches Glücksideal zumindest an und weist somit auf hellenistische Theorien voraus, während er die bei Platon im ›Symposion‹ prominente Idee, die Philosophie vollende sich in einer gottgegebenen Schau der Wahrheit, zurückweist. Allerdings stellt auch die von Aristoteles letztlich empfohlene theoretisch-wissenschaftliche Aktivität, die in der ersten Philosophie gipfelt,245 kein für die breite Masse der Menschen zugängliches Eudaimonie-Ideal dar.

teles unter ›Theorie‹ versteht, ist nicht ganz klar, vgl. z. B. W. Kullmann, Theoretische und politische Lebensform (X 6–9), in: O. Höffe (Hrsg.), Aristoteles, ›Nikomachische Ethik‹, Berlin 22006, 253–276, hier 254–258 239   Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 8, 1178a 9–34. 240   Vgl. Flashar, Aristoteles, 300–302. 241   Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 7, 1177a 13–18; 1177b 26–1178a 2; Zitat 1177b 27 f. Vgl. auch Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 28–983a 11. 242   S. oben S. 194  f., 244–246. 243   Vgl. dazu auch, mit ontologischem Akzent, J. Müller, Physis und Ethos. Der Naturbegriff des Aristoteles und seine Relevanz für die Ethik, Würzburg 2006, 85. 244   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 10, 1099b 9–25. 245   Aristoteles, Metaphysica 1, 1, 981b 29 – 1, 2, 982b 10.

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Für die Frage, wie Aristoteles das Verhältnis tugendhafter Praxis zu dieser Theorie bewertet, bietet sich ein Vergleich mit dem Ende der ›Eudemischen Ethik‹ an: Das theoretische Ideal wird hier mit der zielursächlichen Wirkung verglichen, welche Gott, auch gemäß der Lehre vom unbewegten Beweger aus der ›Metaphysik‹, für unsere Seele aufweist, und von daher werden alle anderen Aktivitäten entsprechend beurteilt. »Diejenige Wahl, d. h. der Erwerb von etwas natürlich Gutem, welche am meisten die Betrachtung Gottes fördert […], ist die beste«.246 Vor diesem Hintergrund kann man die politische Aktivität auch bei Aristoteles insofern als Beitrag zur Eudaimonie würdigen, als sie, im Rahmen einer »gesamten Tugend« (ὅλη ἀρετή), vom in der Betrachtung vollendeten Philosophie-Ideal nicht zu trennen ist, welches seinerseits in eine Nähe zum platonischen Ähnlichwerden mit Gott gerückt wird.247 Für den hellenistischen Peripatos mit seiner antistoischen Stoßrichtung wird allerdings ein ganz anderer Aspekt von Aristoteles’ Lehre wichtig, nämlich dass er neben der Tugend bzw. der ihr gemäßen Aktivität noch andere Güter für wichtig hält. So gibt Aristoteles z. B. zu, dass auch der tugendhafte trojanische König Priamos nach dem Tod seiner Söhne nicht schlichtweg glücklich sein kann, obwohl er, als tugendhafter Mensch, optimal mit der Situation umgehen kann.248 Das theoretische Modell des Aristoteles erlebt hingegen seine Hochzeit im Aristotelismus der arabischen und lateinischen Autoren des Mittelalters, nachdem es bereits im kaiserzeitlichen Aristotelismus eine gewisse Rolle spielt.

6. Aufteilung der Philosophie und Verhältnis zu den ­Einzelwissenschaften249 Grundsätzliches Es gehört zu den Leistungen des Aristoteles, die Einteilung der Philosophie in Teildisziplinen im Vergleich zur Akademie weiterentwickelt und vor allem die methodischen Konsequenzen und variablen Genauigkeitsanforderungen solcher Einteilungen reflektiert zu haben.250 Die von ihm bevorzugte Einteilung in theo246

  Ἥτις οὖν αἵρεσις καὶ κτῆσις τῶν φύσει ἀγαθῶν ποιήσει μάλιστα τὴν τοῦ θεοῦ θεωρίαν, […] αὕτη ἀφίστη. Aristoteles, Ethica Eudemia 8, 3, 1249b 15–23, Zitat 16–19. 247  Vgl. zum komplementären Charakter von ›Eudemischer‹ und ›Nikomachischer Ethik‹ J. Müller, Ergon und eudaimonia. Plädoyer für eine unifizierende Interpretation der ergon-Argumente in den aristotelischen Ethiken, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 57 (2003), 513–542. 248   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 1099b 11–1100a 9. Vgl. auch Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 7, 1177a 34–b 1: Freunde zu haben ist für den Weisen gut, aber nicht notwendig. 249   Vgl. Hadot, Die Einteilung der Philosophie, 424–426; Flashar, Aristoteles, 382–385. 250   Vgl. Dihle, Lebenskunst und Wissenschaft, 28 f.

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retische und praktische Philosophie sowie diverse Untergliederungen bestimmen nicht nur sein eigenes Werk, sondern beeinflussen sowohl die Antike, v. a. die Spätantike, als auch die mittelalterliche und neuzeitliche (Universitäts-)Philosophie bis heute. Trotz der hierarchischen Züge von Aristoteles’ Schema, die am Beispiel der Ersten Philosophie bereits erwähnt wurden, ist dieses keine starre Anordnung, und es gibt keine Anzeichen, dass es bereits im Sinne eines Curriculums zu verstehen wäre.251

Ein erster Ansatz: Probleme aus Ethik, Physik und Logik Eine frühe Bemerkung des Aristoteles weist allerdings zunächst in eine andere, eher an die Alte Akademie erinnernde Richtung: Einem Passus der ›Topik‹ zufolge soll sowohl die philosophische Wahrheitssuche als auch die dialektische Meinungsbildung anhand von logischen, ethischen und physischen Prämissen und Problemen erfolgen.252 Hierbei ist stets von allgemeinen Prämissen auszugehen und aus diesen sind die besonderen abzuleiten.253 Diese Passage bestätigt die Nachricht, dass die durch die Stoiker berühmt gewordene Dreiteilung der Philosophie bereits im Umfeld der Akademie bekannt ist,254 und wahrscheinlich kennt Aristoteles sie von dort. Sie bestätigt ferner das oben bereits diskutierte Verständnis dieser Einteilung als eine lockere Reihung von Forschungsgebieten. Wichtig ist die Erwähnung von ›logischen‹ (λογικαί) Problemen. Dabei handelt es sich, zusammen mit Aristoteles’ häufigen Erklärungen, bestimmte Zugänge zu einem Problem seien ›logisch‹ (λογικῶς) und nicht ›physisch‹ (φυσικῶς) durchzuführen,255 um das erste Zeugnis dafür, dass ein ›logischer‹ Bereich innerhalb der Philosophie abgegrenzt wird. Dies ist historisch gesehen zweifellos eine Konsequenz der stärkeren Beachtung methodischer und erkenntnistheoretischer Fragen, die sich aus der Auseinandersetzung der Sokratiker mit den Sophisten ergibt und bei Aristoteles, wie dargestellt, deutliche Spuren hinterlässt.

Die klassische aristotelische Wissenschaftsklassifikation: Theoretische, praktische und poietische Philosophie Wichtiger für Aristoteles ist allerdings die Einteilung der Philosophie in die theoretischen Wissenszweige sowie die praktischen, die direkt die Lebensführung anleiten sollten, und die poietischen. Sie findet sich ebenfalls bereits in der ›Topik‹, 251

  Vgl. Flashar, Aristoteles, 381.   Aristoteles, Topica 1, 14, 105b 19–31. 253   Aristoteles, Topica 1, 14, 105b 31–37. 254   Vgl. oben S. 267 f. und unten S.  426–428. 255   Vgl. z. B. Aristoteles, Physica 3, 5, 204b 4. Für Weiteres s. H. Bonitz, Index Aristotelicus, Berlin 1870, 432. 252

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wird aber vor allem in der ›Metaphysik‹ mehrmals diskutiert und auch in anderen Schriften immer wieder angesprochen. In der ›Eudemischen Ethik‹ wird sie damit gerechtfertigt, dass die theoretischen Wissenschaften ihr Ziel, die Erkenntnis, bereits in sich selbst haben, während die praktischen Disziplinen (im weitesten, auch herstellende Fertigkeiten einschließenden Sinne) auf ihre Betätigung hin gerichtet sind, die nicht mit ihrem Besitz identisch ist.256 Charakteristisch für die hier unterschiedenen Teile der Philosophie – und für den ganzen aristotelischen Wissenschaftsbegriff – ist, dass die Einteilung einer Relation (πρὸς τι) zu bestimmten Gegenständen entspricht,257 d. h. dass sie sich ontologisch nach den verschiedenen Bezugsobjekten der jeweiligen Wissenschaften richtet, die in der Ersten Philosophie in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.258 Diese dürfen allerdings einerseits nicht zu gegenständlich gedacht werden, denn letztlich kann der Erklärungsbedarf, den eine Wissenschaft erfüllen soll, nur durch eine Erkenntnis der Ursachen bzw. Prinzipien der Objekte erfüllt werden.259 Andererseits ist das, was Aristoteles unter einem Gegenstand versteht, sehr vielfältig: Wenn es z. B. in der Praxis um menschliche Handlungen geht, werden diese ebenso als Bezugsobjekte verstanden wie die beweglichen Körper als Gegenstand der Physik. Aristoteles führt seine Vorstellungen zu theoretischen und praktischen Wissenschaften in größerem Detail aus, nicht aber zu den poietischen, worunter er wohl die verschiedenen Handwerke bzw. deren theoretische Grundlagen versteht. Innerhalb der Theorie unterscheidet er weiterhin zwischen Theologie (θεολογία bzw. θεολογική) bzw. Erster Philosophie, Physik bzw. Zweiter Philosophie und Mathematik. Die Logik hat also in diesem Schema keinen Platz, so wie sie von Aristoteles nirgends eine Philosophie genannt wird.260 Diese Auslassung, die zu vielen Diskussionen über den Status der Logik Anlass gibt, mag darin liegen, dass Aristoteles die methodischen Grundlagendiskussionen außerhalb des philosophischen Feldes ansiedeln will, um sie auf jedes Gebiet der Philosophie beziehen zu können. Eine Äußerung in dieser Hinsicht gibt es aber bei ihm nicht.

Erste Philosophie bzw. Metaphysik Für die Forschung werfen besonders Aristoteles’ Aussagen zur Ersten Philosophie bzw. Theologie Probleme auf: Unumstritten ist, dass Aristoteles – auch wenn der Titel ›Metaphysik‹ nicht von ihm stammt, vielleicht sogar nur aus bibliothekari-

256

  Aristoteles, Ethica Eudemia 1, 5, 1216b 26–1217a 19.   Aristoteles, Topica 6, 6, 145a 15–18. 258   Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004a 2–9. Vgl. oben S. 301. 259   Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1025b 3–7. 260   Vgl. Flashar, Aristoteles, 380 f. 257

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schen Gründen entstanden ist261 – ein ausgeprägtes Interesse daran hat, eine Wissenschaft zu charakterisieren, die noch grundlegender ist als die Naturphilosophie. Die Einheit seines Entwurfs ist dabei allerdings nicht leicht zu verstehen: Denn einerseits charakterisiert er die gesuchte Disziplin, wie geschildert, als allgemeine Seinswissenschaft262 und andererseits beschreibt er sie als Theologie, also Lehre vom Göttlichen, was zumindest zum Inhalt von Buch XII (Lambda) passt.263 Im Vergleich zu Platons Gebrauch von ›Theologie‹ für die Dichtung über die Götter, die sich auch zu Beginn von Aristoteles’ ›Metaphysik‹ noch einmal findet,264 stellt jedoch die Benutzung des Wortes für ein wissenschaftliches Vorgehen jedenfalls eine Neuerung dar. Im Hinblick auf die Frage, wie man diese nur schwer kompatiblen Beschreibungen und zusätzlich noch die gelegentlichen Charakterisierungen der Ersten Philosophie als Lehre von den ersten Ursachen265 und als Wissenschaft von der Substanz266 miteinander vereinbaren soll, kann an die Rolle der Ersten Philosophie innerhalb der Philosophie erinnert werden: In dieser Hinsicht setzt Aristoteles voraus, dass das höchste Objekt einer jeden Wissenschaft, insbesondere wenn es sich um die Ursache für die anderen Objekte handelt, deren primäres Objekt darstellt, während die anderen Objekte ihm gegenüber sekundär sind. Insofern kann man einerseits die Substanz als primäres Seiendes als Hauptobjekt der Ersten Philosophie betrachten, andererseits aber auch das Göttliche, welches letztlich die Ursache für alle anderen Substanzen und Akzidenzien darstellt, ohne dass dies aus Aristoteles’ Sicht einen Widerspruch bedeutete.267

261

  Vgl. die älteren Überlegungen zur Werkgeschichte bei Ross, in: Aristotle’s ›Metaphysics‹, XXXII, und, aktueller, Flashar, Aristoteles, 238 f. 262   Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1026a 18–32. 263   Vgl. neben Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1025b 19 auch De partibus animalium 1, 5, 645a 4: ἡ περὶ τὰ θεῖα φιλοσοφία. Vgl. weiterhin G. Patzig, Theology and Ontology in Aristotle’s ›Metaphysics‹ (1960), in: J. Barnes  /  M. Schofield  /  R. Sorabji (Hrsg.), Articles on Aristotle 3. ›Metaphysics‹, London 1979, 33–49, hier 43 f. 264   Vgl. oben S. 256, 298. 265   Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 9 f. 266   Vgl. zu diesen vier Bedeutungen Reale, in: Aristotele, La ›Metafisica‹, 1, 10–18. 267   In diesem Sinne: Patzig, Theology and Ontology in Aristotle’s ›Metaphysics‹, 33–49; M. Frede, The Unity of General and Special Metaphysics. Aristotle’s Conception of Meta­ physics, in: Frede, Essays in Ancient Philosophy, 81–95. Zu weiteren Vorschlägen vgl. den instruktiven Überblick bei A.-K. Strohschneider, Metaphysics as a Science. Averroes and his Medieval Latin Reception. Diss. Würzburg 2019, 18–38.

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Die klassische Epoche

Die Prinzipien der Natur als Gegenstand der Naturphilosophie268 Für Aristoteles gehören auch die vielen naturphilosophischen Gebiete sämtlich zur Philosophie bzw. bilden eine spezifische Philosophie.269 Gegenstand dieser »auf die Natur bezogenen, d. h. zweiten Philosophie« (τῆς φυσικῆς καὶ δεύτερας φιλοσοφίας) ist die Erkenntnis der bewegten Substanzen als solche, d. h. nicht in ihrem materiellen Aspekt. Folglich ist die Naturphilosophie keine reine Beobachtungswissenschaft, sondern arbeitet ebenfalls auf begrifflicher Ebene.270 Letztlich geht es auch ihr um ein Prinzip bzw. eine Ursache, insofern nämlich die Physik die bewegten Dinge unter dem Aspekt betrachtet, dass sie irgendwie eine Ursache für die Bewegung in sich selbst haben.271 Die Notwendigkeit, mit der diese Ursache aktiv ist und erforscht werden kann, unterscheidet sich allerdings von der mathematischen Notwendigkeit, da nur die teleologisch bzw. zielursächlich notwendigen Voraussetzungen der beobachtbaren materiellen Strukturen beschrieben werden können.272 Insbesondere die Seele muss, sofern sie Bewegungsursache ist, daher beim Naturwissenschaftler Beachtung finden, obwohl sie eigentlich kein Naturgegenstand ist, und zwar in höherem Maße als die materielle Struktur der Lebewesen.273

Die Prinzipien der Mathematik als deren Gegenstand Die Mathematik wird von Aristoteles vor allem angeführt, um sie gegen Erste Philosophie und Naturphilosophie abzugrenzen. Seiner Meinung nach beschäftigt sie sich zwar mit unveränderlichen Dingen bzw. Regeln, aber mit solchen, die nur innerhalb der Materie realisiert sind.274 Gegenstand aller Teildisziplinen sind jeweils die im Einzelfall abstrahierten, für die mathematische Wissenschaft aber als ihr Objekt essentiellen Größen an den Dingen.275 Obwohl Aristoteles auch in den mathematischen Disziplinen einige Kenntnisse besitzt,276 arbeitet er selbst kaum auf diesem Gebiet und nimmt es vielleicht nur wegen platonischer Vorbilder in seine Dreiteilung auf.277 Seine Bestimmung der mathematischen Objekte grenzt 268   Vgl. W. Kullmann, in: Aristoteles, Über die Teile der Lebewesen, Darmstadt 2007, 129–181. 269   Vgl. A. Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, in: Entretiens Fondation Hardt 32 (1986), 185–231, hier 193 f. 270   Aristoteles, Metaphysica 7, 11, 1037a 13–20. 271   Aristoteles, Metaphysica 5, 4, 1015a 13–16; 6, 1, 1025b 21; 6, 1, 1025b 30–1026a 7. 272   Aristoteles, Physica 2, 9, 200a 15–b 8. 273   Aristoteles, De partibus animalium 1, 1, 641a 17–31. 274   Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1025b 14 f. 275   Aristoteles, Metaphysica 13, 2, 1077b 34–1078a 31. 276   Vgl. Bodnár, Wissenschaft und Philosophie in der Akademie, 259–263. 277   Vgl. Ph. Merlan, From Platonism to Neoplatonism, The Hague 21960, 60–62.

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Aristoteles über die Philosophie

sich jedenfalls von Platons Annahme abtrennbarer unveränderlicher mathematischer Strukturen klar ab.278 Auch in der Mathematik unterscheidet Aristoteles eine allgemeine Teildisziplin von der eher spezifischen Geometrie und Astronomie (ἀστρολογία), ohne freilich nähere Informationen zu geben.279 Möglicherweise denkt er an die Arithmetik. Gelegentlich erwähnt er Philosophen mit einer Kompetenz in Musik,280 welche er womöglich, wie die spätere Tradition, ebenfalls als mathematische Teildisziplin versteht.

Die praktischen und poietischen Disziplinen Ein eigenes Gebiet bilden bei Aristoteles die praktischen und politischen Wissenschaften. Deren Ziel ist zwar die Praxis,281 doch unterscheidet Aristoteles das menschliche Handeln als solches von einer theoretischen Untersuchung über praktische Gegenstände, die auch die Gründe für die feststellbaren Tatsachen angibt und insofern wissenschaftlich bzw. ›philosophisch‹ ist.282 Besonders wichtig ist eine theoretische Fundierung für die allgemeinste praktische Wissenschaft, die Politik, deren Universalität sie in Aristoteles’ Augen zur Leitdisziplin im praktischen Bereich macht.283 Deswegen ist erst mit ihr »die Philosophie über das Menschliche«, d. h. wohl die praktische Philosophie, »vollendet« (ἡ περὶ τὰ ἀνθρώπεια φιλοσοφία τελειωθῇ).284 Bedeutsam sind Aristoteles’ methodische Ausführungen in der ›Nikomachischen Ethik‹, welche für die Auseinandersetzung mit der Praxis, die sich im Detail sehr verschieden verhalten kann, eine Vorgehensweise einfordern, die der Mannigfaltigkeit der Thematik gerecht wird: »Angestrebt ist also, wenn man hierüber und auf dieser Grundlage spricht, das Wahre grob und im Umriss aufzuzeigen, und wenn man über Gegenstände spricht, die in den allermeisten Fällen so sind, auch entsprechende Schlüsse zu ziehen. […] Denn es ist Sache eines Gebildeten, insoweit auf jedem Gebiet Genauigkeit zu suchen, wie es die Natur der Sache zulässt«.285

278

  Aristoteles, Metaphysica 13, 2, 1076a 38–1077b 11.   Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1026a 25–27. 280   Aristoteles, Politica 8, 6, 1341b 28. 281   Aristoteles, Ethica Eudemia 1, 1, 1214a 9–13; Metaphysica 6, 1, 1025b 22–4. 282   Aristoteles, Ethica Eudemia 1, 6, 1216b 37–39; vgl. Ethica Nicomachea 10, 10, 1180b 20–23. 283   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 1, 1094a 27–b 10; Politica 3, 12, 1282b 14–23. 284   Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 10, 1181b 14 f. 285   Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 1, 1094b 10–95a 1, Zitat 1094b 19–25. 279

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Die klassische Epoche

Diese Aussage, aus der Aristoteles auch folgert, dass junge Menschen wegen ihrer mangelnden Erfahrung keine geeigneten Hörer der Ethik sind,286 bedeutet nicht unbedingt, dass diese Disziplin gar keine Allgemeinaussagen treffen kann – auch Aristoteles hält gewisse Handlungen immer für ein Vergehen, »weil sie schlecht sind« (τῷ αὐτὰ φαῦλα εἶναι)287 –, weist aber darauf hin, dass angemessene Einschätzungen von praktischen Einzelfällen nicht deduktiv aus allgemeinen Regeln gefolgert werden können. Insofern stellt die Orientierung der Ethik an der Mannigfaltigkeit der Praxis ein Spezifikum von Aristoteles’ Ansatz dar.

7. Die Philosophie im Verhältnis zu den Nachbargebieten Philosophie und Fachwissenschaften Das Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften bei Aristoteles ist deswegen schwer zu beschreiben, weil sie für ihn überwiegend Teil der Philosophie sind oder zumindest, wie die Biologie, als deren Begründer Aristoteles zu wesentlichen Teilen gelten kann,288 im Lykeion betrieben werden. Die von Aristoteles weniger intensiv behandelte Mathematik steht zumindest bei seinen Nachfolgern wie Straton im Zentrum des Interesses.289 Eine Sonderstellung nimmt die Medizin ein: Von ihr hat Aristoteles als Sohn eines Arztes eine relativ gute Kenntnis und greift, wie schon Platon, vielfach auf Beispiele aus diesem Bereich zurück, z. B. wenn er den Arzt als jemanden anführt, der seine eigene Arbeit selbst beurteilen muss.290 Er bezeugt auch die enge Verbindung von Naturphilosophie und Medizin zu seiner Zeit: »Es gehört zu einem Physiker, dass er die ersten Prinzipien von Gesundheit und Krankheit begreift. [….] Deswegen gilt insgesamt von den meisten Naturphilosophen sowie denjenigen Ärzten, die philosophischer an ihre Fertigkeit herangehen: Die einen enden bei medizinischen Fragen, die anderen beginnen von solchen der Naturphilosophie«.291 286

  Aristoteles, Ethica Nicomachea 1, 1, 1095a 2 f.   Aristoteles, Ethica Nicomachea 2, 6, 1107a 8–17. 288   Vgl. jetzt A. M. Leroi, The Lagoon, or How Aristotle Invented Science, London 2014 (dt. Darmstadt 2017). 289   S. unten S.  379  f. 290   Aristoteles, Politica 3, 11, 1281b 40–1282a 5. 291   Φυσικοῦ δὲ καὶ περὶ ὑγιείας καὶ νόσου τὰς πρώτας ἰδεῖν ἀρχάς· […] διὸ σχεδὸν τῶν περὶ φύσεως οἱ πλεῖστοι καὶ τῶν ἰατρῶν οἱ φιλοσοφωτέρως τὴν τέχνην μετιόντες, οἱ μὲν τελευτῶσιν εἰς τὰ περὶ ἰατρικῆς, οἱ δ’ ἐκ τῶν περὶ φύσεως ἄρχονται. Aristoteles, De sensu 1, 436a 17–b 1. Vgl. Aristoteles, De respiratione 480b 28–30 und zu beiden Texten M. Frede, Philosophy and Medicine in Antiquity, in: Frede, Essays in Ancient Philosophy, 225–242, hier 228. 287

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Trotz dieser pointierten Betonung der Untrennbarkeit von Naturphilosophie und Medizin kommt eine explizite Beschäftigung mit medizinischen Fragen in Aristoteles’ eigenem Werk kaum vor. Das schließt zwar nicht aus, dass er selbst sich als Arzt betätigt, doch mag er eher ein »Gebildeter in dieser Fertigkeit« (πεπαι­δευ­ μένος περὶ τὴν τέχνην) sein, ohne sie zu praktizieren, so wie er es von bestimmten Zeitgenossen »für alle Fertigkeiten« bezeugt.292

Philosophie und Rhetorik Das Verhältnis von Philosophie und Rhetorik bei Aristoteles ist gegenüber Platon dadurch verkompliziert, dass Aristoteles die Rhetorik, entsprechend seinem Konzept der Einzelwissenschaften, als eigene Fertigkeit (τέχνη) ansieht, die zu einer wissenschaftlichen Erörterung beitragen kann, da der rhetorische Beweis, das Enthymem, selbst bei der Entdeckung wissenschaftlicher Erkenntnisse helfen kann.293 Dieser ist nämlich seinerseits eine Unterart des dialektischen Syllogismus,294 der bei sophistischer Zielsetzung falsch gebraucht werden kann.295 Damit wird die Rhetorik, bzw. ihre Theorie, von Aristoteles nicht als Rivalin der Philosophie dargestellt, sondern, wie es offenbar auch in der Akademie zumindest ansatzweise geschieht, in deren Unterrichtsbetrieb integriert, ohne dass sie formell als Teil der Philosophie angesehen würde.296 Allerdings ist der Lehrerfolg des Aristoteles in der Rhetorik wohl gering, da das Interesse an diesem Gebiet ein vorwiegend praktisches bleibt, das von einer theoretischen Ausarbeitung im Sinne des Aristoteles im Ganzen nicht befriedigt werden kann.297

Philosophie und Politik Zum Verhältnis Philosophie und Politik bei Aristoteles gilt auf theoretischer Ebene grundsätzlich das bereits für die Ethik Gesagte: Die aristotelische politische Theorie ist in erster Linie eine Metatheorie über das Politische bzw. gute Verfassungen,298 die sich an Richtlinien guter Theorie wie Vollständigkeit und passende Unterscheidungen orientiert,299 und nicht, wie in Platons ›Politeia‹, eine 292

  Aristoteles, Politica 3, 11, 1282a 4 f.   Vgl. dazu Rapp, Der Streit zwischen Rhetorik und Philosophie, vor allem 347–358. 294   Aristoteles, Rhetorica 1, 1, 1355a 13–18. 295   Aristoteles, Rhetorica 1, 1, 1355b 15–21. 296   Vgl. schon Von Arnim, Dion von Prusa, 68–72. 297   Vgl. Flashar, Aristoteles, 400 f. 298   Vgl. E. Schütrumpf, in: Aristoteles, ›Politik‹. Buch I. Über die Hausverwaltung und die Herrschaft des Herrn über Sklaven. Übersetzt und erläutert, Berlin 1991, 2, schlägt »Verfassungen« als Generalthema des Werkes vor. 299   Aristoteles, Politica 3, 8, 1279b 11–15; 7, 10, 1239a 40–b 2. 293

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Die klassische Epoche

Theorie über philosophische Herrschaft und Gerechtigkeit.300 Platonischen Einfluss zeigt das Motiv, dass Tyrannen die freie Rede unterdrückten.301 Selbst der einmal hypothetisch erwähnte ideale Herrscher, der »wie ein Gott unter den Menschen« (ὥσπερ θεὸν ἐν ἀνθρώποις) wäre,302 wird von Aristoteles, genauso wie in Platons ›Nomoi‹, nicht als Philosoph bezeichnet. Gleichwohl ist Aristoteles’ ›Politik‹ nicht rein deskriptiv, sondern trifft durchaus Wertungen, wenn sie z. B. eine Hierarchie besserer und schlechter Verfassungen angibt oder in Buch 7–8 eine Art Idealstaat entwirft.303 Politisch gesehen versteht Aristoteles die Philosophie, wie schon erwähnt, als eine Tätigkeit von Freien, nicht von Sklaven.304 Er ist auch der Meinung, dass Philosophie für die Erziehung in Staaten einen gewissen Nutzen bringt, da sie, wie Gesetze und Sitten, einen pädagogischen Effekt hat.305 Vermutlich ist das Wort hier allgemein im Sinne von Bildung und nicht von Fachphilosophie zu verstehen. Denn in spezifischerer Weise betont Aristoteles – entsprechend der Unterscheidung der praktischen und der theoretischen Form von Eudaimonie – den Unterschied zwischen Politiker und Philosoph auch in ihrer Einsicht.306 In analoger Weise beschreibt er ›Philosophie‹ – d. h. offenbar eine tugendhafte, ruhige Lebensführung – auch als eine Eigenschaft der vollendeten Polis selbst.307 Eine konkrete Form politischen Einflusses des Philosophen begründet er in seinem verlorenen Fürstenspiel ›Über die Königsherrschaft‹ (Περὶ βασιλείας) mit der Empfehlung, der Herrscher solle Philosophen als Lehrer und Ratgeber haben.308

Philosophie, Theologie und Religion309 Das Thema Religion ist in Aristoteles’ erhaltenem Werk weit weniger prominent als in demjenigen Platons: Nur gelegentlich finden sich Kritiken der Volksreligiosität, die sich weniger auf die Bezeichnung der Sterne als göttlich als auf die anthro­po­morphe Darstellung der Götter beziehen, ohne dass der Polytheismus als solcher abgelehnt würde.310 Aristoteles beabsichtigt, vor allem die theoretische 300

  Aristoteles, Politica 3, 12, 1282b 14–23. Vgl. für eine kurze Zusammenfassung der Inhalte der Politik Flashar, Aristoteles, 303–316. 301   Aristoteles, Politica 5, 11, 1313b 9–18. Vgl. Leppin, Paradoxe der Parrhesie, 95. 302   Aristoteles, Politica 3, 13, 1284a 3–14. 303   Vgl. Flashar, Aristoteles, 314–316. 304   Aristoteles, Politica 1, 7, 1255b 35–37. 305   Aristoteles, Politica 2, 5, 1263b 39 f. 306   Aristoteles, Politica 7, 2, 1324a 25–33. 307   Aristoteles, Politica 7, 15, 1334a 11–34. 308   Themistius, Oratio 8 (107cd) = Aristoteles, frg.  982 (Gigon). 309   Vgl. Ph. Merlan, Aristoteles’ und Epikurs müßige Götter, in: Zeitschrift für Philosophische Forschung 21 (1967), 485–498. 310   Aristoteles, Metaphysica 12, 8, 1074b 1–8. Vgl. Ph. Merlan, Aristotle’s Unmoved Movers, in: Traditio 4 (1946) 1–30.

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Aristoteles über die Philosophie

Natur der Götter zu schildern, die in ewiger Betrachtung leben, aber keine praktische Existenzweise haben und gerade so zum Vorbild für menschliches Glück werden können.311 Selbst der unbewegte Beweger, der schon in der antiken Deutung als monotheistischer Zug des aristotelischen Philosophierens hervorgehoben wird,312 bewegt ausschließlich »als Geliebtes« (ὡς ἐρώμενον), also finalursächlich, ohne irgendetwas zu tun bzw. sich zu bewegen.313 Allerdings lässt Aristoteles durchaus erkennen, wie man sich philosophisch religiösen Phänomenen annähern kann: In diese Richtung deutet schon, dass er zu Beginn der ›Metaphysik‹ auch dem Mythenfreund eine Nähe zur Philosophie bescheinigt, weil auch Mythen Objekte des Staunens seien.314 Den Begriff »Theologie« (θεολογία oder θεολογική) bezieht er in der ›Metaphysik‹ auf ewige, unveränderliche Prinzipien, die als solche wissenschaftlich zugänglich sind,315 als auch auf Berichte darüber aus der Dichtung316 oder verschiedenen Religionen, welche er für Zeugnisse einer verlorengegangenen alten Weisheit hält.317 Denn für ihn sind die alten Traditionen, die ja auch Platon schon ›Theologie‹ nennt, als wichtige Meinungen (ἔνδοξα) eine Erkenntnisquelle für die wissenschaftliche Erforschung der Prinzipien und verdienen als solche eine Untersuchung.318 Die reichsten Ausführungen über die Religion legt Aristoteles aber offenbar im Dritten Buch von ›Über die Philosophie‹ nieder: Aus diesem Werk wird etwa berichtet, dass er die zoroastrischen Magier für noch älter als die Ägypter halte und eine Identität der zoroastrischen mit den griechischen Göttern behaupte.319 Insofern scheint bereits er die Meinung zu vertreten, die bei verschiedenen Völkern mit unterschiedlichen Namen verehrten Götter seien identisch, aber ohne Kenntnis der dualistischen Besonderheiten der zoroastrischen Religion, welche nur schwer mit den griechischen Göttern in eins zu setzen sind. Weitere Themen des Buches sind offenbar eine Kritik an Vorstellungen von unterirdischen Göttern320 sowie die Behauptung, dass Träume uns die Erkenntnis von den Göttern 311

  Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 8, 1178b 8–22.   Vgl. M. Frede, Monotheism and Pagan Philosophy in Later Antiquity, in: P. Athanassiadi  /  M. Frede (Hrsg.), Pagan Monotheism in Late Antiquity, Oxford 1999, 41–67, hier 44–50. 313   Aristoteles, Metaphysica 12, 7, 1072b 3–30; De caelo 1, 10, 279a 30–35. 314   Aristoteles, Metaphysica 1, 2, 982b 18 f. Vgl. Johansen, Myth and Logos in Aristotle, 284 f. 315   Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1026a 10–22. Zum Kontext der Stelle s. oben S. 309. 316   Z. B. Hesiod: Aristoteles, Metaphysica 1, 3, 983b 27–33. 317   Aristoteles, Metaphysica 12, 8, 1074b 1–14. 318   Vgl. Johansen, Myth and Logos in Aristotle, 285–291. Die Annahme zweier Theologiebegriffe bei Aristoteles (vgl. z. B. Düring, Aristoteles, 116 f.) erscheint mir jedenfalls in dieser Hinsicht verfehlt. Zur Einheit von Aristoteles’ Theologieverständnis vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 562 f. mit weiteren Belegen. 319   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 8 (9, 12–17 Marcovich = 71, 87–72, 92 Dorandi) = Aristoteles, frg.  23 (Gigon). 320   Cicero, De natura deorum 2, 95 = Aristoteles, frg.  838 (Gigon). 312

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Die klassische Epoche

vermitteln könnten.321 Vor diesem Hintergrund scheint die Mitteilung des Proklos nicht abwegig, dass Aristoteles in seinem ebenfalls verlorenen Dialog ›Eudemos‹ auch selbst einen Mythos über die Wanderungen der Seele entwirft.322 Bei Kenntnis der exoterischen Schriften könnte unser Bild von Aristoteles als Religionsphilosoph also ein anderes sein.

8. Würdigung Eine Gesamtwürdigung des aristotelischen Œuvres würde sowohl eine Würdigung von dessen einzelnen Teilen bzw. Büchern als auch eine Würdigung seiner Leistung für die Etablierung eines Wissenschaftsbetriebs umfassen. Einige Hauptlinien ergeben sich jedoch bereits aus seinen Beiträgen zum Philosophiebegriff, mit dem er sich ähnlich intensiv und wirkungsvoll beschäftigt wie sein Lehrer Platon. Dabei lassen sich mehrere miteinander verbundene Argumentationsstränge unterscheiden, die in ihrem Zusammenspiel die Komplexität des aristotelischen Philosophiebegriffs ausmachen: 1) Aristoteles entwickelt die Philosophie in seinen einführenden Schriften ›Protreptikos‹ und ›Über die Philosophie‹, wie Platon ausgehend vom Begriff der Weisheit. Auf dieser Grundlage entwirft er in den Schriften, die später zur ›Metaphysik‹ zusammengestellt werden, das Ideal einer ›Ersten Philosophie‹ als der Philosophie im strengen Sinne, welche sich ganz allgemein mit dem Sein als solchen (τὸ ὂν ᾗ ὄν), seinen Prinzipien und seinen Eigenschaften beschäftigt. Über die Frage nach den Prinzipien allen Seins und seinen methodischen Zugang über plausible Meinungen nimmt Aristoteles auch die religiösen Überlieferungen als eigenen wissenschaftlichen Gegenstand auf, so dass die ›Erste Philosophie‹ in gewissem Sinne auch als ›Theologie‹ bezeichnet werden kann. 2)  Die Abgrenzung dieses Typs von Philosophie von den ähnlich allgemeinen Zugängen der Dialektik und der Sophistik erfolgt anhand methodischer Gesichtspunkte: Das Vorgehen der Philosophie erfolgt auf wissenschaftliche Weise primär mit dem apodeiktischen Syllogismus, während die Dialektik, die Aristoteles in seiner ›Topik‹ entfaltet, auf Methoden zur Gewinnung plausibler Ergebnisse vorwiegend in Gesprächen abzielt. Auch die Sophistik, die in Aristoteles’ Augen auf das Präsentieren von Fehlschlüssen abzielt, ist selbst ein Gegenstand der philosophisch-methodischen Analyse, gilt es doch gerade in der Philosophie, vor verborgenen Fehlschlüssen auf der Hut zu sein.

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  Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 20–22 (2, p.  217, 6–218, 25 Mutschmann) = Aristoteles, frg.  947 (Gigon). 322   Proclus, In Rempublicam (2, p.  349, 13–26 Kroll) = Aristoteles, frg.  923 (Gigon). Vgl. Flashar, Aristoteles, 263.

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Aristoteles über die Philosophie

3)  Die (Erste) Philosophie ist in Aristoteles’ Augen nicht nur wegen ihrer Allgemeinheit eine Wissenschaft (ἐπιστήμη) par excellence, sondern sie erbringt, indem sie den Satz vom Widerspruch als für alles Seiende zutreffend erweist, selbst eine Begründungsleistung, welche für alle Wissenschaften von Bedeutung ist. Damit ergibt sich ein Ansatzpunkt für eine gewisse hierarchische Ordnung der Wissenschaften, in der die (Erste) Philosophie als allgemeine Grundlagenwissenschaft an der Spitze steht. Doch unterscheidet Aristoteles auch die übrigen Einzelwissenschaften sorgfältig voneinander, von denen ihn die naturphilosophischen und die praktischen Disziplinen am meisten interessieren. Er beschäftigt sich mit den ontologischen Charakteristika ihrer Gegenstände sowie den daraus resultierenden methodischen Besonderheiten der verschiedenen Disziplinen. 4)  Die Einteilung der Philosophie(n) erfolgt bevorzugt anhand der Unterscheidung von theoretischen, praktischen und poietischen Disziplinen, wobei gerade erstere in Physik  /  Naturphilosophie, Mathematik und Erste Philosophie getrennt wird, während Ethik und Politik zur zweiten gehören. Die Logik, zu der Aristoteles durch seine Syllogistik und Dialektik entscheidend beiträgt, wird von ihm nur beiläufig als solche erwähnt, wenn er ihre Probleme von ethischen und naturphilosophischen unterscheidet; eine Philosophie nennt er die Logik nie. 5)  Vielmehr beschränkt er das Wort ›Philosophie‹ weitgehend auf eine theoretische Tätigkeit, in welcher für ihn auch die höchste Vollendung (Eudaimonie) des menschlichen Lebens liegt. Obwohl damit ein Bezug zum Ideal der Philosophie als Lebensform erhalten bleibt, wird das sokratische Ideal des philosophischen Lebens als Vollendung der politisch-praktischen Tugenden somit weitgehend aufgegeben: Mit Aristoteles wird die Philosophie Theorie, wenn auch eine zu glücklicher Tätigkeit führende Theorie – eine Position, mit der er bei Arabern und Universitätsphilosophen seit dem Mittelalter mehr Anhänger finden wird als in der Antike selbst.

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XI. Zusammenfassung: Etappen der ­Etablierung einer wissenschaftlichen Suche nach wahrer Erkenntnis Als entscheidende philosophische Entwicklung der klassischen Epoche lässt sich die zunehmend umfassende und differenzierte Diskussion über die Grundlagen wahrer Erkenntnis erkennen. Sie setzt bei Sokrates in Anbetracht ethischer Grundfragen an, wird aber bei Platon und Aristoteles nach und nach zu einer Grund­ legung der Wissenschaft als solcher, die den Namen ›Philosophie‹ auf sich zieht. Diese Entwicklung läuft in zwei auffälligen Etappen ab: Der Beginn der Epoche liegt in den Athener Debatten der (nach-)perikleischen Zeit, in der zum ersten Mal ethisch-politische Fragen, vor allem die nach der Tugend und ihrer Lernbarkeit, in den Mittelpunkt der philosophischen Debatte treten. Insofern wird, um mit Cicero zu sprechen, die Philosophie hier vom (kosmologischen) Himmel auf die Erde herabgeholt. Als entscheidend erweist sich im kritischen Fragen des Sokrates das Problem der Grundlagen des Wissens: Während der der sophistischen Lehre inhärente Relativismus und Amoralismus von vielen Bürgern Athens kritisch gesehen wird, zeigt vor allem Sokrates durch sein kritisches Nachfragen, dass die sophistische Lehre tatsächlich über keine hinreichende Begründung verfügt. Gerade das Konzept des wissenden Nichtwissens macht dabei deutlich, dass eine solche Grundlage auch für Sokrates nicht leicht zu gewinnen oder darzulegen ist, aber immer vorausgesetzt werden muss, wenn man zentrale Begriffe des Polis­lebens wie Tugend, Gerechtigkeit, Frömmigkeit usw. gebraucht. Die ethische Debatte verbindet sich damit mit der erkenntnistheoretischen Frage nach den Begrün­dungen geläufiger Begrifflichkeiten mit moralischen Konnotationen. Die zweite Phase besteht nach Sokrates’ Tod in der Auseinandersetzung um ein spezifisches Verständnis von Philosophie im Unterschied zur Sophistik bzw. Rhetorik. Dieses Programm kann als verbindendes Bemühen des Platon, des Isokrates und des Aristoteles angesehen werden. Dank ihrer Arbeit setzt sich spätestens im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts eine Verwendung des Wortes ›Philosophie‹ durch, in der dieses nicht mehr allgemein jedwedes Bildungsstreben kennzeichnet, sondern eine bestimmte Form der Bemühung um ein gutes Leben, nämlich eines, das dieses auf die richtige Erkenntnis des Guten stützen will. Die sokratische Grundfrage nach einer Erkenntnisweise, mit der eine Praxis als richtig begründet werden kann, bleibt dabei erhalten und wird von den Protagonisten verschieden beantwortet: Platon sieht sie in einer Erkenntnis von etwas unveränderlich Wahrem, den Ideen, und arbeitet an einer Methode, mit der diese erreicht werden können, der Dialektik. Noch mehr Gewicht gewinnt die Frage nach der rechten Vorgehensweise bei Aristoteles: Hier ist die Philosophie überhaupt durch die Apodeiktik als eine richtige Methode bestimmt, während ihr Gegenstand, alles Seiende, auch auf die unzureichende Weise der Sophistik oder Dialektik untersucht werden kann. Erhalten bleibt als Ziel die Erlangung von Weisheit, die aber ihr Ziel 318

Zusammenfassung

nicht mehr, wie in Platons ›Politeia‹, in politischer Aktivität findet, sondern in der theoretischen Erkenntnis selbst. Als zentrales Element der klassischen Epoche schält sich demnach die erkenntnistheoretische Bemühung um eine Begründung eines guten Lebens heraus, während die Art und Weise, in der die Bemühung geführt wird, und die Gegenstände, auf die sie angewandt wird, bei Sokrates, Platon und Aristoteles sehr unterschiedlich sind. Die Fokussierung auf Bedingungen der Erkenntnis des Wahren verbindet auch den Philosophie­begriff der drei Denker gegen Isokrates, dessen Bemühen um eine politische Lehre, die den sophistischen Relativismus vermeidet, eben nicht erkenntnistheoretisch abgesichert ist – weswegen es auch nicht in der Philosophie, sondern in der Rhetorik eine Fortsetzung findet. Demgegenüber handelt es sich bei den Errungenschaften des Sokrates, Platon und Aristoteles um den welthistorisch bedeutsamen Schritt, das Bemühen um Erkenntnis an sich lediglich aus dem Bedürfnis nach einer richtigen Deutung des menschlichen Lebens, aber unabhängig von bestimmten Gegenstandsinteressen, als ein menschliches Grundbedürfnis zu erkennen und langfristig zu etablieren. Vor diesem Horizont sind die historischen und institutionellen Aspekte dieses Prozesses zu verstehen: Wichtig ist bereits die wohl recht zwanglose Herausbildung eines in sich differenzierten Schüler- und Anhängerkreises um Sokrates, der dessen Polemik gegen die Sophisten nach seinem Tod fortführt. Entscheidend ist jedoch das Wirken Platons: Dieser macht nicht nur das neue Philosophieverständnis in brillanten literarischen Formen populär, sondern er erwirbt auch, wohl angeregt von den pythagoreischen Gemeinschaften, geeignete Räumlichkeiten, in denen Fragen der Wahrheitssuche gemeinschaftlich diskutiert und öffentlich gelehrt werden, ohne dass dies eine bezahlbare Leistung wäre. Die Akademie, die Platon an Speusipp und dieser an Xenokrates als Nachfolger weitergibt, befördert offensichtlich die wissenschaftliche Professionalisierung entscheidend, indem hier Philosophie und Mathematik aus eigenem Interesse betrieben sowie ihr Status und ihr Verhältnis auch zu anderen Gebieten diskutiert werden. Dies beschleunigt sich noch durch Aristoteles’ Aufnahme eines Lehr- und Forschungsbetriebs im Lykeion, der sich wieder stärker auf die Naturwissenschaft fokussiert und damit den inhaltlichen Anschluss an die Vorsokratiker in besonderem Maße herstellt. Das Feld der Philosophie, im Gegensatz zu dem der Wissenschaft, ist aber in seiner Breite nur unter Beachtung der übrigen Sokratiker zu verstehen. Unter ihnen sind vor allem die Kyniker wichtig, die sich zwar auf feste Grundüberzeugungen stützen, sich aber auch, im Gegensatz zum eher wissenschaftlich-zurückgezogenen Leben in Akademie und Peripatos, ganz einer öffentlichen, provokanten Lebensform widmen. In mindestens diesen zwei Varianten existiert am Ende der klassischen Epoche so etwas wie eine philosophische Szene, die ihre Tätigkeit jeweils als höchsten Ausdruck des Freiheitsideals versteht. Sie fordert ihr Umfeld zum einen heraus (viele Darstellungen aus Aristophanes’ ›Wolken‹ mögen auch ein Jahrhundert später noch zutreffen), zum anderen zieht sie es an, wie der von nun an stetige Strom der gebildeten Jugend nach Athen andeutet, der für die Stadt immer größere Bedeutung gewinnt. 319

Die klassische Epoche

1. Definitionen der Philosophie Die klassische Epoche entwickelt im Rahmen dieses Prozesses die wichtigsten Formeln, mit denen die Philosophierenden die ganze Antike hindurch (und auch in der Folgezeit) ihre Tätigkeit beschreiben, so dass diese als ›Definitionen‹ der Philosophie verstanden werden – obwohl sie in den Texten der klassischen Autoren nicht unbedingt so dargestellt werden. Zentral ist Platons, wohl von Pythagoras angeregtes, Lehrstück, die Philosophie als ein Streben nach der bzw. eine Liebe zur Weisheit zu charakterisieren, das sich im ›Lysis‹, im ›Symposion‹ und der ›Politeia‹ findet. Schlüsselelemente sind die sokratische Anerkennung des eigenen Nichtwissens als Voraussetzung der Wahrheitssuche sowie die Charakterisierung der Weisheit als wahre Erkenntnis ewiger Sachverhalte, der Ideen. Auf diese Weise ist die Philosophie als bewusste und entschiedene Suche nach einer absoluten Wahrheit in einer Weise charakterisiert, die einen Leitanspruch innerhalb der eigenen Kultur dezidiert vertritt, der sich im Ideal der Philosophenkönige auch politisch äußert. Von Platon stammen weiterhin die Formeln, für die Philosophierenden sei ein »Ähnlichwerden mit Gott, soweit es möglich ist« (ὁμοίωσις θέῳ κατὰ τὸ δυνατόν), ein angemessenes Ziel, und eine »Sorge um den Tod« (μελετὴ τοῦ θανάτου) könne man ihre Tätigkeit typischerweise nennen. Beide Formeln stehen im Zusammenhang mit der platonischen Seelen- und Ideenlehre: Aufgrund ihrer prinzipiellen Trennbarkeit vom Körper ist die unkörperliche Seele fähig zu wahrer Erkenntnis, nämlich der der Ideen und der durch sie begründeten Ordnung, aus der sich die Tugenden erklären, sowie unsterblich. Folglich betonen die beiden Formeln die Beschäftigung der Philosophierenden mit der Herauslösung aus dem Zusammenhang der körperlichen Welt in verschiedener Weise und machen auf die angenommene Fähigkeit der Philosophie aufmerksam, die Grenzen des menschlichen Lebens zu überschreiten. Aristoteles definiert die Philosophie bzw. ihre Höchstform, die zur Weisheit führt, hingegen als Wissenschaft vom Sein als solchen (τὸ ὂν ᾗ ὄν). Damit betont er den Akzent seines eigenen Philosophiebegriffs auf einer allgemeinen, durch wissenschaftliche Methodik abgesicherten Erkenntnis aller Objekte überhaupt. Auch auf diese Weise wird die Philosophie im eigentlichen Sinne als eine Höchstform theoretischer Arbeit dargestellt.

2. Einteilungen der Philosophie Auch in Bezug auf die Einteilungen der Philosophie werden in der Klassischen Epoche die Grundlagen für die Folgezeit gelegt. Die entscheidende Figur hierfür ist Aristoteles: Einerseits kennt er bereits eine Einteilung philosophischer Pro­ bleme in solche der Logik, der Ethik und der Physik, die offenbar auch in der 320

Zusammenfassung

zeitgenössischen Alten Akademie benutzt wird. Diese zunächst wohl lockere Einteilung wird, vermittelt über die Stoa und den kaiserzeitlichen Mittelplatonismus und Aristotelismus, die Philosophie in der Antike langfristig prägen. Für Aristoteles charakteristischer ist die Einteilung aller Disziplinen in theoretische, praktische und poietische, wobei die theoretischen wiederum in Erste Philosophie  /  Theologie bzw. Philosophie im engeren Sinn, Physik  /  Naturphilosophie bzw. zweite Philosophie und Mathematik eingeteilt werden. Diese Einteilung richtet sich nach den verschiedenen Gegenständen der jeweiligen Disziplinen, hat aber einen hierarchischen Zug, insofern die Erste Philosophie als ihre allgemeinste und typische Form das Idealbild einer Philosophie bzw. Wissenschaft ist, das von den anderen für ontologisch definierte Teilgebiete ausgearbeitet wird. Eine analoge Abstufung besteht auch innerhalb der einzelnen Disziplinen, z. B. ist die Prinzipienwissenschaft bzw. Theologie als Ursachenlehre der wichtigste Bestandteil der Ersten Philosophie als allgemeiner Seinswissenschaft. Einen entsprechenden Vorrang genießen auch die theoretischen Disziplinen zu den praktischen, der Ethik und der Politik, die allenfalls gelegentlich ›Philosophie‹ genannt werden. Die poietischen Disziplinen sind eher Fertigkeiten bzw. Künste (τέχναι) als Wissenschaften und werden deswegen von Aristoteles wohl nicht zur Philosophie gerechnet. Offen ist dies bei der Logik, die von ihm intensiv betrieben und zur Charakteristik der Philosophie genutzt, aber nicht selbst als solche bezeichnet wird.

3. Philosophie und Fachwissenschaften Nachdem schon zur Zeit des Peloponnesischen Krieges mathematische Studien in den Athener Schulen betrieben werden,1 sind für Platon und Aristoteles die mathematischen Disziplinen Teile der Philosophie (bei Aristoteles) oder zumindest für deren vollständiges Verständnis erforderlich (bei Platon). Philosophie und Mathematik werden vor allem in der Akademie gemeinsam betrieben, wobei die mathe­matischen Disziplinen gerade bei Platon zum Modell eines wissenschaftlichen philosophischen Vorgehens werden. Eine Sonderstellung hat die Medizin, die als typisches Beispiel für eine von Experten ausgeübte Fertigkeit bzw. Kunst (τέχνη) bei beiden gerne als Beispiel herangezogen wird. Trotz gegenseitiger Einflüsse,2 auch auf methodischer Ebene, bleiben aber Philosophie und Medizin als unabhängige Disziplinen nebeneinander bestehen, ohne dass im klassischen Athen ihre Interaktion eine zentrale Rolle einnähme.

1

  Aristophanes, Nubes 200–217.   Vgl. oben S. 124–128.

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Die klassische Epoche

4. Philosophie und Rhetorik Das Verhältnis von Philosophie und Rhetorik entwickelt sich in der klassischen Epoche aus der Auseinandersetzung des Sokrates, seiner Schüler und des Isokrates mit der Sophistik sowie den rhetorischen Leistungen eines Demosthenes, Lysias und Aischines. Platon und Isokrates grenzen sich hierbei vom sophistischen Relativismus auf unterschiedliche Weise ab und begründen so eine Unterscheidung der Begriffe Philosophie und Rhetorik, die bei Alkidamas noch nicht unterschieden werden: Während Isokrates die Philosophie als eine Rhetorik definiert, welche aber darauf abzielt, eine Praxis gemäß den Werten der Polis zu vermitteln, unterscheidet Platon deutlich zwischen Philosophie und Rhetorik und konfrontiert, namentlich im ›Gorgias‹, die sokratische bzw. dialektische Wahrheitssuche in Frage und Antwort mit der rhetorischen Überzeugungskraft durch lange Reden. Damit legt er die Grundlage für die antike Rivalität von Rhetorik und Philosophie. Für Aristoteles und einige Akademiker gehört die Rhetorik hingegen zu den Fertigkeiten, die philosophisch analysiert und gelehrt werden können, wie er in seiner eigenen Rhetoriktheorie zeigt – deren Nutzen für die praktische Ausbildung zum guten Redner aber entsprechend gering bleibt.

5. Philosophie und Religion Das Verhältnis der Philosophie zur Religion wird in klassischer Zeit unter schwierigen Vorzeichen diskutiert: Der Entwicklung, dass die Gottlosigkeit bzw. Asebie in den Prozessen gegen Anaxagoras, Aspasia und Sokrates zum Standardvorwurf gegen Wahrheitssuchende geworden ist, steht eine deutliche religiöse Signatur des Wirkens von Sokrates und Platon gegenüber: Sokrates beruft sich in der von Platon verfassten ›Apologie‹ sowohl auf einen Orakelspruch aus Delphi als auch auf persönliche Anweisungen eines Daimonion. Platon kritisiert ethisch zweifelhafte Götterbeschreibungen bei Homer, benutzt aber selbst religiöse Redeformen wie den Mythos und verschiedene bildliche Formen zum Transport bestimmter Vorstellungen, namentlich von Seelenwanderung und Totengericht. Zugleich arbeitet er in den ›Nomoi‹ geeignete religiöse Vorstellungen für den Staat heraus und gibt den Göttern auch in der Naturphilosophie des ›Timaios‹ einen Platz, was durch die Transzendenz der Seele und der Ideen in seinem Denken noch erleichtert wird. Auch wegen deren begrenzter Zugänglichkeit für ein rein rationales Argumentieren lässt sich bei Platon keine exakte Grenze zwischen Mythos und Logos, zwischen Wissenschaft und Religion ziehen. Trotzdem sind die von ihm geschilderten religiösen Vorstellungen ihrerseits an rationalen Annahmen, auch über die Grenze der Rationalität, orientiert und stützen einen traditionellen Kult nur insofern, als er rational gedeutet bzw. ihm argumentativ ein Sinn im Leben gege322

Zusammenfassung

ben werden kann.3 Damit begründet Platon einen philosophischen Umgang mit Religion, der die ganze Antike hindurch wirksam bleibt. Bei Aristoteles tritt die religiöse Komponente im überlieferten Werk etwas zurück, und der unbewegte Beweger hat vor allem eine naturphilosophische Funktion. Würden wir aber seine Dialoge kennen, könnte sich ein Bild ergeben, das dem Vorgehen Platons nicht unähnlich ist.

6. Philosophie und Politik Wie der ›Siebte Brief‹ Platons bezeugt, der wohl zumindest von einem guten Kenner der Sachlage stammt, bildet die politische Situation vor allem in Athen einen wesentlichen Ausgangspunkt für die Philosophie der klassischen Epoche: Offenbar sind es die negativen Erfahrungen mit der Übergriffigkeit der 30 Tyrannen und der Tod des Sokrates, die Platon an seinem Wunsch nach politischer Aktivität verzweifeln lassen und Anlass zu der Maxime geben, die Übel des Menschen­ geschlechts würden kein Ende finden, bevor nicht die Philosophen herrschen oder die Herrschenden philosophieren.4 Dieser Anspruch wird eines der treibenden Motive der Behandlung des Politischen in der klassischen Epoche und wird namentlich in Platons ›Politeia‹ zum Anspruch der Herrschaft der Philosophen, die mit der Idee des Guten das absolut Gute erkennen und deswegen gut herrschen können. Eine Alternative zu diesem Anspruch sind Konzeptionen eines idealen, gut organisierten Staates ohne Gesetzesherrschaft, wie sie in Platons ›Nomoi‹ und den Büchern 7–8 der aristotelischen ›Politik‹ beschrieben werden. Ganz anders geartet ist die Behandlung politischer Fragen in Aristoteles’ Sammlungen von Verfassungen und den übrigen Büchern der ›Politik‹, die, unter gewissen teleologischen Vorzeichen, gemäß Aristoteles’ generellem Ansatz eher eine theoretische Behandlung des Politischen bilden. Unter diesen Vorzeichen erhält aber auch beim Stagiriten die Philosophie eine besondere Perspektive, in der sich der herausgehobene Rang ausspricht, der ihr in klassischer Zeit zugeschrieben wird, ohne die negativen Beiklänge gegenüber der Politik aufzuweisen, die in Platons ›Theaitet‹ die Einführung der Idee des Ähnlichwerdens mit Gott begleiten: »›Für Knechte gibt es‹, wie das Sprichwort sagt, ›keine Muße‹. […] Wenn sich etwa einige, wie die Dichter sagen, ›auf den Inseln der Seligen‹ aufhalten […], werden diese ganz besonders der Philosophie, der Besonnenheit und der Gerechtigkeit bedürfen, umso mehr als sie frei vom Begehren solcher (alltäglicher) Güter die Muße pflegen«.5 3

  Vgl. in diesem Sinne etwa Snell, Die Entdeckung des Geistes, 41 f.   Plato (?), Epistula 7, 324b–326b. 5   Κατὰ γὰρ τὴν παροιμίαν, οὐ σχολὴ δούλοις. […] εἴ τινές εἰσιν, ὥσπερ οἱ ποιηταί

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Die klassische Epoche

PRAK TISCHE HINWEISE In Anbetracht der wenigen relevanten Autoren und ihrer großen Bekanntheit sind die Denker der klassischen Epoche sowie ihre Texte meist gut zugänglich. Will man jedoch einen Gesamtüberblick gewinnen, der auch das Umfeld einbezieht, oder setzt man sich näher mit der philologischen Absicherung der Textbasis auseinander, begegnen Pro­ bleme, die für die Beschäftigung mit antiker Philosophie typisch sind: Die Texte der Sophisten sind recht vollständig in H. Diels  /  W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd.  1–3, Berlin 51934–1937, greifbar. Als Hinführung zu den Texten und Editionen ist v. a. G. B. Kerferd  /  H. Flashar, Die Sophistik, in: H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike (GGPh) 2, 1, Basel 1998, 1–137 nützlich. Die Forschungssituation zu Sokrates ist wegen ihrer Quellenvielfalt komplex. Während die platonischen und xenophontischen Werke sehr gut zugänglich und erschlossen sind, gilt dies für die spärlich erforschten kleinen Sokratiker in weit geringerem Maße. Doch sind gerade für diese Autoren die relevanten Fragmente mit guten Quellenangaben und Kommentar gesammelt bei Socratis et Socraticorum reliquiae (SSR). Collegit, disposuit, apparatibus notisque instruxit G. Gian­nantoni, vol. 1–4; o. O. [Neapel] 1990. Eine neue Edition gibt es von den Fragmenten des Aischines von Sphettos: F. Pentassuglio, Eschine di Sfetto. Tutte le testimonianze, Turnhout 2017. Die platonischen Werke sind in mehreren Editionen greifbar, von denen die um 1900 entstandene Oxford-Ausgabe (Platonis Opera, recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ch. Burnet, Bd.  1–5, Oxford 1899–1907) und die Sammlung der Werke mit französischer Übersetzung in der Pariser Budé-Ausgabe (Platon, Œuvres complètes [Collection des Universités de France, publié sous le patronage de l’Association Guillaume Budé]), die seit den 1920er Jahren entstanden, hervorzuheben sind. Der Budé-Text mit kritischem Apparat findet sich auch in der griechisch-deutschen Gesamtausgabe Platon, Werke in acht Bänden. Griechisch und Deutsch, herausgegeben von G. Eigler, Darmstadt 1977. Demgegenüber ist die neue Oxford-Ausgabe der 90er Jahre (Platonis Opera, recognoverunt brevique adnotatione critica instruxerunt E. A. Duke et al., Oxford 1995) bislang nicht über einen ersten Band herausgekommen. Für die Arbeit an den platonischen Texten sind diverse Einzelkommentare und Übersetzungen unterschiedlicher Qualität verfügbar, doch verdient die Reihe ›Platon, Werke. Übersetzung und Kommentar‹. Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Mainz herausgegeben von E. Heitsch, C. W. Müller und K. Sier« als aktuelle deutsche und auf Vollständigkeit angelegte Kommentierung besondere Erwähnung. Vor allem kürzere einführende Überblicksdarstellungen zu Platon gibt es viele, dagegen weniger umfassende Hinführungen zu Platons Werk. Hervorzuheben sind daher: M. Erler, Platon = H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike (GGPh) 2, 2, Basel 2007; Ch. Schäfer (Hrsg.), Platon-Lexikon, Darmstadt 2007;

φασιν, ἐν μακάρων νήσοις μάλιστα […] οὗτοι δεήσονται φιλοσοφίας καὶ σωφροσύνης καὶ δικαιοσύνης, ὅσῳ μᾶλλον σχολάζουσιν ἐν ἀφθονίᾳ τῶν τοιούτων ἀγαθῶν. Aristoteles, Politica 7, 15, 1334a 20 f. 30–34.

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Praktische Hinweise

Ch. Horn  /  J. Müller  /  J. Söder (Hrsg.), Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, München 22017. Für die Texte aus der Alten Akademie gibt es einige Fragmentensammlungen, unter denen die Sammlungen zu Xenokrates (Senocrate. Ermodoro, Frammenti. Edizione, traduzione e commento a cura di M. Isnardi Parente, Neapel 1982) und Speusipp (Speusippo, Frammenti. Edizione, traduzione e commento a cura di M. Isnardi Parente, Neapel 1980) herausragen. Die pseudo-platonischen Texte einschließlich der ›Definitionen‹ sind jedoch unter den Werken Platons überliefert und in deren Editionen leicht zugänglich, während es für die ›Divisiones Aristotelicae‹ eine eigene Edition gibt (Divisiones quae vulgo dicuntur Aristoteleae. Praefatus edidit testimoniisque instruxit H. Mutschmann, Leipzig 1906). Einen guten Überblick bietet H. Krämer, Die Ältere Akademie, in: H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike (GGPh) 3. Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos, Basel 22004, 1–165. Die editorische Situation der aristotelischen Werke ist anders als die der Werke Platons nicht einheitlich, weil die einzelnen Werke nach der Gesamtedition Immanuel Bekkers (Aristotelis Opera, ed. I. Bekker, vol. 1–2, Berlin 1831, Nachdruck 1960), deren Seitenzählung heute noch zur Zitation dient, separat ediert wurden, so dass die Qualität der Editionen variieren kann. Das ist insofern relevant, als zumindest für einige aristotelische Werke eine stilistisch eingreifende Bearbeitung wohl aus byzantinischer Zeit nachgewiesen ist (A. Dreizehnter, in: Aristoteles’ Politik. Eingeleitet, kritisch herausgegeben und mit Indices versehen von A. Dreizehnter [Studia et testimonia antiqua 7], München 1970, XXI–XXIII). Inwieweit sich das jedoch auf die Texte der einzelnen Werke auswirkt, ist vielfach unklar, weil die meisten, auch wichtigen Werke wie ›Nikomachische Ethik‹, ›Physik‹ und ›Metaphysik‹ fast nur in alten Editionen vorliegen, die den Handschriftenbestand nicht angemessen abbilden und daher keinen abgesicherten Text bieten (vgl. D. Frede, in: Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von D. Frede, Berlin  /  Boston 2020, 1, 217–221). Für einige Werke, die in jüngerer Zeit ediert (z. B. Aristotle’s De motu animalium. Text with Translation, Commentary and Interpretative Essays by M. C. Nussbaum, Princeton 1978) oder teilweise reediert wurden (St. Alexandru, Aristotle’s Metaphysics Lambda. Annotated Critical Edition Based Upon a Systematic Investigation of Greek, Latin, Arabic, and Hebrew Sources, Leiden  /  Boston 2014), ist die Situation entsprechend besser. Es ist jedoch nicht zu vermuten, dass diese Schwäche des philologischen Fundaments der derzeitigen Editionen die inhaltliche Erschließung der aristotelischen Werke massiv beeinflusst. Zu dieser gibt es naturgemäß eine ganz uferlose Sekundärliteratur, doch, ebenso wie bei Platon, eine Reihe deutscher Kommentare, deren veraltete Vorläufer nach und nach durch aktuelle und gute Ausgaben ersetzt werden: ›Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung‹. Begründet von E. Grumach, fortgeführt von H. Flashar, herausgegeben von Ch. Rapp, Berlin  /  Boston. Als gute Überblicke über den Forschungsstand mit einer gewissen Tiefendimension können v. a. H. Flashar, Aristoteles, in: H. Flashar (Hrsg.), Die Philosophie der Antike 3. Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos (GGPh), Basel 22004, 167–492, sowie Ch. Rapp  /  K. Corcilius (Hrsg.), Aristoteles-Handbuch. ­Leben – Werk – Wirkung, Berlin 2 2021, empfohlen werden. 325

C. Die hellenistische Epoche Die Entfaltung der philosophischen Schulen und Lebensformen

I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

1. Historische Bemerkungen zur Abgrenzung der Epoche Der Terminus ›hellenistische Philosophie‹ bezeichnet üblicherweise die philosophische Aktivität zwischen dem späten 4. und dem 1. Jahrhundert v.  Chr., umfasst also etwa die Zeit vom Tod des Aristoteles 322 bis zum (Wieder-)Aufkommen des (Mittel-)Platonismus und des Aristotelismus nach dem Bekanntwerden des gesamten Corpus Aristotelicum. Ferner sind die Zerstörung Athens und zumindest einiger Philosophenschulen durch Sulla 88 v.  Chr. ein einschneidendes Ereignis für den philosophischen Epochenwechsel zur Kaiserzeit, welcher somit in etwa mit der historischen Epochenabgrenzung zwischen hellenistischer bzw. (in Rom) republikanischer Zeit und römischer Kaiserzeit zusammenfällt. Diese Einteilung hat eine lange Geschichte, bei der vorwiegend die Namen und Kriterien für die Abgrenzung einem gewissen Wandel unterliegen: Hegel fasst die Epoche nach Aristoteles durch den Gegensatz von »dogmatische[r] und skeptische[r] Philosophie«, den er bei Stoa und Epikur einerseits und bei den Akademikern und Pyrrhoneern andererseits verortet. Ein klares Ende dieses Zeit­ abschnitts fehlt, da Hegel einerseits Sextos Empirikos (2. Jhdt.) noch zur selben Epoche rechnet, andererseits aber die hieran anschließende »neuplatonische Philosophie« mit Philon von Alexandrien und den Gnostikern, also etwa um die Zeitenwende, beginnen lässt.1 In Zellers ›Philosophie der Griechen‹ sowie in Praech­ ters ›Philosophie des Altertums‹ wird die hellenistische Philosophie ebenfalls noch unter expliziter Erwähnung »von Stoicismus, Epikureismus und Skepsis« beschrieben, aber bereits, innerhalb eines Großkapitels zur »nacharistotelischen« (Zeller) oder zur »hellenistisch-römischen Philosophie« (Praechter), von der Zeit ab etwa Christi Geburt abgegrenzt, die ihrerseits, wie bei der Behandlung der Kaiserzeit zu besprechen ist, unterschiedlich bezeichnet wird.2 In neuerer Zeit hat sich, in Anlehnung an die zuerst von Gustav Droysen benutzte Bezeichnung ›Hellenismus‹, für diese Epoche die Bezeichnung ›hellenistische Philosophie‹ durchgesetzt. Allerdings liegt der Beginn der philosophischen Epoche mit dem Tod des

1

  G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 3. Griechische Philosophie 2. Platon bis Proklos, hrsg. von P. Garniron  /  W. Jaeschke, Hamburg 1996, V. 2   E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung 3, 1. Die nacharistotelische Philosophie, Leipzig 31880, IX–XIII (= 51923, V–IX); K. Praechter, Die Philosophie des Altertums, Berlin 121926, XVf.

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Die hellenistische Epoche

Aristoteles deutlich später als der Zeitpunkt um die Mitte des 4. Jahrhunderts, zu dem der ›Hellenismus‹ aus historischer Sicht beginnt.3

2. Zusammenfassende Charakteristika der hellenistischen ­Philosophie Trotz dieser langen Tradition einer Abgrenzung von anderen Epochen sind die Besonderheiten der ›hellenistischen Philosophie‹, welche deren Ansetzung als eine eigene philosophiegeschichtliche Epoche begründen, nicht leicht anzugeben. Schon die Charakterisierung durch Aufzählung der Schulen bei Zeller und Praech­ter deutet ja auf eine gewisse Ratlosigkeit hin. Zwei Charakterisierungsvorschläge, die an ganz unterschiedlichen Aspekten philosophischen Arbeitens ansetzen, finden sich noch in neueren Darstellungen: Die schon bei Hegel zu findende Beschreibung der hellenistischen Philosophie durch den scharfen Gegensatz zwischen der strikten, ›dogmatischen‹ Wahrheitsbehauptung der Stoiker und, in geringerem Maße, der Epikureer sowie der ›skeptischen‹ Bestreitung eines solchen Anspruches durch die jüngere Akademie,4 stellt ganz auf die Gestalt der theoretischen philosophischen Entwürfe der Zeit ab. Demgegenüber zielt die Charakterisierung der hellenistischen Philosophie durch ihren Fokus auf eine individuelle Ethik auf die praktisch-lebensleitende Seite der Philosophie. Der Erfolg der philosophischen Schulen beim Publikum wird in dieser Perspektive auf die geistige und soziale Situation der Zeit zurückgeführt, da die politische Bedeutungslosigkeit der Poleis in den hellenistischen Großreichen den Einzelnen nach Möglichkeiten individueller Vollendung habe suchen lassen.5 Aus diesem Blickwinkel stellt neuerdings z. B. John M. Cooper die theoretischen Entwürfe der hellenistischen Philosophen als Hilfsmittel (ancillary) für deren praktische Lebensentwürfe dar, während er ihnen abspricht, an philosophischer Argumentation als solcher interessiert zu sein.6 3

  Vgl. H. Flashar  /  W. Görler, Die hellenistische Philosophie im allgemeinen, in: DPhA 4, 1 (1994), 3–28. 4   Eine solche Charakterisierung findet sich neuerdings z. B. noch bei V. Hösle, Wahrheit und Geschichte. Studien zur Struktur der Philosophiegeschichte unter paradigmatischer Anwendung der Entwicklung von Parmenides bis Platon, Stuttgart  /  Bad Cannstatt 1984, 638–664. 5   Vgl. aus neuerer Zeit z. B. H. Jones, The Epicurean Tradition, London 1992, 6–13; M. Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3. Stoa, Epikureismus und Skepsis, München 21995, 14–25, der gar von einem »Primat der praktischen Vernunft« in hellenistischer Zeit spricht. Kritisch dazu P. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, Paris 1996, 147; M. Forschner, Die stoische Ethik. Über den Zusammenhang von Natur-, Sprach- und Moralphilosophie im altstoischen System, Darmstadt 21995, 258–260. 6   Vgl. z. B. J. M. Cooper, Pursuits of Wisdom. Six Ways of Life in Ancient Philosophy from Socrates to Plotinus, Princeton 2012, 216 f., 274–276.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

Im Hinblick auf die Schwächen dieser beiden Begründungsansätze – der erste betrachtet die Philosophie isoliert von ihren Zeitumständen und der zweite berücksichtigt die Möglichkeiten, welche auch die hellenistischen Poleis ihren Bürgern bieten, nur unzureichend – charakterisieren neuere Ansätze die hellenistische Philosophie anhand mehrerer Aspekte zugleich: Während John Sellars die praktische Dimension der hellenistischen Philosophie immerhin durch Hinweise auf die theoretischen Interessen ihrer Vertreter auszubalancieren sucht,7 führen Hellmut Flashar und Waldemar Görler nicht weniger als acht kennzeichnende Aspekte der Epoche an, die sich etwas verkürzt folgendermaßen zusammenfassen lassen: 1.  Die hellenistische Philosophie findet in erster Linie in Athen statt, von wo sie in viele Gebiete der hellenistischen Welt ausstrahlt. 2.  Ort der Philosophie sind in erster Linie die Schulen, die meist in Athen ihr stabiles Zentrum mit eigenem Vermögen und organisierten Nachfolgeregelungen haben. 3.  Inhaltlich ist der Systemcharakter für hellenistische Philosophie typisch, welcher sich in lernbaren ›Hauptlehrsätzen‹ konstituiert. Genau diese relativ stabile Systematik wird von der jüngeren Akademie konstant bekämpft. 4.  Durch die Diskussionen zwischen den Schulen kommt es zu steten Veränderungen an den Details der Systeme, obwohl die Kernsätze gleich bleiben. 5.  Die hellenistischen Schulen beruhen auf älteren Ansätzen, wobei sie entweder Platon und Aristoteles oder auch vorsokratische Ansätze ausbauen. 6.  Es besteht eine relativ klare Trennung von Philosophie und Fachwissenschaften, die meist außerhalb Athens gelehrt und von den meisten Philosophen weitgehend ignoriert werden. 7.  Es gibt innerhalb der Philosophie eine Akzentverschiebung zur Ethik hin, welche sich an das Individuum richtet. 8.  Trotzdem gibt es keine »völlige Entpolitisierung«, da es Philosophen mit Kontakten zu Politikern gibt.8 Trotz der Differenziertheit dieser Aufzählung, welche soziale und historische Aspekte ebenso berücksichtigt wie die Form der philosophischen Theorien, ist sie doch in mehreren Punkten unbefriedigend: a)  Die philosophisch-inhaltliche Dimension ist auffällig unterbelichtet: Der ­bereits von Hegel benannte systematische Gegensatz von Dogmatismus und Skeptizismus spielt allenfalls eine untergeordnete Rolle, und die inhaltlichen Grundstrukturen der hellenistischen Philosophie sind ebenfalls nicht prominent erwähnt: Weder die Beschränkung der spezifisch hellenistischen Erkenntnistheorie auf die naturphilosophisch erfassbare Welt (und die sich hieran anschließenden Fragen etwa nach dem Verhältnis zur Religion) noch die Debatte über das Lebensziel als Teil eines metaphilosophischen Diskurses tauchen überhaupt auf. 7

  Vgl. J. Sellars, Hellenistic Philosophy, Oxford 2018, 181–207.   Vgl. Flashar  /  Görler, Die hellenistische Philosophie im Allgemeinen, 4–8.

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Die hellenistische Epoche

b)  Die Aufzählung scheint teils nach dem Ja-Aber-Modus zusammengestückelt: Zwar sind die hellenistischen Schulen systembildend (3.), aber zugleich offen für Kritik, weswegen sie sich trotzdem weiterentwickeln (4.). Zwar sind sie vorwiegend an individueller Ethik interessiert (7.), aber trotzdem nicht apolitisch (8.). Hier lässt sich kein einigender Gesichtspunkt erkennen, der diese Punkte inte­grie­ren könnte. c)  Die Aufzählung liefert keine abgrenzende Bestimmung der hellenistischen Philosophie, da die meisten Punkte auch auf andere Epochen zutreffen: Das Zentrum in Athen gibt es auch schon in klassischer Epoche, in Schulen organisiert ist die Philosophie fast die ganze Antike hindurch, Offenheit für Kritik und bestimmte Formen einer Distanz zur Politik lassen sich für fast alle Epochen antiker Philosophie behaupten. Diese Anfragen lassen es angeraten erscheinen, die genannten Punkte aus einem stärker philosophischen Blickwinkel neu zu ordnen, weiter auszudifferenzieren und zu ergänzen. Eine entsprechende Liste, deren genauere Begründung sich aus den folgenden Seiten ergeben wird, kann etwa folgendermaßen ausgehen: 1.  Die hellenistische Epoche der Philosophie ist in erster Linie gekennzeichnet durch die Debatten zwischen den dogmatischen Stoikern und Epikureern sowie den skeptischen Akademikern, welche deren Dogmen bestreiten. Dies zeigt sich in drei Gesichtspunkten: a)  Die typisch hellenistischen Philosophien zielen auf ein tugendhaftes Leben ab, das nicht einfach als solches, sondern nur in Verbindung mit einem geeigneten Theorierahmen gelehrt werden kann. Ein solcher Rahmen ist eine Theorie über den Grundaufbau der Welt und die Stellung des Menschen darin – ›das Wissen über das Göttliche und das Menschliche‹ –, welche ausreicht und darauf angelegt ist, eine tugendhafte Lebensführung zu begründen. Man kann dies als Zusammenführung der akademischen und aristotelisch-peripatetischen Beschäftigung mit theoretischen Fragen mit der primär (lebens-)praktischen, skeptisch angehauchten Tendenz der sokratischen Tradition verstehen. b)  Eine solche Theorie ist in ihrer praktischen Dimension darauf fokussiert, ein richtiges Ziel für ein gutes Leben anzugeben, so dass die Frage, worin die Eudaimonie bzw. das gute Leben besteht – in der Tugend, in der Freude (ἡδονή) oder in einer Urteilsenthaltung – als definitorisch für die Form von Philosophie angesehen werden kann, welche eine bestimmte Schule lehrt. Damit zeigt sich eine beträchtliche Eigendynamik der Philosophie, die nun selbst Begriffe des ­guten Lebens entwickelt, anstatt solche ihrer Umwelt zu reflektieren. c)  Die für eine solche Theorie notwendige Gewissheit wird durch erkenntnistheoretisch-logische und naturphilosophische Thesen verbürgt, welche sich auf die sinnlich wahrnehmbare Welt und ihre rationale Erklärung beschränken. Im Unterschied zur vorhergehenden und zur nachfolgenden Epoche spielt eine Metaphysik, für die der Status unkörperlicher Entitäten zentral ist, nur eine geringe Rolle, was als distinktives Merkmal der hellenistischen Philosophie gelten kann. 332

Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

2.  Die hellenistische Philosophie ist insofern wesentlich eine ›Schulphilosophie‹, als das unter 1. genannte Angebot, für das offenbar eine Nachfrage unter den Menschen der Zeit besteht, nur in einer hinreichend festen Institution dauerhaft vermittelt werden kann, was zur weiteren Entwicklung der von Platon begründeten philosophischen Schulstrukturen hin zum typisch antiken Modell der ›Philosophenschule‹ führt. Auch hierzu lassen sich drei erläuternde Thesen formulieren: a)  Mit der hellenistischen Zeit entsteht die für die spätere Antike typische Situation, dass jeweils eine von fünf philosophischen Richtungen (Peripatos  / Aristotelismus, Akademie  /  Platonismus, Stoa, Epikur, in spezifischer Weise der Kynismus; nur die pyrrhonische Skepsis kommt später noch hinzu) eine eigene, in sich relativ geschlossene Form der philosophischen Lehre von Generation zu Generation weitergibt. Es gibt also eine Art Lehrstoff, und die Entwicklung geeig­neter Lehrmethoden wird zu einer zentralen Aufgabe. b)  Die für die hellenistische Zeit typische Form dieser Schulen ist die einer dauerhaften Institution in Athen, die zugleich Tochterschulen an anderen Orten hat. Die Konstanz lässt sich für Athen daran ablesen, dass hier offenbar bis 86 v.  Chr. in den vier Hauptrichtungen eine regelmäßige Weitergabe der Schulleitung (διαδοχή) an Nachfolger tatsächlich stattfindet, welche die antike Philosophiegeschichtsschreibung ansonsten häufig fiktiv rekonstruiert. Eine vergleichbare regelmäßige Weitergabe einer zentralen Schulleitung ist in ­keiner anderen Epoche der antiken Philosophie so verbreitet. c)  Die Wirkung des Athener Zentrums auf eine Peripherie, welche die gesamte hellenistische Welt bis nach Rom umspannt, ist dermaßen stark, dass die in Athen gelehrte und professionell betriebene ›Schulphilosophie‹ sich als Bildungsgut in diesem gesamten Kulturraum durchsetzt. Dies führt zum Zustrom von Schülern nach Athen und zu Aktivitäten ehemaliger Schüler in unterschiedlichen Funktionen und an verschiedenen Orten, so dass ›der Philosoph‹ ein in der gesamten hellenistisch-römischen Welt bekanntes Rollenmodell wird, ohne dass alle Anhänger der Philosophie bzw. alle ›Philosophen‹ gleich zu Fachphilosophen im Sinne der Athener Schulen würden. 3.  Hinsichtlich des Verhältnisses der Philosophie zu anderen Disziplinen und Kulturtechniken impliziert die Konsolidierung von Philosophenschulen mit ­einem bestimmten Lehrprogramm eine inhaltliche Abgrenzung. Diese Abgrenzung wird von den Philosophielehrern gerne betont, obwohl das faktische Verhältnis der Philosophie zu ihren Nachbardisziplinen komplex ist und es durchaus, möglicherweise nicht selten, vorkommt, dass Personen, die den Philosophenschulen angehören oder dies von sich behaupten, auch weitere Disziplinen praktizieren. a)  Ungeachtet der Tatsache, dass das platonische Philosophenkönigtum von kaum jemandem in hellenistischer Zeit als Ideal propagiert wird, sind politische Aktivitäten von Philosophen bzw. Menschen, die sich selbst als solche verstehen, weit verbreitet. Die historische Forschung legt nahe, dass solche Aktivitäten weniger als Realisierung bestimmter Philosophie-Ideale zu sehen sind, sondern eher 333

Die hellenistische Epoche

aus den Erwartungen an Mitglieder der hellenistischen (und römischen) Oberschichten resultieren, zu denen die politisch aktiven Philosophen normalerweise gehören. b)  Gegenüber der überlieferten Religion sind die hellenistischen Philosophen tendenziell kritisch eingestellt, wobei die Stoiker und einige Peripatetiker einer positiven Deutung von Religion noch am nächsten kommen. Tatsächlich findet mithilfe der uns durch Varro bekannten ›dreigeteilten Theologie‹ (theologia tripertita) eine gewisse Immunisierung der verschiedenen Diskurse über Religion voneinander statt. Dabei wird die philosophisch-argumentative Rede über das Göttliche als persönliche bzw. schulinterne Rationalisierung verstanden, welche nicht im Widerspruch zum Weiterlaufen der Kultpraxis in den Poleis und der Teilnahme (einzelner) Philosophen an ihr steht. Diese Strategie ermöglicht eine friedliche Koexistenz einer teils religionskritischen Philosophie und der durch sie ­infrage gestellten Kulte, verhindert aber einen gesamtgesellschaftlichen Rationalisierungsdiskurs. c) Gegenüber den Fachwissenschaften rufen die Lehrer der Philosophie grundsätzlich dazu auf, sich auf das philosophisch Wesentliche zu konzentrieren, wozu diese nicht gehörten. Das schließt keineswegs gegenseitige inhaltliche Anleihen und persönliche Aktivitäten auf beiden Gebieten aus; eine Metatheorie, welche beide Bereiche abgrenzend vereint, scheint auf wenige späte Stoiker, v. a. Poseidonios, beschränkt zu sein. Die Situation der Rhetorik ist insofern speziell, als sie zum stoischen Curriculum in gewisser Weise sowieso gehört, doch scheint vor allem die Inkulturation in Rom dazu zu führen, dass auch Angehörige anderer Schulen die Berechtigung rhetorischen Unterrichts theoretisch und praktisch stärker anerkennen. Bei all diesen Charakterisierungen gilt es, die Kontinuität zwischen der hellenistischen und der Kaiserzeit nicht aus dem Blick zu verlieren: Sie zeigt sich im Weiterbestehen von Stoa und Epikureismus ebenso wie in den, vor allem dank jüdischer Quellen erschließbaren, aber wenig dokumentierten Vorläufern des Mittelplatonismus in hellenistischer Zeit. Es gibt somit zwischen beiden Epochen einen breiten, nicht scharf unterbrochenen Entwicklungsprozess. Trotzdem scheint – gerade auch weil in der Kaiserzeit mit Mittelplatonismus und Christentum die einflussreichsten Phänomene für die kommende Entwicklung auftreten, die in hellenistischer Zeit noch fehlen – eine getrennte Behandlung nach wie vor angemessen.

3. Bemerkungen zum Forschungsstand und Leitfragen der ­Untersuchung Die folgende Untersuchung kann auf einen recht breiten Forschungsdiskurs zu den philosophischen Theorien der hellenistischen Zeit aufbauen, auch wenn auf diesem Gebiet, gerade aufgrund des fragmentarischen Zustands der Quellen und der teils schwierigen Terminologie, noch viel Arbeit für ein angemessenes Ver334

Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der ­Untersuchung

ständnis nötig sein wird. Neuere Impulse für die Erforschung der hellenistischen Philosophie bieten historische Untersuchungen z. B. zur politischen Rolle und sozialen Verortung der Philosophie, wie sie inzwischen mit den Arbeiten von Johannes Hahn, Matthias Haake und Stefanie Holder vorliegen. Reflexionen über das Gesamtphänomen ›hellenistische Philosophie‹ sind jedoch relativ selten. Neuerdings ist die Zusammenstellung von John Sellars zu beachten, die auch auf den Philosophiebegriff eingeht. Intensive Untersuchungen gibt es hingegen zu Spezialaspekten: So haben Albrecht Dihle, Gabriele Giannantoni und andere die Bezüge von Philosophie und Fachwissenschaft in differenzierter Weise dargestellt.9 Auch das Verhältnis von Philosophie und Religion ist zum Gegenstand vieler Unter­suchungen geworden, welche auch das Gesamtbild der Epoche betreffen. Vor diesem Hintergrund lassen sich in Anbetracht der Ziele dieser Darstellung folgende Leitfragen für die Untersuchung formulieren, die insbesondere einer näheren Begründung der bereits kurz dargestellten Überlegungen zur Gestalt der Epoche dienen sollen: a) Welche Merkmale der philosophischen Theorien aus hellenistischer Zeit können schulübergreifend festgehalten werden, und welche sind als unterscheidende Merkmale charakteristisch für diese Epoche? b) Lassen sich an den Theorien und den Bestimmungen des Begriffs ›Philosophie‹ Punkte festmachen, welche sich als Reaktion auf die Herausforderungen der Zeit verstehen lassen, gerade auch im Hinblick auf das Verhältnis zu ihren Vorgängern und Nachfolgern? c) Wie genau hat man die Abgrenzungen der Philosophie zu anderen Gesellschaftsfeldern – Fachwissenschaften, Politik und Religion – zu verstehen? Warum grenzen sich die hellenistischen Schulen überhaupt so stark ab, und welche Rolle spielen diese Abgrenzungen in der Praxis? d) Was bedeuten die genannten Punkte für den Begriff von ›Philosophie‹ in hellenistischer Zeit? Handelt es sich beim hellenistischen Philosophieverständnis eminenterweise um eine ›Lebensform‹ oder stehen die theoretischen Konstrukte der Philosophen (Erkenntnistheorie, Naturphilosophie, theoretische Grundlagen der Ethik) eher im Vordergrund von deren Selbstverständnis? e) Wo ist der Ort der hellenistischen Philosophie in der Entwicklung des antiken Philosophieverständnisses? Insbesondere: Inwieweit vertritt sie das Modell einer »Philosophie als Lebensform« und wie sehr beeinflusst sie darin die Antike?

9

  Verwiesen sei besonders auf G. Giannantoni, Su alcuni problemi circa i rapporti tra scienza e filosofia nell’età ellenistica, in: G. Giannantoni  /  M. Vegetti (Hrsg.), La scienza ellenistica. Atti delle tre giornate di studio tenutesi a Pavia dal 14 a 16 aprile 1982, Neapel 1984, 40–71; ferner A. Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, in: Entre­ tiens Fondation Hardt 32 (1986), 185–231.

335

II. Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin

1. Vorbemerkung zur Quellensituation Vor dem Versuch einer Beantwortung solcher Fragen muss auf die problematische Quellensituation für die hellenistische Philosophie hingewiesen werden. Ein Großteil der literarischen, philosophischen und wissenschaftlichen Produktion der Zeit ist bekanntlich im Original verloren, so dass die Leistungen der hellenistischen Philosophen, gerade dann, wenn es um Entwicklungen im Detail geht, nur aufgrund von Fragmenten und Berichten späterer Autoren bewertet werden können. Falls einzelne Texte aus der Epoche überhaupt erhalten sind, sind sie meist entweder in späteren Bearbeitungen oder anonym überliefert. Das bedeutet auch, dass wir über die faktische Rolle der Philosophie in der Zeit, ihre zeitgenössische Wahrnehmung und insbesondere über Nebentraditionen nicht immer zuverlässige Aussagen treffen können. Man muss zwar damit rechnen, dass sich viele Phänomene und Entwicklungen, die erst für die griechische und römische Welt der Kaiserzeit bezeugt sind und dort behandelt werden, bereits in hellenistischer Zeit nach und nach etablieren, doch lassen sich diese Prozesse nicht annähernd vollständig nachzeichnen.1 Zum Folgenden gilt es daher die Einleitung zur Kaiserzeit zu beachten, die auch manches Schlaglicht auf eine Situation werfen kann, die möglicherweise bereits in hellenistischer Zeit bestanden hat.

2. Historischer Überblick Historisch gesehen wird mit ›hellenistischer Zeit‹ der Zeitraum von der Auf­lösung der griechischen Polis-Struktur ab 360 v.  Chr. bis zur Eingliederung des östlichen Mittelmeerraums in das römische Reich im späten 1. Jahrhundert v.  Chr. bezeichnet.2 Eine bedeutsame historische Dynamik ergibt sich dadurch, dass der makedonische König Alexander der Große (336–323 v.  Chr.) von 334–325 das Perserreich erobert und, aufgrund der bereits erfolgten Hellenisierung Makedoniens, den griechischen kulturellen Einfluss und damit auch die Wirkmächtigkeit der 1   Für die Frage von Philosophie und Rhetorik gibt B. Beer, Rhetorik des Hellenismus. Von Theophrast bis Philodem, in: M. Erler  /  Ch. Tornau (Hrsg.), Handbuch Antike Rhetorik, Berlin 2019, 361–381, hier 362 f., ein instruktives Beispiel. 2   Vgl. natürlich in vielen Punkten diskutierbare Zusammenfassung bei H. Bengtson, Griechische Geschichte von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit, München 51977, 295–300.

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Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin

griechischen Kulturtechnik ›Philosophie‹ auf die vorderasiatischen und nordafrikanischen Gebiete vom östlichen Mittelmeer bis Indien und Mittelasien wesentlich verstärkt.3 Fortgeführt wird der so eingeleitete Prozess der Hellenisierung in den nächsten Jahrhunderten von den Monarchien, die, meist als Nachkommen von Heerführern Alexanders, die Gebiete des östlichen Mittelmeerraums beherrschen. Hierzu gehören vor allem die Ptolemäer in Ägypten von 321/305 bis 30 v.  Chr., die Seleukiden zwischen Syrien und Indien (seit ca. 312/301 v.  Chr.), deren Herrschaft im syrischen Raum bis ca. 83/63 v.  Chr. andauert, Kassander (317–298 v.  Chr.) und dann die Antigoniden in Makedonien (seit 294/276 v.  Chr.), die bis 168 v.  Chr. einen starken Einfluss auch auf das griechische Kernland ausüben. Hinzu kommen Reichsbildungen in Kleinasien, namentlich das Reich von Pergamon (ca. 263–133 v.  Chr.), und im Westen des griechischen Raumes, in Epiros und auf Sizilien.4 Die Poleis im griechischen Kernland, darunter Athen und Sparta, bleiben, auch wenn ihr Handlungsspielraum eingeschränkt wird, formal die gesamte hellenistische Zeit hindurch unabhängig, werden aber teils von den Metropolen der hellenistischen Reiche an Größe und Bedeutung übertroffen.5 Die Kontakte und Auseinandersetzungen mit dem aufstrebenden römischen Reich nehmen im Laufe der Zeit immer mehr zu: Nachdem die Römer zwischen 280 und 275 v.  Chr. König Pyrrhos von Epiros vertrieben und Ende des 3. Jahrhunderts Karthago faktisch besiegt haben, wenden sie sich nach Osten und beenden die Unabhängigkeit Makedoniens, schwächen die Seleukiden entscheidend und treten 133 v.  Chr. das Erbe der Attaliden in Pergamon an. Somit steht Ende des 2. Jahrhunderts fast die ganze hellenistische Welt – deren östlicher Teil, etwa vom Euphrat an, inzwischen von den iranischen Parthern erobert worden ist – unter römischer Herrschaft oder zumindest unter römischer Hegemonie. Gegen diese erhebt sich vor allem König Mithridates VI. von Pontos, dem sich 88 v.  Chr. die meisten Griechenstädte, inklusive Athen, anschließen, freilich nur, um vom römischen Feldherrn Sulla rasch unterworfen und endgültig unter römische Herrschaft gebracht zu werden.6 Die damit einhergehende Zerstörung Athens durch Sulla 86 v.  Chr. – welche auch durch das antirömische Verhalten einiger Philosophen hervorgerufen wird7 – bedeutet für die Philosophenschulen einen starken Einschnitt, werden doch zumindest der Peripatos und der epikureische ›Garten‹ zerstört, so dass sich die philosophische Landschaft neu aufstellen muss. Als letzte 3

  Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 359–364. Gerade die Diadochen betreiben demgegenüber eine Makedonisierungs- bzw. Hellenisierungspolitik: Bengtson, Griechische Geschichte, 382 f. 4   Vgl. dazu den Überblick bei Bengtson, Griechische Geschichte, 365–452. 5   Vgl. Ch. Habicht, Hellenistic Athens and her Philosophers, Princeton 1988, 1; H.-J. Gehrke, Epochenporträt, in: B. Zimmermann  /  A. Rengakos (Hrsg.), Die Literatur der klassischen und hellenistischen Zeit, München 2014, 1–31, hier 6–31. 6   Vgl. zur Gesamtentwicklung Bengtson, Griechische Geschichte, 471–509. 7   Plutarchus, Sulla 12, 1–4 (458f–459a). Zur Rolle der Philosophen Athe­nion und Aristion vgl. unten S. 343 und 350 Anm. 91.

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Die hellenistische Epoche

hellenistische Metropole fällt das ptolemäische Alexandrien mit der Niederlage von Antonius und der letzten Ptolemäerherrscherin Kleopatra gegen Augustus 30 v.  Chr. an das römische Reich.8 Unabhängig von den zahlreichen Kriegen, die mit diesen Entwicklungen einhergehen, entsteht ein relativ einheitlicher Kulturraum zwischen Unteritalien und Mesopotamien bzw., bis zum 2. Jahrhundert, Mittelasien und Indien, in welchem Griechisch zur wichtigsten Kommunikationssprache jedenfalls der Oberschicht und auch zur Hauptschriftsprache der Region wird. Damit findet die Rezeption von Bildung und Wissenschaft in einem wesentlich weiteren Kommunikationsraum statt, was offenbar, zusammen mit der verbesserten Erreichbarkeit der ägyptischen Papyrusbestände, zu einer stärkeren Schriftlichkeit der Kultur führt.9 Auf organisatorischer Ebene orientieren sich die Städte innerhalb der verschiedenen Großreiche, die häufig von Alexander und den Diadochenherrschern gegründet werden, am Modell der klassischen Poleis und übernehmen deren Institutionen. So entstehen viele kleinere und größere Zentren griechischer Kultur, die über einen Bildungsbetrieb mit Gymnasien verfügen, der diejenigen, die sich eine solche Ausbildung leisten können, befähigt, ihre höheren Studien in den Zentren hellenistischer Bildung abzuschließen.10 Dies sind einerseits die Hauptstädte der verschiedenen Reiche, namentlich Alexandria und auch Pergamon mit Bibliothek und Museion als Zentren von Medizin, Mathematik, Grammatik und anderen Fachwissenschaften, und andererseits Athen als Zentrum der Philosophie. Fachwissenschaftliche und philosophische Entwicklung bleiben insofern in gewissem Maße räumlich getrennt, wobei ab dem 2. Jahrhundert für Pergamon sowohl fachwissenschaftliche als auch philosophische Aktivitäten bezeugt sind.11 Der philosophische Schulbetrieb in Athen trägt spätestens gegen Ende des 2. Jahrhunderts wesentlich dazu bei, dass die inzwischen politisch wenig bedeutende Stadt junge Leute aus vielen Himmelsrichtungen zur Vervollkommnung ihrer Ausbildung anzieht.12 Obwohl sich die politische Macht zu den Herrschern der Großreiche und ihrem Umfeld verschiebt und eine effektive politische Tätigkeit letztlich dort stattfindet, bieten die vielen Poleis der hellenistischen Zeit ihren wohlhabenden Bürgern breiten Raum für verschiedene Formen öffentlichen Engagements. In besonders hohem Maße gilt das für Rom, wo der hellenistischen Epoche die Hochzeit der römischen Republik entspricht.

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  Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 514–517.   Vgl. Giannantoni, Scienza e filosofia nell’età ellenistica, 44 f. 10   Vgl. Bengtson, Griechische Geschichte, 458–460; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 147. 11   Vgl. St. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria. 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr., Stuttgart 2020, 82; zur Philosophie unten S.  343, 350. 12   Vgl. zu dieser Entwicklung M. Haake, Der Philosoph in der Stadt. Untersuchungen zur öffentlichen Rede über Philosophen und Philosophie in den hellenistischen Poleis, München 2007, 273. 9

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Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin

Neben dem Griechischen bleiben lokale Umgangs- und Literatursprachen wie die Versionen des Ägyptischen, das Hebräische und die verschiedenen aramäischen Dialekte des fruchtbaren Halbmonds in hellenistischer Zeit erhalten und werden, ebenso wie lokale religiös-kulturelle Traditionen, weiter gepflegt. Sie treten jedoch in den aus der hellenistischen Zeit erhaltenen Quellen kaum als Ausdrucksform spezifisch griechischer Kulturgüter wie Philosophie und Wissenschaft zutage.13 Vielmehr scheint die Beschäftigung mit derartigen Gegenständen in den hellenistischen Staaten von solchen Bevölkerungsgruppen aufgenommen zu werden, die, im Rahmen einer Inkulturation in griechischsprachigen Orten wie Alexandria oder als Teil der Ausbildung einer hellenisierten Oberschicht, nach und nach selbst Teil der griechischsprachigen Welt werden.14 Dies ändert sich allerdings in Rom, wo bereits im 3. und 2. Jahrhundert v.  Chr. griechische literarische Formen in lateinischer Sprache nachgebildet werden, so wie es ab dem 2. Jahrhundert auch für die Philosophie geschieht.

3. Geschichte und gesellschaftliche Rolle der Philosophie15 Die Philosophen als erkennbare gesellschaftliche Gruppe Eine Voraussetzung für den Erfolg des Bildungsideals Philosophie unter diesen Umständen ist die Erkennbarkeit der Philosophen als eigene gesellschaftliche Gruppe, wie sie sich infolge der Entwicklungen in Athen und andernorts im 5. und 4. Jahrhundert herausbildet.16 Zu dieser Gruppe gehören in hellenistischer Zeit sowohl die Lehrer der philosophischen Schulen als auch diejenigen ihrer Schüler, 13   Dies wird unten S. 488–491 am Beispiel des Judentums diskutiert, dürfte aber aufgrund des limitierten Quellenbefundes für andere Sprachen kaum anders zu belegen sein. 14   Vgl. zu diesem Prozess Bengtson, Griechische Geschichte, 458. 15   Vgl. J. P. Lynch, Aristotle’s School. The History of a Greek Educational Institution, Berkeley 1972; W. Suerbaum, Philosophische Fachschriften, in: W. Suerbaum (Hrsg.), Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 1. Die archaische Literatur von den Anfängen bis zu Sullas Tod. Die vorliterarische Periode und die Zeit von 240 bis 78 v.  Chr., München 2002, 526–532; M. Erler, Philosophie, in: Zimmermann  /  Rengakos (Hrsg.), Literatur der klassischen und der hellenistischen Zeit, (hier) 356–363, 392–446. M. Haake, Der Philosoph in der Stadt. 16   Das wird konstatiert bei P. Scholz, Der Philosoph und die Politik. Die Ausbildung der philosophischen Lebensform und die Entwicklung des Verhältnisses von Philosophie und Politik im 4. und 3. Jhdt. v.  Chr., Stuttgart 1998, 11 f.; P. Scholz, Peripatetic Philosophers as Wandering Scholars, in: W. W. Fortenbaugh  /  St. A. White, (Hrsg.) Lyco of Troas and Hieronymus of Rhodes. Text, Translation, and Discussion, New Brunswick 2004, 315–353, hier 319. Vgl. zur Beschreibung der sozialen Rolle des Philosophen v. a. Johannes Hahn, der von »Persönlichkeiten« spricht, »die nur aufgrund ihres philosophischen Selbstverständnisses und entsprechenden Wirkens eine Rolle im öffentlichen Leben« spielen (Der Philosoph

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Die hellenistische Epoche

welche in ihrem Habitus und ihren Tätigkeiten auch außerhalb dieser Schulen das Leben eines Philosophen führen (wollen). In hellenistischer Zeit bilden sich nach und nach eine Reihe äußerer Merkmale von Philosophen heraus – beispielsweise der Philosophenmantel und der Philosophenbart –, die auch in der Folgezeit erhalten und für Philosophen typisch bleiben. Zum Teil entstehen diese Attribute geradezu zufällig: So entspringt z. B. der Philosophenbart angeblich dem Auftritt der berühmten Gesandtschaft dreier Athener Philosophen in Rom 155 v.  Chr., wo die rasierten Römer die prächtig entwickelten Bärte der Gäste aus Griechenland, wo diese Bartmode noch üblich ist, als besonderes äußeres Merkmal der Philosophen auffassen.17 Nicht nur im Hinblick auf die Haartracht darf man sich die Abgrenzung der Philosophen von ihren Mitbürgern nicht zu klar konturiert vorstellen: Angesehene Philosophen nehmen gelegentlich als Gesandte typische Aufgaben führender Stadtbürger wahr, und einzelne von ihnen wie Menedemos im 4. und Panaitios im 2. Jahrhundert sind sowohl anerkannte Philosophen als auch politisch aktive Repräsentanten ihrer Poleis, die sich kaum markant von ihren Mitbürgern unterscheiden dürften. Fälle wie die ihren dürften nur die für uns erkennbare Spitze des Eisbergs darstellen. Die Reflexion der Gruppenidentität der Philosophen sowie ihrer gesellschaftlichen Rolle zeigt sich sowohl an der recht breiten Tendenz, Biographien von Philosophen zu schreiben, in denen deren persönliche Merkmale am PhilosophieIdeal gemessen werden,18 als auch an der Erwähnung von Philosophen in allgemeinen Geschichtswerken sowie weiteren Quellen, z. B. Inschriften. Während der Charakter der biographischen Quellen, welche Philosophen tendenziell in meist anekdotischer Form als tugendhaft oder als Außenseiter darstellen bzw. (häufig) idealisieren, die Erforschung der historischen Zusammenhänge eher erschwert,19 lassen gerade die Historikerberichte deren Wirkung unter Umständen klarer erkennen. Schließlich gehört zur Abgrenzung auch eine antiphilosophische Polemik, für welche eine Rede des Atheners Demochares ein frühes Beispiel liefert.20

und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 1989, 7; vgl. auch 61 f.). 17   Vgl. J. Sellars, The Art of Living: The Stoics on the Nature and Function of Philosophy, London 2013, 16 f. 18   Die Arbeit mit den Philosophenviten hat mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, wie z. B. der forschungsgeschichtliche Überblick von M. Gigante, Biografia e dossografia in Diogene Laerzio, in: Elenchos 7 (1986), 7–102, hier 15–20, verdeutlicht; vgl. auch den teils etwas skizzenhaften Überblick bei M. Untersteiner, Problemi di filologia filosofica, Mailand 1980, 221–247. 19   Vgl. dazu unten S.  476. 20   Vgl. H. Swoboda, Demochares 6, in: RE 4, 2 (1901), 2863–2867, hier 2865; J. Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose. Kritik an Philosophie und Rhetorik im klassischen Athen, Berlin  /  Boston 2014, 338–345.

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Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin

Verbreitung von Philosophie und Philosophen Zu Beginn der hellenistischen Epoche sind in Athen sowohl die Lehr- und Forschungsreinrichtungen der Akademie und des Peripatos etabliert als auch, wie auch andernorts, eine Reihe weiterer Lehrender der Philosophie tätig, welche überwiegend in der Tradition der Sokratiker stehen: Dazu gehören Megariker wie Stilpon und Diodoros ›Kronos‹,21 Kyniker wie Krates, Hipparchia und Bion, Kyrenaiker wie Theodor der Atheist in Athen und Hegesias, genannt der »Überreder zum Tode« (ὁ Πεισιθάνατος), in Alexandria22 sowie philosophische ›Freelancer‹, die (zunächst) kurzlebige eigene Traditionen bilden, wie der dem Sokratismus inhaltlich nahe stehende Pyrrhon von Elis, der mit ihm verbundene »Demokriteer« Nausiphanes23 sowie Menedemos in Eretria auf Euböa.24 Diese zeitweise recht prominenten Figuren zeugen von einer vielfältigen und lebendigen philosophischen Szene, welche sich in Rivalität und Austausch zu Peripatos und Akademie befindet, von deren theoretischem und universalem Wissenschaftsverständnis sich aber fast alle diese Persönlichkeiten zugunsten eines Akzentes auf guter Lebensführung distanzieren.25 Sehr wahrscheinlich unterrichten sie eher informell auf privater Basis, mit oder ohne Entgelt,26 ohne dauernde Schulen zu begründen (oder das überhaupt anzustreben). Junge Philosophie-Interessierte studieren häufig bei mehreren Lehrern, bevor sie sich auf eine Richtung festlegen: Arkesilaos wechselt z. B. von Theophrast zu Polemon, Hipparchias Bruder Metrokles von Theophrast zu Krates von Theben.27 Dieses Feld verändert sich grundlegend, seit sich um 300 v.  Chr. die epikureische und die stoische Schule konstituieren: Ab etwa 250 hören wir selbst von einzelnen 21

  S. oben S. 190–192.   Zu den Kyrenaikern vgl. oben S. 187–190. Zu Hegesias vgl. F. M. Fraser, Ptolemaic Ale­xan­dria 1–3, Oxford 1972, hier 1, 481; R. Goulet, in: DPhA 3 (2000), 528. Zu den Philosophen in Alexandria in frühhellenistischer Zeit vgl. K. J. Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹ (Περὶ φύσεως). Übersetzung, Kommentar und Würdigung. Mit einer Einleitung zur Geschichte des Epikureismus in Alexandria, Turnhout 2016, 36–43. 23   Zu Pyrrhon s. unten S. 367  f., zu Nausiphanes R. Goulet, Nausiphane de Téos, in: DPhA 4 (2005), 585 f. 24   Vgl. R. Goulet, Ménédème d’Érétrie, in: DPhA 4 (2005), 443–454. 25   Vgl. J. Glucker, Theophrastus, The Academy, and the Athenian Philosophical Atmosphere, in: J. M. van Ophuijsen  /  M. van Raalte (Hrsg.), Theophrastus, Reappraising the Sources, New Brunswick  /  London 1998, 299–316, hier 303–309; W. Görler, Theophrastus, the Academy, Antiochus, and Cicero. A Response to John Glucker, in: Van Ophuijsen  /  Van Raalte, Theophrastus, 317–329, hier 317–322. 26   Vgl. Habicht, Hellenistic Athens and her Philosophers, 4. 27   Vgl. Glucker, The Athenian Philosophical Atmosphere, 303–309, mit Berufung auf Numenius, frg.  25, 10–19 (des Places); U. Hartmann, Kynische Grenzüberschreitungen. Die griechische Philosophin Hipparchia, in: E. Hartmann  /  U. Hartmann  /  K. Pietzner (Hrsg.), Geschlechterdefinitionen und Geschlechtergrenzen in der Antike, Stuttgart 2007, 229–246, hier 232. 22

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Die hellenistische Epoche

Kynikern kaum mehr etwas (die es aber sicher weiterhin gibt), ganz zu schweigen von Angehörigen anderer Richtungen. Anscheinend können Epikureer und Stoiker ein Angebot machen, das auch Philosophie-Interessierte überzeugt, für die die fachwissenschaftliche Breite des Peripatos und die metaphysischen Überlegungen der Akademie wenig attraktiv sind. Im Ergebnis konstituieren die vier Athener Schulen der Epikureer, Stoiker, Akademiker und Peripatetiker die Landschaft der hellenistischen und überhaupt der antiken Philosophie.28 Sie alle verfügen jahrhundertelang über einen festen Lehrort in Athen, an dem die Schulleiter einander folgen und dabei das Schulvermögen von Generation zu Generation weitervererben.29 Die Bedeutung dieser institutionellen Absicherung für den Bestand der Schulen illustriert die Tatsache, dass der Peripatos über Jahrhunderte fortbesteht, obwohl er von der Mitte des 3. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts kaum mehr eine philosophische Ausstrahlung zu entwickeln scheint. Insgesamt wird das Konzept der Richtung (αἵρεσις) für die Philosophie so bedeutend, dass sich ein eigener Meta-Diskurs darüber entwickelt, was erforderlich ist, um eine Position als philosophische ›Richtung‹ anzuerkennen.30 Die bedeutendste Ausstrahlung entfalten in hellenistischer Zeit die Epikureer und Stoiker,31 deren Ansätzen sich selbst die Akademie als eine Art skeptische Anti-Stoa in gewisser Weise anpasst.32 Diese Schulen ziehen Schüler aus dem ganzen Osten der hellenistischen Welt nach Athen, was sich an den Herkunftsorten der Lehrer z. T. ablesen lässt: Kommen bereits Zenon, Kleanthes, Ariston, Epikur, Arkesilaos und Chrysipp aus anderen griechischen Städten bzw. Kolonien33 in die Stadt der Athene, so stammen Diogenes von Seleukeia  /  Babylon und Poseidonios 28

  Vgl. A. A. Long  /  D. Sedley, The Hellenistic Philosophers. Texts and Commentaries. Bd.  1-2, Cambridge u. a. 1987, 1, 1 f.; H. Flashar  /  W. Görler, Einleitung, in: GGPh 4, 1 (1994), 1–28, hier 4 f.; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 156–161. Zu möglichen Einflüssen der Belagerung Athens durch Demetrios Poliorketes Ende des 3. Jahrhunderts vgl. H. B. Gottschalk, Theophrastus and the Peripatos, in: Van Ophuijsen  /  Van Raalte, Theophrastus, 281–298, hier 283. 29   Faktisch lässt sich diese Vererbung des Schulvermögens nur für die Frühzeit verfolgen, die Diogenes Laertios durch verschiedene Testamente illustriert; da aber der Fortbestand der vier Schulen als solcher gut dokumentiert ist, kann man vermuten, dass sich die Weitergabe des Schulvermögens bis zum Ende der hellenistischen Zeit oder noch länger fortsetzt. 30   Vgl. das Zeugnis über Hippobotos (zu ihm vgl. R. Goulet, Hippobotos, in: DPhA 3 (2000), 758–760) bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 19 f. (15, 4–20 Marcovich = 77, 209–224 Dorandi) und dazu M.-O. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, Paris 2017, 80–82; auch schon N. Brox, Häresie, in: RAC 13 (1986), 248–297, hier 250 f. 31   Vgl. z. B. Bengtson, Griechische Geschichte, 467–469; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 156. 32   Vgl. Flashar  /  Görler, Einleitung, 6. 33   Das dürfte lediglich für Zenons Heimat Kition auf Zypern fraglich sein, einer ursprünglich phönikischen Kolonie, die bis 312 v.  Chr. von einer phönikischen Dynastie beherrscht wird, vgl. R. Senff, Kition, in: Der Neue Pauly 6 (1999), 491 f.; P. Steinmetz, Die Stoa, in: GGPh 4, 2 (1994), 491–716, hier 519.

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Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie darin

aus weit entfernten syro-mesopotamischen Städten; unter den Hörern des Arkesilaos und des Karneades finden sich fast keine gebürtigen Athener.34 Man muss daher davon ausgehen, dass das Lehrangebot der Stoa und Epikurs – also eine in sich relativ geschlossene, erkenntnistheoretisch abgesicherte Erklärung der Rolle des Menschen in der Welt, die in ihren Grundzügen leicht vermittelt und erlernt werden kann – das Bedürfnis der hellenistischen Menschen besonders gut trifft: Ein rationales Weltbild, welches einen hinreichenden Rahmen für die eigene Charakterbildung liefert, ist für die meisten Philosophie-Interessierten offenbar wichtiger als eine breitgestreute Einzelforschung, wie sie der Peripatos bietet, oder eine Hinführung zu ersten Prinzipien, wie sie im Platonismus gelehrt wird. Mit dem didaktischen Erfolg festigt sich auch die Rolle der Philosophen in Athen: Nachdem das späte 4. Jahrhundert noch von Auseinandersetzungen mit ihrem Umfeld geprägt ist, welche, wohl als negative Folge der Regentschaft des Demetrios von Phaleron, zur Vertreibung aller Philosophen führt,35 ruft im 1. Jahrhundert selbst die Katastrophe infolge der Herrschaft der Philosophentyrannen Athenion und Aristion keine dezidiert antiphilosophischen Maßnahmen seitens der Bürgerschaft mehr hervor.36 Das hat sicher auch mit der ökonomischen Bedeutung der Philosophenschulen für die Stadt zu tun, denn ab 123/22 v.  Chr. ist die Philosophie ein Gegenstand der Ephebenausbildung, zu der auch viele Fremde, v. a. Römer, nach Athen kommen,37 mit der Folge, dass die Stadt zu einem Inbegriff des Griechentums wird.38 Die Ausstrahlung dieses philosophischen Zentrums lässt sich bereits in frühhellenistischer Zeit an dokumentierten Wanderungen von Philosophen in den Osten ablesen: Belege sind eine Inschrift aus dem antiken Baktrien (dem heutigen Nord-Ost-Afghanistan), in welcher der Peripatetiker Klearch von Soloi Sprüche der sieben Weisen niederlegt,39 sowie der Bericht über das Gespräch des Kynikers Onesikritos mit den indischen Weisen.40 Während die Wirkung dieser Begegnungen auf die Philosophie begrenzt ist – nach den erhaltenen Zeugnissen finden die Philosophen in den indischen Weisen vor allem sich selbst wieder41 –, breitet sich die Philosophie über alle hellenistischen Reiche aus und trägt dort zur Ausbil34

  Vgl. W. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, in: GGPh 4, 2 (1994), 717–989, hier 777. 35   Vgl. Gottschalk, Theophrastus and the Peripatos, 282 f.; Dreßler, Wortverdreher, Sonderlinge, Gottlose, 334–346 (mit Zitation und Analyse der verstreuten Quellen). 36   Vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 271–273. 37   Vgl. Lynch, Aristotle’s School 133 f.; Haake, Der Philosoph in der Stadt, 44–55. Besonders charakteristisch ist der Erfahrungsbericht Ciceros in De finibus 5, 1–8. 38   Vgl. D. Lau, Athen I (Sinnbild), in: RAC Supplement 1 (2001), 639–668, hier 645–647. 39   Vgl. L. Robert, De Delphes à l’Oxus, inscriptions grecques nouvelles de la Bactriane, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 112 (1968), 416–457, hier 421–430; Bengtson, Griechische Geschichte, 469; J.-P. Schneider, Cléarque de Soles, in: DPhA 2 (1994), 415–420, hier 416. 40   Vgl. unten S.  363  f. 41   Vgl. unten S. 363.

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Die hellenistische Epoche

dung der Jugend bei. Es entwickeln sich an verschiedenen Orten Tochterschulen der Athener Institutionen, wie es für die Epikureer in Lampsakos und im seleukidischen Antiochia,42 für die Stoiker in Seleukeia am Tigris, in Tarsos sowie in Pergamon,43 für den Peripatos in Messene und dem thessalischen Larissa bezeugt ist,44 wo auch akademischer Unterricht stattfindet.45 Über diese Schulen und ihre Dauerhaftigkeit ist meist nicht viel bekannt, doch ist damit zu rechnen, dass sie in erster Linie lokale und regionale Bedürfnisse erfüllen, während Schüler mit vertieftem Interesse ihre philosophische Bildung vorwiegend in Athen abrunden.46 Eine Ausnahme bilden Pergamon, wo die philosophische Lehre seit dem 2. Jahrhundert v.  Chr. offenbar über Jahrhunderte ausgeübt wird,47 und Rhodos, das bereits unter Eudemos eine peripatetische Schule besitzt und unter Posei­donios der wichtigste Ort stoischer Lehre sein dürfte; hier sind auch epikureische Philosophen bezeugt.48 Besonders unklar ist die Situation für Alexandrien: Obwohl die Bewohner dieser größten Metropole der hellenistischen Zeit sich als »Erzieher aller Griechen und Barbaren« (παιδεύσαντες πάντας τοὺς  Ἕλλήνους καὶ τοὺς βαρβάρους) sehen,49 sind im 3. und 2. Jahrhundert v.  Chr. keine philosophischen Schulen bezeugt,50 auch wenn immer wieder Philosophen aus Athen an den ptolemäischen Hof eingeladen werden, die allerdings häufig absagen bzw. Schüler dorthin schicken.51 Die wahrscheinliche Abhängigkeit des Aristobulos vom pseudoaristotelischen ›Über die Welt‹ (›De mundo‹) sowie die auffälligen Parallelen der empirischen Ärzte zu den akademischen Skeptikern52 zeigen aber, dass Philosophie, namentlich peripatetische, in Alexandrien bekannt ist, was wohl kaum ohne jegliche Unterrichts- und Austauschmöglichkeit denkbar wäre. Die Tatsache, dass Ptolemaios VIII. Physkon um 145 v. Chr. Philosophen aus der Stadt vertreibt,53 belegt ebenfalls deren Anwesenheit. Im 1. Jahrhundert v.  Chr. gewinnt die Stadt 42

  Vgl. unten S. 382.   So für Seleukeia ausdrücklich: Ἀρχέδημος […] ἐν Βαβυλῶνι Στωικὴν διαδοχήν ἀπέλιπε: Plutarchus, De exilio 14 (605b) = SVF 3, p.  262. Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 481; Steinmetz, Die Stoa, 626; J.-M. Flamand, Cratès de Mallos, in: DPhA 2 (1994), 487. 44   Athenaeus, Dipnosophistae 5, 47 f. (211d, 212a). 45   Vgl. unten S. 442. 46   Vgl. Habicht, Hellenistic Athens and her Philosophers, 3 f. 47   Vgl. Flamand, Cratès de Mallos, 487 f. 48   Zu Poseidonios vgl. Steinmetz, Die Stoa, 670 f.; zu den Epikureern M. Erler, Die Schule Epikurs, in: GGPh 4, 1 (1994) 203–380, hier 283 f.; zum Peripatos unten S.  343, 369. 49   Andro Alexandrinus, Chronica, frg.  1 (FGrHist 246) = Athenaeus, Dipnosophistae 4, 83 (184bc). 50   Vgl. zusammenfassend Fraser, Ptolemaic Alexandria, 480–494. 51   So ist es für Theophrast und Kleanthes bezeugt, die an ihrer Stelle Demetrios von Phaleron (zu Ptolemaios I. Soter: Haake, Der Philosoph in der Stadt, 66) und Sphairos (zu Ptolemaios II. Philadelphos: Steinmetz, Die Stoa, 579) schicken. 52   Zu diesen Phänomenen vgl. unten S. 478  f., 498. 53   Zu Belegen und Einordnung jetzt Fleischer, in: Dionysios von Alexandrien, ›De natura‹, 90. 43

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jedenfalls größere philosophische Bedeutung,54 wie neuerdings deutlich geworden ist: Das belegen sowohl die Begegnung des Epikureers Philodem mit Antiochos von Askalon sowie seinen Schülern Ariston und Dion in Alexandria zu Beginn dieses Jahrhunderts, die jüngst anhand neugelesener herkulanensischer Papyri gezeigt wurde,55 als auch die bei al-Fārābī erhaltene Mitteilung, Andronikos sei in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts v.  Chr. dort, nicht als erster und nicht als letzter, peripatetischer Scholarch.56 Diese Entwicklungen gehören in den Kontext einer späthellenistischen Neugruppierung der Philosophie, welche sich einerseits aus organisatorischen Notwendigkeiten ergibt – Fortführung der Lehre trotz der Zerstörungen und Traditionsbrüchen in Athen –, andererseits aber auch inhaltlichen Neuansätzen entspricht, wie sie namentlich bei Antiochos von Askalon und Peripatetikern wie Kritolaos zu finden sind. Als Reaktion auf die Situation dieser Zeit kann man die Kritik des Historikers Diodor (1. Jhdt. v.  Chr.) verstehen, dass die Philosophen der Griechen (anders als die chaldäischen Astrologen) »neue Richtungen gründen« (καινὰς αἱρέσεις κτίζουσι), was wegen ihrer großen Widersprüche zur Verwirrung der Lernenden führe, so dass ihre »Seelen […] überhaupt nichts fest zu glauben vermögen« (τὰς ψυχὰς […] μηδὲν ὅλως πιστεῦσαι δυνάμενας βεβαίως).57 Es wird jedenfalls kein Zufall sein, dass die neuen Entwicklungen vorwiegend die zu hellenistischer Zeit weniger bedeutenden Richtungen des Aristoteles und Platons betreffen, die in der Kaiserzeit das Feld der Philosophie weitgehend mitprägen werden.

Philosophie in Rom In die hellenistische Zeit fallen erste Inkulturationen der Philosophie in die regionalen Sprachen des Mittelmeerraums, z. B. das Punische Karthagos, wo der Akademiker Kleitomachos zunächst »in seiner Heimat in seiner eigenen Sprache philosophiert« haben soll (τῇ ἰδίᾳ φωνῇ κατὰ τὴν πάτριδα ἐφιλοσόφει).58 Im wesentlich bedeutenderen Rom begegnen in den Quellen bereits im 3./2. Jahrhun54

  Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria, 485–494.   Vgl. Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹, 100–102. 56   Ibn Abī Uṣaybiʿa, Historia medicinae 15, 1, 2 (2, 2, p.  1151 [arab.]  /  3, 2, p.  1296 f. [engl.] Savage-Smith et al.). Vgl. M. Perkams, The Date and Place of Andronicus’ Edition of Aristotle’s Works According to a Neglected Arabic Source, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 101 (2019), 445–468; M. Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », Épître à Gallus. Sur la vie, le testament et les écrits d’Aristote. Texte établi et traduit par M. Rashed, Paris 2021, CCCXIII–CCCLXI S.  auch unten S.  516  f. 57   Diodorus Siculus, Bibliotheca historica 2, 29, 6 (2, p.  55, 13–24 Eck). Zum Kontext vgl. auch unten S.  485  f. 58   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 67 (302, 12 f. Marcovich = 343, 1 f. Dorandi). 55

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dert v.  Chr. philosophische Interessen und philosophische Bücher ebenso wie die teils ausgeprägte Skepsis der Römer gegen derlei Beschäftigungen: Appius Claudius (fl. um 300 v.  Chr.) und M. Fulvius Nobilior (fl. um 170 v.  Chr.) verfassen philosophische Sentenzen und vielleicht auch Bücher pythagoreischen Charakters.59 Derartige Schriften werden jedenfalls dem legendären römischen König Numa Pompilius zugeschrieben, wobei zufällig wieder aufgefundene Exemplare um das Jahr 180 v.  Chr. sicherheitshalber verbrannt werden, »weil sie zugunsten der Philosophie geschrieben wurden« (quia philosophiae scripta essent).60 Der Dichter Ennius (239–169 v.  Chr.) verwendet bereits das lateinische Verb »philosophieren« (philosophari), wobei die Person im Schauspiel mahnt, es damit nicht zu übertreiben.61 Im Vergleich zu Ennius’ Dichterkollegen Plautus und Terenz ist das insofern ein Fortschritt, als das Wort bei ihnen einfach »Unsinn reden« bedeutet.62 Die ersten erhaltenen Nachrichten über griechische Philosophen in Rom betreffen zwei Epikureer um 173 oder 155 v.  Chr., die alsbald aus der Stadt vertrieben werden; ein Egnatius soll ferner bereits früh ein epikureisch gefärbtes Lehrgedicht verfasst haben.63 Einen großen, wenn auch zwiespältigen Eindruck hinterlässt die Athener Philosophengesandtschaft von 156/55 v.  Chr. insbesondere dank Karneades’ Auftritt als Redner für und wider die Existenz einer natürlichen Gerechtigkeit.64 Ein ausführlicher Aufenthalt in Rom ist kurz danach für den Stoiker Panaitios bezeugt, dem relativ bald der Epikureer Phaidros sowie, nach der Zerstörung Athens im Jahre 86 v.  Chr., weitere Philosophen wie das akademische Schulhaupt Philon von Larissa und der Epikureer Philodem folgen,65 die z. T. in vornehmen römischen Häusern als »Freunde und Lebensgefährten« wohnen.66 Seit dieser Zeit ist die Philosophie in Rom als Bildungsgut im Allgemeinen anerkannt,67 und die Stadt wird zu einem begehrten Ziel zahlreicher griechischer Intellektueller, ohne dass freilich Römer in nennenswerter Zahl selbst unter die 59

  Vgl. G. Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, Darmstadt 1989, 7–18.   Plinius, Naturalis historia 13, 86 (2, p.  446, 13–447, 2 Mayhoff). Vgl. H. Fliedner, Numa Pompilius, in: Der Kleine Pauly 4 (1979), 185 f., hier 186; Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 16. 61   Ennius, apud: Cicero, Tusculanae disputationes, 2, 1; vgl. Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 19. 62   Vgl. Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 20. 63   Vgl. zu allen diesen Punkten Erler, Die Schule Epikurs, 363 f. 64   Vgl. zu diesem in antiken Quellen mehrfach erwähnten Ereignis Erler, Die Schule Epikurs, 363 f. 65   Die Chronologie des Philodem und auch Philons von Larissa lässt sich aufgrund neuer Lesarten herkulanensischer Papyri zusehends genauer angeben: K. Fleischer, The Pupils of Philo of Larissa and Philodemus’ Stay in Sicily (PHerc 1021, col. XXXIV 6–19), in: Cronache Ercolanesi 47 (2017), 73–85; K. Fleischer, Dating Philodemus’ Birth and Early Studies, in: Bulletin of the American Society of Papyrologists 55 (2018), 119–127. 66   Vgl. z. B. J. Barnes, Antiochus of Ascalon, in: M. Griffin  /  J. Barnes (Hrsg.), Philosophia togata. Essays on philosophy and Roman society, Oxford 1989, 51–96, hier 56. 67   Vgl. Suerbaum, Philosophische Fachschriften, 530–532. 60

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Philosophen gegangen wären. Immerhin ist der Stoiker Blossius aus Cumae, ein auffallend früher italischer Schüler des Antipatros von Tarsos in Athen, schon um 133 v.  Chr. an der Politik der Gracchen beteiligt,68 Römer wie Caesar neigen dem Epikureismus zu, und Cato der Jüngere (95–46 v.  Chr.) wird sogar zu einem idealen Weisen stilisiert.69 Ein Philosophiestudium in Athen ist für gebildete Römer wie Cicero, Brutus, Varro und Piso nach ca. 100 v.  Chr. offenbar ziemlich normal.70 Angehörige der römischen Oberschicht verfassen ihrerseits philosophische Texte, die freilich teils der Vermittlung dienen (Lukrez), teils eine Art ›Metaphilosophie‹ bieten, durch welche die Vielfalt und Verschiedenheit philosophischer Lehren und Argumente an die römischen Landsleute vermittelt werden soll (Varro, Cicero).71 Bei diesen politisch und rhetorisch aktiven Autoren zeigt sich »eine souverän wählende und umformende Nutzung griechischen Geistesguts für die römische Bildung«,72 welche sich von der in Schulen organisierten Philosophie des griechischen Raums strukturell deutlich unterscheidet. Einige philosophische Aktivitäten, das Verfassen von Texten und das philosophische Gespräch, werden übernommen, während der eigentliche Lehrbetrieb und die mündlichen und schriftlichen Fachdiskussionen im engeren Sinn weiterhin auf Griechisch geführt werden. Auch eine kritische Gegenströmung zur Philosophie bleibt in Rom erhalten und trägt zu einer eingeschränkten Rezeption des Philosophie-Ideals bei.73 Trotzdem kann man »die Aneignung der griechischen philosophischen Gedankenwelt […] wohl die wichtigste Form der Hellenisierung Roms« nennen.74

Gesellschaftliche Stellung der Philosophen In Anbetracht der zahlreichen philosophisch ausgebildeten Männer und auch Frauen stellt sich die Frage, wie sie ihr Leben finanzieren und gestalten. Grundsätzlich dürfte den meisten von ihnen, außer vielleicht einigen Kynikern, die Selbstfinanzierung kein großes Problem bereiten, gehören sie doch der Oberschicht an. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Ausnahmen wie der ehemalige Boxer Kleanthes oder Bion von Borysthenes, der sich vom (Lust-?)Sklaven zum Philosophen hocharbeitet, in der biographischen Tradition besonders hervorge-

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  Plutarchus, Tiberius Gracchus 8, 6 (827e). S. unten S. 358.   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 366 f.; Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 50–53. 70   Vgl. unten S.  452  f. 71   Vgl. dazu im Detail unten S. 454  f. Die Neuheit der eigenen Arbeit gegenüber seinen Vorgängern wird von Cicero, Tusculanae disputationes, 1, 6; 2, 7 mehrmals betont. 72   Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 12. 73   Vgl. W. Görler, Philosophie. Rom, in: HWbPhil 7 (1989), 607–616. 74   Vgl. Suerbaum, Philosophische Fachschriften, 526 f., Zitat 527. 69

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hoben werden.75 Viele Schüler der Philosophie gehen wahrscheinlich nach ihrer Ausbildung in ihre Heimatstädte zurück, führen dort das Leben eines Angehörigen der Oberschicht und betätigen sich auch politisch in entsprechender Weise.76 Reine Privatgelehrte sind für die hellenistische Zeit kaum belegt. Soweit die Philosophen einer beruflichen Aktivität nachgehen, tun sie das offenbar vorwiegend als Lehrer. Den Prototyp solcher Lehrer bilden sicherlich die Angehörigen der Philosophenschulen (σχολή, διατριβή) in Athen, den Nuklei der philosophischen Richtungen (αἱρέσεις) der Antike.77 Zu einer solchen Schule gehören, wie schon in der Akademie, sowohl der Leiter bzw. Scholarch als auch eine Reihe mehr oder weniger lange anwesender fester Mitglieder, welche ggf. die Rolle des Schulleiters einnehmen, wenn dieser Posten frei wird.78 Man kann vermuten, dass sie bereits, wie in späteren Zeiten, häufig eine Art Einführungsunterricht übernehmen, während der Schulleiter sich vorwiegend an Fortgeschrittene wendet.79 Besonders diese dürften schon zu dieser Zeit als ›Philosophen‹ im strengen Sinn von den ›Hörern‹ bzw. Anhängern der Philosophie unterschieden werden.80 Die Athener Schulen beziehen ihre Stabilität nicht zuletzt aus ihrem Schulvermögen, das nicht nur unter den Schulleitern vererbt, sondern auch immer wieder durch Spenden vermehrt wird, die z. T., bis hin zur Stiftung ganzer Gebäude, direkt von hellenistischen Königen kommen;81 Hörergelder scheinen weiterhin

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  Zu Kleanthes vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 7, 168–171 (p.  545, 1–547, 8 Marcovich = 576, 1–578, 48 Dorandi); Steinmetz, Die Stoa, 566 f.; zu Bion Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, 4, 46 f. (p.  290, 4–20 Marcovich = 330, 3–18 Dorandi); J. F. Kindstrand, Bion of Borysthenes. A Collection of the Fragments with Introduction and Commentary, Uppsala 1976, 6–9. 76   Vgl. unten S.  356  f. 77   Zu diesen Termini und ihrer Entstehung vgl. J. Glucker, Antiochus and the Late Academy, Göttingen 1976, 159–206. 78   Für die hellenistische Zeit gibt es hierzu wohl keine zusammenfassenden Untersuchung, vgl. aber stets Lynch, Aristotle’s School, 68–134; ferner Glucker, Antiochus and the Late Academy, 226–246; M. Haake, Philosophical Schools in Athenian Society from the Fourth to the First Century B. C. An Overview, in: V. Gabrielsen  /  Ch. A. Thomsen (Hrsg.), Private Associations and the Public Sphere. Proceedings of a Symposium held at the Royal Danish Academy of Sciences and Letters, 9–11 September 2010, Kopenhagen 2015, 57–91, hier 74 f. 79   Vgl. unten S. 733. Eine systematische Sammlung der Belege aus der hellenistischen Zeit zu dieser Frage ist mir nicht bekannt, wäre aber aufgrund des reichen Materials bei Diogenes Laertios evtl. lohnend. 80  Vgl. Hartmann, Kynische Grenzüberschreitungen, 236 f.; Haake, Philosophical Schools, 75. 81   Die wichtigsten Belege sind die bei Diogenes Laertios überlieferten Testamente des Aristoteles, Theophrast und Epikurs, vgl. dazu die jeweiligen Kapitel in diesem Buch sowie Lynch, Aristotle’s School, 68–105. Spenden für Philosophenschulen bzw. deren Gebäude sind bezeugt für einzelne Ptolemäer und Attaliden aus Pergamon: Görler, Älterer Pyrrhonismus, 777 f.; Haake, Der Philosoph in der Stadt, 85.

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nicht üblich zu sein, kommen aber anscheinend vor.82 Nicht weniger wichtig als der Unterricht ist für diese Schulen das gegenseitige Zusammenleben als philosophische Gemeinschaft, welche die Mahlzeiten83 und – jedenfalls bei den Epikureern – auch quasi-religiöse Riten gemeinsam vollzieht.84 Die Nachfolge der Schulleiter dürfte entweder, wie in der Akademie, durch eine Wahl85 oder auch dadurch zustande kommen, dass der scheidende Scholarch einen Nachfolger designiert, der freilich nicht in jedem Fall akzeptiert wird.86 Die Quellen zeugen im Übrigen von recht guten persönlichen Beziehungen sowohl zwischen Philosophielehrern unterschiedlicher Schulen87 – die für ein gewisses Standesbewusstsein sprechen, das auch die Basis für gemeinsame Aufträge wie die Gesandtschaft nach Rom sein dürfte – als auch zwischen diesen und anderen einflussreichen Persönlichkeiten, was nicht zuletzt für die Weiterexistenz der Schulen wichtig sein dürfte. Die philosophischen Lehrer bzw. Tochterschulen außerhalb Athens88 dürften sich häufig nicht auf einen Fachunterricht beschränken. Schon relativ alte Quellen bezeugen nämlich, dass zumindest einige philosophische Teilgebiete, namentlich Ethik und Dialektik, zur gehobenen Allgemeinbildung gehören, dem ›Zirkel der Lehre‹ (ἐγκύκλιος παιδεία).89 So spricht Andron von Alexandria von »Grammatikern, Philosophen, Geometern, Musikern, Malern, Erziehern, Ärzten und vielen andern Fachleuten« in einem Atemzug, welche (in diesem Fall als Vertriebene) »aufgrund von Armut das gelehrt« hätten, »was sie wussten«.90 Aufgrund des breiten Bedarfs nach einer solchen Ausbildung, mit dem man in den hellenistischen Städten rechnen muss, erteilen mit großer Wahrscheinlichkeit auch professionelle 82  Vgl. zu diesem Problem H. Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie. Schrift – Schule – Lebensform, Frankfurt 2004, 106 f. 83   Spöttisch, aber unter Anerkennung der Bedeutung geordneter Mahlzeiten belegt bei Athenaeus, Dipnosophistae 5, 2 (185b–186c). 84   Vgl. unten S. 399. 85   Vgl. oben S. 262. 86   Vgl. die bei Görler, Älterer Pyrrhonismus, 778, gesammelten Belege, wo freilich von der Wahl des Schulleiters, die Görler als normal darstellt, offenbar nirgendwo die Rede ist. 87   Vgl. besonders die Freundschaft des Kleanthes und Arkesilaos nach Philodemus, Historia Stoicorum, col. XII (p. 64 Dorandi); weiteres bei Habicht, Hellenistic Athens and her Philosophers, 6 f. 88   Vgl. hierzu die Belege im Abschnitt »Verbreitung von Philosophie und Philosophen«, welche aber wohl eher die Spitze des Eisbergs repräsentieren. 89   Vgl. K. Vössing, Schule und Bildung im Nordafrika der römischen Kaiserzeit, Brüssel 1997, 31–34; Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 38–52 (mit wertvoller Belegsammlung, deren Lücke zwischen dem 4. und dem 2. Jhdt. aber durch Chrysipps ἐγκύκλια μαθήματα bei Diogenes Laertios, Vitae philosophorum, 7, 129 [p. 520, 11 f. Marcovich = 549, 1027 f. Dorandi] geschlossen werden kann). Für die älteren Belege s. oben S. 198, 265  f. 90   ἀνδρῶν γραμματικῶν, φιλοσόφων, γεωμετρῶν, μουσικῶν, ζωγράφων, παιδοτριβῶν τε καὶ ἰατρῶν καὶ ἄλλων πολλῶν τεχνιτῶν· οἳ διὰ τὸ πένεσθαι διδάσκοντες ἃ ἠπίσταντο. Andro Alexandrinus, Chronica, frg.  1 (FGrHist 246) = Athenaeus, Dipnosophistae 4, 83 (184bc).

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Philosophen einen entsprechenden Unterricht, zumal dieser in den Quellen unter dem Label Philosophie laufen kann. Aus fachphilosophischer Sicht dürfte diese Situation nur bedingt erwünscht sein: In hellenistischer Zeit wird die Philosophie zwar einmal von Poseidonios ausdrücklich mit den Disziplinen des ›Zirkels der Lehre‹ (ἐγκύκλιος παιδεία) verbunden, und zwar als deren Höhepunkt und Ziel.91 Aus diesem Beleg kann man aber nicht folgern, dass dieser Unterricht stets eine Propädeutik zur Philosophie darstellt:92 Denn gerade frühere hellenistische Philosophen betonen gerne die Eigenheit der Philosophie gegenüber den anderen Fächern, weswegen diese – wie namentlich bei Epikur – entschieden abgelehnt werden.93 Im Hinblick auf die tatsächlichen Unterrichtsinhalte außerhalb der engsten Philosophenzirkel können hieraus kaum Schlüsse gezogen werden, zumal die Bildungsinstitutionen regional stark variieren94 und die meisten Lernenden wegen ihrer Alltagsverpflichtungen die eigentlichen philosophischen Inhalte gar nicht erreichen.95 Wahrscheinlich gehen Schüler, welche eine philosophische Ausbildung auf professionellem Niveau erhalten wollen, in hellenistischer Zeit meist nach Athen (bzw. später nach Rhodos und evtl. Pergamon), so dass der Unterricht an anderen Orten eher allgemeinere und basalere Inhalte umfassen dürfte. Beim Unterricht philosophischer Themen dürfte es sich fast immer, wie in der Antike üblich, um private Lehrer-Schüler-Verhältnisse handeln, zumal Spezialisten wie Philosophen kein Teil eines ›öffentlichen‹, von den Poleis finanzierten 91   Vgl. unten S. 432  f. Poseidonios selbst bezeichnet die Schulen des Peripatetikers Athe­ nion in Larissa und Messene verächtlich als »sophistische Aktivität, bei der Schulknaben gejagt« werden (σοφιστεύειν […] μειράκια σχολαστικὰ θήρευων): Posidonius, apud: Athenaeus, Dipnosophistae 5, 48 (211d), während Athenaios selbst Athenion »Vorsteher einer philosophischen Lehranstalt« (διατριβῆς πρόσταντι φιλοσόφου: 211d) nennt. Zum Verhältnis von ἐγκύκλιος παιδεία und Philosophie vgl. besonders Vössing, Schule und Bildung in Nordafrika, 31–34. Dihles Meinung, die Verbindung der verschiedenen artes mit der Philosophie habe etwas mit der Titulatur φιλόσοφος für Museionsmitglieder in Alexandrien zu tun (Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, 201–209), trifft für die hellenistische Zeit schon deswegen nicht zu, weil derartige Titel erst in der Kaiserzeit literarisch bezeugt sind: Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 219–222. 92   Diese Möglichkeit wird namentlich von I. Hadot, Arts libéraux et philosophie dans la pensée antique. Contribution à l’histoire de l’éducation et de la culture dans l’Antiquité, Paris 22005, z. B. 99, erwogen (vgl. auch Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, 191), doch dürfte der Unterschied von vorphilosophischen zu allgemeinbildenden artes in der Praxis kaum eine Rolle spielen: Vössing, Schule und Bildung in Nordafrika, 31–34. 93   Dazu generell Dihle, Philosophie – Fachwissenschaften – Allgemeinbildung, 191–195. Zur allgemeinen Situation der Rhetorik in hellenistischer Zeit vgl. Ch. Tornau, Rhetorik, in: RAC 29 (2019), 1–94, hier 10 f. 94   Vgl. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 48–52. 95   So eindeutig und sicherlich richtig Diodorus Siculus, Historiae 2, 29, 5 (2, p.  55, 6–13 Eck).

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Bildungssystems sind.96 Das bedeutet natürlich auch, dass Philosophielehrer, entgegen dem von Sokrates vertretenen und in hellenistischer Zeit grundsätzlich durchgehaltenen Ideal, gezwungen sein können, Hörergelder zu nehmen, die sie wohl sowohl für ihren Lebensunterhalt (und sei er noch so bescheiden) als auch z. B. für die Anmietung von Räumen für die Lehre benötigen. Hierdurch entstehen natürlich verschiedene Probleme: Einerseits treten die Philosophen in eine Konkurrenzsituation zu anderen Lehrern, namentlich Rhetoren, die ebenfalls auf Schüler aus der solventen Oberschicht abzielen, und andererseits geraten sie persönlich in eine ambivalente Situation, scheinen sie doch dem philosophischen Ideal der Armut und Bedürfnislosigkeit nicht zu entsprechen97 und müssen Inhalte vermitteln, welche nicht als ›philosophisch‹ angesehen werden (z. B. Rhetorik),98 um die Bedürfnisse potentieller Schüler zu befriedigen.99 Eine Alternative zu einer öffentlichen Unterrichtstätigkeit im Sinne der Gründung einer eigenen Schule oder der Tätigkeit an einem städtischen Gymnasium100 besteht für viele Philosophen darin, als Privatlehrer in einen Haushalt einzuziehen. So ist für das Rom des 1. Jahrhunderts v.  Chr. nicht selten bezeugt, dass Philosophen in einzelnen vornehmen Häusern mitleben und dort eine Funktion ausüben, die irgendwo in der Mitte zwischen Gesellschaftern, Freunden, Erziehern und Kostgängern anzusiedeln ist.101 Jedenfalls in einzelnen Fällen, z. B. dem des Philodem, ergeben sich auf diese Weise offenbar hervorragende Arbeitsmöglichkeiten mit guten bibliothekarischen Ressourcen, die zu einer beträchtlichen schriftlichen Produktion führen.102 Für einzelne Philosophen wie Antiochos von Askalon ist auch bezeugt, dass sie ihre römischen Patrone auf Reisen begleiten.103

Der Sinn des philosophischen Unterrichts Die Ausbreitung philosophischen Unterrichts in der ganzen antiken Welt hat in der historischen Forschung zur Philosophie zu der Frage geführt, welchen ›Zweck‹ derartige Ausbildungsphasen für die griechisch-römische Oberschicht haben, zu96

  Vgl. dazu z. B. Lynch, Aristotle’s School, 63 f.; Habicht, Hellenistic Athens and her Philosophers, 2; Vössing, Schule und Bildung in Nordafrika, 573 f., dessen für eine Region gewonnene Ergebnisse vermutlich eine in der Antike verbreitete Situation widerspiegeln. 97   Was z. B. Poseidonios dem Athenion bescheinigt: Athenaeus, Dipnosophistae 5, 48 (212a) 98   Dies ist etwa für Philon von Larissa in Rom bezeugt: Vgl. unten S. 448. 99   Diese Problematik wird von Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, für die Kaiserzeit, wo die Beleglage besser ist, intensiv diskutiert. Vgl. unten S. 524–527. 100   Die prinzipielle Möglichkeit für Philosophen, an einem Gymnasium zu wirken, ergibt sich schon daraus, dass sie von dort ausgeschlossen werden können: Vgl. Lynch, Aristotle’s School, 130. 101   Vgl. unten S. 527. 102   Vgl. unten S. 382. 103   Vgl. unten S.  442  f.

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mal der praktische Nutzen einer philosophischen Lehre weniger einzuleuchten scheint als bei der Rhetorik.104 Hierbei wird freilich eine moderne Fragestellung von außen an die antike Wirklichkeit, soweit sie durch das Selbstverständnis der Beteiligten konstituiert wird, herangetragen, die vor dem Hintergrund der antiken Belege nur bedingt geeignet zu sein scheint, die Attraktivität zu klären, welche die Philosophenschulen in antiker Perspektive haben. Denn hierbei ist die für das philosophische Selbstverständnis zentrale Annahme zu beachten, dass die in den Philosophenschulen gelehrten Kenntnisse und Lebensweisen seit Platon und Aristoteles als die höchste Ausprägung eines guten menschlichen Lebens gelten und insofern, wie beide betonen, in höchstem Maße »frei« sind.105 Gerade diese Formulierung nimmt aber, wie jüngst Stefanie Holder überzeugend gezeigt hat, einen zentralen Platz im Bildungsverständnis antiker Oberschichten ein: Nicht nur wird der ›Zirkel der Lehre‹ in antiken Quellen häufig als »frei« charakterisiert, sondern überhaupt spielt das Ideal einer »Bildung für den Freien« (παιδεία τοῦ ἐλευθέρου) in antiken Quellen eine beträchtliche Rolle.106 Die damit angesprochene Perspektive einer Bildung, die das freie Leben als solches mitkonstituiert und insofern um ihrer selbst willen angestrebt wird, wird nicht nur bereits in den pseudo-platonischen ›Rivalen‹ explizit auch auf die Philosophie und ihr Verhältnis zu anderen Disziplinen bezogen,107 sondern sie ist auch in der hellenistischen Philosophie tief verwurzelt: Namentlich das stoische Verständnis der Philosophie als »Fertigkeit in Bezug auf das Leben« (τέχνη περὶ τὸν βίον), welche auf die Kenntnis der »göttlichen und menschlichen Dinge« zielt, stellt die Philosophie als dasjenige Wissen dar, welches eben die Grundlage für ein in sich gutes Leben mit entsprechenden Tätigkeiten darstellt108 – so dass der philosophische Unterricht in den Augen seiner Anhänger gerade keinem weitergehenden ›Zweck‹ als der Erwerbung von Weisheit dienen kann bzw. zu dienen braucht. Zwar stellt die Weisheit, wiederum gemäß den Lehren der philosophischen Schulen, durchaus auch eine weitergehende, umfassende Fähigkeit zu gutem Handeln in allen möglichen Gesellschaftsbereichen dar, aber das ist sie eben nicht primär, sondern es folgt gleichsam aus ihrem inneren Selbstwert. Es ist im Übrigen sicherlich kein Zufall, dass sich eine enge Verbindung von Weisheit und Freiheit in der These findet, dass ›nur der Weise frei‹ ist, wie sie uns vor allem aus den Behandlungen der stoischen Paradoxe durch Cicero und Philon (›Quod omnis probus liber sit‹) bekannt ist:109 104

  Die interessante Frage wird aufgeworfen von Haake, Der Philosoph in der Stadt, 277–282. Vgl. auch K. Nebelin, Philosophie und Aristokratie. Die Autonomisierung der Philosophie von den Vorsokratikern bis Platon, Stuttgart 2016, 363 f., die auf die Zugehörigkeit zur Philosophenschule als »Distinktionsmerkmal« verweist. 105   Vgl. oben S. 265  f., 300. 106   Vgl. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 55–64. Vgl. unten S. 524. 107   Vgl. oben S. 264–266. 108   Vgl. die Analyse der stoischen Begrifflichkeit unten S.  423  f. Auch das epikureische Philosophieverständnis setzt ähnliche Akzente, s. unten S. 382 sowie 392–395. 109   S. unten S. 421.

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Diese Behauptung legt in provokanter und Aufmerksamkeit erregender Weise dar, dass das recht verstandene Ideal eines guten und freien Lebens sich eben in der Philosophie erfüllt. Es wäre abwegig zu bestreiten, dass Angehörige der Oberschicht, die sich der Philosophie zuwenden, dies nicht genau aus diesem Selbstverständnis heraus tun, weil sie sich mit solchen Fertigkeiten und Problemen beschäftigen wollen, die als ›frei‹ bzw. eines freien Mannes würdig – und insofern als ›zweckfrei‹ – gelten. Für das Verständnis des Phänomens Philosophie ist zusätzlich zu bedenken, dass die Freiheit von äußeren Zwecken im philosophischen Verständnis darin besteht, sich dem Glücklichsein (εὐδαιμονία) möglichst anzunähern bzw. ›gut zu leben‹ (εὖ ζῆν), wozu Tugenden notwendig gehören. Die ältere Formulierung, dass Bildung im antiken Sinne in »der freien und zugleich zuchtvollen Betätigung des Geistes sowie der Formung durch das Verständnis der überkommenen geistigen Welt« bestehe,110 hält insoweit richtig fest, dass das Angebot der Philosophen an Deutungskonzepten für das eigene Leben und an einer Lehre, die zu dessen Vervollkommnung führt, einem Bedürfnis entspricht. Die Leistung des in hellenistischer Zeit besonders attraktiven stoischen Philosophieverständnisses dürfte vor diesem Hintergrund gerade darin bestehen, dass es einerseits Tugend, in sokra­ tischer Tradition, auf ein erlernbares Wissen zurückführt und dieses andererseits mit Inhalten füllt, welche als ›göttliche und menschliche Dinge‹ sowohl grundsätzlich relevant bzw. ›lebensnah‹ scheinen (insofern sie das Leben in Natur und Kultur verständlich machen) als auch eine gewisse Breite von Themen umfassen. Die politische Dimension der philosophischen Vorstellung von einem sinnvollen Unterricht111 liegt offenbar darin, dass für viele antike Menschen die durch Philosophie zu erlernende ›Herrschaft über sich selbst‹ Grundlage der Herrschaft über andere sowie auch der Beratung von anderen ist: Insofern gehört das Einüben von Tugenden sowohl zum notwendigen Lernstoff für angehende Herrscher als auch zur Grundbedingung für das Auftreten des Philosophen vor diesem, wofür die Fähigkeit der Ausübung von Parrhēsia (παρρησία), also einer freien Rede auch in Drucksituationen, unabdingbar ist.112 Aus dieser Perspektive, welche richtiges herrscherliches Handeln in erster Linie als das Ergebnis des Umgangs von entsprechend erzogenen Personen versteht, besteht kein Gegensatz zwischen einem selbstzwecklichen Studium der Philosophie und einiger Nachbargebiete sowie der Vorbereitung auf konkrete politische Aktivitäten – gerade die Selbstzwecklichkeit, die in der Erwerbung und Fähigkeit zur Lehre menschlicher Exzellenz liegt, erscheint als Grundbedingung für gute Herrschaft. 110   So H. Fuchs, Bildung, in: RAC 2 (1954), 346–362, hier 346; vgl. H. Fuchs, Enkyklios Paideia, in: RAC 5 (1962), 365–398, hier 365–369 (unter Berufung auf Ps.-Plato, Amatores 135b–136b). 111   Sie wird zu Recht auch betont von Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 163. 112   Vgl. M. Foucault, Le gouvernement de soi et des autres. Cours au collège de France, 1982–1983, Paris 2008, z. B. 46–54, mit Verweis auf Platons erzieherische Maßnahmen in Plutarchs ›Dion‹; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 163 f.

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Das erklärt durchaus auch, warum die platonisch-aristotelische Diskussion über Verfassungstypen sowie bessere und schlechtere Verfassungen in hellenistischer Zeit kaum fortgesetzt wird: Hierfür dürfte nicht nur die Tatsache verantwortlich sein, dass allen Beteiligten, selbst den Herrschern, eine grundsätzliche Änderung der Regierungsform kaum möglich ist, da sich Demokratie und soziale Gerechtigkeit in der Antike kaum in dem größerem Raum eines Reiches verwirklichen lassen, anders als in einer kleinen Polis.113 Vielmehr dürfte auch in einer Gesellschaft, die von Herrschern oder einer kleinen städtischen Oberschicht dominiert wird, die persönliche Vervollkommnung der Regierenden ebenso für diese selbst wie für das Gemeinwesen als wichtigstes politisches Anliegen gelten: Die Gerechtigkeit des Herrschers und seines Umfeldes scheint die Umsetzung des Gerechten in bestmöglicher Weise zu garantieren. Letzten Endes zielt also das antike, durch die Philosophie geprägte Bildungsideal nicht auf die Vermittlung von ›Kompetenzen‹ für konkrete Zwecke ab, sondern es strebt eine umfassende Menschenbildung an, die ein gutes Leben als solches definiert, und vertraut darauf, dass gerade dies die Menschen zu gutem Handeln befähigt.

Politische Aktivität von Philosophen Durchaus im Einklang mit dieser Annahme verstetigt sich in hellenistischer Zeit die von Pythagoras, Platon und Aristoteles begründete Tradition einer Aktivität von Philosophen in politischen Kontexten.114 Die Wertung der Belege ist allerdings schwierig, weil Inschriften und Gesetze in der Regel nur einen äußeren Blick auf die politische Situation erlauben und das Philosoph-Sein der genannten Personen meist ebenso wenig erwähnen,115 wie sie konkrete politische Maßnahmen darstellen. Die Wertungen aus philosophischer Perspektive unterliegen hingegen, ob sie nun von den Autoren selbst oder nur einer späteren Tradition stammen, einer starken Stilisierung, bei der sich kaum sagen lässt, inwieweit die jeweilige Weltsicht das politische Handeln der Beteiligten wirklich prägt. Jedenfalls kommt das später verbreitete politische Rollenmodell für antike Philosophen, das Vertrauensverhältnis zu Herrschern, in hellenistischer Zeit bereits vor, ist aber nicht allgemein verbreitet: Wie Aristoteles als Lehrer Alexanders des Großen wirkt, tritt auch Demetrios von Phaleron, der der Tradition als Peripatetiker gilt, erst in die Dienste des Makedonenkönigs Kassander und dann, nach dessen Niederlage, in die des Ptolemaios I. Soter in Alexandria, bevor er von 113   Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings die Reform der Gracchen in Rom, an der auch der Stoiker Blossius mitwirkt; s. unten S. 440, 507. 114   Nützliche Zusammenfassungen mit mehr Details, als hier erwähnt werden können, aber einer fragwürdig starken Differenzierung zwischen den einzelnen Schulen, finden sich für Peripatos und Stoa bei Scholz, Der Philosoph und die Politik, 189–192, 317–325. 115   Vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 263.

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dessen Sohn Ptolemaios II. Philadelphos verbannt wird.116 Antigonos II. Gonatas (reg. 283–239 v.  Chr.) zieht Philosophen wie die Stoiker Persaios und Philonides sowie den Kyniker Bion an seinen Hof in Makedonien,117 während auch weitere Ptolemäer regelmäßig bis ins 2. Jahrhundert mit wechselndem Erfolg Philosophen nach Alexandrien einladen, darunter Straton von Lampsakos, der aber vor 285 nach Athen zurückkehrt,118 den Stoiker Sphairos von Borysthenes, der später zu König Kleomenes III. nach Sparta geht, und Eratosthenes.119 Für die Seleukiden ist die gleich zu besprechende Präsenz des Epikureers Philonides an deren Hof bezeugt, während die Attaliden den Stoiker Krates von Mallos zur Leitung der Bibliothek und Gründung einer Schule nach Pergamon einladen.120 Diese Philosophen erfüllen, soweit feststellbar, konkrete Aufgaben:121 Persaios verteidigt in einer Art Feldherrndienst Korinth und kommt dabei zu Tode. Demetrios von Phaleron verwaltet als Kassanders Statthalter (ἐπιμελήτης) von 317– 307 v.  Chr. Athen, was ihn bei späteren Autoren zum Musterbeispiel für ­einen Philosophenherrscher macht.122 Die Motive für sein Agieren ergeben sich jedoch eher aus seiner Herkunft aus einer philomakedonischen Athener Familie, und seine Gesetzgebung lässt keine spezifisch philosophischen Bezüge erkennen.123 Demetrios, der nach dem Verlassen Athens nach Alexandrien geht, und später Eratosthenes sind dort Leiter der Bibliothek bzw. ihres Aufbaus und verfolgen anscheinen das Ziel, »alle Bücher auf dem Erdkreis zusammenzubringen« (συναγαγεῖν

116   Vgl. F. Wehrli  /  G. Wöhrle  /  L. Zhmud, Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, in: GGPh 3 (22004), 493–666, hier 594 f. 117   Vgl. R. Goulet, Antigone Gonatas, in: DPhA 2 (1994), 211–214. 118   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 594 f.; Glucker, The Athenian Philosophical Atmosphere, 310. 119   Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria, 481 f.; Ch. Guéraud  /  R. Goulet, Sphaïros le Bory­ sthé­nite, in: DPhA 6 (2016), 540–545, hier 541 f. 120   Vgl. Flamand, Cratès de Mallos, 487 f. 121   Nach Haake, Der Philosoph in der Stadt, 148, wäre eine solche Tätigkeit sogar die Regel. Vgl. Ch. Habicht, Die herrschende Gesellschaft in den hellenistischen Monarchien, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 45 (1958), 1–16, hier 6–8. Vgl. aber den nächsten Absatz. 122   Cicero, De re publica, 1, 3; Strabo, Geographia 9, 1, 20 (398, 4–13 Cobet). Zur Bezeichnung Philosophenherrscher vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 66. 123   Zu Demetrios’ politischem Agieren vgl. insgesamt wohl zutreffend Haake, Der Philosoph in der Stadt, 60–82, der freilich die von Demetrios überlieferte Schriftenliste mit teils philosophischem Charakter kaum berücksichtigt. Anders H. B. Gottschalk, Demetrius of Phalerum. A Politician among Philosophers and a Philosopher among Politicians, in: Demetrius of Phalerum. Text, Translation and Discussion, hrsg. von W. W. Fortenbaugh  / E. Schütrumpf, New Brunswick  /  London 1999, 367–380. M. Gagarin, The Legislation of Demetrius of Phalerum and the Transformation of Athenian Law, in: Demetrius of Phalerum. Text, Translation, and Discussion, 347–365, betont die positive Wirkung von Demetrios’ Gesetzen, ohne einen strikt peripatetischen Charakter namhaft zu machen.

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[…] ἅπαντα τὰ κατὰ τὴν οἰκουμένην βιβλία).124 Eine wichtige Aufgabe besteht weiterhin, nach dem Vorbild des Aristoteles, in der Ausbildung der Söhne des Herrschers, wie sie für den Megariker Euphantes von Olynthos sowie für Persaios in Makedonien125 und für Straton in Alexandria bezeugt ist, wo sie für Eratosthenes zumindest vermutet wird.126 Hier dürfte insbesondere die philosophische Anleitung zu breitem Wissen und einem tugendhaften Leben eine Rolle spielen, deren Bedeutung für künftige Herrscher, welche besonnen und klug regieren sollen, auch für die hellenistische Zeit, aus der bereits einige philosophische Fürstenspiegel bekannt sind, hoch sein dürfte.127 Nach der Biographie des Epikureers Philonides128 lässt sich der Seleukide Demetrios I. noch nach Herrschaftsantritt von einer philosophischen Lebensführung überzeugen; das setzt freilich voraus, dass der Lehrer Philonides bereits Zugang zu Hofkreisen hat, was an seiner Zugehörigkeit zur Oberschicht von Laodikeia und nicht etwa an seiner philosophisch-mathematischen Kompetenz liegen dürfte.129 Anders liegen könnte der Fall hingegen bei den Philosophen am Hof des Antigonos Gonatas, der offenbar ein persönliches Interesse an der Philosophie mitbringt.130 Philosophische Quellen aus hellenistischer Zeit sehen jedoch zumindest Persaios’ Präsenz am Hof skeptisch131 und bestätigen insofern, dass das Modell ›Philosoph am Herrscherhof‹ in hellenistischer Zeit noch kein klar definiertes und allgemein akzeptiertes Rollenmodell ist. Häufiger als an Herrscherhöfen scheinen Philosophen in den einzelnen Poleis politisch zu agieren, wie die neuerdings von Matthias Haake zusammengestellten 124

  Vgl. unten S. 491. Die Formulierung findet sich in der Epistula Aristeae 9 (p.  104 Pelletier). Einen Überblick über die Bibliothek in Alexandrien gibt z. B. A. Pelletier, in: Lettre d’Aristée à Philocrate. Introduction, Texte critique, traduction et notes, index complet des mots grecs par A. Pelletier, Paris 1962, 66–71. 125   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 110 (p.  167, 9–11 Marcovich = 217, 59–61 Dorandi = Megarici, frg.  68 Döring); 7, 36 (p.  467, 9 Marcovich = 497, 453 Dorandi). 126   Vgl. P. P. Fuentes González, Eratosthène de Cyrène, in: DPhA 3 (2000), 188–236, hier 201. 127   Vgl. P. Hadot, Fürstenspiegel, in: RAC 8 (1972), 555–632, hier 580–589; Foucault, Le gouvernement de soi et des autres, 46 f. Fürstenspiegel sind für Euphantes von Olynthos und für Straton bezeugt: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 110; 5, 59 (p.  167, 9–11; 350, 9 Marcovich = 217, 59–61; 382, 18 Dorandi). Zu Stratons politischen Aktivitäten vgl. Scholz, Der Philosoph und die Politik, 189. 128   Vgl. dazu unten S. 382. 129   Zur Bewertung der ›Vita Philonidis‹ aus historischer Sicht vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 148–159. Auch hier suggeriert Haake, dass Philonides’ Anhängerschaft zur »epikureischen Philosophie […] anscheinend keinen Einfluß auf seine Lebensführung« hat, obwohl dieser »versuchte autobiographisch einen epikureischen bios zu imaginieren«. Ein solcher Schluss ist, selbst wenn man die erhaltene Vita für idealisiert hält, durch die Quellen nicht gerechtfertigt, da wir weder von einer Autobiographie des Philonides noch von seiner persönlichen Lebensführung etwas wissen. 130   Vgl. Goulet, Antigone Gonatas, 212. 131   Timo Phlieus, apud: Athenaeus, Dipnosophistae 6, 58 (251c); Philodemus, Historia Stoicorum, col. XIII (p.  66 Dorandi).

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und gedeuteten Quellen nahelegen: Bekannte Beispiele sind neben dem Athener Bürger Demetrios von Phaleron sowohl die Griechen Menedemos132 und Panaitios, welcher auch das Amt eines religiösen Magistrats (ἱεροθύτας) übernimmt,133 als auch die Römer Varro und Cicero,134 deren Aktivitäten sowohl politische Leitungsfunktionen als auch Lehre (im Falle der Griechen) und/oder Schriftstellerei umfassen. Leitende Philosophen wie Zenon, Chrysipp und der Peripatetiker Lykon werden in Athen durch Inschriften geehrt, was sowohl ihre politische Bedeutung als auch ihre Anerkennung als Philosophen bezeugt.135 Selbst für einige Epikureer, deren Schule als besonders politikfeindlich gilt, ist politische Aktivität bezeugt.136 Besonders spektakulär ist der Fall der Peripatetiker Athenion und Apellikos – auch als Sammler von Aristoteles-Handschriften bekannt – sowie des Epikureers Aristion, welche zwischen 88 und 86 v.  Chr. als Strategen Athens die Stadt auf die Seite des Mithridates von Pontos führen und so deren auch für die Philosophenschulen verheerende Zerstörung durch Sulla provozieren.137 Sie werden von Poseidonios bzw. Appian für das Vergessen der eigenen Lehren und ein (angeblich) an die Pythagoreer gemahnendes tyrannisches Vorgehen scharf kritisiert,138 was man wohl als Indiz dafür nehmen kann, dass sie Repräsentanten bestimmter innerstädtischen Fraktionen sind, welche sich ihre Gegner mit Gewalt vom Leibe halten (müssen).139 Demnach verhalten sich die politisch aktiven Philosophen der hellenistischen Zeit in der Regel auf eine Weise, die den Handlungserwartungen und -optionen von Mitgliedern einer gehobenen Schicht weitgehend entspricht. Das gilt sowohl für die Philosophen, die als Bürger der eigenen Stadt aktiv werden, als auch für diejenigen, die als Leiter philosophischer Schulen trotz ihrer Herkunft aus der Fremde eine sozial herausgehobene Position einnehmen. Gerade für sie dürfte in Anbetracht ihrer didaktischen und wissenschaftlichen Spezialisierung eine Betätigung für die Polis eher die Ausnahme sein.140 Ihr sozialer Rang beeinflusst ihre politische Aktivität somit stärker als ihre Lehrmeinungen, deren Idealbild 132

  Vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 177–181.   Vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 198–205. 134   Zur Situation in Rom vgl. generell Griffin, Philosophy, Politics, and Politicians. 135   Zu Details vgl. Haake, Der Philosoph in der Stadt, 82–89; 118–131. 136   Zu weiteren in Poleis aktiven Epikureern vgl. die entsprechenden Kapitel bei Haake, Der Philosoph in der Stadt. Nicht erwähnt ist dort Lysias, der Tyrann von Tarsos, vgl. Athenaeus, Dipnosophistae, 5, 54 (217bc). 137   Die wichtigste Quelle ist Posidonius, apud: Athenaeus, Dipnosophistae, 5, 47 f. (211d– 215b). Vgl. ferner Plutarchus, Sulla, 12–14 (458 f–461b); Appianus, Mithridaticus, 108–155 (1, p.  442, 11–453, 9 Viereck  /  Roos). Vgl. T. Dorandi, Aristion, in: DPhA 1 (1994), 369 f.; R. Goulet, Apellicon de Téos, in: DPhA 1 (1994), 266 f.; R. Goulet, Athenion, in: DPhA 1 (1994), 649 f.; Haake, Der Philosoph in der Stadt, 271–273. 138   Posidonius, apud: Athenaeus, Dipnosophistae, 5, 52 f. (213 f–214a; 214ef); Appianus, Mithridaticus, 110–112 (1, p.  443, 1–18 Viereck  /  Roos). 139   Für den Hinweis danke ich Stefanie Holder. 140   Vgl. Scholz, Der Philosoph und die Politik, 187 f. 133

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offenbar keineswegs immer realisiert wird, ja vielleicht selbst von den Schulleitern nicht immer durchzuhalten ist. Spezifisch als Philosophen scheinen hingegen eher diejenigen zu agieren, die an Königshöfe geladen werden, zumindest sofern sie Erziehungs- und Bildungsaufgaben (wie die Leitung von Bibliotheken) wahrnehmen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Sinne die Mitwirkung einzelner Stoiker an sozialen Reformprojekten, welche für Sphairos bei König Kleomenes in Sparta141 sowie für Blossius aus Cumae im Rom des 2. Jahrhunderts bezeugt ist, wo er an der Landreform der Gracchen (Cicero zufolge führend) beteiligt ist.142 Derartige politische Aktivitäten dürften aus stoischer Perspektive Bemühungen darstellen, das politische Zusammenleben in einzelnen Staaten entsprechend der alten, naturrechtlichen Gleichheit aller Menschen zu gestalten.143

Frauen in Philosophenschulen In der hellenistischen Zeit gibt es unter Epikureern (Batis, Leonta u. a.) und Kynikern (Hipparchia) einige Belege für die Mitgliedschaft von Frauen in Philosophenschulen, welche durch ein vorbildliches Leben und Schriften hervortreten;144 für Hipparchia und Batis, deren Ansehen auch dadurch deutlich wird, dass sie eigene Viten erhalten, ist es auch im Sinne der Zeit, sie ›Philosophinnen‹ – und nicht einfach Hörerinnen bzw. Anhängerinnen der Philosophie – zu nennen.145 Zumindest einige Philosophen erkennen somit an, dass Frauen genauso wie Männer zum philosophischen Leben fähig sind, doch scheint dies nicht für alle – namentlich nicht für Theodor den Atheisten, der lieber Hipparchias Gewand anhebt, als sich auf eine Diskussion mit ihr einzulassen146 – eine Selbstverständlichkeit zu sein. Die philosophisch aktiven Frauen sind, soweit das erkennbar wird, entweder als erfolgreiche Hetären finanziell unabhängig, so dass sie sogar die Philosophenschulen effektiv unterstützen können,147 oder sie stehen – wie Batis und Hipparchia – als Ehefrauen und/oder Schwestern männlicher Philosophen in enger Ver141

  Plutarchus, Agis et Cleomenes (23) 2; 32 (11) (805de; 809e).   Plutarchus, Tiberius Gracchus 8; 17; 20 (827e; 832ef; 834ab); Cicero, Laelius de amicitia 37. Zu Blossius vgl. M. Ducos, Blossius de Cumes, in: DPhA 2 (1994), 116 f. Zu beiden hier genannten Fällen vgl. M. Forschner, Die Philosophie der Stoa. Logik, Physik und Ethik, Darmstadt 2018, 265 f. 143   Vgl. I. Hadot, Tradition stoïcienne et idées politiques au temps des Gracques, in: Revue des études latines 48 (1970), 134–179, besonders 141–166. 144   Vgl. dazu unten S. 362–365, 383. 145   Zu diesem Unterschied vgl. Hartmann, Kynische Grenzüberschreitungen, 236 f., der freilich die Vita der Batis nicht berücksichtigt. 146   So dürfte wohl die Szene zu lesen sein, dass Theodor, von Hipparchia zur Diskussion gereizt, deren Gewand anhebt, was sie freilich nicht beeindruckt: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 97 (438, 9–439, 5 Marcovich = 467, 147–468, 162 Dorandi). Vgl. Hartmann, Kynische Grenzüberschreitungen, hier 239 f. 147   Vgl. Jones, The Epicurean Tradition, 20–22; Erler, Die Schule Epikurs, 287. 142

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bindung mit anderen Schulangehörigen. Namentlich Hipparchia gibt – im Sinne der kynischen Ablehnung jeglicher Konventionen – als Philosophin ihre Frauenrolle konsequent auf, was schon durch ihre unkonventionelle Hochzeit mit Krates deutlich wird.148 Die Berichte über diese Frauen betreffen meist die Anfangszeit der Schulen, was aber nicht heißen muss, dass es später keine Frauen in hellenistischen Philosophenschulen mehr gibt, da die formative Periode der Schulen und der Kreis ihrer Gründer(innen) das besondere Interesse der Berichterstatter findet. Es ist allerdings möglich, dass die stärkere Institutionalisierung der Philosophenschulen im Laufe der Zeit dazu führt, dass diese sich stärker an einer gesellschaftlichen Norm orientieren, welche keine Leitungsaufgaben für Frauen vorsieht. Auffällig ist jedenfalls, dass Philosophinnen jedenfalls in hellenistischer Zeit nicht als Lehrerinnen bezeugt sind, was bedeuten könnte, dass sich auch frauenfreundliche Richtungen den gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit in dieser Hinsicht nicht vollständig entziehen.

Textformen der Philosophie in hellenistischer Zeit Einen Neubeginn mit langer Wirkung scheint die hellenistische Philosophie auch im Hinblick auf die Textformen des philosophischen Diskurses zu bedeuten, wie hier nur – um eine genauere Behandlung im Kontext der einzelnen Richtungen vornehmen zu können – kurz angedeutet werden kann:149 Der didaktische Charakter hellenistischer philosophischer Texte zeigt sich für uns konkret an den Lehrbriefen und Sentenzensammlungen Epikurs, die besonders darauf abzielen, die in systematischen Traktaten näher entfaltete Lehre der Schule lern- und memorierbar zu machen; sie stellen vielleicht, noch stärker als die gleichzeitige Platon-Kommentierung Krantors, den eigentlichen Beginn der reichen antiken Produktion von Texten dar, die neuerdings als ›heteronom‹ zusammengefasst werden, da sie sich einer Kommentierung, Zusammenstellung, Fortführung oder Abbreviation der Texte (und Lehren) anderer, meist früherer Autoren widmen.150 Dieser didaktische Zug zeigt sich auch noch am Lehrgedicht des Lukrez. Literarisch ungemein produktiv ist offenbar gerade die kynische Richtung, welche einerseits die anekdotische Chrie sowie die Verbindung von Dichtung und Prosa weiterentwickelt, andererseits aber auch den philosophischen Lehrvortrag zur Kunstform erhebt. 148

  Anthologia Palatina 7, 413 = Hipparchia, test. 3 (SSR 2, p.  578 f.). Vgl. J. M. García González  /  A. A. Fuentes González, Hipparchia de Maronée, in: DPhA 3 (2000), 742–750, hier 743 f.; Hartmann, Kynische Grenzüberschreitungen, 234–237. 149   Für eine ausführliche Analyse, die den konstituierenden Charakter der Texte für die hellenistischen philosophischen Richtungen betont, vgl. Erler, Philosophie, 403–446. 150   Vgl. zu dieser Terminologie K. Bracht u. a., Einleitung, in: K. Bracht u. a., Heteronome Texte. Kommentierende und tradierende Literatur in Antike und Mittelalter, Berlin  /  Boston 2021, 1–16, hier 3–7.

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Ähnliche Formen wird man wohl auch für die Stoa voraussetzen dürfen, aus der uns aus hellenistischer Zeit aber praktisch nur zwei Hymnen bzw. Gedichte des Kleanthes an Zeus erhalten sind. Man darf aber annehmen, dass die stoische Richtung ein Nebeneinander philosophisch-systematischer Traktate und didaktischer Formen hervorgebracht hat.

Die Quellen und ihre Benutzung Ein großes Problem der Erforschung fast der gesamten hellenistischen Philosophie ist wiederum die Überlieferungslage. Hierzu gilt grundsätzlich Ähnliches, wie zu den Vorsokratikern bereits gesagt wurde.151 Für die hellenistische Zeit sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten: Aus dieser Zeit sind immerhin einige Schriften, namentlich drei Briefe Epikurs oder die ›Metaphysik‹ Theophrasts, geschlossen überliefert, ansonsten sind entweder isolierte Fragmente aus ansonsten verlorenen Texten oder doxographische Berichte heranzuziehen. Für die hellenistische Zeit sind solche Referate besonders wichtig, die eine Schulposition geschlossen darstellen, wie sie bei Diogenes Laertios, Aristokles von Messene oder ›Hippolyt‹ begegnen.152 Eine weitere Besonderheit der indirekten Überlieferung hellenistischer Texte ist, dass viele Informationen in polemischen Traktaten überliefert sind, welche die (selten wörtlich zitierten) Meinungen ihrer Vorgänger referieren, um sie zu widerlegen (z. B. Alexander von Aphrodisias, ›Über das Schicksal‹; Plutarch, ›Gegen Kolotes‹), was naturgemäß eine eher kritische Grundhaltung der Berichterstatter impliziert.153 Im Hinblick auf das doxographische Material, das für die hellenistische Zeit nicht nur naturphilosophische Zusammenstellungen umfasst, ist zu beachten, dass die Angewohnheit seiner Bearbeiter, regelmäßig Punkte wie das durch die Philosophie verfolgte »Ziel« (τέλος) einer jeden Schule, d. h. ihre Vorstellung von Eudaimonie, oder das in ihr vorausgesetzte »Wahrheitskriterium« (κριτήριον), der Reihe nach abzuarbeiten, dazu führen kann, dass kaum mehr erkennbar ist, welche Schwerpunkte die Vorlage selbst legt. Nicht selten wird dazu dann eine mehr oder weniger zeitgenössische, als repräsentativ erachtete oder einfach vorhandene Quelle aus der ›Schule‹ oder ›Richtung‹ herangezogen, referiert oder einfach abgeschrieben und ihr Inhalt mit dem Namen der Gründerfigur der Schule verbunden, so dass selbst dem ›Aristoteles‹ oder ›Chrysipp‹ zugeschriebene Meinungen sich als spätere Lehrbuchpositionen entpuppen können.154 Hierauf wird, soweit möglich, im Folgenden geachtet werden. 151

  Vgl. oben S. 83–85.   Vgl. die entsprechenden Referate im Teil D. Kaiserzeit. 153   Eine Übersicht der für die hellenistische Zeit relevanten Quellen findet sich bei Flashar  /  Görler, Einleitung, 10–22. 154   Vgl. P. Moraux, Diogène Laërce et le Peripatos, in: Elenchos 7 (1986), 247–294, hier 264 f. 152

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III. Glücksstreben, System und Zufall: ­ Die Philosophenschulen

1. Allgemeines: Die hellenistischen Philosophenschulen und ihre Darstellung Zentral für den Philosophiebegriff in hellenistischer Zeit sind naturgemäß in erster Linie die philosophischen Schulen der Epoche: Hierzu gehören neben Epikureismus und Stoa auch die Akademie, der Peripatos und die Kyniker, welche die ganze Zeit hindurch einen starken Einfluss ausüben. Ein Überblick, der die Besonderheiten der Zeit zu erklären beansprucht, setzt aber sinnvollerweise bei den Lehrern an, welche unmittelbar nach Aristoteles’ Tod wirken, nämlich den bereits behandelten Angehörigen der Akademie, den frühen Peripatetikern um Theophrast sowie den Lehrerpersönlichkeiten außerhalb dieser Schulen, unter denen besonders Pyrrhon von Elis sowie die Kyniker Krates, Onesikritos und Bion eine langfristige Wirkung entfalten. Denn ihre Diskussionen stellen den Horizont dar, vor dessen Hintergrund sich die großen Schulen der hellenistischen Zeit konstituieren.

2. Lehrer guten Lebens im Athen des späten 4. Jahrhunderts Der Kynismus in hellenistischer Zeit Allgemeines  /  Historischer Überblick Die Kyniker besonders der frühhellenistischen Zeit haben, wie die jüngere Forschung herausstellt, ein durchaus eigenes Profil innerhalb der Geschichte der kynischen Bewegung, und zwar vor allem durch eine literarische Aktivität, die in der Antike einen beachtlichen Einfluss ausübt.1 In ihrer Lebensführung wirken sie insgesamt gemäßigter als der provokative Diogenes von Sinope. Die einflussreichste Figur ist wohl Krates von Theben (ca. 360–280 v.  Chr.), der als ein Lehrer von Zenon und Kleanthes beträchtlichen Einfluss auf die frühhellenistischen Entwicklungen nimmt.2 Namentlich durch die Heirat des hässlichen

1

  Vgl. für einen Überblick vor allem W. Desmond, Cynics, Berkeley  /  Los Angeles 2008, 28–40. 2   Vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Cratès de Thèbes, in: DPhA 2 (1994), 496–500; K. Döring,

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Die hellenistische Epoche

Krates mit der schönen, adligen und scharfsinnigen Hipparchia,3 die als »schillerndste« Philosophin der Antike bezeichnet wurde,4 bleibt er im Gedächtnis der Nachwelt. Sein Zeitgenosse Onesikritos (fl. um 330 v.  Chr.), der den Alexanderzug begleitet, ist vor allem durch seinen Bericht über die Begegnung mit indischen Brahmanen interessant.5 Noch pointierter als Krates ist vielleicht Bion vom Borysthenes (ca. 335–245), der Ende des 4. Jahrhunderts in Athen bei Lehrern verschiedener Schulen lernt und dann ein Vertrauter des philosophieaffinen Königs Antigonos II. Gonatas wird. Er beeinflusst unter anderem den Stoiker Ariston von Chios und somit die intensive kynisch-stoische Interaktion in hellenistischer Zeit.6 Relativ gut fassbar ist dank einiger bei Johannes Stobaios überlieferter Fragmente der Pädagoge Teles (fl. um 240 v.  Chr.), dessen Verhältnis zu seinem Vorbild Bion ebenso unklar ist wie seine genaue schulische Einordnung.7 Besonders literarisch bedeutend sind Menippos von Gadara (fl. vor 270 v.  Chr.), dessen verlorene Werke der Gattung der menippeischen Satire ihren Namen geben,8 und Meleager von Gadara (2. Jhdt. v.  Chr.?), der sich dichterisch äußert.9 Von ihm abgesehen sind nach dem 3. Jahrhundert zunächst kaum mehr Kyniker namentlich bekannt, doch bezeugen lateinische Quellen die bleibende Aktivität der Schule.10

Philosophisches Profil und Philosophiebegriffe Krates, Hipparchia und Bion vermitteln offenbar die im Grunde bereits bei Diogenes vorfindliche Lehre vom autarken, tugendhaften Leben an die frühen Stoiker sowie auch an Epikur.11 Stoische Einflüsse auf den Kynismus sind vielleicht greifbar, wenn Teles anregt, sich alles, was der Zufall (τύχη) bringt, so zu eigen zu machen wie ein Schauspieler seine Maske,12 oder wenn er – wohl gegen Epikur – Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen, in: GGPh 2, 1 (1998), 139–364. 3   Zu ihr vgl. García González  /  Fuentes González, Hipparchia de Maronée, 742–750. 4   Desmond, Cynics, 27. 5   Vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Onésicrite d’Astypaleia, in: DPhA 4 (2005), 776–780. 6   Vgl. Kindstrand, Bion of Borysthenes, 3–20; Kindstrand, Bion de Borysthène, 108–112; Döring, Sokrates, die Sokratiker, 306–310. 7   Vgl. P. P. Fuentes González, Les diatribes de Télès, in: DPhA 6 (2016), 732–756; P. P. Fuentes González, Théodore, in: DPhA 6 (2016), 914–924. 8   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 310–312; M.-O. Goulet-Cazé, Ménippe de Gadara, in: DPhA 4 (2005), 467–475. 9   Vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Méléagre de Gadara, in: DPhA 4 (2005), 384–388. 10   Vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Kynismus, in: RAC 22 (2008), 631–687, hier 636 f. 11   Vgl. A.  A. Long, The Socratic Tradition. Diogenes, Crates, and Hellenistic Ethics, in: R. B. Branham  /  M.-O. Goulet-Cazé (Hrsg.), The Cynics. The Cynic Movement in Antiquity and Its Legacy, Berkeley  /  Los Angeles 1996, 28–46, hier 28–31; 41–46. 12   Bio Borysthenita, frg.  16A Kindstrand = Teles, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 3, 1 (3, p.  37, 10–38, 6 Hense).

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bestreitet, dass die Freude (ἡδονή) die Eudaimonie ausmachen kann, da ja die Schmerzen stets im ganzen Leben überwiegen.13 Allerdings ist die feinziselierte stoische Begrifflichkeit in seinen Lehrvorträgen kaum zu erkennen, sondern es dominiert die direkte Hinwendung an den einfachen Hörer: Teles zufolge empfiehlt Krates die Philosophie deswegen, weil sie zu einem Gebrauch, nicht nur ­einem Besitz von Dingen führt, so dass man auf Überflüssiges verzichten kann. »Du sollst Dich begnügend mit dem Vorhandenen leben« (ἀρκούμενος τοῖς παροῦσι βίωσῃ).14 Im gleichen Sinn wird zurückgewiesen, dass Reichtum zum Philosophieren erforderlich sei, weswegen man das Geld von Leuten verschenken könne, die sich der Philosophie zugewandt hätten.15 Vor einer Klage um den toten Freund wird gewarnt, weil eher das Nicht-Beweinen philosophisch erscheine.16 Man solle so lange philosophieren, bis man Feldherren für Eselstreiber halte17 – also bis zur Loslösung von allen offiziell gesellschaftlichen Maßstäben. Für die Lehre von der Barbarenphilosophie ist das Gespräch wichtig, das Onesikritos im Auftrag Alexanders des Großen mit einigen ›Sophisten‹ Indiens bzw. ›Brahmanen‹ geführt zu haben berichtet. Hierbei stellt er eine große Übereinstimmung zwischen den Lehren der sogenannten ›Kalanen‹ sowie denen von Pythagoras, Sokrates und Diogenes von Sinope fest, wobei sein indischer Gesprächspartner Mandanis – der einzige Brahmane, der mit einer bekleideten Person zu sprechen bereit ist – betont, dass der Fehler der Griechen darin liege, das Gesetz bzw. die Gewohnheit (νόμος) über die Natur (φύσις) zu stellen, denn sonst würden sie ja – wie die indischen Weisen – nackt umhergehen. Alexander der Große wird dafür gelobt, trotz seiner so großen Herrschaft (ἀρχή) nach Weisheit zu streben bzw. »in Waffen zu philosophieren« (ἐν ὅπλοις φιλοσοφοῦντα), wobei man als Herrscher eigentlich die Guten durch Überredung, die Schlechten durch Gewalt zur Maßhaltung anregen solle.18 Man sieht, dass Onesikritos aus dem

13   Teles, frg.  5 (p.  448 Fuentes González) = Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 34 (5, p.  848, 9–13 Hense). 14   Teles, frg.  4a (p.  366 Fuentes González) = Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 33 (5, p.  812, 8–813, 1, Zitat 812, 15 f. Hense). Vgl. P. P. Fuentes González, in: Les diatribes de Télès. Introduction, texte revu, traduction et commentaire des fragments (avec en appendice une traduction espagnole) par P. P. Fuentes González, Paris 1998, 396. 15   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 88 (432, 13–18 Marcovich = 462, 41–46 Dorandi); vgl. Teles, frg.  4b (p.  426 Fuentes González) = Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 32 (5, p.  785, 1–786, 14 Hense) und dazu Fuentes González, in: Les diatribes de Télès, 396. 16   Teles, frg.  6 (p.  488 Fuentes González) = Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 44 (5, p.  989, 1–15 Hense). Die Interpretation der nicht ganz einfachen Stelle kann sich an Fuentes González, in: Les diatribes de Télès, 516–521, orientieren. 17   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 92 (434, 20–435, 1 Marcovich = 464, 88–89 Dorandi). 18   Strabo, Geographia 15, 1, 64 f. (p.  716, 28–716, 18 Cobet). Vgl. Goulet-Cazé, Onésicrite d’Astypaleia 779; Desmond, Cynics, 28–32. Das Wort »Brahmane« wird bereits bei Strabo, Geographia 15, 1, 61 (p.  714, 5 f. Cobet) eingeführt.

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Gespräch – »das über drei Dolmetscher« läuft (δι’ ἑρμηνέων τριῶν) – vor allen Dingen Anliegen mitnimmt, die dem Kynismus und dem politischen Diskurs der Griechen nahestehen, auch wenn sie von diesen – da sie auch fürderhin bekleidet diskutieren – nicht vollständig umgesetzt werden.

Diatribe, Chrie und menippeische Satire: Literarische Formen des kynischen Diskurses? Die hellenistischen Kyniker gelten als bedeutend für die Entwicklung verschiedener literarischer Formen. Die bekannteste ist vielleicht die ›Diatribe‹, welche allerdings – wie nicht wenige altertumswissenschaftliche Konzepte – eine Kon­struktion deutscher Philologen des 19./20. Jahrhunderts darstellt. Faktisch wurde das Konzept auf der Grundlage der Fragmente des Teles entwickelt, wobei man davon ausging, hier die literarische Form zu finden, als deren Erfinder in der Antike Bion von Borysthenes gilt. Dessen Werke sind uns zwar verloren,19 aber nach Theophrast bzw. Eratosthenes ist er dafür bekannt, »der Philosophie als erster bunte Kleider anzulegen« (πρῶτον ἄνθινα περιβαλεῖν φιλοσοφίαν). Das bedeutet Diogenes Laertios zufolge, dass Bion in witzig-spöttischer Weise »grobe Bezeichnungen für die Dinge gebraucht« (φορτικοῖς ὀνόμασι κατὰ τῶν πραγμάτων χρώμενος).20 Während Eratosthenes als Bewunderer des Bion die zitierte Aussage wohl positiv verwendet, kann man dies für Theophrast, der darin eine der Philosophie unangemessene Sprache sehen mag, bezweifeln.21 Im Übrigen spricht einiges dafür, dass auch schon Krates und Hipparchia originelle literarische Formen verwendet haben, was die Innovativität des Bion zweifelhaft erscheinen lässt.22 In neueren Publikationen wird die Diatribe als eine Lehrform der sokratischen Tradition verstanden, durch die ein Lehrer einen begrenzten Schülerkreis so unterrichtet, dass dieser moralisch gebessert werden soll. Dies geschieht üblicherweise im mündlichen Vortrag, der sich verschiedenster Elemente bedienen kann, also keine ganz klaren Gattungsmerkmale aufweist.23 Eine Verschriftlichung kann 19   Ich verweise auf den sehr klaren Überblick bei Fuentes González, in: Les diatribes de Télès, 44–50. 20   Mit Zuschreibung an Theophrast: Bio, Testimonium 13 (Kindstrand) (nach Pap. Herc. 1055); Testimonium 12 (Kindstrand)= Strabo, Geographia, 1, 2, 2 (15, 11 Cobet); mit der zitierten Erklärung bei Testimonium 11 (Kindstrand) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 52 (294, 10–17 Marcovich = 334, 78–85 Dorandi). Vgl. Kindstrand, Bion of Borysthenes, 25–55; Fuentes González, Eratosthène de Cyrène, 197. 21   Vgl. Kindstrand, Bion of Borysthenes, 53, 98; Fuentes González, Eratosthène de Cyrène, 197. 22   Vgl. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 300 f.; Desmond, Cynics, 25–27. 23   Vgl. die schon fast selbstironische Erklärung: »Νοus employons le terme de »dia­ tribe«, parce qu’il reste très vague«: Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 345.

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vorkommen, doch ist mit Veränderungen gegenüber dem Vortrag zu rechnen. So verstanden steht die Diatribe der Predigt nahe, wenn man deren religiösen Kontext beiseitelässt, unterscheidet sich aber sowohl von einem philosophischen Fachtext als auch von rhetorischen Formen.24 Mag hierin auch eine gewisse Klärung liegen, scheint die Anwendbarkeit eines solchen Konzeptes doch in mehrfacher Hinsicht problematisch: Einerseits ist in Anbetracht der Offenheit der Definition schwer zu erkennen, was daran als spezifisch kynisch oder gar griechisch gelten soll.25 Andererseits ist der weite Begriff ungeeignet zur Charakterisierung typisch kynischer Lehrvorträge, denn schon die geläufige Zusammenstellung der kynischen mit der stoischen Diatribe wird der Tatsache nicht gerecht, dass stoische Ansprachen die rhetorische ›Buntheit‹ der kynischen Provokation nicht aufweisen und wohl auch gar nicht aufweisen wollen.26 Noch schwerer fassbar sind in Anbetracht des Verlusts von Menippos’ Werk die Ursprünge der ›menippeischen Satire‹, einer mehr oder weniger pointierten Mischgattung aus Prosa und Vers. Immerhin werden auch von Krates und Bion bereits (Spott-)Verse zitiert,27 so dass diese Mischung nicht ad hoc erfunden, sondern aus der kynischen Lehrsprache, zu deren Buntheit diese Form wohl bereits beigetragen hat, erwachsen sein dürfte. In anderer Hinsicht gibt es die Vermutung, dass Hipparchias Bruder Metrokles als erster eine Sammlung von Chrien verfasst und damit dieser anekdotischen Form philosophischer Lehre e­ inen Platz in der Paränese verleiht.28

24   Vgl. Kindstrand, Bion of Borysthenes, 97–99; Fuentes González, in: Les diatribes de Télès, 50–66. 25   Ich denke hier insbesondere an Vergleiche griechischer Lehrvorträge mit solchen der Bibel, z. B. des Buches ›Kohelet‹, und der Weisheitsliteratur, doch gilt dies auch für andere Kontexte: Auch nicht-griechisches Material genügt häufig – lässt man den unklaren Begriff ›sokratisch‹ weg – der oben genannten Definition, ohne dass dadurch schon eine Beziehung zu philosophischen Praktiken nachgewiesen wäre. Das könnte nur im Vergleich spezifischer Stilelemente geschehen. 26   So wohl richtig Kindstrand, Bion von Borystehens, 98 f. mit Berufung auf Cicero. Auch für Epiktet scheint mir dies ganz richtig zu sein, fehlt hier der sarkastische Witz eines Bion doch weitgehend, während er bei Teles immer noch zu entdecken ist. Anders mag es mit Seneca aussehen. 27   Z. B. die im nächsten Abschnitt genannte Utopie des Krates über Pera. Vgl. z. B. Döring, Sokrates, die Sokratiker, 300 f. Das früheste typische lateinische Beispiel der Gattung ist Senecas ›Apocylocyntosis‹, eine Verspottung des Kaisers Claudius. 28   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 68–71, auch zur literarischen Natur der Chrien.

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Verhalten gegenüber Religion und Politik Als eine Ausnahme in der tendenziell religionskritischen frühhellenistischen Periode29 ist Krates nach den von Kaiser Julian überlieferten Zeugnissen ein frommer Kyniker.30 Dagegen könnte sein Schüler Menipp die Opferpraxis harsch kritisiert haben, wenn man seine Einstellung aus den Nachahmungen seiner Werke durch Lukian von Samosata ablesen darf.31 Die überlieferten Ansichten des Bion von Borysthenes zur Religion sind nach den Fragmenten – und in der Forschungsdiskussion – ambivalent: Nach einem Fragment erscheint er als Atheist, andere stellen ihn vor allem als Kritiker der Opferpraxis seiner Zeit dar32 und rücken ihn so in die Nähe des Diogenes von Sinope. Bion vermeidet offenbar öffentliche Diskussionen über die Religion, was möglicherweise bereits im Kontext der Herausbildung der ›dreigeteilten Theologie‹ zu sehen ist, der zufolge Philosophen die Götter nur für ihre Schulen erörtern.33 Mit der Politik beschäftigt sich unter anderem Krates, der ein ironisches Bild des utopischen Idealstaats »Pera« in Versen zeichnet.34 Demgegenüber erscheint Bion, wenn er sich im Umfeld des Antigonos II. Gonatas aufhält, als frühes Beispiel eines Philosophen im Umfeld des Herrschers, was für einen Kyniker jedenfalls bemerkenswert ist.

Würdigung Die frühkaiserzeitlichen Kyniker entwickeln mit ihren literarischen Ambitionen und ihrer Lehrtätigkeit, die sie offenbar als anerkannte Vertreter der Philosophie ausüben, das ursprüngliche kynische Ideal weiter. Ihr Einfluss sowohl auf die spätere hellenistische Philosophie als auch auf literarische Formen sollte nicht unterschätzt werden, doch setzt sich dieser literarisierende Kynismus kaum fort, während die kynische Strömung eine alternative philosophische Lebensform aus29

 Vgl. M. Goulet-Cazé, Religion and the Early Cynics, in: Branham  /  Goulet-Cazé (Hrsg.), The Cynics, 47–80, hier 48–59; Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosphie antique, 422–431. 30   Vgl. Goulet-Cazé, Religion and the Early Cynics, Goulet-Cazé, 74 f.; Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 449 f. 31   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 450 f. 32   Als Atheist wird Bion dargestellt von Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 55 (296, 3 Marcovich = 335, 111 Dorandi); Kritiken der Opferpraxis sind v. a. Bio Borysthenita, frg.  29 (Kindstrand) = Clemens Alexandrinus, Protrepticus 56, 1 (GCS Clemens 1, p.  43, 31–44, 2 Stählin) und frg.  33 (Kindstrand) = Seneca, De beneficiis 7, 7, 1. Vgl. zusammenfassend Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 452–454. 33   Bio Borysthenita, frg.  25 (Kindstrand) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 2, 117 (p.  171, 7–11 Marcovich = 221, 50–54 Dorandi). Zur theologia tripertita s. unten S. 455. 34   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 85 (430, 9–15 Marcovich = 460, 5–11 Dorandi).

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bildet, die in markanter Weise außerhalb der Schulen verortet ist, die von den vier Richtungen des Platon, Aristoteles, Zenon und Epikur geprägt werden.

Pyrrhon von Elis und der alte Pyrrhonismus35 Eine weitere wichtige Gestalt der frühhellenistischen Zeit ist Pyrrhon von Elis (365–60/275–70), auf den sich die ›skeptische‹ Richtung der Antike als Urheber beruft. Auch er nimmt den Berichten der Quellen zufolge am Alexanderzug teil und lernt dort die Gymnosophisten (Brahmanen  /  Fakire) sowie die von Aristoteles bereits gelobten36 zoroastrischen Magier Persiens kennen. Pyrrhon begründet offenbar noch keine Schultradition von Dauer, obwohl sein Schüler Timon von Phlius (ca. 320/15–230/25 v.  Chr.) seine Lehre mit beißendem Spott gegenüber anderen Philosophen weiter vertritt.37 Auch Nausiphanes, Epikurs kontroverser Lehrer, und Hekataios von Abdera (fl. um 300?), die andernorts in die Nähe der demokriteischen Tradition gestellt werden, bringen einige Quellen in Verbindung mit Pyrrhon.38 Erst in der neu-pyrrhonischen Bewegung seit Ainesidemos wird Pyr­rhon jedoch als Gründerfigur begriffen,39 während sich die Vertreter der jüngeren Akademie eher von ihm distanzieren.40 Von seinen indischen Gesprächspartnern übernimmt Pyrrhon Diogenes Laertios zufolge das Ideal der Erkenntnislosigkeit (ἀκαταληψία). »Denn er behauptete weder etwas Schönes noch etwas Hässliches, weder etwas Gerechtes noch etwas Ungerechtes«.41 Nach dem Bericht des Aristokles hält er alle Gegenstände der Welt für unerkennbar und deswegen für indifferent in Bezug auf unsere Lebensführung.42 Wie bei Sokrates, dessen Einfluss sicherlich auch für Pyrrhon wichtiger ist als der jeglicher Brahmanen,43 ist mit der skeptischen Grundhaltung ein sittlicher Anspruch verbunden, der, ähnlich wie bei Ariston von Chios, nur Tugenden 35   Überblicksdarstellungen sind Görler, Älterer Pyrrhonismus, hier 732–759; Long  /  Sedley, The Hellenistic philosophers, 1, 16–18. 20–22; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 174–178; B. Pérez, Pyrrhon d’Élis, in: DPhA 5b (2012), 1749–1771. 36   Vgl. oben S. 315. 37   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 111 (705, 5–15 Marcovich = 729, 23–33 Dorandi) = LS 3A. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, 760–765. 38   Vgl. zu beiden Görler, Älterer Pyrrhonismus, 768 f. sowie Goulet, Nausiphane de Téos, 585 f.; J. Campos Daroca  /  P. P. Fuentes González, Hécatée d’Abdère, in: DPhA 3 (2000), 505–525, hier 513 f. Vgl. unten S. 487 zu Hekataios’ wichtigem Bericht über die Juden. 39   Aristocles, frg.  4, 29 (Chiesara). 40   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, 732 f. 41   Οὐδὲν γὰρ ἔφασκεν οὺδὲ καλὸν οὐδ’ αἴσχρον οὔτε δίκαιον οὔτ’ ἄδικον. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 61–64 (674, 15–677, 7 Marcovich = 701, 1–703, 46 Dorandi), Zitat 61 (675, 6–8) = LS 1AB. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, 734 f., 753 f. 42   Aristocles, frg.  4, 2–4 (Chiesara). 43   Vgl. die Einschätzungen von Görler, Älterer Pyrrhonismus, 753 f.; Pérez, Pyrrhon d’Élis, 1751.

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und Laster als gut oder schlecht gelten lässt. Die hiermit zusammenhängende Unempfänglichkeit gegenüber äußeren Einflüssen44 wird von Pyrrhon als »göttlich« angesehen, womit entweder die Idee einer transzendenten göttlichen Wahrheit verbunden oder auch – wie schon bei Antisthenes und vielleicht wieder bei Epikur – eine Quasi-Vergöttlichung des Menschen gemeint sein kann.45 Im Ganzen ist das Verhältnis von Erkenntnisskepsis und asketisch-strenger Lebensführung bei Pyrrhon in der Forschung ungeklärt, während der Unterschied zwischen Pyrrhon und dem späteren Pyrrhonismus markant hervortritt.46 Bei Pyrrhon begegnen sehr früh zwei typische Merkmale der hellenistischen Philosophie, nämlich das Ziel der »Unerschütterlichkeit« (ἀπάθεια) sowie die Öffnung für eine weltweite Philosophie unter Beachtung der Weisheit der Barbaren. Trotz des unklaren Status seiner Erkenntniskritik repräsentiert diese bereits in der frühhellenistischen Philosophie eine wichtige Tendenz, die auch im frühen Peripatos erkennbar ist und das Bemühen um ein ›Wahrheitskriterium‹ bei Epikur und in der frühen Stoa fördert, so dass Pyrrhon als Hintergrund für deren Entwicklungen der Philosophie bedeutend sein dürfte.

Würdigung Die nacharistotelischen Philosophielehrer entwickeln in sokratischer Tradition Tendenzen, welche die Gründer der frühhellenistischen Schulen aufgreifen oder kritisieren: Pyrrhon sowie die Kyniker Krates und Bion leben überzeugend auf autarke, tugendhafte Weise, lehnen aber elaborierte Theoriegebäude ab. Demgegenüber führen, wie bereits im vorigen Kapitel gezeigt,47 die eretreische Schule sowie Dialektiker wie Stilpon logische Diskussionen auf hohem Niveau, und Demokriteer wie Nausiphanes vertreten naturphilosophische Interessen. Die langfristig wirksamen Entwicklungen der hellenistischen Zeit sind somit ohne diese Gestalten kaum zu verstehen.

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  Cicero, Academica 2, 130; Cicero, De finibus 2, 43.   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 20 (2, p.  379, 20–30 Mutschmann) = LS 2E. Zur Interpretation vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, 740–743; Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers, 2, 11. 46   So jetzt auch Pérez, Pyrrhon d’Élis, 1755–1757; 1770 f. 47   Vgl. oben S. 190–192. 45

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3. Zwischen wissenschaftlicher Blüte und dem Neubeginn: Die Aristoteliker bzw. der Peripatos in hellenistischer Zeit48 Allgemeines  /  Historischer Überblick Die Lehrtradition des Aristoteles im ›Lykeion‹, für die sich langsam der Name ›Peripatos‹ durchsetzt,49 besteht in Athen bis zur Zerstörung durch Sulla 86 v.  Chr.50 Dank der Unterstützung durch Demetrios von Phaleron kann die Schule zur Zeit des Theophrast einen Garten erwerben, was vielleicht die formelle Gründung als Institution impliziert.51 Der Peripatos besitzt aber bereits zu dieser Zeit auch weitere Gebäude, die die Bibliotheken, Karten (πίνακας) und Sammlungen aufnehmen können.52 Außerhalb Athens bestehen peripatetische Lehrtraditionen über längere Zeit in Rhodos seit dem Aristoteles-Schüler Eudemos53 und seit Demetrios von Phaleron wohl auch in Alexandrien, wo der Peripatos die jüdische philosophische Selbstvergewisserung bei Aristobulos beeinflusst.54 Nach der Zerstörung des Peripatos im Jahre 86 v.  Chr. wird laut al-Fārābī Alexandrien, der Wirkungsort des Andronikos und Boethos, zum Zentrum der Schule.55 Bekanntermaßen erlebt der Peripatos im Laufe der hellenistischen Zeit einen Niedergang sowohl als Schule als auch als philosophische Position. Es ist sogar umstritten, ob die Bezeichnung Peripatetiker infolge dessen noch einheitlich gebraucht wird.56 Jedoch findet eine dauernde Interaktion mit den anderen helle-

48   Vgl. P. Moraux, Der Aristotelismus bei den Griechen, Bd.  1–3, Berlin 1973–2010; Wehrli  /  Wöhrle  / Zhmud, Peripatos. 49   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 496 f. 50   Vgl. Lynch, Aristotle’s School, 1972, 98–104. 51   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 5, 39 (334, 3–5 Marcovich = 368, 45–47 Dorandi). Vgl. H. Flashar, Aristoteles. Lehre des Abendlandes, München 2013, 218; Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 497 52   Vgl. dazu das Testament des Theophrast: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 5, 51–53 (345, 15–346, 13 Marcovich = 378, 310–379, 329 Dorandi). Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  / Zhmud, Peripatos, 496–498. 53   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 558; E. Matelli, Hieronymus in Athens and Rhodes, in: Fortenbaugh  /  White (Hrsg.), Lyco of Troas and Hieronymus of Rhodes. Text, Translation, and Discussion, New Brunswick  /  London 2004, 291–314, hier 303 f.; zur Person des Eudemos J.-P. Schneider, Eudème de Rhodes, in: DPhA 3 (2000), 285–289. 54   Zu Demetrios von Phaleron vgl. J.-P. Schneider  /  F. Queyrel, Démétrius de Phalère, in: DPhA 2 (1994), 628–635 sowie unten S.  379 und zu Aristobulos unten S. 497–500. Die philosophische Bedeutung der Peripatetiker in Alexandrien, die in der Tat weit weniger gut dokumentiert ist, als es viele Behauptungen der Forschung nahelegen, wird bezweifelt z. B. von St. Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft 27 (2003), 39–69, hier 67 ff. 55   Vgl. unten S. 557. 56   Vgl. Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?

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nistischen Schulen statt,57 auf deren Grundlage im 2. Jahrhundert der Scholarch Kritolaos von Phaselis, der an der Philosophengesandtschaft nach Rom 156/5 teilnimmt,58 die peripatetische Position gegenüber stoischen, epikureischen und skeptischen Ansätzen wieder attraktiv macht. Dies ist die Voraussetzung für die Neuedition der aristotelischen Schriften durch Andronikos am Ende des 1. Jahrhunderts  v.  Chr.59 Aus dem hellenistischen Peripatos sind einige Originalschriften Theophrasts, darunter seine aporetische ›Metaphysik‹ und seine ›Botanik‹, die Zusammenfassung der aristotelischen Zoologie von Aristophanes von Byzanz 60 sowie die pseudo-aristotelische Schrift ›Über die Welt‹ (Περὶ κόσμου, ›De mundo‹) überliefert, welche von den meisten Autoren mit guten Gründen als vorkaiserzeitlich angesehen wird.61 Die Benutzung der doxographischen Überlieferung zum Peripatos wird hingegen durch die Tendenz, Schulmeinungen unter dem Namen des Gründers zu überliefern, in besonderer Weise erschwert, so dass nicht immer klar ist, ob Lehren, die ›Aristoteles‹ zugeschrieben werden, dessen verlorenen Schriften oder der Entwicklung der Schule entstammen.

57   Vgl. M. Gigante, Kepos e Peripatos. Contribuito alla storia dell’Aristotelismo antico, Neapel 1999. 58   Cicero, Orator 2, 155; R. Goulet: DPhA 2 (1994), 521 f. 59   Zur hier vorausgesetzten Datierung des Andronikos vgl. unten S. 557. 60   Vgl. R. Goulet, Aristophane de Byzance, in: DPhA 1 (1994), 406–408. 61   Vgl. hierzu Moraux, Aristotelismus 2, 5–82; G Reale  /  A. P. Bos, Il trattato ›Sul Cosmo‹ per Alessandro, attribuito ad Aristotele. Monografia introduttiva, testo greco con introduzione a fronte, commentario, bibliografia ragionata e indici, Mailand 21995 (mit der These, die Schrift sei ein exoterisches Werk des Aristoteles); J. C. Thom (Hrsg.), Cosmic Order and Divine Power. Pseudo-Aristotle, ›On the Cosmos‹. Introduction, Text, Translation, and Interpretative Essays, Tübingen 2014; Ch. Riedweg, Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos. Beobachtungen zu OF 245 und 247 (sog. ›Testament des Orpheus‹), Tübingen 1993, 88–95; R. Radice, La filosofia di Aristobulo e i suoi nessi con il ›De mundo‹ attribuito ad Aristotele. Con due appendici contenenti i frammenti di Aristobulo, traduzione a fronte e presentazione delle varianti, Mailand 1994; Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, 52–54; I. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, in: GGPh 5, 1 (2018), 255–406, hier 284–294 (mit guter Übersicht zur Diskussion über die Entstehungszeit auf S.  285 f.)

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Philosophische Vorgehensweise und Hauptarbeitsgebiete Die Schüler des Aristoteles und ihre Nachfolger Als bedeutendster philosophischer Kopf des nacharistotelischen Peripatos gilt Theophrast (372/69–288/85),62 der Aristoteles’ Lehre auf vielen Gebieten weiterdenkt und verändert, womit er Entwicklungen von langer Nachwirkung anstößt, namentlich im Bereich der Naturbeschreibung und einer lebensnahen, populären Ethik.63 Im Hinblick auf philosophische Grundfragen vertritt er eine aporetische Tendenz, welche eine gewisse Nähe zu Zeitgenossen wie Pyrrhon zeigt. In der Forschung gilt die vielfältige Persönlichkeit Theophrasts neben dem facettenreichen Werk des Aristoteles selbst als eine mögliche Ursache für den Niedergang der Schule:64 Die Breite seiner Interessen, gepaart mit einer wenig entwickelten systematischen Grundlage, sei gerade nicht geeignet, eine einheitliche Lehre der Schule zu begründen.65 In der Tat werden Theophrasts unterschiedliche Interessen in der Folgezeit von verschiedenen Peripatetikern auf unterschiedliche Weise fortgesetzt: Die praktische Ethik wird z. B. von Ariston von Keos fortgeführt und übt Einfluss bis Cicero und darüber hinaus aus.66 Theophrasts (im Vergleich zu Aristoteles) stärkere Betonung des Empirischen findet namentlich in Straton von Lampsakos (gest. ca. 270/67) einen unmittelbaren Nachfolger,67 ohne jedoch den Peripatos langfristig einheitlich zu prägen.68 Die Beschäftigung mit naturphilosophischen Fragen, zu der auch die aristotelische Biologie gehört, kann auch in der Folgezeit als Merkmal des Peripatos gelten, wird allerdings – auch in Aus­

62

  Vgl. zu seinem Œuvre J.-P. Schneider  /  D. Gutas  /  J. Lang, Théophraste d’Érèse, in: DPhA 6 (2016), 1034–1123. 63   Vgl. Theophrastus, frg.  72A (Fortenbaugh et al.) = Boethius, In De interpretatione, editio secunda prooem. (11, 30–32 und 12, 3–16 Meiser); R. Sorabji, Is Theophrastus a Significant Philosopher?, in: Van Ophuijsen  /Van Raalte (Hrsg.), Theophrastus. Reappraising the Sources, New Brunswick  /  London 1997, 203–221; R. Sharples, Theophrastus as a Philosopher and Aristotelian, in: Van Ophuijsen  /  Van Raalte, Theophrastus, 267–280; Gottschalk, Theophrastus and the Peripatos, hier 283–288. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 553–557. 64   Vgl. F. Wehrli, in: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar. Herausgegeben von F. Wehrli, 10. Hieronymus von Rhodos. Kritolaos und seine Schüler. Rückblick: Der Peripatos in vorchristlicher Zeit, Basel  /  Stuttgart 21969, 99–105. 65   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 499 f. 66   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 617; Ciceros ›Laelius de amicitia‹ ist offenbar an Theophrasts Schrift ›Über die Freundschaft‹ modelliert: Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 494 f. 67   Vgl. Sharples, Theophrastus as a Philosopher and an Aristotelian, 275 f. Zu Straton allgemein vgl. J.-P. Schneider, Straton de Lampsaque, in: DPhA 6 (2016), 614–630. 68   Vgl. Gottschalk, Theophrastus and the Peripatos, 292 f.; Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peri­ patos, 610 f.

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Die hellenistische Epoche

einander­setzung mit der Stoa69 – um Fragen nach der göttlichen Ordnung und der Vorsehung vertieft.70 Ein verbindender Zug im Peripatos ist nämlich die Opposition gegen den stoischen Determinismus, die sich in verschiedenen Theorien des Zufalls (τύχη) äußert.71 Im Einzelnen ist Theophrasts Einfluss auf spätere Peripatetiker aber nur schwer zu bestimmen.72 Das liegt auch daran, dass die Positionen innerhalb der Schule schon früh sehr unterschiedlich sind. So stehen sich z. B. in der Seelenlehre früh gegensätzliche Theorien gegenüber, wenn Aristoxenos, Dikaiarch und Straton die Idee einer unkörperlichen Seele ablehnen, während z. B. Herakleides Pontikos und Ariston von Keos – »vermischt mit Mythologie« (μεμείγμενα μυθολογίᾳ), d. h. auf volkstümliche Weise – in Anlehnung an den Platonismus die Unsterblichkeit der Seele vertreten.73 Eine Nähe zu Epikur besteht in der im Peripatos ungewöhlichen Posi­ tion des Hieronymos von Rhodos (3. Jhdt. v.  Chr.), die Eudaimonie bestehe in der Freiheit von Schmerz.74 Der naturphilosophischen Perspektive eines Straton steht schließlich in ›Über die Welt‹ (›De mundo‹) eine Beschreibung Gottes als transzendenter Ursache gegenüber: Er ist dort die »zusammenhaltende Ursache« (συνεκτικὴ αἰτία) der Welt, die nur ihrer Kraft (δυνάμει), nicht ihrer Sub­stanz (οὐσία) nach in allen Dingen ist.75 Derlei Gegensätze werden durch eher äußerliche Gesichtspunkte ermöglicht und weiter verschärft:76 So steht der Anspruch, eine nicht strikt doktrinale Forschungsgemeinschaft zu sein, einer einheitlichen Entwicklung, wie sie bei Epikureern und Stoikern stattfindet, entgegen.77 Auch die 69   Vgl. zu der Frage nach einer Rivalität zwischen Theophrast und Zenon von Kition J.-B. Gourinat, Zénon de Citium, in: DPhA 7 (2018), 364–393, 380. 70   Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 299–301. 71   Vgl. Demetrius Phalereus, frg.  82AB (Fortenbaugh) = Polybius, Historiae 29, 21 (4, p.  259–20–261, 10 Büttner /  Wobst); Diodorus Siculus, Bibliotheca historica 31, 10 (5, p.  12, 13–13, 2 Dindorf  /  Fischer]) sowie vor allem Aristo Ceensis, frg.  13 (Wehrli) = Philodemus, De vitiis 10, col. X–XVI (p.  16–29 Jensen). Vgl. weiterhin Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 501, 531, 596, 617. 72   Vgl. Gottschalk, Theophrastus and the Peripatos, 288–296. 73   Dicaearchus, frg.  6–12 (Wehrli); Strato Lampsacenus, frg.  123–128; Aristo Ceensis, frg.  33 (Wehrli) = Plutarchus, De audiendis poetis 14e, woher die Kritik an der mythologischen Einkleidung stammt; vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 500 f., 569, 609, 617; Schneider, Straton de Lampsaque, 629; J.-P. Schneider, Dicéarque de Messine, in: DPhA 2 (1994), 760–764, hier 760 f. 74   Cicero, De finibus 5, 14 = Hieronymus Peripateticus, frg.  11 (Fortenbaugh  /  White); Clemens Alexandrinus, Stromata, 2, 127, 3 (GCS Clemens 2, p.  182, 11 f. Stählin) = Hieronymus, frg.  11 (Fortenbaugh  /  White). Vgl. St. White, Lyco and Hieronymus on the Good Life, in: Fortenbaugh  /  White (Hrsg.), Lyco of Troas and Hieronymus of Rhodes, New Brunswick 2004, 389–409, hier 393 f. 75   Ps.-Aristoteles, De mundo 6, 397b 9–20. 76   Vgl. z. B. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 499 f.; Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, 66. 77   Vgl. Lynch, Aristotle’s School, 146 f.

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begrenzte Zugänglichkeit der theoretischen Lehrschriften des Aristoteles trägt sicher­lich zum Fehlen einer einheitlichen Position bei.78 Der eher indirekte Einfluss des so konturierten Peripatos auf die hellenistische Philosophie könnte genau darin bestehen, dass die Fokussierung der hellenistischen Schulen auf wenige Kerndisziplinen eine Abgrenzung zur Bewegung des Peripatos enthält,79 ohne gleich wie Pyrrhon und die Kyniker den theoriebildenden Anspruch der Philosophie als ganzen aufzugeben.

Der späthellenistische Peripatos Der Aufschwung des Peripatos gegen Ende der hellenistischen Zeit, in dessen Zuge er wieder, z. B. bei Cicero,80 als eigene philosophische Richtung namentlich in der Ethik wahrgenommen wird, verdankt sich u. a. tiefgehenden stoischen und z. T. platonischen Einflüssen. Diese erinnern an bestimmte Ansichten des Antiochos von Askalon.81 Kritolaos bringt nämlich die Idee auf, die Eudaimonie durch verschiedene, seelische und körperliche Güter zu konstituieren, welche in der Folgezeit von verschiedenen Gegnern der Stoiker in unterschiedlicher Weise variiert wird.82 Auch Anleitungen zur Seelenheilung auf der Grundlage der peripatetischen Tugendlehre werden zu dieser Zeit ausformuliert.83 Eines der wichtigsten Arbeitsgebiete, anhand derer man sich zu dieser Zeit die Werke des Aristoteles erschließt, sind die ›Kategorien‹, deren Interpretation bereits den Beginn sowohl des Mittelplatonismus als auch des kaiserzeitlichen Aristotelismus symbolisiert.84 Man kann hierin möglicherweise einen Versuch sehen, eine Alternative zur stoischen Logik neu zu entdecken.

78   Moraux, Aristotelismus 1, 3–44; J. Barnes, Roman Aristotle, in: J. Barnes  /  M. Griffin (Hrsg.), Philosophia togata 2. Plato and Aristotle at Rome, Oxford 1997, 1–69, hier 14–16; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 257. 79   So Glucker, The Athenian Philosophical Atmosphere, 299–316, hier 312 f.; vgl. die Antwort darauf von Görler, Theophrastus, 317–329. 80   Z. B. Cicero, De finibus 5, 9 f. 81   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 501 f. 82   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  46, 10–13 Wachsmuth); Cicero, Tusculanae disputationes 5, 51. Vgl. dazu Moraux, Diogène Laërce et le Peripatos, 276 f. 83   Cicero, Tusculanae disputationes, 3, 22. 84   Vgl. hierzu die Erörterungen im Kapitel über die Kaiserzeit, unten S. 560.

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Philosophiebegriff und Einteilungen der Philosophie Philosophie als Ideal des guten Lebens Die Testimonien zu Theophrast deuten darauf hin, dass er den Ton für die hellenistische Debatte um das beste Lebensziel setzt: »Die gesamte Würde der Philosophie besteht […] darin, das glückliche Leben zu verschaffen. Denn durch den Wunsch, glücklich zu leben, sind wir alle verbunden«.85

Aristoteles’ Eudaimonie-Lehre wird in dieser Formulierung zum entscheidenden Punkt einer jeden philosophischen Position erklärt, was die hellenistische und spätere Doxographie, auch durch den Einfluss des Karneades, aufnimmt. Ähnlich wie Aristoteles bezeichnet Theophrast selbst die Philosophie als die Theorie bzw. Kontemplation oder als das Streben nach ihr,86 was in engem Zusammenhang mit der Annahme stehen dürfte, der Geist (νοῦς) des Menschen sei ewig und unsterblich.87 Nicht direkt hiermit verbunden scheint seine Behauptung zu sein, der Weise dürfe nicht heiraten: Sie wird in dem bei Hieronymus überlieferten Fragment mit einem klischeebeladenen Reigen von Klagen über die Mühe und Unzuverlässigkeit begründet, mit der Frauen einen Mann konfrontierten und die zum Philosophen nicht passten.88 Die Diskussion über die Ehe des Weisen, die auf Aristoteles zurückgeht, scheint im Peripatos folglich intensiv zu sein.89 Eine ganz andere Perspektive als Theophrast nimmt sein Zeitgenosse Dikaiarch ein:90 Er vertritt die »alte« Idee, Philosophie bezeichne eine vorhandene Güte bzw. gute Art gesellschaftlicher Aktivität (πολιτεύεσθαι), welche sich, wie das Beispiel des Sokrates zeige, in einer durchweg guten Lebensführung realisiere. Dies sei schon bei den sieben Weisen der Fall gewesen, so dass sie nicht wegen ihrer noch so knappen Worte, sondern wegen ihrer Lebensweise, welche eine Heirat einschließe, Philosophen genannt werden sollten.91 Diese Ansicht wird manchmal in einen Zusammenhang mit Dikaiarchs empirischer Tendenz und seiner Ablehnung einer Unsterblichkeit der Seele gestellt.92 Sie greift jedenfalls die altaristo85   Omnis auctoritas philosophiae, ut ait Theophrastus, consistit in beata vita comparanda; beate enim vivendi cupiditate incensi sumus omnes. Theophrastus, frg.  375 (Wehrli) = Cicero, De finibus, 5, 86; vgl. Theophrastus, frg.  476 (Fortenbaugh et al.) 86   Theophrastus, frg.  484 f (Fortenbaugh et al.) 87   W. Fortenbaugh, Theophrastus of Eresus. Commentary Volume 6, 1, Leiden  /  Boston 2011, 394–396. 88   Theophrastus, frg.  486 (Fortenbaugh et al.) 89   F. Wehrli, Demetrios von Phaleron, in: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar, hrsg. von F. Wehrli, Bd.  4, Basel  /  Stuttgart 21968, 60. 90   Cicero, Ad Atticum epistula 2, 16, 3 91   Dicaearchus, frg.  29; 31 (Wehrli). 92   Fortenbaugh, Theophrastus of Eresus, 394–396; vgl. aber Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peri­patos, 574.

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kratisch-sophistische Überzeugung wieder auf, im guten Verhalten in der Polis liege der Kern der Lebensführung.93 In ›Über die Welt‹ wird die Philosophie, gerade wenn sie zur Schau des Seienden anleite, als »eine wahrhaft göttliche und daimonische Sache« (θεῖόν τι καὶ δαιμόνιον ὄντως χρῆμα) beschrieben, welche die Seele durch deren göttliches Auge zur Erkenntnis und prophetischen Mitteilung der Wahrheit führen könne.94

Einteilungen der Philosophie Die Peripatetiker unterscheiden offenbar von Anfang an mit Aristoteles zwischen praktischer und theoretischer Wissenschaft bzw. Philosophie.95 Bei den weiteren Unterteilungen lässt sich eine Entwicklung feststellen: Während Theophrast innerhalb der theoretischen Philosophie lediglich die erste Philosophie und die Natur­theorie (περὶ φύσεως ἱστορία) unterscheidet,96 besteht die (theoretische) Philosophie laut ›Hippolyts‹ Aristoteles-(d. h.: Peripatos-)Referat aus Physik, Metaphysik und der »theologischen Abhandlung« (λόγος θεολογούμενος), welche das fünfte Element behandle.97 Diese Behauptung wird mit der von verschiedenen antiken Autoren referierten Ansicht erläutert, die Seele sei gerade deswegen göttlich, weil sie nicht aus einem der vier Elemente, sondern aus dem fünften, also dem Äther bestehe.98 Diese Position, die meist dem Schulgründer Aristoteles, manchmal aber auch (wohl eher zu Recht) Kritolaos zugeschrieben wird, 93   Vgl. F. Wehrli, Dikaiarchos, in: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar, hrsg. von F. Wehrli, Bd.  1, Basel  /  Stuttgart 21967, 52. 94   Ps.-Aristoteles, De mundo 1, 391a, 1 f.; 391a, 11–16. 95   Theophrastus, frg.  479 (Fortenbaugh et al.) = Aetius, Placita 1 prooem. 1 (273a, 25– 274a, 17 Diels = 5, 1, p.  131, 12–132, 21 Mansfeld  /  Runia). 96   Theophrastus, frg.  230 (Fortenbaugh et al.); vgl. Metaphysica 1 (4a 3–6). 97   Hippolytus, Refutatio 7, 19, 4 (p.  194, 13–19 Wendland). Vgl. J. Mansfeld, Heresiography in Context: Hippolytus’ ›Elenchos‹ as a Source for Greek Philosophy, Leiden  /  New York  /  Köln, 1992, 135. 98   Neben Hippolytus, Refutatio 7, 19, 3 (GCS Hipp. 3, p.  194, 10 f. Wendland) gehören hierzu Philo Alexandrinus, Quis rerum divinarum heres sit 55–57 und 283 (3, p.  13, 20–14, 10; 64, 16–22 Wendland); De plantatione 12–18 (2, p.  135, 17–137, 10 Wendland); 1, 26; Cicero, Tusculanae disputationes 1, 22; 1, 41; 1, 65 f.; Recognitiones Clementinae 8, 15 (GCS Ps.Clem. 2, p.  226, 1–9 Rehm). Die Zuschreibung an Kritolaos findet sich bei Tertullianus, De anima 5, 1 f. (6, 1–12 Waszink); Macrobius, In somnium Scipionis 1, 14, 20 (59, 6 f. Willis). Vgl. Moraux, Aristotelismus 1, 1–16; Mansfeld, Heresiography in Context, 137–139; E. Berti, La filosofia del ›primo‹ Aristotele, Mailand 1997, 319–326 (mit gutem Forschungsüberblick); Perkams, Einleitung (Aristoteles-Interpretationen), 28–32. Die Aufnahme dieser Passagen in die Sammlungen der Aristoteles-Fragmente bei Ross und Gigon und darauf aufbauende Interpretationen (z. B. A. P. Bos, The Soul and its Instrumental Body. A Reinterpretation of Aristotle’s Philosophy of Living Nature, Leiden  /  Boston 2003, 269–276) ignorieren den rekonstruierbaren Überlieferungskontext und sind daher nicht haltbar.

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stellt wohl ein Entgegenkommen bestimmter Aristoteliker gegenüber dem hellenistischen Materialismus dar. In Diogenes Laertios’ Aristoteles-Referat wird die theoretische Philosophie wiederum in Physik und Logik eingeteilt, wobei gleich ergänzt wird, die Logik sei eher ein Werkzeug (ὄργανον) als ein Teil (μέρος) der Philosophie.99 Hier wird offenbar eine Position, welche den Aristotelikern die hellenistische Dreiteilung in Ethik (bzw. praktische Philosophie)  /  Physik  /  Logik zuweist,100 im Sinne der späteren Sichtweise der Aristoteliker korrigiert, die Logik sei kein Teil der Philosophie.101 Alle diese Varianten bezeugen nicht genau datierbare Positionierungen innerhalb des hellenistischen oder frühkaiserzeitlichen Peripatos, womit sie zugleich dessen Schwierigkeiten erkennen lassen, seine Überzeugungen in einheitlicher Weise zu formulieren und zu vertreten.102

Der Peripatos und die Philosophiegeschichtsschreibung Der Peripatos führt das Interesse des Aristoteles an der Geschichte der Philosophie weiter und begründet so die Gattung der Philosophenviten sowie die Philosophiegeschichtsschreibung im Allgemeinen. Diese Aktivität setzt mit den Aristoteles-Schülern Phainias von Eresos, Aristoxenos von Tarent und Chamaileon ein und wird von Ariston von Keos sowie dem Philosophiehistoriker Sotion fortgesetzt, dessen Zugehörigkeit zum Peripatos aber nicht gesichert ist.103 Aristoxenos gilt in seinen Viten zu Pythagoras und Archytas als gute, leicht platonisch beeinflusste Quelle.104 Für seine Lebensbeschreibungen von Sokrates und Platon, die kritische Charakterzüge ihrer Protagonisten nicht aussparen, wird neuerdings 99

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 5, 28 (327, 2–4 Marcovich = 363, 419–421 Dorandi). 100   Vgl. Cicero, De finibus 5, 9; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 16 (2, p.  6, 1 Mutschmann). R. Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, in: Rivista di storia della filosofia 70 (2015), 425–446, hier 426, weist dieses Referat einem Zeitgenossen des Antiochos von Askalon zu. Vgl. auch M. L. Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments. Edited with Translation and Commentary by M. L. Chiesara, Oxford 2002, 61–63; 65 f. 101   Vgl. unten S. 563, 984  f. 102   Vgl. Moraux, Diogène Laërce et le Peripatos, 268 f. 103   Darlegung einer geläufigen Annahme bei Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 504; dort 618 zu Ariston von Keos; vgl. weiterhin W. Steidle, Sueton und die antike Biographie, München 1963; A. Momigliano, The Development of Greek Biography, Cambridge (Mass.)  /  London 1993, 68–89; L. Zhmud, Die doxographische Tradition, in: GGPh 1, 1 (2013), 150–171, hier 152 f.; kritisch dazu teilweise St. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie und Historiographie, Berlin  /  Boston 2018, 245–278; Th. Schirren, Philosophos bios. Die antike Philosophenbiographie als symbolische Form. Studien zur ›Vita Apollonii‹ des Philostrat, Heidelberg 2005, 96–102. 104   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 578.

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angenommen, dass er diese Züge aus Berichten von Augenzeugen übernimmt.105 Seine negativen Aussagen über Platon kontrastieren in auffälliger Weise mit der relativ positiven ›Vita‹ Dikaiarchs, die z. T. bei Philodem erhalten ist. Ihm zufolge laden die platonischen Dialoge zwar zu einer philosophischen Oberflächlichkeit ein, doch sei Platon trotzdem für die Verbreitung der Philosophie der wichtigste Autor gewesen.106 Sein Zeitgenosse Chamaileon ist für die ›Methode des Chamaileon‹ bekannt, biographische Daten aus den Werken der beschriebenen Autoren, die in der Regel Dichter sind, zu gewinnen, doch zieht er auch weitere Evidenzen wie Augenzeugenberichte ergänzend heran.107 Am wenigsten lässt sich über Phainias’ Werk ›Über die Sokratiker‹ sagen, das offenbar die Gattung der nach Lehrabfolgen angeordneten Philosophenviten begründet.108

Philosophie und Religion Gerade die frühen Peripatetiker halten die Distanz der aristotelischen Philosophie zur religiösen Praxis tendenziell durch, liefern aber entsprechend den Inter­ essen des Aristoteles109 ausführliche wissenschaftliche Erörterungen des Phänomens. Von besonderer Bedeutung ist, quasi als Vorarbeit zur Religionsgeschichte, die Sammlung der Meinungen in der Theologie (θεολογία) des Eudemos, von deren Qualität u. a. das Zoroaster-Referat des Damaskios zeugt.110 Gesammelt werden religiöse Ansichten über die Natur des ersten Prinzips bzw. der ersten Prinzipien, die im Anschluss an Aristoteles111 als unkörperlich gedacht werden. Stärker an religiöser Praxis interessiert ist offenbar Theophrast, von dessen Schrift über die Frömmigkeit (›De pietate‹) umfangreiche Auszüge v. a. in Porphyrios’ ›Über die Enthaltsamkeit‹ (›De abstinentia‹) überliefert sind, die sich aber nicht immer leicht von Zusätzen des Bearbeiters abgrenzen lassen. Hier betont Theophrast eine grundsätzliche Gemeinschaft von Menschen und Tieren und lehnt daher jede Opferpraxis ab, die Tieren ungerechterweise, d. h. bloß aus 105

  Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 108–147. Vgl. auch oben S. 175.   Philodemus, Historia Academiae, col. I (p.  125 f. Dorandi). Zur Interpretation vgl. K. Gaiser, Philodems Academica. Die Berichte über Platon und die Alte Akademie in zwei herkulanensischen Papyri, Stuttgart-Bad Cannstatt 1988, 310 f.; zustimmend Dorandi, in: Filodemo, ›Storia dei filosofi‹. Platone e l’Academia (PHerc 1021 e 164). Edizione, traduzione e commento, Neapel 1991, 87. Vgl. die Edition mit Kommentar G. Verhasselt, Philodemus’ Excerpt from Dicaearchus on Plato in the ›Historia Academicorum‹ (PHerc. 1021, coll. 1*– 1–2). Edition, Translation, and Commentary, in: Cronache Ercolanesi 47 (2017), 55–72. 107   Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 70–73. 108   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 589; Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 160–169. 109   Vgl. oben S.  315  f. 110   Eudemus, frg.  150 (Wehrli), dort θεολογία in l. 2; vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 562 f. 111   Vgl. oben S.  283  f. 106

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Interesse am Verzehr, Leid zufüge, ohne sich eindeutig zum Vegetarismus zu bekennen.112 In diesem Kontext behandelt Theophrast, ähnlich wie sein Zeitgenosse Klearch, auch die Juden,113 die anscheinend von Eudemos noch nicht thematisiert werden. Dikaiarchs Äußerungen zur Mantik, die häufig darstellenden Charakter zu haben scheinen,114 halten diese immerhin im Traum oder bei göttlicher Inspiration für möglich.115 Die spärlichen Reste der Schriften späterer Peripatetiker zu den Göttern beinhalten sowohl rein darstellende als auch, im Falle Stratons von Lampsakos, explizit skeptische Tendenzen, bei denen eine göttliche Weltordnung bestritten wird.116 Daneben stehen aber umfangreiche Darstellungen des Gebietes, bei denen der Peripatetiker Antisthenes z. B. einmal mehr Zoroaster erwähnt.117 Trotz dieser Distanz zur Religion ist eine Teilnahme am öffentlichen Kult zumindest für den Scholarchen Lykon bezeugt.118 Die deutlichen Berührungspunkte zum Juden Aristobulos in ›Über die Welt‹ lassen sich wohl am plausibelsten dadurch erklären, dass letzterer die pseudoaristotelische Schrift benutzt, was ihm wegen deren transzendenten Gottesbilds leicht gefallen sein dürfte.119 Aber auch in ›Über die Welt‹ selbst werden in Anlehnung an orphische Theogonien und z. T. auch stoische Vorgehensweisen eine ganze Reihe Bezeichnungen für Zeus als extensional gleichbedeutend angeführt, darunter auch ›Fatum‹ (εἱμαρμένη).120 Andererseits findet sich hier vielleicht zum ersten Mal die z. B. bei ›Hippolyt‹ dem Aristoteles zugeschriebene Beschränkung der göttlichen Ordnung des Kosmos auf die Sternen- und Planetensphären, während der Bereich »unter dem Mond«, d. h. die sinnlich wahrnehmbare Welt, sich selbst überlassen sei.121 Berührungspunkte mit dem Peripatos weist auch eine pseudonyme, unter dem Namen des Pythagoreers Okellos Lukanos umlaufende Schrift auf, welche im Anklang an aristotelische Lehren die Ewigkeit der Welt verteidigt 112   Theophrastus, frg.  580–588 (Fortenbaugh et al.) Vgl. Sorabji, Is Theophrastus a Significant Philosopher?, 211–221; Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 533 f. 113   S. unten S. 486. 114   Dicaearchus, frg.  20 (Wehrli): (»ἱστορικώτατος«). Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peri­ patos, 569 f. 115   Dicaearchus, frg.  15 f. (Wehrli). 116   Strato Lampsacenus, frg.  34 f. (Wehrli). Vgl. im Übrigen Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peri­patos, 592, 607 (zu Straton von Lampsakos). 117   Vgl. Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, 56 f. 118   Athenaeus, Dipnosophistae 12, 69 (547e–548b); vgl. Lynch, Aristotle’s School, 113. 119   Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 37–46; Riedweg, Jüdisch-hellenistische Imitation, 77– 101; Radice, La filosofia di Aristobulo, 21–158; A. Tzvetkova-Glaser, The Concepts of οὐσία and δύναμις in ›De mundo‹, in: Thom (Hrsg.), Cosmic Order and Divine Power, 133–152. 120   Ps.-Aristoteles, De mundo 7, 401a, 12–401b, 14. Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 49–57; Reale  /  Bos, Il trattato ›Sul Cosmo‹, 343–351. 121   Ps.-Aristoteles, De mundo 2, 391b 14–392b 5; vgl. ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 19, 3 (GCS Hipp. 3, p.  194, 3–8 Wendland). Für weitere Belege vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 136.

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und dafür von Philon erwähnt wird.122 Sie kann ins 2. Jahrhundert v.  Chr. datiert werden.123

Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik Nicht anders als Aristoteles stellen sich auch die frühen Peripatetiker – namentlich Demetrios von Phaleron und Straton – in den Dienst der makedonischstämmigen Diadochen, und später übernehmen Athenion und Apellikos die Regierung Athens.124 Eine theoretische Fundierung erfährt eine derartige politische Aktivität in Dikaiarchs eben besprochener Meinung, das politische Leben sei das höchste Glück, während Kritolaos einem guten Herrscher, den er mit »dem König des Kosmos« vergleicht, von allzu großer Aktivität abrät.125 Nicht leicht zu erschließen sind die Beiträge des Peripatos zur Rhetorik(theorie), doch scheinen Theophrast und Hermagoras die aristotelische Rhetoriktheorie fortzusetzen.126 Schwer zu deuten ist in diesem Kontext Demetrios von Phalerons von Philodem kritisierter Versuch, der Rhetorik einen Wahrheitsanspruch zuzuschreiben, der somit nicht allein der Philosophie zustehe.127 In ganz anderer Weise grenzt Kritolaos – entgegen der aristotelischen Position, aber gemeinsam mit anderen Philosophen seiner Zeit – die Philosophie von der Rhetorik ab, welcher er sogar den Status einer Fertigkeit (τέχνη) abspricht. Er heißt sogar die Vertreibung der Rhetoren aus den Poleis gut.128

Verhältnis der Philosophie zu Fachwissenschaft und Medizin Der Peripatos trägt in frühhellenistischer Zeit offenbar entscheidend zur Entwicklung der Naturwissenschaften bei, u. a. indem er die platonische These einer Hierarchie aller Disziplinen mit der Philosophie an der Spitze verlässt129 und, entsprechend den Interessen des Aristoteles, den Status der Wissenschaften zum 122

  Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 12 (6, p.  76, 11–15 Cohn  /  Reiter).   Zur Datierung (2. Jhdt. v.  Chr.) und aristotelischen Affiliation trotz pseudo-pythagoreischer Form vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 606, 635; B. Centrone  /  C. Macris, Pseudo-Occélos, in: DPhA 4 (2005), 748–750. 124   Vgl. dazu oben S. 343, 350. 125   Critolaus, frg.  37 (Wehrli); vgl. Wehrli, Hieronymus von Rhodos, Kritolaos und seine Schüler, in: Die Schule des Aristoteles, Bd.  10, Basel  /  Berlin 21969, 73. 126   Vgl. Beer, Rhetorik des Hellenismus, 365–372. 127   Demetrius Phalereus, frg.  130 (Fortenbaugh) = Philodemus, Rhetorica, col. XLIa, 6–22 (p.  222 Sudhaus); vgl. dazu Wehrli, in: Die Schule des Aristoteles 4, 79 f. 128   Critolaus, frg.  25–39 (Wehrli); vgl. Wehrli, in: Die Schule des Aristoteles 10, 71–73; Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 71–73. 129   Vgl. Giannantoni, Scienza e filosofia nell’età ellenistica, 46. 123

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Thema macht. Theophrast, Eudemos und Menon arbeiten offenbar parallel an einer nach Disziplinen gegliederten Geschichte der Wissenschaften. Theophrast stellt die Naturphilosophie, inklusive der naturphilosophischen Astronomie, Eudemos die mathematischen Disziplinen Geometrie,130 Arithmetik und Astronomie sowie die Theologie, d. h. die Lehre der religiösen Überzeugungen dar, während die Logik beide zusammen bearbeiten. Menon widmet sich der Medizin. In all diesen Schriften geht es, als Systematisierung älterer Behauptungen in Bezug auf die Frage, wer jeweils eine Disziplin erfunden habe, um die Darstellung der einzelnen Meinungen (δόζαι), die auf einem Gebiet entwickelt wurden.131 Auf diese Weise leitet der Peripatos die Tradition der antiken Doxographie ein. Ansonsten gibt es eine Reihe von Einzelpunkten, welche das Bild ergänzen: Grammatik, Musik und Mathematik erwähnt Theophrast im Rahmen eines Platon-Referats,132 deutet aber selbst zumindest an, dass mathematische Formen Konstruktionen sind.133 Eudemos weist die Beurteilung der Frage, ob es einzelne Prinzipien für jede Wissenschaft, z. B. Ethik, Naturphilosophie und Mathematik mit Arithmetik und Geometrie, geben solle, einer »anderen […] Philosophie« zu, wohl der Metaphysik.134 Eine entschiedene Wendung zur naturwissenschaftlichen Fachwissenschaft bedeutet das auf diesem Gebiet wichtige Werk des Straton,135 nach dessen Tod die Peripatetiker teils geradezu zu Fachschriftstellern auf verschiedenen Gebieten werden,136 ohne dass sich dies im Detail nachvollziehen ließe.

Würdigung Die wissenschaftliche Offenheit des Peripatos fördert, ganz im Sinne des Aristoteles, neue Entwicklungen auf verschiedenen Gebieten kulturell-wissenschaftlichen Schaffens, etwa in den Fachwissenschaften, der wissenschaftlichen Darstellung der Religion oder der Philosophiegeschichtsschreibung. Durch diese Offenheit stellt er auch ein Gegenmodell zu den dogmatisch geschlossenen Ansätzen der 130

  Vgl. den Bericht aus Proklos’ Kommentar zu Euklid, der sich, obwohl der Name des Eudemos hierin nicht erwähnt wird, als Eudemus, frg.  133 (Wehrli) findet. Wörtliche Zuschreibungen an Eudemos z. B. in frg.  134, 140, 142 und 143 (Wehrli) machen die Zuschreibung aber plausibel. 131   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 560–65, sowie, detaillierter, Zhmud, Die doxo­graphische Tradition, 159–166. Zu Menon vgl. auch Untersteiner, Problemi di filologia filosofica, 44–46. 132   Vgl. Theophrastus, Metaphysica 14 (6b–7a); Vgl. G. Damschen  /  D. Kaegi  /  E. Rudolph, in: Theophrast, ›Metaphysik‹. Übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben, Hamburg 2012, 65. 133   Theophrastus, Metaphysica 1 (4a 20–22). Vgl. Giannantoni, Scienza e filosofia nell’età ellenistica, 56. 134   Eudemus, frg.  32 und 34 (Wehrli). 135   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 571–574. 136   Vgl. Wehrli  /  Wöhrle  /  Zhmud, Peripatos, 583; Erler, Philosophie, 392 f.

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Epikureer und Stoiker dar. Vielleicht regt der Peripatos auf diese Weise deren Neu­anfang mit an. Mit einem auf politische Praxis fokussierten Philosophie-Ideal sowie der Verbindung von Philosophie und rhetorischer Aktivität werden im Peripatos auch wichtige Beschreibungen einer gelungenen philosophischen Existenz weitergeführt bzw. entwickelt, bevor das Studium der aristotelischen Originalschriften und die Verbindung mit dem Platonismus gegen Ende der hellenistischen Zeit neue Impulse setzt.

4. Freundschaft, Freude und Zufall: Epikur und seine Schule137 Allgemeines  /  Historischer Überblick Die epikureische Schule wird von Epikur aus Samos (ca. 341–270), der einer Athener Familie entstammt, zwischen 307 und 305, vielleicht noch unter der Regentschaft des Demetrios von Phaleron, in Athen gegründet.138 Die epikureische Schule kann insofern als älteste der spezifisch hellenistischen Richtungen der Philosophie gelten. Zuvor hat Epikur beim Demokriteer und Pyrrhoneer Nausiphanes gelernt – von dem er sich später scharf distanziert139 – und dann in Lampsakos am Hellespont und Mytilene (anscheinend noch als Demokriteer) erste Schulen geleitet. Das Gründungsmoment seiner eigenen Schule besteht jedoch darin, dass er in Athen einen Garten (κῆπος) und ein Haus erwirbt, in denen er mit seinen Freunden Hermarch, Metrodor und Polyainos lebt und lehrt. Dieser Garten (κῆπος, hortus) bleibt die ganze hellenistische Zeit hindurch der Hauptsitz der Schule, die sich als Gemeinschaft mit Epikurs Freundesgruppe versteht.140 Dabei avanciert ›der Garten‹ zur konventionellen Bezeichnung für die epikureische Richtung überhaupt. Frauen sind in dieser Gemeinschaft gleichberechtigt und tragen zu ihrer Etablierung als Schule bei.141 »Der Garten und das ihm Zugehörige« wird in Epikurs Testament explizit »dem Hermarch […] und den mit ihm zusammen Philosophierenden sowie den Nachfolgern der Philosophie, denen Hermarch sie überlassen wird, […]« vermacht, um eine kontinuierliche Tradition 137   W. Schmid, Epikur, in: RAC 5 (1962), 682–819; M. Erler, Epikur, in: GGPh 4, 1 (1994), 29–202; Erler, Die Schule Epikurs, 203–380; M. Erler, Lukrez, in: GGPh 4, 1 (1994), 381–490; Cooper, Pursuits of Wisdom, 226–276. 138   Zur Biographie Epikurs vgl. insgesamt Jones, The Epicurean Tradition, 14–20; Erler, Epikur, 64–72. F. Decleva Caizzi, The Porch and the Garden. Early Hellenistic Images of Philosophical Life, in: A. Bulloch et al. (Hrsg.), Images and Ideologies. Self-Definition in the Hellenistic World, Berkeley u. a. 1993, 303–329, hier 323–328, kontrastiert diesen Rückzug in einen Garten mit Zenons öffentlicher Lehre in der Stoa, einer Säulenhalle. 139   Vgl. Goulet, Nausiphane de Téos, 585 f. 140   Erler, Die Schule Epikurs, 205–216 141   Vgl. Schmid, Epikur, 725; Erler, Epikur, 68.

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zu begründen: »Und für immer überlasse ich zusätzlich den Aufenthalt im Garten den von uns ausgehend Philosophierenden und ihren Erben«, die den Garten entsprechend zu bewahren und weiterzugeben hätten.142 Obwohl der Garten in Athen das Zentrum der Schule bleibt, ist die epikureische Lehre deutlich weiter verbreitet: Kolotes führt die Lehre Epikurs in Lampsakos fort, wo es bereits zu dessen Lebzeiten eine lebendige Schulgemeinschaft gibt.143 Aus Rhodos sind uns mehrere epikureische Lehrer um 100 v.  Chr. namentlich bekannt,144 ebenso aus Messene und Kreta, von wo Epikureer vertrieben werden.145 Dem Epikureer und Mathematiker Philonides gelingt es im frühen 2. Jahrhundert seiner ›Vita‹ zufolge, eine Schule am Seleukidenhof in Antiochia zu etablieren und den Epikureern Einfluss im Seleukidenreich zu sichern,146 der im rabbinisch-hebräischen Ausdruck Epikur (apiqōrōs) nachhallen mag.147 Er steht ebenso wie Kolotes auch in Kontakt mit Alexandria, wo somit bereits früh eine Bekanntschaft mit dem Epikureismus anzunehmen ist, die sich mindestens bis zur Zeit Philodems fortsetzt.148 Demetrios Lakon erhält im 2. Jahrhundert v.  Chr. seine epikureische Ausbildung in Milet und lehrt dort offenbar zusammen mit einem Eirenaios.149 Beträchtliche Bedeutung erlangt der Epikureismus seit Ende des 2. Jahrhunderts in Rom, was u. a. mit der Verbindung des Epikureers Philodem von Gadara (1. Jhdt. v.  Chr.) mit dem römischen Aristokraten Calpurnius Piso zu tun zu haben scheint.150 Die Ausbreitung der epikureischen Richtung in weite Teile des östlichen Mittelmeerraums, die v. a. für die Kaiserzeit bezeugt ist, kann daher auch für die hellenistische Zeit schon vermutet werden.151

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 Τὸν μὲν κῆπον καὶ τὰ προσόντα αὐτῷ παρέξουσιν Ἑρμάρχῳ […] καὶ τοῖς συμφιλοσοφοῦσιν αὐτῷ καὶ οἷς ἂν Ἕρμαρχος καταλίπῃ διαδόχοις τῆς φιλοσοφίας. […] καὶ ἀεὶ δὲ τοῖς φιλοσοφοῦσιν ἀπὸ ἡμῶν […] τὴν ἐν τῷ κήπῳ διατριβὴν παρακατατίθεμαι τοῖς τ’ αὐτῶν κληρονόμοις. Testamentum Epicuri = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 10, 17 (721, 5–12 Marcovich = 744, 193–200 Dorandi). 143   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 234. Ein wichtiges Zeugnis dafür ist der sogenannte ›Anonymus Epicureus‹, vgl. v. a. A. Angeli, La scuola epicurea di Lampsaco nel PHerc 176 (fr. 5, coll. I, IV, VIII–XXIII), in: Cronache Ercolanesi 18 (1988), 27–51 144   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 283–285. 145   Belege: H. Usener, Epicurea, Leipzig 1887, LXII Anm.  2. 146   Anonymus, Vita Philonidis, frg.  27–34 (84–89 Gallo). Vgl. I. Gallo, Frammenti biografici da papiri 2. La biografia dei filosofi, Rom 1980, 152–162; Erler, Die Schule Epikurs, 251–253; zur historischen Bewertung vgl. oben S. 355. 147   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 251–253. Vgl. dazu auch unten S. 628. 148   Vgl. Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹, 43–104 mit ausführlichen Belegen und z. T. neuen Lesarten herkulanensischer Papyri. 149   Demetrius Laco, Opus incertum (PHerc. 1012), col. LXXIV (p.  186 Puglia). Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 257. 150  Vgl. Schmid, Epikur, 759–767; Jones, The Epicurean Tradition, 64–84; Erler, Die Schule Epikurs, 363–367. 151   Vgl. T. Dorandi, Epikuräische Schule, in: Der Neue Pauly 3 (1997) 1126–1130.

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Bemerkenswert an der epikureischen Richtung ist ihre große Einheitlichkeit in der Lehre,152 die sich selbst in späten Zeugnissen wie dem Lehrgedicht des Lukrez153 und der wohl kaiserzeitlichen Inschrift des Diogenes von Oinoanda nicht wesentlich von Epikur selbst unterscheidet. Zwar sind einige innerschulische Diskussionen Zenons von Sidon und Philodems mit Nikasikrates und Timasa­goras auf Rhodos bezeugt, doch betreffen diese v. a. zweitrangige Fragen wie den Status der Rhetorik.154 Diese Einheitlichkeit hat sicherlich sowohl mit der Betonung der Freundschaft in der Lehre Epikurs als auch mit seinen Lehrpraktiken zu tun, die einen engen Anschluss an die eigene Tradition fördern. Man hat Epikurs Schule deswegen wohl etwas überzogen »die formalisierteste, sektiererischste und privateste Einrichtung höherer Bildung in Athen« genannt.155 Die Überlieferungslage zu den Epikureern ist besser als für andere hellenistische Schulen, da Diogenes Laertios mehrere Originaltexte Epikurs überliefert, welche aus Herkulaneer Papyri ergänzt werden können.156 Aus der epikureischen Schule stammen einige einzigartige Zeugnisse antiker Philosophie: Fragmente aus Briefen von Batis, der Schwester Metrodors,157 – die wohl einzigen antiken Texte, die mit großer Wahrscheinlichkeit einer Frau zuzuweisen sind –, Lukrez’ ›Die Natur der Dinge‹ (›De rerum natura‹), das einzige vollständig erhaltene philosophisches Lehrgedicht der Antike, das beträchtlichen Einfluss ausübt,158 sowie die

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  Numenius, frg.  24 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 5, 3 (2, 269, 11–21 Mras). Vgl. z. B. Schmid, Epikur, 755 f.; C. Chandler, Philodemus on Rhetoric. Books 1 and 2, New York  /  London 2006, 5–9; Erler, Die Schule Epikurs, 210–212. 153   Vgl. Erler, Lukrez, 449–451 154   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 283–285. Sie könnten sich im Rahmen von aus epikureischer Schicht erlaubten Ausarbeitungen bewegen: Vgl. M. Erler, Autodidact and Student. On the Relationship of Authority and Autonomy in Epicurus and the Epicurean Tradition, in: J. Fish  /  K. R. Sanders (Hrsg.), Epicurus and the Epicurean Tradition, Cambridge 2011, 9–28. 155   So Lynch, Aristotle’s School, 120. 156   Zu den wichtigsten Titeln s. unten S. 389  f. 157   Ihre Reste sind erhalten im sogenannten ›Anonymus Epicureus‹: Edition A. Vogliano, Epicuri et Epicureorum scripta in Herculanensibus papyris servata, Berlin 1928, frg.  5, col. XIX–XXIII, p.  45–48; verbesserte Edition: Angeli, La scuola epicurea di Lampsaco nel PHerc 176, 45 f. (Text und italienische Übersetzung) sowie 47–51 (Zuschreibung und Interpretation), zusammengefasst bei Erler, Die Schule Epikurs, 287, 337. Von den älteren Auto­ ren wird zumindest der abschließende ›Brief an ein Mädchen (Apia)‹ noch Epikur oder Polyainos zugeschrieben, vgl. z. B. D. Sedley, Epicurus and the Mathematicians of Cyzicus, in: Cronache ercolanesi 5 (1975), 23–54, hier 47 (mit englischer Übersetzung des Briefs und Literaturangaben), doch ruht Angelis Zuschreibung an Batis darauf, dass col. XIX–XXIII entsprechend der Struktur des Gesamtwerks eine zusammengehörige Vita der Batis mit Auszügen aus ihren Briefen darstellen muss. 158   Zu Lukrez’ Einfluss in der lateinischen Literatur vgl. S.  Gatzemeier, Ut ait Lucretius. Die Lukrezrezeption in der lateinischen Prosa bis Laktanz, Göttingen 2013.

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einzige erhaltene antike Philosophenbibliothek, nämlich die des Philodem, die bereits im 18. Jahrhundert in Herkulaneum entdeckt wurde.159

Philosophische Kernpunkte und Ausarbeitung160 Epikur gehört zu den philosophischen Klassikern, ja nach einer Aussage Immanuel Kants ist er der »einzige Philosoph der Antike« gewesen,161 und Karl Marx hat ihm wesentliche Teile seiner Jenaer Dissertation »Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie« gewidmet.162 Das bekannteste Element der epikureischen Lehre ist ohne Zweifel die These, die Eudaimonie bestehe allein in der Freude bzw. Lust (ἡδονή bzw. voluptas).163 Diese Ansicht wird von Platon und Aristoteles bereits diskutiert, aber vor allem aufgrund des Arguments zurückgewiesen, worin die höchste Freude bestehe, das sei nicht aus sich selbst klar, sondern ergebe sich daraus, was die beste Beschäftigung für den Menschen sei.164 Epikurs Neuansatz wendet sich nicht nur gegen diese Kritik, sondern auch gegen den Hedonismus eines Aristipp, denn Epikur zufolge muss eine Freude angestrebt werden, die möglichst langfristig erhalten bleiben könne. Daher wird die größte Freude (maxima voluptas) nach Epikur durch die Abwesenheit von Schmerz bzw. Leid (λύπη) definiert, zumal diese besonders intensiv empfunden werde.165 Die Schmerzfreiheit ist einerseits eng mit dem Tugendbegriff, vor allem der Klugheit (φρόνησις), verbunden, denn nur ein 159   Zur Ausgrabungsgeschichte vgl. die Beiträge in M. Zarmakoupi (Hrsg.), The Villa of the Papyri at Herculaneum. Archaeology, Reception, and Digital Reconstruction, Berlin  / New York 2010, v. a. D. Sider, The Books of the Villa of the Papyri (S.  115–127); D. Arnold, En Foüllant à l’Aveugle. Discovering the Villa of the Papyri in the 18th Century (S.  139– 154) und, zu den neueren Ausgrabungen, A. De Simone, Rediscovering the Villa of the Papyri (S.  1–10) sowie M. P. Guidobaldi  /  D. Esposito, New Archaeological Research at the Villa of the Papyri in Herculaneum (S.  21–62). 160   Gute Übersichten zur epikureischen Lehre sind z. B. J. M. Rist, Epicurus. An Introduction, Cambridge 1972; Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers, nr. 4–25; T. O’Keefe, Epicureanism, Berkeley  /  Los Angeles 2010. Ich beschränke mich im Folgenden auf die Nennung der m. E. wichtigsten Belegstellen, die häufig sehr verstreut und weniger klar sind, als es die zusammenfassende Darstellung erscheinen lässt. 161   Kant, Logiknachschrift ›Logik Philippi‹ [1772] (Kant’s gesammelte Schriften 24, 328). Ich danke Wolfgang Kienzler für diesen Hinweis. – An anderen Orten ist Kant weniger generös gegenüber Epikur, vgl. Ch. Horn, Epikur, in: M. Willaschek u. a. (Hrsg.), Kant-­ Lexikon 1, Berlin  /  Boston 2015, 517 f. 162   Edition: K. Marx, Werke. Artikel. Literarische Versuche bis März 1843 (K. Marx. F. Engels, Gesamtausgabe 1, 1), Berlin 1975, 5–92. 163   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 128 f.; Cicero, De finibus 1, 30. 164   Plato, Philebus, 22c–e; Aristoteles, Ethica Nicomachea 10, 5, 1175b 24–1176a 3–19. Vgl. oben S. 232. 165   Epicurus, Epistula ad Menoeceum 131 f.; Cicero, De finibus 1, 37.

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tugendhafter Mensch könne dauerhaft unempfindlich gegen Leid sein.166 Andererseits wird das epikureische Ideal durch weitere Teile seiner Philosophie näher bestimmt: Denn durch die Zurückführung aller Erkenntnis auf Sinneswahrnehmung wird auch das Leid auf solches beschränkt, was sinnlich erfahren wird.167 Ein wesentlicher Teil der epikureischen Naturphilosophie dient vor diesem Hintergrund der Widerlegung von Annahmen, welche nicht sinnlich wahrnehmbare Einschränkungen des menschlichen Glücks bedeuten können, wie die Beschäftigung der Götter mit den Menschen oder die Unsterblichkeit der Seele. Schließlich ergeben sich von hier Bezüge zur epikureischen Erkenntnistheorie, deren Fokussierung auf sinnliche Erkenntnis es erforderlich macht, die Zuverlässigkeit menschlicher Erkenntnis überhaupt zu begründen.

Physik und die Aufhebung der Notwendigkeit Auf dem Gebiet der Naturphilosophie, zu welcher auch die Theologie gehört,168 schließt sich Epikur dem ihm vielleicht durch Nausiphanes vermittelten Demokrit’schen Atomismus an, dem zufolge die gesamte Wirklichkeit nur aus ewigen Atomen und Leerem besteht, weswegen sie auch selbst ewig ist.169 Eine bedeutende Neuerung bildet seine berühmten Theorie von der Abweichung (παρέγκλισις, ­declinatio) der Atome: Während deren ansonsten paralleler Fallbewegung im leeren Raum ergeben sich zufällige Veränderungen ihrer Bahn. Diese führen zu Zusam­menstößen, aufgrund derer sich Körper bildeten, welche letztlich zu – möglicherweise mehreren – Welten werden.170 Diese Theorie ist in mehrfacher Hinsicht bedeutend: Einerseits erlaubt sie es zu denken, dass Naturprozesse nicht durchweg Notwendigkeit aufweisen, sondern zumindest teilweise zufällig ablaufen.171 Epikur unterscheidet daher zwischen Dingen, die »durch uns« (παρ’ ἡμᾶς), durch den Zufall (τύχη) und durch Notwendigkeit bzw. das Schicksal (εἱμαρμένη) geschehen.172 Auf diese Weise ist ein durch­gehender Determinismus der Wirklichkeit ausgeschlossen, so dass sowohl Kontingenz als auch bewusste, ›freie‹ Entscheidungen aus dem Verstand (διάνοια) heraus möglich sind.173 Gerade Lukrez spricht deswegen von einem »vom Fatum 166

  Epicurus, Epistula ad Menoeceum 132.   Cicero, Tusculanae Disputationaes 3, 4 f. 168   Vgl. zu deren Inhalten unten ›Philosophie und Religion‹. 169   Epicurus, Epistula ad Herodotum 39–41. 170   Lucretius, De rerum natura 2, 216–224; Epicurus, frg.  281 (Usener). Für Plutarchus, De animae procreatione in Timaeum 6 (1015c), ist die Bahnabweichung Epikurs (unzureichende) Erklärung des Bösen. 171   Epicurus, De natura, Liber incertus, frg.  34, § 28, l. 7–10 (Arrighetti) = LS 20C § 5 f.; Epicurus, Sententiae Vaticanae 40; vgl. Rist, Epicurus, 46–52 zu Interpretationsproblemen. 172   Epicurus, Epistula ad Menoecum 133 f. 173   Epicurus, De natura, Liber incertus, frg.  34, § 17 f. und 24 f. (Arrighetti); vgl. Rist, Epi167

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losgelösten Willen« (fatis avolsa voluntas), der »einem jeden einen Anfang verleiht« (sua cuique voluntas principium dat) und deswegen frei ist;174 eine der Stoa vergleichbare Handlungstheorie, welche das Zustandekommen solcher Entscheidungen näher erklärt, scheint allerdings von den Epikureern nicht entwickelt zu werden. Ein weiterer Vorteil des epikureischen Systems ist, dass die Entstehung des Universums rein aus natürlichen Prinzipien heraus gedacht werden kann, ohne notwendigerweise einen Eingriff von einem oder mehreren Göttern in seine Entstehung anzunehmen. Zur Kausaldetermination wird somit eine grundsätzliche Alternative angeboten.175 In Bezug auf die Seele vertritt Epikur dezidiert deren Sterblichkeit, da die besonders feinen Seelen­atome sich wieder im Raum verteilten, wenn der Körper, der sie wie ein Gefäß zusammenhalte, sich auflöse.176 Epikur liefert somit die Blaupause einer reinen Naturphilosophie ohne transzendente Elemente. In seinem eigenen Denkzusammenhang bedeutet dies, dass man sich vor keinen übermenschlichen Größen zu fürchten hat – denn diese sind stets nur natürliche Abläufe –, so dass die Physiologie einen entscheidenden Beitrag zur Schmerz- und Empfindungslosigkeit leistet, welche für die Ethik Epikurs zentral ist.

Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie Epikurs Erkenntnistheorie geht, angeregt vielleicht von Nausiphanes,177 davon aus, dass alle unsere Erkenntnisse auf Sinneswahrnehmungen basieren, die er grundsätzlich als zuverlässig ansieht, da sie auf materiellen Bildern beruhen, welche von den Atomen selbst ausgehen.178 Das gilt freilich nur dann, wenn einzelne sinnliche Erkenntnisse eine Bestätigung (ἐπιμαρτυρήσις) durch andere finden, da unsere Meinungen über sinnliche Wahrnehmungen aus verschiedenen Gründen falsch sein können.179 Unsere durch zahlreiche Sinneserkenntnisse entwickelten Erfahrungen prägen als ›Vorbegriffe‹ (πρόληψεις) bereits das Entstehen unsecurus, 92–99; T. O’Keefe, Epicurus on Freedom, Cambridge 2005, v. a. 10–25 zu unterschiedlichen möglichen Interpretationen. 174   Lucretius, De rerum natura 2, 251–293 (Zitate 257 und 261 f.) = LS 20F; vgl. Diogenes de Oenoanda, frg.  54, I, 14-III, 14 (p.  240–242 Smith) = LS 20G. 175   Vgl. Epicurus, Epistula ad Herodotum 77 f. 176   Epicurus, Epistula ad Herodotum 64–66. 177   Vgl. Ph. H. De Lacy  /  E. A. De Lacy, in: Philodemus, On Methods of Inference. Edited with Translation and Commentary by Ph. H. De Lacy  /  E. A. De Lacy, Neapel 21978, 174 f. 178   Epicurus, Epistula ad Herodotum, 40; 47–50. Zu Epikurs Erkenntnistheorie ist vor allem Epicurus, frg.  247 (Usener) = Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 203–216 (2, p.  48, 13–52, 21 Mutschmann) zu vergleichen. Für einen Überblick vgl. E. Asmis, Epicurus’ Scientific Method, Ithaca  /  London 1986. 179   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 210–213 (2, p.  50, 6–51, 30 Mutschmann); Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers, nr. 18A.

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rer Weltsicht, indem wir mit Gewissheit davon ausgehen können, dass diese Vorbegriffe auch tatsächlich etwas in der Welt bedeuten.180 Vor diesem Hintergrund nimmt Epikur auch an, dass dem Vorbegriff ›Gott‹ etwas entspricht, weil stets bei allen Völkern davon ausgegangen worden sei, dass es Götter gebe.181 Die Annahme einer letztlichen Abhängigkeit aller Begriffe von Sinneswahrnehmungen impliziert, dass die Sprache sich ursprünglich auf natürliche Weise entwickelt hat, auch wenn dies bei den einzelnen Völkern unterschiedlich geschieht und es unterschiedliche Weiterentwicklungen durch Menschen gibt.182 Die Aufstellung wissenschaftlicher Theorien hält Epikur auf dieser Basis dann für möglich, wenn einer klaren Evidenz keine Gegenevidenz gegenübersteht, so dass weitergehende Theoriebildung erlaubt ist.183 Dies ist z. B. für den Nachweis der Existenz des Leeren wichtig, das ja nicht direkt wahrnehmbar sein kann.184 Allerdings ist er, vielleicht in Anlehnung an Nausiphanes’ Pyrrhonismus, der Meinung, dass solche Theorien nicht letztlich absicherbar sind, so dass zumindest Behauptungen über nicht direkt sinnlich erfassbare Dinge und Sachverhalte, z. B. die Sterne in ihrer Ewigkeit, nicht mit absoluter Gewissheit aufgestellt werden können. Es genügt daher für die Akzeptanz einer Theorie, wenn sie zumindest als wahrscheinliche Erklärung (τὸ πιθανολογούμενον) mit allen unseren Sinnesdaten übereinstimmt.185 Die Annahme, dass es für die menschliche Vernunft keine sichere Begreifbarkeit des Aufbaus des Kosmos gibt, hat Konsequenzen für die Ethik: Weil eine Welt, die teils durch Zufall bestimmt ist, rational nicht voll begriffen werden kann, kann man den Menschen nur lehren, mit den Beschränkungen dieser Situation umzugehen. Diese Art der Lebensführung, die Epikur auch als »wohlbedacht unglücklich sein« (εὐλογίστως ἀτυχεῖν) charakterisiert, ist nur einem Menschen möglich, der sich von den Wechselfällen des Lebens nicht negativ beeinflussen lässt,186 weil er, der eigenen Unwissenheit bewusst, freudvoll und ohne Angst in der kontingenten Welt leben kann.187

180   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 10, 33 (732, 7–18 Marcovich = 754, 420–755, 431 Dorandi). 181   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 123 f. 182   Epicurus, Epistula ad Herodotum 75 f. 183   Vgl. De Lacy  /  De Lacy, in: Philodemus, On Methods of Inference, 184–189. 184   Vgl. dazu ausführlich Asmis, Epicurus’ Scientific Method, 238–252. 185   Epicurus, Epistula ad Pythoclem 86 f.; vgl. auch Epicurus, De natura, Liber incertus, frg.  37, § 2 f. (Arrighetti). 186   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 133–135; vgl. die Textgestaltung der ersten Hälfte Long  /  Sedley, Hellenistic Philosophers 20A. 187   Cicero, De finibus 1, 63. Cooper, Pursuits of Wisdom, 226 f., betont auf dieser Grundlage die Distanz Epikurs zu solchen Theorien, welche im vernünftigen Leben selbst das gute Leben anlegen.

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Die hellenistische Epoche

Epikureische Praktiken der Seelenleitung Nach Epikurs Anspruch soll man »eine Schule (σχολή) einrichten, aber nicht so, dass man die Masse anleitet; vor einer großen Gruppe lesen, aber nicht bereitwillig; Dogmen weitergeben, aber keine Aporien aufwerfen«.188 Demnach zielt Epikur nicht auf eine auf Themen zentrierte, Diskussionen anregende Atmosphäre, sondern auf die Vermittlung von Lehrsätzen und die entsprechende Lebensgestaltung. Die epikureischen Gemeinschaften sind daher zumindest von ihrem Anspruch her weniger hierarchisch geordnet als übliche Schüler-Lehrer-Verhältnisse, sondern verstehen sich eher als eine »Lebensgemeinschaft« (contubernium) von Freunden, so wie es Epikur bereits mit seinen ältesten Schülern Metrodor, Polyainos und Hermarch lebt.189 Entscheidend ist die menschliche Ausbildung, für die die epikureische Schule wichtige Techniken entwickelt. Hierzu gehört einerseits das Memorieren der Hauptlehren, wie sie in den Briefen und Sentenzensammlungen vermittelt werden, welche sich der Epikureer »Tag und Nacht« vor Augen führen soll.190 Besonders wichtig ist die Vergegenwärtigung des epikureischen Arguments bezüglich des Todes: »Wenn wir sind, ist der Tod nicht da, wenn der Tod da ist, sind wir nicht« (ὅταν μὲν ἡμεῖς ὦμεν, ὁ θάνατος οὐ πάρεστιν, ὅταν δὲ ὁ θάνατος παρῇ, τοθ᾿ ἡμεῖς οὐκ ἐσμέν),191 welcher mit anderen Hauptlehren, in Anklang an medizinische Praktiken, zum »Vierfach-Medikament« (τέτραφαρμακος) verbunden wird: »Der Gott ist nicht zu fürchten, der Tod nicht zu bedenken, und das Gute lässt sich wohl besitzen, das Erschreckende aber leicht ertragen«.192 Bei solchen Kurzformeln ist zu bedenken, dass ihre Plausibilität letztlich auf der epikureischen Physiologie, Erkenntnistheorie und Ethik basiert, die grundsätzlich verstanden sein müssen, bevor sie durch ein stetes In-Erinnerung-Rufen der Hauptformeln im Leben wieder aktualisiert werden können. Zu dieser Memorierungstechnik kommt das innerepikureische »freie Lehrgespräch« (διατριβὴ ἐλεύθερα) als wichtiges Element der Charakterbildung hinzu,193 188   Σχολὴν κατασκευάσειν, ἀλλ’ οὐχ ὥστ’ ὀχλαγωγῆσαι· καὶ ἀναγνώσεσθαι ἐν πλήθει, ἀλλ’ οὐχ ἑκόντα· δογματιεῖν τε καὶ οὐκ ἀπορήσειν. Diogenes Laertios 10, 121b (790, 5–7 Marcovich = 803, 1415–1417 Dorandi). 189   Seneca, Epistulae 6, 6; 52, 3 f. (dazu Erler, Autodidact and Student, 15–18); Anonymus, Vita Philonidis, frg.  14, 3–10 (p.  68 Gallo); vgl. Gallo, Frammenti biografici 2, 128; Erler, Die Schule Epikurs, 207. 190   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 135; vgl. Schmid, Epikur, 744. 191   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 124 f. 192   Ἅφοβον ὁ θεός. ἀνύποπτον ὁ θάνατος, καὶ τἀγαθὸν μὲν εὔκτητον, τὸ δὲ δεινὸν εὐεκκαρτήρητον. Philodemus, Ad contubernales, col. V (p.  173 Angeli); vgl. Schmid, Epikur, 744; zu den Analogien in der Medizin vgl. A. Angeli, in: Filodemo, ›Agli amici di scuola‹ (PHerc. 1005). Edizione, traduzione e commento a cura di A. Angeli, Neapel 1988, 263–269. Vgl. z. B. A. Koen, Atoms, Pleasure, Virtue. The Philosophy of Epicurus, New York 1995, 74–86. 193   So die Formulierung bei Batis, in: Anonymus Epicurus, frg.  5, col. XIX (p.  45, 9 Vo­ gli­ano = p.  45 f. Angeli [mit besserem Text und Interpretation]).

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das mit Freimut (παρρησία) und gegenseitiger Kritik (νουθέτησις) zu führen ist, wie es vor allem in Philodems ›Über den Freimut‹ (›De libertate dicendi‹, Περὶ παρρησίας) ausführlich dargelegt,194 aber auch sonst in epikureischen Schriften häufig erwähnt wird. Zu dieser Haltung gehört auch auf Seiten des Lehrers ein Wechsel zwischen einer Bitterkeit »wie Absinth« und der Zuwendung zum Hilfsbedürftigen.195 Ihm entspricht die vorgestellte Kommunikation mit Epikur selbst, welche auf die quasi-religiöse Struktur der epikureischen Schule hinweist: »Tue alles so, als schaute Epikur zu« (sic fac omnia, tamquam spectet Epicurus).196 Derartige individuelle Reflexionsformen werden auch mit einer Gewissenslehre verbunden, der zufolge der Einzelne aufgrund seiner schlechten Taten Sorge – und somit Leid – erfahre.197

Textformen epikureischer Philosophie Die Bedeutung von Gemeinschaftsleben und Unterweisung prägt einen großen Teil der epikureischen Textformen. Zwar bedient sich Epikur auch der Form des Traktats, namentlich in seinem auf Herkulaneer Papyri fragmentarisch erhaltenen Werk ›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως) in nicht weniger als 37 Büchern.198 Doch können im Ganzen Textformen als charakteristisch für ihn und seine Schule gelten, welche primär auf Werbung und Unterweisung, nicht aber auf literarischen Glanz abzielen:199 Hierzu gehören nicht nur die drei bei Diogenes Laertios überlieferten Briefe Epikurs an Menoikeus, Herodot und Pythokles, welche die Naturphilosophie und Ethik als kurzen Abriss (ἐπιτομή τῆς ὅλης πραγματείας) bzw. »Elemente des richtigen Lebens« (στοιχεῖα τοῦ καλῶς ζῆν) darbieten,200 sondern auch die verschiedenen Sammlungen listenartig zusammengestellter Lehrsätze (δόγματα) zum Auswendiglernen, durch die Einzelne die ganze epikureische Lehre memorieren bzw. sich präsent halten sollen. Zwei berühmte Sammlungen dieser Art, 194

  Vgl. D. Konstan et al. in der griechisch-englischen Edition Philodemus, On Frank Criticism. Introduction, Translation and Notes by D. Konstan et al., Atlanta (Georgia) 1998, 1–24; sowie die Zusammenfassung bei M. Gigante, Philosophia medicans in Filodemo, in: Cronache Ercolanesi 5 (1975), 53–61, 56–58. 195   Philodemus, De libertate dicendi II b 3–7 (p.  43 Olivieri). Vgl. Gigante, Philosophia medicans, 58 f. 196   Epicurus, frg.  211 (Usener) = Seneca, Epistulae ad Lucilium 25, 5. Vgl. dazu z. B. C.-F. Geyer, Epikur. Zur Einführung, Hamburg 42020, 7 f. sowie unten S. 400. 197   Epicurus, frg.  531 (Usener) = Seneca, Epistulae ad Lucilium 97, 15; vgl. Schmid, Epikur, 742. 198   Vgl. Erler, Epikur, 94–103, mit Überblick über die noch erkennbare Struktur und die editorische Situation. 199   Vgl. Erler, Epikur, 48–51; Niehues-Pröbsting, Die antike Philosophie, 85 f. 200   Epicurus, Epistula ad Herodotum 35; Epistula ad Menoiceum 123. Vgl. zum Inhalt der drei Traktate Erler, Epikur, 75–80.

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die ›Hauptlehrsätze‹ (κύριαι δόξαι bzw. δόγματα) und die sogenannte ›Vatikanische Spruchsammlung‹ (›Gnomologium Vaticanum‹) sind erhalten und gehören zu den wichtigsten Quellen für die epikureische Lehre.201 Sie repräsentieren eine Textform, welche für die Kontinuität der Lehre antiker Philosophenschulen auch über den epikureischen Kontext hinaus wesentlich geworden ist, doch ist sie gerade für diese Schule typisch und findet möglicherweise hier ihre charakteristische Form. Ein wichtiges Zeugnis für die Bedeutung des gemeinschaftlichen Ideals für die Epikureer sind weiterhin die Sammlungen von Auszügen von Briefen der Gründergeneration, die bei Philodem erhalten und – unter dem Titel ›Abriss‹ (ἐπιτομή) – für Philonides bezeugt sind.202 Lukrez’ poetische Darstellung des epikureischen Gedankengebäudes dürfte die didaktische Vermittlung der Lehre zum Ziel haben.203 Reste einer Werbeschrift ›Über die Philosophie‹ (Περὶ φιλοσοφίας) sind von Epikurs zweitem Nachfolger Polystrat (gest. vor 220) überliefert.204 Als philosophiegeschichtliches Werk ist vor allem Philodems ›Zusammenstellung der Philosophen‹ (σύνταξις τῶν φιλοσόφων) wichtig, das dank seiner Überlieferung als (unvollständiges) Arbeitsexemplar des Autors aufschlussreiche Blicke v. a. in seine Behandlung der Akademiker und Stoiker, z. T. auch anderer Schulen, sowie ihre Quellen gestattet. Es handelt sich um eine rein biographische, häufig anekdotische Darstellung,205 die in Teilen auf das Werk Apollodors zurückgeführt werden kann.206 Zur Auseinandersetzung mit der eigenen Schultradition gehört bei den Epikureern bereits in hellenistischer Zeit eine philologische Beschäftigung mit den Werken des Meisters, welche von der Sammlung seiner Schriften bis hin zu Kommentaren reicht, wie sie bereits für einen Artemon bezeugt sind, der Epikurs ›Über die Natur‹ kommentiert hat.207 Werke dieser Art (ὑπομνηματισμούς) hinterlässt Philonides, der nicht weniger als 125 epikureische Schriften (συντάγματα) zu-

201

  Vgl. näherhin Erler, Epikur, 80–83.   Anonymus, Vita Philonidis, frg.  14, 3–10 (p.  68 Gallo). Vgl. C. Militello, in: Filodemo, ›Memorie Epicuree‹ (PHerc. 1418 e 310). Edizione, traduzione e commento di C. Militello, Neapel 1999, 73–80; Gallo, Frammenti biografici 2, 129–131. 203   Vgl. Erler, Lukrez, 411 f. 204   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 249. 205   Vgl. zur Charakterisierung des Werks und Philodems Arbeitsweise Gaiser, Philodems Academica, 23–27; Erler, Die Schule des Epikur, 297–301; F. Longo Auricchio  /  G. Indelli  /  G. Del Mastro, Philodème de Gadara, in: DPhA 5a (2012), 334–359, hier 340 f. (Gesamtüberblick über das Werk); zur Quellenfrage v. a. Gaiser, Philodems Academica, 87–133; T. Dorandi, in: Filodemo, ›Storia dei filosofi‹. Platone l’Academia, 83–99; T. Dorandi, in: Filodemo, ›Storia dei filosofi‹. La Stoa da Zenone a Panezio. Edizione, traduzione e commento, Leiden  /  New York  /  Köln 1994, 32–35. 206   Vgl. Gaiser, Philodems Academica, 92; Erler, Die Schule Epikurs, 280 f. 207   Vgl. E. Puglia, in: Demetrio Lacone, Aporie testuali ed esegetiche in Epicuro (PHerc. 1012). Edizione, traduzione e commento, Neapel 1988, 53 f. 202

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sammenstellt, seinen Bekannten im Seleukidenreich.208 Erhalten sind Reste einer quaestionenartigen Auseinandersetzung des Demetrios Lakon (ca. 150–70 v.  Chr.) mit ›Über die Natur‹, in welcher dieser u. a. die Epikur-Interpretationen seines Zeitgenossen Zenon von Sidon behandelt.209 Im epikureischen Unterricht spielen schließlich auch Vorlesungen eine Rolle, die von den Schülern aufgezeichnet werden, was freilich wiederum für ein Thema mit engem Bezug zum schulischen Leben, nämlich den philosophischen Freimut (παρρησία), bezeugt ist.210 Ungewöhnlich ist, dass die Epikureer, offenbar in kritischer Absicht, auch die Werke anderer Schulen kommentieren, und zwar bereits in der Gründergeneration: So setzt sich Kolotes mit Platons ›Lysis‹ und ›Euthydemos‹ sowie dem ErMythos aus dem Zehnten Buch der ›Politeia‹ auseinander, Polyainos mit Aristoteles’ ›Über die Philosophie‹ sowie Metrodor mit Platons ›Euthyphron‹. Ebenso erläutern noch ein gutes Jahrhundert später Zenon von Sidon Platons ›Gorgias‹ sowie Philodem, in seinem Werk zur Ökonomie, Xenophons einschlägiges Werk auf kritische Weise.211 Insbesondere die Werke zu Platon scheinen sich in den Strom der Sokrates-Kritik einzuordnen, welche die Epikureer führen, um gegen den skeptischen Standpunkt der Akademie zu argumentieren. Mit den Praktiken der Memorierung, der gegenseitigen Kritik sowie der schriftlichen Auseinandersetzung mit den Hauptwerken der Schule prägen die Epikureer die philosophische Lebensweise der Antike wesentlich mit, so dass Epikur in dieser Hinsicht neben Pythagoras eine der Gründergestalten des antiken Philosophie-Ideals ist.

208

  Anonymus, Vita Philonidis, frg.  30, 5–8 (p.  86 Gallo). Vgl. Gallo, Frammenti biografici 2, 156, der freilich glaubt, es gehe um Schriften des Philonides selbst, doch dürfte es wohl eher um epikureische Schriften im Ganzen gehen. 209   Vgl. zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Ort der Seele bei Demetrius Laco, Opus incertum (PHerc. 1012), col. XLII–LIII (p.  169–176 Puglia) sowie die Erläuterung von Puglia, in: Demetrio Lacone, Aporie testuali, 64–80; M. Capasso, Comunità senza rivolta. Quattro saggi sull’Epicureismo, Neapel 1987, 44 f.; Erler, Die Schule des Epikur, 212–214. 210   Vgl. Erler, Die Schule des Epikur, 321 f.; Longo Auricchio  /  Indelli  /  Del Mastro, Philodème de Gadara, 352, zu Philodems ›De libertate dicendi‹ als Nachschrift einer Vorlesung des Zenon von Sidon. 211   Sammlung aller Belege bei A. A. Long, Socrates in Hellenistic Philosophy, in: Classical Quarterly 38 (1988), 150–171, hier 156 Anm.  18, außer zu Polyainos’ Werk gegen Aristoteles: Philodemus, De pietate, col. XXXVIII,1091–1099 (p.  180 Obbink); vgl. Erler, Die Schule des Epikur, 226; D. Obbink, in: Philodemus, ›On Piety‹. Part 1. Edited by D. Obbink, Oxford 1996, 478 f.; G. Indelli, Colote di Lampsaco, il bersaglio polemico di Plutarco, e Polistrato, il terzo capo del Giardino, in: Cronache Ercolanesi 30 (2000), 45–52, hier 46 f.; A. Tepedino Guerra, Le opere ›Contro l’Eutifrone di Platone‹ e ›Contro il Gorgia di Platone‹. Per una nuova edizione dei frammenti di Metrodoro di Lampsaco, in: Cronache Ercolanesi 40 (2010), 39–49.

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Philosophiebegriff212 Die Definition der Philosophie als rechte Lebensführung Das Gesagte spiegelt sich auf vielfache Weise im Philosophiebegriff der Epikureer wider: Grundsätzlich liegt der Schwerpunkt von Epikurs Verwendung des Wortstamms philosoph- recht eindeutig auf den praktischen Konnotationen des philosophischen Lebens, was sowohl durch ›Philosophieren‹ (φιλοσοφεῖν)213 als auch durch ›gemeinsames Philosophieren mit‹ einem Lehrer (und Freunden) (συμφιλοσοφεῖν τινὶ)214 ausgedrückt wird.215 Dass die Philosophie eine »Fertigkeit in Bezug auf das Leben« (τέχνη περὶ τὸν βίον) ist, hält Epikur vielleicht noch vor den Stoikern fest und drückt es mit den Worten aus, sie sei eine »Aktivität, die durch Argumente und Gespräche das glückliche Leben verschafft« (ἐνέργειαν εἶναι λογοῖς καὶ διαλογισμοῖς τὸν εὐδαίμονα βίον περιποιοῦσαν).216 Auch sonst wird die praktische Dimension des Philosophierens betont. Schon zur Zeit Epikurs findet sich die Formel ›in der Philosophie verweilen‹ (ἐν φιλοσοφίᾳ διατρίβειν), die ein früher Epikureer 63 Jahre hindurch betrieben haben soll. 217 Als Zielperspektive wird dem Epikureer nichts Geringeres versprochen als »wie ein Gott unter den Menschen zu leben« (ζήσεις ὡς θεὸς ἐν ἀνθρώποις),218 womit eine Nähe sowohl zum platonischen ›Ähnlichwerden mit Gott‹ als auch zu Pyrrhon gegeben ist, wobei man aber davon ausgehen kann, dass es um ein ebenso freudvolles Leben geht, wie Epikur selbst es den Göttern zuschreibt. Die platonische ›Sorge um den Tod‹ ist in Epikurs Formel, »die Sorge um das Gut-Leben und um das Gut-Sterben sei dieselbe« (τὴν αὐτὴν εἶναι μελέτην τοῦ καλῶς ζῆν καὶ τοῦ καλῶς ἀποθνήσκειν), präsent.219 An prominenter Stelle wird das Philosophieren zu Beginn des MenoikeusBriefs allen, den Jungen wie den Alten, empfohlen: 212   Vgl. A.-M. Malingrey, Philosophia. Étude d’un groupe de mots dans la littérature grecque, des Présocratiques au IVe s. après J.-C., Paris 1961, 63–68; Schmid, Epikur, 717–719; Erler, Epikur, 126 f. 213   Z. B. Epicurus, Epistula ad Menoiceum 122. 214   Epicurus, frg.  217 (Usener) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 10, 17 (721, 7 Marcovich = 744, 195 Dorandi). 215   Epicurus, frg.  221 (Usener) 216   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 169 (2, p.  410, 13–16 Mutschmann) = Epicurus, frg.  219 (Usener); vgl. Schmid, Epikur, 717 f. Aus dem Zusammenhang bei Sextos, der τέχνην τινὰ περὶ τὸν βίον als eine Art Oberbegriff verwendet, wird nicht klar, ob die Formel schon wörtlich von Epikur gebraucht wird. 217   Anonymus, apud: Philodemus, Memoriae Epicureae, col. XXIII, 5 (p.  132 Militello). Zur Zuschreibung vgl. Militello, in: Filodemo, ›Memorie Epicuree‹, 244 f. 218   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 135. Vgl. Philodemus, De dis 3, col. I, 11–18 (p.  16 Diels) und dazu Schmid, Epikur, 734. 219   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 126; vgl. Epicurus, frg.  205 (Usener) sowie Schmid, Epikur, 745.

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»Wer entweder sagt, die Stunde des Philosophierens sei noch nicht gekommen oder die Stunde sei vorübergegangen, ähnelt jemandem, der sagt, die Stunde zum Glücklichsein sei entweder nicht da oder nicht mehr da«.220

Diese Formulierung ähnelt in ihrer Konsequenz der berühmten Formel aus dem aristotelischen ›Protreptikos‹, wird jedoch durch Bezug auf einzelne Lebens­alter ein Stück konkreter. Dinge, die das Glücklichsein bewirken (ποιοῦντα τὴν εὐ­ δαιμο­νίαν), sollten allein unsere Aufmerksamkeit bestimmen, denn mit dieser sei alles, ohne sie nichts da.221 In Epikurs Tradition betont auch Philodem die Notwendigkeit der Philosophie für das gute Leben (ὀρθοπραγεῖν) und lobt das Philosophieren von Kindheit an.222 Eine Einschränkung erfährt diese Weite der Philosophie allerdings darin, dass nur Griechen zu ihr befähigt sein sollen – so wie auch Griechisch nach Philodem die Sprache der Götter sein muss.223 Die Bedeutung der philosophischen Lebensführung wird gerne – wie beim oben erwähnten Vierfach-Medikament – mit medizinischen Metaphern unterstrichen, denen zufolge die Philosophie zur Gesundheit der Seele führt. Sie machen Epikur zu einem wichtigen Propagator der spätestens bei Demokrit angelegten Lehre von der Philosophie als »Medizin für den Geist« (medicina mentis).224 Besonders sprechend sind hierzu zwei bei Porphyrios überlieferte Stellen, welche (wahrhaftige) Philosophie ([ἀληθινὴ] φιλοσοφία) ebenso von ihrer Heilungsfähigkeit in Bezug auf die Leidenschaften (πάθη) der Seele abhängig machen wie die Medizin von der des Körpers.225 Für einen epikureischen Kontext dieser Aussagen spricht das Auftreten der Formel ›wahrhaftige Philosophie‹ bei Epikurs zweitem Nachfolger Polystrat (gest. vor 220 v.  Chr.), der sich besonders intensiv mit dem Philosophiebegriff auseinandersetzt: Ihm zufolge »besteht die Leistung der Philosophie wahrhaftig« in »der Beruhigung der Leidenschaften seiner selbst und der anderen Menschen, nicht nur im Wort, sondern auch in der Tat«.226 Αn anderen 220   Ὁ δὲ λέγων ἢ μήπω τοῦ φιλοσοφεῖν ὑπάρχειν ὥραν ἢ παρεληλυθέναι τὴν ὥραν, ὅμοιός ἐστιν τῷ λέγοντι πρὸς εὐδαιμονίαν ἢ μὴ παρεῖναι τὴν ὥραν ἢ μηκέτι εἶναι. Epicurus, Epistula ad Menoiceum 122. 221   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 122. 222   Philodemus, [De electionibus et fugis], col. XIII; XXI (p.  93; 98 Indelli  /  Tsouna-McKirahan). 223   Epicurus, frg.  226 (Usener) = frg.  143 (Arrighetti) = Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 67, 1 f. (GCS Clem. 2, p.  42, 8 f. Stählin). 224   Zum Beispiel Epicurus, Ratae Sententiae 64; Epistula ad Menoiceum 122; Philodemus, De libertate dicendi, frg.  39, 6–14 (p.  19 Olivieri). Vgl. M. Gigante, Ricerche filodemee, Neapel 1969, 54 f.; Gigante, Philosophia medicans, 53–61; Long, Socrates in Hellenistic Philosophy, 155; Longo Auricchio  /  Indelli  /  Del Mastro, Philodème de Gadara 352 f.; Sellars, Hellenistic Philosophy, 184–187. Zu Demokrit s. oben S. 121. 225   Epicurus, frg.  221 und 457 (Usener); frg.  247 f. (Arrighetti) (als Parallele zu Epicurus, Ratae sententiae 64) = Porphyrius, Ad Marcellam 31 (p. 124, 8–10 des Places). 226   Τὸ […] τὰ πάθη καταπαύεσθαι καὶ σαυτοῦ καὶ τῶν ἄλλων ἀνθρώπων, μὴ λόγῳ μόνον ἀλλ’ ἔργῳ, […] ἀληθινῶς ἐστι φιλοσοφίας ἔργον. Polystratus, De contemptu irra-

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Stellen werden von ihm die Selbstvollendung sowie ein besonderes Bewusstsein seiner selbst (συντελοῦντας καὶ συνείδοτας αὑτοῖς) als weitere Merkmale wahrer Philosophie hinzugefügt,227 und es wird betont, diese beruhe auf dem Sehsinn.228 Die Beruhigung der Leidenschaften im Zusammenhang mit einer bewussten, auch auf das Zusammenleben abzielenden Lebensführung ist demnach prägend für die Philosophie im epikureischen Sinne. Die gemeinschaftliche Dimension dieses Projekts wird von Philodem in ›Über den Freimut‹ (Περὶ παρρησίας) in Buchlänge dargestellt, indem insbesondere Regeln für eine gelingende gegenseitige Kritik unter Freunden erörtert werden,229 zumal diese, ebenso wie inhaltliche Kritik unter Philosophen, zur Auflösung der Freundschaft führen könne.230 Als höchste Form der Philosophie gilt die Klugheit (φρόνησις), welche sogar »ehrwürdiger als die Philosophie« (φιλοσοφίας τιμιώτερον) sei, da sie – als praktisches, mit Tugenden verbundenes Wissen im aristotelischen Sinne – den Ursprung aller Tugenden darstelle.231 Ihr entscheidendes Ziel ist entsprechend den bekannten Grundprinzipien Epikurs die Freude oder Lust.232 Einige besonders hervortretende Interessen Epikurs wie das Leben in Freundschaft (φιλία)233 und der Abbau der Furcht vor dem Tod234 sind diesem Ziel unter- und auf es hin geordnet. In der philosophisch geprägten Lebensführung kann man nach einer Aussage Epikurs sowohl lachen als auch den Haushalt führen (γελᾶν καὶ οἰκονομεῖν), solange man nur nicht von den Aussagen der Philosophie ablasse.235 Insofern kann die epikureische Philosophie offenbar, jedenfalls in gewissem Maße, während des Alltagslebens betrieben werden. Wenn demgegenüber Philodem die Ökonomie, inklusive der Landwirtschaft, von der Philosophie abgrenzt, welche weder durch Philosophie erlernt werde noch eine spezifische Aufgabe des Philosophen sei,236 tionali (Περἰ ἀλόγου καταφρονήσεως), col. XXXIII (p.  130 Indelli). Zu Polystrat vgl. z. B. Indelli, Colote di Lampsaco, 48–52. 227   Polystratus, De contemptu irrationali (Περἰ ἀλόγου καταφρονήσεως), col. XVII (p.  117 Indelli). 228   Polystratus, De philosophia, col. III (M. Capasso, L’Opera polistratea sulla filosofia, in: Cronache Ercolanesi 6 [1976], 81–84, hier 83). 229   Vgl. Erler, Die Schule des Epikur, 321 f.; Longo Auricchio  /  Indelli  /  Del Mastro, Philodème de Gadara, 352 f. 230   Philodemus, De ira, col. XXXVf. (p.  91 f. Indelli). 231   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 132; zur Textgestaltung des Zitats, die nicht unbedingt eine Überlegenheit der φρόνησις gegenüber der Philosophie herstellen sollte, J. Bollack, La pensée du plaisir, Paris 1975, 129–131. Vgl. weiter M. Becker, Klugheit, in: RAC 21 (2006), 97–175, hier 122 f.; D. De Sanctis, φρόνησις e φρόνηιμοι nel Giardino, in: Cronache Ercolanesi 40 (2010), 75–86 (auch zur Entwicklung in der Schule). 232   Epicurus, Ratae sententiae 5. 233   Vgl. Malingrey, Philosophia, 65 f; Erler, Epikur, 166 f. 234   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 124 f. 235   Epicurus, Gnomologium Vaticanum 41. 236   Philodemus, De oeconomia I, nach der Textgestaltung in Filodemo, Testimonianze su Socrate, frg.  31 (Acosta-Méndez  /  Angeli).

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zeigt sich allerdings eine unterschiedliche Akzentsetzung: Einerseits kann der Epikureer andere Tätigkeiten verrichten, während er im Kern philosophisch lebt, andererseits gilt es auch dann, sich das Proprium der Philosophie vor Augen zu halten. Man kann sich im Übrigen bei Philodems Position fragen, ob er mit seiner Betonung der Philosophie als selbstzwecklicher Tätigkeit die Erwartung seiner Adressaten aus der Oberschicht bedienen möchte. Eine Besonderheit des epikureischen Ansatzes ist, dass das Ziel der so verstandenen Philosophie in der praktischen Lebensführung selbst liegt, die zugleich »Lernen und Genießen« (μάθησις καὶ ἀπόλαυσις) ist, so dass der Genuss nicht erst dem Erlernen folgt.237 Die Philosophie ist demnach, im Gegensatz sowohl zur platonisch-aristotelischen als auch zur stoischen Ansicht, nicht ›Liebe zur Weisheit‹ in dem Sinn, dass sie dann aufhören würde, wenn ein jenseits der Philosophie stehender Zustand der Weisheit erreicht wäre. Freilich ist Weisheit als ein unverlierbarer und unveränderbarer Zustand auch für Epikur durchaus ein Ideal,238 doch eine philosophische Lebensführung gibt es auch ohne sie.

Teile der Philosophie: Die Rolle der Physik und Kanonik bei Epikur Die in solchen Aussagen zutage tretende Konzentration der Philosophie auf die Ethik lässt die Frage nach weiteren Teilen der Philosophie aufkommen. Diese wird in der Überlieferung ambivalent beantwortet: Einerseits berichtet Diogenes Laertios von einer Dreiteilung der Philosophie in Kanonik, Physik und Ethik (τό τε κανονικὸν καὶ φυσικὸν ἠθικόν) bei den Epikureern, wobei den ersten beiden Disziplinen jeweils ein Werk zugewiesen werde, der dritten mehrere. 239 Demgegenüber spricht Cicero an mindestens zwei Stellen von einer dezidierten Ablehnung der Dialektik sowie ihrer methodischen Grundlagen durch die Epikureer.240 Sextos Empirikos bestätigt diesen Gegensatz für die Epikureer ausdrücklich, behauptet aber zugleich, diese hätten nur die stoische Form der Logik zurückgewiesen, aber eine Kanonik mit Bezug auf Evidentes und Unklares zugelassen.241 Einen Weg zur Erklärung, der die epikureischen Interessen deutlicher werden lässt, weist Diogenes Laertios in unmittelbarem Anschluss an die gerade genannte Stelle, indem er berichtet, die Epikureer hätten üblicherweise die Kanonik mit der Physik zusammengestellt (εἰώθασι μέντοι τὸ κανονικὸν ὁμοῦ τῷ 237

  Epicurus, Gnomologium Vaticanum 27.   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 10, 117 (786, 11–787, 3 Marcovich = 800, 1373–801, 1382 Dorandi). 239   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 10, 29 f. (730, 8–15 Marcovich = 752, 385–392 Dorandi). 240   Cicero, De finibus 1, 22; 1, 63 (zusammengefasst in Epicurus, frg.  243 [Usener]); Diogenes Laertios 10, 31 (730, 20 Marcovich = 753, 397 Dorandi). 241   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 14 f.; 22 (2, p.  5, 18–22; 6, 26–29; zusammengefasst in Epicurus, frg.  242 [Usener]). 238

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φυσικῷ τάττειν).242 Die daraus resultierende Beschränkung auf zwei Teile der Philosophie wird von Seneca insofern bestätigt, als er von einem »Topos über das Urteil und die Regel« (locus de iudicio et regula) spricht, welcher innerhalb der Physik Wahres vom Falschen unterscheide.243 Dies geht wahrscheinlich auf eine griechische Vorlage zurück, welche, ähnlich wie die gerade zitierte zweite Formulierung bei Diogenes Laertios,244 das Kriterium der Wahrheitserkenntnis (iudicium = κριτήριον) als Hauptinhalt des Kanons (regula = κανών) darstellt.245 Das Schwanken der Quellen dürfte demnach auf formaler Ebene dadurch verursacht sein, dass die Epikureer die Kanonik teils der Physik zuordnen, teils – vielleicht unter dem Einfluss der stoischen Systematisierung – als eigene Disziplin von ihr trennen. Aus Sicht der epikureischen Systematik lassen sich die genannten Widersprüche allerdings überzeugend auflösen bzw. erklären. Auszugehen ist davon, dass die Rolle der Naturphilosophie bzw. Physik oder Physiologie für die Epikureer grundlegend darin liegt, eine notwendige Bedingung der Erlangung der Weisheit zu sein, wie Polystrat ganz klar formuliert: »Das wahrhaft bessere Leben […] entsteht nur aus der richtigen Physiologie, nachdem wir die ganze Natur betrachtet haben, so wie sie sich verhält«.246 Ganz ähnlich äußert sich Philodem: »Die ethischen Ansichten sowie diejenigen über das Erstreben und Vermeiden […] muss man gänzlich aus der Physiologie nehmen, damit sie vollkommen sind«.247 Schon bei Epikur findet sich diese Ansicht, wird aber mit einer aufschlussreichen Akzentsetzung versehen: »Naturphilosophie soll man nicht nach leeren Axiomen und Gesetzmäßigkeiten betreiben, sondern wie es die Phänomene herausfordern. Denn unsere Lebensführung braucht weder Dummheit noch leere Meinung, sondern dass wir ohne Verwirrung leben«.248 242   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 10, 30 (730, 15–19 Marcovich = 752, 392–753, 396 Dorandi). 243   Seneca, Epistulae ad Lucilium 89, 11; Cicero, De finibus 1, 63 244   Diogenes Laertios 10, 30 (p.  730, 16 f. Marcovich = 753, 393 f. Dorandi). 245   Vgl. Erler, Epikur, 90. 246  Τὸ βέλτιον ἀληθινῶς ζῆν […] γίνεται μόνως ἐκ τῆς ὀρθῆς […] φυσιολογίας θεωρησάντων τὴν τῶν πάντων φύσιν. Polystratus, De contemptu irrationali (Περἰ ἀλόγου καταφρονήσεως), col. XVIIIf. (p.  118 Indelli). Ganz ähnlich z. B. Cicero, De finibus 1, 64. Zur Rolle der Naturphilosophie für die Ethik bei den Epikureern vgl. auch den Überblick bei G. Indelli, in: Polistrato, Sul disprezzo irrazionale delle opinioni popolari. Edizione, traduzione e commento, Neapel 1978, 165 f., mit weiteren Belegen. 247   Τοὺς ἠθικοὺς καὶ περὶ τῶν αἱρέσεων καὶ φυγῶν λόγους προσλαβεῖν δεῖ πάντως ἐκ φυσιολογίας ἵν’ ἐντελεῖς ὦσιν. Philodemus, [De electionibus et fugis], col. XIII (p.  93 Indelli  /  Tsouna-McKirahan). 248   Οὐ γὰρ κατὰ ἀξιώματα κενὰ καὶ νομοθεσίας φυσιολογήτεον ἀλλ’ ὡς τὰ φαινόμενα ἐκκαλεῖται. Οὐ γὰρ ἤδη ἀλογίας καὶ κενῆς δόξης ὁ βίος ἡμῶν ἔχει χρείας, ἀλλὰ τοῦ ἀθορύβως ἡμᾶς ζῆν. Epicurus, Epistula ad Pythoclem 86 f.

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Die spezifisch epikureische Weise, Physiologie zu betreiben, besteht demnach darin, sich die Möglichkeit und das Ausreichen evidenter Erkenntnis zu verdeutlichen. Denn ohne die dadurch abgesicherte Entsprechung der philosophischen Meinungen mit den Phänomenen würde man in den Mythos abgleiten.249 Sie zielt hingegen nicht darauf ab, gesetzförmige Regelmäßigkeiten zu erkennen. Daher ist, wie eine Passage bei Cicero verdeutlicht, einerseits eine Dialektik im Sinne formalistischer und analytischer Überlegungen abzulehnen, die hierfür keinen Nutzen habe, andererseits aber »der Kanon, auf den alle Urteile über die Dinge gerichtet sind« zu bewahren (servata regula, ad quam omnia iudicia rerum dirigentur).250 Der genannte Gegensatz bei Diogenes Laertios erklärt sich also wohl dadurch, dass eine Dialektik im gerade genannten Sinne (stamme sie nun von den Stoikern oder aus anderen Quellen) aus epikureischer Sicht überflüssig ist, während die Naturphilosophie sich dem Auffinden sinnlicher Evidenz in korrekter Weise widmen und insofern methodisch reflektiert vorgehen muss, ohne sich freilich in formalistische Details zu verlieren. Ob man auf dieser Grundlage die Kanonik als dritten Teil der Philosophie neben Physik und Ethik oder als den methodisch reflektierenden Teil der Physik ansieht, kann dann unterschiedlich formuliert werden. Eine ausdrückliche Dreiteilung gehört jedenfalls wohl nicht, wie bei den Stoikern, zum konstitutiven Merkmal der Philosophie selbst und mag erst sekundär auf den Epikureismus angewandt worden sein. Der Epikureismus erscheint somit als Keimzelle einer Unsicherheit über den Status der Logik in der Philosophie, die als Folge einer starken Betonung derjenigen philosophischen Elemente, die auf die Lebensleitung gerichtet sind, in späteren Jahrhunderten ein wichtiges Movens der philosophischen Entwicklung werden wird.251 Wichtig ist für die Epikureer jedenfalls, die Annahme einer evidenten sinnesbasierten Erkenntnis der Natur zu verteidigen. Dass eine Skepsis gegenüber der Zuverlässigkeit offensichtlicher sinnlicher Erkenntnis die gute Lebensführung unmöglich macht, betont etwa Kolotes in seinem aus Plutarchs Kritik bekannten Rundumschlag ›Dass man nach den Lehrsätzen der anderen Philosophen nicht leben kann‹ (Περὶ τοῦ ὅτι κατὰ τῶν ἄλλων φιλοσόφων δόγματα οὐδὲ ζῆν ἔστιν).252 Aus demselben Grund stellt wohl Polystrat »diejenigen, welche Freimut sowie konstante und wahre Philosophie anwenden (παρρησίᾳ ἀκολούθῳ τε κἀληθεῖ φιλοσοφίᾳ χρωμένους)«, denen gegenüber, »die entgegen ihrer eigenen Meinung wegen der Nahestehenden ironisch reden (παρὰ τὸ δοκοῦν αὑτοῖς ἕνεκα τῶν πλήσιον εἰρωνεύονται)«.253 Letztere Wendung versteht sich wohl als Spitze gegen 249

  Epicurus, Epistula ad Pythoclem 87. Vgl. zum Zweck der Physik auch Koen, Atoms, Pleasure, Virtue, 46–52. 250   Vgl. Cicero, De finibus 1, 63. Die Bedeutung von regula und iudicium an dieser Stelle entspricht nach dieser Deutung den eben zu Seneca genannten Argumenten. 251   Vgl. unten S.  984  f. 252   Vgl. zum rekonstruierbaren Inhalt dieses Werks Erler, Schule des Epikur, 238 f. 253   Polystratus, Περἰ ἀλόγου καταφρονήσεως, XVIf. (p.  117 Indelli). Zur Übersetzung vgl. Indelli, in: Polistrato, Sul disprezzo, 169 f. Die Identität der in diesem Werk angespro-

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die mangelnde Ernsthaftigkeit, die sich in der sokratischen Ironie nach Meinung der Epikureer ausdrückt, welche auch sonst der Figur des Sokrates durchweg kritisch gegenüberstehen.254 Solche Polemiken dürften die Epikureer jedenfalls zu einer faktischen Praxis dialektischer Argumentation gezwungen haben.255

Philosophie und Religion256 Nach Epikurs Ansicht besteht eine würdige Theorie der Götter, die für ihn wie für die Stoiker ein Teil der Physik ist, insbesondere darin, deren Freude aufzuzeigen, die aus einem ruhigen, untätigen Leben und einer Enthobenheit von irdischen Sorgen folgt.257 Diesem Zweck dient auch der von Cicero258 etwas ausführlicher referierte Gottesbeweis, bei dem aus einem ›Vorbegriff‹ (πρόληψις), den alle Menschen von einem Gott haben, auf dessen Existenz geschlossen wird.259 Dieser positiven Zeichnung der Götter korrespondiert eine Kritik an volkstümlichen Vorstellungen über sie,260 die freilich nicht ausschließt, dass Epikur selbst die Götter als anthropomorph und quasi-körperlich schildert,261 ja ihre Sprache sogar als Griechisch identifiziert.262 Im Hinblick auf die epikureische Gottesvorstellung wird gegenwärtig – in einer anachronistisch wirkenden Wendung moderner Forschung – diskutiert, ob die Götter hier nicht nur Projektionen aufgrund eingeborener Ideen sind.263 Entscheidend für Epikurs Theorie ist vielmehr die Annahme, dass die Götter, wie schon bei Aristoteles, ganz untätig und gerade durch diese Ruhe glückselig sind,264 insbesondere weil sie frei von Affekten und folglich von Furcht sind.265 Die so dargestellten Götter sind ein Vorbild für das philosophische chenen Gegner ist umstritten, zur m. E. plausiblen Bezugnahme auf die Akademiker vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 248 f. 254   Sammlung und Interpretation der Belege bei E. Acosta-Méndez  /  A. Angeli, in: Filodemo, Testimonianze su Socrate. Edizione, traduzione e commento, Neapel 1992, 29–138; vgl. auch Indelli, Colote di Lampsaco, 45 f. 255   So schon Augustinus, Contra Crescontium 1, 16 (CSEL 52, 338, 26–339, 3 Petschenig; vgl. Epicurus, frg.  242 [Usener]). 256   Vgl. zu diesem Thema allgemein Schmid, Epikur, 730–755; Erler, Epikur, 149–153. 257   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 123; frg.  359–362 (Usener) 258   Cicero, De natura deorum 1, 44 f. 259   Vgl. Bollack, La pensée du plaisir, 94 f. 260   Epicurus, Epistula ad Menoiceum 123 f. 261   Cicero, De natura deorum 1, 48–50; Epicurus, frg.  355 (Usener). 262   Epicurus, frg.  356* (p.  20–22 Usener); vgl. Philodemus, De dis 1 (p.  14, 6 Diels). 263   Zum Beispiel Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 144–146; kritisch dazu Erler, Epikur, 152 f. Die »idealistische« und die »realistische« Interpretation werden verteidigt von D. Sedley, Epicurus’ theological innatism, in: Fish  /  Sanders (Hrsg.), Epicurus and the Epicurean Tradition, 29–52 bzw. D. Konstan, Epicurus on the Gods, ebd., 73–81. 264   Epicurus, frg.  359–362 (Usener). 265   Epicurus, frg.  366, 22–25 (Usener).

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Leben der Menschen, aber sie üben keine aktive Herrschaft aus, die eine Notwendigkeit sowie einen Grund zur Furcht in die Philosophie eintragen würde.266 Vielmehr ist ihre Kraft und Tugend so erhaben, dass der Weise aus Achtung zum Gebet aufgefordert ist, weswegen Epikur auch an kultischen Handlungen teilnimmt und dies anderen als »natürlich« empfiehlt,267 obwohl er die Dichter und ihre Mythen ausdrücklich tadelt.268 Lässt sich schon hierin die ›dreigeteilte Theologie‹ (theologia tripertita) der Dichter, Philosophen und der staatlichen Ordnung erkennen, so wird die Diskussion um deren Deutung bei Philodem noch offensichtlicher: Er betont, andere »Theologen und Philosophen« (θεόλογοι καὶ φιλόσοφοι) als Epikur hätten die Mythen gelten lassen, da eine Verwilderung der einfachen Leute zu fürchten gewesen sei, wenn sie ihre milden Ansichten geäußert hätten,269 von ihnen sei aber Epikur zu unterscheiden.270 Die (von den Stoikern herangezogenen) Zeugnisse der älteren Philosophen und Dichter zugunsten der Mythen werden im zweiten Teil des Werkes kritisiert.271 Damit liefert Philodem ein frühes Zeugnis für den Vorwurf, bestimmte Philosophen würden ihre besseren Gottesbilder vor dem Volk verbergen, welcher laut Augustinus Bestandteil von Varros Variante der ›dreigeteilten Theologie‹ ist.272 Es kann allerdings auch nicht überraschen, dass die spätere Tradition Epikur selbst der Heuchelei zeiht, weil er trotz seiner kritischen Haltung – wie erwähnt – an Kulthandlungen teilnimmt.273 Viel deutlicher als in den erkennbaren Fragmenten Philodems wird die Antithese zwischen der bedrückenden »Gottesfurcht« (religio) und der nahezu aufklärerisch verstandenen Ver266

  Epicurus, Epistula ad Herodotum 76 f.   Philodemus, De pietate, col. XXV–XXVII, 723–772 (p.  156–158 Obbink); Epicurus, frg.  386 (Usener); Epicurus (?), Fragmentum e P. Oxy. 2, 215 desumptum, in: Obbink, Philodemus, ›On Piety‹, 391. Vgl. Obbink, in: Philodemus, ›On Piety‹, 389–391; G. Lieberg, Die theologia tripertita als Formprinzip antiken Denkens, in: Rheinisches Museum 125 (1982), 25–53, hier 26–28. 268   Epicurus, frg.  229 (Usener); Epicurus, Epistula ad Herodotum 81; Epicurus, Ratae sententiae 12. 269   Philodemus, De pietate, col. XLIf., 1160–1212 (p.  186–188 Obbink). 270   Philodemus, De pietate, col. LIII, 1511–1531; LV, 1570–1575 (p.  210; 214 Obbink); vgl. Obbink, in: Philodemus, ›On Piety‹, 539 f. 271   Philodemus, De pietate, col. LXXXVf., 2479–2496 (p.  274–276 Obbink); vgl. Obbink, in: Philodemus, ›On Piety‹, 539 f. 272   Vgl. Obbink, in: Philodemus, ›On Piety‹, 487–497; allgemeiner Lieberg, Die theologia tripertita, 26–30, der die gesamte theologia tripertita mindestens bis Epikur zurückgehen lässt. Das Gottesbild der Dichter wird auch kritisiert bei Philodemus, De ira, col. XVIII (p.  76 Indelli). 273   Plutarchus, Non posse suaviter vivi secundum Epicurum, 21 (1102b); Origenes, Contra Celsum, 7, 66 (GCS Orig. 2, p.  215, 18–22 Koetschau). Vgl. auch Cicero, De natura deorum 3, 3 und, zur gesamten Frage, St. Enke, ›Nicht schaden und nicht geschädigt werden‹. Philosophie des Politischen im Gesamtsystem der epikureischen Lehre und in ihrem Kontext, Diss. Jena 2020, 386–389. 267

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nunft (ratio) Epikurs allerdings zu Beginn von Lukrez’ Lehrgedicht aufgestellt, in dem Epikur ausdrücklich als Befreierfigur von religiöser Angst gefeiert wird – ein aufschlussreiches Zitat für die Interessen des Lukrez und seiner römischen Leserschaft, das sich aber auch Karl Marx nicht hat entgehen lassen.274 Inner-epikureisch betrachtet, weist dieser Lobpreis Epikurs allerdings auch auf die sogenannte Quasi-Religiosität hin, welche offenbar typisch für das interne Leben der epikureischen Schule ist: Anstelle der Verehrung der bekannten Götter werden religiöse Praktiken wie Opfer und Kniefälle insbesondere Epikur selbst entgegengebracht, der sogar als »unser Erlöser« bezeichnet und in Hymnen besungen wird (ὑμνεῖν τὸν σωτῆρα τὸν ἡμέτερον).275 Die auf Rationalität gegründete philosophische Schule feiert sich selbst durch formal religiöse Zeremonien und konstituiert sich so auch im Ritual als eine zusammengehörige Gemeinschaft.276 Man fragt sich, ob diese innerschulische Religiosität letztlich als Substitut für eine innere Distanzierung von den Kulten der Umgebung der Schule zu verstehen ist, selbst wenn sich die Epikureer von deren offiziellen Praktiken nicht zurückziehen.

Verhältnis der Philosophie zu Wissenschaften, Paideia und Rhetorik277 Epikurs Programm der Anleitung zu einem guten Leben in einer Welt, die keinen notwendigen Gesetzen unterliegt, impliziert, dass alle Disziplinen, die Gesetzmäßigkeiten beschreiben, für die philosophische Lebensführung keine Bedeutung haben.278 Epikur wird daher mit der Ansicht zitiert, dass z. B. Geometrie und Musik für die Philosophie fast bedeutungslos seien, da sie nichts zur Erwerbung von Weisheit beitrügen.279 Aus ähnlichen Motiven bestreitet er die Nützlichkeit von Rhetorik oder überhaupt von Paideia, insbesondere in Abgrenzung gegen die 274

  Lucretius 1, 62–135. Vgl. Schmid, Epikur, 762. Nicht zufällig beschließt diese Stelle Karl Marx’ Jenaer Dissertation: Marx, Werke. Artikel. Literarische Versuche bis März 1843, 57 f. 275   Epicurus (?), Tractatus Ethicus Epicureus, col. IV (p.  72 Capasso). Vgl. M. Capasso, in: Trattato Etico Epicureo (PHerc. 346). Edizione, Traduzione e Commento, Neapel 1982, 111–117 (mit weiteren Parallelen) sowie die Beiträge in M. Beretta  /  F. Citti  /  A. Iannucci (Hrsg.), Il culto di Epicuro. Testi, iconografia e paesaggio, Florenz 2004. 276   Vgl. dazu Schmid, Epikur, 746–755; Capasso, Comunità senza rivolta, 25–37; Erler, Epikur, 206 f.; Geyer, Epikur. Zur Einführung, 7–9. 277   A. von Arnim, Leben und Werke des Dio von Prusa. Mit einer Einleitung. Sophistik, Rhetorik, Philosophie in ihrem Kampf um die Jugendbildung, Berlin 1898, 73–77; G. A. Kennedy, A New History of Classical Rhetoric, Princeton 1994, 93–95; Erler, Epikur, 169  f.; Chandler, Philodemus, on Rhetoric, 1–5. 278   Epicurus, frg.  221 und 227 (Usener) = 247 und 231 (Arrighetti) (vgl. dazu auch unter Philosophiebegriff); Cicero, De finibus 1, 22. 279   Epicurus, frg.  227; 229b (Usener)

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platonischen Bildungsvoraussetzungen der Philosophie: »Ich preise Dich, Apelles, weil Du rein von aller Paideia zur Philosophie aufgebrochen bist«.280 Auch wird der Weise weder dichten noch rhetorisch tätig sein.281 Diese Trennung der Philosophie von allen anderen Kenntnissen hat in Epikurs Augen den Vorzug, das Angebot einer philosophischen Lebensweise vielen bzw. allen Menschen machen zu können, weitgehend unabhängig von ihrer Vorbildung.282 Hier tritt also die Frage nach einer allgemeinen Erreichbarkeit der Philosophie in den Mittelpunkt, die Epikur auch sonst wichtig ist. Es ist nicht ohne Ironie, dass diese Idee später von den Christen programmatisch betont wird,283 die sich durch ihren Monotheismus grundlegend von Epikur unterscheiden. Bereits in den Augen der hellenistischen Zeitgenossen gefährdet allerdings die Distanzierung zu den anderen Disziplinen die Rolle der Philosophie als Bildungsideal und trägt den Epikureern auch deswegen viel Kritik ein.284 Tatsächlich bedienen sich die Epikureer der Rhetorik auch intensiv zu Werbezwecken285 und einige von ihnen sind auch in den Wissenschaften aktiv, namentlich Philonides in der Mathematik.286 Philodem beschäftigt sich, vielleicht dank alexandrinischer Einflüsse,287 ebenfalls mit verschiedenen Disziplinen, bestreitet jedoch den Nutzen der Musik für die Philosophie als solche. Immerhin lässt er, wohl im Sinne einer Öffnung gegenüber römischen Traditionen und Interessen, die Rhetorik als »sophistische«, also in Verbindung mit der Philosophie, als eine Fertigkeit (τέχνη) gelten,288 wofür er allerdings von anderen Epikureern seiner Zeit kritisiert wird.289 Vielleicht lassen sich diese Diskussionen auf den gemeinsamen Nenner bringen, dass es den Epikureern eher um eine Ablehnung nutzloser als um eine Zurückweisung jeglicher Bildung geht, was jedoch verschieden gedeutet werden kann.290 Die genannten Positionen sowie die Tatsache, dass Lukrez sich der poetischen

280   Epicurus, frg.  117, 21 f. (Usener). Ähnlich Polystratus, De philosophia, col. IV (p.  84 Capasso). Vgl. Erler, Epikur, 169 f. 281   Epicurus, frg.  565; 568 f. (Usener). 282   Epicurus, frg.  227, 5–8; 227a 17–21 (Usener). 283   Vgl. z. B. unten S.  800. 284   Epicurus, frg.  242 (Usener); frg.  227, 3–5 und 17–23 (Usener). 285   Vgl. Tornau, Rhetorik,13. 286   Anonymus, Vita Philonidis, frg.  49, 1–5 (p.  60 Gallo). Vgl. Gallo, Frammenti biografici 2, 111–113; Erler, Die Schule Epikurs, 251. Vgl. noch das Staunen des U. von Wilamowitz-Moellendorf, Der Glaube der Hellenen 2, Basel 21956, 294 Anm.  1 über diesen Punkt. 287   So jedenfalls Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹, 102 f. 288   Z. B. Philodemus, De musica, col. X; XVIII (p.  51; 62 Neubecker); Philodemus, Rhetorica 2, col. XLIII (38, 7–13 Sudhaus [Supplementum]); Philodemus, Rhetorica, col. XLIa, 6–XLIIa, 4 (p.  222 Sudhaus). Vgl. Gigante, Kepos e Peripatos, 135–140; Erler, Die Schule Epikurs, 303–306 (zur Struktur von Philodems Rhetorik), 313–316; Chandler, Philodemus on Rhetoric, 9–17; Beer, Rhetorik des Hellenismus, 372–376. 289   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 304 290   Vgl. Erler, Epikur, 169 f.

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Form des Lehrgedichts bedient,291 erscheinen vor diesem Hintergrund nicht als inkonsequent.

Philosophie und Politik292 Aufgrund der Idee, das philosophische Leben vollende sich in angstfreier Freude, scheint die Politik als solche in epikureischer Perspektive für ein philosophisches Leben nicht von entscheidender Bedeutung zu sein, wie im Übrigen die von Plutarch isoliert überlieferte Maxime »Lebe im Verborgenen« (Λάθε βιώσας) nahelegt. Aus ihr lässt sich jedoch nicht schließen, Epikur habe sich nicht mit Politik beschäftigt:293 Obwohl epikureische Traktate zu spezifisch politischen Themen selten zu sein scheinen, zeugt doch zumindest Philodems Schrift ›Über den guten König gemäß Homer‹ (›De bono rege secundum Homerum‹) von einer Beschäftigung mit diesem Gegenstand. Dies gilt schon zuvor bereits für Epikurs eigene Sentenzen, wenn diese eine Vertragstheorie skizzieren, die der Rezeption zahlreiche Anknüpfungspunkte bietet.294 Den Kontext menschlicher Lebensführung bildet die epikureische Lehre von der Entstehung der Zivilisation, die uns vor allem bei Lukrez zugänglich ist.295 Auch sonst zeigen einige Texte eine Reflexion des antiken Ideals politischer Philosophie: Ein wichtiges relativ frühes Zeugnis für den Anspruch der Philosophen, die Herrscher vom Zorn zu befreien und so die Untertanen vor Schaden zu bewahren, stellt Philodems Kritik an Philosophen sowie Rhetoren und Poeten dar, welche den Herrscher durch Geschwätz oder Schmeichelei nicht am Zorn hindern.296 Die Philosophie als freiwilliger Weg zum rechten Handeln (ὀρθοπραξία) ist nach epikureischer Meinung für die Politik durchaus nützlich, denn Physiologie und Ethik können den Zwang durch Gesetze entbehrlich machen.297 Philodem behauptet sogar, die Philosophie mache auch bei einem guten Politiker »einen himmelweiten Unterschied zum Besseren aus« (διαφορὰν οὐρανομήκη πρὸς τὸ

291

  Vgl. Erler, Lukrez, 438 f.   Vgl. Erler, Epikur, 162 f. 293   Vgl. G. Roskam, ›Live Unnoticed‹. Λάθε βιώσας. On the Vicissitudes of an Epicurean Doctrine, Leiden  /  Boston 2007, v. a. 147; anders noch Cooper, Pursuits of Wisdom, 272. 294   Vgl. Erler, Epikur, 162 f. Einen umfassenden Überblick über die politische Philosophie der Epikureer bietet Enke, ›Nicht schaden und nicht geschädigt werden‹. 295   Vgl. Jones, The Epicurean Tradition, 41–49. 296   Philodemus, De ira, col. XXXI (p.  87 f. Indelli); vgl. G. Indelli, in: Filodemo, L’ira. Edizione, traduzione e commento, Neapel 1988, 204 f. 297   Porphyrius, De abstinentia 1, 7 f. (1, p.  46 f. Bouffartigue); Philodemus (?), [De electionibus et fugis], col. XII–XIV (p.  92–94 Indelli  /  Tsouna-McKirahan). Vgl. G. Indelli  / V. Tsouna-McKirahan, in: Philodemus, On Choices and Avoidances, Edited with Translation and Commentary, Neapel 1995, 166–185. 292

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κρεῖττον),298 was an seiner sonst ungezähmten Neigung zum Zorn liegen dürfte.299 Es verwundert daher nicht, dass einige Epikureer – mit teils sehr zweifelhaften Methoden und verheerenden Ergebnissen – politisch aktiv werden.300

Würdigung Mit Epikur und seiner Schule etabliert sich das antike Modell von Philosophie in der charakteristischen Form einer gemeinsamen Lebensweise der schulischen Gemeinschaft. Durch ihre alleinige Ausrichtung auf die sinnlich wahrnehmbare Welt und ihren Fokus auf das Lebensziel der Freude gewinnt die epikureische Philosophie somit ihren ganz eigenen, von Aristoteles’ Theorie-Ideal und Platons Transzendenzphilosophie unterschiedenen Charakter. Bei aller Betonung der philosophischen Lebensführung behält aber Epikur, im Gegensatz zu Pyrrhon und den frühen Kynikern, die Theorie in Form der Naturphilosophie als festen Bestand­teil der philosophischen Praxis bei, ohne welchen diese nicht möglich sei. Dagegen grenzt sich seine Schule von der im Peripatos und der Akademie geübten Beschäftigung mit Wissenschaften und Nachbardisziplinen sowie der etablierten Religion tendenziell ab, ohne sie aber aktiv zu bekämpfen. Im Mittelpunkt epikureischer Interessen stehen eher die Lehrmethoden der Philosophie sowohl in ihren praktischen Formen als auch in ihrer Fokussierung auf die Werke des Meisters, einschließlich von deren Auslegung und Vermittlung. Durch diese Züge prägt Epikur nicht nur die hellenistische Philosophie, sondern auch das antike Philosophie-Ideal im Allgemeinen: Philosophie beruht zwar weiterhin auf einer zu erlernenden theoretischen und als wahr anerkannten Überzeugung, die jeder ihrer Anhänger zu lernen hat. Eine weitere Forschung wird aber nicht mehr angestrebt, sondern die Lebenspraxis in der Schule und die vor dem Hintergrund der Philosophie erfolgende Charakterbildung bilden selbst das Ziel der Philosophie.

298

  Philodemus, Rhetorica 2, col. XV, 8–31, Zitat 28–31 (p.  271 f. Sudhaus)   So wohl Philodemus, De ira, col. XVIII, XXVIIIf. (p.  76; 95 f. Indelli). 300   Zu den Tyrannen Aristion und Lysias vgl. oben S. 343 und 357 Anm. 136. Zu Epikureern in Rom vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 364. Allenfalls für die Frühzeit kann vielleicht behauptet werden, »die Epikureer« führten »ein bescheidenes, weitgehend von der Außenwelt unberührtes Leben im Garten«; so Scholz, Der Philosoph und die Politik, 312. 299

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5. Die wohlverwaltete Welt begreifen: Alte und mittlere Stoa301 Allgemeines  /  Historischer Überblick Die Stoa, zusammen mit den Epikureern die bekannteste und einflussreichste Bewegung der hellenistischen Philosophie, konstituiert sich fast gleichzeitig mit diesen in Athen: Wahrscheinlich erfolgt die Gründung durch Zenon von Kition (ca. 333/32–262/61) im Jahr 300 kurz nach dem parallelen Akt Epikurs, doch ist die Chronologie Zenons besonders unsicher.302 Das gilt auch für seine geistige Entwicklung: Für diese wird in der Forschung entweder ein Übergang angenommen von einer den Kynikern verwandten, auf die Ethik fokussierten Position, die insbesondere anhand der Berichte über sein Frühwerk ›Politeia‹ zu greifen sei, hin zur Einordnung der Ethik in ein komplexes Gedankengebäude, zu dem auch Physik und Logik gehörten.303 Neuerdings wird hingegen die Sonderstellung der ›Politeia‹ als Frühwerk eher bestritten und eine relativ einheitliche Position Zenons behauptet,304 was inhaltlich zur engen Verknüpfung der drei stoischen Teile der Philosophie, Ethik, Physik und Logik, gut passt. In der Tat kann Zenon alle drei Disziplinen, inklusive der Verbindung von Tugend und Natur, bereits bei seinem akademischen Lehrer Polemon hören, ebenso wie er die sokratische Tugendlehre in ihrer kynischen Form durch Krates kennenlernen kann.305 Nicht ohne Grund hat man vor diesem Hintergrund die »stoische Ethik als eine komplizierte Verbindung akademischer und kynischer Ethik« bezeichnet,306 wobei sie auch von der megarischen Dialektik eines Stilpon und/oder Diodoros Kronos 301

  Gute Überblicksdarstellungen finden sich vor allem bei M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, Bd.  1–2, Göttingen 1959; Steinmetz, Die Stoa, 491–716; Forschner, Die Philosophie der Stoa; sowie mit direktem Zugang zu wichtigen Quellen bei Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers, nr. 26–70. Zum Philosophiekonzept vgl. nicht zuletzt Cooper, Pursuits of Wisdom, 144–225. 302   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 518 f.; Gourinat, Zénon de Citium, 376–378. 303   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 522 f., 525–527; jetzt wieder Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 568–607. 304   Diese Position setzt voraus, dass antike Nachrichten darüber, dass Zenons ›Politeia‹ ein Frühwerk sei, als apologetisch abgelehnt werden. Vgl. R. Bees, Zenons ›Politeia‹, Leiden  /  Boston 2011, 26; 328–330; Gourinat, Zénon de Citium, 313–385 (ohne Diskussion der Gegenmeinung); Forschner, Die Philosophie der Stoa, 247. 305   Vgl. oben S.  263  f., 361  f. 306   So H.-J. Krämer, Ältere Akademie, in: GGPh 3 (22004), 1–165, hier 121, ähnlich Gourinat, Zénon de Citium, 379. Faktisch ist der Einfluss Polemons auf Zenon sehr umstritten, vgl. I. Kupreeva, Polémon d’Athènes, in: DPhA 5b (2012), 1190–1194, hier 1193. Dass Zenon noch Xenokrates hören kann (wie bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 2 [p.  444, 15 f. Marcovich = 474, 14 f. Dorandi] angegeben), scheint unwahrscheinlich (und mag zu der akademischen Tradition gehören, die Zenons Originalität in Zweifel ziehen will), wenn man, wie hier vorgeschlagen, der plausibleren Chronologie seines direkten Schülers Persaios folgt: Vgl. dazu Gourinat, Zénon de Citium, 376–378.

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beeinflusst sein dürfte. Besonders unterschiedlich bewertet wird Zenons Verhältnis zu Epikur und Theophrast.307 Jedenfalls vereinigt Zenon zu einem gewissen Zeitpunkt die verschiedenen Einflüsse in einer ausbalancierten Theorie, die an Geschlossenheit vermutlich alle Vorlagen übertrifft; dabei führt er mit einem bescheidenen, ›armen‹ Auftreten und öffentlicher Lehre Charakteristika kynischen Philosophierens fort.308 Schwierigkeiten werfen auch die genauen Beiträge seiner Nachfolger Klean­ thes von Assos (ca. 310–230/29)309 und Chrysipp von Soloi (ca. 281/77–208/04) auf,310 die dem stoischen System ihre klassische Form geben,311 während Zenons anderer Schüler Ariston von Chios (3. Jhdt.) mit seiner Fokussierung auf die Ethik später als ›heterodox‹ gilt. Ob das eine korrekte Beschreibung der Frühzeit der Stoa ist, ist aufgrund der schwierigen Überlieferungslage nicht leicht zu sagen. Die Aussage des Diogenes Laertios: »Chrysipp unterschied sich in den meisten Punkten von Zenon, aber auch von Kleanthes, über den er häufig sagte, er benötige ihn nur für die Lehre der Dogmen, die Beweise dafür werde er aber selbst finden«,312

kann man sowohl als Beleg dafür lesen, dass Chrysipp die bereits fertig ausformulierte stoische Lehre verteidigen möchte, als auch dafür, dass er sie durch neue Argumentationen recht grundlegend verändert. Entsprechend kann man Ariston, je nach Einschätzung Zenons, auch als Fortsetzer der ersten, kynisierenden Phase von dessen Biographie und insofern als prä-chrysippeischen orthodoxen Stoiker bewerten.313 Es gibt auch spätere Belege für eine kynisierende Tendenz in der Stoa,314 deren einziger bekannter Repräsentant Apollodor von Seleukeia (2. Jhdt.) ist. Sie hängt mit dem Wunsch zusammen, das Vorbild Sokrates zum Ahnherrn der eigenen Tradition zu machen.315 Jedenfalls liegt bei Chrysipps Tod die stoische 307   Zu den verschiedenen Einflüssen auf Zenon vgl. Glucker, The Athenian Philosophical Atmosphere, 303–309; Görler, Theophrastus, the Academy, Antiochus, and Cicero, 317–322; Gourinat, Zénon de Citium, 380 f. 308   Vgl. Decleva Caizzi, The Porch and the Garden, 307–323. 309   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 566 f.; M. Perkams, Kleanthes, in: RAC 20 (2004), 1257–1262, hier 1257 f. 310   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 584 f. 311   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 567; 585 f. 312   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 179 (553, 23–26 Marcovich = 585, 6–9 Dorandi). 313   Vgl. die unterschiedlichen Bewertungen bei Steinmetz, Die Stoa, 558–561 und 593; Gourinat, Zénon de Citium, 382, und von A. M. Ioppolo, Aristone di Chio e lo stoicismo antico, Neapel 1980, 19–38. 314   Vgl. nur Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 121 (515, 5–8 Marcovich = 544, 937–939 Dorandi). 315   Vgl. J. Mansfeld, Diogenes Laertius on Stoic Philosophy, in: Elenchos 7 (1986), 295– 382, hier 347–351; M.-O. Goulet-Cazé, Apollodore de Séleucie, in: DPhA 1 (1994), 276 f.; Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 98–107.

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Philosophie in ihrer klassisch gewordenen Gestalt vor, die sich vom Sokratismus durch ihre systematische Ausarbeitung stark unterscheidet. Dieses ›altstoische‹ System wird im 2./1. Jahrhundert zur sogenannten ›mittleren Stoa‹ ausgestaltet. Dieser Wandel beginnt bereits mit Chrysipps in der Vergangenheit wohl teils unterschätztem zweiten Nachfolger als Leiter der Schule, Diogenes von Seleukeia bzw. Babylon (ca. 240–150 v.  Chr.).316 Ihren Höhepunkt erreicht die mittlere Stoa mit dessen Schüler Panaitios von Rhodos (ca. 185/80– 110/9) – nach Ciceros Meinung »nahezu der beste der Stoiker«317 – und seinem Schüler Poseidonios von Apameia (ca. 135–50), der in Rhodos die wohl bedeutendste stoische Lehranstalt seiner Zeit leitet.318 Beide halten in den Kernpunkten am altstoischen System fest, nähern dieses aber in vielen Details stärker an Aristoteles, Platon319 sowie andere, zeitgenössische Positionen an. Aufgrund der begrenzten Überlieferung zu Diogenes von Babylon, Panaitios und Poseidonios – aber auch aufgrund der Forschungsgeschichte mit ihrer berüchtigten ›posidonischen Frage‹320 – gehört das genaue Verständnis dieser Autoren zu den schwierigsten Problemen der antiken Philosophiegeschichte. Die Verbindung stoischer mit platonisch-aristotelischen Lehren wird jedenfalls schon zu Poseidonios’ Lebzeiten von Antiochos von Askalon, der unter anderem bei Panaitios’ Nachfolger Mnesarchos lernt, auf die Spitze getrieben.321 Dies zieht jedoch nicht das Ende der stoischen Schule nach sich: Vielmehr führen Poseidonios’ Schüler die Schule in Rhodos noch eine Weile fort, und in Rom begegnen wir einem Apollodoros als Berater des Augustus zusammen mit dem Doxographen Areios Didymos, der möglicherweise auch den Stoikern zuzurechnen ist.322 Hieran schließt sich die kaiserzeitliche ›jüngere‹ Stoa an. Diese skizzenhafte Übersicht zeigt bereits, dass sich die Stoa durch eine gewisse Offenheit gegenüber Innovationen aufgrund von inner- und außerschulischen Debatten von den Epikureern unterscheidet. Jedoch sollte die inhaltliche Variation nicht überbetont werden, sondern es gilt, dem antiken Schulverständnis entsprechend, die einzelnen Autoren von ihrem stoischen Bildungshintergrund her zu verstehen.323 Neuerdings ist vorgeschlagen worden, die Einheit der stoischen 316   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 629; Ch. Guéraud et al., Diogène de Séleucie, in: DPhA 2 (1994), 807–812. 317   Cicero, Lucullus, 107 = Panaetius, frg.  136 (Alesse). Vgl. zu Panaitios im Allgemeinen Steinmetz, Die Stoa, 646 f.; F. Alesse  /  J.-B. Gourinat, Panétius de Rhodes, in: DPhA 5a (2012), 131–138. 318   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 670–672; K. Algra, Posidonius d’Apamée, in: DPhA 5b (2012), 1481–1499, hier 1484–1486. 319   Philodemus, Historia Stoicorum, col. LXI (p.  110 Dorandi). 320   Vgl. dazu Algra, Posidonius d’Apamée, 1481–1483. 321   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 662. 322   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 706–714. 323   Vgl. J. Wildberger, Seneca und die Stoa. Der Platz des Menschen in der Welt 1, Berlin  /  New York 1994, XIIIf.

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Position bei aller inhaltlichen Variabilität – seit Chrysipp und erst recht seit der mittleren Stoa – letztlich in der gemeinsamen religiösen Perspektive der Schule zu sehen.324 Jedenfalls bleibt die stoische Lehre nicht weniger lange als diejenige Epikurs, nämlich bis zum Ende der Kaiserzeit, als klar konturiertes Gedankengebäude im Ganzen erhalten. Räumlich ist die Stoa nicht weniger weit verbreitet als die Epikureer: Tochterschulen der Athener Stoa gibt es wohl bereits im 3. Jahrhundert z. B. in Rhodos, Pergamon und Seleukeia am Tigris.325 Für die Beheimatung der Schule in Rom ist nicht nur die Philosophengesandtschaft von 156/55 bedeutsam, an der Diogenes von Seleukeia als alter Mann teilnimmt, sondern insbesondere die Kontakte der mittleren Stoiker nach Rom: Hierzu gehören sowohl der dortige Aufenthalt des Panaitios (ca. 144–130), während dessen er im Hause des Scipio Africanus Maior u. a. mit dem Historiker Polybios und dem Römer Laelius diskutiert,326 als auch die Romaufenthalte und persönlichen Kontakte des Poseidonios, die in dessen viel bewunderten zwei Reden vor seinem Besucher Gnaeus Pompeius Magnus in den Jahren 66 und 62 gipfeln.327 Politische Kontakte und Funktionen sind auch bereits für die alten Stoiker im griechischen Osten bezeugt, wo z. B. bereits Zenon gute Kontakte zum Makedonenherrscher Antigonos Gonatas besitzt, an dessen Hof sein Schüler Persaios eine wichtige Position einnimmt.328 Dagegen unterhält Chrysipp offenbar kaum Kontakte zu Herrschern,329 schickt aber immerhin seinen Schüler Sphairos von Borysthenes (ca.  285 – nach 221) zu Ptolemaios III. nach Alexandria.330 Bei der Mitwirkung von Sphairos und Blossius an verschiedenen Reformprojekten ihrer Zeit331 handelt es sich um einige der relativ wenigen Belege, in denen ein inhaltlicher Einfluss von Philosophen auf die Politik der von ihnen beratenen Herrscher und Amtsträger zumindest naheliegt.

324

  So Ch. Jedan, Stoic Virtues. Chrysippus and the Religious Character of Stoic Ethics, London  /  New York 2009, 156 f. 325   S. oben S. 343. 326   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 647, 660; Alesse  /  Gourinat, Panétius de Rhodes, 133 f. 327   Vgl. das Lob für sein Verhalten in Plinius, Naturalis Historia 7, 112 (2, p.  39, 1–4 Mayhoff) und, für weitere Belege, Steinmetz, Die Stoa, 671 f.; Algra, Posidonius d’Apamée, 1485 f. 328   Vgl. Gourinat, Zénon de Citium, 382. Zur politischen Tätigkeit der alten und mittleren Stoiker vgl. insgesamt Forschner, Die Philosophie der Stoa, 265 f. 329   Vgl. R. Goulet  /  P. Hadot et al., Chrysippe de Soles, in: DPhA 2 (1994), 329–365, hier 334. 330   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 185 (557, 13–15 Marcovich = 588, 84–589, 86 Dorandi). 331   Vgl. oben S. 358.

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Spezifische Probleme der Quellenanalyse Die Überlieferungssituation der alten und mittleren Stoa ist besonders prekär, weil, von geringen Papyrusfunden abgesehen, keine Originalquellen erhalten sind. Dies macht sowohl die Chronologie als auch die Zuweisung bestimmter Meinungen an einzelne Autoren sowie Annahmen zu deren geistiger Entwicklung recht unsicher.332 Die Mängel der nach wie vor unverzichtbaren Standardedition, der ›Stoicorum veterum fragmenta‹ Hans von Arnims, verstärken dieses Problem zusätzlich. Zu ihnen gehören nicht nur Probleme der Textherstellung, v. a. aufgrund veralteter Editionen,333 der Fragmentabgrenzung und des Fehlens »ziemlich vieler« relevanter Texte,334 sondern auch die arbiträre Zuweisung aller nicht namentlich zuzuordnenden Fragmente an Chrysipp. Letztere könnte z. B. zu einer Unterschätzung der Rolle des Diogenes von Seleukeia führen.335 Eine weitere Schwäche der Edition ist die mehr oder weniger willkürliche Aufnahme von nicht explizit als stoisch gekennzeichneten, aber so klingenden Aussagen besonders von Cicero (z. B. in ›Über die Gesetze‹  /  ›De legibus‹), bei denen mit einer eigenständigen Ausarbeitung durch den römischen Autor zu rechnen ist336 und keine sicheren Kriterien zur Ermittlung des original-stoischen Gutes bestehen.337 Nur für die Dialektik bieten neuere Editionen, v. a. die von Karl-Heinz Hülser, ein vollständigeres Bild.338 Für diesen Bereich bezeugt die Werkliste des Diogenes Laertios die intensive philologische Arbeit, die das Werk Chrysipps 332   Vgl. die instruktive Analyse der unserer Zenon-Überlieferung zugrunde liegenden Quellen bei Gourinat, Zénon de Citium, 366–372. 333   Das betrifft besonders die aufgenommenen Philodem-Zitate, die aufgrund verbesserter Lesungen der Papyri steten Veränderungen unterliegen; vgl. dazu die im Abschnitt zu Epikur genannten Editionen. 334   Vgl. beispielhaft die Liste der in der Zenon-Überlieferung zu SVF hinzuzufügenden Stellen bei Gourinat, Zénon de Citium, 364 f. Vgl. auch die S. 425  f. genannten Beispiele. 335   So D. Obbink  /  P. A. Vander Waerdt, Diogenes of Babylon, The Stoic Sage in the City of the Fools, in Greek Roman Byzantine Studies 32 (1991), 355–396, hier 355–359; Guéraud et al., Diogène de Séleucie, 810 f.; vgl. auch Steinmetz, Die Stoa, 628: »Gerade die Handbücher« der mittleren Stoiker »haben auf die spätere Doxographie eingewirkt«. 336   Vgl. Obbink  /  Vander Waerdt, Diogenes of Babylon, 362 f. 337   Vgl. dazu allgemein Forschner, Die Philosophie der Stoa, 267–269. Ph. Schmitz, Cato Peripateticus. Stoische und epikureische Ethik im Dialog. Cicero, ›De finibus‹ 3 und der Aristotelismus des ersten Jahrhunderts v.  Chr. (Xenarchos, Boethos und ›Areios Didymos‹), Berlin  /  Boston 2014, 16–138, hat sogar gezeigt, dass bereits die Stoa-Referate Ciceros durch einzelne peripatetische Ansichten ergänzt sind. Das Problem stellt sich z. B. auch für Origenes, De principiis 3, 1–5 (GCS Orig. 5, p.  195, 1–201, 6 Koetschau) in SVF 2, 988, vgl. R. Sorabji, Emotion and Peace of Mind. From Stoic Agitation to Christian Temptation, Oxford 2000, 346–349. 338   K.-H. Hülser (Hrsg.), Fragmente der Dialektik der Stoiker. Neue Sammlung der Texte mit deutscher Übersetzung und Kommentaren, Bd.  1–4, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987–1988.

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bereits in der Antike erfährt,339 auch wenn ihre Ergebnisse uns leider weitgehend verloren sind. Auch die Fragment-Ausgaben zu Panaitios müssen mit Vorsicht benutzt werden, wenn sie z. B. recht unterschiedliche Passagen aus ›Über die Pflichten‹ (›De officiis‹) für den Stoiker in Anspruch nehmen, ohne dass die Kriteriologie dahinter wirklich deutlich wird.340 Für die problematische Figur des Poseidonios ergibt die Sammlung von Edelstein  /  Kidd inzwischen ein gutes Bild der ihm namentlich zugeschriebenen Passagen, selbst wenn man auch bei einigen hier nicht, aber bei Theiler aufgenommenen Stellen Poseidonios’ Autorschaft weiterhin für wahrscheinlich halten kann.341

Kernpunkte der Lehre Das stoische Denken342 weist einige für die hellenistische Philosophie charakteristische Gemeinsamkeiten mit demjenigen Epikurs auf, zeigt aber in der konkreten Theoriebildung grundlegende Unterschiede: Gemeinsam haben beide Richtungen, dass sie – im Gegensatz zu Platon und Aristoteles – die Welt weitestgehend auf körperliche Entitäten beschränken, die durch die Sinne zuverlässig erkannt werden können, und Konzeptionen einer Eudaimonie innerhalb dieser Welt entwickeln. Innerhalb dieses Rahmens dominieren aber die Unterschiede: Im Gegensatz zu Epikurs Position, ein glückliches Leben in einer sich zufällig entwickelnden Welt könne nur in einer Freude bestehen, die vor allem durch die Freiheit von Angst vor äußeren Einflüssen entsteht, gehen die Stoiker davon aus, dass die Welt rational strukturiert und gelenkt und folglich durch den menschlichen Logos begreifbar ist. Ihr Eudaimonie-Ideal besteht daher darin, aus demjenigen Wissen heraus zu leben, das eine Einsicht in den Lauf der Welt vermittelt und deswegen – als Tugend – die rechte Standfestigkeit im Leben verleiht. Diese elaborierte Theorie, in deren Mittelpunkt die Konzepte von Logos und Wissen stehen, macht die Stoa zu einer der konsequentesten philosophischen Richtungen der Antike,343 der die weitere philosophische Entwicklung unter anderem das Konzept eines ›Systems‹ mit kohärent miteinander verbundenen Aussagen verdankt.

339

  Vgl. Goulet  /  Hadot, Chrysippe de Soles, 336–356.   Man vgl. nur den Umfang von frg.  97–107 (Van Straaten) mit frg.  55–117 (Alesse). 341   Für ein Beispiel vgl. unten S. 438. 342   Wie üblich werden im Folgenden nur einige ausgewählte Belege angegeben. Eine sehr gute Übersicht über Logik, Physik und Ethik findet sich z. B. bei Forschner, Die Philosophie der Stoa, 31–269. 343   Vgl. z. B. J. Annas, The Morality of Happiness, Oxford 1993, 159–179, über die starke Verbindung von Naturverständnis und Tugendlehre bei den Stoikern. 340

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Logik und Erkenntnistheorie Die stoische Annahme einer rationalen Begreifbarkeit der Welt als Grundlage eines guten Verhaltens macht es erforderlich, diese Rationalität mit soliden Argumenten zu beweisen, um die eigene Weltsicht rechtfertigen zu können. Geleistet wird dies wesentlich durch die stoische Logik, welche der als Dialektiker berühmte Chrysipp344 zu einem originellen und kohärenten Ansatz ausarbeitet, wie ihn in der Antike sonst nur Aristoteles vorlegt.345 Vermutlich gehört bereits die Konturierung des Terminus Logik als Oberbegriff von Dialektik und Rhetorik zu den Leistungen der Stoiker.346 Ebenso wie die aristotelische Logik macht auch die stoische die Erfassung der Wirklichkeit durch das Denken und die Sprache in mehreren Dimensionen zum Thema: Zu ihr gehören sowohl eine Begründung der Möglichkeit wahrer Erkenntnis durch Sinneswahrnehmung und Zustimmung als auch eine grammatische und semantische Theorie, eine Erörterung ontologischer Grundfragen sowie eine Lehre vom richtigen Schließen. Grundlage der Erkenntnistheorie ist die Lehre von der »erfassenden Vorstellung« (φαντασία καταληπτική), die uns nach stoischer Ansicht jedenfalls in bestimmtem Umfang wohlbegründet genug vorliegt, um sichere Erkenntnis zu garantieren; daher wird sie in einer vielleicht von Epikur angeregten Terminologie als ›Wahrheitskriterium‹ bezeichnet.347 Mit der Idee einer erfassenden Vorstellung unterscheiden die Stoiker aber deutlicher als Epikur zwischen einer als zutreffend absicherbaren Wahrnehmung und einer, bei der dies nicht der Fall ist.348 Die Frage, ob irgendeine Vorstellung so eindeutig ist, dass sie der stoischen Forderung genügt, »nicht von etwas nicht Daseiendem kommen zu können« (οὐκ ἂν γένοιτο ἀπὸ μὴ ὑπάρχοντος), stellt einen dauernden Diskussionspunkt zwischen Stoikern und Akademikern dar.349 Zum Verständnis der stoischen Position ist wichtig, dass die erfassende Vorstellung nicht einfach eine Sinneswahrnehmung ist, sondern eine ›rationale Vorstellung‹ (λογικὴ φαντασία), also ein Gedanke (νόημα, νόησις) bzw. ein erst in Satzform vollständiger, sprachlich fassbarer Erkenntnisinhalt, wie ihn vernunftbegabte Wesen wie z. B. Menschen aufgrund ihrer Wahrnehmungen bil344

  Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 180 (554, 5–7 Marcovich = 585, 14–16 Dorandi). 345   Vgl. A. Schriefl, Stoische Philosophie. Eine Einführung, Stuttgart 2019, 63–66. 346   Vgl. unten S. 427. 347   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 54 (476, 22–477, 2 Marcovich = 506, 174–176 Dorandi); Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 248 (2, p.  58, 28–33 Mutschmann). 348   Cicero, Academica 2, 83 = LS 40J, 1–5. Vgl. Schriefl, Stoische Philosophie, 46. 349   Die klarste Darstellung der stoischen Ansicht ist wohl Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 247–252 (2, p.  58, 22–59, 3 Mutschmann) = LS 40E. Die Debatte lässt sich anhand von LS 40H-R in ihren Grundzügen nachvollziehen, vgl. auch Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 249–253; Schriefl, Stoische Philosophie, 50–57. Neuerdings hat A. Schmitt, Wie aufgeklärt ist die Vernunft der Aufklärung? Eine Kritik aus aristotelischer Sicht, Heidelberg 2016, 91–96, die (von ihm kritisch beurteilte) Modernität der stoischen Erkenntnistheorie betont.

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den, nicht rationale Lebewesen hingegen niemals.350 Mit ihrer Vernunft können Menschen die Richtigkeit einer solchen Vorstellung ablehnen oder anerkennen, was die Stoiker als ›Zustimmung‹ (συγκατάθεσις) bezeichnen. Der Weise zeichnet sich in dieser Terminologie dadurch aus, ausschließlich wahren Vorstellungen zuzustimmen.351 Denn bei ihm stellt sich aus Zustimmungen zu wahren Erkenntnissen nach und nach ein Wissen bzw. eine Wissenschaft (ἐπιστήμη) solcher Erkenntnisse ein, welche ihrerseits, zu einem System (σύστημα) bzw. einer Tugend (ἀρετή) verfestigt, die Grundlage für stets richtige Zustimmungen in weiteren Fällen bildet. Dagegen erwirbt der Nicht-Weise allenfalls Meinungen (δόξαι), die nach stoischer Vorstellung niemals ganz richtig sein können.352 Wahre Erkenntnis kann es demnach letztlich nur durch Einordung eines Gegenstandes in einen Gesamtzusammenhang des Gewussten geben, doch ist dieser seinerseits notwendig mit dem ethisch gefestigten, nicht veränderlichen Charakter des Weisen verknüpft, so dass sich das Ideal der stoischen Erkenntnistheorie seinerseits nur auf ethische Weise realisieren lassen soll.353 Die Idee eines Zusammenhangs alles Gewussten setzt voraus, dass sinnlich gewonnene Erkenntnisse auf einen sprachlich artikulierbaren Wissensbestand bezogen werden können. Dass dies möglich ist, liegt nach den Stoikern zunächst ­daran, dass die alten Weisen, die aufgrund ihres Lebens in einer sehr frühen Zeit besonders kompetent gewesen sind, den Dingen richtige, d. h. gleichsam natürliche Namen zugewiesen haben, welche man nun verwenden kann.354 Ferner nehmen 350

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 51; 7, 63 (475, 14–16; 482, 15–483, 5 Marcovich = 505, 146–148; 512, 281–290 Dorandi) = LS 39A, 6; 33F, 2; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 8, 70 (2, p.  117, 7–118, 14 Mutschmann) = LS 33C. 351   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 151 f. (2, p.  37, 7–17 Mutschmann) = LS 41C, 2–4; Anonymus Stoicus (PHerc. 1020), col. I, zitiert nach LS 41D, 3. Vgl. Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 256–259. 352   Einen recht klaren, wenn auch kritischen Blick auf die stoische Position bietet Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 152–157 (2, p.  37, 12–38, 13 Mutschmann) = LS 41C, 7–10; vgl. ferner Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  73, 16–74, 3 Wachsmuth) = LS 41H. 353   Vgl. Schriefl, Stoische Philosophie, 60 f. 354   Diese Aussage steht nicht direkt in Zeugnissen für die alte Stoa. Sie ist offenbar vorausgesetzt bei Cornutus, Epidrome 7; 35 (p.  7, 21; 76, 2–10 Lang), ist aber schon bei Philo Alexandrinus, Legum allegoriae 2, 14 f. (1, p.  93, 16–22 Cohn) als Position unbestimmter Philosophen zu finden, so dass sie älter als Cornutus sein muss. Die Sache ist auch Philo Alexandrinus, Quaestiones in Genesim 1, 20 (p.  15 Aucher), wichtig: Mose »entfernte einen großen Streitpunkt derer, welche aus der Philosophie kommen, indem er mitteilte (lies: azdelow), dass die Namen durch ein Einsetzen und nicht durch die Natur da sind, […], weil es angemessen war, dass der Herrscher der Menschen und König aller Erdgeborenen […] der erste Erklärer (patmič. = ἑρμηνεύς ?) und Urheber der Namensgebung war« (Philon spricht von Adam, aber die Theorie dürfte der Stoa entlehnt sein). Vgl. T. Tieleman, Galen and Chrysippus on the Soul. Argument and Refutation in the ›De placitis‹ Books 2–3, Leiden u. a. 1996, 198 f. mit Anm.  14 f.; G. R. Boys-Stones, Post-Hellenistic Philosophy. Study of its Development from the Stoics to Augustine, Oxford 2001, 18–24.

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die Stoiker an, dass man aufgrund von sinnlicher Wahrnehmung zutreffende Sätze bilden kann, deren Kohärenz mit anderen Sätzen feststellbar ist. ›Das Wahre‹ (τὸ ἀληθές) bzw. der wahre Aussagegehalt besteht folglich im Inhalt von Sätzen bzw. Aussagen (ἀξιώματα), die nicht mit der ›Wahrheit‹ (ἀληθεία) in der uns umgebenden Welt, welche sie richtig oder falsch beschreiben, identisch sind.355 Die Aussagen und ihre Elemente, Satzteile und Worte, aus welchen sich die rationalen Vorstellungen zusammensetzen, bezeichnen die Stoiker als ›Sagbares‹ (λεκτά) oder ›Bedeutetes‹ (σημαινόμενα). Hiervon sind einerseits die Lautäußerungen (φωναί) – in stoischer Terminologie das ›Bedeutende‹ (σημαῖνον) – und andererseits die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände oder Zusammenhänge (τύγχανον) zu unterscheiden.356 Die Stoiker vertreten demnach eine dreigliedrige semantische Theorie, die zudem eine spezielle Kategorie in ihre Ontologie einführt: Das Sagbare bzw. die Gehalte der Aussage unterscheiden sich von allen anderen Elementen der Wirklichkeit dadurch, dass sie unkörperlich sind. Deswegen können sie im ansonsten aus Körpern bestehenden Universum keine kausale Wirkung ausüben, »denn alles Wirkende ist ein Körper« (πᾶν γὰρ τὸ ποιοῦν σῶμα ἐστιν).357 Trotzdem kommt ihnen handlungstheoretische Bedeutung zu, können doch die Ziele des menschlichen Handelns nichts anderes als Sagbares bzw. rationale Vorstellungen sein: Die Richtigkeit einer Handlung bemisst sich daran, dass die intendierten Vorstellungen über das Gute – d. h. die Aussagen, denen der Handelnde zustimmt – mit der sinnlich wahrnehmbaren Welt tatsächlich übereinstimmen und tatsächlich gut sind.358 Aufgrund des Systemcharakters des Wissens, das letztlich die kausale Verknüpftheit der Wirklichkeit abbilden soll, haben die Stoiker ein starkes Interesse an der Lehre vom Schluss. Sie vertreten eine propositionale Logik, deuten also Schlüsse als Verknüpfungen von Aussagen und nicht (wie Aristoteles) als eine Verknüpfung von Begriffen.359 Schlussformen, die in der stoischen Logik viel diskutiert werden, sind z. B. der Modus ponens (Wenn es Tag ist, gibt es Sonnenlicht; es ist Tag; also gibt es Sonnenlicht) oder der Modus tollens (Nur wenn eine Wolke am Himmel ist, regnet es; es ist keine Wolke am Himmel; also regnet es nicht). Derartige Schlüsse können a) nach der Form des Schlusses ›gesund‹ (ὑγιές), d. h. formal gültig sein oder nicht, b) nach der Richtigkeit der Prämissen 355   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 2, 81–83 (1, p.  84, 7–85, 20 Mutsch­ mann  /  Mau) = LS 33P. 356   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 63 (482, 16 f. Marcovich = 512, 282 f. Dorandi) = LS 33F; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 8, 11 f. (2, p.  106, 7–107, 21 Mutsch­mann) = LS 33B; vgl. Schriefl, Stoische Philosophie, 66 f. 357   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 56 (478, 1 f. Marcovich = 507, 194 f. Dorandi) = LS 33H. 358   Ioannes Stobaeus, Anthologium, 2, 7 (2, p.  97, 15–98, 6 Wachsmuth) = LS 33J (vgl. dort die Anmerkung zur Interpretation der Passage). 359   Vgl. Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 218; Schriefl, Stoische Philosophie, 63–66.

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›wahr‹ (ἀληθές) sein oder nicht, sowie c) nach dem Erkenntnisgewinn ein ›Beweis‹ (ἀπόδειξις) sein oder nicht: Nur wenn das Resultat tatsächlich unbekannt ist und durch den Schluss kausal erklärt wird, kann es sich um einen Beweis handeln.360 Die formale Gültigkeit und die inhaltliche Richtigkeit eines Schlusses werden also von den Stoikern klar unterschieden. Eine Besonderheit der stoischen Schlusslehre sind die sogenannten ›Kettenschlüsse‹, bei denen mehrere konditionale Aussagen über einfache Begriffe miteinander verknüpft werden.361

Physik Die entscheidenden Voraussetzungen für das menschliche Leben liefert auch bei den Stoikern die Physik, zu der auch die Theologie zu zählen ist: Sie weist die körperliche Struktur des aus Feuer bestehenden Kosmos ebenso nach wie dessen strikt notwendige, durch Zeus bzw. das Schicksal von innen her bestimmte rationale Struktur.362 Die stoische Physik in ihrer klassischen Form geht davon aus, dass die gesamte, aus dreidimensionalen Körpern363 bestehende Wirklichkeit bzw. die innerhalb des Leeren befindliche364 Welt (ὁ κόσμος) eine aktive und eine passive Seite (τὸ ποιοῦν καὶ τὸ πάσχον) besitzt, die beide als ›Ursprung‹ oder ›Prinzip‹ (ἀρχή) bezeichnet werden.365 Das passive Prinzip ist die ›Materie‹ (ὕλη), »aus der alles Beliebige wird« (ἐξ ἧς ὁτιδηποτοῦν γίγνεται), bzw. das begrenzte und dem Erleiden und der Veränderung unterliegende Sein (οὐσία πεπερασμένη καὶ παθ­ητή).366 Das aktive Prinzip ist das Leitvermögen bzw. diejenige kausale Verknüpfung a­ ller Ursachen,367 welche die Entwicklungen in der passiven Wirklichkeit bestimmt.

360   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 2, 135–143 (1, p.  98, 23–100, 24 Mutsch­ mann  /  Mau) = LS 36B; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 76–81 (490, 7–493, 9 Marcovich = 519, 436–522, 506 Dorandi). Zu den Problemen dieser Schlusslehre vgl. M. Frede, Die stoische Logik, Göttingen 1974, 118–127. 361   Z. B. bei Alexander Aphrodisiensis, De fato 35 (CAG Suppl. 2, 2, p.  207, 5–9 Bruns) = LS 63J, 1 f.; vgl. dazu Frede, Die stoische Logik, 167–196; Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 218–220. 362   S. z. B. Galenus, De qualitatibus incorporeis 6 (19, p.  478 Kühn) = SVF 2, 323a. 363   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 135 (524, 1–3 Marcovich = 552, 1095–553, 1097 Dorandi). 364   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 143 (529, 8–10 Marcovich = 558, 1197– 1199 Dorandi). 365   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 134 (523, 8–12 Marcovich = 552, 1083– 1087 Dorandi). 366   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 150 (533, 9–18 Marcovich = 562, 1274–563, 1285 Dorandi). 367   Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 149 (533, 1 f. Marcovich = 562, 1265 f. Dorandi).

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Dieses Leitvermögen kann ganz unterschiedlich bezeichnet werden: Die bekannteste ist ›Schicksal‹ (εἱμαρμένη, lat. fatum), aber man kann auch von ›rationalem Gehalt‹ bzw. ›Wort‹ (λόγος), von ›Seele‹ (ψυχή) der Welt, von ›Natur‹ (φύσις), von ›Gesetz‹ (νόμος), in theologischer Perspektive von ›Zeus‹ sowie, aufgrund der spezifischen Form der Körperlichkeit des aktiven Prinzips, von ›Feuer‹ (πῦρ) sprechen.368 Die nahezu identische Bedeutung dieser Begriffe, von der die Stoiker ausgehen, hindert sie nicht daran, deren wechselseitiges Verhältnis genauer zu erörtern.369 Dabei dienen alle diese Begriffe zum Ausdruck der durchgehend rationalen Struktur der Welt, die absolut vollkommen und zugleich auf das engste in sich verknüpft und insofern notwendig ist, wie eine »wohl verwaltete Stadt«.370 Damit knüpfen die Stoiker einerseits an die Güte der Welt an, die der Kosmos in Platons ›Timaios‹ durch den Demiurgen erhält,371 sind aber der (durchaus schlüssigen) Meinung, dass dies einen Kausaldeterminismus impliziert, für den sie eine geradezu klassische Formulierung entwickeln: »Wenn es nun eine Mehrzahl von Ursachenarten gibt, dann, so sagen sie, ist es bei ihnen allen gleichermaßen wahr, dass es unmöglich ist, dass etwas, falls alle Umstände auf seiten der Ursache und des Verursachten gleich sind, zuweilen so nicht eintritt, zuweilen aber wohl«.372

Die technisch anmutende Kausalitätslehre stellt in den Augen der Stoiker allerdings keinen Widerspruch zu Beschreibungen von metaphorischem Charakter dar: So betonen sie die Einheit und die gemeinsame Atmung sowie die Belebtheit der Welt als ganzer und sehen diese als ein ›System‹ (σύστημα) des Himmels und der Erde an bzw. als eines »der Götter und Menschen sowie dessen, was um ihretwillen entstanden ist« (ἐκ θεῶν καὶ ἀνθρώπων καὶ τῶν ἕνεκα τούτων γεγενότων).373 Ebenso können sie die Welt als ein »beseeltes, vernunft- und denkfähiges Lebewesen« (ζῷον καὶ λογικὸν καὶ ἔμψυχον καὶ νοερόν) beschreiben374 und behaupten, dass die Welt, in der wir leben, einem dynamischen Prozess unter368   Aristocles, frg.  3 (Chiesara). Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 88; 7, 135 f. (496, 16 f.; 524, 10–13 Marcovich = 526, 571 f.; 553, 1103–1106 Dorandi); Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 5 (1, p.  79, 1–12 Wachsmuth) = SVF 2, 913. 369   Vgl. z. B. die Definitionen bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 147–149 (531, 8–533, 2 Marcovich = 560, 1236–562, 1267 Dorandi). 370   Aristocles, frg.  2, 2 (Chiesara). Vgl. Diogenes Laertius, 7, 138–140 (526, 1–17 Marcovich = 555, 1136–556, 1151 Dorandi). 371   Vgl. oben S.  234  f. 372   Ὄντων δὴ πλειόνων αἰτίων, ἐπ’ ἴσης ἐπὶ πάντων αὐτῶν ἀληθές φασιν εἶναι τὸ ἀδύνατον εἶναι, τῶν αὐτῶν ἁπάντων περιεστηκότων περί τε τὸ αἴτιον καὶ ᾧ ἐστιν αἴτιον, ὁτὲ μὲν δὴ μὴ οὑτωσί πως συμβαίνειν, ὁτὲ δὲ οὕτως. Alexander Aphrodisiensis, De fato (CAG Suppl. 2, 2, p.  191, 22–25 Bruns) = LS 55N, 3. 373   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 138 (Poseidonios zugeschrieben); 7, 140 (525, 17–21; 527, 1–13 Marcovich = 554, 1131–555, 1135; 556, 1152–1164 Dorandi). 374   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 142 (528, 16 f. Marcovich = 558, 1186 f. Dorandi).

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liegt, in dem sie sich zunächst unter dem Einfluss des Feuers aus der Materie bildet.375 Gemäß den ihr samenhaft innewohnenden Gehalten (λόγοι σπερματικοί)376 entwickelt sie sich dann weiter und dehnt sich aus, bis sie schließlich in einer ›Ausfeuerung‹ (ἐκπύρωσις) zu einem Ende kommt und sich zusammenzieht, bis sich eine neue Welt entwickelt. Daher lehnen die Stoiker gegen Aristoteles eine Ewigkeit der Welt dezidiert ab, obwohl sie durchaus an der allgemein griechischen Position festhalten, dass nur aus Seiendem Seiendes entsteht bzw. »die Materie des Ganzen weder Mehr noch Weniger zulässt«,377 so dass die Elemente der Wirklichkeit durchaus in gewissem Sinne ewig sind.378 Der Mensch wird von den Stoikern als ›kleiner Kosmos‹ beschrieben, der sich, ebenso wie die Welt, aus zwei Prinzipien zusammensetzt, die als ›Seele‹ und ›Körper‹ beschrieben werden, wobei beides durch das Feuer als ein ›Pneuma‹ verbunden ist.379 Die Seele ist im Menschen das durchweg rationale ›Leitvermögen‹ (ἡγεμονικόν), welches eine Vielfalt von Funktionen vollzieht, die nach der klassischen stoischen Lehre sämtlich Akte des Logos sind.380 Die Stoiker lehnen also die platonisch-aristotelische Einteilung in einen rationalen und einen nicht rationalen Seelenteil ab.381 Durch die Parallelität von Welt und Mensch legen sie wesentliche Grundlagen für die Lehre vom Menschen als Mikrokosmos.382

Ethik Die stoische Ethik zielt wie andere nacharistotelische Ethiken auch auf das Erreichen einer bestimmten Form von Eudaimonie ab. Die stoische Formel zur Beschreibung ihrer Vorstellung von Eudaimonie lautet, man solle »im Einklang mit der Natur leben« (ὁμολογουμένως τῇ φύσει ζῆν), wobei mit diesem Begriff sowohl die kosmische als auch die menschliche Natur gemeint ist.383 Während die 375   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 142 (528, 6–10 Marcovich = 557, 1176– 1180 Dorandi). 376   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 136; 7, 148 (524, 13–17; 532, 12 Marcovich = 553, 1106–1111; 561, 1258 Dorandi). 377   Ἡ τῶν ὅλων [ὕλη] οὔτε πλείων οὔτε ἔλαττων γίνεται. Diogenes Laertius 7, 150 (533, 13 f. Marcovich = 562, 1278 f. Dorandi). 378   Vgl. F. Alesse, Panezio di Rodi e la tradizione stoica, Neapel 1994, 221 Anm.  8 für eine Liste der Belegstellen; ferner Steinmetz, Die Stoa, 540 f. 379   Galenus, De plenitudine (7, p.  525; 7, p.  527 Kühn) = LS 47F; Plutarchus Charoneensis, De communibus notionibus adversus Stoicos (1085cd) = LS 47G; Galenus, In Hippocratis Epidemiarum librum 6 (17, 2, p.  246 f. Kühn) = LS 53E. 380   Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 5 (1, p.  79, 5–12 Wachsmuth) = SVF 2, 913. 381   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  86, 20–87, 13 Wachsmuth) = LS 53Q. 382   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 574. 383   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  75, 11–76, 8 Wachsmuth) = LS 63B; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 87 f. (496, 10–20 Marcovich = 525, 566–526, 576 Dorandi) = LS 63C.

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grundsätzliche Tatsache, einen natürlichen Trieb zu haben, dem Menschen und anderen Lebewesen gemeinsam ist, ist die Verbindung des Menschen zu seiner spezifischen Natur dadurch besonders eng, dass er sich ihrer – jedenfalls als Erwachsener – bewusst ist.384 Das Bewusstwerden, das die Stoiker als ›Eingewöhnung‹ (οἰκείωσις) bezeichnen,385 besteht im Erlernen alles Passenden bzw. des ›Pflichtgemäßen‹ (καθῆκον).386 Diese Gewöhnung an die Natur verläuft allerdings meist fehlerhaft, weil die Schlechtigkeit der äußeren Umstände die für den Menschen natürliche gute Entwicklung verhindert.387 Den Einklang mit der Natur erreichen nach der stoischen Lehre nur die Weisen, die lediglich einen Trieb (ὁρμή) zu solchen Dingen haben, die der Natur gemäß bzw. in sich gut sind.388 Nach der klassischen stoischen Lehre sind dies nur die Tugend(en), während alle anderen, nicht tugendbasierten Triebe schlecht sind; freilich werden zu dieser Lehre weitere Differenzierungen entwickelt. 389 Die Tugenden befähigen auch zur Ausübung alles Pflichtgemäßen als ›in sich richtige Handlungen‹ (κατορθώματα) bzw. ›vollständig tugendhafte Handlungen‹ (τέλεια καθήκοντα).390 Letztlich sind für die Stoiker Tugenden nichts anderes als bestimmte Bereiche des einen wahren Wissens (ἐπίστημη) beziehungsweise der wahren Klugheit (φρόνησις), weswegen es streng genommen für sie nur eine Tugend gibt, die jedoch verschieden beschrieben werden kann (weswegen Chrysipps Terminologie anscheinend schwankt).391 Ungeordnete Affekte bzw. Triebe sind für die Stoiker, da sie keinen nicht rationalen Seelenteil annehmen, falsche Meinungen und daher auf die Unvollkommenheit des rationalen Leitvermögens (ἡγεμονικόν) zurückzuführen.392 Letztlich entsteht so ein scharfer Unterschied zwischen dem Weisen (σοφός bzw. σπουδαῖος), der ausschließlich gute Dinge erstrebt, und allen anderen Menschen, die als Toren (φαυλοί) bezeichnet wer-

384   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 85 f. (494, 21–496, 4 Marcovich = 524, 537–525, 560 Dorandi) = LS 57A. 385   Porphyrius, De abstinentia 3, 19, 2 (2, p.  174 Bouffartigue  /  Patillon) = SVF 1, 197a; Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis 12 (1038c) = SVF 1, 97b; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 85 (494, 21–495, 9 Marcovich = 524, 537–546 Dorandi). 386   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 107 f. (507, 8–14 Marcovich = 536, 783–789 Dorandi) = LS 59C. Vgl. Forschner, Die Philosophie der Stoa, 208 f. 387   Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 5, 460 (CMG 5, 4, 1, 2, p.  318, 16–18 De Lacy) = Posidonius, frg.  169 (159, 31–33 Edelstein  /  Kidd). 388   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  102, 20–25 Wachsmuth) = SVF 3, 563. 389   Vgl. Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  99, 3–12 sowie 57, 19–58, 1 Wachsmuth) = SVF 3, 570 mit Anthologium 2, 7 (2, p.  58, 5–59, 3 Wachsmuth). 390   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  85, 12–86, 4 Wachsmuth) = LS 59B, 4. Vgl. Forschner, Die Philosophie der Stoa, 210. 391   Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis 7 (1034c) = SVF 1, 200. 392   Plutarchus, De virtute morali 3 (441c) = SVF 1, 202; Plutarchus, De cohibenda ira 11 (459b); vgl. J. Müller, Willensschwäche im Denken der Antike und des Mittelalters. Eine Problemgeschichte von Sokrates bis Johannes Duns Scotus, Löwen 2009, 169–171.

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den.393 Ob es einen derartigen Weisen je gegeben hat oder je geben wird, bleibt hierbei offen, auch wenn als typischer Kandidat Sokrates angeführt werden kann, in dessen Tradition die Stoiker sich ähnlich wie die Kyniker sehen, auch wenn sie sich im Vergleich zu ihnen unterschiedlich positionieren.394 Ab einem gewissen Punkt ihrer Geschichte erkennen die Stoiker auch sogenannte ›mittlere Güter‹ an, die zwar nicht an sich gut sind, doch einen gewissen Nutzen haben und insofern vorziehenswert (προηγμένα) sind.395 In Analogie dazu beschreiben sie auch die Person des ›Voran­schreitenden‹ (προκόπτων), der zwar immer noch ein Tor ist, aber immerhin philosophische Bildung und einen entsprechenden Charakter besitzt bzw. diese nach und nach erwirbt.396 Diese ethische Position hängt eng mit der stoischen Lehre vom Wissen (ἐπιστήμη) zusammen, zumal die Tugenden im strengen Sinn sämtlich (Formen des) Wissen(s) sind,397 ebenso wie jeder Trieb eine Zustimmung (συγκατάθεσις) ist, weswegen Handlungen im Prinzip analog zu Erkenntnisakten beschrieben werden: Unsere Triebe sind Reaktionen auf Reize aus der Außenwelt, denen wir zustimmen oder nicht.398 Beim Weisen erfolgt dieser rationale Akt der Zustimmung im Einklang mit seinem gesamten sonstigen Wissen, da ja, wie bei der Logik schon angemerkt, einerseits die Stabilität des Wissens selbst nur durch tugendhafte Aneignung zustande gekommen sein kann,399 andererseits aber die Einbindung in ein Wissenssystem bewirkt, dass der Weise auch im Einzelfall richtig zustimmt, also urteilt bzw. einen Trieb annimmt.400 Aus dieser Konzeption resultieren einige Probleme, welche über Jahrhunderte diskutiert werden: Eine Frage ist, ob die Theorie, dass Triebe stets rationale Akte sind und es eigentlich im Menschen keine nicht rationalen Akte gibt, den Phänomenen entspricht. Als Gegenbeispiel dazu wird typischerweise die Willensschwäche bzw. Unbeherrschtheit angeführt, also das Phänomen, dass wir offenbar nicht selten etwas tun, was wir eigentlich für schlecht halten, oder etwas unterlassen, was wir eigentlich für gut halten. Auf die Frage, wie dies zu erklären ist, wenn wir bei Vorhandensein einer richtigen Einsicht stets gut handeln, antworten die Stoi-

393

  Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  99, 3–12 Wachsmuth) = SVF 1, 216.   Vgl. zu dieser komplexen Thematik Sellars, The Art of Living, 59–64, mit Belegen. 395   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 102 (504, 14 f. Marcovich = 533, 730 f. Dorandi) = LS 58A. 396   Chrysippus: Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 39 (5, p.  906, 18–907, 5 Hense) = LS 59I. 397   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  63, 6–24 Wachsmuth; vgl. 58, 9–14 Wachsmuth) = LS 61D. 398   Alexander Aphrodisiensis, De fato 14 (CAG Suppl. 2, 2, p.  183, 5–11 Bruns) = SVF 2, 980. 399   S. oben S.  410  f. 400   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  73, 16–74, 3; 102, 20–22 Wachsmuth), z. T. = LS 42H. 394

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ker mit einer Theorie eines Schwankens der nicht gefestigten Meinungen auch bei relativ tugendhaften Menschen.401 Ein noch prominenteres Problem, welches erst durch die stoische Kausalitäts­ lehre in voller Schärfe erkannt wird, ist die Möglichkeit von uns abhängigen Handelns (τὸ ἐφ’ ἡμῖν) unter den Bedingungen einer kausal geschlossenen Welt, also modern gesprochen die Vereinbarkeit von Handlungs- bzw. Willensfreiheit und einer deterministischen Weltsicht.402 Chrysipp meint hierzu, dass von uns abhängiges Handeln mit einem alles kausal vorherbestimmenden Schicksal kompatibel ist: Denn alle Handlungen, welche vorausgehenden Ursachen sie auch haben, müssen letztlich auch von uns vollzogen werden, was die Beteiligung unserer Natur und unserer Habitus einschließt.403 Nur der Weise kann allerdings vollständig aus eigener Entscheidung mitwirken, weil nur er die Gründe dafür, dass er jetzt so oder anders handeln muss, voll durchschaut. Eine klassische Abbildung dieser Lehre ist das berühmte – und die Ziege hinter der schwäb’schen Eisenbahne vorwegnehmende – Bild vom entweder freiwilligen oder unfreiwilligen Hinterherlaufen hinter einem rollenden Wagen, an den man gebunden ist.404 Die meisten antiken Nicht-Stoiker lehnen diese Position jedoch ab und bestehen auf der Möglichkeit, zwischen Alternativen wählen zu können, worauf die Stoiker, namentlich Epiktet, mit einer eigenen Theorie von der freien Wahl (προαίρεσις) antworten.405 Gerade die Tendenz der Stoiker, Platz für eine menschliche Entscheidung zu lassen, obwohl ein solcher Spielraum in ihrer theoretischen Philosophie nicht klar angelegt ist, lässt Zweifel daran aufkommen, ob tatsächlich, wie z. B. ein Referat Ciceros behauptet, die stoische Physik und Logik um die Ethik herumkonstruiert sind.406 Aufgrund des Fehlens von Originalschriften und des dort wohl zu findenden Argumentationsaufbaus müssen alle Aussagen zu dieser Frage ein Stück weit hypothetisch bleiben.

401

  Vgl. Müller, Willensschwäche, 164 f.   Dieses wird z. B. in Plutarchus’ ›De virtute morali‹ diskutiert. Vgl. dazu Müller, Willensschwäche, 169–171; M. Perkams, Die Gleichzeitigkeit von Wählen und Nicht-Wählen. Handlungstheoretische Überlegungen bei Plotin und anderen antiken Platonikern, in: Ch. Pietsch (Hrsg.), Die Ethik des antiken Platonismus, Berlin  /  Boston 2012, 219–236, hier 226–229. 403   Cicero, De fato 39–43 = LS 62B. 404   ›Hippolytus‹, Refutatio omnium haeresum 1, 21 (GCS Hipp. 3, p.  25, 16–22 Wendland) = LS 62A. 405   Vgl. unten S. 570. 406   Cicero, Academica posteriora 1, 35–42, v. a. 35 f. So wird die Stoa z. B. noch von Cooper, Pursuits of Wisdom, 224 f. gelesen. 402

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Entwicklungen in der mittleren Stoa Obwohl die Stoiker diese Positionen konsequent gegen Kritiken verteidigen, kann der Epikureer Philodem zu Beginn des 1. Jahrhunderts v.  Chr. behaupten, Panaitios sei »in hohem Maße Platon- und Aristoteles-freundlich« gewesen und habe »einiges Zenonische wegen der Akademie und des Peripatos aufgegeben«, sowie, er habe »eine bereitwillige und aus Geschichte, Fachwissenschaften, Philosophie und Politik gemischte Sprechweise« gehabt.407 Selbst wenn diese Wertung überspitzt sein sollte – und auch dies ist aufgrund der Quellensituation nicht leicht zu entscheiden –, tragen die mittleren Stoiker seit Diogenes von Seleukeia  /  Babylon doch zu einer Annäherung von Stoa, Peripatos und Platonismus bei, allerdings in einem schwer exakt zu bestimmenden Maß.408 Panaitios und Poseidonios reagieren zudem auf die naturwissenschaftlichen Entwicklungen der Zeit und formulieren einige Punkte abweichend von der klassischen stoischen Lehre, ohne dass sie deren System wesentlich ändern würden: So betont Panaitios stärker die Dauerhaftigkeit der Welt als deren Veränderung und zweifelt – vielleicht nur aus methodischen Gründen – an der Mantik, welche Poseidonios verteidigt.409 Er ersetzt aber immerhin die Identifizierung von Zeus, Natur und Schicksal in der alten Stoa durch eine Hierarchie der drei Größen,410 so wie er auch sonst in der Physik eine Neigung zu hierarchischen – und somit dem (Mittel-)Platonismus näher stehenden – Ansichten hat.411 In der Ethik ist Panaitios’ Position schwer zu ermitteln, da Ciceros Aussage, in seinem Werk ›Über die Pflichten‹ (›De officiis‹) Panaitios’ ›Über die Pflicht‹ (Περὶ τοῦ καθήκοντος) »unter Anwendung einer gewissen Korrektur« (correctione quadam adhibita) benutzt zu haben,412 viel Raum für unterschiedliche Einschätzungen lässt.413 Zumindest die Betonung des individuellen Wissen jedes Men-

407   Ἦν γὰρ ἰσχυρῶϲ φιλοπλάτων καὶ φιλοαριστοτέληϲ δὴ καὶ παρεν̣έ̣δ̣ωκε τῶν Ζηνωνείων [τι διὰ τὴ]ν Ἀκαδήμειαν [καὶ τὸν] Περίπατον bzw. πρόθυμον καὶ̣ μεμιγμένην ἔχων τὴν λαλιὰν ἐξ ἱστ̣ορίαϲ καὶ̣ μ̣αθημάτων καὶ̣ φιλοσοφίαϲ καὶ πολιτικῆϲ. Philodemus, Historia Stoicorum, col. LXI; LXVI (p.  110; 116 Dorandi). 408   Vgl. in diesem Sinne Steinmetz, Die Stoa, 650 f., der den sokratischen Charakter dieser Schulen betont. Zur Rolle des Diogenes vgl. Vgl. Obbink  /  Vander Waerdt, Diogenes of Babylon, 355–359. 409   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 142 (528, 14 f. Marcovich = 557, 1184 f. Dorandi); Posidonius, frg.  106–113 (Edelstein  /  Kidd). S. unten S.  437  f. 410   Ps.-Plutarchus, Placita philosophorum 1, 28 (885b, ex Aetio [5, 1, p.  689, 12 f. Mansfeld  /  Runia]) = Posidonius, frg.  103 (Edelstein  /  Kidd). 411   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 138 (526, 3–5 Marcovich = 555, 1137–1140 Dorandi) = Posidonius, frg.  21 (Edelstein  /  Kidd). Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 688 f. 412   Cicero, Ad Atticum epistula 16, 11, 4; De officiis 1, 9; 3, 7 (Zitat) = Panaetius, frg.  92– 94 (Alesse). 413   Vgl. zu Ciceros Perspektive z. B. Jedan, Stoic Virtues, 141 f.

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schen um das moralisch Gute könnte aber Panaitios zuzuschreiben sein,414 da sie sich, ebenso wie Panaitios’ Überlegungen zum Streben nach dem in sich Guten (honestum) vermittels des Schönen (decorum),415 mit Poseidonios’ Interesse an den verschiedenen natürlichen Zielen einzelner Menschen berührt.416 Bei letzterem hängt dieses Interesse mit seinem Neuansatz in der Schrift ›Über die Affekte‹ (Περὶ πάθων) zusammen, wo er die altstoischen Analysen der Triebe (ὁρμαί) – auch in Auseinandersetzung mit der beobachtbaren Wirklichkeit – in Richtung auf eine Entstehung aus nicht rationalen Seelenvermögen hin weiter entwickelt und anscheinend die ›nicht rationale Gewöhnung‹ (ἐθισμός ἄλογος) wieder zur Tugend erklärt.417 In derartigen Trieben, und damit nicht nur in etwas dem Menschen Äußeren, liege auch die Ursache für die Schlechtigkeit bzw. das Laster (κακία), welche somit im Menschen auf notwendige Weise entstehe.418 Mit dieser Feststellung wird in der Handlungstheorie eine Brücke zu anderen Schulen eröffnet.

Anleitung zur und Besonderheiten der philosophischen Lebensführung nach den Stoikern Über alt- und mittelstoische Anleitungen zum guten Leben sind wir aufgrund des Verlusts der Texte nur in eingeschränktem Maße informiert. Die Berichte über die Auseinandersetzung zwischen Ariston von Chios und Kleanthes über die Ausdehnung der Ethik geben immerhin einen Hinweis: Wenn Ariston den paränetischen Teil der Ethik ablehnt,419 muss es diesen zu seiner Zeit bereits geben. Nach Senecas Zeugnis geht es dabei vorwiegend um das Schreiben von Traktaten zu allgemein interessierenden Fragen der Lebensführung wie der Erlaubtheit einer Ehe,420 so dass nicht unbedingt die tugendhafte Lebensführung des Philosophen 414   Cicero, De officiis 1, 11–14 = Panaetius, frg.  55 (Alesse). Diskussion weiterer Punkte z. B. bei Steinmetz, Die Stoa, 655–660. Zum stoischen Begriff der Person vgl. M. Forschner, Der Begriff der Person in der Stoa, in: D. Sturma (Hrsg), Person. Philosophiegeschichte. Theoretische Philosophie. Praktische Philosophie, Paderborn 2001, 37–57. 415   Cicero, De officiis 1, 93–100 = Panaetius, frg.  72 (Alesse). 416   Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 5, 459–461 (CMG 5, 4, 1, 2, p.  316, 21–318, 19 De Lacy) = Posidonius, frg.  169 (158, 1–159, 34 Edelstein  /  Kidd). 417   Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 4, 377–379; 5, 466–468 (CMG 5, 4, 1, 2, p.  246, 36–248, 32; 322, 28–326, 8 De Lacy) = Posidonius, frg.  34; 31 (Edelstein  /  Kidd). Für aktuelle Interpretationen dieser Aussagen vgl. die Zusammenfassung bei Forschner, Die Philosophie der Stoa, 242–245. 418   Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 5, 461 (CMG 5, 4, 1, 2, p.  316, 21–24–27 De Lacy) = Posidonius, frg.  169 (Edelstein  /  Kidd). 419   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 12 (2, p.  5, 6–11 Mutschmann) = SVF 1, 356; Seneca, Epistulae 89, 13 = SVF 1, 357. 420   Seneca, Epistulae 94, 1–17 (teilweise SVF 358 f.). Vgl. die unterschiedlichen Deutungen bei Ioppolo, Aristone di Chio, 130–133; Sellars, The Art of Living, 76 f.; J. Sellars, Stoicism, Berkeley u. a. 2008, 49.

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selbst bzw. des Weisen das Thema ist, die einen Sokratiker wie Ariston sicherlich interessieren würden.421 Für Chrysipp und Poseidonios liefern Cicero und Galen weitere Informationen: Die stoische Entfaltung der Philosophie als Medizin für die Seele zeichnet sich demnach durch genaue Differenzierungen einzelner Leidenschaften (πάθη) bzw. Krankheiten und ihrer möglichen Heilung aus.422 Aus solchen Berichten kann man schließen, dass Senecas Briefe und Epiktets ›Diatriben‹ bereits Vorläufer haben, vor allem wohl Chrysipps ›Über die Leidenschaften‹ (Περὶ παθῶν). Der technisch-detaillierte Charakter dieser Werke dürfte sich aber von den erhaltenen Werken der jüngeren Stoa mit ihrem adressatenorientierten Zugang durchaus unterscheiden.423 Ein Spezifikum der stoischen Theorie, nämlich die Bejahung einer Selbsttötung des Philosophen im richtigen Moment, ist bereits für den Zenon-Schüler Persaios (ca. 305–243) bezeugt, doch könnte der entsprechende Bericht auf eine spätere Erfindung zurückgehen.424 Wie stark die stoischen Schulpraktiken den besser bezeugten der Epikureer ähneln, ob also z. B. das Memorieren von Lehrsätzen bereits gepflegt wird, lässt sich aus den Quellen kaum ableiten. Die Reihe von scheinbar absurden Lehrsätzen, für welche die Stoiker bekannt sind, die sogenannten ›stoischen Paradoxe‹ (paradoxa Stoicorum)425 – zum Beispiel: »Nur der Weise ist König«, »nur der Gute ist frei« oder »der Weise ist mitleidig, übt aber gegenüber niemanden Vergebung«426 – werden von Philosophieinteressierten aus verschiedenen Schulen gleichsam übungsweise durchdiskutiert, wie uns einschlägige Schriften z. B. von Philon von Alexandrien (›Quod omnis probus liber sit‹) und Cicero (›Paradoxa Stoicorum‹) zeigen. Es scheint plausibel, sie von ihrem Ursprung her als provokative Überspitzungen anzusehen, welche auch der Memorierung und dem Durchdenken dienen. Nicht zuletzt dürften gerade die politischen Konnotationen von Begriffen wie ›König‹ und ›Freiheit‹ die Verbindung des philosophischen Lebensideals zu den Selbstbildern der Oberschicht zum Thema machen. Dass die alten Stoiker ähnliche quasireligiöse Rituale wie die Epikureer betreiben, lässt sich den antiken Quellen hingegen nicht entnehmen.427 421

  Vgl. die Unterscheidung beider Teiltraktate der Ethik beim Akademiker Philon von Larissa, in: Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  41, 7–25 Wachsmuth) (s. unten S. 446  f.). 422   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  62, 15–20 Wachsmuth); Cicero, Tusculanae disputationes 3, 13–21; 4, 9–33; Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 5, 428–445 (CMG 5, 4, 1, 2, p.  292, 4–304, 32 De Lacy). Vgl. Sellars, The Art of Living, 64–68; Sellars, Hellenistic Philosophy, 187–194. 423   Vgl. auch die Werkbeschreibung bei Steinmetz, Die Stoa, 591. 424   Philodemus, Historia Stoicorum, col. XV (p.  68 Dorandi). Vgl. J.-B. Gourinat, Persaïos de Citium, in: DPhA 5a (2012), 234–243, hier 239–241. 425   Origenes, In evangelium Ioannis 2, 112 (GCS Orig. 4, p.  72, 29–73, 2 Preuschen) = SVF 3, 544. 426   Vgl. die, wohl durch Einschübe unterbrochene, Liste bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 121–123 (515, 9–516, 16 Marcovich = 544, 940–545, 965 Dorandi). 427   Vgl. Lynch, Aristotle’s School, 118 f.

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Textformen der Philosophie Die für die alten und mittleren Stoiker bezeugten Werke haben zum großen Teil offenbar die Form des Traktats. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie man Philosophie am besten lehrt, ist für Kleanthes bezeugt, der meint, dass dies am besten durch Dichtung geschehe. Von ihm sind auch ein Zeus-Hymnus428 – der einzige in seiner Gänze erhaltene altstoische Text – sowie Verse über das Schicksal erhalten.429 Die typische Überlieferungsliteratur wie Editionen, Grundrisse (ἐπιτομαί), Handbücher und Kommentare erlebt offenbar ihre Höhepunkte in Perioden, welche sich besonders auf die Weitergabe der Meinungen der eigenen Lehrer konzentrieren, also einerseits in der Epoche nach Chrysipp – z. B. bei Diogenes von Seleukeia – sowie bei den Schülern des Poseidonios, die offenbar dessen Lehre in Form von Zusammenfassungen in Umlauf bringen.430 Ein interessantes Beispiel ist Geminos’ ›Epitome der Auslegung von Poseidonios’ Meteorologika‹ (ἐπιτομὴ τῶν Ποσειδωνίου Μετεωρολογικῶν ἐξηγήσεως), womit wohl eine systematisch strukturierte, mehr oder weniger kurze Zusammenfassung gemeint sein dürfte.431

Philosophiebegriff und Einteilung der Philosophie Das Vorhandensein eines altstoischen Philosophiebegriffs ist in der älteren Forschung gelegentlich mit Hinweis auf die Bedeutung der Weisheit als Lebensziel bezweifelt worden.432 In der Tat verwenden aber die Zeugnisse über die alte Stoa nicht nur den Begriff Philosophie, sondern die Stoiker liefern sowohl eine neue Definition als auch eine vertiefte Reflexion über die Bestandteile der Philosophie und ihr Verhältnis zueinander sowie zur Philosophie selbst und zur Weisheit. Definition wie Einteilung beeinflussen die Antike langfristig, besonders im lateinischen Sprachraum aufgrund des Einflusses Ciceros. Die systematische Deutung

428   Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 1 (1, p.  25, 3–27, 4 Wachsmuth) = SVF 1, 537. Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 576–578 (mit Übersetzung). 429   Vgl. zu den Problemen der Textgestalt dieser Verse J. Dalfen, Das Gebet des Klean­ thes an Zeus und das Schicksal, Hermes 99 (1971), 174–183; M. Perkams, Stoische Schicksalslehre und christlicher Monotheismus. Kleanthes’ Schicksalsverse im Spiegel ihrer Überlieferung, in: R. M. Piccione  /  M. Perkams (Hrsg.), Selecta colligere 2. Beiträge zur Technik des Sammelns und Kompilierens griechischer Texte von der Antike bis zum Humanismus, Alessandria 2005, 1–22. 430   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 627, 630, 707. 431   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  291, 22 Diels) = Posidonius, frg.  18 (Edelstein  /  Kidd). Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 707 f.; M. Perkams, Priscian of Lydia. Commentator on the ›De anima‹ in the Tradition of Iamblichus, in: Mnemosyne 58 (2005), 510–530, hier 520–522. 432   Vgl. Malingrey, Philosophia, 63 f.

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und historische Entwicklung des stoischen Philosophieverständnisses werfen allerdings eine Reihe von Fragen auf.

Die stoischen Definitionen der Philosophie Die Definition der Philosophie, die als die typischste für die Stoa gilt, findet sich in ähnlicher Weise zweimal in doxographischen Darstellungen: »Die Stoiker nun sagten, die Weisheit sei ein Wissen von den göttlichen und menschlichen Sachverhalten, die Philosophie aber eine Einübung einer geeigneten Fertigkeit. Geeignet aber sei die eine und höchste Tugend, die allgemeinsten Gattungen von Tugend aber seien drei, Physik, Ethik, Logik«.433 »Sie sagen, die Philosophie sei ein geeignetes Bemühen um Weisheit, die Weisheit aber sei das Wissen um die göttlichen und menschlichen Tatsachen«.434

Diese Definitionen lassen sich gut vor dem Horizont der stoischen Philosophie als ganzer verstehen: Während die Weisheit, also das ›Wissen über das Göttliche und Menschliche‹, die Ziel- oder Idealvorstellung ist, um die der Stoiker sich stets bemüht, hat der Philosoph – nicht anders als in der platonischen Erläuterung der ›Liebe zur Weisheit‹ im ›Symposion‹ – diesen Zustand noch nicht erreicht, weswegen er sich darum bemüht.435 Zum Erreichen des Ziels des ›guten Lebensflusses‹ (εὔροια τοῦ βίου)436 ist also die Einübung einer Fertigkeit (τέχνη) erforderlich,437 welche als ›Habitus, welcher einen Weg bereitet‹ (ἕξις ὁδοποιητική),438 nichts an433

 Οἱ μὲν οὖν Στωïκοὶ ἔφασαν τὴν μὲν σοφίαν εἶναι θείων τε καὶ ἀνθρωπίνων ἐπιστήμην, τὴν δὲ φιλοσοφίαν ἄσκησιν ἐπιτηδείου τέχνης. ἐπιτήδειον δὲ εἶναι μίαν καὶ ἀνωτάτω τὴν ἀρετήν, ἀρετὰς δὲ τὰς γενικώτατας τρεῖς, φυσικὴν ἠθικὴν λογικήν. Ps.Plutarchus, Placita philosophorum 1, prooem. (874E, ex Aetio [5, 1, p.  131, 4–7 Mansfeld  /   Runia]) = SVF 2, 35. Mit dieser Definition ist Seneca, Epistulae 94, 4 f. zu vergleichen, vor allem die Formulierung studium virtutis, die ἄσκησιν ἀρετῆς entsprechen könnte. 434   Τὴν φιλοσοφίαν φασὶν ἐπιτήδευσιν εἶναι σοφίας, τὴν δὲ σοφίαν ἐπιστήμην θείων τε καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 13 (2, p.  215, 27–29 Mutschmann) = SVF 2, 36. 435   Vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 84 f. 436   Diese Definition findet sich z. B. bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 88 (496, 19 Marcovich = 526, 575 Dorandi) = LS 63C, 4; Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  77, 20–27 Wachsmuth) = LS 63A. 437   Ich gehe davon aus, dass das Wort ἐπιτήδευσις im zweiten Zitat eine abgekürzte Fassung der im ersten überlieferten Formulierung ist; anders z. B. R. Radice, in: Stoici antichi. Tutti frammenti raccolti da H. von Arnim. Testo greco e latino a fronte. A cura di R. Radice, Mailand 1998, 307, der mit ›applicazione‹ übersetzt, während er zuvor ›arte conveniente‹ verwendet hat. 438   Scholia ad Dionysii Thracis Grammaticam (Bekker, Anecdota Graeca 2, p.  663, 16) = SVF 1, 72.

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Die hellenistische Epoche

deres als Tugend sein kann, nämlich diejenige Einheit der Tugenden, welche die Klugheit für die Stoiker darstellt. Mit der verwandten Formulierung »Fertigkeit in Bezug auf das Leben« (τέχνη περὶ τὸν βίον bzw. lateinisch ars vivendi  /  ars vitae), die auch für die Epikureer belegt ist,439 erheben die Stoiker eine Formel zum Programm, welche die Philosophie von ihrer lebenspraktischen Seite her kennzeichnet, und führen die bereits bei Platon und Aristoteles begegnenden Vergleiche mit anderen Fertigkeiten weiter aus.440 In der alten Stoa wird mit dieser Formel allerdings ein Ideal bezeichnet, das in hohem Maße theoretisch ist: Als Fertigkeit ist die Philosophie (bzw. die Tugend) nämlich nichts anderes als ein »System«, und zwar »aus Erkenntnissen, die durch Erfahrung im Zusammenhang eingeübt sind, auf ein Ziel hin, welches im Leben wohl zu gebrauchen ist«.441 Diese insofern noch zielgerichtete Disposition führt im Idealfall zur Weisheit als »einem festen und unveränderlichen Habitus durch Vernunft« (κατάληψιν ἀσφαλῆ καὶ ἀμεταπτώτον ὑπὸ λόγου), der zugleich »ein System aus derartigen Wissenschaften« (σύστημα ἐξ ἐπιστήμων τοιούτων)442 ist. Diese von Stobaios überlieferten Bestimmungen sind für das Verständnis der genannten Philosophie-Definitionen deswegen wichtig, weil sie sowohl die letztliche Einheit und (die gleich näher zu besprechende) Dreiheit der Tugenden und deren Verhältnis zum Wissen des Weisen erklären.443 Mit dem ihnen eigenen System-Begriff verfügen die Stoiker also über ein Mittel, Einheit und Vielheit der Tugend widerspruchsfrei gleichzeitig zu denken. Der von mir als ›Tatsachen‹ übersetzte Terminus im zweiten Zitat (πράγματα) weist im Übrigen darauf hin, dass es sich um Systeme von Aussagen handelt, also von vollständigen (unkörperlichen) Lekta, welche im Idealfall der Weisheit eine vollständige Abbildung der kausalen Struktur der körperlichen Welt darstellen. Als Wissen – und damit nicht bloß als möglicherweise falsche Meinung – ist die Weisheit also ein System aus Sätzen über den Aufbau der Welt und ihren Verlauf, welches stets zu den richtigen Zustimmungen führt, sowohl in Form von Aussagen als auch in Form von Trieben. Damit ist sie die rationale Kompetenz zu einer voll439

  Vgl. oben S. 392.   Wichtige Belege sind: Chrysippus, in: Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 3, 352 (CMG 5, 4, 1, 2, p.  226, 25–29 De Lacy) = SVF 2, 909; 2, 911; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 170 (2, p.  410, 18 f. Mutschmann) = SVF 3, 598; Posidonius, apud: Strabo, Geographia 1, 1, 1 (2, 10 Cobet) = Posidonius, test. 75 (Edelstein  /  Kidd); Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  66, 14–67, 4 Wachsmuth) = SVF 3, 560; Seneca, Epistulae 95, 8 f. (besonders die letzten beiden führen den Vergleich mit Handwerken aus). Vgl. Sellars, The Art of Living, 55–57 mit den übrigen Belegen. 441   Τέχνη ἐστι σύστημα ἐκ καταλήψεων ἐμπειρίᾳ συγγεγυμνασμένων πρός τι τέλος εὔχρηστον τῶν ἐν τῷ βίῳ. Diese Definition wird von zahlreichen antiken Quellen überliefert, die in SVF 1, 73 und 2, 93 f. zusammengestellt sind. 442   Beide Definitionen bei Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  73, 19–74, 3 Wachsmuth). 443   Zum nicht auf die Praxis zu verengenden Verständnis dieser Tugenden vgl. Forschner, Die stoische Ethik, 21995, 255 f. 440

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kommenen Lebensführung im Einklang mit dem Kosmos, der durch das Schicksal, das zugleich Gesetz, Logos und Feuer ist, selbst rational strukturiert ist. Eine rein oder wenigstens primär lebenspraktisch zu erwerbende Charakterfestigkeit ist damit eher nicht gemeint, selbst wenn die Stoiker die Notwendigkeit einer Einübung, die ja auch in der ersten zitierten Definition erwähnt wird, nicht übersehen:444 Tatsächlich ist die Einübung der Tugenden jedoch für sie ein habitualisierter Erwerb von Wissen, sie besteht also wesentlich in einem intellektuellen Durchdringen des eigenen Zustands – man denke nur an die feinziselierte Differenzierung der Leidenschaften der Seele durch Chrysipp, welche voraussetzt, dass die Heilung derartiger ›Krankheiten‹ über deren korrekte, wissenschaftlich fundierte Definition läuft. Hinter solchen Überlegungen steht letzten Endes ein so­ kra­tischer Intellektualismus, der bei den Stoikern im Grunde nur in eine systematische Form gebracht wird, indem sie seine epistemologischen und ontologischen Grundlagen herausarbeiten. Es ist daher durchaus konsequent (wenn auch evtl. nicht alt-stoisch), wenn Poseidonios die Eudaimonie als ein Leben in »Betrachtung der Wahrheit des Alls« (θεωροῦντα τὴν τῶν ὅλων ἀληθείαν) beschreibt.445 So treffend die zitierten Definitionsformeln sind, so unklar ist aufgrund der anonymen Überlieferung ihre Stellung in der stoischen Geistesgeschichte. Ein Teil der Forschung meint zwar, dass die von Pseudo-Plutarch und Sextus referierte Diskussion die vollständige Definition bereits des Zenon sei.446 Das ist aber zumindest zweifelhaft, denn von Chrysipp wird eine andere Definition der Philosophie mitgeteilt, nämlich die des »geeigneten Bemühens um Richtigkeit des Logos« (ἐπιτήδευσις λόγου ὀρθότητος).447 Nach einem der drei einschlägigen Belege scheint diese Formulierung eine alternative Definition zu ›Wissenschaft‹ darzustellen (εἴτ’ ἐπιστήμη), was Zweifel daran aufkommen lässt, ob Chrysipp bereits definitorisch so scharf wie die beiden zitierten Definitionen zwischen Wissen(schaft) und Fertigkeit unterscheidet. Philodem berichtet ferner, Kleanthes habe die Philosophie, also das »Wissen der göttlichen und menschlichen Dinge« durch Poesie lehren wollen.448 Auch dessen Zeitgenossen Ariston von Chios wird die Definition von Philosophie als »Wissenschaft und Habitus« (scientia et habitus), also eine Verbindung von Philosophie und Wissensbegriff, zugeschrieben.449 Demnach unterscheiden jedenfalls Zenons Nachfolger in der Philosophiedefini444

  Vgl. zu diesem Aspekt mit weiteren Belegen, Sellars, The Art of Living, 75–78.   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 129, 4 (GCS Clem. 2, p.  183, 10–12 Stählin) = Posi­donius, frg.  186 (Edelstein  /  Kidd). Vgl. die anders akzentuierte Deutung bei Sellars, The Art of Living, 64 Anm.  51. 446   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 527 f. 447   Clemens Alexandrinus, Paedagogus 1, 13 (GCS Clem. 1, p.  151, 1 f. Stählin) = SVF 3, 293; Anonymus Stoicus (PHerc 1020), col. I = SVF 2, 131; die Zuschreibung an Chrysipp ruht auf Isidorus de Pelusio, Epistolae 5, 558 (PG 78, 1637A); vgl. Ioppolo, Aristone di Chio, 56 f. Anm.  2. 448   Philodemus, De musica, col. XXVIII, 1–22 (p.  97 f. Kemke). 449   Seneca, Epistulae 94, 48. Vgl. Ioppolo, Aristone di Chio, 56 Anm.  2. 445

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tion noch nicht durchweg scharf zwischen Fertigkeit und Wissen(schaft),450 so wie es in der zitierten Definition geschieht. Jedoch werden in dieser die drei Disziplinen der Philosophie in der Reihenfolge Physik, Ethik, Logik angeordnet, die  – wie gleich zu erläutern ist – erst für die mittlere Stoa bezeugt ist.451 Die Evidenz spricht also insgesamt eher dafür, dass die oben zitierten Formulierungen relativ spät entstanden sind. Auf Poseidonios ist möglicherweise eine bei Cicero und Seneca zu findende Variante der genannten Definition der Weisheit zurückzuführen, der zufolge diese »das Wissen (oder: die Erkenntnis) der göttlichen und menschlichen Sachverhalte mit ihren Ursachen« sei.452 Diese Einfügung der Ursachen in die ältere Definition erinnert an die Ursachenkenntnis als Kriterium des Unterschieds von Philosophie und Naturwissenschaft, wie es für Poseidonios bezeugt ist,453 doch lässt sich die Zuweisung nicht absichern.454 Die genaue historische Einordnung der stoischen Philosophie-Definitionen bleibt insofern schwierig.

Die Teile der Philosophie nach den Stoikern: Interpretative Probleme Die gerade erwähnte Einteilung der Philosophie in Physik, Ethik und Logik begegnet uns in einigen Texten in Verbindung mit einer intensiven Diskussion über das Verhältnis zwischen der systematischen Organisation philosophischer Theoriebestände und deren praktischer Vermittlung, die durchaus neuartig ist, da Platon und Aristoteles spezifisch didaktische Überlegungen kaum getrennt von inhaltlichen Erwägungen diskutieren.455 Wie genau die innerstoischen Debatten verlaufen, das kann aus den spärlichen Quellen allerdings nur näherungsweise beantwortet werden.456 Der offensichtlich etwas durcheinander geratene Bericht 450

  Vgl. dazu auch Sellars, The Art of Living, 79 f.   Vgl. Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers, 1, 160 f. Zum Zeugnis des Diogenes Laertius (= Poseidonius, test. 43; 91 [Edelstein  /  Kidd] bzw. test. 22 [Theiler]) vgl. unten. Zur Rolle des Poseidonios in der (wahrscheinlich wenig jüngeren) Zwischenquelle Aetios vgl. J. Mansfeld  /  D. T. Runia, Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer 1. The Sources, Leiden u. a. 1997, 320 f. 452   Z. B. bei Seneca, Epistulae 89, 4 f. = LS 26G in einer der oben genannten Definition sehr ähnlichen Weise. 453   Geminus, Epitoma Posidonii Meteorologiae (Simplicius, In Physica [CAG 9, p.  291, 9–13 Diels]) = Posidonius, frg.  18 (Edelstein  /  Kidd); Seneca, Epistulae 88 = Posidonius, frg.  90 (97, 26–28 Edelstein  /  Kidd). 454   Diskutiert bei Steinmetz, Die Stoa, 683 f. 455   Vgl. P. Hadot, Philosophie, discours philosophique, et divisions de la philosophie chez les stoïciens, in: Revue Internationale de Philosophie 45, 178 (1991), 205–219, hier 210–213. 456   Vgl. zum Folgenden den hervorragenden Artikel K. Ierodiakonou, The Stoic Division of Philosophy, in: Phronesis 38 (1993), 57–74, der die Probleme klar darstellt und diskussionswürdige Lösungsvorschläge macht. Die im Folgenden zitierten Belege finden sich alle, wenn auch z. T. etwas auseinandergerissen, in SVF 2, 35–44. 451

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des Diogenes Laertios wirft hierzu einige Fragen auf, die sich in den folgenden fünf Punkten zusammenfassen lassen:457 1. Sind die Stoiker die Erfinder der Dreiteilung der Philosophie? Hier steht Diogenes’ Behauptung, Zenon habe sie als erster vertreten,458 den Nachrichten gegenüber, welche die Dreiteilung unterschiedlichen Platonikern zuschreiben, nämlich entweder Platon selbst, Xenokrates oder frühen Akademikern im Allgemeinen, was durch Aristoteles’ Aufteilung der zu behandelnden Probleme in der ›Topik‹ gestützt wird.459 Allerdings sollte Diogenes’ Stoiker-Referat, das viel sonst nicht erhaltenes Material bietet und eigenen Quellenwert besitzt,460 nicht einfach auf die Aussage reduziert werden, Zenon sei lediglich der erste Stoiker, der diese Einteilung benutzt, folge aber hierin der Akademie des Xenokrates bzw. Polemon.461 Denn sowohl Aristoteles als auch die wohl altakademischen ›Aristotelischen Divisionen‹ bezeugen lediglich lockere Zusammenstellungen der drei Disziplinen, während die Stoiker sie offenbar seit Zenon als festes Schema verstehen. Die Neuheit der stoischen Sichtweise wird auch daran deutlich, dass Kleanthes, wenn er wie die ›Aristotelischen Divisionen‹ Rhetorik und Politik462 sowie die (schon bei Platon und Aristoteles bezeugte) Theologie zu den drei Gebieten hinzufügt, jeweils zwei von ihnen als Binnengliederung eines der drei Hauptteile der Philosophie versteht: Dialektik und Rhetorik gehören nun zur Logik, die Politik zur Ethik und die Theologie zur Physik.463 Diese Perspektive wird durch die Nachricht näher erläutert, bereits Zenon fasse Dialektik und Rhetorik, die in der Akademie nebeneinander stünden, zur ›Logik‹ zusammen.464 Erst mit diesem Schritt etabliert sich offenbar der Begriff ›Logik‹, wie bei Aristoteles angelegt, als übergeordnete Bezeichnung der philosophischen Methodenlehre, die alle Arten argumentativer Rede umfasst.465 Ihre Spuren findet die Zu457

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 39–41 (469, 3–470, 18 Marcovich = 499, 7–500, 41 Dorandi). 458   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 39 (469, 5 Marcovich = 499, 9 Dorandi). 459   Für die verschiedenen Belege und ihre Problematik s. oben S. 267  f. 460   Vgl. z. B. für die Logik Mansfeld, Diogenes Laertius on Stoic Philosophy, 371. 461   So z. B. Steinmetz, Die Stoa, 528; Ierodiakonou, The Stoic Division of Philosophy, 57; zurückhaltende Zustimmung bei J. Mansfeld, Zeno on the Unity of Philosophy, in: Phronesis 48 (2003), 116–131, hier 120 Anm.  22; Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 160. 462   Vgl. oben S. 268. 463   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 41 (470, 11–13 Marcovich = 500, 34–36 Dorandi). Vgl. Seneca, Epistulae 89, 14–17, sowie R. Bees, Stoa, Stoizismus, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 9 (2009), 118–136, hier 119 f. 464   So explizit (und wohl interpretierend) Quintilianus, Institutio oratoria 2, 20, 7 = Stoici, frg.  37 (Hülser); implizit scheint sich dies auch aus Sextus Empiricus, Adversus ma­ the­maticos 2, 6 f. (3, p.  84, 18–85, 4 Mau); Cicero, De finibus 2, 17 = Stoici, frg.  35 f. (Hülser). Vgl. zur Sache allerdings schon die Terminologie des Aristoteles und Xenokrates oben S. 267, 307. 465   Vgl. Hadot, Philosophie, dialectique, rhétorique, 154. Die Aussage, der Terminus ›Logik‹ für die Lehre vom Schluss sei erst für das 1. Jahrhundert v.  Chr. belegt (Lorenz, Die

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sammenstellung von Rhetorik und Dialektik noch im Trivium der freien Künste bzw. des ›Zirkels der Bildung‹, wo zusätzlich die Grammatik hinzukommt, die de facto in der stoischen Logik ebenfalls eine große Rolle spielt.466 Auch die Zusammenfassungen von Ethik und Politik sowie Physik und Theologie werden zum Standard, doch haben die Stoiker hierfür keine Oberbegriffe und mögen auch dem aristotelischen Denken auf diesen Gebieten stärker verhaftet sein.467 Der Neuanfang, den Diogenes Laertios anzeigt, besteht demnach darin, dass Zenon und Kleanthes aus drei locker strukturierten Themenbereichen eine klare Ordnung der philosophischen Lehre bilden, womit die Teilung der Philosophie überhaupt erst zu einem wichtigen Element des antiken Philosophie-Diskurses wird. Einen Hintergrund dafür könnte die in den pseudo-platonischen ›Rivalen‹ (Ἐρασταί) geschilderte Debatte darum geben, dass die Philosophie weder eine Vielwisserei (πολυμαθία) noch ein allgemeines Dilettantentum werden soll.468 Die stoische Antwort darauf besteht offenbar in einer genauen Angabe der Gebiete, welche die Philosophie umfasst und welche die Philosophen zu beherrschen haben. 2. Warum diskutieren die Stoiker, ob die drei Disziplinen der Philosophie selbst (ἀυτὴ ἡ φιλοσοφία) oder dem Diskurs der Philosophie (λόγος τῆς φιλοσοφίας) angehören? Die bedeutenderen Stoiker, darunter Zenon, Chrysipp und Diogenes von Seleukeia, vertreten sämtlich die letztere Position, die auch bei Philon von Alexandria und anderen erwähnt und von Chrysipp, vielleicht in historischem Anschluss an die Formulierung »Probleme in der Philosophie« (τὰ ἐν τῇ φιλοσοφίᾳ προβλήματα) der ›Aristotelischen Divisionen‹, auch als »Theoreme des Philosophen« (θεωρήματα τοῦ φιλοσόφου) reformuliert wird. Lediglich Zenon von Tarsos spricht der doxographischen Tradition zufolge von einer Unterteilung der Philosophie selbst (αὐτῆς τῆς φιλοσοφίας).469 Diese Frage wird in der Forschung gerne so beantwortet, dass sich der ›philosophische Diskurs‹ bzw. die ›Theoreme‹ auf die Lehre der Philosophie bezögen, von der sich die Philosophie als praktisches Leben unterscheide.470 Durchaus kompatibel ist vorgeschlagen worden, der ›Diskurs der Philosophie‹ sei – analog zu der stoischen Unterscheidung des WahLogik der Antike, 362), ist schon wegen des Sprachgebrauchs in Aristoteles’ ›Topik‹ zweifelhaft. 466   S. unten S. 898. Aufschlussreich für diesen Punkt ist eine vergleichende Lektüre von Stoici, frg.  33–43 (Hülser). 467   Vgl. oben S. 307–311. 468   Vgl. oben S. 264–266. 469   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 39; 7, 41 (469, 3; 470, 13 f. Marcovich = 499, 7; 500, 36 Dorandi); Philo Alexandrinus, De agricultura 14–16 (2, p.  97, 24–98, 13 Wendland) = SVF 2, 39. Vgl. Divisiones Aristotelicae 42 (55, 6 Mutschmann), und dazu oben S. 266  f. und Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis 9 (1035ab) = SVF 2, 42. Auflistung zahlreicher Belege bei Mansfeld, Zeno on the Unity of Philosophy, 119 f. 470   So Hadot, Philosophie, discours philosophique et divisions de la philosophie; vgl. Sellars, Stoicism, 33 f.

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ren von der Wahrheit – dasjenige System der verschiedenen Lekta, welches der Lernende sich im Geist bildet bzw. bilden soll, während die Philosophie der reale Prozess der Aneignung dieser Sätze sei.471 Grundlegend für die Beantwortung der Frage ist jedenfalls ein Philodem-Referat über Kleanthes: Diesem zufolge genüge der Diskurs der Philosophie zwar zur inhaltlichen Klärung des Göttlichen und Menschlichen, verfüge aber nicht aber hinreichende sprachlich-poetische Mittel, um zur ›Wahrheit‹ (ἀληθεία) über das Göttliche vorzustoßen.472 Hier zeigt sich, dass mit dem ›Diskurs der Philosophie‹ in der Tat die strikt argumentative Rede gemeint ist, und zwar als eines von mehreren didaktischen Mitteln, welche (jedenfalls in den Augen des in dieser Hinsicht möglicherweise eigensinnigen Kleanthes) auch den Charakter selbst zu mäßigen geeignet sind. Es ist naheliegend, dass die scharfen begrifflichen Trennungen der Stoiker für eine derartige Charakterbildung nur bedingt geeignet und dafür auf den ›Diskurs‹ der Philosophie beschränkt sind. 3. Warum diskutieren die Stoiker, ob Ethik, Physik und Logik ›Teile‹ (μέρη), ›Orte‹ (τόποι) oder ›Arten‹ (εἴδη) bzw. ›Gattungen‹ (γένη) der Philosophie sind? Diogenes Laertios schreibt die zweite Ansicht Chrysipp zu, die erste Diogenes von Seleukeias Schüler Apollodor von Seleukeia473 und die dritte »anderen«,474 zu denen wohl auch der Autor der oben genannten Philosophie-Definition gezählt werden kann, der von »allgemeinsten Tugenden« (γενικωταταὶ ἀρεταί) spricht. Katerina Ierodiakonou hat hierzu anhand verschiedener, z. T. zeitlich sehr später, meist lateinischer Belege geschlossen, die Einteilung in ›Orte‹ solle die Einheit der drei Disziplinen und die Unverzichtbarkeit jeder der dreien zeigen, während die Unterteilung in ›Gattungen‹ bzw. ›Arten‹ zwar auch deren Einheit betone, aber ohne einen Akzent auf die Unverzichtbarkeit der einzelnen Disziplinen zu legen. Ob diese Nuancen den Kern des Problems aus altstoischer Sicht komplett ausleuchten, ist aufgrund der spärlichen Zeugnisse kaum zu entscheiden. 4. Warum nennen die Stoiker verschiedene Reihenfolgen, in welchen diese drei Disziplinen zu studieren sind?475 Die Evidenz zu dieser Frage, welche auch im Vergleich mit anderen Einteilungen der Philosophie von Interesse ist, ist komplex: Nach Diogenes Laertios besteht einerseits ein Grundunterschied zwischen Stoikern, darunter vielleicht Poseidonios, die alle drei Teile als gemischt ansehen, und solchen, die den Teilen eine Reihenfolge geben.476 Eine eigenständige Posi471

  Vgl. Ierodiakonou, The Stoic Division of Philosophy, 59–61.   Philodemus, De musica 4, col. XXVIII, 5–35 (p.  97 f. Kemke). 473   Vgl. zu Apollodor oben S. 405. 474   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 40 (469, 10 f. Marcovich = 499, 14 f. Dorandi). 475   Zu beachten ist in diesem Kontext auch die Kleanthes zugeschriebene Unterteilung, nach welcher Rhetorik, Politik und Theologie weitere Teile des philosophischen Diskurses werden. Da diese bei den anderen Stoikern Teilbereiche von Logik, Ethik und Physik bilden, ergibt sich hieraus aber kein nennenswerter innerstoischer Unterschied. 476   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 40 f. (470, 1–6 Marcovich = 500, 24–29 Do472

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tion nimmt Ariston von Chios ein,477 indem er die Philosophie auf die Ethik ohne ihren paränetischen Teil reduziert,478 worin er auch vom Kynismus sowie von der skeptischen Position des Akademikers Arkesilaos beeinflusst sein dürfte.479 Für die anderen Stoiker sind jedoch Aussagen über die Reihenfolge der Disziplinen bezeugt: Zenon und Chrysipp lassen demnach das Studium mit der Logik beginnen und über die Physik zur Ethik voranschreiten,480 was sich einleuchtend als didaktisches Muster verstehen lässt, bei dem von philosophischer Methodik über den Kosmos zum individuellen Leben vorangeschritten wird. Ein anderer Bericht schreibt Chrysipp hingegen die Reihenfolge Logik, Ethik, Physik mit e­ inem Höhepunkt in der Theologie zu, die – wie in Platons ›Symposion‹481 – als mystische Initiation (τελετή) gewertet wird.482 Während die Ethik angeblich nur von einem wenig bekannten Diogenes vorangestellt wird, schreiben die Quellen die Position, die Physik an die Spitze zu stellen, Panaitios und Poseidonios zu.483 Als Gründe für diese Anordnung werden – entsprechend der generellen Wertschätzung älterer Traditionen – das hohe Alter der Physik, da die Philosophie mit ihr begonnen hat, und ihr universaler Standpunkt angegeben.484 Interessant ist, dass die oben zitierte erste Philosophie-Definition diese Reihenfolge enthält, die sich auch in platonischen Quellen findet, wo die Logik nicht als Anfang, sondern als Vollendung des philosophischen Weges verstanden wird.485 Sachlich berührt sich dies mit Chrysipps zweiter Einteilung. Die unterschiedliche Stellung der Logik kann im Übrigen mit deren besonderem Status zusammenhängen: Da sie für die Stoiker ein integrales Element der Philosophie darstellt, nicht nur eine Art Vorbedingung oder Werkzeug, lässt sie sich von den anderen Teilen jedenfalls theoretisch gar nicht abtren-

randi). Die Unteilbarkeit der drei Teile wird von Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 19 (2, p.  6, 10 f. Mutschmann) = SVF 2, 38 dem Poseidonios zugeschrieben, wobei natürlich eine Unteilbarkeit an sich noch keine Mischung ist, so dass die Zuordnung unsicher bleibt. 477   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 559–565; Ioppolo, Aristone di Chio, 56–90. 478   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 160 (540, 2–4 Marcovich = 570, 7–9 Dorandi) = SVF 1, 351; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 12 (2, p.  5, 3–11 Mutsch­ mann) = SVF 1, 356; Seneca, Epistulae 89, 13 = SVF 357. 479   Vgl. Ioppolo, Aristone di Chio, 63–69; Steinmetz, Die Stoa, 560 f. 480   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 39 (469, 3–9 Marcovich = 499, 7–13 Dorandi); Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 2, 13 (1, p.  67, 19–24 Mutschmann  /  Mau). 481   S. oben S. 232. 482   Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis 9 (1035b) = SVF 2, 42; vgl. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 23 (2, p.  6, 29–7, 8 Mutschmann) = SVF 2, 44; dazu R. Turcan, Initiation, in: RAC 18 (1998), 87–159, hier 124 f.; Ierodiakonou, The Stoic Division of Philosophy, 69. 483   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 40 (470, 7–11 Marcovich = 500, 30–34 Dorandi). 484   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 20 (2, p.  6, 17–19 Mutschmann). Vgl. Ierodiakonou, The Stoic Division of Philosophy, 69. 485   S. unten S.  548  f.

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nen,486 weswegen man vermuten kann, dass ihre spezifische Behandlung sowohl einleitend am Beginn des Curriculums als auch zur strukturellen Durchdringung des Gesamtsystems in dessen weiterem Verlauf erfolgen kann, womöglich auch in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit der jeweils Lernenden. Insgesamt ist die stoische Dreiteilung durch eine Gleichwertigkeit der verschiedenen Wissensbereiche gekennzeichnet, deren enge Verbindung auch in der stoischen Systematik durch das Auftreten von Konzepten aus einem Gebiet auch in einem anderen deutlich hervorscheint, ohne dass sich eine Hierarchie oder Abhängigkeitsrelation feststellen ließe. So greift, wie oben angesprochen, die TriebLehre der Ethik zum Beispiel auf die Zustimmungslehre aus der Logik zurück und die Logik verweist wiederum durch die Aussage, Wissen im strengen Sinn sei nur in der Form von Tugenden gegeben, auf einen ethischen Inhalt. Die Einheit und Verwobenheit der drei Wissensgebiete macht also den Kern der klassischen stoischen Position aus, der nur in der didaktischen und protreptischen Darstellung in verschiedenen Reihenfolgen präsentiert wird.487 Die genannten Darstellungsweisen bieten allerdings, wenn sie z. B. mit der Logik anfangen und der Theologie enden, auch Anknüpfungspunkte für aristotelisch-platonische Positionen. 5. Warum nennen Diogenes und Sextos Empirikos jeweils mehrere Bilder für den Zusammenhang der drei Teile? In der Tat berichten beide Autoren von verschiedenen Analogien, welche die Stoiker für das Verhältnis der drei Teile anführen: a) ein Garten: Hier sei die Ethik die Frucht, die Physik der Boden bzw. die Bäume und die Logik die Mauer um einen Acker bzw. Garten; b) ein Ei: Hier sei die Ethik das Eigelb bzw. Küken, die Physik das nährende Eiweiß und die Logik die Schale; c) eine ummauerte Stadt – das Bild wird nicht ausgeführt – und d), unter Zuweisung an Poseidonios, ein Lebewesen, dessen Blut bzw. Fleisch die Physik, die Knochen die Logik, die Seele die Ethik sei.488 Alle diese Bilder folgen im Grunde demselben Schema: Die Ethik ist das Ziel, auf das die Philosophie abzieht, die Physik erklärt sie und die Logik verteidigt oder stabilisiert sie. Erstaunlich an diesen Bildern ist allerdings weniger ihre Vielzahl – warum sollen die stoischen Lehrer nicht mehrere Bilder verwendet haben? – als die Tatsache, dass sie recht eindeutig ein Curriculum beschreiben, das über Logik und Physik auf die Ethik abzielt. Das unterstreicht den didaktischen Zweck, der für derartige Analogien zu vermuten ist.

486

  Alexander Aphrodisiensis, In Analytica priora (CAG 2, 1, p.  1, 9–2, 2 Wallies) = SVF

2, 49. 487   Vgl. P. Hadot, Einteilung der Philosophie im Altertum, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 36 (1982) 422–444, hier 436–438; Hadot, Philosophie et discours philosophique, 208 f.; Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, 160 f.; Ierodiakonou, The Stoic Division of Philosophy, 70 f. 488   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 40 (469, 11–19 Marcovich = 499, 15–23 Dorandi); Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 17–19 (2, p.  6, 2–15 Mutschmann); beide in SVF 2, 38.

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Verhältnis der Philosophie zu weiteren Disziplinen, Politik und Religion Philosophie und Fachwissenschaften Das Verhältnis von Philosophie und Fachwissenschaften ist wesentlich durch die stoische Identifizierung von Tugend und Wissen(schaft) (ἐπιστήμη) geprägt: Wenn jedes Wissen, das als solches anerkannt wird, zugleich eine Tugend bzw. ein Teil von ihr ist, dann können Disziplinen, auf die das nicht zutrifft, die also nicht einem Teil der Philosophie zugeordnet werden können, nicht als Wissen(schaft) im Vollsinn gelten. Insofern gibt es aus altstoischer Sicht keine unmittelbare Verbindung zwischen Philosophie und Fachwissenschaften. Hieraus werden jedoch keine einheitlichen Konsequenzen gezogen: So ist der Vorwurf des Pyrrhoneers Kassios, Zenon brandmarke den ›Zirkel der Lehre‹ (ἐγκύκλιος παιδεία) als »nutzlos« (ἄχρηστος), in Anbetracht von Chrysipps Wertschätzung der dazugehörigen Disziplinen zweifelhaft.489 In der Sache profitieren sie jedenfalls vom stoischen Denken: So werden die Inhalte der Schrift ›Über die Sprache‹ (Περὶ φωνῆς) des Diogenes von Seleukeia, die uns im Referat des Arztes Diokles von Karystos490 vorliegt, sowie weitere stoische Theorieelemente mit philosophischem Kontext zur Grundlage für die einflussreiche griechische Grammatik des Dionysios Thrax, die ihrerseits am Beginn der Tradition wissenschaftlicher Grammatiken steht.491 Groß ist der stoische Einfluss z. B. auch auf Astronomie und Jurisprudenz.492 Eine breite fachwissenschaftliche Kompetenz ist für Panaitios bezeugt,493 doch ist sie für Poseidonios besser dokumentiert.494 Er scheint, so wie Eratosthenes, die Geographie und womöglich andere Disziplinen zum Umfeld der Philosophie zu rechnen.495 In exakterer Sprache unterscheidet allerdings auch er 1. die liberalen 489

  Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 32; 7, 129 (465, 7 f.; 520, 11 f. Marcovich = 495, 413 f.; 549, 1027 f. Dorandi) = SVF 1, 259; 3, 738. Vgl. Forschner, Die Philosophie der Stoa, 249. 490   Vgl. zu dieser schwer erschließbaren Persönlichkeit R. Goulet, Dioclès de Carystos, in: DPhA 2 (1994), 772–774. 491   Die Schrift ist bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 55–71 (477, 11–487, 5 Marcovich = 507, 185–516, 370 Dorandi) in Auszügen überliefert, die als SVF 3, 17–26 gesammelt sind. Vgl. zu ihrem Umfang Mansfeld, Diogenes Laertius on Stoic Philosophy, 351–373, sowie, zu ihrem Einfluss M. Frede, Principles of Stoic Grammar, in: M. Frede, Essays in Ancient Philosophy, Minneapolis 1987, 301–337; M. Frede, The Origins of Traditional Grammar, in: Frede (Hrsg.), Essays in Ancient Philosophy, 338–359; Steinmetz, Die Stoa, 629. 492   Vgl. Pohlenz, Die Stoa, 1, 358–363. 493   Philodemus, Historia Stoicorum, col. LXVI (p.  116 Dorandi). 494  Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 683 f.; A. Dihle, Lebenskunst und Wissenschaft, in: Ch. Rapp  /  T. Wagner, Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, Stuttgartt 2006, 27– 36, hier 30–32. 495   Strabo, Geographia 1, 1, 1 (p.  1, 1 –2, 10 Cobet) = Posidonius, test. 75 (Edelstein  /  Kidd). Vgl. Sellars, The Art of Living, 56. Die Formulierung lässt hier ziemlich offen, ob Strabon

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bzw. »freien« (liberae) Disziplinen, »bei denen es Sorge für die Tugend gibt« (quibus cura virtus est), von 2. den »gewöhnlichen« (vulgares) Haustätigkeiten, 3. den auf Gewinn abzielenden Fertigkeiten (ludicrae) und 4. den »kindlichen« (pueriles) Disziplinen, zu denen er die Lehren »im Zirkel« (ἐγκυκλίους) rechnet (welche er somit offenbar als erster erwähnt). Den Anspruch letzterer auf »einen Ort in der Philosophie« (locum in philosophia) lehnt er aber ab, da etwas für eine Sache Hilfreiches, wie es z. B. die Geometrie für die Philosophie sei, deswegen nicht ein Teil dieser Sache sei.496 Als methodische Unterschiede behauptet Poseidonios, dass die Philosophie bzw. die philosophische Naturwissenschaft (ἡ φυσική) 1. auf das Wesen und nicht die Quantität einer Sache schaut, 2. Beweise (ἀποδείξεις) und keine Hypothesen (ὑποθέσεις) für ihre Lehren anbringt und daher 3. die Ursachen (αἰτίαι) für die Phänomene mit Gewissheit angeben kann, während diese den in der Astrologie oder der Mathematik Tätigen häufig verborgen bleiben.497 Daher stützten sich diese Wissenschaften auf philosophisch bewiesene Tatsachen, was umgekehrt nicht der Fall sei.498 Hier deutet sich eine Hierarchisierung der Wissenschaften an, die in anderen Schulen, namentlich dem Platonismus, weiter ausgebaut werden wird.

Philosophie und Rhetorik499 Die Rhetorik gehört für die Stoiker als Teil der Logik zur Philosophie, wobei gerade Kleanthes’ nochmalige Unterteilung der drei Teile des philosophischen Diskurses, welche explizit zu einer Erwähnung der Rhetorik in dem Schema führt, die im Hintergrund stehende akademische Tradition erkennen lässt.500 Im Ergebnis wird die Rhetorik positiver bewertet wird als bei Epikur und gilt den Stoikern als eine Form von Wissen und eine Tugend,501 die (wie schon bei

selbst formuliert oder einen seiner Gewährsmänner zitiert, doch ist ersteres wahrscheinlich: Kidd, in: Posidonius 2. The Commentary (1): Testimonia and Fragments 1–149, 60–62. 496   Seneca, Epistulae 88, 21–25 = Posidonius, frg.  90 (96, 1–97, 26 Edelstein  /  Kidd). Zur ἐγκύκλιος παιδεία vgl. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 38–52, sowie oben S. 352. 497   Alle drei Punkte finden sich, in etwas abweichender Reihenfolge in Geminus, Epitoma Posidonii Meteorologiae (Simplicius, In Physica [GCS 9, p.  291, 23–292, 29 Diels] = Posidonius, frg.  18 [Edelstein  /  Kidd]); Seneca, Epistulae 88, 26 f. = Posidonius, frg.  90 (p.  97, 26–40 Edelstein  /  Kidd). Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 710. 498   Seneca, Epistulae 88, 28 = Posidonius, frg.  90 (97, 40–98, 48 Edelstein  /  Kidd) 499   Vgl. von Arnim, Dio von Prusa, 77–80; Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers, 1, 30 f.; Kennedy, A New History, 90–93. 500   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 41 (470, 11–13 Marcovich = 500, 34–36 Dorandi). Vgl. auch Seneca, Epistulae 89, 14–17. Vgl. dazu oben S. 427 und auch sowie Bees, Stoa, Stoizismus, 119 f. 501   Cicero, De oratore 3, 65 = SVF 2, 291. Vgl. Bees, Stoa, Stoizismus, 120 f.

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Platon) als »Wissen vom guten Reden« (ἐπιστήμη τοῦ εὖ λέγειν) definiert wird.502 Letztlich kompetent ist in ihr allerdings nur der Weise, wie in der Grammatik und der Dichtung.503 Eingeteilt wird sie in die deliberative, die gerichtliche und die enkomiastische Rhetorik.504 Poseidonios unterscheidet auf dem Gebiet der Literaturtheorie eine Dichtung, welche das Vernunftartige (τὸ λογοειδές) übersteigt (ποίημα), und eine solche, welche »das Göttliche und Menschliche nachahmt« (μίμησιν περιέχον θείων καὶ ἀνθρωπείων = ποίησις), es also offenbar nicht übersteigt, sondern nachvollziehbar abbildet.505 Die konkrete Ausgestaltung der Rhetorik bei den Stoikern wird allerdings in der Antike heftig kritisiert, namentlich von Cicero, dem zufolge die stoische Dialektik das rhetorische Genus der Stofffindung, d. h. die Topik, auslässt,506 und Galen, der eine klare Unterscheidung wissenschaftlicher und rhetorischer Schlüsse vermisst.507 Der Hintergrund solcher Kritiken ist, dass die Rhetorik für die Stoiker eigentlich nur die Kompetenz des Weisen ist, durch sein – ohnehin richtiges – Wissen zu überzeugen und zu urteilen. Daher kann die Rhetorik nicht als allgemeine, von Inhalten zu trennende Überzeugungslehre verstanden werden, weswegen die Stoiker praktische rhetorische Übung in der Regel nicht eigens lehren.508 Dagegen setzen sie sich intensiv mit sprachlicher Korrektheit auseinander509 und entwickeln, in Fortführung von Aristoteles’ Arbeit auf diesem Gebiet, »die Theorie der Redefiguren und Tropen in einer fast bis heute gültigen Systematik«.510

502

  Alexander Aphrodisiensis, In Topica (CAG 2, 2, p.  1, 10–12 Wallies; über die Dialektik) = SVF 2, 124; Quintilianus, Institutio oratoria 2, 15, 34 = SVF 2, 292; Prolegomena in Hermogenem (Rhetores Graeci 7, p.  8 Waltz) = SVF 293; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 2, 6 (3, p.  84, 18–28 Mau) = SVF 2, 294. 503   Diogenes Babylonius, apud: Philodemus, Rhetorica 3 (367, 10–13 Obbink  /  Vander Waerdt). 504   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 42 (471, 8–10 Marcovich = 501, 51–53 Dorandi) = SVF 2, 295. 505   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 60 (480, 6–12 Marcovich = 510, 236–242 Dorandi) = Posidonius, frg.  44 (Edelstein  /  Kidd). Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 685. 506   Cicero, De finibus 4, 7 = SVF 1, 492; 2, 288; Cicero, Topica 6. 507   Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis 2, 220 f. (CMG 5, 4, 1, 2, p.  110, 15–24 De Lacy) = SVF 2, 234. 508   Alexander Aphrodisiensis, In Topica (CAG 2, 2, p.  1, 12–14 Wallies) = SVF 2, 124; Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 122 (516, 2 f. Marcovich = 545, 950 f. Dorandi). Vgl. Tornau, Rhetorik, 12 f. 509   Vgl. Kennedy, A New History, 91. 510   W. Stroh, Rhetorik und Philosophie in hellenistischer Zeit und in Rom, in: A. Hetzel  /  G. Posselt (Hrsg.), Handbuch Rhetorik und Philosophie, Berlin  /  Boston 2017, 53–79, hier 59. Vgl. auch Bees, Stoa, Stoizismus, 28 f. sowie das vorsichtigere Urteil von Steinmetz, Die Stoa, 603.

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Philosophie und Religion511 Die klassische stoische Position Grundsätzlich spielt die Theologie als ein Teil der Physik512 für die Stoiker eine bedeutende Rolle: Ihre Ziele sind Beweise für die Existenz, Beschaffenheit, Weltregierung und Fürsorge der Götter für die Menschen,513 zu denen für die klassische stoische Lehre auch die Anerkennung der Mantik bzw. Divination gehört. Das aktive Prinzip der stoischen Physik, also das Schicksal, wird in religiösen Termini sowohl mit Zeus514 als auch mit anderen Göttern (einschließlich der Moiren) identifiziert, wobei jede dieser Bezeichnungen in den Augen der Stoiker eine eigene Konnotation hat.515 Als Seele der Welt oder als Logos ist das aktive Prinzip des Kosmos allerdings nicht transzendent, sondern der Welt immanent und nicht von ihr zu trennen.516 Daher werden die Götter, mit Ausnahme von Zeus, auch in die Verwandlung des Kosmos durch Feuer (ἐκπύρωσις) einbezogen.517 Auf religiöse Phänomene der eigenen Zeit wird diese Theorie anhand der Unterscheidung zwischen der Theologie der Philosophen, der Dichter und der staatlichen Gesetze bezogen,518 wobei die Aufgabe der stoischen Theologie darin gesehen wird, die übrigen Überlieferungen durch rationale Deutung »aus dezidiert philosophischer Perspektive«519 von falschen Vorstellungen über die Götter zu reinigen und so eine richtig verstandene Verehrung zu ermöglichen.520 In diesem Sinne lehnt Zenon den Bau von Altären und Heiligtümern für die Götter ab, was 511

  Vgl. insgesamt K. Algra, Stoic Philosophical Theology and Graeco-Roman Religion, in: R. Salles (Hrsg.), God & Cosmos in Stoicism, Oxford 2009, 224–251; St. Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, Berlin  /  Boston 2015. 512   Cicero, De natura deorum 2, 23. 513   Cicero, De natura deorum 2, 3. Vgl. zum stoischen Bemühen die originelle Position Boys-Stones, Post-Hellenistic Philosophy, 34–39. 514   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 88 (496, 13–18 Marcovich = 526, 569–574 Dorandi). 515   Zum Beispiel Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 147 (531, 13–532, 3 Marcovich = 560, 1241–561, 1249 Dorandi); Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 5 (1, p.  79, 12–20 Wachsmuth) = SVF 2, 913; Philodemus, De pietate 11, 1–12, 8 (p.  77 und 79 Gomperz) = SVF 2, 1076. Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 134 (523, 8 f. Marcovich = 552, 1083 f. Dorandi) sowie Steinmetz, Die Stoa, 539 f. 516   Galenus, De qualitatibus incorporeis 5 (19, p.  478 Kühn) = SVF 2, 323a. 517   Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis 38 (1052ab); De communibus notionibus adversus Stoicos 31 (1075a und c); beide in SVF 2, 1049; Origenes, Contra Celsum 4, 14 (GCS Orig. 1, p.  284, 23 Koetschau) = SVF 2, 1052. 518   Ps.-Plutarchus, Placita 1, 6 (879F–880A) = SVF 2, 1009; Cicero, De natura deorum 2, 62 f. Vgl. Lieberg, Die theologia tripertita, 33 f.; 39; Algra, Stoic Philosophical Theology, 225–227. 519   Vgl. M. van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, Berlin  /  Boston 2011, 452. 520   Cicero, De natura deorum, 2, 70 f. Die Vorstellung ist also nicht apologetisch, sondern geht von einer Wahrheit in den kritisierten Quellen aus: Boys-Stones, Post-Hellenistic Philosophy, 34–45.

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sich dadurch erklären mag, dass diese – anders als der Gottesdienst des Weisen – der Götter unwürdig seien.521 Die Erklärung der Götternamen wird mittels einer etymologisch-allegorischen Weltdeutung (ἐτυμολογικὴ ἐξήγησις522) entfaltet, welche die Identifizierung verschiedener Gegenstände in der Welt als unterschiedliche Götter des griechisch-römischen Pantheons ermöglicht, die insofern aber nicht als Anthropomorphismen verstanden werden.523 Hierbei gehen die Stoiker davon aus, dass die Götternamen natürlicherweise richtige Bezeichnungen für die jeweiligen Götter sind, welche man insbesondere in älteren Quellen finden kann.524 Anthropomorphismen sowie die Vergöttlichung von Städten, Flüssen etc. werden hingegen als illegitim angesehen.525 Ein ausdrucksvolles Zeugnis für die Frömmigkeit, die der Stoiker den so konzeptualisierten Göttern entgegenbringt, ist der Hymnus des Kleanthes an den Vater Zeus.526 Er sollte vor dem Hintergrund des Prinzips gelesen werden, »allein die Weisen seien Priester«,527 der letzten Endes in den Kontext der stoischen Paradoxa gehört, wo nahezu alle positiven Eigenschaften letztlich dem Weisen zugeschrieben werden. Aus der kausalen Verknüpfung des Schicksals folgt die stoische Akzeptanz der Mantik, die somit letztlich, jedenfalls vom Weisen, auf ›wissenschaftliche‹ Art gewusst werden kann.528 Hierbei ist zu beachten, dass diese Cicero zufolge nicht notwendig mit der Astrologie zusammenfällt,529 die sich trotz ihres hohen Alters in Babylonien möglicherweise erst in hellenistischer Zeit im griechischen Raum ausbreitet.530 521   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 76, 1 (GCS Clem. 2, p. 377, 1–5 Stählin) = SVF 1, 264 (vgl. auch SVF 1, 265–268). Vgl. Algra, Stoic Philosophical Theology, 238 f. 522   Der Begriff findet sich bei Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 5 (1, p.  79, 19 Wachsmuth) = SVF 2, 913 (2, p.  265, 1 f. von Arnim) 523   Philodemus, De pietate 12, 8–13, 16 (p.  79 f. Gomperz) = SVF 2, 1076; Cicero, De natura deorum 1, 39 = SVF 2, 1077. Vgl. Algra, Stoic Philosophical Theology, 239. 524   Vgl. R. M. van den Berg, Proclus’ ›Commentary on the Cratylus‹ in Context. Ancient Theories of Language and Learning, Leiden  /  Boston 2008, 33–35. Zu den Quellen vgl. oben S. 411 Anm. 354. 525   Philodemus, De pietate 12, 8–13, 16 (p.  79 f. Gomperz) = SVF 2, 1076 (906, 11–24 von Arnim). Vgl. P. Steinmetz, Allegorische Deutung und allegorische Dichtung in der Alten Stoa, in: Rheinisches Museum 129 (1986), 18–30, hier 27 f. 526   Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 1 (1, p.  25, 3–27, 4 Wachsmuth) = SVF 1, 537. Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 576–578 (mit Übersetzung); Perkams, Kleanthes, 1259 f; vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 147 (531, 8–16 Marcovich = 560, 1236–561, 1244 Dorandi). 527   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 119 (514, 5–7 Marcovich = 543, 915–917 Dorandi); Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  67, 20–68, 7 Wachsmuth). 528   Cicero, Academica 2, 107 = SVF 2, 1188; Cicero, De divinatione 2, 129 f. = SVF 2, 1189; Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  67, 13–19 Wachsmuth) = SVF 3, 654. Vgl. Alesse, Panezio di Rodi, 235 f. 529   Vgl. Cicero, De divinatione 2, 87–98, wo deutlich wird, dass es sich um ein bestimmtes Genus der Divination handelt. 530   Vgl. Alesse, in: Panezio di Rodi, Testimonianze, 271 f.

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Man kann sich fragen, inwieweit die stoische Versöhnung der erklärenden Philosophie mit der kultischen Praxis durch eine interpretatio philosophica dem Selbstverständnis religiöser Menschen gerecht wird. Jedenfalls überrascht es nicht, dass die stoische Position bis heute teils als ›Aufklärung‹ (bzw. Rationalisierung),531 teils aber auch als Pantheismus oder gar als Atheismus, jedenfalls – da z. B. ein Gebet an ein feststehendes Schicksal nicht möglich und die Götter ja nur Naturgrößen seien – als religionsfeindlich532 gewertet wurde und wird. Tatsächlich zielt die stoische Theologie aber nicht primär auf eine Reinigung der etablierten Kulte von irrationalen Elementen ab, die von den Stoikern nicht berichtet wird; im Sinne der ›dreigeteilten Theologie‹, wie sie für die hellenistische Zeit typisch ist,533 wäre dies auch nicht unbedingt zu erwarten. Richtiger wird man wohl die Begründung und Rechtfertigung eines religiös geprägten Lebens in der Schule selbst und für ihre Anhänger als zentralen Teil des stoischen Programms ansehen, das zur Einheit einer philosophischen Richtung, die in vieler Hinsicht Raum für unterschiedliche Tendenzen lässt, wesentlich beiträgt.534 Mittelstoische Entwicklungen Die physischen Lehren der mittleren Stoiker bedeuten auch eine gewisse Weiterentwicklung in religiösen Fragen. Diogenes von Seleukeia fordert, entgegen der altstoischen Anerkennung der Mantik, namentlich für die Astrologie der Chaldäer (die ihm aufgrund seiner Herkunft sicher früh begegnet) nachprüfbare Bedingungen.535 Weitere Einschränkungen folgen: Panaitios und Boethos von Sidon (2. Jhdt. v.  Chr.) sehen die stoische Lehre vom Weltenbrand sowie im Falle des Panaitios die Mantik offenbar als nicht beweisbar bzw. relativ unwahrscheinlich an oder geben sie sogar ganz auf.536 Boethos’ Argument, der Weltenbrand dürfte nicht als ein Übergang vom Seienden ins Nicht-Seiende verstanden werden, ist je531   So die Übersetzung von »ἐντελής« in Cornutus, Epidrome 35 (76, 11 Lang), bei: L. A. Cornutus, ›Einführung in die griechische Götterlehre‹. Herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von P. Busch und J. K. Zangenberg, Darmstadt 2010, 157. 532   Vgl. z. B. schon Cicero, De natura deorum 1, 36 = SVF 1, 167; Galenus, De qualitatibus incorporeis 6 (19, p.  478 f. Kühn), der darauf hinweist, dass Zeus hiernach kein Schöpfer (ποιητής) der Welt sei. 533   Vgl. unten S. 399  f., 455. 534   Vgl. in diesem Sinne Jedan, Stoic Virtues, 157. 535   Cicero, De divinatione 2, 90, vgl. Panaetius, frg.  140 (Alesse). 536   Zweifel des Panaitios (und des Boethos von Sidon) über die Ewigkeit der Welt bezeugen Cicero, De natura deorum 2, 118 = Panaetius, frg.  130 (Alesse); Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 20 (1, p.  171, 5–7 Wachsmuth) = Panaetius, frg.  133 (Alesse); deren Ablehnung behaupten Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 76–78 (6, p.  96, 17–97, 15 Cohn  /  Reiter) = Panaetius, frg.  131 (Alesse); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 142 (528, 14 f. Marcovich = 557, 1184 f. Dorandi) = Panaetius, frg.  132 (Alesse). Zweifel an der stoischen Position zur Mantik bezeugt Cicero, De divinatione 1, 6 = Panaetius, frg.  137 (Alesse). Panaitios’ Ablehnung beider Punkte behauptet Epiphanius, De fide 9, 45 (GCS

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doch allenfalls eine Akzentverschiebung im Vergleich zur alten Stoa. Auch Posei­ donios zeigt keine einheitliche Tendenz: Er verteidigt die Mantik inklusive der Astrologie,537 doch scheint er mit einer Überordnung von Zeus gegenüber Natur und Schicksal538 eine klarere Transzendenzvorstellung in die Debatte zu bringen. Genauso wenig wie die ›dreigeteilte Theologie‹539 wird man dies jedoch als wesentliche Abweichung von der Schuldoktrin werten dürfen. Die aktuelle Forschung tendiert dazu, in solchen Positionen keine Aufgabe der stoischen Lehre zugunsten einer Gegenposition zu sehen, sondern Elemente einer methodisch reflektierten Urteilsenthaltung und Offenheit.540 Die flexibleren Formulierungen der mittleren Stoa sind aber wirkungsgeschichtlich bedeutungsvoll: Einerseits erleichtern sie die Annäherung der Stoa an andere philosophische Richtungen sowie an die zeitgenössische Naturwissenschaft; andererseits lassen sie zur Zeit des Aufkommens der jüdisch-christlichen Philosophie die Ewigkeit der Welt als die philosophische Position tout court erscheinen, was für deren Rezeption der griechischen Philosophie eine Herausforderung impliziert. Barbarenphilosophie und Judentum Eine Aufnahme der Idee einer Barbarenphilosophie ist für Poseidonios, der sich ja ganz allgemein mit Geographie und Ethnographie beschäftigt,541 durch Strabons Bericht über den thrakischen Stamm der Geten bezeugt: Deren Ansichten seien über einen Zamolxis auf Pythagoras zurückzuführen, der bei den Geten den König beraten habe und schließlich als Gott verehrt worden sei, so dass »die Bemühung um das Göttliche« bei ihnen zu loben sei.542 Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gehört diese Beschreibung in den Kontext einer Liste von Völkern, welche in vorbildlicher Weise den Gesetzen gehorchen.543 Das bedeutendste der hierher gehörenden Zeugnisse ist der Judentums-Exkurs des Strabon, der auch nach Meinung von dessen jüngstem Herausgeber »äußerst wahrscheinlich« dem Poseidonios zuzuschreiben, jedenfalls aber vom stoischen Gottesbild geprägt ist.544 Epiph. 3, p.  509, 7–9 Holl) = Panaetius, frg.  134 (Alesse). Zu Boethos vgl. R. Goulet, Boé­ thos de Sidon, in: DPhA 2 (1994), 123–125. 537   Augustinus, De civitate dei 5, 2; 5, 5 (CCL 47, p.  129, 2–130, 41; 133, 55–65 Dombart  /  Kalb) = Posidonius, frg.  111 (Edelstein  /  Kidd). 538   Vgl. oben S. 413. 539   Vgl. zu Versuchen der Zuschreibung dieser Lehre an Panaitios Steinmetz, Die Stoa, 653; zum Problem allgemein s. unten S. 455. 540   Vgl. Alesse, Panezio di Rodi, 219–254. 541   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 693 f. 542   Strabo, Geographia 7, 3, 4 f. (2, p.  297, 30–298, 12 Cobet) = Posidonius, frg.  277a (Edelstein  /  Kidd). 543   Diodorus Siculus, Bibliotheca 1, 94 (1, p.  172, 17–174, 12 Bertrac) = Posidonius, frg.  134 (Theiler) (nicht bei Edelstein  /  Kidd). 544   St. Radt, in: Strabons Geographika, herausgegeben von St. Radt, 8. Buch XIV–XVII. Kommentar, Göttingen 2009, 321. Für Weiteres s. unten S. 487  f.

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Philosophie, Politik und Gesetze545 Die Stoiker haben seit Zenon ein Interesse an politischer Theorie, wie sich vor allem in dessen ›Politeia‹ zeigt. Dieses Werk ist vor allem durch die kosmopolitische Formulierung, dass »alle Menschen Angehörige und Bürger« der einen Welt seien,546 sowie für das kynisch inspirierte Ideal einer gemeinsamen sexuellen Zugänglichkeit der Frauen für die Weisen bekannt,547 das dem Zusammenleben der Geschlechter in Platons ›Politeia‹ ähnelt. In der Antike wird dieses Werk scharf dafür, für seine Kritik am Bau öffentlicher Gebäude und Heiligtümer sowie für weitere Punkte angegriffen.548 Seine kulturkritischen549 Züge, die teils noch für Chrysipps gleichnamige Schrift bezeugt sind,550 bedeuten jedenfalls einen Rückzug von der theoretischen Diskussion real auffindbarer Verfassungstypen, wie man sie bei Platon und besonders bei Aristoteles findet. Es ist daher wahrscheinlich, dass Zenons ›Politeia‹ im Wesentlichen von einem utopischen Idealstaat der Weisen handelt, in dem Politik allein für diese möglich sei.551 Dagegen ist die These, er behandle nur deren mögliche Leistungen für reale Staaten,552 besser für spätere, mittelstoische Entwicklungen seit Diogenes von Babylon begründbar.553 Für die damit angedeutete weitere Entwicklung der Stoa gerade in politischen Fragen ist die Rolle des kosmischen bzw. natürlichen Gesetzes entscheidend, dass denjenigen der Einzelstaaten kontrastierend gegenübergestellt wird: Das Gesetz, dem alle zu gehorchen haben, ist demnach nichts anderes als das natürliche, ewige Gesetz des Kosmos selbst,554 das mit Zeus oder dem Schicksal identisch ist.555 Die Gesetze der einzelnen Staaten sind zu ihm »hinzu erfunden und dazugestellt« 545

  Hervorragende Übersicht: Forschner, Die Philosophie der Stoa, 245–269; vgl. weiterhin v. a. K. Vogt, Law, Reason, and the Cosmic City. Political Philosophy in the Early Stoa, Oxford 2008. 546   Plutarchus, De Alexandri Magni fortuna aut virtute 1, 6 (329ab) = SVF 1, 262. 547   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 131 (521, 14–16 Marcovich = 550, 1050– 1052 Dorandi). 548   SVF 1, 265–267. 549   Vgl. Steinmetz, Die Stoa, 522 f.; Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 568–607; die Gegenposition von Bees, Zenons ›Politeia‹, 263–269; sowie die wichtigen Klarstellungen bei Forschner, Die Philosophie der Stoa, 247 f. 550   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 131; 188 (521, 14–16; 559, 10–12 Marcovich = 550, 1050–1052; 590, 120–122 Dorandi). 551   So Philodemus, Rhetorica 3 (367, 19–30 Obbink  /  Vander Waerdt). 552   Vgl. D. Walter, Die ›Politeia‹ des Zenon von Kition. Über die Rollen der Normfiguren im Staat der Erziehung zur Tugend, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 72 (2018), 75–94, v. a. den Forschungsüberblick auf S.  77–80. 553   Vgl. Obbink  /  Vander Waerdt, Diogenes of Babylon, 359–365 und 369. 554   Marcianus, in: Iustiniani Institutiones 1, 1 (1, p.  11, 25 Mommsen) = SVF 2, 314. 555   Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis 9 (1035b) = SVF 2, 326. Hier wird die Tradition auf Chrysipp zurückgeführt, doch könnte dessen Name als Gründerfigur einfach die (angenommene) Schulmeinung repräsentieren.

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(παρεξηυρημένα καὶ προστεθειμένα) aufgrund des Charakters der einzelnen Völker, die aufgrund von Habgier und gegenseitigem Misstrauen »das als Gesetz einrichteten, wovon sie meinten, dass es den einmütigen Gruppen nutze« (τὰ δόξαντα σύμφερειν κοινῇ τοῖς ὁμογνώμοσιν ὁμίλοις ταῦτα νόμους ἐπεφήμισαν).556 Ciceros Theorie des Naturgesetzes als kritische Grundlage der Bewertung gerechter und ungerechter Einzelgesetze lässt sich wohl hierauf zurückführen.557 Politische Aktivität in einzelnen Staatswesen halten die Stoiker jedenfalls seit Diogenes von Babylon für eine Tätigkeit, die dem Weisen durchaus offensteht,558 und erlauben ihm auch das Zusammenleben mit einem Herrscher.559 Sie äußern sich auch zu politischen Einzelfragen und lehnen beispielsweise die Sklaverei ab.560 Gerade in derartigen konkreten politischen Meinungen zeigen sich seit dem 2. Jahrhundert allerdings bemerkenswerte Gegensätze: Während Sphairos, Antipatros von Tarsos und sein Schüler Blossius den altstoischen Gedanken der natürlichen Gemeinsamkeit aller Güter vertreten, die direkte Verpflichtung des Einzelnen durch das Naturrecht betonen561 und entsprechende Reformen (z. B. des Kleomenes und der Gracchen) unterstützen, verteidigen Diogenes von Babylon, Panaitios und Hekaton die Bedeutung rechtmäßig erworbenen Eigentums, womit sie sicherlich den Interessen ihrer Freunde aus der Oberschicht entsprechen.562 Es überrascht nicht, dass die politische Involvierung einzelner Stoiker häufig Kritik hervorruft, wenn etwa Persaios (offenbar vom Peripatetiker Hermippos) vorgeworfen wird, bei Antigonos »die höfische und nicht die philosophische Lebensweise gewählt zu haben« (τὸν αὐλικὸν οὐ τὸν φιλόσοφον ἡιρημένον βίον).563 Es gilt jedoch, zwischen einer derartigen Kritik von einem apolitischen philosophischen Standpunkt und einer Zurückweisung aus dem Blickwinkel einer gegenteiligen politischen Meinung zu unterscheiden, die ihrerseits realpolitische Bezüge hat.

556   Philo Alexandrinus, De Iosepho 29–31 (4, p.  67, 16–68, 9 Cohn) = SVF 2, 323; Cicero, Tusculanae disputationes 1, 108 = SVF 2, 322 (mit Nennung von Chrysipps Namen). 557   Welche von Arnim in SVF 2, 315–321 in Auszügen aufnimmt. 558   Philodemus, Rhetorica 3 (367, 17–19 Obbink  /  Vander Waerdt); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 121 (514, 21–515, 1 Marcovich = 543, 932–544, 933 Dorandi). 559   Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 189 (559, 19 f. Marcovich = 591, 129 f. Dorandi). 560   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 7, 122 (515, 11–14 Marcovich = 544, 942–944 Dorandi). Vgl. Forsch­ner, Die Philosophie der Stoa, 263 f. 561   Vgl. namentlich die Antipatros zugewiesene Formulierung bei Cicero, De officiis 3, 52: Debeas servire humanae societati, eaque lege natus sis et ea habeas principia naturae, quibus parere et quae sequi debeas, ut utilitas tua communis sit vicissimque communis utilitas tua sit. 562   So Hadot, Tradition stoïcienne et idées politiques, 162–179, v. a. mit Bezug auf Cicero, De officiis 3, 51–53. 563   Philodemus, Historia Stoicorum, col. XIII; XVI (p.  66; 68 Dorandi). Zu Hermippos vgl. J.-P. Schneider, Hermippe de Smyrne, in: DPhA 3 (2000), 655–658.

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Würdigung Der stoische Einfluss auf die Entwicklung der antiken Philosophie zeigt sich namentlich in der Form, welche die Philosophie bei ihnen annimmt: Besonders wichtig scheinen der konsequent durchgeführte Systemgedanke und die Konzeptualisierung der Philosophie in den drei Teilen Logik, Ethik und Physik, in denen andere Disziplinen entweder aufgenommen (Rhetorik) oder von denen sie abgegrenzt werden, so dass sie eindeutig nicht zur Philosophie gehören, die somit ein eigenständiges, abgegrenztes Profil erhält. Hier setzt die Stoa eine bereits bei Platon zu findende Tendenz fort, arbeitet jedoch die besondere Stellung der Philosophie stärker und kompromissloser heraus. Die Weisheitsdefinition ›Wissen über das Menschliche und Göttliche‹ wird die kaiserzeitliche Philosophie weithin und insbesondere (dank Ciceros) die lateinische durch die ganze Antike hindurch prägen. Die Weisheit ist für die alte Stoa vor allem ein theoretisches Ideal, das wesentlich eine intellektuelle Durchdringung des Systems einschließt, sich also, anders als bei Epikur, nur bedingt durch Memorieren erlernen lässt. Aufgrund dieser Perspektive ermöglicht das stoische Wissenskonzept offenbar auch persönliche Aktualisierungen und unterschiedliche Standpunkte in Einzelfragen v. a. politischer, aber wohl auch religiöser Art, wie sie ohne eine Auflösung der Schulidentität die ganze hellenistische Zeit hindurch zu beobachten sind. Insgesamt entsteht bei Epikureern und Stoikern gleichermaßen der Eindruck einer Prägung der individuellen Lebensmöglichkeiten durch theoretische Diskurse, während sich das stoische Verständnis von Philosophie als Logos-geleiteter Aktivität vom epikureischen Dogmatismus, der kynischen Praxis und dem skeptischen Zweifel gleichermaßen unterscheidet.564

6. Skepsis und Dogma: Die platonische Akademie von Arkesilaos bis Antiochos von Askalon565 Allgemeines  /  Historischer Überblick Um ca. 275 verändert der neue Scholarch Arkesilaos (315–240), ein Schüler des Polemon, die Lehrinhalte der platonischen Akademie grundlegend, so dass man bereits in der Antike mit ihm eine neue oder jüngere Akademie beginnen lässt.566 Möglicherweise angeregt von seinem zweiten Lehrer Theophrast und im Gegen564

  Vgl. zu dieser Einschätzung z. B. Forschner, Die stoische Ethik, 21995, 253–258.   Überblicksdarstellungen sind z. B. Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3, 191– 200 sowie W. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, hier 775–989. 566   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 779– 781. 565

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satz zu Polemons älterem Studenten Zenon von Kition, dessen schärfster Kritiker er wird, gibt er der platonischen Akademie eine aporetische Ausrichtung567 in der Tradition des dialogisch-sokratischen Philosophierens, die allerdings nicht einfachhin mit dem späteren Begriff ›Skeptizismus‹ bezeichnet werden kann.568 Jedenfalls bekämpfen die Akademiker den philosophischen Dogmatismus vor allem in seiner stoischen Form für knapp 200 Jahre.569 Ihren Höhepunkt erreicht die Ausarbeitung ihrer Position mit Karneades (ca. 213–128),570 dessen nur mündlich vorgetragene Lehren von seinen Schülern Kleitomachos (ca. 186–109), Metrodoros von Stratonikeia (fl. 110 v.  Chr.)571 und Philon von Larissa (ca. 158/54–85)572 unterschiedlich interpretiert werden. Akademische Lehrer außerhalb Athens gibt es z. B. in Larissa in Thessalien.573 Mit der Übersiedlung Philons nach Rom im Anschluss an die Zerstörung Athens durch Sulla endet die kontinuierliche Sukzession der Scholarchen seit Platon.574 Schon zu Philons Lebzeiten entwickelt sein Schüler Antiochos von Askalon (gest. ca. 68 v.  Chr.), der auch bei Angehörigen der mittleren Stoa studiert,575 wieder einen dogmatischen Platonismus, welchen er und sein Schüler Aristos in einer eigenen Schule in Athen vertreten.576 Es ist nicht ausgeschlossen, dass Antiochos für seine dogmatische Wende bereits auf Vorarbeiten Philons von Larissa zurückgreifen kann, doch suggerieren die Quellen eher eine andere Einschätzung.577 In den Kontext der Debatten, die Antiochos’ Position vorbereiten, gehört vielleicht 567

  Vgl. Glucker, The Athenian Philosophical Atmosphere, 303–309; Görler, Theophrastus, the Academy, Antiochus, and Cicero, 317–322; Guéraud, Zénon de Citium, 380 f. 568   Vgl. S.  Vezzoli, Arcesilao di Pitane. L’origine del platonismo neoaccademico, Turnhout 2016, 87 f. 569   Während die ältere Forschung einen Einfluss der platonischen Dialoge noch nicht sieht (vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 821– 824), wird dieser neuerdings detailliert herausgearbeitet: Vezzoli, Arcesilao di Pitane, Turnhout 2016, 87–140. 570   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 849– 897; T. Dorandi, Carnéade de Cyrène, in: DPhA 2 (1994), 224–226. 571   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 905 f.; T. Dorandi, Métrodore de Stratonicée, in: DPhA 4 (2005), 518. 572   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 915– 937. 573   Philodemus, Historia Academiae, col. XXXIII (p.  170 Dorandi). Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 915 f. 574   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 917 f. 575   Vgl. Barnes, Antiochus of Ascalon, 53 f.; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 939; T. Dorandi, Antiochos d’Ascalon, in: DPhA 1 (1994), 216–218, hier 217. 576   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 940– 945; Dorandi, Antiochos d’Ascalon, 216 f. 577   Vgl. dazu die Auseinandersetzung von Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 930–932, mit H. Tarrant, Scepticism or Platonism? The Philosophy of the Fourth Academy, Cambridge 1985, dessen These v. a. 13–21 und 62–65.

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auch ein auf Papyrus erhaltener, wohl ins 1./2. Jahrhundert zu datierender Kommentar zu Platons ›Theaitet‹, der sowohl das erste erhaltene Beispiel eines philosophischen Voll-Kommentars ist als auch den Übergang von skeptischer Akademie zu dogmatischem Platonismus illustrieren kann.578 In Antiochos’ Bemühen, eine einheitliche platonische Position unter Berücksichtigung aristotelischer und stoischer Argumente zu finden, lässt sich jedenfalls eine inhaltliche Nähe zum wohl vorwiegend in Alexandrien entstehenden Mittelplatonismus feststellen, ohne dass sich aber eine historische Kontinuität nachweisen ließe. Jedenfalls gehört dieser Neuansatz wie auch schon die neuere Akademie selbst in eine breitere mannigfaltige Strömung antiker Platonismen, die bereits in hellenistischer Zeit beginnt.579

Neue Akademie Grundlinien der Lehre Die neuere Akademie wendet sich mit zwei Argumentationssträngen gegen den Dogmatismus, den sie vor allem in der Gestalt der stoischen Erkenntnistheorie und Dialektik bekämpft:580 Einerseits hinterfragen die Akademiker allgemein die Annahme, es könne wahre Erkenntnis geben, wozu sie vorwiegend das stoische Wahrheitskriterium der »erfassenden Vorstellung« (καταληπτικὴ φαντασία) infrage stellen. Arkesilaos und Karneades versuchen zu zeigen, dass es keinen Fall gibt, in dem eine Vorstellung so klar ist, wie es die stoischen Kriterien für eine »erfassende Vorstellung« verlangen.581 Andererseits versuchen die Akademiker, die Unbewiesenheit einzelner dogmatischer Positionen aufzuweisen, indem sie alternative Argumentationswege für die Gegenposition vorführen, die nicht weniger überzeugend sind. Das ist die berühmte Disputation »für beide Seiten« (εἰς ἑκατέρα bzw. in utramque partem), bei der die Unentscheidbarkeit eines philosophischen Problems dadurch verdeutlicht wird, dass man nacheinander für zwei einander ausschließende Thesen argumen578   So besonders Tarrant, Scepticism or Platonism?; vgl. ferner D. Sedley, Plato’s auctoritas and the Rebirth of the Commentary Tradition, in: Barnes  /  Griffin (Hrsg.), Philosophia togata 2, Oxford 1997, 110–129, hier 114 mit Anm.  11 zur Stellung des Werkes in der wohl durch Krantor eröffneten Tradition der Platon-Kommentierung. Demgegenüber optiert z. B. F. Ferrari, Anonymus, ›In Platonis Theaetetum‹, in: GGPh 5, 1 (2018), 630–632, für eine Datierung ins 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. 579   Vgl. F. Renaud, Le projet platonicien d’une rhétorique philosophique et son rapport à la politique chez Ciceron, in: J.-B. Guillaumin  /  C. Lévy (Hrsg.), Plato Latinus. Aspects de la transmission de Platon en latin dans l’Antiquité. Turnhout 2018, 69–87, hier 70–72. 580   Die Grundzüge der Darstellung richten sich nach Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 796–811; 855–877. 581   Vgl. dazu oben S. 410  f. sowie in größerem Detail Steinmetz, Die Stoa, 530 f., 594 f.; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 854–858.

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tiert, die dadurch beide als nicht beweisbar dargestellt werden.582 Auf diese Weise begründet Karneades, als er 156/55 mit der Athener Philosophengesandtschaft in Rom weilt, an einem Tag die Annahme einer natürlichen, universalen Gerechtigkeit und widerlegt diese, zur Empörung der Römer, am folgenden Tag.583 Allerdings sind schon für Karneades Ansichten bezeugt, die er (wohl als wahrscheinlich) vertreten haben soll. Wenn er z. B. die stoische Verknüpfung aller Ursachen kritisiert, die nichts in unserer Macht stehen lasse, will er damit noch nicht – wie die Epikureer – zugestehen, dass es Ereignisse gebe, die spontan ohne vorausgehende Ursache entstünden. Vielmehr hält er, in einer allerdings aus der Überlieferung nicht mehr zu klärenden Weise, an der kausalen Verursachung von Handlungen fest, die aber keine durchgehenden Ursachenketten implizieren soll.584 Mit ihren Widerlegungen dogmatischer Ansichten rechtfertigen die Akademiker vor allem ihre allgemeinere Position, es gebe nichts, was sicher erfasst und gewusst werden könne,585 und fordern, sich allgemein aller Urteile zu enthalten (ἐποχή). Diese Lehrmeinung, die von Sextos Empirikos referiert wird, unterscheidet sich nach dessen Meinung von seiner eigenen pyrrhonischen Position dadurch, dass die jüngeren Pyrrhoneer wie er selbst sich als unaufhörlich Suchende verstehen, während sie den Akademikern eine gleichsam dogmatische Bejahung der Urteilsenthaltung (ἐποχή) vorwerfen.586 Bereits die Stoiker reagieren auf solche Überlegungen mit der Frage, ob jemand, der – wie die Akademiker – die Unmöglichkeit jeglicher absicherbaren Erkenntnis vertritt, nicht zur Untätigkeit gezwungen sei, also gar nicht mehr handeln könne.587 Um den demnach seiner Position drohenden performativen Selbstwiderspruch zu vermeiden, gesteht bereits Arkesilaos zu, der Skeptiker könne beim Handeln das ausführen, was ›wohlbegründet‹ (εὔλογον) sei.588 Karneades entwickelt diese Position dahingehend weiter, dass die Akzeptanz einer ›billigungswürdigen‹ bzw. ›wahrscheinlichen‹ (πίθανος, probabilis) Vorstellung für den Skeptiker jedenfalls in Handlungszusammenhängen

582   Cicero, De finibus 5, 10; Cicero, De oratore 3, 80. Die griechische Formulierung findet sich bei Galenus, De optima doctrina 40 (CMG 5, 1, 1, p.  92, 3 Barigazzi) = LS 68V; vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 28 (278, 3–8 Marcovich = 318, 2–7 Dorandi) = LS 68D. 583   Lactantius, Institutiones 5, 14, 3–5 = LS 68M. 584   Cicero, De fato 23–45. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 888 f. 585   Plutarchus, Adversus Colotem 24 (1120c) = LS 68H, § 1 f. 586   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 232–234 (1, p.  60, 29–16 Mutsch­ mann  /  Mau) = LS 68I; vgl. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 1 (1, p.  1, 1–12 Mutschmann  /  Mau). Vgl. unten S.  581. 587   Vgl. die stoische Formulierung des Problems bei Plutarchus, Adversus Colotem 26 (1122ab) = LS 69A,1. 588   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 158 (2, p.  38, 13–39, 24 Mutschmann) = LS 69B. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 807–811.

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möglich sei.589 Hieraus ergibt sich im stoischen Begriffsraster, welches Impulse (ὁρμαί) als rationale Zustimmungen (συγκαταθέσεις) versteht, die Schlussfolgerung, dass der Weise zwar kein Wissen, aber sehr wohl Meinungen haben bzw. ihnen zustimmen kann. Indem Karneades diese Formulierung zugesteht,590 entsteht der Eindruck, dass die Akademiker von seiner Zeit an (wiederum im Unterschied zum jüngeren Pyrrhonismus591) den Gegensatz von Wahr und Falsch nicht mehr grundsätzlich ablehnen. Philon von Larissa gesteht sogar Vorstellungen zu, die, »soweit es die Natur der Dinge angeht, erfassbar« sind (ὅσον ἐπὶ τῇ φύσει τῶν πραγμάτων αὐτῶν, καταληπτά), was sich aus ihrer Evidenz und Kohärenz (ἐνάργειά τε καὶ ὁμολογία) ergibt. Diese sind in seinen Augen wahrscheinlich und nicht im stoischen Sinn sicher,592 so dass er das Wissen als Erkenntniskriterium durch eine gewisse Plausibilität ersetzt, die zur Erkenntnis wie zum Handeln ausreiche.593 Seine Position, die diese beiden Punkte verbindet, wird von den Zeitgenossen als Widerspruch zur traditionellen Lehre der Akademie gesehen.594 Die moderne Forschung würdigt hingegen seine Bemühungen etwa als frühe Formulierung des ›Fallibilismus‹, welcher bestimmte Aussagen solange als wahr gelten lässt, wie sie nicht widerlegt sind,595 oder als Selbstaufhebung des Skeptizismus durch dessen konsequente Durchführung.596

589   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 166–189 (2, p.  40, 10–45, 13 Mutsch­ mann) = LS 69D; 69E. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 859–877. 590   Cicero, Lucullus 59; 67 = LS 69F; 69G. Zur Terminologie der stoischen Handlungsbeschreibung s. oben S. 410, 415  f. 591   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 232–234 (1, p.  60, 29–11 Mutsch­mann  / Mau) = LS 68I. 592   Die beiden wohl auf dieselbe Lehre zurückgehenden Formulierungen finden sich bei Numenius, De differentia Academicorum et Platonis (frg.  28, [p. 80, 6–8 des Places] = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 9, 2 [GCS Eus. 8, 2, p.  284, 16 f. Mras]) und bei Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 235 (1, p.  61, 20–23 Mutschmann  /  Mau) = LS 68T. 593   Cicero, Lucullus 18; 32 = 68U; 68R. 594   Es ist faktisch nur eine mögliche Sichtweise, die in den gerade zitierten Referaten berichtete(n) Lehre(n) als diejenige Position zu sehen, gegen die nach Cicero (Lucullus 11 f.) Antiochos von Askalon in seinem Werk ›Sosus‹ heftig polemisiert. Vgl. zu den Deutungen der genannten Texte in der Forschung Barnes, Antiochus of Ascalon, 71–74; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 922–926; R. Goulet, Philon de Larissa, in: DPhA 5a (2012), 404–438, hier 414–424. 595   Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 920– 926; Goulet, Philon de Larissa, 425–427 zu Strijker und Brittain als Vertretern einer »fallibilistischen« Deutung des späten Philon. 596   Vgl. Hösle, Wahrheit und Geschichte, 664 f.

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Philosophieverständnis Die grundsätzliche Ablehnung der Zustimmung zu Meinungen gilt den Akademikern, quasi als negative Formulierung der stoischen Annahme, als Inbegriff der Weisheit, weswegen sich Arkesilaos und Karneades zufolge der Weise durch vollständige Urteilsenthaltung (ἐποχή) auszeichnet,597 wobei er die primären Güter des Lebens durchaus (offensichtlich ohne ein Wahrheitsurteil) verfolgen darf.598 Auch der Philosophiebegriff der Akademiker erweist sich so als erkenntniskritische Deutung einer ursprünglich stoischen Formulierung. Bedeutsam ist Karneades’ von Cicero referierte Einteilung der philosophischen Richtungen nach möglichen und real vertretenen Lebenszielen (divisio Carneadea), die auch einen zentralen Punkt doxographischer Darstellungen bestimmter Lehren bildet:599 Jede »Lebensfertigkeit« (ars vivendi  /  ars vitae = τέχνη περὶ τὸν βίον?) sei wie jede andere Fertigkeit durch ihr Ziel definiert, also auch die Philosophie. Deswegen gebe es sechs mögliche Philosophien, die sich entweder um das bloße Anstreben oder das Vermeiden von a) Freude  /  Lust (voluptas), b) Schmerzfreiheit oder c) das von Natur aus Primäre (prima naturae) drehten, oder darum, eines dieser drei möglichen Ziele als in sich gut (honestum) anzustreben, selbst wenn es unerreichbar sein sollte; auch Mischkonzeptionen seien möglich und kämen vor.600 Dieser Entwurf beeinflusst nicht nur Cicero und Varro, sondern ist vielleicht die bedeutendste metaphilosophische Klassifizierung, die in der Antike entwickelt wird. Die skeptische Tendenz der Akademiker schließt in ihren Augen offenbar eine Anleitung zum guten Leben nicht vollständig aus: Philon von Larissa jedenfalls entwickelt eine Aufteilung des »Diskurses der Philosophie« (τοῦ κατὰ φιλοσοφίαν λόγου), der sich an der Heilung der Seele orientiert: Analog zur medizinischen Behandlung müsse auch die philosophische mit einer Werbung (προτρεπτικός) beginnen, dann folge als zweiter, therapeutischer Schritt die Angabe der Mittel auf dem Wege zur Gesundheit, also vor allem der Tugenden, und schließlich als dritter eine Behandlung der Gesundheit selbst, also der Lehre von der Eudaimonie, bei der zwischen allgemeinen Ratschlägen für alle Menschen und solchen für den Weisen zu unterscheiden sei.601 Inwieweit Philon derartige Maßnahmen prak597   Cicero, Lucullus 66 = LS 69G; Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 232– 234 (1, p.  60, 29–12 Mutschmann  /  Mau). Vgl. Augustinus, Contra Academicos 2, 11 (CCL 29, p.  24, 2–9 Green) = LS 68P und dazu Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 807. 598   Cicero, De finibus 5, 19. 599   Vgl. dazu unten S. 454  f. 600   Cicero, De finibus 5, 16–21. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 878–881 zu den Details. 601   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  39, 20–41, 26 Wachsmuth); vgl. auch Numenius, De differentia Academicorum et Platonis (frg.  28 [p. 80, 2–4] des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 9, 1 (GCS Eusebius 8, 2, p.  284, 11 f.) sowie zur Deutung

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tiziert, wissen wir nicht, doch mögen sie – wie seine Zuwendung zur Rhetorik – eine Reak­tion auf die praktischen Bedürfnisse seiner römischen ›Kunden‹ sein.

Verhältnis der Philosophie zu Religion, Rhetorik und Fachwissenschaften Die Akademiker wenden sich sowohl gegen die traditionellen als auch gegen die philosophischen Gottesvorstellungen. Karneades stellt hierzu zahlreiche Argumente zusammen, welche auf Grundlage einer Niederschrift durch Kleitomachos von Sextos Empirikos und Cicero referiert werden.602 Sie weisen in verschiedener Weise die Widersprüchlichkeit überlieferter Aussagen aus den diversen Kulten bzw. deren stoischer und epikureischer Deutung auf, z. B. dass sich etwas Unendliches nicht bewegen kann, wie es aber der traditionelle Gottesbegriff annehmen müsse.603 Als Reaktion gegen die Widersprüchlichkeiten körperlicher und anthro­ po­morpher Gottesvorstellungen treffen diese Argumente die philosophischen Vorstellungen der Zeit, während transzendent-unkörperliche Gottesvorstellungen, wie sie im Christentum und Platonismus verbreitet sind, noch nicht im Blick sind. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Akademiker ihre skeptischen Bemühungen als Zurückweisung der Behauptungen von Menschen ansehen, welche sich selbst zu Unrecht das Wissen transzendenter Gottheiten zuschreiben: »Arkesilaos behauptete, für Gott allein sei das Wahre erreichbar, für den Menschen hingegen nicht«.604 Wenn man solche Belege zum Ausgangspunkt einer Gesamtbewertung der hellenistischen Akademie heranzieht, dann erscheint die akademische Skepsis als von einer theologischen Variante des wissenden Nichtwissens motiviert, was freilich insofern sehr zweifelhaft ist, als es einen späteren platoni-

grundsätzlich Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 926 f. Stobaios referiert möglicherweise nur den auf die Ethik bezogenen Teil der Philosophieeinteilung des Philon. Für die genaue Einteilung, die Philon hier vorschwebt, liegen verschiedene Vorschläge vor, die bei B. Koch, Philosophie als Medizin für die Seele. Untersuchungen zu Ciceros ›Tusculanae disputationes‹, Stuttgart 2006, 51–54, summarisch dargestellt sind. 602   Bei Sextos Empirikos scheint der ganze Abschnitt Adversus mathematicos 9, 148– 190 (2, p.  247, 12–254, 21 Mutschmann) auf Karneades  /  Kleitomachos zurückzugehen, wobei insbesondere der Beginn des Referats unklar ist. Viele Parallelen finden sich in Cicero, De natura deorum 3, 39–52, wo v. a. das Ende des Referats unklar ist. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 884–886. 603   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 148–150 (2, p.  247, 12–33 Mutschmann). 604   Ἀρκεσίλαος ἔφασκε τῷ θεῷ ἐφικτὸν εἶναι μόνῳ τὸ ἀληθές, ἀνθρώπῳ δὲ οὔ. Arcesilaus, frg.  132 (Vezzoli) = Epiphanius, De fide 9, 33 f. (GCS Epiphanius 3, p.  508, 1–3 Holl). Vgl. mit Namensnennung ferner Arcesilaus, frg.  120 (Vezzoli) = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 4, 15 (GCS Eus. 8, 2, p.  268, 1–5 Mras). Für weitere Belege s. H.-J. Krämer, Platonismus und hellenistische Philosophie, Berlin  /  New York 1971, 52 f. Anm.  209.

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schen Blickwinkel auf die Neuere Akademie zu projizieren scheint.605 Doch passt es zu einer solchen Annahme, dass die Akademie auch in ihrer skeptischen Phase offenbar rationale Erklärungen von Gottesvorstellungen praktiziert.606 Obwohl das akademische Prinzip, verschiedene Standpunkte zu verteidigen, um einen absoluten Wahrheitsanspruch zurückzuweisen, eine Nähe zur Rhetorik besitzt,607 weisen die Akademiker selbst dies zurück. Ihr Ziel besteht, wie bei allen Philosophen, in der Annäherung an die Wahrheit selbst bzw. die Begründung von gerechten Regelungen des Staatswesens. Derartige Argumente treten in den von Sextos Empirikos und Cicero bezeugten antirhetorischen Stellungnahmen des Kleitomachos und seines Nachfolgers Charmadas zutage, welche darauf insistieren, dass die Rhetorik aufgrund ihrer Verwerflichkeit von vielen Orten vertrieben worden sei.608 Erst in Rom zeigt sich Philon von Larissa in seinen letzten Lebensjahren konzilianter und gibt selber rhetorischen Unterricht,609 was eine gewisse Basis für die Annäherung beider Größen durch seinen Hörer Cicero bietet.

Würdigung Fachphilosophisch betrachtet ist die jüngere Akademie eine Position mit vielen Stärken, wozu insbesondere ihre Skepsis gegenüber absoluten Wahrheitsansprüchen, ihre Offenheit für eine Pluralität von argumentativ beweisbaren Positionen sowie die Annahme wahrscheinlicher bzw. plausibel scheinender Positionen als Handlungsgrundlage zählen. Faktisch führt jedoch ihre letztlich dogmatisch vorgetragene aporetische Haltung zu einer relativ geringen Anschlussfähigkeit für andere Fachkulturen im Vergleich zu den Begrifflichkeiten und Theorien der Stoa, deren Terminologie auch weithin die akademischen Argumente selbst prägt. Bemerkenswert ist allerdings die Nähe zu akademischen Prinzipien in der etwa gleich alten empirischen Medizin. Darüber hinaus ist die langsame Öffnung der Akademie für positive Aussagen eine Vorbedingung für den Wiederaufschwung platonischer Positionen, der im Westen durch Cicero und im Osten durch den Mittelplatonismus eintritt.

605   Ausführliche Begründung bei Krämer, Platonismus und hellenistische Philosophie, 52–54; zur Kritik dieser These Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 823 f. 606   Vgl. J. Opsomer, In Search of the Truth. Academic Tendencies in Middle Platonism, Brüssel 1998, 232 (mit weiterer Literatur). 607   Vgl. Tornau, Rhetorik, 12. 608   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 2, 20 (3, p.  87, 25–31 Mau); Cicero, De oratore 1, 85–92. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 904, 908. 609   Cicero, Tusculanae disputationes 2, 9; Cicero, De oratore 3, 110. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 928.

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Eine dogmatische und inklusive Wendung: Antiochos von Askalon610 Philosophische Arbeit Aus welcher Motivation heraus sich Antiochos von der jüngeren Akademie trennt und den Namen ›Alte Akademie‹ für seine Schule beansprucht,611 ist vermutlich nicht abschließend zu klären. Jedenfalls gehört sein dogmatischer platonischer Ansatz, der sich vor allem aus Cicero relativ zuverlässig rekonstruieren lässt,612 in den breiteren Strom einer Annäherung platonischer, stoischer und aristotelischer Lehren um 100 v.  Chr.613 Inhaltlich wendet er gegen den Skeptizismus seiner Lehrer – übrigens nicht unähnlich der Kritik der Pyrrhoneer – ein, für sie sei die Regel, dass nichts zutreffend erkannt werden könne, selbst ein Dogma, womit sie sich selbst widersprächen.614 Antiochos selbst behandelt in ausdrücklichem Anschluss an peripatetische und platonische Motive wieder alle Gebiete der Philosophie, jedoch so, dass er weithin stoischen Vorlagen folgt.615 Seine berühmteste ›eigene‹ Position ist die ursprünglich peripatetische Meinung, die Tugend sei das höchste Gut, aber im Vollsinn erst dann, wenn sie durch weitere Güter flankiert werde.616 Diese Ansicht soll Antiochos durch ›karneadische Einteilungen‹ der Glücksbegriffe erreicht ­haben.617 Dass er bereits (wie die Mittelplatoniker) die Ideenlehre aufgreift, ist zumindest zweifelhaft.618

610   Vgl. allgemein Glucker, Antiochus and the Late Academy; Tarrant, Scepticism or Platonism, 89–114; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 938–980; Barnes, Antiochus of Ascalon, 51–96. 611   Cicero, Academica 1, 13; 1, 70. 612   Vgl. Barnes, Antiochus of Ascalon, 65–68. 613   Vgl. Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, 426. 614   Cicero, Lucullus, 29. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 953. Positive Würdigung bei Hösle, Wahrheit und Geschichte, 666 f. 615   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 235 (1, p.  61, 25–27 Mutschmann  /  Mau); Cicero, Lucullus 16. Vgl. Barnes, Antiochus of Ascalon, 81–83; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 948–953. 616   Cicero, De finibus, 5, 64–70. Vgl. auch Varro, De philosophia, frg.  5, l. 12–15 (Langenberg) = Augustinus, De civitate dei 19, 3 (CCL 48, p.  663, 44–49 Dombart  /  Kalb). Vgl. Barnes, Antiochus of Ascalon, 86–89. 617   Cicero, De finibus 5, 8; 5, 16. Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 955–958. 618   Vgl. Barnes, Antiochus of Ascalon, 95 f.

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Die hellenistische Epoche

Begriff und Einteilung der Philosophie Für Antiochos’ Philosophieverständnis ist die Rede seines Anhängers Varro von großer Bedeutung, die Cicero in den ›Academica‹ darstellt. Hier wird geschildert, wie Sokrates nach den Schriften Platons die Philosophie von der Naturbetrachtung weg und zum gemeinsamen Leben hin geführt habe.619 Auf der Autorität (auctoritas) Platons »wurde dann die eine und in zwei Bezeichnungen übereinstimmende Form der Philosophie der Akademiker und Peripatetiker eingerichtet, die sich, während sie in den Dingen übereinstimmten, in den Bezeichnungen unterschieden«.620

Von hier aus hätten Aristoteles und Xenokrates im Sinne Platons und unter Aufgabe der sokratischen Zweifel »eine bestimmte Fertigkeit der Philosophie, eine Ordnung der Dinge und eine Beschreibung der Lehre« (ars quaedam philosophiae et rerum ordo et descriptio disciplinae) entwickelt.621 Diese habe »einen dreifachen Gehalt des Philosophierens eingeführt, einen über Leben und Sitten, einen über die Natur und die verborgenen Dinge, einen dritten über das Argumentieren, der beurteilt, was wahr, was falsch, was in der Rede richtig und was unrichtig ist, was übereinstimmt und was widerspricht«.622

Dieser historische Kurzabriss zeigt, wie Antiochos seinen Begriff von Philosophie durch eine deutende Erzählung ihrer Geschichte konstruiert. Die Darstellung ist offensichtlich interessegeleitet, wie beispielsweise die kühne Behauptung zeigt, Xenokrates und Aristoteles hätten in bester sachlicher Einheit die eine Philosophie Platons vertreten.623 Tatsächlich prägen weithin stoische Einflüsse das Referat, zum Beispiel, wenn die Philosophie als ›Fertigkeit‹ (ars = τέχνη) bzw. als ›Übung  /  Lehre‹ (disciplina, wohl = ἄσκησις) beschrieben wird. Das gilt auch für die Dreiteilung der Philosophie in Ethik, Physik und Logik, die man wohl kaum allein auf Grundlage dieses Berichtes zuversichtlich auf Aristoteles und Xenokrates zurückführen kann.624 Antiochos geht es offensichtlich darum, die drei Teile in 619

  Cicero, Academica 1, 16.   Platonis autem auctoritate […] una et consentiens duobus vocabulis philosophiae forma instituta est Academicorum et Peripateticorum, qui rebus congruentes nominibus differebant. Cicero, Academica 1, 17. 621   Cicero, Academica 1, 17. 622   Fuit ergo iam accepta a Platone philosophandi ratio triplex, una de vita et moribus, altera de natura et rebus occultis, tertia de disserendo et quid verum quid falsum quid rectum in oratione pravumve quid consentiens quid repugnet iudicando. Cicero, Academica 1, 19. 623   Vgl. zum Verständnis dieser Position Barnes, Antiochus of Ascalon, 78–81. 624   Das gleiche gilt m. E. für den eng verwandten, deutlich jüngeren Text Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 16 (2, p.  5, 25–6, 2 Mutschmann). Vgl. dagegen Krämer, Die ältere Akademie, 46 f., und Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 949, die freilich weitere mögliche Belege hinzunehmen. Vgl. dazu oben S. 426  f. 620

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Glücksstreben, System und Zufall: ­Die Philosophenschulen

ihrer Vollständigkeit auf Platon zurückzuführen, um so die Stoiker, von denen im Anschluss berichtet wird, in dessen Tradition einzureihen. Bemerkenswert ist allerdings die Reihenfolge Ethik, Physik, Logik, die unter den Stoikern ungewöhnlich ist. Sie erschließt sich vielleicht durch eine Stelle bei Diogenes Laertios, der zufolge Platon selbst zur Physik (Vorsokratiker) und Ethik (Sokrates) die Logik hinzugefügt und so die Philosophie vervollständigt habe.625 Diese Darstellung, deren historische Methode an Antiochos erinnert, lässt vermuten, dass die Endstellung der Logik auch bei Antiochos letztlich das Ergebnis einer historischen Erklärung ist, selbst wenn man diese Endstellung später im Mittelplatonismus mit der besonderen Rolle der platonischen Dialektik als Ziel des philosophischen Bemühens erklärt.626

Würdigung Ciceros Berichte über das Werk des Antiochos erlauben einen Blick in die Anfänge der Übergangsphase von der jüngeren Akademie zum Mittelplatonismus, ohne dass bei Antiochos schon eine durchgängig platonische Systematik erkennbar wäre, wie sie dort begegnet. Bemerkenswert ist die pointierte Harmonisierung zwischen Platon, Xenokrates, Aristoteles und der Stoa, welche wohl auch den Hintergrund für die Aufnahme der Dreiteilung der Philosophie in Ethik, Physik und Logik in platonisch-aristotelische philosophische Ansätze liefert. Mit all diesen Punkten beeinflusst Antiochos in einer nicht mehr exakt rekonstruierbaren Weise sowohl den Mittel- und indirekt den Neuplatonismus als auch Cicero und indirekt die lateinische Tradition.

625   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 56 (226, 14–17 Marcovich = 272, 619–622 Dorandi). Zur Nähe beider Berichte vgl. Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, 426. Nach L. Brisson, Diogène Laërce, Livre III, in: ANRW 2, 36, 5 (1992), 3619–3760, hier 3708 f. ist dieser Passus von Thrasyllos abhängig, wonach das Ende des 1. Jahrhunderts n.  Chr. der terminus post quem des Berichts wäre. Für weitere Belege vgl. auch Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments, 61–63; 65 f. 626   S. unten S.  549  f.

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IV. Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom

1. Allgemeines  /  Historischer Überblick Die Ankunft der Philosophie in Rom ist nicht nur ein kulturhistorisch bedeutendes Ereignis,1 sondern auch für die Entwicklung des Philosophiebegriffs kaum zu überschätzen. Schließlich handelt es sich um die erste umfassende Übertragung des zeitgenössischen philosophischen Diskurses in eine andere Sprache, die sich zudem frühzeitig in formal wie inhaltlich eigenständigen Texten realisiert, die auch eine Übersetzung der Fachterminologie vornehmen. Die erste Reinkulturation der Philosophie weist also rasch eine beträchtliche Dynamik auf. Um abschätzen zu können, wie sehr der philosophische Diskurs durch die Leistungen von Lukrez, Cicero, Varro und anderen Autoren gewinnt, genügt es bereits, sich die Konnotationen lateinischer Begriffe wie ›ratio‹ (Vernunft) oder ›liberum arbitrium‹ (freie Entscheidung)2 im Vergleich mit ihren griechischen Vorbildern ›­Logos‹ und ›selbstbestimmt‹ (αὐτεξούσιον) bzw. ›von uns abhängig‹ (ἐφ’ ἡμῖν) sowie den Einfluss dieser Begrifflichkeiten vor Augen zu halten. Für die Philosophie gibt es im Lateinischen neben den griechischen Fremdwörtern à la ›philosophia‹ und ›philosophari‹ – zum ersten Mal vielleicht beim Dichter Ennius um 200 v.  Chr.3 – mit ›Weisheit‹ (sapientia), einen weiteren, allerdings ambivalenten Terminus. Dadurch verschwimmen die Konturen der Philosophie, die sich im Griechischen inzwischen klar herausgeprägt haben, ein Stück weit, da im Lateinischen nicht immer klar ist, ob tatsächlich von Philosophie im eigentlichen Sinne die Rede ist. Der terminologischen Unschärfe entspricht auch eine sachliche, insofern es in der lateinischen Antike ›Philosophenschulen‹ sowie philosophische Fachtexte nach griechischem Muster kaum gibt,4 so dass die Philosophie als solche im lateinischen Raum als geistiger Inhalt und als Kompetenzgebiet von primär politisch aktiven Einzelpersönlichkeiten wie Cicero und Seneca durchaus präsent ist, institutionell aber und auch im Bewusstsein der Römer ein griechisches Phänomen bleibt, dessen teils kritische Herangehensweise auch als problematische Herausforderung für die eigene Tradition und Sitte (mos maiorum) empfunden wird.5 1

  Vgl. schon R. Harder, Die Einbürgerung der Philosophie in Rom, in: Die Antike 5 (1929), 291–316. 2   Zum Ursprung dieses Terminus s. unten S. 571, 655. 3   Cicero, Tusculanae disputationes 2, 1. 4   Die einzigen Ausnahmen bilden die Sextier (s. unten S. 567 f.) sowie einzelne Stoiker wie Blossius oder Musonius Rufus. 5   Vgl. zu diesem Punkt M. Erler, Römische Philosophie, in: F. Graf (Hrsg.), Einleitung in die lateinische Philologie, Stuttgart  /  Leipzig 1997, 537–598, hier 537–544.

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Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom

Historisch ist die Einbürgerung der Philosophie in Rom, wie oben geschildert,6 ein längerer Prozess,7 der nach zaghaften Anfängen schließlich die späthellenistische Philosophie in ihrem Kern beeinflusst. Dies manifestiert sich in einer ganzen Reihe philosophischer Texte, die schon recht früh einsetzen:8 Schon um die Wende zum 1. Jahrhundert v.  Chr. verfassen Amafinius und Rabirius epikureische Traktate, denen in der Mitte desselben Jahrhunderts Catius Insuber (gest. 45 v.  Chr.) sowie Lukrez’ ›Über die Natur der Dinge‹ (›De rerum natura‹) folgen.9 Wohl etwas später beginnt der Freundeskreis um M. Iunius Brutus,10 Cicero und Varro, philosophische Einleitungswerke zu verfassen, die sich nicht eng einer Schule zuordnen lassen und somit auf eine Akzeptanz des Kulturguts Philosophie als Ganzes abzielen. Ihre für die Öffentlichkeit bestimmten Werke weisen anders als griechische Fachtexte eine attraktive literarische Form etwa als Lehrgedicht (Lukrez) oder Dialog (Cicero, Brutus, ›De iure civili‹) auf.11 Auch inhaltlich erhält die lateinische Philosophie ein durchaus eigenes Gepräge, da dank der genannten Autoren der stoische und epikureische Einfluss in der klassischen Epoche lateinischen Philosophierens wesentlich prägender bleibt als in der sich rasch weiterentwickelnden griechischen Philosophie.

2. Marcus Terentius Varro Ein Schüler des Antiochos von Askalon ist M. Terentius Varro (116–27 v.  Chr.)12 aus vornehmer römischer Familie, der seine Lebenszeit zwischen politischer und schriftstellerischer Aktivität aufteilt. Erstere endet wohl 48 v.  Chr. mit der Niederlage des Pompeius, doch bleibt Varro auch unter dem Schutz Caesars bis 43 schriftstellerisch tätig.13 Für Hieronymus ist Varro, dessen wichtigste philosophische Werke erst nach Ciceros Tod erscheinen, einfachhin ein ›Philosoph‹.14 Aus 6

  Vgl. oben S. 345–347.   Zum folgenden Überblick vgl. M. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, Berlin  /  Boston 32012, 412–425. 8   Vgl. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, 423 Anm.  2. 9   Vgl. Erler, Die Schule Epikurs, 365 f. 10   Vgl. M. Ducos, Brutus (M. Iunius), in: DPhA 2 (1994), 139–141; Görler, Älterer Pyr­ rho­nismus – Jüngere Akademie – Antiochos von Askalon, 969 f. 11   Vgl. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, 425–427. 12   Überblicksdarstellungen bei Th. Tarver, Varro and the Antiquarianism of Philosophy, in: Barnes  /  Griffin (Hrsg.), Philosophia togata 2. Plato and Aristotle at Rome, Oxford 1997, 130–164; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 971– 975, und v. a. R. Goulet  /  Y. Lehmann, Varro (Marcus Terentius), in: DPhA 7 (2018), 94–133. 13   Vgl. den Überblick bei K. Sallmann, Varro Terentius, M. (Reatinus), in: Der Neue Pauly 12, 1 (2002), 1130–1144. 14   Hieronymus, Chronica ad annum 28 a. Chr. (GCS Eus. 7, p.  164, 3 f. Helm). Vgl. Goulet  /  Lehmann, Varro (Marcus Terentius), 108, 110 f. 7

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seinem umfangreichem Schrifttum, das sich den verschiedensten Fachgebieten widmet,15 sind vor allem ›Über die Philosophie‹ (›De philosophia‹) sowie die Ausführungen zur ›dreigeteilten Theologie‹ der Dichter, Philosophen und des Kultes aus den ›Altertümern der göttlichen Dinge‹ (›Antiquitates rerum divinarum‹) für den Philosophiebegriff für das Philosophieverständnis einschlägig. Die vor allem in Augustinus’ ›Gottesstaat‹ erhaltenen Reste beider Werke zeigen deren breite Anlage und systematische Struktur.

Philosophiebegriff In ›Über die Philosophie‹ (›Liber de philosophia‹)16 geht Varro, wie wohl schon Aristoteles in seinem gleichnamigen Werk, von einem Überblick über philosophische Positionen aus,17 aber er unterscheidet in einer umfangreichen, systematisch strukturierten Ausarbeitung karneadischer Einteilungen nicht weniger als 288 Möglichkeiten, das letzte Ziel gemäß der Philosophie zu beschreiben, 18 um die Grundoptionen schließlich auf vier zu verengen: Lust (voluptas), Ruhe (quies), Lust und Ruhe sowie »das erste Naturgemäße« (prima naturae), die entweder wegen der Tugend, wegen des Wissens oder wegen beider anzustreben seien.19 Die kynische Lebensweise und die akademische Skepsis werden nicht zu den positiven Entwürfen der Philosophie gerechnet, weil sie aufgrund ihrer Skepsis bzw. ihrer gewohnheitsorientieren Lebensweise nicht nach einem zuverlässig begriffenen letzten Gut (finis boni) strebten, was für wahre Philosophie erforderlich sei.20 Varro selbst schließt sich offenbar Antiochos an, insofern dieser für eine Mischung aus aktivem und kontemplativem Leben plädiert,21 differenziert dessen Konzeption aber weiter aus: Ein Leben mit den für die Tugend notwendigen nicht-tugendhaften Gütern sei selig (beata), eines zusätzlich mit einigen nicht-not-

15

  Vgl. die Schriftenübersicht in Goulet  /  Lehmann, Varro (Marcus Terentius), 98–106.   Fragmentensammlung: M. Terenti Varronis Liber de philosophia. Ausgabe und Erklärung der Fragmente, von G. Langenberg, Dissertation Köln 1959. Vgl. Tarver, Varro and the Antiquarianism of Philosophy; Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 971–974; Goulet  /  Lehmann, Varro (Marcus Terentius), 127–129. 17   Vgl. oben S. 295. Zum möglichen Verhältnis beider Werke vgl. Tarver, Varro and the Antiquarianism of Philosophy, 146–148. 18   Varro, De philosophia, frg.  1 (Langenberg) = Augustinus, De civitate dei 19, 1 (CCL 48, p.  657, 26–31 Dombart  /  Kalb). 19   Varro, De philosophia, frg.  2, 10–13 (Langenberg) = Augustinus, De civitate dei 19, 1 (CCL 48, p.  658, 43–48 Dombart  /  Kalb). 20   Varro, De philosophia, frg.  3, 9–43 (Langenberg) = Augustinus, De civitate dei 19, 1 (CCL 48, p.  659, 116–660, 152 Dombart  /  Kalb). 21   Varro, De philosophia, frg.  5, 12–16 (Langenberg) = Augustinus, De civitate dei 19, 3 (CCL 48, p.  663, 71–76 Dombart  /  Kalb). 16

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Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom

wendigen seliger (beatior) und eines mit allen Gütern am seligsten (beatissima).22 Trotz der scheinbaren Skurrilität der Darstellung lässt diese eine systematische Struktur sowie die Faszination und Akribie erkennen, welche die hellenistischen Philosophie-Ideale bei einigen gebildeten Lateinern herausfordern.

Philosophie, Fachwissenschaften und Religion In seinen ›Altertümern‹ referiert Varro die ihm offenbar aus anderen Quellen bekannte Theorie einer »dreigeteilten Theologie« (theologia tripartita), bei der die philosophische Theologie von einer poetisch-mythischen und einer bürgerlichen, d. h. politisch-kultischen, unterschieden wird.23 Die philosophische Theologie beschäftige sich rational mit den Fragen, wer, wo und wie die Götter sind, was freilich eher für das Innere der Schule als für die öffentliche Erörterung bestimmt sei.24 Obwohl nach dieser Lehre rationale Überlegungen einen essentiellen Bestandteil des theologischen Diskurses darstellen, schließt sich Varro, zum Missfallen des Berichterstatters Augustinus,25 einer Tendenz an, diese aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Nach G. Lieberg26 legt Varro in dieser Passage ein Strukturprinzip antiken Denkens seit Epikur offen, informiert also über den Status einer philosophischen Theologie in den Augen der Zeitgenossen. So verstanden, ermöglicht Varros Bericht nicht nur das Verständnis der jüdisch-christlichen Kritik an einem Verschweigen der Wahrheit über das Göttliche durch die Philosophen,27 sondern verdeutlicht ein Modell, mit dem die philosophische Rationalisierung und Kritik der Religion, womöglich durch Philosophen, in der hellenistischen Gesellschaft verortet wird, ohne deren Abläufe zu gefährden. Eine große Bedeutung wurde in der Forschung gelegentlich Varros ›Neun Büchern der Disziplinen‹ (›Disciplinarum libri IX‹) beigemessen, aus denen Cassiodor einen an Zenon erinnernden Vergleich der Dialektik mit der zusammenge22

  Varro, De philosophia, frg.  4, 35–40 (Langenberg) = Augustinus, De civitate dei 19, 3 (CCL 48, p.  663, 41–45 Dombart  /  Kalb). Vgl. Görler, Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, 973; Goulet  /  Lehmann, Varro (Marcus Terentius), 129. 23   Varro, Antiquitates rerum divinarum, frg.  7 (Cardauns) = Augustinus, De civitate dei 6, 5 (CCL 47, p.  171, 9–17 Dombart  /  Kalb); Parallelen: B. Cardauns, M. Terentius Varro, in: Antiquitates rerum divinarum 2 (1976), 140 f. Zur Bedeutung dieser Lehre vgl. Goulet  /  Lehman, Varro (Marcus Terentius), 121–124. 24   Varro, Antiquitates rerum divinarum, frg.  8 (Cardauns) = Augustinus, De civitate dei 6, 5 (CCL 47, p.  171, 23–29 Dombart  /  Kalb). 25   Augustinus, De civitate dei 6, 5 (CCL 47, p.  171, 33–35 Dombart  /  Kalb). 26   Vgl. Lieberg, Die theologia tripertita als Formprinzip antiken Denkens, 25–53; vgl. auch die Kritik des Autors an der bisherigen Forschung: G. Lieberg, Die theologia tripertita in Forschung und Bezeugung, in: ANRW 1, 4 (1973), 63–115. 27   S. unten S. 624.

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zogenen Faust und der Rhetorik mit der offenen Hand zitiert.28 Ob dieses Werk etwas mit dem viel späteren lateinischen Kanon der sieben freien Künste zu tun hat, muss in Anbetracht der Quellenlage offenbleiben.29

Würdigung Obwohl Varro als Philosoph heute ganz im Schatten seines besser erhaltenen Freundes Marcus Tullius Cicero steht, hat er doch auf zwei Ebenen eine eigenständige Bedeutung: 1) In seinem engeren Kontext ist er, ebenso wie Cicero, ein weiterer Zeuge der Rezeption von Philosophie, wobei er vielleicht noch eindeutiger als dieser durch den akademischen Dogmatismus des Antiochos angeregt ist, dem er aber nicht sklavisch folgt. Sein Einfluss auf die weitere römische Tradition ist aufgrund der Verluste seiner Werke schwer zu ermessen. 2) Im Kontext der hellenistischen Philosophie stellt sein Werk einen der bedeutendsten metaphilosophische Beiträge dar: Einerseits bezeugt und reflektiert Varro die auch bei Karneades (und Cicero) zu findende Gewohnheit, wahre Philosophie an einem begründeten Lebensziel zu bemessen. Andererseits ist sein Bericht über die ›dreigeteilte Theologie‹ wohl unsere beste Quelle über hellenistische Metareflexionen zum Status einer kritisch rationalisierenden Religionsphilosophie in einer Gesellschaft, in der traditionelle Tendenzen weiter stark sind.

28

  Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 2 (109, 15–20 Mynors).   Vgl. Hadot, Arts libéraux et philosophie, 156–190; Goulet  /  Lehmann, Varro (Marcus Terentius), 104. 29

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3. Die Einheit von skeptischer Methode, rhetorischer Praxis und ­Politisierung der Philosophie bei Marcus Tullius Cicero30 Allgemeines  /  Historischer Überblick Marcus Tullius Cicero (106–43 v.  Chr.) ist der erste philosophische Schriftsteller lateinischer Sprache, der fast alle Gebiete der Philosophie auf eigenständige Weise behandelt. Aufgrund dieser Breite und nicht zuletzt seiner stilistischen Qualitäten bildet sein Œuvre einen steten Bezugspunkt späterer lateinischer Autoren, so dass es neben anderen Feldern der Philosophie auch das Philosophieverständnis im lateinischen Raum die ganze Antike hindurch und darüber hinaus beeinflusst. Der aus dem ländlichen Arpinum stammende Cicero31 erhält bereits als Jugendlicher eine gründliche Bildung in Rhetorik, Rechtswissenschaft und Philosophie, wobei er sämtliche Philosophenschulen seiner Zeit kennenlernt: Er studiert sowohl beim Epikureer Phaidros als auch beim Stoiker Diodotos, doch sein wichtigster Lehrer wird Philon von Larissa, nachdem dieser 88 v.  Chr. nach Rom übergesiedelt ist. Nach einer ersten Tätigkeit als Anwalt reist Cicero 79 nach Griechenland und begegnet in Athen Antiochos von Askalon sowie in Rhodos Poseidonios. Von ca. 75 bis 63 und dann wieder ab 51 widmet er sich der Politik, was aber nach der Machtübernahme Caesars in den 40er Jahren nicht mehr möglich ist. Seine philosophischen Schriften verfasst Cicero, wie er selbst gerne betont, in Phasen von erzwungener politischer Inaktivität. Diese Schriften teilen sich daher auf die Zeit von 58 bis 55 sowie nach 46 auf, d. h. auf die mittlere und späte Phase von Ciceros Schriftstellerei.32 Die erste ist hingegen ausschließlich der Rhetorik gewidmet, doch übt das Frühwerk ›Über die Auffindung‹ (des rhetorischen Stoffs) (›De inventione‹) langfristig beträchtlichen Einfluss auf philosophische Theorien aus.33 Die Tatsache, dass Cicero selbst die Erzwungenheit der Muße für philosophisches Arbeiten stark betont und damit zu suggerieren scheint, er betreibe diese eher nebenbei,34 darf nicht den Blick für die Qualität seines Werkes verstellen: Cicero besitzt nicht nur eine breite philosophische Bildung und einen ausgeprägten Sachverstand, sondern kann all dies aufgrund seiner politischen und rhetorischen Erfahrung mit Kenntnissen auf anderen Gebieten verbinden, so dass er als wichtiges Beispiel eines transdisziplinär arbeitenden Denkers aus der Antike gelten kann. Cicero als ›philosophischen Dilettanten‹ oder als Eklektiker 30

  Vgl. R. Hirzel, Untersuchungen zu Ciceros philosophischen Schriften 1–3, Leipzig 1877–1883; C. Becker, Cicero, in: RAC 3 (1957), 86–127; G. Gawlick  /  W. Görler, Cicero, in: GGPh 4, 2 (1994), 991–1137. 31   Zu Ciceros Biographie vgl. z. B. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, 436 f.; M. Ducos, Cicero (Marcus Tullius). Biographie, in: DPhA 2 (1994), 365–373. 32   Vgl. zu diesen drei Phasen von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, 438 mit Anm.  2. 33   S. unten S. 461, 870, 1067. 34   Cicero, De finibus 1, 10; De natura deorum 1, 7 f.; De divinatione 2, 7.

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Die hellenistische Epoche

ohne eigenes Urteilsvermögen zu bezeichnen oder ihm gar eine Selbständigkeit gegenüber seinen griechischen Quellen abzusprechen,35 ist beim gegenwärtigen Forschungsstand nicht mehr zu rechtfertigen.36

Philosophische Theoriebildung Leitende Interessen von Ciceros Philosophie Ciceros philosophisches Œuvre ist von einer Vielzahl von Interessen geleitet, die verschiedene Tendenzen seiner Zeit und seines Bildungshorizontes aufgreifen. Folgende zentrale Gesichtspunkte lassen sich festhalten: a) Der Wunsch, die Philosophie bei den Römern durch Werbung und Erklärung zu verbreiten; b) die Absicht, die Philosophie der Lateiner in einer Weise auszuarbeiten, die den Griechen nicht nachsteht oder diese sogar übertrifft;37 c) das für die römische Oberschicht charakteristische Interesse an praktischer Tätigkeit, guten Gesetzen sowie der Hochachtung für die eigene ethisch aufgeladene Tradition politischer Aktivität; d) das Bemühen um Vermittlung von Philosophie und Rhetorik als den beiden Disziplinen, welche seinen eigenen Werdegang geprägt haben; e) die akademisch-skeptische Tradition in ihrer von Karneades und Philon von Larissa ausgearbeiteten Form, welche wahrscheinliche Urteile prinzipiell zulässt; f) die dogmatische, durch Harmonisierung stoischer, platonischer und aristotelischer Elemente gekennzeichnete Position des Antiochos von Askalon.38 35

  In diesem Sinne etwa noch É. Gilson, Beredsamkeit und Weisheit bei Cicero, in: K. Büchner (Hrsg.), Das neue Cicerobild, Darmstadt 1971, 179–207, 204; K. Bringmann, Untersuchungen zum späten Cicero, Göttingen 1971, 105; K. Bringmann, Cicero, Darmstadt 2010, 233. 36   Diese Feststellung durchzieht wie ein roter Faden neuere Publikationen zu Cicero: Vgl. zum Beispiel W. Görler, Untersuchungen zu Ciceros Philosophie, Heidelberg 1974; Koch, Philosophie als Medizin; R. Gorman, The Socratic Method in the Dialogues of Cicero, Stuttgart 2005. 37   Diese beiden Punkte finden sich in den Proömien vieler philosophischer Schriften Ciceros, z. B. Cicero, Tusculanae disputationes 1, 2 f.; Cicero, De finibus bonorum et malorum 1, 1–8. Zu ihren Implikationen vgl. v. a. G. M. Müller, Transfer und Überbietung im Gespräch. Zur Konstruktion einer römischen Philosophie in den Dialogen Ciceros, in: Gymnasium 122 (2015), 275–301. 38   Die Möglichkeit der Verbindung beider Vorbilder durch Cicero wird begründet von A. A. Long, Cicero’s Plato and Aristotle, in: J. G. F. Powell (Hrsg.), Cicero the Philosopher. Twelve Papers, Oxford 1995, 37–61, hier 41 f. Es wird in der Forschung diskutiert, ob es in Ciceros intellektueller Biographie eine »philonische« und eine »antiochische« Phase gegeben hat, doch bestehen dagegen starke Bedenken; vgl. z. B. Gawlick  /  Görler, Cicero, 1086–1089.

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Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom

Zu beachten ist ferner Ciceros geistige Entwicklung: In seiner ersten philosophischen Arbeitsphase – in den Schriften ›Über den Staat‹ (›De re publica‹), ›Über die Gesetze‹ (›De legibus‹) und ›Über den Redner‹ (›De oratore‹) – steht das Bemühen im Mittelpunkt, eine idealisierte Rhetorik sowie die Institutionen und Gesetze der römischen Republik als vollendete Beispiele philosophischer Idealtypen darzustellen. In seiner letzten Phase präsentiert Cicero vor allem die verschiedenen Positionen der hellenistischen Schulen einem römischen Publikum und arbeitet vermittelnde, gemäßigte Standpunkte zu ihren Unterschieden heraus, welche er mit einem an die jüngere Akademie angelehnten Wahrscheinlichkeitsideal rechtfertigt.

Methodischer Ansatz In Anbetracht dieser großen Zahl widerstreitender Interessen Ciceros muss seine methodische Vorgehensweise in den Mittelpunkt gerückt werden, die sich nicht nur durch alle seine Arbeitsphasen durchhält, sondern ihm auch ein Zusammenführen seiner verschiedenen Interessen und Standpunkte ermöglicht. Cicero versteht sich selbst als Fortsetzer der auf Sokrates und Karneades zurückgehenden Tradition wahrheitssuchenden Argumentierens, die seiner Meinung nach aufgrund ihrer großen Schwierigkeit nach dem Tod Philons von Larissa abgebrochen ist.39 Er möchte daher tendenziell auf Autoritätsargumente verzichten, wie sie in den hellenistischen Schultraditionen üblich sind,40 und stattdessen durch Darstellung und Vergleich entgegenstehender Positionen zu Lösungen gelangen, die der Wahrheit möglichst ähnlich bzw. wahrscheinlich und daher hinreichend zuverlässig sind, um sich im Leben an ihnen zu orientieren.41 Damit weicht er jedoch, soweit das anhand der Quellen erkennbar ist, in zwei Hinsichten von seinen akademischen Vorgängern ab: a) Er erweitert, wohl noch über Philon von Larissa hinausgehend,42 den Bereich, über welchen Wahrscheinlichkeitsurteile gefällt werden können, auf sämtliche Gebiete der Philosophie.43 b) Die auf solchen Argumenten beruhenden Zustimmungen erstrecken sich bei Cicero nicht mehr bloß auf einzelne Vorstellungen, sondern auf ganze Theorien.44 Eine begriffliche Klärung erreicht Cicero durch die schon erwähnte Übersetzung der akademischen Bezeichnung ›billigenswert‹ (πιθανόν) für akzeptable 39

  Cicero, De divinatione 2, 150.   Cicero, De natura deorum 2, 10 f. 41   Cicero, De natura deorum 1, 12. Vgl. Goulet, Philon de Larissa, 413. 42   Cicero, Brutus 306. Vgl. J. Glucker, Probabile, veri simile and Related Terms, in: ­Powell (Hrsg.), Cicero the Philosopher, 115–143, hier 133–135. 43   Vgl. Ch. Brittain, Philo of Larissa, Oxford 2007, 18–24. 44   Vgl. Gawlick  /  Görler, Cicero, 1095–1099; Glucker, Probabile, veri simile and Related Terms, 132–136. 40

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Die hellenistische Epoche

Urteile mit ›wahrscheinlich‹ (probabile bzw., seltener, veri simile). Diese beiden Konzepte nimmt er zur methodischen Grundlage seines Ansatzes, der die Vorteile der elaborierten stoischen und platonischen Dogmatiken mit der theoretischen Vorsicht der Akademiker zu verbinden strebt.45 Damit erreicht er bemerkenswerte Formulierungen, welche den Wert von Theorien an ihrer relativen Wahrscheinlichkeit messen.46 Ciceros eigene konkrete Ausarbeitung des zentralen Begriffs des Wahrscheinlichen fällt jedoch nicht besonders klar aus.47 Häufig stellt er die Plausibilität einer Position aufgrund des ihr inhärenten moralischen Anspruchs den faktischen Argumenten für ihre Richtigkeit gegenüber und trifft auf dieser Grundlage seine Entscheidung. Ein aufschlussreiches Beispiel ist seine Erörterung des Umgangs mit Tod und Sterben:48 Einerseits wirbt er mit rationalen Argumenten und rhetorischen Strategien – darunter nicht zuletzt der Rückgriff auf Autorität49 – für die Unsterblichkeit der Seele im platonischen Sinn, welche er als anscheinend moralisch höherstehende Alternative ansieht, die aber intuitiv weniger plausibel ist.50 Andererseits nivelliert Cicero den Unterschied zur Gegenthese, dass es kein Leben nach dem Tod gebe, und betont stattdessen (wie schon der Sokrates der platonischen ›Apologie‹), dass man unter beiden Prämissen den Tod für indifferent halten könne.51 Eine ähnlich ausgleichende Position verteidigt Cicero auch in der Lehre vom höchsten Gut: Zuerst macht er die stoische Betonung der Tugend mit Argumenten aus der Beobachtung der Welt stark und gesteht ausschließlich dem ›an sich Guten‹, nämlich den Tugenden, Eigenwert zu, gibt aber letztlich Antiochos von Askalons Position, zum höchsten Gut gehörten nicht nur die in sich guten Tugenden, sondern auch weitere Güter, den Vorzug. Das hält schon sein fiktiver Gesprächspartner Piso für inkohärent.52 Diese Beispiele illustrieren Ciceros Tendenz, sachliche Differenzen zwischen den philosophischen Richtungen im Ergebnis zu entschärfen, wozu auch ihre Charakterisierung als bloße Streitereien um

45

  Zum Beispiel: Cicero, De divinatione 1, 4; 2, 150; Cicero, De natura deorum 1, 12; ­Cicero, De officiis 1, 6; Cicero, Tusculanae disputationes 1, 8; 2, 9; 5, 11. 46   Vgl. Gawlick  /  Görler, Cicero, 1089–1094; Glucker, Probabile, Veri simile and Related Terms, 115–132; S.  Peetz, Ciceros Konzept des probabile, in: Philosophisches Jahrbuch 112 (2005), 97–133. 47   So auch Glucker, Probabile, veri simile and Related Terms, 136 f. 48  Vgl. O. Gigon, Die Erneuerung der Philosophie in der Zeit Ciceros, in: Büchner (Hrsg.), Das neue Cicerobild, Darmstadt 1971, 229–258. 49   Zu Cicero, Tusculanae disputationes 1, 26–29 vgl. Koch, Philosophie als Medizin, 37 f. und 143 f. 50   Cicero, Tusculanae disputationes 1, 102 f. 51   Cicero, Laelius de amicitia 14; Görler, Untersuchungen, 20–184; Koch, Philosophie als Medizin, 136–150. 52   Cicero, De finibus bonorum et malorum 5, 55–95 (vgl. vor allem Pisos Einwurf in 5, 77 f.).

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Worte (verbi controversia)53 gehört.54 Eine wichtige, nicht leicht zu beantwortende Frage ist in dieser Hinsicht, inwieweit Cicero diese Methodik als philosophische Wahrheitssuche anwendet, die sich vom bloß rhetorischen Aufweis einer gewissen Plausibilität, die letztlich nicht zu rechtfertigen ist, sachlich unterscheidet.

Einzelne philosophische Positionen Ciceros Ciceros Ansichten zu einzelnen Fragen spiegeln seine verschiedenen Interessen wider. Das politische Vorbild, zu dem er Rom stilisiert, prägt vor allem die philosophischen Werke aus den 50er Jahren: Hier wird der republikanische Staatsaufbau Roms als Realisierungsform eines Idealstaats dargestellt. Cicero präsentiert ihn als »Mischverfassung« (constitutio permixta),55 wobei er diese anhand des Vorbildes des römischen Staatswesens genauer ausgestaltet.56 In ›Über die Gesetze‹ (›De legibus‹) benutzt er die stoische Naturgesetzlehre, um die Erklärung der Gerechtigkeit der römischen Gesetze einzuleiten.57 Hierbei wird scharf zwischen gerechten und ungerechten Verfassungen unterschieden und letzteren wird abgesprochen, dass sie überhaupt Gesetze seien.58 In diesem Kontext weist Cicero, um die metaphysische Dignität des Naturgesetzbegriffs zu retten, den Skeptizismus sogar für den Moment explizit zurück.59 In den Schriften der späteren Phase werden meist die Positionen der Philosophenschulen in ihrer klassischen Form miteinander konfrontiert und, wie für ›Über das höchste Gut und das höchste Übel‹ (›De finibus bonorum et malorum‹) geschildert, gemäßigte Positionen eingenommen. Ein Großteil dieser Werke enthält Referate hellenistischer Lehren, deren Quellen im Einzelnen aufgrund des Verlusts der Vorlagen kaum zu ermitteln sind.60 Cicero geht mit seinen Quellen, die er wohl teils eher im Gedächtnis als direkt konsultiert, wohl ziemlich selbständig um,61 z. B. indem er sie ein Stück weit umgestaltet62 und sogar Ideen aus ande53

  Zum Beispiel Cicero, De oratore 1, 47; vgl. Görler, Untersuchungen, 198–205   Vgl. zusammenfassend Gawlick  /  Görler, Cicero, 1095–1116. 55   Cicero, De re publica 1, 69. 56   Vgl. J. Müller, Ciceros Archäologie des römischen Staates in ›De re publica‹ II. Ein Exempel römischen Philosophierens, in: O. Höffe (Hrsg.), Ciceros Staatsphilosophie. Ein kooperativer Kommentar zu ›De re publica‹ und ›De legibus‹, Berlin  /  Boston 2017, 47–72. 57   Cicero, De legibus 1, 17–32. 58   Cicero, De legibus 2, 11 f. 59   Cicero, De legibus 1, 39. Vgl. Ch. Horn, Die metaphysische Grundlegung des Rechts, in: Höffe (Hrsg.), Ciceros Staatsphilosophie, 149–166. 60   Vgl. die Übersicht von F. Guillaumont  /  C. Lévy, Le problème des sources chez Cicéron in: DPhA 2 (1994), 373–393; für die ›Tuskulanen‹ auch E. Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis. Ciceros ›Tusculanae Disputationes‹, Heidelberg 2008. 61   Zusammenfassend dazu Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, 283–285. 62   Für Beispiele aus ›De legibus‹ vgl. Forschner, Die Philosophie der Stoa, 266–269. 54

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Die hellenistische Epoche

ren Schulen in seine Darstellungen einflicht.63 Eine bedeutende eigene Stellungnahme enthält ›Über das Schicksal‹ (›De fato‹), wo sich Cicero für eine kausale Selbständigkeit des Menschen bei gleichzeitiger Anerkennung natürlicher Ursachenketten ausspricht.64 ›Über die Pflichten‹ (›De officiis‹) ist durch seine Unterscheidung von ›in sich guten‹ (honestum) und bloß ›nützlichen‹ (utile) Gütern einflussreich geworden65 und enthält mit der Verbindung der Begriffe von Person (persona) und Würde (dignitas) einen wichtigen Baustein für das moderne westliche Menschenbild.66 Die individualethische Thematik des Werkes, die sich auch in den therapeutisch orientierten ›Gesprächen in Tuskulum‹ (›Tusculanae disputationes‹) sowie den Monographien über das Alter (›Cato maior de senectute‹) oder die Freundschaft (›Laelius de amicitia‹) findet, kann als Vorbereitung der ähnlich gelagerten Interessen Senecas gelesen werden, gebildete Römer mit philosophischen Mitteln zu erziehen;67 insofern trägt Cicero dazu bei, Elemente der philosophischen Lebensform auch außerhalb der Schulen zu etablieren.68 In den ›Tuskulanen‹ wird der platonische Beweis der Unsterblichkeit der Seele wichtig,69 womit Cicero den Rahmen der hellenistischen Philosophie überschreitet. Die wirkungsgeschichtliche Bedeutung von ›Über die Auffindung‹ (›De inventione‹) liegt dank seines Charakters als schulmäßiges Handbuch darin, zahlreiche Autoren mit philosophischen Definitionen und Distinktionen zu versorgen.70

63

  Vgl. Schmitz, Cato Peripateticus, 16–138.   Cicero, De fato, 25 f.; 45–48. Vgl. die ausgewogene Bewertung von J. Müller, Willensfreiheit bei Cicero? Eine philosophische Spurensuche in ›De fato‹, in: D. Kiesel  /  C. Ferrari (Hrsg)., Willensfreiheit, Frankfurt 2019, 57–82, v. a. 78 f. 65   Cicero, De officiis 1, 8–10. Zum Einfluss des Panaitios vgl. oben S. 409. 66   Cicero, De officiis 1, 96–107. Vgl. E.-W. Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter. Tübingen 2006, 162; M. Perkams, Würde des Menschen. Die mittelalterliche Begründung eines modernen Konzepts, in: G. Beestermöller (Hrsg.), Friedensethik im frühen Mittelalter. Theologie zwischen Kritik und Legitimation von Gewalt, Baden-Baden  /  Münster 2014, 305–323, hier 309–311. 67   Vgl. Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, 241–243, 260–266. 68   Die Bemerkung, das, was Cicero »recommend(s) […], is of a strictly theoretical kind« (Cooper, Pursuits of Wisdom, 27 f.), ignoriert diesen Aspekt seines Werkes. 69   Cicero, Tusculane disputationes 1, 53–63. Vgl. Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, 246. 70   Vgl. z. B. M. Perkams, Der Rhetor als Philosoph. Cicero als Zeuge philosophischen Gottesglaubens bei Peter Abaelard, in: Convenit. Selecta 7: Cicero and the Middle Ages, Frankfurt  /  Barcelona 2001, 3–14 (zum Gottesbeweis); M. Perkams, Aquinas on Choice, Will, and Voluntary Action, in: in: T. Hoffmann  /  J. Müller  /  M. Perkams (Hrsg.), Aquinas and the Nicomachean Ethics, Cambridge 2013, 72–90, hier 75 (zur Zirkumstanzenlehre). 64

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Aristoteles als Vorbild? Textformen ciceronischer Philosophie Die literarische Form von Ciceros philosophischen Werken ist zumeist die eines Dialogs, in dem mehrere Sprecher innerhalb eines Freundeskreises die Positionen der verschiedenen philosophischen Schulen vorstellen. Es handelt sich durchweg um entweder lebende oder schon gestorbene Römer,71 wobei Cicero oder ein anderer Hauptsprecher (falls die Gesprächssituation in der Vergangenheit liegt) schließlich im Sinne des oben Gesagten eine vermittelnde Position als Lösung darlegt. In der Regel bildet in den Dialogen der späten Phase eine epikureische Position – als die am wenigsten plausible – den Anfang, bevor die aus Ciceros Sicht plausiblere stoische Position folgt, an die sich schließlich Ciceros eigene Position anschließt.72 Die unsokratische Form der Dialoge, in denen die Positionen in langen Reden dargestellt werden, erklärt sich aus dem Bedürfnis, die Lehren der einzelnen Richtungen im Zusammenhang zu vermitteln, doch sie ermöglicht auch eine ausgewogene Darstellung, die als »Dialog unter Gleichen« gewürdigt wird.73 Cicero führt die Form seiner Dialoge auf ältere, bezeichnenderweise vorhellenistische Vorbilder zurück.74 Den Einfluss Platons betont er selbst, wobei sein Platonbild hellenistische Einflüsse aufweist.75 Nicht minder wichtig ist auf anderer Ebene das Vorbild Aristoteles, dessen Vergessenheit unter den Philosophen seiner Zeit Cicero kritisiert:76 An ihm orientieren sich Ciceros eigener Mitteilung zufolge die Dialoge, in denen er selbst das Gespräch führt, während die, in denen nur andere sprechen, Herakleides Pontikos nachempfunden seien.77 Auf Aristoteles’ exoterische Schriften führt Cicero auch seine Gewohnheit zurück, den Dialogen Vorworte voranzuschicken.78 In der Forschung wird schließlich die allgemeine Technik, lange Reden einander gegenüberzustellen, auf Aristoteles zurückgeführt.79 Als stilistischer Vergleich für Ciceros Dialoge bieten sich die traditionsgeschichtlich unabhängigen philosophischen Dialoge Philons von Alexandrien an: Auch er lässt in ›Über die Vorsehung‹ (›De providentia‹) 2 und ›Ob 71   Diese Tatsache wird als Versuch zu einer römischen Kultur des philosophischen Dialogs gewürdigt bei Müller, Transfer und Überbietung im Gespräch. 72   Vgl. die Inhaltsübersicht bei Gawlick  /  Görler, Cicero, 1021–1023, 1031–1050. 73   Vgl. Gorman, The Socratic Method, 179–186; V. Hösle, Der philosophische Dialog. Eine Poetik und Hermeneutik, München 2006, 94–100. 74   Vgl. u. a. das Selbstzeugnis Cicero, Ad Atticum epistula 4, 16, 2 f. 75   Vgl. die Beispiele bei von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, 450 f. Beispiele für die Forschung zu diesem Punkt sind, mit unterschiedlicher Bewertung des platonischen Einflusses, Long, Cicero’s Plato and Aristotle, 43–52; Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, 246 f.; J. W. Atkins, Natural Law and Civil Religion. ›De legibus‹ Book II, in: Höffe (Hrsg.), Ciceros Staatsphilosophie, 167–186, hier 168–174. 76   Cicero, Topica 3. 77   Cicero, Ad Atticum epistula 13, 19, 3–5. 78   Cicero, Ad Atticum epistula 4, 16, 2. 79   So könnte man wohl Cicero, De oratore 3, 80 lesen. Vgl. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur 1, 451.

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Tiere denken können‹ (›De animalibus‹) sich selbst als Hauptredner und andere gebildete Personen aus seinem Umfeld als Gesprächspartner auftreten – nämlich Mitglieder der jüdischen Oberschicht Alexandriens, so wie Ciceros Personen vornehme Römer sind –, welche in langen Reden diverse Positionen vorstellen.80 Im Vergleich mit Philon sind folgende Besonderheiten Ciceros offenbar: 1.  Cicero konfrontiert ausdrücklich Schulmeinungen miteinander, Philon inhaltliche Positionen, die nicht ausdrücklich als Position bestimmter philosophischer Richtungen gekennzeichnet sind. 2.  Cicero tendiert zu einer vermittelnden Position, während Philon, jedenfalls in ›Ob Tiere denken können‹ (›De animalibus‹), die Gegenposition durch seine eigene stoisch angeregte Gegenrede direkt und in teils scharfem Ton ablehnt. 3.  Cicero schickt seinen Dialogen Proömien voraus, Philon (jedenfalls in der erhaltenen armenischen Übersetzung) nicht. Diese drei Punkte verdeutlichen ein Stück weit, wie Ciceros Dialoge, unbeschadet der hinter ihnen stehenden Tradition, von seinen Interessen geprägt sind: In den ersten beiden Punkten spiegelt sich seine von den Akademikern geprägte Absicht wider, aus verschiedenen Richtungen der Philosophie die plausibelste zu ermitteln, während der dritte Punkt, vom Inhalt seiner Proömien her gesehen, dadurch erklärt werden kann, dass Cicero sowohl die Philosophie als auch seine eigene Aktivität auf diesem Gebiet immer wieder werbend vor einem römischen Publikum rechtfertigen muss. Der Vergleich mit Philon bestätigt insofern einerseits Ciceros Anregung durch eine ältere Tradition, andererseits seinen eigenständigen Umgang mit dieser. Dieser Blickwinkel hilft auch, Ciceros Verhältnis zu Aristoteles’ verlorenen Dialogen zu beurteilen: Die Zurückführung der Dialoge auf aristotelische Vorbilder entspricht nämlich in auffälligem Maße seiner explizit geäußerten Tendenz, eine Argumentation nach beiden Seiten hin, die nicht schlechthin auf Ablehnung der Gegenposition, sondern auf Auffindung einer zumindest wahrscheinlichen Wahrheit ausgerichtet ist, auf Aristoteles zurückzuführen. Dieser hat Cicero zufolge, anders als Arkesilaos und Karneades, Philosophie und Rhetorik verbunden,81 was möglicherweise im Zusammenhang damit steht, dass Aristoteles in seinen Augen die Einseitigkeiten der stoischen Rhetoriktheorie überwunden hat.82 Obwohl Cicero, vor dem Entstehen von Andronikos’ Edition,83 »bestimmte ›Topika‹ des Aristoteles« (Aristotelis Topica quaedam) sowie zumindest einige seiner exoterischen Schriften kennt,84 können diese Positionen nicht ohne weiteres 80

  Vgl. unten S. 614, 617.   Cicero, De finibus 5, 10; Cicero, Tusculanae disputationes 1, 7. 82   S. unten S.  472  f. 83   Zur Datierung des Andronikos s. unten S. 557. 84   Cicero, Topica, 1 f. (zum Quellenwert der Passage für Ciceros Kenntnis, aber eingeschränkte Benutzung von Aristoteles’ ›Topik‹ vgl. T. Reinhardt, in: Marcus Tullius Cicero, ›Topica‹. Edited with a Translation, Introduction, and Commentary, Oxford 2003, 177–181; Cicero, Ad Atticum Epistula 4, 16, 2. 81

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auf den Stagiriten zurückgeführt werden, der ja auf die karneadische Methodik genauso wenig reagiert haben kann wie auf die Stoa. In der Tat unterscheidet sich Ciceros Definition der »Orte« (locus) als »diejenigen Sitze, denen die Argumentes entnommen werden« (sedes e quibus argumenta promuntur),85 von Aristoteles’ Rede über aufzufindende Topoi, was auch daran liegt, dass der Kontext bei ­Cicero eher rhetorische Überzeugung als philosophische Wahrheitssuche ist. 86 Ein Vorschlag aus der Forschung geht dahin, dass Cicero zum Teil eine peripatetische Handbuchtradition voraussetze,87 die er eventuell in der Deutung von Philon von Larissa88 oder Antiochos, der an einer Integration aristotelischer Elemente stark interessiert ist, kennen mag.89 Einige Aussagen Ciceros über Aristoteles sind jedenfalls erkennbar von letzterem geprägt,90 zu dessen harmonisierender Tendenz auch die Verbindung der Methode des Stagiriten mit derjenigen der jüngeren Akademie zu passen scheint.91 Insgesamt muss aber Ciceros Aristoteles-Bild in hohem Maße als persönliche Konstruktion gelten, bei der er seine eigene Methodik auf den Stagiriten zurückprojiziert.

Philosophieverständnis92 Wertschätzung und Definitionen der Philosophie Das persönliche Engagement bestimmt Ciceros Einstellung zur Philosophie wesentlich mit. So schreibt er Cato, mit ihm in der Philosophie eng verbunden zu sein,

85

  Cicero, Topica, 7; vgl. Cicero, De oratore 2, 162: quasi domicilia omnium argumentorum. 86   Vgl. Reinhardt, in: Marcus Tullius Cicero, ›Topica‹, 194–199, und, weniger abwägend, G. Frank, Topik als Methode der Dialektik. Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit, Berlin  /  New York 2017, 13–15. 87   Vgl. Long, Cicero’s Plato and Aristotle, 52–58. 88   Vgl. Cicero, Tusculanae disputationes 2, 9, wo Philon in diesem Zusammenhang genannt wird. 89   Die Benutzung solcher Schriften wird durch al-Fārābīs Andronikos-Bericht, wo pseudo-aristotelische Schriften für die vor-augusteische (und vor-andronikische) Zeit explizit bestätigt werden, zusätzlich plausibilisiert. Vgl. Perkams, The Date and Place of Andronicus, 454 f. 90   Dies muss man sicherlich für Cicero, De oratore 3, 62; 3, 67 sowie De officiis 1, 2 annehmen. 91   So Cicero, De oratore 1, 49; 2, 160 f.; 3, 71; 3, 80; De finibus 5, 10. In De oratore 3, 67 f. steht diese Aussage in engem Zusammenhang mit einer wohl auf Antiochos zurückgehenden Genealogie der Philosophie. 92   Vgl. dazu N. Stang, Philosophia, philosophus bei Cicero, in: Symbolae Osloenses 11 (1932), 82–93; M. Ruch, La disputatio in utramque partem dans le ›Lucullus‹ et ses fondements philosophiques, in: Revue des Études Latines 47 (1969), 310–335; Büchner (Hrsg.),

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»im Vergleich zu der weder mir eine Sache im Leben teurer war, noch dem Menschengeschlecht von den Göttern ein größeres Geschenk gegeben wurde«.93

Auch in den ›Gesprächen in Tuskulum‹ bekennt er: »Ich denke, zumindest für mich ist das Philosophieren notwendig«, und weist Ennius’ Forderung, man solle nur ein wenig philosophieren, für seine eigene Person zurück.94 Sein ganzes Leben sieht er als geprägt von der Philosophie an,95 deren Gestalt er unter Verwendung der Attribute »Mutter aller guten Dinge« (mater omnium bonarum rerum) und »Erzieherin« (educatrix) auch gerne personifiziert und sogar als »Oh Philosophie, Führerin des Lebens, oh Untersucherin der Tugend und Vertreiberin der Laster« (O vitae philosophia dux, o virtutis indagatrix expultrixque vitiorum) direkt anspricht.96 Deren Vermittlung an die Römer geschieht nicht nur durch seine Darstellung der philosophischen Teilgebiete, sondern auch durch aktive Bewerbung (in seinem protreptischen ›Hortensius‹) und Verteidigung der Philosophie, z. B. im Proöm zu ›Über das höchste Gut und das höchste Übel‹.97 Im Hinblick auf das proklamierte Philosophieverständnis lassen sich in einzelnen Schriften Ciceros unterschiedliche Akzente feststellen: Im ›Hortensius‹ bedient sich Cicero offenbar einer Variante des elenktischen Philosophie-Beweises des Aristoteles, denn Hortensius »schien, als er sagte, man solle nicht philosophieren, trotzdem zu philosophieren«, da jede Diskussion über Empfehlungen Philosophie beinhalte.98 In den vollständig überlieferten Schriften bleibt die Übersetzung des Wortes Philosophie mit »Bemühen um Weisheit« (studium sapientiae) sowie der Weisheit als »Wissen« bzw. »Erkenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge sowie ihrer Ursachen« (rerum divinarum et humanarum causarumque scientia bzw. cognitio)99 hingegen weitgehend konstant. Somit wird die stoische Definition – einschließlich der Unterscheidung von ›Philosophie‹ und ›Weisheit‹ sowie der möglicherweise mittelstoischen Hinzufügung der Ursachenerkenntnis – ohne Veränderungen ins Lateinische übersetzt. Sie spielt auch in Ciceros Definition der Freundschaft als »Übereinstimmung in Bezug auf alle göttlichen Das neue Cicerobild; Görler, Untersuchungen; Gorman, The Socratic Method; Koch, Philosophie als Medizin, 15–58. 93   Qua nec mihi carior ulla umquam res in vita fuit, nec hominum generi maius a deis munus ullum est datum. Cicero, Epistula ad familiares 15, 4, 16. 94   Cicero, Tusculanae disputationes 2, 1 f. 95   Cicero, De natura deorum 1, 6 f. Vgl. Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, 241 f. 96   Cicero, De legibus 1, 58; 1, 62; Tusculanae disputationes 5, 5. Vgl. P. Courcelle. Le personnage de la philosophie dans la littérature latine, in: Journal des savants (1970), 209–252, hier 211–217. 97   Besonders ausdrücklich, mit Verweis auf den ›Hortensius‹, bei Cicero, Tusculanae disputationes 1, 2–7; vgl. auch De divinatione 2, 1 f.; De natura deorum 1, 7–9. 98   Hortensius […], cum diceret philosophandum non esse, nihilominus philosophari videbatur. Cicero, Hortensius, secundum Lactantius, Institutiones 3, 16, 9 (2, p.  256, 16–257, 2 Heck  /  Wlosok) = Aristoteles, frg.  55, 6 Gigon. 99   Cicero, De officiis 2, 5; Cicero, De finibus 2, 37; Tusculanae disputationes 4, 57; 5, 7.

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und menschlichen Dinge mit Wohlwollen und Liebe« (omnium divinarum humanarumque rerum cum benevolentia et caritate consensio) herein.100 Lediglich an einer Stelle wird eine ethische Formulierung mit der Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge zu einer Doppelformel zusammengefügt.101 Im Ganzen übernimmt Cicero jedenfalls den theoretischen Akzent des stoischen Philosophieverständnisses. Eine stärker ethische Färbung nehmen Ciceros Aussagen in den ›Tuskulanen‹ an. Hier spricht er nicht nur, wie erwähnt, die Philosophie gleichsam als eigene Persönlichkeit an, sondern er greift die Idee der Philosophie als Medizin für die Seele auf102 und betont, dass »der Gehalt und die Einübung aller Fertigkeiten, welche sich auf den rechten Weg des Lebens erstrecken, […] in dem Bemühen um Weisheit enthalten ist, das Philosophie genannt wird«.103

Gerade ein Fehler in der Lebensführung sei für den Philosophen unverzeihlich.104 Somit lässt sich in seinem Werk ein Übergang von einem eher theoretischen zu einem stärker praktischen Akzent beobachten, welche aber beide eher zwei Seiten eines Philosophieverständnisses sind.

Die Teile und die Einheit der Philosophie An mehreren Stellen zitiert Cicero die traditionelle Dreiteilung der Philosophie, und zwar entweder – unter Zuschreibung an die Peripatetiker – in der Reihenfolge Physik, Logik, Ethik oder – in der Nachfolge des Antiochos mit Zuschreibung an Platon – als Ethik, Physik, Logik.105 Einen sachlichen Unterschied scheint dies nicht zu bedeuten, sondern die Reihenfolge dürfte jeweils von den zugrunde liegenden Quellen abhängen. Cicero bemüht sich auch um die Übersetzung der Bezeichnungen ins Lateinische, wobei er die Ethik als ›Moral‹ (moralis) und die Logik als ›Gehalt der Erörterung‹ (ratio disserendi) wiedergibt.106 Er selbst nimmt 100

  Cicero, Laelius de amicitia 20. Zur Deutung vgl. M. Vielberg, Alte Freunde im Gespräch. Anspruch und Wirklichkeit der amicitia bei Cicero, in: Ciceroniana on line 1, 2 (2017), 261–289, hier 271. 101   Cicero, De oratore 1, 212. 102   Cicero, Tusculanae disputationes 3, 6. Vgl. Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, 243. 103   Omnium artium, quae ad rectam vivendi viam pertinerent, ratio et disciplina studio sapientiae quae philosophia dicitur, contineretur. Cicero, Tusculanae disputationes 1, 1; vgl. Tusculanae disputationes 4, 5. 104   Cicero, Tusculanae disputationes 2, 12. 105   Cicero, De oratore 1, 68; Cicero, De finibus 5, 9; Cicero, Academica posteriora 1, 19. 106   Cicero, De fato 1 f. Die Physik, die von Cicero auf die Geheimnisse der Natur bezogen wird (De oratore 1, 68: in naturae obscuritatem; Academica 1, 19: de natura et rebus occultis; De finibus 5, 9: pars […] naturae), fehlt an dieser Stelle aufgrund von Textverlust.

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sich vor, »keinen Bereich der Philosophie bestehen zu lassen, der nicht in lateinischen Schriften offen steht«.107 Folglich behandelt er auch alle drei traditionellen Teile,108 doch nimmt die Ethik, zu der für ihn in platonischer Tradition die Politik gehört, den größten Teil seines Œuvres ein. Von der Naturphilosophie befasst er sich lediglich mit Fragen der Religion, der Vorbestimmung und der Weissagung, und auch dies mit explizit praktischer Zielsetzung.109 Die Beschäftigung mit der Logik, vor allem der Erkenntnistheorie, in den ›Academica‹ versteht er hingegen als Begründung seines eigenen philosophischen Standpunkts, verzichtet also hier auf eine praktische Rechtfertigung.110 Die Einheit der Philosophie wird von Cicero allerdings häufiger historisch als sachlich erklärt: Die gesamte philosophische Tradition schildert er als eine einzige Größe, welche, wie sich in historischen Exkursen zeigt, letztlich eine sachliche Einheit der Philosophie selbst impliziert.111 Diese Tradition beginnt mit den Begründern der menschlichen Kultur seit Homer, Odysseus und dem homerischen Nestor, weswegen die Philosophie »die verstreuten Menschen zur Lebensgemeinschaft zusammengerufen« sowie Gesetze und Sitten erfunden habe.112 Dies sei schon deswegen der Philosophie zuzuschreiben, weil schon den alten Mythen Beobachtungen der Natur vorausgegangen seien; nur der Name Philosophie habe von Pythagoras eingeführt werden müssen, während Sokrates sie in die Städte eingeführt habe.113 Diese Darstellung leitet über zu einer Betonung der Einheit der sokratischen Philosophenschulen im Anschluss an Antiochos, dessen Lehre in Formulierungen anklingt wie »wenn Du das Unsrige liest, was sich nicht sehr von den Peripatetikern unterscheidet, weil wir beide Sokratiker und Platoniker sein wollen«.114 Diesem positiven Bild wird die kritisch eingeschätzte Gegenwart gelegentlich gegenübergestellt, da wegen des Niedergangs der neueren Akademie kaum mehr jemand in der Lage sei, alle Philosophenschulen kritisch zu beurteilen.115 Auch werden die kaum lösbaren Streitigkeiten als Aufgabe der eigenen Auseinandersetzung erwähnt.116 Positiv bewertet Cicero hingegen seine eigene Leistung, die Philosophie in ihrer Breite den Lateinern zu erschließen.117

107

  Cicero, De divinatione 2, 3 f.   Vgl. Gawlick  /  Görler, Cicero, 1020 f. 109   S. unten S.  470  f. 110   Cicero, De divinatione 2, 1; Tusculanae disputationes 2, 4. 111   Zum Beispiel, Cicero, Tusculanae disputationes 5, 10 f.; 112   Cicero, Tusculanae disputationes 5, 5–7. 113   Cicero, Tusculanae disputationes 5, 6–11. 114   Nostra legens non multum a Peripateticis dissidentia, quoniam utrique Socratici et Platonici volumus esse. Cicero, De officiis 1, 2. 115   Cicero, De natura deorum 1, 11 f. 116   Cicero, Lucullus, 147. 117   Cicero, De natura deorum 1, 7–9; De divinatione 2, 1–4; Tusculanae disputationes 1, 1 f. 108

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Verhältnis der Philosophie zu Politik, Fachwissenschaften und Religion Philosophie und Politik Ciceros praktische Zielsetzung entspricht seiner Ansicht, ein gutes Leben bestehe primär in politischer Tätigkeit.118 Allerdings ist hierfür seiner Meinung nach Erfahrung entscheidend, nicht philosophische Weisheit. Vor diesem Hintergrund entwickelt Cicero in ›Über den Staat‹ (›De re publica‹) bemerkenswerte Grundlinien eines Verständnisses der politischen Rolle der Philosophen bzw. Weisen: Einerseits lehnt er die politische Aktivität der Philosophen scharf ab, und zwar auch in der gegenüber Platons Philosophenkönigtum abgeschwächten Position, dass sie im Notfall dem Staat helfen sollten: »Am meisten scheint mir üblicherweise dies in der Rede gelehrter Männer seltsam zu sein, dass genau diejenigen, die bestreiten, bei ruhiger See steuern zu können, weil sie es weder lernten noch sich darum kümmerten, hierin Bescheid zu wissen, behaupten, sie werden ans Steuerruder herantreten, wenn gewaltige Fluten aufgewühlt sind«.119

Andererseits hält er an der Verbindung von Philosophie und Politik durchaus fest, definiert diese aber in spezifischerer Form: »Das Wissen um die bürgerlichen Angelegenheiten« dürfe »vom Weisen keineswegs vernachlässigt werden«, denn auch Leute ohne politische Erfahrung »hätten, weil sie vieles über den Staat gefragt und geschrieben hätten, ein bestimmtes Amt im Staat ausgeübt«.120 Dem Weisen obliege es, Verfassungen zu beschreiben, einem tüchtigen Bürger, die richtige einzusetzen.121 Von dieser funktionalen Aufgabenteilung zwischen Wissenschaft und politischer Praxis rückt Cicero allerdings insoweit wieder ab, als er – im Sinne der Tradition des Philosophen als Gesetzgebers – die sieben Weisen für ihre öffentliche Arbeit und die Gründung und Erhaltung von Staaten als höchste Form der Annäherung an das Göttliche lobt (neque […] propius ad deorum numen virtus accedat humana).122 Insofern lässt sich ein leichtes Schwanken zwischen einer für die Antike bemerkenswerten professionellen Unterscheidung politischer Praxis 118

  Cicero, De oratore 1, 1   Maximeque hoc in hominum doctorum oratione mihi mirum videri solet, quod qui tranquillo mari gubernare se negent posse, quod nec didicerint nec umquam scire curaverint, idem ad gubernacula se accessuros profiteantur excitatis maxime fluctibus. Cicero, De re publica 1, 10 f. 120   Arbitrarer hanc rerum civilium minime neglegendam scientiam sapienti. […] Quoniam de re publica multa quaesierint et scripserint, functos esse aliquo rei publicae munere. Cicero, De re publica 1, 11 f. 121   Cicero, De re publica 1, 45. 122   Cicero, De re publica 1, 12 f. Vgl. z. B. Th. Fuhrer, Politiker und Philosophen. Cicero zur Interdependenz von politischen Zielen und Praxis, in: Höffe (Hrsg.), Ciceros Staatsphilosophie, 19–32, v. a. 23–26. 119

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und Theorie sowie dem Ideal der Vereinigung beider Funktionen im perfekten Akteur feststellen. Cicero würde diese Spannung wohl dadurch erklären, dass das ursprüngliche, Leben und Theorie verbindende Ideal der Weisheit in der Frühzeit, zur Zeit der sieben Weisen, vollständig gelebt worden und seitdem, offenbar durch sokratische Wahrheitssuche, immer wieder neu zu erstreben, aber kaum vollständig zu erreichen sei.123 Entsprechend fordert Cicero für den idealen Rhetor, der in seiner Optik eine politisch aktive Persönlichkeit ist, ein Höchstmaß an philosophischer Bildung, für den diese eine Art »Veredelung praktischer Fähigkeiten« (G. M. Müller) darstellt.124 So macht Cicero die Philosophie zur theoretischen Abrundung eines guten Lebens, das insgesamt von anderen Kriterien geleitet ist.125 Insgesamt hält demnach auch er an der für die antike Philosophie typischen Verbindung guter politischer Tätigkeit mit einem philosophischen Leben fest, obwohl er die praxisferne Natur dieses Ideals erkennt. Seine persönliche Vision ist vor diesem Hintergrund zunächst die Unsterblichkeit des politisch aktiven Menschen, wie er in seinem berühmten ›Traum des Scipio‹ (somnium Scipionis) im 6. Buch von ›Über den Staat‹ darlegt.126 Demgegenüber kann man erwägen, ob das politische Element beim späten, zur Untätigkeit gezwungenen Cicero zurücktritt,127 doch wird neuerdings die durchgehende Präsenz politischer Anspielungen auch in den späteren Werken betont.128

Philosophie und Religion Auch religiöse Fragen werden von Cicero vor allem vor einem praktischen Hintergrund diskutiert. Sein Ziel besteht in der Zurückweisung des Aberglaubens (superstitio), ohne dass die Grundlagen der Verehrung der Götter (religio) effektiv infrage gestellt werden soll,129 weil sonst »Heiligkeit (sanctitas) und Gottesverehrung notwendigerweise aufgehoben werden, worauf eine Verwirrung des Lebens und große Verstörung folgen«, ja womöglich auch die Gemeinschaft des Menschengeschlechts sowie die Gerechtigkeit ihre Bedeutung verlieren.130 Die Verehrung der Götter hängt für ihn insofern mit der Einheit und dem Zusammenhalt der Menschheit als Ganzer zusammen. Die politische Dimension von C ­ iceros philosophischer Theologie motiviert auch die Zurückweisung des stoischen Fa123

  Vgl. Cicero, Tusculanae disputationes 5, 5–11.   Müller, Transfer und Überbietung im Gespräch, 291. Die Einheit der verschiedenen Gebiete des Wissens und der Praxis wird vor allem in De oratore 3, 54–72 gefordert. 125   Das wird zu Recht herausgestellt von Cooper, Pursuits of Wisdom, 27. 126   Siehe vor allem Cicero, De re publica 6, 30–33. 127   Vgl. Bringmann, Untersuchungen zum späten Cicero, 105 128   Vgl. Lefèvre, Philosophie unter der Tyrannis, programmatisch v. a. 19–23. 129   Cicero, De natura deorum 2, 71; De divinatione 2, 150. 130   Simul sanctitatem et religionem tolli necesse est, quibus sublatis perturbatio vitae sequitur et magna confusio. Cicero, De natura deorum 1, 3 f.; vgl. Cicero, De divinatione 2, 2–4. 124

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tums, sofern dieses die Freiheit des Handelnden einschränkt, und folglich auch der offenkundig unnützen Fähigkeit zur Weissagung.131 Entsprechend seiner generellen philosophischen Tendenz zieht Cicero allerdings letztlich die philosophische Nachweisbarkeit der göttlichen Fürsorge sowie die Effektivität der kritischen Lektüre der Dichter in Zweifel, zumal man letztlich aus der überlieferten Gottesverehrung heraus »Besseres gelernt habe […] als aus den Argumenten der Stoiker« (meliora didicisse […] quam rationibus Stoicorum).132 Der skeptische Sprecher Cotta dürfte Ciceros eigenen Standpunkt wiedergeben, wenn er die Tugend bzw. den Wunsch nach ihr in sich selbst findet und nicht in den Göttern,133 sich aber gleichzeitig, als römischer Priester, aus Tradition zur Götterverehrung bekennt und an die Götter glaubt, obwohl er als Philosoph eigentlich keine Argumente zugunsten der traditionellen Gottesbilder sieht.134 Dieses faktische Ignorieren des Ergebnisses der philosophischen Reflexion stellt ein gutes Beispiel für die Implikationen der ›dreigeteilten Theologie‹ im Sinne Varros dar, die philosophische Reden über Religion nur in geschlossenen Zirkeln erlaubt.

Philosophie und Rhetorik Die Verbindung mit der Rhetorik135 ist für Cicero eine unverzichtbare Grundlage für die Form von Philosophie, die er in Rom etablieren möchte: Sie macht insbesondere seine eigene Qualifikation aus, in der er in seinen Augen keinen Vorgänger hat.136 Am pointiertesten wird die Zusammengehörigkeit beider Größen in ›Über den Redner‹ (›De oratore‹) herausgestellt, der ersten Schrift, in der sich Cicero über die Rolle der Philosophie in Rom Gedanken macht. Der »gute Mann« (vir bonus) schlechthin ist nach diesem Werk, wie als Ergebnis eines historischen Überblicks über die Debatte zwischen Philosophie und Rhetorik festgehalten wird,137 notwendigerweise sowohl rhetorisch als auch philosophisch geschult, was freilich nur auf den »gelehrten Redner« (orator doctus) ohne Einschränkung zutreffe, da der Philosoph als solcher nicht über rhetorische Kompetenz verfügen 131   Cicero, De divinatione 2, 20 f.; De fato 17, 40; Augustinus, De civitate dei 5, 9 (CCL 47, p.  137, 35–50 Dombart  /  Kalb). 132   Cicero, De natura deorum 3, 43. 133   Cicero, De natura deorum 3, 61. 134   Cicero, De natura deorum 3, 5 f.; 3, 94 f. 135   Vgl. A. Michel, Rhétorique et philosophie chez Cicéron. Essai sur les fondements philosophiques de l’art de persuader, Paris 1960; Gilson, Beredsamkeit und Weisheit bei Cicero, 179–207; Tornau, Rhetorik, 16 f.; Ch. G. Leidl, Der ideale Redner Ciceros, in: Erler  /  Tornau (Hrsg.), Handbuch Antike Rhetorik, 419–434. 136   Cicero, De officiis 1, 2. Auf platonische Wurzeln von Ciceros Versuch macht Renaud, Le projet platonicien, 72–87, aufmerksam. 137   Vgl. Leidl, Der ideale Redner, 423–429.

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müsse.138 Auch hier wird also bereits dem philosophischen Weisen mit seiner nur theoretischen Kompetenz ein vollkommener Redner gegenübergestellt, der eine Art hinreichender Allgemeinbildung besitzen soll. Auch in der Folgezeit durchzieht die Verbindung mit der Rhetorik die philosophischen Werke Ciceros. Immer wieder spricht er die Notwendigkeit der Rhetorik für eine Darstellung philosophischer Argumente nach beiden Seiten hin (in utramque partem) an.139 Die sachliche Bedeutung dieser These erklärt sich nicht zuletzt durch die Tatsache, dass eine Lehrmeinung nicht kraft eines zwingenden Argumentes als wahr erwiesen werden kann, so dass rhetorische Kategorien an Bedeutung gewinnen. Historisch rechtfertigt Cicero die Verbindung von Philosophie und Rhetorik gegenüber den Versuchen von Sokrates und Platon, sie zu trennen,140 einmal mehr mit Aristoteles, der, »weil er vom Ruhm des Rhetors Isokrates beeindruckt war, begann, die jungen Leute im Sprechen zu belehren und die Klugheit mit der Beredsamkeit zu verbinden«.141 Diese Darstellung des Stagiriten als eines praktischen Rhetoriklehrers lässt sich weder aufgrund von dessen erhaltenen esoterischen Schriften noch in Anbetracht der relativ geringen Wirkung ihrer exoterischen Gegenstücke plausiblerweise auf den historischen Aristoteles zurückführen. Drei Aspekte könnten Ciceros Sichtweise in seinen Augen rechtfertigen: 1. Er nimmt, wie dargestellt, Aristoteles’ verlorene Dialoge in einigen Punkten zum Vorbild. 2. In zeitgenössischer Sicht kommen Aristoteliker wie Demetrios von Phaleron unter den hellenistischen Philosophen dem Ideal eines Rhetors bzw. Politikers und Philosophen am nächsten.142 3. Cicero sieht Aristoteles (im Ergebnis zu Recht) als Begründer und Meister einer philosophischen Rhetoriktheorie an.143 Konkret findet er bei ihm eine Verbindung von dialektischem Urteil und topischer Wahrheitsfindung, die er bei den Stoikern vermisst.144 Der letzte Punkt setzt die schon vermutete Kenntnis rhetorischer und topischer Werke unter dem Namen des Aristoteles voraus, die Cicero, ebenso wie einige Züge seines Konstrukts, durch Philon von Larissa145 oder durch Antiochos kennengelernt haben mag. Trotzdem entwirft Cicero, ohne Kenntnis der Edition des 138

  Cicero, De oratore 3, 142 f.   Z. B. Cicero, De officiis 1, 1–4. Vollständige Beispiellisten bei H. Merguet, Lexikon zu den philosophischen Schriften Cicero’s 2, Jena 1892, 256; H. Merguet, Lexikon zu den philosophischen Schriften Cicero’s 3, Jena 1894, 904. 140   Vgl. dazu Nebelin, Philosophie und Aristokratie, 311 f. 141   Aristoteles […], cum motus esset Isocratis rhetoris gloria, dicere docere etiam coepit adulescentes et prudentiam cum eloquentia iungere. Cicero, Tusculanae disputationes 1, 7; vgl. Cicero, De oratore 3, 141. 142   Erwähnt bei Cicero, De officiis 1, 3. Vgl. zum historischen Hintergrund oben S. 355. 143   Cicero, De oratore 1, 43; 1, 49. 144   Cicero, Topica 6. Vgl. Reinhardt, in: Marcus Tullius Cicero, ›Topica‹, 189–196. 145   S. oben S. 448. 139

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Ein fremdes Ideal: Philosophie in Rom

Andronikos, erkennbarerweise ein Bild von Aristoteles als seines eigenen methodischen Vorbildes. Dessen praktisch-rhetorische Züge und seine Parallelisierung mit dem auch in praktischen Fragen erkenntniskritischen Karneades146 werfen allerdings einmal mehr die Frage auf, ob Cicero überhaupt einen Unterschied von philosophischer und rhetorischer Praxis sieht.147

Würdigung Dem Werk Ciceros kommt in mehrfacher Hinsicht große Bedeutung für die Philosophiegeschichte zu: Nicht nur verleiht er der Philosophie – offenbar im Gegensatz zu vielen hellenistischen Autoren – eine attraktive literarische Form und verankert sie so langfristig in der lateinischen Kultur. Gerade seine methodische Vorgehensweise mit ihrer Suche nach der wahrscheinlichsten Theorie, welche vom Wahrheitsanspruch der meisten antiken Theorien und dessen kaum weniger dogmatischer skeptischer Bestreitung gleichermaßen abweicht, überschreitet den Rahmen antiker Theoriebildungen in beachtlichem Maße. Die für Cicero typische Verbindung von Philosophie und Rhetorik wirkt hier offenbar befruchtend, auch wenn der praktisch orientierte Cicero letztlich nicht alle theoretischen Probleme löst und ihnen wohl auch nicht genug Gewicht beimisst. In jedem Fall wirken seine Ideen zur politischen Praxis und der theoretischen Aufgabe des Weisen, sein Ideal einer gerechten Staatsverfassung und seine Betonung menschlicher Handlungsmöglichkeiten langfristig auf das politische Denken Europas ein. Innovativ ist Ciceros Umgang mit der Philosophie insofern, als er sie bewusst als Bildungsgut für die Oberschicht, zunächst vor allem des Rhetors, später jedes an individueller Vervollkommnung Interessierten propagiert. Zwar dürften beide Punkte teils bereits eine etablierte Praxis reflektieren, doch werden sie von Cicero für den römischen Kontext aus der engen Bindung an eine konkrete Richtung herausgelöst, der man sich zum Philosophieren anschließen müsse. Im Hinblick auf seinen expliziten Philosophiebegriff ist Cicero hingegen recht konservativ, zitiert die stoischen Definitionen und Einteilungen und sieht sich als Erbe der hellenistischen Tradition. Sein sehr persönliches Aristoteles-Bild spiegelt aber Einwände gegen seine unmittelbaren Vorläufer wider und etabliert eine gewisse Distanz zu den hellenistischen Schulpraktiken. Mag man bei Cicero also einerseits »ein abendländisches« – d. h. römisch-republikanisches – »Philosophieren […], bestimmt durch ein neues, persönliches Ergreifen durch den Einzelnen«,148 finden, so reagiert er andererseits auf die eigentümliche historische Situation mit einem theoretischen Versuchen, das gerade methodisch zu den bedeutenderen Ansätzen der Antike gehört. 146

  Cicero, De oratore 1, 49.   Vgl. dazu auch Hadot, Philosophie, Dialectique, Rhétorique, 156 f. 148   Vgl. Harder, Die Einbürgerung der Philosophie in Rom, 316. 147

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V. Der Blick von außen: Rezeption und Diskussion des Philosophie-Ideals jenseits der Philosophenschulen

Für die Frage nach der Rezeption der Philosophie in hellenistischer Zeit außerhalb der Philosophenschulen ist die Quellenbasis meist ähnlich fragmentarisch wie bei den philosophischen Fachtexten. Einige Tendenzen lassen sich jedoch benennen, wobei insbesondere eine mögliche scharfe Trennung von Philosophie und Fachwissenschaften – aufgrund einer räumlichen Distanz (Philosophie in Athen, Fachwissenschaften in Alexandrien  /  Pergamon) und einer Nicht-Rezeption (die stoische und epikureische Naturphilosophie werden unabhängig von neuen Erkenntnissen der Wissenschaften entwickelt oder sind mit diesen sogar unvereinbar) – in der Forschung diskutiert wird, wobei sich neuerdings – namentlich aufgrund des wissenschaftlichen Charakters des Peripatos sowie wegen der Nähe einiger wissenschaftlicher Theorien zur Stoa – eine differenzierte Betrachtungsweise durchgesetzt hat.1 Hier können nur einige wichtige Bezugnahmen von hellenistischer Wissenschaft und Philosophie behandelt werden.

1. Philosophiegeschichtsschreibung der hellenistischen Zeit: ­Philosophen-Biographie und philosophische Doxographie Die hellenistische Zeit entwickelt, wie zum Teil bereits dargestellt, eine bemerkenswerte Tradition der Philosophiegeschichtsschreibung, welche regelmäßig mehrere Richtungen zusammenfasst und so zu einer gemeinsamen Identität der (Fach-)Philosophen beiträgt; hierzu gehören z. B. der Peripatetiker Sotion und der Epikureer Philodem.2 Für die Chronologie der hellenistischen Philosophen ist offenbar die Weltgeschichte in Versform des der Stoa nahe stehenden Grammatikers Apollodor (gest. wohl nach 109) die wichtigste Quelle der erhaltenen Darstellungen.3 Die wortwörtlich erhaltenen Reste dieses Werks sind, unter Berücksichtigung neuer Lesarten aus Herkulaneum, jüngst im Zusammenhang ediert worden.4 Daneben gibt es eine Reihe von – fragmentarisch überlieferten – Auto­ 1

  Vgl. Giannantoni, Scienza e filosofia nell’età ellenistica, 45–48.   Die Liste der Quellen für die hellenistische Philosophie bei Flashar  /  Görler, Einleitung, 17–19, umfasst weitere fragmentarisch erhaltene hellenistische Autoren, die in diesem Zusammenhang untersucht werden können. 3   Vgl. Gaiser, Philodems Academica, 92; Erler, Die Schule Epikurs, 280 f. 4   K. J. Fleischer, The Original Verses of Apollodorus’ ›Chronica‹. Edition, Translation and Commentary on the First Iambic Didactic Poem in the Light of New Evidence, Berlin  /  Boston 2020. 2

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Rezeption und Diskussion des Philosophie-Ideals jenseits der Philosophenschulen

ren und Texten über das Leben und/oder die Lehren von Philosophen, die offensichtlich keiner philosophischen Richtung angehören oder für die eine solche Zugehörigkeit zumindest nicht nachzuweisen ist. Von ihnen sind zwei Autoren der frühhellenistischen Zeit hervorzuheben, welche wesentlich dazu beitragen, gerade Pythagoras in die historiographische Tradition einzuführen.5 Timaios von Tauromenion (ca. 360/50–260 v.  Chr. [?]) schreibt die Geschichte seiner westgriechischen – d. h. sizilisch-unteritalischen – Heimat und wird wegen seiner breiten Interessen als ›Herodot des Westens‹ bezeichnet. Er behandelt auch die Geschichte der Pythagoreer einschließlich des Empedokles, wodurch er die Hauptquelle von Diogenes Laertios’ Empedokles-Vita wird.6 Auf ihn geht etwa die Mitteilung zurück, Empedokles und Platon hätten geheime Lehren der Pythagoreer weitergegeben,7 welche eventuell vor dem Horizont ­einer angeblichen demokratischen Gesinnung des Empedokles zu lesen ist, die Timaios jedenfalls voraussetzt und positiv bewertet.8 Er überliefert auch die Verse, in denen sich Empedokles selbst als Gott bezeichnet.9 Insgesamt ist er ein früher Zeuge vor allem für die identitätsstiftende Bedeutung der eigenen Philosophie in einer regionalen Tradition. Neanthes von Kyzikos (360/50 – nach 274), eine wichtige Quelle für Philodems Platoniker-Darstellung, ist als Historiker ohne enge Bindung an die Philosophie ein weiteres Zeugnis für die Beachtung, welche die bedeutenderen Philosophen in der Öffentlichkeit erfahren.10 Pythagoras, Empedokles und Platon behandelt er vermutlich im Rahmen einer umfassenderen, neuartigen Darstellung berühmter Männer.11 Neanthes bezieht seine Informationen wohl von Augenzeugen, z. B. Philipp von Opus, und beteiligt sich (entgegen der Tendenz eines Speusipp) nicht an der vergöttlichenden Darstellung Platons, zu dem er auch kritische Traditionen reflektiert.12 Aus dem Pythagoreerzirkel berichtet er die Erzählung über das vorbildliche Verhalten des Myllias und der Timycha, die lieber sterben als die py5

  Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 425 f.   Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 417. 7   Timaeus Tauromenita, frg.  14 (FGrHist 566) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 54 f. (607, 9–20 Marcovich = 632, 37–48 Dorandi). 8   Timaeus Tauromenita, frg.  134 (FGrHist 566) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 63 f. (613, 12–614, 8 Marcovich = 637, 137–149 Dorandi). Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 418 f. 9   Diels  /  Kranz, Fragmente der Vorsokratiker, nr. 21, frg.  112 = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 62 (612, 3–12 Marcovich = 636, 116–125 Dorandi); Kontext: Timaeus Tauromenita, frg.  2 (FGrHist 566) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 66 (614, 19–615, 9 Marcovich = 638, 160–171 Dorandi). 10   In diesem Sinne Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 1–29. 11   Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 22–26, 422, sieht diese Zitate als Teil einer Sammlung über die Erzählungen einzelner Städte an, schließt aber ihr paralleles Vorkommen in der Sammlung über berühmte Männer nicht kategorisch aus. 12   Neanthes, apud: Philodemus, Historia Academiae, col. IIf. (p.  133 f. Dorandi). Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 6–10. 6

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Die hellenistische Epoche

thagoreische Lehre dem Tyrann Dionysios weiterzugeben, während – wie Nean­ thes festhält – Empedokles und Platon sie später an die Öffentlichkeit gebracht hätten.13 Wichtiger als die antiplatonische Spitze dieser Aussage ist, dass Neanthes hier das Rollenmodell des Philosophen als vorbildlich hinstellt, gegenüber dem Herrscher furchtlos zu agieren. Neben solchen rein biographischen Werken gibt es wohl auch schon in hellenistischer Zeit bio-doxographische Abhandlungen, die sowohl das Leben als auch die Lehren der Philosophen darstellen.14 Zwar werden die Namen von Doxographen in der Überlieferung meist nicht genannt und sind daher schwer zu ermitteln, doch lässt sich zumindest für Sotion sowie den bei Diogenes Laertios häufiger zitierten Diokles von Magnesia (1. Jhdt. v.  Chr.), für den keine Schulzugehörigkeit bekannt ist, eine bio-doxographische Struktur ihrer Werke plausibel machen.15 Reine Doxographien nehmen ihren Anfang bei den Darstellungen Theophrasts und anderer Peripatetiker,16 doch entstammen die klassischen Beispiele Aetios und Areios Didymos wohl der Kaiserzeit. Die Darstellungen der Philosophen, die außerhalb von deren Schulen entstehen, reflektieren die Bedeutung, welche die Antike der Vermittlung von Modellen guten Lebens anhand vorbildlicher Persönlichkeiten zuschreibt, über welche daher auch biographische Informationen (mit)überliefert werden. Aus demselben Grund ist freilich die anekdotische Darstellung des Charakters einzelner Philosophen wichtiger als eine lückenlose und chronologisch korrekte Darstellung von Lebensgeschichten, die anhand der verfügbaren Daten vielleicht auch kaum zu erstellen gewesen wäre.17 Insofern ist es nur folgerichtig, dass kaum ein Unterschied zwischen fachphilosophischen und allgemein-historischen Philosophenbiographien zu erkennen ist, so dass die antike Philosophiegeschichtsschreibung die Darstellung von Lebensmodellen und Einzelpositionen kaum zugunsten einer abstrakteren historischen Reflexion überschreitet: Weder der innere Zusammenhang und die historische Entwicklung der fachlichen Positionen noch die konkreten politischen Errungenschaften der Philosophen werden dabei deutlich. Folglich bleiben die Unterschiede zur modernen Philosophiegeschichtsschreibung mit ih13   Neanthes, frg.  31 (FGrHist 84) = Iamblichus, Vita Pythagorae 189–194 (105, 24–107, 9 Deubner); frg.  20 (FGrHist 84) = Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 55 (607, 16– 608, 3 Marcovich = 632, 44–51 Dorandi). Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 13 f. interpretiert einige Züge der Erzählung als antiplatonischen Plagiatsvorwurf. 14   Zum Verhältnis beider Größen vgl. z. B. J. Mejer, Diogenes Laertius and the Transmission of Greek Philosophy, in: ANRW 2, 36, 5 (1992), 3556–3602, hier 3560–3562. 15   Vgl. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 301–337. 16   Vgl. oben S.  379  f. 17   Vgl. zusammenfassend Ch. Habicht, Athen in hellenistischer Zeit. Gesammelte Aufsätze, München 1994, 231–248; Mejer, Diogenes Laertius and the Transmission of Greek Philosophy, 3560; Haake, Der Philosoph in der Stadt, 274–277, sowie spezifisch zu den methodischen Schwierigkeiten der Arbeit mit solchen Zeugnissen Haake, der Philosoph in der Stadt, 2–7.

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Rezeption und Diskussion des Philosophie-Ideals jenseits der Philosophenschulen

ren historischen und systematischen Rekonstruktionen von Denkmodellen durch die Antike hindurch beträchtlich.18

2. Philosophie und Medizin in der hellenistischen Zeit Die hellenistische Zeit ist in der Medizingeschichtsschreibung unter anderem für die beträchtlichen Leistungen frühhellenistischer Ärzte wie Erasistratos und Herophilos berühmt, die den menschlichen Körper sezieren und beachtliche physiologische und anatomische Theorien aufstellen.19 Diesen Autoren werden inhaltliche Nähen zu Pyrrhon von Elis bzw. zur demokriteischen und v. a. peripatetischen Naturphilosophie nachgesagt, ohne dass die Belege in jedem Fall überzeugen könnten; auffällig ist immerhin Erasistratos’ Verbindung eines möglicherweise auf Aristoteles zurückgehenden Pneuma-Begriffs mit den Nerven.20 In Bezug auf die Philosophiegeschichte ist jedenfalls eine an sie anschließende Entwicklung wichtiger, nämlich der Beginn der Herausbildung der drei großen Ärzteschulen, welche in den Darstellungen des Celsus und Galen die antike Medizin ausmachen: die Dogmatiker bzw. ›Rationalisten‹ (λογικοί, lateinisch rationales), die Empiriker und die Methodiker.21 Nicht nur diese Bezeichnungen, die schon auf struktureller Ebene den Eindruck einer Parallele zu den Philosophenschulen bzw. -richtungen erwecken,22 gehen auf die antike Medizingeschichtsschreibung zurück, sondern auch die zentralen Quellen Galen (in Bezug auf die Namensgebung der einzel18

  Vgl. Gigante, Biografia e dossografia in Diogene Laerzio, 15–21; J. Mejer, Diogenes Laertius and his Hellenistic Background, Wiesbaden 1978, 94. 19   Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 346–358; M. Frede, Philosophy and Medicine in Antiquity, in: Frede (Hrsg.), Essays in Ancient Philosophy, Minneapolis 1987, 225–242, hier 234–236. 20   Zu Herophilos: F. Kudlien, Herophilos und der Beginn der medizinischen Skepsis (1964), in: Flashar (Hrsg.), Antike Medizin, Darmstadt 1971, 280–295; H. Diller, Medizin. Antike, in: HWbPhil 5 (1980), 968–976, hier 972. Die Verbindung von Herophilos zu Pyr­ rhon, die Kudlien behauptet, überzeugt weder inhaltlich (eine theoretische Bejahung der Skepsis durch Herophilos ist aus Soranus, Gynaecia 1, 29 (CMG 4, p.  19, 5–10 Ilberg) nicht ersichtlich) noch historisch, da ein ausgearbeiteter Skeptizismus bei Pyrrhon nur bedingt zu finden ist. Zu Erasistratos ganz unspezifisch bei F. Kudlien, Erasistros, in: Der Kleine Pauly 2 (1979), 343 f.; sehr vorsichtig G. Thür, Erasistratos, in: Der Neue Pauly 4 (1998), 41–44, hier 41. 21   Vgl. für diese Einteilung z. B. Pseudo-Soranus, Quaestiones medicinales 49 (V. Rose, Anecdota Graeca et Graecolatina 2, Berlin 1870, p.  253, 29) = Empirici, frg.  11 (Deichgräber); Pseudo-Galenus, De optima secta 7 (1, p.  117 Kühn) = Empirici, frg.  17 (97, 6–8 Deichgräber). Zu möglichen Gründen für diese Darstellung, die keinesfalls alle Erscheinungen der antiken Medizin, hervortreten lässt, s. unten S. 598  f. 22   Vgl. Ph. Van der Eijk, Medicine and Philosophy in Classical Antiquity. Doctors and Philosophers on Nature, Soul, Health and Disease, Cambridge 2005, 28 f.

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Die hellenistische Epoche

nen Richtungen)23 und Sextos Empirikos (in Bezug auf die Inhalte)24 erläutern die Geschichte der Medizin parallel zu philosophischen Schulen. Inwieweit die historischen Entwicklungen und die Selbstbilder der Beteiligten diesem Bild tatsächlich entsprechen, ist differenziert zu bewerten: Die Methodiker werden im strengen Sinne erst im späten 1. Jahrhundert n. Chr. gegründet25 und spielen folglich in der hellenistischen Epoche keine Rolle. Die Dogmatiker bilden, jedenfalls in frühhellenistischer Zeit, keine organisierte Gruppe, sondern der Begriff beginnt wohl als Sammelbezeichnung für »alle Nicht-Empiriker«,26 sobald sich um die Mitte des 3. Jahrhunderts Philinos von Kos von seinem Lehrer Herophilos – wohl wegen dessen Distanz zur therapeutischen Praxis – lossagt und die empirische Richtung der Medizin inauguriert.27 Erst im Anschluss bildet sich – auf der Grundlage älterer methodischer Reflexionen – der Gegensatz von Dogmatikern und Empirikern heraus,28 der zu hellenistischer Zeit in Galens Worten darin besteht, dass »die eine Richtung der Medizin durch Versuch zur Auffindung der Heilmittel voranschreitet, die andere durch Deduktion«.29 Für die empirische Schule lässt sich ein relativ deutlich konturiertes Profil aus den Quellen rekonstruieren, in dem sich verschiedene philosophische Einflüsse neben Berührungspunkten mit der Schrift ›Über die alte Medizin‹30 spiegeln. Die Empiriker versuchen grundsätzlich auf die Weise Heilmittel zu finden, dass sie deren Wirkung aus Erfahrung, also aus dem wiederholten Auftreten ähnlicher Beobachtungen ableiten.31 Insofern weist die empirische Richtung recht offensichtliche Berührungspunkte zur aristotelischen Erfahrungslehre auf.32 Andererseits benutzen die Empiriker zur Widerlegung der dogmatischen Position aus23

  Galenus, Subfiguratio empirica 1 (35, 12–36, 8 Bonnet) = Empirici, frg.  10b (Deichgräber). Der hier abgedruckte griechische Text ist zum überwiegenden Teil Deichgräbers Rückübersetzung aus dem Lateinischen! 24   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 236 (1, p.  61, 30–3 Mutschmann  /  Mau). 25   Vgl. unten S. 597 f. 26   Vgl. F. Kudlien, Dogmatische Ärzte, in: RE Suppl. 10 (1965), 179–180. 27   Pseudo-Galenus, Introductio sive Medicus 4, 2 (9, 15–18 Petit) = Empirici, frg.  6 (Deichgräber). Vgl. V. Boudon-Millot, Philinos de Cos, in: DPhA 5a (2012), 303–307. 28   Vgl. K. Deichgräber, Die Griechische Empirikerschule. Sammlung der Fragmente und Darstellung der Lehre, Berlin 1930, 272 f.; L. Edelstein, Ancient Medicine, London u. a. 1994, 199–202; Diller, Medizin, 972 f.; Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 358–362; Frede, Philosophy and Medicine, 236  f. 29   Τῆς ἰατρικῆς αἱρέσεις, ἡ μὲν ἑτέρα διὰ πείρας ἰοῦσα πρὸς τὴν τῶν ἰαμάτων εὕρεσιν, ἡ δ’ ἑτέρα δι’ἐνδείξεως. Galenus, De sectis (Galeni scripta minora 3, p.  2, 1–3 Helmreich) = Empirici, frg.  18 (Zitat p.  98, 20–22 Deichgräber). 30   So jedenfalls M. Frede, The Ancient Empiricists, in: Frede (Hrsg.), Essays in Ancient Philosophy, 243–260, hier 246 f. Vgl. oben S. 125–128. 31   Galenus, Subfiguratio Empirica 2 (36, 11–38, 7 Bonnet) = Empirici, frg.  10b (Deichgräber). 32   Vgl. dazu schon Deichgräber, Griechische Empirikerschule, 273–277 (unter Einbeziehung von Stoikern und Epikureern).

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drücklich eine Argumentation »nach beiden Seiten hin« (in utramque partem), auf deren Grundlage sie jegliche Wahrheitsansprüche der Dogmatiker grundsätzlich ablehnen.33 Insofern zeigen sie eine Nähe zur neuen Akademie, die in der Antike insbesondere von Sextos Empirikos aufgegriffen wird, der demgegenüber die Methodiker, da sie nicht quasi-dogmatisch die Position verträten, es gebe keine Wahrheit, mit den pyrrhonischen Skeptikern vergleicht.34 Auf dieser Grundlage hat Ludwig Edelstein den Dogmatismus der empirischen Schule zu einem typisch hellenistischen Element erklärt.35 Nun dürfte eine solche Einschätzung jedenfalls dann an den ursprünglichen Interessen der Empiriker vorbeigehen, wenn diese primär in einer Konzentration auf eine erfahrungsbasierte Arbeitsweise beruhen (was hier nicht diskutiert werden kann).36 Die den Akademikern ähnelnden Zeugnisse zeigen aber zumindest, dass die Selbstdefinition der Empiriker offensichtlich vor dem Hintergrund des Gegensatzes Stoiker-Akademiker erfolgt, indem sie Grundpositionen der letzteren aufnehmen. Insofern liegt hier ein bemerkenswertes Zeugnis dafür vor, inwiefern gerade strukturelle Merkmale des philosophischen Diskurses der Zeit auch ein anderes Fachgebiet beeinflussen. Als Vorbereiter der methodischen Ärzteschule ist in späthellenistischer Zeit Asklepiades von Bithynien bedeutsam, »in der Medizin niemandem nachstehend, aber auch die Philosophie berührend«, der nach Antiochos von Askalon bzw. Sextos Empirikos die Existenz eines Leitvermögen (ἡγεμονικόν) bestreitet und auch einige andere naturphilosophische Positionen vertritt.37 Er ist eine der wenigen Figuren in hellenistischer Zeit, bei denen eine philosophisch-medizinische Doppelkompetenz explizit hervorgehoben wird.

33

  Celsus, Medicina, prooem. 27–29; 39 (p.  9 f.; 12 f. Serbat) = Empirici, frg.  14 (Deichgräber). 34   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 236 (1, p.  61, 30–3 Mutschmann  /  Mau). Vgl. dazu unten S. 598  f. 35  Vgl. L. Edelstein, Empirie und Skepsis in der Lehre der griechischen Empirikerschule, in: Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin 3, 4 (1933), 45–53, hier 52 f. = L. Edelstein, Ancient Medicine, 202 f. Eine überspitzte Darstellung desselben Gedankens bei Deichgräber, Empirische Schule, 269; eine alternative Wertung der Beziehungen von (späten) Empirikern und Pyrrhoneern bei Frede, Essays in Ancient Philosophy, 248–256. 36   Vgl. dazu z. B. Frede, The Ancient Empiricists, 245–248. 37   Ἐν ἰατρικῇ μὲν οὐδενὸς δεύτερος, ἁπτόμενος δὲ καὶ φιλοσοφίας. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 202 (2, p.  48, 34–9 Mutschmann). Vgl. zu Asklepiades und den Datierungsproblemen R. Goulet, Asclépiadès de Pruse, in: DPhA 1 (1994), 624 f.

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Die hellenistische Epoche

3. Die Beziehungen der Philosophie zu Mathematik, Astronomie und Geometrie Als Lebzeit des Euklid (fl. um 300 v.  Chr.?),38 Archimedes (287–212),39 Eratosthenes (ca. 276/72–204)40 sowie weiterer bedeutender Persönlichkeiten41 ist die hellenistische Epoche eine Glanzzeit der mathematischen Disziplinen des Quadriviums. Das Verhältnis der einzelnen Mathematiker zur Philosophie schwankt stark: Einerseits findet sich z. B. in den erhaltenen Schriften des Archimedes und des Euklid kaum eine Erwähnung der Philosophie und der Philosophen, andererseits sind diese Schriften weder ganz unabhängig von der durch Philosophen wie Platon entwickelten Methodik, noch fehlt es einigen von ihnen an philosophischer Relevanz. Gerade Euklid hat mit seiner von Platon beeinflussten Vorgehensweise sowohl die neuplatonische als auch die moderne Philosophie angeregt.42 Die sehr spärlichen direkten Aussagen zur Philosophie in hellenistischen Fachtexten variieren: Während der Belagerungsmaschinentechniker Athenaios (1. Jhdt. v.  Chr.?) zumindest die zeitgenössischen Philosophen offensichtlich für Schwätzer hält,43 erläutert der Astronom Geminos ausführlich die Meteorologie des Poseidonios und nennt Aristoteles, (wohl den Stoiker) Boethos sowie Kleanthes unter seinen Vorgängern in der Astronomie.44 Dies erklärt sich daraus, dass er, als Schüler des Poseidonios,45 wie auch der Astronom Autolykos von Pithane (fl. ca. 310 v.  Chr., als Lehrer des Arkesilaos)46 und der Mathematiker und Geograph Eratosthenes enge Bezüge zur Philosophie unterhält.

38

  Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 378–396; H.-J. Waschkies, Mathematische Schriftsteller, in: GGPh 2, 1 (1998), 365–453, hier 372–392; B. Vitrac, Euclide, in: DPhA 3 (2000), 252–272. 39   Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 399–409; Waschkies, Mathematische Schriftsteller, 393–399. 40   Vgl. Fuentes González, Ératosthène de Cyrène, 188–236; v. a. zu seinem mathematischen Werk Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 409–415. 41   Vgl. dazu auch Waschkies, Mathematische Schriftsteller, 400–424. 42   Vgl. etwa die nützliche Zusammenfassung bei M. Schmitz, Euklids Geometrie und ihre mathematiktheoretische Grundlegung in der neuplatonischen Philosophie des Proklos, Würzburg 1997, 38–99; M. Schmitz, Euklid. Grundlegung einer Wissenschaft, in: M. Erler  / A. Graeser, Philosophen des Altertums. Von der Frühzeit bis zur Klassik. Eine Einführung, Darmstadt 2000, 191–203; Vitrac, Euclide, 269 f. 43   Vgl. die bei ihm überlieferte Anekdote über Kalanos unten S. 485. Die alten Philosophen kommen etwas besser weg: Athenaeus Poliorceta, De machinis 4, 12 (R. Schneider, Griechische Poliorketiker. Mit den handschriftlichen Bildern herausgegeben, Berlin 1912, p.  10). Schneider, Griechische Poliorketiker, 2, datiert den Text später, als hier angenommen, doch ist das unsicher und das Material teils älter. 44   Geminus, Introductio 16, 21; 17, 48 f. (p.  80; 92 f. Aujac). Vgl. oben S. 422. 45   Vgl. R. B. Todd, Géminos, in: DPhA 3 (2000), 472–477. 46   Vgl. M. Folkerts, Autolykos von Pitane, in: Der Neue Pauly 2 (1997), 356 f.

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Rezeption und Diskussion des Philosophie-Ideals jenseits der Philosophenschulen

Archimedes bezeichnet letzteren dann auch im Widmungsbrief seiner ›Methode‹ (ἔφοδος) als »tüchtig und Vorsteher der Philosophie, der in beachtenswerter Weise auch die Theorie in den Fachdisziplinen (μαθήματα) je nach ihrem Auftreten in Ehre hält«.47 Bei dieser Bezeichnung handelt es sich nicht um einen schlichten Ehrentitel, sondern Eratosthenes verdankt seine grundlegende Bildung und Geisteshaltung in der Tat den Athener Philosophen, auch wenn er sich nach seinem Wechsel von Athen nach Alexandrien auf Einladung des Ptolemaios III. Euergetes offenbar fast nur noch der fachwissenschaftlichen Schriftstellerei widmet. Doch nimmt er wohl, obwohl er zugleich Direktor der Bibliothek in Alexandrien ist, als Erzieher des jungen Ptolemaios IV. Philopator eine typische Philosophenrolle ein.48 Als seine philosophischen Lehrer schätzt er insbesondere diejenigen, die auf theoretische Spekulationen weitgehend verzichten und sich stattdessen auf die Lehre gelebter Tugend konzentrieren: Ariston von Chios, Bion von Borysthenes und Arkesilaos hält er in hohen Ehren und bezeugt emphatisch seine Begeisterung für deren Philosophie: »Es befanden sich nämlich in jenem Moment, […] wie niemals sonst innerhalb einer Mauer und einer Stadt, die in ihrer Blüte stehenden Philosophen um Ariston und Arkesilaos«. Die ›orthodoxen‹ Stoiker, bei denen er auch gelernt haben soll, erwähnt er hingegen – zum Missfallen des Berichterstatters Strabon – in diesem Zusammenhang nicht.49 Abgesehen von einigen philosophischen Werken50 scheint Eratosthenes auch in seinem fachwissenschaftlichen Schrifttum von philosophischen Ideen beeinflusst zu sein, etwa in der stoisch klingenden Ablehnung der Unterscheidung von Griechen und Barbaren (offenbar inspiriert vom Ideal der ›Barbarenphilosophie‹)51 und in der Behandlung bestimmter mathematischer Fragen in einem Werk mit dem Titel ›Platonikos‹, das von seinen Kontakten zur Akademie angeregt sein mag.52 47

  Σπουδαῖον καὶ φιλοσοφίας προεστῶτα ἀξιολόγως καὶ τὴν ἐν τοῖς μαθήμασιν κατὰ τὸ ὑποπίπτον θεωρίαν τετιμηκότα. Archimedes, Methodus, prooem. (3, p.  83, 18–20 Mugler). 48   Vgl. Fuentes González, Ératosthène de Cyrène, 199–201. 49   Strabo, Geographia 1, 2, 2 (15, 2–23, Zitat 7 f. Cobet). Vgl. Fuentes González, Ératos­ thène de Cyrène, 193–195; St. Radt, in: Strabons ›Geographika‹ 5. Abgekürzt zitierte Literatur. Buch I–IV: Kommentar, Göttingen 2006, 75–77. 50   Vgl. Fuentes González, Ératosthène de Cyrène, 204–208, wo diese Schriften im Anschluss an Strabo, Geographia 1, 2, 2 (15, 17–23 Cobet) als geringfügig kritisiert werden. Zum möglichen Inhalt von Eratosthenes’ ›Platonikos‹ vgl. z. B. Dihle, Lebenskunst und Wissenschaft, 27; I. Bodnár, Wissenschaft und Philosophie in der Akademie, in: Rapp  /  Wagner (Hrsg.), Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, 257–268, hier 264. 51   Strabo, Geographia 1, 4, 9 (66, 23–67, 6 Cobet). Bezüge zur ›Politeia‹ von Aristons Lehrer Zenon sind inhaltlich naheliegend, solche zur Barbarenphilosophie sind durch die Erwähnung der Inder und »Arianer« (iranische Arier, d. h. wohl die Magier) anzunehmen. Vgl. Radt, in: Strabons Geographika 5, 183 zur Frage, ob Eratosthenes hier gegen Aristoteles polemisiert. 52  Vgl. Fraser, Ptolemaic Alexandria 1, 409–411; Fuentes González, Ératosthène de ­Cyrène, 209  f.

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Die hellenistische Epoche

4. Die Rezeption der Philosophie in weiteren Fachwissenschaften Die Situation in anderen Fachwissenschaften ähnelt derjenigen in den mathematischen Disziplinen: So schreibt Eratosthenes’ Nachfolger als Leiter der alexandrinischen Bibliothek, der Grammatiker Aristophanes von Byzanz (ca. 257– 180 v.  Chr.), eine zusammenfassende Darstellung (ἐπιτομή) der aristotelischen Tierkunde und gibt offenbar auch die Werke Platons heraus.53 Über eventuelle Nähen zu einer Philosophenschule ist in seinem Fall nichts bekannt, aber er bezeugt die engen Bezüge von Fachwissenschaft und peripatetischer Lehre sowie das Faktum, das Platon – sicher nicht der meistgelesene philosophische Autor um 200 v.  Chr. – bereits in seinem literarischen Wert erkannt wird, der zu seinem Einfluss in der späteren Antike einen beträchtlichen Beitrag leisten wird.

5. Würdigung Ein Blick auf die an die Philosophie angrenzenden Wissensgebiete gibt ein uneinheitliches Bild: Für einige herausragende Fachwissenschaftler der Epoche – die Ärzte Herophilos und Erasistratos sowie einige Mathematiker wie Archimedes – sind kaum klare Bezüge zur Philosophie bezeugt, während einige andere – die empirischen Ärzte, Eratosthenes und Aristophanes von Byzanz – in unterschiedlicher Weise Kontakte zur und Einfluss durch die Philosophie erkennen lassen. Die Ursachen hierfür sind unterschiedlich: Während sie bei Eratosthenes wohl in seiner Biographie und seinem Interesse begründet sind, scheinen sie bei Euklid und den Empirikern eher aus der Notwendigkeit einer methodischen Klärung des eigenen Vorgehens zu folgen. Dagegen bezeugt Aristophanes, wenn er philosophische Texte bereits zum Gegenstand philologischer Wissenschaft macht, seinerseits die Wirkung des Philosophie-Ideals. Insgesamt befruchten die methodischen und inhaltlichen Lehren der Philosophen die Fachwissenschaften jedenfalls durchaus, und zwar besonders dann, wenn die Grundlagen der eigenen Arbeit (neu) reflektiert werden müssen. Entsprechende Kenntnisse und Bildungsmöglichkeiten auch in den fachwissenschaftlichen Zentren müssen also vorausgesetzt werden. Man muss damit rechnen, dass Philosophen mit Athener Ausbildung wie Demetrios von Phaleron und Eratosthenes in Alexandrien ihre Kompetenzen vor Ort weitergeben,54 selbst wenn sie keine ›Schulen‹ mit institutionellem Charakter gründen. Ein Grenzgänger mit ausgeprägtem philosophischen und fachwissenschaftlichen Profil wie Eratosthenes stellt allerdings in hellenistischer Zeit die Ausnahme dar, während solche Persönlichkeiten in anderen Epochen der Antike deutlich häufiger zu sein scheinen. 53 54

  Vgl. Goulet, Aristophane de Byzance, 406–408.   Vgl. dazu Fleischer, in: Dionysius, De natura, 36 f.

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VI. Eine Projektion wird real: Philosophie im ­hellenistischen Judentum1

1. Allgemeines  /  Historischer Überblick Die zweite weltgeschichtlich bedeutsame Inkulturationsbewegung der Philosophie (neben dem Transfer nach Rom) in deren hellenistischer Epoche ist ihre Aufnahme durch die Juden. Die Bedeutung dieses Prozesses ergibt sich vor allem daraus, dass die griechischen Übersetzer und Bearbeiter der jüdischen Bibel zahlreiche Begriffe und Aussagen mit philosophischer Konnotation in ihre Variante der heiligen Schrift aufnehmen, die für die folgenden Jahrhunderte selbst zur praktisch kanonischen Textfassung in der griechisch-römischen Welt wird. Eine Annäherung an diesen Gegenstand ist allerdings mit beträchtlichen Schwierigkeiten behaftet, die sich sowohl aus der unvollständigen Überlieferung und der Tendenz der jüdischen Quellen ergeben, philosophische Elemente eher zu verschweigen, als auch aus einem zwar reichen, aber etwas einseitig von jüdischchristlichen Frageperspektiven dominierten Forschungsstand.

Zwei Formen des Judentums in der Antike Eine Untersuchung der Beziehung von Philosophie und Juden(tum) in der Antike muss von den zwei unterschiedlichen jüdischen Sprach- und Kulturtraditionen der Antike ausgehen, nämlich den Juden mit hebräischer und aramäischer Schriftsprache v. a. in Palästina sowie den denjenigen im östlichen Mittelmeerraum, welche sich der griechischen Sprache bedienen. Sie werden meist als ›hellenistische‹ Juden bezeichnet, ohne dass sich ihr Auftreten auf die hellenistische Zeit beschränken würde.2 Die Präsenz von Hebräisch bzw. Aramäisch sprechenden und schreibenden Juden in Palästina ist für die ganze hellenistische Zeit durch die jüdische Bibel bzw. das Alte Testament, durch die umfangreichen Papyrusfunde aus den Höhlen von Qirbet Qumran am Toten Meer3 und auch durch griechisch-römische Quellen gut dokumentiert. Die palästinischen Juden erheben sich – wohl nicht zuletzt aus Pro1   Vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts v.  Chr., Tübingen 3 1988, 108–195 2   Vgl. den Überblick über die Verbreitung der Juden bei G. Stemberger, Juden, in: RAC 19 (2001), 160–228, hier 162–165. Zur Problematik des Begriffs ›Hellenismus‹ in diesem Zusammenhang vgl. z. B. Ch. Frevel, Geschichte Israels, 22018, 700. 3   Vgl. Frevel, Geschichte Israels, 403–405.

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test gegen Versuche der Hellenisierung – im 2. vorchristlichen Jahrhundert letztlich erfolgreich gegen die Seleukidenherrschaft (sogenannter Makkabäer-Aufstand) und bewahren ihre Unabhängigkeit bis zur römischen Herrschaft ab etwa 65 v.  Chr., ohne dass allerdings die Spannung zwischen verschiedenen jüdischen religiösen Bewegungen und einer gräzisierten bzw. hellenisierten Oberschicht ein Ende finden würde.4 Andererseits leben wohl bereits zur Zeit des Ptolemaios I. zahlreiche Anhänger der jüdischen Religion vor allem in Städten außerhalb Palästinas, namentlich in Alexandria, die im Laufe der Zeit die griechische Sprache annehmen und mit der Septuaginta eine eigene Bibelversion anfertigen.5 Hellenistisch-jüdische Gemeinden gibt es im 1. nachchristlichen Jahrhundert offenbar im gesamten östlichen Mittelmeerraum bis nach Rom hin, und die Zahl ihrer Mitglieder ist so bedeutsam, dass sie zwischen 115 und 117 einen eigenen, von den Juden in Palästina unabhängigen Aufstand gegen die römische Herrschaft unternehmen können.6 Das Verhältnis dieser beiden jüdischen Sprachtraditionen zur griechischen Bildung und damit auch zur Philosophie ist von vornherein verschieden: Während die hebräisch-aramäischen Juden relativ wenig Berührung damit haben und sich gegen gräzisierende Tendenzen teilweise mit großem Nachdruck zur Wehr setzen, gehören die hellenistischen Juden selbst zum griechischen Kulturraum und stehen mit diesem Umfeld in einer – mitunter gewaltsamen7 – Auseinandersetzung. Folglich stellt die Philosophie einen Bestandteil ihres Bildungshorizonts dar, mit dem umzugehen ist. Eine Auseinandersetzung mit ihr liegt für die hellenistischjüdischen Schriftsteller schon deswegen nahe, weil auch einige Philosophen an der jüdischen Lebensführung und Gesetzgebung ein Interesse entwickeln und ihr eigenes Lebensideal auf die jüdische Gemeinschaft projizieren.

4

  Vgl. Frevel, Geschichte Israels, 379–407.   Vgl. S.  Kreuzer, Entstehung und Entwicklung der Septuaginta im Kontext alexandrinischer und frühjüdischer Kultur und Bildung, in: M. Karrer  /  W. Kraus (Hrsg.), Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament, Stuttgart 2011, 3–39, hier 13–19; Frevel, Geschichte Israels, 377–379. Die Anfänge liegen bereits im 7. Jahrhundert: Frevel, Geschichte Israels, 326 f. 6   Vgl. Stemberger, Juden, 172–176. 7   Vgl. M. Ferguson Smith, Excavations at Oinoanda 1997. The New Epicurean Texts, in: Anatolian Studies 48 (1998), 125–170, hier 141 f. 5

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2. Judentum und Philosophie – Spuren einer spiegelbildlichen ­Beziehung8 Die Idee der Barbarenphilosophie und die Stellung der Juden darin Dies geschieht im Kontext der sogenannten ›Barbarenphilosophie‹ (βάρβαρος φιλοσοφία), also dem Bemühen, Philosophie auch bei Völkern außer­halb des griechischen Kulturraums zu finden. Der Kreis der in diesem Kontext behandelten Völker erweitert sich in frühhellenistischer Zeit rasch, da sich durch die Kontakte der Griechen mit Persien und vor allem den Alexanderzug auch die ethnographischen Kenntnisse erweitern. Viele der häufig bei jüdischen und christlichen Autoren überlieferten Zeugnisse stammen ursprünglich von frühhellenistischen Ethnographen wie Megasthenes (um 300 v.  Chr.), der eine Monographie über Indien verfasst,9 dem Kyniker Onesikritos, der Alexander ebendorthin begleitet,10 oder Hekataios von Abdera, der Ägypten monographisch behandelt. Auf der Grundlage ihrer Berichte kann der Philosophiehistoriker Sotion (1. Hälfte des 2. Jhdt. v.  Chr.) behaupten, die Ursprünge der Philosophie überhaupt seien im barbarischen Bereich zu suchen.11 Gerne wird die Philosophie der Barbaren derjenigen der Hellenen als positives Gegenbeispiel gegenübergestellt, um auf deren Mängel hinzuweisen. So lässt der Autor eines pseudonymen Briefes den Inder Kalanos »den Philosophen der Griechen« mitteilen, die indischen Philosophen unterschieden sich dadurch von ihnen, dass kein Herrscher sie zu etwas zwingen könne, da die indischen Weisen ihren Worten auch Taten hinzufügten.12 Der bereits erwähnte Belagerungsmaschineningenieur Athenaios lässt Kalanos behaupten, dass bei den griechischen Philosophen »über kleine Dinge viele Worte gefangen« werden, während seine Tradition es gewohnt sei, »über das Größte ganz Weniges zu erläutern, damit es sich alle gut merken können«.13 Die Einigkeit, Konstanz und effiziente Lehre der ›chaldäischen‹ (d. h. babylonischen) Astrologen wird auch sonst der Zerstrittenheit und 8   Vgl. W. Spoerri, Hekataios von Abdera, in: RAC 14 (1988), 275–310; Texte: M. Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism 1. From Herodotus to Plutarch, Jerusalem 1976. 9   Vgl. A. Dihle, Indien, in: RAC 18 (1998), 1–56, hier 10–12; J. M. Camacho Rojo  /  P. P. Fuentes González, Mégasthène, in: DPhA 4 (2005), 367–380. 10   Vgl. oben S.  363  f. 11   Sotio, frg.  35 f. (Wehrli). 12   Epistula Calani ad Alexandrum (192 Hercher). 13   Ἑλλήνων δὲ φιλοσόφοις οὐκ ἐξομοιούμεθα, παρ’ οἷς ὑπὲρ μικρῶν πραγμάτων πολλοὶ λόγοι ἀναλίσκονται· ἡμεῖς δέ, φησίν, ὑπὲρ τῶν μεγίστων ἐλάχιστα εἰώθαμεν παραγγέλλειν, ὅπως εὐμνημόνευτα πᾶσιν ᾖ. Athenaeus Poliorceta, De mechanis 5, 8–11 (p.  10 Schneider). Zur Person des Kalanos vgl. Strabo, Geographia 15, 1, 64 (p.  715, 13–716, 4 Cobet) sowie Schneider, Griechische Poliorketiker 3, 53; C. Muckensturm, Cal(l)anus, in: DPhA 2 (1994), 157–160.

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für die meisten Menschen unerreichbaren Subtilität der Griechen gegenübergestellt.14 Die Philosophie der nichtgriechischen Eliten sieht man meistens in deren vorbildlicher Lebensführung (die für den kynischen Berichterstatter Onesikritos ohnehin die Philosophie ausmacht),15 doch schreibt man sowohl persischen Magiern als auch den ›Gymnosophisten‹ bzw. Brahmanen Indiens ebenfalls theologische oder naturphilosophische Kenntnisse zu.16 Die Spiegelung griechischer Philosophenbilder in diesen Figuren zeigt sich auch darin, dass die Brahmanen als Berater des Herrschers gesehen werden.17 Abgelehnt wird die Idee der Barbarenphilosophie namentlich bei Epikur.18 Die Diskussion des Judentums in diesem Kontext beginnt anscheinend bereits bei Aristoteles, zumindest aber bei seinen direkten Schülern: Theophrast bezeichnet die Juden ausdrücklich als »philosophisches Geschlecht« (φιλόσοφον γένος), weil sie ihre Opfertiere ganz verbrannten, nicht äßen,19 und für Demetrios von Phaleron ist eine ausdrückliche Beschäftigung mit den Juden bezeugt.20 Klearch21 berichtet von einer Begegnung seines Lehrers Aristoteles mit einem Juden, an welchem dieser »Bewundernswürdigkeit und Philosophie« (θαυμασιότητα καὶ φιλοσοφίαν) gefunden habe. Dies wird erläutert, indem der betreffende Jude von seiner Abstammung her gewürdigt wird. Denn die Juden seien »Nachkommen der Philosophen bei den Indern« (ἀπόγονοι τῶν ἐν Ἰνδοῖς φιλοσόφων) und müssten folglich, als Philosophen unter den Syrern, mit den sogenannten Kalanen in Indien auf eine Stufe gestellt werden.22 Mit dieser Aussage greift Klearch offenbar einen zeitgenössischen Topos auf, denn auch Megasthenes zufolge findet sich »alles über die Natur Gesagte« (ἅπαντα […] τὰ περὶ φύσεως εἰρήμενα) sowohl bei den indischen Brahmanen als auch bei den Juden Syriens – womit er beiden nicht nur praktische, sondern auch theoretische Kenntnisse zuschreibt.23 Auch der jüdische Bekannte des Aristoteles besitzt offenbar theoretisches Wissen, zumal er die Weisheit von Aristoteles’ Begleitern auf die Probe stellt. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass der Betreffende »nicht nur in der Sprache, sondern auch 14

  Diodorus Siculus, Historiae 2, 29, 1–6 (2, p.  54, 1–55, 24 Eck).   Vgl. A. Dihle, Indische Philosophen bei Clemens Alexandrinus, in: A. Stuiber u. a. (Hrsg.), Mullus. Festschrift Th. Klauser, Münster 1964, 60–70, hier 60. 16   Sotio, frg.  36, 8–12 (Wehrli). 17   Nearchus, apud: Strabo, Geographia 15, 1, 66 (716, 28–32 Cobet). 18   Epicurus, frg.  226 Usener. Vgl. Diogenes de Oenoanda, frg.  novum 126, III,  7 – IV,  2 (Anatolian Studies 48 [1998], p.  132 Smith). 19   Theophrastus, frg.  584A (Fortenbaugh) = Porphyrius, De abstinentia 2, 26, 1–4 (2, p.  92 f. Bouffartigue  /  Patillon). 20   Aristobulus, frg.  3 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 2 (GCS Eus. 8, 2, p.  191, 6 f. Mras). Vgl. unten S. 498. 21   Vgl. Schneider, Cléarque de Soles, 415–420. 22   Clearchus, frg.  6 (Wehrli) = Flavius Iosephus, Contra Apionem 1, 176–179 (p. 34 Reinach). 23   Vgl. A. Dihle, Zur hellenistischen Ethnographie, in: Entretiens Fondation Hardt 8 (1962), 207–239, hier 222; Dihle, Indische Philosophen, 60. 15

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in der Seele« Grieche geworden sei, da er Jerusalem verlassen ­habe.24 Der etwas jüngere Peripatetiker Hermippos (2. Hälfte des 3. Jhdt. v.  Chr.) berichtet, dass schon Pythagoras jüdische Elemente in seine Philosophie aufgenommen habe.25 Diese Texte zeigen eine bemerkenswerte Wertschätzung des Judentums bereits in frühhellenistischer Zeit, wobei den Erfahrungen mit realen hellenistischen Juden, welche griechische Bildung erwerben, wenig Kenntnisse über deren kulturellen Hintergrund gegenüberstehen. Dieser wird anscheinend erstmals bei dem Demokriteer Hekataios von Abdera (um 320 v.  Chr.) zum Thema:26 Die Juden seien von den Ägyptern um der Wiederherstellung der alten Sitten willen vertrieben worden, welche die vielen Ausländer bedroht hätten. Sie seien dann von Mose nach ›Judäa‹ geführt, in zwölf Stämme aufgeteilt und mit Gesetzen versehen worden, wobei dieser, aufgrund der schlechten Erfahrungen mit anderen Völkern, einen ganz eigenen Kult mit eigenen Priestern errichtet habe.27 Das jüdische Bilderverbot begründet Hekataios mit der hierin implizierten Ablehnung theologischer Anthropomorphismen, da Moses Gott als »den die Erde umfassenden Himmel und den Herren des Ganzen« (τὸν τὴν γῆν περιέχοντα οὐρανόν καὶ τῶν ὅλων κύριον) verstanden habe.28 Hekataios referiert also einige jüdische Gebräuche, die er, wohl seinem Thema Ägypten entsprechend, aus ägyptischer Perspektive sowie mit den Mitteln der griechischen Naturphilosophie deutet; der philosophische Aspekt tritt hierbei im Vergleich zu den aristotelischen Erwähnungen von Juden zurück. Noch positiver gewürdigt wird die Eigenständigkeit der jüdischen Perspektive in einem wohl auf Poseidonios zurückgehenden Bericht des Strabon:29 Mose, ein ägyptischer Priester, habe die ägyptische Verehrung der Götter in Form von Tieren ebenso abgelehnt wie die griechischen Anthropomorphismen. »Denn es sei nur dieses Einzige Gott, welches uns alle, die Erde und das Meer umfasst, welches wir Himmel, Welt und die Natur der Dinge nennen«.30 Daher sei er mit seinen 24   Clearchus, frg.  6 (Wehrli) = Flavius Iosephus, Contra Apionem 1, 180 f. (p. 34–36 Reinach). 25   Josephus, Contra Apionem 1, 164 (p. 32 Reinach). Zu Hermippos vgl. Schneider, Hermippe de Smyrna, 655–658. 26   Hecataeus Abderita, frg.  6 (FGrHist 264) = Diodorus Siculus, Bibliotheca historica 40, 3 (6, p.  179, 32–182, 19 Dindorf  /  Fischer) = Photius, Bibliotheca 244, 380a 7–381a 8 (6, p.  134–137 Henry); dazu Spoerri, Hekataios von Abdera, 275–310, hier 282–286; Campos Daroca  /  Fuentes González, Hécatée d’Abdère, 512 f. 27   Hecataeus Abderita, frg.  6, 1–5 (FGrHist 264). 28   Hecataeus Abderita, frg.  6, 4 (FGrHist 264). 29   Strabo, Geographia 16, 2, 35–39 (760, 29–762, 32 Cobet) = Posidonius, frg.  133 (p.  112– 114 Theiler) = Posidonius (FGrHist 87), frg.  70; fehlt bei Edelstein  /  Kidd; vgl. aber Dihle, Zur hellenistischen Ethnographie, 231; Radt, in: Strabons ›Geographika‹ 8, 321. Zur Interpretation vgl. v. a. K. Reinhardt, Poseidonios über Ursprung und Entartung. Interpretation zweier kulturgeschichtlicher Fragmente, Heidelberg 1928; W. Theiler, in: Poseidonios, Die Fragmente 2, Berlin 1982, 96–99. 30   Εἴη γὰρ ἓν τοῦτο μόνον θεὸς τὸ περιέχον ἡμᾶς ἅπαντας καὶ γῆν καὶ θάλατταν, ὃ

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Anhängern aus Ägypten ausgezogen und habe um Jerusalem ein neues Reich gegründet, in dem er mit seinen Anhängern nicht anders als die Griechen gesetzmäßig zusammengelebt habe.31 Erst in neuerer Zeit seien hierzu aus Aberglaube (δεισιδειμονία) bestimmte Speise- und Bekleidungsvorschriften hinzugefügt worden.32 In dieser Passage, »vermöge deren aus jüdischer Überlieferung ein Stück hellenistischer Historie wird«, werden die Chancen und Probleme bereits sehr klar deutlich, welche die Philosophie der Antike den Juden bieten kann: In eins mit der positiven Würdigung des Monotheismus der Juden wird ihr Gott als erstes Prinzip der (Natur-)Philosophie (miss-)verstanden. Die jüdische Geschichte wird zwar als »innerer Wandel« gewürdigt,33 aber gerade die spezifischen Speise- und Beschneidungsvorschriften der Torah bleiben dem philosophischen Universalismus fremd.

3. Philosophie und ihre Spuren in biblischen Texten der ­hellenistischen Zeit Allgemeine Vorbemerkung Die jüdischen Texte, anhand deren die Reaktion auf diese von den Philosophen angebotene Nähe diskutiert werden können, sind teilweise innerhalb verschiedener Versionen der Bibel, teilweise außerhalb von diesen erhalten. Diese beiden Textgruppen werden im Folgenden für die hellenistische Zeit getrennt behandelt, obwohl sie nicht immer scharf abgrenzbar sind, weil vor allem die Zugehörigkeit einiger Bücher zum Kanon der Septuaginta bereits in der Antike umstritten ist. Die Frage der Zugehörigkeit zur Bibel ist für den hier relevanten Kontext allerdings vorwiegend mit Blick auf den Einfluss einzelner Bücher auf spätere antike Literatur von Bedeutung.

Berührungen mit der Philosophie in hebräisch-aramäischen biblischen Texten Die hebräisch-aramäische Bibel besteht in ihrer überlieferten Anordnung – die bereits von den Zeitgenossen als typisch antikes Textcorpus verstanden wird34 – aus drei Gruppen von Schriften, nämlich dem Gesetz des Mose bzw. der Torah, den Propheten, und den sonstigen Schriften. Daher bezeichnen die Juden diese καλοῦμεν οὐρανὸν καὶ κόσμον καὶ τὴν τῶν ὄντων φύσιν. Strabo, Geographia 16, 2, 35 (761, 1 f. Cobet) = Posidonius, frg.  133 (p.  113 Theiler). 31   Strabo, Geographia 16, 2, 36–38 (761, 9–32 Cobet) = Posidonius, frg.  133 (ü. 113 Theiler). 32   Strabo, Geographia 16, 2, 37 (761, 21–25 Cobet) = Posidonius, frg.  133 (p.  113 Theiler). 33   Zur Interpretation des Stückes lesenswert ist Reinhardt, Poseidonios über Ursprung und Entartung, 6–34, Zitate 7 und 19. 34   Vgl. D. Dormeyer, Die Bibel. Entstehung und Zusammenstellung eines Textcorpus,

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Bibel nach den Anfangsbuchstaben der angenommenen Hauptschriftengruppen in ihr als ›Tanaḵ‹, d. h. als Torah, Nebiʾim, Ketubim = Mosaisches Gesetz, Propheten und (sonstige) Schriften.35 Da die modernere Forschung die meisten Schriften jedenfalls in ihrer endgültigen Form relativ spät datiert,36 muss man für einige von ihnen mit einer Entstehung während der hellenistischen Epoche rechnen. Die bis heute gültige Textfassung der hebräischen Bibel, der sogenannte ›Masoretische Text‹ (abgekürzt MT), der nicht mit der Vorlage der Septuaginta identisch ist, scheint sich jedenfalls während späthellenistischer Zeit, also ab 150 v.  Chr., nach und nach durchzusetzen.37 Berührungspunkte mit der Philosophie sind somit prinzipiell möglich. Ob tatsächliche Einflüsse und nicht nur eher zufällige Ähnlichkeiten vorliegen, ist allerdings schwer zu sagen und in Anbetracht der scharfen (mittelalterlichen und) modernen Trennung zwischen ›Theologie‹ und ›Philosophie‹ teils sehr umstritten.38 Der Sache nach ist grundsätzlich zu betonen, dass spekulative Thematiken der Bibel wie Weltentstehung oder Ethik gewisse Ähnlichkeiten zur Philosophie implizieren, ohne dass ein Einfluss vorliegen muss. Zudem gehören die biblischem Schriften, deren Aussagen eher ›philosophisch‹ klingen, meist der sogenannten Weisheitsliteratur an, einer ursprünglich orientalischen Literaturgattung, die in ihren Ermahnungen zum rechten Leben und dem Lob der Weisheit zu ähnlichen Formulierungen wie die philosophische Paränese Anlass geben bzw. philosophische Aussagen inkorporieren kann.39 Im Allgemeinen hebt sich allerdings der locker akzentuierende, zu Parallelismen neigende Stil der Weisheitsliteratur recht deutlich von philosophischen Argumentationen in Traktaten und auch protreptischen Darstellungen ab. Parallelen sind dabei im Detail zu suchen und bedeuten auch inhaltlich nicht automatisch, dass eine Parallele zu oder ein Einfluss von in: L. J. Engels  /  H. Hoffmann (Hrsg.), Spätantike. Mit einem Panorama der byzantinischen Literatur, Wiesbaden 1997, 89–119, hier 90–92. 35   Vgl. E. Zenger, Heilige Schrift der Juden und Christen, in: E. Zenger  /  Ch. Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 92016, 11–36, hier 22–27. 36   Genauer gesagt geht der Forschungsstand davon aus, dass die meisten Texte über längere Zeit entstanden sind und es einen ›Endpunkt‹ der Fertigstellung häufig nicht gibt: H.-J. Fabry, Der Text und seine Geschichte, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, 37–66, hier 57–59. 37   Vgl. Kreuzer, Entstehung und Entwicklung der Septuaginta, 22. 38   Vgl. z. B. die kritischen Analysen von J. Cook, Greek Philosophy and the Septuagint, in: Journal of the Northwest Semitic Languages 24 (1998), 177–191. Allerdings sollte man nicht aus modernen, nachreformatorischen Übersetzungen biblischer Schriften das Fehlen philosophischer Einflüsse in biblischen Schriften vermuten, da entsprechende Formulierungen vielfach von den Übersetzern und Interpreten ignoriert und daher ›wegübersetzt‹ werden. Beispiele sind m. E. die Lutherbibel von 1984 zu Römer 1, 19–21 und Psalm 78, 2 und die Septuaginta Deutsch zu Psalm 77, 2 LXX. Vgl. auch unten S. 493 Anm. 62. 39   Kurzer Überblick bei E. Zenger  /  Ch. Frevel, Eigenart und Bedeutung der Weisheit Israels, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, 406–413; vgl. auch B. U. Schipper, ›Sprüche‹ (›Proverbia‹) 1. ›Proverbien‹ 1, 1–15, 33, Göttingen 2018, 17–39.

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philosophischen Texten aus einem Bibeltext gleich ›Philosophie‹ im griechischen oder gar im modern-wissenschaftlichen Sinne macht. Am häufigsten wird eine Rezeption hellenistischer Philosophie in der hebräischen Bibel für das Buch ›Kohelet‹40 (Ἐκκλησιαστής, ›Ecclesiastes‹, ›Prediger Salomo‹) vermutet, das wohl im späten 3. Jahrhundert v.  Chr. entstanden ist.41 Wenn freilich gesagt wird, es weise »nicht nur in einzelnen Stilelementen, sondern auch im Gesamtaufbau […] Analogien zur Diatribe« der kynisch-stoischen Tradition auf, sind – in Anbetracht der Unklarheit des Begriffs Diatribe und des Fehlens vergleichbarer zeitgenössischer Dokumente – Zweifel auf methodischer Ebene angebracht.42 Auch Vergleiche der programmatischen Aussagen zu Beginn dieses Buches, alles sei »Windhauch« (hæḇæl, die barocke vanitas),43 mit den indifferenten Gütern der Stoa oder der zyklischen Wiederkehr des Gleichen44 ermangeln wörtlicher Berührungen ebenso wie einer klaren begrifflichen Fassung und einer analogen Bewertung (die indifferenten Güter sind ja als solche nicht unbedingt gleichgültig, und die Wiederkehr des Gleichen garantiert in philosophischer Per­ spektive ja eher die Zuverlässigkeit der Weltordnung als deren Gegenteil). Anders sieht es mit einigen Einzelaussagen aus: So wird man, wenn Gott, der Geber des gesuchten Glücks, einmal »der Gute, der schön ist« (ṭōḇ ’ašær )45 ge46 nannt wird, durchaus an das Kalokagathie-Ideal erinnert, und auch für die Aussage, dass Gott letztlich nur innerlich erlangt werden soll,47 wäre zu prüfen, ob diese ohne griechische Philosophie erklärbar wäre. Daher ist die Vermutung, dass schon der Autor des hebräischen Textes Kenntnisse griechischer Philosophie besitzt und positiv nutzt, nicht unberechtigt, aber aufs Ganze gesehen sind konkrete Bezüge schwer zu erhärten.48 Neben ›Kohelet‹ wurden auch andere späte Bücher des Tanaḵ mit der Philosophie verglichen, z. B. ›Ijob‹ mit dem Skeptizismus,49 wo allerdings eher mit struktu40

  Vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, 210–237.   Vgl. L. Schwienhorst-Schönberger, Das Buch ›Kohelet‹, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, 464–473, hier 470 f.; Th. Krüger, ›Kohelet‹ (›Prediger‹), Neukirchen-Vluyn 2000, 39. 42  So L. Schwienhorst-Schönberger, in: ›Kohelet‹. Ausgelegt von L. SchwienhorstSchönberger, Freiburg  /  Basel  /  Wien 2004, 57–59, Zitat 59. 43   Zum Beispiel Ecclesiastes 1, 2. 44   Vgl. z. B. E. Birnbaum, ›Qohelet‹, in: RAC 28 (2018), 525–536, hier 525 f. 45   Ecclesiastes 5, 17. 46   Die Septuaginta baut hier interessanterweise mit »das Gute das schön ist« (ἀγαθόν ὅ ἐστιν καλόν), unter merklicher Vermeidung philosophischer Anklänge, eher den hebräischen Urtext nach. 47   Vgl. L. Schwienhorst-Schönberger, »Nicht im Menschen gründet das Glück« (Koh 2, 24). ›Kohelet‹ im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie, Freiburg u. a. 1994, 274–332 48   So in der Tendenz auch Krüger, ›Kohelet‹, 43 f. 49   Vgl. K. J. Dell, The Book of ›Job‹ as Sceptical Literature, Berlin 1991. Tollkühn mutet der von L. Schwienhorst-Schönberger, Das Buch ›Ijob‹, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Ein41

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rellen Parallelen als mit konkreten Einflüssen zu rechnen ist. Beachtlich ist auch, dass die Weisheit im ›Buch der Sprichwörter‹ (Παροίμιαι, ›Proverbia‹, ›Sprüche Salomos‹) von sich selbst sagt, bei der Weltschöpfung anwesend gewesen zu sein, was an die Rolle eines göttlichen Logos oder einer göttlichen Intelligenz erinnern und philosophischen Einfluss aufweisen mag.50

Die Philosophie und philosophische Terminologie in der griechischen jüdischen Bibel (Septuaginta) Leichter zu beurteilen ist das zweite hier relevante biblische Textcorpus, 51 nämlich die griechische Variante der jüdischen Bibel, die Septuaginta (LXX) genannt wird, weil sie einer wohl mit dem ›Aristeasbrief‹ einsetzenden Legendentradition zufolge von 72 (oder 70) Übersetzern auf eine (in dieser Form historisch kaum haltbare) Aufforderung des Demetrios von Phaleron sowie des Königs Ptolemaios II. Philadelphos (reg. 285–246) in Alexandria mit Genehmigung der jüdischen Autoritäten Jerusalems erstellt worden sein soll.52 Die Details des Übersetzungsprozesses werden in der modernen Forschung jedenfalls kritisch diskutiert, doch hält diese sowohl den Ort Alexandria als auch eine Anfertigung in ca. 100–150 Jahren ab dem 3. Jahrhundert v.  Chr. grundsätzlich für plausibel.53 Ptolemaios Philadelphos, der als Sammler sonstiger, namentlich philosophischer Literatur bekannt ist,54 ist auch durchaus ein potentieller nicht-jüdischer Interessent an einer solchen Übersetzung, zumal er, wie die oben zitierten Philosophen, die jüdischen Gesetze vielleicht als Beispiel einer guten Gesetzgebung ansehen mag. Auch im ›Aris­teas­brief‹ wird ja die ›philosophische‹ Dignität hervorgehoben, die man vom

leitung in das Alte Testament, 414–427, hier 420, referierte Versuch an, das Buch ›Ijob‹ aufgrund von Parallelen zu Boethius’ ›Consolatio philosophiae‹ von den Dialogen des Menippos abhängig sein zu lassen. 50   Proverbia 8, 30 f. Zu den in der modernen Exegese vorgeschlagenen Deutungen vgl. Schipper, ›Sprüche‹ (›Proverbia‹) 1, 531–534 sowie H. F. Fuhs, ›Sprichwörter‹, Würzburg 2001, 68 (beide Deutungen bemühen orientalische oder chinesische Parallelen, erwähnen die griechische Weisheit aber mit keinem Wort). Die Endgestalt des Buches wird von Fuhs, ›Sprichwörter‹, 11, ins 2. Jhdt. v.  Chr., von L. Schwienhorst-Schönberger, Das ›Buch der Sprichwörter‹, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, 456–466, hier 463, auf vor 190 v.  Chr. datiert. In Proverbia 31, 27 wird wohl sogar die σοφία lautmalerisch nachgebildet: Fuhs, ›Sprichwörter‹, 185. 51   Zur Corpusbildung vgl. Dormeyer, Die Bibel, 93 f. 52   Epistula Aristeae 302 (p.  230 Pelletier) erwähnt nur allgemein die Übereinstimmung des Wortlauts der Übersetzer. Kaum jünger ist Aristobulus, frg.  3 = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 2 (GCS Eus. 8, 2, p.  191, 5 f. Mras). Zur Entwicklung der Legende vgl. Pelletier, in: Lettre d’Aristée à Philocrate, 78–98. 53   Vgl. Kreuzer, Entstehung und Entwicklung der Septuaginta, 15–20. 54   Vgl. Perkams, The Date and Place of Andronicus, 453 f.

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jüdischen Gesetz erwartet.55 Für einen noch früheren Beginn erster Teilübersetzungen spricht andererseits die Tatsache, dass Aristobulos eine Beschäftigung des Demetrios von Phaleron mit der jüdischen Bibel bestätigt.56 Der Übersetzung hebräischer Schriften werden im Laufe der Zeit weitere, häufig ursprünglich griechisch verfasste Bücher hinzugefügt, die zum Teil in der katholischen und orthodoxen Kirche als Teil der Bibel anerkannt werden.57

Aufnahme philosophischer Terminologie in aus dem Hebräischen und ­Aramäischen übersetzten Texten Für die Frage nach Philosophie in der Septuaginta ändert sich die Situation gegenüber dem masoretischen Text deutlich: Einerseits besteht für die griechischen Übersetzer selbst die Notwendigkeit, sich zu philosophisch konnotierten Termini durch Aufnahme oder Weglassung zu verhalten (jedenfalls soweit ihnen diese Konnotation bekannt ist), andererseits ist für die moderne Forschung das Vorhandensein philosophischer Terminologie wesentlich leichter überprüfbar. In der Tat greifen die Übersetzer und Autoren der Septuaginta nicht selten auf philosophisch konnotiertes Vokabular zurück, wie es Philon von Alexandrien und den griechischen christlichen Autoren auch nicht verborgen bleiben wird. Am verbreitetsten ist das in den Bereichen der Psychologie und Ethik, wo die Übersetzer gelegentlich sogar stoische Neologismen wie ›Bewusstsein  /  Gewissen‹ (συνείδησις) aufnehmen, so dass der griechische Leser erfährt: »Der Höchste hat jedes Gewissen erkannt« (ἔγνω γὰρ ὁ ὕψιστος πᾶσαν συνείδησιν).58 Wesentlich verbreiteter ist die Aufnahme von ›(diskursive) Vernunft‹ (διάνοια), womit die Übersetzer an nicht wenigen Stellen das hebräische Wort ›Personkern  /  Gemüt‹ (leḇ, wörtl. »das Herz«) wiedergeben.59 Zu einer metaphorischen Deutung mithilfe philosophischer Bildtheorien und des platonischen ›Ähnlichwerdens mit Gott‹ (ὁμοίωσις θέῳ) lädt die griechische Aussage ein, die Schöpfung des Menschen erfolge »gemäß unserem Bilde und Gleichnis« (καθ’ εἰκόνα ἡμετέραν καὶ καθ’ ὁμοίωσιν), welche suggeriert, die hebräische Vorlage »in unserem Bilde 55

  S. unten S.  500  f.   Aristobulus, frg.  3 = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 2 (GCS Eus. 8, 2, p.  191, 6 f. Mras). Da die Nachricht aus einem in Alexandria entstandenen Text gut zum frühperipatetischen Interesse an den Juden passt, muss man sie ernstnehmen. 57   Vgl. Zenger, Heilige Schrift der Juden und Christen, 28–36. 58   Ecclesiasticus 42, 18, wenn auch nicht in allen Handschriften. Vgl. den Apparat zur Stelle in: Sapientia Iesu Filii Sirach, hrsg. von J. Ziegler, Göttingen 1965, 324, sowie F. Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament. Eine Einführung in die Septuaginta, Münster 2001, 257. 59   Vgl. M. Harl, La langue de la Septante, in: M. Harl  /  G. Dorival  /  O. Munnich (Hrsg.), La bible grecque des Septante. Du Judaïsme hellénistique au christianisme ancien, Paris 1988, 223–266, hier 257; Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament, 259. 56

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wie unserer Ähnlichkeit« (be-ṣalmenū ki-ḏmūṯēnū) als Unterscheidung zweier Aspekte des Bild-Seins zu verstehen.60 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang das häufige Auftreten von ›Weisheit‹ (σοφία) und ›Einsicht‹ (σύνεσις), gelegentlich auch ›Klugheit‹ (φρόνησις) in Weisheitskontexten,61 welche die sachliche Verwandtschaft der weisheitlichen zur philosophischen Reflexion hervortreten lassen. Deutlich ist schließlich die philosophische Konnotation einer Aussage wie »Ich werde Probleme aussprechen von Anfang an« (φθέγξομαι προβλήματα ἀπ’ ἀρχῆς), die ein hebräisches: »Ich werde Rätsel verströmen aus der Vorzeit« (’abbīʿāh ḥīḏōṯ minnī-qæḏæm) wiedergibt. Für einen gebildeten Griechen ist dies eine kaum zu übersehende und vonseiten der Übersetzer wohl kaum zufällige Anspielung auf ein philosophisches Fragen.62 Die größte Bedeutung hat aber die Übersetzung der alttestamentlichen Gottesprädikate. Hier evoziert schon das griechischen Wort ›Gott‹ (ὁ θεός) für den einen Herren der Welt63 anstelle von konkreteren hebräischen Bezeichnungen wie dem (nicht ausgesprochenen) Gottesnamen ›Jahwe‹ philosophische Vorstellungen eines universalen ersten Prinzips im Sinne der Stoa oder, wenn im Schöpfungsbericht gesagt wird, er habe die Welt »gemacht« (ἐποίησεν), des Demiurgen (ποιητής) im platonischen ›Timaios‹.64 Einen philosophischen Beiklang hat es auch, wenn Gott – wie auch schon im Hebräischen – an einigen Stellen eine ›Weisheit‹ beigesellt oder zugeschrieben wird,65 die bei der Weltschöpfung anwesend sein soll. Je nachdem, ob man Gott und Weisheit im Sinne der Stoa identifiziert oder im Anklang an (mittel)platonische Emanationslehren einander überordnet, kann man Bezüge zu unterschiedlichen philosophischen Gottesbildern herstellen. Hervorzuheben ist schließlich die Übertragung der Worte, mit denen sich Gott beim Auszug aus Ägypten aus einem brennenden Dornbusch zu Moses äußert. Der hebräische Text hat hier in etwa: »Ich bin, der ich bin  /  sein werde« bzw. »Ich bin der, als der ich da bin« ( , ’ašær ), während die Sep-

60   Genesis 1, 26 LXX  /  MT. Es ließe sich überlegen, ob die Übersetzer das καί an dieser Stelle epexegetisch meinen, doch verläuft die Rezeption jedenfalls zum großen Teil anders. 61   Zum Beispiel: Psalmus 48, 4 LXX = Psalm 49, 4 MT; Ecclesiastes 1, 13–18; Ecclesiasticus 1, 4. 62   Psalmus 77, 2 LXX = Psalmus 78, 2 MT; ähnlich Psalmus 48, 5 LXX = 49, 5 MT; vgl. Siegert, Zwischen hebräischer Bibel und Altem Testament, 246. Die modernen Bibelübersetzungen bieten hier meist betuliche Varianten, welche das Potential des Textes zu einer fides quaerens intellectum kaum erkennen lassen (vgl. selbst die deutsche SeptuagintaÜbersetzung: »Ich will Rätsel aus der Vorzeit aussprechen«; in der Lutherübersetzung von 1984 wird das Aussprechen von Rätseln durch das Erzählen von Geschichten ersetzt). – Die Interpretation dieser Stelle durch Origenes kann am Ende des Teils zur Kaiserzeit im vorliegenden Buch nachgelesen werden. 63   Vgl. nur die Rolle von ὁ θεός als σωτήρ bei Ps.-Aristoteles, De mundo 6, 397b 20–24. 64   Genesis 1, 1 LXX u. ö. 65   Zum Beispiel Proverbia 8, 30 f. LXX (dazu Cook, Greek Philosophy and the Septuagint, 183–189); Ecclesiasticus 1, 4. Vgl. allgemein Harl, La langue de la Septante, 256.

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tuaginta übersetzt »Ich bin der Seiende« (ἐγὼ εἰμι ὁ ὤν).66 Die griechische Wiedergabe durch ein Partizip, die auch an anderen Stellen der Septuaginta ansatzweise auftaucht, legt ein philosophisches Verständnis des biblischen Gottes nahe, ohne dass die persönliche Ansprache verloren ginge, die im Griechischen durch ein pointiertes ›Ich‹ erhalten bleibt.67 Bei diesen philosophischen Konnotationen ist allerdings nicht immer klar, ob sie von den Übersetzern als solche intendiert sind, zumal nicht wenige philosophisch »aufgeladene« Begriffe auch Teil des gehobenen Griechisch sind.68 Eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Philosophie wird jedenfalls daran deutlich, dass der Wortstamm ›philosoph-‹ fast durchweg vermieden wird: Das einzige Beispiel ist »Sophisten und Philosophen« (σοφιστὰς καὶ φιλοσόφους) im Buch ›Daniel‹,69 was in der korrigierten Version des sogenannten ›Theodotion‹70 in wohl korrekteres »die Sänger und die Magier« (τοὺς ἐπαοιδοὺς καὶ τοὺς μάγους) geändert wird. Offener wird philosophisch konnotierte Terminologie erst im kaiserzeitlichen, auf Griechisch verfassten ›4. Makkabäerbuch‹ verwendet.71 Die Behauptung, man könne daraus generell schließen, dass philosophische Terminologie von den Übersetzern eher vermieden werde,72 scheint in Anbetracht der genannten Beispiele allerdings in dieser Schärfe kaum haltbar.

Erwähnungen von Philosophen und philosophischen Themen in nur der ­Septuaginta zugehörigen Büchern Auch die Schriften der Septuaginta, die nicht zur hebräischen Bibel gehören, zeigen Berührungspunkte zur Philosophie. Aufschlussreich ist etwa die ›Weisheit des Jesus, Sohn des Sirach‹ (Σοφία Σίραχ, ›Ecclesiasticus‹, ›Jesus Sirach‹), die – obwohl eine Übersetzung aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v.  Chr. eines ca. 50 Jahre älteren, teils erhaltenen hebräischen Originals – nie als Teil der hebräischen Bibel anerkannt wird.73 In der Forschung werden hier vor allem Berührungspunkte 66

  Exodus 3, 14 MT  /  LXX. vgl. schon Sapientia Salomonis 13, 1.   Vgl. zu dieser Wiedergabe, zu der es natürlich, wie zu allen biblischen Themen, eine äußerst umfangreiche Debatte gibt, Harl, La langue de la Septante, 255 f.; Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament, 253–255. 68   Übersichten mit wichtigen Beispielen sind: Harl, La langue de la Septante, 254–259; Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament, 252–262; anders akzentuiert M. Karrer, Septuaginta, in: GGPh 5, 1 (2018), 709–715. 69   Daniel 1, 20 LXX für hebräisches (ha-ḥarṭummīm ha-ʾaššāfīm). 70   Vgl. zu dieser Version Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament, 334–338; zur konstanten Revision der Septuaginta vgl. Kreuzer, Entstehung und Entwicklung der Septuaginta, 27–33. 71   Vgl. dazu unten S. 623. 72   Vgl. in diesem Sinne Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament, 250– 252. 73   Zu Berührungen mit der Philosophie in diesem Werk vgl. Hengel, Judentum und Hel67

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mit stoischer Lehre behauptet, z. B. der Logos-, Providenz-, und Oikeiosis-Lehre, die auf eine Kenntnis stoischer Texte schließen lassen sollen.74 Das betrifft allerdings auch hier eher Details, z. B. dass die gesamte Welt (als Schöpfung) gut ist75 oder dass der Logos Erklärer von Gottes Taten ist sowie dass die Unterscheidung von Gut und Böse mit dem »Wissen der Einsicht« (ἐπιστήμη συνέσεως) zusammenhängt.76 Der hymnisch-mitteilende, kaum argumentative Gesamtduktus der Schrift wirkt hingegen kaum philosophisch. Wirkungsgeschichtlich sind vor allem die Aussagen über den Logos Gottes bedeutsam, der »die Quelle der Weisheit« (πηγὴ σοφίας) sei, welche ihrerseits »bis in Ewigkeit« (εἰς τὸν αἰῶνα) bestehe und aus der allein die Weisheit der Völker lernen werde.77 Auch wenn diese Aussagen philosophische Kenntnisse nicht unbedingt voraussetzen, dürfen sie doch als Würdigung zeitgenössischer (alexandrinischer) Wissenschaft verstanden werden. Das ergibt sich vor allem aus einem expliziten Lob des »Wissens des Arztes« (ἐπιστήμη ἰατροῦ), da Gott »selbst den Menschen das Wissen gab« (αὐτὸς ἔδωκεν ἀνθρώποις ἐπιστήμην).78 Hier wird eine Akzeptanz jedenfalls bestimmter Bereiche des griechischen Wissenschaftsbetriebs in der Tat sehr nahe gelegt. Ein bemerkenswertes Zeugnis für den Kontakt der Juden mit der Philosophie scheint ferner im Buch ›Baruch‹ vorzuliegen, einem kurzen Zusatz zum Prophetenbuch ›Jeremia‹ in der Septuaginta, der meist in das 2. oder 1. Jahrhundert v.  Chr. datiert wird.79 Der Autor wendet sich in einer Mahnrede80 ausdrücklich an Israel, das sich »im Land des Feindes« befinde und »die Quelle der Weisheit verlassen« lenismus, 267–270; O. Kaiser, Des Menschen Glück und Gottes Gerechtigkeit. Studien zur biblischen Überlieferung im Kontext hellenistischer Philosophie, Tübingen 2007; O. Kaiser, Vom offenbaren und verborgenen Gott. Studien zur spätbiblischen Weisheit und Hermeneutik, Berlin 2008, 60–77. 74   Im Einzelnen: Logoslehre: 1, 1–10; Providenz: 39, 12–35; Oikeiosis-Lehre: 17, 1–7. Genauerer Überblick: Kaiser, Vom offenbaren und verborgenen Gott, 62. 75   Ecclesiasticus 39, 33. So auch schon im Hebräischen: P. C. Beentjes, The ›Book of Ben Sira‹ in Hebrew. A Text Edition of All Extant Hebrew Manuscripts and a Synopsis of All Parallel Hebrew Ben Sira Texts, Leiden  /  New York  /  Köln 1997, 69. 76   Ecclesiasticus 17, 7. Auf Hebräisch offenbar nicht erhalten. Zur Vagheit dieser philosophischen Bezüge z. B. J. Marböck, in: ›Jesus Sirach‹ 1–23. Übersetzt und ausgelegt von J. Marböck, Freiburg  /  Basel  /  Wien 2010, 214. 77   Ecclesiasticus 1, 1; 1, 5; 39, 1–11. 78   Ecclesiasticus 38, 3; 38, 6. Vgl. Marböck, in: ›Jesus Sirach‹, 51. 79   Vgl. I. Meyer, Das Buch ›Baruch‹ und der ›Brief des Jeremia‹, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, 585–591, hier 589 (recht unbestimmt); G. Dorival, L’achèvement de la Septante dans le Judaïsme. De la faveur au rejet, in: Harl  / ­Dorival  /  Munnich (Hrsg.), La Bible grecque des Septante, 83–125, hier 84 (um 80 v.  Chr.); G. Gäbel  /  W. Kraus, Das Buch ›Baruch‹, in: Karrer  /  Kraus (Hrsg.), Septuaginta Deutsch, hier 2817 (2. Jhdt. v.  Chr.). 80   Zur Gattung vgl. E. Ballhorn, Weisheit, die zur Tora führt. Die Israel-Mahnrede im Buch ›Baruch‹, in: U. Dahmen  /  J. Schnocks (Hrsg.), Juda und Jerusalem in der Seleukidenzeit. Herrschaft – Widerstand – Identität. Festschrift für H.-J. Fabry, Bonn 2010, 259–280, hier 266–269.

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habe, und fordert es auf, »die Klugheit zu erkennen« (γνῶναι φρόνησιν). »Lerne, wo die Klugheit ist, wo die Stärke ist, wo zugleich die Einsicht des Erkennens ist, wo Langlebigkeit und Leben ist«.81 Hieran schließen sich einige für die Weisheitsliteratur typische Aussagen über die Unauffindbarkeit der Weisheit und den Untergang derer an, die sich um Geld und Besitz kümmerten.82 Dann fährt der Text fort: »Jüngere sahen das Licht und ließen sich auf der Erde nieder, den Weg des Wissens aber erkannten sie nicht. […] Weder wurde er in Kanaan gehört, noch in Teman gesehen, noch erkannten die Söhne Hagars, welche die Einsicht auf der Erde suchen, die Händler von Merran und Thaiman, die Mythenerzähler und die Sucher nach Einsicht den Weg der Weisheit«.83

Entgegen solch menschlichem Bemühen erkenne nur »unser Gott«, der »Allwissende« (ὁ εἰδὼς τὰ πάντα) den »Weg des Wissens und habe ihn Israel weitergegeben.84 Mit den Mythenerzählern (μυθολόγοι), dem Weg des Wissens sowie den »Suchern nach Einsicht« (ἐκζητηταὶ τῆς συνέσεως) werden hier gleich drei sonst in der Septuaginta nicht aufzufindende Termini mit griechischer Konnotation geboten.85 Dabei kann der ›Sucher der Einsicht‹ kaum anders verstanden werden als eine Umschreibung des im Wortlaut vermiedenen Begriffs ›Philosophen‹.86 Auch die pointierte Rahmung durch die Frage nach der wahren »Klugheit« (φρόνησις) und die Erwähnung eines langen und guten Lebens – also Themen, die biblische Weisheitsliteratur und Philosophie verbinden87 – sprechen für einen Bezug zur Philosophie. Insofern stellt Baruchs ›Weisheitslied‹ oder ›Mahnrede‹ zwar keine Anknüpfung an die Philosophie dar – denn sie wird ja aus einer innerjüdischen 81

  Μάθε ποῦ ἐστιν φρόνησις, ποῦ ἐστιν ἰσχύς, ποῦ ἐστιν σύνεσις τοῦ γνῶναι ἅμα, ποῦ ἐστιν μακροβίωσις καὶ ζωή […]. Baruch 3, 9–14. 82   Baruch 3, 15–19. Typische Parallelen sind namentlich Ijob 28 (vgl. Meyer, Das Buch ›Baruch‹, 588 f.), aber auch andere Stellen wie Psalm 48, 8–15 LXX = 49, 5–15. 83   Νεώτεροι εἶδον φῶς καὶ κατῴκησαν ἐπὶ τῆς γῆς, ὁδὸν δὲ ἐπιστήμης οὐκ ἔγνωσαν. […] οὐδὲ ἠκούσθη ἐν Χανααν οὐδὲ ὤφθη ἐν Θαιμαν, οὔτε υἱοὶ Αγαρ οἱ ἐκζητοῦντες τὴν σύνεσιν ἐπὶ τῆς γῆς, οἱ ἔμποροι τῆς Μερραν καὶ Θαιμαν οἱ μυθολόγοι καὶ οἱ ἐκζητηταὶ τῆς συνέσεως ὁδὸν τῆς σοφίας οὐκ ἔγνωσαν. Baruch 3, 20–23. 84   Baruch 3, 24–38. Auch diese Verse lassen sich aus Ijob 28 parallelisieren. 85   Vgl. I. Assan-Dhôte  /  J. Moatti Fine, in: La Bible d’Alexandrie. ›Baruch‹, ›Lamentations‹, ›Lettre de Jérémie‹. Traduction du text grec, introduction et notes, Paris 2005, 107 f. Nicht zu vergessen ist in diesem Kontext, dass sich auch die Philosophen selbst, z. B. im Sinne der theologia tripertita, von den Mythenerzählungen abgrenzen. 86   Zur Synonymie der Worte σύνεσις und σοφία in der Sprache der Septuaginta vgl. z. B. Ecclesiasticus 1, 4; 1, 18–20; O. H. Steck, Das Buch ›Baruch‹. Übersetzt und erklärt von O. H. Steck, in: Das Buch ›Baruch‹. Der ›Brief des Jeremia‹. Zusätze zu Ester und Daniel. Übersetzt und erklärt von O. H. Steck  /  R. G. Kratz  /  I. Kottsieper, Göttingen 1998, 11–68, hier 51, und Ballhorn, Weisheit, die zur Tora führt, 270, konstatieren einen Bezug auf den »gesamte[n] Wissenserwerb der antiken Welt« bzw. »die Weisen der Völker«, ohne die Philosophen ausdrücklich zu erwähnen. 87   Vgl. Krüger, ›Kohelet‹, 43 f.

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Perspektive und mit deren Diskursmitteln abgelehnt –, aber doch wohl eine kaum verhüllte Erwähnung und so ein wichtiges Zeugnis für den Kontakt von Judentum und Philosophie.88 Philosophische Terminologie, die eine mehr als oberflächliche Kenntnis platonischer und stoischer Systeme voraussetzt, findet sich schließlich in der ›Weisheit Salomos‹ (Σοφία Σαλῶμῶνος, ›Sapientia Salomonis‹, ›Buch der Weisheit‹; wohl 1.  Jhdt.  v.  Chr.  /  1. Jhdt. n. Chr.).89 Besonders auffällig sind zwei Passagen mit geballt philosophisch geprägter Terminologie, darunter das »denkende Pneuma« (πνεῦμα νοερὸν), das für Poseidonios belegt ist,90 und in 7, 27 die Verbindung von Einheit und Vielheit sowie das »Bleiben« der ersten Ursache in sich selbst.91 Diese Stellen setzen eine Kenntnis philosophischer Terminologie der Zeit voraus. Allerdings ist der Gesamtduktus auch dieses Buches von der Weisheitsliteratur geprägt.

4. Die Aufnahme von Philosophie in nicht-biblischen hellenistisch-jüdischen Texten Der Anspruch, das Judentum sei selbst oder besitze eine Philosophie, findet sich hingegen ausschließlich in nicht-biblischen Texten, nämlich in hellenistischer Zeit den Fragmenten des Aristobulos und im ›Aristeasbrief‹.

Altersargument und allegorische Exegese: Die Begründung der jüdisch-christlichen Philosophietradition bei Aristobulos92 Auf das Programm des Aristobulos aus Alexandria (fl. ca. 160),93 die Abhängigkeit der griechischen Philosophie von Mose und den Propheten nachzuweisen, 88   Die interkulturelle Dimension des Textes wird betont von E. Ballhorn, Interkulturalität und Selbstvergewisserung. Die Wege der Weisheit im Buch ›Baruch‹, in: F. GmainerPranzl  /  B. Kowalski  /  T. Neelankavil (Hrsg.), Herausforderungen Interkultureller Theologie, Paderborn 2016, 35–49. 89   Vgl. S.  Schroer, Das ›Buch der Weisheit‹, in: Zenger  /  Frevel (Hrsg.), Einleitung in das Alte Testament, 484–406, hier 490 f. 90   Ioannes Stobaeus, Anthologium 1, 1, 29b (1, p.  34, 26 Wachsmuth) = Posidonius, frg.  101 (Edelstein  /  Kidd). 91   Sapientia Salomonis 7, 15–27; 13, 1–5, besonders 7, 22 und 7, 27. Vorsichtig im Hinblick auf philosophische Bezüge ist hier O. Kaiser, Die ›Weisheit Salomos‹. Übersetzt, eingeleitet und durch biblische und außerbiblische Parallelen erläutert, Stuttgart 2010, 61. 92   Text und Übersetzung finden sich bei Radice, La filosofia di Aristobulo; C. R. Holladay, Fragments from Hellenistic Jewish Authors 3, Atlanta, Ga. 1995. 93   Vgl. R. Goulet, Aristoboulos, in: DPhA 1 (1994), 379 f.; Radice, La filosofia di Aristobulo; Riedweg, Jüdisch-hellenistische Imitation; R. Radice, Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides, in: GGPh 5, 1 (2018), 719–724, hier 719–723, zur Datierung 719.

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verweist bereits Clemens von Alexandrien,94 der ihn ausdrücklich als peripatetischen Philosophen bezeichnet.95 Damit weist er zu Recht auf die Scharnierstelle hin, die diesem Denker in der Geschichte der antiken Philosophie zukommt: Die überlieferten Auszüge zeigen nämlich, dass er in der Tat Platon sowie andere heidnische Philosophen und Dichter als abhängig von Mose ansieht, sowohl was dessen Gottesbild als auch was die Gesetzgebung anbelangt. Damit ist Aristobulos offenbar der erste, der die Würdigung des Judentums als Barbarenphilosophie durch verschiedene Griechen positiv aufnimmt – er selbst zitiert Demetrios von Phaleron96 – und seinerseits die Abhängigkeit der Philosophen und Dichter von Mose aufzuzeigen sucht. Damit begründet er eine Rechtfertigungsstrategie für die Inkulturation der Philosophie in das Selbstbild der hellenistischen Juden, welche bei diesen und im Anschluss bei den Christen für Jahrhunderte nachwirkt. Aristobulos stellt den Bezug des Judentums zur Philosophie her, indem er es als eine ›Richtung‹ (αἵρεσις) darstellt, welche das angeblich gemein-philosophische – in hellenistischer Zeit tatsächlich eher ungewöhnliche – Anliegen teilt, »fromme Auffassungen über Gott zu haben« (περὶ θεοῦ διαλήψεις ὁσίας ἔχειν).97 Folglich interpretiert er die salomonische Weisheit in Anlehnung an die stoische Philosophie-Definition als »Kenntnis des Menschlichen und Göttlichen«, wobei ›Kenntnis‹ (γνῶσις) an die Stelle des sonst üblichen ›Wissen‹ (ἐπιστήμη) tritt.98 Zentral für die Stellung des Judentums ist das Argument, »Pythagoras, Sokrates und Platon« seien »in allem, nach sorgfältiger Suche« dem Mose »gefolgt«, stünden ihm also nicht nur inhaltlich nahe, sondern seien auch aufgrund von seinem höheren Alter von ihm abhängig.99 Damit formuliert Aristobulos als erster das Alters­argument, eine klassische jüdisch-christliche Begründung für den eigenen philosophischen Anspruch. Die Parallelen illustriert er unter anderem mit einem adaptierten orphischen Hymnus, der zahlreiche Formulierungen enthält, die auch im pseudo-aristotelischen ›Über die Welt‹ (›De mundo‹) zu finden und wahrscheinlich von dorther übernommen sind.100 94

  Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 97, 7 (GCS Clemens 2, p.  390, 14–19 Stählin) = Aristobulus, test. 4 Holladay. 95   Vgl. dazu Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie, 259–262. 96   Vgl. oben S. 486. 97   Aristobulus, frg.  4 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 8 (GCS Eusebius 8, 2, p.  195, 8 f. Mras). 98   Aristobulus, frg.  5 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 12 (GCS Eusebius 8, 2, p.  196, 8 Mras). Die Überlieferung bei Clemens von Alexandrien (Stromata 6, 138, 4 [GCS Clemens 2, p.  502, 10 f. Stählin]) weicht an dieser Stelle mit einer stärker stoischen Formulierung ab: θείων καὶ ἀνθρωπίνων καταληπτικῶς ἐπιστήμονα εἶναι διδάσκει. Vgl. aber Ciceros cognitio (s. oben S. 466) sowie die Formulierungen in kaiserzeitlichen jüdischen Texten. 99   Aristobulus, frg.  4 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 3 f. (GCS Eusebius 8, 2, p.  191, 9–15 Mras). 100   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 5 (GCS Eusebius 8, 2, p.  191, 19–194, 10

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Inhaltlich legt Aristobulos Wert darauf, Gott nicht (wie die Stoiker) als inhärentes Weltprinzip, sondern als transzendent zu beschreiben.101 Hierzu zeigt er, wie man die bildlichen Aussagen des jüdischen Gesetzes – das von »Händen, Armen, Gesicht, Füßen und einem Umhergehen bei der göttlichen Kraft« spricht – naturwissenschaftlich bzw. -philosophisch (φυσικῶς) und nicht ›mythisch‹ (μυθῶδες) verstehen kann, also im Sinne einer rational strukturierten und nicht rein phantastischen (bzw. erdichteten) Gotteslehre. Im Sinne der ›dreigeteilten Theologie‹ (theologia tripertita)102 fügt er hinzu, dies hätten diejenigen, die am Wortlaut der Schrift hängen, im Gegensatz zu den Philosophen und Dichtern der Griechen nicht erkannt.103 So bedeute die Präsenz Gottes, aufgrund derer »der Berg« Sinai bei der Offenbarung an Mose »im Feuer brannte«, ein Herabsteigen, das sich aufgrund von Gottes Allgegenwart in der Welt in gewissen Zeichen manifestiere, ohne die sichtbare Natur als solche zu verändern.104 Die aus der stoischen Allegorese bekannte Omnipräsenz des Göttlichen wird somit, mit starken Anklängen an ›Über die Welt‹ (›De mundo‹), als Gegenwart einer Kraft (δύναμις) eines selbst transzendent bleibenden Gottes verstanden.105 Die Beachtung der Transzendenz Gottes aufgrund des jüdischen Charakters von Aristobulos’ Gotteslehre stellt e­ inen pointierten Gegensatz zur stoischen Vergöttlichung einzelner Elemente der Welt her.106 Die geistesgeschichtliche Bedeutung dieser Konzeption kann kaum überschätzt werden, denn faktisch finden sich bei Aristobulos bereits alle Kernargumente der jüdisch-christlichen Selbstdefinition als Philosophie versammelt: 1) Das Judentum ist deswegen eine Philosophie, weil es wie alle Philosophen die göttliche Wahrheit sucht und Mose dies auf naturphilosophische Weise dargelegt hat. 2) Durch eine philosophische Deutung der biblischen Bilder kann man das richtig verstehen.

Mras). Vgl. Riedweg, Jüdisch-hellenistische Imitation, 77–101; Radice, La filosofia di Aristobulo, 21–158 (vgl. auch oben S.  370, 372). 101   Aristobulus, frg.  5 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 12, 9 (GCS Eusebius 8, 2, p.  195, 13–15 Mras). 102   Vgl. oben S. 455. 103   Καὶ χεῖρες καὶ βραχίων καὶ πρόσωπον καὶ πόδες καὶ περίπατος ἐπὶ τῆς θείας δυνάμεως. Aristobulus, frg.  2 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 8, 10, 1–5 (GCS Eus. 8, 1, p.  451, 13–452, 7; Zitat 451, 14 f. Mras). 104   Aristobulus, frg.  2 (Radice) = Eusebius, Praeparatio evangelica 8, 10, 13–17 (GCS Eus. 8, 1, p.  453, 12–454, 8 Mras). Die biblische Referenzstelle ist Deuteronomium 4, 11; 5, 23; 9, 15 LXX. 105   Vgl. Radice, La filosofia di Aristobulo, 69–95. 106   Vgl. N. Walter, Der Thoraausleger Aristobulos. Untersuchungen zu seinen Fragmenten und zu pseudepigraphischen Resten der jüdisch-hellenistischen Literatur, Berlin 1964, 130–139

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Die hellenistische Epoche

3) Mose und Salomon haben nicht nur im Kern die gleichen Ansichten wie die Philosophen gehabt, sondern ihr höheres Alter zeigt ihre größere Nähe zur Wahrheit. Im Rahmen dieser jahrtausendelang einflussreichen Prinzipien zeigt Aristobulos’ eigener Ansatz hellenistisches Gepräge, wenn er die Transzendenz Gottes gegen eine stoisierende Immanenzlehre eigens herausarbeiten muss, ohne auf eine platonische Transzendenzlehre zurückgreifen zu können.107 Damit ist er zugleich ein einzigartiges Zeugnis für eine Art, Philosophie zu treiben, die uns bei Stoikern, Kynikern, Epikureern und jüngeren Akademikern nirgendwo begegnet: Die Erkenntnis des göttlichen Selbst wird im Sinne der platonisch-pythagoreischen Tradition zum Ziel der Philosophie erklärt, während für die Ausarbeitung auf Inhalte des peripatetischen ›Über die Welt‹ zurückgegriffen wird. Es liegt nahe, Aristobulos als eindeutigstes Zeugnis für das Vorhandensein sein einer solchen aristotelisierenden und platonisierenden Tradition in Alexandrien anzusehen, die fernab von Athen bereits eine eigene Dynamik entwickelt, bevor sie im 1. Jahrhundert, zur Zeit von Eudoros und Andronikos, wieder deutlich sichtbar wird.

Die Rolle der Philosophie im ›Aristeasbrief‹ Auch im ›Aristeasbrief‹, der wohl nur geringfügig älter oder jünger als Aristobulos ist,108 spielt der Nachweis des philosophischen Charakters des Judentums eine Rolle, dessen heilige Schrift nicht zuletzt deswegen ins Griechische übersetzt werden soll, »weil diese Gesetzgebung, da sie göttlich ist, sowohl sehr philosophisch als auch rein ist« (διὰ τὸ καὶ φιλοσοφώτεραν εἶναι καὶ ἀκέραιον τὴν νομοθεσίαν ταύτην).109 Die Philosophie selbst wird im Prinzip als selbstbeherrschte Lebensführung verstanden, die letztlich auf die Verehrung des einen Gottes zurückgeht. Die Juden »verehren nämlich«, so der fiktive nicht-jüdische Schreiber des Briefs, »den Aufseher und Gründer von allem, so wie alle, wobei wir ihn […] anders als Zeus bezeichnen«110 – auch hier erfolgt also eine Identifizierung von jüdischem Gott und obersten göttlichen Prinzip, das wie bei den Stoikern mit Zeus identifiziert wird, aber anders als bei ihnen als Gründer bzw. Schöpfer (κτιστής)111 von 107

  Zur möglichen Existenz umfassenderer jüdischer philosophischer Bibelkommentare vor Philon vgl. im Übrigen R. Goulet, La philosophie de Moïse. Essai de reconstitution d’un commentaire philosophique préphilonien du Pentateuque, Paris 1987. 108   Eine ausführliche Einleitung zum ›Aristeasbrief‹ gibt Pelletier, in: Lettre d’Aristée à Philocrate, 47–98, dort 56–58 zu Autor und Alter. Zu den Erwähnungen der Philosophie im Brief vgl. schon Malingrey, Philosophia, 73–77. 109   Epistula Aristeae 31 (p.  120 Pelletier). 110   Τὸν γὰρ πάντων ἐπόπτην καὶ κτίστην θεὸν οὗτοι σέβονται, ὃν καὶ πάντες, ἡμεῖς δέ, βασιλεῦ, προσονομάζοντες ἑτέρως Ζῆνα καὶ Δία. Epistula Aristeae 16 (p.  110 Pelletier). 111   Das griechische κτίστης vermeidet auch Platons ποιητής, so wie in der Septuaginta

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der Welt getrennt ist. Der philosophische Charakter der Juden wird insbesondere durch die Antworten der aus Jerusalem herbeigerufenen Bibelübersetzer vor König Ptolemaios erwiesen, die den Beifall der anwesenden Philosophen finden112 – welche wie die Juden die Fähigkeit, auf kluge Weise Gespräche zu führen, nicht aber eine eigentlich theoretische Aktivität als Bestandteil der Philosophie ansehen.113 Zu der dem König vorgeschlagenen philosophischen herausragenden Lebens- und Amtsführung gehört neben seinen herrschaftlichen Tätigkeiten (ἐνεργείαι) insbesondere auch deren reflexive Vergegenwärtigung, die wiederum von Gott gestützt wird.114

5. Würdigung Die jüdischen Texte der hellenistischen Zeit lassen eine Interaktion mit der Philosophie erkennen, indem einerseits Philosophen selbst mit der Idee der Barbarenphilosophie den Juden eine Philosophie zuschreiben, während andererseits Juden in verschiedener Weise mit der Philosophie als einer fremden Tradition umgehen. Dabei lassen sich zwei Strategien recht klar unterscheiden: a) Biblische Texte mit Bezügen zur Weisheitsliteratur halten weitgehend an deren Ausdrucksweisen und Lehren fest. Philosophische Themen werden in gewissem Maße aufgegriffen und (gerade auch terminologisch) integriert, aber die Philosophie selbst wird nicht erwähnt, und ihre argumentativen Denkformen werden vermieden. Allenfalls werden (im Buch ›Baruch‹) die Sucher nach Weisheit, die diese nicht in Gott suchen, kritisiert und die Leser daran erinnert, dass das wahre Wissen beim jüdischen Gott zu suchen ist. Durch diesen verdeckten Umgang mit der Philosophie entstehen in der griechischen Bibel Abschnitte, die, ohne philosophisch zu sein, eine philosophische Deutung nahelegen, gerade weil die distanzierte Haltung zur Philosophie nicht explizit gemacht wird. b) Die außerbiblischen Zeugnisse des ›Aristeasbriefs‹ und des Aristobulos verfolgen, jeweils mit peripatetischen, ja sogar platonischen Anklängen, ausdrücklich die Strategie, das Judentum als überlegene Philosophie darzustellen. Bei Aristobulos wird die Behauptung eines höheren Alters der jüdischen Tradition mit einer Rechtfertigung von deren bildhafter Gottesrede gegenüber philosophischer Kritik verbunden; im ›Aristeasbrief‹ wird das Projekt der Septuaginta als Vermittlung eines Wissens dargestellt, das der griechischen Philosophie überlegen ist.

verbreitet. Inwieweit das Wort terminologisch für eine Schöpfung aus dem Nichts verwendet wird, ist eine andere Frage. 112   Epistula Aristeae 235; 296 (p.  206; 228 Pelletier). 113   Epistula Aristeae 256 (p.  214 Pelletier). 114   Epistula Aristeae 284 f. (p.  224 Pelletier).

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Die hellenistische Epoche

Insgesamt wird also (nach den erhaltenen Quellen) Philosophie in das Judentum der hellenistischen Zeit nur unter der Bedingung aufgenommen, dass dabei die Überlegenheit der eigenen Position behauptet wird, wenn auch mit verschiedenen Mitteln. Indem dies aber recht intensiv geschieht, wird die Grundlage gelegt für weitergehende Übernahmen in späterer Zeit.

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VII. Zusammenfassung

1. Der hellenistische Philosophiebegriff und seine Bedeutung Versucht man das Proprium hellenistischen Philosophierens von den programmatischen Aussagen der Zeit zur Philosophie her zu erschließen, kann man von der einzigen neuen Philosophiedefinition der Zeit ausgehen, nämlich der stoischen: Diese verbindet einerseits in sokratischer Weise Tugend und Wissen, andererseits begrenzt sie das Wissen, das die Tugenden ausmacht, auf bestimmte Inhalte, nämlich die »göttlichen und menschlichen Dinge« (θεῖα καὶ ἀνθρώπινα πράγματα), welche durch den Dreiklang von Logik, Physik und Ethik in geeigneter Weise erschlossen werden sollen. Weiterhin enthält sie Unterscheidungen a) zwischen dem Ziel der Weisheit, welche das genannte Wissen in vollem Umfang umfasst, und einer Übung (ἄσκησις), welche dorthin führen soll, und b) zwischen der Philosophie, welche diese Übung ausmacht, und dem ›Logos der Philosophie‹, welcher vielleicht mit diesen Inhalten identisch ist.1 Ähnlich, wenn auch in einer weniger feinziselierten Begrifflichkeit, sehen auch die Epikureer die Philosophie als Weg zu einem Ziel an, der einerseits durch ein philosophisches Leben, aber anderer­seits auch durch die abgesicherte Erkenntnis gewisser Naturphänomene ermöglicht wird. In beiden Richtungen ist die Ethik folglich ein vollwertiger Teil der Philosophie, ohne sie aber allein auszumachen. Gerade die Einheit und Gleichwertigkeit ganz bestimmter Lehrmeinungen, deren Wahrheit für ein gutes Leben anzuerkennen und deren Begreifen hierfür notwendig ist, ist charakteristisch für die Philosophie bei Epikur und der Stoa.2 Vergleicht man diesen (gleich im Detail weiter zu differenzierenden) Befund mit den frühhellenistischen Debatten, kann man sowohl das sokratische Tugendideal der Kyniker, der Megariker und des Pyrrhon in diesen Formeln wiederfinden als auch eine Abkehr von dem breiten Wissenschaftsideal feststellen, das Akademiker und Peripateriker zu dieser Zeit lehren3 und letztere sogar, wie Aristoteles, mit der Philosophie identifizieren. Aber Zenon und Epikur gehen in ihrer Aufnahme der sokratischen Tradition nicht so weit, ganz auf eine Fundierung ihres Eudaimonie-Ideals durch theoretische Inhalte zu verzichten. Vielmehr arbeiten sie einen bestimmten Bereich relevanten Wissens heraus, der tugendhafte Praxis 1   Vgl. zur engen Verbindung von Praxis und Theorie Cooper, Pursuits of Wisdom, 214– 225, der freilich stärker als hier den Bezug alles Wissens auf die Praxis betont. 2   Vgl. Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, 186 f.; Hadot, Die Einteilung der Philosophie 429 f., 436–439. Schon Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 168–171 (2, p.  410, 13–25) weist auf die Parallelität beider Ansätze ausdrücklich hin. 3   Vgl. zu diesen Punkten Glucker, The Athenian Philosophical Atmosphere, 312 f.; auch Cooper, Pursuits of Wisdom, 144–146.

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Die hellenistische Epoche

ermöglichen und zugleich in Form weniger Dogmen erlernbar sein soll. Epikurs Bemühen um eine Vermittlung der einmal etablierten Lehre in einfachen Sätzen trifft sich in diesem Punkt mit der Geltung von Zenons Dogmen in der Stoa, welche Chrysipp als solche übernehmen und verteidigen möchte: Alle drei nehmen an, dass ein philosophisches Leben nur mit einem bestimmten theoretischen Wissen möglich ist, das zu erlernen, aber nicht (außer vielleicht methodisch) zu hinterfragen und zu ändern ist.4 Zugleich grenzen sich die naturphilosophischen Grundlagen beider Theorien mit Demokrit, Heraklit und vielleicht auch der Grundtendenz Theophrasts von der platonischen und aristotelischen Metaphysik ab, welche sogar in der Akademie nach einem Vierteljahrhundert nicht mehr aktiv propagiert wird. Eine Sondertradition, wie sie sich z. B. am pseudo-aristotelischen ›Über die Welt‹, an Aristobulos oder dem im Zusammenhang mit dem Mittelplatonismus zu behandelnden anonymen ›Theaitet-Kommentar‹ zeigt, konnte sich möglicherweise in Alexandria halten; zwar ist ihr Einfluss wohl zunächst gering, doch weist sie bereits auf die kaiserzeitliche Philosophie voraus. Im Ganzen bildet sich in hellenistischer Zeit eine typische Verbindung von Theorie und Praxis, dank derer Stoiker und Epikureer die beträchtliche Außenwirkung erzielen, welche die Etablierung der Philosophie als Bildungsideal schlechthin der griechischen Welt ermöglicht. Die alternativen Entwürfe von Philosophie runden das Gesamtbild ab, ohne den stoisch-epikureischen Rahmen grundsätzlich infrage zu stellen:5 Die Akademiker kritisieren vor allem die stoische Erkenntnistheorie fundamental und folgern im Gegenteil geradezu eine Unmöglichkeit zuverlässiger Erkenntnis, welche dann zur Grundlage einer bestimmten Lebensführung wird, nämlich der Urteilsenthaltung. Die Peripatetiker seit Kritolaos entwickeln ihrerseits eine spezifisch akzentuierte Theorie einer inhaltlich begründeten Lebensführung. Die Kyniker bemühen sich weiterhin um ein tugendhaftes Leben auf einer nur grob ausgearbeiteten theoretischen Grundlage, auch wenn sie z. T. den Stoikern, namentlich Ariston von Chios, sehr nahestehen. Insgesamt wird die Philosophie im griechischen Bereich so zu der theoretisch fundierten, schulisch organisierten Lehre guten Lebens, welche als geradezu typisch antik erscheint. Von einem Primat der Ethik kann man für die drei großen hellenistischen Schulen also insgesamt nur bedingt sprechen: Das Bild der Natur und die Methodik, mit der sie erkannt und beschrieben werden kann, sind für Epikur und die Stoiker ein zentraler Bestandteil des philosophischen Bemühens: Bei den Epikureern ist die Kontingenz der Welt, die letztlich auch nicht in ihren Gesetzmäßigkeiten erkannt werden kann und somit nicht berechenbar ist, ein wesentlicher Hintergrund für die Konzentration auf das Lebensziel einer Freude, die durch Tugend, Freundschaft und das Memorieren von Lehrsätzen zu stabilisieren ist: Denn unter 4

  Vgl. Cooper, Pursuits of Wisdom, 218 f., 227, 273 f. der betont, dass die Epikureer in dieser Hinsicht weiter gehen als die Stoiker. 5   Vgl. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 169 f.; übertrieben von Arnim, Dio von Prusa, 79.

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Zusammenfassung

diesen Bedingungen macht es keinen Sinn, ein Tugendideal um seiner inhärenten Güte willen zu verfolgen, so dass das individuelle Wohlbefinden in sich zum angemessenen Ziel der Lebensführung wird. Bei den Stoikern garantiert hingegen die Notwendigkeit der Welt, die als solche erkannt werden kann, die Sinnhaftigkeit des Tugendideals, da dieses sich am erkannten gesetzesförmigen Weltlauf selbst orientiert. Vorausgesetzt ist, dass die Güte dieser Weltstruktur selbst rational mit Gewissheit zu begreifen ist, wie es die stoische Logik aufweist. Die Akademiker erklären schließlich, gerade weil sie die Möglichkeit theoretischer Naturbetrachtung generell bestreiten, die Urteilsenthaltung selbst zum Lebensziel. Alle drei Lebensentwürfe sind also nur in Verbindung mit ihrem jeweiligen theoretischen Rahmen sinnvoll. Ein Primat der Praxis besteht für die hellenistische Philosophie folglich auf protreptisch-didaktischer Ebene sowie meta-philosophisch in Karneades’ Einteilung der philosophischen Richtungen. Auf theoretischer Ebene zeigt er sich jedoch allenfalls in der Weitergabe und Aufarbeitung der einmal erstellten Weltentwürfe zu Lehrzwecken bzw. im Verzicht auf radikale Neuansätze,6 nicht aber in der systematischen Struktur der Ansätze selbst, in der Theorie und Praxis in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Gerade die dynamische Entwicklung der Stoa und ihre konstante Kritik durch die Akademie zeigen ja auch die Lebendig­keit, Dynamik und Eigenständigkeit des theoretisch-philosophischen Diskurses in hellenistischer Zeit. Von besonderem Interesse im Hinblick auf spätere Entwicklungen ist vor allem die Rolle der Logik in hellenistischer Zeit: Zum einen ist diese in der Stoa sehr stark und führt zur Entstehung und Durchsetzung des Begriffs ›Logik‹ für die methodisch relevanten Grundfragen einer philosophischen Erkenntnis- und Sprachtheorie, einschließlich ihrer sorgfältig beachteten ontologischen Implikationen wie den unkörperlichen ›Lekta‹, sowie einer Schlusslehre, die ein komplexes Ableitungssystem rechtfertigen kann; insofern kann die hellenistische Zeit als eine Blütephase antiker Logik gelten. Zum anderen zeigt sich aber nicht nur bei Kynikern, sondern auch bereits bei den Epikureern eine deutlich größere Reserve: Weder der Begriff ›Logik‹ noch ihr Status als eigener Teil der Philosophie sind hier unumstritten, und es entwickelt sich eine didaktisch auf die Lebensführung ausgerichtete Protreptik, die vor einer übertriebenen Beschäftigung gerade mit logischen Details warnt. Sie macht zwar auch vor anderen wissenschaftlichen Diskursen nicht halt, wenn sie zur Konzentration auf praktisch Relevantes auffordert, doch konstituiert sie eine der Philosophie inhärente Spannung, welche sich in den folgenden Jahrhunderten durchsetzt: Einerseits ist die Philosophie eine methodisch durch die Logik abgesicherte wissenschaftliche Diskursform, andererseits ist sie eine Lebensleitung, die auf diese methodische Absicherung zugunsten einer Orientierung auf die eigene Besserung verzichten kann. Von hier aus sind ganz unter­schiedliche Akzentuierungen und Aneignungen des Philosophiebegriffs möglich, die von ganz unterschiedlichen Strömungen genutzt werden. 6

  Dies betont Cooper, Pursuits of Wisdom, 216 f.

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Die hellenistische Epoche

Der Fokus Epikurs und der Stoa auf der Lehrbarkeit von Philosophie erweist sich im Ganzen jedenfalls als äußerst einflussreich im Hinblick auf die äußere Gestalt der antiken Philosophie: Die Durchsetzung ihres Ideals erfordert das Vorhandensein von Institutionen, welche die entsprechende Lehre kontinuierlich erbringen können, und steht somit in engem Zusammenhang mit der Konsolidierung des Schulsystems an einem Ort, der aufgrund seiner Lage und Ausstrahlung für dieses Unterfangen günstig ist, nämlich Athen, sowie einer geeigneten Abgrenzung der spezifisch philosophischen Lehre von anderen gesellschaftlichen Praktiken, bei welcher die hellenistischen Schulen zumindest auf theoretischer Ebene noch weiter gehen als Platon und Aristoteles. All dies erbringen die Philosophenschulen im griechischen Bereich, während in Rom Varro und Cicero philosophische Inhalte wieder als allgemeines Bildungsgut propagieren, das die interessierte Oberschicht (auch nach Sullas Zerstörung Athens) aus ihren Schriften erlernen können soll.

2. Die Philosophie und andere gesellschaftliche Praktiken Philosophie und Politik Im Hinblick auf das Verhältnis der Philosophie zur Politik7 ist zu unterscheiden zwischen der politischen Theoriebildung der Philosophenschulen und der politischen Aktivität von Philosophen, wobei ein enger Zusammenhang beider Größen durch die neuere historische Forschung eher in Frage gestellt wird. Auf jeden Fall beschäftigen sich hellenistische Philosophen mit politischen Fragen: Die Stoiker Zenon und Chrysipp vertreten die Gleichheit aller Menschen und die Universalität eines Gesetzes, das sich freilich im Einzelfall unterschiedlich konkretisieren muss. Damit ist – im Anschluss an kynische Vorstellungen – eine Kritik vieler zeitgenössischer Praktiken verbunden, die freilich später innerstoisch, z. B. zwischen Antipatros und Diogenes von Babylon, diskutiert wird. Epikur befürwortet eine Vertragstheorie, die sich auch an gewissen naturrechtlichen Mindeststandards orientiert. Nur beim selbst politisch aktiven Cicero – und zuvor schon beim Historiker Polybios8 – ist eine Fortsetzung der Forschungen des Aristoteles über Verfassungstypologien und die Frage nach der besten Staatsform überliefert, wozu Cicero direkt auf Platon zurückgreift, während er sich in seiner Gesetzeslehre durchaus an die Stoiker anschließt. Hieraus wird man mit aller Vorsicht folgern dürfen, dass die Debatte über eine gerechte Staatsform für Philosophen in hellenistischen Monarchien und Poleis weniger von Interesse ist als Idealbilder guter Gesellschaft, während sie unter den Bedingungen einer faktischen Verfassungsdiskussion (wie im spätrepublikanischen Rom) wiederauflebt. 7

  Vgl. dazu Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 148–150.   Vgl. dazu J. Auberger, Polybe de Mégalopolis, in: DPhA 5b (2012), 1224–1236.

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Zusammenfassung

Die politischen Aktivitäten von Philosophen bzw. Philosophieschülern finden in hellenistischer Zeit sowohl an Herrscherhöfen statt, wohin häufig angesehene Schulangehörige gerufen werden, als auch in Poleis, wo Philosophen bzw. Anhänger der Philosophie offenbar im Rahmen der Möglichkeiten und Erwartungen aktiv werden, welche sich gebildeten Bürgern der Zeit bieten. Es gibt jedoch kaum Grund, in den meisten derartigen Aktivitäten Reformbestrebungen zu sehen, die aus philosophischen Motiven erfolgt wären;9 Ausnahmen scheinen vor allem die Aktivitäten des Blossius in Verbindung mit den Gracchen und des Sphairos in Sparta zu sein, welche wohl vor dem stoischen Horizont eines als ›natürlich‹ erachteten Gleichheitsideals zu sehen sind. In der Regel gehört die philosophische Bildung eher zu den Qualifikationen, welche z. B. Eratosthenes und Krates von Mallos zur Leitung von Bibliotheken oder zur Erziehung künftiger Herrscher befähigt, vielleicht auch, im Sinne der Tugend der Tapferkeit, zum Feldherrndienst, wie ihn Persaios für Antigonos II. Gonatas versieht. Für die Aktivität von Philosophen als Magistrate, Tyrannen, Gesandte oder Strategen gilt dasselbe: Für solche Fähigkeiten qualifiziert sie primär persönlich ihr Ansehen als Mitglied der Bürgerschaft oder Leiter einer angesehenen Schule. Schwierig ist die Frage, inwieweit die philosophische Ausbildung und die Erwartungen, die Anhänger der Philosophie oder andere an diese als Philosophen stellen, deren politisches Verhalten positiv beeinflussen.10 Den ambivalenten historischen Quellen, lässt sich hierfür keine definitive Bestätigung entnehmen, sind sie doch meist von den eigenen Interes­sen des Berichterstatters geprägt.11

Philosophie und Rhetorik12 Die begrenzten Möglichkeiten einer aktiven politischen Betätigung tragen auch zum Auseinanderdriften von Philosophie und Rhetorik bei.13 Zwar wird die Rhetorik im stoischen Philosophie-Unterricht weiter gepflegt, und die (verlorenen) rhetorischen Traktate der Philosophen Kleanthes und Chrysipp sowie einzelne Epikureer wie Philodem befürworten eine Verbindung von Rhetorik und Ethik.14 9   Wie es aber gerne aus einer rein innerphilosophischen Perspektive heraus angenommen wird, z. B. von Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 150. Vgl. dagegen Haake, Der Philosoph in der Stadt, 277–282, und oben S. 356–358. 10   Vgl. z. B. für Rom Griffin, Philosophy, Politics, and Politicians at Rome, 18–22. 11   Hierfür sind wieder die von Haake gesammelten Beispiele instruktiv, namentlich seine Auswertung des Materials zu Demetrios von Phaleron: Der Philosoph in der Stadt, 60–82. 12   Vgl. von Arnim, Dio von Prusa, 83–87; Hadot, Philosophie, Dialectique, Rhétorique dans l’Antiquité, 147–166 (v. a. zu Aristoteles und Cicero); Kennedy, A New History, 81–101; Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, 163–168. 13   Cicero, De finibus 4, 5–7. 14   Vgl. A. Weische, Rhetorik, Redekunst, in: HWbPhil 8 (1992), 1014–2025, hier 1016 f.

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Die hellenistische Epoche

Allerdings lässt sich Ciceros kritische Sicht auf diese Traktate gut nachvollziehen, denn auch Philodem lässt nur die sophistische, nicht aber die politische Rhetorik als Fertigkeit bzw. Kunst (τέχνη) gelten,15 was gegenüber der Rhetorik-Kritik des Peripatetikers Kritolaos (und einiger Epikureer und Stoiker) noch konziliant ist.16 Die Stoiker betreiben zwar fleißig und erfolgreich Rhetoriktheorie, lehren aber im Normalfall nicht deren praktische Handhabung. Es überrascht daher nicht, dass Ciceros Harmonisierung der Philosophie und einer praktischen, in Politik und Gericht geschulten Rhetorik eine Einzelmeinung bleibt, die aus der besonderen Würdigung der Rhetorik in Rom erwächst. Die Trennung der Disziplinen, die in nachhellenistischer Zeit mit noch größerer Schärfe hervortritt, kann sein Œuvre nicht aufhalten.

Das Verhältnis der Philosophie zu Wissenschaften und Medizin Die Disziplinen, welche sich nicht in den philosophischen Kerndiskurs der Epikureer und Stoiker integrieren lassen, werden von den Leitern dieser Schulen aus der Philosophie ausgegliedert, denn sie seien überflüssig und lenkten vom Wesentlichen ab.17 Dem entspricht in der modernen Forschung die grundsätzliche Feststellung, dass es in hellenistischer Zeit eine Spezialisierung der Philosophie gibt, welche räumlich – in Athen – und methodisch sowie inhaltlich von den spezialisierten Fachwissenschaften getrennt ist, welche vorwiegend in Alexandrien und Ephesos betrieben werden.18 In der Tat gibt es Anhaltspunkte für relativ wenige Berührungen beider Gebiete: Grenzgänger zwischen Medizin und Philosophie sind in hellenistischer Zeit die Ausnahme und für einige spezialisierte Fachwissenschaftler wie Archimedes oder den Arzt Herophilos sind philosophische Kenntnisse und Neigungen zweifelhaft. Nur von Poseidonios sind uns grundsätzliche Verhältnisbestimmungen von Philosophie und Wissenschaft bekannt. Eine grundsätzliche ›Scheidung‹ gibt es aber deswegen nicht: Gerade im frühen Peripatos wird durch Theophrast und Straton viel fachwissenschaftliche Arbeit betrieben, welche methodische Einflüsse auf die weiteren Entwicklungen haben dürfte.19 Philosophen wie Eratosthenes und Poseidonios, der epikureische Mathematiker Philonides, stoische Astronomen wie Geminos20 und stoisierende Grammatiker bringen in hellenistischer Zeit die Wissenschaft voran. Im Hinblick auf 15

  Philodemus, Rhetorica 2, 37 (34, 12–24 Sudhaus [Supplementum]).   Critolaus, frg.  25–39 (Wehrli). 17   Vgl. oben S. 399  f., 432 sowie die zusammenfassenden Belege bei Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, 185–192. 18   Vgl. Giannantoni, Scienza e filosofia nell’età ellenistica, 45 f.; Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, 185–189; Dihle, Lebenskunst und Wissenschaft; Flashar  /  Görler, Einleitung, 7. 19   Vgl. Von Arnim, Dio von Prusa, 80; 83. 20   Vgl. Todd, Géminos, 473 f. 16

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Zusammenfassung

die Medizin könnte schon der Pneuma-Begriff des Erasistratos von Aristoteles beeinflusst sein, und die Parallelen zwischen akademischer Skepsis und der empirischen Ärzteschule, welche der Medizin einen eigenen Diskurs zwischen Dogmatikern und Skeptikern beschert, sind auffällig genug, zumal beide Richtungen etwa gleichzeitig auftreten. Vollends schwierig wird die Differenzierung von Philosophie und Fachwissenschaften, wenn man die Zeugnisse zum allgemeinbildenden ›Zirkel der Lehre‹ (ἐγκύκλιος παιδεία) betrachtet, welche meist keine scharfe Trennung zur Philosophie bzw. deren Teildisziplinen erkennen lassen. Anders als bei den spezialisierten Philosophen Athens und den Koryphäen der Geometrie und Medizin in Alexandrien muss man wohl damit rechnen, dass viele Lehrer der hellenistischen Welt Inhalte aus mehreren Bereichen lehren, ohne dass eine genaue Aufklärung möglich wäre.

Philosophie und Religion Die Traditionen der Kulte, Dichter und Philosophen und die Selbstverortung der hellenistischen Interpreten darin Über Philosophie und Religion wird in hellenistischer Zeit unter den Voraussetzungen einer sich wandelnden religiösen Situation diskutiert, welche insbesondere die etablierten Kulte kritisch hinterfragt.21 Die Philosophenschulen führen diese Kritik fort: Die meisten Kyniker lehnen den Kult als überflüssige Gewohnheit ab, die Epikureer halten die Götter meist zwar für glücklich, aber eben darum für untätig und folglich nicht für furchterregend. Die Akademiker sehen in religiösen Dingen keine Gewissheit und selbst die Stoiker, die dem Kult tendenziell positiv gegenüberstehen, kritisieren aus rationaler Warte dessen anthropomorphistische Elemente und bildliche Darstellungen als mangelhaft oder überflüssig. Trotz dieser tendenziell kritischen Attitüde sichern die größten Richtungen der Philosophie ihren Platz in der traditionell, auch religiös weiter funktionierenden Gesellschaft, indem sie ihre Ansätze mithilfe einer Differenzierung des Religiösen, die anhand der von Varro explizit geschilderten ›dreigeteilten Theologie‹ (theologia tripertita) der Philosophen, der Dichter und des Kultes gut beschrieben werden kann, in einen größeren Zusammenhang einordnen:22 So bejaht Epikur die kultische Verehrung der Götter trotz ihrer Untätigkeit aufgrund ihrer inhärenten Würde und bezieht seine Kritik auf Fehldeutungen des Kultes etwa seitens der Dichter. Die Stoiker werten die dichterische, die kultische und die philosophische 21

  Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, une philosophie antique, 422–431.   Hierzu ist wiederum an Lieberg, Die theologia tripertita als Formprinzip antiken Denkens, zu erinnern; vgl. auch Algra, Stoic Philosophical Theology, 225–227 mit einer Distinktion unterschiedlicher Fassungen der theologia tripertita. 22

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Tradition als drei Zeugnisse für das Göttliche als innerweltliches Prinzip, welches sie durch die Vernunft erkennen und daher richtig interpretieren können. Die Versuche der Stoiker, die lokalen Kulte mithilfe der allgemeinen rationalen Prinzipien der Philosophie neu zu verstehen, bzw. ihr »universales Andersverstehen der gängigen Gottesvorstellung«,23 üben einen beträchtlichen Einfluss auf spätere philosophische Religionsdeutungen aus, indem sie durch Rationalisierung der Kulte und Gottesbezeichnungen deren friedliche Koexistenz mit der Philosophie erleichtern.24 Trotzdem erhebt sich Kritik sowohl gegen die Rationalisierungen der Philosophen als auch gegen deren öffentliche Zurückhaltung: Der römische Priester Scaevola findet die Gotteslehre der Dichter frivol, die der Philosophen teils überflüssig, teils, weil Elemente des Volksglaubens aufhebend, richtiggehend schädlich.25 Philodem bekämpft Gegner, welche die philosophischen Lehren vor dem Volk verbergen wollen, so wie es auch Varro erwähnt, welcher die ›dreigeteilte Theologie‹ auf den Begriff bringt und eine Begründung der Kulte aus der Natur heraus anstrebt. Ciceros Skeptiker Cotta hält sich sogar deswegen an den Kult, weil er in den stoischen Rationalisierungen keinen Mehrwert für die religiöse Praxis sieht. Damit sieht sich die philosophische Gotteslehre gerade aus dem römischen Bereich einer Kritik ausgesetzt, welche theologische Neuansätze, wie sie der Mittelplatonismus bringt, begünstigt haben dürfte.

Der Spiegel der Philosophie: Die Realisierung der Barbarenphilosophie im hellenistischen Judentum Eine deutliche Sonderentwicklung nimmt das Judentum, das von Klearch, Hekataios und Poseidonios als ein Musterbeispiel barbarischer Philosophie gesehen wird, da es zur Förderung der Tugend das erste Prinzip verehre. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass schon die griechischen Übersetzer der jüdischen Bibel mit ›der Seiende‹ und dem griechischen Abstraktum ›Gott‹ (ὁ θεός) einen philosophisch konnotierten Gottesbegriff sowie, wenn auch nicht allzu offen, manch andere Anklänge an die Philosophie aufnehmen. Die Grundlagen für die künftigen Entwicklungen legt jedoch Aristobulos, wenn er das überlegene Alter der Lehre des Mose im Vergleich zu den griechischen Philosophen und Dichtern herausstellt, die biblischen Gottesbeschreibungen, ebenfalls mithilfe der ›dreigeteilten Theologie‹, rational deutet sowie mithilfe des pseudo-aristotelischen ›Über die Welt‹ eine transzendente Gottesvorstellung – im Gegensatz zum stoischen Immanentismus – vorzieht. Trotz seiner Leistung bleibt 23

  Vgl. H. Dörrie, Gottesvorstellung, in: RAC 12 (1983), 81–154, hier 122.   Vgl. dazu Boys-Stones, Post-Hellenistic Philosophy, z. B. 44 f.; Algra, Stoic Philosophical Theology, 235. 25   Augustinus, De civitate dei 4, 27 (CCL 47, p.  120, 42–121, 29 Dombart  /  Kalb). 24

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Zusammenfassung

die jüdische Zuwendung zur Philosophie einerseits Gegenstand der innerjüdischen Diskussion (wie wohl am deutlichsten am Buch ›Baruch‹ abzulesen ist), und wird andererseits zu einer Herausforderung für die nun etablierte philosophische Landschaft – wie sich in den folgenden Epochen zeigen wird.

PRAK TISCHE HINWEISE Die Beschäftigung mit der hellenistischen Philosophie hängt naturgemäß weitgehend an guten Sammlungen der Fragmente. Den ersten Bezugspunkt wird dabei unter heutigen Bedingungen die Zusammenstellung von Long  /  Sedley abgeben (A. A. Long  /  D. Sedley, The Hellenistic Philosophers. Texts and Commentaries, Bd.  1–2, Cambridge u. a. 1987; dt. Die hellenistischen Philosophen. Texte und Kommentare. Übersetzt von Karlheinz Hülser, Stuttgart  /  Weimar 2006 [auf Deutsch liegt nur Band 1 vor, während Band 2, der die Originaltexte enthält, nur auf Englisch verfügbar ist]), welche die philosophisch einschlägigsten Zitate aus allen Richtungen hellenistischer Philosophie in handlicher Weise darbietet. Für eine tiefergehende Beschäftigung sind die klassischen Fragmentsammlungen ebenso unabdingbare wie problematische Hilfen: Für die Epikureer sind dies H. Usener, Epicurea, Leipzig 1887 (mit thematischer Anordnung, zahlreichen wichtigen indirekten Belegen und umfangreicherer Dokumentation) sowie G. Arrighetti, Epicuro, Opere, Torino 21973 (mit unverzichtbarer Dokumentation von Epicurus, De natura, aber ohne lateinische Quellen). Zum Wert beider Ausgaben vgl. detaillierter R. Goulet, Épicure de Samos, in: DPhA 3 (2000), 154–181, hier 154. Für die klassischen Sammlungen der Fragmente der Stoiker – H. von Arnim (Hrsg.), Stoicorum veterum fragmenta, collegit I. von Arnim, Leipzig 1902 (der Originaltext ist günstig, mit italienischer Übersetzung, erhältlich unter dem Titel Stoici Antichi, Tutti i frammenti. Raccolti da H. von Arnim. Testo Greco e latino a fronte. A cura di R. Radice, Mailand 2002); K.-H. Hülser (Hrsg.), Fragmente der Dialektik der Stoiker. Neue Sammlung der Texte mit deutscher Übersetzung und Kommentaren, Bd.  1–4, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987–1988, sowie die Sammlungen zu Panaitios und Poseidonios – sind die wichtigsten Punkte, die bei der Arbeit damit zu beachten sind, bereits oben S. 408  f. aufgelistet worden. Für die akademischen Skeptiker liegen z. T. auch neue Fragmentausgaben vor, die u. a. von neuen Texten aus Herkulaneum profitieren. So wurde für diese Unter­suchung die Fragmentsammlung von S.  Vezzoli, Arcesilao di Pitane. L’origine del platonismo neoaccademico, Turnhout 2016, 153–261, mit Gewinn herangezogen. Dank des Fortschritts der Editionen der Texte aus Herculaneum befindet sich die Erforschung der epikureischen Richtung, aber auch der anderen hellenistischen Schulen, und zwar besonders des 2./1. Jahrhunderts in einem starken Wandel. Dieser Prozess wird sich dank neuer Methoden der Entschlüsselung von Papyri in den nächsten Jahren deutlich beschleunigen, was u. a. zu einer großen Unübersichtlichkeit des Feldes 511

Die hellenistische Epoche

herkulanensischer Texte sowie einem raschen Veralten mancher Editionen und Lesarten führt. So enthalten neuere inhaltliche Studien teils verbesserte Lesarten einzelner Kolumnen aus dem philosophiehistorisch immens wichtigen ›Index Academicorum‹ Philodems gegenüber den Editionen (vgl. jetzt z. B. Fleischer, The original verses of Apollodorus’ Chronica). Immerhin werden die zum Zeitpunkt des Erscheinens wichtigsten Editionen herkulanensischer Texte relativ aktuell gelistet von D. Obbink, The Books from Herculaneum. A Guide to Editions and Translations, in: M. Gigante, Philodemus in Italy, translated by D. O., Ann Arbor (Mich.) 2002, 115–126, doch wird der stete Wandel in diesem Feld zu neuen Entdeckungen führen. Bei jeder Zitation derartiger Texte ist im Übrigen zu beachten, dass die Kolumnenzählungen häufig je nach Edition (und neuer Rekonstruktion des Textes) abweichen, so dass genaue Zitationen in diesem Bereich besonders wichtig sind.

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D. Philosophie in der Kaiserzeit Die Vielheit der Philosophien und die Suche nach der einen Wahrheit

I. Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung

1. Abgrenzungsprobleme im Spiegel historischer Darstellungen Die philosophiegeschichtliche Forschung der letzten Jahrzehnte fasst die Zeit von der Mitte des 1. Jahrhunderts v.  Chr. bis etwa zur Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. als eigene philosophiegeschichtliche Epoche unter dem Namen ›Kaiserzeit‹ zusammen, an die mit Plotin die Epoche des ›Neuplatonismus‹ bzw. der ›Spätantike‹ anschließt. Im Hinblick auf das Ende dieses Zeitraums stimmt der in der Philosophie­ geschichte etablierte Neuansatz bei Plotin mit Einteilungen des christlichen Denkens der Epoche in etwa überein: Bernhard Geyer lässt in seiner Darstellung der patristischen Philosophie im Ueberweg den ersten Abschnitt um 200 n.  Chr. enden, so dass er Origenes und Clemens eher dem spätantiken christlichen Denken zuweist, denn ab diesen Autoren bestimme nicht mehr das apologetische Interesse, sondern die Ausformulierung der christlichen Lehre das Erkenntnisinteresse der Christen.1 Georgios Karamanolis sieht hingegen eher einen Einschnitt im Konzil von Nikaia im Jahre 325, in dem sich das Christentum als Reichskirche mit festgelegter Lehre formiert.2 Dieser Vorschlag ist auch deswegen überzeugend, weil er die fundamentalen Veränderungen der politischen Stellung der Christen berücksichtigt, welche u. a. dazu führen, dass der Stand unabhängiger christlicher Lehrer, der für die Kaiserzeit als typisch gelten darf, weitgehend bedeutungslos wird.3 In diesem Kapitel behandle ich daher alle christlichen Denker griechischer Sprache bis Methodios von Olympos, also das ganze sogenannte »alexandrinische Christentum«.4 Die lateinischen Autoren werden bis Arnobius von Sicca berücksichtigt. Die Darstellung der Epoche endet also mit zwei Autoren kurz vor und nach dem Tod Plotins, die noch erkennbar in den Kontext der mittelplatonischen Diskussion gehören.

1

  Vgl. B. Geyer, Die patristische und scholastischen Philosophie, Berlin 111928, 3.   Vgl. G. Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, Durham 2013, 27. 3   Den philosophischen Charakter dieser christlichen Lehrtätigkeit hat vor allem Winrich Löhr zuletzt stark betont, zusammenfassend z. B. W. Löhr, Christianity as Philosophy. Problems and Perspectives of an Ancient Intellectual Project, in: Vigiliae Christianae 64 (2010), 160–188, hier 174–180. 4   Zu diesem Begriff vgl. jetzt D. Wyrwa, Das alexandrinische Christentum und sein weiteres Einflussgebiet. Überblick, in: GGPh 5, 1 (2018), 924–927. 2

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Philosophie in der Kaiserzeit

Während insofern das Ende der ›Kaiserzeit‹ relativ gut zu begrenzen ist,5 fällt ihre Abgrenzung zur hellenistischen Epoche besonders schwer.6 Hegel sieht hier noch keinen Einschnitt, sondern fasst die Philosophiegeschichte zwischen Aristoteles und dem Neuplatonismus in einem Abschnitt zusammen.7 Eine leicht abweichende Abteilung findet sich jedoch bei Zeller und in Praechters ›Ueberweg‹: Während Zeller den Abschnitt »Eklekticismus, erneuerte Skepsis, Vorläufer des Neuplatonismus« bereits um 100 v.  Chr. mit der mittleren Stoa beginnen lässt,8 beginnt bei Praechter das Kapitel »Eklektizismus und erneuerte Orthodoxie, gelehrte Beschäftigung mit den Werken der Schulgründer, religiöser Mystizismus« erst mit der späten Stoa sowie mit Andronikos von Rhodos.9 Ein ähnlicher Einschnitt wird in der neueren Forschung von Pierre Hadot, Michael Trapp und den Herausgebern des neuen ›Ueberweg‹ vertreten.10 Diese Abgrenzung um die Mitte des 1. Jahrhunderts v.  Chr. scheint grundsätzlich sinnvoll, denn ein gewisser Neubeginn setzt das Ende der jüngeren Akademie zur Zeit Philons von Larissa um 90 v.  Chr. ebenso voraus wie die etwa gleichzeitige Zerstörung Athens sowie die etwas jüngeren Werke des Antiochos von Askalon und Marcus Tullius Cicero. Aber diese Phänomene führen noch nicht zu einer neuen Stabilisierung. Vielmehr ergibt sich diese erst durch die (Neu-)Kon­ sti­tuierung der platonischen, aristotelischen und pyrrhonischen Schulen. Hierfür scheinen Entwicklungen in Alexandria um die Mitte des 1. Jahrhunderts v.  Chr. von besonderer Bedeutung zu sein: Im Aristotelismus ist hier die Neuausgabe der aristotelischen Schriften durch Andronikos wichtig, die dank dem Zeugnis des al-Fārābī primär in Alexandrien lokalisiert und auf die Zeit um 30 v.  Chr. datiert werden kann. In Alexandrien begegnen ferner bei Philon im 1. nachchristlichen Jahrhundert erste klar datierbare Zeugnisse mittelplatonischer Lehren, die wiede5

  Auch wenn man die Rolle des Alexander von Aphrodisias für den Neuanfang mit Plotin mit guten Gründen stärker betonen kann als bisher üblich: Vgl. dazu R. Chiaradonna  /  M. Rashed, Before and After the Commentators. An Exercise in Periodization, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 38 (2010), 251–297, hier 269–271. 6   Zur Periodisierung der ›Kaiserzeit‹ vgl. M. Trapp, Philosophy in the Roman Empire. Ethics, Politics and Society, London 2007, ix–xiv. G. Karamanolis, The Philosophy of Early Christianity, Durham 2013, 27, weist für die christlichen Positionen, die in Trapps Darstellung nicht berücksichtigt werden, darauf hin, dass diese nach dem Konzil von Nikaia im Jahre 325 deutlich anderen Bedingungen unterliegen als zuvor. Vgl. weiterhin unten S. 718  f. 7   Vgl. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 3, Hamburg 1996, V und 99–101. 8   Vgl. E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung 3, 1, Leipzig 31880, XIII–XVI, 22–24 (= 51923, IX–XI, 22–25). 9   Vgl. K. Praechter, Die Philosophie des Altertums, Berlin 121926, XVIf., 32. 10   Vgl. vor allem P. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, Paris 1996, 227–243; Trapp, Philosophy in the Roman Empire; Ch. Horn, Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche, in: GGPh 5, 1 (2018), 5–9, v. a. 6; zur Entwicklung der gesellschaftlichen Rolle der Philosophie vgl. J. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 1989.

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Zur Abgrenzung der Epoche und zu den Fragen der Untersuchung

rum auf das Wirken des Eudoros im Alexandrien des späten 1. Jahrhunderts v.  Chr. zurückgehen dürften. Weiterhin ist auch Ainesidemos als Gründer des Neu­pyr­ rho­nismus Cicero unbekannt, so dass er kaum vor dem späten 1. vorchristlichen Jahrhundert gewirkt haben wird. Schließlich spricht für einen Beginn der Epoche kurz vor der Zeitenwende auch die Tatsache, dass dieser Zeitpunkt das langsame Auftreten des Christentums in der Geschichte bedeutet, dessen Stellung in der Philosophie einen wichtigen Aspekt kaiserzeitlichen Denkens bildet.

2. Gemeinsame Charakteristika der kaiserzeitlichen Philosophie Nicht leicht zu bestimmen sind die Charakteristika der so abgegrenzten Epoche. Zeller und Praechter kommen offenbar auf keine einfache Charakterisierung: Neben dem aus heutiger Sicht fragwürdigen Begriff ›Eklektizismus‹, der in Hegel’scher Tradition einen Mangel an Systematik impliziert, sind ihre Formulierungen uneinheitlich, und entweder werden die Skepsis oder der Traditionalismus und die religiöse Prägung der Philosophie hervorgehoben. Demgegenüber betonen Hadot und Trapp recht einmütig im Wesentlichen drei Punkte, die sich in überzeugender Weise so erweitern lassen, dass der Platz der Juden und Christen in diesen Entwicklungen umrisshaft deutlich wird: 1.  Die Zentrierung der Philosophenschulen in Athen weicht einem Philosophieunterricht, der an vielen Orten von Lehrern betrieben wird, die sich jeweils einer bestimmten philosophischen Richtung (αἵρεσις) zurechnen. Hierfür ist neben den Zerstörungen Athens im 1. Jahrhundert v.  Chr. sicherlich auch die zunehmende Verbreitung der Philosophie als Lebens- und Bildungsideal verantwortlich, die eine Lehre an mehreren Orten erforderlich macht. In der Folge konkurrieren die schulphilosophischen Richtungen mit Juden- und Christentum sowie anderen religiösen Angeboten als überregionale Identifizierungsmöglichkeiten für die kaiserzeitlichen Menschen. 2.  Die philosophische Landschaft verändert sich: Stoiker, Epikureer und Kyniker sind nach wie vor verbreitet und beeinflussen die Lebensführung vieler Menschen.11 Als neue Konkurrenten treten der überwiegend dogmatische (Mittel-)Platonismus, der Aristotelismus, die neu-pyrrhonische Skepsis auf. Hier kann man ergänzend auf das Christentum als neuen Zugang zur Philosophie verweisen. 3.  Etwa gleichzeitig mit dem Aufkommen der neuen Richtungen verändert sich die Lehrmethode: An die Stelle der dialektischen Diskussion tritt vielfach die auf eine systematische Darstellung zielende Auslegung der Texte der Gründer der jeweiligen Schulen.12 Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Neueditio11

  Vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 5–13.   Vgl. J. F. Procopé, Greek Philosophy, Hermeneutics and Alexandrian Understanding of the Old Testament, in: M. Sæbø (Hrsg.), Hebrew Bible  /  Old Testament. The History of 12

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Philosophie in der Kaiserzeit

nen der Werke des Aristoteles durch Andronikos und derjenigen Platons durch Thrasyllos (1. Jhdt. n.  Chr.).13 Die Platoniker fassen die aus den Texten erarbeitete Theorie nach dem Vorbild der hellenistischen Schulen zu prägnanten Lehrsätzen (δόγματα) zusammen, die eine übersichtliche Darstellung ermöglichen.14 Juden und Christen erhalten so ein Modell, um auf analoge, also ›philosophische‹ Weise aus ihren heiligen Schriften eine Art ›System‹ zu entwickeln, das sich in den christlichen ›Dogmen‹ darlegen lässt.15 Der Zusammenhang der drei Punkte liegt recht klar zutage: Die weite Verbreitung philosophischer Schulen erfordert, wenn die verschiedenen Richtungen nach dem Verlust ihres Mittelpunkts sowie der Diskussionsatmosphäre in Athen ihre Einheit bewahren wollen, einen Unterricht anhand einheitlicher Grundsätze und Lehrmaterialien, wie es v. a. die Schriften der Schulgründer sein können. Über diese eher äußerlichen Gesichtspunkte hinaus lassen sich ferner drei übergreifende inhaltliche Tendenzen hervorheben, die für die Epoche typisch sind: 4. Durch die Rückbesinnung auf die Metaphysik, in der sich ihre Lehren begegnen, legen Platoniker und Aristoteliker Grundlagen für die weitere philosophische Entwicklung. Wegweisend wird insbesondere die Verbindung von Ontologie, Ideenlehre, Noetik und Theologie, auf deren Grundlage die Ethik zur Vorbereitung zum geistigen Aufstieg umgedeutet wird.16 Dieser Zusammenhang bietet nicht nur Juden und Christen Anknüpfungs- ebenso wie Kritikpunkte, sondern zwingt auch andere Gegner einer solchen Metaphysik, wie es Stoiker und Pyrrhoneer auf unterschiedliche Weise sind, zu vertiefter Neuauseinandersetzung mit metaphysischen Fragen.17 5. Ein gewisser Traditionalismus zeigt sich darin, dass die philosophische Arbeit in einer systematisierenden Erklärung der Lehren der Richtung besteht. Diese Tendenz findet ihren primären Ausdruck darin, dass die Kaiserzeit die erste Epoche der antiken Philosophie ist, in der keine Richtung sich selbst ausdrücklich als Neugründung versteht: Selbst die Christen datieren ihre ›Philosophie‹ gerne auf jüdische Vorläufer zurück. Auch die Skeptiker, die sich vermutlich seit Ainesi­de­ its Interpretation 1. From the Beginnings to the Middle Ages (Until 1300), Göttingen 1996, 451–477. 13   Dazu Albinus, Prologus 4 (149, 13 Hermann); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 56 (226, 18–22 Marcovich = 272, 623–273, 626 Dorandi). 14   Alcinous, Didascalicus 1 (152, 1 f. Hermann); Apuleius, De Platone et eius dogmate 1, 189 (p.  63 Beaujeu); Alexander Aphrodisiensis, De fato (p.  164, 16 f. Bruns); vgl. J. Whittaker, Platonic Philosophy in the Early Centuries of the Empire, in: ANRW 2, 36, 1 (1987), 81–123, hier 109. 15   Für den Begriff der δόγματα im Christentum ist die unten S. 808  f. diskutierte Stelle beim Sophisten Asterios zu beachten. 16   Vgl. P. Hadot, Die Einteilung der Philosophie im Altertum, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 36 (1982), 422–444, hier 439–441. 17   Man kann sogar behaupten, dass die Frage nach der göttlichen Macht und Fürsorge gar nicht eigentlich aristotelisch oder platonisch, sondern eher ein Thema der Zeit ist. So Chiaradonna  /  Rashed, Before and After the Commentators, 277.

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mos klar von den Akademikern abgrenzen, tun dies unter Bezugnahme auf die Autorität des seit Jahrhunderten toten Pyrrhon von Elis.18 Während sich die Bezugnahme auf die Tradition bei Aristotelikern, Platonikern und Christen auf die Erklärung der Texte der Schulgründer stützt, zeigt sich der Traditionalismus bei Stoikern und wohl auch Epikureern eher in der praktischen Lebensanleitung auf Basis der eigenen Schultradition. So ist bei Seneca »die innere Verbindung einzelner Gedanken ohne Rückgriff auf das stoische System nicht zu erkennen«,19 ohne dass dieses jemals in seinem Zusammenhang dargelegt würde. 6. Den Anlass zur Bezeichnung ›Eklektizismus‹ hat eine Tendenz gegeben, Materialien und Theorien aus verschiedenen Richtungen zu amalgamieren: Sie zeigt sich z. B. in den zahlreichen Epikureismen und Platonismen beim bekennenden Stoiker Seneca20 und den vielen Parallelen zwischen Platonismus, Aristotelismus und Stoizismus, die wohl die Auflösung der beiden letztgenannten Bewegungen als eigene Schulen fördern. An diese drei Schulen knüpfen auch Philon und christliche Ausleger gerne an. Beispiele sind die Verwendung aristotelischer Handlungstheorie in Plutarchs ›Über die ethische Tugend‹ (›De virtute morali‹) oder die platonisierenden Wendungen des stoischen Philosophiekonzepts, die sich in Aspasios’ ›Kommentar zur Nikomachischen Ethik‹ ganz ähnlich wie im platonischen ›Didaskalikos‹ des Alkinoos finden lassen.21 Die beiden zuletzt genannten Punkte sind wichtig, um die philosophische Innovationskraft der kaiserzeitlichen Philosophen auf methodischer Ebene zu verstehen. Verschiedene Mittelplatoniker, aber auch der Aristoteliker Alexander von Aphrodisias22 und der Christ Origenes in ›Über die Prinzipien‹ arbeiten auf der Grundlage ihrer Quellenschriften Systematisierungen aus, die faktisch in vieler Hinsicht neuartig sind, und prägen zahlreiche neue Begriffe. Der konsequente Skeptizismus der Neupyrrhoneer entwickelt sowohl grundlegende skeptische Argumentationsformen als auch zahlreiche Argumente gegen einzelne dogmatische Meinungen. Für die Stoiker konnte die neuere Forschung eine intensive Ausarbeitung verschiedener Punkte (nicht nur der Ethik) zeigen, namentlich bei der Deutung des menschlichen Entscheidungsvermögens. Die eher traditionelle Tendenz 18

  S. o. S. 367 f.   J. Wildberger, Seneca und die Stoa. Der Platz des Menschen in der Welt, Bd.  1–2, Berlin  /  New York 2006, XI (Text syntaktisch umgestellt); vgl. weiter P. Donini, Commentary and Tradition. Aristotelianism, Platonism and Post-Hellenistic Philosophy, Berlin  /  New York 2011, 275–281. 20   Die Platonismen können vielleicht auf Antiochos von Askalon zurückgeführt werden: Donini, Commentary and Tradition, 297–313. 21   Alcinous, Didascalicus 1; 3 (152, 2–6; 153, 25–30 Hermann); Aspasius, In Ethica Nicomachea (CAG 19, 1, p.  1, 4–11; 2, 7–12). Vgl. allgemein P. L. Donini, Tre studi sull’Aristotelismo nel II sec. d. C., Torino 1974. 22   Für Alexander wird das dann besonders deutlich, wenn man die leider nur auf Arabisch erhaltene Schrift ›De principiis universi‹ mit ihrer kosmologischen Lehre vom ersten Prinzip berücksichtigt. Vgl. Text und Übersetzung bei Ch. Genequand, in: Alexander of Aphrodisias ›On the Cosmos‹. By Ch. Genequand, Leiden u. a. 2001, 43–127. 19

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Philosophie in der Kaiserzeit

zur Systematisierung erweist sich somit gerade wegen ihres ›eklektischen‹ Zuges, der eine Ernstnahme von Kritik und Einsichten aus anderen Richtungen bedeutet, als philosophisch produktiv.

3. Leitfragen der Erforschung des kaiserzeitlichen ­Philosophie­verständnisses Trotz der genannten Parallelen zwischen den philosophischen Richtungen der Zeit stellt deren gemeinsames Verständnis die Forschung vor schwierige Aufgaben. Denn in ihrer Heterogenität scheinen sich Platoniker, Aristoteliker, Stoiker, Pyrrhoneer, Epikureer, Kyniker, Juden und Christen bei aller Interaktion doch relativ klar voneinander zu unterscheiden. Diese Unterschiede wirken sich nicht nur auf die philosophische Lehre, sondern auch auf die Lebensweise der Philosophen der einzelnen Richtungen aus, so dass es in Theorie und Praxis recht unterschiedliche Ausprägungen des Philosophieverständnisses gibt. Zusätzlich muss man gerade im Hinblick auf das Philosophieverständnis der Kaiserzeit auch Autoren und Texte von außerhalb der Philosophenschulen in den Blick nehmen. Das gilt womöglich schon für Juden und Christen, deren Zugehörigkeit zur Philosophie sowohl von philosophischer als auch von theologischer Seite nach wie vor bestritten wird.23 Einen Sonderaspekt bildet die in der Kaiserzeit einsetzende Rezeption von Philosophie in einer semitischen Sprache, nämlich dem Syrischen, wo aus dem Umfeld des Bardaiṣān mehrere Schriften mit philosophischer Methodik überliefert sind. Aber auch aus der griechisch-römischen Welt gibt es ganz unterschiedliche Auseinandersetzungen mit der Philosophie: Auf religiöse Weise wird sie von Hermetikern und Gnostikern behandelt, in systematischer Form von den herausragenden Fachwissenschaftlern wie Galen, Klaudios Ptolemaios und anderen zum Thema gemacht. Besonders bedeutend ist in der Kaiserzeit die Rhetorik, die in der Zweiten Sophistik eine Hochblüte erlebt und folglich für die Philosophie im Bemühen um Schüler eine Konkurrenz mindestens auf Augenhöhe darstellt. Schließlich wird die Philosophie selbst bei Lukian von Samosata, aber auch anderswo, zum Gegenstand literarischer und satirischer Darstellungen. Alle diese Erscheinungen eröffnen eigene Perspektiven auf den Philosophiebegriff, weil sie eine Außenperspektive auf den Fachbetrieb bieten und zugleich die weitreichende Wirkung des Philosophie-Ideals erkennen lassen. Eine zusammenhängende Betrachtung dieser Phänomene gibt es bislang im Grunde nicht, sondern der Forschungsstand spiegelt eher die Unterschiedlichkeit der antiken Autoren und Strömungen ebenso wider wie die Unterschiede moder23

  Beispielsweise neuerdings von Chiaradonna  /  Rashed, Before and After the Commentators, 274 f., mit Bezug auf A. J. Festugière, L’idéal réligieux des Grecs et l’évangile, Paris 1932, 221–263.

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ner Disziplinen. Das zeigt sich in nicht nur in Einzeluntersuchungen, sondern auch in Überblicksdarstellungen einzelner Richtungen, z. B. den von Heinrich Dörrie begründeten ›Bausteinen zur Geschichte des Platonismus‹24 mit einem Fokus auf der Kaiserzeit25 oder Darstellungen zur Philosophie bei den Christen, in jüngerer Zeit vor allem George Karamanolis’ ›The Philosophy of Early Christianity‹. Die Christen fehlen andererseits in den beiden wichtigsten Gesamtüberblicken über die Philosophie der Kaiserzeit von Pierre Hadot und Michael Trapp, welche erstmals überhaupt die Epoche im Gesamten betrachten und nicht nur ihre einzelnen Richtungen nacheinander auflisten. Übergreifende Betrachtungen fachphilosophischer und christlicher Ansätze gibt es zu manchen Themen von theologischer Seite, die aber leider durchweg nur ausgewählte Autoren berücksichtigen. Für die historischen Umstände, die auch in diesen Untersuchungen nur am Rande berücksichtigt werden, gibt es hervorragende Beiträge aus der Alten Geschichte, vor allem ›Der Philosoph in der Stadt‹ von Johannes Hahn.26 Im Folgenden soll als Beitrag zu einer Gesamtschau der Versuch unternommen werden, gerade anhand von Kurzvorstellungen der verschiedenen Richtungen zu übergreifenden Aspekten des Philosophiebegriffs vorzustoßen. Folgende vier Fragerichtungen sollen dabei besonders beachtet werden: 1.  Im Hinblick auf Definitionen und Einteilungen der Philosophie stellt sich insbesondere die Frage nach der Interaktion verschiedener Elemente vor allem der stoischen und der platonischen Definitionen der Philosophie sowie der stoischen Dreiteilung der Philosophie im Verhältnis zu deren aristotelischen und platonischen Einteilungen. Hier hat Pierre Hadot auf einige grundlegendere Veränderungen in der Kaiserzeit hingewiesen, doch gilt es zu prüfen, wie diese sich in den verschiedenen Richtungen entwickeln. 2.  Zentral ist weiterhin eine Untersuchung der jüdischen und der frühchristlichen Auseinandersetzung mit der Philosophie, und zwar a) in sich, nämlich im Hinblick auf die Verbreitung, Entwicklung und Begründung von deren Überzeugung, selbst eine Philosophie zu sein bzw. zu haben, und b) im Hinblick auf Parallelen und Unterschiede zu den anderen Richtungen, wie sich aus den Schriften der christlichen Denker ergeben. Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, inwieweit die Christen nicht nur philosophische Begrifflichkeiten übernehmen, sondern auch selbst auf rational-argumentative Weise weiter ausgestalten. 3.  Im Hinblick auf die gesellschaftliche Verbreitung der Philosophie ist für die verschiedenen eben genannten Autoren und Gruppen zu prüfen, wie diese a) Begriff und Einteilung der Philosophie verstehen, b) mit philosophischer Methodik

24

  H. Dörrie  /  M. Baltes  /  Ch. Pietsch, Der Platonismus in der Antike. Grundlagen – System – Entwicklung, Bd.  1–7, 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987–2020 25   Vgl. jetzt auch G. Boys-Stones, Platonist Philosophy 80 BC to AD 250. An Introduction and Collection of the Sources in Translation, Cambridge 2018 26   Vgl. dazu Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft.

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Philosophie in der Kaiserzeit

und Lehrinhalten umgehen und c) die Fachphilosophie vor dem Hintergrund des Philosophie-Ideals bewerten. 4.  Eine weitere wichtige Frage betrifft die Einheit des Philosophieverständnisses der Kaiserzeit in Anbetracht des Wunsches, auf Wahrheit gestützte Orientierung bieten zu können. In dieser Hinsicht ist vor allem zu prüfen, wie die Einheit und Vielheit der Richtungen von Philosophen und Nicht-Philosophen angesprochen und bewertet wird. Hierzu ist nicht nur der aufschlussreiche Blickwinkel der Skepsis,27 sondern auch auf den Umgang mit dieser Frage in anderen Richtungen zu beachten. Das bietet sich in einer breiteren historischen Perspektive nicht zuletzt deswegen an, weil das Ende der kaiserzeitlichen Pluralität der Philosophien ja gerade mit dem Entstehen einer neuplatonischen Einheitsphilosophie einhergeht. Zur Beantwortung dieser Fragen werden im Folgenden nach einem historischen Überblick die Philosophenschulen, die außerschulische Philosophie-Rezeption, die Juden, die griechisch- und lateinischsprachigen Christen sowie die syrische Philosophie-Tradition behandelt, um auf diesem Hintergrund zu versuchen, die Frage nach dem Philosophieverständnis in der Kaiserzeit unter besonderer Berücksichtigung der genannten Punkte umrisshaft zu beantworten.

27

  Vgl. z. B. D. T. Runia, Philon d’Aléxandrie, in: DPhA 5a (2012), 362–390, hier 386 f.

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II. Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie

1. Die Ausbreitung des Philosophie-Ideals in breiten ­Gesellschaftsschichten Die Kaiserzeit kann geradezu als die Hochzeit der Verbreitung, Wertschätzung und Wirkung des Philosophie-Ideals gelten. Das Ansehen der Philosophie ist so groß, dass die Bezeichnung ›Philosoph‹ als Epithet zahlreichen angesehenen Persönlichkeiten beigelegt wird, selbst wenn diese, wie z. B. die Lehrer des Musaions in Alexandrien oder Angehörige lokaler kleinasiatischer Oberschichten, gar nicht philosophisch tätig sind.1 Ähnlich inflationär werden offenbar die Bezeichnungen für Angehörige bestimmter philosophischer Richtungen gebraucht. 2 Die Anerkennung der Philosophie als Bestandteil des Bildungsideals, das von der Oberschicht erstrebt wird, manifestiert sich z. B. in der Einrichtung von vier Lehrstühlen für epikureische, stoische, platonische und aristotelische Philosophie in Athen im Jahre 176 durch Kaiser Mark Aurel.3 Bemerkenswert ist die steuerliche Freistellung lehrender Philosophen (ebenso wie von Rhetoren, Grammatikern und Medizinern),4 zumal sie Probleme von seiten des Philosophie-Ideals aufwirft, das nach Meinung vieler kaiserzeitlicher Menschen gerade nicht auf ein Gewinnstreben gerichtet sein soll.5 Ein bezeichnendes Einzelzeugnis ist Lukians Aussage, dass einer von zwei bedeutenden Männern seiner Zeit der Kyniker Demonax sei.6 Generell ist zu beachten, dass die Philosophie im griechischen Sprachraum weiter verbreitet und angesehener ist als im lateinischen, so wie auch die meisten philosophischen Texte auf Griechisch verfasst werden (auch von Autoren mit la1

  Vgl. A. Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung; in: Entretiens Fondation Hardt 32 (1986), 185–231; Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 161–164. Zum Musaion vgl. St. Holder, Einrichtungen für Bildung und Lernen im kaiserzeitlichen Alexandria. War das Mouseion eine antike ›Hochschule‹?, in: B. Wyss  /  R. Hirsch-Luipold  /  H. Solmeng-Jonas (Hrsg.), Sophisten in Hellenismus und Kaiserzeit, Tübingen 2017, 27–37. 2   Galenus, De ordine librorum suorum 1, 3–6 (1, p.  88, 13–89, 20 Boudon-Millot); vgl. St. Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft 27 (2003), 39–69, hier 43 f. 3   Dio Cassius, Historiae 72, 31, 3 (Textus apud: Dio’s Roman History, with an English Translation by E. Cary on the Basis of the Version of H. Baldwin Forster 9, Cambridge [Mass.]  /  London 1982, 54); Philostratus, Vitae sophistarum 2, 20, 2 (79, 14–21 Stefec); vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 119 f., 126–128. 4   Digestae 50, 4, 18, 30; Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 100–108. 5   Vgl. z. B. Lucianus, Philosophia Nigrini 25 (1, p.  40, 25–29 Macleod). 6   Lucianus, Demonax 1 (1, p.  46, 6 f. Macleod).

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teinischer Muttersprache wie Favorinus von Arles).7 Die meisten im Folgenden darzustellenden Zusammenhänge beziehen sich daher in erster Linie auf den griechischsprachigen Osten des Reiches, zu dem mehr oder weniger alle Länder der östlichen Mittelmeerküste sowie anscheinend auch Teile Italiens gehören, wo wir gerade aus Rom Zeugnisse über philosophische Aktivität haben. Um 200 unternimmt es Bardaiṣān von Edessa, die Philosophie auch in den syrischen Sprachraum zu überführen, indem er philosophische Texte auf Syrisch verfasst und, ähnlich wie andere Philosophen, an Herrscherhöfen lebt.

2. Die Rolle der Philosophie im Bildungsbetrieb Der kaiserzeitliche Bildungsbetrieb ist breit gefächert und weist auch regionale Unterschiede auf. Das Ideal ist jedoch, dass eine ganze Reihe von Disziplinen eine Allgemeinbildung liefern, darunter insbesondere Grammatik und Rhetorik, sodann die mathematischen Disziplinen des Quadriviums und schließlich unter Umständen auch Medizin oder gar Architektur.8 Sie alle gelten als die angemessene Ausbildung für freie Menschen (»παιδεία τοῦ ἐλευθερίου«), welche an das bereits seit den Sophisten bekannte Ideal einer Ausbildung anschließt, die zu demokratischer Mitwirkung befähigt.9 In der Theorie verhält sich die Philosophie zu diesem Zirkel der Lehre (ἐγκύκλιος παιδεία bzw., bei Quintilian einmal,10 o ­ rbis doctrinae) als dessen Höhepunkt und Vollendung. Doch ist keineswegs ausgemacht, dass nicht an vielen Orten Grundlagen der Philosophie auch – wie in hellenistischer Zeit – bereits im Rahmen dieses Zirkels vermittelt werden. Das wird jedenfalls in einigen Zeugnissen selbstverständlich vorausgesetzt11 und ist auch 7

  Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 63–66.   Eine sehr vollständige Liste der ἐλευθεριώτεραι τέχναι gibt Pollux, Onomasticum 4, 16 (1, p.  207, 1–4 Bethe), wo die aus der späteren lateinischen Praxis bekannten ›sieben freien Künste‹ Grammatik, Rhetorik und Dialektik sowie das Quadrivium aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik um »Dichtung« (ποιητική), »Kunst des Wägens« (στατική) und »Medizin« (ἰατρική) ergänzt werden; zu Pollux vgl. H. Gärtner, Pollux 2., in: Der Kleine Pauly 4 (1979), 980 f.; C. Strobel, The Lexicographer of the Second Sophistic as Collector of Words, Quotations and Knowledge, in: R. M. Piccione  /  M. Perkams (Hrsg.), Selecta colligere 2. Beiträge zur Technik des Sammelns und Kompilierens griechischer Texte von der Antike bis zum Humanismus, Alessandria 2005, 131–157, hier 144–146. Vgl. für weitere Listen St. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria. 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. (Historia Einzelschriften 253), Stuttgart 2020, 38–48, besonders 41 mit Anm.  97. 9   Vgl. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 55–64 mit umfangreichen Belegen; die pointierte griechische Formel παιδεία τοῦ ἐλευθερίου taucht z. B. bei Aristoteles, Ethica Nicomachea 4, 14, 1128a 20 f. auf, bei Plutarch eher ἐλευθέριος παιδεία (Plutarchus Chaeroneensis, Consolatio ad Apollonium 22 [113a]). Vgl. ferner oben S. 352. 10   Quintilianus, Institutio oratoria 1, 10, 1. 11   Menander Rhetor 1, 360 (60, 17–19 Russell  /  Wilson). Zur Datierung des Traktats in 8

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deswegen anzunehmen, weil sich in der Kaiserzeit viele gebildete Menschen das Epithet ›Philosoph(in)‹ beilegen bzw. beilegen lassen, wie zahlreiche Inschriften bestätigen.12 In der Tat ist die Frage, inwieweit die dazugehörigen Disziplinen Teil der Philosophie sind bzw. in ihrem Rahmen studiert werden können, auch ein steter Streitpunkt zwischen den Philosophenschulen. Eine Sonderrolle nimmt die ›Dialektik‹ ein, die in nicht wenigen Beschreibungen des Zirkels bereits auftaucht, ohne dass ihre Inhalte klar wären – zumal der Begriff ja notorisch unklar zwischen einer platonischen Hinführung zu den Ideen und einer aristotelischen oder stoischen Logik schwankt.

3. Die Philosophen: Ideal, Wirklichkeit und Kritik Aus der Notwendigkeit, sich im Rahmen eines solch breiten und offenen Bildungslandschaft zu verorten, erklärt sich vielleicht ein aus heutiger Sicht überraschender Zug kaiserzeitlicher Philosophie, nämlich, dass die Philosophen durch äußere Merkmale kenntlich sind: Die Fachvertreter bemühen sich in der Kaiserzeit, sich, ihr Metier und ihre Richtung durch ein eindrucksvolles Auftreten zu präsentieren: Hierzu dienen in vielen Fällen eine bestimmte Form der Ernährung sowie eine spezifische, für jede Richtung etwas unterschiedliche, Kleidung.13 Diese besteht aus dem Philosophenmantel (τριβών, lat. pallium), dem Philosophenbart sowie weiteren Attributen, die je nach Schule schwanken können.14 Durch die äußeren Merkmale will der Philosoph als jemand wahrgenommen werden, der anders lebt bzw. leben möchte (oder zu leben vorgibt) als die meisten Menschen, und zwar auf der Grundlage von Tugend, die durch sein Wissen ermöglicht wird. Diese Tugend zeigt sich insbesondere in der Furchtlosigkeit des Philosophen, die ihn selbst vor Kaisern unerschrocken auftreten lassen sollte.15 Aufgrund dessen kommen ihm »Freiheit und freie Rede« (ἐλευθερία καὶ παρρησία)16 als besondere Eigenschaften zu, also die Erlaubnis zu (relativ) offener Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und Autoritäten, auch direkt vor dem Herrscher, die diokletianische Zeit vgl. D. A. Russell  /  N. G. Wilson, Menander Rhetor. Edited with Translation and Commentary, Oxford 1981, XL. 12   Ausgewählte Beispiele bei Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 75 f., 395. 13   Dio Chrysostomus, Orationes 70, 7 f.; Epictetus, Dissertatio 4, 8, 15, 20 (p.  427, 4–7; p.  428, 5–11 Schenkl) 14   Vgl. z. B. Lucianus, Cynicus 1 (4, p.  134, 1–7 Macleod). Weitere Belege: Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 33–45; J. Sellars, The Art of Living. The Stoics on Nature and Function of Philosophy, London 2013, 15–20 (zur Geschichte und Bedeutung des Philosophenbarts). 15   S. unten S.  535  f. 16   Lucianus, Demonax 3 (1, p.  47, 3 Macleod); Dio Chrysostomus, Oratio 77, 37; Aelius Aristides, Oratio 3, 668 (2, p.  542 Trapp).

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für seine soziale Funktion wesentlich ist. Abgerundet wird eine solche Lebensführung durch die Bereitschaft zum freiwilligen oder doch wenigstens vorbildlichen Sterben.17 Der Tod des Philosophen wird selbst am Kaiserhof zelebriert18 und entwickelt sich zu einem seiner wichtigsten Merkmale. Die Todesbereitschaft spielt – zusammen mit einem vorbildlichen Leben und einem womöglich geradezu göttlichen Wissen – eine wichtige Rolle dafür, dass die Figur des Philosophen z. T. Züge eines »göttlichen Menschen« (θεῖος ἀνήρ) erhält,19 was sich unter anderem in spezifischen Märtyrerakten über vorbildliche Tode zeigt.20 In Anbetracht dieser Höhe des Philosophie-Ideals überrascht es nicht, dass Kritik21 und satirische Verspottung offenbar verbreitet sind, wie es sich bei den Satirikern Alkiphron und Lukian beispielhaft nachlesen lässt: »Denn der Stoiker Eteokles schnarchte, ausgestreckt liegend, vor Alter und Fülle; der Pythagoreer begann, das Schweigen lösend, einige der ›Goldenen Verse‹ in musikalischer Harmonie zu summen; der beste Themistagoras aber bat, weil er die Eudaimonie gemäß dem Argument des Peripatos nicht nur durch Körper und Seele, sondern auch durch Äußeres definiert, um mehr Plätzchen und eine reichliche Vielfalt an Fleischspeisen«.22

Dies betrifft auch die teils öffentlichen Zurschaustellung philosophischer Tode, die insbesondere Lukians noch näher zu diskutierende Schrift ›Über den Tod des Pere­gri­nus‹ in denkwürdiger Weise parodiert. Der häufige Kontrast zwischen den hohen Ansprüchen an die philosophische Lebensführung und dem Verhalten vieler Philosophen mündet in den seit Platon und Isokrates nachzuweisenden Diskurs über die Unterscheidung von wahren und »sogenannten Philosophen« 17

  Philostratatus, Apollonius 7, 133–138 (1, p.  260, 15–271, 7 Kayser); Seneca, Epistulae

70. 18   Dio Cassius, Historiae 69, 8, 3 (3, p.  229, 13–15 Boissevain); vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 202 f. 19   Zum Beispiel in Philostratus, Apollonius; vgl. dazu K. Gross, Apollonius v. Tyana, in: RAC 1 (1950), 529–533; E. L. Bowie, Apollonius of Tyana. Tradition and Reality, in: ANRW 2, 16, 2 (1978), 1652–1699; P. Robiano, Apollonius de Tyane, in: DPhA 1 (1994), 289–294; S.  auch Suetonius, Domitianus 10; Historia Augusta Vita M. Aurelii 1, 1; vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft 192–201. 20   Vgl. H. A. Musurillo, The Acts of the Pagan Martyrs. Acta Alexandrinorum, Oxford 1979, 236–242; J. W. van Henten  /  F. Avemarie, Martyrdom and Noble Death. Selected Texts from Graeco-Roman, Jewish and Christian Antiquity, London  /  New York 2002, 10 f.; J. W. van Henten, Martyrium II, in: RAC 24 (2012), 300–325, hier 305 f. 21   Tacitus, Agricola 42, 5. 22  Ἐτεοκλῆς μὲν γὰρ ὁ στωϊκὸς ὑπὸγήρως καὶ πλησμονῆς ἐκτάδην κείμενος ἔρεγχεν· ὁ Πυθαγόρειος δὲ τὴν σιωπὴν λύσας τῶν χρυσῶν ἐπῶν τινα κατὰ μουσικὴν ἁρμονίαν ἐτερέτιζεν. ὁ βέλτιστος δὲ Θεμισταγόρας, ἅτε τὴν εὐδαιμονίαν κατὰ τὸν τοῦ περιπάτου λόγον οὐ ψυχῇ καὶ σώματι μόνον ἀλλὰ καὶ τοῖς ἐκτὸς ὁριζόμενος, ἀπῄτει πλείονα πέμματα καὶ ποικιλίαν τῶν ὄψων δαψιλῆ. Alciphro, Epistula (parasitica) 3, 19, 6 f. (82, 3–10 Schepers).

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(καλούμενοι φιλόσοφοι) ein, zumal deren ungebührliches Benehmen den guten Ruf der Philosophie in den Augen ihrer Vertreter und Anhänger gefährdet.23 Fast schon sprichwörtlich ist die Streitsucht der Philosophen.24 In der Tat dürfte die Wirklichkeit häufig wesentlich prosaischer aussehen als das Ideal und folgende Möglichkeiten, ein philosophisches Leben zu führen, umfassen: Zunächst einmal gehören viele Philosophen der Oberschicht an, die allein sich die lange Ausbildung, häufig bei Vertretern verschiedener Richtungen,25 leisten kann. Sie benötigen daher keine weiteren Einkünfte. Einige andere leben als Berater im Umfeld von Herrschern sowie – wie schon in hellenistischer Zeit – als Hausphilosophen in reichen römischen Familien.26 Nicht wenige Kyniker ziehen bettelnd umher und verdienen sich so einen bescheidenen Unterhalt.27

4. Die Philosophenschule: eine typische Lehrform seit der Kaiserzeit Die typische Aufgabe für einen Philosophen der Kaiserzeit scheint aber die eines Lehrers zu sein, der eine eigene Philosophenschule leitet oder in ihr mitarbeitet. Über derartige Schulen, deren Unterricht offenbar als besonderer Teil des Bildungssystems weithin anerkannt ist,28 berichtet eine Vielzahl von Quellen. Unter ihnen ragen in der Kaiserzeit die Berichte des Aulus Gellius und des Gregor Thaumaturgos über ihr Zusammenleben mit ihren Lehrern Tauros und Origenes heraus.29 Sehr wichtig sind des Weiteren die Selbstdarstellung des Justin als philosophischer Lehrer, Arrians Diatriben aus dem Unterricht Epiktets, die Darstellungen verschiedener Philosophen bei Lukian sowie Porphyrios’ Bibliographie Plotins, die aber vor allem im nächsten Kapitel zu behandeln ist.

23   Epictetus, Dissertatio 4, 8, 15 (427, 4–7 Schenkl); Dio Chrysostomus, Oratio 32, 9; 72, 20; Lucianus, Demonax 48 (1, p.  54, 17–21 Macleod); Aelius Aristides, Oratio 3, 679–681 (2, p.  552–554 Trapp); weitere Belege: S.  Fornaro, Wahre und falsche Philosophen in Dions Werk und Zeit, in: H.-G. Nesselrath (Hrsg.), Dion von Prusa, Der Philosoph und sein Bild, Göttingen 2009, 163–182. 24   Vgl. Seneca, Apocolocyntosis 2, 2. 25   Historia Augusta Vita M. Aurelii 2, 2 f. 26   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 148–155. 27   Vgl. unten S. 584. 28   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 61–63. Ein gut lesbarer Überblick über die Bildungseinrichtungen von der Kaiserzeit zur Ausgehenden Antike (wenn auch mit einigen Unschärfen im Detail) ist A. Demandt, Spätrömisches Hochschulwesen, in: A. Demandt, Zeitenwende. Aufsätze zur Spätantike, Berlin  /  Boston 2013, 238–275; bzw. leicht überarbeitet: A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian. 284–565 n. Chr., München 22007, 467–492. 29   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 62, zu den paganen Quellen. Zu Gregors Bericht über Origenes s. unten S. 669, 679  f.

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Philosophie in der Kaiserzeit

Eine Philosophenschule der Kaiserzeit und wohl auch der folgenden Jahrhunderte ist in der Regel ein Kreis von Personen, der sich um einen Lehrer versammelt. Der Lehrer gehört einer bestimmten philosophischen Richtung an, ist also Platoniker, Stoiker, Aristoteliker, Epikureer, Skeptiker oder Christ. Obwohl die einzelne Schule somit zu einer größeren Lehrgemeinschaft gehört, ist sie eine eigenständige, private Einrichtung, in der entweder gegen Entgelt oder, wenn der Lehrer es sich leisten kann, dem philosophischen Ideal zu entsprechen, auch unentgeltlich Unterricht gegeben wird.30 Die private Natur der Schule bedeutet, dass der Unterricht in vielen Fällen nach dem Tod des Lehrers nicht fortgesetzt wird, wenn nicht städtische Autoritäten für eine Weiterführung Sorge tragen.31 Daneben gibt es verschiedene Modelle von Kontinuität: Neben den oben erwähnten bezahlten Philosophie-Lehrstühlen des 2. Jahrhunderts in Athen, die wohl regelmäßig wieder besetzt werden, scheinen die Aristoteliker im 1. vorchristlichen Jahrhundert noch einen offiziellen Schulleiter (bzw. ›Nachfolger‹ des Aristoteles) in Alexandrien zu haben, dessen Funktion aber ganz unklar ist.32 Verbreiteter ist wohl, dass eine Tätigkeit als philosophischer Lehrer vom Vater an den Sohn (oder auch die Tochter) weitergegeben wird, so dass es gleichsam ein erbliches ›Handwerk‹ ist, Philosoph zu sein.33 Zur Schule gehören neben dem Lehrer seine engeren Schüler, die z. T. sehr lange beim Lehrer bleiben, mit ihm gemeinsam leben und sich auch am Unterricht beteiligen, sowie weitere Hörer, die an mehr oder weniger Vorlesungen und Lehrveranstaltungen teilnehmen. Es spricht vieles dafür, dass diese und ähnliche Merkmale nicht nur auf Philosophenschulen zutreffen, sondern dass auch viele rhetorische und grammatische Schulen ähnlich organisiert sind.34 Philosophenschulen sind den Quellen zufolge zeitweise recht verbreitet, so dass wohl in den meisten größeren Städten des griechischen Raums mit einer gewissen Regelmäßigkeit philosophische Lehrer verschiedener Schulen anzutreffen sind.35 Das wichtigste Zentrum stellt aber nach wie vor Athen dar.36 Anders lässt 30

  Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 67–86.   Vgl. E. J. Watts, City and School in Late Antique Athens and Alexandria, Berkeley  /  London 2006, 54 f. 32   Vgl. M. Perkams, The Date and Place of Andronicus’ Edition of Aristotle’s Works According to a Neglected Arabic Source, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 101 (2019), 445–468. Zur allgemeinen Problematik der Annahme solcher ›Schulleiter‹ sowie der geringen Bedeutung der Inhaber offizieller ›Lehrstühle‹ für die philosophischen Schulen vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 124–128. 33   Zu Beispielen für Gelehrtenfamilien vgl. z. B. S.  Follet, Philostratos de Steiria, in: DPhA 5a (2012), 563–573, hier 566–568. 34   Vgl. Watts, City and School, 3–18. 35   Vgl. hierzu z. B. das Zeugnis Longins für den Beginn des 3. Jahrhunderts bei Porphyrius, Vita Plotini 20, 20–25 (1, p.  24 Henry  /  Schwyzer2). 36   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 119–136; Watts, City and School, 24– 247. 31

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sich auch kaum erklären, dass für viele Autoren (Galen, Justin, Apollonius von Tynana) ganz selbstverständlich berichtet wird, sie hätten bei Lehrern verschiedener Richtungen gelernt. Als Regelfall scheint allerdings angesehen zu werden, dass jemand sich für die Philosophie und innerhalb dieser für einen Lehrer und damit eine philosophische Richtung entscheidet, in der er sich dann von diesem ausbilden lässt.

5. Ziele des philosophischen Unterrichts Die Zielsetzung des philosophischen Unterrichts von Lehrer- und Schülerseite erschließt sich aus den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Zielen nicht ohne Weiteres:37 Schließlich ist für ein Mitglied der Oberschicht eine Rolle als Philosophielehrer karrierretechnisch wenig erstrebenswert, und wenn es darum geht, die sozialen Codes der Elite zu lernen, dürfte man in rhetorischen Schulen eher fündig werden. Die Aussagen der Philosophen zu diesem Punkt setzen allerdings meist voraus, dass das Ziel der Ausbildung nicht unbedingt eine möglichst weitgehende Annäherung an das Ideal, »weise« zu werden, darstellt. Plutarch zufolge ist vielmehr eine philosophische Grundausbildung, die die Schwächen der Seele im Griff hält, eine notwendige Bedingung für jegliche Spezialstudien. Darüber hinaus rät er, gerade auch im politischen Leben so viel Philosophie unterzubringen wie möglich.38 Ähnlich spricht Aulus Gellius, Schüler des Platonikers Tauros, von der Philosophie als Fähigkeit, in den politischen Aufgaben »standhaft, tapfer und erfahren« (constanter, fortiter et perite) agieren zu können.39 Tauros selbst setzt voraus, dass der philosophische Unterricht anhand der Schriften Platons »zur Ausgestaltung des Lebens« (vitae ornandae) dient, was seine Schüler freilich auf eine Einladung zum Nachahmen des platonischen Stils ummünzen.40 Genauere Angaben dazu, wie diese Verwandlung des Lebens ablaufen soll, finden sich bei Epiktet: Obwohl auch er grundsätzlich der Meinung ist, der philosophische Unterricht solle zu einer unerschütterten Lebensführung beitragen,41 fordert er für eine ernsthafte philosophische Ausbildung zunächst, dass jemand die eigene Charakterschwäche sowie den Streit der Menschen bewusst als störend empfindet.42 Vor diesem Hintergrund »soll man« sich dann ein Philosophie-Ideal »vorstellen« (φανταζόμεθα) – nämlich die Ataraxie – und dann schauen, wie man 37

  Vgl. zu dieser Frage z. B. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 61 f.   Plutarchus, De liberis educandis 10 (7c–8b). 39   Aulus Gellius, Noctes Atticae 10, 22, 24. 40   Aulus Gellius, Noctes Atticae 1, 9, 10; 17, 20, 4–9. 41   Vgl. unten S. 572. 42   Epictetus, Dissertatio 2, 11, 1. 13 (149, 11–13; p.  151, 8–14 Schenkl). 38

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es, ähnlich wie eine Fertigkeit bzw. ein Handwerk (τέχνη) erlernen könne. Hierzu sei ein Abwenden vom üblichen menschlichen Leben des Kaufens und Verkaufens und die Auseinandersetzung mit der menschlichen Rolle im Kosmos nötig, die bereits ein anderes Verhältnis zu den Begriffen impliziere.43 Gemeint ist offensichtlich, dass der Vorbegriff von Philosophie erst im Rahmen der Ausbildung genauer verstanden und somit ein philosophisches Leben ermöglicht wird. Um die hierzu nötige Umgestaltung der Persönlichkeit zu erreichen, rechnet man offenbar mit einem mehrjährigen Prozess, in dem die Fortschritte entsprechend dem Curriculum der Schule schrittweise ablaufen und offenbar regelmäßig zu hinreichenden Erfolgen führen, um das Modell weiter attraktiv zu halten.44 Dass das keineswegs immer so ist, schildert Lukian anhand seines Hermotimos, der gut 20 Jahre auf einen Glücksmoment hinarbeitet. Christliche Quellen wie z. B. die Pseudo-Klementinen oder Justin setzen voraus, dass die Studien bei Philosophielehrern stets eine Wahrheitssuche sind (was dem Bemühen um Tugend aus antiker Perspektive nicht widerspricht),45 und deuten infolgedessen die Bedingungen des Studiums, z. B. die Wahl eines Lehrers aus einer bestimmten philosophischen Richtung, sehr kritisch, so wie auch Lukian sie als arbiträren, der Mehrheitsmeinung folgenden Akt darstellt. Viele Christen werten eine solche Entscheidung bereits als einen »Glauben« und stellen insofern das Verständnis der Philosophie als voraus­setzungslose Wahrheitssuche infrage.46 Dem antiken Selbstverständnis wird es im Ganzen wohl am besten gerecht, die philosophische Ausbildung als Teil des Bemühens um eine Art menschliche Charakterbildung zu verstehen, die jemanden den Zufällen des gesellschaftlichen Lebens möglichst gut gewachsen machen soll. Hierzu gehören einerseits das Erlernen der philosophischen Theorie, die einen Deutungsrahmen für die Wechselfälle des Lebens mittels positiven Weltdeutung anbietet, und andererseits Faktoren wie die Herstellung einer Freundschaft mit dem Lehrer, der so auch als persönlicher Berater erhalten bleibt, sowie mit den Mitschülern.47 Das Einüben der Fachphilosophie als solcher oder eine abstrakte Wahrheitssuche dürften hingegen nur in Fällen das Ziel des Philosophieunterrichts sein, in denen tatsächlich eine intellektuelle Neugier oder eine Art Sinnsuche zum Studium motiviert – wobei manche Wahrheitssuchende eher in Mysterienkulten oder im Christentum das Gewünschte finden.

43

  Epictetus, Dissertatio 2, 14, 3–29 (161, 9–167, 6 Schenkl).   Zu philosophischen Curricula vgl. Hadot, Die Einteilung der Philosophie. 45   Vgl. z. B. Lucianus, Hermotimus, 6 (4, p.  21, 4–6 Macleod). Zu den Pseudoklementinen s. unten S. 661. 46   Lucianus, Hermotimus, 15 f. (4, p.  28, 13–30, 13 Macleod). 47   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 68–75; Watts, City and School, 9–11. 44

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6. Philosophierende Frauen in der Kaiserzeit Nach den biographisch auswertbaren Quellen ist die Kaiserzeit keine Blütezeit weiblichen Philosophierens. Lediglich eine Mittelplatonikerin, Arria, ist aus eini­ gen Quellen bekannt,48 aus den anderen Richtungen hingegen, soweit ich sehe, nicht eine Vertreterin. Nichtsdestoweniger ergeben sich in der Zeit keine schlechten Bedingungen für Frauenbildung, gerade wenn man den oberen Schichten angehört: Frauen stellen auch in Philosophie Hauslehrer an,49 bilden sich – trotz innerfamiliären Widerständen – in Philosophie und anderen Disziplinen fort50 und lassen sich auf ihren Grabsteinen als ›Philosophin‹ bezeichnen, was nicht notwendig eine Fachlichkeit im engeren Sinne bedeutet.51 Eine Sonderstellung nehmen Berichte über jüdische und christliche Frauen ein, die sich offenbar ohne jegliche Todesfurcht dem Martyrium stellen. In ihnen erkennen die Zeitgenossen eine Realisierung des philosophischen Ideals der Furchtlosigkeit, und jüdische und christliche Autoren stellen es als besondere Leistung ihrer Richtung heraus, dass ihre Überzeugung auch Frauen und sogar Kinder zu einem solchen Verhalten anregt.52 Mit den Philosophenschulen im engeren Sinne haben diese Frauen ­jedoch nicht viel zu tun. Relativ stark ist die Präsenz von Frauen unter den schriftlichen Zeugnissen, die (wahrscheinlich) aus der Kaiserzeit stammen: Unter den Namen Periktione und Theano53 kursieren (pseudonyme) gelehrte Briefe mit pythagoreischen Inhalten, die z. T. auch gezielte Ratschläge für Frauen bzw. für das Eheleben erhalten. Ob auch die Autorinnen dieser häufig fragmentarisch erhaltenen Schriften Frauen waren, ist uns hingegen unbekannt, doch dokumentieren sie, dass die Bildung und die Interessen von Frauen in den Philosophenschulen ein Thema sind. Dies lässt sich auch in einigen Traktaten des Platonikers Plutarch und der Stoiker Seneca und Musonius Rufus sowie in den an Hipparchia gerichteten Kynikerbriefen nachvollziehen.54 Allerdings wurden nicht selten, je nach Anlass, auch die angeblichen negativen Seiten der Frau betont, z. B. eine Neigung zur Trauer.55 Seneca und Musonius betonen jedoch mit Nachdruck, dass Frauen zur Philosophie nicht weniger befähigt sind als Männer.56

48

  Vgl. Lakmann, Platonici Minores, 77 f.   Lucianus, De mercede conductis 36 (2, p.  232, 22–29 Macleod). 50   Seneca, Ad Helviam 17, 3. Vgl. E. A. Hemmelrijk, Matrona docta. Educated Women in the Roman Élite from Cornelia to Julia Domna, London  /  New York 1999, 37–41. 51   Vgl. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 395 Anm.  217. 52   Vgl. z. B. unten S. 623 zum ›4. Makkabäerbuch‹ oder auch 646 zu Justin. 53   Zu Periktione und Theano vgl. unten S. 542. 54   Vgl. G. Reydams-Schils, C. Musonius Rufus und Lukios, in: GGPh 5, 1 (2018), 157–162, hier 160–162, und unten S. 585. 55   Ein Beispiel ist Plutarchus, Consolatio ad Apollonium 22 (112 f–113a). 56   Musonius Rufus, Dissertatio 2 (9, 1–10 Hense); vgl. Seneca, Ad Marciam 16, 1–5. 49

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7. Die Aufnahme der Philosophie bei Juden und Christen Das Phänomen Philosophenschule als organisierte Form der charakterlichen Weiterbildung ist auch für die Adaption des Philosophie-Ideals durch die Christen von großer Bedeutung. Nicht nur stellt der bekehrte Philosoph Justin sich selbst als christlicher Philosophie-Lehrer dar, sondern der erste Kirchenhistoriker, Eusebios von Kaisareia, berichtet Ähnliches über die Lehre des Pantainos, Clemens und Origenes: Der erste sei zuerst Stoiker gewesen und habe dann ein einflussreiches Lehrhaus gegründet. Enge Lehrer-Schüler-Verhältnisse, wie sie für den philosophischen Unterricht typisch sind, hätten ferner zwischen Pantainos und Clemens von Alexandrien sowie zwischen Origenes und den Brüdern Plutarch und Heraklas bestanden.57 Für Clemens ist eine solche Rolle als Lehrer der Philosophie aufgrund der lebensleitenden Form seiner Texte in der Tat höchst wahrscheinlich, und für Origenes wird sie von Gregor Thaumaturgos bestätigt. Weniger konkret, aber in der Tendenz ähnlich sind Berichte über christliche Diskussionszirkel in Rom, welche die Bibel mit »Syllogismen«, d. h. logisch konstruierten Fragen, erörtert hätten.58 Diese Nachrichten werden in der modernen Forschung zur Geschichte der christlichen Lehrentwicklung als Hinweise darauf gedeutet, dass sich insbesondere in Alexandrien, aber auch in Rom die verschiedenen Lehren, welche wir aus den Häretiker-Referaten christlicher Denker kennen, in einer Art gnostischer Zirkel entwickelten, die analog zu den Philosophenschulen organisiert seien und womöglich inhaltliche Nähen aufwiesen.59 Auf eine christliche Diskursgemeinschaft weisen jedenfalls die Angaben des Methodios von Olympos zu den Adressaten seiner Freiheitsschrift hin.60 Die genannten Berichte gehören in den Rahmen der antiken Philosophiegeschichte, da sie zeigen, dass zumindest einige christliche Lehrer als Philosophen auftreten. Das bedeutet allerdings nicht notwendigerweise, dass christliche Schulen generell nach einem philosophischen Modell organisiert sind. Nicht nur Euse­ bios’ Nachricht, Origenes habe in einer bischöflichen Katechetenschule gelehrt, mahnt in dieser Hinsicht zur Vorsicht. Überhaupt ist nicht unmittelbar klar, aus welchem Grund die christlichen Schulen überhaupt entstehen, welchem Zweck sie dienen und wie sie sich von anderen christlichen Organisationsformen unter57   Eusebius, Historia Ecclesiastica 5, 10, 1–11, 2; 6, 3, 2 (GCS Eus. 2, 1, p.  450, 12–452, 12; 2, 2, p.  524, 10–14 Schwartz). 58  Eusebius, Historia Ecclesiastica 5, 28, 13–19 (GCS Eus. 2, 1, p.  504, 12–506, 18 Schwartz). Vgl. z. B. G. May, Schöpfung aus dem Nichts. Die Entstehung der Lehre von der Creatio ex nihilo, Berlin  /  New York 1978, 153 f. 59   Vgl. schon May, Schöpfung aus dem Nichts, 120 f., und aus neuerer Zeit z. B. die zusammenfassende Wertung von Löhr, Christianity as Philosophy, 170–174; A. Fürst, Das Christentum in Alexandrien bis ins 4. Jahrhundert, in: P. Gemeinhardt (Hrsg.), AthanasiusHandbuch, Tübingen 2011, 22–29; C. Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, Mailand 2013, 311–314. 60   Methodius Olympius, De libero arbitrio 1, 7–9 (p.  174–176 Franchi).

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scheiden. Interessant ist in diesem Kontext ein jüngst aufgetauchtes Zeugnis des Origenes, welches das christliche Lernen ohne offenen Bezug zur Philosophie schildert. Origenes berichtet beispielhaft von jemandem, »der sich selbst der Christus gemäßen Religiosität (θεοσέβεια) ergeben hat […], ohne von sich selbst aus die Art und Weise zu kennen, auf die man religiös sein muss. […] Wenn er aber später aufgrund einer Suche mit Glück zu Lehrern gelangt, die ihn gut anleiten, […], wird er schließlich, nachdem er wahrhaft zur Religiosität gelangt ist, sagen: Jetzt habe ich begonnen«.61

Diese Beschreibung eines Hereinwachsens ins Christentum zeigt klare Analogien zur Philosophie: Man entscheidet sich zwar zunächst für eine Richtung. Aber erst nachdem man einen geeigneten Lehrer gefunden hat, gehört man ihr voll und ganz an und realisiert ihre Werte im eigenen Leben. Allerdings deutet Origenes dies gerade nicht als Philosophie, sondern als Religiosität bzw. Gottesverehrung. Das christliche Proprium deutet er ferner an, indem er einen richtigen – großkirchlichen – Unterricht von einem falschen – häretischen – unterscheidet, der vor seiner Zeit sogar dominiert habe.62 Eine so klare Unterscheidung richtiger Lehre von Irrwegen ist für die Philosophie der Kaiserzeit, die sich einer gewissen Einheit über die Meinungen der verschiedenen Richtungen (αἵρεσεις) hinweg bewusst ist,63 recht untypisch. Es lässt sich vor diesem Hintergrund vermuten, dass die Christen relativ rasch einen vertiefenden Unterricht für Neubekehrte einführen, der in Theorie und Praxis von der Philosophie beeinflusst ist. Er dürfte zunächst verschiedenen Lehrern Raum lassen, die ihre Schule privat leiten und dort wohl nach ihrem Verständnis das christliche Leben lehren. Einige solche Lehrer, namentlich Justin und Clemens, verstehen sich offenbar als Philosophen, während dies bei anderen unklar oder nicht der Fall ist. Sie bezeichnen sich offenbar teilweise als Gnostikern, Markioniten oder ähnliches, was zu den heftigen Kontroversen über ›Häresien‹ führt. Origenes repräsentiert am Ende der kaiserzeitlichen Entwicklung einen großkirchlichen Lehrertyp, dessen Schule nun als ›Katechetenschule‹ bischöflich organisiert ist. Obwohl seine philosophischen Kenntnisse vorzüglich sind, er die methodische Nähe der eigenen Position zur Philosophie genau erkennt und seinen Zeitgenossen als Philosoph gilt, ist er sich der Spezifizität seiner Rolle als kirchlicher Lehrer bewusst, ohne dass es dafür bereits einen klar definierten Begriff gäbe. 61

  Ἐπιδούς τις ἑαυτὸν τῇ κατὰ Χριστὸν θεοσεβείᾳ […], μὴ συνεὶς τὸν τρόπον καθ’ ὃν δεῖ θεοσεβεῖν […], ἐπὰν ὕστερον ζητήσας […] εὐτυχήσῃ διδασκάλων ὁδηγούντων καλῶς, […] ἐλθὼν ἀληθῶς ἐπὶ τὴν θεοσέβειαν ἐρεῖ˙ νῦν ἠρξάμην. Origenes, Homilia 2 in Psalmum 76, 1 (GCS NF Origenes 13, p.  313, 6–14 Perrone). 62   Origenes, Homilia 2 in Psalmum 76, 1; Homilia 2 in Psalmum 77, 4 (GCS NF Origenes 13, p.  313, 15–314, 21; 371, 15–372, 8 Perrone). 63   Das zeigt sich in den nicht wenigen Zeugnissen, welche Philosophen verschiedener Richtungen vergleicht oder von einem Bildungsgang bei mehreren von ihnen berichtet, z. B. bei Justin, Galen oder Dion von Prusa (unten S. 600, 604  f., 641, 647  f.).

533

Philosophie in der Kaiserzeit

8. Die Philosophie in Konkurrenz zur Rhetorik bzw. Sophistik Eine größere Konkurrenz als die christlichen Lehrer dürfte für die kaiserzeitlichen Philosophen die Rhetorik gewesen sein, die aufgrund ihrer Blüte in der Zweiten Sophistik die ganze Kaiserzeit hindurch einen äußerst ernstzunehmenden Konkurrenten für die Philosophie im Bildungswesen darstellt.64 Zeugnisse, die diese Rivalität erkennen lassen, stehen allerdings in Kontrast zu der Idee einer notwendigen Verbindung, die beide Disziplinen als Elemente des aristokratischen Bildungsideals in der Praxis eingehen müssen.65 Im Sinne dieses Ideals, das vorwiegend an Beherrschung der klassischen literarischen Tradition und vor allem ihrer (attisierenden) Sprache orientiert ist, kann etwa die Grammatik als »Mutter der Philosophie und der Rhetorik« bezeichnet werden.66 In den fachphilosophischen Texten wird, auch aufgrund des von aristotelischer Syllogistik definierten Methodenideals, die Rhetorik teils nicht mehr eigentlich als Teil der Philosophie angesehen.67 Auch in der teils scharfen Abgrenzung der Philosophie von Sophistik und Dialektik68 lässt sich eine Distanzierung von rhetorischer Vorgehensweise erkennen. Von den christlichen Autoren wird die Rhetorik als solche nur gelegentlich explizit rezipiert, dann aber gerne im Sinne der philosophischen Wertung mit der Sophistik parallelisiert und als gefährliche Ablenkung von der Wahrheit kritisiert. Eine Verwendung rhetorischer Formen ist damit natürlich keineswegs ausgeschlossen. Von rhetorischer Seite wird die Philosophie (zumindest theoretisch) zu einer guten Ausbildung gerechnet,69 und das Ideal der philosophierenden Rhetorik wird weiterhin hochgehalten.70 Dies lässt sich jedoch auch so verstehen, dass der gute Rhetor alle wesentlichen Einsichten des Philosophen besitzt, so dass für eine von der Rhetorik verschiedene Philosophie wenig Raum bleibt.71 In der rhetorischen Ausbildung spielen zwar philosophische Texte, vor allem Platon, wegen ihrer literarischen Qualität eine große Rolle,72 aber schon Zeitgenossen vermissen 64

  Vgl. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 65–73, auch zur Klärung der Begriffe Rhetor und Sophistes sowie ihrer Abgrenzungen. 65   Vgl. z. B. die auf Mark Aurel bezogene Aussage: non vitae moribus, sed etiam eruditione philosophus; Eutropius, Breviarium 8, 11, 1. 66   Ps.-Herodianus, De soloecismo et barbarismo (294, 4 f. Nauck); vgl. Th. Schmitz, Bildung und Macht. Zur sozialen und politischen Situation der zweiten Sophistik in der griechischen Welt der Kaiserzeit, München 1997, 86–89. 67   Alcinous, Didascalicus 3 (153, 35–38 Hermann). 68   S. unten S. 565, 621, 666. 69   Aelius Aristides, Oratio 3, 690 (2, p.  560 Trapp); Aelius Theo, Progymnasmata 1 (59, 1–4 Spengel). 70   Philostratus, Vitae sophistarum, prooem. (1, 3–5, 14 Stefec). 71   Quintilianus, Institutio oratia 1 praef. 9–17; Philostratus, Vitae sophistarum, prooem. (2, 2–12 Stefec); Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 249–251. 72   Quintilianus, Institutio oratia 10, 1, 81–84; Aulus Gellius, Noctes Atticae 17, 20.

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Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie

bei vielen Rhetoren eine eigentlich philosophische Bildung.73 Andererseits wird die Philosophie eines Maximos von Tyros in rhetorisch ausgefeilten öffentlichen Schauvorträgen geboten.74 Das Anliegen der Philosophie, zur sittlichen Bildung zu erziehen, wird unter den Rhetoren wohl nur von den wenigen (wie Dion von Prusa) verwirklicht, die sich primär als Philosophen verstehen.75

9. Die politische Rolle der Philosophen Der Bezug der Philosophie zur Politik wird in der Kaiserzeit in einer spezifischen Weise fortgeführt, wobei an die Stelle großer politisch-philosophischer Entwürfe eher konkrete Einflussnahmen am Kaiserhof und in anderen führenden Kreisen treten. Am Kaiserhof fungieren Philosophen als Erzieher und mäßigen die Allmacht des Herrschers durch furchtloses Auftreten.76 Die Beleglage hierfür ist recht eindrucksvoll: Areios Didymos erreicht verschiedenen Quellen zufolge, dass Augustus Alexandrien nicht zerstört. Dieser soll von Andronikos nach Rom begleitet worden sein. Der Platoniker Thrasyllos gilt als »Freund des Herrschers«.77 Alexander von Aigai78 und Seneca sind lange Jahre Berater und Erzieher des Kaisers Nero. Philostrat stellt ein Gespräch über gute Herrschaft und die beste Staatsform dar, das Apollonios von Tyana, der Stoiker Euphrates und Dion von Prusa vor Kaiser Vespasian abhalten.79 Euphrates wird von Kaiser Hadrian offenbar persönlich aufgefordert, den Schierlingsbecher zu trinken.80 Kaiser Mark Aurel bekehrt sich schließlich, zum Leidwesen seines Rhetoriklehrers Fronto,81 von der Rhetorik zur Philosophie und reflektiert als Anhänger der Stoa sein eigenes Leben. Eine Reflexion auf die Verbindung von Philosophie und Herrscher dürfte schließlich die Anklänge an die Philosophie bei den christlichen Apologeten wie Justin erklären.82 73

  Aelius Theo, Progymnasmata 1 (59, 4–11 Spengel).   Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 92–98. 75   S. unten S.  604  f. 76   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 182–191; ferner zur ›Vita Secundi‹: B. E. Perry, Secundus the Silent Philosopher. The Greek ›Life of Secundus‹ Critically Edited and Restored so Far as Possible with Translations of the Greek and Oriental Versions, the Latin and Oriental Texts, and a Study of the Tradition, Ithaca  /  New York 1964, 70–74. 77   Tacitus, Annales 6, 21. 78   Suda s. v. Alexandros Aigaios (1, p.  104, 17–21 Adler). 79   Philostratus, Apollonius 5, 32–39 (1, p.  189, 17–200, 29 Kayser); vgl. Robiano, Euphratès, 338. 80   Dio Cassius, Historiae 69, 8, 3 (3, p.  229, 13–15 Boissevain). 81   Vgl. zu diesem Punkt die von R. Goulet, Fronton (M. Cornelius); in: DPhA 3 (2000), 429–431, zusammengestellten Beobachtungen. 82   Vgl. unten S. 646. 74

535

Philosophie in der Kaiserzeit

Beziehungen von Philosophen zur Politik zeigen sich auch auf anderer Ebene in vielerlei Weise: Von einigen stoisch inspirierten Senatoren wird eine politische Oppositionstätigkeit berichtet.83 Möglichkeiten zu politischer Aktivität bieten sich im Übrigen auf lokaler sowie religiöser Ebene.84 In einigen Fällen führt die politische Aktivität von Philosophen zu deren Verbannung, z. B. bei Musonius Rufus unter Nero,85 oder sogar zum Tod.86 Kaiser Vespasian verbannt hingegen alle Philosophen außer Musonius Rufus aus Rom.87 Einige Philosophen, vor allem Dion von Prusa, entwickeln Theorien der Monarchie als Abbild des wohlgeordneten Kosmos88 und halten auf diese Weise den Anspruch der Philosophie aufrecht, die direkt von Zeus stammende »Fertigkeit der Königsherrschaft« (βασιλικὴ τέχνη) zu lehren.89 Weniger klar als diese Präsenz der Philosophen am Kaiserhof sowie ihre gelegentlichen politischen Ambitionen ist allerdings ihr tatsächlicher Einfluss.90 Grundsätzlich dürfte ihre Rolle von der Idee her darin bestehen, als tugendhafte Außenseiter ohne eigene Interessen mittels ihrer Redefreiheit bzw. ihres Freimuts (παρρησία) auf Missstände aufmerksam zu machen und ggf. die Interessen einzelner Personen, Städte und Regionen vor kaiserlicher Willkür zu schützen. Verschiedene Beispiele deuten darauf hin, dass die Realität häufig anders aussieht: Am Hof des Herodes übernimmt Nikolaos von Damaskus je nach Laune des Herrschers unterschiedliche literarische Rollen und betätigt sich sowohl in der Rhetorik als auch der Geschichtsschreibung.91 Die Teilnahme des Musonius Rufus an einer Friedensgemeinschaft des Vitellius endet mit dessen Verjagung.92

83

  Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 226–230.   Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 70–73. 85   Vgl. z. B. Tacitus, Agricola 2, 3; Dio Cassius, Historiae 62, 27, 4 (3, p.  66, 4 f. Boissevain). Zu den zahlreichen Belegen über das Exil des Musonius Rufus vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Musonius Rufus, in: DPhA 4 (2005), 555–572, hier 557 f. 86   Suetonius, Domitianus 10, 5; Tacitus, Agricola 2, 1; dazu oben S. 526, 535. 87   Dio Cassius, Historiae 66, 13, 2 (3, p.  148, 1 f. Boissevain). 88   Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 166–225. 89   Dio Chrysostomus, Oratio 4, 21; 4, 27–30. 90   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 75. 91   Nicolaus Damascenus (FGrHist 90), frg.  135; vgl. H. J. Drossaart Lulofs, in: Nicolaus Damascenus ›On the Philosophy of Aristotle‹. Fragments from the First Five Books Translated from the Syriac with an Introduction and Commentary by H. J. Drossaart Lulofs, Leiden 1969, 3; J.-P. Schneider, Nicolas de Damas, in: DPhA 4 (2000), 669–679, hier 670 f. 92   Tacitus, Historiae 3, 81, 1. 84

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Zur historischen Entwicklung und der Rolle der Philosophie

10. Textformen der Philosophie in der Kaiserzeit Die Kaiserzeit kennt eine große Bandbreite philosophischer Textformen, die den verschiedenen Erfordernissen wissenschaftlicher Systembildung im Anschluss an die Gründer der verschiedenen Richtungen sowie der Belehrung Einzelner ­angepasst sind. Geeignete Textformen93 für die Anleitung zum Erreichen des philosophischen Ideals, darunter namentlich verschiedene Sorten heteronomer Texte,94 sind uns vor allem aus der stoischen Richtung erhalten. Hierbei stellen die zu einer Serie geordneten Briefe Senecas, die auf Gespräche zurückgehenden Diatriben des Musonius Rufus und Epiktets sowie die Meditationen Mark Aurels, die vielleicht das früheste Beispiel für ein philosophisches Selbstgespräch sind, ganz unterschied­ liche, jeweils in ihrer eigenen Weise interessante Lösungen dar.95 Gemäß der kon­ stanten Rückbeziehung der philosophischen Arbeit auf die jeweils eigene Tradition nimmt unter den eher wissenschaftlichen Textformen der Kommentar zunehmend eine zentrale Stellung ein. Die Großform des Kommentars, der sich nicht nur auf einzelne Abschnitte bezieht, sondern ganze Texte Lemma für Lemma erklärt, entwickelt sich wohl vor allem in der aristotelischen Schule. Namentlich Alexander von Aphrodisias’ Kommentare werden zu Mustern einer Gattung, welche die philosophische Aktivität bis in die Neuzeit wesentlich prägt.96 Neben derartigen Kommentaren spielen auch kürzere und systematischere Formen wie z. B. Handbücher (Alkinoos, Apuleius) und polemische Traktate (Plutarch, ›Adversus Colotem‹) ebenso eine Rolle wie die eher der Darstellung des philosophischen Lebens zugehörigen Gattungen wie die bio-bibliographische Literatur. Letztere macht u. a. reichen Gebrauch von den Formen des doxographischen Handbuchs und der Chrie bzw. Sentenz, wie es bereits für die hellenistische Zeit geschildert wurde. Derartige Textformen sind auch für Christen nützlich, welche daher an einige literarische Gattungen der Philosophie direkt anschließen können. Hier lassen 93

  Vgl. zusammenfassend, auch für die folgenden Epochen, I. Männlein-Robert  /  Ch. Riedweg, Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung und Methoden der Textinterpretation in historischer Perspektive, in: GGPh 5, 1 (2018), 64–83. 94   Zum Begriff K. Bracht u. a., Heteronome Texte. Kommentierende und tradierende Literatur in Antike und Mittelalter. Einleitung, in: K. Bracht u. a. (Hrsg.), Heteronome Texte in Antike und Mittelalter. Kommentierende und tradierende Literatur in Antike und Mittelalter, Berlin  /  Boston 2021, 1–16. 95   Vgl. Long, Epictetus, 128–141; M. van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels, Bd.  1–2, Berlin  /  Boston 2011, 1, 206–287. 96   Zur Geschichte des Kommentars und zur Rolle der kaiserzeitlichen Aristoteliker vgl. I. Hadot, Der fortlaufende philosophische Kommentar in der Antike, in: W. Geerlings  / Ch. Schulze (Hrsg.), Der Kommentar in Antike und Mittelalter. Beiträge zu seiner Erforschung, Leiden u. a. 2002, 183–199, hier 185 f.; C. D’Ancona Costa, Commenting on Aristotle. From Late Antiquity to the Arab Aristotelianism, in: Geerlings  /  Schulze (Hrsg.), Der Kommentar, 201–251, hier 205, 211 f.

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Philosophie in der Kaiserzeit

sich Protreptik (Clemens), Monographie (Origenes, ›De principiis‹; Tertullian, ›De anima‹), Polemik (Origenes, ›Contra Celsum‹), Kommentar (zur Bibel) sowie die Seelenführungsliteratur (Clemens, ›Stromateis‹) nennen, wozu man vielleicht noch Kleinformen (Chrie, Sentenz) hinzufügen mag.97 Diese Textformen, die von den Christen natürlich ihren Bedürfnissen angepasst werden, können auch als Elemente »einer umfassenden antik-mediterranen Globalkultur«98 verstanden werden, die mehr oder weniger automatisch auch von neuen Richtungen übernommen werden. Allerdings gibt es auch Besonderheiten der christlichen Entwicklung zu beachten, denn sie kreieren mit der Apologie eine neue Gattung eigener Art und nutzen offenbar den Dialog wesentlich häufiger als die Fachphilosophen (z. B. Justin, Minucius Felix, Methodios von Olympos, Bardaiṣān).

97

  Dazu M.-O. Goulet-Cazé, Kynismus, in: RAC 22 (2008), 631–687, hier 651–656.   Vgl. S.  Vollenweider, »Mitten auf dem Areopag«. Überlegungen zu den Schnittstellen zwischen antiker Philosophie und Neuem Testament, in: Early Christianity 3 (2012), 296–320, hier 299. 98

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III. Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

1. Allgemeine Einschätzung und quellenkundliche Probleme Das Philosophieverständnis der verschiedenen philosophischen Richtungen der Kaiserzeit ist uns ebenso wie ihre philosophischen Positionen durch eine nicht unbeträchtliche Menge an Quellen zugänglich. Entgegen der weitgehend fragmentarischen Überlieferung der hellenistischen Philosophie sind dabei aus fast allen bedeutenden Schulen, mit Einschränkungen bei den Epikureern und Kynikern, vollständige Texte überliefert. Diese bezeugen auf eindrucksvolle Weise sowohl das philosophische Leben der Zeit als auch inhaltliche Gesichtspunkte, nämlich einerseits die fortdauernden Traditionen der einzelnen Richtungen sowie andererseits die Weiterentwicklungen ihrer Lehren innerhalb der Kaiserzeit. Deren Innovationsgehalt ist allerdings nur dort festzustellen, wo wir hinreichend viel Vergleichsmaterial aus der hellenistischen Zeit haben, was zumeist nur in begrenztem Maße der Fall ist, zumal unser Wissen über diese Zeit zum beträchtlichen Teil aus den kaiserzeitlichen Quellen selbst herrührt. Bei einem Überblick über das erhaltene Material fällt ferner auf, dass uns aus den einzelnen Richtungen ganz unterschiedliche Quellengattungen erhalten sind: Die stoischen Texte eines Seneca, Epiktet und Mark Aurel befassen sich ganz allgemein mit der Einübung einer philosophischen Lebensführung, sei es des Autors selbst, sei es der Adressaten der Schrift. Aus der aristotelischen Schule sind uns vorwiegend Kommentare oder Fragmente davon erhalten, die durch thematische Monographien und Quaestionensammlungen ergänzt werden. Die neupyrrhonische Skepsis ist uns vor allem durch das kritisch-enzyklopädische Werk des Sextos Empirikos sowie gewichtige Fragmente aus Ainesidemos zugänglich. Den Mittelplatonismus und Pythagoreismus repräsentieren neben den Handbüchern des Alkinoos und Apuleius eine Reihe thematischer Monographien und Erläuterungen ausgewählter Passagen vor allem von Plutarch von Chaironeia, die ergänzt werden durch pythagoreische Pseudepigrapha z. B. des Archytas zu den ›Kategorien‹ sowie schwer datierbare Papyrusfunde, v. a. den anonymen ›Theaitet-Kommentar‹. Diese Zeugnisse werden durch eine relativ umfangreiche indirekte Überlieferung ergänzt, die gerade die philosophisch wohl bedeutendsten Autoren (Eudoros, ­Severos, Attikos, Numenios) auszugsweise zugänglich macht. Eine wichtige Aufgabe der philosophiegeschichtlichen Einordnung dieser Überlieferung besteht darin, diesen Befund zu werten: Handelt es sich um eine im Wesentlichen überlieferungsgeschichtliche Auswahl, so dass wir z. B. bei allen Richtungen von einer ähnlichen Kommentierungstätigkeit auszugehen haben, die uns aber bei den Stoikern verloren ist, oder sind die erhaltenen Texte typi539

Philosophie in der Kaiserzeit

sche Beispiele für die Arbeitsweise der Schulen? Für die erste Sichtweise könnte das Erlöschen der meisten Richtungen am Ende der Kaiserzeit, mit dem das Interesse an ihren Werken verloren gegangen sein dürfte, in Verbindung mit der Tatsache sprechen, dass das 3./4. Jahrhundert die Zeit des Medienwechsels von der (Papyrus-)Rolle zum Buch bzw. Kodex auf Pergament darstellt, welcher zum Verlust aller nicht mehr abgeschriebenen Werke führt.1 Man kann davon ausgehen, dass aufgrund des zunehmend geringen Interesses an nicht-platonischen und nicht-aristotelischen Schriften nur wenige stoische und epikureische Texte diesen Wechsel überleben. Trotzdem dürfte die uns erhaltene Überlieferung zumindest teilweise repräsentativ sein, wie sich aus Überlegungen wie den folgenden ergibt: Anders als die Platoniker und Aristoteliker können die kaiserzeitlichen Stoiker von einem grundsätzlich ausformulierten Lehrgebäude ausgehen, so dass man auf ihrer Seite genauso wenig wie bei den pyrrhonischen Skeptikern eine intensive Kommentierungstätigkeit wie in der aristotelischen Schule erwarten kann, welche sich das Werk des Schulgründers erst neu erschließen muss. Die Erhaltung der stoischen Schriften zur Lebensführung kann man im Übrigen damit erklären, dass keine platonischen oder aristotelischen Werke vergleichbarer Qualität zur Verfügung stehen, weswegen im Neuplatonismus gerne stoische Texte als Einführungsmaterial genutzt werden.2 In Anbetracht einer so komplexen Situation gilt es bei der Auswertung der Überlieferung in einem größeren Kontext Augenmaß zu bewahren.

2. Der Neuansatz des systematischen platonischen Denkens im ­Mittelplatonismus Allgemeines  /  Historischer Überblick Der Mittelplatonismus3 vertritt – anders als die skeptische Akademie der hellenistischen Periode – eine platonische Philosophie auf dogmatische Weise und präsentiert sie so als Lebensideal bzw. »menschliches Glück« (ἀνθρωπίνη εὐδαιμονία).4 Vom 1. Jahrhundert v.  Chr. bis Mitte des 3. Jahrhunderts lassen sich viele philo1

  Vgl. Ch. Gastgeber, Die Überlieferung der griechischen Literatur im Mittelalter, in: E. Pöhlmann (Hrsg.), Einführung in die Überlieferungsgeschichte der antiken Literatur. Mittelalter und Neuzeit, Darmstadt 2003, 1–46, hier 2 f., 12 f. 2   Vgl. dazu unten S. 754. 3   Überblicke bei J. Dillon, The Middle Platonists. 80 B. C. to A. D. 220, Ithaca (N. Y.) 2 1996; P. L. Donini, Commentary and Tradition. Aristotelianism, Platonism and Post-Hellenistic Philosophy, Berlin  /  New York 2011, 197–452; F. Ferrari, Der Begriff ›Mittelplatonismus‹ und die Forschungsgeschichte, in: GGPh 5, 1 (2018), 547–555. 4   Atticus, frg.  2 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 15, 4, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  350, 4 f. Mras).

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

sophische Denker, Lehrer und interessierte Laien feststellen,5 die zu dieser Richtung gerechnet werden können, und viele Zeugnisse sind sicherlich verloren. Aus diesem Grund muss man eine weite Verbreitung annehmen, doch lässt sich, weil von den meisten Autoren nur Fragmente und andere Texte, namentlich der schon erwähnte ›Theaitet-Kommentar‹,6 anonym überliefert sind, eine Geschichte des Mittelplatonismus nur sehr bedingt schreiben. Zu den bedeutenderen Mittelplatonikern rechnet eine jüngere Überblicksdarstellung7 – in ungefährer zeitlicher Reihenfolge – Antiochos von Askalon,8 Eudoros (beide 1. Jhdt. v.  Chr.),9 Thrasyllos (1. Jhdt. n.  Chr.), Plutarch von Chaironeia (1./2. Jhdt.),10 Theon von Smyrna,11 Nikomachos von Gerasa,12 Albinos,13 Alkinoos,14 Kelsos,15 Apuleius,16 Numenios,17 Maximos von Tyros,18 Attikos19 (alle 2. Jhdt.), Longin20 und Origenes den Platoniker (3. Jhdt.), doch ruht ihre Wertschätzung überwiegend auf der Tatsache, dass größere Teile ihrer Werke erhalten sind, was für inhaltlich bedeutende Autoren wie Tauros,21 Gaios,22 Kronios23 und Moderatos von Gades24 in geringerem Maße gilt. Schon ein Neufund, wie neuerdings im Fall des Severos,25 erweitert hier unser Wissen bedeutend. Die historischen Ursprünge des Mittelplatonismus liegen 5

  Sie sind gesammelt bei Lakmann, Platonici minores.   Text, Übersetzung und Kommentar: G. Bastianini  /  D. N. Sedley, ›Commentarium in Platonis Theaetetum‹, in: Corpus dei papiri filosofici greci 3 (1995), 227–562. Vgl. Ferrari, Anonymus, ›In Platonis Theaetetum‹, in: GGPh 5, 1 (2018), 630–632. 7   Vgl. M.-L. Lakmann, Platonici minores, 1. Jh. v.  Chr. – 2. Jh. n.  Chr. Prosopographie, Fragmente und Testimonien mit deutscher Übersetzung, Leiden  /  Boston 2017, 781–805, die alle hier genannten Autoren behandelt. 8   Vgl. oben S. 449–451. 9   Vgl. I. Männlein-Robert, Eudoros von Alexandrien, in: GGPh 5, 1 (2018), 555–561. 10   Vgl. F. Ferrari, Plutarch von Chaironeia, in: GGPh 5, 1 (2018), 565–580. 11   Vgl. F. Ferrari, Theon von Smyrna, in: GGPh 5, 1 (2018), 580–583. 12   Vgl. F. Ferrari, Nikomachos von Gerasa, in: GGPh 5, 1 (2018), 643–648. 13   Vgl. F. Ferrari, Albinos aus Smyrna, in: GGPh 5, 1 (2018), 614–616. 14   Vgl. F. Ferrari, Alkinoos, in: GGPh 5, 1 (2018), 607–613. 15   Vgl. I. Männlein-Robert, Kelsos (von Alexandrien?), in: GGPh 5, 1 (2018), 665–672. 16   Vgl. I. Männlein-Robert, Apuleius von Madaura, in: GGPh 5, 1 (2018), 617–630. 17   Vgl. F. Ferrari, Numenios von Apameia, in: GGPh 5, 1 (2018), 649–657. 18   Vgl. I. Männlein-Robert, Maximos von Tyros, in: GGPh 5, 1 (2018), 659–664. 19   Vgl. I. Männlein-Robert, Attikos, in: GGPh 5, 1 (2018), 594–601. 20   Vgl. I. Männlein-Robert, Longinos und Amelios, in: GGPh 5, 2 (2018), 1310–1321. 21   Vgl. F. Ferrari, Kalvenos Tauros aus Berytos, in: GGPh 5, 1 (2018), 590–594. 22   Vgl. F. Ferrari, Gaios und seine ›Schule‹, in: GGPh 5, 1 (2018), 604–606. 23   Vgl. I. Männlein-Robert, Kronios, in: GGPh 5, 1 (2018), 658 f. 24   Vgl. hierzu ebenfalls Prosopographie und Fragmente bei Lakmann, Platonici minores, 117–121 und 468–473 (zu Gaios), 158–162 und 580–595 (zu Kronios) sowie 238–248 und 700–757 (zu Tauros). 25   Porphyrius, De principiis naturalibus, 88–93 (120, 1–122, 4 [syr.]  /  121–123 [engl.] Ar­ zha­nov). Vgl. für den bisherigen Forschungsstand F. Ferrari, Severos, in: GGPh 5, 1 (2018), 584–587. 6

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Philosophie in der Kaiserzeit

ebenfalls weitgehend im Dunkeln. Philon von Alexandrien bezeugt viele mittelplatonische Lehren, darunter die Verortung der Ideen im Geist und die Wendung »Ιdeenwelt« (κόσμος νοητός), bereits zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr.,26 doch sind seine Quellen unbekannt. Möglich ist ein Zusammenhang mit Eudoros.27 Eudoros ist auch deswegen als früher Repräsentant typisch mittelplatonischer Tendenzen von Interesse, weil er offenbar auch pythagoreische und aristotelische Materialien heranzieht.28 Damit begründet er eine Tendenz, die bei einzelnen Mittelplatonikern sehr unterschiedlich ausgeprägt zu sein scheint. Jedenfalls ist die Bezugnahme auf Pythagoras für viele von ihnen wichtig, denn abgesehen von ihrem Selbstverständnis als Platoniker (meist nicht mehr: Akademiker), sehen sich viele Autoren zusätzlich als Pythagoreer, z. B. Nikomachos von Gerasa,29 Moderatos von Gades30 sowie Numenios, der vom »pythagorisierenden Platon« (Πλάτων πυθαγορίσας) spricht31 und zum ewigen Seienden ausführt: »Wenn dies auf die Lehren Platons nicht zutrifft, muss man doch einem anderen großen Mann glauben, der viel vermag, wie Pythagoras«.32 Diese Haltung führt dazu, dass von der hellenistischen bis in die Kaiserzeit eine Reihe von pseudo-pythagoreischen Traktaten entsteht – darunter einige Briefe und Traktate unter dem Namen von Frauen wie der Pythagoreerin Theano und Platons Mutter Periktione33 –, die platonisches und aristotelisches Lehrgut in ihrem Sinne deuten, wie es sich am besten bei der in Gänze erhaltenen Pseudo-Archytas-Schrift über die Kategorien34 sowie in dem Timaios Lokros zugeschriebenen Werk zeigt, das sich als Vorlage 26

  Philo Alexandrinus, De opificio mundi 20; 24 (1, p.  6, 7–10; 7, 11–13); die von D. Runia, in: Philo of Alexandria, ›On the Creation of the Cosmos according to Moses‹. Introduction, Translation and Commentary by D. T. Runia, Leiden  /  Boston  /  Köln 2001, 151 f., angeführte Parallele bei Varro in Augustinus, De civitate dei 7, 28, stellt lediglich die Abhängigkeit der Ideen vom höchsten Gott fest, vgl. H. Tarrant, Scepticism or Platonism? The Philosophy of the Fourth Academy, Cambridge 1985, 118; Vasiliu, Penser Dieu, 303 f. Anm.  3. 27   Vgl. R. Chiaradonna, Autour d’Eudore. Les débuts de l’exégèse des ›Catégories‹ dans le Moyen Platonisme, in: M. Bonazzi  /  J. Opsomer (Hrsg.), The Origins of the Platonic System. Platonisms of the Early Empire and their Philosophical Contexts, Leuven 2009, 89–111. 28   Vgl. Dillon, The Middle Platonists, 114–121; J. Dillon, Eudore d’Aléxandrie, in: DPhA 3 (2000), 290–293. 29   Vgl. I. Hadot, Arts libéraux et philosophie dans la pensée antique. Contribution à l’histoire de l’éducation et de la culture dans l’Antiquité, Paris 22005, 63. 30   Prosopographie und Fragmente bei Lakmann, Platonici minores, 183–190 und 618– 629; F. Ferrari, Moderatos von Gades, in: GGPh 5, 1 (2018), 639–641. 31   Numenius, frg.  24 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 5, 7 (GCS Eus. 8, 2, p.  270, 11 Mras). 32   Ὅτι ταῦτα τοῖς δόγμασι τοῖς Πλάτωνος εἰ μὴ συμβαίνει, ἀλλ’ ἑτέρου γε χρῆν οἴεσθαί τινος ἀνδρὸς μεγάλου, μέγα δυναμένου, οἵου Πυθαγόρου. Numenius, frg.  7 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 10, 9 (GCS Eusebios 8, 2, p.  27, 18–20 Mras). 33   Vgl. C. Macris, Théano (de Crotone ou de Métaponte?), in: DPhA 6 (2016), 820–839; C. Macris, Périctionè (d’Athènes?), in: DPhA 5a (2012), 231–234. 34   Ediert bei Th. A. Szlezák, Pseudo-Archytas über ›Die Kategorien‹. Texte zur Griechischen Aristoteles-Exegese. Berlin  /  New York 1972.

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von Platons ›Timaios‹ gibt, aber faktisch eine teils modernisierende Epitome dieses Werkes darstellt.35 Auch abseits der Pseudo-Pythagoreer ist die Integration aristotelischen Gutes in den Mittelplatonismus erstaunlich verbreitet, und viele mittelplatonische Texte lassen sich als systematisch durchaus geschlossenes Amalgam platonischer und aristotelischer Elemente lesen. Allerdings wird auch scharfe Kritik an Aristoteles geäußert, namentlich bei Tauros, Attikos und Nikostratos.36 Insgesamt kann die intensive Auseinandersetzung der Mittelplatoniker mit anderen Richtungen, wie bei Cicero, als Fortführung der Methodik der jüngeren Akademie verstanden werden, zu der sich Favorinos von Arles (1. / 2. Jhdt. n.  Chr.)37 und andere noch ausdrücklich bekannt haben sollen.38 Die Namen von Plutarch und Apuleius weisen darauf hin, dass die geistigen Interessen nicht weniger Mittelplatoniker weit über die Philosophie im engeren Sinne hinausgehen und das geistige Leben der Zeit auch auf literarischem Gebiet wesentlich mitprägen. Die Wirkung der Schule zeigt sich auch daran, dass mittelplatonisches Lehrgut Eingang in nicht-philosophische, z. B. gnostische oder hermetische, aber auch christliche Texte findet, die daher in der Forschung gelegentlich als »Nebenformen des Platonismus« charakterisiert werden.39

Philosophische Hauptarbeitsgebiete und -thesen40 Das Ziel der mittelplatonischen Philosophie ist eine systematische Deutung der verschiedenen platonischen Dialoge als Zeugen eines einheitlichen Gedankengebäudes, die erreicht werden soll, indem die verschiedenen Aussagen Platons mit35

  Ediert bei H. Thesleff, The Pythagorean Texts of the Hellenistic Period, Collected and Edited, Ǻbo 1965, 203–225. Zur Datierung vgl. M. Baltes, in: Timaios Lokros. Über die Natur des Kosmos und der Seele, kommentiert von M. Baltes, Leiden 1972, 22–26, der die Schrift im Umfeld des Eudoros entstanden sein lässt. 36   Atticus, frg.  2 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 15, 4, 2 (GCS Eus. 8, 2, p.  350, 8–14 Mras); weiteres bei P. Moraux, Der Aristotelismus bei den Griechen 2, Berlin 1984, 509–582; R. Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, in: Rivista di storia della filosofia 70 (2015), 424–446, hier 435–439. 37   Vgl. S.  Follet, Favorinus d’Arles, in: DPhA 3 (2000), 418–422. 38   Galenus, De optima doctrina 40 (CMG 5, 1, 1, p.  92, 3 f. Barigazzi); vgl. J. Opsomer, In Search of the Truth. Academic Tendencies in Middle Platonism, Brussel 1998, 213–240; Ferrari, Der Begriff ›Mittelplatonismus‹, 548. 39   Vor allem im Titel des Bandes H. Seng  /  L. Soares Santoprete  /  Ch. O. Tommasi (Hrsg.), Formen und Nebenformen des Platonismus in der Spätantike, Heidelberg 2016. Leider habe ich im Band selbst keine weitergehende Klärung der interessanten Begrifflichkeit finden können. 40   Ein sehr gründliches Textbuch mit Übersetzung und Kommentar, dessen Abschluss absehbar ist, ist H. Dörrie  /  M. Baltes  /  Ch. Pietsch, Der Platonismus in der Antike. Grundlagen – System – Entwicklung, Bd.  1–7, 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987–2020. Nützliche Zusammenfassungen der Hauptlehren der Mittelplatoniker sind vor allem Dillon, The

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einander harmonisiert werden.41 In Anbetracht der beträchtlichen Unterschiede, die auch in zentralen Fragen zwischen den einzelnen Repräsentanten des Mittelplatonismus bestehen,42 lässt sich dessen inhaltliche Einheit daher am ehesten anhand der gemeinsam verfolgten Strategien und Fragestellungen erläutern. Wichtig ist für die Platoniker natürlich eine Gottes- bzw. Prinzipienlehre, wobei die Ansätze entsprechend der Vielfalt der Aussagen Platons im Einzelnen recht unterschiedlich ausfallen können. Ein typisches Beispiel ist die mittelplatonische Neudeutung der platonischen Gottesidee. Diese verfolgt allgemein die Tendenz, entgegen dem Materialismus der Stoiker ein unkörperliches oberstes Prinzip anzunehmen, durch das bzw. aus dem die ganze Welt entstanden sei und das trotz seiner Transzendenz die Welt zusammenhalte; dieses kann wahrhaft ›seiend‹ genannt bzw. mit »du bist« (εἶ) angesprochen werden.43 Hierfür kommt der Identifizierung des von Aristoteles diskutierten Geistes (νοῦς) mit dem ersten Gott, der zugleich der Ort der (platonischen) Ideen sei, zentrale Bedeutung zu.44 In Anbetracht von Platons Aussagen, dass die Idee des Guten (dem Sonnengleichnis zufolge) »jenseits des Seins« sei oder dass der Welthersteller (δημιουργός) aus dem ›Timaios‹ zu einem Urbild (παράδειγμα) aufblicke,45 ist aber eine Tendenz verbreitet, mehrere transzendente Prinzipien anzunehmen, die einander hierarchisch übergeordnet sind; bei Plutarch sind die drei Prinzipien z. B. Gott bzw. das Denkbare, die Materie und der in aus beiden entstandene Kosmos, der seinerseits also zwei Prinzipien hat.46 Attikos kommt durch Aufteilung in ein aktives und ein passives Prinzip, von denen jedes wieder zwei Aspekte hat (Schöpfer und Form Middle Platonists, namentlich 43–51, und Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardoantico, 177–227. 41   Zu den methodischen Grundzügen des Mittelplatonismus vgl. zusammenfassend F. Ferrari, Esegesi, sistema e tradizione. La prospettiva filosofica del medioplatonismo, in: Ch. Riedweg (Hrsg.), Philosophia in der Konkurrenz von Schulen, Wissenschaften und Religionen. Zur Pluralisierung des Philosophiebegriffs in Kaiserzeit und Spätantike. Akten der 17. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 16–17. Oktober 2014 in Zürich, Berlin  /  Boston 2017, 33–59. 42   An einem Beispiel gezeigt von Porphyrius, De principiis naturalibus 73–94 (p.  112, 15–122, 10 [syr.]  /  113–123 [engl.] Arzhanov). 43   Vgl. Plutarchus, De Iside et Osiride 76 (382a), und besonders Plutarchus, De E apud Delphos 21 (393e–394a) (vor allem dazu Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardoantico, 179–185); Numenius, frg.  5 f. (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 10, 1–8 (GCS Eus. 8, 2, p.  26, 3–27, 14 Mras) sowie das Zeugnis über eine einschlägige Schrift des Albinos: Ephrem Syrus, Contra Bardesanis Domnum (6, 41–7, 28 Mitchell); vgl. dazu unten S.  916. Zum Zeugnis Philons s. oben S.  619. 44   Alcinous, Didascalicus 10 (164, 18–31 Hermann); Apuleius, De Platone et eius dogmate 1, 192; 2, 220 (p.  65; 79 Beaujeu); vgl. A. H. Armstrong, The Background of the Doctrine ›That the Intelligibles are not outside the Intellect‹, in: Entretiens Fondation Hardt 5 (1960), 391–412. 45   Plato, Respublica 6, 509b; Plato, Timaeus, 29a. 46   Zum Beispiel Plutarchus, De Iside et Osiride 56 (373e); De animae Procratione 5 (1014ab).

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bzw. Seele und Materie), auf insgesamt vier Prinzipien.47 Bei Alkinoos werden hingegen drei Prinzipien der Welt selbst diskutiert, nämlich Materie, Ideen und Gott, so dass eine Hierarchie transzendenter Prinzipien entsteht.48 Strukturell ähnlich spricht Numenios vom »zweiten und dritten Gott«, welcher als mit der Materie verbundener Demiurg einer und zugleich als Demiurg und Materie zwei ist, nimmt aber noch über dem Demiurgen einen »ersten Gott« an, nämlich das in sich Gute bzw. Seiende, das der Weltentstehung ganz transzendent bleibt.49 Ein Punkt, über den die Mittelplatoniker sich uneins sind, ist, ob primär die Seele Ursache des Bösen ist (so Plutarch) oder ob sie hierin von der Materie abhängig ist (so Numenios auf der Grundlage älterer Vorgänger).50 In der Naturphilosophie ist den Mittelplatonikern unter anderem die Frage wichtig, ob die von diesen Prinzipien abhängige Welt entstanden ist, wie es der Wortlaut des ›Timaios‹ suggeriert, oder nicht, wie es die Ewigkeit der Prinzipien nahelegt. Für ihre Verteidigung des Entstandenseins der Welt sind insbesondere Plutarch und Attikos in der späteren Zeit bekannt, während z. B. Tauros für die Unentstandenheit der Welt argumentiert.51 Im Hinblick auf das Verhältnis von Vorsehung und Freiheit vertreten die Mittelplatoniker gegen die Stoiker ein starkes Konzept von letzterer, z. B. Plutarch durch die Unterscheidung der Wirkungen von Fatum, Natur und dem von uns Abhängigen (ἐφ’ ἡμῖν).52 Allerdings sind hierzu nicht mehr allzu viele Texte vorhanden.53 Besser dokumentiert ist die Handlungstheorie der Mittelplatoniker, in der sie gegen die Stoiker einen Gegen47

  Porphyrius, De principiis naturalibus 73 f. (112, 15–26 [syr.]  /  113 [engl.] Arzhanov). Vgl. für die griechischen Berichte I. Männlein-Robert, Attikos, in: GGPh 5, 1 (2018), 594–601, hier 596–598. 48   Alcinous, Didascalicus, 8–10 (p.  162, 24–165, 42 Hermann). Vgl. M. Baltes, Zur Philosophie des Platonikers Attikos, in: M. Baltes, ΔΙΑΝΟΗΜΑΤΑ. Kleine Schriften zu Platon und zum Platonismus, Stuttgart  /  Leipzig 1999, 81–111, hier 84; Ferrari, Esegesi, sistema e tradizione, 57, unterscheiden vor diesem Hintergrund eine innovativere Prinzipientheorie bei Alkinoos und Numenios von der konservativeren Haltung des Plutarch und Attikos. 49   Numenius, frg.  2; 11 f.; 16; 19 f. (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 18, 1–10; 11, 22, 1–8 (GCS Eusebios 8, 2, p.  40, 13–41, 22; 48, 20–50, 18 Mras). Gerade Texte mit dieser Tendenz sind von Eusebios als Parallele zu seiner subordinationistischen Trinitätsdeutung in ›Praeparatio evangelica‹ 11 gesammelt worden, so dass wir hierfür relativ viele Zeugnisse besitzen. 50   Plutarchus, De animae procreatione 7 (1015d); zur Debatte und zur Position des Numenios vgl. ausführlich F. Jourdan, Materie und Seele in Numenios’ Lehre vom Übel und vom Bösen, in: F. Jourdan  /  R. Hirsch-Luipold (Hrsg.), Die Wurzel allen Übels. Vorstellungen über die Herkunft des Bösen und Schlechten in der Philosophie und Religion des 1.–4. Jahrhunderts, Tübingen 2014, 133–210. 51   Vgl. Plutarchus, De animae procreatione, z. B. 4 (1013ef); Taurus, frg.  22b (Lakmann) = Philoponus, De aeternitate mundi 6, 21 (188, 23–189, 9 Rabe). 52   Plutarchus, De fato 6 (570e–571e). 53   Vgl. aber die Platon zugeschriebenen Positionen bei (Ps.-)Plutarchus, Placita philosophorum 1, 27; 1, 29 (884 f–885 a; 885 c).

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satz von Vernunft und Emotionalität vertreten, sowie ihr Tugendideal, das den Tugendbegriff weniger ausschließlich für das Glücksideal verantwortlich macht, als dies bei den Stoikern der Fall ist. Beide Punkte werden zum Teil mithilfe aristotelischer Begrifflichkeiten ausformuliert.54 Das gilt auch für die Sprachphilosophie, in der früh eine Rezeption der aristotelischen ›Kategorien‹ stattfindet, die freilich noch nicht Plotins Einsicht beinhaltet, dass die Kategorien grundsätzlich nur zur Beschreibung der sinnlich wahrnehmbaren Welt geeignet sind.55 In Pseudo-Archytas’ ›Kategorien‹-Adaption wird z. B. vorausgesetzt, dass die Kategorie der Substanz auf allen ontologischen Stufen vorkommt.56

Philosophiebegriff Entsprechend der unterschiedlichen Einflüsse auf den Mittelplatonismus finden wir in den Texten verschiedene Aussagen über die Philosophie. Bei Plutarch und seinem Freund Favorinus sind akademische Traditionen erkennbar, wenn die Suche nach Gründen und ggf. die Enthaltung von einem nicht zureichend begründeten Urteil essentiell für die Philosophie genannt werden.57 Im Hinblick auf die Definition von Philosophie nehmen auch spätere Mittelplatoniker noch die ursprünglich stoische Charakterisierung der Weisheit als das »Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge« auf,58 die auch auf die ganze Philosophie ausgedehnt werden kann.59 In charakteristisch platonischem Vokabular formuliert Nikomachos von Gerasa diesen Zusammenhang: Für ihn ist die Weisheit im eigentlichen Sinn »das Wissen um die Wahrheit in den seienden Dingen« (ἐπίστημη τῆς ἐν τοῖς οὖσιν ἀληθείας) und die Philosophie das »Streben nach Weisheit« (ὄρεξις σοφίας).60 Alkinoos interpretiert dieselbe Philosophiedefinition als »Loslösung und Abwendung der Seele vom Körper, indem wir uns zum Geistigen und in Wahrheit Seienden hinwenden« (ἐπὶ τὰ νοητὰ ἡμῶν τρεπομένων καὶ τὰ κατ’ ἀλήθειαν).61 Hier ist nicht nur das platonische Weltbild klar vorausgesetzt 54

  Insbesondere bei Plutarchus, De virtute morali; dazu Donini, Tre studi sull’Aristotelismo, 66–97; Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 34 f., 45–48. 55   Ausführliche Darstellungen dieser Zusammenhänge mit Belegen sind Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo; M. Griffin, Aristotle’s ›Categories‹ in the Early Roman Empire, Oxford 2015, v. a. 78–126. 56   Ps.-Archytas, De universalibus rationibus (26, 19 f. Thesleff); vgl. Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, 427–430; Griffin, Aristotle’s ›Categories‹, 88, 98 f. 57   Plutarchus, De primo frigido 8; 23 (948bc; 955c); Galenus, De optima doctrina 40–42 (CMG 5, 1, 1, p.  92, 3–94, 9 Barigazzi). 58   Alcinous, Didascalicus 1 (152, 5 f. Hermann). 59   Maximus Tyrius, Oratio 26, 1 (216, 27–29 Trapp). 60   Nicomachus, Introductio arithmetica 1, 1, 1; 1, 2, 3 (1, 6 f.; 4, 9 f. Hoche). 61   Alcinous, Didascalicus 1 (152, 2–4 Hermann); vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 63 (229, 21–230, 3 Marcovich = 275, 690–693 Dorandi); Seneca, Epistulae 89, 4 (vielleicht nach Eudoros: Dillon, Middle Platonists, 121 Anm.  1).

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(»das in Wahrheit Seiende« sind die Ideen),62 sondern es wird auch eine Verbindung zur aristotelischen Noetik angedeutet. Das Ähnlichwerden mit Gott aus Platon63 wird von einigen Mittelplatonikern erwähnt, aber nicht ausdrücklich mit der Definition von Philosophie verbunden.64 Der vielleicht früheste – evtl. auf Eudoros zurückgehende – Beleg findet sich bei Stobaios, wo von Platon gesagt wird, er habe die Formel vom Ähnlichwerden mit Gott als Äquivalent von Eudaimonie und Klugheit im ›Timaios‹ auf naturphilosophische, in der ›Politeia‹ auf ethische sowie im ›Theaitet‹ auf logische Weise ausgeführt.65 Im anonymen ›Theaitet-Kommentar‹ wird dieses Ähnlichwerden als Zentrum der platonischen Gerechtigkeitsvorstellung der epikureischen und stoischen Oikeiosis-Lehre entgegengesetzt;66 leider ist die Ausführung des Gedankens verloren. Die Idee der Philosophie als auf die Seele bezügliche Analogie zur Medizin findet sich z. B. bei Pseudo-Timaios Lokros, der freilich – in platonischer Tradition – neben der Medizin auch die Gymnastik zur Fürsorge (ἐπιμέλεια) für den Körper rechnet sowie die Bildung (παιδεία) zusammen mit der Philosophie als entscheidend für die Genesung der Seele anführt.67 Von verschiedenen Autoren ist eine programmatische Vorstellung Platons als demjenigen erhalten, der erstmals die Philosophie als ein zusammengehöriges System aus Ethik, Physik und Logik bilde. Sie geht möglicherweise auf Antiochos von Askalon zurück, dessen Bericht noch bei Sextos Empirikos nachzuwirken scheint.68 Stoisches Kolorit tritt in der vom Aristoteliker Aristokles überlieferten Darstellung zutage, die die Einheit der Philosophie nach Platon aus ihrem Bezug auf die menschlichen und göttlichen Dinge ableitet, da die menschlichen Dinge nicht zu behandeln seien, ohne das Ganze im Blick zu behalten.69 Besonders programmatisch äußert sich im 2. nachchristlichen Jahrhundert Attikos: Platon sei »gleichsam wahrhaft von den Göttern geschickt« und bezeichne die Lehre von den göttlichen Ursachen (bereits vor den Stoikern) als Naturphilosophie. Er stelle die Teile der Philosophie, nachdem sie vorher verstreut »wie die Glieder des Pentheus« bei den verschiedenen Vorsokratikern zu finden gewesen seien, als erster zu etwas Ganzem zusammen, »weder etwas Notwendiges auslassend noch zu etwas Nutzlosen hinführend« (μήτε ἐλλείπων πρὸς τὸ ἀναγκαῖον),70 mit 62

  Nicomachus, Introductio arithmetica 1, 2, 3 (4, 10 f. Hoche).   Plato, Theaetetus 176b. 64   Albinus, Prologus 6 (151, 4 Hermann); Alcinous, Didascalicus 2 (153, 7–9 Hermann). 65   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  49, 8–50, 10 Wachsmuth). Vgl. MännleinRobert, Eudoros, 559. 66   Anonymus, In Theaetetum, col. VII, 14–20 (p.  278 f. Bastianini  /  Sedley). 67   Ps.-Timaeus Locrus, De natura mundi 80 (223, 13–15 Thesleff). Vgl. Baltes, in: Timaios Lokros, 221 f. 68   Vgl. oben S.  450 f. 69   Aristocles, frg.  1 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3 (GCS Eus. 8, 2, p.  8, 8–9, 16 Mras). 70   Atticus, frg.  1 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 2, 1–5 (GCS Eus. 8, 2, p.  7, 1–8, 3 Mras); vgl. auch Numenius, frg.  24 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evange63

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anderen Worten: in der Form eines vollkommenen Systems. Diese Betonung der Einheit der drei aus hellenistischer Zeit bekannten Teile der Philosophie muss als Teil einer anti-stoischen Verwendung des Alters-Arguments verstanden werden: Wenn Platon die Einheit der Philosophie bereits herstellt, dann ist das platonische System nicht nur älter als das stoische, sondern die Stoa ist, ebenso wie die epikureische Schule, eine verwerfliche Neuerung (καινοτομηθέν) bzw. Abspaltung (ἐστασίασται) von der wahren, auf Platon zurückgehenden Philosophie, die sich zudem in weiteren Abspaltungen innerhalb der stoischen Schule fortsetzt, wie Numenios ausdrücklich formuliert.71 An die Stelle des in der Kaiserzeit faktisch herrschenden philosophischen Pluralismus tritt also bei den Mittelplatonikern die Idee einer einen und wahren Philosophie Platons, von der abzufallen in sich verwerflich ist.

Einteilung der Philosophie72 Bei der Einteilung der Philosophie lassen sich im Mittelplatonismus drei Tendenzen unterscheiden, von denen der zweite und dritte Ansatz auf eine Überwindung des hellenistischen Dreierschemas Logik, Physik, Ethik abzielen, das im ersten Ansatz hingegen in platonischer Umdeutung erhalten bleibt. Die erste Tendenz folgt, wie gerade bereits dargestellt, im Großen und Ganzen der hellenistischen Dreiteilung. Bei Eudoros und Attikos lautet die Reihenfolge Ethik, Physik, Logik, wodurch die bevorzugte stoische Reihenfolge umgedreht wird. Eudoros bezieht diese Einteilung noch in stoischer Terminologie auf den »Diskurs der Philosophie« (ὁ κατὰ φιλοσοφίαν λόγος).73 Da Attikos die Logik mit dem »Unterhalten« (διαλέγεσθαι) sowie der »Unterscheidung« und dem »Auffinden« (διάκρισίς τε καὶ εὕρεσις) als Methoden verbindet, versteht er das Wort

lica 14, 5, 2 und 7–9 (GCS Eus. 8, 2, p.  269, 6–9; 270, 11–271, 5 Mras); Apuleius, De Platone et eius dogmate 1, 187 (p.  62 f. Beaujeu). 71   Vgl. auch Numenius, frg.  24 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 5, 3 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  269, 11–270, 11–271, 4 Mras); zur Deutung Donini, Commentary and tradition, 269–261; F. Ferrari, Der Begriff ›Mittelplatonismus‹ und die Forschungsgeschichte, in: GGPh 5, 1 (2018), 547–555, hier 549 f.; M. Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften. Ein Bild des Sergios von Rëšʿaynā, seine Rezeption bei Paul dem Perser und die spätantiken Wurzeln der arabischen Aristoteles-Eulogien, in: Sh. Talay (Hrsg.), Überleben im Schatten. Geschichte und Kultur des syrischen Christentums. Beiträge des 10. Deutschen Syrologentages an der FU Berlin 2018, Wiesbaden 2020, 179–201, hier 183 f. 72   Vgl. M. Bonazzi, Il posto dell’etica nel sistema del Platonismo, in: Ch. Pietsch (Hrsg.), Ethik des antiken Platonismus. Der platonische Weg zum Glück in Systematik, Entstehung und historischem Kontext. Akten der 12. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 15. bis 18. Oktober 2009 in Münster, Stuttgart 2013, 25–33 73   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  42, 7–15 Wachsmuth). Vgl. I. Männlein-Robert, Eudoros von Alexandrien, in: GGPh 5, 1 (2018), 555–561, hier 556, 558 f.

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›Logik‹ offenbar im Sinne der platonischen Dialektik.74 Wie schon in der mittleren Stoa und der Darstellung des Aristokles findet sich bei Apuleius hingegen die Anordnung Physik, Ethik, Logik, deren logischer Teil aber nur in der separaten Schrift mit dem Titel ›Hermeneutik‹ ausgearbeitet ist.75 Innerhalb der Ethik unterscheidet bereits Eudoros einen theoretischen, auf die Tugenden bezogenen, einen praktischen, auf Pflichten bezogenen, sowie einen auf den Impuls (ὁρμή) bzw. die Leidenschaften (πάθη) bezogenen Teil. Zum ersten Teil gehört auch die Protreptik.76 Bei Alkinoos findet sich eine Einteilung der Philosophie ausgearbeitet, in der die hellenistische Dreiteilung erkennbar bleibt, aber in aristotelisch-platonischer Terminologie dargestellt wird: Voran steht die theoretische Philosophie, dann kommt die praktische, am Schluss die Dialektik.77 Im Werk selbst behandelt Alkinoos die drei Teile aber in umgekehrter Reihenfolge. Mit dieser Terminologie können die vorwiegend aristotelischen Untergliederungen der Teile integriert werden, die bei Seneca zum Teil noch unvermittelt78 neben der hellenistischen Dreiteilung stehen: Zur Dialektik gehören (aristotelisch) Syllogistik, Rhetorik und Sophistik, aber auch (platonisch) Dihairetik, Horistik, Analytik, Epagogik;79 zur praktischen Philosophie, entsprechend der aristotelischen Lehre,80 Ethik, Ökonomik und Politik; zur theoretischen Philosophie werden ebenfalls im Anschluss an Aristoteles81 die Theologie, die Physik (aus der die Theologie somit, entgegen der stoischen Position, wieder ausgegrenzt ist) und die Mathematik gerechnet.82 Damit ist die Integration platonischer und aristotelischer Definitionen der Philosophie vorge-

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  Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  42, 11–13 Wachsmuth); Seneca, Epistulae 89, 9; Atticus, frg.  1 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 2, 1 f.; 11, 2, 5 (GCS Eus. 8, 2, p.  7, 3–11; 8, 2 f. Mras). 75   Apuleius, De Platone et eius dogmate 1, 189 (p.  63 Beaujeu); Apuleius, De interpretatione 1 (p.  82 Londey  /  Johansen); Aristocles, frg.  1 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3, 6 (GCS Eus. 8, 2, p.  9, 1–3 Mras). Zur Authentizität von Apuleius’ ›De interpretatione‹ vgl. D. Londey  /  C. Johansen, The Logic of Apuleius. Including a Complete Latin Text and English Translation of the ›Peri hermeneias‹ of Apuleius of Madaura, Leiden u. a. 1987, 9–19. 76   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  42, 7–45, 6 Wachsmuth); vgl. Seneca, Epistulae 89, 14. Vgl. Männlein-Robert, Eudoros, 558 f. 77   Alcinous, Didascalicus 3 (153, 25–30 Hermann). 78   Seneca, Epistulae 89, 10. 79   Dazu M. Perkams, Apodeiktische Weisheit. Metaphysik als Seinswissenschaft nach den Neuplatonikern Jamblich und Syrian, in: B. Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese bei den spätantiken Platon- und Aristoteles-Kommentatoren. Akten der 15. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 4.–16. Oktober 2012 in Trier, Berlin  /  Boston 2018, 45–68. 80   Vgl. schon Aristoteles, Ethica Nicomachea 6, 8, 1141b 29–6, 9, 1142a 10. 81   Aristoteles, Metaphysica 6, 1, 1026a 18–20. 82   Alcinous, Didascalicus 3 (153, 30–54, 5 Hermann).

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Philosophie in der Kaiserzeit

zeichnet, die im Neuplatonismus mit geringfügigen Variationen allgemeine Verbreitung findet. Die dritte Tradition beschreibt die Philosophie in der Terminologie der eleusinischen Mysterien als Aufstieg zur Schau der Wahrheit.83 Sie ist für uns erstmals mit der Erwähnung der Epoptie als einem »Teil der Philosophie« bei Plutarch von Chaironeia fassbar,84 der in diesem Kontext möglicherweise auf eine bis zu Eudoros rückführbare Tradition anspielt, die aristotelische ›Metaphysik‹ in weitgehender Übereinstimmung mit der platonischen Theologie zu lesen;85 das neue Dreierschema Ethik, Physik, Metaphysik  /  Epoptik ist sogar erstmals in einer aristotelischen Quelle fassbar.86 Bei Theon von Smyrna ist der Vergleich des Aufstiegs des Philosophen mit der fünfstufigen Initiation in einen Mysterienkult noch manifester: Der anfänglichen Reinigung entspricht 1. die Ausbildung in den Wissenschaften, die Enkyklios Paideia bzw. der ›Zirkel der Lehren‹; der darauffolgenden Weitergabe der Geheimlehre (τελετῆς παράδοσις) entspricht 2. diejenige »der Lehren der Philosophie« in Logik, Politik und Physik, darauf folgt 3. die Epoptie als Behandlung der intelligiblen Objekte beziehungsweise Ideen, darauf 4. die Fähigkeit, selbst zu lehren, und 5. die Eudaimonie.87 Im Gegensatz zu Alkinoos, bei dem die Dialektik die dritte Stelle im traditionellen Dreierschema einnimmt, aber faktisch als erste behandelt wird, wird sie bei Theon aus diesem Schema ganz gelöst und erhält unter dem Namen Epoptie eine separate Stellung, die ihrer Rolle bei Platon als Hinführung zur Ideenschau entspricht.88

83   P. Hadot, Les divisions des parties de la philosophie dans l’Antiquité, in: Museum Helveticum 36 (1979), 201–223, hier 219–221; Bonazzi, Il posto dell’etica nel sistema del platonismo. 84   Plutarchus, De Iside et Osiride 77 (382d–e); vgl. Ch. Riedweg, Mysterienterminologie bei Platon, Philon und Klemens von Alexandrien, Berlin  /  New York 2015, 124–129 85   Vgl. die beiden Belege Plutarchus, Vita Alexandri 7 (2, 2, p.  183, 16–184, 20 Lindskog  /  Ziegler); Aulus Gellius, Noctes Atticae 20, 5 sowie den Rekonstruktionsvorschlag bei Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, 430–435; R. Chiaradonna, Théologie et époptique aristotéliciennes dans le médioplatonisme: La réception de ›Métaphysique‹ Λ, in: F. Baghdassarian  /  G. Guyomarc’h (Hrsg.), Réceptions de la théologie aristotélicienne. D’Aristote à Michel d’Éphèse, Leuven 2017, 143–157. 86   Vgl. unten S. 564. Zu beachten ist auch, dass bereits Chrysipp die Physik aufgrund ihres mystischen Charakters gelegentlich ans Ende der philosophischen Lehre stellt. Vgl. oben S. 430. 87   Theo Smyrnaeus, Expositio rerum mathematicarum (14, 18–16, 2 Hiller). 88   Vgl. Hadot, Arts libéraux et philosophie, 72.

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

Philosophie und Religion Grundlagen der philosophischen Deutung von Religion Generell spielt bei den Mittelplatonikern die Deutung der überlieferten Religion – also nicht nur der griechischen, sondern auch orientalischer Kulte und Mythen – eine wichtige Rolle, welche die Gestalt und die Methodik der ganzen Richtung kaum weniger prägt als die Auslegung der Werke Platons. Die beiden Zielrichtungen, einerseits die Philosophie im Sinne Platons darzustellen und andererseits die überlieferten Religionen unter Berücksichtigung der Transzendenz der Götter als Darstellungen eines einheitlichen metaphysischen Systems89 zu deuten, beeinflussen sich hierbei wechselseitig. Dies geht so weit, dass selbst philosophische Aussagen besser unpräzise sein sollen, als dass die einfachen Menschen in ihren religiösen Überzeugungen verwirrt werden. Das wird schon Platon unterstellt, der laut Tauros den unvergänglichen Kosmos »geworden« nenne, um die Masse (οἱ πολλοί) mit ihrem zeitlichen Verständnis von Schöpfung und Vorsehung (πρόνοια) nicht in einen Zweifel an der göttlichen Vorsehung zu stürzen.90 Die Beschäftigung mit der Religion ist aber auch für die Philosophen selbst wichtig: Wie Theons Einteilung der Philosophie zeigt, ist ihr Interesse an den überlieferten Kulten aufs engste mit dem Streben nach Wissen verbunden, das seinerseits als Geschenk der Götter verstanden wird.91 Daher bemüht sich die philosophische Theologie, die innere Rationalität der traditionellen Kulte zu erhellen, auch um den Aberglauben (δεισιδειμονία) zu bekämpfen,92 der seinerseits der Leugnung der Götter (ἀθεότης) Vorschub leiste.93 Plutarchs Schrift ›Über Isis und Osiris‹ weist in diesem Sinne die innere Rationalität des Isiskults nach, welcher die Idee eines höchsten Gottes, der durch Erkenntnis lebt94 und alles ordnet,95 erzählerisch darstelle. Dieser Gott kann mit verschiedenen Namen bezeichnet werden96 und entspricht sachlich dem »ersten Gott« (πρῶτος θεός), der in den Handbüchern des Alkinoos und Apuleius mit dem Geist und seinen Ideen identifiziert wird.97 Kelsos hingegen setzt ihn, wie später Plotin, entsprechend der be89

  Vgl. Plutarchs Hinweis auf die Allgemeinheit auch regional bedeutender Götter und die Gleichzeitigkeit von Festen in verschiedenen Ländern: Plutarchus, De Iside et Osiride 66; 69 (377c–d, 378e–f). 90   Taurus, frg.  22b (Lakmann) = Philoponus, De aeternitate mundi 6, 21 (186, 17–187, 15 Rabe) zu Plato, Timaeus, 28bc. 91   Plutarchus, De Iside et Osiride 1 f. (351c–351 f). 92   Plutarchus, De Iside et Osiride 3 (352b). 93   Plutarchus, De superstitione 1 (164e) 94   Plutarchus, De Iside et Osiride 1 (351d–e). 95   Plutarchus, De Iside et Osiride 76 (382b). 96   Celsus, apud: Origenes, Contra Celsum 5, 41 (GCS Orig. 2, p.  44, 25–45, 13 Koetschau). 97   Alcinous, Didascalicus 10 (164, 22; 164, 31); Apuleius, De Platone et eius dogmate 1, 193 (p.  65 Beaujeu); vgl. auch Numenius, frg.  11 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 18, 1 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  40, 13–18 Mras) und schon Seneca, Epistulae 65, 7.

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Philosophie in der Kaiserzeit

rühmten Formulierung aus Platons Sonnengleichnis98 noch über dem Geist und der geistigen Welt an.99 Dass die Mittelplatoniker diesen Begriff nicht undifferenziert monotheistisch verstehen, sondern auf den höchsten Gott des ›Timaios‹ beziehen, welcher nur ein Prinzip (ἀρχή) neben der Materie sein soll, zeigen Belege bei Alkinoos und Kelsos100 sowie Numenios’ Annahme, der erste Gott sei nicht schöpferisch tätig, sondern nur der zweite.101 Laut der mittelplatonischen Theologie verdeutlichen Mythen die inneren Erfahrungen der Seele sowie die Hilfe der Dämonen, die deren Aufstieg unterstützen können.102 Dies wird vor allem in Apuleius’ Schrift ›Über den Gott des Sokrates‹ ausgeführt, die nicht nur den Dämonenbegriff positiv besetzt und verschiedene Arten von Dämonen – darunter insbesondere die menschliche Seele103 – aufzählt, sondern auch mit einer an die Mysterienkulte erinnernde Aufforderung »zur Verehrung des eigenen Dämons, welche Verehrung nichts anderes als eine Einweihung in die Philosophie (sacramentum philosophiae) ist«.104 Eine methodische Grundlage der philosophischen Deutung wird durch eine neue Form der allegorischen Exegese angestrebt, die Plutarch gegenüber der volkstümlichen und der stoischen Allegorese rechtfertigt: Es gehe nicht an, einzelne Elemente der Natur mit bestimmten Göttern zu identifizieren, sondern auf die Güte und Ordnung bzw. deren Fehlen zu blicken, in denen sich z. B. Isis bzw. ihr Gegner Typhon zeigten.105 Überhaupt gelte es, in den mythischen Erzählungen ontologische, rational aufweisbare Strukturen wie das Wirken des schaffenden und die Aufnahme durch das geschaffene, hierzu bereite Prinzip, also die Materie bzw. »Amme des Werdens«106 zu erkennen. Das ermöglicht in Plutarchs Augen nicht nur eine Deutung des Verhältnisses von Isis (steht für die ewige Seele) und Osiris (der aufnahmebereite vergängliche Körper), sondern sogar die von dualistischen Religionen wie dem Zoroastrismus,107 deren zwei Götter aber nicht als gleichwertige, sondern, wie gerade beschrieben, abhängige Paare von Gegensätzen identifiziert werden. Diese Deutungsweise zeige sich auch in den Namen der Götter, die auf Griechisch ebenso wie in den Originalsprachen bedeutungstragend seien.108 Wei98

  Plato, Respublica 6, 509b.   Origenes, Contra Celsum 7, 45 (GCS Orig. 2, p.  196, 27–197, 3 Koetschau). 100   Alcinous, Didascalicus 23 (176, 9 Hermann); Celsus, apud: Origenes, Contra Celsum 6, 60 (GCS Orig. 2, p.  130, 10–18 Koetschau). 101   Numenius, frg.  12 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 18, 6–10 (GCS Eus. 8, 2, p.  41, 6–22 Mras). 102   Vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire 107–109; 216–224. 103   Apuleius, De deo Socratis 150 (p.  34 Beaujeu). 104   In semet […], in sui dico daemonis cultum, qui cultus non aliud quam philosophiae sacramentum est. Apuleius, De deo Socratis 170 (42 Beaujeu). Übersicht über die Inhalte der Schrift bei Männlein-Robert, Apuleius von Madaura, 618 f., 624–627. 105   Plutarchus, De Iside et Osiride 64 (376 f–377b). 106   Plato, Timaeus 49a. 107   Plutarchus, De Iside et Osiride 45–47, 53 f. (369c–370b; 372e–373a). 108   Plutarchus, De Iside et Osiride 60 f. (375c–376a). 99

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

tere Formen allegorischer Deutung und entsprechender Verehrung ergäben sich aus dem Nutzen bestimmter Tiere für bestimmte Völker (τὸ χρειῶδες) oder aus ihrer symbolischen Bedeutung (τὸ συμβολικόν), wie z. B. das Krokodil als (angeblich) einziges Lebewesen ohne Zunge die Unaussagbarkeit Gottes symbolisiere. 109 Mit solchen Aussagen bereiten die Mittelplatoniker die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn vor, die in der christlichen Bibelexegese lange eine große Rolle spielt.

Die Mittelplatoniker zu Judentum und Christentum Grundsätzlich ist die einheitsstiftende, alles einbeziehende Perspektive des Mittelplatonismus auch offen dafür, Judentum und Christentum in derselben Weise zu behandeln wie die hellenisch-römischen Kulte: Sympathie für das Judentum zeigt namentlich Numenios aufgrund seiner eigenen Version der Barbarenphilosophie.110 Er nennt Platon einen »attisierenden Mose«111 und legt auch die jüdische Bibel aus.112 Vergleichbare Stellungnahmen zum Christentum scheint es hingegen bei den Mittelplatonikern nicht zu geben, sondern sie finden sich erst bei den Plotin-Schülern Amelios und Porphyrios. Das könnte daran liegen, dass der systematische Unterschied zwischen Mittelplatonismus und einem schöpfungstheoretischen Monotheismus ihnen bereits bewusst ist, wie jedenfalls Kelsos’ Widerlegung des Christentums nahe legt.113 Er würdigt – ganz im Sinne der von Numenios überlieferten Deutung der Philosophiegeschichte – die jüdische Treue zu den überlieferten Gesetzen und kritisiert die Christen für deren Verlassen,114 tadelt aber Juden wie Christen dafür, dass sie ihren Gott nicht mit den Göttern der anderen Völker identifizieren115 sowie annehmen, der höchste Gott könne handwerklich aktiv sein (χειρουργεῖν),116 was seiner Geistigkeit widerspreche.

109

  Plutarchus, De Iside et Osiride 74 f. (380e–381b).   Numenius, frg.  1a; 9 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 9, 7; 9, 8, 1 f. (GCS Eus. 8, 1, p.  494, 3–7; 494, 13–18 Mras); vgl. G. Staab, Numenios, in: RAC 25 (2013), 1172–1197, hier 1188–1190. 111   Numenius, frg.  8 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 10, 14 (GCS Eus. 8, 2, p.  28, 10 f. Mras). Weitere Belege bei Staab, Numenios, 1189. 112   Numenius, frg.  1c (des Places) = Origenes, Contra Celsum 4, 51 (GCS Orig. 1, p.  324, 18–23 Koetschau). 113   Vgl. Ph. Merlan, Celsus, in: RAC 2 (1954), 954–965; Dillon, Middle Platonists, 400 f, J. Whittaker, Celsus, in: DPhA 2 (1994), 255 f. 114   Celsus, apud: Origenes, Contra Celsum 5, 25; 5, 41 (GCS Orig. 2, p.  26, 1–13; 44, 18–21 Koetschau). 115   Celsus, apud: Origenes, Contra Celsum 1, 23 f.; 5, 41 (GCS Orig. 1, p.  74, 6–10; 2, 2, p.  44, 21–23; 45, 14–17 Koetschau). 116   Origenes, Contra Celsum 6, 61 (GCS Orig. 2, p.  131, 25–27 Koetschau). 110

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Philosophie in der Kaiserzeit

Philosophie und Politik117 Das Verhältnis der Philosophie zur Politik steht zwar nicht im Vordergrund der Interessen der Mittelplatoniker, gehört aber zweifelsohne zu den Bezügen des Philosophiebegriffs. Entsprechend unterschiedlich fallen einzelne Stellungnahmen aus: Attikos führt die Politik als entscheidenden Teil der Ethik auf,118 während Alkinoos’ Feststellung, dass der Weise nur in Anbetracht schlechter Zustände politisch aktiv wird, eher stoisch klingt.119 Plutarch verfasst eine ganze Reihe kurzer Traktate zu politischen Fragen, wobei er insbesondere die Rolle des Philosophen beim Herrscher thematisiert.120 Andere politische Reflexionen der Platoniker und Pythagoreer in der Kaiserzeit favorisieren die Monarchie als beste Staatsform und sehen sie als Abbild des Kosmos an, wobei der Herrscher Gottes Geist abbilden soll (›Ekphantos‹).121 Nur gelegentlich wird gefordert, dass der Herrscher philosophieren soll (Musonios).122

Verhältnis der Philosophie zu Rhetorik und Wissenschaften123 Der integrative Charakter des Mittelplatonismus zeigt sich auch im Verhältnis zu den Wissenschaften, über die im Platoniker-Referat des Aristokles mitgeteilt wird: »Einige, die für sich Teile abschnitten, behandelten diese, die einen die Medizin, andere die mathematischen Wissenschaften, wieder andere die Dichter und die Musik«,

bevor Platon all dies vereinige.124 Die hier postulierte Einheit all dieser Wissenschaften wird von den Mittelplatonikern so verstanden, dass sie letztlich eine Vorbereitung für die Philosophie, »deren Herrscherin« (ἁ ταύτας ἁγεμών), darstellen.125 Teilweise werden diese Disziplinen in ihre curricularen Vorstellungen 117

  Vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 166–225.   Atticus, frg.  1 (des Places) = Eusebius, Praeparatio evangelica, 11, 2, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  7, 3–5 Mras). 119   Alcinous, Didascalicus 2 (p.  153, 15–20 Hermann). 120   Vgl. den Traktat Plutarchus, Maxime cum principibus philosopho esse disserendum (776a–779c). 121   Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 7 (4, p.  279, 14–20 Hense); vgl. Plutarchus, De unius in republica dominatione 4 (827bc). 122   Ioannes Stobaeus, Anthologium 4, 7 (4, p.  280, 2 f. Hense); vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 170–176. 123   G. A. Kennedy, A New History of Classical Rhetoric, Princeton 1994, 232 f., 241 f. 124   Ἄλλοι δ’ ἀποτεμόμενοι μέρη τινὰ περὶ ταῦτα διέτριψαν, οἱ μὲν ἰατρικήν, οἱ δὲ τὰς μαθηματικὰς ἐπιστήμας, ἔνιοι δὲ περὶ τοὺς ποιητὰς καὶ τὴν μουσικήν. Aristocles, frg.  1 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3, 3 (GCS Eus. 8, 2, p.  8, 15–17 Mras). 125   Ps.-Timaeus Locrus, De natura mundi 82 (224, 1 f. Thesleff). Vgl. Baltes, in: Timaios Lokros, 227–229. 118

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

integriert, und zwar namentlich die mathematischen Wissenschaften, unter denen zum klassischen Quadrivium aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik bei Theon von Smyrna und Alkinoos die Stereometrie hinzutritt.126 Ihre Integration in den platonisch-pythagoreischen Bildungsgang gilt in den Augen einiger Zeitgenossen als charakteristisches Merkmal dieser Richtung der Philosophie.127 Komplizierter ist das Verhältnis zur Rhetorik und zur Poesie: Der kaiserzeitlichen Rhetorik, deren Hauptvertreter aus der sogenannten Zweiten Sophistik sehr einflussreich sind, bietet die Philosophie Platons, die traditionelle Werte in einem literarisch attraktiven Gewand präsentiert, interessante Anknüpfungspunkte. 128 Weitere Anregungen ergeben sich aus dem literarisch hochstehenden Werk eines Plutarch. Diese Bezüge beeinflussen auch die Mittelplatoniker selbst bis zu dem Punkt, dass einige Personen zugleich Rhetoren und platonische Philosophen sind, z. B. Maximos von Tyros,129 der (mittel-)platonische Philosophie und auch Theologie in öffentlichen Reden vermittelt130 und bis zu der mit Platons Dichterkritik kaum zu vereinbarenden Behauptung geht, Philosophie und Poetik seien faktisch dasselbe.131 Auch Longin, der Lehrer des Porphyrios, ist auf beiden Gebieten ­aktiv.132 Wesentlich eingeschränkter ist die Rolle der Rhetorik bei Alkinoos, der sie innerhalb der »Dialektik« als dritten Teil der Syllogistik mit der Apodeiktik und der »Epicheirematik« – d. h. wohl der Dialektik im aristotelischen Sinne der Topik – und den sophistischen Fehlschlüssen interpretiert und als zwar unverzichtbar, aber nicht eigentlich eine Aufgabe des Philosophen ansieht.133 Dieser Text ist bemerkenswert, weil er erstens unter dem platonischen Stichwort Dialektik die eigentlich aus der aristotelischen Logik stammende Syllogistik aufzählt und zweitens der erste Beleg für deren (hier) vier Teile ist, inklusive der Rhetorik, deren

126   Nicomachus, Introductio arithmetica 1, 2, 1 f. (5, 13–6, 7 Hoche); Theo Smyrnaeus, Expositio rerum mathematicarum (1, 1–2, 2 Hiller); Alcinous, Didascalicus 7 (161, 8–162, 2 Hermann); Maximus Tyrius, Dissertatio 37, 3 (297, 43–55 Trapp); Thrasyllus, apud: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 37 (656, 20–657, 3 Marcovich). Vgl. Hadot, Arts libéraux et philosophie, 66–100. 127   Theo Smyrnaeus, Expositio rerum mathematicarum (1, 1–2, 2 Hiller); Alcinous, Didascalicus 7 (162, 2–21 Hermann). Zur Wahrnehmung der Zeitgenossen vgl. das Zeugnis Justins unten S. 648. 128   Quintilianus, Institutio oratoria 10, 1, 81 f 129   Vgl. J. Campos Daroca  /  J. L. López Cruces, Maxime de Tyr, in: DPhA 4 (2005), 324– 348. 130   Maximus Tyrius, Dissertatio 11, 1 (87, 2–8 Trapp). 131   Maximus Tyrius, Dissertatio 4, 7 (34, 122–126 Trapp). 132   Cassius Longinus, frg.  5, 12–17 (Patillon  /  Brisson); vgl. I. Männlein-Robert, Longin. Philologe und Philosoph, München  /  Leipzig 2001, 46–87. 133   Alcinous, Didascalicus 3 (153, 32–38 Hermann). Vgl. das Schema und die traditionsgeschichtliche Einordnung bei Hadot, Arts libéraux et philosophie, 74 f.

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Philosophie in der Kaiserzeit

Zugehörigkeit zur Logik über das Ende der Antike hinaus bis in die arabische Welt und ins lateinische Mittelalter diskutiert wird.134

Würdigung Schon der hier gegebene kurze Überblick über den Mittelplatonismus lässt die bemerkenswerte Struktur und Weite dieser Philosophie erkennen: Die kaiserzeitlichen Platoniker verstehen ihre fachphilosophische Arbeit, Aussagen Platons zu einer Gesamttheorie zu vereinigen, als ein ebenso einheitliches wie in sich differenziertes Unterfangen. Liegt die Einheitlichkeit im Denken Platons begründet, so ergibt sich die Binnendifferenzierung durch die Gebiete, die aus ihrem Horizont heraus verstanden werden können: Das gilt sowohl für mehr oder minder große Elemente anderer philosophischer Ansätze, vor allem des Pythagoreismus und Aristotelismus, als auch für die mathematischen Wissenschaften und eine große Vielfalt religiöser Kulte. Möglich ist diese Integrationsleistung, indem die Annahme der Transzendenz eines unkörperlichen Gottes, der in differenzierter Weise auf die Welt wirkt, verschiedene Blickwinkel auf dieses Verhältnis zulässt, das aber als einheitlich interpretiert werden kann. All das kann in der Kaiserzeit gerade deswegen zur Geltung kommen, weil es den Mittelplatonikern gelingt, die ethischen Anregungen aus Stoa und Peripatos in hohem Maße aufzunehmen.135 Die genannte Binnendifferenzierung zeigt sich auch im Philosophiebegriff, in dem leicht veränderte stoische Einteilungen, die auf Platon zurückdatiert werden, neben der Definition der Philosophie als ›Ähnlichwerden mit Gott‹ stehen, die eine differenzierte platonisch-aristotelische Auslegung erfährt. Gegenläufig zu diesem offenen, sich entwickelnden Charakter des Mittelplatonismus weist der von Numenios behauptete Vorrang der wahren und (im Vergleich zu Stoa und Epikur) älteren platonisch-pythagoreischen Philosophie auf die spätantike Systembildung voraus, die den hellenistisch-kaiserzeitlichen Pluralismus philosophischer Positionen ablösen wird. In der Kaiserzeit selbst aber trägt das mittelplatonische Philosophieren, das für die zeitgenössische Rhetorik ebenso Anschlussmöglichkeiten bietet wie für Juden- und Christentum, wesentlich zur ­weiten Verbreitung des Philosophie-Ideals bei.

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  Vgl. unten S. 985, 1110.   Vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 30–36, 72–76.

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3. Philosophie in wissenschaftlicher Form: Die aristotelische Schule der Kaiserzeit Allgemeines  /  Historischer Überblick Der Aristotelismus der Kaiserzeit,136 eine ihrer führenden philosophischen Bewegungen, ist wesentlich durch die verstärkte Rezeption der sogenannten ›esoterischen‹ Schriften des Aristoteles bestimmt, also seiner heute noch erhaltenen Lehrschriften. Dass diese Schriften nun anstelle der ›exoterischen‹, heute verlorenen Dialoge des Stagiriten verstärkte Beachtung finden, dürfte mit ihrer Neuedition durch Andronikos von Rhodos137 zusammenhängen, die man aufgrund der Nachrichten von al-Fārābī und Plutarch in die augusteische Zeit datieren kann.138 Diese Edition dürfte ein Interesse an den aristotelischen Schulschriften zwar durchaus bereits voraussetzen, aber auch recht rasch vergrößern, wie eine Reihe von Nachrichten suggeriert: In Alexandria, wo Andronikos die aristotelische Schule leiten soll,139 bevor er um 30 v.  Chr. mit Augustus nach Rom geht,140 sollen 136   Der bei weitem wichtigste und beste Überblick ist nach wie vor P. Moraux, Der Aristotelismus bei den Griechen, Bd.  1–3, Berlin 1973–2001; vgl. ferner Donini, Tre studi; Donini, Commentary and Tradition, 17–193; H. B. Gottschalk, Aristotelian Philosophy in the Roman World from the Time of Cicero to the End of the 2nd Century A. D., in: ANRW 2, 36, 2 (1987), 1079–1174; I. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, in: GGPh 5, 1 (2018), 255–406, hier 257–301. 137   Die Struktur dieser Edition ist uns erhalten in einem Ptolemaios al-ġarīb zugeschriebenen arabisch erhaltenen Sammelwerk, das Andronikos’ Liste der aristotelischen Werke enthält: Edition Ptolémée « al-Gharīb », Épître à Gallus. Sur la vie, le testament et les écrits d’Aristote. Texte établi et traduit par M. Rashed, Paris 2021, 12–21; englisch bei I. Düring, Ptolemy’s ›Vita Aristotelis‹ Rediscovered, in: R. B. Palmer  /  R. Hamerton-Kelly (Hrsg.), Philomathes. Studies and Essays in the Humanities in Memory of Ph. Merlan, Den Haag 1971, 264–269. Zum Forschungsstand vgl. R. Goulet  /  St. Toulouse, Ptolémée al-ġarīb, in: DPhA 5b (2012), 1744–1747, hier 1745–1747. 138   Ibn Abī Uṣaybiʿa, Historia medicinae 15, 1, 2 (2, 2, p.  1151 [arab.]  /  3, 2, p.  1296 f. [engl.] Savage-Smith et al.). Vgl. Perkams, The date and place of Andronicus; Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CCCXIII–CCCLXI, sowie schon vorher I. Düring, Aristoteles: Darstellung und Interpretation seines Denkens, Heidelberg 1966, 39–41; J. Barnes, Roman Aristotle, in: J. Barnes  /  M. Griffin (Hrsg.), Philosophia togata 2. Plato and Aristotle at Rome, Oxford 1997, 1–69, hier 21–24. 139   Ammonius, In De interpretatione (CAG 4, 5, p.  5, 28 f. Busse); David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  113, 17; 117, 22 Busse); vgl. Moraux, Aristotelismus 1, 51–54; Barnes, Roman Aristotle, 21 f. 140   Ibn Abī Uṣaybiʿa, Historia medicinae 15, 1, 2 (2, 2, p.  1151 [arab.]  /  3, 2, p.  1296 f. [engl.] Savage-Smith et al.). Al-Fārābī bestätigt mit diesem Bericht die Vermutung von F. Wehrli  /  G. Wöhrle  /  L. Zhmud, Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, in: GGPh 3 (2004), 493–666, hier 632 f., Andronikos habe seine Edition mit alexandrinischen wie mit römischen Manuskripten erstellt. Vgl. auch den Rekonstruktionsvorschlag zur Geschichte des Corpus Aristotelicum bei Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CCCLXI–CCCLXV.

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schon um die Mitte des Jahrhunderts zwei Schüler des Antiochos von Askalon, Kratippos und Ariston von Chios, Peripatetiker geworden sein.141 Zumindest Ariston untersucht, ebenso wie Andronikos, Aristoteles’ ›Kategorien‹,142 so dass ein Zusammenhang nahe liegt. Das Handbuch des Nikolaos von Damaskus zur aristotelischen Philosophie, das die esoterischen Schriften voraussetzt – also vermutlich auch Andronikos’ Edition –, entsteht möglicherweise um die Zeitenwende in Rom im Umfeld des Augustus,143 aber auch Philon kennt in Alexandrien Aristoteles’ esoterische Schriften bereits recht gut.144 Am wahrscheinlichsten muss man demnach die Ursprünge des kaiserzeitlichen Aristotelismus in einem alexandrinischen Umfeld des 1. Jahrhunderts v.  Chr. suchen, wo die an Aristoteles interessierten Schüler des Antiochos Repräsentanten der peripatetischen Schule wie Andronikos und Boethos begegnen. Die Interaktion mit dem Platonismus muss somit als originärer Grundzug der ganzen Bewegung gelten. Die bedeutendsten erhaltenen Zeugnisse des kaiserzeitlichen Aristotelismus sind jedoch die weit später entstandenen Aristoteles-Kommentare des Aspasios (1. Hälfte 2. Jhdt. n.  Chr.)145 und des Alexander von Aphrodisias (Ende 2.  /  Anfang 3. Jhdt. n. Chr.), dessen Stellung als ›Diadochos‹ des Aristotelismus in Athen, also als Lehrstuhlinhaber dieser Schule, inschriftlich gesichert ist. Er verfasst auch zahlreiche Quaestionen und einige kleine Monographien.146 Nach Alexander sind als Zeugnisse für die aristotelische Schule nur die Namen der wohl etwas jüngeren Alexandriner ›Philologen‹ Ammonios und Ptolemaios (wohl der uns als Ptolemaios al-ġarīb bekannte Autor147) sowie zwei auf Armenisch erhaltene Kommentare peripatetischen Charakters bekannt, die Alexanders Namen bereits erwähnen.148 Interessant sind in diesem Zusammenhang Nachrichten über eine Verfol141

  Dies ergibt sich aus einer Verbindung der Nachrichten in Index Academicorum, col. XXXV, 5–15 (170–172 Dorandi); Cicero, Lucullus, 12; Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, 426 f. 142   Fragmente gesammelt bei I. Mariotti, Aristone di Alessandria. Edizione e interpretazione, Bologna 1966. 14 f. 143   Vgl. Drossaart Lulofs, in: Nicolaus Damascenus ›On the Philosophy of Aristotle‹, 4 f. Kritische Diskussion dieser nahe liegenden Vermutung bei Schneider, Nicolas de Damas, 676 f. 144   Vgl. Runia, Philon d’Aléxandrie, 384 f. und unten S. 619  f. 145   Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 226–293; R. Goulet, Aspasios, in: DPhA 1 (1994), 635 f.; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 321–328. 146  Zur Biographie und zum Werk Alexanders R. Goulet  /  M. Aouad, Alexandros d’Aphrodisias, in: DPhA 1 (1994), 125–139; S.  Fazzo, Alexandros d’Aphrodisias, in: DPhA Suppl. (2003), 61–70; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 386–406, v. a. 386–390. 147   Zur Identität dieses Autors, dessen überlieferte arabische Bezeichnung wohl auf ein Missverständnis einer opaken syrischen Formulierung, die ihrerseits ein griechisches Missverständnis wiedergibt, seitens des arabischen Übersetzers zurückgeht, vgl. die plausiblen Überlegungen von Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CXCVIII–CCXXXIV, dort CCXXV–CCXXXII zur Namensform. 148   Dies wird für den anonymen frühen armenischen ›De interpretatione-Kommentar‹

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gung der Alexandriner Aristoteliker unter Kaiser Caracalla, die auch den gerade erwähnten Ptolemaios betroffen haben dürfte.149 Um die Mitte des 3. Jahrhunderts scheint es keine bedeutenden Aristoteliker mehr zu geben, wenn man Longins Zeugnis glauben darf. Zwar ist die Belegsituation für den lateinischen Raum komplizierter, da sich noch um 300 der afrikanische Grammatiker Nonius Marcellus als Peripatetiker bezeichnet, doch lässt sich aus dieser Bezeichnung allein wohl kaum eine eigentlich philosophische Arbeit des Autors ableiten.150 In jedem Fall handelt es sich um ein Randphänomen. Das Ende der aristotelischen Richtung ist theoriegeschichtlich aus den begrenzten Möglichkeiten erklärt worden, welche die aristotelische Intellektlehre im Vergleich zu Platon für die systematische Ausarbeitung einer theologischen Metaphysik bietet.151 Sie muss allerdings in einem breiteren kulturellen Zusammenhang gesehen werden, der durch einen starken Rückgang der nicht-christlichen literarischen Tätigkeit um die Mitte des 3. Jahrhunderts sowie das Erlöschen der juristischen Kommentierungstätigkeit gekennzeichnet ist.152 All dies deutet darauf hin, dass eine so wissenschaftlich ausgerichtete Tätigkeit, wie die Aristoteliker sie betreiben, am Ende der Severerzeit auch ihre materielle Basis verloren hat.

Philosophische Vorgehensweise und Hauptarbeitsgebiete Grundsätzlich besteht auch die Tätigkeit der aristotelischen Schule darin, durch Auslegung der Werke des Schulgründers eine geschlossene Theorie zu entwickeln, die ein konkurrenzfähiges inhaltliches Angebot abgibt. Ein inhaltlicher Neu­ansatz im Vergleich zur hellenistischen Epoche ergibt sich dadurch, dass sich die kaiserzeitlichen Texte vorwiegend mit den esoterischen Schriften des Aristoteles beschäftigen, während diese z. B. in Areios’ Didymos (1. Jhdt. n. Chr.) Abriss der peripatetischen Ethik noch keine wesentliche Rolle zu spielen scheinen.153 Zu (vgl. unten S.  1075–1077) überzeugend dargelegt von G. Lachance, Aristotle on the Conventionality of Language. The Exegesis of an Anonymous Armenian Commentator, in: Studia Graeco-Arabica 11 (2021), 157–175, hier 171–175. Zur Benutzung Alexanders in diesem Kommentar vgl. G. Lachance, On Aristotle’s ›Peri Hermeneias‹ 16A1–18. The Case of an Anonymous Armenian Commentary, in: Classical Quarterly 71 (2021), 866–885, vor allem 869. 149   Dio Cassius, Historiae 77, 7, 3 (3, p.  712 [329, 31–330, 5] Boissevain). Vgl. dazu Rashed, in: Ptolémée « al-Gharīb », CCC–CCCII. Da Ptolemaios angibt, seine Aristoteles-Einführung Ad Gallum ohne Zugang zum Werk des Andronikos verfasst zu haben (Ad Gallum 3 [2, 11 f. Rashed]), dürfte das Werk ohne Zugang zu den alexandrinischen Bibliotheken entstanden sein, also möglicherweise in einer Art Exil nach der Verfolgung. 150   Vgl. Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, 62 f. 151   Vgl. Donini, Tre Studi, 58 f. 152   Vgl. unten S. 727. 153   Zu Areios Didymos vgl. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 302–308.

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dessen Zeit, ein paar Jahrzehnte nach der Edition des Andronikos, scheint daher der inhaltliche Übergang noch nicht vollzogen zu sein. Die methodische Vorgehensweise der Aristoteliker ist ferner nach den erhaltenen Zeugnissen wesentlich dezidierter fachwissenschaftlich als z. B. im Mittelplatonismus. Zu den Kommentaren des Alexander von Aphrodisias, die ihre Gattung langfristig prägen,154 kommen die handbuchartige Zusammenfassung ›Über die Philosophie des Aristoteles‹ des Nikolaos von Damaskus155 sowie verschiedene Abhandlungen und Sammlungen von Quaestionen, die aber ebenfalls stark auf die argumentative Auseinandersetzung ausgerichtet sind, z. B. mit den Stoikern um Fatum und Handlungsfreiheit. Auch Nachrichten über Aristokles von Messene informieren über die Behandlung populärphilosophischer und religiöser Themen.156 Behandelt werden also grundsätzlich alle Themen, die in den aristotelischen Werken vorkommen. Zu ihrer Deutung werden ferner die naturwissenschaftlichen und philosophischen Theorien und Interessen der Zeit breit herangezogen, so dass die historische Treue der kaiserzeitlichen Aristoteliker zum Schulgründer nicht überbetont werden sollte, da die Autoren nicht wenige platonische und stoische Termini und Fragestellungen berücksichtigen.157 Eines der wichtigsten und meistdiskutierten Gebiete ist die Logik: Die bereits im späthellenistischen Aristotelismus einsetzenden Diskussionen über die ›Kategorien‹ werden durch Andronikos, Boethos und andere Autoren fortgesetzt, wobei die Frage nach dem Verhältnis zum Platonismus eine besondere Rolle spielt.158 Die Innovationen, die auf diesem Gebiet erreicht werden, verdeutlicht schlaglichtartig der erstmals in ›Hippolyts‹ Aristoteles-Referat verwendete Begriff »unteilbare Form« (ἄτομον εἶδος), womit der Einzelgegenstand ausgedrückt wird, bei dem die Aufteilung der Wirklichkeit in Gattungen und Arten ihr Ende findet.159 Auch die Verwendung des Begriffs »Hypostase« (ὑπόστασις) für ein Einzelseiendes ist, gerade im Hinblick auf die spätere trinitarische Diskussion, begriffsgeschichtlich aufschlussreich.160 Während wir die offenbar intensiven Diskussionen über die ›Kategorien‹ anhand indirekter Mitteilungen der Handbücher und später Kommentatoren rekonstruieren müssen, ist uns Alexanders Tätigkeit auf anderen Gebieten der Logik, etwa zur Schlusslehre der ›Analytica priora‹ oder zur ›Topik‹, 154

  Vgl. oben S. 537..   Vgl. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 308–313, v. a. 309 f. 156   Vgl. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 355–376. 157   Vgl. Donini, Tre Studi, 48–55, 117–125; M. Rashed, Essentialisme. Alexandre d’Aphrodise entre logique, physique et cosmologie, Berlin 2007, 327 f. 158   Diese Diskussion ist in den letzten Jahren intensiv erforscht worden: Vgl. Chiaradonna, Autour d’Eudore, sowie Griffin, Aristotle’s ›Categories‹; Chiaradonna, Medioplatonismo e Aristotelismo, 427–430, 437. 159   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 15, 1; 7, 18, 1 (GCS Hipp. 3, p.  191, 20 f.; 192, 16–193, 22 Wendland). Vgl. dazu J. Mansfeld, Heresiography in Context. Hippolytus’ ›Elenchos‹ as a Source for Greek Philosophy, Leiden  /  New York  /  Köln 1992, 112–117. 160   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 17, 1 f. (GCS Hipp. 3, p.  192, 1–3 Wendland) 155

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durch seine Kommentare zu den entsprechenden Büchern bezeugt.161 Gegen Ende des 2. Jahrhunderts wird die aristotelische Logik bereits als Logik schlechthin angesehen, so wie zu Ciceros Zeit die der Stoiker.162 Schon die Einleitung von Aspasios’ ›Kommentar zur Nikomachischen Ethik‹ lässt klar erkennen, dass die ethische Perspektive der Aristoteliker dem Mittelplatonismus eng verwandt ist.163 Der stoische Einfluss auf ethische Problemstellungen zeigt sich eindrucksvoll in der Diskussion um die menschliche Handlungsfreiheit, welche die Aristoteliker wie die Platoniker gegen die stoische Deutung des Fatums verteidigen; hierzu ist uns eine Monographie des Alexander von Aphrodisias erhalten, welche einen Bereich des Wirkens menschlicher Handlungen innerhalb der von Natur und Fatum geprägten Wirklichkeit enthält.164 Alexanders Auslegung von Aristoteles’ ›De anima‹, die den Körper als Mischung aus den Elementen versteht, zeigt sein Bemühen, den Text entsprechend naturwissenschaftlichen Annahmen zu lesen.165 Im gewissen Gegensatz dazu versucht seine Lehre vom Geist, die in zwei Varianten erhalten ist, unter Inkaufnahme beträchtlicher systeminterner Spannungen die Immaterialität und Allgemeinheit des Denkvermögens zu erweisen,166 während ein älterer peripatetischer Beitrag noch eine stoisierende materialistische Deutung zeigt.167 In einer ›Quaestio‹ sowie der nur arabisch erhaltenen Schrift ›Über die Ursachen des Universums‹ unterscheidet Alexander, den Mittelplatonikern strukturell nicht unähnlich, zwei höchste Prinzipien, einen ganz unkörperlichen Geist und einen Geist, der das Körperliche berührt.168 Hier findet sich die Lehre, dass die bereits im pseudo-aristotelischen ›Über die Welt‹ (›De 161

  Vgl. dazu zusammenfassend Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 391–393.   Irenaeus, Adversus Haereses 2, 14, 5 f. (SC 294, p.  138, 95–102 Rousseau  /  Doutreleau). Vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 51 f. 163   Aspasius, In Ethica Nicomachea, prooem. (CAG 19, 1, p.  1, 2–2, 13 Heylbut). Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 244–247. 164   Zu Alexander von Aphrodisias’ ›De fato‹ vgl. z. B. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 404 f. 165   Alexander Aphrodisiensis, De anima (CAG Supl. 2, 1, p.  2, 10–11, 13 Bruns). Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 355 f. 166   Alexander Aphrodisiensis, De anima (CAG Supl. 2, 1, p.  80, 16–91, 6 Bruns); Griechisch – Deutsch in H. Busche  /  M. Perkams (Hrsg.), Antike Interpretationen zur aristotelischen Lehre vom Geist. Texte von Theophrast, Alexander von Aphrodisias, Themistios, Johannes Philoponos, Priskian (bzw. ›Simplikios‹) und Stephanos (›Philoponos‹). Griechisch / Lateinisch – Deutsch, Hamburg 2018, 150–187; Alexander Aphrodisiensis (?), De intellectu = De anima libri mantissa (CAG Suppl. 2, 1, p.  106, 19–113, 24 Bruns); Griechisch – Deutsch in Busche  /  Perkams (Hrsg.), Antike Interpretationen, 208–235; vgl. Moraux, Aristotelismus, 373–383, 386–394. 167   Referiert in Alexander Aphrodisiensis (?), De intellectu = De anima libri mantissa (CAG Suppl. 2, 1, p.  112, 5–113, 12 Bruns); Griechisch – Deutsch in Busche  /  Perkams (Hrsg.), Antike Interpretationen, 228–233; vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 416–419; Perkams, Einleitung, 35 f.; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 381–385. 168   Alexander Aphrodisiensis, Quaestio 1, 25 (CAG Suppl. 2, 2, p.  40, 8–10 Bruns); Alexander Aphrodisiensis, De principiis universi 25–29 (p.  56 [arab.]  /  57 [engl.] Genequand). 162

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mundo‹) erwähnten sieben bzw. acht Sphären der ewigen Körper der Fixsternsphäre und der sieben »Planeten« (inklusive Sonne und Mond) mit einer Seele verbunden und auf ewige Weise danach streben, der unkörperlichen Erstursache ähnlich zu werden; hierbei übt die unterste Mondsphäre allein einen Einfluss auf die Welt aus.169 Diese Konzeption wird, nachdem sie in der Antike dem neuplatonischen Hypostasenschema weicht, in der arabischen und lateinischen Philosophie des Mittelalters zur Blaupause einer dezidiert aristotelischen Prinzipienlehre.

Begriff und Einteilung der Philosophie Philosophiebegriff Bei den Aristotelikern sind, ähnlich wie bei den Mittelplatonikern, verschiedene Begriffe und Einteilungen der Philosophie zu finden, die von dem recht frühen Aristokles in einem einschlägigen Werk nach dem Vorbild von Aristoteles’ ›Über die Philosophie‹170 historisch dargestellt werden. Aristokles selbst übernimmt die Formel »Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge«171 als Definition der Philosophie und nähert sie so der Weisheit (σοφία) an. Von diesem Begriff unterscheidet er, wiederum vielleicht in Anlehnung an das aristotelische Vorbild,172 fünf Bedeutungen: Neben die Weisheit als Kompetenz 1. in der Erhaltung des Lebensnotwendigen, 2. in den Fertigkeiten (τέχναι), 3. in der Politik, 4. in der Natur und ihrer Betrachtung tritt bei ihm die Erkenntnis »des Göttlichen, Überkosmischen und Unveränderlichen« als Weisheit im strengsten Sinne (κυριωτάτη σοφία).173 Dieses theoretische Ideal tritt später noch mehr in den Mittelpunkt, wobei Einflüsse des Platonismus zu erkennen sind.174 So bezieht Aspasios die Weisheit auf das »Ehrwürdigste und Göttlichste« (τὰ τιμιώτατα καὶ θειώτατα), das zugleich den Gegenstand der »Ersten« oder »theoretischen Philosophie« bildet.175 Seine Unterscheidung des theoretischen und praktischen Glücks in der aristotelischen Philosophie in der Weise, dass die Ethik zwar als notwendig, die Theorie aber als 169

  Ps.-Aristoteles, De mundo 2, 391b–392b (ohne ausdrückliche Verbindung mit der Intellektlehre); Alexander Aphrodisiensis, Quaestio 1, 25 (CAG Suppl. 2, 2, p.  40, 14–41, 19); Alexander Aphrodisiensis, De principiis universi 94 (p.  92 [arab,]  /  93 [engl.] Genequand). Vgl. zu den vorausgesetzten Planetenmodellen Reale  /  Bos, Il trattato ›Sul cosmo‹, 125–128. 170   Vgl. dazu oben S. 295  f. 171   Aristocles, frg.  1 (Chiesara) = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3, 6 (GCS Eus. 8, 2, p.  9, 1 Mras). 172   So jedenfalls E. Berti, La filosofia del primo Aristotele, Mailand 21997, 262–266. 173   Aristocles, Testimonia 3–5 (Chiesara); vgl. zur möglichen Abhängigkeit von Aristoteles’ ›De philosophia‹ oben S. 295. 174   M. Bonelli, Alessandro di Afrodisia e la metafisica come scienza dimostrativa, Neapel 2001. 175   Aspasius, In Ethica Nicomachea (CAG 19, 1, p.  1, 8–11 Heylbut); zur Abhängigkeit dieser Texte vom Mittelplatonismus Donini, Tre studi, 99–125.

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höherrangig eingestuft wird, bestimmt den insoweit platonisch eingefärbten Aristotelismus der folgenden Jahrhunderte.176 Auch Alexander von Aphrodisias sieht die Theorie (θεωρία) als höchstes Gut, durch das das »Ähnlichwerden mit Gott« (ὁμοίωσις θέῳ) aus Platons ›Theaitet‹ realisiert werde.177 Damit tritt im Aristotelismus an die Stelle von Kritolaos’ These einer Summe aller Güter178 wieder die Annahme einer einzigen Höchstform von Eudaimonie.

Einteilungen der Philosophie Ähnliche Entwicklungen wie beim Philosophiebegriff kann man im Hinblick auf die Einteilung der Philosophie feststellen, auf deren Entwicklung die Aristoteliker offenbar großen Einfluss ausüben: Zu Beginn der Kaiserzeit diskutieren Andronikos und Boethos die Frage, womit der philosophische Unterricht zu beginnen habe, noch vor dem Hintergrund der stoischen Einteilung der Philosophie in Physik, Logik und Ethik.179 In der Folgezeit ergeben sich jedoch ganz neue Entwicklungen: Bereits Nikolaos von Damaskus teilt die Philosophie, wohl Theophrast folgend, in Traktate über die Prinzipien (rēšē = ἀρχαί) und das daraus Abgeleitete (hanōn d-bāṯar rēšē = τὰ μετὰ τὰς ἀρχὰς) ein.180 Er benutzt aber auch, mit etwas unklarer Erläuterung, die aus Aristoteles bekannte Einteilung der theoretischen Philosophie in Physik, Mathematik und Theologie (teʾologiyā).181 Andere Aristoteliker des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. übernehmen ebenfalls Aristoteles’ Zweiteilung in theoretische und praktische Philosophie182 und schließen die Logik, die Aristoteles nicht als Philosophie bezeichnet und bereits Andronikos als deren ›Werkzeug‹ (Organon) einstuft, aus den Teilen der Philosophie aus.183 Alexander von Aphrodisias begründet dies damit, dass der beste Teil der Logik nur 176   Aspasius, In Ethica Nicomachea (CAG 19, 1, p.  23, 24–29 Heylbut); vgl. Alexander Aphrodisiensis, In Analytica priora (CAG 2, 1, p.  4, 3–6, 12 Wallies); Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  245, 35–246, 6); Moraux, Aristotelismus 2, 274 mit Anm.  169; Bonelli, Alessandro di Afrodisia, 210–224. Die langfristige Wirkung von Aspasios’ Konzeption wird demnächst von Aurelia Maruggi näher dargestellt werden. 177   Alexander Aphrodisiensis, In Analytica priora (CAG 2, 1 p.  5, 20–23, 12). 178   Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 7 (2, p.  46, 10–15 Wachsmuth); s. oben S. 373. 179   Ioannes Philoponus, In Categorias (CAG 13, 1, 5, 15–33 Busse). Vgl. auch Schneider, Nicolas de Damas, 677. 180   Nicolaus Damascenus, De philosophia, frg.  1, 1 (p.  61 Drossaart Lulofs). Vgl. Theophrastus, Metaphysica 3f. (6b 20–7a 3); Drossaart Lulofs, Nicolaus Damascenus, 98. 181   Nicolaus Damascenus, De philosophia, frg.  5; 18 (p.  63 f.; 75 Drossaart Lulofs). Vgl. Drossaart Lulofs, Nicolaus Damascenus, 107–110; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 312. 182   Aetius, Placita, 1 prooem. (274a, 1–5 Diels = 1, p.  131, 12–15 Mansfeld  /  Runia) 183   Ioannes Philoponus, In Categorias (CAG 13, 1, p.  5, 18–23 Busse); David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  117, 22–24 in Verbindung mit p.  118, 20–24 Busse); Moraux, Aristotelismus 1, 78 f.

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nützlich für ein höheres Ziel sei, aber nicht selbst auf Gegenstände gerichtet, die in sich wertvoll seien.184 Möglicherweise liegt diese Ansicht über die Logik bereits im Hintergrund der Tatsache, dass Nikolaos von Damaskus diese in seinem Kompendium nicht behandelt.185 Diese Schritte zur Veränderung des Curriculums werden schließlich dadurch komplettiert, dass die Aristoteliker, in der Nachfolge des Schulgründers, Physik und Metaphysik als zwei unterschiedliche Teile der Philosophie anerkennen. Damit wird aus den drei hellenistischen, grundsätzlich gleichrangigen Teilen Logik, Physik und Ethik die von Pierre Hadot intensiv besprochene spätantike hierarchische Trias aus Ethik, Physik, Metaphysik (bzw. Theologie bzw. erste Philosophie),186 die sich das erste Mal beim Aristoteliker Aspasios vollständig nachweisen lässt und offenbar auch von Alexander von Aphrodisias vertreten wird.187 Die Tatsache, dass auch die Aristoteliker diese Trias, die bei Aspasios erstmals belegt ist und sich aus aristotelischem Denken am besten erklären lässt, hierarchisch verstehen, sowie konkrete Formulierungen zeigen im Übrigen, wie auch in anderen Punkten, eine sachliche Nähe zum Platonismus.188 Bei den kaiserzeitlichen Aristotelikern finden sich auch differenziertere Einteilungen der Philosophie, die systematisch begründet werden: Wenn Alexander, wie oben angesprochen, Philosophie, Weisheit und die theoretische beziehungsweise erste Philosophie verbindet,189 sieht er keinen Widerspruch dazu, dass die Philosophie »ein Wissen über die Substanz« (ἐπίστημη περὶ τὴν οὐσίαν) ist.190 Aus beiden Grundgedanken heraus entfaltet er eine aufsteigende Ordnung (τάξις) von Philosophien, die alle auf die Weisheit beziehungsweise Betrachtung  /  Theorie (θεωρία) bezogen sind: An der allgemeinen Ersten Philosophie, die »im eigentlichen Sinne Weisheit« (κυρίως σοφία) ist, orientieren sich die spezielle Erste Philosophie, die Physik als zweite Philosophie sowie eine theoretische Betrachtung des Praktischen.191 Sie alle sind durch ihren Gegenstandsbereich unterschiedene 184  Alexander Aphrodisiensis, In Analytica priora (CAG 2, 1, p.  2, 3–4, 29 Wallies); ­Moraux, Aristotelismus 3, 29–33; vgl. im Übrigen unten S. 984  f. 185   Vgl. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 310. 186   Vgl. Hadot, Die Einteilung der Philosophie, 434–439. 187   Aspasius, In Ethica Nicomachea, prooem. (CAG 19, 1, p.  1, 1–11; 2, 5–13 Heylbut); vgl. die wohl auf Alexander zurückgehenden Ausführungen bei Averroes, In Physica, prooem. (f.  1r–2r. tomi quarti ed. Venetiis anno 1560 publicatae) und zu beiden Texten M. Perkams, Die Ursprünge des spätantiken philosophischen Curriculums im kaiserzeitlichen Aristotelismus, in: Elenchos 36 (2015), 149–163. 188   Hadot, Die Einteilung der Philosophie, 434–439, und Bonazzi, Il posto dell’etica, 25–33, sehen die Theorie insgesamt als platonisch an, diskutieren allerdings die aristotelischen Belege nicht eigens. 189   Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  246, 1 Hayduck); Bonelli, Alessandro di Afrodisia, 55–60. 190   Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  250, 27–29 Hayduck). 191   Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  245, 35–246, 13; p.  250, 27–32; p.  251, 34–38 Hayduck).

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Teile des einen Genus Philosophie, das intern, je nach Enge der Verbindung zum Weisheitsideal, hierarchisch strukturiert ist.192 Das Zeugnis des Boethius193 erlaubt im Übrigen die Vermutung, dass umfangreiche Einteilungen der Philosophie im neuplatonischen Stil, die uns bei Alexander nur in verstreuter Form vorliegen, schon von kaiserzeitlichen Aristotelikern zu größeren Gesamtdarstellungen zusammengefasst werden.

Logik als Methode der Philosophie Für die Stellung der Logik gilt es zu beachten, dass diese – von den Aristotelikern scheinbar durch Ausgrenzung aus der Philosophie abgewertete – Disziplin gerade bei ihnen zur philosophischen Methode schlechthin entwickelt wird, die Alexander als den Königsweg zur Wahrheitserkenntnis der Theorie (θεωρία) sieht.194 Ausgeführt wird dies durch die Anwendung des apodeiktischen Wissenschaftsbegriffs der ›Analytica posteriora‹ auf die Erste Philosophie. Diese bereits von Aspasios erwähnte und mit theoretischer Lehrbarkeit verbundene These195 wird von Alexander von Aphrodisias in seinem ›Metaphysik-Kommentar‹ am Text entwickelt. Im Anschluss an Aristoteles’ eigene Aussagen196 wird »die syllogistisch vorgehende Fähigkeit für das Wahre« (ἡ συλλογιστικὴ δύναμις τῶν ἀληθῶν), das heißt die Arbeit mit strikt deduktiv folgernden Schlüssen, als Merkmal der Philosophie herausgestellt. Dagegen richtet sich die Dialektik (bzw. Topik) versuchsweise auf die Wahrheit und leitet nur aus wahrscheinlichen Prämissen Folgerungen ab (πειραστικὴ περὶ τῶν ἀληθῶν καὶ τοῦ ἐνδόξου συλλογιστική). Die Sophistik schließlich, der es nur um den Schein geht, ist nur »eine scheinbare Weisheit, ohne wirklich eine solche zu sein« (φαινομένη τις σοφία, οὐκ οὖσα).197 Zum Verständnis dieser Aussagen ist zu beachten, dass nach dem Verständnis der Aristoteliker die Logik nicht selbst die Grundlagen der Erkenntnistheorie legt, sondern dass deren Axiome auch in der Metaphysik begründet werden, während die Logik für die Methodik der Ausarbeitung der Philosophie aus den selbstevidenten Axiomen heraus zuständig ist. Dies wird von Alexander von Aphrodisias theoretisch erklärt. Er unterscheidet innerhalb der Ersten Philosophie zwei theoretische Betrachtungsweisen: die definitorische (ὁριστική) und die eigentlich apodeiktische, die aus der definierend, d. h. durch Bestimmung der Ausgangsbegriffe gewonnenen Wesenserkenntnis die spezifischen Eigenschaften jeder Seins192

  Alexander Aphrodisiensis, in Metaphysica (CAG 1, p.  251, 17–23 Hayduck); In Analytica priora (CAG 2, 1, p.  3, 12–14, 7 Wallies). 193   Vgl. unten S. 1063–1067 zu den Quellen von Boethius’ Einteilung und Definition der Philosophie. 194   Alexander Aphrodisiensis, In Analytica priora (CAG 2, 1, p.  6, 8–12 Wallies). 195   Aspasius, In Ethica Nicomachea (CAG 19, 1, p.  37, 20–23 Heylbut). 196   Aristoteles, Metaphysica 4, 2, 1004b 17–25. 197   Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  260, 1–20 Hayduck).

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Philosophie in der Kaiserzeit

gattung ableitet.198 Auf diese Weise wird eine durchgehende deduktive Struktur für die Metaphysik und letztlich die gesamte Philosophie zum methodischen Ideal erhoben.

Verhältnis der Philosophie zu Politik, Wissenschaften und Religion Entsprechend dieser Fokussierung auf die theoretische Philosophie spielt die Politik im kaiserzeitlichen Aristotelismus eine geringere Rolle als bei Aristoteles. Ihre Notwendigkeit ergibt sich nicht aus dem göttlichen Ziel der Philosophie, sondern aus der Notwendigkeit, mit Ungerechtigkeiten durch die Tugenden der Klugheit und Gerechtigkeit umzugehen.199 Die politische Aktivität der Peripatetiker ist gleichwohl mit denen anderer Schulen vergleichbar. So gehört Nikolaos von Damaskus zum Umfeld des Herodes und später des Augustus, und unter den Lehrern Neros befindet sich neben Seneca ein Peripatetiker, Alexander von ­Aigai.200 Nikolaos’ Leben ist auch das deutlichste Zeugnis für eine Beschäftigung mit verschiedensten Wissensgebieten (Geographie, Geschichtsschreibung etc.) im kaiserzeitlichen Peripatos.201 Obwohl der Aristotelismus sich weniger mit einer Deutung der griechisch-römischen Religion befasst als Platoniker und Stoiker, ermöglichen seine Betonung der Göttlichkeit des Geistes (νοῦς) und seiner Betrachtung (θεωρία) mancherlei Bezüge zu monotheistischen und anderen Religionen, die freilich erst in Verbindung mit dem spätantiken Platonismus voll zur Geltung kommen.202 Für Diskussionen der göttlichen Allmacht ist Alexander von Aphrodisias’ antistoische, aber auch der Annahme, Wissen beziehe sich stets auf Allgemeines, verpflichtete These von Bedeutung, kontingente Ereignisse könnten auch von Gott nicht vorhergewusst werden, da dies ihrer kontingenten Natur widerspreche.203 Vielleicht kann Alexander gerade vor diesem Hintergrund von Kontingenz in der sinnlich wahrnehmbaren Welt der Fachwissenschaft der Astronomie, die die in sich edlen Himmelskörper betrachtet, einen in sich liegenden Wert abgewinnen, der sonst für die Philosophie eher untypisch ist.204

198

  Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  246, 19–21 Hayduck).   Aspasius, In Ethica Nicomachea (CAG 19, 1, p.  2, 1–5 Heylbut). 200   Moraux, Aristotelismus 2, 222–225; S.  Follet, Alexandros d’Aigai, in: DPhA 1 (1994), 124 f; Schneider, Nicolas de Damas, 670 f.; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 318– 321. 201   Vgl. überblicksartig Schneider, Nicolas de Damas, 671–673. 202   Vgl. unten S.  745  f. 203   Alexander Aphrodisiensis, De fato 30 (CAG 2, 2, p.  200, 16–29 Bruns); vgl. R. Sharples, Determinism, Responsibility, and Fate, in: Moraux, Aristotelismus 3, 513–592, hier 574 f. 204   Alexander Aphrodisiensis, In Analytica priora (CAG 2, 1, p.  3, 31–34, 1 Wallies). 199

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Würdigung Durch seine intensive Kommentierungsarbeit an den Texten des Schulgründers und die theoretische Aufarbeitung philosophischer Fragen auf hohem Niveau entwickelt der kaiserzeitliche Aristotelismus ein Modell eines in Form und Inhalt stark wissenschaftlichen Philosophierens, das eher formal als inhaltlich vom zeitgenössischen Platonismus getrennt ist. Durch Wiedergewinn und Aktualisierung der aristotelischen Wissenschaftstheorie wird das Philosophie-Ideal nicht nur methodisch begründet, sondern es wird auch in geeigneten Formen (Kommentar, Quaestio, Traktat) realisiert. Die sachliche Nähe zum Platonismus, die den Interessen der Kaiserzeit entsprechen dürfte, trägt auch dazu bei, dass dieses Modell in den folgenden, vom Platonismus dominierten Jahrhunderten weiter gepflegt wird, bevor die philosophischen Kulturen des Mittelalters sich wieder direkter dem aristotelischen Ideal zuwenden. Die platonische Prägung des Aristotelismus mit all ihren vom historischen Aristoteles her überraschenden Implikationen – wie der starken Rolle transzendenter, kausalursächlich wirkender Prinzipien oder der Unterordnung der Ethik unter die Metaphysik – geht ebenfalls zu bedeutenden Teilen auf den kaiserzeitlichen Aristotelismus zurück.

4. Eine römische Philosophenschule: Die Sextier Ein bemerkenswertes Faktum der Kaiserzeit ist die starke Verankerung der Philosophie in Rom bzw. der lateinischen Welt, welche sogar zur Gründung einer rein römischen philosophischen Richtung führt, den sogenannten Sextiern, die wohl um 40 v.  Chr. von Quintus Sextius gegründet und von seinem Sohn sowie weiteren Anhängern offenbar sogar eine Weile fortgeführt werden.205 Sextius, den Seneca als »philosophierend mit griechischen Worten und römischen Sitten« (Graecis verbis, Romanis moribus philosophantem) bezeichnet,206 steht inhaltlich wohl der stoischen Richtung nahe, fühlt sich ihr aber nicht zugehörig.207 Die Unterschiede zur Stoa scheinen darin zu liegen, dass sich Sextius offenbar technisch-philosophischen Disputationen verweigert und stattdessen durch seine Worte wie durch seine überzeugende Lebensführung die Erreichbarkeit des Ideals der Weisheit zeigt208 – das darin bestehe, Jupiter gleich zu werden, wenn auch 205   Seneca, Quaestiones naturales 32, 2; Claudianus Mamertus, De statu animarum 2, 8 (CSEL 11, p.  129, 9–12 Engelbrecht). Vgl. weiterhin G. Reydams-Schils, Die Sextier und Potamon, in: GGPh 5, 1 (2018), 137–139, hier 137 f. 206   Seneca, Epistulae 59, 7. 207   Seneca, Epistulae 64, 2. 208   Seneca, Epistulae 64, 3–5.

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für kürzere Zeit.209 Auch hält er die Seele für unkörperlich,210 was vielleicht im pythagoreischen Sinne mit der Information zu verbinden ist, dass er vor allem um seiner Gesundheit willen, aber auch aus ethischen Gründen vegetarisch lebt.211 So ergibt sich das Bild eines Philosophen, der sich ganz auf das Leben und die Lehre einer guten Lebensführung konzentriert, ohne sich theoretischen Disputen über die Grenzen des dem Menschen Möglichen hinzugeben.

5. Philosophische Lebensführung in allen Gesellschaftsschichten: Die stoische Richtung in der Kaiserzeit Allgemeines  /  Historischer Überblick Die stoische Schule steht in der Form der ›späten Stoa‹ in der Kaiserzeit in großer Blüte, wie nicht zuletzt das überlieferte Werk von Areios Didymos (1. Jhdt. v.  Chr.),212 Cornutus (1. Jhdt.), Seneca (ca. 4  v.  Chr.    /    1 n.  Chr. – 65 n.  Chr.),213 Musonius Rufus (2. Hälfte des 1. Jhdt.s),214 Epiktet (ca. 50–125/30)215 und Mark Aurel (121–180)216 bezeugt. Die Schriften der letzten vier Autoren bzw. die Berichte über den Unterricht des Musonius und Epiktet stellen die umfassendsten Anleitungen zu einem philosophischen Leben aus der Antike dar, verfügen aber auch über einen beträchtlichen systematisch-philosophischen und literarischen Wert. Ganz andere Akzente begegnen uns bei Cornutus, der nicht nur ein Lehrer des guten Lebens, sondern offenbar auch ein Experte in literarischen Fragen ist.217

209

  Seneca, Epistulae 73, 13–15.   Claudianus Mamertus, De statu animarum 2, 8 (CSEL 11, p.  129, 12–15 Engelbrecht). Vorsichtig gegenüber der Annahme einer pythagoreischen Inspiration Reydams-Schils, Die Sextier und Potamon, 138. 211   Seneca, Epistulae 108, 17 f. 212   Zur nicht ganz klaren Schulzugehörigkeit dieses Autors vgl. Moraux, Aristotelismus 1, 259; Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 302–304. 213   Überblicke: M. Armisen-Marchetti, Seneca (Lucius Annaeus -), in: DPhA 6 (2016), 177–201; G. Reydams-Schils, L. Annaeus Seneca, in: GGPh 5, 1 (2018), 143–157. 214   Überblicke: G. Reydams-Schils, Musonius Rufus, in: RAC 25 (2013), 345–357; Goulet-Cazé, Musonius Rufus; Reydams-Schils, C. Musonius Rufus und Lukios. 215   Überblicke: M. Spanneut, Epiktet, in: RAC 5 (1962), 599–681; P. P. Fuentes González, Épictète, in: DPhA 3 (2000), 106–151; G. Reydams-Schils, Epiktet, in: GGPh 5, 1 (2018), 163–169. 216   Überblicke: I. Hadot  /  R. Goulet, Marcus Annius Verus (Marc Aurèle), in: DPhA 4 (2005), 269–281; Ch. Hornung, Marcus Aurelius, in: RAC 24 (2012), 89–99; G. ReydamsSchils, Marcus Aurelius, in: GGPh 5, 1 (2018), 170–174. 217   Vgl. zu seiner Person P. P. Fuentes González, Cornutus, in: DPhA 2 (1994), 460–473; F. Berdozzo, Einführung in die Schrift, in: H.-G. Nesselrath (Hrsg.), Cornutus, ›Die griechi210

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Dass es in der kaiserzeitlichen Philosophie auch eine Chrysipp-Auslegung gibt, bezeugt uns Epiktet indirekt,218 aber mit deutlicher Zurückhaltung. Die besondere politische Stellung der Stoiker, von denen einige Römer sind, zeigt sich an ihrem Einfluss auf die Kaiser selbst und die sie umgebende Oberschicht, die durch die gesamte Kaiserzeit hindurch fassbar ist: Areios Didymos ist ein Freund des Augustus, sein Nachfolger wird der Stoiker Theon aus Alexan­ dria,219 Seneca ist der Erzieher Neros, Euphrates der Philosoph im Umfeld Ha­ drians,220 und Kaiser Mark Aurel versteht sich selbst als Stoiker. Für Cornutus ist eine wichtige Rolle im Umfeld des neronischen Hofes als Lehrer der Literaten Lukan und Persius bezeugt, die mit Chairemon, Musonius und Seneca zum Kreis der sogenannten stoischen Senatsopposition gehören.221 Obwohl auch Philosophen anderer Richtungen in Verbindung mit Herrschern stehen – z. B. der Aristoteliker Alexander von Aigai –, scheinen die Stoiker doch schon fast traditionell eine herausragende Stellung einzunehmen. Schon die Daten der oben genannten Autoren und Repräsentanten zeigen, dass die stoische Schule die gesamte Kaiserzeit hindurch aktiv bleibt, doch lässt sich ihr Einfluss auf die Kaiser nur bis Mark Aurel klar fassen. Das Ende der Schule als solcher folgt dann bald und tritt etwa gleichzeitig mit dem des Aristotelismus ein, ohne dass wir es im Detail nachvollziehen könnten: In Longins Katalog philosophisch aktiver Autoren zu Beginn des 3. Jahrhunderts werden noch einige Stoiker erwähnt,222 zu denen der »Stoiker und Platoniker Tryphon« in Porphyrios’ ›Leben Plotins‹ hinzukommt.223 Die letztere Bezeichnung deutet an, dass auch die Stoa zunehmend in den Platonismus integriert wird, ohne dass dieser Prozess für uns im Einzelnen nachvollziehbar wäre.

Philosophische Entwicklungen in der jüngeren Stoa Obwohl die kaiserzeitlichen Stoiker grundsätzlich am altstoischen System festhalten, arbeiten sie intensiv auf dessen verschiedenen Gebieten und entwickeln dabei die alten Lösungen in fruchtbarer Weise weiter.

schen Götter‹. Ein Überblick über Namen, Bilder und Deutungen, Tübingen 2009, 3–28; G. Reydams-Schils, Cornutus, in: GGPh 5, 1 (2018), 141–143. 218   Epictetus, Dissertatio 1, 17, 13 (64, 3 f. Schenkl). 219   Vgl. Kupreeva, Kaiserzeitlicher Aristotelismus, 302. 220   Zu Euphrates S.  Plinius, Epistula 1, 10; Dio Cassius, Historiae 69, 8, 3 (3, p.  229, 13–15 Boissevain). Weiteres bei P. Robiano, Euphratès (Mestrius), in: DPhA 3 (2000), 337–342. 221   Zu Belegen vgl. oben S. 535  f. 222   Cassius Longinus frg.  4, 33–36 (Patillon  /  Brisson). 223   Porphyrius, Vita Plotini 17, 2 f. (1, p.  20 Henry  /  Schwyzer2).

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Philosophische Theorien Inhaltliche Thesen müssen allerdings aufgrund ihrer didaktischen, nicht auf die Inhalte bezogenen Textformen durch eine genaue Analyse des Gesamttexts aufgefunden werden.224 Hierbei lassen sich, wie schon in der mittleren Stoa, auch Unterschiede zwischen den einzelnen Autoren feststellen, die aber nicht auf ein Verlassen des stoischen Systems hinauslaufen.225 Im Detail werden Feststellungen zum historischen Ablauf zudem durch die schwache Überlieferung der alt- und mittelstoischen Systementwürfe erschwert. Hier mögen einige Beispiele genügen: Am bekanntesten ist wohl Epiktets Theorie der »Wahlentscheidung« (προαίρεσις), die als wichtige Weiterführung des altstoischen Konzepts der Zustimmung angesehen wird und mindestens einen wichtigen Schritt zur Entfaltung eines Willensbegriffs darstellt.226 Auch über die Bedeutung von Senecas Begriff des Wollens (voluntas) wird in dieser Hinsicht diskutiert.227 Diese Überlegungen stehen auch im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit Seneca und Mark Aurel platonische Dualismen – von Seele und Körper oder von Vernunft und Emotionalität – übernehmen, die der Stoa fernstünden. Hier scheint man aber zwischen flexibler Sprachverwendung und durchweg stoischer Anthropologie differenzieren zu müssen.228 Dagegen scheinen die kaiserzeitlichen Stoiker zwischen dem alles vorausplanenden Schicksal und den Einzelursachen, durch die dieses in der Welt verwirklicht wird, stärker zu differenzieren als ihre Vorgänger.229 Ein weiteres interessantes Beispiel ist die sogenannte ›Kulturgeschichte‹ des Seneca in seinem Brief 90: Hier arbeitet er sich an einer Vorlage des Poseidonios ab, die er immer wieder kritisiert, insbesondere in dem Punkt, dass Erfindungen keine spezifischen Leistungen von Weisen, sondern von Menschen im Allgemeinen seien, wofür Seneca jüngere Erfindungen als Beispiel anführt.230 Vor allem 224   Vgl. A. A. Long, Epictetus. A Stoic and Socratic Guide to Life, Oxford 2002, 3 f.; van Ackeren, Die Philosophie Mark Aurels 2, 353–361. 225   Vgl. Wildberger, Seneca und die Stoa 1, XIII–XVI; van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, 355 f. 226   Wichtige Belegstellen sind z. B. Epictetus, Dissertatio 1, 8, 13–16 (39, 7–20 Schenkl); zur Deutung vgl. van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels, 2, 698–713; zum Willensbegriff bei Epiktet vgl. R. Hofmeister Pich, Προαίρεσις und Freiheit bei Epiktet. Ein Beitrag zur philosophischen Geschichte des Willensbegriffs, in: J. Müller  /  R. Hofmeister Pich (Hrsg.), Wille und Handlung in der Philosophie der Kaiserzeit und Spätantike, Berlin  /  New York 2010, 95–127; M. Frede, A Free Will. Origins of the Notions in Ancient Thought, Berkeley  /  Los Angeles  /  London 2011, 66–88. 227   Eine wichtige Stelle ist z. B. Seneca, Epistulae 65, 17. 228   Vgl. B. Inwood, Reading Seneca. Stoic Philosophy at Rome, Oxford 2005, 23–64; van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, 474–505. 229   Vgl. Seneca, Quaestiones naturales 2, 45 f.; Marcus Aurelius, Ad se ipsum 5, 8; 8, 27; Long, Epictetus, 147–152; van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, 412–420. 230   Seneca, Epistulae 90, 24 f.

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bringt er gegen Poseidonios jedoch die klassische stoische Position vor, die Weisheit in erster Linie als Lehrerin der Seele (magistra animae) anzusehen.231 Hierauf baut auch der Schlussteil des Briefes auf,232 der möglicherweise Poseidonios aus einer Perspektive antwortet, die eher von der alten Stoa inspiriert ist. Eine interessante Begrifflichkeit, die sich bei Seneca erstmals findet, betrifft die »freie Entscheidung« (liberum arbitrium), die bei ihm freilich ein gerechtes Urteil bedeutet.233

Begriff und Einteilung der Philosophie Philosophieverständnis Grundsätzlich fußt das Philosophieverständnis aller kaiserzeitlichen Stoiker auf der Überzeugung, ein Mensch könne über bloße Meinungen hinaus zu sicherem Wissen gelangen, wodurch er in seinem Inneren frei werde und so allen außerhalb der eigenen Macht stehenden Einflüssen enthoben seine Entscheidungen treffen könne. Besonders eindeutig wird dies bei Epiktet immer wieder betont,234 während Seneca auch über Annäherungen an das Ideal des Weisen nachdenkt und Mark Aurel, der literarischen Gattung entsprechend, seine eigenen Grenzen im Blick hält. Epiktet erörtert besonders häufig die altstoische Formel, die Philosophie sei eine »Fertigkeit in Bezug auf das Leben« (τέχνη περὶ τὸν βίον), für die er ca.  75 % der antiken griechischen Belege liefert.235 Er betont, dass die Lebensführung (βίος) des konkreten Menschen gleichsam die Materie (ὕλη) der philosophischen Lebensführung sei, die dem Menschen daher nicht äußerlich sei.236 Dies ist aber nicht didaktisch zu verstehen, denn die Theorie als der einfachere Teil werde von den Philosophen zuerst gelehrt und erst dann könne die wesentlich schwierigere Implementierung in die Lebensführung folgen.237 Zum Philosophiebegriff selbst hält Seneca, der ihn am ausführlichsten bespricht, an den im Lateinischen bis auf Cicero zurückgehenden Formeln der Philosophie als Bemühen um Weisheit (studium sapientiae)238 beziehungsweise Liebe

231

  Seneca, Epistulae 90, 26.   Deswegen wird er von I. G. Kidd, Posidonius II. The Commentary 2. Fragments 150– 293, Cambridge u. a. 1988, 970 f. Seneca zugewiesen. 233   Seneca, De clementia 2, 7, 3. 234   Epictetus, Dissertatio 2, 11, 13–25 (151, 8–153, 3 Schenkl); vgl. für weiteres Long, Epictetus, 97–104. 235   Vgl. Sellars, The Art of Living, 55–57. 236   Epictetus, Dissertatio 1, 15, 2 (59, 1–3 Schenkl). 237   Epictetus, Dissertatio 1, 26, 3 f. (90, 9–15 Schenkl). Vgl. J. Sellars, Stoicism, Berkeley u. a. 2008, 44–52, für Details der stoischen Ausbildung. 238   Seneca, Epistulae 88, 2. 232

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zur Weisheit (sapientiae amor et adfectatio)239 fest und definiert die Weisheit als das »Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge«, worunter auch deren Ursachen zu rechnen seien.240 Eine theoretische Konnotation hat auch Senecas Bezeichnung der Philosophie als »Mutter der Fertigkeiten« (parens artium) in einem naturphilosophischen Kontext.241 Epiktet bestimmt die »Leistung des Philosophierenden« (τὸ ἔργον τοῦ φιλοσφοῦντος) hingegen ganz praktisch als ein »Anpassen des eigenen Wollens an das Geschehende«, so dass nichts gegen unser Wollen geschehe oder nicht geschehe; dabei solle man aber die zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie gegeben seien, weiter pflegen.242 Das entscheidende Merkmal des Philosophen ist für Epiktet die Freiheit (ἐλευθερία), die letztlich darin besteht, Herr der Dinge zu sein, die von uns abhängig (ἐφ ἡμῖν) sind, und die anderen zu ignorieren. Ist man sich der Lehrsätze (δόγματα) hierüber bewusst, braucht man sich auch vor Notlagen bzw. Aporien nicht zu fürchten.243 Das gilt selbst in Bezug auf Argumente (λόγοι), die evtl. zu Zweifeln führen könnten, und in Bezug auf religiöse Vorhersagen.244 Diese Aussagen sind u. a. deswegen bedeutsam, weil sie vor einer Verwechslung der philosophischen ›Lebenskunst‹ bzw. dem in ihr enthaltenen Konzept der ›Übung‹ mit der Philosophie als solcher warnen, die eine stark rationale Konnotation hat.245 Bei Seneca wird an mehreren Stellen die überragende Bedeutung des philosophischen Lebens betont und insbesondere vor einem Auseinanderklaffen von Worten und Taten gewarnt.246 Für ihn und für Mark Aurel ist die (wie an einigen Platon-Stellen geradezu personifiziert beschriebene) Philosophie das einzige, was aus dem Fluss des Lebens bzw. – in platonischer Wendung – aus den Fesseln des Körpers retten kann.247 Zugleich bleibt sie ein unerreichbares Ideal: Mark Aurel sieht sich fern von ihr und will sich ihr doch immer wieder zuwenden.248Auch Musonius Rufus, der die Philosophie als »ein Wissen über das Leben« (ἐπιστήμη περὶ βίον) sowie als Einübung in die Kalokagathie249 definiert, sieht hierin keinen 239

  Seneca, Epistulae 89, 4.   Seneca, Epistulae 89, 5. 241   Seneca, Quaestiones naturales 2, 53, 3. 242   Epictetus, Dissertatio 2, 14, 7 f. (162, 1–11 Schenkl). 243   Epictetus, Dissertatio 3, 26, 33–26; 4, 1, v. a. 170–177 (351, 19–352, 10; 355, 3–389, 6 Schenkl). 244   Beide Themen werden in Epictetus, Dissertatio 1, 17 (62, 16–66, 10 Schenkl) in engem Zusammenhang behandelt. 245   Vgl. M. Nussbaum, The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics, Princeton, New Jersey 1994, 5, 353 f.; Sellars, The Art of Living, 116–118. 246   Seneca, Epistulae 6, 6; 20, 2. Vgl. Sellars, The Art of Living, 30 f. 247   Seneca, Epistulae 16, 5; 53, 7 f.; 65, 16; Marcus Aurelis, Ad se ipsum, 2, 17. Zum platonischen Vorbild vgl. oben S. 232  f. 248   Marcus Aurelius, Ad se ipsum 5, 9; 8, 1 (Ferne von der Philosophie); 6, 12 249   Musonius Rufus, Dissertatio 3; 4 (10, 6 f.; 19, 13 f. Hense). Vgl. Reydams-Schils, C. Musonius Rufus und Lukios, 160. Zu weiteren originellen Punkten seines Philosophiekonzepts vgl. Reydams-Schils, Musonius Rufus, 347 f. 240

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Gegensatz zu lebenspraktischen Erwägungen: Auch Frauen seien zur Philosophie fähig und bedürften ihrer auch in der Erziehung.250 Er bestreitet, dass die Ehe ein Hindernis für die Philosophie sei,251 und empfiehlt auch die Landwirtschaft als Tätigkeit des Philosophen, sofern sie nicht von der Lehre abhalte.252 Das Ziel der Philosophie ist bei Seneca ein tugendhaftes Leben, in dem aufgrund dieses Wissens Gott beziehungsweise dem Schicksal gehorcht wird.253 Nur die Philosophie kann den Stoikern zufolge einen Menschen gut machen, indem sie sein Inneres verändert.254 Ihr Anfang ist daher die Anerkenntnis der eigenen Schwäche und die Gründe der menschlichen Streitigkeiten.255 Seneca spielt mit der Bezeichnung der Philosophie als Geschenk der Götter,256 betont aber – in einer seiner zahlreichen personifizierten Charakterisierungen der Philosophie –, sie solle im äußeren Habitus bescheiden und unauffällig bleiben.257 Er hebt hervor, dass die Fähigkeit zur Philosophie allen gegeben ist, das sie ausmachende Wissen aber erst erworben werden muss.258 Ähnlich betont Epiktet die Allwissenheit Gottes und fordert dazu auf, sich dem Göttlichen in Treue, Freiheit (ἐλευθερία), Wohltätigkeit und Großmut »anzugleichen« (ἐξομοιοῦσθαι), spielt also auf die platonische Rede vom »Ähnlichwerden mit Gott« ganz direkt an.259

Teile der Philosophie Auch die kaiserzeitlichen Stoiker akzeptieren die hellenistische Dreiteilung der Philosophie.260 Die Reihenfolge, in der die Teile präsentiert werden, ist ähnlich uneinheitlich wie bei den Mittelplatonikern, wobei die Voranstellung der Logik, die in der alten Stoa überwiegt, generell aufgegeben wird: Teils wird (wohl im An-

250

  Musonius Rufus, Dissertatio 4 (19, 6–8 Hense). Vgl. oben S. 531.   Musonius Rufus, Dissertatio 14 (70, 11–76, 17 Hense). 252   Musonius Rufus, Dissertatio 11 (57, 6–63, 6 Hense). 253   Seneca, Epistulae 16, 2–5. 254   Musonius Rufus, Dissertatio 8 (38, 13 f. Hense); Epictetus, Dissertatio 1, 15, 1–5 (58, 18–59, 21 Schenkl). 255   Epictetus, Dissertatio 2, 11, 1; 2, 11, 13; 2, 24, 15 (149, 11–13; 151, 8–14; 223, 5–10 Schenkl). Vgl. auch die Ausführungen Epiktets zur philosophischen Lehre oben S. 571. 256   Seneca, Epistulae 90, 1. 257   Seneca, Epistulae 5, 4 f.; 16, 3. Vgl. zu den Personifikationen der Philosophie bei Seneca P. Courcelle, Le personnage de la philosophie dans la littérature latine, in: Journal des Savants (1970), 209–252, hier 217–220. 258   Seneca, Epistulae 44, 2 f.; 90, 1. 259   Epictetus, Dissertatio 2, 14, 11–13 (163, 1–11 Schenkl). Der Herausgeber verweist auf eine Parallele bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 3, 78 (238, 3–17 Marcovich = 231, 839–232, 853 Dorandi), die dort interessanterweise im Platon-Referat steht. Vermutlich haben wir es mit einer doxographischen, stoisch stilisierten Platon-Rezeption zu tun. 260   Cornutus, Epidrome 14; 20 (15, 4 f.; 37, 15 Lang). 251

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schluss an die mittlere Stoa) als Ordnung Physik, Ethik, Logik angegeben,261 teils wird, wie schon bei dem von Areios Didymos zitierten Platoniker Eudoros,262 die Ethik vorangestellt.263 Platonischer Einfluss zeigt sich wohl auch bei Senecas Erläuterung der drei Disziplinen, wenn er die Physik in »Körperliches und Unkörperliches« (corporalia et incorporalia) aufteilt, sofern unter diesem Unkörper­ lichen nicht die Lekta zu verstehen sind.264 Zwar beschäftigen sich die überlieferten Werke der Stoiker weit überwiegend mit Ethik, und Seneca, Epiktet und Musonius Rufus betonen, dass Feinheiten der Logik für den ethischen Fortschritt nicht entscheidend und dass die Beschäftigung mit ihnen Zeitverschwendung sei.265 Jedoch verteidigt insbesondere Epiktet die Notwendigkeit der Logik ausführlich und lehrt auch auf diesem Gebiet.266 Für Cornutus ist eine Beschäftigung mit den aristotelischen ›Kategorien‹ bezeugt,267 die auch Platoniker und Aristoteliker der Zeit stark beschäftigen. Zur Physik sind mit Senecas ›Naturphilosophischen Problemen‹ (›Quaestiones naturales‹)268 und Cornutus’ ›Epidrome‹ komplette Monographien erhalten; auch bei Mark Aurel finden sich hierzu Ausführungen. Aufgrund der Tatsache, dass Epiktet sich gelegentlich kritisch zur Auseinandersetzung mit den Werken Chrysipps äußert,269 wurde erwogen, ob seine Geringschätzung solcher Schulpraktiken sogar den Niedergang der Stoa als eigene Schule fördert.270 Allerdings warnen die hierfür zitierten Äußerungen vor dem Horizont von Epiktets Annahme, dass die schwierigere Praxis auf die einfachere Theorie zu folgen habe, vor einer Überschätzung von Autoritäten und betonen, dass diese allein um der Naturerkenntnis willen zu befragen sind, lehnen aber solche Textstudien keineswegs generell ab.271

261

  Seneca, Epistulae 88, 24.   S. oben S.  548  f. 263   Seneca, Epistulae 89, 9; 89, 14. 264   Seneca, Epistulae 89, 16. 265   Seneca, Epistulae 88, 42–45; Musonius Rufus, Dissertatio 1 (1, 5–6, 3 Hense). 266   Epictetus, Dissertatio 1, 17, 1–29; 2, 25, 1–3 (62, 13–66, 10; 226, 7–15 Schenkl); Enchiridium 52 (p.  37* Schenkl). Vgl. J. Barnes, Logic and the Imperial Stoa, Leiden u. a. 1997. 267   Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 592–601; Berdozzo, Einführung, 15. 268   Zur Frage, wie sich diese Quaestionen zur Ethik verhalten, vgl. B. M. Gauly, Senecas ›Naturales Quaestiones‹. Naturphilosophie für die römische Kaiserzeit, München 2004, 269–273. 269   Epictetus, Dissertatio 1, 4, 14–17; 1, 17, 15–17 (19, 18–20, 8; 64, 9–65, 1 Schenkl). 270   Vgl. Sellars, Stoicism, 27–29. 271   Epictetus, Dissertatio 1, 17, 18–29 (65, 1–66, 10 Schenkl). 262

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

Philosophie und Fachwissenschaften In diesen Zusammenhang gehört die Beschränkung der Philosophie auf das, was zum guten Leben notwendig ist. Seneca macht sich in diesem Sinn Poseidonios’ Aussage zu eigen, dass die »freien Künste« (artes liberales) und handwerklichen Fertigkeiten keine Teile der Philosophie oder aus ihr hervorgegangen sind, selbst wenn sie für diese einen Nutzen haben,272 und wendet sich gegen eine zu breite Bildung, die er ebenso für überflüssig hält.273

Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik Das Verhältnis der kaiserzeitlichen Stoiker zur Politik, wie es sich aus ihren Schriften ablesen lässt, ist recht ambivalent und spiegelt die politische Relevanz ihrer Tätigkeit nur begrenzt wieder: Ein starkes politisches Interesse ist für Euphrates bezeugt, der bei Philostrat den Kaiser selbst auffordert, die römische Demokratie wiederherzustellen.274 Musonius Rufus betont – mit deutlich mehr Insistenz als seine Zeitgenossen – mit Platon die Notwendigkeit, dass auch Könige philosophieren, um tugendhaft zu werden.275 Mark Aurel, der sich laut antiken Quellen ebenfalls in dieser Tradition gesehen haben soll,276 sieht sich hingegen weit vom platonischen Idealstaat und von philosophisch-praktischer Tätigkeit entfernt.277 Seine Überlegungen zum Politischen sind tendenziell zurückhaltender als die Diskussion darüber in der alten Stoa.278 Insofern ist die Aussage einzuschränken, er sei ein typischer Philosophenkönig gewesen.279 Allerdings könnte sein hohes Amt zur Popu­larität der Philosophie in der Kaiserzeit und zur christlichen Adaption des Philosophie-Ideals beigetragen haben. Insbesondere der alte Seneca rät hingegen, im Gegensatz zu seiner früheren politischen Aktivität, gerne dazu, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen.280 Immerhin verfasst er aber mit ›Über die Milde‹ (›De clementia‹) eine Lehrschrift für den Herrscher und mit ›Über die Wohltaten‹ (›De beneficiis‹) eine Monographie zur sozialen Praxis des 272

  Seneca, Epistulae 88, 24–28; 90, 7–10.   Seneca, Epistulae 88, 36–41. 274   Philostratus, Apollonius 5, 33 (1, p.  192, 8–12 Kayser); vgl. Robiano, Euphratès, 338 f.; zu den politischen Inhalten von Philostrats ›Apollonios‹ vgl. auch K. Schlapbach, Biographie und Fürstenspiegel. Politische Paränese in Philostrats ›Vita Apollonii‹, in: M. Bonazzi  /  St. Schorn (Hrsg.), Bios Philosophos. Philosophy in Ancient Greek Biography, Turnhout 2016, 157–195. 275   Musonius Rufus, Dissertatio 8 (32, 4–40, 17 Hense); vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 183 f. 276   Historia Augusta Vita M. Aurelii 27, 7. 277   Marcus Aurelius, Ad se ipsum, 9, 29. 278   Vgl. van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, 512–550. 279   Vgl. Hornung, Marcus Aurelius, 92. 280   Z. B. Seneca, Epistulae 73, 1–4. 273

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Schenkens.281 Eine eigentlich politische Philosophie, wie sie am ehesten Dion von Prusa bietet, sucht man ansonsten bei den kaiserzeitlichen Stoikern weitgehend vergebens.282 Die Rhetorik wird von ihnen gelegentlich thematisiert, wobei sich verschiedene Tendenzen zeigen. Seneca sieht sie, wie schon die alte Stoa seit Kleanthes, als einen Teil der Logik an.283 Von Epiktet wird sie als Teil des Bemühens um äußeren Erfolg durchaus kritisch gesehen, ohne dass direkt von ihr abgeraten wird.284 Jedoch wird betont, dass eine philosophische Lebensweise von einer anderen Wertschätzung der Dinge ausgehen müsse als in der Rhetorik üblich.285 Rhetorische und literarische Techniken werden daher meist in einer Weise angewandt, die sich vor allem an der Möglichkeit orientiert, die philosophischen Inhalte zu vermitteln.286 Allerdings deuten die Berichte über Cornutus und sein Einfluss auf die Scholienliteratur auf eine wesentliche intensivere Auseinandersetzung mit der Literatur hin,287 welche im antiken Sinn der Grammatik oder Rhetorik zuzurechnen wäre.

Philosophie und Religion Die kaiserzeitliche Stoa behält die typisch stoische Religiosität bei, bei der Gott als das aktive Prinzip ganz in der Welt, »dem System aus den Menschen und Gott«, präsent ist.288 Folglich bleibt die Nachfolge Gottes bzw. des Zeus, der nach wie vor als Weltseele verstanden wird,289 auch das Ideal, wie sich an der Zitation von Kleanthes’ Schicksalsversen bei Epiktet290 und Seneca291 eindrucksvoll zeigt. Im Einzelnen weisen die zugrunde gelegten Gottesvorstellungen freilich beträchtliche Unterschiede auf: In Epiktets ausgeprägt monotheistischer Sichtweise bildet die Allgegenwart des Göttlichen die vom Menschen durch Philosophie zu erreichende Rationalität des Weltganzen; an einen transzendenten, unkörperlichen Gott denkt 281

  Vgl. zu diesen Werken zusammenfassend Armisen-Marchetti, Seneca, 193–197.   Vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 220–222. 283   Seneca, Epistulae 89, 17 284   Epictetus, Dissertatio 2, 16, 5; 2, 17, 5–7; 3, 1, 35 (170, 21–24; 178, 9–20; 237, 6–10 Schenkl). 285   Epictetus, Dissertatio 3, 9, 1–22 (259, 18–13 Schenkl); Marcus Aurelius, Ad se ipsum 1, 7, 3. 286   Vgl. M. van Ackeren, Die Philosophie Mark Aurels 1 (Berlin  /  Boston 2011), 289 und 327–349. 287   Vgl. hierzu Aulus Gellius, Noctes Atticae, 2, 6, 1; Macrobius, Saturnalia 5, 19, 2 f. (1, p.  325, 16–23 Willis); Dio Cassius, Historiae 62, 29, 2 f. (3, p.  67, 19–68, 7 Boissevain), sowie Berdozzo, Einführung, 15 f. 288   Epictetus, Dissertatio 1, 9, 4–6 (37, 9–19; Zitat 37, 12 Schenkl); vgl. Musonius Rufus, Dissertatio 9 (42, 1–10 Hense) 289   Cornutus, Epidrome 2 (3, 3–5 Lang). 290   Epictetus, Enchiridium 53 (p.  37* Schenkl). 291   Seneca, Epistulae 107, 11. 282

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er also nicht.292 Der Abstand des Menschen zur göttlichen Vorsehung ist für ihn aber groß genug, um den Philosophen Hymnengesang zu empfehlen.293 Dagegen tritt der Gottesbegriff bei anderen Stoikern zurück, so dass z. B. Mark Aurel allenfalls die Allgegenwart der Natur hervorhebt, ohne auf die zahlreichen religiösen Bezüge seines kaiserlichen Amtes auch nur einzugehen.294 Grundsätzlich sind die Stoiker allerdings durchaus der Meinung, dass ihre Philosophie der praktischen Religiosität der griechisch-römischen Welt entspricht. Die Unvereinbarkeit von deren Ansichten mit der traditionellen Religion ist für Epiktet sogar ein wichtiges Argument gegen Akademiker und Epikureer.295 Ein Zeugnis für das Fortleben der stoischen allegorischen Erklärung der heidnischen Götter stellt insbesondere die ›Epidrome‹ des Cornutus dar, welche die Namen und Bezeichnungen der einzelnen Götter des Pantheons durch allegorische Entsprechungen Naturphänomene, Tugenden oder philosophische Ansichten erklärt;296 so soll die Athene wegen ihres Scharfsinns »Eule« und in Analogie zu den drei Teilen der Philosophie »Tritogeneia« (dreifach Geborene) heißen.297 Bei Cornutus begegnet uns auch die womöglich altstoische298 Ansicht, die wahren Götternamen seien den Alten besser bekannt als uns, weswegen das Studium von Dichtern wie Homer zu empfehlen sei.299 Die Tendenz, möglichst viele religiöse und mythische Begriffe durch Analogien zu Elementen der stoischen Lehre zu deuten, spielt in den erhaltenen Textzeugnissen Epiktets hingegen eine geringe Rolle. Hier hat man eher den Eindruck einer tiefgehenden Umdeutung der Götterwelt: Epiktet erwähnt überhaupt nur Zeus, die übrigen Götter hingegen gar nicht.300 Gegenüber Phänomenen wie der Mantik fordert er ein selbstbewusstes Auftreten, insofern der Philosoph immer als ein Wissender zu den Göttern gehe, der nur über Dinge, die letztlich weder gut

292   Epictetus, Dissertatio 1, 14, 1–17 (56, 1–58, 17 Schenkl); vgl. zu (teils vermeintlichen) Berührungen mit Judentum, Christentum und Islam Long, Epictetus, 142–152, v. a. 145–147. 293   Epictetus, Dissertatio 1, 16, 15–21 (56, 1–58, 17 Schenkl). 294   Vgl. van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, 444–474; vgl. auch Long, Epictetus, 142 Anm.  1 zu Arrian. 295   Epictetus, Dissertatio 2, 20, 21–27 (198, 21–200, 11 Schenkl); vgl. Opsomer, In Search of the Truth, 232 f. 296   Die Tradition und historische Bedeutung des Werks wird verdeutlicht von Boys-Stones, Post-Hellenistic Philosophy, 49–59. 297   Cornutus, Epidrome, 20 (37, 11–17 Lang). Die Autorschaft dieser Schrift (zu literarischer Form und Gliederung Berdozzo, Einführung, 22–28), die nicht das Stilniveau zu erreichen scheint, das antike Autoren Cornutus zuschreiben, wird bezweifelt (Berdozzo, Einführung, 17–22), allerdings in Anbetracht der eindeutigen Zuweisung der Handschriften und der praktisch fehlenden Parallelüberlieferung auf wenig überzeugender Grundlage. 298   So jedenfalls T. Tieleman, Galen and Chrysippus on the Soul. Argument and Refutation in the ›De placitis‹ Books 2–3, Leiden u. a. 1996, 198 f. Vgl. oben S. 411. 299   Cornutus, Epidrome 35 (76, 2–10 Lang); vgl. Seneca, Epistulae 90, 44. 300   Vgl. Long, Epictetus, 143 f.

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noch schlecht sind, etwas Neues erfahren könne.301 Eine ähnliche Haltung schreibt Senecas Neffe Lukan Cato zu.302 Letztlich erklären sich diese unterschiedlichen Äußerungen aus einer Spannung zwischen Kritik und begrenzter Anerkennung des Religiösen bei den Stoikern.303 Hinweise auf ein enges Verhältnis der Stoiker zu Juden und Christen sowie eine Bewertung ihrer Religion gibt es im Allgemeinen nicht,304 diese werden allenfalls beiläufig als bekannte Zeiterscheinung erwähnt: Das christliche Martyrium sei deswegen nicht bewundernswert, so Epiktet, weil es nicht auf rationaler Bewertung basiere.305 Dezidiert antijüdisch wird Euphrates von Philostrat mit der Bemerkung zitiert, die Juden »hätten sich längst nicht nur von den Römern, sondern von allen Menschen abgesondert«, was Gelegenheit gibt, den Judenfeldzug des Kaisers zu loben.306

Würdigung Die kaiserzeitliche Stoa entfaltet durch ihre Lehrtätigkeit eine breite Wirkung in allen Gesellschaftsschichten und trägt so wesentlich zur starken Rolle des Philosophie-Ideals in ihrer Epoche bei. Hierfür ist sicherlich der lebenspraktische Zug, der sich vor allem in den Beschreibungen der Philosophie bei Epiktet und Musonius findet, wesentlich. Inhaltlich besteht auch weiterhin ein enger Austausch mit den Platonikern, doch geht es nun weniger um die erkenntnistheoretische Frage nach der Absicherbarkeit von Wahrheitsansprüchen, wie es noch in hellenistischer Zeit der Fall war. Eher lässt sich erkennen, dass die Stoiker daran arbeiten, ihr Verhältnis zu den platonischen Gottes- und Seelenvorstellungen sowie zum Freiheitsbegriff zu klären, ohne aber ihr Proprium eines mit der Natur bzw. dem Kosmos identischen Gottes und einer körperlich verfassten Seele aufzugeben. Die somit sichtbar werdende Verbindung zur Religion trägt dazu bei, dass die protreptischen Schriften der kaiserzeitlichen Stoiker auch das Schrifttum in der Spätantike beeinflussen können und somit erhalten bleiben. Da es den Stoikern gegen Ende des 2. Jahrhunderts offenbar nicht mehr gelingt, den von platonischen und christlichen Grundmodellen zunehmend dominierten Anforderungen der Zeitgenossen zu genügen, stellt die Kaiserzeit eher die Vollendung der stoischen Philosophie dar als einen neuen Anfang. 301

  Epictetus, Enchiridium 32, 1 f. (p.  24* Schenkl).   Lucanus, De bello civili 9, 564–586. 303   Vgl. K. Algra, Stoic Philosophical Theology and Graeco-Roman Religion, in: R. Salles (Hrsg.), God and Cosmos in Stoicism, Oxford 2009, 224–251. 304   Vgl. Hornung, Marcus Aurelius, 97; van Ackeren, Die Philosophie Marc Aurels 2, 449. 305   Epictetus, Dissertatio 4, 7, 6 (417, 18–418, 3 Schenkl); Marcus Aurelius, Ad se ipsum 11, 3. 306   Philostratus, Apollonius 5, 33 (1, p.  191, 20–22 Kayser). 302

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6. Das Fortleben der Epikureer Die Schule Epikurs besteht ohne Zweifel in der Kaiserzeit weiter, doch ist ihre geistige Vitalität nur schwer zu ermessen.307 In Ägypten sind mehrere kaiserzeitliche Papyri mit epikureischem Bezug gefunden worden.308 Einen Aufschwung scheint es im 2. Jahrhundert n. Chr. zu geben, als auch ein Lehrstuhl für Epikureismus in Athen eingerichtet wird. Die Widerlegung der epikureischen Naturphilosophie durch den Christen (und ab 248 Bischof) Dionysios von Alexandria lässt, obwohl sie wohl keine epikureischen Originalschriften heranzieht, für die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts noch die Präsenz von Epikureern in Alexandria vermuten.309 Kurz danach scheint die Richtung – etwa gleichzeitig mit Aristotelikern und Stoikern – zu erlöschen.310 Systematisch neue Überlegungen aus epikureischer Sicht gibt es offenbar kaum, obwohl einzelne Textzeugnisse die geistige Aktivität der Epikureer zeigen. Diogenes von Oinoanda, dessen Aktivität in die Kaiserzeit fallen könnte,311 lädt in seiner ethischen Epitome, die er in seiner Heimatstadt in Stein meißeln lässt, seine Mitbürger und Freunde zur Philosophie als der Suche nach dem Glück ein, wobei er dieses Ziel insbesondere vom Philosophieren um des politischem Ruhms willen abgrenzt.312 Im gleichen Sinne ist seine Hoffnung zu verstehen, seinen Leser von der Rhetorik ab und zur Philosophie hinzuwenden.313 Offensichtlich spiegelt sich in diesen Zitaten eine Hinwendung ins Private wider. Im Verhältnis zu den Religionen nutzt Diogenes’ Text eine scharfe Polemik gegen Juden und Ägypter als Zeichen für die Untätigkeit der Götter.314 Eine Stellungnahme zur philosophischen Religiosität aus dem kaiserzeitlichen Epikureismus liegt ferner in der Kritik des Fatums durch einen wahrscheinlich als Epikureer zu klassifizierenden Diogenianos vor, die Eusebios überliefert.315

307

  Überblicke bei W. Schmid, Epikur, in: RAC 5 (1962), 682–819, hier 767–774; M. Erler, Epikureismus in der Kaiserzeit. Überblick, in: GGPh 5, 1 (2018), 202–205. 308   Belege bei Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹, 107–111. 309   Vgl. Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹, 435–441. 310   Vgl. Fleischer, in: Dionysios von Alexandria, ›De natura‹, 142 f. 311   Vgl. B. Puech  /  R. Goulet, Diogène d’Oinoanda, in: DPhA 2 (1994), 803–806; M. Erler, Diogenes von Oinoanda, in: GGPh 5, 1 (2018), 207–211. 312   Diogenes de Oenoanda, frg.  29, I, 1 – III, 12 (p.  193–195 Smith). 313   Diogenes de Oenoanda, frg.  127, I, 1–10 (p.  316 Smith). Zum Sinn solcher Abgrenzungen im epkureischen Kontext vgl. das oben S. 398 zur Volksreligiosität Gesagte. 314   Diogenes de Oenoanda, frg.  novum 126, III, 7 – IV, 2 (Anatolian Studies 48 [1998], p.  132 Smith). 315   Eusebius, Praeparatio evangelica 4, 3; 6, 8 (GCS Eus. 8, 1, p.  169, 24–172, 15; 321, 3–328, 4 Mras); vgl. T. Dorandi, Diogénianos, in: DPhA 2 (1994), 833 f; H. O. Schröder, Fatum (Heimarmene), in: RAC 7 (1969), 524–636, hier 550 f.

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7. Eine unabschließbare Suche: (Neu-)Pyrrhonische Skepsis Allgemeines  /  Historischer Überblick Aus dem Bruch des Ainesidemos von Aigai (2. Hälfte des 1. Jhdt.s v.  Chr.) mit der Neuen Akademie316 entwickelt sich die konsequenteste skeptische Schule der Antike. Die Ansichten dieser Philosophie, für die die Bezeichnungen »suchende« (ζητητική), »sich enthaltende« (ἐφεκτική), »aporetische« (ἀπορητική) und »pyr­ rhonische« (Πυρρώνειος) gebräuchlich sind,317 sind durch ausführliche Berichte über die Lehre des Ainesidemos und durch das umfangreiche Werk des Sextos Empirikos (2. Jhdt. n. Chr.)318 in ihren Grundlinien gut erschließbar.319 Die Grundstrategie des Ainesidemos besteht in der Bestreitung jegliches Unterschiedes zwischen wahr und falsch sowie aller weiterer Unterschiede, die irgendeine wahre Beschreibung oder Kategorisierung von Gegenständen ermöglichen. Im Sinne dieser »Gleichstärke« (ἰσοσθένεια) jeglicher Argumente, die durch zehn (bzw. fünf) Argumentationslinien (›Tropen‹) gezeigt werden soll,320 lehnen die Pyrrhoneer auch die Unterscheidbarkeit von seiend und nicht seiend sowie die neu-akademische Unterscheidung von plausibel (πιθανόν) und unplausibel321 insgesamt ab.322 Allerdings soll sich der Skeptiker nach seinen Lebensnotwendigkeiten und den gesellschaftlichen Gesetzen und Regeln richten können, ohne sie für wahr zu halten, »weil wir nicht völlig inaktiv sein können«.323 Auf diese Weise meinen auch die Skeptiker das Ziel der Seelenruhe (ἀταραξία) zu erreichen, indem sie eine Enthaltung (ἐποχή) von jeder Meinungsäußerung praktizieren und in der Alltagswelt nach den üblichen Regeln leben, ohne eine Meinung zu deren Richtigkeit zu haben. Durch diesen Zustand, der mit dem aristotelischen Begriff der Mäßigkeit der Affektionen (μεθριοπάθεια) erläutert wird, erreichen sie das philosophische 316   Zum kaum rekonstruierbaren Leben des Ainesidemos vgl. B. Pérez, Énésidème, in: DPhA 3 (2000), 90–99, hier 90–92. 317   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 7 (1, p.  6, 4–6 Mutschmann  /  Mau). 318   Überblick: E. Spinelli, Sextus Empiricus, in: DPhA 6, 2016, 265–300; dort 271–275 zur sehr unsicheren Datierung; R. Bett, Sextus Empiricus, in: GGPh 5, 1 (2018), 216–228, hier 216–226. 319   Überblicke bei: Long  /  Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, Cambridge 1987, 470– 473; A. A. Long, Skepsis  /  Skeptizismus I, in: HWbPhil 9 (1995), 946–948; R. Bett, Pyrrhoneische Skepsis, in: GGPh 5, 1 (2018), 214  f.; Bett, Sextus Empiricus, 226–228. 320   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 31–163 (1, p.  11, 24–41, 4 Mutsch­ mann  /  Mau); zur Forschungsgeschichte vgl. Spinelli, Sextus Empiricus, 297 f. 321   Vgl. dagegen die akademische Argumentation in utramque partem, oben S. 443  f. 322   Long  /  Sedley 71C 7 = Photius, Bibliotheca codicum 212 (3, p.  120, 6–10 Henry). 323   Ἐπεὶ μὴ δυνάμεθα ἀνενέργητοι παντάπασιν εἶναι. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 21–24 (1, p.  9, 22–10, 12, Zitat 10, 1 Mutschmann  /  Mau); Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 162–165 (2, p.  409, 13–28 Mutschmann); zur Problematik Long  /  Sedley 1, 471.

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Lebensziel gleichsam zufällig (τυχικῶς), also ohne es gezielt anzustreben, da es wie ein Schatten der Enthaltung folge.324 Sextos überliefert bzw. formuliert auch zahlreiche Einzelargumente gegen bestimmte philosophische Grundannahmen. Seine typische Vorgehensweise kann man an den Argumenten gegen Gott und gegen die Kausalität allgemein ablesen: Zunächst wird mit doxographischem Material die Uneinigkeit der philosophischen Begriffsbestimmung gezeigt, dann wird mit systematischen Distinktionen und Begriffsbestimmungen, z. B. des Verursachten (ἀποτέλεσμα), gezeigt, dass eine erfolgreiche Argumentation nicht möglich sei, weil auch die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen fehlten.325 Einige der von ihm dargestellten Argumente, z. B. diejenigen für die Unmöglichkeit von Selbsterkenntnis sowie von Erkenntnis überhaupt, beeinflussen die spätantike Entwicklung wesentlich.326 Im Einzelnen behandelt die Darstellung des Sextos Empirikos nicht nur alle ­anerkannten Teile der Philosophie, sondern auch weitere Wissensgebiete wie Geometrie, Grammatik und Rhetorik, weswegen man sein Werk eine »negative Enzyklopädie des Wissens« genannt hat.327

Philosophiebegriff Unter Philosophie versteht Sextos Empirikos in erster Linie systematische Ansichten, nicht aber die Lebensführung.328 Näherhin unterscheiden die Skeptiker zwischen sich selbst und den übrigen, »dogmatischen« Philosophien. Dabei grenzen sie sich sowohl von den eigentlichen Dogmatikern ab, die meinen, etwas herausgefunden zu haben, als auch von den (jüngeren) Akademikern, die meinen, nichts herausfinden zu können. Sie selbst zeichneten sich diesen gegenüber dadurch aus, stets zu suchen. Insgesamt gibt es demnach drei »Philosophien«.329 Faktisch behandeln die Pyrrhoneer alle Themen der »sogenannten Philosophie« (ἡ

324

  Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 25–29 (1, p.  10, 13–11, 13 Mutsch­ mann  /  Mau); Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 9, 107 f. (703, 3–16 Marcovich = 726, 624–727, 537 Dorandi); vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 37–39. 325   Vgl. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 3, 2–12 (1, p.  133, 17–136, 6 Mutsch­ m­ann  /  Mau: Gott); 13–29 (1, p.  136, 8–141, 4 Mutschmann  /  Mau: Kausalität). Vgl. Spinelli, Sextus Empiricus, 291 f. zum Forschungsstand. 326   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 284–287; 303–313 (2, p.  66, 5–25; p.  70, 29–72, 14 Mutschmann); vgl. zur Diskussion darüber z. B. M. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike. Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles’ ›De anima‹, Berlin  /  New York 2008, 306–311. 327   Vgl. H. Chantraine, Sextos 2, in: Der Kleine Pauly 5 (1975), 157 f. Tatsächlich handelt es sich um mehrere Werke: Vgl. Bett, Sextus Empiricus, 217 f. 328   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 8, 355 (2, p.  185, 14–186, 2 Mutschmann). 329   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 1–4 (1, p.  4, 1–17 Mutschmann  /  Mau).

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καλουμένη φιλοσοφία),330 vor allem der stoischen, d. h. die Logik, Physik und Ethik. Diese Teile werden daher z. B. als »der sogenannte physische Teil der Philosophie« bezeichnet (τὸ φυσικὸν καλούμενον μέρος τῆς φιλοσοφίας).331 Zum Zwecke der Argumentation wird die Uneinigkeit der Dogmatiker über die Teile der Philosophie breit ausgeführt, wobei Sextos Einteilungen der Philosophie mit allgemeinen Annahmen darüber vermischt, welche Teile der Philosophie effektiv betrieben werden.332 Die epistemologische Skepsis der Pyrrhoneer selbst macht allerdings einen Beginn bei der Logik erforderlich.333 Kritisch äußert sich Sextos auch zur Idee der Philosophie als »Fertigkeit in Bezug auf das Leben« (τέχνη περὶ τὸν βίον), denn schon die vielen philosophischen Modelle einer guten Lebensführung schlössen aus, dass es ein überzeugendes gebe.334 Ferner folge aus der Unbegründetheit der stoischen theoretischen Ideen, dass die von ihnen vorgeschlagene Lebenskunst gegenstandslos sei;335 weiterhin seien die gerade von Chrysipp für sie aufgestellten Forderungen schlicht unrealistisch.336

Verhältnis der Philosophie zu Religion und Rhetorik Die Bedeutung der Götter für die dogmatische Philosophie begründet den Angriff der Skeptiker auf ihre Lehren zu diesem Thema.337 Schon die Vielgestaltigkeit der philosophischen Theologien lasse diese so zweifelhaft erscheinen, dass eine Widerlegung eigentlich überflüssig sei.338 Trotzdem widmet Sextos insbesondere der Frage, ob es Götter gibt, eine ausführliche Diskussion.339 Das Ziel der Argumentation ist nicht die Widerlegung der Theologen, sondern der Nachweis der Unentscheidbarkeit der Frage, weswegen auch das Ungenügende an der Re330

  Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 6; 2, 12 (1, p.  5, 25; 66, 9 f. Mutsch­ mann  /  Mau). 331   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 3, 167 f. (1, p.  179, 20 f. Mutsch­mann  / Mau); vgl. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 1 (2, p.  213, 20–30 Mutschmann). 332   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 1–23 (2, p.  3, 1–7, 8 Mutschmann); vgl. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 2, 13 (1, p.  67, 17–24 Mutschmann  /  Mau). 333   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 24–26 (2, p.  7, 9–28 Mutschmann). 334   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 173–180 (2, p.  411, 7–412, 17 Mutsch­ mann). Ausführlicher zur skeptischen Kritik an der Idee eines philosophischen Lebens Sellars, The Art of Living, 88–100. 335   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 3, 239–242 (1, p.  197, 10–198, 16 Mutsch­ mann  /  Mau); Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 11, 182–189 (2, p.  412, 16–414, 19 Mutschmann). 336   Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 3, 245–249 (1, p.  199, 3–200, 18 Mutsch­ mann  /  Mau). 337   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 13 (2, p.  215, 25–32 Mutschmann). 338   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 20 (2, p.  217, 6–12 Mutschmann). 339   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 49–194 (2, p.  224, 26–255, 10 Mutsch­ mann).

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

ligionskritik aufgewiesen wird, z. B. die Idee, die Götter seien von Gesetzgebern »erfunden« worden. Stattdessen wird das Faktum einer allgemeinen Vorannahme der Götter anerkannt,340 wobei impliziert ist, dass hiermit kein Wahrheitsanspruch verbunden wird. Sextos Empirikos, der die propädeutische Rolle von Gnomen und Poesie anerkennt,341 bestreitet zugleich, dass Überredung (πειθώ) ein Überzeugungsmittel wahrer Philosophie sei.342 In seiner Auseinandersetzung mit sämtlichen Wissensgebieten widmet er der Rhetorik ein ganzes Buch.343 Offenbar im Rückgriff auf verschiedene Quellen (Platon, Kritolaos, Stoiker) wird hierbei nachgewiesen, dass die Rhetorik keine Fertigkeit (τέχνη) sei und kein Ziel (τέλος) besitze.344

Würdigung Die pyrrhonische Ausarbeitung der Skepsis gehört zu den großen Ansätzen der antiken Philosophie. Insbesondere die Idee der Urteilsenthaltung als einer Form des Glücks ermöglicht es ihr, zu einer eigenen Lebensform zu werden. Bemerkenswert ist die Neubestimmung des Philosophiebegriffs, der mehrere Typen von Philosophie nach einer erkenntnistheoretischen Methodik unterscheidet; der Gegensatz von Dogmatismus und Skeptizismus charakterisiert die eigene Stellung in der philosophischen Landschaft der Zeit durchaus angemessen. Trotzdem scheint die Richtung, die sich, so wie andere Bewegungen der Zeit, am stoischen Paradigma abarbeitet, vielfach nur begrenzte Aufmerksamkeit zu finden (z. B. bei Epiktet, Galen, Clemens und Plotin); offenbar wird ihr ebenso radikaler wie letztlich indifferenter erkenntnistheoretischer Standpunkt nicht als ernsthafte Infragestellung der Entwicklungen anderer Schulen gesehen, während ihre Aufforderung, den Gesetzen der Länder entsprechend zu leben, den Stoikern im Ergebnis nicht ferne steht. Bestimmte Argumente der Skeptiker fördern die philosophische Weiterentwicklung hingegen beträchtlich, bieten aber auch Kritikern der Philosophie, auch aus religiöser Warte, einige Anknüpfungspunkte.

340

  Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 9, 33 (2, p.  220, 6–221, 16 Mutschmann).   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 1, 271 (3, p.  68, 1–8 Mau). 342   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 1, 280 f. (3, p.  71, 25–72, 1 Mau). 343   Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 2 (3, p.  83, 15–106, 30 Mau). 344   Z. B. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 2, 10–16 (3, p.  85, 23–86, 25 Mau). 341

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Philosophie in der Kaiserzeit

8. Philosophie für das Volk: Die Kyniker345 Allgemeines  /  Historischer Überblick In der Kaiserzeit ist der Kynismus nach wie vor eine lebendige und in den Städten zahlreich vertretene Bewegung,346 die sich dezidiert an die alten Kyniker anschließt.347 Die Kyniker prägen das öffentliche Bild des Philosophen wesentlich mit und lassen einige Züge besonders markant erkennen, die auch mit anderen Philosophen verbunden werden. An Barttracht, Mantel und dem typischen Rucksack leicht erkenn- (und auch von anderen Philosophen unterscheid-)bar,348 leben sie eine selbstgewählte Existenz als Außenseiter. Anders als andere Philosophen kommen sie vielfach aus den unteren Schichten349 und reisen häufig weit umher.350 Sie sind oft unbeliebt, weil sie ungewaschen umherziehen und betteln,351 vielleicht aber auch aufgrund einer Konkurrenzsituation zu den übrigen, der Oberschicht angehörigen und dem Ideal klassischer Paideia verbundenen Philosophen.352 Einige Quellen bezeugen andererseits den hohen Respekt, den zumindest ­einige Kyniker für ihre Lebensführung genießen, namentlich Lukians Demonax.353 Die kynische Lebensweise wird teils auch von Vertretern anderer Schulen adaptiert, so dass man zwischen der kynischen Richtung (αἵρεσις)354 und der provokativen Lebensweise (ἔνστασις) unterscheidet.355 Sogar im Kynismus selbst wird zwischen echten und »scheinbaren« Kynikern unterschieden, die sich nur den Anschein einer philosophischen Lebensführung geben und, wie ihre Kritiker monieren, den guten Namen der Philosophie in Verruf bringen.356

345

  Vgl. Goulet-Cazé, Kynismus, 637–641; M.-O. Goulet-Cazé, Le cynisme à l’époque impériale, in: ANRW 2, 36, 4 (1990), 2720–2833; A. Brancacci, Kyniker, in: GGPh 5, 1 (2018), 182–196. 346   Dio Chrysostomus, Oratio 32, 10; Lucianus, Fugitivi 16 (3, p.  212, 15–17 Macleod). 347   Ps.-Lucianus, Cynicus 14 (4, p.  143, 13–18 Macleod). 348   Ps.-Lucianus, Cynicus 1; 19 f. (4, p.  134, 1–7; 145, 20–146, 12 Macleod); ›Crates‹, Epistula 16; 23 (p.  92; 98 Müseler); Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 33–38; GouletCazé, Le cynisme à l’époque impériale, 2738–2746 349   Lucianus, Fugitivi 12; 17 (3, p.  210, 25–211, 9; 212, 23–213, 2 Macleod). 350   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme à l’époque impériale, 2733 f. 351   Vgl. Goulet-Cazé, Kynismus, 641; Goulet-Cazé, Le cynisme à l’époque impériale, 2746–2752. 352   Vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 111–113. 353   Lucianus, Demonax 62 (1, p.  56, 10–12 Macleod). 354   Vgl. auch ›Diogenes Sinopensis‹, Epistula 3 (p.  4 Müseler). 355   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 103 (442, 5–7 Marcovich = 472, 3 f. Dorandi); Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 18, 201a (2, 1, p.  170 Rochefort); Augustinus, De civitate dei 19, 1 (CCL 48, p. 659, 90–94 Dombart  /  Kalb). 356   Lucianus, Demonax 48 (1, p.  54, 17–21 Macleod); De morte Peregrini 18 (3, p.  194, 14–16 Macleod); Dio Chrysostomus, Oratio 32, 10; Goulet-Cazé, Kynismus, 682 f.

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

Die kaiserzeitlichen Kyniker äußern sich teils auch schriftlich, wobei die meisten Texte kurz sind und Werbezwecken dienen.357 Von besonderer Bedeutung ist die Chrie (χρεία), die prägnante Sentenz, deren ältere Vorbilder von zeitgenössischen Kynikern erneuert werden, wie das Beispiel von Lukians Demonax zeigt.358 Hingegen gibt es, ihren Grundsätzen entsprechend, keine theoretischen Traktate mit komplexer Theoriebildung. Anders als andere Richtungen scheinen die Kyniker am Übergang zur Spätantike keinen Niedergang zu erleben, da sie auch im 4. und 5. Jahrhundert bezeugt sind.

Philosophieverständnis Aussagen zur Deutung der kynischen beziehungsweise diogenianischen Philosophie (κυνικὴ  /  Διογένειος φιλοσοφία)359 findet man besonders in den wohl kaiserzeitlichen Kynikerbriefen:360 Die Kyniker sehen ihre Philosophie als »kurzen Weg« an, der allen anderen Philosophien überlegen sei, wenn er auch durch seine harten Anforderungen umso erschreckender auf die Mitmenschen wirke.361 Mit dieser Kürze dürfte die von Diogenes Laertios mitgeteilte Ablehnung der Logik und Physik und die Beschränkung der Philosophie auf Ethik gemeint sein,362 welche die Kyniker als Werk (ἔργον) der Vernunft (λόγος) gegenüberstellen.363 Nach Meinung der Kyniker ist dieser Weg dem Gesetz, dem alle aus Schlechtigkeit dienen, als Weg zum Guten bzw. zur Eudaimonie überlegen.364 Für den Kyniker ist also die Philosophie in der Tat genau die Lebenshaltung, die ihn auszeichnet, ohne dass damit ein ausgeprägter intellektueller Anspruch verbunden wäre. Die Möglichkeit, dass auch Frauen philosophieren, wird am Vorbild der Hipparchia in einer ganzen Reihe von Kynikerbriefen verdeutlicht.365

357   Zum Beispiel den unter Lukians Namen erhaltenen Dialog ›Der Kyniker‹ (Ps.-Lucianus, Cynicus [4, p.  134, 1–146, 12 Macleod]); weiteres bei Goulet-Cazé, Kynismus, 639. 358   Lucianus, Demonax 12–62 (1, p.  49, 14–56, 12 Macleod). Vgl. Brancacci, Kyniker, 187 f. 359   ›Crates‹, Epistula 16; 29 (p.  92; 104 Müseler). 360   Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme à l’époque impériale, 2723 mit Anm.  13; Brancacci, Kyniker, 194–196. 361   ›Diogenes Sinopensis‹, Epistula 3; 12 (p.  4; 16 Müseler); ›Crates‹, Epistula 6; 13 (84; 90 Müseler). 362   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 6, 103 (442, 7–9 Marcovich = 472, 4–6 Dorandi). 363   ›Crates‹, Epistula 20 (p.  96 Müseler). 364   ›Crates‹, Epistula 5; 29 (p.  84; 104 Müseler); vgl. Lucianus, Demonax 59 (1, p.  56, 3–6 Macleod). 365   ›Diogenes Sinopensis‹, Epistula 3 (p.  4 Müseler); ›Crates‹, Epistula 1; 29 f. (p.  83; 104 Müseler). Vgl. J. M. García González  /  P. P. Fuentes González, Hipparchie de Maronée, in: DPhA 3 (2000), 742–750, hier 745; Hartmann, Hipparchia, 240 f.

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Philosophie in der Kaiserzeit

Für die kaiserzeitliche Diskussion darüber, was Philosophie wirklich ist, zeugen Aussagen über den Kynismus als deren Grenzfall. In diesem Zusammenhang werden als Kriterien für Philosophie genannt: a) die Organisation als eine Gruppierung (αἵρεσις), die vom Lehrer an Schüler weitergegeben wird; b) das Streben nach einem allgemeinen Lebensziel (τέλος); c) die Pflege der allgemeinen Bildung bzw. des ›Zirkels der Lehren‹ (ἐγκύκλιος παιδεία), wobei die relative Wichtigkeit und Definition dieser Elemente umstritten ist.366 Demnach definiert sich die kynische Richtung im Einklang mit der hellenistischen philosophischen Praxis sowohl durch einen sozialen Zusammenhang, die philosophische Richtung bzw. die Schule, als auch durch eine Art Leitidee, das charakteristische Lebensziel,367 sowie durch einen Bildungsanspruch (der in dieser Formulierung platonisch wirkt), was dazu führt, dass das kynische Philosophieverständnis, wie eben dargestellt, einer eigenen Reflexion bedarf.

Verhältnis der Philosophie zu Politik und Religion Ihre befremdende Lebensweise bietet den Kynikern zugleich die Möglichkeit der »Freiheit und offenen Rede« (ἐλευθερία καὶ παρρησία),368 also der unter Umständen ironisch vorgetragenen Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen. Die hieraus resultierende Freimütigkeit führt – nicht immer aus eigentlich politischen Gründen – zu Auseinandersetzungen mit Herrschern und Mächtigen, insbesondere mit den Kaisern,369 aber auch zur Kritik gebildeter Autoren.370 Die Stellung der Kyniker zur Religion ihrer Zeit ist ambivalent: Während sie durchaus auch Zeichen ihrer Frömmigkeit geben und positiv über die Götter sprechen können,371 zögern sie nicht, auf die Absurdität mancher religiöser Bräuche, z. B. der Mantik, hinzuweisen.372 Das am besten fassbare Beispiel hierfür ist die Orakelkritik des Oinomaos von Gadara, die Eusebios als typisches Beispiel des kynischen Freimuts anführt.373 Lukian berichtet, Demonax sei verfolgt worden, da 366

  Vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme est-il une philosophie, 275–291.   Cicero, De finibus bonorum et malorum 5, 16–23; Metrodorus, apud: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 1, 61 (3, p.  17, 10–12 Mau). 368   Lucianus, Demonax 3 (1, p.  47, 3 Macleod); De morte Peregrini 18 (3, p.  194, 22 Macleod). 369   Suetonius, Nero 39, 5 f.; Dio Cassius, Historiae 65, 13, 1–3; 65, 15, 5 (3, p.  146, 15–148, 9; 3, p.  150, 3–8 Boissevain); Lucianus, Demonax 50 (1, p.  54, 26–28 Macleod). 370   Aelius Aristides, Oratio 3, 668 (2, p.  542–544 Trapp). 371   Ps.-Lucianus, Cynicus 7 (4, p.  140, 3–8 Macleod). 372   Lucianus, Demonax 34; 37 (1, p.  52, 29–32; 53, 8–12 Macleod). 373   Oenomaus, apud: Eusebius, Praeparatio evangelica 5, 21, 6; 6, 7, 23 f. (GCS Eus. 8, 1, p.  262, 2–4; 316, 19–317, 3 Mras); vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme à l’époque impériale, 2784 f.; 367

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Eine vielfältige Wahrheitssuche: ­Die Philosophenschulen

er gesagt habe: Athene bedürfe keiner Opfer von ihm; die Mysterienkulte würde er, so sie denn nützlich seien, allen verkünden.374 Die schriftlichen kynischen Quellen enthalten keine Hinweise auf Christentum und Judentum, doch wird in der zeitgenössischen paganen Literatur eine strukturelle Ähnlichkeit konstatiert.375 Auf gegenseitige kulturelle Kontakte könnte auch der Fall des Oinomaos hinweisen, der mit dem im Talmud mehrfach genannten Abnimos identisch zu sein scheint.376 Sie wird dadurch unterstrichen, dass nicht nur Eusebios, sondern schon Clemens die Orakelkritik des Oinomaos anscheinend benutzt.377 In der Lebensweise wird sogar von Überschneidungen zwischen Christen und Kynikern berichtet, die allerdings schwer zu bewerten sind, weil sie auf Zuschreibungen von Außenstehenden beruhen.378 Das bekannteste Zeugnis ist die Erzählung des Lukian über Peregrinus Proteus, der zuerst Christ und dann Kyniker, zeitweise sogar beides zugleich gewesen sein soll.379 Die Parallelität zwischen den Tod suchenden Christen und Kynikern liegt Lukian zufolge in ihrer Menge (οἱ πολλοί) und ihrer unphilosophischen, weil nicht von begründeter Überzeugung geleiteten (ἄνευ τινὸς ἀκριβοῦς πίστεως) Haltung.380

Würdigung Die kynische Bewegung nimmt in der Philosophie der Kaiserzeit durch ihre Konzentration auf die Lebenspraxis, ihr auffälliges Auftreten und das Erreichen breiter Schichten eine Sonderstellung ein, die aufgrund der Spärlichkeit schriftlicher Hinterlassenschaften leicht unterschätzt wird. Für die gesellschaftliche Wirkung des Konzepts der Philosophie spielt sie jedoch eine ebenso bedeutende Rolle wie für die Verbindung von Philosophie und freimütiger Rede. Aufgrund ihrer fehlenden inhaltlichen Festlegungen kann die kynische Lebensweise leicht in verschiedenen Kontexten adaptiert werden. J. Hammerstaedt, Die Orakelkritik des Kynikers Oinomaos, Frankfurt 1988, 274; Brancacci, Kyniker, 189–192. 374   Lucianus, Demonax 11 (1, p.  49, 1–7 Macleod). 375   Aelius Aristides, Oratio 3, 671 (2, p.  544 Trapp); dazu Goulet-Cazé, Le cynisme à l’époque impériale, 2788 f.; Goulet-Cazé, Kynismus, 677–680. 376   Vgl. Goulet-Cazé, Kynismus, 645 f. 377   Vgl. Hammerstaedt, Orakelkritik, 19–28. 378   Belege: Goulet-Cazé, Kynismus, 672–675. 379   Goulet-Cazé, Kynismus, 644 f. und 677–680; H.-G. Nesselrath, Lukian von Samosata, in: RAC 23 (2010), 676–702, hier 692 f. 380   Lucianus, De morte Peregrini 13 (3, p.  192, 11–29 Macleod); vgl. M. Baumbach  / D. Hansen, Die Karriere des Peregrinos Proteus, in: P. Pilhofer u. a., Lukian, ›Der Tod des Peregrinos‹. Ein Scharlatan auf dem Scheiterhaufen. Herausgegeben, übersetzt und mit Beiträgen versehen, Darmstadt 2005, 112–114.

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Philosophie in der Kaiserzeit

9. Zusammenfassende Würdigung Die philosophischen Richtungen in ihrer kaiserzeitlichen Ausprägung sind keine feststehenden Systeme, sondern entwickeln sich konstant weiter, so dass sowohl zwischen einzelnen Autoren als auch innerhalb der Richtungen beachtliche Unterschiede feststellbar sind. Deutlich ist auch bei Platonikern, Aristotelikern und Skeptikern, dass die stoische Philosophie zumindest zu Beginn der Epoche das wichtigste Referenzmodell liefert. Das Verständnis der Philosophie als Wissen um die göttlichen und menschlichen Dinge ist nach wie vor weit verbreitet, und das eher platonische Ähnlichwerden mit Gott prägt jedenfalls das Philosophieverständnis nur partiell. Die drei hellenistischen Teile der Philosophie werden zunächst allenfalls umgestellt, bevor der Ausschluss der Logik und die Aufwertung der Metaphysik – zwei primär aristotelische Elemente – dazu führen, dass sich das hierarchisch geordnete Dreierschema Ethik, Physik, Metaphysik, das gegebenenfalls im Sinne der aristotelischen Wissenseinteilung erweitert werden kann, bei Aristotelikern und Platonikern durchsetzt. Deren Einfluss wird zugleich auch bei den Stoikern immer stärker, wie sich an ihrer Beschäftigung mit der platonischen Gottes- und Seelenlehre sowie den aristotelischen ›Kategorien‹ zeigt. Die Rezeption von Material aus anderen Schulen geht so weit, dass sich die Schulzugehörigkeit eines Autors häufig kaum feststellen lässt. Das hat sicherlich auch mit dem Unbehagen an der Vielzahl philosophischer Erklärungen zu tun, die von den Skeptikern argumentativ ausgebeutet werden kann. Hiergegen reagieren Epi­ ktet und Numenios mit einer dezidierten Betonung der alleinigen Wahrheit der je eigenen Tradition, die gerade bei den Platonikern mit deren besonders hohem Alter begründet wird. Erkenntnistheoretische Fragen spielen keine so große Rolle mehr wie in der hellenistischen Epoche. In vielen Fällen wird das eigene Gedankengebäude vorausgesetzt, und die Werke des Schulgründers werden, vor allem bei Aristotelikern und Platonikern, zur Grundlage der Gedankenführung. Gerade die Pythagoreer erfinden zu diesem Zweck sogar vermeintlich alte Texte, z. B. die sogenannten ›Kategorien‹ des Archytas. Für die Platoniker spielt, noch mehr als für die Stoiker, die Bezugnahme auf Mythen eine große Rolle, weswegen sich die allegorische Methode hin zur strukturellen Deutung größerer Zusammenhänge (anstelle der stoischen Erklärung von Einzelnamen) verschiebt.

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IV. Begeisterung und Spott: Das Philosophie-Ideal ­außerhalb der Philosophenschulen

Das Kulturgut Philosophie wird in der Kaiserzeit nicht nur in den verschiedenen Richtungen gelehrt und ausgearbeitet, sondern auch in breiten Kreisen auf ganz unterschiedliche Weise rezipiert und diskutiert. Hierzu gehören einerseits Träger der Bildungskultur wie Vertreter der Fachwissenschaften – namentlich der Mathematiker Ptolemaios und der Arzt Galen – sowie die Vertreter der Zweiten Sophistik, die sich in erster Linie als Rhetoren sehen bzw. als solche auftreten. Andererseits begegnen uns Figuren mit einer gewissen Distanz zum Bildungsbetrieb wie der Satiriker Lukian oder die hermetischen Autoren, die griechisches Denken und ägyptische Weisheit zu einer Synthese vereinen, die sich als Offenbarung gibt. Mit ihnen zusammen genommen werden hier die Historiker und Doxographen der Philosophie, welche das Ideal über alle Schulen hinweg schildern. Die Bedeutung und die Problematik des kaiserzeitlichen Philosophie-Ideals sowie seine Aufnahme in Judentum und Christentum kann nur verständlich werden, wenn man diese Diskurse, die die kaiserzeitliche Gesellschaft stark prägen, mit im Auge behält.

1. Doxographie und Biographie: Die Philosophiegeschichtsschreibung der Kaiserzeit Die Vorgehensweise der Doxographie und ihre inhärenten Probleme Das Interesse der Kaiserzeit an der Philosophie zeigt sich in einer Fülle philosophischer Übersichtsdarstellungen, die sowohl historische als auch inhaltliche Informationen enthalten können. Einige solcher Darstellungen sind uns zumindest indirekt zugänglich; das Material ist grundsätzlich von Hermann Diels in seinen ›Doxographi Graeci‹ von 1879 aufgearbeitet worden, bietet aber im Detail zahlreiche Probleme.1 Die wichtigsten Doxographen, deren Darstellungen von Diels 1   Zur Verdeutlichung sei lediglich ein Vergleich der Seiten H. Diels, Doxographi Graeci. Collegit, recensuit prolegomenis indicibusque instruxit, Berlin 1879, 447 (Arius Didymus, Epitome) und 428 (a 16–25; b 1–10: Aetius, Placita 5, 18 [= 5, 3, p.  1915, 16–20 Mansfeld  /  Runia]) empfohlen: Im ersten Fall finden sich wörtliche Übereinstimmungen innerhalb von zwei insgesamt unterschiedlichen Exposés, im zweiten zwei identische Exposés mit geringfügigen Abweichungen, aus denen Mansfeld  /  Runia einen einheitlichen Text rekonstruiert haben.

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Philosophie in der Kaiserzeit

in wesentlichen Zügen rekonstruiert werden konnten, sind Areios Didymos2 und Aetios,3 deren Reste sich bei diversen spätantiken Autoren erhalten haben. Spuren weiterer philosophischer Handbücher sind an verschiedenen Orten erhalten, insbesondere aber in einem unter dem Namen ›Hippolyt‹ zirkulierenden Werk.4 Diese Werke präsentieren meist entweder mehr oder minder kurze Zusammenfassungen der gesamten Lehre der einzelnen Schulen, z. T. nach den Teilgebieten der Philosophie geordnet,5 oder Listen von Meinungen zu einzelnen Themen, die einander recht plakativ gegenübergestellt werden. Derartige Darstellungen werden von Skeptikern und Christen gerne benutzt, um die Uneinigkeit der Philosophen untereinander herauszustellen.6 Ein weiteres wichtiges Element der Philosophiegeschichtsschreibung sind Philosophenbiographien, die sich meist vor allem um die Darstellung der Persönlichkeit des Philosophen bemühen, die anhand eines Berichts einzelner Erzählungen aus seinem Leben erfolgt.7 An biographischen Daten werden häufig der Herkunftsort, die Eltern und der Lehrer genannt, während viele wichtige Informationen über die konkrete Arbeit fehlen.8 Einen typischen Zug solcher Darstellungen stellt der Wunsch dar, die Philosophen möglichst exakt in Lehrer-Schüler-Verhältnisse einzuordnen, aus denen sich lange Abhängigkeitslinien bilden lassen, die in der Forschung als ›Sukzessionen‹ bezeichnet werden. Der antike Terminus ist meist »Nachfolge« (διαδοχή), manchmal auch »Richtung« (αἵρεσις);9 doch heißen sie auch einfach ›Philosophien‹: Bei ›Hippolyt‹, der wohl einer doxographischen Quelle folgt, wird beispielsweise »eine andere Philosophie, […] welche sie die italische nannten« (ἑτέρα φιλοσοφία, […] ἣν  Ἰταλικὴν προσηγόρευσαν) genannt, die als zweiter Beginn

2

  Ediert bei Diels, Doxographi Graeci, 447–472. Vgl. D. E. Hahm, The Ethi­cal Doxography of Arius Didymus, in: ANRW 2, 36, 4 (1990), 2935–3055 und 3234–3243, hier 3034–3047. 3   Ἀετίου περὶ τῶν ἀρεσκόντων συναγωγή  /  Aetii De placitis compositio, in: Diels, Doxographi Graeci, 267–244. Vgl. jetzt die Neuausgabe von Aetius, Placita: Aëtiana 5. An Edition of the Reconstructed Text of the ›Placita‹ with a Commentary and a Collection of Related Text, Bd.  1–4, edited by J. Mansfeld  /  D. T. Runia, Leiden  /  Boston 2020. Dazu auch T. Dorandi, Aétios (Aétius), in: DPhA 1 (1994), 58 f. 4   Vgl. dazu vor allem Mansfeld, Heresiography in Context; zur Autorfrage unten S. 650. 5   So z. B. Areios Didymos; vgl. Hahm, The Ethical Doxography of Arius Didymus, 3033 f. 6   Vgl. oben S. 582 und unten S. 645. 7   Ein Beispiel für solche Biographien ist Lukians gleich zu besprechende ›Vita des Demonax‹. Die Zusammengehörigkeit von Biographie und Doxographie bei Ps.-Hippolyt wird vertreten von Mansfeld, Heresiography in Context, 1–19. 8   Zusammenstellungen kurzer doxographischer und biographischer Referate sind z. B. die knappen Darstellungen des Thales und Pythagoras bei ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 1 f. (GCS Hipp. 3, p.  4, 12–5, 18 Wendland). Dagegen geht Aetios thematisch vor und nennt keine biographischen Details; vgl. z. B. die wörtlich identischen Referate zu Thales’ Prinzipienlehre, die von Stobaios und Pseudo-Plutarch überliefert werden: Aetius, Placita 1, 3 (276a, 5–22; 276b 2–15 Diels = 5, 1, p.  200, 2–201, 11 Mansfeld  /  Runia). 9   Vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 20–16.

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Begeisterung und Spott: Das Philosophie-Ideal ­außerhalb der Philosophenschulen

der Philosophie neben dem Beginn mit Thales gilt.10 In anderen Quellen heißt diese die »ionische«, wie sich beim gleich zu besprechenden Diogenes Laertios zeigt. ›Hippolyt‹ zeigt im Übrigen, dass neben der Aufteilung der Philosophie in Sukzessionen auch eine thematische Anordnung nach Physik, Ethik und Dialektik möglich ist, wobei er beides wahrscheinlich verschiedenen Quellen verdankt.11 Diese Überlegungen können die Komplexität des erhaltenen Materials nur andeuten, das uns lediglich in Form einzelner Bruchstücke aus einer Tradition erhalten ist, die sich in stetigem Wandel befindet, indem jeder neue Bearbeiter eine oder mehrere Quellen nach seinen Bedürfnissen ineinander arbeitet und unter Umständen reformuliert. Entsprechend groß sind die Probleme methodischer Art, die dieses Material aufwirft. Für das Bild der Philosophie in der Kaiserzeit, das sich durch Vergegenwärtigung des Vergangenen entfaltet, stellen sie trotzdem eine unverzichtbare Quelle dar.

Diogenes Laertios: Eine antike Philosophiegeschichte in Biographie, Lehren und Aussagen Die einzige weitgehend erhaltene Geschichte der gesamten Philosophie bis zur Zeit des Autors aus der Antike sind die sogenannten »Lebensbeschreibungen der Philosophen« (›Vitae philosophorum‹) bzw. »Lebensbeschreibungen und Ansichten derjenigen, die sich in der Philosophie hervortaten« (βίοι καὶ γνῶμαι τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ εὐδοκιμησάντων)12 des Diogenes Laertios. Das Werk setzt Sextos Empirikos voraus, kennt Plotin aber offenbar noch nicht, so dass es wohl um 200 oder etwas später zu datieren ist. Bis heute gilt es als »Grundlagenwerk über die antike Philosophiegeschichte, und die Forschung stützt sich dauernd auf die Erklärungen und Urteile des Diogenes«.13 Diese Einordnung gilt freilich vorwiegend für die ältere, vorsokratische bis hellenistische, Philosophie. Allerdings ist Diogenes’ Behandlung der einzelnen Richtungen sehr unterschiedlich,14 und es ist davon auszugehen, dass das von ihm benutzte Material von ähnlicher Art und Qualität gewesen ist wie die eben besprochene doxographische Tradition. Für die Kaiserzeit 10

  ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 1 f. (GCS Hipp. 3, p.  4, 12 f.; 5, 1–4 Wendland).   ›Hippolytus‹, Refutatio 1, 5 (GCS Hipp. 3, p.  10, 4–12 Wendland). 12   So der Titel des in der Handschrift P (Parisinus Graecus 1759, 13. Jhdt) überlieferten Inhaltsverzeichnisses: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum (1, 1 f. Marcovich = 65, 1 f. Dorandi). 13   Vgl. zum Werk allgemein J. Mejer, Diogène Laërce, in: DPhA 2 (1994), 824–833, zur Datierung dort 831 f., zur Bedeutung 828 (Zitat); T. Dorandi, Diogenes Laertios, in: GGPh 5, 1 (2018), 461–471; ferner J. Mejer, Diogenes Laertius and his Hellenistic Background, Wiesbaden 1978, 1–59; St. Schorn, Studien zur hellenistischen Biographie und Historiographie, Berlin  /  Boston 2018, 339–364. 14   Übersichtsdarstellungen zu den wichtigeren Darstellungen des Diogenes Laertios finden sich in den Bänden ANRW 2, 36, 5 und 6 (beide 1992). 11

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selbst ist sein Werk hingegen von relativ geringer Bedeutung, denn es präsentiert nur die Lehre der Schulgründer, aber nicht die von deren Nachfolgern, die allenfalls biographisch gewürdigt werden. Lediglich für die pyrrhonischen Skeptiker ist das Werk eine ergiebige Quelle.15 Dieses geringe Interesse an der Philosophie der eigenen Zeit, das schon Eunapios für die Kaiserzeit beklagt,16 ist vermutlich auf das klassizistische Philosophie-Ideal der Zeit zurückzuführen.17 Für Diogenes’ eigenes Philosophieverständnis ist vor allem die Einleitung zu seinem Werk aufschlussreich, die freilich keine Definition von Philosophie enthält, dafür aber die Philosophie auf vielerlei Weise einteilt, wenn auch ohne nennenswerte systematische Begründung. Typisch für die antike Darstellung der Philosophiegeschichte ist die Einteilung in mehrere Sukzessionen, von denen Diogenes, anders als andere Quellen, nur zwei unterscheidet, nämlich eine ionische, die mit Thales und Anaximander beginnt und durch die sieben Weisen, Sokrates, Platon, Aristoteles und die Stoiker fortgeführt wird, und eine zweite, italische von Pythagoras über Heraklit, die Eleaten, die Atomisten und die Skeptiker bis zu den Epikureern. Demgegenüber trennen die meisten antiken Philosophiehistoriker von der italischen auch noch eine eleatische Sukzession ab.18 Anhand dieser Gliederung wird auch das Gesamtwerk eingeteilt: Die Bücher 1–7 enthalten die ionische, 8–11 die italische Sukzession.19 Diese aus heutiger Sicht enttäuschende, rein geographisch vorgehende Einteilung ermöglicht es in Diogenes’ Perspektive, die Philosophie in Form von Lehrer-Schüler-Verhältnissen als konstante Tradition zu beschreiben, betont also die Einheit des Gegenstandes. Wichtig ist für ihn das Konzept einer philosophischen »Richtung« (αἵρεσις), anhand dessen er Philosophen nach ihrer gemeinsamen »Lebensführung« (ἀγωγή) einteilen kann. Die Alternative, die Richtungen nach gemeinsamen Lehren zu definieren, schlösse hingegen die Skeptiker aus, weil sie so etwas nicht besäßen; trotzdem scheint Diogenes ihr meist zu folgen.20 Als weitere Einteilungen der Philosophie führt Diogenes z. B. diejenige in Physik, Ethik und Dialektik an, die er in ziemlich rätselhafter Weise mit einzelnen

15   Vgl. Mejer, Diogène Laërce, 828–830, wo auch Diogenes’ sehr unterschiedliche Behandlung der einzelnen Richtungen gewürdigt wird; Bett, Pyrrhoneische Skepsis, 215; Bett, Sextus Empiricus, 227. 16   Eunapius, Vitae sophistarum 2, 2 (2, 18–23 Giangrande). 17   Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 22 f. 18   Dies ist z. B. bei ›Hippolytus‹, Refutatio 1, prooem. 11–1, 1 f.; 1, 2, 1; 1, 10 f. (GCS Hipp. 3, p.  4, 6–9; p.  5, 1–4; p.  16, 1–12 Wendland) erkennbar, auch wenn die eleatische Sukzession als solche nicht genannt wird. Vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 30. 19   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 13 f.; 8, 1 (12, 8–23; 573, 2–5 Marcovich = 74, 137–75, 157; 601, 1–4 Dorandi). Vgl. Mejer, Diogène Laërce, 827, sowie, zur italischen und ionischen Sukzession, oben S. 162 Anm.  13. 20   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 20 (15, 13–18 Marcovich = 78, 218–222). Vgl. Mejer, Diogenes Laertius and the Transmission of Greek Philosophy, 3562.

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Autoren und Richtungen verbindet.21 Im Gefolge seiner teils skeptischen Quellen nennt er ferner die Einteilung der Philosophie in Dogmatiker und Skeptiker, kennt aber auch den Begriff Eklektiker, den er mit der Frage nach dem Wahrheitskriterium in Verbindung bringt, welches (ebenso wie bei Klaudios Ptolemaios) anhand mehrerer Aspekte erklärt wird.22 Diogenes kennt auch die Idee der Barbarenphilosophie,23 lehnt es aber gegen Sotion24 ab, in ihr den Ursprung der Philosophie zu verorten. Die Juden werden nur kurz und unspezifisch erwähnt.25 Wichtig ist für Diogenes die Todesart der Philosophen, wie sich in verstreuten Gedichten von seiner eigenen Hand zeigt, die eine Verbindung zwischen deren vermeintlich falscher Lehre und ihrem Schicksal herstellen.26 Schon diese kurzen Ausführungen zeigen, dass das Werk des Diogenes auf konzeptueller Ebene wenig ergiebig ist. Dies ist sicherlich auch der Schwierigkeit geschuldet, das umfangreiche Material zu sammeln und vernünftig anzuordnen.27 Jedoch bezeugt sein Werk, so viele Mängel es auch haben mag, den großen Respekt für die Philosophie in ihrer Vielfalt und für deren Verbindung mit dem griechischen Geist, der in der Kaiserzeit verbreitet ist.

2. Geographie als Philosophie: Strabons Blick auf die Philosophie Der Autor des wohl größten erhaltenen geographischen Werks der Antike, Strabon aus dem kleinasiatischen Amaseia, lernt u. a. bei den Peripatetikern Xenarch und Boethos, entscheidet sich aber selbst für eine Zugehörigkeit zur Stoa.28 Aus dieser Warte tadelt er sein Vorbild Eratosthenes dafür, nicht Zenon selbst gehört zu haben,29 und verleiht gelegentlich seiner persönlichen Überzeugung Ausdruck,30 die in einem Vertrauen auf die gute Weltordnung des Schicksals ohne

21   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 18 (14, 4–13 Marcovich = 76, 191–77, 200 Dorandi). 22   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 16; 1, 21 (13, 6–9; 15, 21–16, 8 Marcovich = 75, 168–170; 78, 225–234 Dorandi). 23   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 1 f.; 1, 6–9 (5, 1–6, 14; 8, 8–10, 10 Marcovich = 67, 1–68, 23; 70, 61–72, 105 Dorandi). 24   S. oben S. 485. 25   Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1, 9 (10, 5 f. Marcovich = 72, 100 Dorandi). 26   Zum Beispiel zu Bion von Borysthenes, der des Atheismus geziehen wird: Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 4, 55–57 (295, 22–297, 3 Marcovich = 335, 108–336, 127 Dorandi). Für Weiteres s. Mejer, Diogène Laërce, 832 f. 27   Vgl. hierzu Mejer, Diogène Laërce, 831. 28   Vgl. G. Aujac, in: Strabon, ›Géographie‹. Tome I. 1re partie. Introduction par G. Aujac  / F. Lasserre. Texte établi et traduit par G. Aujac, Paris 1969, XIIIf. und XX–XXIII. 29   Strabo, Geographia 1, 2, 2 (15, 2–23 Cobet). 30   Strabo, Geographia 2, 3, 8 (104, 1–5 Cobet), wo er sich bereits vom »Aristotelisieren-

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genaue Erforschung der kausalen Verhältnisse zu bestehen scheint.31 Eine konkrete wissenschaftstheoretische Überlegung zur Ordnung des Sinnlichen durch das Denken (διάνοια) klingt hingegen eher nach seinen aristotelischen Lehrern.32 Man darf daher Strabons Nähe zur Stoa eher als persönliche Überzeugung denn als gründliche Beschäftigung mit deren Lehren verstehen.33 Sein geographisches Werk führt als er als das eines Philosophen an und verweist dazu auf Vorgänger wie Homer, Anaximander, Hekataios, Eratosthenes und Posei­donios, »philosophische Männer« (ἄνδρες φιλόσοφοι).34 Bemerkenswerter ist aus der Perspektive der stoischen Einschränkung der Philosophie auf Logik, Physik und Ethik seine Aussage, gerade die Inhalte der Philosophie, »das Göttliche und das Menschliche« (τὰ θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπεια), führten zu der Vielwisserei (πολυμάθεια), die ein geographisches Werk zu schreiben erlaubten.35 Abgesehen davon zeigt sich sein philosophischer Enthusiasmus vor allem in den Listen einschlägig bekannter Bewohner von Städten seiner kleinasiatischen Heimat.36 Mit derartigen Bemerkungen zeigt sich Strabon als eindrucksvolles Beispiel für die umfassende Wirkung des Philosophie-Ideals am Beginn der Kaiserzeit, aber auch für die bereits eintretende geringe Differenzierung der Lehren der verschiedenen Richtungen.

3. Klaudios Ptolemaios: Die Philosophie und ihr Wahrheitskriterium aus dem Horizont der mathematischen Disziplinen Der Mathematiker Klaudios Ptolemaios, der vielleicht von 100–170 n. Chr. wohl vorwiegend in Alexandrien wirkt, ist eine herausragende Figur in verschiedenen Teildisziplinen dieses Gebietes: Astronomie, Geographie, Harmonie bzw. Musiklehre und Optik erhalten von ihm Impulse, die jahrhundertelang in verschiedenen Wissenschaften einflussreich bleiben.37 Vor diesem Hintergrund beschäftigt er sich auch intensiv mit der Philosophie, und entwickelt vor allem in der Schrift ›Über das Kriterium und das leitende Seelenvermögen‹ (Περὶ κριτήριου καὶ ἁρμονικοῦ) den« (ἀριστοτέλιζον) bei Poseidonios zugunsten einer Verborgenheit der Ursachen abgrenzt. Weiteres bei Aujac, in: Strabon, ›Géographie‹ 1, XXIf. 31   Strabo, Geographia 17, 1, 36 (809, 31–34 Cobet). 32   Strabo, Geographia 2, 5, 11 (117, 20–34 Cobet). Anders Aujac, in: Strabon, ›Géographie‹ 1, XXII. 33   Vgl. St. Radt, in: Strabons Geographika, herausgegeben von St. Radt, 5. Abgekürzt zitierte Literatur. Buch I–IV: Kommentar, Göttingen 2006, 47. 34   Strabo, Geographia 1, 1, 1 (1, 1–2–3 Cobet). 35   Strabo, Geographia 1, 1, 1 (2, 2–6 Cobet). 36   Belege bei Aujac, in: Strabon, ›Géographie‹ 1, XIV. 37   Überblicke bei J. Feke, Ptolémée d’Alexandrie, in: DPhA 5b (2012), 1718–1733, hier 1718 f. zur Biographie; W. Hübner, Klaudios Ptolemaios, in: GGPh 5, 1 (2018), 493–512.

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eine differenzierte Position, die erkenntnistheoretische und psychologische Elemente miteinander verbindet. Sie geht davon aus, dass eine erkenntnistheoretische Position anhand der inneren Vernunft der Seele bestimmt werden muss und nicht durch eine Analyse der faktischen Wortbedeutung; die Gegenthese verrate ein falsches Verständnis von Philosophie.38 Hieran zeigt sich bereits Ptolemaios’ Verständnis von Philosophie als ein wissenschaftlich abgesichertes, in seinen Erkenntnisgrenzen abgestecktes Vorgehen. Dies zeigt sich auch zu Beginn seiner ›Apotelesmatica‹ (auch als ›Tetrabiblos‹ bekannt), wo er die von ihm beabsichtigte »philosophische« Erklärung der Wirkungen der Sterne klar von deren Verständnis als ewige Ursachen abgrenzt.39 Zu ihrer Bestimmung führt er zu Beginn seines ›Almagest‹ (griech. Μαθηματικὴ σύνταξις) sowie in seiner ›Harmonielehre‹ die aristotelische Einteilung der Philosophie ausführlich an, deutet sie aber in eigener Weise. Der Unterschied der theoretischen zur praktischen Philosophie sei deswegen wichtig, weil nur erstere gänzlich durch Lehre erwerbbar sei, da die Grundzüge der Praxis jedem von vornherein bekannt seien. Von den Teilen der theoretischen Philosophie sei aber auch nur die Mathematik, von deren Teilen Geometrie und Arithmetik erwähnt werden, einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich. Daher könne man bei den anderen beiden Teilen »niemals hoffen, dass die Philosophierenden sich über sie einig werden«, fügt Ptolemaios hinzu; er reagiert also auf die auch bei Epiktet und Numenios aufzufindende Unzufriedenheit mit der Uneinigkeit der Philosophen der Zeit40 mit dem Vorschlag, die Untersuchungen auf wissenschaftliches Wissen zu beschränken. Die Teile der praktischen Philosophie – Ethik, Ökonomik und Politik – werden nur in der ›Harmonielehre‹ angegeben, wo alle genannten Teile der Philosophie in eine Analogie zu den verschiedenen Harmonien gestellt werden, so wie es zuvor bereits für Tugenden und Seelenlehre geschehen ist.41 Obwohl der letzte Punkt deutlich zeigt, dass auch Ptolemaios ein Interesse an der Bedeutung von Philosophie und Wissenschaft für die Lebensleitung hat, ist doch sein Philosophieverständnis letztlich klar von einem methodisch korrekten Vorgehen bestimmt. Dem entspricht auch seine eigene philosophische Arbeit, der insofern eine bemerkenswerte Sonderstellung innerhalb ihrer eigenen Zeit zukommt.

38   Ptolemaeus, De criterio 3 f. (3, 2, p.  8, 5–9, 10 Lammert). Zur gesamten Theorie vgl. Feke, Ptolémée, 1726–1729. 39   Ptolemaeus, Apotelesmatica, prooem. 1 f. (3, 1, p.  3, 32–4, 52 Hübner). 40   Ptolemaeus, Syntaxis mathematica, prooem. (1, 1, p.  5, 7–7, 4; Zitat 6, 13 f. Heiberg). 41   Ptolemaeus, Harmonica 3, 6 (98, 6–29 Düring); vgl. I. Düring, Ptolemaios und Porphyrios über die Musik, Göteborg 1934, 270–272.

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4. Professionalisierung und Auseinandersetzung mit der Philosophie: Die Medizin in der Kaiserzeit Die Kaiserzeit kennt, entsprechend ihrem intensiven geistigen Leben in anderen Bereichen, auch eine breite medizinische Fachdiskussion, in der mehrere Richtungen konkurrieren: Einerseits besteht die empirischen Ärzteschule weiter, z. B. bei einigen Lehrern Galens, der aber ebenso den Einfluss von Dogmatikern erfährt.42 Andererseits treten neben diese etablierte Richtungen mit der pneumatischen und vor allem der methodischen Ärzteschule weitere Strömungen, bevor die große Gestalt Galens die verschiedenen medizinischen Erscheinungen seiner Zeit vor einem philosophischen Horizont kritisiert und die wichtigsten Grundlagen der medizinischen Entwicklung der nächsten Jahrhunderte legt.

Eine erste Formulierung des Bildes der drei Schulen: Cornelius Celsus Der Römer Cornelius Celsus schreibt wohl im 1. Jahrhundert n. Chr., unter der Herrschaft des Tiberius,43 mehrere Sammelwerke, von denen lediglich das über die Medizin bestehen bleibt. Er berichtet, wie die Medizin sich – dank des Wirkens des Hippokrates – aus der Philosophie bzw. »Weisheit« (sapientia) löst und eine eigene Wissenschaft wird.44 Dann präsentiert er den Gegensatz von dogmatischen (rationales) und empirischen Ärzten (empirici),45 bevor er zu einer eigenen Erörterung kommt, bei der er auch kurz auf die – gleich näher zu besprechenden – Methodiker und ihre Lehre, »die Kenntnis von keiner Ursache habe irgendetwas mit Heilungen zu tun« (nullius causae notitiam quicquam ad curationes pertinere), eingeht, denen er allerdings vorwirft, »mehr als alle dogmatisch« zu sein, da sie neue Allgemeinbegriffe einführten, aber zum immerhin umsichtigen Vorgehen der Empiriker nichts beitrügen.46 Obwohl er die Unkenntnis selbst der Philosophen (sapientiae professores) in Bezug auf die Ursachen von Krankheiten hervorhebt,47 gesteht er zu, dass die Kenntnis von deren nicht evidenten Ursachen durchaus zum Wissen des medizinischen Fachmanns (artifex) gehören kann, aber in der Praxis (ars) von den offensichtlichen Ursachen auszugehen ist.48 Insgesamt ergibt sich somit bei Celsus eine pragmatisch-kompromissorientierte Herangehensweise an die Medizin, die, wie die Parallelität zu Galens ›Über die Richtungen‹ zeigt, ein

42

  Vgl. Deichgräber, Die griechische Empirikerschule, 3 f.   Zur Datierung vgl. G. Serbat, in: Celse, De la médecine I. Livres I–II. Texte établi, traduit et commenté par G. Serbat, Paris 1995, VII–XI. 44   Celsus, Medicina, prooem. 6–8 (1, p.  3 f. Serbat). 45   Celsus, Medicina, prooem. 12–44 (1, p.  5–14 Serbat). 46   Celsus, Medicina, prooem. 54 f., 62–64 (1, p.  17 und 19 Serbat). 47   Celsus, Medicina, prooem. 46 (1, p.  15 Serbat). 48   Celsus, Medicina, prooem. 74 (1, p.  22 Serbat). 43

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traditionelles doxographisches Einteilungsschema der Richtungen Dogmatismus, Empirismus und Methodismus aufnimmt, sich aber faktisch von deren grundsätzlichen Auseinandersetzungen distanziert.49

Medizin im Horizont der Stoa: Die pneumatische Ärzteschule Die pneumatische Ärzteschule,50 die zum oben genannten Dreierschema nicht gehört, aber trotzdem nicht ohne Einfluss ist, steht offenbar in enger Verbindung mit der von Poseidonios vertretenen Form der Stoa, da ihr Gründer Athenaios von Attaleia ein direkter Schüler des Poseidonios ist.51 Diese Nähe zeigt sich besonders in der Unterscheidung verschiedener Arten von Pneuma, von Ursachen (im Anschluss an Poseidonios)52 sowie in der Neigung zu ausführlichen Definitionen,53 obwohl die Einheitlichkeit einer pneumatischen Lehre – gerade auch wegen der unsicheren Quellenlage – nicht ganz klar ist.54 Der einzige eindeutig zuordenbare pneumatische Text des Aretaios erwähnt die Philosophie nur beiläufig,55 so dass nicht klar ist, wie eng die faktische Nähe von Pneumatikern und Stoikern im Laufe der Zeit ist.

Professionelle Nähe und Distanz zur Philosophie: Das Aufkommen der ­methodischen und die Entwicklungen in der empirischen Ärzteschule Die Kaiserzeit stellt die Blütezeit der von Celsus bereits erwähnten methodischen Ärzteschule dar, die später von Galen intensiv kritisiert wird. Sie sucht einen Mittelweg zwischen empirischer und dogmatischer Medizin, indem sie sich weitgehend auf konkrete Krankheiten und Therapien konzentriert und sie unter bestimmte »Allgemeinheiten« (κοινότητες) einordnet, ohne damit einen theoretischen Wahrheitsanspruch zu verbinden, wie er etwa in einer Annahme wie der Humoral­ pathologie gegeben ist.56 Die Details dieser Grundkonzeption werden seit dem 49

  Vgl. Serbat, in: Celse, De la médecine 1, XL–LI.   Ältere Überblicke geben M. Wellmann, Die pneumatische Schule bis auf Archigenes in ihrer Entwicklung dargestellt, Berlin 1895; F. Kudlien, Pneumatische Ärzte, in: RE Suppl. 11 (1968), 1097–1108. 51   So jedenfalls Galenus, De causis constituentibus (8, 1–4 Kalbfleisch; zitiert nach Kudlien, Pneumatische Ärzte, 1097). 52   Vgl. Kidd, Posidonius 2, 690–692. 53   So Kudlien, Pneumatische Ärzte, 1103 f., wohl vorwiegend auf der Basis des von Wellmann, Die pneumatische Schule, 137–143, aus Galen gesammelten Materials. 54   Vgl. Kudlien, Pneumatische Ärzte, 1100–1102. 55   Aretaeus, De causis 3, 6, 5 (CMG 2, p.  42, 16 Hude). 56   Vgl. M. Tecusan, in: The Fragments of the Methodists 1. Methodism outside Soranus, collected, edited and translated by M. Tecusan, Leiden  /  Boston 2004, 7–12. 50

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Philosophie in der Kaiserzeit

von Celsus ausführlich behandelten Themison von Laodikeia (1. Jhdt. v.  Chr.)57 und Thessalos, der unter Nero lebt, bis ins 2. Jahrhundert und vielleicht darüber hinaus immer weiter diskutiert.58 Die bedeutendste Persönlichkeit der Richtung ist Soran von Ephesos, aus der Generation vor Galen,59 von dem eine Frauenheilkunde in vier Büchern, eine kurze Hippokratesvita sowie, in der lateinischen Übersetzung des Caelius Aurelianus, Werke über akute und chronische Krankheiten erhalten sind, der aber auch ein Buch über die Seelenlehre verfasst hat.60 Zur Lehre von Themisons Lehrer Asklepiades von Bithynien stehen die Methodiker in einer gewissen Distanz, insofern ihre »Vermischung« (μετασύγκρισις) der Elemente des Körpers, jedenfalls in Galens Augen, über dessen Idee einer Wiederherstellung der körperlichen »Symmetrie« (συμμετρία) hinausgeht.61 Verbindungen dieser medizinischen Richtung zur Philosophie ergeben sich vordergründig in ihrer rationalen Klassifikation von Wissensinhalten sowie ihrer Selbstdefinition als eigene Richtung durch Abgrenzung von Empirikern und Dogmatikern.62 In den Augen des Sextos Empirikos besteht aber eine große Nähe dieser Richtung, und nicht der empirischen, zur pyrrhonischen Skepsis: »Denn wie der Skeptiker die Aussage ›ich definiere nichts‹ und ›ich erfasse nichts‹ gebraucht, […] so sagt auch der Methodiker ›Allgemeinheit‹ und ›Durchgehen‹ ohne überflüssige Festlegungen […], weswegen die Haltung der Methodiker in der Medizin eine gewisse Nähe zur Skepsis aufweist«.63

Ob dies eine Privatmeinung des Sextos ist oder ob die Methodiker selbst ihre ›Allgemeinheiten‹ lediglich als Beschreibungen ohne Wahrheitsanspruch jenseits der phänomenalen Ebene verstehen, ist nicht ganz klar.64 Gut erklären lässt sich jedenfalls von Sextos her, mit welcher theoretischen Konstruktion die Methodiker 57

  Celsus, Medicina, prooem. 55–57 (1, p.  17 f. Serbat).   Vgl. Tecusan, in: The Fragments of the Methodists 1, 12–21 sowie L. Edelstein, Methodiker, in: RE Suppl. 6 (1935), 358–373 (engl. L. Edelstein, The Methodists, in: L. Edelstein, Ancient Medicine. Selected Papers, Baltimore  /  London 1967, 173–191), hier 358–362, der unbedingt zu berücksichtigen ist. 59   Vgl. V. Boudon-Millot, Soranos d’Éphèse, in: DPhA 6 (2016), 477–480. 60   Fragmente gesammelt bei: P. Podolak, Soranos von Ephesos, Περὶ ψυχῆς. Sammlung der Testimonien, Kommentar und Einleitung, Berlin  /  New York 2010. 61   Methodici, frg.  180 (474, 28–39 Tecusan) = Galenus, De methodo medendi 4, 4 (10, p.  268 Kühn). 62   Methodici, frg.  203 (540, 8–542, 1 Tecusan) = Galenus, De sectis (Galeni scripta minora 3, p.  13, 19–14, 24 Helmreich). Vgl. aber Van der Eijk, Medicine and Philosophy, 29. 63   Ὡς γὰρ ὁ σκεπτικὸς χρῆται τῇ ‘οὐδὲν ὁρίζω’ φωνῇ καὶ τῇ ‘οὐδὲν καταλαμβάνω,’ […] οὕτω καὶ ὁ μεθοδικὸς ‘κοινότητα’ λέγει καὶ ‘διήκειν’ καὶ τὰ παραπλήσια ἀπεριέργως. […] ὅθεν οἰκειότητά τινα ἔχειν τὴν ἀγωγὴν τὴν κατὰ ἰατρικὴν τῶν μεθοδικῶν πρὸς τὴν σκέψιν. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis 1, 237–241, Zitat 239 (1, p.  61, 4–62, 11, Zitat 62, 27–31 Mutschmann  /  Mau). 64   Vgl. dazu M. Frede, The Method of the So-Called Methodical School of Medicine, in: Frede, Essays on Ancient Philosophy, 264–278, hier 276 f. 58

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ihren Sonderweg zwischen Empirikern und Dogmatikern zu rechtfertigen vermögen.65 Auffallend ist auch die Parallelität zwischen der bei Sextos zu findenden Gegenüberstellung von Dogmatikern, Akademikern und Pyrrhoneern sowie der Trias Dogmatiker, Empiriker und Methodiker bei Celsus und in Galens ›Über die Richtungen‹; es liegt nahe, hier eine ursprünglich methodische Einteilung zu vermuten, mit deren Hilfe sie – analog zu den Pyrrhoneern – ihre Haltung als ein Übertreffen der Vorgänger begründen. Abgesehen von den Zweifeln, die schon Celsus an der Praktikabilität einer solchen Haltung äußert, kann man diese aber für Soran jedenfalls nicht als ein konsequent durchgehaltenes Prinzip annehmen, da er die Körperlichkeit der Seele offenbar dogmatisch vertritt.66 Auf diese Schrift ist möglicherweise auch die von Tertullian überlieferte Aussage zurückzuführen, die Medizin sei die Schwester der Philosophie und aufgrund ihrer Kenntnisse des Körperlichen, dem Ort der Seele, besser zu deren theoretischer Erörterung in der Lage.67 In der Tat zeigen die überlieferten Texte des Soran ähnliche Annahmen, insofern sie der philosophischen Kompetenz solche Krankheiten zuweisen, welche seelische und nicht körperliche Ursprünge haben.68 Deswegen nimmt Soran an, dass eine Krankheit dann in den medizinischen Bereich fällt, wenn Philosophen sie nicht heilen können.69 Andererseits empfiehlt er in bestimmten Situationen, z. B. bei der Erziehung von Kindern oder zur Heilung chronischer Krankheiten durch seelische Gesundung, das Heranziehen von Philosophen bzw. ihrer Schriften.70 Insgesamt erwecken die Texte Sorans den Eindruck einer ziemlich professionellen medizinischen Haltung, für die die Philosophie in der Praxis dort wichtig wird, wo sie zur heilenden Aufgabe der Medizin beitragen kann. Die Parallelität zum Skeptizismus scheint insofern, sofern Soran für die Richtung typisch ist, vor allem der Klärung der eigenen theoretischen Annahmen gegenüber Empirikern und Dogmatikern nützlich zu sein, für die Methodiker aber auch den Vorteil zu haben, ihre Beobachtungen nicht einer theoretischen Debatte aussetzen zu müssen. So verstanden, rechtfertigt die skeptische Begründungsform eine fachliche Professionalität, für welche die Philosophie nur noch dort wichtig wird, wo sie therapeutische Vorteile zu bieten scheint. Durchgehalten wird der Skeptizismus aber offenbar dort nicht, wo die Kompetenz des Arztes diesen tatsächlich zu Wahrheitsurteilen zu befähigen scheint.

65

  Bejahend dazu Edelstein, Methodiker, 367–372.   Soranus, De anima, frg.  3 = Tertullianus, De anima 6, 6, 6 f. (8, 5–16 Waszink). 67   Soranus, De anima, frg.  1 = Tertullianus, De anima 2, 6 (4, 14–18 Waszink). 68   Caelius Aurelianus, Celeres passiones 3, 110 f. (CML 6, 1, p.  358, 6–17 Bendz). 69   Caelius Aurelianus, Tardae passiones 1, 154 (CML 6, 1, p.  522, 2–5 Bendz). 70   Soranus, Gynaecia 2, 57, 2 f. (CMG 4, p.  93, 9–19 Ilberg); Caelius Aurelianus, Tardae passiones 1, 166 f. (CML 6, 1, p.  528, 22–25 Bendz). 66

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Philosophie in der Kaiserzeit

Philosophie und Medizin im Werk des Galen Allgemeines Wie kein anderer repräsentiert Klaudios Galenos aus Pergamon (ca. 130–200), der wohl einflussreichste medizinische Schriftsteller zwischen Hippokrates und Ibn Sīnā (Avicenna; 980–1037), die Verbindung von Medizin und Philosophie.71 Nach medizinischen und philosophischen Studien, bei welchen er Lehrer aus verschiedenen Richtungen hört, gelangt Galen nach Rom, wo er beträchtlichen beruflichen Erfolg hat, aber auch (in Verbindung mit seinen anatomischen Vorträgen) scharfen Anfeindungen ausgesetzt ist. Eine Weile ist er Leibarzt Mark Aurels,72 mit dem er offensichtlich die Begeisterung für die Philosophie teilt: Sie ist auch für Galen »das größte der göttlichen Güter«.73 Obwohl Galen keiner philosophischen Schule angehört, ist doch sein besonderes Interesse an Platon z. B. durch einen Kommentar zum ›Timaios‹ dokumentiert,74 der freilich nur einen kleinen Teil von Galens umfassendem Bemühen ausmacht, Texte seiner Vorgänger zu erklären.75

Die Philosophie in der medizinischen Ausbildung: Die Rolle von Logik und wissenschaftlicher Methode In ausdrücklichem Anschluss an Hippokrates propagiert Galen eine philosophische Ausbildung im Rahmen des Studiums der Medizin.76 Unter Philosophie versteht er hierbei dreierlei, wie aus dem kurzen Traktat ›Dass der beste Arzt auch Philosoph sein muss‹ (›Quod optimus medicus sit quoque philosophus‹) hervorgeht: 1. die Einübung in logisches Schließen; 2. die hierauf aufbauende Erkenntnis »der Natur des Körpers und der Unterscheidungen der Krankheiten« sowie 3. eine Lebensführung, die von Mäßigung (σωφροσύνη) geprägt ist. Auf diese Weise beherrsche der gute Arzt alle drei Teile der Philosophie, Logik, Physik und Ethik.77 Der wichtigste Punkt an diesem Curriculum liegt zweifelsohne darin, dass die Methode der Wahrheitsfindung zumindest in ihren Grundzügen in der medizi-

71

  Überblicke bei: R. Walzer, Galenos, in: RAC 8 (1972), 777–786; V. Boudon, Galien de Pergame, in: DPhA 3, 2000, 440–466; J. Allen, Galen, in: GGPh 5, 1 (2018), 512–526. 72   Zu Galens Biographie vgl. Boudon, Galien de Pergame, 440–451. 73   Galenus, Protrepticus 1, 3 (CMG 5, 1, 1, p.  114, 18 f. Barigazzi) 74   Vgl. C. J. Larrain, Galens Kommentar zu Platons ›Timaios‹, Stuttgart 1992. 75   Zu seinen exegetischen Methoden allgemein Mansfeld, Prolegomena, 148–176. 76   Galenus, Quod optimus medicus sit quoque philosophus 4, 4 (1, p.  292, 15–22 Boudon-Millot). 77   Galenus, Quod optimus medicus sit quoque philosophus 3, 4–8 (1, p.  289, 18–291, 4 f. Boudon-Millot). Vgl. Cooper, Pursuits of Wisdom, 27 f.

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nischen Ausbildung gelehrt werden soll.78 Im Mittelpunkt von Galens philosophischem Interesse steht daher die Logik in ihrer Funktion als Methodik wissenschaftlichen Arbeitens. Zu dessen Rechtfertigung vertritt Galen gegen die zeitgenössischen Akademiker, namentlich gegen Favorinus,79 die Möglichkeit zuverlässigen Wissens, da dem Geübten aufgrund eines natürlichen Unterscheidungsmerkmals (φυσικὸν κριτήριον) deutlich sei, welche Erscheinungen für die Wahrnehmung oder das Denken zuverlässig seien und welche nicht.80 In Anbetracht der Zerstrittenheit der Philosophen über Fragen der Logik und Begründbarkeit ruht Galens Vertrauen in die Möglichkeit wissenschaftlicher Gewissheit – das er ausdrücklich der pyrrhonischen Skepsis entgegenhält – auf den Regeln der Geometrie, die sogar unter den sonst zerstrittenen Philosophen anerkannt seien, da sie ihren Nutzen in astronomischen Vorhersagen erwiesen.81 Ein weiteres Argumentationsmittel, z. B. in der Frage über den Sitz des Leitvermögens der Seele, sind für Galen öffentliche anatomische Vorführungen an lebenden Wesen in Präsenz führender Philosophen der Zeit.82 Auf theoretischer Ebene erarbeitet er, um den wissenschaftstheoretischen Problemen entgegenzuwirken, ein Werk über den Beweis im Umfang von 15 Büchern, das weitgehend verloren ist, und zahlreiche weitere Schriften.83 Bei diesen Überlegungen fällt gleich die Nähe zu Ptolemaios ins Auge: Die Fachwissenschaftler schätzen die erkenntnistheoretische Unsicherheit der Philosophie in höherem Maße als problematisch ein als die Fachphilosophen, sehen aber zugleich – durchaus im Einklang mit den Platonikern – in Geometrie und Astronomie Hinweise auf die Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis.

Ethik und Physik Die Ethik wird von Galen nicht nur als Einübung von Tugenden verstanden, sondern auf der Grundlage seiner medizinischen Kenntnisse arbeitet er auch theoretisch an ethischen Fragen,84 z. B. in der berühmten Schrift ›Dass die Seelenvermögen den Mischungen des Körpers folgen‹ (›Quod animi potentiae sequantur 78

  Galenus, Quod optimus medicus sit quoque philosophus 4, 2 f. (1, p.  292, 7–15 Boudon-Millot). 79   S. oben 546. 80   Galenus, De optima doctrina 48–51 (CMG 5, 1, 1, p.  102, 6–104, 21 Barigazzi). 81   Galenus, De libris suis 14, 1–6 (1, p.  164, 2–165, 13 Boudon-Millot). 82   Vgl. M. W. Gleason, Shock and Awe. The Performance Dimension of Galen’s Anatomy Demonstrations, in: Ch. Gill  /  T. Whitmarsh  /  J. Wilkins (Hrag.), Galen and the World of Knowledge, Cambridge 2009, 85–114, hier 96–100. 83   Galenus, De libris suis 14, 9–23 (1, p.  166, 1–169, 12 Boudon-Millot). Vgl. Allen, Galen, 517, ferner die beeindruckende Beschreibung seiner Suche nach Galens Beweisschrift bei Ḥunayn ibn Iṣḥāq, Epistula 115 (47, 9–48, 8 [arab.]  /  38 f. [dt.] Bergsträsser), sowie Perkams, Die Übersetzungen philosophischer Texte, 128, zur Bedeutung des Werks für die Araber. 84   Vgl. Moraux, Aristotelismus 2, 792–808.

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corporis mixtionibus‹)85 über die Entstehung von Emotionen, die von spätantiken Platonikern häufig kritisiert wird.86 Aktiv ist er auch auf dem Gebiet der Physik, z. B. in dem Traktat ›Über die natürlichen Vermögen‹ (›De facultatibus naturalibus‹).87 Die Differenziertheit seines Zugriffs, die über ein einfaches naturphilosophisches Zweckdenken hinausgeht, zeigt sich schön daran, dass er die Ordnung (κόσμος) sowie die Schönheit (κάλλος) der menschlichen Körperteile ebenso in die Untersuchung einbezieht wie deren Aktivität (ἐνέργεια) und Nutzen (χρεία); gerade in der Erklärung solcher Phänomene liege das »Philosophieren« im Bereich der Körperteile.88 Er setzt sich auch mit der Idee eines Demiurgen auseinander, ohne sich letztlich festzulegen.89 Auf wie vielen Feldern Galen Philosophie und Medizin vergleichen möchte, zeigt nicht zuletzt seine Zusammenstellung der Meinungen von Platon und Hippokrates.90

Über Judentum und Christentum91 Bei Galen finden sich die ausführlichsten Stellungnahmen zu Christentum und Judentum in der kaiserzeitlichen Philosophie.92 Er führt nicht nur den zeitgenössischen Topos von der Irrationalität des christlichen Todesmuts an,93 sondern hält dazu fest, dass »die Christen behaupten, ihren Glauben nur von Zeichen und Wundern her zu nehmen, obwohl bei ihnen die Taten der Philosophierenden zu beobachten sind«.94 Ferner geht er auch auf inhaltliche Fragen ein. Das Befremden über die unwissenschaftliche Bereitschaft, ohne Beweis zu glauben,95 hindert ihn nicht daran, die ­Juden und Christen für weniger verbohrt zu halten als zeitgenössische 85

  Ediert von I. Müller, in: Galeni Scripta minora 2 (1891), 32–79.   Vgl. z. B. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 99 f. 87   Ediert von G. Helmreich, Galeni scripta minora 3 (1893),  101–257. 88   Galenus, De usu partium 11, 13 f. (2, p.  152, 14–156, 11 Helmreich; dort 7–11 zum Philosophieren). 89   Belege: Moraux, Aristotelismus 2, 764–767. 90   Ediert von Ph. de Lacy in CMG 5, 4, 1, 2 (1978–1980). 91   Vgl. Walzer, Galenos, 779–783. 92   Vgl. die Zusammenstellung der griechischen und arabischen Überlieferung mit englischer Übersetzung bei R. Walzer, Galen on Jews and Christians, Oxford  /  London 1949, 10–16. 93   S. oben S. 578. 94   Galenus, Summarium respublicae Platonis, apud: Walzer, Galen on Jews and Christians, 15 [engl.]; 16 [arab.]; dt. Übers. bei Walzer, Galenos, 783. Zur Überlieferung vgl. Walzer, Galen on Jews and Christians, 15. 95   Galenus, De pulsuum differentiis 2, 4 (8, p.  579 Kühn); De Hippocratis anatomia, apud: Walzer, Galen on Jews and Christians, 11 [arab. / engl.]; dt. bei Walzer, Galenos, 780; zur komplexen Zitationsgeschichte vgl. Walzer, Galen on Jews and Christians, 87. 86

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Philosophen.96 Vor allem aber erkennt er scharfsinnig einen impliziten Gegensatz der jüdischen Schöpfungslehre zur wissenschaftlich fundierten Naturphilosophie der Hellenen (οἱ περὶ φύσεως λόγοι): Erstere sei letztlich nicht rational, da sie weder Gott so begreife, dass er aus seiner Güte heraus das beste Mögliche schaffe, noch die Existenz der Materie berücksichtige. Somit wird die biblische Schöpfungslehre implizit als philosophische Kosmologie begriffen, allerdings aufgrund der mangelnden Erklärung von Kausalität in eine Linie mit der Zufallslehre Epikurs gestellt.97

Würdigung Galens philosophische Bedeutung ruht primär auf seinen Überlegungen zur Logik bzw. wissenschaftlichen Methodik, welche er zu Recht als essentielle Grundlage wissenschaftlicher Arbeit erkennt. In seinen Schriften zu diesem Thema verfolgt er das Ziel, eine eigene, durch rationalen Beweis und nicht durch Tradition begründete Position zu erarbeiten, die allerdings nicht, wie bei den Philosophenschulen seiner Zeit, an seinen Namen gebunden sein sollte.98 Die aus diesem Programm sprechende geistige Unabhängigkeit von den verschiedenen philosophischen Richtungen teilt er mit so unterschiedlichen Autoren wie Cicero, Lukian und Justin, am nächsten steht er aber Ptolemaios, insofern er das philosophische Programm durch eine Neubegründung wissenschaftlicher Methodik retten möchte. Dank der großen Verbreitung seiner Werke, die möglicherweise durch deren philosophische und damit nachvollziehbare Argumentationsweise stark gefördert wird, bleiben Galens Anliegen über die Jahrhunderte bekannt und fördern den Rekurs von Medizinern auf die Philosophie. Vor allem seine Idee einer Ausbildung aller angehenden Ärzte in der Logik wird zukunftsweisend als Vorbild eines propädeutischen Philosophiestudiums im Rahmen einer wissenschaftlichen Ausbildung.

5. Die Philosophie aus dem Blickwinkel der Konkurrenz: Bilder der Philosophie in der Zweiten Sophistik Allgemeines Der Begriff »Zweite Sophistik« wird in der Kaiserzeit von Flavius Philostratos (ca. 170–244/49) geprägt, der unter dieser Überschrift eine Reihe literarisch aktiver und gesellschaftlich einflussreicher Rhetoren insbesondere des 2. Jahrhunderts biographisch vorstellt. Neuere Forschungen sehen diese Form von Rhetorik 96

  Galenus, De pulsuum differentiis 3, 3 (8, p.  657 Kühn).   Galenus, De usu partium 11, 14 (2, p.  158, 2–159, 3 Helmreich). 98   Galenus, De ordine librorum suorum 1, 5 (1, p.  89, 8–14 Boudon-Millot). 97

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als »besonders charakteristisch« für die Kaiserzeit als Ganze an und erklären dies damit, dass sich in den Auftritten der Rhetoren der Epoche die politischen Machtverhältnisse symbolisch widerspiegelten, da sich gerade die Oberschicht anhand rhetorischer Werte – also vor allem eines überlegenen Gebrauchs der rhetorischen Formen – definiere und hierin ihr Bildungsideal sehe.99 Bereits Philostrat entwickelt den Begriff »Zweite Sophistik« in Anlehnung an die alte, erste Sophistik, die er als eine »philosophierende Rhetorik« versteht (ῥητορικὴ φιλοσοφοῦσα).100 Er beginnt auch seine Darstellung mit einigen Bemerkungen zu den alten Sophisten und zu denjenigen Zeitgenossen, bei denen er »nicht weiß, wie man sie ansprechen soll«, ob als einen Rhetor bzw. Sophisten oder als Philosophen: Gemeint sind der gleich zu besprechende Dion von Prusa sowie der akademisierende Rhetor Favorinus von Arles. »Auch den Philosophen Favorinos machte der sprachliche Wohlklang als Sophisten kenntlich«.101 Hieran schließt sich eine Darstellung der »eigentlichen Sophisten« (οἱ κυρίως σοφισταί) an, deren rhetorische Identität sie für Philostrat und wohl auch seine Zeitgenossen von den Philosophen deutlich unterscheidet.102 Die Beschreibungsstrategien Philostrats und der modernen Forscher laufen also darauf hinaus, eine Gruppe eigentlicher ›Sophisten‹ zu identifizieren (die unterschiedlich ausfallen kann) und diese deutlich von der Philosophie abzugrenzen, wobei ein Grenzbereich zugestanden wird. Eine genauere Analyse des Selbstverständnisses einiger einschlägiger Autoren zeigt aber, dass das Verhältnis von Rhetorik und Philosophie-Ideal in der Kaiserzeit noch komplexer ist.

Dion von Prusa: Öffentliche Realisierung des Philosophie-Ideals Besonders deutlich entzieht sich Dion von Prusa bzw. Dion Chrysostomos (ca. 40– 110)103 einer klaren Klassifizierung: Er tritt die meiste Zeit als kynischer Philosoph mit platonisierenden Neigungen auf, füllt aber in seinem öffentlichen Auftreten die Rolle eines Rhetors aus; gerade in seinen späteren Reden sind auch stoische Züge zu finden. Dion wählt diese Lebensweise, um dezidiert das Ideal des politisch aktiven Philosophen zu vertreten.104 Das Ungenügen der zeitgenössischen »sogenannten Philosophen« kritisiert er scharf: Die einen treten gar nicht öffentlich auf, die 99

  Vgl. Schmitz, Bildung und Macht, 9–31, v. a. 10, 26–31; P. Brown, Power and Persuasion in Late Antiquity. Towards a Christian Empire, Madison, Wisconsin 1992, 37–41. 100   Philostratus, Vita sophistarum, prooem. (2, 2 f. Stefec). 101   Philostratus, Vitae sophistarum 1, 16, 8 (9, 13 f. Stefec). 102   Philostratus, Vitae sophistarum 1, 22, 8 (12, 18 f. Stefec); vgl. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft, 46–53. 103   Vgl. P. Desideri, Dion Cocceianus de Pruse, dit Chrysostome, in: DPhA 2, 1994, 841– 856; Brancacci, Kyniker, 185–187. 104   Dio Chrysostomus, Oratio 49, 3; 49, 13.

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anderen nur vor ausgewählten Hörern, und die »sogenannten Kyniker« machen die Philosophie durch ihre Oberflächlichkeit lächerlich.105 Demgegenüber operiert der wahre Philosoph nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus göttlicher beziehungsweise dämonischer Sendung hinaus106 und erzieht die Bürger zu besseren Menschen, hierin das Werk des Gesetzgebers ergänzend.107 Dieselbe Aufgabe kommt ihm in Bezug auf Fürsten zu, wo Philosophen insbesondere als Berater seit jeher Großes leisten.108 Vor diesem Hintergrund ist auch die einflussreiche Ausarbeitung der Kaiserideologie in Dions Reden ›Über die Königsherrschaft‹ (Περὶ βασιλείας) 1–4109 zu sehen, die ihrerseits, wie auch Dions Borysthenes-Rede,110 auf zeitgenössischen Vorstellungen der Entsprechung von politischer und kosmischer Ordnung beruhen.111 Insofern seine Lebensweise rhetorische und philosophische Züge vereinigt, ist Dion ein bemerkenswertes Beispiel für ein öffentliches philosophisches Leben in seiner Zeit: Sein rhetorisches Auftreten versucht, ein Ideal von Philosophie zu realisieren, so dass eine eigentliche Bekehrung zur Philosophie nicht mit Sicherheit angenommen werden muss.112

Ailios Aristeides: Der Rhetor als wahrer Philosoph Eine andere, aber doch in manchem vergleichbare Haltung zur Philosophie, »dem schönsten aller Namen«,113 nimmt Ailios Aristeides (ca. 117–180) ein, einer der berühmtesten Sophisten der Epoche überhaupt.114 In drei ausführlichen Reden verteidigt er die Rhetorik gegen die Kritik Platons. Die Würde und den Nutzen einer wahren Philosophie erkennt er gerade auch dann an, wenn nicht alle ihre vorgeblichen Vertreter sie im Leben umsetzen, so wie auch Schmeichler keine echten Rhetoren sind.115 Insgesamt sei die Philosophie aber »eine Liebe zum Schönen und ein Umgang mit Worten, und nicht die jetzt übliche Weise, sondern Bildung

105

  Dio Chrysostomus, Oratio 32, 9 f.; 32, 20.   Dio Chrysostomus, Oratio 32, 12–16; 49, 3. 107   Dio Chrysostomus, Oratio 32, 17 f. 108   Dio Chrysostomus, Oratio 49, 4–6. 109   Dazu Desideri, Dion Cocceianus, 846. 110   Dio Chrysostomus, Oratio 36. 111   Vgl. Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 189–195. 112   Vgl. Desideri, Dion Cocceianus, 853; Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 24–27. 113   Aelius Aristides, Oratio 3, 674 (2, p.  548 Trapp). 114   Vgl. zu ihm L. Pernot, Aristide (P. Aelius), in: DPhA 1 (1994), 358–366; M. Trapp, in: Aelius Aristides, Orations 1–2. Edited and Translated by M. Trapp, Cambridge (Mass.)  /  London 2017, ix–xxiii. Zur komplizierten editorischen Situation S.  xxv–xxviii. 115   Aelius Aristides, Oratio 2, 259 f. (1, p.  504 Trapp); Oratio 3, 686–691 (2, p.  556–562 Trapp). 106

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im Allgemeinen«.116 Aufgrund dieser Haltung, welche eine breite Bildung mit der engen, auf bestimmte Gebiete beschränkten Lehre der Philosophenschulen kontrastiert, kritisiert er vor allem zahlreiche Zeitgenossen als falsche Philosophen, die sich Erkenntnis und Habitus der Philosophen anmaßen, um ihr Leben bestreiten zu können, und gerade aus diesem Zusammenhang heraus zu Unrecht die Rhetorik kritisieren.117 Somit vertritt Aristeides, nicht unähnlich dem Isokrates,118 ein klassisches Paideia-Ideal, das sowohl Rhetorik als auch Philosophie umgreift, aber letztlich noch deutlich stärker als dessen Konzept politischer Bildung an perfekter Sprachbeherrschung orientiert ist. Das geht bis zu der Behauptung, man könne Platon im Grunde als ›vollendetsten‹ Sophisten bezeichnen.119 Bei derartigen Aussagen ist allerdings zu beachten, dass sie selbst im rhetorischen Kontext erfolgen: Aristeides verdeutlicht seinen Punkt nicht anhand einer scharfen begrifflichen Distinktion, sondern unterläuft diese gerade in meisterhafter Ausarbeitung der traditionellen Sprache.

Flavios Philostratos: Die literarische Dekonstruktion des Philosophen Ähnliches ist auch bei Philostrat zu beachten, der selbst ein gebildeter und mit führenden politischen Zirkeln verbundener Sophist ist.120 Er verfasst neben der oben bereits beschriebenen Sammlung von Sophisten-Biographien eine sehr umfangreiche Lebensbeschreibung des Pythagoreers Apollonios von Tyana. Beide Werke rekurrieren gerne auf den Philosophiebegriff, tun dies jedoch aus einer historisch-literarischen Perspektive. Schon der erste Satz der Widmung der ›Lebensbeschreibungen der Sophisten‹ zeigt nämlich, dass Philostrat auch für diese den Philosophiebegriff in Anspruch nimmt, indem er angibt, über die »im Glanz der sophistischen Aktivität Philosophierenden und die so als eigentliche bezeichneten Sophisten (τοὺς ἐν δόξῃ τοῦ σοφιστεῦσαι φιλοσοφήσαντας καὶ τοὺς οὕτω κυρίως προσρήθεντας σοφιστάς)« sprechen zu wollen.121 Damit macht er nicht nur die rhetorisch aktiven Philosophen wie Dion und Favorinus zum Teil der Geschichte der Rhetorik, sondern er suggeriert gerade durch das doppeldeutige ›und‹ (auch übersetzbar als: ›das 116

  Φιλοκαλία τις καὶ διατριβὴ περὶ λόγους, καὶ οὐχ ὁ νῦν τρόπος οὗτος, ἀλλὰ παιδεία κοινῶς. Aelius Aristides, Oratio 3, 678 (2, 552 Trapp). Vgl. Praechter, Die Philosophie des Altertums, 2. 117   Aelius Aristides, Oratio 3, 668; 3, 672 (2, p.  542; 546 Trapp). 118   Vgl. P. Papaevangelou-Varvaroussi, Isokrates und Aelios Aristeides im Spiegel der Rhetorik und der Politik, München 2003, sowie oben S. 211–213. 119   Aelius Aristides, Oratio 3, 677–681 (2, p.  550–554 Trapp). 120   Zu seiner Person Jones, Philostratus, 1 f.; für seine Bezüge zur Philosophie vgl. Follet, Philostratos. 121   Philostratus, Vitae sophistarum, prooem. (1, 3 f. Stefec).

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heißt‹) auch, dass er eine erfolgreiche Sophistik als glanzvolle Form von Philosophie ansieht: Es genügt nicht, dass die Rhetorik der Philosophie überlegen ist; sie muss letztlich auch selbst wahre Philosophie sein, um dem Bildungsideal voll zu entsprechen. Seine bedeutendste Auseinandersetzung mit dem Philosophie-Ideal stellt jedoch seine ›Lebensbeschreibung des Apollonios‹ dar, die nicht weniger als acht Bücher umfasst; sie behandeln sowohl die weite Reisetätigkeit des Apollonios als auch seine Auftritte vor diversen Herrschern.122 Als sein Ziel gibt Philostrat an, die Größe des Apollonios zu schildern, zumal dieser wegen seiner Kontakte mit Brahmanen und anderen östlichen Weisen vielfach fälschlicherweise als Magier angesehen werde.123 Die bewusst überspitzende Perspektive, unter der der Autor seinen Gegenstand behandelt, tritt allerdings von Anfang an hervor: Philostrat habe im Gegensatz zu anderen, die verschiedene Meinungen hätten, mit bekannten und unbekannten Göttern Umgang; hierin übertreffe er sogar den Pythagoras.124 Die Ausbildung des Apollonios zeigt den Zusammenhang von Rhetorik und Philosophie: Da seine Sprache bereits ein gutes Attisch ist, lernt er zuerst mit einem Rhetor, dessen Name Euthydemos auf Platons sophistischsten Dialog verweist, und philosophiert dann in der Einsamkeit mit Platonikern, Stoikern und Epikureern. Als Ergebnis lernt er – trotz der geringen Fähigkeiten seines philosophischen Lehrers Eudoxos – auf nicht sagbare Weise die pythagoreischen Wahrheiten kennen.125 Hier werden zeitgenössische Diskurse mit rhetorischer Meisterschaft zur Karikatur übersteigert, wie die literaturwissenschaftliche Analyse zeigt.126 Dass das Werk ein Dialog über richtige Philosophie ist, zeigt sich beispielhaft am Gespräch dreier Philosophen mit Kaiser Vespasian: Während Euphrates zur Demokratie und Dion von Prusa zur Monarchie rät, nimmt Apollonios die Rolle des offen sprechenden Philosophen ein, der unabhängig lebt und dem Herrscher frei zu einer guten Herrschaftsführung rät, aber doch nichts Törichtes zu Dingen sagt, die nur der Herrscher selbst beurteilen kann.127 Hier handelt es sich um eine ernsthafte Erörterung der Möglichkeiten und Grenzen herrscherlichen politischphilosophischen Handelns in Anbetracht der absoluten Monarchie der Kaiserzeit, bei der letztlich die Unabhängigkeit des Philosophen betont wird. Jedenfalls für Philostrat behält somit das Philosophie-Ideal seine Gültigkeit für den Herrscherdiskurs gerade deswegen, weil die persönliche Unabhängigkeit das wesentliche

122

  Knappe Übersicht über das Werk: Ch. P. Jones, in: Philostratus, ›The Life of Apollonius of Tyana‹. Books I–IV, Cambridge (Mass.)  /  London 2005, 2–13. 123   Philostratus, Apollonius, 1, 2 (1, p.  2, 21–3, 19 Kayser). 124   Philostratus, Apollonius, 1, 1 f. (1, p.  1, 1–2, 21 Kayser). 125   Philostratus, Apollonius, 1, 7 (1, p.  6, 1–7, 17 Kayser). 126   Vgl. Th. Schirren, Philosophos Bios. Die antike Philosophenbiographie als symbolische Form. Studien zur ›Vita Apollonii‹ des Philostrat, Heidelberg 2005. 127   Philostratus, Apollonius, 5, 35 (1, p.  193, 22–196, 7 Kayser).

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Philosophie in der Kaiserzeit

Merkmal philosophischer Kompetenz ist und nicht die einseitige Positionierung vieler Schul­philosophen.128

Würdigung Ein Durchgang durch einige philosophisch orientierte Rhetoren der Kaiserzeit zeigt, dass diese bei aller Rivalität der beiden Disziplinen letztlich beide als erforderlich zur menschlichen Vervollkommnung ansehen: Philosophie gehört im Sinne der Zweiten Sophistik insofern zur Paideia, als sie zum rhetorischen Auftreten in der Gesellschaft gehört.129 Die Autonomie der Rhetorik gegenüber der Philosophie wird dadurch nicht eingeschränkt, weil letztlich die zeitgenössischen Vertreter ihrerseits dem Philosophie-Ideal nicht gerecht werden, so dass der Rhetor dieses entweder für sich auf seine Weise beanspruchen kann (Aristeides, Philostrat) oder es in einem rhetorischen Leben auf philosophische Art realisieren muss (Dion von Prusa).

6. Philosophie in satirischer Bewunderung: Lukian von Samosata Zwischen der Sophistik, der er kritisch gegenübersteht, und der Philosophie steht Lukian von Samosata (ca. 117–180), der wohl bedeutendste griechische Satiriker der Antike.130 Er bereist verschiedene Provinzen des Römischen Reiches und entschließt sich in Athen für die Philosophie und gegen die Rhetorik, ohne freilich ein direktes Mitglied einer Philosophenschule zu werden. Eher zeigt er sich als Anhänger einer an lebenspraktischen Fragen interessierten, in ihrer Grundhaltung skeptischen Aufnahme des Philosophie-Ideals.131 In seinem umfangreichen Werk, das hier nur exemplarisch präsentiert werden kann, spielt die Philosophie in Ideal und Wirklichkeit eine große Rolle, so dass Lukian uns eine eigene Per­ spek­tive auf die philosophische Landschaft seiner Zeit erlaubt, die deren Stärken und Schwächen sichtbar macht. Kennzeichnend für seinen Zugang zur Philosophie ist eine Mischung aus tiefer Bewunderung des Ideals und Kritik an dessen Realisierung. So klagt in sei128

  Aus diesem Grund wird Philostrats Werk auch zur Untersuchung der politischen Philosophie der Zeit bei Trapp, Philosophy in the Roman Empire, 183–185, 222, herangezogen. 129   Vgl. Schmitz, Bildung und Macht, 86–89. 130   Übersicht mit Schwerpunkt auf Lukians philosophischen Interessen: P. P. Fuentes González, Lucien de Samosate, in: DPhA 4 (2005), 131–160, hier 137–144 zur Biographie. 131   Vgl. H.-G. Nesselrath, Lukian und die antike Philosophie, in: M. Ebner u. a. (Hrsg.), Lukian, ›Die Lügenfreunde‹, oder: ›Der Ungläubige‹. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen, Darmstadt 2001, 135–152, hier 150–152; Fuentes González, Lucien de Samosate, 153–155.

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Begeisterung und Spott: Das Philosophie-Ideal ­außerhalb der Philosophenschulen

nen ›Flüchtlingen‹ (›Fugitivi‹) die personifizierte Philosophie vor den Göttern, von welch üblen Gestalten unter den Griechen sie repräsentiert werde, während die barbarischen Völker, z. B. Gymnosophisten bzw. Brahmanen, ihr gehorchten.132 Demonax, einer der von Lukian fast panegyrisch gelobten Philosophen, sei auch nicht von zeitgenössischen Lehrern, sondern gleichsam von Natur aus zur Philosophie berufen worden.133 Obwohl er sich als Kyniker verstehe,134 »schneide er nicht« eine Richtung aus der Philosophie »ab«, sondern realisiere sie alle, wobei die Würde und Milde des Sokrates hervorgehoben werden.135 Die kynischen Tugenden der offenen Rede und Freiheit (παρρησία καὶ ἐλευθερία) im Sinne persönlicher Unabhängigkeit sind wichtige Merkmale nicht nur des Demonax, sondern auch anderer in Lukians Augen vorbildlicher Philosophen.136 Sie werden auch vom Platoniker Nigrinos gelobt, dessen Auftreten Lukian durch stete Lektüre, einen Kreis von Philosophenbüsten sowie eine Tafel mit geometrischen Zeichnungen eindrucksvoll schildert.137 Seine Lehre könne einen gleichsam trunken von Philosophie machen.138 Deren angemessener Zweck bestehe freilich darin, zu einem sittlich guten Leben anzuhalten, wozu insbesondere logische Feinheiten ganz überflüssig seien.139 Einen guten Philosophen unterscheidet Lukian von einem schlechten Menschen nicht zuletzt durch ein furchtloses Sterben.140 Eine spöttische Kritik finden hingegen die Geldgier von Philosophen,141 ihre Geltungssucht sowie die heuchlerische Darstellung des Philosophie-Ideals.142 Gerade dieser Punkt wird in vielen Schriften Lukians thematisiert, wenn sich Pseudo-Philosophen zum zeitgenössischen Diskurs über wahre bzw. vorgetäuschte Philosophie äußern.143 Im Hinblick auf die Streitereien der Philosophen kann Lukians Erzählung, wie ein Stoiker auf 132

  Lucianus, Fugitivi 3–11 (3, p.  207, 14–210, 22 Macleod); vgl. J. Gerlach, Die Figur des Scharlatans bei Lukian, in: Pilhofer u. a., Lukian, ›Der Tod des Peregrinos‹, 151–197, hier 165 f. 133   Lucianus, Demonax 3 f. (1, p.  46, 20–47, 6 Macleod). Zur knappen Struktur von Lukians Demonax vgl. D. U. Hansen, Lukians ›Peregrinos‹. Zwei Inszenierungen eines Selbstmordes, in: Pilhofer u. a., Lukian, ›Der Tod des Peregrinos‹, 129–150, hier 132 f. 134   Lucianus, Demonax 62 (1, p.  56, 10–12 Macleod). 135   Lucianus, Demonax 5–10; 14 (1, p.  47, 15–48, 18; 49, 30–50, 3 Macleod); ebenso werden mehrere Richtungen kritisiert bei Lucianus, Hermotimus 85 (4, p.  83, 6–12 Macleod). 136   Lucianus, Demonax 11 (1, p.  48, 26 Macleod). 137   Lucianus, Philosophia Nigrini 2–4 (1, p.  32, 13–23, 28 f. Macleod). 138   Lucianus, Philosophia Nigrini 5 (1, p.  33, 15–20 Macleod). 139   Lucianus, Hermotimus 82 f. (4, p.  81, 20–82, 16 Macleod). 140   Vgl. Hansen, Zwei Inszenierungen eines Selbstmordes, 135 f., zu Lucianus, Demonax 65 f. (1, p.  56, 27–57, 4 Macleod); Lucianus, De morte Peregrini 37 (3, p.  201, 24–202, 5 Macleod). 141   Lucianus, Philosophia Nigrini 4; 25 (1, p.  32, 29–33, 2;40, 25–30 Macleod); Lucianus, Hermotimus 80 (4, p.  80, 9–15 Macleod). 142   Lucianus, Demonax 29, 48 f. (1, p.  52, 13–15; 54, 17–24 Macleod). 143   Einige Texte werden skizziert von Gerlach, Die Figur des Scharlatans, 155–168.

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einem Symposion die Diskussion mit einem Peripatetiker dadurch gewinnt, dass er ihm einen Trinkpokal über den Kopf schlägt,144 als klassisch gelten. Mit solchen Schilderungen ist Lukian vor allem ein wichtiger und witziger Zeuge für den gesellschaftlichen Diskurs über Philosophie, gerade weil die meisten von ihm aufgeführten Punkte topisch sind. Vor allem lässt sich anhand seiner Darstellung verstehen, warum der philosophische Lehrbetrieb für suchende Zeitgenossen eine Enttäuschung darstellt, die sicherlich dazu beiträgt, dass zunehmend religiöse Unterweisungsformen die Stelle rationaler Diskurse auch über Philosophie einnehmen.

7. Offenbarte Philosophie? Der Hermetismus Das Corpus Hermeticum145 ist eine Reihe antiker Schriften, die sich als Offenbarungen des ägyptischen Gottes Thot stilisieren, der nach antikem Verständnis mit dem griechischen Hermes identisch ist. Zumindest einige Schriften des Corpus, das wahrscheinlich einen mehr oder weniger zufällig zusammengekommenen Auszug aus einer umfangreicheren Literatur darstellt, weisen signifikante Anleihen aus der antiken Philosophie auf. Diese Schriften bzw. ihre Inhalte werden als ›gelehrte‹ beziehungsweise ›philosophische‹ Hermetik bezeichnet, wobei es sich aber nicht um ein klar abgegrenztes Untercorpus handelt. Die Texte enthalten teils leicht identifizierbare kaiserzeitliche philosophische Lehren, z. B. die der mittelplatonischen ›Timaios‹-Auslegung entstammenden Prinzipien des göttlichen Geistes als Vater (νοῦς πατὴρ θεός) und des, ihm nachgeordneten, schöpferischen Gottes (δημιουργός), welchem eine besondere Verbindung zum Logos im Menschen zugewiesen wird.146 Bedeutend ist die Rede vom hohen Rang des Menschen, deren Ausführung im ›Asclepius‹ mit der Formel »ein großes Wunder ist der Mensch« (magnum miraculum est homo) zu Beginn von Pico della Mirandolas berühmter Rede ›Über die Würde des Menschen‹ zitiert wird.147 Insgesamt weisen die Prominenz von Platonismus und Aristotelismus so144   Lucianus, Hermotimus 11 f. (4, p.  25, 19–26, 22 Macleod). Vgl. Lucianus, Demonax 28 (1, p.  52, 9–12 Macleod). 145   Zu den Einleitungsfragen vgl.: A. D. Nock, in: Corpus Hermeticum 1. Traités 1–12, Paris 1945, V; H. J. Sheppard  /  A. Kehl  /  R. McL. Wilson, Hermetik, in: RAC 14 (1988), 780–808, hier 780 f.; R. Goulet, Hermetica, in: DPhA 3 (2000), 641–650, v. a. 641–644. 146   ›Hermes Trismegistus‹, Poimandres (1), 4–11 (1, p.  7–10 Nock  /  Festugière). 147   ›Hermes Trismegistus‹, Asclepius 6 (2, p.  301, 18 Nock  /  Festugière); vgl. Clavis Hermae (10), 25 (1, p.  126, 3–12 Nock  /  Festugière); weitere hermetische Parallelen bei A.-D. Nock  /  A.-J. Festugière, in: Corpus Hermeticum 2. Traités 13–18. Asclepius, Paris 1945, 286. Das Zitat des Pico della Mirandola findet sich in: Giovanni Pico della Mirandola, ›De hominis dignitate‹. ›Über die Würde des Menschen‹. Übersetzt von N. Baumgartner. Herausgegeben und eingeleitet von A. Buck. Lateinisch – Deutsch, Hamburg 1990, 4.

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wie das Fehlen des Neuplatonismus in den Traktaten auf die kaiserzeitliche Philosophie als Nährboden jedenfalls des philosophisch geprägten Hermetismus hin. Eine genauere Einordnung ist unter anderem wegen des Mangels frühkaiserzeitlicher Quellen außerordentlich schwierig. Für die Einordnung des Corpus ist von Bedeutung, dass die Texte sich als göttliche Offenbarungen bzw. Prophetien geben und nicht, wie philosophische Texte, als rational begründete Ausführungen. Dies wird in einem Text auch klar ausgesprochen: Es handle sich um eine Offenbarung des Hermes in den für diese typischen »Lauten, die mit Werken vermischt sind«, wodurch sie sich von der »Philosophie der Hellenen« (Ἑλλήνων φιλοσοφία) unterscheide, die nur ein Lärm von leeren Worten (λόγων ψόφος) sei, die Beweise hervorbringen (λόγοι κενοὶ ἀποδείξεων ἐνεργητικοί).148 Allerdings gibt Hermes in diesem Traktat selbst an, anderen eigenen Aussagen zu widersprechen,149 so dass im Medium des offenbarten Hermetismus offensichtlich auch Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden. Auch im Vergleich zur allegorischen Exegese wird der theoretische Unterschied zwischen Offenbarung und rationaler Mythenerklärung nicht eindeutig durchgehalten.150 Andere Texte unterscheiden mehr zwischen der an sich positiv bewerteten Philosophie und ihren fragwürdigen Ausprägungen: Im ›Asclepius‹ wird die Philosophie »allein« als »intensive Betrachtung und heilige Religiosität im Erkennen der Gottheit« (sola in cognosenda divinitate frequens obtutus et sancta religio) bewertet, doch zugleich wird beklagt, dass sie durch Vermischung mit den mathematischen Disziplinen der Arithmetik, Geometrie und Musik unverständlich werde, so dass sie künftigen Menschen kaum offenstehe.151 In den Fragmenten der stark platonisch inspirierten sogenannten ›Tochter der Welt‹ (›Κόρη κόσμου‹) wird die Philosophie, d. h. das philosophische Wissen, als Vorbedingung des Ziels der Frömmigkeit (εὐσέβεια) verstanden, die durch die Einsicht in das Wirken des Schöpfergottes erklärt wird.152 Häufig wird die Philosophie hier in eine Reihe mit Magie, Mantik, Medizin, Prophetie und anderen Wissensbereichen gestellt, so dass diese nicht voneinander abgegrenzt, sondern als verschiedene Ausprägungen eines vollkommenen Gesamtwissens verstanden werden.153 148

  ›Hermes Trismegistus‹, Definitiones Asclepii (16) 2 (2, p.  232, 14–17 Nock  /  Festugière)   ›Hermes Trismegistus‹, Definitiones Asclepii (16) 1 (2, 231, 10 f. Nock  /  Festugière) 150   Vgl. die präzise Darstellung Ch. Tornau, Im Namen des Gottgeziemenden. Mythen und Mythenallegorese in Plutarchs ›De Iside et Osiride‹ und im Corpus Hermeticum, in: M. Erler  /  M. A. Stadler (Hrsg.), Platonismus und spätägyptische Religion. Plutarch und die Ägyptenrezeption in der römischen Kaiserzeit, Berlin  /  Boston 2017, 175–197. 151   ›Hermes Trismegistus‹, Asclepius 12–14 (2, p.  311, 16–313, 2 Nock  /  Festugière). Vgl. Ch. Tornau, Platonische Philosophie im ›Asclepius‹, in: D. Gall u. a., Ps.-Asclepius, ›Asclepius‹. Die göttliche Weisheit des Hermes Trismegistos. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen, Tübingen 2021, 171–222, vor allem 176–179. 152   ›Hermes Trismegistus‹, frg.  2b, 2 (3, p.  13 Nock  /  Festugière). 153   ›Hermes Trismegistus‹, frg.  23, 41 f., 68; 24, 6; 26, 9 (4, p.  13; 22; 54; 83 Nock  /  Festugière). 149

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Die hermetischen Traktate zeigen also eine bewusste Umdeutung philosophischer zu religiösen Aussagen in einem literarisch fingierten Offenbarungskontext. Trotz der teilweise starken philosophischen Prägung wollen sie also selbst keine Philosophie im Sinne des wissenschaftlichen Bildungsgutes der Zeit sein, sondern verkünden einzelne, erlösungsrelevante Lehren, die teils der Philosophie entnommen sind, durch eine religiöse Einkleidung. Damit bezeugen sie sowohl den prägenden Einfluss der Philosophie auf die Religiosität der Kaiserzeit als auch einen grundsätzlichen Zweifel an ihrem Projekt, Menschen durch rationale Unterweisung zum Glück zu führen.

8. Zusammenfassende Würdigung Die nicht-fachphilosophischen Quellen der Zeit zeigen insbesondere, wie stark in der Kaiserzeit ein Kontrast zwischen dem Ideal der Philosophie und dessen tatsächlicher Realisierung in den Philosophenschulen empfunden wird. So unterschiedliche Autoren wie Galen, Lukian und Philostrat berichten von der erfolglosen Wahrheitssuche in verschiedenen Philosophenschulen, welche die Philosophiehistoriker ohne eigenes Urteil und ohne Erwähnung der Zeitgenossen nebeneinander darstellen. Den Wissenschaftlern Galen und Ptolemaios fehlt Gewissheit aufgrund der unklaren wissenschaftlichen Kriterien, den Hermetikern ist sie hingegen durch Beweis gar nicht erreichbar. Lukian und Philostrat zeigen in der ironischen Übersteigerung das Scheitern des Philosophie-Ideals. Als entscheidende Punkte für ein gutes philosophisches Leben, die nicht realisiert werden, werden also durchweg, bei unterschiedlicher Gewichtung, eine gute Lebensweise und eine Gewissheit schaffende Begründung der Möglichkeit zuverlässigen Wissens genannt. Aber trotz aller Kritik bleibt das Ideal für alle Autoren wichtig und sie suchen Strategien zu seiner Erneuerung, die freilich gerade bei den Hermetikern und den Rhetoren letzten Endes darauf hinauslaufen, dass das Philosophie-Ideal faktisch durch das jeweils eigene Idealbild, respektive Offenbarung oder Rhetorik, ersetzt bzw. in dieses integriert wird.

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V. Richtiges Denken und Sterben: Philosophie im kaiserzeitlichen Judentum

In diesem Umfeld, in dem die Philosophie in den halbwegs gebildeten Schichten omnipräsent zu sein scheint, erreicht auch die Selbstdefinition des Judentums als Philosophie im 1. nachchristlichen Jahrhundert einen neuen Höhepunkt, wie das Werk des hellenistischen Juden Philon von Alexandrien und das ›4. Makkabäerbuch‹ zeigen.1 Die ursprünglich griechische Idee, das Judentum sei eine Philosophie, wird von Philon, im Anschluss an Aristobulos und den ›Aristeasbrief‹, aufgegriffen und breit ausgearbeitet, gerade auch im Rahmen der Exegese. Auf diese Weise wird Philon nicht nur eine unserer wichtigsten Quellen für die in dieser Zeit bereits kursierenden mittelplatonischen Lehren, sondern seine philosophische Ausarbeitung des Judentums beeinflusst auch das frühe Christentum stark.2 Die Zeit der gegenseitigen Beeinflussung von Juden und griechisch-römischer Welt erreicht jedoch in der Kaiserzeit mit den drei jüdischen Aufständen von 66–70/73, 115–117 (Aufstand der Diaspora-Juden) und 132–125 (Bar KochbaAufstand) ihr Ende; mit der Niederschlagung der Aufstände verändert sich nicht nur das Bild der Juden in ihrem (auch philosophischen) Umfeld,3 sondern vor allem die innerjüdische kulturelle und auch philosophische Entwicklung als solche:4 Schon Flavius Josephus grenzt am Ende des 1. Jahrhunderts das Judentum von der Philosophie als einem griechisch-römischen Phänomen eher ab. In der sogenannten rabbinischen Literatur, welche die jüdische Schriftstellerei von nun an für Jahrhunderte dominiert, tritt die Auseinandersetzung mit der Philosophie jedenfalls vordergründig zurück. Allerdings lassen sich Philosophenfiguren und philosophische Inhalte auch hier in sorgfältigen Analysen auffinden.

1   Vgl. A. Dihle, Hellas und der Orient. Phasen wechselseitiger Rezeption, Berlin  /  New York 2009, 52–54. 2   Zur Wirkungsgeschichte vgl. z. B. Runia, Philon d’Aléxandrie, 388–390 3   Vgl. die auch für einen epikureischen Text sehr scharfe Polemik bei Diogenes de Oeno­anda, frg.  novum 126, III, 7 – IV, 2 (Anatolian Studies 48 [1998], p.  132 Smith) und dazu Smith, M. F., Excavations at Oinoanda 1997. The New Epicurean Texts, in: Anatolian Studies 48 (1998), 125–170, hier 140–142. 4   Vgl. zu den jüdischen Aufständen J. Maier, Das Judentum. Von der biblischen Zeit bis zur Moderne, Bindlach 31988, 239 f., 247 f., 298–300; F. Millar, The Roman Near East 31 BC– AD  337, Cambridge (Mass.)  /  London 1994, 70–79, 106–108, 366–374; zur kulturellen Entwicklung des Judentums in deren Gefolge vgl. G. Stemberger, Einführung in Talmud und Midrasch, München 81992, 11–24.

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1. Die jüdische Bibel als philosophisches Werk: Philon von Alexandrien Allgemeines Aus dem einzig exakt fassbaren Datum aus Philons Biographie – seiner Beteiligung in vorgerücktem Alter an einer jüdischen Gesandtschaft zu Kaiser Gaius nach Rom im Jahre 39/40 n. Chr. – können wir erschließen, dass er wohl vor der Zeitenwende geboren wird und seine Hauptaktivität in die erste Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts fällt. Er gehört einer führenden jüdischen Familie an, deren jüngere Mitglieder teils das Judentum verlassen und in das Umfeld von Kaisern gelangen. Philon selbst scheint, wie einige Jahrhunderte später Johannes Philoponos, in den philosophischen Kreisen Alexandriens eine gründliche Ausbildung in der Philosophie aller zeitgenössischen Richtungen zu erhalten und auch sonst diese Stadt nie länger zu verlassen.5 Diese Ausbildung spiegelt sich in einem komplexen, ursprünglich durchweg auf Griechisch verfassten literarischen Werk wieder, das überwiegend aus Bibelkommentaren und zu einem geringeren Teil aus philosophischen sowie historischapologetischen Schriften besteht.6 Auch die Kommentare haben allerdings philosophischen Gehalt, da sie 1. die jüdischen Schriften unter Benutzung einer philosophischen Herangehensweise und vieler philosophischer Lehren erklären und 2. eine allegorische Exegese anwenden, die selbst als Beispiel einer philosophischen Textauslegung aufschlussreich ist. Im Einzelnen gilt es dabei zu unterscheiden zwischen a) Quaestionenkommentaren, b) allegorischen Kommentaren und c) der systematischen Auslegung des Gesetzes, zu der unter anderem die Schrift ›Über die Herstellung der Welt‹ (›De opificio mundi‹) mit einer von philosophischen Darstellungen angeregten Schöpfungslehre gehört. In der Forschung eher vernachlässigt, sind Philons im eigentlichen Sinn philosophische Schriften bedeutende Zeugnisse für die literarischen Formen und die Debatten seiner Zeit: ›Über die Ewigkeit der Welt‹ und ›Dass jeder Tugendhafte frei ist‹ (›Quod omnis probus liber sit‹) sind Traktate, ›Über die Vorsehung 1–2‹ (›De providentia‹) sowie ›Ob Tiere denken können‹ (›De animalibus‹) sind Dialoge. Durch ihre Darstellung der verschiedenen Positionen in langen Reden sowie das Auftreten von Philons eigener Person stellen sie interessante formale Parallelen zu den ciceronischen Dialogen dar, die in der Forschung bisher kaum gewürdigt werden. Recht gut erforscht ist hingegen Philons großer Wert für die Kenntnis der Lehren der philoso-

5   Nützliche Überblicksdarstellungen sind S.  Sandmel, Philo Judaeus. An Introduction to the Man, his Writings, and his Significance, in: ANRW 2, 21, 1 (1984), 3–46, dort 4–6 zur Biographie; Runia, Philon d’Aléxandrie, 363–367 zu Biographie und Ausbildung; D. Winston, Philon von Alexandria, in: GGPh 5, 1 (2018), 724–765, hier 725 f. 6   Vgl. zu Philons Werken die Listen bei Sandmel, Philo Judaeus, 6–12 (mit einer nützlichen Überblicksliste aller Werke 10 f.) sowie Runia, Philon d’Aléxandrie, 369 f.

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phischen Richtungen, der freilich durch seine häufige Schweigsamkeit über seine Quellen eingeschränkt wird.7 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Philons Stellung zur Philosophie, auch vor dem Hintergrund seiner Stellung zur griechischen und zur jüdischen Kultur, zu den traditionellen Hauptproblemen der Philon-Forschung gehört.

Philons Leistung: Die Ausarbeitung des Judentums mit den philosophischen Mitteln der Zeit Philons philosophische Leistung besteht grundsätzlich darin, die monotheistische Lehre der Juden auf philosophische Weise auszuarbeiten. Methodisch gibt es aber beachtliche Unterschiede: In Philons exegetischen Traktaten, deren Aussagen das Bild der meisten modernen Deutungen bestimmen, werden philosophische Theoreme recht breit ausgeführt, aber aufgrund des Charakters dieser Texte nicht zu einer einheitlichen Theorie vereint.8 Stattdessen weist Philon teils allegorisch, teils in Form philosophischer Darlegungen oder Lösungen von Problemen9 darauf hin, welche philosophische Einsicht sich seiner Ansicht nach hinter dem gerade zu diskutierenden Text verbirgt. Seine Vorgehensweise steht dabei grundsätzlich der für die Stoiker typischen Allegorese nahe, die bestimmte Worte und Namen des Textes auf Elemente der Wirklichkeit bezieht. Philon verwendet diese Methode jedoch auf eine sehr dynamische, mehrschichtige Weise,10 die im Bibeltext – freilich nicht ohne einige inhärente Spannungen – viele Feinheiten auf mehreren Ebenen aufdeckt. Deutlich sind durchweg terminologisch und inhaltlich breite Anleihen bei verschiedenen Schulen der griechischen Philosophie,11 die nur begrenzt im jüdischen Sinne umgestaltet werden. Das tritt besonders in seinen passagenweise auffallend rational-systematisierenden Bibelerklärungen hervor, wo der biblische Wortlaut geradezu als verschlüsselte Darstellung einer philosophischen Wahrheit präsentiert wird, die – bei Aufnahme vieler stoischer Elemente – im Großen und Ganzen 7

  Vgl. die Übersicht bei Runia, Philon d’Aléxandrie, 380–287.   Vgl. Sandmel, Philo Judaeus, 22; D. T. Runia, Philo of Alexandria and the ›Timaeus‹ of Plato, Leiden 1986, 528 f. 9   Vgl. z. B. Philo Alexandrinus, De opificio mundi 1–25 (1, p.  1, 1–8, 4 Cohn: philosophische Ausarbeitung), sowie De congressu 73 (3, p.  86, 19–25 Wendland: Anspielung auf die Philosophie und den ›Zirkel der Lehre‹). 10  Vgl. z. B. Philo Alexandrinus, Quod deterior potiori insinuare soleat 119–140 (1, p.  287–290 Cohn), sowie dazu J. Cazeaux, Philon d’Aléxandrie, Exégète, in: ANRW 2, 21, 2 (1984), 156–226, hier 182–194, sowie 221–225 (Konklusion); vgl. ferner B. L. Mack, Philo Judaeus and Exegetical Traditions in Alexandria, in: ANRW 2, 21, 2 (1984), 227–271, sowie Runia, Philon d’Aléxandrie, 376–379, zur philosophiehistorischen Verortung seiner exege­ tischen Methode(n). 11   Dazu Runia, Philon d’Aléxandrie, 380–387. 8

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recht nah bei Platons ›Timaios‹ bzw. dessen mittelplatonischen Deutungen ist. Am deutlichsten ist dies in seinem Weltschöpfungsbericht in ›Über die Herstellung der Welt‹: Hier wird eine monotheistische Platon-Deutung – die Ideen sind im Geiste Gottes – mit einer Weltentstehungslehre verbunden, in der Gott die Welt neu erschafft, indem er Ordnung in eine ungeordnete, bereits vorliegende Materie bringt.12 Auch die griechische Variante von ›Exodus‹ 3, 14 (ἐγώ εἰμι ὁ ὤν; »Ich bin der Seiende«) wird so gedeutet, als hätte Gott sich selbst als Sein schlechthin verstanden, ohne dass ihm eine andere Benennung zukäme.13 Aus einer anderen göttlichen Selbstaussage entwickelt Philon eine Unterscheidung des einen Gottes (ὁ ϑεός) vom mit der alttestamentlichen Weisheit zu identifizierenden göttlichen Logos, der im übertragenen Sinne »göttlich« (ϑεός) genannt werde.14 Während Philon in seinen exegetischen Traktaten noch klar innerhalb des jüdischen Kontexts spricht, geschieht das in den philosophischen Werken eher indirekt. Im Mittelpunkt steht auch hier häufig die Frage nach einer Weltentstehung und -regierung durch Gottes Wirken: Von beträchtlichem Quellenwert für die Philosophie seiner Zeit ist zunächst Philons Aufarbeitung der Debatte ›Über die Ewigkeit der Welt‹,15 in der er bereits drei Positionen unterscheidet: a) Die Welt sei ungeworden und unvergänglich; b) die Welt sei geworden und vergänglich; c) sie sei geworden, aber in die Zukunft hinein unvergänglich. Während die erste Position Aristoteles zugeordnet wird – nicht ohne dessen Frömmigkeit hervorzuheben –, wird die zweite – in durchaus differenzierter Weise – den Epikureern zugeschrieben, die dritte hingegen Platons ›Timaios‹, über dessen frühkaiserzeitliche Exegese wir auf diese Weise informiert werden.16 Obwohl Philon eigene Nachforschungen andeutet, z. B. in der vorsichtigen Nennung des Okellos Lukanos als möglichen Vorgängers des Aristoteles in der These von der Ewigkeit der Welt, liegt eine Benutzung älterer Doxographien nahe, z. B. durch die etwas summarische und wenig überzeugende Behandlung der Stoiker. Im Dialog ›Über die Vorsehung‹, wo Philon selbst mit primär stoischen Argumenten für die Vorsehung argumentiert, während sein Gesprächspartner Alexander epikureische und skeptische Argumente dagegen vorträgt,17 bewegt sich Phi12   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 8 f. (1, p.  2, 16–3, 6 Cohn). Zu Philons Lehre von der Weltentstehung vgl. z. B. May, Schöpfung aus dem Nichts, 9–21; Ch. Tornau, Materie, in: RAC 24 (2012), 346–410, hier 370–373 (ohne Erwähnung von ›De providentia‹); Runia, Philon d’Aléxandrie, 380. 13   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 75 f. (4, p.  137, 9–16 Cohn). 14   Philo Alexandrinus, De somniis 1, 229  f. (2, p. 253, 24–254, 7 Wendland).Vgl. W. Löhr, Logos, in: RAC 23 (2010), 327–436, hier 348  f. 15   Zu einer möglichen Abhängigkeit dieser Schrift von Aristoteles’ ›De philosophia‹ vgl. B. Effe, Studien zur Kosmologie und Theologie der Aristotelischen Schrift ›Über die Philosophie‹, München 1970, 7–17. 16   Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 10–16 (6, p.  76, 3–77, 20 Cohn  /  Reiter). 17   Vgl. L. Früchtel, in: L. Cohn u. a. (Hrsg.), Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung 7, Berlin 1964, 268.

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lon – freilich noch immer nicht ganz einheitlich – zur philosophischen Ausarbeitung einer monotheistischen Schöpfungstheorie hin: Nun entwickelt er, vielleicht das erste Mal in einem erhaltenen Text, ein philosophisches Argument gegen die Annahme der Ewigkeit der Welt: Wenn die Glieder der Welt einen Anfang haben, muss auch die Welt als Ganze entstanden sein, so wie es die Menschheit auch nur geben kann, wenn erst einmal ein Mensch entstanden ist. Damit sei eine Ursache für die im Kontext der griechischen Philosophie generell als unplausibel angesehene These angegeben, dass etwas aus dem Nicht-Sein ins Sein kommen könne.18 Die Frage der Materie sei hierbei deswegen irrelevant, weil sie niemals ohne den Schöpfungsakt Gottes bestehen könne, der seinerseits ewig sein müsse, solle der Güte Gottes kein Abbruch getan werden.19 Des Weiteren hält Philon die göttliche Vorsehung für vereinbar mit der »Selbstbestimmung des Menschen« (inkcnišxanowtciwn mardoyn, wohl = τὸ αὐτεξούσιον τοῦ ἀνθρώπου) bzw. seiner »selbstbestimmten Freiheit« (inkcnišxan asatowtciwn, = αὐτεξούσιος ἐλευθερία?) und meint, so die göttliche Gerechtigkeit rechtfertigen zu können.20 In ›Ob Tiere denken können‹ (›De animalibus‹) argumentiert Philon selbst ebenfalls stoisch gegen das Denkvermögen der Tiere, während sein Gesprächspartner Lysimachos mit skeptischen Argumenten auf interessante Weise die Gegenthese vertritt.21 Mit derartigen Ausführungen ist Philon nicht nur ein terminologisch wichtiger Zeuge philosophischer Debatten seiner Zeit – gerade die Idee, etwas könnte aus dem Nichtsein ins Sein kommen, dürfte keinem Fachphilosophen eingeleuchtet haben22 –, sondern formuliert zwei entscheidende Punkte aus, welche auch in der philosophischen Ausarbeitung des Christentums und Islams eine große Rolle spielen werden.

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  Philo Alexandrinus, De providentia 1 (p.  6 f. Aucher).   Philo Alexandrinus, De providentia 1 (p.  4 f. Aucher). 20   Philo Alexandrinus, De providentia 1 (p.  36–42 Aucher; zitierte Begriffe p.  36). 21   A. Terian, in: Philonis Alexandrini ›De animalibus‹. With an Introduction, Translation, and Commentary, Chico (California) 1981, 46–56; A. Terian, Introduction to Philo’s Dialogues, in: ANRW 2, 21, 1 (1984), 272–294, hier 276–281. 22   In der Tat nimmt ihn Philon in De providentia 2, 47–49 (p.  79 f. Aucher) für die Zwecke der Debatte über die Providenz die Ewigkeit der Materie an, ebenso auch in De opificio mundi 21 f. (1, p.  6, 14–7, 2 Cohn). 19

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Begriff und Verständnis von Philosophie Philons eigenes Philosophieverständnis, wie es sich in seinen eigenen Aussagen spiegelt,23 enthält eine große Hochachtung für die Philosophie: Mit den Worten »Kein vollkommeneres Gut als sie kam in das menschliche Leben«24 greift er die Formel aus Platons ja auch sonst in ›Über die Herstellung der Welt‹ häufig benutztem ›Timaios‹ auf und meint damit, wie er gegenüber dem Kaiser formuliert, die »jüdische Philosophie und Frömmigkeit« (Ἰουδαϊκὴ φιλοσοφία καὶ εὐσέβεια).25 Der Philosophie wegen habe Aristoteles gegenüber Platon Ehrfurcht gehabt, betont er an anderer Stelle.26 Insbesondere bewirkt die Philosophie eine Unterwerfung der übrigen Seelenteile unter den Logos.27 Charakteristisch für Philons Philosophieverständnis ist ferner die emphatische Betonung der »Harmonie von Vernunft und Werk« (ἁρμονία λόγου καὶ βίου),28 bei der die Dogmata der Philosophie durch konstante Übung ins Leben aufgenommen werden.29 Diese Einbettung der rationalen Erkenntnis in die Lebensführung stellt er, wie es z. B. auch Lukian tut, als Besonderheit der Barbaren der griechischen Philosophie gegenüber.30 Ein spätes und unklares Zeugnis legt sogar nahe, dass sich Philon, wie Clemens berichtet, selbst als Pythagoreer versteht.31 Wie Epiktet und Numenios beklagt er, mit skeptischen Zügen, die fehlende Einheit und Urteilsfähigkeit der Philosophen. »Das zur Philosophie Gehörige ist im Hinblick auf den plausiblen und untersuchenden Geist von Uneinigkeit voll, während die Wahrheit davonläuft«.32 Als Liebe zur Weisheit, wie Philon die Philosophie ebenfalls manchmal bezeichnet,33 hat sie in der Einübung von Tugenden einen Zweck in sich selbst, wird aber 23

  Zu Philons Philosophiebegriff allgemein vgl. A.-M. Malingrey, Philosophia. Étude d’un groupe de mots dans la littérature grecque, des Présocratiques au IVe s. après J.-C., Paris 1961, 77–91; konzis dazu Runia, Philo of Alexandria and the ›Timaeus‹, 535 f. 24   Τὸ φιλοσοφίας συνέστη γένος, οὗ τελειότερον ἀγαθὸν οὐκ ἦλθεν εἰς τὸν ἀνθρώπινον βίον. Philo Alexandrinus, De opifico mundi 53 f. (1, p.  17, 11–18, 10, Zitat 18, 9 f. Cohn), in enger Anlehnung an Plato, Timaeus 47a. Dem Sinn nach ähnlich, aber frei paraphrasierend, ist Philo Alexandrinus, De Abrahamo 162–164 (3, p.  37, 7–38, 4 Cohn). 25   Philo Alexandrinus, Legatio ad Gaium 245 (6, p.  201, 2 f. Cohn  /  Reiter). 26   Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 16 (6, p.  77, 15–20 Cohn  /  Reiter) 27   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 26 (4, p.  66, 21–67, 3 Cohn); De congressu 63–70 (3, p.  84, 22–86, 9 Wendland). 28   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 29 (4, p.  126, 24 Cohn); vgl. Quod omnis probus liber sit 96; 111 (6, p.  27, 8–28, 4; 31, 19–32, 6 Cohn  /  Reiter). 29   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 29; 1, 48 (4, p.  126, 22–24; 131, 6–13 Cohn). 30   Philo Alexandrinus, Quod omnis probus liber sit 96 (6, p.  27, 8–28, 4 Cohn  /  Reiter). 31   Vgl. dazu Schorn, Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?, 54 f. 32   Τὰ δὲ κατὰ τὴν φιλοσοφίαν μεστὰ διαφωνίας γέγονε τὸν πιθανὸν καὶ στοχαστικὸν νοῦν τῆς ἀληθείας ἀποδιδρασκούσης. Philo Alexandrinus, Quis rerum divinarum heres sit 246–248, Zitat 248 (3, p.  55, 17–56, 17 Wendland). Vgl. Runia, Philon d’Aléxandrie, 386 f. 33   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 70 (1, p.  23, 18 Cohn); vgl. Philo Alexandrinus, Quod Deus sit immutabilis 148 (2, p.  87, 27 Wendland).

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noch besser um Gottes willen betrieben. In diesem Zusammenhang zitiert er auch die stoische Definition der Weisheit als »Wissen vom Göttlichen und Menschlichen sowie von dessen Ursachen« (ἐπιστήμη τῶν θείων καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων) und betont die Hinordnung der Philosophie auf diese, so wie der Zirkel der Lehre als Magd auf die Philosophie hingeordnet sei.34 In der Aufnahme der Kenntnis der Ursachen in seine Formulierung stimmt Philon gegen die meisten Belege mit Cicero überein.35 Die Philosophie ist für ihn insofern das, was den Menschen unsterblich macht, indem er sich in den Bereich des Geistigen beziehungsweise der Ideen erhebt,36 wodurch sie mit der Gottesfurcht (θεοσέβεια) übereinkommt,37 denn die Ideen seien im Geiste Gottes.38

Die »Philosophie des Mose« Für Philons Nachweis, dass diese Philosophie am vollkommensten im Judentum gelebt wurde,39 ist die Darstellung des Mose als Philosophen zentral, der nicht nur eine vollkommene Ausbildung durch verschiedene Wissenschaften, die symbolische Philosophie der Ägypter40 und die griechische Basisausbildung (ἐγκύκλιος παιδεία) erfahren haben soll,41 sondern sich auch durch Klugheit und Tugenden charakterlich bildet, so dass er seinen Mitmenschen gleichsam als göttlicher Geist (νοῦς) erscheint.42 Im Ergebnis erscheint er als ein Vorbild wahrer Philosophie, die er auf theoretische und praktische Weise in seinem Leben realisiert.43 Moses’ Rang als Philosoph zeigt sich aber auch an seinen philosophischen Erkenntnissen und der Art von deren Darstellung, namentlich in Bezug auf die Weltschöpfung, bei der er u. a. eine mythologische Darstellung vermieden haben soll.44

Einteilung der Philosophie Wenn Philon die Philosophie einteilt, folgt er bevorzugt Aristoteles’ Einteilung in theoretische und praktische Philosophie, versteht aber beide Formen als Le34

  Philo Alexandrinus, De congressu 79 f. (3, p.  87, 19–88, 10 Wendland).   S. oben S. 466. 36   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 77; 135 (1, p.  26, 1–9; 46, 19–47, 11 Cohn). 37   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 154 (1, p.  54, 1 f. Cohn); vgl. Legatio ad Gaium 245 (6, p.  201, 2 f. Cohn  /  Reiter). 38   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 20 (1, p.  6, 7–9 Cohn); s. oben S. 544. 39   Vgl. dazu Philo Alexandrinus, Legatio ad Gaium 245 (6, p.  201, 2–9 Cohn  /  Reiter). 40   S. unten S. 767, 817. 41   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 23–26 (4, p.  125, 5–126, 12 Cohn). 42   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 27 (4, p.  126, 12–17 Cohn). 43   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 48 (4, p.  131, 8 f. Cohn). 44   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 2; 8 (1, p.  1, 4–9; 2, 16–18 Cohn). 35

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bensweisen, rückt sie also, durchaus in Übereinstimmung mit einigen Aussagen der ›Nikomachischen Ethik‹, in den Bereich der Ethik.45 Wo er die stoische Dreiteilung der Philosophie erwähnt, misst er auch Logik und Physik an ihrem Nutzen für die Ethik: Manchmal lässt er die Logik insoweit gelten, wie sie die übrigen Disziplinen vor Täuschung schütze;46 an anderer Stelle erklärt er hingegen die Logik für vollständig überflüssig, ebenso wie die Physik nur Geschwätz sei, sofern sie nicht Gott beweise und seine Schöpfung erkläre.47 Wenn demnach nur die Ethik, die durch grundlegende theologische Reflexionen gestützt wird, wirklich Philosophie sein kann, dann kann die theoretische Philosophie, die Philon für deren »schönsten und göttlichen« Teil erklärt,48 nicht theoretische Reflexion schlechthin meinen, sondern entweder das Studium der heiligen Schriften oder, wie von Philon an anderer Stelle hervorgehoben, die letztlich durch göttliche Eingebung vermittelte Gottesschau.49

Therapeuten als Ideal gelebter Philosophie Anhand der jüdischen Gruppe der Therapeuten, die auf asketische Weise an ­einem heiligen Ort zusammenleben, den Philon mit dem später für »Kloster« verwendeten Wort (μοναστήριον) bezeichnet,50 entwickelt Philon ein Idealbild jüdischer Philosophie. Da es allerdings überall, bei Griechen wie Barbaren, Therapeuten geben soll,51 die nach ihrer Frömmigkeit (ὁσιότης) »Essener« (Ἐσσαῖοι) genannt werden,52 scheint er sich nichtjüdische Analogien vorstellen zu können. Dies wird auch durch den Verweis auf die vorbildlichen nichtgriechischen Philosophen unterstrichen, in deren gelebte Tradition sich für Philon die Therapeuten einordnen, wenngleich er die jüdische Tradition im Ganzen als weit älter betrachtet als die griechische Philosophie.53

45

  Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 48 (4, p.  131, 8–13 Cohn); De vita contemplativa 1 (6, p.  46, 1–10 Cohn  /  Reiter). 46   Philo Alexandrinus, De agricultura 12–16 (2, p.  97, 15–98, 13 Wendland) = SVF 2, 39. 47   Philo Alexandrinus, Quod omnis probus liber sit 80 (6, p.  23, 9 f. Cohn  /  Reiter; über die Therapeuten); ähnlich De mutatione nominum 69–76 (3, p.  169, 13–170, 13 Wendland; über Abraham). 48   Philo Alexandrinus, De vita contemplativa 67 (6, p.  64, 3 f. Cohn  /  Reiter). 49   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 2, 66 f. (4, p.  216, 3–13 Cohn). 50   Philo Alexandrinus, De vita contemplativa 25 (6, p.  52, 15 Cohn  /  Reiter). 51   Philo Alexandrinus, De vita contemplativa 21 (6, p.  51, 13–15 Cohn  /  Reiter). 52   Philo Alexandrinus, Quod omnis probus liber sit 75 (6, p. 22, 2–4 Cohn  /  Reiter). Zum historischen und sprachlichen Hintergrund vgl. H. Lichtenberger, Essener  /  Therapeuten, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 2 (41999), 1590–592. 53   Philo Alexandrinus, De aeternitate mundi 17–19 (6, p.  77, 20–78, 11 Cohn  /  Reiter); vgl. Quod omnis probus liber sit 72–75 (6, p.  21, 6–22, 6 Cohn  /  Reiter).

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Die theoretische Existenz der Therapeuten ist in Philons Darstellung ganz auf das Studium der jüdischen Bibel zentriert.54 Dieses ist eine ihrem Erbe angemessene Form von Philosophie, indem durch die allegorische Auslegungsweise nicht nur der Wortsinn der Schrift, sondern auch der dahinterstehende innere Sinn begriffen wird.55 Faktisch bedeutet allerdings ein allegorisches Schriftstudium etwas ganz anderes als die aristotelische Theorie (θεωρία): An die Stelle vernunftgeleiteter Untersuchungen tritt als theoretische Seite eines praktischen Lebens das Versenken in eine Tradition, aus deren Verständnis heraus die Wahrheit ermittelt wird.

Verhältnis der Philosophie zu Politik, Rhetorik und Fachwissenschaften Die Politik56 ist für Philon auf theoretischer Ebene deswegen wichtig, weil sein Vorbild Mose insbesondere als Gesetzgeber hervortritt. Philon zieht zu seiner Charakterisierung Platons Ideal des Philosophenkönigtums heran, nimmt aber an, dass im Falle des Mose auch die drei Fähigkeiten der Gesetzgebung, der Hohepriesterschaft und der Prophetie hinzugekommen seien, so dass er in gewisser Weise als noch idealerer Herrscher als der Philosophenkönig dargestellt wird, der z. B. als Prophet auch Zufälle vorhersehen kann.57 Zur für die Bibelinterpretation wichtigen Erklärung des Gesetzes und der Figur des Gesetzgebers zieht Philon, wie andere kaiserzeitliche Philosophen auch,58 die Gesetzestheorien aus Platons ›Nomoi‹ ebenso heran wie den stoischen Kosmopolitismus.59 Zumindest der zeitgenössischen Rhetorik steht Philon kritisch gegenüber, da diese nicht wirklich die Wahrheit suche.60 Bei der Sophistik wichen, im Unterschied zur Philosophie, die Taten von den Worten ab.61 Letztlich beurteilt er die Rhetorik aber wie alle anderen nicht philosophischen Fertigkeiten (τέχναι) nach ihrem Nutzen für die Ethik, was, im Sinne der philosophischen Tradition, zur kompletten Ablehnung der Gerichtsrhetorik und auch einer rein theoretischen Medizin führt.62 Philon ist ein wichtiger Zeuge dafür, dass ein Studium insbesondere der mathematischen Wissenschaften sowie überhaupt der allgemeinbildenden Disziplinen, das er auch selbst durchlaufen hat, als Voraussetzung eines Philosophiestudiums 54

  Philo Alexandrinus, De vita contemplativa 28 f. (6, p.  53, 10–54, 2 Cohn  /  Reiter).   Philo Alexandrinus, De vita contemplativa 27; 78 (6, p.  53, 6–9; 67, 1–9 Cohn  /  Reiter). 56   Dazu R. Barraclough, Philo’s Politics. Roman Rule and Hellenistic Judaism, in: ANRW 2, 21, 1 (1984), 417–553 57   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 2, 2–7 (4, p.  200, 9–202, 4 Cohn). 58   S. oben S. 605. 59   Philo Alexandrinus, De opificio mundi 3 (1, p.  1, 9–13 Cohn); Quod Deus sit immutabilis 148 (2, p.  87, 23 f. Wendland). 60   Philo Alexandrinus, De vita contemplativa 31 (6, p.  54, 10–13 Cohn  /  Reiter). 61   Philo Alexandrinus, De congressu 67 (3, p.  85, 16–19 Wendland). 62   Philo Alexandrinus, De agricultura 13 (2, p.  97, 17–24 Wendland). 55

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gesehen wird.63 Diese Studien sind Dienerinnen bzw. Mägde (θεραπαινίδες) der Herrin Philosophie, sie sollen zu ihr (vor allem zur Ethik) hinführen, dürfen aber nicht von ihr ablenken. Sie können auch nicht aus der Philosophie abgeleitet werden.64 Diese Aussagen, die zeitgenössische Vorstellungen vom Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften in den jüdischen Kontext übertragen, sind wichtigere Anregungen für spätere christliche Verhältnisbestimmungen zwischen dem Glauben und der (hellenisch-römischen) Philosophie als dessen ›Magd‹ von Interesse.65

Würdigung Philons Absicht, zu zeigen, dass die »in der Nachfolge des Mose Philosophie Treibenden« (οἱ κατὰ Μωυσῆν φιλοσοφοῦντες)66 den übrigen Philosophen nicht nur ebenbürtig, sondern durch Alter ihrer Tradition, vorbildliche Lebensführung und richtige Theologie sogar überlegen sind, macht ihn zu einer Schlüsselfigur der Geschichte des Philosophiebegriffs. Sein Grundgedanke, dass Philosophie in einer harmonischen Übereinstimmung von praktischer und theoretischer Lebensführung besteht, deren theoretische Impulse durch die jüdische Bibel geliefert werden, ist eine als solche einleuchtende jüdische Ausarbeitung des zeitgenössischen Konzepts von Philosophie, dem zufolge der philosophische Bios in einer bestimmten Richtung (αἵρεσις) der Philosophie gelebt wird, deren Lehre z. B. durch Studium ihrer Schriften erlernt wird. Philons theoretische philosophische Ausführungen bemühen sich ebenfalls, seine jüdischen Überzeugungen mit den Denkfiguren der zeitgenössischen Philosophie auszuarbeiten. Obwohl seine Ausführungen meist recht geschlossen und durchdacht wirken, sind aber Schwankungen und Entwicklungen nicht zu übersehen, namentlich in der Weltschöpfungslehre, zu der Philon in ›Über die Vorsehung‹ größere Eigenständigkeit entfaltet. Die Behauptung, bei Philon finde sich eher eine »philosophically orientated exegesis« als eine Philosophie, schränkt daher vor dem Horizont einer Epoche, in der die Exegese der klassischen Vorbilder 63   Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 23 f. (4, p.  125, 5–20 Cohn); zu Philons eigener Bildung: De congressu 74–76 (3, p.  86, 26–87, 9 Wendland). Vgl. H. Fuchs, Enkyklios Paideia, in: RAC 5 (1962), 365–398, hier 389 f.; Hadot, Arts libéraux et philosophie, 282–287; Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria, 43. 64   Philo Alexandrinus, De agricultura 17–19 (2, p.  98, 13–99, 6 Wendland); Philo Alexandrinus, De congressu 72–80 (3, p.  86, 15–88, 10 Wendland). 65   Vgl. unten S. 666  f. zur Rezeption bei Clemens sowie R. Klein, in: Gregor der Wundertäter. ›Oratio prosphonetica ac panegyrica in Origenem‹. Dankrede an Origenes. Übersetzt von P. Guyot. Eingeleitet von R. Klein (FC 24), Freiburg u. a. 1996, 83–86; K. Parry, Eastern Christianity and Late Antique Philosophy. A Conspectus, in: Anagnostou-Laoutides  /  Parry (Hrsg.), Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, 13–51, hier 13. 66   Philo Alexandrinus, De mutatione nominum 223 (3, p.  195, 18 Wendland).

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wesentlich das Philosophieren ausmacht, und in Anbetracht seines jüdisch-griechischen Ausgangspunktes Philons Anerkennung als Philosoph keineswegs ein.67

2. Das rechte Sterben auf jüdische Weise: Philosophie im ›4. Makkabäerbuch‹68 Die Form, die die kaiserzeitliche Philosophie in jüdischen Kreisen annimmt, bezeugt das ›4. Makkabäerbuch‹, das teilweise innerhalb der Septuaginta überliefert ist, aber wohl erst aus dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. stammt und das Martyrium einiger Rebellen aus der Familie der Makkabäer, nämlich des Eleazar, einer Mutter und ihrer sieben Söhne vor dem König Antiochos, als Exemplum darstellt.69 Damit zeigt das Werk sowohl den Mut jüdischer Philosoph(inn)en vor dem Herrscher als auch ihr vorbildliches Sterben als gelebte Philosophie.70 Das Beweisziel der Schrift, dass die jüdische Lebensweise Philosophie ist,71 könnte auf nicht-jüdische Adressaten hindeuten. Die Wortwahl der Schrift schließt an griechische Traditionen an, z. B. wenn die Philosophie als Herrschaft der »herrschenden Überlegung« (αὐτοκράτωρ λογισμός) über die anderen Seelenteile verstanden wird.72 Deutlich ist aber, dass diese »göttliche Philosophie« (θεία φιλοσοφία)73, wie bei Philon, als unlösbar verbunden mit Frömmigkeit (θεοσέβεια) oder Gesetzesgehorsam verstanden wird, den die Herrschaft des Logismos ermöglicht.74 Theoretische Arbeit spielt demnach für das Philosophieverständnis im Sinne des ›4. Makkabäerbuchs‹ keine Rolle. Parallelen zu Philon zeigen sich in der Definition der Weisheit als »Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge sowie von deren Ursachen«75 sowie in der Zuschreibung von Priestertum (ἱεροσύνη) und Gesetzgebung (νομοθεσία) an die jüdischen Märtyrer, ebenso wie Philon es für Mose behauptet.76 67   Vgl. die abwägende Analyse von Runia, Philo of Alexandria and the ›Timaeus‹, 535– 546, Zitat 544. 68   Vgl. J. W. van Henten, The Maccabean Martyrs as Saviours of the Jewish People, Leiden 1997, 270–294. 69   IV Maccabaeorum 1, 1. Die biblische Referenz ist vor allem das siebte Kapitel des ›2. Makkabäerbuchs‹. 70   S. oben S. 578, 602  f. 71   IV Maccabaeorum 5, 22–26. 72   IV Maccabaeorum 1, 1–8. 73   IV Maccabaeorum 7, 9. 74   IV Maccabaeorum 1, 17; 2, 1–6, 15–23; 7, 18–23. 75   Σοφία δὴ τοίνυν ἐστὶν γνῶσις θείων καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων καὶ τῶν τούτων αἰτιῶν. IV Maccabaeorum 1, 16; vgl. Philo Alexandrinus, De congressu eruditionis gratia 79 (3, p.  88, 2 f. Wendland). 76   IV Maccabaeorum 5, 35; vgl. Philo Alexandrinus, Vita Moysis 2, 2 (4, p.  200, 13–15 Cohn).

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3. Das hohe Alter als Vorzug des Judentums: Philosophie im Werk des Flavius Josephus Vom Werk des Flavius Josephus (ca. 37/38–100 n. Chr.), der im römischen Exil, nach einer erfolglosen und wechselvollen Teilnahme am jüdischen Unabhängigkeitskrieg, die beiden Geschichtswerke ›Der jüdische Krieg‹ (›Bellum Iudaicum‹) und ›Jüdische Altertümer‹ (›Antiquitates Iudaicae‹) verfasst,77 ist die kleinere Schrift ›Gegen Apion‹ (›Contra Apionem‹) philosophiehistorisch am bedeutendsten. Hauptziel dieser Rechtfertigung des Judentums als alte und wahre Philosophie ist es nämlich, das höhere Alter der jüdischen im Vergleich zu anderen Traditionen zu erweisen,78 womit er eine Tradition aufgreift, die, wohl nach stoischen Anfängen, auch im Mittelplatonismus seiner Zeit genutzt wird.79 Zu diesem Zweck zitiert Josephus ausführlich aus Peripatetikern und anderen griechischen Denkern, die das Judentum positiv erwähnen,80 um, im Anschluss an die hellenistische Lehre von der Barbarenphilosophie,81 das Alter der jüdischen Tradition im Vergleich zur griechischen Philosophie hervorzuheben: Platon und andere hellenische Philosophen hätten in Wirklichkeit den Gesetzgeber Moses nachgeahmt.82 Josephus lobt weiterhin ausdrücklich die richtige, monotheistische Gotteserkenntnis von Pythagoras, Anaxagoras, Platon und den Stoikern, kritisiert diese aber dafür, »die Wahrheit der Lehre vor den Massen, die von Meinungen vorab ergriffen waren«, geheim gehalten zu haben, während Mose sie, wie es sich für eine gute Lebensführung gehört, allen verkündigt habe; Platon habe sich durch sein Schweigen geradezu lächerlich gemacht.83 Das Wort ›Philosophie‹ nutzt Josephus in seinen historischen Werken zur Charakterisierung der jüdischen Gruppen der Pharisäer, Sadduzäer, Essener und der sogenannten »vierten Philosophie«, d. h. derjenigen der Zeloten, welche die Anregung zum jüdischen Aufstand von 66 n. Chr. geben.84 Hierbei dürfte gerade die Verbindung einer bestimmten Lebensweise mit gewissen theoretischen Ansichten die Bezeichnung Philosophie rechtfertigen. 77

  Übersicht: H. Schreckenberg, Josephus (Flavius Josephus), in: RAC 18 (1998), 761– 801, hier 762–770 zur Biographie. 78   Zu den Werken vgl. Schreckenberg, Josephus, 771–779. Zum Thema von ›Contra Apionem‹ vgl. v. a. die Einleitung, Flavius Iosephus, Contra Apionem 1, 2–5 (p.  3  f. Reinach). 79   Vgl. oben S. 411 und 547  f. 80   Flavius Iosephus, Contra Apionem 1, 161–218 (p.  31–41 Reinach); vgl. dazu Th. Reinach, in: Flavius Josèphe, ›Contre Apion‹. Texte établi et annoté par Th. Reinach, traduit par L. Blum, Paris 1930, XX–XXIX. 81   Flavius Iosephus, Contra Apionem 1, 6 f. (p.  4 Reinach). 82   Flavius Iosephus, Contra Apionem 2, 257; 2, 281 (p.  104; 108 Reinach). 83   Εἰς πλήθη δόξαις προκατειλημμένα τὴν ἀλήθειαν τοῦ δόγματος ἐξενεγκεῖν οὐκ ἐτόλμησαν. Flavius Iosephus, Contra Apionem 2, 168–172, Zitat 169; 2, 223 f. (p.  87 f.; 98 Reinach). 84   Flavius Iosephus, Bellum Iudaicum 2, 119–166 (1, p.  204–214 Michel  /  Bauernfeind); Antiquitates Iudaicae 18, 11–25 (12, p.  8–22 Feldman).

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Insgesamt tendiert Josephus allerdings – trotz einiger Anklänge an Philon z. B. im Hinblick auf die kosmische Dimension des Gesetzes85 und die Übereinstimmung von Worten und Werken86 – dazu, das Judentum nicht selbst als Philosophie zu bezeichnen, sondern eher mit dem griechischen Phänomen dieses Namens zu vergleichen. Seine Bedeutung liegt vor allem in der Zusammenstellung von Elementen einer philosophiekritischen jüdischen Polemik mit einer starken Betonung des Arguments des höheren Alters der eigenen Tradition, die sich im Christentum fortsetzen wird.87

4. Rezeption von Philosophie im rabbinischen Judentum Die Erschütterungen des antiken Judentums infolge der gescheiterten Aufstände führen dazu, dass nicht-griechisch schreibende Autoren die Meinungsführerschaft im Judentum erlangen, nämlich die sogenannten Rabbinen. Wohl ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. stellen sie die großen Sammelwerke zusammen, die bis heute als ›Mischna‹ und ›Talmud‹ die Grundlage der orthodoxen Deutung des jüdischen Gesetzes bilden. Hellenistische jüdische Texte werden fortan kaum mehr abgeschrieben, so dass eine eventuelle Weiterentwicklung der Philosophie im Judentum anhand der rabbinischen Schriften geprüft werden muss. Von diesen sind die Sammlungen ›Mischna‹ und ›Tosefta‹ (Hinzufügung zur ›Mischna‹) in der Kaiserzeit redigiert worden, aber auch einige exegetische Einzelschriften wie ›Genesis Rabbah‹ berichten aus Diskussionen in dieser Epoche. Die jüngeren Fortschreibungen der Talmude (bzw. die ›Gemara‹) sollen dann im Spätantike-Kapitel kurz angesprochen werden.88 Die auf Hebräisch und Aramäisch abgefassten Werke der Rabbinen geben deren Diskussionen über die rechte Auslegung des Gesetzes in einer ziemlich formalisierten und häufig pointiert gekürzten Weise wieder. Sie gelten im Allgemeinen von ihrer Methode und ihrem Anspruch her als unphilosophisch, doch hat Jacob Neusner in mehreren Publikationen das Gegenteil behauptet: Für ihn zeigen die rabbinischen Texte ein philosophisches Vorgehen, indem, ausgehend vom Alltagsleben und seinen Problemen, Lösungen durch offene und rational geführte Diskussionen gesucht werden. Diese klassifizierten die Phänomene anhand der Methoden von Polarität und Analogie, mit dem Ziel, für ähnliche Fälle eine möglichst allgemeine Regel zu formulieren. Dies geschehe in der ›Mischna‹ auf 85   Flavius Iosephus, Contra Apionem 2, 284 (p.  109 Reinach); vgl. Philo Alexandrinus, De opificio mundi 3 (1, p.  1, 10–13 Cohn). 86   Flavius Iosephus, Contra Apionem 2, 169 (p.  87 f. Reinach); vgl. Philo Alexandrinus, Vita Moysis 1, 29 (4, p.  126, 22 f. Cohn). 87   Vgl. Schreckenberg, Josephus, 794–796. 88   Zu den komplizierten Details der hier verwendeten Terminologie vgl. G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 92011.

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analytische Weise dadurch, dass man prüfe, welche Bibelstelle zur Grundlage der Entscheidung welcher Fälle dienen müsse.89

Philosophen in rabbinischen Texten Unabhängig von solchen generellen Gesichtspunkten weisen rabbinische Traktate, trotz ihrer fremdartigen Textform und sprachlichen Besonderheit, beachtliche Berührungspunkte mit ihrer hellenistischen Umwelt auf. Die hier berichteten Begegnungen von Rabbinen und Philosophen90 lassen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der philosophischen und der rabbinischen Diskurse erkennen und können insofern auch Neusners Thesen illustrieren: Es handelt sich stets um Gespräche zwischen anonymen Philosophen (sg. filosofos, pl. filosofīn) und Rabbinen, die sich zwar in relativ spät (5./6. Jhdt.) redigierten Schriften palästinischer Herkunft finden, sich aber dank der sehr einheitlich überlieferten Rabbinennamen in die Kaiserzeit datieren lassen:91 Neben der Genesis-Auslegung des ›Midrasch Genesis Rabbah‹ (bzw. ›Berešit Rabbah‹) sind hier einzelne Stellen im Jerusalemer Talmud sowie vor allem der autonom überlieferte Traktat ›Derekh eretz Rabbah‹ zu nennen. Einige Gespräche könnten die Anwesenheit von Philosophen in Palästina bezeugen, andere finden bei einem Besuch der Rabbinergruppe in Rom statt. Da der dortige Philosoph als »Gefährte« bezeichnet wird, könnte es sich bei allen hier genannten Philosophen um hellenistische Juden handeln,92 doch enthalten die Gespräche auch Gesichtspunkte, die über jüdische Fragen hinausgehend Charakteristika des Philosophieverständnisses ansprechen. Das gilt vor allem für die Überlieferungen über eine Gruppe um den berühmten Rabbi Gamaliel II. und seinen Gefährten Jehoschua ben Chananja (um 100  n.  Chr.),93 die philosophische Themen und Herangehensweisen deutlich erkennen lassen. Ein recht rationaler Austausch zeigt sich in Bezug auf das klassische Thema der Ewigkeit der Welt: Gamaliel antwortet einem Philosophen, der nach 89

  Vgl. die Zusammenfassungen in J. Neusner, Jerusalem and Athens. The Congruity of Talmudic and Classical Philosophy, Leiden u. a. 1997, zur Mischna v. a. 27–30 (eher methodisch) sowie in J. Neusner, Intellectual Templates of the Halakhah, Lanham (Maryland) u. a. 2006, xx–xxii; eine ausführlichere Darstellung der philosophischen Bezüge der Mischnah bei J. Neusner, Judaism as Philosophy. The Method and Message of the Mishnah, Columbia (South Carolina) 1991. 90   Eine äußerst nützliche Stellenübersicht ist J. Levy, Neuhebräisches und chaldäisches Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim 4, Leipzig 1889, 37 f. 91   Zu dieser Datierungsmethode vgl. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, 73–75. 92   Zu den Einleitungsfragen vgl. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, 119 (zur Sprache), 306–314. 93   Zu diesen beiden Rabbinen vgl. Stemberger, Einführung in Talmud und Midrasch, 84 f. und 86.

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den Materialien der göttlichen Schöpfung fragt, es seien »Öde, Leere, Finsternis und Wasser«, und sie seien nach der Schrift alle geschaffen.94 Eine andere Überlieferung betrifft die naturphilosophische Frage, wie lange eine Schlange trächtig sei. Während der Philosoph versucht, sie durch gezielte Beobachtung zu lösen, kann Gamaliel nur mithilfe seines Kollegen Jehoschua überhaupt eine Antwort finden, und diese beruht auf Deduktionen aus biblischen Unreinheitsfristen.95 Schon der Text selbst lässt ein Bewusstsein für das Ungenügen einer solchen Antwort durch die Formulierung erkennen, sie sei »mit dem Rohrstock« (bi-qene) erfolgt, d. h. eine unzureichende Antwort.96 Kenntnisse des philosophischen Selbstverständnisses zeigen sich daran, dass von dem Philosophen in Rom berichtet wird, er suche die Frage des rechten Willkommens »im Gespräch mit sich selbst«.97 Während diese Erzählungen ein gegenseitiges Interesse von Rabbinen und Philosophen erkennen lassen, zeigen Anfragen von Philosophen an das jüdische Gesetz, die wohl um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert gehören, eine kritische Einstellung. Sie scheinen den ›Syllogismen‹ zu nahe zu stehen, mit denen der Christ Apelles die Bibel infrage stellt.98 Die Rabbinen versuchen mit wechselndem Erfolg, die Anfragen ad absurdum zu führen, ohne sich wirklich auf die rationale Erklärungsebene einzulassen. Rabbi Hoschaja stellt die Frage, warum denn nicht schon Adam die (offensichtlich nützliche) Beschneidung erhalten habe, als sinnlos dar und beantwortet sie nicht wirklich, verweist aber immerhin universal auf die Notwendigkeit menschlicher Bereitung des Geschaffenen.99 Dagegen ist die Antwort seines Lehrers Bar Qappara auf die Frage auf Unterschiede in der jüdischen Würdigung warmen Wassers schon fast von sokratischer Ironie geprägt; auch hier wird aber letztlich ein Schriftzeugnis bemüht.100

94

  Genesis Rabbah 1, 1, 9 (1, p.  8, 1–6 Theodor  / Albeck [hebr.]; p.  4 Wünsche [dt.]). Vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 22 f. 95   Genesis Rabbah 20, 2, 3 (1, p.  184, 4–186, 3 Theodor  / Albeck [hebr.]; p.  48 f. Wünsche [dt.]). 96   Vgl. zu dieser Formulierung A. Lehnhardt, Talmud Yerushalmi 2, 8. Übersetzung des Talmud Yerushalmi. Besa. Ei, Tübingen 2001, 89 Anm.  235 f. 97   Derekh eretz Rabbah 5, 4 (The Treatises ›Derek Erez‹. ›Masseket Derek Erez‹. ›Pirke Ben Azzai‹. ›Tosefta Derek Erez‹. Edited from Manuscripts with an Introduction, Notes, Variants and Translation by M. Higger, Bd.  1–2, New York 1935 [hebr.; mir nicht zugänglich])  /  100 f. Van Loopik [engl.]). Der Philosoph in Rom wird z. T. mit Flavius Josephus identifiziert: Van Loopik, The Ways of the Sages, 101. 98   Vgl. dazu unten S. 640. 99   Genesis Rabbah 11, 2, 3 (1, p.  94, 5–95, 3 Theodor  / Albeck [hebr.]; p.  48 f. Wünsche [dt.]). Zu Rabbi Hoschaja vgl. Stemberger, Einführung in Talmud und Midrasch, 17 (Datierung) und 99. 100   Diese Geschichte ist zweifach überliefert: Yerushalmi Betza 2, 5 (61c 37–42) = Yeru­ shalmi Shabbat 3, 4 (6a 62–68) (2, 8, p.  88 f. Lehnhardt = 2, 1, p.  123 Hüttenmeister [dt.]; p.  145 Guggenheimer [hebr. / engl.]). Bar Qappara aus Südpalästina war der Lehrer Hoschajas, es könnte sich also um denselben Philosophen handeln.

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Philosophie in der Kaiserzeit

Ein negatives Bild, das aber nicht auf die Philosophie als Ganze bezogen ist, zeigt sich dort, wo der Name Epikur (apiqōrōs) erscheint. Dieser gilt nicht nur, ähnlich wie in griechisch-römischen Quellen, als typischer Vertreter einer atheistischen Geisteshaltung, sondern sein Name ist geradezu zum Synonym für einen ›Freigeist‹ geworden: »Das sind diejenigen, die keinen Anteil an der kommenden Welt haben: Wer sagt, die Auferstehung der Toten stamme nicht aus der Torah und die Torah nicht vom Himmel, sowie ein Epikureer«.101

Die Rabbinen sollen gewappnet sein, ihm zu antworten.102 Detaillierte Textstudien haben gezeigt, dass auch bestimmte Rabbinen mit einem epikureisch-philosophischen Habitus charakterisiert werden.103

Würdigung Die rabbinischen Texte, die Philosophen erwähnen, gehören zu den faszinierendsten Zeugnissen von deren Auftreten und der Wahrnehmung ihrer Lehre aus der antiken Welt. Die Texte lassen ein unterschiedliches Bild der Philosophie erkennen, das mit einer Art Austausch beginnt und in Stereotypen zu enden scheint. Die zugrunde gelegte Rationalität ist durchaus unterschiedlich, da die Rabbinen sich stets auf die Schrift berufen, während die Philosophen in sich selbst oder der Natur nach Antworten suchen. Das dialektische Gespräch ermöglicht zwar einen Austausch, aber dieser kommt nicht recht vom Fleck, da die zugrunde gelegten Wahrheitskriterien zu unterschiedlich sind.

5. Zusammenfassende Würdigung Die philosophische Darstellung der jüdischen Überlieferung, welche die hellenistische Darstellung des Judentums als lobenswertes Beispiel einer Barbarenphilosophie positiv aufgreift,104 stellt eine faszinierende Gegenentwicklung zum Aus101

  Mischna Sanhedrin 10, 1 (p.  266–268 Krauß). Vgl. zur Deutung von apiqōrōs S.  Krauß, in: Die ›Mischna‹ 4/5. Sanhedrin (Hoher Rat). Makkōṯ (Prügelstrafe). Text, Übersetzung und Erklärung. Nebst einem textkritischen Anhang. Von S.  Krauß, Gießen 1933, p.  268 f. Anm.; zur argumentativen Struktur der Stelle Neusner, Jerusalem and Athens, 27 f. Anm.  8. 102   Mischna Abot 2, 14a (p.  58 Marti  /  Beer). 103   Dies wird auf eindrucksvolle Weise vorgeführt von H. E. Fischel, Rabbinic Literature and Greco-Roman Philosophy. A Study of Epicurea and Rhetorica in Early Midrashic Writings, Leiden 1973. 104   Theophrastus (frg.  584A Fortenbaugh), apud: Porphyrius, De abstinentia 2, 26, 1 (2, p.  92 f. Bouffartigue  /  Patillon); Clearchus, frg.  6 (Wehrli), apud: Flavius Iosephus, Contra

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greifen der Philosophie auf die Religion dar. Gerade Philons Werk ist ein faszinierendes Beispiel für das Bemühen, die interpretatio philosophica religiöser Texte, die deren inhärente Rationalität offenzulegen sucht, aus einer dezidiert religiösen Perspektive durchzuführen. Es kann als Tragik Philons gelten, dass aufgrund der Zeitumstände sein Werk nicht die innerjüdische Rezeption erhält, die es verdient. Denn als das Zepter geistiger Meinungsführerschaft an die Rabbinen übergeht, setzt sich zwar wiederum eine ganz eigene Rationalitätsauffassung durch, doch wird die Distanz zur hellenistisch-römischen Philosophie so groß, dass eine gegenseitige Verständigung und Bereicherung kaum mehr gelingt.

Apionem 1, 176–182 (p.  34 f. Reinach); Hecataeus Abderita (FGrHist 264), frg.  6 = Diodorus Siculus, Bibliotheca historica 40, 3, 2–8 (6, p.  180, 17–182, 18 Dindorf  /  Fischer); Strabo, Geographia 16, 2, 35 (760, 29–761, 30 Cobet), wohl aus Poseidonios übernommen: K. Reinhardt, Poseidonios über Ursprung und Entartung, Heidelberg 1928.

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VI. Abgrenzung und Aneignung: Die Anfänge des christlichen Philosophierens

In Anbetracht der Bedeutung des Konzepts einer ›wahren Philosophie‹ für die meisten gesellschaftlichen Gruppen der Kaiserzeit kann es grundsätzlich nicht überraschen, dass auch die Christen diese Bezeichnung recht bald für sich in Anspruch nehmen. Allerdings lässt sich hierbei, nimmt man die Verbreitung des Ideals im Ganzen in den Blick, eine gewisse Verzögerung feststellen: Frühe christliche Quellen wie ein großer Teil der Bibel, die apostolischen Väter und die meisten Apokryphen zeigen dadurch ein Desinteresse an der Philosophie, dass sie sie gar nicht erwähnen. Dies gilt nicht nur für die Philosophie als solche, sondern auch für philosophische Begriffe wie ›Tugend‹ (ἀρετή) und ›Glücklichsein‹ (εὐδαιμονία), deren Inhalte sich zur Rezeption anbieten.1 Dieser Befund ist auch deswegen auffällig, weil er weder mit der Rolle des Begriffs der Weisheit korreliert noch die Berührungspunkte mit der Philosophie im Neuen Testament aufnimmt, das, wie gleich zu schildern ist, die Philosophie durchaus in den Blick nimmt. Auch später stellen sich Begriff und Sache der Philosophie in den christlichen Texten komplex dar: Kritiken der hellenisch-römischen Philosophie stehen neben ersten Ansätzen einer eigenen Inanspruchnahme von deren Begrifflichkeit und Habitus. Einerseits wird Abhängigkeit von der Philosophie gerne innerchristlichen Gegnern unterstellt, andererseits wird die Möglichkeit, die eigene philosophische Bildung sowie das gedankliche und rhetorische Talent zu zeigen, gerne genutzt und die eigene Religiosität als ›wahre Philosophie‹ präsentiert.

1. Ein kritischer Dialog: Neutestamentliche Schriften und die Philosophie Die Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Neuem Testament2 wird aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung für das christliche Selbstverständnis seit Jahrhunderten äußerst kontrovers diskutiert. Den traditionellen Bezugnahmen auf solche Stellen, die als Belege für die prinzipielle rationale Einsehbarkeit des Christentums gelesen werden können, steht in der Forschung z. T. eine entschiedene Ablehnung jeder positiven Bezugnahme auf die antike Philosophie im Neuen Testament gegenüber. Historisch gesehen dürfte dies mit der tiefgehenden 1

  Vgl. Vollenweider, »Mitten auf dem Areopag«, 318, sowie H. Löhr, Die sogenannten Apostolischen Väter, in: GGPh 5, 1 (2018), 782–786. 2   Vgl. H. Löhr, Die Schriften des Neuen Testaments, in: GGPh 5, 1 (2018), 775–781.

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Prägung gerade der westlichen christlichen Tradition durch die scharfe Gegenüberstellung von Glaube und Wissen bzw. Philosophie und Religion  /  Theologie geprägt sein, die letztlich auf bestimmte Versatzstücke des augustinisch-mittelalterlichen Erbes zurückgeht.3 Für eine Erfassung der antiken Realität, in der die neutestamentlichen Texte entstehen, stellt diese Haltung jedoch eher eine Gefahr dar. Das wird brennglasartig im koptisch überlieferten, nicht zur Bibel gehörigen ›Thomasevangelium‹ deutlich, wenn Matthäus auf Jesu Frage, wie er in den Augen seiner Jünger sei, antwortet: »Du bist wie ein weiser Philosoph«, was offensichtlich als unzureichende Antwort empfunden wird.4 Diese Zeugnis, das vermutlich in die Entstehungszeit des Neuen Testamentes zurückreicht, zeigt, dass der Vergleich Jesu mit einem Philosophen für ein antikes Publikum durchaus nahe liegt. In den kanonischen Evangelien ist insbesondere der Johannesprolog relevant, der wie Philon den Logos als göttlich (θεός) von Gott selbst (ὁ θεός), von dem er ausgehe, unterscheidet.5 Damit prägt eine platonisch klingende Reformulierung der alttestamentlichen Rede von der Weisheit als zweitem göttlichen Prinzip die neutestamentliche Christusdeutung wesentlich mit und lädt zur philosophischen Auseinandersetzung ein, die aber durch die im gleichen Atemzug betonte Menschwerdung des Logos vor besondere Herausforderungen gestellt wird. 6 In den neutestamentlichen Briefen, die wohl vor Mitte des 2. Jahrhunderts teils früher als die Evangelien entstehen,7 identifiziert die exegetische Forschung zahlreiche Berührungspunkte mit philosophischen Ansichten.8 Die gründliche Transformation philosophischer Elemente durch die teils verlorene bzw. nur in Übersetzungen erhaltene sogenannte ›frühjüdische‹ Tradition sowie durch Paulus (und andere neutestamentliche Autoren) stellt die Beurteilung dieser Rezeption aber vor komplexe methodische Aufgaben.9 Dies lässt sich anhand des zweiten Kapi3

  Vgl. dazu die Überlegungen im Fazit zu diesem Band unten S. 1157–1161.   Evangelium Thomae (NHC 2, 2), 35, 2 (NHS 20, p.  58 [kopt. / engl.] Layton). Zu den synoptischen Parallelen vgl. z. B. H. Koester, ›Gospel According to Thomas‹. Introduction, in: B. Layton  /  J. McConkey Robinson, J., (Hrsg.), The Coptic Gnostic Library 3. Nag Hammadi Codex 2, 2–7, 1, together with XIII, 2* Brit. Lib. Or. 4926 (1) and P. Oxy 1, 654, 655. I: ›Gospel According to Thomas‹, ›Gospel According to Philipp‹, ›Hypostasis of the Ar­ chons‹, Indexes, Leiden  /  Boston 1989, 38–49, hier 46; zur Problematik der Einleitungsfragen C. Colpe, Einführung in die Schriften aus Nag Hammadi, Münster 2011, 243–248. Zur Deutung der Stelle z. B. J.-É. Ménard, in: ›L’évangile selon Thomas‹. Introduction, traduction et commentaire par J.-É. Ménard, Leiden 1975, 31 f. 5 ›Evangelium secundum Ioannem 1, 1–5. Vgl. Löhr, Logos, 358  f.; zu Philon s. oben S. 616. 6   Die Menschwerdung Christi wird in Evangelium secundum Ioannem 1, 14 erwähnt. Zur Weisheit als zweitem göttlichem Prinzip s. oben S. 491, 495. 7   Am ältesten sind die echten Briefe des Paulus, der ca. 63 n. Chr. stirbt. Die Evangelien, die erst ab ca. 140 n. Chr. durch Zitate bezeugt sind, könnten sogar deutlich jünger sein. Vgl. M. Vinzent, Marcion and the Dating oft he Synoptic Gospels, Leuven u. a. 2014, 279–282. 8   Vgl. den Überblick bei Vollenweider, ›Mitten auf dem Areopag‹. 9   Vgl. den Vorschlag von T. Engberg-Pedersen, Paul and the Stoics, Edinburgh 2000, 33–44. 4

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tels des ›Römerbriefs‹ illustrieren: Während dessen Vers 14 die (ursprünglich) stoische Naturgesetzlehre widerspiegelt,10 setzt Vers 15 f. ein bei Philon von Alexandrien bezeugtes, spezifisch jüdisches Gewissensverständnis ­voraus.11 An einer anderen Stelle dürfte Paulus’ Rede vom Geist (νοῦς) als »innerem Menschen« (ὁ ἔσω ἄνθρωπος) allenfalls indirekt von der inhaltlich verwandten, aber bis zu diesem Zeitpunkt wenig rezipierten Platon-Stelle abhängen, an die aber die antike Paulus-Deutung leicht Anschluss finden kann.12 Das Wort Philosophie taucht allein im pseudo-paulinischen ›Kolosserbrief‹ auf und bezieht sich dort scheinbar auf eine Gruppe innerhalb der Gemeinde von Kolossai, die sich, in den Augen des anonymen Autors, auf die »Elemente des Kosmos« beruft, die ›Engel‹ verehrt sowie bestimmte Speisegebote vertritt.13 Diese Ansichten, die für den Autor des ›Kolosserbriefs‹ eine Verhaftetheit im Irdischen anzeigen, lassen sich aus einer pythagoreischen Tradition erklären,14 die mit jüdischen Speisevorschriften vermischt gewesen sein mag.15 Versteht man die Verbindung zur Philosophie allerdings als eine Zuschreibung des Briefautors an seine Gegner, erscheint die Beschreibung der Häresie als Fiktion für ein falsches Glaubensverständnis; der Begriff Philosophie ist dann in sich negativ konnotiert.16 Epikureische und stoische Philosophen werden in der ›Apostelgeschichte‹ im Rahmen von Paulus’ Areopagrede erwähnt, die als Darstellung einer Auseinandersetzung des Paulus mit Philosophen gelesen werden kann. Durch die Erwähnung eines unbekannten Gottes und seine monotheistische, dem Aberglauben entgegentretende17 Deutung wird implizit für das jüdisch-christliche Gottesverständnis beansprucht, der philosophischen Rationalität wahrhaft zu entsprechen.18 Damit ist eines der großen Themen der christlichen Aufnahme des PhilosophieIdeals auch im Neuen Testament präsent. 10

  Vgl. G. Bornkamm, Gesetz und Natur (Röm 2, 14–16), in: G. Bornkamm, Studien zu Antike und Urchristentum. Gesammelte Aufsätze 2, München 21963, 119–137 11   Vgl. Ch. Maurer, Synoida, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 7 (1964), 915 f. 12   Paulus, Epistula ad Romanos 7, 22 f., vgl. Auch Epistula 2 ad Corinthios 4, 16. Zur Rezeptionsgeschichte vgl. Ch. Markschies, Innerer Mensch, in: RAC 18 (1998), 266–312. 13   ›Paulus‹, Epistula ad Colossaeos 2, 16–23. 14   E. Schweizer, Der ›Brief an die Kolosser‹, Zürich u. a. 1976, 100–104 mit Verweis auf die Pythagoreerdarstellung des Alexander Polyhistor bei Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 8, 24–33 (587, 4–592, 2 Marcovich = 613, 263–618, 366 Dorandi). 15   Z. B. J. Gnilka, Der ›Kolosserbrief‹, Freiburg u. a. 1980, 121–129 und 163–170. 16   Vgl. z. B. N. Frank, Der ›Kolosserbrief‹ und die Philosophia. Pseudepigraphie als Spiegel frühchristlicher Auseinandersetzungen um die Auslegung des paulinischen Erbes, in: J. Frey u. a. (Hrsg.), Pseudepigraphie und Verfasserfunktion in frühchristlichen Briefen, Tübingen 2009, 411–432; Vollenweider, »Mitten auf dem Areopag«, 311 f. 17   Acta Apostolorum 17, 18; 17, 22; vgl. oben S. 551. 18   Acta Apostolorum 17, 22–31; vgl. z. B. R. Pesch, Die ›Apostelgeschichte‹ 2, Zürich 1986, 132–144; G. Schneider, Die ›Apostelgeschichte‹ 2. Einleitung. Kommentar zu 9, 1–28, 31, Freiburg 1982, 231–243.

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Methodisch grundlegend für die Möglichkeit einer philosophischen Gotteslehre unter christlichen Vorzeichen ist Paulus’ Aussage zu Beginn des ›Römerbriefs‹, »das Unsichtbare an« Gott werde »seit der Schöpfung der Welt durch seine Werke als Gedachtes gesehen«.19 Das Thema einer natürlichen Erkenntnis der ewigen und unsichtbaren Natur Gottes aus der Schöpfung20 scheint hier in einer vielleicht durch die jüdische Apokalyptik beeinflussten Form auf.21 Die Erkenntnismöglichkeit wird zugleich mit der Idee verbunden, diese sei nicht ergriffen worden und die heidnische Weisheit deswegen »unentschuldbar« und eine Torheit, so dass, ähnlich wie im ›1. Korintherbrief‹,22 eine Zurückweisung der Erkenntnisansprüche der zeitgenössischen Philosophie impliziert scheint. Für die weitere Entwicklung des Verhältnisses von Philosophie und Christentum, besonders im lateinischen Westen seit Augustinus, sind vor allem solche neutestamentlichen Texte wichtig, welche die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen herausarbeiten und es in diesem Zuge prinzipiell infrage (zu) stellen (scheinen), dass Menschen aus eigenem Bemühen glücklich werden können. Einer der bekanntesten Texte dieser Art ist das siebte Kapitel des ›Römerbriefs‹, wo Paulus bekennt: »Nicht das Gute, das ich will, sondern das Schlechte, das ich nicht will – dies tue ich«.23 Diese Aussage, in der sowohl die Kenntnis des Guten als auch die Anerkenntnis des Widerspruchs im eigenen ›Ich‹ deutlich werden,24 erfolgt in einem ganzen Paragraphen, in dem Paulus die Zerrissenheit des Ichs, das nicht aus sich selbst, sondern wegen der ihm innewohnenden Sünde gegen das – jüdische oder rationale – Gesetz handelt, durch das er das Gute erkennt und will, und schließlich auf das Elend des Menschen schließt.25 Die Herausforderung der Interpretation der Passage liegt philosophisch gesehen einerseits in der Frage, ob eine solche Form der Willensschwäche, in der jemand bewusst gegen das erkannte Gute handelt, überhaupt möglich ist, andererseits kann sie aber auch als radikale Infragestellung des Menschenbilds gelesen werden, das die antike Philosophie voraussetzt: Wenn man sie mit großen Teilen der antiken und mittelalterlichen 19   Τὰ γὰρ ἀόρατα αὐτοῦ ἀπὸ κτίσεως κόσμου τοῖς ποιήμασιν νοούμενα καθορᾶται. Paulus, Epistula ad Romanos, 1, 19–23, Zitat 1, 20. 20   Vgl. Pesch, ›Apostelgeschichte‹, 142. 21   Vgl. O. Michel, Der ›Brief an die Römer‹, Göttingen 141978, 100 f.; U. Wilckens, Der ›Brief an die Römer‹ 1. ›Römer‹ 1–5, Zürich 1978, 97–100. 22   Vgl. Paulus, Epistula 1 ad Corinthios 1–4; vgl. dazu Vollenweider, »Mitten auf dem Areopag«, 311–313. 23   Οὐ γὰρ ὃ θέλω ποιῶ ἀγαθόν, ἀλλ’ ὃ οὐ θέλω κακὸν τοῦτο πράσσω. Paulus, Epistula ad Romanos 7, 19. 24   In der neueren Forschung zu ›Römerbrief‹ 7 werden philosophische Parallelen und Quellen intensiv diskutiert, z. B. bei E. Wasserman, The Death of the Soul in ›Romans‹ 7. Revisiting Paul’s Anthropology in Light of Hellenistic Moral Psychology, in: Journal of Biblical Literature 126 (2007), 793–816; G. M. van Kooten, Paul’s Anthropology in Context. The Image of God, Assimilation to God, and Tripartite Man in Ancient Judaism, Ancient Philosophy, and Early Christianity, Tübingen 2008, 370–382. 25   Paulus, Epistula ad Romanos 7, 7–25.

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Exegese nicht als persönliche Aussage des Paulus oder als Aussage über eine bestimmte Situation im Leben, sondern »in allgemeiner Person« (in persona generali) als Aussage über das Menschsein im Allgemeinen26 versteht, dann scheint sie, da sie letztlich die menschliche Entscheidungsfreiheit aufhebt, ein philosophisches Bemühen um die Errettung seiner selbst generell für sinnlos zu erklären.27 Das ist zwar keineswegs die einzige und vielleicht auch nicht die plausibelste Deutungsmöglichkeit,28 veranschaulicht aber die Herausforderung, welche die biblische Botschaft bei konsequentem Denken einem philosophieaffinen antiken Menschen stellen kann – wie es bei Augustinus der Fall sein wird. Die neutestamentlichen Autoren zögern zwar, die Philosophie beim Namen zu nennen, verhalten sich aber explizit zu ihren Rationalitätsstandards und ihren Vorstellungen von der Möglichkeit eines guten Lebens, wobei sie vermutlich eher allgemeine Grundlagen antiker philosophisch geprägter Anthropologie als konkrete philosophische Positionen infrage stellen. Die Implikationen dieser Aus­einander­setzung für die christliche Lebensführung und Lehre entfalten sich jedenfalls erst im Laufe der Zeit.

2. Die Debatte über Dualismen im 2. Jahrhundert: Gnostiker, Markioniten und Hermogenes Allgemeines  /  Historischer Hintergrund Eine philosophische Auseinandersetzung mit der christlichen Lehre entwickelt sich offenbar im 2. Jahrhundert unter mehr oder weniger philosophisch gebildeten Christen, von denen einige auch eine Lehraktivität entfalten. Eine zentrale Frage ist hierbei die Erklärung des Bösen, dessen Existenz aus christlicher Perspektive die Erlösung der Welt notwendig macht, durch ein zweites Prinzip, das neben dem schlechthin transzendenten und guten Gott an der Schöpfung mitwirke:

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  Vgl. auch Paulus, Epistula ad Romanos 3, 23: »Alle haben gesündigt« (πάντες γὰρ ἥμαρτον). Vgl. S.  K. Stowers, Romans 7.7–25 as a Speech-in-Character (prosopopoiia), in: T. Engberg-Pedersen (Hrsg.), Paul in his Hellenistic Context, Edinburgh 1994, 180–202, bes. 191–193. 27   Vgl. J. Müller, Willensschwäche in Antike und Mittelalter. Eine Problemgeschichte von Sokrates bis Johannes Duns Scotus, Leuven 2009, 211–242; J. Müller, Willensschwäche und innerer Mensch in Röm 7 und bei Origenes. Zur christlichen Tradition des Handelns wider besseres Wissen, in: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft 100 (2009), 223–246, hier 225–235. 28   So z. B. Löhr, Die Schriften des Neuen Testaments, 780. Zu antiken Interpretationen vgl. selektiv H. Lichtenberger, Das Ich Adams und das Ich der Menschheit. Studien zum Menschenbild in ›Römer‹ 7, Tübingen 2004, 17–24.

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Basileides (fl. vor 140)29 und Valentinus (fl. nach 140)30 ziehen zur Erklärung des Bösen ältere Weltentstehungsmythen heran. Auf ähnliche Weise unterscheidet Markion (fl. um 150), dessen Lehre sein Schüler Apelles (fl. um 170)31 philosophisch ausarbeitet, zwischen dem guten transzendenten Gott und dem bösen Weltschöpfer, von dem die jüdische Bibel berichte. Hiergegen erklärt Hermogenes (fl. um 190),32 im Anschluss an mittelplatonische Debatten, das Böse durch die Einwirkung Gottes auf eine Materie. Alle diese Konzeptionen sind also insofern dualistisch, als sie ein dem höchsten Gott eigentlich untergeordnetes Prinzip für das Böse verantwortlich machen. Hierzu ziehen sie in unterschiedlichem Maße philosophische Argumente heran, welche eine Diskussion in Gang setzen, die zur philosophischen Ausarbeitung des Christentums wesentlich beiträgt. Die Stellung der Autoren zur Philosophie ist aber meist schwierig zu ermitteln, zumal ihre Texte nur indirekt überliefert sind.

Die Gnostiker: Philosophie und Christentum im Banne des Mythos Gnostiker bzw. »Erkenntnisfähige« (γνωστικοί) ist jedenfalls im 2. und 3. Jahrhundert die Selbstbezeichnung einiger christlicher Lehrer, denen ihre Kritiker sowohl Bezüge zur Philosophie als auch eine große Meinungsvielfalt untereinander unterstellen.33 Ihr Werk gehört in den Rahmen einer breiteren Tradition kosmologisch-mythologischer Spekulationen, die wohl nichtchristliche Ursprünge haben, wie sich insbesondere nach dem Fund zahlreicher Originalquellen dieser Art im ägyptischen Nag Hammadi in koptischer Sprache klarer gezeigt hat.34 Bei ihren innerchristlichen Gegnern erregt auch die Tatsache Anstoß, dass die Anhänger 29

  Vgl. M. Tardieu, Basilide (Βασιλείδης), in: DPhA 2, 1994, 84–89; W. A. Löhr, Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts, Tübingen 1996, 324–336; E. Thomassen, Basileides und seine Anhänger, in: GGPh 5, 1 (2018), 863–866. 30   Vgl. Ch. Markschies, Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins, Tübingen 1992; E. Thomassen, Valentinus und der Valentinianismus, in: GGPh 5, 1 (2018), 867–873. 31   Vgl. K. Greschat, Apelles und Hermogenes. Zwei theologische Lehrer des 2. Jahrhunderts, Leiden u. a. 2000, 17–134. 32   Vgl. F. Chapot, Hermogène, in: DPhA 3 (2000), 665 f.; Greschat, Apelles und Hermogenes, 135–286. 33   Wichtigste Belege: ›Hippolytus‹, Refutatio 5, 2; 5, 6; 5, 11; 5, 23 (GCS Hipp.  3, p.  77, 4; 78, 2 f.; 104, 4–9; 125, 21–24 Wendland); Porphyrius, Vita Plotini 16, 1–12 (1, p.  19 Henry  / Schwyzer2). 34   Vgl. zu diesen Schriften Colpe, Einführung in die Schriften aus Nag Hammadi. Für ein weites Verständnis von Gnostikern allgemein s. z. B. die bewusst unscharf vorgehende Darstellung von J. Iwersen, Gnosis zur Einführung, Hamburg 2001, 7 f.; zu den sogenannten Messina-Kriterien vgl. B. A. Pearson, Philo and Gnosticism, in: ANRW 2, 21, 1 (1984), 295–342, hier 316 f., sowie Markschies, Valentinus Gnosticus?, 403 f. Aktueller Überblick

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des Basileides und Valentinus, als mit einer höheren Einsicht ausgestattete »Pneumatiker«, andere Christen belehren wollen.35 Während die beiden Gründerfiguren heute vielfach einfachhin als christliche Lehrer angesehen und von den Gnostikern getrennt werden, welche die u. a. bei ›Hippolyt‹ überlieferten Mythen verfasst haben,36 kann hier, ohne genaue Untersuchung der Zuschreibung einzelner Berichte, keine scharfe Unterscheidung zwischen Gründungsfiguren und Nachfolgern gemacht werden. Die Behandlung dieser Gruppen im Rahmen der antiken Philosophiegeschichte ist deswegen angezeigt, weil (abgesehen von christlichen Häresiographen) jedenfalls das Zeugnis des Porphyrios, Gnostiker seien im Umfeld Plotins aktiv gewesen, von einem Austausch mit der Philosophie zeugt.37

Die gnostischen Systeme aus dem Umfeld des Basileides und Valentin Die Referate der Kirchenväter, die kaum ohne schriftliche gnostische Vorlagen denkbar sind,38 schreiben diesen komplexe ontologische Genealogien zu: Die Valentinianer, die besonders bei Eirenaios hervorgehoben sind, scheinen39 zwischen der Annahme eines einzigen ganz transzendenten, unaussprechlichen obersten »Vaters« bzw. einer »Tiefe« (βύθος) sowie einer Zweiheit von Prinzipien, bestehend aus diesem (männlichen) Vater und dem (weiblichen) »Schweigen« (σιγή), zu schwanken. Beginnend mit ihnen entwickeln sich in absteigender Folge insgesamt 30 Aionen (αἰῶνες) im »Pleroma«, einer Art göttlicher Welt. Hierbei gehen aus den ersten acht Prinzipien, die aus männlich-weiblichen Vierergruppen bestehen, weitere Gruppen von zehn und zwölf Aionen hervor; hierzu nennt schon über den Gnostizismus: E. Thomassen, Gnostizismus und Verwandtes. Überblick, in: GGPh 5, 1 (2018), 855–858. 35   So z. B. Irenaeus, Adversus Haereses 1, 6, 2 (SC 264, p.  92, 24–94, 36 Rousseau  /  Doutreleau), zur Erläuterung Iwersen, Gnosis, 59. 36   So schon May, Schöpfung aus dem Nichts, 54 f.; weiterhin Markschies, Valentinus Gnosticus?, 403; ähnlich wohl auch Löhr, Basilides und seine Schule, 324–336. Konzise Erklärungen der Problemlage in Bezug auf Basileides jetzt bei Thomassen, Basileides, 864– 866. Ch. Markschies, Die Krise einer philosophischen Theologie, in: R. Berlinger  /  W. Schrader (Hrsg.), Gnosis und Philosophie. Miscellanea, Amsterdam  /  Atlanta (Georgia) 1994, 227–268, sieht den Rückgriff auf gnostische Mythen als instrumentell an. 37   Porphyrius, Vita Plotini 16, 1–12 (1, p.  19 Henry    /    Schwyzer2). Vgl. ferner Irenaeus, Adversus Haereses 2, 14 (SC 294, p.  138, 101  f. Rousseau    /    Doutreleau); ›Hippolytus‹, Refutatio  1 praef. 8 (GCS Hipp.  3, p.  3, 14–23 Wendland). Vgl. hierzu vor allem H. Strutwolf, Die Gnosis im Rahmen der antiken Philosophie, in: P. Koslowski (Hrsg.), Philosophische Religion. Gnosis zwischen Philosophie und Theologie, Paderborn 2006, 9–36, hier 24–29; Löhr, Basilides und seine Schule, 328–331; Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 281–292. 38   Vgl. z. B. Irenaeus, Adversus Haereses 1, 9, 1 (SC 264, p.  137, 977–979 Rousseau  /  Doutreleau). Zu ›Hippolyt‹ vgl. Strutwolf, Die Gnosis im Rahmen der antiken Philosophie, 24 f. 39   Zu den verschiedenen Quellen und den Schwierigkeiten ihrer Zuordnung vgl. Thomassen, Valentinus, 867 f.

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Eirenaios pythagoreische Bezüge.40 Durch eine Abwendung des untersten Aions, der Weisheit (σοφία), bzw. aus deren Begehren entsteht die Materie (οὐσία bzw. ὕλη), die durch einen Demiurgen, der vom Vater kommt, geordnet wird, aber nur unvollkommen, so dass die Welt einer weiteren, pneumatischen Rettung bedarf. Hiermit wird sowohl das Christusereignis begründet als auch die Notwendigkeit, dass (ihrerseits notwendig gerettete) »pneumatische« Menschen – die Gnostiker selbst – die anderen erziehen.41 Das System des eher noch früheren Basileides erscheint weniger barock, sondern geht im Grunde von fünf hierarchisch aufeinander folgenden Prinzipien aus, die mit den philosophischen Termini Vater, Geist (νοῦς), Logos, Klugheit (φρόνησις), Weisheit (σοφία), Macht (δύναμις) gekennzeichnet werden. Gegen diese Prinzipien, aus deren zweitem auch hier die Welt entsteht, rebellieren die Engel (unter der Führung des jüdischen Gottes) und beherrschen die Welt, aus der wiederum die Pneumatiker die Menschen erlösen müssen.42

Philosophisches bei den Gnostikern Von den philosophischen Traktaten und Lehren der Zeit unterscheiden sich die gnostischen Kosmogonien, die sich wohl, wie Eirenaios anmerkt, auch kaum aus der Bibel herleiten lassen,43 in Stil und Methode ebenfalls deutlich: Zum einen gehen sie nicht rational, sondern deskriptiv bzw. narrativ vor (schon ›Hippolyt‹ und Epiphanios denken primär an Hesiod),44 wozu sich ihre Autoren, wie die Herme40

  Irenaeus, Adversus Haereses 1, 1, 1–3 (SC 264, p.  28, 74–33, 119 Rousseau  /  Doutreleau; Verweis auf Pythagoras p.  30, 91 Rousseu  /  Doutreleau); ›Hippolytus‹, Refutatio 6, 29 f. (GCS Hipp.  3, p.  155, 21–158, 14 Wendland). Auf die Uneinigkeit darüber, ob der Vater über allem oder mit dem Schweigen verbunden ist, weisen hin Irenaeus, Adversus Haereses 1, 2, 4 (SC 264, p.  42, 192–194 Rousseau  /  Doutreleau); ›Hippolytus‹, Refutatio 6, 29, 3 f. (GCS Hipp.  3, p.  155, 25–126, 4 Wendland). 41   Irenaeus, Adversus Haereses 1, 4, 1; 1, 5, 1–6, 2 (SC 264, p.  62, 353–66, 386; 76, 468–95, 629 Rousseau  /  Doutreleau); noch komplizierter bei ›Hippolytus‹, Refutatio 6, 31–36 (GCS Hipp.  3, p.  158, 15–166, 14 Wendland). Vgl. zum letzten Punkt auch Clemens Alexandrinus, Stromata 3, 69, 2–70, 4 (GCS Clem. 2, p.  227, 16–228, 6 Stählin) sowie Thomassen, Valentinus, 871 f. 42   Dieses System wird von Hippolytus, 7, 20–27 (GCS Hipp.  3, p.  195, 19–208, 7 Wendland) wesentlich ausführlicher dargestellt als von Eirenaios (Adversus Haereses 1, 24, 3–7 [SC 264, p.  324, 40–332, 123 Rousseau  /  Doutreleau]). Vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 63–71. 43   Das Schema Theorie-Interpretation ist im Valentinianer-Bericht klar zu erkennen: vgl. z. B. für die Aionen-Lehre Irenaeus, Adversus haereses 1, 1, 3; 1, 3, 1–5 (SC 264, p.  34, 127–139; 62, 257–62, 352 Rousseau  /  Doutreleau); scharfe Kritik des Eirenaios auch z. B. 1, 9, 2 (SC 264, p.  141, 1008–1011 Rousseau  /  Doutreleau). 44   ›Hippolytus‹, De universo, frg.  1 (Malley); Epiphanius, Adversus Haereses 31, 3, 2 (GCS Epiph. 1, p.  386, 16 f. Holl).

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tiker, durch Offenbarungswissen ermächtigt sehen.45 Entsprechend unterschiedlich ist das Weltbild beider: Während diese die Begreifbarkeit des Kosmos durch ein Ausgehen der Welt aus den Prinzipien sicherstellen, lassen die Gnostiker eine solche Sicherheit gerade daran scheitern, dass Demiurg und Materie selbst der Verwirrung unterliegen.46 Zum anderen ist die Begrifflichkeit der Gnostiker nur zu einem geringen Teil philosophisch (wohl deutlich weniger als bei den Hermetikern): Dies trifft besonders auf die Begriffe Vater, Demiurg und Materie zu, die an Platons ›Timaios‹ erinnern, sowie evtl. auf die pythagoreisch wirkende Zahlenspekulation.47 Deutlich platonisch inspiriert ist die Lehre von der Transzendenz und Unsagbarkeit des Vaters, die bei Eirenaios und ›Hippolyt‹ nur angedeutet ist, im ›Dreiteiligen Traktat‹ aus Nag Hammadi aber breit ausgeführt.48 Philosophische Terminologie findet sich auch in einigen direkten Zitaten namentlich des Basileides, z. B. seiner stoisch inspirierten Definition des Glaubens als »Zustimmung der Seele« (συγκατάθεσις τῆς ψυχῆς).49 Dass Basileides ein origineller Denker war, suggeriert aber vor allem der – in seiner Zuschreibung allerdings umstrittene – Bericht ›Hippolyts‹: Ihm zufolge sei Gott ein nicht seiendes, nicht aussagbares Eines gewesen, aus dem wie aus einem Samen die nicht seiende Welt hervorgegangen sei. »Der nicht seiende Gott brachte aus nicht Seiendem eine nicht seiende Welt hervor«.50 Hier wird nicht nur Philons Überlegung, die ewige Materie sei nicht ohne das vom ewigen Gott Geschaffene denkbar, gleichsam umgedreht formuliert, sondern es scheint auch ein platonisches Modell der Emanation im Hintergrund zu stehen, das sogar Parallelen zu Plotin aufweist. Demgegenüber sind die behaupteten Abhängigkeiten verschiedener gnostischer Positionen zu philosophischen Lehren bei ›Hippolyt‹ mit Vorsicht zu bewerten: Sowohl die Bezüge der Valentinianer zu Platon als auch die des Basileides zu Aristoteles sind allenfalls punktuell und betreffen nicht die dargelegten Systeme als Ganzes: Die Pythagoras- und Platonbezüge der Valentinianer erstrecken sich nur auf das Erste Prinzip und die Zahlensymbolik, und die aristotelischen Punkte bei Basileides beschränken sich auf die Arten unter der Gattung sowie die Ente45

  Vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 46–48.   Weiteres May, Schöpfung aus dem Nichts, 57–60; Strutwolf, Die Gnosis im Rahmen der antiken Philosophie, 12–24, 32–24; Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 21. 47   Vgl. Thomassen, Valentinus, 869. 48   Irenaeus, Adversus Haereses 1, 1, 1 (SC 264, p.  28, 74–78 Rousseau  /  Doutreleau); ›Hippolytus‹, Refutatio 6, 29, 2 (GCS Hipp.  3, p.  155, 22–25 Wendland); Tractatus tripartitus (NHC 1, 5), 51, 8–57, 8 (Nag Hammadi Studies 22, p.  192–200 Attridge  /  Pagels). 49   May, Schöpfung aus dem Nichts, 68–72 konstatiert bei Basilides Anklänge an die platonische negative Theologie sowie eine stoisch klingende Lehre von den ›Samen‹ des Alls. 50   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 21, 1–5 (GCS Hipp.  3, p.  196, 15–197, 16, Zitat 197, 7 f.); zur Schöpfung aus dem Nichts äußert sich später auch der Tractatus tripartitus (NHC 1, 5), 53, 23–39 (Nag Hammadi Studies 22, p.  194–196 Attridge  /  Pagels); vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 75–79; Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 285 f. 46

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lechie-Terminologie, die zum Archonten und seinem Sohn in Bezug gesetzt wird.51 Eine enge Beziehung der gnostischen Systeme zur Philosophie lässt sich mit diesen Punkten selbst dann nicht begründen, wenn ›Hippolyt‹ sie in gnostischen Quellen gefunden haben sollte.52 Unter den wenigen direkten Stellungnahmen von Gnostikern zur Philosophie sticht das besondere Interesse von Basileides’ Sohn Isidor heraus. Er verweist auf Sokrates, Platon und Aristoteles, um das Philosophieren gewisser Gegner für vorgeblich zu erklären (προσποιουμένους φιλοσοφεῖν). Damit insinuiert er zumindest – im Sinne des zeitgenössischen Diskurses um wahre Philosophie –, dass es ein wahres Philosophieren gibt;53 hiermit dürfte etwa gleichzeitig mit Justin das christliche Philosophie-Ideal angedeutet sein. Auch die Karpokratianer sollen Abbilder von Philosophen zusammen mit denen Jesu verehrt haben.54 Dagegen ähneln die gelegentlichen Nennungen von Philosophen oder Philosophie in Texten aus Nag Hammadi eher kritischen christlichen Stellungnahmen.55

Markion, Apelles und Hermogenes Aus ähnlichen Gründen wie bei den Gnostikern ist es schwierig, das Verhältnis des Markion zur Philosophie zu bestimmen. Auch hier kann man mit den antiken Häresiographen Einflüsse für wahrscheinlich halten, z. B. dass die Güte seines obersten Gottes von einer mittelplatonischen Ausarbeitung des ›Timaios‹ inspiriert sei.56 Manche Formulierungen zur Gegenüberstellung von Gott und Materie können auch als Reminiszenz an das aktive und passive Prinzip der Stoa gelesen werden.57 Aber all das zeigt wohl weniger eine bewusste Rezeption der Philosophie als die Aufnahme einzelner Theorieelemente.58

51   ›Hippolytus‹, Refutatio 6, 29, 4 f.; 6, 34, 3; 7, 22, 5 f.; 7, 24, 1 (GCS Hipp.  3, p.  156, 5–8; 162, 18–21; 198, 15–20; 201, 20–25 Wendland). 52   Vgl. Strutwolf, Die Gnosis im Rahmen der antiken Philosophie, 24–33. 53   Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 53, 2–5 (GCS Clem. 2, p.  458, 9–459, 5 Stählin). 54   Irenaeus, Adversus Haereses 1, 25, 6 (SC 264, p.  342, 100–344, 107 Rousseau  /  Doutreleau). 55   Vgl. Tractatus de resurrectione (NHC 1, 4), 46, 9 f. (Nag Hammadi Studies 22, p.  150 Peel; zur Interpretation vgl. M. L. Peel, The Treatise on the Resurrection, in: H. W. Attridge (Hrsg.), Nag Hammadi Codex 1 (The Jung Codex). Notes, Leiden 1985, 137–215, hier 169 f.); Tractatus tripartitus (NHC 1, 5), 110, 14 f. (Nag Hammadi Studies 22, p.  292 Attridge  /  Pagels), wo auch andere Disziplinen griechischer Bildung abgelehnt werden). 56   Plato, Timaeus 29e. Vgl. W. Löhr, Markion, in: RAC 24 (2012), 147–178, hier 159, sowie Clemens Alexandrinus, Stromata 3, 12, 1 (GCS Clem. 2, p.  200, 28–32 Stählin). 57   Tertullianus, Adversus Marcionem 1, 15, 4; 5, 19, 7 f. (CCL 1, p.  456, 7–9; 722, 12–15 Kroymann). 58   Das geringe philosophische Interesse Markions wird auch betont von May, Schöpfung aus dem Nichts, 56.

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Deutlicher ist der philosophische Einfluss auf Markions Schüler Apelles, der ebenfalls den Glauben in Form von »Syllogismen« erklären will. Die überlieferten Fragmente zeigen aber keine aristotelischen Syllogismen, sondern Doppelfragen mit hypothetischen Schlüssen, die eher einem Modus ponens entsprechen.59 Apelles gibt sogar an, keinen »Beweis« (ἀπόδειξις) dafür zu haben, dass, bzw. nicht sagen zu können, »wie« es nur ein Prinzip gibt, obwohl er dies (gegen Markion) glaube; diese Aussage wird neuerdings im Sinne einer platonischen Transzendenzlehre interpretiert.60 Näher an platonischen Positionen steht offenbar Hermogenes, der das Schlechte durch die schon bei der Schöpfung anwesende Materie erklärt. Trotz dieser Nähe – deretwegen Tertullian Hermogenes eine Hinwendung zur Philosophie vorwirft –, legt Hermogenes offenbar Wert darauf, nur ein aktives Prinzip, nämlich Gott, anzunehmen.61 Damit wendet er sich klar gegen dualistische (gnostische?) Positionen und provoziert zugleich die Klarstellung der von Philon und Basileides vorbereiteten Lehre von der ›Schöpfung aus dem Nichts‹ (creatio ex nihilo) bei den Apologeten Tatian, Theophilos und Tertullian.

Würdigung Die christlichen Theoretiker des 2. Jahrhunderts entnehmen der Philosophie recht verschieden geartete methodische und inhaltliche Anleihen. Bei Hermogenes und wohl auch Apelles ist die Nähe zur philosophischen Arbeit am leichtesten zu erkennen, doch scheinen einige der schwer rekonstruierbaren gnostischen Diskurse, namentlich der im Siebten Buch von ›Hippolyts‹ ›Widerlegung‹ dem Basileides zugeschriebene, inhaltlich origineller zu sein. Ansonsten haben die (von ihren Gegnern) überlieferten komplexen Weltentstehungs- und Erlösungslehren der sogenannten Gnostiker, auch wenn sie begrifflich und methodisch philosophische Elemente enthalten, im Grunde genauso wenig einen erkennbar philosophischen wie einen christlichen Ursprung.62 Die ihnen zugrunde liegende Vorstellung einer aufgrund von himmlischen Dramen erlösungsbedürftigen Welt unterscheidet sich von den philosophischen Ansätzen der Zeit, die meist von einer guten Ordnung der Welt ausgehen, schon in ihrem Grundansatz. Auch wenn zumindest Basileides und Isidor das Philosophie-Ideal aufnehmen und mit rationalen Argumenten

59

  Vgl. zu seiner Person und Lehre Greschat, Apelles und Hermogenes, 50–68: Zitat und Interpretation der erhaltenen ›Syllogismen‹. 60   Rodo, apud: Eusebius, Historia ecclesiastica 5, 13, 5–7 (GCS Eus. 2, 1, p.  456, 9–458, 4 Schwartz). 61   Vgl. Tertullianus, Adversus Hermogenem 1, 2, 4–1, 3, 1 (CCL 1, p.  398, 2–17 Kroymann). Zu seiner Lehre prägnant May, Schöpfung aus dem Nichts, 142–148; Karamanolis, The Philosophy of Early Christianity, 82–86. 62   So auch richtig Strutwolf, Die Gnosis im Rahmen der antiken Philosophie, 35 f.

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arbeiten, scheint die These, die Gnosis habe sich als eine christliche Philosophie im antiken Sinne verstanden,63 den Sachverhalt etwas zu überzeichnen.

3. Die Begründung und Verteidigung des christlichen Philosophie-Ideals bei den Apologeten Allgemeines  /  Historischer Überblick Die positive Rezeption des Philosophiekonzepts im Christentum, die sich von den beschriebenen Tendenzen auffallend abhebt, wird von den sogenannten ›Apologeten‹ des Christentums eingeleitet, die vor allem im 2. Jahrhundert die zeitgenössische Gattung systematisch strukturierter Verteidigungsschriften64 für die eigene Position fruchtbar machen. In diesem Zusammenhang wird um 155 n. Chr. das Konzept des Christentums als Philosophie von Justin begründet, der heute meist als »der Märtyrer« bekannt ist, von antiken Mitchristen aber auch als »der Philosoph« bezeichnet wird.65 Er kommt, seiner literarisch stilisierten Selbstauskunft zufolge, im Zuge einer philosophischen Wahrheitssuche zum Christentum und lehrt auch dann noch als Philosoph,66 bevor er einen (in seinen Augen wohl durchaus philosophischen) Märtyrertod erleidet. Mit dem Schreiben von Apologien beginnt ein Aristeides, der als Philosoph aus Athen bezeichnet wird,67 zwar bereits vor Justin, doch ist bei ihm die Philosophie nur ein Nebenaspekt.68 Nach Justin greifen Tatian69 und Meliton von Sar63

  So W. Löhr, Christian Gnostics and Greek Philosophy in the 2nd Century, in: Early Christianity 3 (2012), 349–358. 64   M. Edwards  /  M. Goodman  /  S. Price (Hrsg.), Apologetics in the Roman Empire. Pagans, Jews and Christians, Oxford 1999. 65   Zu Justin vgl. G. Bardy, Apologetik, in: RAC 1 (1950), 533–543; J. Daniélou, Message évangelique et culture hellénistique aux IIe et IIIe siècles, Paris 1961, 1–49; Malingrey, Philosophia, 107–28; J. Pépin, Iustinus (Justin), in: DPhA 3 (2000), 983–986; D. Wyrwa, Justin, in: GGPh 5, 1 (2018), 790–806, weiterhin die Monographien L. W. Barnard, Justin Martyr. His Life and Thought, Cambridge 1966; E.  F. Osborn, Justin Martyr, Tübingen 1973. 66   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 1, 1 f. (69, 1–8 Marcovich). 67   Aristides, Apologia 1, 1; 17, 3 (SC 470, p.  182 f.; 250 f. Pouderon  /  Pierre). Vgl. zur Zuverlässigkeit dieser Angabe B. Pouderon  /  M.-J. Pierre, in: Aristide, ›Apologie‹. Introduction, textes critiques, traduction et commentaire par B. Pouderon  /  M.-J. Pierre, avec la collaboration de B. Outtier  /  M. Guiorgadzé (SC 470), Paris 2003, 25–31. 68   Zu Einleitungsfragen vgl. P. Pilhofer, Aristides, in: LACL, 60 f.; D. Wyrwa, Aristeides, in: GGPh 5, 1 (2018), 787–789; instruktiv auch der Abriss bei May, Schöpfung aus dem Nichts, 120–122. 69   Vgl. B. Pouderon, Tatien, in: DPhA 6 (2016), 710–713; D. Wyrwa, Tatian, in: GGPh 5, 1 (2018), 817–824.

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deis70 (beide ca. 165–170 aktiv) Justins Charakterisierung des Christentums als wahrer Philosophie offensiv auf, der etwa gleichzeitige Athenagoras71 und der etwas spätere Theophilos von Antiochien72 hingegen nicht. Sie alle setzen sich aber in scharfsinnigen und kenntnisreichen Argumentationen mit den philosophischen Ideen ihrer Zeitgenossen auseinander und entwickeln das christliche Selbstverständnis auf philosophische Weise weiter.73 Apologetisch ist auch der schwer datierbare sogenannte ›Diognetbrief‹, der den »leeren und geschwätzigen Argumenten der Philosophen« die Autorität der Offenbarung des Schöpfergottes selbst gegenüberstellt, der hierzu freilich in philosophischen Termini geschildert wird,74 während die ›Verspottung der äußeren Philosophen‹ (›Irrisio philosophorum gentilium‹) eines Hermeias eher eine Satire darstellt.75

Leistungen der Apologeten 1: Philosophische Grundthesen der Christen Die philosophischen Leistungen der Apologeten bestehen einerseits in ihren Kritiken an der griechischen Philosophie, die weiter unten behandelt werden, und andererseits in der philosophischen Klärung christlicher Grundannahmen.76 Zentral sind die Aussagen über Gott, in denen sich die Apologeten, auch zwecks einer Abwehr des gegen die Christen gerichteten Atheismus-Vorwurfs, in einer relativ großen Nähe zu den Philosophen ihrer Zeit sehen. Die Transzendenz Gottes ergibt sich für Justin aus einer impliziten Identifizierung mit dem Seienden an sich, das in seiner Unaussagbarkeit jedoch zugleich, entsprechend der platonischen Formulierung, »jenseits des Seins« (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας) angesiedelt wird;77 diese platonischem Denken sehr nahe stehende Dialektik des Seinsbegriffs kommt interessanterweise noch ganz ohne Bezug auf ›Exodus‹ 3, 14 aus.

70   Vgl. D. Wyrwa, Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse, in: GGPh 5, 1 (2018), 843–851, hier 847–849. 71   Bei Athenagoras finden sich nach May, Schöpfung aus dem Nichts, 138 f., die bedeutendsten Anleihen aus dem Platonismus. Ähnlich D. Wyrwa, Athenagoras, in: GGPh 5, 1 (2018), 825–834, hier 827. Vgl. aber J. Pépin, Athénagore d’Athènes, in: DPhA 1 (1994), 640–642. 72   Vgl. B. Pouderon, Theophile d’Antioche, in: DPhA 6 (2016), 1030–1033; D. Wyrwa, Theophilos von Antiochien, in: GGPh 5, 1 (2018), 834–843. 73   Eine zusammenfassende Darstellung aus philosophischer Perspektive bietet Mores­ chini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 235–279. 74   Epistula ad Diognetum 7 f. (145, 9–146, 24 Funk  /  Bihlmeyer). Zu philosophischen Themen im ›Diognetbrief‹ vgl. Ch. Riedweg, Iustinus Martyr II, in: RAC 19 (2001), 848–873, hier 853–858; D. Wyrwa, Ps.-Justin, in: GGPh 5, 1 (2018), 807–816, hier 808–811. 75   Vgl. dazu Wyrwa, Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse, 843–845. 76   Vgl. hierzu z. B. St. Heid, Iustinus Martyr I, in: RAC 19 (2001), 801–847, hier 822–844. 77   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 4, 1 (77, 1–4 Marcovich), nach Plato, Respublica 6, 509b.

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Beachtlich ist die erstmals bei Justin und dann bei Tatian zu findende pointiert hervorgehobene Rolle der menschlichen Entscheidungsfähigkeit, die sie auch – für den antiken Kontext bemerkenswert oft – »Freiheit« (ἐλευθερία) nennen und bis auf die Engel ausdehnen, die, ebenso wie die Menschen, ganz von Gott abhängig seien. Mit dieser Position, die Justin wohl in seinem verlorenen ›Syntagma‹ ausarbeitet, das die Quelle für die eng verwandten Freiheitstheorien bei Eirenaios, Tertullian und im bardaiṣānitischen ›Buch der Gesetze der Länder‹ sein dürfte,78 wird die christliche Position begründet, das Schlechte quasi ausschließlich durch menschliche Wahl und dezidiert nicht mehr durch die Materie zu begründen.79 Während Argumente zur Verteidigung der Freiheit gegen die Macht des Schicksals von Platonikern und Aristotelikern übernommen werden, ist der starke Akzent dieser Lehre in der Theodizee, soweit erkennbar, eine christliche Position, die sonst keine vergleichbare Rolle spielt. Erst nach und nach formulieren die Apologeten die These einer ›Schöpfung aus dem Nichts‹. Während Justin und Athenagoras ganz platonisch eine ewige Materie annehmen,80 distanziert sich Theophilos hiervon deutlich: Eine ewige Materie neben Gott würde für ihn, anders als für Philon, einen Dualismus bedeuten, da sie ob ihrer Ewigkeit »gottgleich« (ἰσόθεος) wäre. Ein Gott, der aus Materie schaffe, sei nicht mehr als ein Handwerker, weswegen man annehmen müsse, dass er – entgegen dem traditionellen Prinzip der Philosophie – aus Nicht-Seiendem Seiendes schaffe (ἐξ οὐκ ὄντων τὰ ὄντα).81 Zum Verständnis ist zu beachten, dass sich Theophilos zuvor mit der Position des Hermogenes auseinandersetzt, also vorwiegend die christliche Position in einem internen Diskurs klärt. Eigene Wege geht auch die Seelenlehre: Nach Justin kann jede menschliche Seele durch ihren Anteil am »königlichen Geist« (βασιλικὸς νοῦς)82 Gott

78   Diese aufgrund der drei geographisch und sprachlich weit auseinanderliegenden, aber einander zeitlich nahen Texte plausible Hypothese wird von A. Camplani, Traces de controverse religieuse dans la littérature syriaque des origines: Peut-on parler d’une hérésiologie des hérétiques?, in: F. Ruani (Hrsg.), Les controverses religieuses en syriaque, Paris 2016, 9–66, hier 15–30, mit einem ausführlichen Textvergleich begründet. Eine systematische Analyse findet sich bei A. Fürst, Wege zur Freiheit. Menschliche Selbstbestimmung von Homer bis Origenes, Tübingen 2022. 79   Siehe vor allem: Iustinus, Apologia maior 43, 3–6 (92, 9–93, 21 Marcovich); Apologia minor 7, 5–7 (148, 20–27 Marcovich); weiterhin Iustinus, Dialogus cum Tryphone 88, 5 (223, 22–26 Marcovich); Tatianus, Oratio ad Graecos 7, 2 (17, 5–12 Marcovich); vgl. Daniélou, Message évangelique, 37–39; Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 186–190. 80   Vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 124–127 (zu Justin), 141 f. (zu Athenagoras). 81  Theophilus Antiochenus, Ad Autolycum 2, 4, 4–9 (42, 8–26 Marcovich); vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 159–167, sowie 151–153 und 155–157 zu den weniger klaren Aussagen Tatians. 82   Plato, Philebus 30d; vgl. J. C. M. van Winden, An Early Christian Philosopher. Justin Martyr’s Dialogue with Trypho ch. 1–9, Leiden 1971, 76–78; zur Formulierung vgl. Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 94, 5 (GCS Clem. 2, p.  388, 14–16 Stählin).

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grundsätzlich erkennen.83 Dies sei aber nicht durch Lernen erreichbar,84 denn der Mensch könne Gott nicht natürlicherweise erkennen, da er, ebenso wie die ganze Welt,85 von ihm durchweg abhängig und verschieden sei.86 Diese Betonung des Unterschieds von Gott und Seele folgt eher einer jüdisch-christlichen Traditionslinie als dem mittelplatonischen Gottes- und Menschenbild.87 Dies impliziert nicht, dass auf eine rationale Begründung der christlichen Philosophie verzichtet würde: Diese könne erlernt werden, indem der Einzelne die Wahrheit im Gespräch mit sich selbst gewinne,88 bei der ihm die Überlieferung, vor allem die Propheten, als Quelle diene.89 Die biblische Überlieferung nimmt hier also eine ähnliche Funktion ein wie die traditionellen Texte für das Lernen in den Philosophenschulen.

Leistungen der Apologeten 2: Kritik der hellenischen Philosophen Die Argumentation der Apologeten zur hellenischen Philosophie ist Teil ihrer Auseinandersetzung mit dem Griechentum an sich, so dass »Dichter und Philosophen« häufig zusammen genannt werden.90 Aristeides91 verteidigt das Christentum bereits durch Polemik gegen pagane Götterlehren – konkret die (›barbarische‹) Identifizierung Gottes mit den Elementen92 sowie die (›griechischen‹) Genealogien der Götter93 – argumentativ und insofern ›philosophisch‹, auch gegen die Philosophen, ohne auf einzelne Positionen einzugehen.94 Zur Antwort auf den gegen die Christen erhobenen Vorwurf des Atheismus gehören, neben den oben geschilderten positiven Ausführungen, einige dialektische Argumentationen, z. B. Verweise auf »atheistische« philosophische Strömungen der Zeit, vor allem den Epikureismus,95 sowie auf den faktischen Monotheis-

83

  Iustinus, Dialogus cum Tryphone 4, 2 (77, 13–15 Marcovich).   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 3, 6 (75, 50–55 Marcovich). 85   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 5, 4 (80, 25–30 Marcovich). 86   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 6, 1 f. (81, 3–82, 15 Marcovich). 87   Vgl. Irenaeus, Adversus Haereses 2, 34, 4 (SC 294, p.  356, 23–36 Rousseau  /  Doutreleau) und zum Ganzen van Winden, An Early Christian Philosopher, 105. 88   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 3, 2; 8, 1 f. (73, 15–74, 17; 84, 4–6 Marcovich); vgl. die ähnliche Konzeption der Andreasakten unten S. 661. 89   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 7, 1 (82, 18–83, 9 Marcovich). 90   Iustinus, Apologia minor 12, 5 (126, 25 Marcovich); Athenagoras, Legatio pro Christianis 5, 1; 7, 2 (29, 1; 34, 8 Marcovich). 91   B. Altaner, Aristides von Athen, in: RAC 1 (1950), 652–654; J. Pépin  /  J.-P. Mahé, Aristide d’Athènes, in: DPhA 1 (1994), 366–368. 92   Aristides, Apologia 3–7 (SC 470, p.  190–203 Pouderon  /  Pierre). 93   Aristides, Apologia 8–11 (SC 470, p.  202–221 Pouderon  /  Pierre). 94   Aristides, Apologia 13, 2 f. (SC 470, p.  226–229 Pouderon  /  Pierre). 95   Empedokles: Theophilus Antiochenus, Ad Autolycum 3, 2, 4 (100, 15 f. Marcovich). 84

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Die Anfänge des christlichen Philosophierens

mus bei Platon, Aristoteles und den Stoikern.96 Ebenso werden die christlichen Engel den Dämonen gegenübergestellt, die im Mittelplatonismus wichtig sind.97 Einigkeit von Christen und Philosophen wird auch im Hinblick auf die Freiheit der Menschen und Engel behauptet.98 Gelegentlich werden den Philosophen auch fragwürdige Lehren vorgeworfen.99 Platons Ideenlehre mit ihren vermeintlich nicht monotheistischen Implikationen100 und die stoische Allegorese werden scharf angegriffen.101 Zwei häufig von den Apologeten gegen die hellenische Philosophie vorgebrachte Punkte lehnen sich an deren eigene Argumentationsformen an und greifen zugleich auf die jüdischen Vorbilder zurück. Das erste ist das bereits bei Philon und vor allem Flavius Josephus entwickelte ›Altersargument‹, also der Nachweis für die Überlegenheit des Christentums aufgrund seines angeblich hohen, auf Mose zurückgehenden Alters, das diesen und die auf ihn zurückgehende Lehre Platon überlegen mache.102 Es geht letztlich auf die hellenistische Idee der Barbarenphilosophie zurück, die das Alter des Judentums bereits betont, findet aber auch bei philosophischen Autoren der Kaiserzeit, z. B. bei Numenios, durchaus noch Anerkennung. Das zweite Argument wirft den Philosophen ihre Uneinigkeit vor, die von vielen Zeitgenossen beklagt wird, und stellt ihr die (angebliche) Einheit der Christen positiv gegenüber: Dieser schon im ›Diognetbrief‹103 erhobene Punkt wird von Justin dahingehend ausgestaltet, dass die Philosophen jeweils ohne neue Untersuchung der Wahrheit die Meinung ihres Lehrers übernommen und sich so in verschiedene Schulen aufgesplittert hätten.104 Danach wird das Argument geradezu topisch,105 wobei zu seinem Nachweis gerne auf Doxographien zurückgegriffen wird.106 Positiv gewürdigt wird von den hellenischen Philosophien am ehesten der Platonismus, bei dem Justin sein theozentrisches Philosophie-Ideal und das Ziel, Gott 96   Athenagoras, Legatio pro Christianis 4, 2–7, 1 (28, 15–34, 14 Marcovich); Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 19 f. (49, 4–15 Marcovich). 97   Iustinus, Apologia minor 6, 2–7, 1 (40, 4–41, 1 Marcovich); vgl. Athenagoras, Legatio pro Christianis 23 (74, 1–75, 29 Marcovich); s. oben S. 552. 98   Iustinus, Apologia minor 7, 1–4 (147, 1–18). 99   Iustinus, Apologia maior 4, 9 (37, 28–30 Marcovich); Apologia minor 12, 5 (155, 17– 156, 26 Marcovich); Theophilus Antiochenus, Ad Autolycum 3, 6, 1–7 (104, 1–21 Marcovich). 100   Vgl. M. Baltes, Idee (Ideenlehre), in: RAC 17 (1996), 213–246, hier 238 f. 101   Athenagoras, Legatio pro Christianis 22, 1–3 (68, 6–71, 47 Marcovich). 102   Vgl. z. B. Tatianus, Oratio ad Graecos 31–41 (57, 1–74, 36 Marcovich); ferner das komplette dritte Buch von Theophilos, Ad Autolycum. Zu den Voraussetzungen des Arguments vgl. z. B. May, Schöpfung aus dem Nichts, 123 f. 103   Epistula ad Diognetum 8 (146, 6–9 Funk  /  Bihlmeyer); vgl. Riedweg, Iustinus Martyr II, 855–858. 104   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 2, 1 (71, 1–7 Marcovich). 105   Tatianus, Oratio ad Graecos 25, 3 f. (48, 11–49, 28 Marcovich); Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 4, 2 (28, 17–20 Marcovich). 106   Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 3, 2 (27, 12–26 Marcovich).

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zu schauen, verwirklicht sieht, während er dieses Interesse an Gott bei den Stoikern vermisst.107 Auch Platons Lehre vom Gericht über die Seelen wird als Analogie zur christlichen Lehre positiv aufgegriffen,108 ebenso aber auch der stoische Weltenbrand, der sich wiederholen könne, als Pendant zum christlichen Welt­ gericht.109

Die Aufnahme des Philosophiebegriffs bei Justin und seinen Nachfolgern In Justins ›Apologie‹ werden zunächst zwei Formen von Philosophie einander gegenübergestellt: Denn einer guten, mit der Frömmigkeit (εὐσέβεια) verbundenen Philosophie, die auch für den Herrscher typisch sei110 und ein gerechtes, sachbezogenes Urteil hervorbringe,111 stehe eine falsche Form von ihr gegenüber, da die Bezeichnung Philosophie einen Sammelbegriff sowohl für gottesfürchtige als auch für atheistische Strömungen wie die Epikureer darstelle.112 Daher verdienten es die Christen, wie die (bzw. andere) Philosophen nach ihrer jeweiligen Lebensführung beurteilt zu werden, so wie gerecht lebende Stoiker nicht bestraft würden, ungerechte hingegen schon.113 Justin nimmt letztlich allerdings einen großen Unterschied des Christentums zu den anderen Philosophien an,114 da es jeder »menschlichen Philosophie« überlegen sei.115 Justin erkennt dies an der Tapferkeit der Christen in der Verfolgung,116 setzt also voraus, dass die in hellenischen Quellen als irrational kritisierte christliche Todesverachtung117 durchaus als vorbildliches Sterben im Sinne wahrer Philosophie angesehen werden kann.118 Eine zusammenhängende Begründung seiner Haltung liefert Justin in der Einleitung zum ›Dialog mit dem Juden Tryphon‹.119 Hier bezeichnet Justin die Phi107

  Iustinus, Dialogus cum Tryphone 2, 3–6 (72, 15–73, 43 Marcovich).   Iustinus, Apologia maior 8, 4 (42, 10–14 Marcovich); Tatianus, Oratio ad Graecos 6, 1 f.; 25, 4 (15, 6–8; 49, 20 f. Marcovich); Athenagoras, Legatio pro Christianis 12, 1 (44, 8–11 Marcovich). 109   Iustinus, Apologia minor 7, 3 f. (147, 10–19 Marcovich); s. oben S. 415. 110   S. unten S. 648 sowie S. 801 f. zur verwandten Konzeption Eusebs. 111   Iustinus, Apologia maior 2, 1 (33, 1–6 Marcovich). 112   Iustinus, Apologia maior 4, 8 f.; 7, 3; 26, 6 f. (37, 23–31; 41, 4–8; 71, 26–31 Marcovich); Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 35, 2–36, 1 (72, 14–73, 21 Marcovich). 113   Iustinus, Apologia minor 8, 1–3 (149, 1–12 Marcovich); Athenagoras, Legatio pro Christianis 2, 4 (25, 28–34 Marcovich); eine Anspielung auf die Verfolgung der Philosophen: Siehe oben S. 536. 114   Iustinus, Apologia minor 13, 2 (157, 4–8 Marcovich). 115   Iustinus, Apologia minor 10, 1; 15, 3 (151, 1 f.; 159, 4–6 Marcovich). 116   Iustinus, Apologia minor 12, 1 (155, 2–4 Marcovich). 117   S. oben S. 578, 602  f. 118   Vgl. dazu schon oben S. 623 zum ›4. Makkabäerbuch‹. 119   Vgl. Van Winden, An Early Christian Philosopher; May, Schöpfung aus dem Nichts, 122 mit Anm.  10 (u. a. Parallele zu den ›Acta Iustini‹). 108

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losophie, ähnlich wie zeitgenössische Platoniker und Aristoteliker,120 als »größten und ehrenvollsten Besitz« (μέγιστον κτῆμα καὶ τιμιώτατον). Ihr eigentlicher Gegenstand ist Gott (beziehungsweise das Göttliche), der die Philosophie auch als einheitliche Gabe zur Erde geschickt hat.121 Zum Ziel der Eudaimonie führt die Philosophie, weil sie das Wissen vom Seienden beziehungsweise die Weisheit ist. Ihre traditionelle Definition als »Kenntnis (γνῶσις) des Menschlichen und Göttlichen« wird von Justin in der Form zitiert, die bei Aristobulos und im ›4. Makkabäerbuch‹ begegnet. Zugleich wird die Weisheit mit dem seltenen, in der griechischen Bibel (Septuaginta) enthaltenen Terminus für »Wissen« (ἐπίγνωσις) identifiziert.122 Alle diese in der Einleitung zum Dialog genannten Punkte lassen sich auch auf das Judentum anwenden, so dass der folgende, nicht direkt auf die Philosophie rekurrierende Dialog als Auseinandersetzung darüber gelesen werden kann, ob das Judentum oder das Christentum letztlich die wahre monotheistische Philosophie ist.123 Die späteren ›Apologien‹ Tatians und Melitons bezeichnen das Christentum als »unsere Philosophie« (ἡ ἡμέτερα oder ἡ καθ’ ἡμᾶς φιλοσοφία) und ordnen es in die Tradition der Barbarenphilosophie ein.124 Tatian gibt den charakteristischen Hinweis, dass bei den Christen jeder willkommen ist, der ›philosophieren‹ will125 – in offenbarem Gegensatz zur elitären paganen Philosophie. Dass das Philosophiekonzept für das christliche Selbstverständnis zu dieser Zeit noch randständig ist, zeigt Meliton, indem er das Christentum nur in seiner ›Apologie‹, nicht aber in innerchristlichen Schriften, Philosophie nennt.

Das Verhältnis von Philosophie und Religion Im Hinblick auf das Verhältnis von Philosophie und Religion ist den Apologeten ein grundsätzlicher Gegensatz fremd. Athenagoras bezeichnet das Christentum als »unsere gewählte Lebensweise« (ἡ προαίρεσις ἡμῶν), bedient sich also zur Charakterisierung nicht des Wortes Philosophie, wohl aber eines philosophischen Begriffs ohne religiöse Konnotation.126 Bei Justin ist das Verhältnis des 120

  S. oben S. 547, 562.   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 1, 3; 2, 1 (μιᾶς οὔσης ταύτης ἐπίστημης. Ich lese den Genitivus absolutus konzessiv; vgl. dazu Van Winden, An Early Christian Philosopher, 47); 3, 3 (70, 19–22; 71, 1–4; 74, 21–29 Marcovich). 122   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 3, 4 f. (75, 34–45 Marcovich); vgl. van Winden, An Early Christian Philosopher, 61 f. 123   Vgl. Heid, Iustinus Martyr I, 804 f., 819. 124   S. oben S. 485  f.; Tatianus, Oratio ad Graecos 31, 1 (57, 1 f. Marcovich); Melito, frg.  1 (SC 123, p.  220, 23 Perler); vgl. W. Speyer, Barbar I, in: RAC Supplement 1 (2001), 811–895, hier 851. 125   Tatianus, Oratio ad Graecos 32, 1–7 (60, 1–61, 30 Marcovich). 126   Athenagoras, Legatio pro Christianis 11, 3; 18, 2 (43, 26; 56, 2 Marcovich). 121

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Christentums zu seinen hellenischen Rivalen das einer wahren Philosophie zu ihren defizienten Gegenstücken. Er erklärt dies mit »samenartigen Logoi« (λόγοι σπερματικοί): Da nach den Stoikern alle, denen der Same des Logos innewohne, verfolgt worden seien, treffe das umso mehr auf die zu, die die volle Wahrheit in Christus gefunden hätten. Ihnen sei daher die ganze Wahrheit zu eigen: »Daher gehört alles, was von allen gut gesagt werde, uns, den Christen«.127 Mit diesen Worten begründet Justin die später häufig wiederholte Lehre der sogenannten Chrēsis, welche einerseits den Christen die Möglichkeit eingeräumt, Philosophie zu treiben bzw. nichtchristliche Philosophie zu benutzen, andererseits eine zumindest partielle Wahrheitsannäherung der hellenischen Philosophen anerkennt.

Verhältnis der Philosophie zu Politik und Fachwissenschaften Das Konzept der Philosophie hat bei den Apologeten, die sich an den Kaiser wenden, einen politischen Unterton, insofern die Philosophie, die bei Justin mit Frömmigkeit und bei Athenagoras mit Bildung (παιδεία) und Freimut (παρρησία) verbunden wird, mit ausdrücklichem Bezug auf Platons Idee des Philosophenkönigtums als typische Eigenschaft der angesprochenen Kaiser und als die Bedingung für deren gerechtes Urteil über die Christen gilt.128 Am deutlichsten wird das bei Justin, der sie ausdrücklich in die Tradition von Platons Philosophenkönigen stellt.129 Er betont auch den Nutzen, den das Christentum dem Staat durch die Erziehung zu guten Sitten bringen kann.130 Die Gegnerschaft zur Philosophie beziehen die Apologeten auch auf andere Elemente paganer Kultur, z. B. Dichtung und Rhetorik. Einen philosophischen Punkt im Hinblick auf die Wissenschaften macht Justin, indem er die den Pythagoreern zugeschriebene Vorbereitung des Erlernens der Philosophie durch Geometrie, Astronomie und andere Wissenschaften als überflüssig für die Schau Gottes ablehnt.131

127   Ὅσα οὖν παρὰ πᾶσι καλῶς εἴρηται, ἡμῶν τῶν Χριστιάνων ἐστι. Iustinus, Apologia minor 8, 1–3; 13, 3 f. (149, 1–10; 157, 9–13, Zitat 157, 12 f. Marcovich); vgl. Athenagoras, Legatio pro Christianis 6, 5 (32, 21–24 Marcovich); vgl. Daniélou, Message évangelique 44–46; Heid, Iustinus Martyr I, 835–837. 128   Iustinus, Apologia maior 3, 2 f.; 12, 5 f. (34, 6–35, 13; 48, 19–49, 23 Marcovich); Apologia minor 15, 5 (159, 11–13 Marcovich); Athenagoras, Legatio pro Christianis 2, 3; 11, 2 (24, 17; 42, 11 Marcovich); Melito, frg.  1 (SC 123, p.  220, 28–34 Perler). 129   Iustinus, Apologia maior 3, 3 (35, 11–13 Marcovich). 130   Iustinus, Apologia maior 10, 5 f.; 12, 1–3 (46, 17–22; 48, 1–14 Marcovich); vgl. Heid, Iustinus Martyr I, 825–827. 131   Iustinus, Dialogus cum Tryphone 2, 4 f. (72, 25–32 Marcovich).

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Würdigung Durch die Anwendung hellenischer und jüdischer Materialien zur Verteidigung ihrer Ausarbeitung der christlichen Lehre bringen sich die Apologeten mit der Idee, das Christentum entsprechend zu präsentieren, in die zeitgenössische Diskussion um wahre Philosophie ein.132 Während Justin hierzu hauptsächlich mittelplatonische Ideen heranzieht, beziehen sich Tatian und Meliton stärker auf die Tradition der Barbarenphilosophie.133 Sie alle entwickeln begriffliche Klärungen christlicher Positionen sowie Verteidigungsstrategien, welche die zeitgenössische Diskussion gezielt aufnehmen und umarbeiten; damit entwickeln sie Argumentationsstrategien von langer Wirkung, z. B. das bis heute bedeutende christliche Konzept, das Schlechte durch Freiheit zu erklären. Ihre Leistung sollte daher auch in philosophischer Hinsicht nicht geringgeschätzt werden.

4. Philosophische Zeugnisse und Argumente bei den Häresiographen ­Eirenaios und ›Hippolyt‹ Wichtig wird die philosophische Ausarbeitung des Christentums vor allem in der Auseinandersetzung mit sogenannten ›Häretikern‹, die in einem bereits im 2. Jahrhundert verbreiteten Narrativ von der einen und altüberlieferten Wahrheit der gesamten Kirche durch Neuerungen abgewichen seien.134 Dieses Motiv unterscheidet sich vom philosophischen Verständnis des Wortes ›Richtung‹ (αἵρεσις), dem zufolge innerhalb der Philosophie mehrere Richtungen nebeneinander bestehen können, dadurch, dass es nach christlicher Überzeugung im Grunde nur die eine wahre Lehre geben dürfe, so dass die Zugehörigkeit anderer Richtungen bzw. Häresien zur Kirche bestritten wird.135 Das auch bei Philosophen der Zeit erkennbare Bemühen um die Einheit der eigenen Tradition mündet also im Christentum in eine scharfe und ausgrenzende Bekämpfung abweichender Gruppen, welche in dieser Optik nicht mehr als verschiedene Strömungen innerhalb der Einheit nebeneinander bestehen können. Die Bekämpfung von Häresien wird somit ein großes Thema des christlichen Denkens, dessen frühe Formen uns vor allem in den Werken des Eirenaios (bzw.

132

  Vgl. Barnard, Justin Martyr, 169–171.   S. oben S. 647. 134   Zum Beispiel bei Irenaeus, Adversus Haereses 1, 10, 1 f. (SC 264, p.  154, 1–160, 48 Rousseau  /  Doutreleau); Tertullianus, Adversus Hermogenem 1, 1 f. (CCL 1, p.  397, 3–14 Kroymann). 135   Eine einleuchtende Darstellung gibt N. Brox, Häresie, in: RAC 13 (1986), 248–297, hier 250–253. 133

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Irenaeus) von Lyon (ca. 140–200)136 und des ›Hippolyt von Rom‹ (fl. 220)137 zugänglich sind, welche ausführliche Referate vor allem gnostischer Positionen, aber auch der Lehre Markions anführen und widerlegen; ähnliche Werke der Apologeten Justin und Theophilos sind hingegen verloren. Den Höhepunkt der Philosophierezeption in der Häresiographie bildet die wohl ca. 222 n. Chr. entstandene138 ›Widerlegung aller Häresien‹ (›Refutatio omnium haeresum‹) des ›Hippolyt‹, deren Autor auch eine apologetische Schrift ›Gegen die Griechen und gegen Platon oder auch über das Wesen des Alls‹ verfasst.139 Hier wird die bei Eirenaios eher beiläufig zu findende Idee, die Gnostiker folgten nicht der Bibel, sondern arbeiteten Ideen aus der hellenischen Philosophie aus, zur Leitidee einer umfangreichen Darstellung.140 Dies gibt Anlass zu teils ausführlichen Philosophenreferaten, vor allem bei ›Hippolyt‹, sowie zur Anwendung philosophischer Argumente und Argumentationstechniken, die sich z. B. auch beim von Eusebios überlieferten Disput des philosophisch argumentierenden Großkirchlers Rhodon mit dem MarkionSchüler Apelles feststellen lassen.141

Philosophische Leistung Die philosophische Leistung der Häresiographen ergibt sich aus einer mehr oder weniger geschickten Argumentation auf der Grundlage der bereits bei Justin entwickelten philosophischen Ausarbeitung der christlichen Lehre,142 die freilich be-

136

  Zu Eirenaios vgl. W. R. Schoedel, Philosophy and Rhetoric in the ›Adversus haereses‹ of Irenaeus, in: Vigiliae Christianae 13 (1959), 22–32; N. Brox, Irenaeus von Lyon, in: RAC 18 (1998), 820–854; D. Wyrwa, Irenäus von Lyon, in: GGPh 5, 1 (2018), 883–896. 137   Zu ›Hippolyt‹ vgl. C. Scholten, Hippolytos II (von Rom), in: RAC 15 (1991), 492–551; Mansfeld, Heresiography in Context; D. A. Bertrand, Hippolyte de Rome, in: DPhA 3, 2000, 791–799; Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 295–308. In der gegenwärtigen Forschung wird der Verfasser der ›Refutatio‹ vom Bibel-Kommentator Hippolyt üblicherweise unterschieden (ich danke Katharina Bracht für diese mündliche Mitteilung), so dass er hier in Anführungszeichen als ›Hippolyt‹ zitiert wird. Vgl. auch D. Wyrwa, Hippolyt von Rom, in: GGPh 5, 1 (2018), 897–914, hier 899 f. 138   Vgl. Scholten, Hippolytos II, 498. 139   W. J. Malley, Four Unedited Fragments of the ›De Universo‹ of the Pseudo-Josephus found in the ›Chronicon‹ of George Hamartolus (Coislin 305), in: Journal of Theological Studies NS 16 (1965), 13–25, hier 23; weitere Fragmente der Schrift: Photius, Bibliotheca codicum 1, 48 (1, 33–35 Henry; mit Inhaltsübersicht des Gesamtwerks); K. Holl, Fragmente vornicänischer Kirchenväter aus den ›Sacra Parallela‹, Leipzig 1899, 137–143; die Identität mit dem Autor der Refutatio ist gesichert durch ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 32, 4 (GCS Hipp.  3, p.  288, 22 f. Wendland); zur Autorfrage vgl. Bertrand, Hippolyte de Rome, 793–795. 140   Vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 163. 141   Vgl. zu diesem Aspekt May, Schöpfung aus dem Nichts, 157 f. 142   Vgl. die Einschätzung von May, Schöpfung aus dem Nichts, 167–170.

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reits bei Eirenaios auch weiter ausgearbeitet wird.143 Er legt vor allem die Lehre von der Schöpfung aus dem Nichts mit einer Art ›Schriftbeweis‹ sowie einem Hinweis auf ihre Unverständlichkeit dar144 und beschreibt das menschliche Entscheidungsvermögen, das auch er gegen den Dualismus als Ursache für das Böse verteidigt, pointiert als die »Freiheit« (ἐλευθερία), die bei ihm erstmals klar als die Fähigkeit, zwischen zwei Alternativen zu wählen, dargestellt wird.145 Bemerkenswert ist, dass er bereits den im christlichen Denken des Mittelalters zentralen Gedanken einer »freien Entscheidung Gottes« formuliert.146 Während Eirenaios diese Überlegungen ohne große Kenntnisse der hellenischen Philosophie anstellt,147 kennt ›Hippolyt‹ diese gut und ist auch zu einem abstrakten Vergleich unterschiedlicher Theorien in der Lage, was eine gewisse Schulung voraussetzt;148 faktisch arbeitet er mit mehreren guten doxographischen Darstellungen und ist daher eine wichtige Quelle für ältere philosophische Lehren.149 Er deutet zwei unterschiedliche Ziele des Rückgriffs auf die hellenische Philosophie an:150 Erstens soll diese dargestellt werden, damit erkannt wird, dass sie »älter und gottesfürchtiger« als die angegriffenen häretischen Positionen ist.151 Zweitens soll den mit Philosophie Befassten – nachdem sie erkannt haben, dass ihre Traditionen jünger sind als »das fromme Geschlecht«, d. h. die Christen – die christliche Wahrheit nahegebracht werden,152 da sie selbst die aporetische Situation ihrer Naturphilosophie erkennen müssen.153 In Buch 1 seiner ›Widerlegung‹ stellt ›Hippolyt‹ zunächst die philosophischen Richtungen ausführlich vor; in Buch 4–9 wird ein Teil von ihnen als die Quellen ausgewiesen, aus denen die verschiedenen gnostischen Gruppen angeblich schöp-

143

  Vgl. z. B. May, Schöpfung aus dem Nichts, 171–174, 178–180; Karamanolis, Philosophy of Early Christianity 191–193. 144   Irenaeus, Adversus Haereses 1, 22, 1; 2, 28, 7 (SC 264, p.  308, 1–16; SC 294, p.  284, 175–182 Rousseau  /  Doutreleau); vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 181; Tornau, Materie, 384 f.; allerdings auch Mansfeld, Heresiography in Context, 51–53. 145   Irenaeus, Adversus Haereses 4, 37, 1 f. (SC 100, 2, p.  918, 1–924, 42 Rousseau). Die Freiheit der alternativen Möglichkeiten erwähnt auch Alexander von Aphrodisias’ ›De fato‹, das allerdings später ist als Eirenaios. Alexanders Text dürfte ebenso wie Eirenaios’ anzunehmende Quelle, Justins ›Syntagma‹, auf ältere platonische oder aristotelische Ausführungen zurückgehen. 146   Irenaeus, Adversus Haereses 4, 37, 4 (SC 100, 2, p.  932, 90–93 Rousseau). Vgl. Fürst, Wege zur Freiheit, 172. 147   Vgl. Brox, Irenaeus von Lyon, 830–833. 148   Anders Scholten, Hippolytos II, 530 f. 149   Vgl. oben S. 590. 150   Vgl. Mansfeld, Heresiography in Context, 56. 151   ›Hippolytus‹, Refutatio 1 praef. 8 (GCS Hipp.  3, p.  3, 21–23 Wendland). 152   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 31, 5 (GCS Hipp.  3, p.  287, 25 Wendland). 153   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 8 (GCS Hipp.  3, p.  268, 5–10 Wendland); Dieses Ziel verfolgt ›Hippolyt‹ auch in seiner Apologie: ›Hippolytus‹, De universo, frg.  (143, 127–134 Holl).

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Philosophie in der Kaiserzeit

fen.154 Dabei wird in der Regel für jede Häretikergruppe ein zugrunde liegender Philosoph namhaft gemacht, z. B. Aristoteles für die Lehre des Basileides oder Empedokles für die des Markion.155 Hierzu wird dann zunächst diese philosophische Position etwas ausführlicher dargestellt, um dann die Abhängigkeit der jeweiligen Häretiker zu zeigen. Auf eine zeitgenössische handbuchartige Darstellung der aristotelischen Philosophie156 folgt z. B., wie im Gnostikerkapitel besprochen wurde, der ›Nachweis‹ der Abhängigkeit des Basileides von ihr.157 Dieses Verfahren führt teils zu ganz abwegigen Ergebnissen, wenn z. B. Basileides’ negative Theologie aus Aristoteles’ Kategorienlehre und seine Christologie aus dessen Entelechielehre abgeleitet wird,158 deren Unverständlichkeit ›Hippolyt‹ im Übrigen eigens betont.159 Im abschließenden Buch 10 wird zunächst die Naturphilosophie aufgrund einer skeptischen Vorlage in aporetischer Weise dargestellt,160 dann werden die Lehren der verschiedenen Häresien noch einmal zusammengefasst161 sowie ein typischer ›Altersbeweis‹ angeführt.162 Der Schluss der ›Widerlegung‹ präsentiert die christliche Position unter Verwendung vieler philosophischer Begriffe (z. B. Elemente;163 Logos;164 Ähnlichwerden mit Gott [ὁμοίωσις θέῳ];165 Entscheidungsfähigkeit [αὐτεξούσιον];166 Selbsterkenntnis [γνῶθι σεαυτόν]167) als rationales Konstrukt mit eigenem Wahrheitsanspruch (ὁ περὶ τὸ θεῖον ἀληθὴς λόγος).168 Die Bezeichnung »unser Glaube« (ἡ καθ’ ἡμᾶς πίστις)169 verzichtet jedoch offenbar bewusst auf die Bezeichnung ›Philosophie‹; stattdessen betont ›Hippolyt‹, die Christen gehorchten aus eigener Entscheidung (ἑκουσίῳ προαίρεσει) einem göttlichen Wort, 154

  Die quellentechnischen Voraussetzungen werden oben S. 589–591 erläutert.   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, capitula 2 et 5 (GCS Hipp.  3, p.  189, 22 f.; 190, 4 f. Wendland). 156   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 15, 1–19, 8 (GCS Hipp.  3, p.  191, 19–195, 13 Wendland). 157   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 20–27 (GCS Hipp.  3, p.  195, 19–208, 7 Wendland); vgl. unten S. 638  f. sowie Mansfeld, Heresiography in Context, 110–152. 158   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 20, 5; 7, 24, 1–5 (GCS Hipp.  3, p.  196, 9–14; 201, 20–202, 18 Wendland). 159   ›Hippolytus‹, Refutatio 7, 19, 5 (GCS Hipp.  3, p.  194, 22 f. Wendland). Vgl. das Urteil von Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 308: »Tutto questo dà l’impressione di una notevole arbitrarietà e di una serie di fantasterie«. 160   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 6, 2–7, 6 (GCS Hipp.  3, p.  265, 27–268, 2 Wendland) = Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 10, 310–318 (2, p.  366, 17–368, 7 Mutschmann). 161   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 9–29 (GCS Hipp.  3, p.  268, 11–284, 18 Wendland). 162   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 30 f. (GCS Hipp.  3, p.  285, 1–288, 6 Wendland). 163   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 32, 2; 10, 33, 4 (GCS Hipp.  3, p.  288, 18; 289, 15 Wendland). 164   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 33, 1; 10, 33, 11 (GCS Hipp.  3, p.  289, 3–5; 290, 24–26 Wendland). 165   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 33, 7 (GCS Hipp.  3, p.  290, 5–7 Wendland). 166   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 33, 9 f. (GCS Hipp.  3, p.  290, 11–24 Wendland). 167   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 34, 4 (GCS Hipp.  3, p.  293, 6 f. Wendland). 168   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 34, 1 (GCS Hipp.  3, p.  292, 6 Wendland); vgl. Scholten, Hippolytos II, 132 zu den philosophischen Parallelen. 169   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 33, 13 (GCS Hipp.  3, p.  291, 8 Wendland). 155

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das weder auf rhetorische noch auf philosophische Argumente gestützt sei,170 und betont so den Offenbarungscharakter christlicher Lehre. Von Eirenaios wird die Philosophie als solche kaum je erwähnt; von den Philosophen spielt nur Platon eine Rolle, wenn es darum geht, einen für Markion unvorteilhaften Vergleich zu ziehen171 oder die gnostische Theorie der Seelenwanderung mit einem antiplatonischen Argument zu entkräften, das sicherlich der Doxographie entlehnt ist.172 ›Hippolyt‹ versteht unter ›Philosophie‹ ausschließlich die griechischen und barbarischen, nicht-christlichen Richtungen. Auf die Christen wird das Wort, wie gerade gezeigt, nicht angewandt.

Würdigung Die Häresiographen Eirenaios und ›Hippolyt‹ arbeiten die Ansätze der Apologeten zur philosophischen Ausformulierung der christlichen Lehre weiter aus. Sie zeigen ein deutlicheres Bewusstsein für den Unterschied des christlichen Offenbarungsglaubens von einer philosophisch begründeten Argumentation, die sie freilich zu dessen Darstellung und Verteidigung weiterhin fleißig benutzen. Bei ›Hippolyt‹ verliert dieses Bemühen aber jedes Maß und löst sich in der Freude am Bizarren auf.

5. Die Begründung des christlichen Denkens in lateinischer Sprache: Das Werk des Tertullian Der Nordafrikaner Quintus Septimius Florens Tertullian (fl. 198–220),173 der erste bedeutende christliche Schriftsteller lateinischer Sprache, führt die Traditionen der Apologeten und Häresiographen fort: In mehreren rhetorisch gekonnt gemachten Werken bemüht er sich um eine Verteidigung der Christen (›Apologeticum‹, ›Ad Nationes‹, ›De pallio‹), in anderen wendet er sich gegen innerchristliche 170   ›Hippolytus‹, Refutatio 10, 33, 13; 10, 34, 2 (GCS Hipp.  3, p.  291, 9–11; 292, 12–14 Wendland). 171   Irenaeus, Adversus Haereses 3, 25, 5 (SC 211, 2, p.  484, 53–486, 66 Rousseau  /  Doutreleau). 172   Irenaeus, Adversus Haereses 2, 33, 3 (SC 294, p.  348, 42–350, 54 Rousseau  /  Doutreleau); vgl. Schoedel, Philosophy and Rhetoric, 25 f. 173   Vgl. zu Tertullian allgemein T. D. Barnes, Tertullian. A Historical and Literary Story, Oxford 21985; J.-C. Fredouille, Tertullien et la conversion de la culture antique, Paris 1972, 337–356; Ch. Butterweck, in: TRE 33 (2002), 93–107; P. Habermehl, Tertullianus, in: Der Neue Pauly 12 (2002), 173–177; J.-C. Fredouille, Tertullien, in: DPhA 6 (2016), 758–769; M.-A. Aris, Q. Septimius Florens Tertullianus, in: GGPh 5, 1 (2018), 914–923. Ausführlicher philosophischer Überblick: Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 485–528.

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Häretiker (›De praescriptione haereticorum‹, ›Adversus Marcionem‹, ›Adversus Hermogenem‹). Traditionell gilt Tertullian als dezidierter Verfechter einer Trennung von Christentum und Philosophie,174 doch gibt es auch nuanciertere Stimmen.

Philosophische Leistung Der zum Christentum konvertierte Tertullian, der das Griechische beherrscht, ist philosophisch belesen und kennt z. B. zumindest einige Texte Platons im Original.175 Seine Kenntnisse anderer Richtungen gehen wohl weitgehend auf Überblicksdarstellungen zurück,176 u. a. auf ein Handbuch des Soran, das auch medizinische Meinungen zur Seele umfasst.177 Tertullian verwendet die Philosophie kaum je explizit, um häretische Lehrmeinungen zurückzuweisen, wohl aber zur innerchristlichen Unterweisung.178 Eine intensive Rezeption gibt es aber vor allem in der Schrift ›Über die Seele‹ (›De anima‹), die sich implizit gegen Hermogenes richtet.179 Denn wo, wie in diesem Bereich, Übereinstimmung von Christentum und Philosophie bestehe, da gelte es, die philosophischen Meinungen und Begründungen von ihren Fehlern zu reinigen.180 Obwohl Tertullian das philosophische Fragen für Christen nicht angemessen hält,181 widmet er sich ihm in großer Länge und arbeitet die Lehre von der Seele in zahlreichen Quaestionen durch, ähnlich einem philosophischen Traktat.182 Inhaltlich akzeptiert er die stoische Lehre der Materialität der Seele, die sich zu Recht gegen Platon wende, als Grundlage (Seneca saepe noster),183 entwickelt sie aber im Sinne der Unsterblichkeit der Seele weiter.184 Tertullian argumentiert auch, wohl im Anschluss an Theophilos von Antiochien, gegen Hermogenes für

174   Vgl. H. Crouzel, Origène et la philosophie, Paris 1962, 168 f.; A. Wlosok, Philosophie II. C. Lateinische Patristik, in: HWbPhil 7 (1989), 626–630, hier 628. 175   Barnes, Tertullian, 205–208. 176   Tertullianus, De anima 3, 2 (4, 36–5, 5 Waszink); vgl. J.  H. Waszink, Tertullien et la conversion de la culture antique, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 17 (1974), 155– 160, hier 159 f. 177   Tertullianus, De anima 6, 6 (8, 8–11 Waszink); vgl. Waszink, in: Tertulliani ›De anima‹. Edited with Introduction and Commentary by J.  H. Waszink, Amsterdam 1947, 22*–44* und oben S. 599. 178   Vgl. Waszink, Tertullien et la conversion, 159 f. 179   Vgl. J.  H. Waszink, in: Tertulliani ›De anima‹, 7*. 180   Tertullianus, De anima 2, 1–4, 1 (3, 4–5, 32 Waszink). 181   Tertullianus, De anima 1, 6 (2, 20–3, 3 Waszink). 182   Fredouille, Tertullien et la conversion, 349–351; Inhaltsübersicht: Waszink, in: Tertulliani ›De anima‹, 15*–20*. 183   Tertullianus, De anima 5, 2; 6, 7; 20, 1 (6, 10–12; 8, 22 f.; 28, 16–22 Waszink). 184   Waszink, in: Tertulliani ›De anima‹, 37*; Karamanolis, Philosophy of Early Chris­tia­ nity, 193–199.

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die Schöpfung aus dem Nichts.185 Seine persönliche Ausarbeitung der Lehre von der menschlichen Entscheidung als Ursache des Bösen ist u. a. dadurch interessant, dass er die Handlungsfreiheit als grundlegendes natürliches Seelenvermögen darstellt.186 Besonders wichtig ist ihre terminologische Fassung, denn mit der Bezeichnung des Entscheidungsvermögens als »freie Kraft der Entscheidung (bzw. des Urteils), welches αὐτεξούσιον genannt wird« (liberam arbitrii potestatem, quod autexousion dicitur)187 legt er die Grundlagen dafür, dass das menschliche Vermögen, Verschiedenes zu wählen, von nun an im lateinisch geprägten Europa unter dem Begriff ›freie Entscheidung‹ (liberum arbitrium) bzw. Freiheit diskutiert wird.

Auseinandersetzung mit der Philosophie und eigene philosophische Arbeit Von derartigen inhaltlichen und terminologischen Überlegungen ist Tertullians direkte Auseinandersetzung mit der antiken Philosophie zu unterscheiden. Er kritisiert diese sehr fundamental als »Materie der Weltweisheit, planlose Deuterin der göttlichen Natur und Anordnung« und stellt die berühmte Frage nach der Gemeinsamkeit von Athen und Jerusalem.188 Allerdings wird die Philosophie vor allem deswegen kritisiert, weil die häretischen Gruppen auch nach Tertullians Meinung aus ihr fremdes Gut ins Christentum übernommen haben.189 Ferner hätten schon die Philosophen, auch wenn sie von den Propheten belehrt worden seien, viel fragwürdiges Gut aus paganen heiligen Schriften übernommen.190 Kritisiert werden diese ferner, teils schärfer als bei anderen Apologeten, für ihren Hochmut,191 ihre Verbindung zur alten Religion,192 ihre Uneinigkeit,193 ihren 185

  Tertullianus, Adversus Hermogenem 4, 1–10, 4 (CCL 1, p.  400, 10–405, 20 Kroymann).   Vgl. Tertullianus, Adversus Marcionem 2, 5, 1 f.; 2, 6, 2–5 (CCL 1, p.  479, 10–481, 23; 481, 9–482, 16 Kroymann); De anima 20, 5; 21, 6 (29, 8–12; 30, 21–26 Waszink). – Weitere philosophische Lehren Tertullians werden besprochen von Fredouille, Tertullien (DPhA), 763–767. 187   Tertullianus, De anima 21, 6 (30, 22 f. Waszink). Ähnliche Formulierungen an den anderen zitierten Stellen; der terminologische Einfluss ist ansatzweise dokumentiert bei Waszink, in: Tertulliani ›De anima‹, 288 f., dem offenbar keine früheren Belege bekannt sind. 188   Materia sapientiae saecularis, temeraria interpres divinae naturae et dispositionis. Tertullianus, De praescriptione haereticorum 7, 1 f.; 7, 9 (CCL 1, p.  192, 3–5; 193, 32–34 Refoulé); vgl. Apologeticum 46, 18 (CCL 1, p.  162, 80–83 Kroymann); De testimonio animae 1–3 (CCL 1, p.  175, 1–24 Willems). 189   Tertullianus, De praescriptione haereticorum 7, 3–6 (CCL 1, p.  192, 6–23 Refoulé); Adversus Marcionem 5, 19, 7 f. (CCL 1, p.  722, 4–24 Kroymann); Adversus Hermogenem 1, 3 (CCL 1, p.  397, 4–8 Kroymann); Fredouille, Tertullien et la conversion, 340 f.; Waszink, in: Tertulliani ›De anima‹, 7*. 190   Tertullianus, De anima 2, 3 f. (3, 17–35 Waszink). 191   Tertullianus, De anima 2, 2 (3, 10 Waszink). 192   Tertullianus, De anima 2, 3 (3, 17–28 Waszink). 193   Tertullianus, De anima 2, 4 (3, 30–33 Waszink). 186

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Glauben an Dämonen194 und ihre verwerfliche Lebensführung.195 Die Kritik am Atheismus der Philosophen196 erkennt implizit an, dass diese sich zu Recht gegen die pagane Religion wenden, betont aber zugleich, dass sie hierin von den Christen übertroffen werden.197 Zwar kann den Philosophen, wie allen Menschen, eine »von Natur aus christliche Seele« (anima naturaliter Christiana) zugeschrieben werden – eine zu Justins »samenartigen Logoi«198 parallele Idee einer allgemeinen Gotteserkenntnis –, doch ist diese bei einfachen Menschen ohne philosophische Verbildung letztlich besser entwickelt.199 Trotzdem kann Tertullian eine grundsätzliche Gemeinsamkeit von Christen und Philosophen konstatieren, wenn er Gott den Vater »sozusagen den Gott der Philosophen« nennt (ut ita dixerim, deum philosophorum)200 – und damit eine weitere Formulierung von lang reichender Wirkung kreiert.

Begriff und Verständnis der Philosophie Mit ›Philosophie‹ oder ›Philosophen‹ meint Tertullian nahezu immer die hellenisch-römische Philosophie. Gerne vergleicht er Philosophen(-schulen) mit dem Christentum: Beide sind durch einen Namen gekennzeichnet201 und werden als Gruppe wahrgenommen, so dass das Christentum für eine bestimmte Philosophie (philosophiae genus) gehalten wird.202 Gemeinsamkeiten sind auch die Kritik an der paganen Religion und die Aufforderung zu einer richtigen Lebensführung,203 weswegen Justin auch als »Philosoph und Märtyrer« (philosophus et martyr) gelobt werden kann.204 Diese Gemeinsamkeiten sind für Tertullian, wie auch für andere Apologeten, ein Grund, eine Gleichbehandlung der Christen mit den Philosophen zu fordern, zumal letztere ja häufig durch Atheismus und Sittenlosigkeit aufgefallen seien.205 Noch positiver gewendet wird dieser Vergleich, wenn Tertul194   Tertullianus, Apologeticum 46, 5 (CCL 1, p.  161, 25–27 Kroymann); ein mittelplatonisches Thema: s. oben S. 551. 195  Tertullianus, Apologeticum 46, 10–16 (CCL 1, p.  161, 48–162, 17 Kroymann); De anima 1, 2–4 (1, 4–2, 15 Waszink). 196   Tertullianus, Apologeticum 46, 4–6 (CCL 1, p.  160, 18–161, 35 Kroymann). 197   Tertullianus, De anima 1, 6 (2, 30–3, 3 Waszink). 198   S. oben S. 648. 199   Tertullianus, Apologeticum 17, 6 (CCL 1, p.  117, 27–118,2 Kroymann); De testimonio animae 1, 5 f. (CCL 1, p.  175, 31–176, 46 Willems). 200   Tertullianus, Adversus Marcionem 2, 27, 6 (CCL 1, p.  306, 2 f. Kroymann); vgl. Tertullianus, Apologeticum 17, 1–3 (CCL 1, p.  117, 1–15 Kroymann). 201   Tertullianus, Apologeticum 3, 5–8 (CCL 1, p.  91, 23–92, 46 Kroymann). 202   Tertullianus, Apologeticum 46, 2 (CCL 1, p.  160, 9–14 Kroymann). 203   Tertullianus, Apologeticum 46, 3 f.; 46, 17 (CCL 1, p.  160, 15–22; 162, 76–79 Kroymann). 204   Tertullianus, Adversus Valentinianos 5, 1 (CCL 2, p.  756, 11 Kroymann). 205   Tertullianus, Apologeticum 46, 5–16 (CCL 1, p.  161, 24–162, 75 Kroymann).

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lian die durch das Pallium, den Philosophenmantel, verkörperte Aufforderung, sich den Wissenschaften zu widmen, zu der Feststellung wendet, das Christentum sei die bessere Philosophie.206

Verhältnis der Philosophie zu Rhetorik und Fachwissenschaften Für Tertullian sind die verschiedenen Wissenschaften grundsätzlich nicht zu verwerfen, sondern können für die christliche Verkündigung Bedeutung erlangen.207 Das setzt er in seinem Werk breit um: Auf dem Gebiet der Seelenlehre wird die Medizin nicht weniger berücksichtigt als die Philosophie.208 Besonders wichtig ist die Rhetorik, die Tertullians literarische Technik stark prägt.209 In seinen ausdrücklichen Stellungnahmen gehört sie aber ebenso wie Grammatik, Geometrie und Astro­nomie zur durch das Pallium symbolisierten Bildung, während letztlich die Philosophie durch ihre Nähe zum Christentum einen besonderen Rang einnimmt.210

Würdigung211 Durch den Kontrast zum Lob der Philosophie bei seinem Zeitgenossen Clemens fällt Tertullians pointierte Philosophiekritik besonders auf. Seine scharfen Äußerungen sind allerdings grundsätzlich aus den Gewohnheiten der Gattungen Apologetik und Häresiographie212 zu erklären, wozu die verbreitete Skepsis gegen Philosophie im lateinischen Sprachraum zu bedenken ist.213 Tertullians recht breite philosophische Bildung und seine komplexen Argumente zeigen demgegenüber, dass er die Gemeinsamkeiten von Philosophie und Christentum in Bezug auf die Kritik der paganen Religion, die Anleitung zum rechten Leben und die gesellschaftliche Wahrnehmung letztlich im Sinne eines Christentums als besserer Philosophie auflösen will.214 Seine Formulierung, das Christentum sei »glaubwürdig, weil es simpel ist« (credibile est, quia ineptum est), kann also nicht meinen, die Christen sollten auf jegliche rationale Argumentation verzichten.215 Insofern 206

  Tertullianus, De pallio 6, 2 (CCL 2, p.  750, 20–23 Gerlo).   Tertullianus, De idololatria 10, 4 (CCL 2, p.  1109, 10–16 Reifferscheid  /  Wissowa). 208   Tertullianus, De anima 2, 6 (4, 14 f. Waszink). 209   Vgl. Barnes, Tertullian, 208–210; R.  D. Sider, Ancient Rhetoric and the Art of Tertullian, London 1971. 210   Tertullianus, De pallio 6, 2 (CCL 2, p.  750, 10–23 Gerlo). 211   Diese Würdigung folgt in Teilen Fredouille, Tertullien et la conversion, 338, 356 f. 212   S. oben S.  644  f., 651  f. 213   S. oben S. 347. 214   Tertullianus, De pallio 6, 2 (CCL 2, p.  750, 20–23 Gerlo). 215   Vgl. Fredouille, Tertullien et la conversion, 331–337. 207

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unterscheidet sich seine Einstellung zur Philosophie nur relativ wenig von seinen christlichen Zeitgenossen, denen er argumentativ mindestens ebenbürtig ist.

6. Nach Tertullian: Philosophie bei Minucius Felix, Cyprian und Arnobius Neben Tertullian zeigen auch drei weitere christliche lateinische Autoren der Kaiserzeit aus Nordafrika Berührungspunkte mit der Philosophie. Die zweite erhaltene lateinische Apologie wird von Minucius Felix unter dem Titel ›Octavius‹ wohl im ersten Drittel des dritten Jahrhunderts216 in der Form eines ciceronischen Dialogs verfasst. Entsprechend intensiv ist die Rezeption der Philosophie, die, im Ton moderat und konziliant, viele Themen der griechischen Apologeten und Tertullians aufgreift.217 Die Philosophen werden, wie z. B. bei ­Athenagoras,218 als Zeugen des Monotheismus gesehen, so dass man meinen könnte, »jetzt seien die Christen Philosophen oder die Philosophen seien schon damals Christen gewesen«.219 Hiervon profitieren in Minucius’ Felix Augen beide, insofern die Philosophen von der natürlichen Gotteserkenntnis profitieren (die anscheinend im Anschluss an Tertullian begründet wird220), die Christen hingegen im Ausgang von der für die menschlichen Vernunft typischen Suche nach Gott dessen Erkenntnis vertiefen können.221 Platons Kritik der Dichter wird wegen deren Nähe zur paganen Religion befürwortet,222 hingegen wird er, wie schon bei Justin und Tertullian, wegen der Annahme von Dämonen kritisiert.223 Die christliche Lebensführung wird, im Unterschied zur Arroganz der skeptischen Philosophen, als Beispiel wahrer Weisheit beschrieben.224

216   Vgl. A. Fürst, Der philosophiegeschichtliche Ort von Minucius Felix’ Dialog ›Octavius‹, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 42 (1999), 42–49; St. Freund, Philosophorum supercilia contemnimus. Überlegungen zur Bewertung der Philosophie im ›Octavius‹ des Minucius Felix, in: Gymnasium 107 (2000), 425–434; Ch. Schubert, Minucius Felix, in: RAC 24 (2012), 803–827; M.-A. Aris  /  St. Müller, Minucius Felix, in: GGPh 5, 1 (2018), 1035–1040. 217   Übersicht: Schubert, Minucius Felix, 821. 218   S. oben S. 644–646, 655  f. 219   Minucius Felix, Octavius 19, 3–20, 1. 220   Minucius Felix, Octavius 16, 5 f. 18, 11. 221   Minucius Felix, Octavius 17, 1–11. 222   Minucius Felix, Octavius 23, 1 f. 223   Minucius Felix, Octavius 26, 12–27, 1. 224   Minucius Felix, Octavius 38, 4–7; Vgl. Freund, Philosophorum supercilia, 432 f.; H.  A. Gärtner, Die Rolle und Bewertung der skeptischen Methode im Dialog ›Octavius‹ des Minucius Felix, in: M. Wacht (Hrsg.), Panchaia. Festschrift für Klaus Thraede, Münster 1995, 141–147.

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Die Anfänge des christlichen Philosophierens

Cyprian (ca. 200–258),225 ein gesellschaftlich hochstehender Konvertit zum Christentum und später Bischof von Karthago, berührt in seinen nach 250 entstandenen, meist pastoralen Schriften die Philosophie nur am Rande und bezeugt so, dass das Thema für die Christen nur von Bedeutung ist, wenn man sich apologetisch an griechisch-römische Adressaten wendet. Die einzige ausdrückliche Erörterung der Philosophie, zu Beginn der Schrift ›Über das Gut der Geduld‹ (›De bono patientiae‹), differenziert unmissverständlich zwischen der wahren christlichen und der falschen philosophischen Geduld, zumal es den Philosophen – in einem topischen Vorwurf – schon an Demut als Vorbedingung wahrer Geduld fehle.226 Arnobius von Sicca (fl. ca. 300),227 ein zum Christentum bekehrter Rhetor, setzt sich insbesondere im zweiten Buch seiner Apologie intensiv mit der Philosophie auseinander, worunter er immer die hellenisch-römische Philosophie versteht. Während Arnobius die meisten Philosophen (Aristoteles, Epikur, Epiktet u. a.) eher sporadisch und in doxographischem Stil erwähnt, kennt und paraphrasiert er eine ganze Reihe platonischer Dialoge, entweder aus eigener Kenntnis oder auf der Grundlage mindestens einer guten Quelle.228 Die Erwähnung von Numenios und Kronios als Autoritäten229 sowie die Bezeichnung der Gegner als »neuere Leute« (viri novi)230 weisen darauf hin, dass er Schriften zeitgenössischer Platoniker benutzt.231 Argumentativ tritt er den Philosophen z. B. gegenüber, wenn er behauptet, aus der Unkörperlichkeit und Göttlichkeit der Seele müsste deren Freiheit von Leiden folgen, so dass sie auch – entgegen der platonischen Anamnesis-Lehre – nichts vergessen könnte.232 Seine Behauptung, die Seelen seien nicht göttlich, sondern hätten nur einen mittleren Rang, überträgt eine platonische Beschreibung der Dämonen auf die Seele, allerdings um ihre Entfernung von Gott herauszustellen.233 Derartige Andeutungen arbeitet Arnobius auch aufgrund seines unphilosophischen Bildes vom Christentum nicht zu einer Theorie aus: Dieses basiere auf dem Glauben und habe keinen Bedarf, unbegreifbare 225

  Vgl. A. Stuiber, Cyprianus I, in: RAC 3 (1957), 463–466; A. Hoffmann, Cyprian von Karthago, in: LACL, 169–174. 226   Cyprianus, De bono patientiae 2 f. (SC 291, p.  182, 15–186, 54 Molager). 227   Überblicke bei G. Bardy, Arnobius, in: RAC 1 (1950), 709–711; R. Goulet, Arnobe de Sicca, in: DPhA 1 (1994), 593 f.; M.-A. Aris, Arnobius von Sicca, in: GGPh 5, 2 (2018), 1040–1045. 228   Belege und Analyse bei A. J. Festugière, Arnobiana, in: Vigiliae Christianae 6 (1952), 209–216. 229   Arnobius, Adversus nationes 2, 11; zu Kronios vgl. z. B. J. Whittaker, Cronios, in: DPhA 2 (1994), 527 f. 230   Arnobius, Adversus nationes 2, 15. 231   Vgl. Festugière, Arnobiana, 212 f.; P. Courcelle, Les sages de Porphyre et les viri novi d’Arnobe, in: Revue des Études Latines 31 (1953), 257–271. 232   Arnobius, Adversus nationes 2, 26–29. 233   Arnobius, Adversus nationes 2, 25; 2, 35; 2, 53.

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Sach­probleme rational zu lösen.234 Im Übrigen stützten sich auch die Philosophen nicht auf ein Wissen, sondern auf den Glauben an die Richtigkeit bestimmter Lehren. Die christliche Position sei aber besser fundiert, weil sie sich auf göttlich bezeugte Wunder stütze und nicht bloß auf das tugendhafte Leben einzelner Philosophen oder deren technische Kenntnisse.235 Daher sollten zumindest die Platoniker erkennen, dass Christus die Erfüllung ihrer Hoffnung bedeute.236 Arnobius erwähnt die Wissenschaften wie Geometrie und Mathematik gerne, um darauf hinzuweisen, dass sie für die Frage nach der Wahrheit237 oder auch nach dem Rang des Menschen238 nicht relevant seien. Hierin kommen sie im Prinzip der Philosophie gleich.239 Arnobius’ Exposé, für das er z. T. recht gute platonische Quellen heranzieht, zeigt einen Blick dafür, von welcher argumentativen Grundlage aus das Christentum mit der Philosophie diskutieren kann. Indem er bestreitet, dass die Christen alternative Theorien anbieten müssten, bereitet er eine methodische Trennung von Glaubensreflexion  /  christlicher Theologie und Philosophie der ­Sache nach vor.

7. Die Darstellung von Philosophie in frühchristlichen Romanen Bemerkenswert sind die gelegentlichen Erwähnungen der Philosophie in verschiedenen christlichen Romanen, namentlich den sogenannten pseudo-klementinischen Schriften, einem auf Griechisch, Lateinisch, Syrisch sowie in anderen Sprachen in verschiedenen Versionen überlieferten Erzählungskomplex, der von der Kaiserzeit bis wohl ins frühe vierte Jahrhundert langsam wächst.240 Die Auseinandersetzung mit der Philosophie durchzieht große Teile der auf Griechisch erhaltenen ›Klementinischen Homilien‹ und der nur auf Latein erhaltenen ›Klementinischen Rekognitionen‹,241 deren Sprache auch viele philosophische Motive enthält. Eine zentrale Rolle spielt das Motiv der Wahrheitssuche in sich selbst, die von einer »Einsicht« (ἔννοια) im Erzähler geleitet wird. Sie ist besonders deswegen notwendig, weil die Lehrer der Philosophie als solche nicht mit »der Erkenntnis

234

  Arnobius, Adversus nationes 2, 56–60.   Arnobius, Adversus nationes 2, 9–11. 236   Arnobius, Adversus nationes 2, 11; 2, 34. 237   Arnobius, Adversus nationes 2, 11. 238   Arnobius, Adversus nationes 2, 19 f.; 2, 22. 239   Arnobius, Adversus nationes 2, 69. 240   Für einen ersten Überblick über die verschiedenen Fassungen vgl. J. Hofmann, Ps.Clementinische Literatur, in: LACL, 155–157; Wyrwa, Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse, 849 f. 241   Vgl. z. B. oben S. 375 zu ihrem Zeugnis über Seelenlehre und fünftes Element. 235

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des Seienden«, sondern mit Eitelkeit und Gewinnstreben beschäftigt sind.242 Die Konversion zum Christentum wird daher mit dem Verhältnis der »Philologen« bzw. Gelehrten zu »wahrheitsliebenden Philosophen« (φιλαλήθεις φιλόσοφοι) verglichen243 und als Überlegenheit der »Gottesverehrung« bzw. Religion (θεοσέβεια) über die Philosophie aufgrund des prophetischen Zeugnisses herausgestellt, das ein »Beweis« (ἀπόδειξις) sei.244 Der Ich-Erzähler berichtet, wie er sich intensiv mit der griechischen Philosophie beschäftigt hat, sie ihn aber letztlich in seiner Wahrheitssuche nicht befriedigen konnte. Insbesondere werden die Arbeit mit Syllogismen, die Uneinigkeit der Philosophen und die allegorische Vorgehensweise kritisiert.245 Eine besonders krasse antiphilosophische Polemik ist die Diskussion des Clemens mit dem Philosophen Apion, der ein philosophisches Werbeschreiben verfasst, in dem die Götter den Geschlechtsverkehr als philosophische Tat empfehlen.246 Doch wird die Philosophie bis zu einem gewissen Grad respektiert, wenn z. B. Philosophen dem jungen Clemens von der Magie abraten oder ihn auf den richtigen Weg zum Apostel Barnabas schicken.247 Weniger komplex ist die Rolle der Philosophie in den griechischen Andreas­ akten, also der Erzählung über das Wirken des Apostels Andreas, die zu Beginn des 3. Jahrhunderts bereits vorliegt:248 Die offenbar durchaus vorkommende Bekehrung eines Philosophen zum Christentum wird hier dargestellt, indem Andreas den Inneren Menschen des Philosophen249 Stratokles auf maieutische Weise zu der Philosophie erweckt, die nicht leer und nichtig ist, nämlich der christlichen.250 Auch in der griechischen Version der Thomasakten wird die Philosophie erwähnt, während sie in der syrischen Fassung nicht genannt wird.251 Die Erwähnungen der Philosophie in den christlichen Romanen beinhalten zahlreiche Motive, die auch in der argumentativen Auseinandersetzung vorkommen. Sie sind wohl dadurch motiviert, dass die Nähe des Christentums zur Philo242   Homiliae Clementinae 1, 1–2, 4; 4, 9, 1 f. (GCS Ps.-Clem. 1, p.  23, 3–21; 86, 28–87, 7 Rehm). 243   Homiliae Clementinae 1, 11, 5–7 (GCS Ps.-Clem. 1, p.  29, 1–5 Rehm). 244   Homiliae Clementinae 15, 5, 3 (GCS Ps.-Clem. 1, p.  214, 2–5 Rehm). 245   Homiliae Clementinae 1, 3, 1–5; 1, 10, 1; 6, 11, 1 (GCS Ps.-Clem. 1, p.  23, 21–24, 12; 27, 25–28, 3; 110, 19 f. Rehm). 246   Homiliae Clementinae 5, 7, 1–19, 4 (GCS Ps.-Clem. 1, p.  95, 8–100, 23 Rehm). 247   Homiliae Clementinae 1, 5, 5–9; 1, 8, 4–9, 1 (GCS Ps.-Clem. 1, p.  25, 9–18; 27, 9–20 Rehm). 248   Zu den Einleitungsfragen und der philosophischen Tendenz dieser Akten vgl. G. Röwekamp, Andreas-Akten, in: LACL, 34 f. 249   Acta Andreae 1 (Corpus Christianorum. Series Apocryphorum 6, p.  443, 4 Prieur). 250   Acta Andreae 7 (Corpus Christianorum. Series Apocryphorum 6, p.  451, 5–18 Prieur). 251   Acta Thomae 34 (p.  201 Wright [syr.]  /  98 Klijn [engl.]) (vgl. den Textvergleich bei A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas. Introduction, Text, and Commentary, Leiden  /  Boston 22003, 98–103. Zu den komplexen Einleitungsfragen dieser Akten vgl. P. Bruns, Thomas-Literatur, in: LACL, 691–693, hier 691 f.

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sophie in der Suche nach Wahrheit sowie ihre gegenseitige Konkurrenz sich für eine erzählerische Darstellung anbieten, in der letztlich ein christlicher Erkenntnisweg geschildert wird. Die Romane bezeugen somit ein beachtliches Interesse an der Philosophie unter Christen, das sich in vielen anderen Schriften, die stärker innergemeindlichen Zwecken dienen, weniger widerspiegelt.

8. Die alexandrinischen Lehrer der Philosophie: Clemens und Origenes Von den christlichen Lehrern im Alexandrien des 2./3. Jahrhundert n. Chr.252 ist uns vor allem bei Clemens und Origenes ersichtlich, dass sie philosophische Texte verfassen und als philosophische Lehrer tätig sind.

Clemens von Alexandrien Im Werk des wohl in Athen geborenen Clemens von Alexandrien (ca. 140/150– 220/233),253 der wohl gegen Ende einer philosophischen Ausbildung zum Christentum konvertiert,254 spielen sowohl der Begriff als auch die Lehren der Philosophie eine bedeutend größere Rolle als bei all seinen Vorgängern, was ihn unter anderem zu einer bedeutenden Quelle für verlorene fachphilosophische Schriften macht.

Philosophische Kenntnisse und philosophische Leistung Clemens’ erhaltene Werke entwickeln vor dem Hintergrund einer breiten Kenntnis paganer, jüdischer und christlicher Quellen eine in der Vorgehensweise z. B. mit Senecas Briefen vergleichbare philosophische Hinführung zu den Wahrheiten des christlichen Glaubens (ἡ εἰς τὴν θεοσέβειαν προκοπή).255 Die pädagogische Absicht erklärt auch die Länge seines Werkes, in der ›Protreptikos‹ und der ›Pai252   Vgl. den breiteren Überblick bei D. Wyrwa, Das alexandrinische Christentum und sein weiteres Einflussgebiet. Überblick, in: GGPh 5, 1 (2018), 924–927. 253   Vgl. L. Früchtel, Clemens Alexandrinus, in: RAC 3 (1957), 182–188; S.  Lilla, Clement of Alexandria. A Study in Christian Platonism and Gnosticism, Oxford 1971; A. Méhat, Clemens von Alexandrien, in: TRE 8 (1981), 101–113; D. Wyrwa, Die christliche Platonaneignung in den ›Stromateis‹ des Clemens von Alexandrien, Berlin  /  New York 1983; Malingrey, Philosophia, 129–157; A. le Boulluec, Clément d’Aléxandrie, in: DPhA 2 (1994), 426–431; Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 315–359; D. Wyrwa, Clemens von Alexandrien, in: GGPh 5, 1 (2018), 927–957. 254   Méhat, Clemens von Alexandrien, 101 f. 255   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 27, 2 (GCS Clem. 2, p.  17, 25 Stählin).

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dagogos‹ als Vorbereitung zu den ›Stromateis‹ zu gelten haben.256 Einzelaussagen in diesen Werken gehören also in verschiedene didaktische Kontexte, so dass zwischen ihnen Spannungen bestehen können. Zur Erreichung seines didaktisch-protreptischen Ziels führt Clemens seine breiten Kenntnis der hellenischen Philosophie ins Feld, vor allem der platonischen und pythagoreischen, aber auch der anderen Richtungen,257 von denen er keine generell ablehnt.258 Dies dient vor allem einem propädeutischen Zweck, weil die Darstellung des christlichen Glaubens erst spät in den ›Stromateis‹ angesetzt wird und eine Präsentation des Schriftzeugnisses noch später kommen soll.259 Insgesamt verwertet er die Aussagen der Philosophen meist positiv, während sich gezielte Kritik der Philosophie, die nicht lediglich deren relative Unvollkommenheit im Vergleich zur biblischen Botschaft aufweist, meist gegen bestimmte Schulen richtet: Epikur260 oder die Skeptiker. Die letzte Form der Auseinandersetzung ist Teil des Versuchs, den christlichen Wahrheitszugang auch auf erkenntnistheoretischer Ebene abzusichern, wozu Clemens ein Vorgehen anhand eines begründeten Vorverständnisses der Wahrheit (nämlich der Bibel bzw. kirchlichen Lehre) als Richtschnur vorschlägt. Gegen die pyrrhonischen Skeptiker sammelt er verschiedene Typen von Argumenten, doch wird der Zusammenhang des Argumentationsgangs aus dem überlieferten Material nicht letztlich klar.261 Weitere typisch christliche Themen, die Clemens behandelt, sind die Transzendenz Gottes262 sowie die menschliche »Entscheidungsfähigkeit über das, wovon wir in gleichem Maße Herr sind wie von seinem Gegenteil« (τὸ ἐφ’ ἡμῖν, οὗπερ ἐπ’ ἴσης αὐτοῦ τε κύριοι ἐσμεν καὶ τοῦ ἀντικειμένου αὐτοῦ), mit der wir uns auch für den Glauben entscheiden können,263 welche auch, wie bei Eirenaios, Tertullian und Bardaiṣān, für die Erklärung des Bösen zentral ist.264 256

  Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 1, 3 (GCS Clem. 2, p.  422, 14–18 Stählin); A. Méhat, Les ordres d’enseignement chez Clément d’Alexandrie et Sénèque, in: K. Aland  /  F. L. Cross (Hrsg.), Studia Patristica 2, Berlin 1957, 351–357; P. Nautin, La fin des ›Stromates‹ et les ›Hypotyposes‹ de Clément d’Alexandrie, in: Vigiliae Christianae 30 (1976), 268–302. 257   Vgl. le Boulluec, Clément d’Aléxandrie, 428. 258   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 37, 6 (GCS Clem. 2, p.  24, 30–25, 4 Stählin). 259   Clemens Alexandrinus, Stromata 7, 1, 1–6 (GCS Clem. 3, p.  3, 3–26 Stählin). 260   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 127 (GCS Clem. 2, p.  181, 28–182, 9 Stählin). 261   Die Diskussion mit den Skeptikern findet sich v. a. in Stromata 8, 16, 2–33, 9 (GCS Clem. 3, p.  89, 1–102, 12 Stählin). Vgl. dazu Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 120–129. 262   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 81, 5–82, 4 (GCS Clem. 2, p.  380, 18–381, 13, Zitat 5 f. Stählin); vgl. Lilla, Clement of Alexandria, 212–226 (mit Textvergleichen zu anderen Positionen); Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 338 f. 263   Clemens Alexandrinus, Stromata 4, 153, 1 f. (GCS Clem. 2, p.  316, 5–12, Zitat 5 f. Stählin). Vgl. Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 167 f. 264   Vgl. D. T. Runia, Clement of Alexandria and the Origin of Evil, in: Jourdan  /  HirschLuipold (Hrsg.), Die Wurzel allen Übels, 87–99, der wohl die Originalität des Clemens überschätzt; Fürst, Wege zur Freiheit, 180–186.

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Besonders in seinem verlorenen Werk ›Hypotyposeis‹ formuliert Clemens auch einige Ansichten, die aus späterer christlicher Sicht kritisch beurteilt werden, z. B. die Annahme einer ewigen Materie.265

Begriff, Definitionen und Einteilung der Philosophie Clemens definiert die Philosophie als »Einübung von Weisheit« (ἐπιτήδευσις σοφίας) beziehungsweise der Rechtheit der Seele.266 Die Weisheit bezeichnet er, aufgrund seiner christlichen Zielsetzung, gerne mit religiösen Formulierungen,267 zitiert aber auch ihre Definition als »Wissen um das Menschliche und Göttliche«. Diese Formel leitet er manchmal, gemäß dem Gebrauch der Philosophenschulen, mit »Wissen« (ἐπιστήμη)268 und manchmal, wie einige jüdische Quellen, mit »Erkenntnis« (γνῶσις) ein;269 er kennt auch den bei Philon und Cicero zu findenden Zusatz, dass es um Wissen von Ursachen gehe.270 Clemens kennt und rezipiert noch eine Reihe weiterer Definitionen und Umschreibungen der Philosophie, vor allem die platonischen Formeln »Sorge um den Tod« (μελετὴ θανάτου),271 Beschäftigung mit dem Seienden (τὰ ὄντα)272 und »Ähnlich-Werden mit Gott, soweit es möglich ist«.273 Es ist charakteristisch für sein integratives Philosophieverständnis, dass er – wie viele Zeitgenossen – diese Definition grundsätzlich für gleichwertig mit dem stoischen »Leben gemäß der Natur« (ἀκολούθως τῇ φύσει ζῆν) hält.274 Inhaltlich lässt er das so charakterisierte Ziel

265

  Vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 149; Wyrwa, Clemens von Alexandrien, 933 f.,

944. 266   Clemens Alexandrinus, Paedagogus 1, 101, 2 (GCS Clem. 1, p.  151, 1 f. Stählin); Stromata 1, 30, 1; 2, 45, 2–4; 6, 55, 1 (GCS Clem. 2, p.  19, 15; 136, 26–137, 4; 459, 19 Stählin). 267   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 45, 2 (GCS Clem. 2, p.  136, 27 f. Stählin). 268   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 35, 3; 6, 160, 2 (GCS Clem. 2, p.  23, 11; 514, 17 f. Stählin); vgl. auch Stromata 1, 177, 1 (GCS Clem. 2, p.  109, 9 f. Stählin). 269   Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 54, 1 (GCS Clem. 2, p.  459, 9 f. Stählin). 270   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 30, 1 (GCS Clem. 2, p.  19, 16 Stählin); s. oben S. 466, 619. 271   Plato, Phaedo 63e–64a; Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 67, 2 (GCS Clem. 2, p.  370, 28 f. Stählin). 272   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 32, 4; 2, 45, 6 (GCS Clem. 2, p.  21, 17 f.; 137, 7 f. Stählin). 273   Plato, Theaetetus 176b; Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 100, 3 f. (GCS Clem. 2, p.  167, 23–168, 9 Stählin); vgl. 2, 45, 6; 2, 80, 5; 2, 97, 1 (GCS Clem. 2, p.  137, 10–12; 155, 8–12; 166, 1–3 Stählin). 274   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 101, 1; 5, 95, 1 (GCS Clem. 2, p.  168, 9–12; 388, 20–22 Stählin).

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manchmal mit der wahren, christlichen Philosophie zusammenfallen,275 manchmal unterscheidet er beide auch.276 Die traditionelle Unterscheidung von griechischer und barbarischer Philosophie interpretiert Clemens, wie Tatian und Meliton,277 im Wesentlichen als eine solche zwischen der jüdisch-christlichen und der griechischen Tradition, so dass die Christen als »Barbaren« von den griechischen Philosophen unterschieden werden.278 Dieser Tradition der Philosophie, die er mit Philon auf Mose zurückführt, komme ein altersmäßiger Vorrang zu,279 zumal die griechische Philosophie, wie es im Sinne der Chrēsis-Lehre von Kirchenvätern häufiger behauptet wird, ihre Einsichten von der barbarischen gestohlen habe.280 Clemens bemüht sich aber auch, die inhaltliche Qualität der barbarischen Philosophie als wahre Erkenntnis in Verbindung mit rechter Lebensführung herauszuarbeiten.281 Die eine wahre Philosophie, die ihr entspricht, müsse freilich von der geteilten hellenischen Philosophie unterschieden werden beziehungsweise sei aus ihr heraus zu gewinnen.282 Die Einteilung der Philosophie, die zugleich in platonischer Weise die Stufen von deren inhaltlichem Aufstieg kennzeichnet, charakterisiert Clemens anhand eines Moses zugeschriebenen Viererschemas, auf das die Elemente der platonischen und der aristotelischen Tradition bezogen werden. Faktisch verbindet er hier zwei ganz unterschiedliche Reihungen: die bei Philon zu findende Zweiteilung der heiligen Schrift in einen »historischen« und einen auf die Gebote bezogenen Teil sowie die platonische Variante der hellenistischen Dreiteilung der Philosophie in der Reihenfolge Ethik, Physik, Metaphysik. Vereinigt werden beide Aufzählungen, indem der nicht-historische Teil der Schrift mit dem ethischen Teil der Philosophie verbunden wird.283 Bemerkenswert ist, dass der nun vierte Teil der Philosophie als »theologische Form, die Epoptie« dargestellt und sachlich mit der aristotelischen 275

  Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 48, 1 (GCS Clem. 2, p.  138, 15–20 Stählin).   Clemens Alexandrinus, Stromata 7, 98, 2 (GCS Clem. 3, p.  69, 14–22 Stählin). Vgl. Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 227 f. 277   S. oben S. 647. 278   Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 151, 2 (GCS Clem. 2, p.  509, 32 f. Stählin). 279   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 71, 1; 4, 1, 2 (GCS Clem. 2, p.  45, 21–26; 248, 8–10 Stählin). Vgl. Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 315–319. 280   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 1, 1; 6, 55, 4 (GCS Clem. 2, p.  113, 3 f.; 459, 28 f. Stählin). Vgl. Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 321; Wyrwa, Clemens von Alexandrien, 935. 281   Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 93, 4–96, 3 (GCS Clem. 2, p.  387, 21–389, 29 Stählin). 282   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 37, 6; 6, 154, 1 (GCS Clem. 2, p.  24, 30–25, 4; 511, 3–12 Stählin). 283   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 176, 1–3 (GCS Clem. 2, p.  108, 24–109, 5 Stählin); vgl. Philo Alexandrinus, Vita Moysis 2, 45 (4, p.  210, 12 f. Cohn); A. van den Hoek, Clement of Alexandria and his Use of Philo in the ›Stromateis‹. An Early Christian Reshaping of a Jewish Model, Leiden u. a. 1988, 60–62; Perkams, Die Ursprünge des spätantiken philosophischen Curriculums, 152–154, 162 f. 276

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Philosophie in der Kaiserzeit

Metaphysik identifiziert wird; sie sei die Erkenntnis der Weisheit284 und damit die Vollendung der Philosophie, die freilich als Dialektik, die der Metaphysik faktisch gleichkomme, selbst noch ein »auffindendes Wissen« (εὑρετικὴ ἐπιστήμη) sei – nämlich auf dem Weg zur Erkenntnis der Wahrheit in Christus.285 Die Bedeutung der ebenfalls Dialektik genannten Logik, die in diesem Schema nicht explizit auftaucht, hebt Clemens als beweisende Methode durchaus hervor,286 insbesondere um Philosophie und Sophistik zu unterscheiden;287 letztlich stellt er ihr aber den Glauben mit seiner höheren Beweiskraft entgegen.288 Im Gegensatz zu Theon von Smyrna, mit dem Clemens den Vergleich der Philosophie mit einem Aufstieg über Mysterien teilt, wird die Epoptie also nicht von den drei übrigen Teilen der Philosophie als höhere Stufe getrennt, womit Clemens womöglich die ursprünglich aristotelische Struktur bewahrt.289 Das ergibt sich noch deutlicher aus der Gesamtstruktur der ›Stromateis‹, in denen, nach einer längeren Vorbereitung, auf die Ethik zwei Teile folgen sollten, die sich mit der Physik beziehungsweise den Ursachen (περὶ ἀρχῶν) beschäftigen, deren zweiter Teil ebenfalls Epoptik genannt wird.290

Philosophie und Religion Das Verhältnis von Philosophie und Religion wird im Hinblick auf das Christentum nach dem Schema Vorbereitung und Vollendung erklärt, wobei das Judentum der Philosophie weitestgehend gleichgestellt wird: Die Philosophie der Griechen ist Clemens zufolge eine Vor-Bildung (προ­παι­ δεία) für das Erlangen der christlichen Wahrheit,291 so wie es das jüdische Gesetz grundsätzlich auch ist.292 Interessanterweise greift Clemens für diese Idee, die es ermöglicht, das Studium der griechischen Philosophie den Christen zu empfehlen,293 auf Philons Beschreibung der Philosophie als Weg zur jüdischen Weisheit 284

  Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 47, 4 (GCS Clem. 2, p.  138, 12–14 Stählin).   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 176, 3 (GCS Clem. 2, p.  109, 1–5 Stählin). 286   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 26, 4; 2, 48, 1 f.; 6, 155, 3; 6, 156, 2 (GCS Clem. 2, p.  17, 11–13; 138, 18–24; 511, 28–30; 512, 8–11 Stählin). 287   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 44, 2–4 (GCS Clem. 2, p.  29, 20–27 Stählin). 288   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 45, 5; 2, 48, 3 f. (GCS Clem. 2, p.  30, 12–16; 138, 24–28 Stählin). 289   Clemens Alexandrinus, Stromata 4, 3, 1–3 (GCS Clem. 2, p.  249, 4–18 Stählin); vgl. Riedweg, Mysterienterminologie, 124–129. 290   Clemens Alexandrinus, Stromata 4, 1, 2; 4, 2, 1; 4, 3, 1 (GCS Clem. 2, p.  248, 6–9; 248, 15–19; 249, 4–13 Stählin  /  Treu); vgl. Nautin, La fin des ›Stromates‹, 286–290. 291   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 28, 1; 1, 32, 4; 1, 37, 1; 6, 153, 1 (GCS Clem. 2, p.  17, 33; 21, 19 f.; 24, 8; 510, 21–24 Stählin). 292   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 28, 3 (GCS Clem. 2, p.  18, 2 f. Stählin). 293   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 35, 2–4 (GCS Clem. 2, p.  23, 8–16 Stählin). 285

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Die Anfänge des christlichen Philosophierens

bzw. als ›Magd‹ (θεραπαίνις) zurück.294 Der christliche Glaube (πίστις) ist für Clemens dann die wahre, gnadenhaft biblisch verkündete Weisheit. Die Philosophie kann sie nicht ersetzen,295 sondern zielt letztlich (als Geschenk Gottes296) auf sie ab. Freilich verfehlt die Philosophie die Wahrheit, wenn sie sich auf das Wahrscheinliche (τὸ πιθανόν) beschränkt und damit einen Teil beziehungsweise ein Abbild von dieser erkennen kann.297 Daher kann die hellenische Philosophie nur in ihrer Gesamtheit, d. h. in den wahren Lehren aller Richtungen, die propädeutische Funktion ausfüllen,298 woran allerdings ihre Selbstzufriedenheit (φιλαυτία) viele Philosophen hindere, da sie ihnen die zur Wahrheitserkenntnis notwendige religiöse Perspektive nehme.299 Demgegenüber fordert Clemens die Philosophie auf, sich Gott zum Lehrer zu nehmen,300 und stellt, so wie manche Platoniker, die Mysterienreligion als Modell des philosophischen Aufstiegs dar.301

Verhältnis der Philosophie zu Rhetorik, Politik und Fachwissenschaften Entsprechend der auch bei Philon zu findenden platonisch-pythagoreischen Tradition betont Clemens die Notwendigkeit von Studien der Geometrie, Astronomie, Grammatik und Musik als Vorbereitung für die eigentlich philosophische Bildung, die zur Weisheit führen soll.302 In diesem Sinne hat auch die Rhetorik ihren Platz im Bildungsschema,303 von der Clemens sich aber eher distanziert, da sie der Sophistik Vorschub leiste, die, wie Clemens in lockerer Anlehnung an Aristoteles betont, nicht nur eine vorgebliche Wahrheitssuche sei, sondern der Philosophie ihr Thema stehle.304 Damit gebe sie Anlass, dem Irrtum zu verfallen,

294

  Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 30, 1–32, 3 (GCS Clem. 2, p.  19, 13–21, 16 Stählin), in enger Anlehnung an Philo, De congressu 72–80 (3, p.  86, 15–88, 10 Wendland). Vgl. Klein, in: Gregor der Wundertäter, ›Oratio prosphonetica‹, 86 f. 295   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 38 (GCS Clem. 2, p.  25, 5–29 Stählin). 296   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 37, 1; 6, 153, 1; 6, 156–159 (GCS Clem. 2, p.  24, 9; 510, 21–23; 512, 17–514, 10 Stählin). 297   Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 149, 4 (GCS Clem. 2, p.  508, 31–509, 2 Stählin); vgl. C. Mondésert, Clément d’Alexandrie. Introduction à l’étude de sa pensée religieuse à partir de l’écriture, Paris 1944. 298   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 37, 6; 6, 54, 1 (GCS Clem. 2, p.  24, 30–25, 3; 459, 6 f. Stählin). 299   Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 56, 1 f. (GCS Clem. 2, p.  460, 5–14 Stählin). 300   Clemens Alexandrinus, Stromata 6, 61, 1 (GCS Clem. 2, p.  462, 18–24 Stählin). 301   Clemens Alexandrinus, Stromata 4, 3, 1–3 (GCS Clem. 2, p.  249, 4–18 Stählin). 302   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 29, 10; 6, 56, 1 (GCS Clem. 2, p.  19, 10–12; 460, 5–8 Stählin). 303   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 29, 10 (GCS Clem. 2, p.  19, 10–12 Stählin). 304   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 39, 2–4 (GCS Clem. 2, p.  26, 2–11 Stählin). Zur aristotelischen Position s. oben S. 302–304.

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Philosophie in der Kaiserzeit

anstatt mit der Philosophie zur Wahrheit zu gelangen.305 Mit diesen Ausführungen trägt Clemens dazu bei, dass die Christen das Ideal der Philosophie als ernsthafte Wahrheits­suche übernehmen, während sie die wahrheitsindifferente Rhetorik in platonischer Tradition eher ablehnen. Verweise auf die politische Dimension der Philosophie ergeben sich aus der Beschäftigung mit Platon, dessen ›Gesetze‹ (›Nomoi‹) auf das Gesetz des Mose verweisen sollen, so dass insbesondere die Gesetzgebung mit der Philosophie verbunden wird.306 Ein sachliches Interesse des Clemens an Politik lässt sich aber nicht erkennen.

Würdigung Clemens’ Werk, das im Grunde die philosophische Seelenleitungslehre in ihrer mittelplatonischen Variante für ein christliches Publikum reformuliert und dabei viel philosophisches Gut positiv aufnimmt, ist in Haltung und Umfang zu seiner Zeit ohne Gegenstück; es interpretiert das Christentum als eine wahre Weisheit, zu der eine philosophische Suche mit theoretischen und praktischen Elementen hinführen muss. Seine sachlich originellste Idee ist wohl die, zum Erreichen eines »wissenschaftlichen Glaubens« (ἐπιστημονικὴ πίστις)307 eine christliche Erkenntnistheorie zu entwickeln, die aber insgesamt eine Skizze bleibt. Dies dürfte darin begründet sein, dass seine Idee, den christlichen Unterricht als philosophische Lehrbewegung zu beschreiben, jedenfalls in der sehr ausdrücklichen Form des Clemens Episode geblieben ist.

Ein Höhepunkt kaiserzeitlichen Denkens: Origenes’ philosophische ­Ausarbeitung des Christentums Origenes aus Alexandrien (ca. 185–253/54)308 gilt als einer der wichtigsten Denker der christlichen Antike. Besonders seine Anhänger Eusebios und Gregor Thaumaturgos unternehmen große Anstrengungen, ihn als Philosophen zu stilisieren, ohne freilich einen Zweifel an seiner auf biblische und kirchliche Autorität ge305

  Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 42, 2–4; 1, 44, 2 (GCS Clem. 2, p.  28, 3–17; 29, 22–24 Stählin). 306   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 165 f. (GCS Clem. 2, p.  103, 8–104, 12 Stählin). 307   Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 48, 2–2,49, 1 (GCS Clem. 2, p.  138, 20–139, 3 Stählin). 308   Wichtige Darstellungen zu Origenes sind u. a.: Crouzel, Origène et la philosophie; P. Nautin, Origène. Sa vie et son œuvre, Paris 1977; J. M. Rist, Eros and Psyche. Studies in Plato, Plotinus, and Origen, Toronto 1964; Malingrey, Philosophia, 160–175, 183 f.; H. Strutwolf, Gnosis als System. Zur Rezeption der valentinianischen Gnosis bei Origenes, Göttingen 1993, 210–366; G. Dorival, Origène d’Aléxandrie, in: DPhA 4 (2005), 807–842; A. Fürst,

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stützten christlichen Grundhaltung aufkommen zu lassen.309 Allerdings spielt die Philosophie in der Biographie des Origenes, der erst relativ spät eine philosophische Ausbildung erhält,310 eine geringere Rolle als bei Clemens: Er lehrt als offizieller kirchlicher Lehrer an der Katechetenschule Alexandriens und später im christlichen Umfeld Palästinas. Seine breiten philosophischen Kenntnisse erwirbt er, um gebildete Heiden vom Christentum überzeugen zu können, und zumindest in Caesarea vermittelt er auch auf die Weise eines Philosophielehrers eine allgemeinere Bildung, wie die Dankrede seines Schülers Gregor Thaumaturgos bezeugt, der sich unter Origenes’ Einfluss zum Christentum bekehrt. Sein Leben endet ca. 253 oder 254 als Märtyrer in Palästina.311 Origenes ist vom Platoniker gleichen Namens zu unterscheiden,312 obwohl Porphyrios seine Identität mit dieser Person, die auch in seinem ›Leben Plotins‹ erwähnt wird, in seiner antichristlichen Schrift unterstellt.313 Beide können aber nicht identisch sein, weil a) Longin die geringe literarische Produktivität des Hellenen Origenes, den er uneingeschränkt als Platoniker ansieht, erwähnt,314 die sich vom umfangreichen Werk des Christen Origenes, dessen exegetisches Werk auch Porphyrios gut kennt,315 diametral unterscheidet, und weil b) ein Besuch des Platonikers Origenes bei Plotin nach dem Tod des Christen Origenes Mitte der 250er Jahre anzusetzen ist. Die Erforschung des Origenes ist relativ kontrovers. Das liegt nicht nur am vollständigen Verlust vieler Schriften bzw. von deren griechischem Original, sondern auch an unterschiedlichen modernen Zugängen: So gibt es neben einer TenOrigenes, in: RAC 26 (2015), 460–567; M. Zambon  /  D. Wyrwa, Origenes, in: GGPh 5, 1 (2018), 957–997. 309   Vgl. z. B. Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 3, 3–13; 18 f. (GCS Eus. 2, 2, p.  524, 14–528, 21 Schwartz: φιλοσοφία und παρρησία der Person Origenes); Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus, z. B. 75; 78 (SC 148, p.  124, 11–17; 126, 30–37 Crouzel). Vgl. dazu C. Scholten, Psychagogischer Unterricht bei Origenes, in: M. Hutter  /  W. Klein  /  U. Vollmer (Hrsg.), Hairesis. Festschrift für Karl Hoheisel zum 65. Geburtstag, Münster 2002, 261–280; Löhr, Chris­tia­nity as Philosophy, 160–165. Sehr pointiert wird das Philosophie-Motiv der Quellen aufgenommen in der biographischen Darstellung bei Fürst, Origenes, 461–469. 310   Zu möglichen Zeitpunkten vgl. Dorival, Origène d’Aléxandrie, 809–813. 311   Dieser Überblick geht im Grunde auf Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 2, 2–13; 18 f. (GCS Eus. 2, 2, p.  518, 18–528, 21 Schwartz). Zur Diskussion über umstrittene Fragen vgl. Dorival, Origène d’Aléxandrie, 809–816. 312   Porphyrius, apud: Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 6–8 (GCS Eus. 2, 2, p.  558, 25–560, 17 Schwartz) vermischt wohl beide Personen, vgl. z. B. L. Brisson  /  R. Goulet, Origène le Platonicien, in: DPhA 4 (2005), 804–807, hier 806 f. Für eine andere Sichtweise vgl. Ch. Riedweg, Das Origenes-Problem aus der Sicht eines Klassischen Philologen, in: B. Bäbler  /  H.-G. Nesselrath (Hrsg.), Origenes der Christ und Origenes der Platoniker, Tübingen 2018, 13–39. 313   Porphyrius, Vita Plotini 3, 24–32; 14, 20–25 (1, p.  4; 17 f. Henry  /  Schwyzer2). 314   Περὶ τέλους: Porphyrius, Vita Plotini 20, 40 f. (1, p.  25 Henry  /  Schwyzer2). 315   Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 4–6 (GCS Eus. 2, 2, p.  558, 13–560, 4 Schwartz); weitere Argumente bei R. Goulet, Porphyre, Ammonius, les deux Origènes et les autres, in: Revue d’histoire et de philosophie religieuses 57 (1977), 471–496, hier 483 f.

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denz, Origenes »systematisch« zu lesen, auch eine Deutungstendenz, die ihn als »schriftorientiert und biblisch« oder sogar »mystisch«, jedenfalls »nicht abstrakt und spekulativ« versteht.316 Die verwendete Begrifflichkeit zeigt, dass die ganze Debatte moderne Anliegen christlicher Selbstdeutung an Origenes heranträgt;317 an der Fragestellung nach dem antiken Philosophieverständnis, für das sich die Treue zu den autoritativen Quellen und eine systematische Ausarbeitung keineswegs widersprechen, geht diese Opposition weitgehend vorbei. Dagegen lässt die Behauptung, es gebe bei Origenes eine »Verschränkung […] von platonischer Philosophie und jüdisch-christlicher Bibel«,318 die Frage nach einer angemessenen Würdigung der einer rationalen Methodik verpflichteten Christen im Rahmen der kaiserzeitlichen Philosophie pointiert hervortreten. Tatsächlich spiegelt sich in Origenes’ Œuvre zunächst sein christlicher Lehrkontext wider: Den Großteil davon machen ausführliche Bibelauslegungen aus, welche die christliche Auslegungstradition im großen Stil erst begründen und insgesamt stark beeinflussen.319 Sie sind mit der Philosophie durch eine Neigung zu allegorischen Erklärungen verbunden, enthalten aber auch viele Diskussionen philosophischer Lehren und Probleme.320 Eine klar erkennbare argumentative Gedankenführung findet sich aber vor allem in den systematischen Schriften ›Über die Prinzipien‹ (Περὶ ἀρχῶν) und ›Über das Gebet‹ (Περὶ εὐχῆς), während ›Gegen Kelsos‹ Origenes’ argumentative Begabung zeigt.321

Origenes’ philosophische Leistung: Die denkerische Rekonstruktion des ­christlichen Standpunktes Origenes’ systematische Ausarbeitung des Christentums findet sich zusammengefasst in der Schrift ›Über die Prinzipien‹ (›De principiis‹, Περὶ ἀρχῶν). Origenes wendet sich hier weniger gegen nichtchristliche Philosophen – die Über316

  Beispiele sind einerseits H. Görgemanns  /  H. Karpp, in: Origenes, Vier Bücher ›Von den Prinzipien‹. Herausgegeben, übersetzt, mit kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen von H. Görgemanns  /  H. Karpp, Darmstadt 31992, 17–19, die von einem »Systementwurf«, einem »System« und einer »Synthese« sprechen und Origenes selbst als »Systematiker« bezeichnen, sowie andererseits Crouzel, Origène et la philosophie, 167–177, und Dorival, Origène d’Aléxandrie, 820 f., wo auch weitere Teilnehmer der Debatte genannt werden. Vgl. jetzt Zambon  /  Wyrwa, Origenes, 966–970. 317   Was teils zu gewundenen Begrifflichkeiten führt, etwa dass bei Origenes ein argumentatives Gleichgewicht, aber kein philosophisches System vorliege (Crouzel, Origène et la philosophie, 214 f.). 318   So Fürst, Origenes, 461 f., auch 561–565. 319   Knapper Überblick: Zambon  /  Wyrwa, Origenes, 963. 320   Vgl. Zambon  /  Wyrwa, Origenes, 971–974. 321   Übersicht über Origenes’ Werke: H. J. Vogt, Origenes als Exeget, Paderborn 1999, 461–463; Dorival, Origène d’Aléxandrie, 816–828; s. oben S. 553.

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einstimmungen und Unterschiede zu ihnen werden vorausgesetzt322 – als gegen andere Interpretationen der christlichen Lehre.323 Dem entspricht die konstante Bezugnahme auf die Schrift und ihre rechte Auslegung,324 die laut einigen programmatischen Aussagen auch den Maßstab für die Rezeption philosophischer Lehren bildet.325 Die Anordnung der Themenbereiche, deren dreifache Wiederaufnahme sich wohl am Aufbau zeitgenössischer philosophischer Überblicksdarstellungen orientiert,326 folgt einer systematischen Ordnung, wobei eine theoretische Position häufig erst gedanklich entwickelt und dann biblisch belegt wird.327 Die Aussage, die Schrift sei eine Monographie im Bereich der Physik der philosophischen Tradition,328 ist insofern missverständlich, als Probleme wie die unkörperliche Natur Gottes der Sache nach zur Theologie gehören, die Origenes – anders als die Stoiker – von der Physik unterscheidet.329 Das Nebeneinanderstehen einer systematischen Darstellung in ›Über die Prinzipien‹ und der detaillierten Bibelkommentierung des Origenes entspricht strukturell der Präsentation des antiken Platonismus in Überblicksdarstellungen (z. B. Porphyrios, ›Sententiae‹; Alkinoos, ›Didaskalikos‹; Proklos, ›Theologia Platonica‹) und Kommentaren zu Platon, Aristoteles und anderen Philosophen. Origenes entfaltet die christliche Lehre im Ausgang von den Grundeinsichten, welche die Apologeten entwickelt haben, geht aber im gründlichen Durchdenken der verschiedenen Themen und ihrer Implikationen weit über diese hinaus: Das betrifft einerseits die Beschreibung Gottes als unkörperlicher ›Hypostase‹ (ὑπόστασις),330 welche die mittelplatonische Kritik am stoischen Materialismus aufnimmt. Andererseits lehnt Origenes die platonischen Methoden der Gotteserkenntnis sowie die mit ihnen verbundene negative Theologie ab331 und betont: »Obwohl niemand von Gott dem Vater angemessen Aussagen machen kann, ist es doch möglich, aus der Gelegenheit der sichtbaren Geschöpfe sowie dem, was der menschliche Verstand von Natur aus erkennt, eine gewisse Einsicht zu erhalten«.332 322

  Origenes, De principiis 1, 3, 1 (GCS Orig. 5, p.  48, 18–49, 19 Koetschau).   Origenes, De principiis 1 praef. 2 (GCS Orig. 5, p.  8, 14–28 Koetschau). 324   Vgl. H. de Lubac, Histoire et esprit. L’intelligence de l’Écriture d’après Origène, Paris 1950. 325   Origenes, De principiis 3, 4, 1; 3, 6, 6 (GCS Orig. 5, p.  264, 12–16 Koetschau). Vgl. aber den unten S. 707 zitierten Text. 326   Vgl. Dorival, Origène d’Aléxandrie, 821 f. 327   S. unten S.  677  f. 328   Vgl. Dorival, Origène d’Aléxandrie, 823. 329   S. unten S. 675  f. 330   Origenes, De principiis 1 praef. 8 f.; 1, 2, 2; 1, 2, 8 (GCS Orig. 5, p.  14, 16–15, 27; 28, 13–30, 8; 38, 5–39, 4 Koetschau); vgl. Origenes, In Ioannem 1, 164 (GCS Orig. 4, p.  31, 18–20 Preuschen). 331   Origenes, Contra Celsum 7, 42–44 (GCS Orig. 2, p.  193, 4–195, 12 Koetschau). Vgl. Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 391–393. 332   De deo quidem patre quamvis digne proloqui nemo valeat, tamen possibile est in323

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Entsprechend rational-argumentativ fällt auch seine Erklärung des Vaters und des Sohnes aus: Am Vater hätte alles Seiende teil, am Sohn, dem Logos, alles Rationale, auch das Sündige, am heiligen Geist hingegen nur die Guten.333 Hier zeigt sich eine bemerkenswerte Nähe zu einer abgestuften platonischen Hypostasenlehre und deren Wirksamkeit in der sichtbaren Welt, auch wenn die Terminologie durchweg christlich ist. Das gilt auch für die hier implizierte, in dieser Zeit zu erwartende, moderat subordinationistische Trinitätslehre,334 die im Anschluss an den Johannesprolog analog zu platonischen Parallelen vorgeht. Direkt an die Gotteslehre schließt bei Origenes die Behandlung der rationalen Wesen an, die von der bereits bei Justin zu findenden These ausgeht, alle rationalen Wesen seien frei.335 Origenes’ Annahmen unterscheiden sich in dieser Hinsicht deutlich sowohl von der stoischen Lehre vom Fatum336 als auch von der platonischen Noetik, zu der freilich Berührungspunkte bestehen.337 Aus ihnen folgert Origenes, dass sich die Menschen strukturell ähnlich verhielten wie abgefallene Engel bzw. Teufel, wobei letztere unheilbar schlecht schienen. Den Unterschied zwischen den rationalen Wesen sieht er als graduell an und meint, dass auch Engel und Dämonen sich, wenn auch unter Umständen sehr langsam, veränderten und daher gerettet werden könnten.338 Dies sei auch deswegen möglich, weil sie den Wechsel von einer Welt in die andere überleben könnten,339 bis Gott schließlich die gesamte Welt wieder gut herstellen werde.340 Diese Lehre von der Wiederherstellung von allem (ἀποκατάστασις τῶν πάντων) erscheint somit als konsequentes, durch die biblische Autorität gestütztes Weiterdenken einer älteren christlichen Lehre. Sie ist nicht nur innerchristlich ähnlich provokant wie unter Platonikern tellectum aliquem capi ex occasione visibilium creaturarum et ex his, quae humana mens naturaliter sentit. Origenes, De principiis 1, 3, 1 (GCS Orig. 5, p.  49, 11–13 Koetschau). 333   Origenes, De principiis 1, 3, 6 (GCS Orig. 5, p.  56, 19–59, 15); vgl. auch 1, 3, 8 (GCS Orig. 5, p.  61, 5–62, 12 Koetschau). 334   Origenes, De principiis 1, 2, 6 (GCS Orig., 5, p.  35, 4–37 Koetschau); vgl. auch Görgemanns  /  Karpp, in: Origenes, Vier Bücher ›Von den Prinzipien‹, 135 Anm.  16. Die pointiert subordinationistischen Origenes-Zitate bei Hieronymus und Justinian (z. B. Origenes, De principiis, frg.  9 [GCS Orig. 5, p.  55, 4–56, 8 Koetschau]), die in Rufins Übersetzung fehlen, könnten auf einer Fehlinterpretation beruhen. 335   Origenes, De principiis 1, 5, 2 f.; 1, 7, 2–8, 4 (GCS Orig. 5, p.  70, 2–73, 6; 87, 3–105, 16 Koetschau). 336   Vgl. Schröder, Fatum (Heimarmene), 589–591; Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 168–176. 337   Vgl. Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 199–203, und insgesamt zu Origenes’ Freiheitslehre Fürst, Wege der Freiheit, 187–290. 338   Origenes, De principiis 1, 6, 2 f. (GCS Orig. 5, p.  81, 11–82, 19; 84, 16–18 Koetschau). 339   Origenes, De principiis 1, 6, 4 (GCS Orig. 5, p.  84, 22–85, 24 Koetschau). 340   Origenes, De principiis 3, 6, 2 f. (GCS Orig. 5, p.  283, 1–285, 7 Koetschau). Gerade Origenes’ Behandlung der rationalen Wesen und ihres Falls kann auch als Auseinandersetzung mit der valentinischen Gnosis gelesen werden, wie Strutwolf, Gnosis als System, 210–356, gezeigt hat.

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Plotins These, dass etwas in der Seele niemals absteigt, sondern schreibt dem rationalen Entscheidungsvermögen eine Zentralstellung im Kosmos zu, die als Alternative zu einem primär ontologischen Zugang gelten kann.341 Die christliche Prägung von Origenes’ philosophischer Arbeit zeigt sich auch an anderen Punkten: Wenn er sich in der Ablehnung einer Ewigkeit der Materie an Theophilos von Antiochien anschließt, bezieht er gegen Platoniker und Stoiker gleichermaßen Position. Zugleich benutzt er deren Argument, dass die Materie, anders als Epikur meint, teleologisch strukturiert sein müsse, betont aber, dass eine solche Teleologie nur durch göttliche Schöpfung der Materie erreichbar sein könne.342 Mit der Behandlung der Frage, wie eine zeitliche Schöpfung damit vereinbar sein kann, dass Gott nie mit seiner Tätigkeit beginnt,343 berührt er ein weiteres wichtiges Problem christlichen Denkens, ohne eine klare Antwort zu liefern. Bei der Behandlung von eher technischen philosophischen Einzelproblemen, die weniger zentrale Teile des christlichen Lehrgebäudes bilden, ist Origenes’ Nähe zur philosophischen Diskussion groß, zu der er inhaltlich wichtige Beiträge liefert. So greift er bei der konkreten Beschreibung rationaler Entscheidungen auf die Stoa zurück, jedoch nicht ohne deutliche Transformationen.344 Diese Theorie wendet er auch auf das siebte Kapitel des ›Römerbriefs‹ an und deutet entsprechend den hier geschilderten Konflikt als einen solchen eines noch nicht durch Übung vervollkommneten Menschen, ohne dass eine solche Vervollkommnung ausgeschlossen wäre.345 Die philosophische Einteilung der Seelenteile sowie Aristoteles’ Lehre vom Äther werden hingegen grundsätzlich als unchristlich abgelehnt.346 Merklich stoisch beeinflusst sind Origenes’ Kosmologie, in der auch die Weltseele eine Rolle spielt,347 sowie in der Eschatologie die Idee des Kommens

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  Vgl. hierzu Kobusch, Selbstwerdung und Personalität, 211–216.   Origenes, De principiis 2, 1, 4 (GCS Orig. 5, p.  109, 9–111, 12 Koetschau); vgl. Tornau, Materie, 385–390. 343   Origenes, De principiis 1, 4, 3–5 (GCS Orig. 5, p.  65, 9–68, 26 Koetschau); Origenes, apud: Calcidius, In Timaeum, 276–278 (504, 20–506, 30 Bakhouche); vgl. zu diesem Komplex Ch. Köckert, Christliche Kosmologie und kaiserzeitliche Philosophie. Die Auslegung des Schöpfungsberichtes bei Origenes, Basilius und Gregor von Nyssa vor dem Hintergrund kaiserzeitlicher ›Timaios‹-Interpretationen, Tübingen 2009, 224–311. 344   Vgl. R. Sorabji, Emotion and Peace of Mind. From Stoic Agitation to Christian Temptation, Oxford 2000, 343–352; M. Perkams, Ethischer Intellektualismus und Willensbegriff. Handlungstheorie beim griechischen und lateinischen Origenes, in: Müller  /  Hofmeister Pich (Hrsg.), Wille und Handlung, 239–258; Müller, Willensschwäche, 251 f. 345   Origenes, In Romanos 6, 9 f. (2, p.  507, 60–519, 25 Hammond Bammel). Vgl. Müller, Willensschwäche und innerer Mensch, 233–242; Perkams, Ethischer Intellektualismus und Willensbegriff, 250–254. 346   Origenes, De principiis 3, 4, 1; 3, 6, 6 (GCS Orig. 5, p.  263, 24–264, 16, 288, 21–28 Koetschau); vgl. Crouzel, Origène et la philosophie, 174. 347   Origenes, De principiis 2, 1, 3 (GCS Orig. 5, p.  108, 11–16 Koetschau); vgl. z. B. SVF 2, 633. 342

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künftiger Welten nach einem »Brand« (ἐκπύρωσις).348 Auf methodischer Ebene zeigt sich der Einfluss hellenischer Philosophie in der Vorgehensweise, die biblischen Begriffe auf ihren semantischen Gehalt hin zu prüfen, bevor sie systematisch erklärt werden;349 hierfür ist wiederum der stoische Einfluss wichtig.350

Benutzung und Kritik der nicht-christlichen Philosophie An dieser Aufnahme verschiedener Richtungen der hellenischen Philosophie in den Formulierungen älterer und neuerer Autoren351 erstaunt besonders seine ausgezeichnete Kenntnis der stoischen Terminologie, vor allem im Hinblick auf die Logik sowie die Ethik und Handlungstheorie.352 Daneben besitzt er auch gründliche Kenntnisse des Platonismus, wo er von den zeitgenössischen Autoren namentlich Numenios zitiert.353 Im Falle der übrigen Schulen muss man damit rechnen, dass Origenes seine Informationen aus Handbüchern beschafft. Jedenfalls sind seine Quellen so gut, dass er uns manche ansonsten verlorene Information z. B. über die Vorsokratiker liefert.354 Origenes äußert sich allerdings nur selten zu seinen Quellen, so dass die Namen von Philosophen nur gelegentlich und meist in polemischer Abgrenzung fallen, was zu den Debatten über seine Stellung zur und mögliche Abhängigkeit von der Philosophie wesentlich beiträgt. Immerhin notiert er die grundsätzliche Übereinstimmung mit allen Vertretern einer göttlichen Vorsehung in der Lehre vom Vater sowie mit wenigstens einigen Philosophen in Bezug auf den Sohn, betont aber zugleich, dass diese Lehren den Christen durch die vom Heiligen Geist inspirierte Schrift auf die beste Weise zugänglich sei.355 Eine gezielte Kritik hellenischer Philosophie findet sich vor allem, dem polemischen Kontext entsprechend, in ›Gegen Kelsos‹, wo Origenes allerdings auch auf Parallelen zwischen Christentum und (einer wahren) Philosophie hinweist.356 In 348   Origenes, De principiis 3, 6, 4–6 (GCS Orig. 5, p.  286, 3–288, 20 Koetschau); vgl. Origenes, Contra Celsum 4, 68 (GCS Orig. 1, p.  338, 1–15 Koetschau) = SVF 2, 626. 349   Zum Beispiel Origenes, De principiis 1, 2, 6 (GCS Orig. 5, p.  35, 8–36, 3 Koetschau); programmatisch Origenes, In Ioannem 1, 153–157 (GCS Orig. 4, 29, 32–30, 16 Preuschen). 350   Vgl. hierzu A. Usacheva, Grammar of Theology. Logical Argumentation from Origen to the Cappadocian Fathers, in: Vox Patrum 68 (2017), 95–105, hier 97 f. 351   Die wichtigste antike Quelle ist Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 8 f. (GCS Eus. 2, 2, p.  560, 11–20 Schwartz). Für einen Überblick über die Ergebnisse der Forschung vgl. Dorival, Origène d’Aléxandrie, 828–842. 352   Vgl. M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung 1, Göttingen 1948, 423–428; Dorival, Origène d’Aléxandrie, 833–835, 839 f; Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 129–132. 353   Dorival, Origène d’Aléxandrie, 830 (mit Belegen); Staab, Numenios, 1193 f. 354   Dorival, Origène d’Aléxandrie, 830–833. 355   Origenes, De principiis 1, 3, 1 (GCS Orig. 5, p.  48, 18–49, 19 Koetschau). 356   Origenes, Contra Celsum 1, 8 (GCS Orig. 1, p.  60, 20–61, 6 Koetschau).

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anderen Schriften werden die kritisierten Lehren meist anonym angesprochen357 und relativ sachlich erörtert.358 Wenn Origenes in der Theologie, wie Gregor Thaumaturgos berichtet, zunächst die Widersprüche der anderen Richtungen untereinander aufzeigt,359 um dann die eigene Lehre darzulegen, entspricht das guter philosophischer Praxis, selbst wenn Origenes sicherlich seine eigene christliche Position vertreten haben wird. Die kritische Aneignung und systematische Ausarbeitung philosophischer Lehren hängt demnach in Origenes’ Augen von ihrer Vereinbarkeit mit der biblischen Botschaft ab, die aber ihrerseits ohne eine rationale Auf- und Ausarbeitung nicht verstanden werden kann.360

Begriff und Einteilung der Philosophie Origenes stellt das Christentum, anders als Clemens von Alexandrien, kaum je ausdrücklich als wahre Philosophie dar.361 Allerdings reflektiert er durchaus, welche Rolle eine denkerisch-philosophische Arbeit im Christentum haben kann: Seine Arbeit und die anderer christlicher Denker, welche so »die Frucht ihrer« von Gott verliehenen »Begabung zeigten«, bestehe darin, das »Argument hinter der Bejahung« (ratio assertionis) anzugeben, welche durch die Schrift allen Christen möglich sei. Als »Liebhaber der Weisheit« (amatores sapientiae = ἐρασταὶ σοφίας? oder sogar = φιλόσοφοι?) könnten sie untersuchen, »wie oder woher es das gebe« (quomodo aut unde sint), von dem alle Christen annähmen, »dass es es gebe« (quia sint).362 An anderer Stelle heißt es im selben Sinn, die Bibel werfe ganz ähnliche Fragen auf wie die Philosophie, so dass im christlichen Unterricht ähnlich zu verfahren sei.363 Mit anderen Worten sieht es Origenes als Aufgabe christlicher Philosophen an, den Grund bzw. das »Warum« hinter dem christlichen Glaubensinhalt anzugeben, der in seinen Inhalten gegeben sei. Somit weist er der Erforschung der christlichen Lehre eine klar definierte Rolle in der Kirche zu, ohne dass diese methodisch, von Einzelpunkten abgesehen, wesentlich anders bestimmt wird als das, was nicht-christliche Philosophen tun.364 Unter ›Philosophie‹ versteht er folglich in den allermeisten Fällen die nichtchristliche Philosophie, und zwar sowohl die griechische als auch die der Barbaren, 357   Zum Beispiel Origenes, De principiis 3, 6, 6 (GCS Orig. 5, p.  288, 21–28 Koetschau) über das aristotelische fünfte Element. 358   Vgl. die auf S. 673  f. genannten Beispiele. 359   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 158–161 (SC 148, p.  160, 1–162, 23 Crouzel). 360   Vgl. hierzu auch die unten S. 707 zitierten Ausführungen. 361   Malingrey, Philosophia, 183 f. 362   Origenes, De principiis, praef. 3 (GCS Orig. 5, p.  9, 4–11 Koetschau); vgl. auch Origenes, Contra Celsum 3, 58 (GCS Orig. 1, p.  252, 27–253, 20 Koetschau). 363   Origenes, Homilia 1 in Psalmum 77, 6 (GCS NF Origenes 13, p.  362, 17–363, 1). Vgl. das Zitat unten S. 707. 364   Vgl. Görgemanns  /  Karp, in: Origenes, Vier Bücher ›Von den Prinzipien‹, 6 und 22.

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die er beide vom Christentum unterscheidet.365 Obwohl die Philosophen gelegentlich mit der christlichen Wahrheit übereinstimmen,366 sind sie doch in Origenes’ Augen im Ganzen von der Wahrheit abgewichen,367 fallen gemäß dem ›Römerbrief‹ unter das Verdikt, Gott nicht erkannt zu haben, obwohl dies möglich war, und haben aufgrund dieser Schuld keine gute Behandlung vonseiten Gottes zu erwarten.368 Zwar bekennt sich auch Origenes dazu, positive Erkenntnisse aus der Philosophie in der christlichen Erziehung und Lehre zu verwenden, betont jedoch, dass sie stets auf das Christentum als ihr Ziel bezogen sein müssen.369 Wesentliche Deutungen und Einteilungen von Philosophie versteht Origenes als christliche Lehrstücke, die erst nachträglich von den Philosophen übernommen worden seien. So hätten diese das »Ähnlichwerden mit Gott« dem biblischen Schöpfungsbericht entnommen, wo damit die Vollendung der menschlichen Natur am Ende der Zeiten gemeint sei.370 In der Einleitung zu seinem ›Hoheliedkommentar‹371 führt er die aristotelisch-platonische Einteilung der Philosophie in Ethik, Physik und Metaphysik an, nennt aber Salomon ihren Urheber: Dieser behandle in den ›Sprichwörtern‹ die Ethik, in ›Kohelet‹ die Physik und im ›Hohelied‹ die Epoptik (inspectiva = ἐποπτική?).372 Dies sei, bemerkt Origenes, die bei den Griechen übliche Einteilung, wobei einige allerdings auch die Logik als Teil der Philosophie angesehen hätten.373 Zur Einordnung der Stelle ist zu bedenken, dass hier faktisch dieselbe Einteilung wie bei Clemens vorliegt, nur ohne die Verbindung zu Mose als Gesetzgeber.374 Dass die Logik nicht als Teil der Philosophie bezeichnet wird, muss daher nicht ausschließlich an der peripatetischen Zurückweisung der Logik als Teil der Philosophie liegen,375 sondern könnte auch 365

  Origenes, De principiis 1, 3, 1; 3, 3, 2 (GCS Orig. 5, p.  48, 20–49, 1; 257, 16–22 Koetschau); vgl. Malingrey, Philosophia, 161–163; Pohlenz, Stoa 1, 424. 366   Origenes, De principiis 1, 3, 1 (GCS Orig. 5, p.  49, 1 f. Koetschau). 367   Origenes, Contra Celsum, prol. 5 (GCS Orig. 1, p.  54, 20–28 Koetschau). 368   Origenes, In Romanos 1, 19 f. (1, p.  81, 17–24; 85, 9–14 Hammond Bammel) mit Bezug auf Römer 1, 19–23. 369   Origenes, Contra Celsum 3, 58 (GCS Orig. 1, p.  253, 8–20 Koetschau); Origenes, De principiis 1, praef. 8 f. (GCS Orig. 5, p.  14, 8–15, 27 Koetschau); Epistula ad Gregorium 1 (SC 148, p.  186, 6–188, 18 Crouzel); Epistula Origenis, apud: Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 12–14 (GCS Eusebius 2, 2, p.  562, 8–20 Schwartz). 370   Origenes, De principiis 3, 6, 1 (GCS Orig. 5, p.  280, 2–22 Koetschau). 371   Zu formalen Parallelen dieser Stelle zu philosophischen Kommentaren vgl. I. Hadot, Les introductions aux commentaires exégétiques chez les auteurs néoplatoniciens et les auteurs chrétiens, in: M. Tardieu (Hrsg.), Les règles de l’interprétation, Paris 1987, 99–122. 372   Origenes, In Canticum, prol. (GCS Orig. 8, p.  76, 7–16 Baehrens); zur Übersetzung des Terminus L. Brésard  /  H. Crouzel, in: Origène, ›Commentaire sur le Cantique des Cantiques‹ 1. Texte de la version latine de Rufin. Introduction, traduction et notes par L. Brésard  /  H. Crouzel avec la collaboration de M. Borret (SC 375), Paris 1991, 128 f. Anm.  1. 373   Origenes, In Canticum, prol. (GCS Orig. 8, p.  75, 6–9 Baehrens). 374   S. oben S.  665  f. 375   S. oben S. 563–566.

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Philons Skepsis gegenüber der Logik widerspiegeln.376 Origenes’ eigene Position dürfte jedenfalls eher dadurch markiert werden, dass er die Logik, die er souverän beherrscht, erwähnt und empfiehlt,377 so wie es Gregor Thaumaturgos berichtet. Dass Einteilungen der Philosophie für ihn ein variabel einsetzbares Mittel sind, zeigt seine Rezeption einer stoischen Philosophie-Einteilung zur Erklärung des Gleichnisses vom Weinberg: Die Physik bezeichne den Weinberg selbst, das entsprechende Leben (also die Ethik) die Frucht und die Mauer um ihn herum die Logik.378 Denn Origenes’ Erziehungsprogramm weicht in Gregors Schilderung von der Einleitung zum ›Hoheliedkommentar‹ leicht, aber in aufschlussreicher Weise ab: Nach einer einleitenden Phase, in der der Lehrer Freundschaft mit seinen beiden Schülern, Gregor und seinem Bruder, schließt,379 werden diesen zunächst Kenntnisse der Dialektik (bzw. Logik) vermittelt, um wahr und falsch unterscheiden zu können.380 Dann geht der Unterricht zur Physik über und schließlich zur Ethik, die über die Tugendlehre hinaus zur Selbsterkenntnis führt.381 Dann folgt bei Gregor die sogenannte Theologie.382 Die Disziplinen werden hier in einer Weise unterrichtet, die, wie schon bei Clemens, am ehesten an Theon von Smyrna erinnert, wo die Epoptie, die sachlich durchaus der Theologie entspricht,383 auf die Lehre der drei Teile der Philosophie folgt.384 Dass hier die Physik vor der Ethik unterrichtet wird, verrät vielleicht stoischen Einfluss.385 Die Theologie selbst besteht aus einer Lektüre der paganen Philosophen, die keine Atheisten sind, und einer Herausarbeitung ihrer inneren Widersprüche, bevor in einem zweiten Schritt die heiligen Schriften gelesen werden.386 Deren (teils geheimer) Inhalt wird also als die vollendete Lehre eingeführt, welche die Schüler am Ende einer Ausbildung erreichen, die faktisch ganz einem philosophischen Lehrer-Schüler-Verhältnis entspricht. Dieses enthüllt zwar nicht die Geheimnisse einer philosophischen Richtung, sondern des Christentums,387 vermittelt aber zugleich eine breite Bildung, ohne eine Bekehrung anzustreben oder unmittelbar zu erreichen. 376

  S. oben S. 620.   Origenes, In Canticum, prol. (GCS Orig. 8, p.  75, 9–17 Baehrens); Dorival, Origène d’Aléxandrie, 840. 378   Origenes, In Matthaeum 17, 7 (GCS Orig. 10, p.  603, 14–30 Klostermann) = SVF 2, 40, zu Evangelium secundum Matthaeum 21, 33–43. Zu den stoischen Vorlagen s. oben S. 431. 379   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 81–92 (SC 148, p.  128, 1–132, 120 Crouzel). 380   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 93–108 (SC 148, p.  134, 1–140, 95 Crouzel). 381   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 109–149 (SC 148, p.  140, 1–158, 33 Crouzel); vgl. A. Dihle, Ethik, in: RAC 6 (1966), 646–796, hier 755–758. 382   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 150 (SC 148, p.  158, 1–3 Crouzel). 383   Clemens Alexandrinus, Stromata 1, 176, 1 f. (GCS Clem. 2, p.  108, 24–30 Stählin). 384   S. oben S. 550. 385   Dorival, Origène d’Aléxandrie, 814. 386   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 150–183 (SC 148, p.  158, 1–172, 56 Crouzel). 387   Origenes, Contra Celsum 1, 7 (GCS Orig. 1, p.  59, 33–60, 15 Koetschau); vgl. H. Crouzel  /  H. Brakmann, Gregor I, in: RAC 12 (1983), 779–793, hier 782–787. 377

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Philosophie und Religion Dem Gesagten entsprechend ist das Verhältnis von Philosophie und Religion bei Origenes komplex, doch ist das Grundmodell leicht erkennbar: Sowohl christliche als auch philosophische Exegeten legen mit Allegorie bzw. Tropologie Texte rational aus, die als heilig gelten.388 Der Vorzug des Christentums liegt darin, dass es sich auf heilige Schriften stützen kann, die direkt von Gott stammen bzw. vom Heiligen Geist inspiriert sind; aufgrund dieser garantierten Wahrheit »glauben wir, es gebe keine andere Möglichkeit, ein exzellenteres und göttlicheres Argument (ratio = λόγος) über den Sohn Gottes auszulegen (exponere) und in die Erkenntnis der Menschen zu bringen, als die der Schrift allein, die vom Heiligen Geist inspiriert ist«.389

Origenes geht also davon aus, dass sich in der Heiligen Schrift eine Darstellung verbirgt, die sich rational nachvollziehen und verteidigen lässt und gerade hierdurch verständlich ist. Die Schrift ist also deswegen ›allein‹ heranzuziehen, weil sie – nicht nur im Vergleich mit anderen hellenischen und barbarischen Quellenschriften – am besten verbürgt und am wahrsten ist, aber nicht in dem Sinne, dass sie nicht ebenso systematisch ausgelegt werden könnte wie die Schriften der Philosophen. Der Mangel der hellenischen Philosophen gegenüber den Christen liegt weder an der rationalen Methodik als solcher noch daran, dass ihnen ein religiöses Moment fehlen würde,390 sondern letztlich in der Unvollkommenheit der von ihnen bearbeiteten Überlieferungen, die nicht vollkommen von der göttlichen Inspiration geprägt sind.391 Zugleich ist sich Origenes bewusst, dass eine philosophische Deutung des christlichen Erbes zu problematischen Folgerungen führen kann. In diesem Sinne unterscheidet er zwischen einer »offensichtlichen Lehraussage« (dogma manifestum), wie sie etwa über die Trinität möglich sei, und einem vorsichtig erörternden Verfahren (discutientibus magis et pertractantibus quam pro certo et definito statuentibus), als welches er seine Lehren über die letzten Dinge verstanden wissen will – deren Behandlung er aber für sachlich geboten hält.392 Am Ende seines Lebens empfiehlt er, die Schrift grundsätzlich vor dem Hinter-

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  Origenes, Contra Celsum 1, 17 f. (GCS Origenes 1, p.  69, 6–70, 18 Koetschau).   Rationem de filio dei nullius alterius possibilitatis esse credimus exponere atque in hominum cognitionem proferre, nisi eius solius scripturae, que a spiritu sancto inspirata est. Origenes, De principiis 1, 3, 1 (GCS 5, p.  49, 2–8 Koetschau). 390   Vgl. Crouzel, Origène et la philosophie, 100 f. 391   Vgl. zu Origenes’ Methodik z. B. T. Dolidze, Der Glaube als Erkenntnis bei Origenes, in: W. Geerlings  /  Ch. Schulze (Hrsg.), Der Kommentar in Antike und Mittelalter 2. Neue Beiträge zu seiner Erforschung, Leiden  /  Boston 2004, 185–211, v. a. 210 f. 392   Origenes, De principiis 1, 6, 1 (GCS 5, p.  78, 9–22 Koetschau). 389

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grund einer rationalen Weltauffassung zu erklären, diese aber dann wieder an der Schrift zu messen.393

Verhältnis der Philosophie zu Fachwissenschaften und Rhetorik Die verschiedenen Wissenschaften werden von Origenes nicht grundsätzlich kritisiert, sondern Poetik, Rhetorik, Grammatik, Musik, Geometrie sowie, mit Einschränkungen, Medizin werden in die Vorbereitung auf die Hinführung zur christlichen Wahrheit aufgenommen.394 Geometrie und Astronomie sind für ihn insofern propädeutische Wissenschaften, als sie im Rahmen der Philosophie auf das Erlernen der »christlichen Wahrheit« vorbereiten. Sie werden daher nicht vor der Philosophie – diese Position ist Origenes bekannt und wird von ihm beispielhaft zitiert –, sondern im Rahmen der Physik behandelt,395 woran sich wiederum möglicherweise stoischer Einfluss zeigt. Wesentlich kritischer ist auch bei Origenes, wie schon bei Clemens, die Darstellung der Rhetorik, die schon sein Schüler Gregor als eine von der Philosophie ganz unterschiedliche Tätigkeit darstellt.396 Origenes selbst führt sie als eine gefährliche Überredungskunst mit Bezügen zur Sophistik ein,397 lobt aber immerhin auch Mose für seine rhetorisch gekonnte Darstellung.398

Würdigung399 Origenes’ Stellung zur Philosophie integriert zwei unterschiedliche Standpunkte in kohärenter Weise: Einerseits unterscheidet er die hellenische und auch, entgegen einigen christlichen Vorläufern, die barbarische Philosophie dem Begriff nach klar vom Christentum und achtet sorgfältig darauf, nur solche Lehren als christlich zu vertreten, die sich durch Exegese und rationale Deutung als solche erweisen lassen. Andererseits entspricht gerade dieses Vorgehen in höchstem Maße der hellenischen Philosophie. In der Tat entspricht das Abstraktionsniveau von Origenes’ 393   Origenes, Homilia 1 in Psalmum 77, 1 (GCS NF Origenes 13, p.  352, 3–353, 24, Zitat p.  352, 20–22 Perrone). 394   Origenes, De principiis 3, 3, 2 (GCS Orig. 5, p.  257, 18–28 Koetschau); vgl. Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 3 (GCS Eus. 2, 2, p.  556, 17–19 Schwartz); Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 369. 395   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 113 (SC 148, p.  142, 18–22 Crouzel); vgl. Origenes, Epistula ad Gregorium 1 (SC 148, p.  186, 11–188, 18 Crouzel). 396   Gregorius Thaumaturgus, Panegyricus 107; 130 (SC 148, p.  140, 87–89; 148, 20–22 Crouzel). 397   Origenes, Contra Celsum 1, 62; 2, 13; 3, 39 (GCS Orig. 1, p.  113, 27–29; 141, 24 f.; 235, 25–27 Koetschau). 398   Origenes, Contra Celsum 1, 18 (GCS Orig. 1, p.  70, 2 f. Koetschau). 399   Vgl. hierzu u. a. Dihle, Ethik, 755; Crouzel, Origène et la philosophie, 167–177.

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Durchdringung und Systematisierung der biblischen Botschaft der Arbeitsweise der Philosophen seiner Zeit ebenso wie der Aufbau seiner Schriften und die von Gregor Thaumaturgos überlieferte Struktur seines Unterrichts. In diesem kann man durchaus die Aussage einer modernen Interpretin über Origenes und die zeitgenössischen Platoniker in Bezug auf die exegetische und systematisierende Arbeit des Origenes an der christlichen Lehre verallgemeinern: »Der entscheidende Unterschied ist […], dass Plotin und Porphyrius sich […] auf Platon berufen, während Origenes sich auf Mose und Paulus bezieht«.400 Hierbei gilt es allerdings, zwei wichtige Einschränkungen zu beachten. Erstens ist das Denken des Origenes nicht speziell platonisch geprägt, sondern er benutzt, wie die meisten Zeitgenossen, Ideen aus verschiedenen philosophischen Schulen, sofern sie seiner eigenen, in diesem Fall christlichen Grundüberzeugung entsprechen. Nicht weniger bedeutend als der Platonismus, dessen Verständnis von der Transzendenz Gottes er nicht teilt, scheint für ihn die Stoa zu sein. Zweitens versteht sich Origenes als christlicher Theoretiker, aber offensichtlich nicht als griechischer Philosoph. Gerade seine theoretische Ausarbeitung des Christentums in philosophischer Weise befähigt Origenes, klarer und eindeutiger zwischen ›der Philosophie‹ und dem Christentum, als dessen Repräsentant er sich sieht, zu unterscheiden als die Zeitgenossen, die ihn als christlichen Philosophen sehen wollen.

9. Die kritische Wendung des christlichen Philosophierens bei M ­ ethodios von Olympos Ein inhaltlich origineller Repräsentant der philosophischen Ausarbeitung des Christentums ist schließlich Methodios von Olympos (2. Hälfte d. 3. Jhdt.s).401 Seine Werke, die nur z. T. auf Griechisch erhalten sind, müssen sowohl wegen ihrer Rezeption der Form des platonischen Dialogs als auch wegen der hier enthaltenen philosophischen Argumentation als wichtige Beispiele christlichen Philosophierens gelten.402 Unter guter Kenntnis heidnischer Philosophie erörtert Methodios deren Pro­ blemstellungen sachlich und unpolemisch. Selbst wenn für ihn innerchristliche Debatten, namentlich mit Origenes, nicht weniger wichtig sein dürften als die mit der hellenischen Philosophie, so ist doch die philosophische Methodik bemerkenswert, bei der wenig Rekurs auf die Schrift genommen wird. Der Begriff Phi400

  Vgl. Köckert, Christliche Kosmologie und kaiserzeitliche Philosophie, 307.   Nützliche Überblicksdarstellungen sind K. Bracht, Methodius von Olympus, in: RAC 24 (2012), 768–784; M. Zambon  /  D. Wyrwa, Methodios, in: GGPh 5, 1 (2018), 1016–1034. 402   Eine kurze Übersicht über Methodios’ philosophische Positionen gibt Bracht, Methodius von Olympus, 774–778. 401

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losophie wird von Methodios allerdings nur gelegentlich, dann aber in durchaus respektvoller Weise erwähnt.403 Inhaltlich ist bemerkenswert, dass Methodios als erster dem menschlichen Entscheidungsvermögen eine eigene Monographie widmet (Περὶ τοῦ αὐτεξουσίου). Hierbei erkennt er die Tragweite der christlichen Position, wie sich daran zeigt, dass er von kosmologischen Überlegungen gleich auf die Frage nach dem Bösen kommt und betont, dass der Mensch allein dessen Ursache ist.404 Diese Bemerkungen mögen genügen, um Methodios als einen Denker zu charakterisieren, den es erst noch voll zu entdecken gilt.

10. Zusammenfassende Würdigung Grundlinien christlicher Philosophie in der Kaiserzeit Insgesamt lässt sich durchaus sagen, dass die christlichen Lehrer bis Mitte des 3. Jahrhunderts ihre Position sowohl in praktischer als auch in theoretischer Hinsicht als eine eigene philosophische Richtung mit inhaltlichen Leitlinien etablieren, die freilich, wie in anderen zeitgenössischen Schulen, eine gewisse Breite von Meinungen zulassen und viel Gebrauch von deren Material machen: In ihrer Lebensweise treten die christlichen Philosophen, wie schon im historischen Überblick gezeigt, als Lehrer auf, tragen die entsprechenden Gewänder, üben eine entsprechende Lehrtätigkeit aus und nehmen an Disputationen teil. Auf der Theorieebene entwickelt sich seit den Apologeten ein zunehmend konstanteres System philosophischer Positionen:405 Die Transzendenz Gottes des Vaters wird betont, während der ihm untergeordnete, aber nicht von ihm getrennte göttliche Logos, also der Sohn, die Vermittlung in die Welt hinein bewirkt. Die Existenz eines zweiten Urprinzips neben Gott wird wegen ihrer dualistischen Implikationen abgelehnt, weswegen die Lehre von der ewigen Materie nach und nach der Annahme einer Schöpfung aus dem Nichts weicht. Die Erklärung des Schlechten fokussiert sich folglich ganz auf die Entscheidungsfähigkeit der rationalen Wesen, zu denen die kaiserzeitlichen Christen neben den Menschen auch die Engel rechnen. Zugleich wird die Reinkarnationslehre abgelehnt und die individuelle Unsterblichkeit der Seele definiert. Weitgehend übernommen werden die Grundzüge der philosophischen Tugendlehre. 403   Vgl. Methodius Olympius, Symposium, praef. 4; 7, 159; 8, 170 (GCS Method. 4, p.  4, 22; 75, 14 f.; 80, 18–20 Bonwetsch). 404   Vgl. Methodius Olympius, De libero arbitrio 2, 4–3, 9 (p.  180–204 Franchi). Zur Bedeutung der Schrift vgl. R. Franchi, in: Metodio di Olimpo, Il libero arbitrio. A cura di R. F., Milano 2015, 21–25. 405   So auch Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 25.

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Philosophie in der Kaiserzeit

Zu diesen Grundlinien einer positiven Darlegung der eigenen Position, die besonders in der Auseinandersetzung mit dualistischen ›Häretikern‹ ausgearbeitet werden, kommen Rechtfertigungs- und Verteidigungsstrategien: Hierzu gehören einerseits hermeneutische Prinzipien der Schriftdeutung, wo mit Hilfe der allegorischen Exegese die biblische Verortung der genannten Lehren aufgewiesen wird, und andererseits bestimmte Verteidigungslinien gegen die Philosophenschulen. Diese argumentieren a), im Anschluss an jüdische Vorläufer wie Josephus, mit dem angeblich höheren Alter der jüdisch-christlichen im Vergleich zur griechischen Philosophietradition – in diesen Zusammenhang gehört auch die These Justins vom ›samenhaften Logos‹ Gottes, an dem auch die Philosophen Anteil hätten; b) mit der Einheit der eigenen Position, welche der von vielen Zeitgenossen als problematisch empfundenen Zerstrittenheit der Philosophen entgegengestellt wird. Diese Position entwickelt sich allerdings in Richtung einer Verabsolutierung dieser Einheit und einer Ausgrenzung von rivalisierenden ›häretischen‹ Positionen, die der antiken Philosophie in dieser Schärfe fremd ist. Hinzu kommt c) eine Argumentationslinie, die zunächst die Gemeinsamkeit von Christen sowie Platonikern und Stoikern in Bezug auf den Monotheismus feststellt und zugleich beansprucht, in dieser Hinsicht konsequenter zu sein als die hellenischen Philosophen: Diese nähmen stets ein zweites, nicht-göttliches Prinzip an, namentlich die Materie, was die Christen nicht täten, und sie sonderten sich, anders als die Christen, nicht vom polytheistischen Kult ab. An dieser dialektischen Auseinandersetzung mit Platonikern und Stoikern zeigt sich auch, dass die Christen sich vor allem an ihnen nahestehenden Philosophien abarbeiten, während sie den ganz anders gearteten Ansätzen der Epikureer und Skeptiker relativ wenig Aufmerksamkeit widmen.406

Die Bezeichnung des Christentums als Philosophie Vor dem Hintergrund dieser breiten philosophischen Ausgestaltung des christlichen Lebens und Lehrens kann auch die aus heutiger Sicht überraschende Übernahme der Bezeichnung ›Philosophie‹ (φιλοσοφία) bzw. ›wahre Philosophie‹ durch Christen verstanden werden.407 In den apologetischen Schriften, in denen diese Bezeichnungen das erste Mal auftauchen,408 werden sie insbesondere damit begründet, dass die christliche Lebensweise der zeitgenössischen Philosophie äh406   Vgl. May, Schöpfung aus dem Nichts, 2–5. Dazu Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 30–38. 407   Zur Diskussion über diesen Punkt vgl. z. B. Karamanolis, Philosophy of Early Chris­ tianity, 8–19; weiterhin Th. Kobusch, Christliche Philosophie. Die Entdeckung der Subjektivität, Darmstadt 2006, z. B. 29–40. 408   Tatianus, Oratio 31, 1 (57, 1 f. Marcovich); Melito, frg.  1 (SC 123, p.  220, 23 Perler); bei letzterem Autor fehlt das Wort φιλοσοφία in den nicht-apologetischen Werken.

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nele und von Zeitgenossen auch so wahrgenommen werde.409 In der Tat weisen die moralischen Ansprüche der Christen, die die Teilnahme an manchen sozialen Praktiken wie z. B. Theaterbesuchen ausschließen, ihre kritische Haltung zu überlieferten Kulten, die Akzeptanz einer theoretischen, in heiligen Schriften fundierten Konzeption mit Wahrheitsanspruch und nicht zuletzt ihre Bereitschaft zum und Tapferkeit im Martyrium augenscheinliche Parallelen zur zeitgenössischen Philosophie auf. Diese werden von den Zeitgenossen auch wahrgenommen, wie insbesondere Galen ausdrücklich bezeugt. Dagegen erscheinen die Ähnlichkeiten der christlichen Praxis zu den offiziellen Kulten, aber auch zu privaten Formen der Religion eher gering, zumal die Christen sowohl diese Kultformen als auch ihre philosophische Deutung schärfer ablehnen als die Philosophie. Da es zudem keine einheitliche Kategorie ›Religion‹ in der antiken Welt gibt, während, wie Philon, Justin und andere betonen, die Verbindung von Philosophie und wahrer Gottesverehrung eng ist, ist es durchaus folgerichtig, dass das Christentum den Zeitgenossen am ehesten als eine ›Philosophie‹ erscheint.410 In nicht-apologetischen Kontexten taucht die Bezeichnung der eigenen Tätigkeit als Philosophie ebenfalls auf, und zwar bei Lehrern wie Justin, Clemens und wohl auch schon Basileides, die ihre Lehrtätigkeit, zumal wenn sie vorher eine fachphilosophische Ausbildung durchlaufen haben, als philosophisch verstehen. In ihrem Selbstverständnis zeigen sich allerdings überraschende Gegensätze: Während der als Philosophiekritiker bekannte Lateiner Tertullian in ›Über das Pallium‹ recht klar andeutet, dass für ihn das Christentum die wahrste Philosophie ist, fehlt die Bezeichnung des Christentums als Philosophie praktisch durchweg bei Origenes, was gerade in Anbetracht von dessen philosophischer Bildung und Arbeitsweise, namentlich in ›Über die Prinzipien‹, einem der geschlossensten philosophischen Systementwürfe der Kaiserzeit, umso mehr auffällt. Das gilt gerade im Vergleich zu seinem mutmaßlichen Lehrer Clemens, der jedenfalls in seinen ›Stromateis‹ nicht müde wird, das Christentum als Philosophie zu empfehlen. Die Werke dieser Autoren zeigen aber auch, wie unterschiedlich sie ihr jeweiliges Philosophie-Ideal umsetzen: Während Clemens’ Œuvre in seiner Vorgehensweise der Seelenteilung an Seneca und andere stoische Autoren erinnert, ähnelt Origenes’ Projekt, durch Erklärung der Bibel ein christliches philosophisches System zu entwickeln,411 eher dem Umgang der Platoniker und Aristoteliker mit ihren Quellenschriften. Bei Origenes wird schließlich eine Reflexion der Rolle der philosophischen Aktivität im Christentum deutlich, und zwar in zweierlei Hinsicht: 409   Tertullianus, Apologeticum 46, 2 (CCL 1, p.  160, 9–14 Kroymann); vgl. Origenes, Contra Celsum 1, 3 f. (GCS Orig. 1, p.  57, 24–58, 20 Koetschau: Vergleich mit philosophischen Bekehrungen); in diesem Sinne wohl auch Iustinus, Apologia maior 4, 6–9 (37, 15–31 Marcovich); Apologia minor 13, 1 f. (157, 1–8 Marcovich). 410   Dies wird von B. Nongbri, Before Religion. A History of a Modern Concept, New Haven  /  London 2015, 55–57, für Eusebios erwähnt. 411   Origenes, In Canticum, prooem. (GCS Orig. 8, p.  76, 15 Baehrens).

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Zum einen bestimmt er die Aufgabe der Gebildeten im Vergleich zu der Masse der Christen: Während diese die Aussagen der Offenbarung einfach zu glauben hätten, seien die Gebildeten aufgefordert, die Gründe hinter dieser Offenbarung zu verstehen. Über diese interne Motivation der christlichen Philosophen, die dem »Glauben, der nach Verstehen fragt« (fides quaerens intellectum), späterer Zeiten bereits nahesteht, nennt Origenes aber auch die konkreten Aufgaben der Erklärung der christlichen Lehre für ein gebildetes Publikum sowie die Auseinandersetzung mit den hellenischen und barbarischen Philosophen als Aufgabe gebildeter Christen. Die Bekämpfung von Häretikern, die bereits bei Justin und Tertullian eine große Rolle spielt, wird man hier hinzurechnen müssen. Zum anderen werden bei Origenes die spezifischen erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der christlichen Philosophie im Vergleich zu anderen philosophischen Richtungen grundlegend durchdacht, die bei den Apologeten noch recht unklar scheinen, aber bei ›Hippolyt‹ wenigstens angedeutet sind. Letztlich ist für diese Autoren der göttliche Logos selbst, der sich durch den Heiligen Geist in der Schrift offenbart, die Gewähr dafür, dass ihre Philosophie jeder anderen überlegen ist – auch und gerade, weil sie nicht allein auf menschlicher Logik beruht, sondern geglaubt werden muss.412 Somit spielt die philosophische Logik und Argumentationslehre für die Christen nur eine geringe Rolle: Sie wird zwar gelegentlich behandelt, doch die vor allem bei Clemens zu findenden Ansätze zu einer christlichen rationalen Methodik führen letztlich nicht zum Erfolg. Damit beruht der christliche philosophische Anspruch letztlich auf einem Autoritätsargument, dessen äußerlich – durch Altersbeweis und Einigkeitsargument sowie göttliche Offenbarung – begründeter Wahrheitsanspruch zusätzlich durch den Nachweis seiner Rationalität sowie der größeren Konsequenz im Vergleich zu anderen theistischen Philosophien aufgewiesen wird. Gerade darin, dass auch andere Philosophien (angeblich) lediglich auf Glauben beruhten, sehen die Christen aber primär eine Gemeinsamkeit mit den übrigen Philosophien ihrer Zeit, die nur eben vom Glauben an eine schwächere Autorität ausgingen, wie Arnobius formuliert: »Ihr (Philosophen) glaubt an Platon, an Kronios, an Numenios oder wen ihr nur wollt! Wir glauben und akzeptieren Christus. Wie groß soll die Ungerechtigkeit sein, dass wir beide mit Autoren zusammenstehen und bei uns und bei Euch das Glauben einheitlich und verbindend ist?«413

Der Anspruch der kaiserzeitlichen Christen ist also, dass sich ihre Philosophie letztlich nur graduell von den anderen philosophischen Richtungen der Kaiserzeit, vor allem dem Platonismus, unterscheidet. Die methodische Andersartigkeit 412

  Dazu Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 38–48, 117–132.   Vos Platoni, vos Cronio, vos Numenio vel cui libuerit creditis: nos credimus et adquiescimus Christo. iniquitas haec quanta est, ut cum utrique auctoribus stemus sitque nobis et vobis unum et socium credere? Arnobius, Adversus nationes 2, 11. 413

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des christlichen Zugangs zur Wahrheit, letztlich auf einem Glauben zu basieren, der weiter reicht als jegliches Wissen, wird zwar gesehen, aber zugunsten der Betonung der Analogien zur hellenischen Philosophie nicht betont. Mit dieser Sicht der Dinge, die man mit dem Hermetismus vergleichen kann, sind die philosophierenden Christen letztlich für das Philosophieverständnis der Kaiserzeit als ganzer instruktiv: Für die Anerkennung einer Wahrheit als philosophisch ist es nicht nötig zu behaupten, sie sei sola ratione beweisbar, sondern es genügt, dass die Wahrheit einer durch die Autorität ihrer Herkunft verbürgten Lehre entweder in deren Darstellung evident ist oder durch philosophische Auslegung plausibel gemacht werden kann.

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VII. Die Anfänge philosophischer Schriftstellerei in orientalischen Sprachen

Die Bedeutung der Philosophie in der Kaiserzeit zeigt sich auch darin, dass die Beschäftigung mit ihr stärker in den Orient übergreift, wobei mit dem (Alt-)Syrischen eine dritte antike Sprache nach dem Griechischen und Lateinischen zum Medium der Philosophie wird. So wird die bis heute anhaltende philosophische Schriftstellerei im Orient begründet, die noch in der Antike weitere Sprachen (Armenisch, Mittelpersisch) erfasst und schließlich zur Blüte der Philosophie im arabischen Raum führt, von wo sie in der Neuzeit bis nach Indien reicht. Dabei ist nicht die Beschäftigung von Orientalen mit der griechischen Philosophie als solcher neu: Denn in der klassischen und hellenistischen Periode finden sich nicht nur zahlreiche Bezugnahmen griechischer Philosophen auf orientalische Quellen und Parallelen, sondern auch die Herkunft wichtiger Philosophen (z. B. Poseidonios) aus dem semitischen Sprachraum ist gut belegt. Es fehlen aber Belege dafür, dass die Kulturtechnik des Philosophierens selbst, wie sie in Griechenland geübt wird, in orientalische Sprachen transferiert würde und dort zu eigenen schriftlichen Werken führte. Wenn man z. B. die vermuteten Bezüge zur Philosophie in den Spätschriften des Alten Testaments akzeptiert,1 ist doch zu konstatieren, dass diese nicht explizit gemacht werden, dass die alttestamentlichen Schriften also nicht auf die griechische Philosophie als solche Bezug nehmen, geschweige denn, dass sich deren Autoren als Anhänger oder Bewunderer der Philosophie zu erkennen gäben. Diese Situation ändert sich spätestens im 3., wahrscheinlich im 2. Jahrhundert, zunächst in Obermesopotamien, vor allem im Gebiet um die Stadt Edessa, syrisch Urhā, im oberen Euphrat. Hier ist insbesondere das um 200 zu datierende Werk des Bardaiṣān (griechisch Bardesanes) entstanden, dessen erhaltene Reste bzw. Spuren inhaltlich wie formal eine originelle Rezeption griechischer Philosophie zeigen. Vermutlich sind diese Belege Zeugnis eines gezielten Bemühens, die syrische Sprache zu einem geeigneten Vehikel des philosophischen Diskurses zu machen.2 Daneben gibt es zwei weitere vermutlich kaiserzeitliche Texte, die Bezüge zur Philosophie, namentlich zum Platonismus, aufweisen und auch die Wörter ›Philosophie‹ und ›Philosoph‹ als griechische Fremdwörter übernehmen.3 Alle diese Texte sind vermutlich christlichen Ursprungs, was möglicherweise 1

  Vgl. oben S. 490  f.   A. Camplani, Rivisitando Bardesane. Note sulle fonti siriache del bardesianismo e sulla sua collocazione storico-religiosa, in: Cristianesimo nella storia 19 (1998), 519–596, hier 586 f. 3   Vgl. dazu unten S. 689. 2

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überlieferungstechnische Gründe, aber vielleicht auch damit zu tun hat, dass die Übersetzungen der Bibel in orientalische Sprachen die Entstehung einheimischer Schriftsprachen entscheidend fördern und damit auch die Entstehung orientalischer philosophischer Texte ermöglichen. Die deutlichsten Zeugnisse für eine nicht-christliche Philosophierezeption in der Spätantike scheinen das Mittelpersische zu betreffen, doch ist auch hier die Überlieferungssituation schwierig.4

1. Die syrische Sprache und ihre Situation in der Kaiserzeit Die syrische Sprache, in der alle nichtgriechischen philosophisch einschlägigen Werke im Orient bis Ende des 4. Jahrhunderts abgefasst sind, ist in der Spätantike die verbreitetste Literatur- und Liturgiesprache der Christen im mittleren Osten und im Perserreich. Sie geht auf den ostaramäischen Dialekt zurück, der wohl im 1.–4. Jahrhundert in der Stadt Edessa im oberen Mesopotamien (heute Südosttürkei) gesprochen wird und in Inschriften aus dieser Region bezeugt ist;5 durch die Person des Bardaiṣān lassen sich auch die frühen philosophischen Texte zumindest teilweise in dieser Stadt lokalisieren.6 Edessa gehört zu den zahlreichen vorderorientalischen Städten, die im Alexander- bzw. später im Seleukidenreich unter griechischen kulturellen Einfluss kommen, ohne dass dieser die einheimischen Traditionen verdrängen würde. Von 132 v.  Chr. bis ins frühe 3. Jahrhundert n. Chr. ist das Königreich Edessa politisch selbständig, gehört in der Folgezeit aber die gesamte Spätantike lang zum Römischen Reich. Ab spätestens dem 2. Jahrhundert gibt es christliche Gruppen in der Stadt, doch scheinen diese lange Zeit meist nicht orthodox im späteren Sinne zu sein, sondern gehören Gruppen wie den Markioniten, Bardesaniten oder Gnostikern an, die später als häretisch galten.7 Daneben gibt es lange Zeit auch Vereh4

  S. unten S. 1079–1085.  Th. Nöldeke, Kurzgefasste syrische Grammatik, Leipzig 21898, XXXI–XXXIV; S.  Brock, Eusebius and Syriac Christianity, in: H. W. Attridge  /  G. Hata (Hrsg.), Eusebius, Christianity, and Judaism, Detroit 1992, 212–234 (ND in: S.  P. Brock, From Ephrem to Romanos. Interactions between Syriac and Greek in Late Antiquity, Aldershot unda. 1999, als nr. II), hier 226; zur sprachlichen Rolle des Syrischen und Griechischen im 3.–5. Jahrhundert vgl. S. Brock, Greek and Syriac in Late Antique Syria, in: A. K. Bowman  /  G. Woolf (Hrsg.), Literacy and Power in the Ancient World, Cambridge 1994, 149–160, 234 f. (ND in Brock, From Ephrem to Romanos, als nr. I). 6   U. Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts in the Writings of Ephrem the Syrian, Lovanii 1999, 13 f. Vgl. Chronicon Edessenum 30 (CSCO Syr. 1, p.  5, 7 f. [Syr.]  /  2, 4 [Lat.]). 7   Brock, Eusebius, 227; H. J. W. Drijvers, Hatra, Palmyra und Edessa. Die Städte der syrisch-mesopotamischen Wüste in politischer, kulturgeschichtlicher und religionsgeschichtlicher Bedeutung, in: ANRW 2, 8 (1977), 799–906 (davon 863–896 zu Edessa), hier 895 f. 5

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rer der traditionellen Götter sowie Juden und Manichäer in Edessa.8 Die Durchsetzung des Edessener Dialekts als weitverbreitete Literatursprache setzt wohl voraus, dass die Stadt um 300 beträchtlichen Einfluss als kulturelles Zentrum der Region ausübt, ohne dass wir explizite Belege dafür hätten.9 In allen erhaltenen Texten begegnet uns das Syrische als eine einheitliche, von griechischer Syntax stark beeinflusste Schriftsprache. Schon die frühesten Texte weisen ein so hohes sprachliches Niveau auf, dass mit einer älteren Vorgängertradition zu rechnen ist. Andererseits lässt das Vorhandensein von Unterschieden zwischen den Inschriften und allen handschriftlich überlieferten literarischen Zeugnissen auf Syrisch vermuten, dass ältere Texte im Sinne der wohl ab dem 4. Jahrhundert vereinheitlichten Schriftsprache bearbeitet werden.10 Jedenfalls dient das Syrische von dieser Zeit an für mindestens ein Jahrtausend als Schriftund Liturgiesprache der meisten semitischsprachigen Christen im Orient, wobei sich die Tradition ab Ende des 5. Jahrhunderts in einen westlichen (monophysitischen bzw. jakobitischen) und einen östlichen (nestorianischen) Zweig aufteilt, deren Sprachgebrauch sich in Schrift und Aussprache, nicht aber in Wortschatz, Wortbildungslehre und Syntax unterscheiden lässt. Die Sprache wird damit zu einem Träger christlicher Literatur in diesen Ländern, in deren Rahmen zunehmend auch Philosophie rezipiert und betrieben wird.

2. Bezeichnungen der Philosophie Die breite Rezeption von Philosophie im syrischen Sprachraum zeigt sich, ebenso wie im Lateinischen, an der Übernahme der griechischen Wurzel philosoph- in mehreren Formen. Besonders häufig findet sich in syrischen Texten filosofā »der Philosoph« mit dem Plural filosofē sowie fil[o]sofūṯā »die Philosophie«; hierbei hat man ersteres als eine direkte Übernahme anzusehen, bei der die griechische Endung -ος durch ein syrisches -ā (später im westsyrischen Bereich als -ō gelesen) ersetzt wird, woraus dann das Abstraktum fil[o]sofūṯā innersyrisch gebildet wird; für letzteres begegnet auch ab dem 7. Jahrhundert fil[o]sofīyā als Umschreibung von philosophia (φιλοσοφία), offensichtlich eine direkte Übertragung des griechischen Wortes, ebenso wie verbale Ableitungen.11

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  Vgl. E. Kirsten, Edessa, in: RAC 4 (1959), 552–597, hier 562–568; Drijvers, Hatra, Palmyra und Edessa, 894 f. 9   Brock, Eusebius, 227. 10   Brock, Eusebius, 226 f. 11   S. Brock, Greek Words in Syriac. Some General Features, in: Studia Classica Israelica 15 (Studies in Memory of Abraham Wasserstein), Jerusalem 1996, 251–262 (ND in Brock, From Ephrem to Romanos, nr. I), hier 260. Die Aussprache kann übrigens, gerade was die Vokale betrifft, je nach Bildungsstand des syrischen Rezipienten schwanken: Brock selbst

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Bemerkenswert ist, dass beide Wortformen bereits in Texten auftauchen, die in die Kaiserzeit zu gehören scheinen und, anders als spätere syrische Texte, nur wenige griechische Lehnwörter aufweisen.12 Die Belege zeigen, dass die Philosophie hier vor dem Hintergrund des zeitgenössischen griechischen Sprachgebrauchs verstanden und keineswegs mit dem alten orientalischen Bild der ›Weisheit‹ gleichgesetzt wird.13 filosofā taucht das erste Mal im Titel der pseudo-melitonischen Rede an den Kaiser auf, deren Entstehung aufgrund der Adressierung sicher vorkonstantinisch ist.14 Der Wortgebrauch setzt das Ideal des Philosophen am Kaiserhof sowie den Gebrauch der Parrhesie voraus, zeigt also eine recht gute Kenntnis des zeitgenössischen Philosophenbildes. filosofūṯā begegnet das erste Mal im schwer zu datierenden, aber für syrische Verhältnisse sicherlich recht frühen Brief des Marā bar Serapīyōn und bezeichnet hier die philosophische Lebensweise, die – in weitläufiger Anspielung auf Platon – eine Flucht aus der Welt anstrebt.15 Mit diesen Lehnwörtern verfügt die syrische Sprache seit dem 4. Jahrhundert über die Möglichkeit einer reinen Lehnübersetzung der griechischen Begriffe ›Philosoph‹ (φιλόσοφος) und ›Philosophie‹ (φιλοσοφία), jedoch nicht des Verbs ›philosophieren‹ (φιλοσοφεῖν). Mit diesen Worten verbunden können auch zahlreiche adjektivische Epitheta ins Syrische übertragen werden. Zu beachten ist freilich, dass dem syrischen Übersetzer für die Bezeichnung der Philosophie auch das Wort ›Weisheit‹ (ḥeḵmṯā) und Ableitungen davon zur Verfügung stehen, und dass auch die bei Marā bar Serapīyōn zu findende Wendung »Lehre des Griechentums« (julpānā d-yāwnāyūṯā)16 die Philosophie bezeichnen kann. Im Laufe der Spätantike werden jedoch filosofā und filosofūṯā immer häufiger und tauchen in eigenen Verbindungen und mit verschiedenen Konnotationen auf, die zur Geschichte des Philosophiebegriffs im Syrischen gehören.

umschreibt pilsaputa, nach der westsyrischen punktierten Bibel ist in ›Paulus‹, Epistula ad Colossaeos 2, 8 filosofūṯō zu lesen (vgl. Nöldeke, Kurzgefasste syrische Grammatik, 34). 12   Vgl. Brock, Greek Words in Syriac, 253; ausführliche Belege für die hier relevanten Texte bei A. Schall, Studien über griechische Fremdwörter im Syrischen, Darmstadt 1960. 13   Zur orientalischen Weisheitstradition s. oben S. 489  f. 14   Ps.-Melito, Oratio (p.  22 [syr.]  /  p. 41 [engl.] Cureton), nach Plato, Theaetetus 176a. 15   ›Mara‹, Epistula (p.  43 [syr.]  /  p. 70 [engl.] Cureton); notiert bei Schall, Studien über griechische Fremdwörter, 54, wo eine Liste weiterer Lehnwörter aus dem philosophischen Kontext gegeben wird. 16   ›Mara‹, Epistula (p.  43 [syr.]  /  p. 70 [engl.] Cureton).

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3. Bardaiṣān von Edessa und sein Umfeld Leben und Bedeutung Der früheste fassbare syrische Autor ist Bardaiṣān (Bardesanes) von Edessa, an dessen Werk sich auch gleich ein enger Austausch mit der Philosophie fassen lässt. Bardaiṣāns Leben lässt sich aufgrund zuverlässiger syrischer Quellen auf 154–222 recht genau datieren. Ansonsten haben wir an direkten Informationen über Bardaiṣān nur, dass er, wohl nach einer Bekehrung als junger Mann, Christ ist und zur edessenischen Oberschicht gehört.17 Die Forschung zu seiner Person und Lehre ist aufgrund der Quellenlage außergewöhnlich kontrovers. Entgegen der von Hans Heinrich Schaeder entwickelten und von Han J. W. Drijvers weiter ausgearbeiteten These, dass eine Gesamtdeutung vom ›Buch der Gesetze der Länder‹ (Ktāḇā ḏ-nāmōsē ḏ-aṯrawwāṯā) auszugehen hat,18 hat die neuere Forschung dessen Unterschiede zu den übrigen Zeugnissen über Bardaiṣān genauer herausgearbeitet und gelangt zu einer komplexen Einordnung.19 Von den übrigen Zeugnissen sind insbesondere vier parallele Referate seiner Kosmogonie in späteren syrischen Quellen hervorzuheben, die auf verlorene Schriften Bardaiṣāns zurückgehen müssen, z. B. den von Ephrem kritisierten, gegen Platon gerichteten ›Domnos‹ oder antimarkionitische Dialoge. Ephrems Zeugnisse erfordern ihrerseits aufgrund ihrer Tendenz, Bardaiṣān in die Nähe Manis bzw. des Manichäismus zu rücken und ihm eine dualistische Kosmologie zuzuschreiben, eine Lektüre vor dem Hintergrund der übrigen Berichte, wobei die Unterscheidung zwischen Bardaiṣān und seinen Schülern schwierig bleibt.20

›Das Buch der Gesetze der Länder‹ und sein philosophiegeschichtlicher ­Hintergrund Die philosophischen Züge Bardaiṣāns lassen sich jedenfalls anhand des ›Buchs der Gesetze der Länder‹ deutlich erkennen. Das Werk beginnt nach einer Rahmenerzählung, in der der Ich-Erzähler Philippos berichtet, wie Bardaiṣān zu einer Dis17   Vgl. H. H. Schaeder, Bardesanes von Edessa in der Überlieferung der griechischen und der syrischen Kirche, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 51 (1932), 21–73, hier 28–32; H. J. W. Drijvers, Barḍaiṣān of Edessa, Assen 1966, dort 1–59 detaillierter Forschungsüberblick bis zum Erscheinungstermin; E. Thomassen, Bardesanes (Bardaisan) von Edessa, in: GGPh 5, 1 (2018), 874–877. 18   Vgl. Schaeder, Bardesanes von Edessa; neuerdings wieder Thomassen, Bardaisan (Bardesanes), 874. 19   Zusammengefasst in Camplani, Rivisitando Bardesane; vgl. dort 593 f. zu den Unterschieden zwischen dem ›Buch der Gesetze der Länder‹ und den übrigen Zeugnissen. 20   Mögliche Durchführungen dieses Vergleichs bei Drijvers, Barḍaiṣān of Edessa, 127– 165; Camplani, Rivisitando Bardesane, 546–550.

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kussion seiner jüngeren Freunde über die Frage hinzutritt, warum Gott, wenn er denn einer und allmächtig ist, den Menschen nicht so geschaffen hat, dass er nicht sündigen kann.21 Der folgende Abschnitt22 erörtert die Voraussetzungen des Dialogs, worauf eine ausführliche Beantwortung der Eingangsfrage durch Bardaiṣān folgt. In ihr entwickelt dieser in mehreren Schritten seine Erklärung der Freiheit (ḥērūṯā) des Menschen, die im Kern den Ausführungen bei Eirenaios und Tertullian eng verwandt ist, aber in einer philosophischeren Weise ausgearbeitet wird:23 Nachdem er die Gleichheit des Menschen mit den Engeln in dieser Hinsicht und seine Überlegenheit über die Elemente betont hat,24 stellt er die These auf, es sei leicht für den Menschen, die Gebote Gottes zu erfüllen.25 Dann erörtert er die zwei Größen, die die Freiheit des Menschen begrenzen, nämlich seine Natur, die ihn nicht von sich aus zum Sündigen bringt,26 und das Schicksal (ḥelqā), das ebenfalls nur eine eingeschränkte kausale Wirkung besitze, die von der menschlichen Freiheit prinzipiell überwunden werden könne.27 Die Annahme, die Natur und das Fatum bestimmten direkt das menschliche Leben, wird dann durch einen ausführlichen Katalog der Völker widerlegt, in dem im Einzelnen gezeigt wird, dass die Menschen der verschiedenen Länder sich aus ihrer Freiheit heraus eigene Gesetze gegeben haben.28 Kritisiert wird ferner die These, die Verschiedenheit der Gesetze ergebe sich aus den sieben Klimazonen, da die Verteilung der menschlichen Gesetze komplexer sei, Änderungen unterliege und nicht zuletzt die weltumspannend einheitliche Lebensweise der Juden und Christen gegen die Wirkung klimatischer Einflüsse spreche.29 Der Dialog endet mit einem Schlusswort über die göttliche Allmacht und die Vorläufigkeit des gegenwärtigen Weltzustandes bis zur endgültigen Wiederherstellung.30 Somit argumentiert das Werk, obwohl es unter christlichen Vorzeichen steht, methodisch weitgehend philosophisch, weil das Gespräch, Bardaiṣāns übliche Kommunikationsweise,31 auf einen rational begründeten Unglauben reagiert, der alle Voraussetzungen, einschließlich der Existenz Gottes selbst, in Zweifel zieht, ohne selbst eine Weltsicht zu entwickeln, welche die eigene Lebensführung tragen 21

  Liber legum regionum 1 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  536 f. Nau). Die Para­graphenzählung entspricht im Prinzip der in der Edition von Nau zu findenden, die dort aber einige Irrtümer enthält. Diese sind korrigiert in der deutschen Übersetzung von T. Kran­nich  /  P. Stein, Das ›Buch der Gesetze der Länder‹ des Bardesanes von Edessa, in: Zeitschrift für antikes Christentum 8 (2004), 203–229. 22   Liber legum regionum 2–7 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  538–543 Nau). 23   Vgl. die Diskussion mit Textvergleichen bei Camplani, Traces de controverse, 15–30. 24   Liber legum regionum 8–10 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  542–551 Nau). 25   Liber legum regionum 11–14 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  550–557 Nau). 26   Liber legum regionum 15–17 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  558–565 Nau). 27   Liber legum regionum 20–22 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  572–579 Nau). 28   Liber legum regionum 23–40 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  578–599 Nau). 29   Liber legum regionum 41–45 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  600–607 Nau). 30   Liber legum regionum 46 [47] (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  608–611 Nau). 31   Liber legum regionum 2 f. (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  538 f. Nau).

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könne.32 Das Gespräch mit einem Meister, das dem abhelfen soll, fordere vom Fragenden eine klare Darlegung seiner Fragen und die Bereitschaft zur Klarstellung noch bestehender Zweifel.33 Somit werden Lernwille und Offenheit für Korrekturen der eigenen Position als Bedingungen eines sinnvollen Gesprächs festgehalten, doch bleibt auch erkennbar, dass dessen Zweck in der Hinführung zu einer bestimmten Weltsicht mit lebensleitender Funktion bestehen soll. Die zentrale These des Dialogs, die jedem Geschöpf zustehende Handlungsmacht verursache zusammen mit dem Schicksal und der Natur die Entwicklung der Welt, entspricht der peripatetischen Theorie Alexanders von Aphrodisias in seiner etwa gleichzeitigen Schrift ›Über das Schicksal‹ (›De fato‹).34 Von diesem Text, der nicht Bardaiṣāns direkte Vorlage gewesen zu sein braucht, sondern eher Teil einer gemeinsamen Tradition ist, unterscheidet sich Bardaiṣāns Theorie vor allem durch ihren christlichen Rahmen und die emphatische Betonung der Freiheit: Die Weltordnung, in der diese ihren Platz hat, sei von Gott so eingerichtet, dass der durch die Möglichkeit zu gutem Handeln den Engeln gleichrangige Mensch über alle anderen Entitäten erhaben sei, insbesondere über die Sterne, womit sich Bardaiṣān gegen die im Orient bedeutsame Sternenverehrung wendet. Damit wird die innerphilosophische Opposition der Peripatetiker und Stoiker in den orientalischen Kontext übertragen, wo auch in den folgenden Jahrhunderten christliche Autoren immer wieder menschliche Handlungsfreiheit und göttliche Allmacht gegenüber den Sternen betonen.35 Nur angespielt wird im ›Buch der Gesetze der Länder‹ auf Bardaiṣāns Kosmogonie, wie sie in den späteren Zeugnissen zu finden ist:36 Ihr zufolge soll die Welt entstanden sein, indem Gott die fünf ursprünglichen ewigen Elemente (īṯyē) durch »das Wort des Gedankens« (mellṯā ḏ-tarʿ īṯā) in eine geordnete, »durch das Geheimnis des Kreuzes« (b-rāzā ḏa-ṣlīḇā) symbolisierte Mischung brachte und insbesondere die von unten heraufdrängende Finsternis einordnete.37 Dadurch sei die Mischung entstanden, aus der er die einzelnen Geschöpfe schaffen konnte. Obwohl Bardaiṣān demnach eine Ewigkeit der Materie und keine Schöpfung aus 32

  Liber legum regionum 6 f. (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  540–543 Nau).   Liber legum regionum 4 (Patrologia Syriaca 1, 2, p.  538–541 Nau). 34   Alexander Aphrodisiensis, De fato 5 f. (CAG Suppl. 2, 2, p.  168, 24–171, 19 Bruns). Die Entsprechung der Theorien wurde nachgewiesen von A. Dihle, Zur Schicksalslehre des Bardesanes, in: A. M. Ritter (Hrsg.), Kerygma und Logos. Beiträge zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum. Festschrift für Carl Andresen zum 70. Geburtstag, Göttingen 1979, 123–135 (ND in A. Dihle, Antike und Orient. Gesammelte Aufsätze, Heidelberg 1984, als nr. 12). 35   Z. B. schon fast gleichzeitig bei Ps.-Melito, Oratio (p.  27 [syr.]  /  p. 46 f. [engl.] Cureton). 36   Die vier Berichte sind synoptisch Syrisch und Englisch bei Drijvers, Barḍaiṣān of Edessa, 98–106, gegenübergestellt. 37   Die Formulierung »Wort« (bzw. »Logos«) des Gedankens findet sich in allen vier Berichten, die vom Geheimnis des Kreuzes nur bei Mošē bar Kephā; vgl. Drijvers, Barḍaiṣān of Edessa, 100–102. 33

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dem Nichts annimmt sowie in der Finsternis ein Prinzip der Unordnung sieht, lassen sich auch diese Aussagen als Rationalisierung des christlichen Glaubensguts mithilfe philosophischer Theorien deuten, mit denen sich Bardaiṣān und sein Umfeld offenbar intensiv auseinandersetzen.38 Die Frage, ob auch seine Kosmologie auf peripatetische oder gar platonische Einflüsse, und nicht nur, wie von der älteren Forschung vermutet, auf stoische zurückgehen könnte,39 müsste nach Feststellung der Parallelität zu Alexander näher untersucht werden.40 In jedem Fall stellt ›Das Buch der Gesetze der Länder‹ eines der bedeutendsten Zeugnisse einer christlichen philosophischen Argumentation aus der Kaiserzeit dar, da es nicht nur bestimmte Theorien heranzieht, sondern auch deren rationaler Zugangsweise verpflichtet ist. Die Bedeutung der Offenbarung als solche wird hingegen ebenso wenig thematisiert, wie überhaupt anhand der offenbarten Schrift gearbeitet wird. Geistesgeschichtliche Bedeutung kommt insbesondere Bardaiṣāns Betonung der menschlichen Freiheit als wesentlichem Element der göttlichen Schöpfung zu, mit der er ein wichtiges Grundthema christlichen Denkens mitbegründet, das über die Antike hinaus wichtig bleiben wird.

4. Zwei weitere Zeugnisse philosophischer Argumentation: Marā bar Serapiyōn und Pseudo-Meliton Die bewusste Rezeption philosophischer Argumentationsformen im syrischen Sprachraum wird auch durch zwei weitere kleine Schriften bezeugt, die zusammen mit dem ›Buch der Gesetze der Länder‹ in einem Codex aus dem 7. Jahrhundert überliefert sind, aus dem sie William Cureton bereits 1855 herausgab.41 In beiden Texten werden biblisch-christliche mit philosophischen Motiven verbunden. Während sie hierin Barḍaiṣān nicht unähnlich sind, weisen sie doch inhaltlich keine großen Ähnlichkeiten mit seinen Gedanken auf.42 38

  Drijvers, Barḍaiṣān of Edessa, 164 f.; Camplani, Rivisitando Bardesane, 552–554.   Z. B. Schaeder, Bardesanes von Edessa, 50; G. Furlani, Sur le stoïcisme de Bardesane d’Édesse, in: Archiv orientalní 9 (1937), 347–352, unter Bezugnahme auf einen zitierten Text des Sergios von Reš’aynā; neuerdings J. Teixidor, Bardesane de Syrie, in: DPhA 2 (1994), 54–63, hier 62. 40   Für einen solchen Einfluss spricht z. B. die Unterscheidung von Geist und Seele in Liber legum regionum 20 (p.  573 Nau); vgl. auch Camplani, Rivisitando Bardesane, 588 f. 41   Vgl. W. Cureton, Spicilegium Syriacum. Containing Remains of Bardesan, Meliton, Ambrose and Mara bar Serapion, London 1855. Der Überlieferungszusammenhang im Codex British Museum Add. 14568 lässt vermuten, dass die Zusammenstellung auf Sergios von Rešʿaynā zurückgehen könnte: Vgl. Camplani, Rivisitando Bardesane, 543 f., 588; H. Hugonnard-Roche, Éthique et politique au premier âge de la tradition syriaque, in: Mélanges de l’Université Saint Joseph 57 (2004), 99–119, hier 108–114. 42   Vgl. für Pseudo-Meliton F. Haase, Zur bardesanischen Gnosis. Literarkritische und dogmengeschichtliche Untersuchungen, Leipzig 1910, 67–72. 39

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Der ›Brief des Marā bar Serapiyōn‹ galt lange Zeit als Privatbrief e­ ines christentumsfreundlichen Stoikers.43 Doch hat 1988 Kathleen McVey überzeugend dargelegt, dass der Autor ein Christ gewesen sein muss, da er die Tötung des schlicht als »der weise König der Juden« (malkhōn ḥḵīmā) bezeichneten Christus nicht nur erwähnt, sondern mit der Idee verbindet, Gott habe zur Strafe dafür das Königreich der Juden aufgehoben und sie unter die Völker zerstreut.44 Da sie dieses Motiv in Verbindung mit der Verfolgung der Gerechten erst bei Eusebios findet, tendiert McVey zu einer Spätdatierung des Schreibens ins 4. Jahrhundert und ­einer Einschätzung als apologetische Schrift,45 doch sprechen schon Tertullian und ›Hippolyt‹ um 200 von der Zerstreuung der Juden im Nachgang zur Verfolgung Christi,46 so dass eine Abfassung im 3. Jahrhundert möglich scheint. Die Datierung ins 1. Jahrhundert, die eine pagane Herkunft des Schreibens rechtfertigen soll, kann hingegen wegen des christlichen oder zumindest monotheistischen Kontexts ausgeschlossen werden.47 Zu Beginn dieses Textes wird zur »filosofūṯā« im Sinne einer gerechten und bescheidenen Lebensweise ermahnt, die zugleich – im Sinne von Platon – eine Flucht aus der Welt sei.48 Sie entspricht der im Text häufiger erwähnten »Weisheit« (ḥeḵmtā), die in den Augen des Autors zu göttlichem Segen führt.49 Die Beziehung zur Weisheitstradition kann man auch aus wiederholten Aussagen zur Schlechtigkeit der Welt herauslesen, die in ihrem Tenor eher an spätalttestamentliche Weisheitsschriften wie ›Kohelet‹ und den 49. Psalm erinnern als an eine Diatribe 43

  Nach F. Schulthess, Der Brief des Mara bar Serapion, in: Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft 51 (1897), 365–391, übernommen von R. Duval, La littérature syriaque, Paris 1907, 241 f.; A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur mit Ausschluß der christlich-palästinischen Texte, Bonn 1922, 10 f. 44   ›Mara‹, Epistula (p.  46 [syr.]  /  p. 74 [engl.] Cureton). Vgl. K. E. McVey, A Fresh Look on the Letter of Mara bar Serapion to his Son, in: R. Lavenant (Hrsg.), V Symposium Syriacum, Rom 1990, 257–272. 45   McVey, A Fresh Look on the Letter, 269, 272. 46   Tertullianus, Adversus Iudaeos 13, 28 (CCL 2, p.  1391, 178–183 Kroymann); Hippolytus, De benedictione Jacobi 14; 16 (PO 27, 1–2, p.  66–68; 74–76). Heinz-Martin Döpp, Die Deutung der Zerstörung Jerusalems und des Zweiten Tempels im Jahre 70 in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr., Tübingen 1998, 61–64. 47   Vgl. M. Perkams, Der Brief des Mārā bar Serapiyōn. Stoische Indifferenz und biblische Weisheit in der Welt des Aiōn, in: P. Bruns  /  Th. Kremer (Hrsg.), Studia Syriaca. Beiträge des IX. Deutschen Syrologentages in Eichstätt 2016, Wiesbaden 2018, 127–137, zu I. Ramelli, Bardesane e la sua scuola, l’›Apologia‹ siriaca ascritta a Melitone e la ›Doctrina Addai‹, in: Aevum 83 (2009), 141–168, hier 142; A. Merz  /  T. Tieleman, The Letter of Mara bar Serapion. Some Comments on its Philosophical and Historical Context, in: A. Houtman  / A. De Jong  /  M. Misset-van Berg (Hrsg.), Empsychoi Logoi. Religious Innovations in Antiquity. Studies in Honour of P. W. van der Horst, Leiden u. a. 2008, 107–133; D. Rensberger, ­Reconsidering the Letter of Mara bar Serapion, in: E. M. Meyers  /  P. V. M. Flesher (Hrsg.), Aramaic in Postbiblical Judaism and Early Christianity, Winona Lake (Ind.) 2010, 3–21. 48   Plato, Theaetetus 176a. 49   ›Mara‹, Epistula (p.  43 [syr.]  /  p. 70 [engl.] Cureton).

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Die Anfänge philosophischer Schriftstellerei in orientalischen Sprachen

im Stil eines Seneca oder Epiktet: Die Zeit bzw. Welt wird insgesamt als Ort von Irrtum und Unsicherheit angesehen,50 ja sogar als eine Art aktive Macht beschrieben,51 und vermeintliche Güter wie Reichtum und Ansehen gelten nicht als indifferent oder als mittlere Güter im stoischen Sinn, sondern werden aufgrund ihrer Vergänglichkeit als schlechthin nichtig bewertet.52 Von ihnen wird die Weisheit deutlich abgegrenzt, die, im Gegensatz zu ›Kohelet‹ und ›Psalm‹ 49, als positiver und bleibender Wert sowie als göttliches Geschenk angesehen wird.53 Gottes Eingreifen wird als persönliche und direkte Bestrafung verstanden, vor allem wenn die Weisheit des Sokrates, Pythagoras und Christus sowie deren Leiden unter Verfolgung nicht primär mit Charakterfestigkeit, sondern mit dauerndem Nachruhm und einer – im Einzelnen unterschiedlichen – Bestrafung ihrer Gegner verbunden werden.54 Die klaren Bezüge zu philosophischen Lehren, z. B. dazu, dass der Weise überall zu Hause ist, dass Philosophen von Tyrannen verfolgt werden und dass ein gutes Leben sich nach dem »Verstand« (reʿyānā) richtet,55 sind vor diesem Hintergrund zu deuten.56 Aufschlussreich für eine geistesgeschichtliche Einordnung des Briefes ist auch die sogenannte ›Apologie‹ des Pseudo-Meliton, die laut ihrem überlieferten Titel allerdings gar keine Apologie ist, sondern eine »Rede des Philosophen (mēmrā d-filosofā) Meliton, die vor dem Kaiser Antoninus gehalten wurde; und er sprach zu Antoninus, damit er Gott erkenne, und zeigte ihm den Weg der Wahrheit«.57

Hier sind gleich zwei Rollenzuweisungen des Philosophen im antiken Verständnis ausgesprochen: Einerseits tritt dieser furchtlos vor dem Herrscher auf, andererseits besteht seine Aufgabe darin, den Menschen zur Beschäftigung mit der Wahrheit und zu einer entsprechenden Lebensweise aufzufordern.58 Außerdem weist die Rede einige platonische Argumentationsmuster auf, wozu zunächst die Aufforderung gehört, sich der Erkenntnis der Wahrheit zuzuwenden, indem man das wahrhaft Seiende (d-šarīrāʾiṯ īṯāw(hy) = ὄντως ὄν?), Gott, vom nicht wahrhaft Sei50

  ›Mara‹, Epistula (p.  44 [syr.]  /  p. 72 [engl.] Cureton).   ›Mara‹, Epistula (p.  48 [syr.]  /  p. 76 [engl.] Cureton). 52   ›Mara‹, Epistula (p.  45 [syr.]  /  p. 72 [engl.] Cureton). 53   ›Mara‹, Epistula (p.  45 [syr.]  /  p. 72 [engl.] Cureton). 54   ›Mara‹, Epistula (p.  46 [syr.]  /  p. 73 [engl.] Cureton). Zur Interpretation S.  McVey, A Fresh Look on the Letter, 266 f. 55   ›Mara‹, Epistula (p.  46 [syr.]  /  p. 73 [engl.] Cureton). 56   Übrigens könnte die Aussage, tugendhaftes Leben diene dem Ziel, »diese Dinge« zu erkennen (48, 16 f. [syr.]), ebenso wie die Erwähnung von Sokrates und Pythagoras, auf ein eher platonisches als stoisches Philosophieverständnis hinzudeuten. 57   51

Ps.-Melito, Oratio (p.  22 [syr.]  /  p. 41 [engl.] Cureton). 58   Vgl. oben S. 535  f. zu Philosophen beim Herrscher.

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enden, nämlich den Geschöpfen trennt.59 Als notwendige Vorbedingung wird auf die Selbsterkenntnis des Hörers verwiesen, der sich als freier Verstand (reʿyānā bar ḥērē bzw. maddʿā) verstehen muss, um sich als Bild Gottes zu erkennen, indem er seine eigene Herrschaft über den Körper betrachtet.60 Nach diesem Sieg über die inneren Feinde wird der Kaiser (malkā = βασιλεύς) nicht nur sein Volk zu Gott führen können, sondern auch in der Lage sein, seine Herrschaft in Frieden auszuüben.61 Neben diesen philosophischen Ausführungen enthält die Schrift auch einige christliche Bezüge, v. a. zur apologetischen Tradition.62 Während jedoch die Kritik an der Verehrung von Götzen als falscher Götter ausführlich ausfällt und ein Bund sowie das Endgericht immerhin erwähnt werden,63 ist von der Offenbarungsbasiertheit der Wahrheit ebenso wenig die Rede, wie Christus ausdrücklich genannt wird. Auf diese Weise entsteht eine relativ unspezifische Aufforderung zur Verehrung des wahren Gottes, die letztlich ebenso platonisch oder jüdisch wie dezidiert christlich sein kann. Sowohl im Brief des Marā als auch der Rede des Pseudo-Meliton überwiegt also trotz gewisser Bezüge zum Christentum die protreptische Aufforderung, eine philosophische Lebensführung auf Grundlage der Erkenntnis des wahren Gottes aufzunehmen und sich somit wie freie Menschen (bnay ḥērē) zu verhalten,64 sowie ein Interesse an gerechter Herrschaft. Damit lassen sich beide Texte als Aufforderungen zu einer philosophischen Lebensführung unter den Bedingungen des zwar nominell christlichen, aber religiös und kulturell vielfältigen Umfelds Edessas oder einer ähnlichen Stadt im 3. Jahrhundert lesen. Sie bezeugen somit ebenso wie das Werk Bardaiṣāns, zu dem jedenfalls die pseudo-melitonische Rede deutliche Bezüge aufweist,65 dass im kaiserzeitlichen Syrien Philosophie und christliche Religion eine Weile in einer engen Verbindung wahrgenommen werden können, die zwar von Apologeten wie Justin postuliert, aber niemals so konsequent ausgearbeitet wurde wie in diesen frühen syrischen Schriften.

59

  Ps.-Melito, Oratio (p.  22 [syr.]  /  p. 41 [engl.] Cureton).   Ps.-Melito, Oratio (p.  27 [syr.]  /  p. 46 f. [engl.] Cureton). 61   Ps.-Melito, Oratio (p.  28 f. [syr.]  /  p. 48 f. [engl.] Cureton). 62   Vgl. I. Ramelli, L’apologia siriaca di Melitone ad ›Antonino Cesare‹. Osservazioni e traduzione, in: Vetera Christianorum 36 (1999), 259–286. 63   Ps.-Melito, Oratio (p.  30 f. [syr.]  /  p. 50 f. [engl.] Cureton). Einige teils enge Parallelen zu Justin und Tertullian werden von Cureton, Spicilegium Syriacum, 85–95 aufgeführt. 64   ›Mara‹, Epistula (p.  43 [syr.]  /  p. 70 [engl.] Cureton); Ps.-Melito, Oratio (p.  28 [syr.]  /p.  48 [engl.] Cureton). 65   Vgl. Ramelli, Bardesane e la sua scuola. 60

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VIII. Resümee: Die Ausdifferenzierung des ­Philosophieverständnisses in der Kaiserzeit

1. Allgemeines Von allen antiken Epochen liefert die Kaiserzeit die breiteste Quellenbasis zum Verständnis von Philosophie. Diese Überlieferungssituation spiegelt eine gesellschaftliche Situation wider, in der das Philosophie-Ideal mehr Bedeutung hat als jemals zuvor: Es wird nicht nur von den Fachphilosophen vertreten, sondern ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen – Wissenschaftler, Lehrer und Praktiker der Rhetorik sowie religiöse Vereinigungen – übernehmen ein Ideal ›wahrer Philosophie‹, das man wohl in den Worten eines Zeitgenossen folgendermaßen zusammenfassen kann: »Im Ganzen ist die Lebensweise des Philosophietreibenden anders als die der Masse der Menschen«.1

Die Philosophenschulen Zentral für die Beschäftigung mit der Philosophie sind in der Kaiserzeit die Philosophenschulen in ihrer Verschiedenheit. Für sie hängt die philosophische Lebensform grundsätzlich mit einer rational darlegbaren Überzeugung davon zusammen, was sich als wahr und gut erweisen lässt. Zu diesem Zweck werden die Überlieferungen der eigenen Tradition in unterschiedlichen Formen gesammelt, systematisiert, interpretiert und zur Grundlage des philosophischen Unterrichts gemacht. Auch die allegorische Auslegung religiöser Namen, Mythen und Texte aus dem Blickwinkel bestimmter philosophischer Positionen kann Teil der Darlegung der eigenen Überzeugung sein. Systematische Darstellungen und polemische Auseinandersetzungen sind für die Textformen der Zeit ebenso typisch wie Kommentare zu philosophischen Schriften und Texte für die philosophische Bildung des Einzelnen. Derartige Texte werden, ohne grundlegende Unterschiede, auch auf Latein verfasst oder übersetzt. Der Unterricht selbst besteht in einem mehr oder weniger engen Zusammenleben von Schülern und Lehrern und erfolgt in nicht wenigen Fällen offenbar auch im Zusammenhang mit einer Bezahlung. Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Philosophenschulen kann man mit den pyrrhonischen Skeptikern zwischen diesen selbst, die eine sichere Erkenntnis für prinzipiell unmöglich halten und daher stets auf der nie endenden Suche nach Wahrheit sein wollen, und den Dogmatikern ansetzen. Eine Son1   Βίος ἄλλος μὲν τοῦ φιλοσοφοῦντος, ἄλλος δὲ τῶν πολλῶν ἀνθρώπων. Dio Chrysostomus, Oratio 70, 7; vgl. 71, 2.

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Philosophie in der Kaiserzeit

derstellung nehmen die zahlreichen Kyniker ein, die ihr Leben unabhängig von umfangreichen Lehrvoraussetzungen entwickeln. Die dogmatischen Richtungen, unter denen in der Kaiserzeit Platoniker, Aristoteliker und Stoiker am besten bezeugt, aber auch die Epikureer weiterhin präsent sind, dominieren die philosophische Landschaft, bieten aber der skeptischen Kritik eine offene Flanke: Mit ihren Hinweisen auf den Mangel an Absicherung behaupteter philosophischer Wahrheiten in Anbetracht der Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Richtungen, halten die Pyrrhoneer unter anderem die Frage nach der methodischen Absicherung von Wahrheitsansprüchen auf der Tagesordnung. Die Dogmatiker reagieren mit unterschiedlichen Strategien: Während der Stoiker Epiktet auf die Freiheit des Philosophen auch in Bezug auf Argumente rekurriert, verweist der Platoniker Numenios auf die Einheit der alten, mit Platon und mindestens Teilen der religiösen Überlieferung gegebenen philosophischen Tradition und wirft rivalisierenden Richtungen vor, von dieser – oder auch nur von ihrer eigenen Richtung – abgefallen zu sein. Gegenüber solchen Globalstrategien zur Rechtfertigung eigener Überzeugungen sind grundsätzliche erkenntnistheoretische Bemühungen, wie sie in der hellenistischen Zeit noch wichtig sind, eher punktuell zu erkennen. Selbst die Angriffe der Skeptiker auf die Plausibilität jeglicher Argumente nehmen, anders als noch die Erkenntniskritik der Akademiker, eher die Gestalt globaler Behauptungen an, als dass offen über Einzelpunkte diskutiert wird. Diese Situation liegt wohl nicht nur in der Geschlossenheit der philosophischen Systeme begründet, die zwar zahlreiche Anleihen bei Nachbarschulen vornehmen, aber im Ganzen relativ konstant sind, sondern auch in der Schwächung der alten Zentrale Athen, die in hellenistischer Zeit der Ort ist, wo die besten Köpfe der verschiedenen Richtungen Argumente austauschen und ihre Gedankengebäude weiterentwickeln können.

Das Philosophie-Ideal außerhalb der Philosophenschulen Diese Züge des philosophischen Unterrichts der Zeit bieten den Anhängern des Philosophie-Ideals außerhalb der Schulen viele Möglichkeiten einer Positionierung: Bezeichnenderweise wird die erkenntnistheoretische Problematik gerade von den herausragenden Vertretern der Fachwissenschaft, dem Mediziner Galen und dem Mathematiker Ptolemaios, scharf gesehen. Beide sind an methodischer Absicherung durch Förderung der Logik und Erörterung des Wahrheitskriteriums interessiert. Die Rhetoren der Zeit nützen ihrerseits die geringe argumentative Absicherung des Philosophie-Ideals geschickt aus, um ihr eigenes Bildungsideal als ›wahre Philosophie‹ zu stilisieren, die das sprachliche Vorbild Platons und, unter Umständen, die politische Betätigung lebendig hält. Die für die Philosophie wichtigsten Redner der Zeit, Dion von Prusa und Flavius Philostratos, stehen jedoch den Philosophenschulen ebenso nahe wie der Satiriker Lukian, durch dessen Karikierung (nicht nur) des kaiserzeitlichen Philosophiebetriebs ein Modell des 698

Resümee: Die Ausdifferenzierung des ­Philosophieverständnisses in der Kaiserzeit

praktisch tätigen und engagierten Philosophen entsteht. Man muss ihre Philosophiekritik daher als Bemühen um die Bewahrung des Ideals mit anderen Mitteln sehen. Die Traditionsverbundenheit vieler philosophischer Ansätze eröffnet schließlich auch die Möglichkeit, philosophische, vor allem platonische Lehren in Form hermetischer Offenbarungsschriften, teils unter expliziter Kritik der Philosophie, zu formulieren.

Wahre Philosophie in den Augen der Juden und Christen Eine besondere Stellung nehmen die jüdischen und christlichen Anhänger des Philosophie-Ideals ein. In der Anpassung philosophischer Argumentationsmuster an ihre eigenen Zwecke stehen sie den Philosophenschulen trotz ihrer anderen Perspektive bemerkenswert nahe. Das wird bereits beim Juden Philon deutlich, der die philosophischen Lehren aller Richtungen gut kennt und gezielt zur philosophischen Deutung der eigenen Quellentexte verwertet, aber auch in Dialogen eine direkte Auseinandersetzung mit philosophischen Thesen sucht. Wie ernsthaft derartige Auseinandersetzungen gerade in Bezug auf die Weltentstehung geführt werden, zeigen eine bei Galen überlieferte Debatte ebenso wie ein auf Aramäisch überlieferter Midrasch. Noch weiter gehen christliche Autoren, nachdem sie die Zurückhaltung der frühchristlichen Quellen hinter sich gelassen haben, welche die Philosophie weder erwähnen noch thematisieren: Ab dem Anfang des 2. Jahrhunderts nehmen christliche Lehrer das Philosophie-Ideal in Theorie und Praxis für sich in Anspruch und knüpfen nicht nur an die jüdische Philosophietradition an. Nachdem schon die ›Apostelgeschichte‹ von der Bekehrung des Atheners Dionysios berichtet hat, sieht sich vielleicht schon in trajanischer Zeit der Gnostiker Basileides als christlicher Philosoph. Auf jeden Fall tun dies ab ca. 150 n. Chr. die bekehrten Fachphilosophen Justin und Clemens. Ihnen schließt sich eine Reihe weiterer griechischer wie lateinischer und vereinzelt syrischer Autoren (Tatian, Meliton von Sardeis, Tertullian, Minucius Felix, Umfeld des Bardaiṣān) etwas zurückhaltender an. Sie erklären die christlichen Lehrinhalte mit systematischen Mitteln und stellen die Lehre von Gott, der sich in seinem Sohn bzw. Logos offenbart, die Schöpfung aus dem Nichts sowie die Freiheit der Menschen und Engel als Ursache für das Schlechte in der Welt als Propria der christlichen Philosophie heraus. Seine gründlichste Ausarbeitung erfährt dieses Lehrgebäude im 3. Jahrhundert durch Origenes. Um 300 scheint eine ›christliche Philosophie‹ als etwas recht Selbstverständliches zu gelten.2 Die christlichen Denker arbeiten auf eine Überwindung und Vollendung der Philosophenschulen hin, indem sie deren Probleme zum Ge2

  Vgl. das Zeugnis bei Alexander Lycopolitanus, Contra Manichaei opiniones 1 (3, 1–18 Brinkmann). Der Autor ist Platoniker: A. Villey, Alexandros de Lycopolis, in: DPhA 1 (1994), 142–244.

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Philosophie in der Kaiserzeit

genstand der Kritik machen: Die Einheit des Christentums und die Absicherung der von ihm vertretenen Wahrheit durch eine Offenbarung, welche angeblich älter ist als alle griechische Philosophie, werden der Zerstrittenheit der dogmatischen Philosophen entgegengestellt, mit denen man sich zugleich in Bezug auf Monotheismus und tugendhaftes Leben vielfach einig weiß.

Korollarium: Gründe für die christliche Aneignung des Philosophie-Ideals Die sich aus moderner Sicht aufdrängende Frage, warum und wie sich Christen das Philosophie-Ideal aneignen, verliert in Anbetracht dieser geistigen Situation der Kaiserzeit viel von ihrer Schärfe. Denn hier lässt sich weder ein prinzipieller Unterschied von Philosophie und Theologie noch von Glaube und Wissen oder Religion und Wissenschaft feststellen. Trotzdem lohnt es sich, das bis jetzt Gesagte3 noch einmal in fünf Punkten prägnant zusammenzufassen: 1.  Biographisch: Ein auslösender Faktor liegt sicherlich darin, dass bekehrte Philosophen wie Justin, Tatian und Clemens das Christentum als Fortsetzung ihres philosophischen Weges und damit als Philosophie verstehen. Da ihr Ansehen und ihre Bildung es ihnen ermöglichen, diese Überzeugung öffentlich zu vertreten und zu verbreiten, dürften sie großen Einfluss auf die Verbreitung des PhilosophieIdeals unter den Christen gehabt haben. 2.  Apologetisch-missionarisch: In den frühen Quellen wird das Christentum vor allem dann als Philosophie dargestellt, wenn man sich an Kaiser wendet, deren Selbstverständnis mehr oder weniger stark durch Philosophie geprägt ist (Hadrian, Antoninus Pius, Mark Aurel). Das weist darauf hin, dass die Übernahme des Philosophie-Ideals durch die Christen ursprünglich vor allem auf die Wirkung nach außen zielt, wobei sie neben dem apologetischen einen missionarischen Zweck haben dürfte. 3.  Wahrheitsbezug: Durch den Anspruch der Christen, eine wahre Lehre zu vertreten, übernehmen sie ein Ideal, das die Philosophie schon seit Platons ›Gorgias‹ als ihr kennzeichnendes Merkmal gegenüber der Rhetorik herausstellt. Dieser Wahrheitsbezug muss selbstverständlich in der argumentativen Auseinandersetzung rational erwiesen werden. 4.  Organisation in Form bestimmter Richtungen bzw. Schulen: Die Organisation der Philosophie in überregional zusammengehörigen Richtungen beziehungsweise Schulen, deren Zusammenhalt vor allem durch eine gemeinsame inhaltliche Position sowie eine sittlich hochwertige Lebensführung hergestellt wird, dürfte ein wichtiger Anknüpfungspunkt für das Selbstverständnis der Christen als universal verbreiteter, durch eine Glaubensüberzeugung geeinter Gruppe sein.

3   Vgl. die zusammenfassenden Beobachtungen zu den philosophierenden Christen der Epoche oben S. 681–685.

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Resümee: Die Ausdifferenzierung des ­Philosophieverständnisses in der Kaiserzeit

5.  Fremdzuschreibung: Darstellungen der Apologeten und Tertullians weisen darauf hin, dass die Parallelität von Christentum und Philosophie, die sich aus den eben genannten Punkten ergibt, auch von außen gesehen und an die Christen heran­getragen wird. Demnach wären diese wenigstens von einigen Zeitgenossen eher als eine Philosophie denn als eine Religion wahrgenommen worden. Diese Bemerkungen über die Christen sollten freilich ins rechte Verhältnis gesetzt werden: Auch nach dem Auftreten der ersten christlichen Philosophen bleibt eine Distanz vieler Christen zur Philosophie bestehen. Sogar bedeutende Autoren wie Origenes, Athenagoras und ›Hippolyt‹ zu Beginn des 3. Jahrhunderts wenden den Begriff gerade nicht auf das Christentum an. Für ›Hippolyt‹ ist die ›Philosophie‹ sogar der Wurzelgrund zeitgenössischer Häresien. Andererseits erreicht die Beschreibung des Christentums als Vollendung der Philosophie auch nicht argumentative Literaturformen, z. B. christliche Romane wie die pseudoklementinische Literatur. Insofern wird man das Bemühen der antiken Christen um Philosophie schon innerchristlich kaum als sachfremd abtun können. Aus dem Blickwinkel der Philosophie stellt es jedenfalls einen wirkungsgeschichtlich wie argumentativ zentralen Bestandteil der kaiserzeitlichen philosophischen Landschaft dar.

2. Der Philosophiebegriff in seinen Bezügen Definitionen und Einteilungen der Philosophie Von den Fachphilosophen wird die Philosophie weiterhin als Streben nach Weisheit (ὄρεξις σοφίας) umschrieben, so dass der Begriff der Weisheit für ihr Verständnis besonders wichtig bleibt. Deren Definition als ›Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge‹, die sich bei Vertretern nahezu aller Richtungen findet und auch auf die Philosophie selbst ausgedehnt wird, begünstigt eine Bestimmung der Philosophie von der Theorie her. Das gilt besonders für Aristoteliker, Platoniker und Pythagoreer, die das Ziel der Philosophie oder auch die Philosophie als Ganze in einer Form theoretischer Betrachtung ansetzen. Diese setzen sie in verschiedener Weise mit dem platonischen Ideal des ›Ähnlichwerdens mit Gott‹ (ὁμοίωσις θέῳ) gleich, deuten dies aber entsprechend ihrer Schultradition unterschiedlich: Für den Platoniker Alkinoos ist damit die Lehre vom höchsten Seienden gemeint, für den Aristoteliker Alexander von Aphrodisias die aristotelische Metaphysik beziehungsweise ›Erste Philosophie‹, für den Christen Origenes die Vollendung des Menschen am Ende der Zeiten und für den Stoiker Epiktet eine tugendhafte Lebensführung innerhalb der üblichen Bindungen. Diese unterschiedlichen Ausgestaltungen des Philosophie-Ideals stehen in engem Zusammenhang mit den Einteilungen, die man dem Philosophieverständnis unterlegt: Die Platoniker verstehen die Kenntnis der ewigen, ›wahrhaft seienden‹ 701

Philosophie in der Kaiserzeit

Ideen, die die Philosophie wesentlich ausmacht, als Zielpunkt eines aufsteigenden Lebenswegs, so dass das Ideal einer philosophischen Lebensführung, und somit eine bestimmte Form von Praxis, in der theoretischen Definition zumindest voraus­gesetzt ist. Auch bei Aristotelikern und Pyrrhoneern lebt die aristotelische Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie auf ähnliche Weise in der Form weiter, dass die praktische Lebensform im Vergleich zum Ideal einer vollendeten theoretisch-kontemplativen Lebensweise als sekundäre beziehungsweise tertiäre, uneigentliche Form der Philosophie gilt. Der Mathematiker Ptolemaios nutzt dieselbe Unterscheidung zur Betonung der wissenschaftstheoretisch primären Rolle der Theorie. Auf der anderen Seite verstehen Stoiker wie Epiktet und Mark Aurel unter Philosophie eine gute, am wahren Wissen orientierte Lebensführung beziehungsweise deren Einübung oder dauernde Praxis, während viele Kyniker die Philosophie auf die Ethik allein beschränken. Neben diesen Bezügen auf die Unterscheidung theoretischer und praktischer Philosophie stellt nach wie vor die hellenistische Dreiteilung in Logik, Physik und Ethik einen wichtigen Bezugspunkt dar. Sie findet sich bei Stoikern und pyrrhonischen Skeptikern (wohl auch bei den Epikureern) bis zum Ende der Epoche. Die Mittelplatoniker modifizieren die Dreiteilung zunehmend, vor allem durch eine im Detail unterschiedlich durchgeführte Abtrennung der Theologie (und Metaphysik allgemein) aus der Physik, die aber in keiner erhaltenen Quelle zu einer Vierteilung der Philosophie oder einem Ausstoß der Logik führt. Stattdessen transponiert Alkinoos das gesamte Schema in aristotelisch-platonische Terminologie und versteht die Logik zugleich als platonische Dialektik. Nun ist es nur noch ein kleiner Schritt dazu, diese durch die Metaphysik bzw. Theologie zu ersetzen, wie es auch die Aristoteliker tun, die sich am gründlichsten von der stoischen Einteilung Ethik, Physik, Logik abwenden: Sie sehen nicht nur die Metaphysik als die primäre ›Erste Philosophie‹ an, der gegenüber die übrigen Disziplinen lediglich sekundär sind, sondern bestreiten auch den Status der Logik als Teil der Philosophie, da sie in ihr lediglich deren ›Werkzeug‹ (ὄργανον) sehen. Letzteres ist für uns erstmals bei Alexander von Aphrodisias fassbar. In der Folge heißen nur noch die theoretischen Disziplinen Physik und Theologie ›Philosophie‹, während die Ethik bzw. Praxis auch in diesem Blickwinkel als propädeutisch verstanden wird. Somit entsteht die ›spätantike‹ Einteilung der Philosophie, der zufolge über Ethik und Physik zur Metaphysik bzw. Theologie oder Epoptik aufgestiegen wird, parallel bei Aristotelikern und Platonikern.4 Diese Entwicklung, die in der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen ist, steht im Zusammenhang mit dem zunehmend religiös-transzendenzbezogenen Verständnis des Philosophie-Ideals und begünstigt somit auch dessen christliche Aufnahme. Das Ausscheiden der Logik aus der Philosophie, das in diesen Beschreibungen zu beobachten ist, spiegelt die Skepsis ihren Feinheiten gegenüber wider, die 4   Vgl. Hadot, Die Einteilung der Philosophie; Perkams, Die Ursprünge des spätantiken philosophischen Curriculums.

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sich in der Kaiserzeit bei Philosophen ganz verschiedener Richtungen findet, die offensichtlich fürchten, eine Beschäftigung hiermit behindere die philosophische Charakterbildung. Die dadurch entstehende nicht-technische philosophische Ausbildung begünstigt auch die Durchsetzung hermetischer, jüdischer und christlicher Philosophie-Ideale, die naturgemäß wenig technisch gestaltet sind bzw., wenn sie sich, wie bei Clemens von Alexandrien, für Logik öffnen, nicht zu einer geschlossenen Konzeption gelangen. Darüber, dass durch das Ausscheiden der Logik aus der Philosophie deren methodische Grundlegung in den Hintergrund tritt, wundern sich allerdings die besten Köpfe der Zeit: Der Christ Origenes wie der Stoiker Epiktet sind sich, jenseits rhetorischer Ermahnungen, der Bedeutung der Logik bewusst. Auch beschäftigen sich Aristoteliker, Platoniker sowie Pyrrhoneer intensiv mit logischen Texten, v. a. den aristotelischen ›Kategorien‹, aber am nachdrücklichsten fordern und fördern die Fachwissenschaftler Galen und Ptolemaios eine gründliche logische Ausbildung, ersterer auch durch eigene Schriften zu diesem Thema. In der Folgezeit wird dann auch die Einteilung der Philosophie besonders von Platonikern, weniger von den Christen gerne unter Einbeziehung der Logik zitiert, doch bleibt ihre Distanz zu den eigentlichen Teilen der Philosophie bestehen. Im Ganzen bringt die zunehmend unklare Stellung der Logik die Spannung zwischen einem protreptisch-lebensleitenden Ideal von Philosophie und den technischen Anforderungen an gute philosophische Arbeit brennspiegelartig zum Ausdruck.

Philosophie und Wissenschaften Das hierarchisch gestufte Bild von Philosophie vor allem der Platoniker und Aristoteliker ermöglicht eine stärkere Einbindung der Fachwissenschaften, indem zumindest einige von ihnen als Vorbereitung der eigentlich philosophischen Studien verstanden werden. Bei Angehörigen dieser Schulen werden somit Astronomie, Geometrie, Musik sowie Rhetorik, Grammatik und gelegentlich andere Disziplinen als der sogenannte ›Zirkel der Bildung‹ (ἐγκύκλιος παιδεία) bzw. ›freie Künste‹ wieder Bestandteil der philosophischen Ausbildung. Während folglich bei Alexander von Aphrodisias z. B. die Astronomie im Grunde als Teil der Philosophie gewürdigt wird, bevorzugen die Stoiker nach wie vor die Konzentration auf wenige Disziplinen. Deswegen weist z. B. Seneca, bei aller Anerkennung des Nutzens von Geometrie und Mathematik für die Erziehung, auf deren eigene, von der Philosophie verschiedene Ziele hin. Für die Fachwissenschaftler Galen und Ptolemaios ist die Philosophie selbst hingegen eher eine methodische Vorbereitung, während sie bei den methodischen Ärzten tendenziell als vom eigenen Tun verschiedene Disziplin in den Blick kommt. Soweit sich christliche Autoren im Zusammenhang mit Philosophie zu Fachwissenschaften wie Astronomie und Geometrie äußern, werden diese meist für überflüssig erklärt: Justin und Tertullian halten es für absurd, dass sie als Vorberei703

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tung auf die Philosophie notwendig sein sollen. Im Gegensatz dazu hält Clemens von Alexandrien im Sinne von Philons platonisch-pythagoreischer Lehrkonzeption die ›Enkyklios Paideia‹ als Vorbereitung für die Philosophie für notwendig. Origenes integriert offenbar Geometrie und Astronomie in seinen Unterricht der Physik, rezipiert sie also als sie Teil der philosophischen Lehre selbst. Die Medizin wird immerhin von Tertullian zusammen mit der Philosophie zur Ermittlung der Wahrheit genutzt. Bei aller Differenziertheit im Detail baut sich somit der Gegensatz von Wissenschaft und Philosophie, den Albrecht Dihle für das altstoische Modell notiert, in der Kaiserzeit im Großen und Ganzen weiter ab.5

Philosophie und Rhetorik Die philosophischen Texte spiegeln die gesellschaftliche Bedeutung der Rhetorik in der Kaiserzeit interessanterweise kaum wider und erwecken nicht den Eindruck, als werde der Gegensatz zu ihr als existenziell empfunden. Dies dürfte vielfach dadurch bedingt sein, dass ohnehin die eigenen Schüler die primären Adressaten der Schriften sind. Allerdings sprechen die Annahme der Philosophie als Lebensideal der Kaiser sowie die Verbreitung des philosophischen Unterrichts auch nicht dafür, dass die Konkurrenz zur Rhetorik für die Philosophie insgesamt problematisch wäre.6 In jedem Fall behauptet die Philosophie ihre Eigenständigkeit als eine Lehr- und Lebensform mit einem ausgeprägten Wahrheitsbezug und dem Ideal einer Verbesserung der gesamten Persönlichkeit. Die Bedeutung des Philosophie-Ideals dürfte ferner durch die Aufnahme durch Christen, denen die Äußerlichkeit der Rhetorik (theoretisch!) besonders zuwider ist, im Vergleich zur Rhetorik noch erhöht werden.

Philosophie und Politik Den bemerkenswerten Berichten über die politische Aktivität und Positionierung von Philosophen stehen in der Kaiserzeit nur relativ wenige explizite Behandlungen von Politik in philosophischen Texten gegenüber. Das Ideal des Philosophenkönigs wird nur noch selten direkt zitiert.7 Die Lebendigkeit, die ein solches Ideal haben könnte, zeigt sich vorwiegend in einem fiktiven Dialog des Philostrat, in dem der Philosoph Euphrates den Kaiser sogar explizit zur Wiedereinführung der Demokratie auffordert, während seine Kollegen entweder – für die Kaiser5

  Vgl. Dihle, Philosophie – Fachwissenschaft – Allgemeinbildung, 185–189; zur Vorbereitung dieser Entwicklung im Hellenismus s. oben S. 432  f. 6   Wie das z. B. von Schmitz, Bildung und Macht, 86–89, behauptet wird. 7   Vgl. dagegen unten S. 1068 zu Boethius.

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zeit typi­scher – die Monarchie bevorzugen oder den Rückzug des Philosophen aus dem politischen Alltag zu ihrem Programm machen. Christliche Autoren thematisieren das Verhältnis von Philosophie und Politik im Wesentlichen in ihren Verteidigungsschriften, den sogenannten ›Apologien‹, gegenüber den Kaisern, von denen sie sich eine philosophische, d. h. faire und letztlich die Christen schonende Amtsführung erwarten. Überhaupt ist die Idee eines direkten Appells an den Herrscher, den diese Texte enthalten, erkennbar von der Rollenbeschreibung des freimütigen Philosophen beeinflusst. Das zeigt sich sowohl an expliziten Bezugnahmen auf die ›Philosophie‹ des Herrschers als auch daran, dass die Apologeten selbst eine Philosophenrolle einnehmen. Ansonsten spielt das Thema in ihren philosophischen Ausführungen keine Rolle. Auch wenn christliche Autoren Philons Deutung von Mose als Gesetzgeber aufgreifen, wird dieses Ideal nicht ausdrücklich mit der Philosophie verbunden.8

Philosophie und Religion Grundsätzliches Im Hinblick auf Philosophie und Religion ist in den Quellen eine tiefgehende Diver­genz in der Behandlung des Religiösen festzustellen, die freilich mit einer gewissen Einheitlichkeit einhergeht. Die Divergenz ergibt sich aus der grundsätzlich unterschiedlichen Rolle der traditionellen kultischen Praktiken einerseits sowie des Juden- und Christentums andererseits in Bezug zur Philosophie: Während die griechisch-römischen Kulte als bestimmte Phänomene der Wirklichkeit philosophisch gedeutet werden, werden Juden- und Christentum von ihren Anhängern wie ihren Gegnern als eigene philosophische Position(en) wahrgenommen. Die Einheitlichkeit ergibt sich hingegen zunächst aus einem hermeneutischen Zugriff, da bei den Juden und Christen die rationale Deutung ihrer heiligen Schriften auf die Methoden zur Erklärung paganer Schriften und Erzählungen zurückgreifen kann, die auch die zeitgenössischen Anhänger der alten Religion verwenden und die unter dem gemeinsamen Label ›Allegorie‹ (ἀλληγορία) zusammengefasst werden können. Auch hier gibt es zwar manche Unterschiede, z. B. gibt es eine stoische und platonische Variante der Allegorie, und die Christen ringen darum, wie viel Raum sie der ›Tropologie‹ (τροπολογία) anstelle der wörtlicheren ›Historie‹ (ἱστορία) einräumen können.9 Trotzdem verbindet diese Form philosophischer Deutung heiliger Texte und Erzählungen beide Religionen. 8   Vgl. Ph. Scheibelreiter  /  K.-W. Niebuhr  /  G. Schöllgen, Nomos, in: RAC 25 (2013), 978– 1106, z. B. 1092. 9   Vgl. Origenes, Homilia 1 in Psalmum 80, 4 (GCS NF Origenes 13, p.  485, 11). Vgl. dazu L. Perrone, in: Origenes, Werke. Dreizehnter Band. Die neuen Psalmenhomilien. Eine kritische Edition des Codex Monacensis Graecus 314, hrsg. von L. Perrone, Berlin u. a. 2015, 11 mit Anm.  28.

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Diese Parallelen lassen sich auch auf andere Punkte ausdehnen: Wenn die traditionellen Kulte von stoischen und platonischen Philosophen rational gedeutet werden, sollen diese Erklärungen, z. B. bei Cornutus oder in einigen Werken Plutarchs, den Aberglauben bekämpfen und treten somit für die Rationalität der Religion ein. In den Worten moderner Forscher wird »die mythologische Kunde vom allwaltenden Göttlichen mit der Frage nach dem letzten Ursprung und bleibenden Bestimmungsgrund« der Welt verbunden.10 Die moderne Kritik, eine solche Herangehensweise verfehle »das Eigenständige des Religiösen«,11 empfindet man in der Antike nicht: Viele philosophische Texte identifizieren dermaßen selbstverständlich das philosophisch erschlossene Geistige mit dem ›Gott‹ oder dem Göttlichen, dass dessen rationale Deutbarkeit, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt, nur als wesentlicher Zug des Religionsverständnisses der Zeit aufgefasst werden kann. Diese Beobachtung stellt einen natürlichen Übergang zur philosophischen Deutung des Juden- und Christentums dar, die von Philon bis Origenes die ganze Kaiserzeit über anhält. Ihre Perspektive stößt bei den Zeitgenossen keineswegs auf einhellige Ablehnung: Das Verhalten der christlichen Märtyrer wird qua Analogie zum philosophischen Ideal guten Sterbens als geradezu vorbildlich angesehen und auch die inhaltliche Auseinandersetzung wird auf rationalem Niveau geführt, wenn etwa Galen die ›Position des Mose‹ auf eine Ebene mit der des Epikur stellt und sie argumentativ in entsprechender Weise bekämpft; ähnlich tun es, aus anderer Warte, Justins Gegner Crescens und der Platoniker Kelsos.12 Dessen Schulkollege Numenios bezeichnet hingegen Platon als ›attisierenden Mose‹ und deutet so auf eine grundsätzliche Übereinstimmung seiner Position mit dem Judentum hin. Aufs Ganze gesehen scheint allerdings das Judentum in der Kaiserzeit weniger häufig als prominentes Beispiel der Barbarenphilosophie zu gelten als im Hellenismus, was mit den Konflikten im Rahmen der jüdischen Aufstände zusammenhängen mag. Des Weiteren zeigen allerdings eine ganze Reihe von Zeugnissen (z. B. von Epiktet, Mark Aurel, Lukian, Galen), dass vielen kaiserzeitlichen Menschen auch das vorbildlich wirkende christliche Verhalten als irrational erscheint und sich insofern nur schwer als ›Philosophie‹ einordnen lässt. Diese Äußerungen zeugen davon, dass Juden- und Christentum als eigene Kategorie wahrgenommen werden, die sich mit der antiken Begrifflichkeit nicht wirklich einordnen lässt. Demgegenüber zeigen die jüngst gefundenen späten Predigten des Origenes eindrucksvoll die Tragweite des christlichen Konzepts: Zwar benutzt er mit ›Religiosität‹ (θεοσέβεια) oder ›Glaube‹ (πίστις) von ›Philosophie‹ verschiedene Ab­ strakta zur Bezeichnung der eigenen Lebenshaltung, doch bezeichnen diese für 10

  O. Bayer  /  A. Peters, Theologie, in: HWbPhil 10 (1998), 1080–1095, hier 1081.   Vgl. Merlan, Celsus, 963. 12   Vgl. dessen Formulierung apud: Origenes, Contra Celsum 1, 18 (GCS Orig. 1, p.  70, 2 Koetschau): τὴν ἰδίαν, ὡς φῄς, φιλοσοφίαν. 11

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Resümee: Die Ausdifferenzierung des ­Philosophieverständnisses in der Kaiserzeit

ihn, nicht anders als für die Philosophen der Zeit, eine geistige Entwicklung, die durch einen Lehrer gefördert werden muss.13 Denn »wie es bei den Philosophen der Griechen (παρὰ τοῖς φιλοσοφοῦσι τῶν Ἑλλήνων) einige Fragen (προβλήματα) gibt, die man denen vorlegt, die sich Gedanken machen sollen, […] so gibt es auch einige Probleme der Schrift«.14

Letztlich sei es daher »angemessen, dass jemand, der Glauben besitzt, nicht so sehr durch die Schriften wie durch die Welt und die Ordnung in ihr zum Hersteller des Himmels und der Erde und des in ihnen Befindlichen«

gelange.15 An diesen Worten, die der alte Origenes kurz vor seinem Martyrium ausspricht, wird deutlich, wie sehr die philosophische Suche nach Wahrheit die gebildeten Menschen der Kaiserzeit in einer Weise vereinigt, die der heute üblichen Gegenüberstellung von Philosophie und Religion fremd ist.

PRAK TISCHE HINWEISE Die kaiserzeitlichen philosophischen Texte sind weit verteilt und weisen eine beträchtliche Bandbreite zwischen ausführlichen, vollständig erhaltenen Corpora und nur fragmentarisch überlieferten Werken auf. Gerade die ersten sind häufig in Ausgaben verfügbar, die es wegen ihrer Länge und Komplexität nicht einfach machen, den jeweils gemeinten Text zu finden. Das gilt zunächst für die ›Commentaria in Aristotelem Graeca‹, die aus der Kaiserzeit die Kommentare des Alexander von Aphrodisias und Aspasios überliefern (vgl. auch Sorabji, Introduction, 27–29): Alexander von Aphrodisias, Kommentar zu Aristoteles’ ›Analytica priora‹ (›In Analytica priora‹): CAG 2, 1 (ed. M. Wallies); Alexander von Aphrodisias, Kommentar zu Aristoteles’ ›Topik‹ (›In Topica‹): CAG 2, 2 (ed. M. Wallies); Alexander von Aphrodisias, Kommentar zu Aristoteles’ ›De sensu‹ (›In de sensu‹): CAG 3, 1 (ed. P. Wendland);

13

  Origenes, Homilia 2 in Psalmum 76, 1 (GCS NF Origenes 13, p.  313, 1–315, 15 Perrone). 14   Ὥσπερ παρὰ τοῖς φιλοσοφοῦσι τὰ Ἑλλήνων ἔστι τινὰ προβλήματα, ἃ προτιθέασι τοῖς μέλλουσι μελετᾶν […], οὕτως ἔστι τινὰ καὶ τῆς γραφῆς προβλήματα. Origenes, Homilia 1 in Psalmum 77, 6 (GCS NF Orig. 13, p.  362, 17–363, 1 [Zitat; Text leicht korrigiert] Perrone). 15   Εὔλογόν ἐστι τὸν πίστιν ἔχοντα, οὐ τοσοῦτον διὰ τὰς γραφὰς ὅσον διὰ τὸν κόσμον καὶ τὴν τάξιν τὴν ἐν αὐτῷ, τὸν ποιήσαντα τὸν οὐρανὸν καὶτὴν γῆν καὶ τὰ ἐν αὐτοῖς […] ἥκειν, Origenes, Homilia 1 in Psalmum 77, 1 (GCS NF Orig. 13, p.  352, 3–353, 24, Zitat p.  352, 20–22 Perrone).

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Philosophie in der Kaiserzeit

Alexander von Aphrodisias, Kommentar zu Aristoteles’ ›Meteorologie‹ (›In Meteorolo­ gica‹): CAG 3, 1 (ed. M. Hayduck); Alexander von Aphrodisias, Kommentar zu Aristoteles’ ›Metaphysik‹ 1–5 (›In Metaphy­ sica‹): CAG 1 (ed. M. Hayduck); Aspasios, Kommentar zur Aristoteles’ ›Nikomachischer Ethik‹ (›In Ethica Nicomachea‹): CAG 19, 1 (ed. M. Heylbut). Im umfangreichen Werk Plutarchs folgen die Gesamtausgaben der zahlreichen kleinen Schriften, die seine ›Moralia‹ bilden, der Werkreihenfolge der Erstausgabe des Stephanus, deren Seitenangaben, wie bei Platon, durch a, b, c etc. geteilt sind und somit eine leichte Auffindbarkeit ermöglichen (vgl. im Quellenverzeichnis die Liste der in diesem Buch verwendeten Texte sowie die Übersicht bei Frazier, Plutarque de Chéronée, 1130– 1142). Die Parallelviten werden hingegen gegenüber der Erstausgabe häufig umgeordnet und werden daher im Quellenverzeichnis mit genauer Bandangabe der Edition zitiert. Für andere Mittelplatoniker liegen hingegen nur Fragmentensammlungen vor, die z. T. durch Neufunde zu ergänzen sind. Das gilt auch für die Sammlung der Fragmente ›kleinerer‹ Auto­ren, die von Marie-Luise Lakmann zusammengestellt wurden. Eine thematisch geordnete Sammlung, die auch viel späteres Material umgreift, ist ›Der Platonismus in der Antike‹ (begründet von H. Dörrie, fortgeführt von M. Baltes und Ch. Pietsch). Unter den stoischen Texten der Kaiserzeit, in denen man sich meist gut orientieren kann, werden die sogenannten ›Dialoge‹ Senecas gerne durchnummeriert zitiert: Dialogi 1: ›De provi­ dentia‹; 2: ›De constantia‹; 3–5: ›De ira‹ 1–3; 6: ›De consolatione ad Marciam‹; 7: ›De vita beata‹; 8: ›De otio‹; 9: ›De tranquillitate animi‹; 10: ›De brevitate vitae‹; 11: ›Ad Polybium de consolatione‹; 12: ›Ad Helviam de consolatione‹. Ferner kann die Benutzung des Sextos Empirikos für Probleme sorgen, werden hier doch zwei eigentlich unterschiedliche Werke, wie in diesem Band, gemeinsam als ›Ad­ versus mathematicos‹ zitiert, während manchmal auch andere Titel auftauchen (vgl. Bett, Sextus Empiricus, 217  f.). Die Werke Galens sind nur zum kleineren Teil kritisch ediert; die auf Griechisch erhaltenen Schriften finden sich sämtlich in der Edition von Karl Gottlob Kühn (20 Bände von 1821–1833), z. B. auf www.archive.org verfügbar. Die breite arabische Tradition ist noch immer nicht erschlossen. Einen Überblick über die verschiedenen Werke findet man bei http://cmg.bbaw.de/epubl/online/galges.html (Stand 27. 01. 2023). Nicht leicht fällt die Orientierung bei Philon von Alexandrien, dessen sechsbändige griechische Ausgabe durch Cohn und Wendland folgende Texte umfasst: I: ›De opificio mundi‹, ›Legum allegoriae‹, ›De cherubim‹, ›De sacrificiis Abelis et Caini‹, ›Quod deterius potiori insidiari solet‹; II: ›De posteritate Caini‹, ›De gigantibus‹, ›Quod Deus sit immutabilis‹, ›De agricultura‹, ›De plantatione‹, ›De ebrietate‹, ›De sobrietate‹, ›De confusione linguarum‹, ›De mi­ gra­tione Abrahami‹; III: ›Quis rerum divinarum haeres sit‹, ›De congressu eruditionis gratia‹, ›De fuga et in­ ventione‹, ›De somniis‹; IV: ›De Abrahamo‹, ›De Iosepho‹, ›De vita Moysis‹, ›De Decalogo‹; 708

Praktische Hinweise

V: ›De specialibus legibus‹, ›De fortitudine‹, ›De humanitate‹, ›De paenitentia‹, ›De no­ bilitate‹, ›De praemiis et poenis‹, ›De exsecrationibus‹; VI: ›Quod omnis probus liber sit‹, ›De vita contemplativa‹, ›De aeternitate mundi‹, ›In Flaccum‹, ›Legatio ad Gaium‹. Philons nur auf Armenisch überlieferte philosophische Texte sind bisher nur in der alten Edition ›Philonis Judaei Sermones tres hactenus inediti. I. et II. De providentia. et III. De animalibus, edidit J. B. Aucher‹ (Awgerian), Venetiis 1822, verfügbar, die immerhin über eine akzeptable lateinische Übersetzung verfügt. Als Einführung kann dienen A. Terian, A Critical Introduction to Philo’s Dialogues, in: ANRW 2, 21, 1 (1984), 272–294. Noch genauer ist zu ›Über die Vorsehung‹ L. Früchtel, in: L. Cohn u. a., Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung 7, Berlin 1964, 271–280. Die Schrift ›Ob Tiere denken können‹ (›De animalibus‹) wurde allerdings, wie in der Einleitung zu ›Über die Vorsehung‹ vermerkt, »ihrem Inhalt nach« (!) bei der Vervollständigung dieser Ausgabe übergangen, weswegen zu einer Erstinformation am ehesten die (sehr freie und stark interpretierende) Übersetzung in A. Terian, in: Philonis Alexandrini ›De animalibus‹. With an Introduction, Translation, and Commentary, Chico (California) 1981, herangezogen werden kann. Eine Neubearbeitung wäre sehr wünschenswert, müsste aber bei einer Neuedition des armenischen Textes ansetzen. Von den christlichen Autoren sind vor allem die Gnostiker nicht leicht zugänglich, da es hier keine Sammlungen der Fragmente und Testimonien gibt, so dass diese stets aus den Primärquellen zusammengesucht werden müssen. Diese finden sich, im Falle der Apologeten, meist in der Reihe ›Patristische Texte und Studien‹ kritisch ediert, während ›Hippolyt‹, Clemens und Origenes in der Reihe ›Die griechischen christlichen Schriftsteller‹ ediert worden sind. Da die älteren Bände der Reihe keine fortlaufende Zählung aufweisen, werden nur die Bände jeweils eines Autors durchgezählt.

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E. Die Philosophie in der Spätantike Konkurrenz und Konvergenz von neuplatonischem und christlichem Denken

I. Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche

Unter der Bezeichnung ›Spätantike‹ wird in der historischen Darstellung meistens die antike Welt ab etwa der Zeit seit den Reichsreformen Diokletians bzw. der beginnenden Christianisierung des Reiches unter Konstantin dem Großen verstanden; philososophiegeschichtlich gesehen lässt man die Spätantike meistens mit dem Beginn des Neuplatonismus bzw. mit dem Wirken Plotins beginnen. In dieser Darstellung wird der Beginn des Zeitraums gemäß dem genannten Schema angesetzt, aus noch näher zu erläuternden Gründen jedoch auch das Ende der philosophischen ›Spätantike‹ im engeren Sinn genauer fixiert. Denn nach der hier vertretenen Überzeugung lässt sich im Zeitraum vom Wirken Plotins um die Mitte des 3. Jahrhunderts (für hellenische Autoren) bzw. von Eusebios von Kaisareia und Laktanz (für christliche Autoren) bis etwa ins letzte Drittel des 5. Jahrhunderts eine geistige Physiognomie beobachten, die sich sowohl von der Kaiserzeit als auch von der späteren Zeit merklich unterscheidet. Denn in diese Zeit fallen einerseits die großen Autoren des antiken Neuplatonismus (Plotin, Porphyrios, Jamblich, Syrian, Proklos) und andererseits unter den Kirchenvätern die führenden Repräsentanten einer Haltung, welche eine grundsätzliche Einigkeit von Christentum und Platonismus teils sehr explizit betonen (Eusebios, die Kappadokier, Nemesios, Augustinus). Wenn sich auch nicht alle Zeitgenossen nahtlos in das somit einleuchtende Bild einer Dominanz des Platonismus einfügen – genannt seien von den Hellenen Themistios, von den Christen Lateiner wie Laktanz und Ambrosius sowie Orientalen wie Ephrem und Eznik von Kolb –, scheint doch die Idee, dass die Philosophie sich im Platonismus vervollkommne, eine typisches Merkmal des genannten Zeitraums zu sein, in dessen Sinne die Texte der einschlägigen Autoren die Philosophiegeschichte bis heute beeinflussen. Während die Abgrenzung der so definierten Spätantike von der ›­Ausgehenden Antike‹, die ich um 480 beginnen lasse, zu Beginn des folgenden Kapitels näher zu begründen ist, gilt es nun, das bereits umrissene, hier vertretene Verhältnis von ›Spätantike‹ anhand der modernen und der antiken Sichtweise kurz zu rechtfertigen, bevor einige Charakteristika der Epoche zusammengestellt ­werden können.

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Die Philosophie in der Spätantike

1. Der Neuplatonismus als Epoche in der philosophiegeschichtlichen Forschung Gut etabliert und weithin anerkannt ist die Betrachtung des Neuplatonismus seit Plotin als eine einheitliche, gegenüber der Kaiserzeit abzugrenzende Epoche der philosophischen Entwicklung.1 Sie findet sich, um nur zwei frühe Titel zu nennen, bereits in Eduard Zellers Darstellung der antiken Philosophie und dann in Karl Praechters Bearbeitung des Ueberweg von 1926. Beide begründen die Einteilung mit philosophisch-systematischen Elementen: Zeller stellt zunächst den Neuplatonismus als »ein umfassenderes System« als seine »eclectischen« Vorgänger dar und führt, als einen Kerngedanken des Neuplatonismus, »die Vereinigung mit der Gottheit als höchstes« Ziel auf Plotin zurück, »welcher diesen Gedanken auf seinen strengsten und abstraktesten Ausdruck gebracht hat«.2 Ähnlich schreibt Praechter, dass »der Neuplatonismus […] eine neue Form der Welterklärung« biete, welche »die Hauptgedanken der griechischen Philosophie sowie die Vorstellungen griechischer und orientalischer Religion in einem großartigen System zusammenfasst«, bevor er auf dessen Vertreter, zuvörderst Plotin, eingeht. Als besondere Akzentuierungen sieht er die Dynamik von Transzendenz auf der einen und kausaler Verursachung auf der anderen Seite, wozu er das Moment der die Vernunft transzendierenden »Ekstase« betont.3 Der klar wertende, ein philosophisches System dem Eklektizismus entgegenstellende Duktus dieser Ausführungen zeigt vor allem den Einfluss, den der Neuplatonismus-Begriff Hegels, für den der ›Neuplatonismus‹ nicht in erster Linie eine Epoche, sondern eine philosophische Position ist, auf die genannten Autoren ausübt: Es handle sich um einen »neuen Standpunkt« über »das Verhältnis des Menschen zu dem Wahren, zu Gott«, worin auch »die bloße Richtung des Subjekts auf sich selbst, auf seine Freiheit« aufgehoben, d. h. mit umfasst und mit gegeben sei. Somit kann Hegel den Neuplatonismus implizit als systematische Antwort auf den Gegensatz von »Dogmatismus« und »Skeptizismus« bezeichnen, als den er die hellenistische und kaiserzeitliche Philosophie darstellt,4 während Philon, 1   Sie entspricht auch einer verbreiteten Periodisierung der Geschichtsschreibung an sich, vgl. z. B. A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian. 284–565 n. Chr., München 22007, XIXf. und 587–608. 2   E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung 3, 2. Die nacharistotelische Philosophie, zweite Hälfte, Leipzig 31881 (= 41902), 468–486, Zitat 468 f. 3   K. Praechter, Die Philosophie des Altertums, Berlin 121926, 616 f. 4   G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie II. Plato bis Proklos, hrsg. von P. Garniron und W. Jaeschke, Hamburg 1996, 159–168, Zitat 164. In der Tradition des deutschen Idealismus sind mit ›Dogmatismus‹ und ›Skeptizismus‹ zwei gegensätzliche Typen von Philosophie gemeint, für die ein Ausgleich gesucht wird; Hegel leitet sie sogar direkt von der Philosophie-Darstellung des antiken Skeptizismus her: G. W. F. Hegel, Verhältniss des Skepticismus zur Philosophie. Darstellung seiner verschiedenen Modificationen, und Vergleichung des Neuesten mit dem Al-

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Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche

der Gnostizismus und die Kabbala ebenso wie »Die alexandrinische Schule«, d. h. Plotin und seine Nachfolger, zum Neuplatonismus gerechnet werden. Dieses systematisch geprägte und insofern ahistorische Neuplatonismus-Verständnis hat in den letzten Jahrzehnten zu einem gewissen Unbehagen geführt und dazu beigetragen, dass viele Darstellungen den Platonismus nicht zeitlich, sondern sachlich einteilen und von anderen Schulbildungen abgrenzen.5 So di­ stan­ziert sich Lloyd Gerson in der Einleitung zur von ihm herausgegebenen ›Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity‹ vom Schlagwort »Neuplatonismus«, da dieser deutschsprachige Terminus aus dem 18. Jahrhundert eine heute überholte Beschmutzung (»muddying«) des reinen Hellenismus bedeutet habe, und benutzt stattdessen »Platonismus«, »später Platonismus« oder »christlicher Platonismus«.6 Aus systematischen Blickwinkel wird die zentrale Stellung Plotins in der Beschreibung des Neuplatonismus neuerdings zumindest teilweise infrage gestellt, wenn entweder der Christ Origenes als erster Neuplatoniker angesetzt oder, mit ungleich mehr Gewicht, darauf hingewiesen wird, dass die Innovationen Plotins ohne das Œuvre des Alexander von Aphrodisias nicht voll verstanden werden können.7 In der deutschsprachigen Forschung wird hingegen nach wie vor die Einheit und Abgrenzbarkeit des Neuplatonismus anhand einer spezifischen Kombination von Annahmen betont, die sämtliche als Neuplatoniker zu bezeichnenden antiken Denker teilen.8

ten (1801), in: G. W. F. Hegel, Jenaer kritische Schriften, hrsg. von H. Buchner  /  O. Pöggeler, Hamburg 1968, 197–238, hier 214–219; vgl. z. B. T. Pierini  /  K. Vieweg, Skeptizismus, in: P. Cobben u. a. (Hrsg.), Hegel-Lexikon, Darmstadt 2006, 410–412, hier 410. 5   Zum Beispiel: W. L. Gombocz, Die Philosophie der ausgehenden Antike und des frühen Mittelalters, München 1997; P. Hadot, Qu’est-ce que la philosophie antique?, Paris 1996, 227–264; L. P. Gerson, General Introduction, in: L. P. Gerson (Hrsg.), The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity 1, Cambridge 2010, 1–12, hier 3 (mit einer expliziten Zurückweisung des Begriffs Neuplatonismus; vgl. M. Perkams, Einheit und Vielfalt der Philosophie. Von der Kaiserzeit bis zur Ausgehenden Antike, in: Ch. Riedweg (Hrsg), Philosophia in der Konkurrenz von Schulen, Wissenschaften und Religionen. Zur Pluralisierung des Philosophiebegriffs in Kaiserzeit und Spätantike. Akten der 17. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 16.–17. Oktober 2014 in Zürich, Berlin  /  Boston 2017, 3–31, hier 8 f.). 6   Vgl. Gerson, General Introduction, 3; Gombocz, Die Philosophie der ausgehenden Antike, 10. 7   Vgl. in diesem Sinn R. Chiaradonna  /  M. Rashed, Before and After the Commentators. An Exercise in Periodization, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 38 (2010), 251–297, v. a. 265–271. Zu Origenes vgl. oben S. 671  f., 680. 8   Jetzt wieder bei Ch. Horn, Überblick, in: GGPh 5, 2 (2018), 1249–1251.

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Die Philosophie in der Spätantike

2. Die Spätantike als Epoche in Quellen der Zeit Abgesehen von systematischen Kriterien kann Zweifeln am Sinn eines philosophischen Einschnitts bei Plotin auch sinnvoll entgegengehalten werden, dass nicht erst die neuzeitliche Forschung hier einen Neubeginn sieht, sondern dass es bereits antiker Tradition entspricht, mit Plotin einen neuen philosophiegeschichtlichen Abschnitt beginnen zu lassen.9 Drei typische Texte liefern auch bedeutsame ergänzende Argumente dafür, die neuplatonisch geprägte Spätantike als philosophische Epoche eigener Art, aber unter Beachtung ihres historischen und geistigen Kontextes zu behandeln.10 1. Am eindeutigsten ist vielleicht Proklos, der zu Beginn seiner ›Platonischen Theologie‹, nach einem generellen Lob Platons, auf die »Ausleger der platonischen Schau« (τῆς Πλατωνικῆς ἐποπτείας ἐξηγητὰς) verweist, die eine Platon »ähnliche göttliche Natur« besäßen. Hierzu nennt er zunächst Plotin mit seinen Schülern Porphyrios und Amelios sowie »gleich Standbildern, die für uns vervollkommnet sind«, Jamblich und Theodor von Asine, bei denen schließlich »der Führer zu allem Schönen und Guten nächst den Göttern«, Syrian, »das authentischste und reinste Licht der Wahrheit« empfangen habe.11 Proklos sieht sich also als Teil einer geschlossenen Kette bzw. ›Sukzession‹ von Philosophen an, die er als im Kern einige Garanten der Wahrheit betrachtet. Die Namen, die Proklos dabei nennt, stimmen genau mit denjenigen Autoren überein, die heute als Neuplatoniker betrachtet werden. Insofern bestätigt Proklos die Epochenabteilung Zellers und Praechters und stützt sie ebenso wie diese mit inhaltlichen Kriterien, auch wenn bei ihm eher die mystisch-religiöse als die philosophisch-systematische Bezugnahme auf die Wahrheit betont wird. 2. Auf einen ganz anderen Aspekt weist hingegen Longin in einem von Porphyrios überlieferten Fragment hin, das in den Jahren vor 270 entstanden zu sein scheint: Er kontrastiert diese Zeit mit seiner Jugend, d. h. dem 1. Drittel des 3. Jahrhunderts: Damals habe es eine Fülle von Philosophen verschiedener Richtungen gegeben, die auch Schriften verfasst hätten. Von allen diesen seien aber faktisch nur noch die Platoniker Plotin und Amelios übrig, die sich andererseits von sämtlichen Vorgängern abhöben: »Keine der Schriften des Numenios, Kronios, Moderatos oder Thrasyllos reicht auch nur von ferne an die Präzision der Arbeiten des Plotin« heran.12 Auch Longin und Porphyrios betonen also die philosophische 9

  Insofern lässt sich die Aussage »die Zeitgenossen selbst haben die Spätantike nicht als eigene Periode gesehen« (Demandt, Die Spätantike, 589), für die Philosophiegeschichte nicht ohne Einschränkungen halten. 10   Zu weiteren Zeugnissen, welche ihre platonische Ahnenreihe manchmal mit Ammonios Sakkas oder Numenios beginnen lassen, vgl. unten S. 743  f. Einige dieser Zeugnisse werden genannt von R. Goulet, in: R. Goulet  /  M. Zambon, Porphyre de Tyr. I. L’homme et l’œuvre, in: DPhA 5a (2012), 1290–1325, hier 1325. 11   Proclus, Theologia Platonica, 1, 1 (1, p.  6, 16–7, 7 Saffrey  /  Westerink) 12   Cassius Longinus, apud: Porphyrius, Vita Plotini 20, 17–81 (1, p.  24–26 Henry  /  Schwy-

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Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche

Ausnahmeleistung Plotins; der Vergleichspunkt sind für sie sowohl die herausragende Qualität seines philosophischen Schaffens als auch der Niedergang der übrigen hellenistisch-kaiserzeitlichen philosophischen Schulen bis zum 2. Drittel des 3. Jahrhunderts. Sie weisen damit auch auf eine offensichtlich historisch und sozial veränderte Situation hin, welche für die alleinige Dominanz des Neuplatonismus in der Folgezeit ausschlaggebend war. Die bei ihnen fehlenden Hinweise zu deren Ursachen werden in der modernen Forschung auf »die seit den Severern sich zuspitzende politische, militärische und wirtschaftliche Krisensituation des Imperiums« zurückgeführt, welche insgesamt zu einem »argen Niedergang« der Philosophie geführt habe. Diesem sei »eine – wenn auch bescheidene – Blüte« im 4. Jahrhundert gefolgt.13 Diese Beobachtungen machen deutlich, dass eine Darstellung der Philosophie des 4./5. Jahrhunderts nicht nur auf der Grundlage des neuplatonischen Systemanspruchs erfolgen kann, sondern die historischen, sozialen und geistigen Rahmenumstände mitbedenken muss. 3. Ein drittes wichtiges Zeugnis liefert Eunapios von Sardeis zu Beginn seiner Philosophenviten: Er beschreibt eine »dritte Reihe von Männern« aus der Philosophie, die mit Plotin beginnt und bis zu seiner Zeit durch ihn gekennzeichnet ist: »Die Altäre dieses Plotin sind noch jetzt warm, und seine Schriften sind nicht nur den Gebildeten mehr als die platonischen Werke zur Hand, sondern auch die breite Masse wendet sich ihnen zu, auch wenn sie die Dogmen missversteht«.14

Dieses Zitat setzt eine Einteilung der Philosophiegeschichte in drei Epochen voraus, von denen die erste, die Porphyrios’ (heute verlorene) ›Philosophiegeschichte‹ beschreibe, bis Platon reiche und die zweite den sehr vielfältigen Zeitraum bis Plotin umfasst.15 Dieser verzweigten und mannigfaltigen, wenn auch zum Teil ruhmreichen Epoche, die wir als Hellenismus und Kaiserzeit zusammengefasst haben, stellt Eunap die einheitliche Philosophie-Tradition seit Plotin gegenüber, die er als Anknüpfung an die Periode Platons sieht. Ihre Einheit erfährt diese Zeit im Wesentlichen durch die Gründergestalt Plotins, die nicht zuletzt in zer2); zitiert und übersetzt von H. Dörrie  /  M. Baltes, Der Platonismus im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus 3: Bausteine 73–100. Text, Übersetzung und Kommentar, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, 8–13, Zitat 13, leicht geändert. 13   J. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 1989, 31 (1. Zitat); Dörrie  /  Baltes, Der Platonismus 3, 140–144 (folgende Zitate). Vgl. zu Details dieser Situation unten S. 727–729. 14   Τριτὴ δὲ ἀνδρῶν ἐγένετο φορά. […] Τούτου Πλωτίνου θερμοὶ βωμοὶ νῦν, καὶ τὰ βίβλια οὐ μόνον τοῖς πεπαιδευμένοις διὰ χειρὸς ὑπὲρ τοὺς Πλατωνικοὺς λόγους, ἀλλὰ καὶ τὸ πολὺ πλῆθος, ἐὰν τι παρακούσῃ δογμάτων, ἐς αὐτὰ κάμπτεται. Eunapius, Vitae sophistarum 2, 6; 3, 3 (5, 5. 24–6, 3 Giangrande). Übersetzung in Anlehnung an M. Becker. 15   Vgl. Eunapius, Vitae sophistarum 2, 1 f. (2, 14–23 Giangrande). Zur Interpretation vgl. M. Becker, Eunapios aus Sardes. Biographien über Philosophen und Sophisten. Einleitung, Übersetzung und Kommentar, Stuttgart 2013, 41–48.

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Die Philosophie in der Spätantike

ihren Schriften zu Eunaps Zeit überall verbreitet und, wie die »warmen Altäre« suggerieren, noch immer wirksam sei. Diese Formulierung weist auf einen bisher vernachlässigten Aspekt hin: Nicht nur »die Gebildeten« – das heißt für Eunap die Angehörigen der griechischsprachigen Bildungselite aus Philosophen, Rhetoren und Medizinern im Ostteil des Reiches16 – beziehen sich auf Plotin, sondern seine Texte werden in der »breiten Masse« gelesen. In erster Linie können wir hinter diesem abschätzigen Ausdruck zwei Gruppen vermuten, welche nach Eunaps Meinung zwar Lesekompetenz besitzen, Plotin aber nicht zu würdigen in der Lage sind: einerseits die Christen, andererseits die (nicht nur christlichen) Autoren im lateinischen Westen. Insofern stellt sich hier die Frage, inwieweit sich das von Eunap Gesagte in der Tat auf diese ausdehnen lässt.

3. Grundlinien spätantiker Philosophie bei Christen und Lateinern Die Christen lassen sich schon deswegen aus einer Behandlung der Spätantike nicht ausgrenzen, weil weiterhin nicht wenige von ihnen dezidiert den Anspruch vertreten, die wahre Philosophie zu repräsentieren. Dies geschieht um 300 sowohl bei Eusebios im Osten als auch bei Laktanz im Westen in sehr entschiedener Weise, so dass das Ende der Verfolgungen und die Legalisierung der christlichen Religion unter Konstantin, welche einen tiefen Einschnitt in die Geschichte des antiken Christentums darstellen, auch einen Neuanfang im Verhältnis zur Philosophie beinhalten. Hierfür spricht schon der sozialgeschichtliche Aspekt, dass der kaiserzeitliche Typus des christlichen Philosophielehrers mit Origenes im Grunde verschwinde. Alle bedeutenden Persönlichkeiten des 4. und 5. Jahrhunderts bekommen demgegenüber entweder als Bischöfe früher oder später auch (kirchen-) politisch exponierte Stellungen oder sie leben ein als ›Philosophie‹ verstandenes Mönchstum. Es entwickeln sich also – indem die Christen politische Macht erhalten oder sich ganz aus der Gesellschaft zurückziehen – christliche Rollen von ›Philosophen‹, die es so bisher noch nicht gegeben hat.17 Abgesehen von der inhaltlichen Parallelität zum Neuplatonismus, welche durch die schon genannte platoni16

  Vgl. zu dem Kollektiv gebildeter Hellenen, das Eunap beschreiben will, Becker, Euna­ pios aus Sardes, 39–41. Becker, ebd. 173, interpretiert den Begriff an dieser Stelle enger als ich. 17   Ähnlich äußern sich z. B. W. Löhr, Christianity as Philosophy. Problems and Perspectives of an Ancient Intellectual Project, in: Vigiliae Christianae 64 (2010), 160–188, hier, 184–186; G. Karamanolis, The Philosophy of Early Christianity, London  /  New York 2013, 27. C. Moreschini, Storia del pensiero cristiano tardo-antico, Milano 2013, behandelt fast alle in diesem Kapitel behandelten christlichen Denker unter den Titeln »Il Platonismo greco nel quarto e quinto secolo« und »Il platonismo cristiano d’occidente« und rechnet lediglich Eusebios der Schule des Origenes zu.

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sche bzw. platonisierende Neigung vieler Kirchenväter des 4. und 5. Jahrhunderts gegeben ist, besteht also auch im Anspruch, ›Philosophie‹ zu treiben, nach wie vor eine Parallelität zur hellenisch-römischen Entwicklung.18 In dieser Hinsicht muss auf Eusebios von Kaisareia besonders hingewiesen werden: Wenn er in seiner ›Vorbereitung des Evangeliums‹ (›Praeparatio evangelica‹) nicht nur Platon, sondern auch Numenios, Plotin und Porphyrios zitiert, um zu zeigen, dass das Richtige an ihren Einsichten im Christentum vollendet wird, gibt er eine Richtung vor, der, mit unterschiedlicher Intensität und Einstellung, praktisch alle philosophisch interessierten Christen der nächsten 180 Jahre folgen: Die sogenannten ›kappadokischen Kirchenväter‹ formulieren das in den innerkirchlichen Streitigkeiten siegreiche und deswegen ›orthodoxe‹ Christentum so aus, dass der christliche Aufstieg zu Gott gedanklich wie literarisch in Entsprechung zum neuplatonischen Weg beschrieben wird. Der bedeutendste Denker von ihnen, Gregor von Nyssa, schreibt mit ›Über die Seele und die Auferstehung‹ (›De anima et resurrectione‹) eine Art christlichen ›Phaidon‹, in dem seine Schwester Makrina als philosophische Lehrerin auftritt – ein einzigartiges Dokument der philosophischen Klugheit einer antiken Frau.19 Seine monastischen Werke tragen dazu bei, das Philosophie-Ideal der Christen ins Mönchstum zu verlagern. Für die Zielgruppe rational eingestellter Mönche macht Evagrios Pontikos die aristotelisch-platonische Einteilung der Philosophie geradezu zur Definition des Christentums. Im 5. Jahrhundert benutzen Theodoret von Kyrrhos und Kyrill von Alexandrien Aussagen Platons, Plotins und anderer Philosophen, um die Voraussetzungen ihrer hellenischen Adressaten und Gegner infrage zu stellen und christlich zu überbieten.20 Alle diese Autoren sind sich zwar der vom Platonismus abweichenden christlichen Grundannahmen bewusst, z. B. der Trinität, der Menschwerdung und der Schöpfung aus dem Nichts, bis hin zur Selbstaussage Gottes, der »Seiende« zu sein (›Exodus‹ 3, 14), welche der neuplatonischen Beschreibung Gottes als über-seiendes Eines prima facie widerspricht.21 Diese werden jedoch auch häufig mit Platon, Plotin und Porphyrios harmonisiert, soweit das unter christlichen Prämissen vertretbar scheint, wobei nicht selten eher das Verbindende als das Trennende betont wird.22

18   Von diesen behandelt E. von Ivanka, Plato Christianus. Übernahme und Umgestaltung des Platonismus durch die Väter, Einsiedeln 1964, 151–222, vor allem Gregor von Nyssa und Augustinus. 19   Vgl. unten S. 740. 20   Vgl. die pointierte Darstellung der unterschiedlichen Herangehensweisen des Theodoret und des Proklos an Platon bei N. Siniossoglou, Plato and Theodoret. The Christian Appropriation of Platonic Philosophy and the Hellenic Intellectual Resistance, Cambridge 2008, 22 f. 21   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 9, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  24, 3 Mras). 22   Diese Aussage gilt natürlich nicht ohne Ausnahmen, vgl. etwa das zu Epiphanios von Salamis Gesagte.

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Die Philosophie in der Spätantike

Bei den Lateinern hat das Philosophieideal weiterhin im Allgemeinen weniger Erfolg als im Osten, und nach Laktanz schließt sich erst der junge Augustinus an dessen Vorstellung einer Vereinigung von Philosophie und Religion an. Trotzdem ist die Rezeption Platons, Plotins und des Porphyrios sowohl bei Anhängern der alten Religion als auch bei christlichen Autoren in der Spätantike erstaunlich verbreitet: Calcidius und Macrobius unterscheiden sich darin grundsätzlich nicht von Marius Victorinus und Ambrosius, welche in unterschiedlicher Weise die Theorien der Platoniker ins Lateinische übertragen. Vor allem ist es aber Augustinus, der die gleichen Schriften mal als »Bücher der Platoniker«, mal als »einige Bücher Plotins« bezeichnet23 und damit einer ähnlichen Plotin-Zentriertheit Ausdruck verleiht wie der Hellene Eunap. Augustinus’ Verhältnis zum Platonismus ist differenzierter und mehr Veränderungen unterworfen als bei den griechischen Auto­ ren. Jedoch prägt er, durchaus auch im Kontrast mit der eigenwilligen Erbsündenund Gnadenlehre, die er nach und nach entwickelt, die westliche Denktradition kaum weniger im platonischen Sinne als seine östlichen Zeitgenossen.24 Eine gemeinsame Behandlung von spätantikem Platonismus und Christentum ist ferner geboten, weil zwischen beiden Richtungen eine dauernde Interaktion stattfindet. Nicht nur sind die Kirchenväter der Zeit ohne den Neuplatonismus nicht zu verstehen, sondern auch dieser befindet sich in stetem Kontakt mit dem Christentum: Christen und Gnostiker sind bereits in der Schule Plotins anwesend, und Letztere werden von ihm bekämpft.25 Ähnlich verhält es sich mit dem Platoniker Alexander von Lykopolis und den Manichäern, die er als Vertreter einer »christlichen Philosophie« ansieht.26 Porphyrios’ eigene Polemik gegen die Christen kann als Reaktion auf die Wahrnehmung einer intellektuellen Bedrohung schon Mitte des 3. Jahrhunderts gelesen werden.27 Die antichristliche Stoßrichtung vieler Anhänger Jamblichs führt zur Konversion Kaiser Julians und (nicht nur bei ihm) zu einer Restaurationspolitik antiker Kulte.28 Auch für die spätere Zeit ist u. a. durch Aufschlüsselung versteckter Hinweise inzwischen gezeigt worden,29 dass die Neuplatoniker das Christentum wahrnehmen und hierauf reagieren. 23

  S. unten S. 871, 885  f.   Der Vergleich der »Platonismen« bei den Kappadokiern und bei Augustinus hat immer wieder das Interesse der Forschung geweckt, z. B. bei von Ivanka, Plato Christianus, 211 f.; H. Dörrie, Gregor III (Gregor von Nyssa), in: RAC 12 (1983), 863–895, hier, 887 f. 25   Porphyrius, Vita Plotini 16, 1–12 (p.  19 Henry  /  Schwyzer2). Vgl. zur reichen Diskussion um diese Frage z. B. M. Tardieu, Les Gnostiques dans la ›Vie de Plotin‹, in: L. Brisson u. a. (Hrsg.), Porphyre, La ›Vie de Plotin‹, Bd.  1–2, Paris 1992, 2, 503–563. 26   Alexander Lycopolitanus, Contra Manichaei opiniones 1 f. (p.  2, 10–22 Brinkmann). 27   Vgl. M. Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹. Neue Sammlung der Fragmente, Testimonien und Dubia mit Einleitung, Übersetzung und Anmerkungen von M. Becker, Berlin  /  Boston 2016, 62–70. 28   Vgl. z. B. das von Eunap zum vicarius Asiae Iustus Gesagte: Vitae sophistarum 23 (p.  96, 19–15), sowie Becker, Eunapios aus Sardes, 556 f. Zur antichristlichen Stoßrichtung von Jamblichs Programm s. unten S. 773  f. 29   S. unten S. 773, 1005. 24

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Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche

4. Stichpunkte zur Besonderheit der Epoche Auf der Grundlage dieser Gedanken können nun einige Grundzüge der Situation der Philosophie in der Spätantike zusammengefasst werden, die eine gemeinsame Behandlung in einem eigenen Kapitel sinnvoll erscheinen lassen, aber einige Details weiter ausführen: 1.  Zentral ist der ausdrücklich platonische Charakter der Philosophie der Zeit. Nicht nur für die Neuplatoniker, sondern auch für die wichtigsten christlichen Auto­ren sind Platon sowie, teils genauso deutlich betont, Plotin als Schöpfer eines neuen Platonismus der wichtigste philosophische Referenzpunkt. Bezüge auf andere Richtungen und Autoren sind demgegenüber sekundär, wobei Aristoteles (v. a. in der Logik) und die Stoiker (v. a. in den Anfangsgründen der Ethik) relativ klar definierte Funktionen ausfüllen, die aber keineswegs immer offen anerkannt werden. Andere Bezüge, v. a. zu Epikur und den Vorsokratikern, sind eher punktuell wichtig. Neben Neuplatonikern und Christen sind im 4. Jahrhundert nur noch Kyniker und einzelne Aristoteliker (Themistios) greifbar.30 2.  Dieser inhaltlichen Ausrichtung entspricht eine besonders enge Verbindung von Philosophie und dem Ideal eines ›Aufstiegs‹ zur göttlichen, transzendenten ersten Ursache, welche die Platoniker als das Eine, die Christen als Gott beschreiben. Zentrale Interessen fast aller Autoren der Zeit betreffen die erkenntnistheoretischen Grenzen der Rede über diese Ursache sowie die Frage, wie man diese in Richtung auf eine Vereinigung überwindet. 3.  Dieses Denken von der ersten Ursache her leistet einer hierarchischen Systematisierung Vorschub, bei der möglichst die Welt und der Bereich des Geistigen von ihrem Bezug zur ersten Ursache in allen ihren Elementen her gedeutet werden. Folglich zielt die philosophische Arbeit in der Regel auf ein Systemdenken ab, in dessen Rahmen die Untersuchung von Einzelproblemen dort erfolgt, wo sie auftreten. Ein grundsätzliches Durchdenken z. B. von erkenntnistheoretischen Grundfragen ist eher selten. 4.  Für die philosophisch Arbeitenden der Epoche ist der Bezug zur Religion von entscheidender Bedeutung, und die denkerische Arbeit sowie die Ausgestaltung der Systeme werden auf sie bezogen. Insofern gibt es eine strukturelle Parallelität zwischen der interpretatio philosophica der griechisch-römischen und ägyptischen Götter sowie der allegorischen Auslegung philosophischer und anderer griechischer Schriften mit der philosophischen Deutung biblischer Aussagen, für die ebenfalls allegorische Methoden benutzt werden. 5.  Die politische Aktivität der Philosophen erreicht mit Kaiser Julian einen Höhepunkt, ist aber im Allgemeinen rückläufig; bis nach 400 ist sie aber bei Themistios, Hypatia, Synesios und anderen noch zu erkennen. Nachdem sich unter Julian der politische Einfluss der Philosophie zu einem beispiellosen Höhepunkt aufschwingt, geht er im Anschluss aber zunehmend an christliche Bischöfe über. 30

  Ch. Tornau, in: Plotin, Ausgewählte Schriften, Stuttgart 2001, 7.

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Die Philosophie in der Spätantike

5. Zum Forschungsstand und den Zielen der Untersuchung Aus dem Gesagten ergeben sich auch die leitenden Fragen nach dem Verständnis des Ideals der ›Philosophie‹ in der Spätantike, das zu den umstrittensten Punkten der Epoche gehört, sowie auch, unter Berücksichtigung des Forschungsstandes, weitere Gesichtspunkte, die für die folgende Darstellung wichtig sind. Grundsätzlich kann die Darstellung auf einen gut entwickelten Forschungsstand aufbauen. Die neuplatonische Richtung ist in den letzten Jahrzehnten in einer nie gekannten Gründlichkeit untersucht worden: Nicht nur zu Plotin und Proklos, sondern auch zu kleineren Autoren und zum Schulzusammenhang gibt es hervorragende Editionen und Untersuchungen. Die Erforschung der Kirchenväter hat ebenfalls in den letzten Jahrzehnten eine gewisse Wendung zu deren Verhältnis zur Philosophie genommen, das vor allem davon profitiert, dass man nicht mehr durchweg von einem ursprünglichen Gegensatz von Christentum und Heidentum ausgeht, sondern die Vertreter beider Richtungen als Menschen eines Bildungskosmos zu verstehen lernt. Claudio Moreschinis ausführliche Überblicksdarstellung, der von Christoph Riedweg und anderen herausgegebene SpätantikeBand des ›Ueberweg‹ sowie die einschlägige Monographie von Johannes Zachhuber31 setzen hier neue Maßstäbe. Zu vielen Autoren, inklusive dem ­Syrer Ephrem,32 liegen neuere Studien vor, welche wesentliche Beiträge zur Erforschung ihrer Haltung zur Philosophie und ihrer philosophischen Leistungen, jedenfalls auf einzelnen Gebieten, liefern. Allerdings hat die philosophische Erforschung der spätantiken Kirchenväter gerade in systematischer Hinsicht noch nicht die Breite der Erforschung der Neuplatoniker erreicht. Während Augustinus insgesamt gut erforscht ist, gilt das für die griechischen Autoren schon weniger. Selbst für Gregor von Nyssa, zu dem es mancherlei Studien gibt, ist es nicht ganz einfach, sich ein Bild von seinen philosophischen Positionen zu machen, und bei einem so wichtigen Autor wie Nemesios von Emesa ist sogar seine Datierung unklar. Die nach wie vor verbreitete, auch durch Disziplinenunterschiede bedingte isolierte Erforschung platonischer Denker einerseits und christlicher Autoren andererseits bedeutet insgesamt eine gewisse Einseitigkeit der Forschung. Diese fällt auf, wenn Historiker aus den verschiedenen Quellengattungen ein übergreifendes Bild entwerfen, selbst wenn mögliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Quellen z. T. eher konstruiert denn belegt werden;33 mit der breit angelegten Studie von Udo Hartmann liegt jetzt eine zuverlässige und gründliche historische

31   J. Zachhuber, The Rise of Christian Theology and the End of Ancient Metaphysics. Patristic Philosophy from the Cappadocian Fathers to John of Damascus, Oxford 2020. 32   Namentlich U. Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts in the Writings of Ephrem the Syrian, Löwen 1999. 33   So häufig bei E. J. Watts, City and School in Late Antique Athens and Alexandria, Berkeley u. a. 2006.

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Die ›Spätantike‹ im engeren Sinn: Zusammenhang der Epoche

Übersichtsdarstellung der spätantiken Philosophie vor.34 Bei ihrer Lektüre wird deutlich, dass eine Herangehensweise, die den Horizont ihrer Zeit von vornherein einbezieht und nicht relativ unilateral der Eigendarstellung einer Quelle folgt oder nur die Bezüge einzelner Texte zur eigenen Tradition beachtet, zu einem besseren Verständnis vieler Entwicklungen führen kann. Ein Beispiel aus der Philosophie für eine sehr eingeschränkte Herangehensweise ist etwa die Behauptung, es sei »sehr unwahrscheinlich«, dass Proklos’ ausführliche Diskussion zur Ewigkeit der Welt um christliche Thesen gehe35 – obwohl dies doch bei einem Autor, der in einem überwiegend christlichen Umfeld lebt und bekanntermaßen gerne in Andeutungen über seine christlichen Zeitgenossen spricht, eher zu beweisen wäre als ein christlicher Einfluss. Unter ähnlichen Problemen leidet traditionell die sehr innerchristlich vorgehende Erforschung der Patristik, doch nimmt hier die Beachtung der philosophischen Bezüge in letzter Zeit deutlich zu. Als Leitlinie für eine Untersuchung zum Verständnis von Philosophie in der Spätantike soll daher auch im Folgenden versucht werden, die Einheit der Epoche über die verschiedenen Quellengattungen im Auge zu behalten. Vor diesem Hintergrund gilt es zu prüfen, inwieweit der offensichtlich den meisten Hellenen und Christen gemeinsame Bezug auf Philosophen wie Platon, Plotin und Porphyrios, aber auch z. B. Aristoteles und die Stoiker, tatsächlich zu einer gewissen Einheit des Philosophieverständnisses der Zeit führt. In dieser Frage besteht einerseits ein gewisses Forschungsdefizit, andererseits aber gibt es gravierende Meinungsverschiedenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Das Forschungsdefizit besteht im Fehlen von Einzelstudien zum Philosophiebegriff verschiedener Autoren, doch sind die Studien von G. Catapano zu Augustinus, G. Madec zu Ambrosius und von A.-M. Malingrey zum Philosophiebegriff vieler spätantiker Kirchenväter, die insbesondere die vielen Verwendungsweisen dieses Begriffs aufzeichnet, sehr hilfreich.36 Für viele andere, vor allem platonische Autoren gibt es vergleichbare Studien aber nicht, und ein gemeinsamer Blick auf die verschiedenen Zugänge fehlt ebenfalls, da Malingrey erstaunlicherweise ihren Durchgang durch nicht-christliche Quellen weitgehend bei Epikur enden lässt. Die gravierende Meinungsverschiedenheit, die auch das Philosophieverständnis berührt, betrifft die grundsätzliche Frage nach der Einheit der Epoche. Einige moderne Autoren betonen hierzu das Trennende und halten z. B. fest, »das Christentum und den spätantiken Platonismus« trennten auch in der Spätantike »in 34

  U. Hartmann, Der spätantike Philosoph. Die Lebenswelten der paganen Gelehrten und ihre hagiographische Ausarbeitung in den Philosophenviten von Porphyrius bis Damaskios, Bd.  1–3, Bonn 2018. 35   Vgl. C. Luna  /  A.-Ph. Segonds, Proclus de Lycie, in: DPhA 5b (2012), 1546–1657, hier 1622 f. 36   Vgl. A.-M. Malingrey, Philosophia. Étude d’un groupe de mots dans la littérature grecque, des Présocratiques au IVe s. après J.-C., Paris 1961; G. Catapano, Il concetto di filosofia nei primi scritti di Agostino. Analisi dei passi metafilosofici dal ›Contra Academicos‹ al ›De vera religione‹, Rom 2001; G. Madec, Saint Ambroise et la philosophie, Paris 1974.

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Die Philosophie in der Spätantike

ihren Grundanschauungen tiefe Gräben«.37 Andere Narrative heben die Gemeinsamkeit pointiert hervor: So nimmt Werner Beierwaltes, z. B. für Marius Victorinus, die Möglichkeit einer »geglückten Symbiose von platonischen und christlichen Gedanken« an.38 Eine neuere Darstellung findet den »eigentümlichen Charakter der spätantiken Philosophie« in der »Einheit der paganen und der christlichen Philosophie« wieder, die »in ihrer zweifachen Form je auf ihre Weise eine Philosophie der Innerlichkeit« darstelle, was an der »gemeinsamen Grundlage« im »Denken der natürlichen Vernunft« liege.39 Die Komplexität derartiger Behauptungen ergibt sich häufig aus einer Vermischung historischer Beobachtungen mit grundsätzlichen Verhältnisbestimmungen von Christentum und Platonismus. So meint z. B. Heinrich Dörrie auf der sachlichen Ebene, dass eine Verbindung von Platonismus und Christentum aufgrund ihres prinzipiellen Unterschieds gar nicht möglich sei, weswegen christliche ›Platonismen‹ in der Spätantike allein der Werbung für ein klar definiertes, nicht platonisches Dogma gedient hätten.40 Auf der historischen Ebene gesteht er aber durchaus zu, Gregor von Nyssa habe »dem damaligen Bildungserbe soviel an Positivem wie nur irgend möglich« entnehmen wollen.41 Demgegenüber unterscheidet Claudio Moreschini, der Dörries Position ausführlich referiert, die historische Wandelbarkeit sowohl von Christentum als auch von Platonismus in der Antike von deren kategorischem Gegensatz aus heutiger Sicht.42 Diese These lässt sich auch noch kategorischer fassen: Auf wissenschaftlicher Ebene kann eine Entscheidung, was wahres bzw. ›orthodoxes‹ Christentum und was ›wahrer‹ Platonismus ist, schlechthin nicht getroffen werden. Es lassen sich lediglich aktuelle oder historische Konzeptionen, die sich zu diesen Phänomenen rechnen, auf ihre Begründungsstruktur, ihre gegenseitigen Einflüsse und ihre inhaltlichen Differenzen hin untersuchen. Auf der historischen Ebene kann die Prüfung solch konträrer Behauptungen ferner nicht in so einfachen Feststellungen bestehen wie, dass es beträchtliche systematische Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen Neuplatonikern und 37

  Vgl. C. Scholten, Verändert sich Gott, wenn er die Welt erschafft? Eine Auseinandersetzung der Kirchenväter mit einem philosophischen Dogma, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 43 (2000), 25–43, hier 25; im selben Sinne jüngst Siniossoglou, Plato and Theodoret, z. B. 237 f., sowie, in Bezug auf Gregor von Nyssa, Dörrie, Gregor III, 883–893. 38   W. Beierwaltes, Platonismus im Christentum, Frankfurt 32014, 20. 39   Vgl. Th. Kobusch, Selbstwerdung und Personalität. Spätantike Philosophie und ihr Einfluss auf die Moderne, Tübingen 2018, 8 f., der stark die subkutan weiterwirkenden stoischen Momente im spätantiken Denken betont; ähnlich H.-G. Gadamer, Die Gegenwartsbedeutung der griechischen Philosophie, in: H.-G. Gadamer, Hermeneutische Entwürfe, Tübingen 2000, 97–111, hier 98. 40   Vgl. H. Dörrie, Die andere Theologie. Wie stellen die frühchristliche Theologie des 2.–4. Jahrhunderts ihren Lesern die ›Griechische Weisheit‹ (= den Platonismus) dar?, in: Theologie und Philosophie 56 (1981), 1–46. 41   Vgl. Dörrie, Gregor III, 886. 42   Vgl. Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 749–754.

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Christen gegeben habe; oder dass diese sich auf dieselben Texte bezogen bzw. diese ganz unterschiedlich behandelt hätten. Derartige allgemeine Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind in den Quellen offensichtlich und werden von den Autoren auch klar geäußert. Sie sind also eher Ausgangspunkte der Fragestellung als Gegenstand der Untersuchung. Entscheidend ist vielmehr, die Motive hinter diesen Thesen und Vorgehensweisen herauszuarbeiten, zum Beispiel Hinweise zu der Frage zu sammeln, ob die gemeinsame Berufung auf die Philosophie und auf Platon bei den verschiedenen Autoren intrinsisch motiviert ist, z. B. durch Bewunderung für den Autor oder ein Zurückgehörigkeitsgefühl zur antiken Kultur, oder ob es sich – wie es etwa Christian Gnilka für die Rede der Kirchenväter von der Chrēsis betont43 – lediglich um eine Benutzung für bestimmte Zwecke handelt, etwa diejenige platonischer Texte zur Entfaltung eines Systems, das im Wesentlichen der Stabilität der eigenen Gruppe dient. Diese Frage stellt sich keineswegs nur für die Christen, bei denen eine gewisse Distanz zur philosophischen Tradition inklusive Platon klar ist, sondern durchaus auch für die Neuplatoniker, die ihrerseits Platon und andere Philosophen mit ganz unterschiedlichen, teils auch religiösen oder vorgeblich religiösen Traditionen wie den ›Chaldäischen Orakeln‹ oder orphischen Gedichten zu harmonisieren trachten. In jedem Fall betonen sowohl Christen als auch Platoniker (und auch Rhetoren, Astronomen und Mediziner), dass sie keineswegs die gesamte philosophische Tradition um ihrer selbst willen lesen, sondern etwa aristotelische Logik und stoisch-epikureische Ethik nur für übergeordnete Zielsetzungen verwenden, etwa für die ethische Grundlegung oder eine wissenschaftlich-methodische Ausbildung. Die bildungs- und philosophiegeschichtliche Bedeutung dieser Prozesse, die sich zum Teil auf einer eigenen Ebene bewegen, stellt einen wichtigen Aspekt des Gesamtbildes dar. Vor diesem Hintergrund gilt es in diesem Kapitel, die folgenden Gesichtspunkte im Auge zu behalten: a)  In philosophischen Inhalten: Wie verbreitet ist im Allgemeinen der Bezug auf Platon und andere Philosophen überhaupt? Wie geschieht dieser Rückbezug auf ihn und andere philosophische Autoren bei Neuplatonikern einerseits und Christen andererseits? Wie verhält sich das Ermitteln des Textsinns zu bereits bestehenden systemimmanenten Vorgaben? b)  In der Art und Weise des philosophischen Vorgehens: In welcher Weise wird jeweils philosophisch gearbeitet? Welche literarischen Formen mit welchen argumentationstechnischen Folgen werden verwendet? Unterscheidet sich das Vorgehen von Neuplatonikern und Christen in prinzipieller Weise? c)  Wie wird die Philosophie in ihren Definitionen und Einteilungen beschrieben? Wirkt hierbei die platonische Perspektive vereinheitlichend? d)  Welche Rolle spielen methodische Fragen, insbesondere Logik bzw. Dialektik, für die Bedeutung der Philosophie insgesamt in bestimmten Bezügen?

43

  Vgl. dazu die Bemerkungen in der Einleitungen zu diesem Band, oben S. 21  f.

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Die Philosophie in der Spätantike

e)  In den Bezügen der Philosophie zu den Wissenschaften, vor allem der Rhetorik, einerseits, und zur Religion andererseits: Gibt es hierbei grundlegend unter­ schiedliche Strategien oder überwiegen die Gemeinsamkeiten? Hierbei sind so unterschiedliche Fragen zu bedenken wie die Dominanz religiöser Erwägungen für viele Geltungsschemata der Zeit oder die Frage nach der Bedeutung von ­Logik und Mathematik für das philosophische Vorgehen.

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II. Die historische Situation der Spätantike und die Rolle der Philosophie

1. Die historische Situation im 4./5. Jahrhundert Der Übergang von der Kaiserzeit zur Spätantike in der Philosophiegeschichte fällt historisch mit einer Kette von Ereignissen zusammen, die in der Forschung traditionell als Krise des Römischen Reiches gewertet wird: Zunehmender äußerer Druck und innere Auseinandersetzungen tragen zu einer Destabilisierung der Institutionen bei, die sich durch einen raschen Wechsel der Kaiser im 3. Jahrhundert zunehmend verstärkt. Neuerdings werden auch klimatische Veränderungen sowie zwei Pandemien, die um 170 und um 250 große Teile des Römischen Reiches betreffen, mit für dessen Destabilisierung verantwortlich gemacht.1 Derartige Ereignisse führen zu einem gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsverlust, zu hoher Steuerlast und in der Folge auch zu einem gewissen Niedergang des kulturellen Lebens, der auch die geistige Tätigkeit, darunter die Philosophie, umfasst. So lässt sich parallel zum Verschwinden vieler Philosophenschulen auch ein allgemeiner Rückgang geistiger Aktivität feststellen. Er betrifft sowohl Abschreibe­aktivi­tät, die sich in wenigeren und weniger differenzierten Papyrusfunden äußert,2 als auch die Abfassung nichtchristlicher Literatur im Ganzen, jedenfalls im lateinischen Sprachraum.3 Auf wissenschaftlichem Gebiet finden die traditionellen Formen der juristischen Fachliteratur im frühen 3. Jahrhundert genauso wenig eine Fortsetzung wie die aristotelischen und stoischen Philosophenschulen.4 Die Veränderungen der philosophischen Landschaft im dritten Jahrhundert steht also in einem Kontext breiterer Umwälzungen, die man möglicherweise als eine fundamentale Krise der antiken Bildungswelt bezeichnen darf.5 1

  Vgl. K. Harper, Fatum. Das Klima und der Untergang des römischen Reiches, München 2020 (engl. 2017), 151–223. 2   Vgl. G. Cavallo, Conservazione e perdita dei testi greci. Fattori materiali, sociali, culturali, in: A. Giardina (Hrsg.), Società romana e impero tardoantico 4. Tradizione dei classici, trasformazioni della cultura, Rom  /  Bari 1986, 83–172, hier. 246–271, v. a. 88–107. 3   Vgl. L. J. Engels  /  H. Hoffmann, Literatur und Gesellschaft in der Spätantike. Texte, Kommunikation und Überlieferung, in: L. J. Engels  /  H. Hoffmann (Hrsg.), Spätantike. Mit einem Panorama der byzantinischen Literatur, Wiesbaden 1997, 29–88, hier 29–33. 4   Zum Versiegen juristischer Fachliteratur in der Severerzeit vgl. F. Wieacker, Römische Rechtsgeschichte 2. Die Jurisprudenz vom frühen Prinzipat bis zum Ausgang der Antike im weströmischen Reich und die oströmische Rechtswissenschaft. Ein Fragment, München 2006, 156 f. 5   Vgl. hierzu die einleuchtende und ausgewogene Einschätzung von Wieacker, Römische Rechtsgeschichte 2, 149–152.

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Die Philosophie in der Spätantike

Die Krisen betreffen die Zentren philosophischer Lehrtätigkeit in Griechenland, Syrien und Ägypten auch physisch und haben Folgen für deren Lehrbetrieb, ohne dass die einzelnen Ereignisse genauer beschrieben werden könnten. Bekannt sind immerhin der Aufbau des Palmyrener Reiches durch Königin Zenobia, in dem der Platoniker Longin wirkt, und seine Niederwerfung durch Kaiser Aurelian 272 oder die Plündererungszüge der Heruler im kleinasiatisch-ägäischen Raum 267.6 Insofern ist das Ende dieser Schulen, soweit sie für uns fassbar sind, sicherlich nicht ausschließlich durch innerphilosophische Gründe erklärbar, z. B. dass die aristotelische Metaphysik nicht alle Leistungen der platonischen erbracht habe. Plausibel, aber kaum zu beweisen ist jedenfalls die Annahme, dass Ereignisse wie Kriege und Epidemien Positionen Vorschub leisten, die, wie Christentum und Platonismus, eine transzendente Glückskonzeptionen vertreten,7 während sie die Idee eines glücklichen Lebens durch eigene Anstrengung, wie sie Epikureer und Stoiker lehren, eher infrage stellen. Die allgemeine Situation im Römischen Reich8 stabilisiert sich unter den Kaisern Diokletian (reg. 284–305) und Konstantin (reg. 306–337): Diokletian stellt durch eine Verwaltungsreform und eine Aufgabenteilung der Inhaber des Kaiseramtes eine grundsätzliche Kontinuität und Stabilität der Herrschaft wieder her, lässt aber auch die inzwischen sehr zahlreichen Christen scharf verfolgen. Unter seinen Nachfolgern setzt sich schließlich Konstantin durch, der im Gegenzug das Christentum zur erlaubten und sogar zur staatstragenden Religion macht. Mit diesen Entwicklungen treten einerseits wieder geordnete Verhältnisse ein, die einen erneuten Aufschwung der wissenschaftlichen und Bildungsaktivitäten ermöglichen, was sich für die Philosophie vor allem an der Festigung der neuplatonischen Schule durch das Wirken des Jamblich, aber auch an der Arbeit christlicher Autoren wie Eusebios und Laktanz zeigt, die schon vor der Legalisierung des Christentums 312 einen neuen Aufschwung nimmt. Andererseits verändert sich das geistige Gesamtklima, so dass das Christentum zur dominanten Strömung der Zeit wird und die hellenische Tradition zunehmend in die Defensive gerät, wobei auch immer wieder mit einem gewaltsamen Vorgehen christlicher Gruppen, z. B. zur Zerstörung von Tempeln, zu rechnen ist.9 Diese Tendenz wird durch den hellenischen Restaurationsversuch des philosophisch beratenen Kai6   Eine detaillierte Darstellung findet sich z. B. bei Demandt, Die Spätantike, 34–46. Die Darstellung bei K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus zu Konstantin, München 42002, 600–702, gibt vor allem einen Überblick über die Ereignisgeschichte. 7   Für das Christentum und seinen Aufschwung im 3. Jahrhundert wird diese Überlegung explizit angestellt von Harper, Fatum, 231–235. 8   Für Details zu diesem Abschnitt sind historische Überblicksdarstellungen zu konsultieren, von denen Demandt, Die Spätantike, grundsätzlich empfohlen werden kann. Hier finden sich nicht nur ereignisgeschichtliche Abrisse, sondern auch die Wirtschafts-, Bildungs- und Religionsgeschichte wird in eigenen Kapiteln behandelt. 9   Vgl. hierzu die Überblicksdarstellungen bei Demandt, Die Spätantike, 414–430 (Hellenen) sowie 437–455 (Christentum). Sehr empfehlenswert zur Geschichte der Polytheis-

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sers Julian (reg. 361–363), eines Enkels Konstantins, der sich unter dem Einfluss von Philosophen aus der Schule Jamblichs zur alten Religion und zur platonischen Philosophie bekehrt, kurzfristig unterbrochen. Das rasche Scheitern dieses Versuchs durch Julians Tod dürfte allerdings für eine weitere Beschleunigung der Marginalisierung der Hellenen gesorgt haben. Im 5. Jahrhundert, in dem das Reich dauerhaft in Ost- und Westreich getrennt wird, spielen sie an vielen Orten bereits eine politisch relativ marginale Rolle, und zwar besonders im Westen des Reiches, der aufgrund äußerer Angriffe zunehmend instabil wird, bis 476 das weströmische Kaisertum erlischt und den germanisch dominierten Reichen der Ausgehenden Antike Platz macht. Dagegen bleiben die Verhältnisse im Ostreich bis Anfang des 7. Jahrhunderts, dem Zeitraum der persischen Besetzung und der arabischen Eroberung, im Grunde stabil.

2. Philosophie und Philosophen in der Gesellschaft Verbreitung von Philosophie und philosophischem Unterricht Entgegen der weiten Verbreitung philosophischer Lehrer verschiedener Richtungen in der Kaiserzeit sind ab dem späten 3. Jahrhundert selbst im griechischsprachigen Bereich fast nur noch platonisch orientierte Philosophielehrer bezeugt, die auch nur in bestimmten Gegenden langfristig präsent sowie durch enge LehrerSchüler- sowie familiäre Abstammungsverhältnisse verbunden sind. Daneben gibt es auch noch Kyniker10 und vereinzelte peripatetisch beeinflusste Philosophen wie Themistios und Nonius Marcellus.11 Zwar sind die Quellen zweifelsohne unvollständig, zumal der wichtige Eunap sich weitestgehend auf Anhänger Jamblichs in Kleinasien beschränkt,12 und viele Persönlichkeiten, z. B. Olympos in Alexandrien, keine derartige Schulzugehörigkeit im engeren Sinne zu besitzen scheinen. 13 Aber in Anbetracht der Tatsache, dass christliche Quellen, gewiss rhetorisch übersteigert, behaupten, die Philosophen seien selten und die Philosophie habe sich im Christen vollendet,14 oder sie seien überwunden und ihre Bücher, außer bei den

ten seit Konstantin ist auch P. Chuvin, Chronique des derniers paiens. La disparition du paganisme dans l’Empire romain, du règne de Constantin à celui de Justinien, Paris 1990. 10   Vgl. die Belege im entsprechenden Kapitel, unten S. 790  f. 11   S. oben S. 559 und unten S.  786–790. 12   Vgl. R. J. Penella, Greek Philosophers and Sophists, Leeds 1990, 134–141; Becker, Eunapius aus Sardes, 36–38. 13   Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1608–1613. 14   Augustinus, Contra Academicos 3, 42 (CCL 29, p.  60, 1–19 Green). Die hier anscheinend vorausgesetzte Vollendung des Platonismus im Christentum passt durchaus zu Figuren wie Simplicianus oder Flavius Mallius Theodorus, die wohl die einzigen Platoniker sind,

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Christen, verschwunden,15 kann man jedenfalls für das 5. Jahrhundert – also die Zeit nach den Verfolgungen nach Julians Tod – kaum voraussetzen, dass auch nur an den größeren Orten überall noch professionelle Philosophen präsent sind.16 Einen kontinuierlichen Unterricht in Philosophie gibt es jedoch sicherlich in wichtigen Zentren des griechischsprachigen Gebiets, zum Beispiel in Konstantinopel, wo Themistios, wohl in den Spuren seines Vaters Eugenios und seines Großvaters, bis gegen Ende des 4. Jahrhunderts wirkt. 425 richtet Kaiser Theodosios hier unter anderem einen philosophischen Lehrstuhl ein.17 Im wohlhabenden Alexandrien ist ebenfalls von kontinuierlicher philosophischer Lehre auszugehen: Zwar fehlen konkrete Zeugnisse zwischen ca. 260 (der Platoniker Origenes) und ca. 360, wenn ein gewisser Antoninus, Schüler der Sosipatra, der Mathematiker Theon – welcher der Philosophie eher ein Interesse aus der Perspektive seiner Wissenschaft entgegenbringt – und seine Tochter Hypatia als philosophische Lehrer bezeugt sind.18 Das ermächtigt aber kaum zu dem Schluss, in diesem Bildungszentrum der antiken Welt habe es im Jahrhundert zuvor keinerlei philosophischen Unterricht gegeben.19 Nach Hypatias Tod um 415 treten vor allem die von Jamblich beeinflussten Lehrer Hierokles und Hermeias hervor, die spätestens in den 480er Jahren durch einen Kreis um Horapollon abgelöst werden, aus dem Hermeias’ Sohn Ammonios als führender Lehrer hervorgeht.20 Die Schule Jamblichs im syrischen Apameia wird nach dessen Tod um 325 (?)21 von seinem Nachfol-

die Augustinus persönlich kennenlernen kann; vgl. M. Erler, Plato, Platonici, in: Augustinus-Lexikon 4 (2016), 755–762, hier 757. 15   Ioannes Chrysostomus, De S.  Babyla contra Iulianum 2 (PG 50, col. 536 f.). 16   Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1589 f. 17   Vgl. J. Schamp  /  R. B. Todd  /  J. Watt, Thémistios, in: DPhA 6 (2016), 885–900; zu den theodosianischen Lehrstühlen vgl. Codex Theodosianus 14, 9, 3 (787, 18 Mommsen  /  Krüger) sowie dazu Schamp  /  Todd  /  Watt, Thémistios, 893. 18   Vgl. Eunapius, Vitae sophistarum 6, 9–11 (35, 25–40, 19 Giangrande); Becker, Eunapios aus Sardes, 323–352; J. Feke, Théon, d’Alexandrie, in: DPhA 6 (2016), 1008–1016, hier 1008, 1013; H. D. Saffrey, Hypatie d’Alexandrie, in: DPhA 3 (2000), 814–817, der zu Recht zurückhaltend gegenüber einer engen Verbindung von Antoninus und Hypatia ist. 19   Vgl. Watts, City and Schools, 144–155, für einen Einblick in die Vielfalt des alexandrinischen Bildungswesens. Eine detaillierte Auflistung der aus Alexandrien bekannten Philosophen des 4./5. Jahrhunderts gibt W. Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, in: Kyrill von Alexandrien, Werke. Erster Band. ›Gegen Julian‹, Teil 1: Buch 1–5. Herausgegeben von Ch. Riedweg. Mit einer allgemeinen Einleitung von Ch. Riedweg  /  W. Kinzig (GCS NF 20), Berlin  /  Boston 2016, CIX–CLXXV, hier – CXLIX–CLIII. 20   Zu Hierokles vgl. I. Hadot, Hiéroclès d’Alexandrie, in: DPhA 3 (2000), 690–701, v. a. 690–692; zu Hermeias R. Goulet, Hermeias d’Alexandrie, in: DPhA 3 (2000), 639–641; M. Perkams, Hermias von Alexandrien, in: GGPh 5, 3 (2018), 2002–2004. Zu Horapollon s. unten S. 947–954, 974  f. 21   Zum Todesdatum Jamblichs vgl. J. Dillon, Iamblichos de Chalcis, in: DPhA 3 (2000), 824–836, hier 829.

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ger Aidesios nach Pergamon verlegt,22 während Sopater (der Jüngere), vielleicht ebenfalls ein Schüler Jamblichs, wohl noch 363 in Apameia lebt (und Philosophie lehrt?).23 Für kleinasiatische Städte wie Pergamon, Sardeis und Ephesos ist philosophischer Unterricht in der Tradition Jamblichs durch Eunap jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte bezeugt,24 scheint sich aber um 400 weitgehend auf Sardeis zu beschränken.25 Von Philosophen, die noch in Syrien leben, erfahren wir vor allem in den Berichten des Ammianus Marcellinus und anderer über die Verfolgungen hellenischer Intellektueller unter Kaiser Valens, vor allem in den Jahren 371–372, die sich auch auf Kleinasien erstrecken und wesentlich zum Niedergang der dortigen Philosophenschulen beitragen dürften.26 Seit den 350er oder 360er Jahren entwickelt sich, wohl in der Nachfolge des Priskos, der seine Ausbildung beim Jamblich-Schüler Aidesios in Pergamon erhalten hat, sowie Jamblichs des Jüngeren, eines Enkels des älteren Sopater, ein neuer Schwerpunkt in Athen.27 Er wird von dem reichen Bürger Plutarch zu einer institutionalisierten Schule ausgebaut, die bis Ende der hier zu behandelnden Periode unter der Leitung von Plutarch selbst, Syrian und Proklos floriert.28 Im Westen ist in den Quellen vor allem die Schule Plotins in Rom fassbar, die in griechischer Sprache arbeitet, aber mit seinem Tod 270 offenbar recht rasch zu Ende geht.29 Danach gibt es keine belastbaren Hinweise auf einen institutionalisierten Philosophieunterricht im Westen, dessen fehlende Bildungstraditionen bei Platonikern des griechisch-sprachigen Raumes eine Abneigung hervorrufen.30 22

  Laut Eunapius, Vitae sophistarum, 6, 1 (17, 8 f. Giangrande), ist Aidesios der direkte Nachfolger Jamblichs, doch ist das im Detail nicht abzusichern. Vgl. D. O’Meara, Platono­ polis. Platonic Political Philosophy in Late Antiquity, Oxford 2003, 17; Becker, Eunapios aus Sardes, 244. 23   Vgl. O’Meara, Platonopolis, 18; R. Goulet, Sopatros d’Apamée, in: DPhA 6 (2016), 464–466. 24   Durch die Darstellungen in Eunapius, Vitae sophistarum 6, 1–8, 2; 23 (17, 8–59, 4; 90, 21–101, 13 Giangrande). 25   Vgl. Eunapius, Vitae sophistarum 24 (101, 17–21 Giangrande) und dazu Becker, Euna­ pios aus Sardes, 48. 26   Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1569–1590, mit Zitation und Interpretation der einschlägigen Belege. 27   Vgl. J. Bouffartigue, Iamblichos d’Apamée, in: DPhA 3 (2000), 823 f.; O’Meara, Platonopolis, 19 f. 28   Die besten Darstellungen dieser Schule finden sich bei H. D. Saffrey  /  L. G. Westerink, in: Proclus, ›Théologie Platonicienne‹ 1. Texte établi et traduit par H. D. Saffrey  /  L. G. Westerink, Paris 1968, XXVI–LIV; A.-Ph. Segonds  /  C. Luna, Plutarque d’Athènes, in: DPhA 5b (2012), 1076–1090; vgl. ferner M. Di Branco, La città dei filosofi. Storia di Atene da Marco Aurelio a Giustiniano. Con un’appendice su ›Atene immaginaria‹ nella letteratura bizantina, Florenz 2006, 115–157; Watts, City and Schools, 79–110, mit interessanten Überlegungen zur politischen Situation der Schule. 29   Zu den Angehörigen der Schule zusammenfassend O’Meara, Platonopolis, 14–16; zu ihrem Ende Goulet  /  Zambon, Porphyre de Tyr, 1295. 30   Fassbar vor allem bei Eunapios, vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 48–51.

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Ein jüngst angeführter Beleg für philosophische Schulen im wandalischen Nordafrika31 kann nicht als Gegenbeispiel dienen: Salvianus von Marseille erwähnt »Schulen der freien Künste und Schreibstuben der Philosophen« lediglich für die historische Stadt Karthago als das Ebenbild Roms im insgesamt verworfenen Afrika, nicht unbedingt für die eigene Zeit.32 Allerdings bewundern auch im Westen gebildete Menschen wie der Senator Vettius Agorius Praetextatus, die Albini-Brüder, die Christen Simplicianus33 und Flavius Mallius Theodorus34 sowie Macrobius, dessen Sohn und Enkel den Beinamen Plotinus tragen, die neuplatonische Philosophie und rezipieren sie in verschiedenen Werken.35 Da die unbefriedigende Bildungssituation im Westen wohl auch auf das Schwinden griechischer Sprachkenntnisse zurückgeht,36 entfalten solche gebildeten Lateiner eine beachtliche Übersetzungsaktivität: Vom Organon übersetzt wohl bereits Victorinus Porphyrios’ ›Eisagoge‹ sowie Aristoteles’ ›Kategorien‹ und ›Hermeneutik‹ und erläutert die aristotelischen Werke teilweise unter Hinzufügung von Übersichten zu den Syllogismen und zur Topik.37 Ein Kreis um den Senator Vettius Agorius Praetexta­ tus sowie die Albini-Brüder übertragen etwas später Paraphrasen des Themistios zum Organon, enden aber ebenfalls mit der ›Hermeneutik‹.38 Marius Victorinus übersetzt auch Schriften Platons (?) sowie von Plotin und Porphyrios, so wie es auch der wohl zeitlich frühere Calcidius für den ›Timaios‹ getan hat. Derartige Übersetzungen beeinflussen ebenso wie Ciceros ›Hortensius‹ z. B. den jungen ­Augustinus, der keinen Philosophieunterricht erhält.39 Damit deuten sich Entwicklungen jenseits der Philosophenschulen an, die auch in der griechischen Welt Parallelen haben dürften: Philosophie wird im Rhetorikund Medizinunterricht sowie unter Umständen in christlichen Schulkontexten gelehrt, wofür sich im Osten Basileios und im Westen Augustinus aussprechen.40 31

  Vgl. S.  Grebe, Martianus Capella, ›De nuptiis philologiae et Mercurii‹. Darstellung der sieben freien Künste und ihrer Beziehungen zueinander, Stuttgart  /  Leipzig 1999, 18 f. 32   Salvianus Massiliensis, De gubernatione dei 7, 67 f. (2, p.  478, 21–18 Lagarrigue); der Kontext macht klar, dass es um das vergangene bzw. ideale Karthago geht: Romanis arcibus SEMPER aemula … Carthaginem dico … quae … universa penitus, quibus in toto mundo disciplina rei publicae vel procuratur vel regitur, in se HABUIT. … Illic artium liberalium scolae, illic officinae philosophorum. 33   Vgl. E. Berman, Simplicianus de Milan, in: DPhA 6 (2016), 322–340. 34   Belege bei M. Kahlos, Theodorus (Flavius Mallius -), in: DPhA 6 (2016), 985 f. 35   Vgl. z. B. M. Kahlos, Praetextatus (Vettius Agorius -), in: DPhA 5b (2012), 1506–1508; P. P. Fuentes González, Macrobius (Ambrosius Theodosius -), in: DPhA 4 (2005), 227–242, hier 232 f., zu Macrobius’ Nachkommen; zu Albinus z. B. auch Cassiodorus, De artibus 5 (PL 70, col. 1212C), Weiteres unten S. 873, 900. 36   Vgl. J. Lössl, Julian von Aeclanum. Studien zu seinem Leben, seinem Werk, seiner Lehre und seiner Überlieferung, Leiden u. a. 2001, 74 f., Anm.  8. 37   Cassiodorus, Institutiones 2, 18 (128, 14–129, 5 Mynors). Vgl. unten S. 870  f. 38   Vgl. unten S.  873  f. 39   S. unten S.  885  f. 40   Vgl. z. B. Lössl, Julian von Aeclanum, 80–84.

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Auch im syrischen Edessa scheint die Philosophie in einer christlichen Schule gelehrt zu werden.41 Alle diese Aktivitäten weisen auf die Verschiebung des Philosophie-Verständnisses von einer Weltanschauung hin zu einer Fachdisziplin voraus, die uns aber erst in der Ausgehenden Antike als zusammenhängendes Phänomen zugänglich ist.

Ansehen der Philosophie und die soziale Rolle der Philosophen Stellung in der Gesellschaft42 Die deutlich rückläufige Verbreitung der philosophischen Lehre bedeutet nicht, dass sich die Struktur der Schulen selbst ändert. So bleibt die Unterscheidung eines engeren Kreises fortgeschrittener Schüler bzw. Gefährten (ἑταῖροι), die den Meister in der Lehre unterstützen, und eines weiteren Hörerkreises auch in der Spätantike bei Philosophen und Rhetoren bestehen; Beispiele sind die Schülerschaft des Porphyrios bei Plotin und des Proklos bei Plutarch von Athen und ­Syrian.43 Auch das Philosophie-Ideal behält grundsätzlich seine Ausstrahlungskraft, und politische Wirkungsmöglichkeiten bleiben den Philosophen erhalten, auch wenn gegenläufige Tendenzen erkennbar sind. Für den erreichbaren politischen Einfluss der Philosophen sind Kaiser Julian und sein Umfeld zweifellos das eindrucksvollste Beispiel,44 zu dem sich weitere hinzufügen lassen: Während Plotin eher eine weltabgewandte Lebensweise unterstützt und wohl nur punktuell gewisse Kontakte zu Kaiser Galienus unterhält,45 nimmt sein Konkurrent Longin am Hof der Zenobia in Palmyra eine recht hohe Position ein und wird nach ihrer Niederlage gegen Aurelian deswegen hingerichtet.46 Die Schule Jamblichs bemüht sich aktiver um politischen Einfluss, sowohl am Hof von Konstantins Gegner Licinius als auch an dessen eigenem Hof, wo namentlich Sopater (der Ältere), aber auch andere Philosophen als Berater aktiv sind.47 Sein Kollege Eustathios reist in kai41

  S. unten S. 945, 1088.   Vgl. hierzu R. von Haehling, Heiden im griechischen Osten des 5. Jahrhunderts n. Chr., in: Römische Quartalsschrift 77 (1982), 52–85. 43   Vgl. z. B. Porphyrius, Vita Plotini 4, 1–14 (1, p.  5 Henry  /  Schwyzer2); Marinus, Proclus 12, 1–26 (p.  14 f. Saffrey  /  Segonds); für Jamblich Eunapius, Vitae sophistarum 5, 1, 4 f. (11, 10–17 Giangrande); allgemein Watts, City and School, 51–53, 100 f. 44   Vgl. hierzu im Detail Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1501–1556, sowie unten S. 737, 773, 775, 779. 45   Porphyrius, Vita Plotini 12, 1–3 (1, p.  16 Henry  /  Schwyzer2). Vgl. O’Meara, Platonopolis, 15 f.; Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1439–1446. 46   Historia Augusta Vita Aureliani 30, 3; Zosimus, Historia nova 1, 56, 2 (1, p.  48, 15–17 Paschoud). Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1446 f. 47   Eunapius, Vitae sophistarum, 6, 2, 1–11 (18, 14–20 Giangrande). Vgl. O’Meara, Pla42

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Die Philosophie in der Spätantike

serlichem Auftrag als Diplomat an den persischen Königshof.48 Den Höhepunkt erreicht das politische Engagement der Neuplatoniker aber naturgemäß unter Kaiser Julian, dessen hellenische Restaurationsbemühungen von seinem Lehrer Maximos von Ephesos maßgeblich angeregt werden, der den jungen Kaiser später, ebenso wie der Athener Philosoph Priskos, direkt an seinem Hof begleitet und berät.49 Demgegenüber weigert sich sein Kollege Chrysanthios trotz direkter Aufforderung, unmittelbar zu Julian zu stoßen, und verhält sich in der Folge als hellenischer Oberpriester von Lydien moderat.50 Die Tradition philosophischer Reden vor den inzwischen meist christlichen Kaisern ist bis nach 400 durchaus lebendig, wie die überlieferten Texte und erläuternden Zeugnisse vom damaligen Caesar Julian vor Constantius, von Themistios vor fast allen Kaisern der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts und von Synesios vor Kaiser Arcadius zeigen.51 Auch Themistios’ durchgehender politischer Einfluss unter christlichen Kaisern, zum Beispiel als Leiter des Konstantinopeler Stadtsenats,52 zeigt den Rang, den Philosophen durchaus noch erreichen können, ist aber auch der Kompromissfähigkeit des Themistios geschuldet, der ihn der Jamblich-Schule eher suspekt zu machen scheint.53 Die Bedeutung von Philosophen auf regionaler Ebene im 4. Jahrhundert zeigt sich daran, dass sie gelegentlich zur Vertretung eigener Anliegen an den Kaiserhof gesandt werden – wo sich ein nicht näher bekannter Iphikles, nachdem er den Auftrag einmal unwillig übernommen hat, allerdings mit fatalen Folgen missliebig macht.54

tonopolis, 17; Goulet, Sopatros d’Apamée, 459–463, hier 460–462. Zu diesen Aktivitäten vgl. zusammenfassend Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1448–1480. 48   Eunapius, Vitae sophistarum 6, 5, 1–10 (25, 5–27, 10 Giangrande); dazu Becker, Eunapius aus Sardes, 252–261, 278–285. Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1491–1497. 49   Eunapius, Vitae sophistarum 7, 3, 9–7, 4, 17 (47, 8–51, 3 Giangrande). Vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 377–397; Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1539–1542 und 1550– 1555; Ch. Riedweg, Kaiser Julian, in: GGPh 5, 2 (2018), 1396–1408, hier 1397 f. 50   Eunapius, Vitae sophistarum 6, 1, 4 f. ( 18, 3–10 Giangrande); vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 545 f. 51   P. Brown, Macht und Rhetorik in der Spätantike. Der Weg zu einem »christlichen Imperium«, München 1995, 84–94; St. Schorn, Legitimation und Sicherung von Herrschaft durch Kritik am Kaiser. Zum sogenannten ›Zweiten Panegyrikos‹ Julians an Kaiser Constantius (or. 2 [3] Bidez), in: Th. Baier (Hrsg.), Die Legitimation von Einzelherrschaft im Kontext der Generationenthematik, Berlin 2008, 243–274; zu Synesios vgl. M. Schramm, Neuplatonische politische Philosophie in der Rede ›Περὶ βασιλείας‹ des Synesios von Kyrene, in: Elenchos 38 (2017), 151–177. 52  Vgl. W. Stegemann, Themistios, in: RE 5A, 2 (1934), 1642–1680, hier 1644–1647; Schamp  /  Todd  /  Watt, Thémistios, 850–900, hier 885. 53   Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1480–1489. 54   Ammianus Marcellinus, Res gestae 30, 5, 8–10. Vgl. Brown, Power and Persuasion in Late Antiquity. Towards a Christian Empire, Madison, Wisconsin 1992, 65; zur Identifikation Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1590 f.

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Für das spätere 5. Jahrhundert gibt es allenfalls noch gelegentliche Zeugnisse dafür, dass Philosophen in Räten55 mitwirken sowie im Umfeld hochgestellter Persönlichkeiten aktiv sind. Ein recht spätes Beispiel ist Saloustios, mit dem Marcellinus, der militärisch erfolgreiche magister Dalmatiae von 454–468, regelmäßig verkehrt.56 Im Allgemeinen scheint aber der politische Einfluss der Philosophen bei den Kaisern zu dieser Zeit bereits deutlich eingeschränkt zu sein, zumal christliche Bischöfe in diesem Umfeld beratend aktiv sind.57 Ansonsten bieten sich den Philosophen im 5. Jahrhundert nur bescheidene Möglichkeiten gesellschaftlichen Wirkens, z. B. für Proklos im Senat seiner inzwischen zur Provinzstadt abgesunkenen Wirkungsstätte Athen;58 bezeichnenderweise überträgt dieser die politische Repräsentanz seiner Schüler dem Plutarch-Nachkommen Archiadas, der über entsprechende Beziehungen verfügt.59 Als Reaktion auf die mildtätigen Werke der Christen wird man es deuten müssen,60 wenn Philosophen sich sozial einsetzen, indem sie zum Beispiel Waisenkinder aufnehmen61 und bedürftigen Menschen helfen.62 Ihre bedeutendste Wirkung entfalten die Philosophen der Spätantike als symbolische Repräsentanten und sachliche Verteidiger der bedrängten hellenisch-römischen Kultur und Religion zu einer Zeit, in der pagane religiöse Handlungen rasch mit Verboten verfolgt werden.63 In dieser Hinsicht bietet das insbesondere von Jamblich ausgearbeitete Gedankengebäude eine Legitimation verschiedener Götterkulte zu einer Zeit, in der diese ihre öffentliche Funktion zusehends verlieren. Wenn das Ansehen der Philosophen schon bei einigen Christen hoch ist und ihr Unterricht Zulauf von dieser Seite genießt,64 muss man mit einer erheblichen Wirkung auf nichtchristliche Kreise rechnen. Beispiele für philosophisch motivierten Widerstand sind aber die Ausnahme: Ein Philosoph namens Olymp(i)os führt kurz nach 390 den vergeblichen Widerstand der hellenischen Bürger Alexandriens gegen die Zerstörung des Serapeions, eines Tempelkomplexes in Alexandrien von hoher symbolischer Bedeutung, durch die Christen an.65 Sein Scheitern markiert 55

  Marinus, Proclus 15, 1–10 (p.  17 Saffrey  /  Segonds).   Damascius, Vita Isidori, epit. 91 f.; frg.  *153–159 (132, 1–134, 3; 131, 12–133, 14 Zintzen). Vgl. Chuvin, Chronique des derniers païens, 124; Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1622–1625. 57   S. unten S. 875  f. zu Ambrosius. 58   Vgl. Chuvin, Chronique des derniers païens, 106–108. 59   Marinus, Proclus 14, 19–27 (p.  17 Saffrey  /  Segonds). Zur inhaltlichen Grundlage s. unten S. 775. 60   Vgl. Von Haehling, Heiden im griechischen Osten, 78–80. 61   Porphyrius, Vita Plotini 9, 5–9 (1, p.  13 Henry  /  Schwyzer2). 62   Damascius, Vita Isidori, frg.  *124 (Aidesia); frg.  226 (Maras) (105, 18–107, 2; 189, 9–23 Zintzen). 63   Vgl. zur Gesamtsituation Demandt, Die Spätantike, 416–422. 64   Socrates, Historia ecclesiastica 7, 15, 1–3 (GCS NF 1, p.  360, 19–28 Hansen); Agathias, Historiae 5, 30 (80, 9 f Keydell). 65   Vgl. St. Diebler, Olympios ou Olympos, in: DPhA 4 (2005), 772 f.; Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1604–1614. 56

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das Ende einer offen sichtbaren Präsenz der Anhänger der alten Kultur in hellenischen Städten. In Anbetracht dieser Entwicklung tritt im 5. Jahrhundert teilweise eine Tendenz zur zurückgezogenen Lebensweise an die Stelle des politischen Gestaltungswillens der Philosophen.66 Sie beruht wohl nicht nur auf dem kontemplativen neuplatonischen Philosophieideal, sondern auch auf Konflikten mit der christlichen Umwelt, denen die Athener Schule des Plutarch wohl nur durch ihre gute gesellschaftliche Vernetzung sowie eine Beschränkung einiger Lehraktivitäten auf den inneren Zirkel entgeht.67 Die Schärfe antiphilosophischer Einstellungen, die in der Epoche nicht nur unter Christen um sich greift, zeigt sich unter anderem daran, dass zu dem schon aus älteren Quellen bekannten Spott über die Philosophen68 eine negative Polemik hinzutritt, die Philosophen als »echte Zauberer, Sophisten, von Stolz Verblendete und Giftmischer«69 hinstellt (γνήσιοι γόητες καὶ σοφισταὶ καὶ τετυφωμένοι καὶ φαρμακεῖς). Wesentlich bedrohlicher ist es aber, dass Philosophen seit Ende des 4. Jahrhunderts immer wieder, von öffentlichen Stellen wie von christlichen Gewalttätern, entweder verbannt beziehungsweise vertrieben, 70 verhaftet71 oder sogar getötet werden.72 Relativ klar dokumentiert sind Fälle wie die Sopaters des Älteren, der in hoher Funktion aufgrund einer Hofintrige getötet wird,73 sowie der Hypatia, die neben ihrer philosophischen Lehrtätigkeit den Alexandriner Präfekten Orestes wohl auch berät und im Zusammenhang mit dessen Rivalität mit Bischof Kyrill von Alexandrien von christlichen Mönchen umgebracht wird. Der Historiker Ammianus Marcellinus berichtet, wie schon erwähnt, von einer ganzen Reihe von Philosophen, die entweder aufgrund persönlicher Vergehen oder aufgrund (angeblicher) Verschwörungen nach dem Ende von Julians Herrschaft getötet werden, und lobt ihre Standhaftigkeit, die ihrer traditionellen Rolle entspricht,74 Diese Tötungen müssen nicht unbedingt, wie der 80 Jahre spätere Be66   Isidor: Damascius, Vita Isidori, frg.  *34; epit. 38 (33, 6–11; 64, 1–5 Zintzen). Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1615–1637. 67   Vgl. hierzu die aufschlussreiche Darstellung bei Watts, City and Schools, 79–110. 68   Damascius, Vita Isidori, epit. 77 = frg.  126 (108, 9 f.; 109, 3–5 Zintzen). 69   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 16, 197e–198a (2, 1, p.  166 Rochefort); Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 13–20, 4 Kugener) zu Asklepiodot; dazu R. Goulet, Asclé­ piodote d’Alexandrie, in: DPhA 1 (1994), 626–631, hier 629 f. 70   Proklos: Marinus, Proclus 15, 19–25 (p.  18 Saffrey  /  Segonds); Marinos: Damascius, Vita Isidori, epit. 277 (304, 18 f. Zintzen). 71   Hierokles: Damascius, Vita Isidori, frg.  106 (83, 5–9 Zintzen). 72   Vgl. hierzu z. B. den Bericht des hellenischen Historikers Zosimus, Historia nova 4, 14 f. (2, p.  275, 4–276, 23 Paschoud). 73   Eunapius, Vitae sophistarum 6, 2, 1–11 (18, 14–20, 22 Giangrande); Zosimus, Historia nova 2, 40, 3 (1, p.  112, 11–13 Paschoud); Sozomenus, Historia ecclesiastica 1, 5, 1 (GCS NF 4, p.  13, 11 f.); vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 252–261; O’Meara, Platonopolis, 17. 74   Ammianus Marcellinus, Res gestae 14, 9, 5; 19, 12, 12; 29, 1, 37; 29, 2, 25; 30, 5, 9 f. Vgl. zu ihrer Haltung Brown, Power and Persuasion, 62 f.

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richt des Damaskios zum Fall der Hypatia suggeriert, aus einer direkten Aggressivität gegen Philosophen resultieren, sondern scheinen jeweils bestimmte politische Hintergründe zu haben.75 Sie schließen im Übrigen auch eine abwägende Gerichtsbarkeit nicht aus, die z. B. dazu führt, dass Julians Philosophenfreunde Priskos und Maximos letztlich, nach einer Reihe von Prozessen, wieder freikommen.76 Trotzdem zeigen sie, dass die philosophische Lebensführung zusehends weniger Sicherheit und gesellschaftliches Ansehen bietet, weswegen es gerade für viele Mitglieder der Philosophie-affi­nen Oberschicht näher gelegen haben dürfte, die Taufe einem Anschluss an eine philosophische Schule vorzuziehen.

3. Philosophie bei den Christen: Soziale und politische ­Rahmenbedingungen Das Verhältnis der Christen zur Philosophie in der Spätantike wird wesentlich von dem Bewusstsein geprägt, dass mit der Akzeptanz des Christentums unter Konstantin die Dominanz der alten Religion überwunden ist, wozu auch der Sieg der christlichen über die heidnische Philosophie wesentlich gehört. Das zeigt sich eindrucksvoll an der gleich bei drei Kirchenhistorikern auftretenden Erzählung, im Rahmen des Konzils von Nikaia seien einige der besten Philosophen der Zeit allein durch Aufsagen des Glaubensbekenntnisses zum Christentum bekehrt worden, wodurch sich der Aufsagende als christlicher Philosoph erwiesen habe.77 Tatsächlich verändern sich durch die politische Dominanz des Christentums ­einige Rahmenbedingungen grundlegend. Die Festigung der kirchlichen Hierarchie und die zunehmend klare Definition von Orthodoxie führen unter anderem dazu, dass es christliche Lehrer, die ein philosophisches oder Philosophie-affines Rollenverständnis haben, kaum mehr gibt. Diverse innerchristliche Meinungen, wie sie von einzelnen Lehrern vorgetragen werden, sind vermutlich innerhalb ­einer Reichsreligion, die Einheit demonstrieren will, kaum wünschenswert. 75   Insofern ist eher dem Bericht des Kirchenhistorikers Socrates, Historia ecclesiastica 7, 15, 1–5 (GCS NF 1, p.  360, 19–361, 6 Hansen), als dem des Damascius, Vita Isidori, frg.  102* (79, 13–81, 10 Zintzen) zu folgen. In diesem Sinne z. B. Chuvin, Chronique des derniers païens, 90–94; Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1556–1593. 76   Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph, 3, 1555–1568, zu den verschiedenen Quellen und den historischen Hintergründen. 77   Rufinus, Continuatio Eusebii historiae ecclesiasticae 10, 3 (GCS Eus. 2, 2, p.  961, 27– 963, 9 Mommsen); Sozomenus, Historia ecclesiastica 1, 18, 1–7 (GCS NF 4, p.  38, 15–40, 10 Bidez  /  Hansen); und sehr ausführlich Ps.-Gelasius, Historia ecclesiastica 2, 13–24 (GCS NF 9, p.  47, 20–82, 26 Hansen), wo der Philosoph teils ein Arianer ist und überhaupt der Dialog stark ausgeschmückt wird. Vgl. zu den Quellen dieses Abschnitts G. Hansen, in: G. Hansen (Hrsg.), Anonyme Kirchengeschichte (Gelasius Cyzicenus), Berlin u. a. 2002, XLVIII–L, LIV  f.

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Christliche Schulen, wie sie gelegentlich bezeugt sind, geraten teils unter den Einfluss von Ortsbischöfen, wie wir es für Edessa feststellen und für Antiochien zumindest annehmen können.78 Was auch immer ihre Struktur sein mag, derartige Schulen ändern jedenfalls nichts daran, dass die Ausbildung auch der christlichen Oberschicht weiterhin fast immer bei hellenisch-römischen Lehrern vor allem der Rhetorik stattfindet, in denen die Christen mit ihren hellenisch-römischen Kommilitonen gemeinsam lernen.79 Demgegenüber eignen sich Christen für ihre Selbstdefinition verschiedene Rollenmuster von Philosophen an, sowohl was politische Aktivität als auch was ethische Integrität und geistige Arbeit angeht. Das betrifft insbesondere das Engagement für die eigene Gemeinschaft und das asketische Lebensideal. Solche gerne als ›Philosophie‹ bezeichnete oder als ›philosophisch‹ beschriebene Aktivitäten werden häufig von Gruppen und Personen ausgeübt, die sich ihrerseits als innerchristliche Eliten verstehen: Hauptträger geistiger und philosophischer Arbeit sind entweder philosophisch ausgebildete Bischöfe wie Synesios, der Novatianer Sisinnios, ein Schüler des Maximos von Ephesos,80 und der Mailänder Simplicianus oder von diesen beauftragte gebildete Laien wie Flavius Mallius Theodorus. Einige der Bischöfe sind auch am Kaiserhof präsent und beeinflussen die Politik.81 Für panegyrische Reden von dieser Seite sind die Lobreden des Eusebios an Konstantin ein gutes Beispiel, für die Vertretung städtischer Interessen die Gesandtschaft des Synesios an den Kaiserhof, die auch mit einer philosophischen Rede umgesetzt wird. Allerdings ist der Einfluss der Bischöfe auf den Kaiser deutlich stärker von ihrer religiösen Einstellung und der Fürsorge für ihre jeweiligen Gemeinschaften geprägt als das früher übliche, persönliche Verhältnis Philosoph-Kaiser. Ein sprechendes Beispiel ist der Einfluss des Ambrosius, der mit Vehemenz und Druck christliche Interessen zum Nachteil der anderen Bevölkerungsgruppen durchsetzt.82 Sehr verbreitet und aufschlussreich ist offenbar das Selbstverständnis von Mönchen, christliche Philosophen zu sein. Obwohl vorwiegend kleinasiatisch-syrische Quellen diese Terminologie intensiv benutzen, kann auch für Ägypten ein merklicher Einfluss philosophisch gebildeter Mönche gezeigt werden. Die Lehren des Evagrios Pontikos, die sich dem Mönch auf ihrem Bildungsweg durch das Lesen relativ dunkler Sentenzen erschließen sollen, bewahren hierbei indirekt sowohl Theorien des Origenes als auch vielerlei stoische und platonische Elemente. 78

  Vgl. S.  Gerö, Barṣauma of Nisibis and Persian Christianity in the fifth century, Leuven 1981, 60–62; A. Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom. The School of Nisibis and Christian Scholastic Culture in Late Antique Mesopotamis, Philadelphia 2006, 70–75. 79   Vgl. z. B. Watts, City and Schools, 19–23. 80   Socrates, Historia ecclesiastica 5, 21, 2; 6, 22 (GCS NF 1, p.  295, 4–7; 345, 11–346, 30 Hansen). An der letzten Stelle charakterisiert ihn Sokrates als eine Art christlichen AntiKyniker, der dem Luxus frönt und scharfsinnig zu antworten versteht. 81   Vgl. Brown, Macht und Rhetorik, 174–193. 82   S. unten S.  875  f.

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4. Frauen in der spätantiken Philosophie Dank der zahlreichen erhaltenen Philosophenviten ist auch unsere Kenntnis über spätantike philosophierende Frauen recht gut.83 Die Vorstellung, dass Frauen ebenso wie Männer zum Philosophieren willig und geeignet sind, lässt sich zu dieser Zeit anhand von Listen vorbildlicher Personen festmachen.84 Konkret tritt neben Hypatia85 allerdings nur Sosipatra als Philosophielehrerin, nämlich in Pergamon, hervor, wobei sie ihre Weisheit nicht durch die Lehre ihrer Vorgänger, sondern durch direkte göttliche Inspiration erhalten haben soll.86 Damit wird ihre Figur von Eunap gemäß dem Typ einer ›heiligen Frau‹ dargestellt, welche auch sonst gelegentlich in neuplatonischen Quellen auftaucht: Hier ist es in der Regel eine besondere göttliche Gnade, nicht aber ein philosophisches Studium, das diesen Frauen ihre Verehrung in den neuplatonischen Gemeinschaften verleiht; ein typisches Beispiel ist Asklepigeneia, die Tochter Plutarchs von Athen, die an diesen gerade theurgische Geheimnisse weitergibt.87 Besonderes Lob erfährt Aidesia, die Gattin des Hermeias und Mutter des Ammonios und Heliodor, die insbesondere ein Vorbild in ihrer sozialen Aktivität ist, aber auch den Bildungsweg ihrer Söhne ermöglicht und die Anstellung des Ammonios in Alexandria sichert.88 Eine Rolle in der philosophischen Gemeinschaft bzw. im Familienverband nimmt schon früher, neben diversen Schülerinnen Plotins,89 insbesondere Markella, die Gattin des Porphyrios, ein, der er in einem ausführlichen Brief ihre »Eignung zur Philosophie« bestätigt und sie im Kern als seine Schülerin zur Frau nimmt. 90 Seine Lehrerrolle füllt er dabei innerhalb des Briefes mit Sentenzen zur heilenden Kraft der Philosophie aus, die Parallelen im Pythagorismus haben.91 Mit der Betonung göttlicher Begnadung, der Wohltätigkeit und der Askese schreiben die Neuplatoniker den Frauen in ihren Gemeinschaften ähnliche Gnaden und Tugenden zu, wie es auch christliche Autoren der Zeit tun, namentlich Hieronymus, der auch pagane Philosophinnen als Vorbilder der Tugend aufführt,92 und Augustinus, der seine Mutter Monnica als Philosophin darstellt.93 In christlichen Kontexten ermöglicht allerdings das Jungfräulichkeitsideal den Frauen eine 83

  Vgl. zum Folgenden Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 2021–2038.   Themistius, Oratio 34, 28 (2, p.  225, 3–12 Norman). 85   Für Details vgl. 736  f., 839. 86   Eunapius, Vitae sophistarum 6, 6, 5–6, 10, 5 (28, 4–37, 6 Giangrande); dazu Becker, Eunapius aus Sardes, 287–323. 87   Vgl. H. D. Saffrey, Asclépigéneia, in: DPhA 1 (1994), 625 f. 88   Vgl. R. Goulet, Aidesia d’Aléxandrie, in: DPhA 1 (1994), 74 f. 89   Porphyrius, Vita Plotini 9, 1–9 (1, p.  13 Henry  /  Schwyzer2). 90   Porphyrius, Ad Marcellam 3; 5 (105, 19–106, 3; 107, 10–19 des Places). 91   Vgl. v. a. Porphyrius, Ad Marcellam 31 (124, 5–12 des Places). 92   Vgl. dazu z. B. S.  Wittern, Frauen, Heiligkeit und Macht. Lateinische Frauenviten aus dem 4. bis 7. Jahrhundert, Stuttgart  /  Weimar 1994, 21–34 sowie den Exempla-Katalog bei Hieronymus, Adversus Iovinianum 1, 42 (PL 23, col. 273AB). 93   S. dazu unten S. 893. 84

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Die Philosophie in der Spätantike

eigene Form der Anerkennung.94 Die wohl ins 4. Jahrhundert zu datierende Schrift ›Über die Jungfräulichkeit‹ (›De virginitate‹), die vielleicht auf Basileios von Ankyra zurückgeht95 und sich dezidiert an Frauen richtet, charakterisiert die Philosophie als seelische Aktivität, auf die die körperliche Askese lediglich vorbereitet; als Charakteristika der Philosophie werden dabei Erkenntnisse, Gebet sowie der Nutzen für einen selbst und die Mitmenschen genannt.96 Unter den historisch fassbaren christlichen Frauen wird die bereits erwähnte Makrina nicht nur so dargestellt, dass sie ihren Bruder in einer Extremsituation durch philosophischen Rat trösten kann, sondern Gregor beschreibt auch ihren vielfältigen Bildungsgang und betont, sie »habe sich selbst durch Philosophie zum höchsten Punkt menschlicher Tugend erhoben«.97 Während der Entschluss zur Askese vielen christlichen Frauen nahe liegt, dürfte Makrinas philosophische Bildung einmal mehr mit ihrer Herkunft aus einer Familie zusammenhängen, die hierauf besonderen Wert legt. Wie stark die Bildung von weiblichen Angehörigen der antiken Oberschicht ansonsten einen philosophischen Charakter hat, lässt sich hingegen im Allgemeinen nicht leicht sagen.

5. Textformen philosophischer Arbeit Die Textformen des Neuplatonismus werden durch das spezifische Profil dieser Richtung und die Praxis ihrer Lehre bestimmt: Nachdem Plotins ›Enneaden‹ problemorientierte Untersuchungen sind, nimmt bei späteren Autoren der Kommentar, in dem insbesondere die Erschließung der Werke des Platon und Aristoteles aus der Perspektive der Schule geleistet wird, eine immer zentralere Stellung ein, wobei nicht selten Schüler die Vorlesungen ihrer Lehrer schriftlich fassen (Proklos und Hermeias für Syrians Vorlesungen zum ›Timaios‹ und ›Phaidon‹, Ammonios Hermeiou zu Proklos’ Behandlung der aristotelischen ›Hermeneutik‹). Auch weitere für die Lehre der Schule relevante Schriften werden kommentiert, namentlich Homer, die pythagoreischen ›Goldenen Verse‹ und die ›Chaldäischen Orakel‹. Gerahmt wird das so entstehende Panorama einer im neuplatonischen Sinne gedeuteten Tradition durch Einführungsschriften von teilweise pythagoreischem Charakter (Jamblich), durch große Überblickswerke, die die Ergebnisse der Kommentierung (Proklos, ›Theologia platonica‹) oder die Grundzüge des 94

  Vgl. G. Schöllgen, Jungfräulichkeit, in: RAC 19 (2001), 523–592, hier 533 f.   Vgl. zu dieser Schrift P. Cavallera, Le ›De virginitate‹ de Basile de Ancyre, in: Revue d’Histoire ecclésiastique 6 (1905), 5–14; S.  K. Elm, Virgins of God. The Making of Asceticism in Late Antiquity, Oxford 2004, 113–126. 96   [Anonymus], De virginitate 11 (PG 30, col. 692AB). 97  Ἡ πρὸς τὸν ἀκρότατον τῆς ἀνθρωπίνης ἀρετῆς ὅρον ἑαυτὴν διὰ φιλοσοφίας ἐπάρασα. Gregorius Nyssenus, Vita Macrinae (GNO 8, 1, p.  371, 19–21 [Zitat]; 373, 4–374, 6 Woods Callahan). 95

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Die historische Situation der Spätantike und die Rolle der Philosophie

eigenen Denkens (Proklos, ›Elementatio theologica‹) zusammenfassen, durch polemische Schriften (z. B. Porphyrios, ›Gegen die Christen‹), aber auch durch nicht philosophisch-systematische Werke wie Hymnen (des Proklos oder Syrian) und Philosophenviten, die nicht zuletzt das vorbildliche Leben der zentralen Figuren der Schule in mehr oder weniger hagiographischer Weise darstellen (Porphyrios, ›Vita Plotini‹; Marinos, ›Proklos oder über das Glücklichsein‹). Im lateinischen Sprachraum überwiegen Zusammenfassungen philosophischer Wissensbestände (Macrobius, Martianus Capella), während Kommentare (Calcidius) und Monographien (Claudianus Mamertus) nur vereinzelt vorkommen. Die literarischen Formen der Christen ähneln häufig denen der Philosophen und sind ebenfalls stark durch heteronome Textformen bestimmt, die gezielt auf Prätexte zurückgreifen: Neben ausführlichen Bibelkommentaren, die häufig rational argumentieren (bei Hexameronauslegungen zur Naturphilosophie, in Hoheliedkommentaren zur Vereinigung mit dem Göttlichen), gibt es polemische Schriften, die stark auf eine Umdeutung älterer philosophischer Lehren fokussieren, deren Erbe aber zugleich in christlichem Sinne deuten (›Oratio ad Graecos‹); nicht wenige von ihnen bestehen zum großen Teil aus Zitaten, die mehr oder weniger ausführlich (und mehr oder weniger kritisch) kommentiert werden (Eusebius, ›Praeparatio evangelica‹; Theodoret, ›Curatio affectionum Graecarum‹). Auch die Sammlungen von Merksätzen, wie es beispielsweise die Schriften des Evagrios Pontikos sind, beruhen auf einer Vereinigung und Bearbeitung älterer Vorlagen. Von christlicher Seite gibt es allerdings auch thematische Monographien, z. B. zur Trinität und Inkarnation (Gregor von Nyssa, ›Ad Graecos de notionibus communibus‹; Theodor von Mopsuestia, ›De incarnatione‹), und Dialoge (Gregor von Nyssa, ›De anima et resurrectione‹; viele Schriften des Augustinus), bei denen die Abhängigkeit von Prätexten formal weniger prägend ist, obwohl auch hier Erläuterungen der Bibel und Auseinandersetzungen mit Gegnern nicht fehlen. Unter den lateinischen christlichen Texten sticht das vielfältige Werk des Augustinus (philosophische Dialoge und Traktate – ›De trinitate‹ –, ›Confessiones‹, etc.) in vielfacher Hinsicht heraus. Typisch christliche Formen wie Homilien können in beiden Sprachen die typisch philosophische Vorgehensweise zeigen, zuerst eine sachliche Erklärung zu liefern und dann den Bibeltext zu interpretieren.

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III. Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

Stärker als in vorangehenden Zeiten verstehen sich die griechischen Philosophen der Spätantike als die wahren und exklusiven legitimen Erben der althergebrachten Tradition. Dieser Einzigkeitsanspruch ist eng mit einem Einheitsanspruch verknüpft, der daraus resultiert, dass alle anderen philosophischen Strömungen als Teil eines vom Platonismus geführten Gesamtsystems rezipiert werden, das in der Forschung, wie oben beschrieben, seit über 200 Jahren als Neuplatonismus bezeichnet wird. Dies zeigt sich auch in den literarischen Formen, bei denen Kommentare verschiedener Couleur neben zusammenfassender Einführungsliteratur und polemischen, teils antichristlichen Werken stehen. Inhaltlich gewichtig sind nicht zuletzt systematische Monographien oder Traktate, die einzelne Aspekte des neuplatonischen Weltbilds kritisch diskutierten und entfalten. Diese Sachlage ermöglicht eine zusammenfassende Darstellung der verschiedenen neuplatonischen Autoren, wobei Kaiser Julian und Themistios wegen ihrer Sonderstellung und ihrer Beziehung zur Politik sowie die immer noch aktiven Kyniker separat behandelt werden.

1. Der griechische Neuplatonismus: Die letzte große philosophische Richtung der griechisch-römischen Antike und ihr Umfeld Allgemeines Der Neuplatonismus wird zunächst, in seiner klassischen Form, bei Plotin (205– 70) ausgeführt und in der Folgezeit von dessen Schüler Porphyrios von Tyros (ca. 231–301/305) und vor allem von Jamblich von Chalkis (ca. 240–325)1 als ein Lehrsystem ausformuliert. Das dabei entwickelte System wird bis ca. 530 mit relativ geringen Nuancierungen an der privaten Philosophenschule des Plutarch und seiner Nachfolger Syrian, Proklos und Damaskios in Athen sowie im öffentlichen Unterricht in Alexandrien gelehrt. Die von den antiken Neuplatonikern entwickelte dynamische Ontologie, die zahlreiche aristotelische und stoische Elemente 1

  Überblicke bei G. O’Daly, Jamblich, in: RAC 16 (1994), 1243–1259; J. Dillon, Iamblichus of Chalcis (c. 240–325 A. D.), in: ANRW 2, 36, 2 (1987), 862–909; Dillon, Iamblichos de Chalcis, 824–836; J. Dillon, Jamblich. Leben und Werke, in: M. von Albrecht u. a., Jamblich, ›Pythagoras‹. Legende – Lehre – Lebensgestaltung. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen, Darmstadt 2002, 11–21.

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

zu integrieren vermag, findet trotz ihres dezidiert polytheistisch-religiösen Charakters eine reiche Rezeption bei philosophisch arbeitenden Christen, Juden und Muslimen, die in der Spätantike beginnt.2 Die systematische Einheitlichkeit des Neuplatonismus sollte freilich nicht, wie es manchmal geschieht, überbetont werden:3 Neben der gerade in Athen wirksamen jamblicheischen Hauptströmung vertreten im 4. Jahrhundert Philosophen wie Themistios, Synesios und wohl auch seine Lehrerin Hypatia – gerade auch in Bezug auf die Politik – durchaus andere Ansichten als die Anhänger Jamblichs.4 Selbst die Vertreter der von Plutarch von Athen begründeten neuplatonischen Schule setzen in Metaphysik und Naturphilosophie bewusst andere Schwerpunkte als ihre Vorgänger, deren Meinungen Proklos ausführlich darstellt.5

Historische Entwicklung und Schulbildung Der Ursprung des Neuplatonismus wird in der Forschung, und z. T. schon in den alten Quellen, auf Plotins Lehrer Ammonios Sakkas zurückgeführt, der freilich selbst keine Werke verfasst hat. Die Quellen suggerieren hingegen, Ammonios 2   Die Literatur hierzu, und insbesondere zu Proklos, ist inzwischen recht umfangreich. Nützlich sind z. B.: W. Beierwaltes, Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte, Frankfurt 1985; G. Boss  /  G. Seel (Hrsg.), Proclus et son influence. Actes du colloque de Neuchatel. Juin 1985, Zürich 1987, J. J. Cleary (Hrsg.), The Perennial Tradition of Neoplatonism, Leuven 1997; Beierwaltes, Platonismus im Christentum; St. Gersh (Hrsg.), Interpreting Proclus. From Antiquity to the Renaissance, Cambridge 2014; D. D. Butorac  /  D. A. Layne (Hrsg.), Proclus and his Legacy, Berlin  /  Boston 2017. 3   Wie es z. B. von Ilsetraut Hadot in recht einseitiger Weise getan wird, wenn sie behauptet, über »un sujet occupant une place centrale dans le système néoplatonicien, par exemple un sujet comme l’âme«, seien im Neuplatonismus nach Proklos keine Diskussionen mehr geführt worden (Le problème du néoplatonisme Aléxandrin. Hiéroclès et Simplicius, Paris 1978, 195). Dabei weist der unter dem Namen des Simplikios überlieferte (heute häufig dem Priskian zugeschriebene) ›De anima-Kommentar‹ schon ganz zu Beginn auf die Uneinigkeit der Erklärer hin (Priscianus Lydus [›Simplicius‹], In de anima [CAG 11, p.  1, 12 Hayduck]). Vgl. zur Aufteilung des Platonismus und zur bleibenden Bedeutung der Einteilung Praechters (dazu unten S. 745) E. Gritti, Orientamenti e scuole nel neoplatonismo, in: R. Chiaradonna (Hrsg.), Filosofia tardoantica, Rom 2012, 67–83, hier 67 f. 4   Das zeigt sich namentlich am Briefwechsel zwischen Themistios und Julian über diese Frage: Iulianus Imperator, Ad Themistium (Oratio 6) 1, 253b–2, 254b (2, 1, p.  12 f. Rochefort). Zu seinem theoretischen Standpunkt vgl. I. Kupreeva, Themistius, in: L. P. Gerson (Hrsg.), The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, Bd.  1–2, Cambridge 2010, 1, 397–416; nach A. Bernard, The Alexandrian School. Theon of Alexandria and Hypatia, in: Gerson (Hrsg.), The Cambridge History, 417–436, hier 417, ist es überhaupt nur eine Möglichkeit, dass Hypatia Platonikerin war. 5   Zu den metaphysischen Prinzipien im Anschluss an die Hypothesen des Parmenides Proclus, In Parmenidem (1052, 25–1064, 14 Cousin); zum Demiurgen Proclus, In Timaeum (1, p.  303, 24–317, 16 Diehl).

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habe eine Art Geheimlehre, vielleicht in Anlehnung an Numenios und andere Pythagoreer, vertreten, die Plotin niemals weitergegeben habe.6 Dies berechtigt nicht zu der Annahme, Plotin habe sein neuplatonisches System der drei Hypostasen, das erst in Schriften ab 254 fassbar ist,7 bereits von Ammonios gehört, so dass dieser als eigentlicher Begründer des Neuplatonismus anzusehen wäre. Noch unglaubwürdiger sind Porphyrios’ Angabe,8 Ammonios Sakkas sei ursprünglich Christ gewesen, und Eusebios’ im direkten Widerspruch geäußerte Behauptung,9 er habe diesen Glauben nie verlassen; es könnte sich sehr gut um eine Verwechslung mit einem christlichen Lehrer handeln, von dem Eusebios eine Schrift ›Über die Übereinstimmung von Moses und Jesus‹ zitiert.10 Nachdem Porphyrios bereits als direkter Schüler Plotins mit diesem verbunden ist, ist für die folgenden Platoniker die Kontinuität zu Plotin dermaßen augenfällig, dass die Christen Sozomenos und Sokrates sowie die Suda Jamblichs Nachfolger Sopater (den Älteren) als Leiter der Schule Plotins und Hypatia als deren Anhängerin bezeichnen.11 Regelmäßigen Bezug auf Jamblich nimmt insbesondere die ›Athener Schule‹, die literarisch ungemein produktiv und philosophisch einflussreich gewesen ist. Diese Institution, deren Existenz wir sicher um 430 fassen können, ist keine direkte Fortsetzung der kaiserzeitlichen platonischen Lehrstühle in Athen,12 sondern eine Neugründung mithilfe der Besitztümer des Plutarch von Athen, der einer alten Athener Adels- und Priesterfamilie entstammt.13 Sie erreicht ihren Höhepunkt mit seinen Nachfolgern Syrian (gest. ca. 434) und Proklos (412–85), der nicht nur ein umfangreiches Werk hinterlässt, sondern auch von seinem Nachfolger Marinos von Neapolis in einer ausführlichen Biographie gewürdigt wird.14 Großen Respekt erwerben sich auch mehrere philosophierende Frauen, von denen uns leider keine Schriften erhalten sind, namentlich Hypatia.15 6

  Porphyrius, Vita Plotini 3, 14–28; 20, 36–39 (1, p.  3 f.; 25 Henry  /  Schwyzer2). Vgl. L. Brisson, Plotin. Une biographie, in: Brisson u. a. (Hrsg.), Porphyre, La ›Vie de Plotin‹, 2, 1–29, hier 4 f.; R. Goulet, Ammonios dit Saccas, in: DPhA 1 (1994), 165–168; Ch. Horn, Ammonios Sakkas, in: GGPh 5, 2 (2018), 1252–1255. 7   Zur Chronologie von Plotins Schriften vgl. Brisson, Plotin. Une biographie, 8 f. 8   Porphyrius, Contra Christianos, frg.  6, 4–10 (Becker) = Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 7 (GCS Eus. 2, 2, p.  560, 4–6 Schwartz). 9   Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 10 (GCS Eus. 2, 2, p.  560, 25 f. Schwartz). Vgl. zu dieser Frage im Übrigen die Angaben zur Nicht-Identität des Christen und des Platonikers Origenes oben S. 669. 10   Vgl. Horn, Ammonios Sakkas, 1252 f. 11   Sozomenus, Historica ecclesiastica 1, 5, 1 (GCS NF 4, p.  13, 11 f. Bidez  /  Hansen); Socrates, Historia ecclesiastica 7, 15, 1 (GCS NF 1, p.  360, 21 f. Hansen); Suda, s. v. Plotinos (4, p.  151, 23–25 Adler). Vgl. Goulet, Sopatros d’Apamée, 460. 12   Dazu Porphyrius, Vita Plotini 15, 18 f.; 20, 41–43 (1, p.  18; 25 Henry  /  Schwyzer2). 13   Zu Literatur s. oben S. 731 Anm. 28. 14   Marinus, ›Proclus où sur le bonheur‹. Texte établi, traduit et annoté par H. D. Saffrey  /  A.-Ph. Segonds, Paris 2002. 15   Vgl. oben S. 741.

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Eng mit der Athener Schule verbunden ist seit Beginn des 5. Jahrhunderts der philosophische Unterricht in Alexandrien: Hierokles ist ein direkter Schüler des Plutarch von Athen und Hermeias, der gemeinsam mit Proklos studiert, des Syrian, bevor beide Lehrer in Alexandrien werden. Auch Ammonios Hermeiou, dessen Werk die Ausgehende Antike mitprägt, studiert zuvor in Athen bei Proklos. Zumindest im 5. Jahrhundert kann der alexandrinische philosophische Lehrbetrieb daher inhaltlich nicht von demjenigen in Athen unterschieden werden,16 so dass der ganz überwiegende Teil der uns bekannten Philosophen des 4. und 5. Jahrhunderts in der Tradition Plotins bzw. der etwas abweichenden Nachfolge Jamblichs steht.

Allgemeine inhaltliche Grundlinien Plotin17 Plotin setzt sich in einer Reihe von Abhandlungen, welche von seinem Herausgeber Porphyrios auf sechs Neunergruppen (›Enneaden‹) verteilt werden, mit Schwierigkeiten eines Gedankengebäudes auseinander, das er offenbar selbst aus der Auseinandersetzung mit der platonischen Tradition heraus entwickelt.18 Auf methodischer Ebene begründet er die Besonderheit der Rede über ewige Entitäten in einer Großschrift, die sich nicht zuletzt mit den aristotelischen ›Kategorien‹ auseinandersetzt.19 Ιnhaltlich unterscheidet sich der von Plotin begründete Neuplatonismus in erster Linie dadurch vom vorhergehenden Mittelplatonismus, dass er und seine Nachfolger »das Eine« (τὸ ἕν) als Ursprung allen Seins ansetzen, das sich, entsprechend der von Platon gegebenen Charakterisierung der Idee des Guten,20 noch »jenseits des Seienden« (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας) befinde, d. h. insbesondere jenseits der platonischen Ideen als der Sphäre eigentlichen, ewigen Seins. Da die Ideen als »Objekte des Geistes« (τὰ νοητά) wiederum, wie schon im Mittelplatonismus, im Geist (ὁ νοῦς) angesiedelt werden, entsteht das für den Neuplatonismus typische Schema der drei Hypostasen, d. h. der drei Formen ewiger unveränderli16   Hadot, Le problème du néoplatonisme, 189–191; I. Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur le Manuel d’Épictète‹. Introduction et edition critique du texte grec, Leiden u. a. 1996, 61–69, gegen K. Praechter, Richtungen und Schulen im Neuplatonismus, in: [Anonymus] (Hrsg.), Genethliakon für C. Robert, Tübingen 1910, 105–156. 17   Vgl. allgemein Tornau, in: Plotin, Ausgewählte Schriften, 7–46; J. Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus, München 2004; Ch. Horn, Plotin, in: GGPh 5, 2 (2018), 1255–1310. 18   Das berichtet Porphyrios selbst in der Vita Plotini 24, 41–26, 40 (1, p.  32–38 Henry  / Schwyzer2). Vgl. H. D. Saffrey, Pourquoi Porphyre a-t-il édité Plotin?, in: Brisson u. a. (Hrsg.), Porphyre, La ›Vie de Plotin‹, 2, 31–64, v. a. 47–53. 19   Enneades 6, 1–3. Vgl. unten S. 752  f. 20   Plato, Respublica 7, 509b.

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cher Wirklichkeit, Eines, Geist und Seele (ἡ ψυχή), wobei der Geist und die Seele sich aus dem Einen entfalten.21 Auf diese Weise können sie Ordnung und Leben in die körperlich verfasste Natur bringen, die als so belebte insgesamt zu ihrem Ursprung zurückstrebt, so wie es auch, im Bereich ewigen Seins, die Hypostasen Geist und Seele tun. In sich entbehrt die Natur hingegen einer festen Struktur, und die sinnlich wahrnehmbare Substanz ist eigentlich nichts als ein Bündel von Eigenschaften, das von einer Seele vereinigt wird.22 Inmitten dieser gestuften, durch Vorsehung (πρόνοια) geordneten23 Wirklichkeit bewegt sich die menschliche Seele entweder, ihrer natürlichen Seinsweise gemäß, zu dem Guten, das die Wiedervereinigung mit ihren transzendenten Ursprüngen bildet, oder wird böse, indem sie sich an die materielle Welt verliert.24 Kennzeichnend für Plotin ist die Lehre, dass in die körperlich beeinflusste Welt »nicht unsere ganze Seele abtauchte, sondern etwas von ihr immer im Geistigen ist«25. In Anbetracht dieser komplexen Seinsweise der menschlichen Seele fragt Plotin als Erster nach dem Selbst bzw., in seinen Worten, dem »Wir« des Menschen bzw. danach, was »der Mensch« ist (Περὶ τοῦ τί τὸ ζῶον καὶ τίς ὁ ἄνθρωπος),26 und antwortet gut platonisch: »Das vor uns Seiende [Noetische] gehört uns an, wir sind gewiss das von dort oben dem [leib-seelischen] Lebewesen Aufsitzende«.27 Das Schlechte ist für Plotin im eigentlichen Sinne »die Materie, dies ist das wahrhaft Schlechte, das keinen Anteil am Guten besitzt«.28 Der Seele ist etwas 21

  Plotinus, Enneades 5, 3, 5; W. Beierwaltes, Selbsterkenntnis und Erfahrung der Einheit. Plotins ›Enneade‹ 5, 3. Text, Übersetzung, Interpretation, Erläuterungen, Frankfurt 1991; E. Emilsson, Plotinus on Intellect, Oxford 2007; W. Kühn, Quel savoir après le scepticisme? Plotin et ses prédecesseurs sur la connaissance de soi, Paris 2009. 22   Plotinus, Enneades 6, 3, 8, 19–37. Zu den Hintergründen vgl. R. Chiaradonna, Sostanza Movimento Analogia. Plotino critico di Aristotele, Neapel 2002, 22 f., 119–123. 23   Plotinus, Enneades 2, 9, 9, 64 f. 24   Plotinus, Enneades 5, 1, 1, 1–9; vgl. Ch. Schäfer, Unde malum? Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, 151–169; J. Opsomer, Iamblichos und seine Schule, in: GGPh 5, 2 (2018) 1349–1383, hier 1378 f.; M. Perkams, Die Gleichzeitigkeit von Wählen und Nicht-Wählen. Handlungstheoretische Überlegungen bei Plotin und anderen antiken Platonikern, in: Ch. Pietsch (Hrsg.), Ethik des antiken Platonismus. Der platonische Weg zum Glück in Systematik, Entstehung und historischem Kontext. Akten der 12. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 15. bis 18. Oktober 2009 in Münster, Stuttgart 2013, 219–236, hier 231–235. 25   Οὐ πᾶσα οὐδ’ ἡ ἡμετέρα ψυχὴ ἔδυ, ἀλλ’ ἔστι τι αὐτῆς ἐν τῷ νοητῷ ἀεί. Plotinus, Ennea­des 4, 8, 8, 2 f. 26  Vgl. z. B. Plotinus, Enneades 1, 1 tit.; vgl. G. J. P. O’Daly, Plotinus’ Philosophy of the Self, Shannon 1973; P. Remes, Plotinus on Self. The Philosophy of the ›We‹, Oxford 2007; M. Perkams, Der Kosmos im Menschen: Plotins Antwort auf die Frage ›Was ist der Mensch?‹ nach den ›Enneaden‹ 1, 1 und 6, 7, in: L. Jansen  /  Ch. Jedan (Hrsg.), Philosophische Anthropologie in der Antike, Frankfurt 2010, 341–361. 27   Τὰ δὲ πρὸ τούτων ἡμέτερα, ἡμεῖς δὴ τὸ ἐντεῦθεν ἄνω ἐφεστηκότες τῷ ζῴῳ. Plotinus, Enneades 1, 1, 7, 16 f. 28   Plotinus, Enneades 1, 8, 5, 8 f.

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Schlechtes, wenn sie es sich angeeignet hat, in gewissem Sinne nicht wirklich zuschreibbar, sondern es ergibt sich fast automatisch in ihrem Abstieg und kann nur durch den Beginn eines Aufstiegs wieder verlassen werden. Insofern ist Freiheit für Plotin nicht in erster Linie eine Wahlmöglichkeit zwischen Gut und Schlecht, sondern eine Form von Selbstbestimmung, die in erster Linie dem Einen zukommt.29

Porphyrios von Tyros30 Porphyrios von Tyros ist eine der facettenreichsten Persönlichkeiten des 3. Jahrhunderts: Nach einer langen Zeit, in der er die mittelplatonische Lehre Longins vertritt, schließt er sich schließlich der Schule Plotins an und verbleibt nach dessen Tod wohl weitgehend in Italien.31 Großen Einfluss übt aber sein ausführliches, leider in großen Teilen verlorenes Werk aus, das ganz verschiedene Schriften umfasst:32 eine Edition und systematische Darstellung von Plotins Leben und Werk; ein reichhaltiges Korpus von Interpretationen autoritativer Texte, die zum Teil noch mittelplatonische Züge tragen; kosmologische Traktate, von denen ein kurzes Beispiel auf Syrisch erhalten ist33; Texte zur Askese und zur philosophischen Lebensführung; eine Philosophiegeschichte der Zeit bis Platon; umfangreiche Aufarbeitungen religiöser Thematiken sowohl gegen die Christen als auch im Hinblick auf eine Sammlung von Orakeln sowie Einführungsmaterial zur aristotelischen Logik, das neuerdings durch einen Neufund ergänzt wird.34 Diese Schriften werden in der Spätantike wohl nicht zuletzt deswegen gerne benutzt, weil sie wesentlich zugänglicher sind als die ›Enneaden‹ Plotins und auch mehr Themen behandeln als diese. Den Unterschied von Porphyrios’ Arbeitsweise und der des Jamblich, der in den platonischen Zirkeln stärker rezipiert wird, drücken viele

29

  Die wichtigste ›Enneade‹ zu diesem Thema ist 6, 8. Vgl. Perkams, Die Gleichzeitigkeit von Wählen und Nicht-Wählen, 219–236; Horn, Plotin, 1289 f. 30   Vgl. zusammenfassend M. Edwards, Porphyrios, in: GGPh 5, 2 (2018), 1327–1349. 31   Biographische Übersicht z. B. bei Goulet  /  Zambon, Porphyre de Tyr, 1291–1297 sowie 1311 f. (zur intellektuellen Entwicklung); ferner Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹, 3–15. 32   Kurze Werkliste: Goulet  /  Zambon, Porphyre de Tyr, 1300–1310, dort eine ausführliche Darstellung 1326–1447; vgl. ferner Edwards, Porphyrios, 1329–1336. 33   Jetzt ediert bei Y. Arzhanov, Porphyry, ›On Principles and Matter‹. A Syriac Version of a Lost Greek Text with an English Translation, Introduction, and Glossaries, Berlin  /  Boston 2021. 34   Porphyrius (?), In Categorias, in: R. Netz u. a. (Hrsg.), The Archimedes Palimpsest 2, Cambridge u. a. 2011, 331–339. Vgl. dazu R. Chiaradonna  /  M. Rashed  /  D. Sedley, A Rediscovered ›Categories‹ Commentary. Porphyry (?) with Fragments of Boethus, in: R. Sorabji (Hrsg.), Aristotle Re-Interpreted, London 2016, 231–262.

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Neuplatoniker dadurch aus, dass sie Porphyrios als »den Philosophen« vom »göttlichen« Jamblich unterscheiden.35 Der inhaltliche Reichtum dieses Œuvres kann heute nicht mehr vollständig ermessen werden, doch haben sicherlich folgende Punkte, die von Plotin abweichen, bleibende Bedeutung: a) eine Metaphysik, in der die Herausstellung des Einen über das Seiende nicht ganz so prägnant ausformuliert ist wie bei Plotin.36 Sie ist allerdings nicht zuletzt deswegen nicht ganz leicht zu erschließen, weil ein wichtiges Werk, der anonym überlieferte Turiner Kommentar zu Platons ›Parmenides‹, der inhaltlich den Ansichten des Porphyrios nahesteht, diesem nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden kann.37 b) die ausführliche Kritik am Christentum sowie die damit zusammenhängende Religionsphilosophie, die von Jamblich kritisiert wird und so einen wichtigen Ausgangspunkt für die theurgische Deutung des Neuplatonismus bildet, die freilich Porphyrios selbst mit Zurückhaltung betrachtet;38 c) die Akzeptanz der aristotelischen Logik für den Unterricht und ihre Deutung als Behandlung der Worte. In diesem Bereich ist Porphyrios’ Einfluss wohl am größten, zumal dank seiner ›Eisagoge‹, einer Einführung in die aristotelischen ›Kategorien‹, die in den folgenden 1200 Jahren die Logik-Kurse eröffnen und zum Gegenstand zahlloser Kommentierungen werden wird.39

Von Jamblich bis Proklos Nach Porphyrios steigert sich der Rückgriff auf mittelplatonische und pythagoreische Traditionen, aber auch auf andere philosophische Entwürfe, vor allem den des Aristoteles, weiter. Auch religiöse Traditionen polytheistischer und gnostischer Provenienz werden zunehmend in das plotinische Gedankengebäude eingearbeitet.40 Vor allem Jamblich von Chalkis, ein jüngerer Zeitgenosse des Porphy35

  Zum Beispiel Hermias, In Phaedrum Commentarius (118, 32 Lucarini  /  Moreschini); Goulet, in: Goulet  /  Zambon, Porphyre de Tyr, 1324 f. 36   Die wichtigsten, weil unstrittigen Quellen für die Metaphysik des Porphyrios sind die Referate in Proklos’ Kommentar zum platonischen ›Parmenides‹. 37   Ursprünglich P. Hadot, Fragments d’un commentaire de Porphyre sur le ›Parménide‹, in: Revue des Études Grecs 74 (1961), 410–468; zum Diskussionsstand M. Chase, Porphyre de Tyr. Commentaires à Platon et à Aristote, in: DPhA 5b (2012), 1349–1376, hier 1358– 1361; Edwards, Porphyrios, 1330 f. 38   Vgl. dazu auch unten S. 767–769. 39   Inhaltsübersicht und Rezeptionsgeschichte: R. Chiaradonna, Porphyre de Tyr. Isagogè, in: DPhA 5b (2012), 1335–1344; Ch. Erismann, Porphyre de Tyr. Isagogè. La tradition latine médiévale, in: DPhA 5b (2012), 1344–1349; vgl. auch unten zur Rolle der aristotelischen Logik im Neuplatonimus. 40   S. unten S.  773  f.

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rios,41 bringt alle diese Elemente in einen systematischen Zusammenhang, der in seinen Grundstrukturen von Plotins Denken geprägt wird, der aber dank großer inhaltlicher und terminologischer Flexibilität ganz unterschiedliche Inhalte auf verschiedenen miteinander verschränkten Seinsebenen und -ketten integrieren kann.42 Von seinem Werk, dessen Mannigfaltigkeit offenbar dem des Porphyrios kaum nachsteht, sind allerdings vor allem einleitende Schriften wie der ›Protreptikos‹ erhalten, der in Teilen wohl Aristoteles’ Schrift gleichen Namens sowie einen sonst unbekannten sophistischen Traktat (den sog. Anonymus Iamblichi) verwendet,43 sowie die religiöse Schrift ›Über die Mysterien‹ (›De mysteriis‹), welche als Rechtfertigung der Theurgie (gegenüber der Skepsis des Porphyrios) besonders bedeutend ist. Die wichtigste Quelle für das spätneuplatonische Gedankengebäude, das insgesamt sehr stark von Jamblich geprägt ist, sind aber die umfangreichen Werke des Proklos44: Zusammen mit seiner ausführlichen ›Platonischen Theologie‹, welche sowohl die Platon-Bezüge als auch die theologische Deutung der proklischen Ontologie enthält, ist darunter die ›Theologische Elementarlehre‹ (Στοιχείωσις θεολογική, ›Elementatio theologica‹) hervorzuheben, welche in kurzer, thetischer Form die ausdifferenzierte Lehre des Proklos vom Einen und seinen Ausfaltungen, den Henaden, sowie vom Seienden, d. h. vor allem der geistigen und der seelischen Welt, enthält.45 Nicht minder bedeutend sind Proklos’ Kommentare zu Platon, von denen der ›Timaios-Kommentar‹ seine Naturphilosophie und der ›Parmenides-Kommentar‹ seine Metaphysik in einer Klarheit enthält, die ein vertieftes Verständnis auch der systematisch angelegten Schriften ermöglicht. An die Seite dieser Werke treten einige weitere Schriften des Proklos selbst, z. B. seine Monographien über die Frage nach dem Bösen, sowie ein ›MetaphysikKommentar‹ seines Lehrers Syrian46 und der auf dessen Vorlesungen beruhende Kommentar des Hermeias zu Platons ›Phaidon‹.47 Diese Schriften, und einige weitere, können hier als Zeugen eines spät-neuplatonischen Systems behandelt werden, dessen Grundlinien nun nachgezeichnet werden sollen. 41

  Vgl. Opsomer, Iamblichos und seine Schule,1349–1383.   Vgl. A. C. Lloyd, The Anatomy of Neoplatonism, Oxford 1990. 43   Vgl. oben S.  165  f., 290  f. 44   Ausführliche Überblicke über das Œuvre des Proklos und seine zahlreichen Editionen, die inzwischen eine recht gute Qualität erreicht haben, geben Luna  /  Segonds, Proclus de Lycie, 1546–1657, sowie M. Perkams, Proklos, in: GGPh 5, 3 (2018), 1909–1971 (darin M. Perkams  /  Ch. Helmig  /  C. Steel, Werke, in: GGPh 5, 3 [2018], 1912–1928), wo auch die inhaltlichen Hauptlinien von Proklos’ Werk dargestellt sind. 45   Die klassische Ausgabe ist die von R. Dodds, Proclus. ›The Elements of Theology‹. A Revised Text with Translation, Introduction and Commentary, Oxford 21963, zu der jetzt E.-O. Onnasch  /  B. Schomakers, Proklos, ›Theologische Grundlegung‹. Griechisch – Deutsch. Übersetzt und mit einer Einleitung sowie einem durchgängigen erläuternden Kommentar, Hamburg 2015, zu vergleichen ist. 46   Zu ihm vgl. A. Longo, Syrianos, in: GGPh 5, 3 (2018), 1880–1891. 47   Vgl. M. Perkams, Hermeias von Alexandrien, in: GGPh 5, 3 (2018), 2002–2005. 42

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Entfaltung der platonischen Grundstruktur Insbesondere seit Jamblich wird durch weitere Binnendifferenzierungen innerhalb des neuplatonischen Systems, die sogar das Eine selbst betreffen,48 der transzendente Charakter der jeweils höheren Hypostasen gegenüber den niedrigeren noch stärker betont als bei Plotin. Dabei wird der Gesamtaufbau des Systems anhand des von Plotin im Hinblick auf den sich selbst denkenden Geist entwickelte triadische Schema in größerem Detail so dargelegt, dass aus einer höheren Stufe (μονή) durch einen Hervorgang (πρόοδος) eine neue Entität entsteht, die zugleich in einer steten Rückwendung (ἐπιστροφή) dauerhaft zu ihrem Ursprung hinstrebt;49 besonders allumfassend ist dabei die Triade »Sein (οὐσία  /  ὄν), Leben (ζωή), Geist (νοῦς  /  γνῶσις)«, anhand derer der Hervorgang der Wirklichkeit aus dem Einen so beschrieben wird, dass aus diesem zunächst das Sein als Ganzes hervorgeht, in dem sich das Leben und schließlich das Erkennen entfalten, die miteinander durch Teilhabe (μέθεξις) verbunden sind.50 Die vielleicht bedeutendste Neuerung der von Syrianos inspirierten Philosophie des Proklos51 gegenüber Jamblich ist eine Neudeutung der von diesem eingeführten Henaden, die, Proklos zufolge, eine Ausfaltung des Einen in Bezug auf eine an ihnen teilhabende Ordnung des Seins sind.52 Die Seele wird von den Auto­ ren in der Tradition Jamblichs klarer vom Geist unterschieden und ihre wesenhafte Identität mit diesem verneint.53 Die Fähigkeit der Seele, über den Geist in ihr zum höheren Geist (νοῦς) und über ihre höchste Stufe, »das Eine und gleichsam die Blüte unseres Wesens« (τὸ ἓν καὶ οἷον ἄνθος τῆς οὐσίας ἡμῶν), zum Einen selbst zu gelangen, wird als Aufstieg der Seele über die eigene Natur hinaus ver48

  Vgl. Opsomer, Iamblichos und seine Schule, 1363–1366.   Proclus, Elementatio theologica 29–35 (34, 3–38, 29 Dodds); vgl. W. Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, Frankfurt 21979; St. Gersh, Kinēsis akinētos. A Study of Spiritual Motion in the Philosophy of Proclus, Leiden 1973. 50   Für eine differenzierte Darstellung dieser komplexen Zusammenhänge vgl. Perkams, Proklos, 82–89. 51   Vgl. E. R. Dodds, in: Proclus, ›The elements of Theology‹, 257 f.; zum Verhältnis des Proklos zu Syrian vgl. C. D’Ancona, La doctrine des principes: Syrianus comme source textuelle et doctrinale de Proclus (1), in: A.-Ph. Segonds  /  C. G. Steel (Hrsg.), Proclus et la ›Théologie Platonicienne‹. Actes du colloque international de Louvain (13–16 mai 1998) en l’honneur de H. D. Saffrey et L. G. Westerink, Löwen  /  Paris 2000, 189–225; C. Luna, Syrianus dans la tradition exégétique de la ›Métaphysique‹ d’Aristote. Syrianus entre Alexandre d’Aphrodise et Asclépius, in: M.-O. Goulet-Cazé (Hrsg.), Le commentaire entre tradition et innovation. Actes du colloque international de l’Institut des traditions textuelles (Paris et Villejuif, 22–25 septembre 1999), Paris 2000, 301–309. 52   Proclus, Theologia Platonica 3, 6 (3, p.  28, 4–11 Saffrey  /  Westerink). 53   Proclus, In Timaeum (3, p.  333, 28–334, 28 Diehl); Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, p.  6, 12–15 Hayduck). Vgl. R. M. van den Berg, Proclus’ Hymns. Essays, Translations, Commentary, Leiden  /  Boston  /  Köln 2001, 46–50; Opsomer, Iamblichos und seine Schule, 1372–1375. 49

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standen,54 zumal die Seele bei einigen Autoren (Jamblich, Priskian) sogar als wesenhaft veränderlich gilt.55

Pythagoreismus56 Eine besondere Rolle spielt, wie im Mittelplatonismus, die Philosophie des Pythagoras bzw. das, was die Neuplatoniker aus ihr machen. Besonders wichtig ist die vorbildhafte Figur des Pythagoras selbst, über den Jamblich und Porphyrios Viten verfassen, die in ihrer Funktion, womöglich etwas überzogen, mit den Evangelien verglichen werden.57 Porphyrios zufolge ist Pythagoras’ Lehre verschwunden gewesen, doch haben sich die Platoniker (inklusive Aristoteles) sie angeeignet,58 nachdem die Schüler des Meisters sie in kurzen Zusammenfassungen erhalten hatten.59 Jamblich hingegen lobt ausdrücklich die pythagoreischen Denkschriften (ὑπομνήματα), in welchen alle Wissenschaften enthalten seien,60 und macht so die Pseudo-Pythagorica zu einer wichtigen Quelle der neuplatonischen Philosophie, deren Vertreter sich folglich auch intensiv mit der Arithmetik und Geometrie beschäftigen,61 wie Proklos’ ›Euklid-Kommentar‹ eindrucksvoll demonstriert. Große Bedeutung gewinnt der Pythagoreismus auch für die Hinführung zur Philosophie, weswegen die (pseudo-)pythagoreischen Texte ›Goldene Verse‹ (Χρυσῆ ἔπη) und ›Über die Weisheit‹ (Περὶ σοφίας) auch in Jamblichs ›Protreptikos‹ eine bedeutende Rolle spielen.62 Bereits Porphyrios stellt anhand des Pytha54   Proclus, In Alcibiadem (246, 15–247, 17 Segonds); Theologia Platonica 1, 3 (1, p.  14, 5–16, 15 Saffrey  /  Westerink). 55   Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De Anima (CAG 11, p.  6, 12–17 Hayduck); C. Steel, The Changing Self. A Study on the Soul in Later Neoplatonism. Iamblichus, Damascius, and Priscianus, Brussels 1978; M. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike. Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles’ ›De anima‹, Berlin  /  New York 2008, 226–237. 56   D. O’Meara, Pythagoras Revived. Mathematics and Philosophy in Late Antiquity, Oxford 1989; G. Staab, Pythagoras in der Spätantike. Studien zu ›De vita pythagorica‹ des Iamblichos von Chalkis, München  /  Leipzig 2002. 57   Vgl. z. B. J. Dillon, Die Vita Pythagorica – ein Evangelium?, in: Jamblich, Pythagoras. Legende – Lehre – Lebensgestaltung, Darmstadt 2002, 294–301. Zum historischen Wert dieser Viten s. oben S. 741. 58   Porphyrius, Vita Pythagorae 53 (61, 20–62, 1 des Places). 59   Porphyrius, Vita Pythagorae 58 (64, 23–65, 3 des Places). 60   Iamblichus, Vita Pythagorae 157–159, 162 (88, 12–89, 7; 90, 22–25 Deubner). Vgl. Staab, Pythagoras in der Spätantike, 372–375. Zu diesen Pseudo-Pythagorica vgl. oben S. 542  f. 61   Vgl. Dillon, Iamblichos de Chalcis, 830 f. 62   Zur Rolle pythagoreischer Formeln im ›Protreptikos‹ vgl. Ch. Schubert, Die Arbeitsweise Iamblichs im ›Protreptikos‹, in: S.-P. Brandt  /  Ch. Schubert (Hrsg.), Rekonstruktion, Refragmentisierung und Kontextualisierung. Der ›Protreptikos‹ des Iamblich, Heidelberg 2017, 17–48. Vgl. auch die Kommentare zum ›Carmen aureum‹ durch Hierokles und Proklos (?; nur Arabisch erhalten, vgl.: Luna  /  Segonds, Proclus de Lycie, 1652 f.).

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goras verschiedene Aspekte einer philosophischen Lebensführung, z. B. die morgendliche und abendliche Gewissensprüfung, dar, welche Adepten des Neuplatonismus zur Nachahmung anregen.63 Sie gehören zu einem Unterrichtskonzept, das sich zumindest implizit auf die verschiedenen Grade von Tugenden bezieht, welche die Neuplatoniker ausarbeiten.64 Auf Jamblich scheint ferner die Aufnahme der pythagoreischen Akousmata und Symbola, d. h. ritualisierter Verhaltensweisen, zurückzugehen, die zur Einführung in die Philosophie dienen sollen.65 Im Zusammenhang mit dem Pythagoreismus dürfte auch der Vegetarismus stehen, den Porphyrios gegen die übrigen Philosophenschulen unter anderem mit dem Argument verteidigt, die Seele nicht zu beschweren und so am Aufstieg zu hindern.66

Aristotelische Elemente im Neuplatonismus und die Rolle der Logik67 Der Neuplatonismus rezipiert bereits seit Plotin68 in beachtlichem Maße Begrifflichkeiten und Inhalte der aristotelischen Philosophie, wobei es gewisse Schwankungen im Hinblick auf deren Bedeutung zu geben scheint: Während Porphyrios und Jamblich aristotelisches Material in großem Umfang aufarbeiten, scheint gerade in der Schule von Athen auch eine gewisse Distanz zu Aristoteles zu herrschen, dessen Schriften dort gleichwohl gelehrt und kommentiert werden.69 Von besonderer Bedeutung für die neuplatonische Lehre ist vor allem die Rezeption der logischen Schriften des Aristoteles, die im Ausgang von der ›Eisagoge‹ und den beiden ›Kategorien-Kommentaren‹ des Porphyrios auch die späteren Neuplatoniker als Analyse der Sprache verstehen, mit der die Menschen die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit bezeichnen, während die eigentliche Seinsstruktur der Wirklichkeit vor allem in den Werken Platons beschrieben sei.70 Voraus63

  Vgl. oben S. 99.   Vgl. detailliert M. Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus. Politisches Denken und Sozialphilosophie von Plotin bis Kaiser Julian, Berlin  /  Boston 2013, 85–102. 65   Iamblichus, Protrepticus 21 (104, 24–125, 29 Pistelli). 66   Porphyrius, De abstinentia 1, 3, 2; 1, 50, 3–51, 1 (1, p.  44; 82 Bouffartigue); L. Brisson, Porphyre de Tyr. ›De abstinentia‹ (Περὶ ἀποχῆς ἐμψύχων), in: DPhA 5b (2012), 1408–1419; vgl. Philoponus, In De anima (CAG 15, p.  19, 22–20, 5 Hayduck). 67   Vgl. R. Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed. The Ancient Commentators and their Influence, London 1990. 68   Vgl. jetzt Horn, Plotin, 1274 f. 69   Vgl. H. D. Saffrey, How did Syrianus regard Aristotle?, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 173–179. 70   Vgl. St. Ebbesen, Porphyry’s Legacy to Logic. A Reconstruction, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 141–171, hier 143–146; K. Oehler, in: Aristoteles, Kategorien. Übersetzt und erläutert von K. Oehler, München 42009, 44–47. Neben Porphyrios’ KategorienKommentierung stellt auch der ›Kategorien-Kommentar‹ eines sonst nicht näher bekannten Dexippos ein wichtiges Zeugnis für die frühe neuplatonische Rezeption dieses Werkes dar, vgl. Ch. Horn, Dexippos, in: GGPh 5, 2, 1393–1395. 64

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gesetzt ist die bereits erwähnte Auseinandersetzung Plotins mit den ›Kategorien‹, in der er – unabhängig von der Frage, wie Aristoteles-kritisch dieser Zugriff ist71 – herausstellt, dass die aristotelische zweite Substanz, also ein allgemeines, mehreren Individuen zuschreibbares wesentliches Merkmal, nicht identisch mit Ideen des wahrhaft ›Seienden‹ (τὸ ὄν) sein kann, wie es die Ideen im Geiste sind.72 Denn dieses kann nicht als ›Gattung‹ (γένος) von Individuen ausgesagt werden und folglich durch die aristotelischen Kategorien, die – platonisch gesprochen – auf ›das nicht Seiende‹ (τὸ μὴ ὄν) abzielen, nicht beschrieben werden.73 Das gilt insbesondere für die Relationen im intelligiblen Bereich.74 Da aber die Erkenntnis der sinnlich wahrnehmbaren Welt eigenen Regeln folgt,75 kann Porphyrios hier positiv anschließen und das Thema der aristotelischen ›Kategorienschrift‹, wie beschrieben, auf Worte festlegen, insofern sie Objekte bezeichnen (καθὸ σημαντικαί εἰσι τῶν πραγμάτων), zu deren Beschreibung sie, in zwei Impositionen, von den Menschen eingesetzt werden.76 Diese Einsetzungen hängen ihrerseits mit gedanklichen Klassifikationen (ἐπίνοιαι) zusammen, die Porphyrios anhand ontologischer Beispiele verdeutlicht und von rein grammatischen Phänomenen unterscheidet.77 In diesem Kontext begegnet vereinzelt auch bereits die Verwendung des Terminus ›Hypostase‹ (ὑπόστασις) für einen individuellen Menschen.78 Bei Jamblich und seinen Nachfolgern werden zunehmend auch die übrigen Teile der aristotelischen Philosophie (Naturphilosophie  /  Physik, Seelenlehre und Metaphysik) rezipiert, indem man sie in einer Weise deutet, die mit der neuplatonischen Platon-Deutung kompatibel ist, und nur dort kritisiert, wo dies unum71

  Vgl. dazu Chiaradonna, Sostanza Movimento Analogia; R. Thiel, Aristoteles’ ›Kategorienschrift‹ in ihrer antiken Kommentierung, Tübingen 2004. Die Entscheidung dieser Frage hängt im Wesentlichen an der Interpretation der ›Kategorien‹ selbst, nicht am Inhalt der neuplatonischen Deutung, vgl. Thiel, Aristoteles’ ›Kategorienschrift‹, 219–221. 72   Vgl. Plotinus, Enneades 6, 1, 3, 1–19. 73   Vgl. Plotinus, Enneades 6, 2, 1, 1–30. 74   Vgl. z. B. Plotinus, Enneades 6, 3, 28, 4–12. 75   Vgl. Plotinus, Enneades 6, 3, 1, 8–21; 6, 3, 2, 2–22. 76   Porphyrius, In Categorias (CAG 4, 1, p.  57, 20–58, 20 Busse); klarstellend auch Philoponus, In Categorias (CAG 13, 1, p.  58, 13–21 Busse). Für Details vgl. Lloyd, The Anatomy of Neoplatonism, 36 f.; Ebbesen, Porphyry’s Legacy to Logic, 141–171; Thiel, Aristoteles’ ›Kategorienschrift‹, 17–27. 77   Vgl. Porphyrius, In Categorias (CAG 4, 1, p.  73, 4–20; 115, 20–33 Busse). Der Begriff der ἐπίνοια ist vor allem bei Gregor von Nyssa recht umstritten, vgl. Ch. Apostolopoulos, Die Rolle der Epinoia nach Eunomios und Gregor und die theologisch-philosophischen Hintergründe, in: L. Karfíková  /  S. Douglass  /  J. Zachhuber (Hrsg.), Gregory of Nyssa, ›Contra Eunomium‹ II. An English Version with Supporting Studies. Proceedings of the 10th International Colloquium on Gregory of Nyssa (Olomouc, September 15–18, 2004), Leiden  /  Boston 2007, 239–245, hier 241 f. mit Anm.  12, sowie unten S. 822  f. 78   Porphyrius, Isagoge (CAG 4, 1, p.  18, 24–19, 1 Busse). Vgl. A. Vasiliu, Penser Dieu. Noétique et métaphysique dans l’Antiquité tardive, Paris 2018, 312.

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gänglich scheint.79 Vor diesem Hintergrund entsteht, vor allem seit Ammonios Hermeiou am Ende der Antike,80 ein umfangreiches Corpus kommentierender Schriften, die vor allem Aristoteles zum Thema haben und ihn mit einer neuplatonischen Deutung versehen.81

Lebensführung und Henosis Das neuplatonische Verständnis der Philosophie als Lebensführung ist geprägt von der Idee eines Aufstiegs der Seele zur Vereinigung mit dem Einen. Er beginnt mit der philosophischen Praxis, die in propädeutischen Schriften (Porphyrios, ›An Markella‹; Hierokles, Kommentar zu Pythagoras’ ›Goldenen Versen‹; Simplikios, Kommentar zu Epiktets ›Encheiridion‹) gerade den Anfängern unter Aufnahme vieler stoischer Elemente vermittelt wird.82 Eine solche Lebensführung, die durch die Vorsehung und die Unsterblichkeit der Seele legitimiert und ermöglicht wird,83 ist aber nur eine Vorbedingung für den Erfolg des theoretischen Studiums.84 Erst dieses führt zu dem Wissen über die Elemente des Kosmos, das eine Vorbedingung für die Einigung mit der Gottheit ist, »denn wer ohne dies zur Schau des Demiurgen stürmt, ist zu unvollkommen für das Denken des Vaters«.85 Beschrieben wird dieser Aufstieg anhand mehrerer Grade von Tugenden: 86 Nach dem Schema des Porphyrios,87 der Überlegungen Plotins88 systematisiert, kommen die politischen, kathartischen und noetischen Tugenden der menschlichen Seele zu: Das gesellschaftliche Leben dient zur Vorbereitung für die Reinigung, die schließlich zur geistigen (noetischen) Schau der Ideen beziehungsweise des Seins führt. Die paradigmatischen Tugenden sind schließlich im Geiste selbst angesiedelt, der sich oberhalb der Seele befindet. Bei Proklos und seinem Nachfolger Marinos kommen weitere Stufen, vor allem die hieratischen (bzw. theurgischen)

79   Hierocles, apud: Photius, Bibliotheca codicum 3, 214 (3, p.  125, 33–126, 9 Henry); ­Hadot, Le problème du néoplatonisme Aléxandrin, 73–76. 80   Vgl. unten S. 935  f., 967–972. 81   Vgl. G. Karamanolis, Why did Porphyry write Aristotelian Commentaries?, in: B. Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese, Berlin 2018, 9–43. 82   Vgl. Hadot, Le problème du néoplatonisme Alexandrin, 150–164; M. Erler, Sokrates in der Höhle, Tübingen 2020, 155–160 (auch zu Boethius). 83   Hierocles, In carmen aureum 10, 6–12; 10, 25 (37, 6–38, 2; 41, 12–22 Koehler). 84   Hierocles, In carmen aureum, prooem. 2 f. (5, 7–6, 18 Koehler). 85   Ὁ γὰρ ἄνευ τούτων ὁρμῶν ἐπὶ τὴν τοῦ δημιουργοῦ θεωρίαν ἀτελέστερός ἐστι τῆς νοήσεως τοῦ πατρός. Proclus, In Timaeum (1, p.  301, 3–21, Zitat 20  f. Diehl). 86   Vgl. H. D. Saffrey  /  A.-Ph. Segonds, in: Marinus, ›Proclus ou sur le bonheur‹, LXIX–C; A. Linguiti, The Neoplatonic Doctrine of the Grades of Virtue, in: Pietsch (Hrsg.), Ethik des antiken Platonismus, 131–140. 87   Porphyrius, Sententiae 32 (22, 14–35, 3 Lamberz). 88   Plotinus, Enneades 1, 2.

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Tugenden, hinzu.89 Auf allen Stufen gibt es die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maßhalten in mehr oder weniger großer Vollendung.90 Gerade bei den späteren Autoren kann der Mensch jedoch nicht allein durch den Erwerb des »wahren Wissens«, das die »Vollendung der Seele« ist (ψυχῆς τελειότης), zum Überseelischen aufsteigen, sondern hierzu ist, in den Worten des Proklos, zusätzlich die Führung des »Geistes als Steuermann für die Seele« (νοῦς ὁ κυβερνήτης τῆς ψυχῆς) erforderlich.91 Das Eine sowie der Geist der Seele, durch welche letztlich diese Vereinigung stattfindet, sind allerdings nur in eingeschränktem Sinn »selbstvollendet«, da die Seele als ganze immer noch mit dem Körper verbunden ist. Folglich bezeichnet Proklos das »Eine der Seele« genauer als ein Einheitsmoment (ἕνωσις)92 und betont, dass die Seelen, wegen ihres kompletten Abstiegs und der Einschränkung ihrer Aktivität, nicht aus sich heraus den Aufstieg leisten können.93 Da sie also der Hilfe der Dämonen und sogar der Götter bedürfen, beschreibt Proklos, ebenso wie Jamblich, den Aufstieg der Seele als ein Gebet, vermittels dessen der Aufstieg in mehreren Stufen verläuft.94 Während bei Plotin noch die Seele als solche mit dem Einen eins werden kann, vermag bei Proklos lediglich der transzendente Urgrund der Seele eine Vereinigung mit dem Göttlichen zu erlangen, bei der er in die Gemeinschaft aller Henaden bzw. aller Götter eintritt, die freilich immer noch eine, wenn auch denkerisch nicht mehr voll erschließbare, Vereinigung mehrerer Individuen darstellt.95 Die Unmöglichkeit, diese Vereinigung in menschlicher Sprache darzustellen, macht ihre Beschreibung als Mysterium erforderlich: »Denn das Finden kommt einer Seele zu, die nicht etwas sagt, sondern die Augen schließt und dem göttlichen Licht unterworfen ist, noch sich in Eigenbewegung befindet, sondern gleichsam stille schweigt«.96

Dies ist die theoretische Grundlage dafür, dass religiöse und theurgische Praktiken einen höheren Stellenwert erhalten, als es zuvor in der antiken Philosophie üblich war, so wie es bereits Jamblich in ›Über die Mysterien‹ (›De mysteriis‹) erläutert.97 89

  Marinus, Proclus 3, 1–7 (p.  3 Saffrey  /  Segonds); Damascius, In Phaedonem 1, 138–144 (Westerink). 90   Porphyrius, Sententiae 32 (23, 8–12; 25, 3–6; 27, 9–28, 3; 29, 3–6 Lamberz). 91   Proclus, Theologia Platonica 4, 13 (4, p.  43, 15–20 Saffrey  /  Westerink). 92   Proclus, In Alcibiadem (2, p.  247,8–20 Segonds). 93   Proclus, Elementatio theologica 211 (p.  184, 17–19 Dodds). 94   Vgl. Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 155; Perkams, Proklos, 107. 95   Vgl. Proclus, Theologia Platonica 1, 24 (1, p.  107, 2–108, 17 Saffrey  /  Westerink): ἡ ἄρρητος τῶν θεῶν ἕνωσις; vgl. Perkams, Proklos, 108 f. 96   Οὐδὲ γὰρ ἡ  εὕρεσις λεγούσης τι τῆς ψυχῆς ἦν, ἀλλὰ μυούσης καὶ ὑπεστρωμένης πρὸς τὸ θεῖον φῶς, οὐδὲ κινουμένης οἰκείαν κίνησιν, ἀλλὰ σιωπώσης τὴν οἷον σιωπήν. Proclus, In Timaeum (1, p.  303, 5–8 Diehl). 97   Zum Beispiel Iamblichus, De mysteriis 5, 26 (238, 3–12 Parthey  /  des Places) [zum Gebet]; 8, 7 f. (269, 13–272, 15 Parthey  /  des Places) (zur Theurgie); weiteres unten S. 766–770.

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Aspekte des Philosophieverständnisses Philosophiebegriff Die Neuplatoniker verstehen ihre Philosophie in erster Linie als Interpretation des »göttlichen Platon«,98 doch schon Plotin, der in seiner mündlichen Lehre Schriften der Aristoteliker und Stoiker interpretiert,99 sieht sich auch als Repräsentant der breiter verstandenen philosophischen Tradition.100 Diese Tendenz verstärkt sich bei Jamblich,101 der Pythagoras als den Erfinder der Philosophie rühmt,102 dem zufolge es sich bei ihr um ein »Streben nach […] und gleichsam eine Freundschaft zur Weisheit« (ὄρεξιν […] καὶ οἱονεὶ φιλίαν σοφίας) handle, welche in der »Wahrheit im Seienden« (ἐν τοῖς οὖσιν ἀληθείας) bestehe.103 Diese platonisierende Umformung der stoischen Philosophiedefinition104 ergänzt Jamblich um einen Preis des Pythagoras als Begründer aller Wissenschaften,105 der dessen Stellung gegenüber Platon stärkt, der im Mittelplatonismus ähnlich gelobt wird. 106 Von den Definitionen von Philosophie prägt insbesondere das »Ähnlichwerden mit Gott« das Selbstverständnis der Neuplatoniker, das freilich immer als selbständige Formel, niemals mit dem Begriff ›Philosophie‹ zusammen zitiert wird.107 Das Ähnlichwerden wird hierbei in einer spezifischen Weise verstanden, die sich daraus ergibt, dass die Neuplatoniker sowohl jedes Element der Geisthypostase als auch das Eine selbst als auch einige niedere Gottheiten als ›Gott‹ (θεός) bezeichnen können. Vor diesem Hintergrund entfaltet Plotin in seiner Schrift ›Über die Tugend‹ (›Enneade‹ 1, 2) programmatisch ein gestuftes Verständnis davon, was es heißt, »Gott ähnlich werden« (ὁμοιοῦσθαι τῷ θέῳ). Hierbei sei ein »doppeltes Ähnlichwerden« (διττὴ ὁμοίωσις) zu unterscheiden: Denn das Erwerben von Tugenden könne nur eine Ähnlichkeit zu einem Gott bedeuten, der selbst Tugenden besitzen könne – also zu einem niederen, enkosmischen Gott – oder zu einem guten Menschen, denen man durch Erwerb der politischen Tugenden ähnlich werde. Ein Ähnlichwerden zum Geist bedeute hingegen, automatisch auf bestmögliche 98

  Ὁ θεῖος Πλάτων. Zum Beispiel: Plotinus, Enneades 3, 5, 1, 5 f; Porphyrius, Ad Marcellam 10 (111, 17 des Places). 99   Porphyrius, Vita Plotini 14, 4–16 (1, p.  17 Henry  /  Schwyzer2). 100   Plotinus, Enneades 3, 7, 1, 13–16; 6, 4, 16, 4–7. 101   S. oben S.  748  f. 102   Iamblichus, Vita Pythagorae 162 (91, 16 Deubner). 103   Iamblichus, Vita Pythagorae 159 (89, 23–25 Deubner). Zur Historizität dieser Überlieferung vgl. oben S. 95  f. 104   Vgl. dazu oben S. 423–426. 105   Iamblichus, Vita Pythagorae 159–161 (89, 23–90, 22 Deubner). Vgl. Staab, Pythagoras in der Spätantike, 372–380. 106   Vgl. dazu oben S. 547  f. 107   So das Ergebnis einer Suche mit dem TLG. Vgl. zum Gesamtkomplex auch I. Männlein-Robert, Tugend, Flucht und Ekstase. Zur ὁμοίωσις θεῷ in Kaiserzeit und Spätantike, in: Pietsch (Hrsg.), Ethik des antiken Platonismus, 99–111; Horn, Plotin, 1299–1301.

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Weise aktiv zu sein, so dass man bei einer solchen Ähnlichkeit zum Urbild aller Güte streng genommen lediglich noch von den »Reinigungen« (καθάρσεις) sprechen könne, die ihrerseits eher ein Urbild von Tugenden als Tugenden im üblichen Sinne seien.108 Auch Porphyrios verbindet das Ähnlichwerden mit Gott mit den theoretischen Tugenden, nicht aber mit einem moderaten Erleiden, wie es durch die politischen Tugenden zu erreichen sei.109 Bei den späteren Autoren wird das Motiv des Ähnlichwerdens mit Gott weder häufig noch genauer entfaltet: In den Einführungsschriften des Jamblich (›Protreptikos‹) und Hierokles (›Kommentar zu den Goldenen Versen‹) wird die platonische Formel paraphrasiert, wobei Letzterer sie als Ergebnis einer vorbereitenden »Reinigung« sieht.110 Porphyrios stellt das Ähnlichwerden mit Gott einem falsch verstandenen Opferdienst gegenüber.111 Hermeias identifiziert es entweder mit der Eudaimonie oder mit dem Ausstrecken (ἀνάτασις) zu den Göttern, das zugleich ein Gebet sei; in beiden Fällen ist klar, dass es um eine geistig-theoretische Vollendung geht.112 Das wird auch bei Proklos vorausgesetzt, der das wesenhafte Ähnlichwerden mit dem Geist auch, eher statisch, als »Ähnlichkeit« (ὁμοιότης) bezeichnet.113 Auch ansonsten betont er, Plotin nicht unähnlich, mehrfach verschiedene Formen des Ähnlichwerdens, entsprechend der Vielfalt der von ihm dargestellten göttlichen Entitäten.114 Im Übrigen kann man wohl davon ausgehen, dass der neuplatonische Unterricht schon frühzeitig auf Listen verschiedener Definitionen der Philosophie zurückgreift, wie sie uns erst in der Ausgehenden Antike bei Ammonios Hermeiou und seiner Schule als geschlossener Katalog überliefert sind;115 die meisten von ihnen werden aber auch schon bei Kaiser Julian zusammengeführt.116 Bei Jamblich und Hierokles finden sich zudem einige andere lobende Charakterisierungen der Philosophie wie die aus Aristoteles übernommenen »Besitz und Gebrauch der

108

  Plotinus, Enneades 1, 2, 2 f.; 1, 2, 6 f.   Porphyrius, Sententiae 32 (25, 7–9 Lamberz). 110   Iamblichus, Protrepticus 14 (76, 9–11 Pistelli); Hierocles, In carmen aureum 24, 7 (99, 16–18 Koehler). Beide Stellen sind wörtlich identisch, vom platonischen Text aber leicht verschieden; die Erläuterung des Hierokles findet sich Hierocles, In carmen aurem 24, 7–9 (99, 19–100, 6 Koehler). 111   Porphyrius, De abstinentia 2, 43, 3 f. (2, p.  109 f. Bouffartigue  /  Patillon); trotz Theophrast, frg.  584B Fortenbaugh et al. ist der Verweis auf die Homoiosis wohl dem Porphyrios zuzuschreiben. 112   Hermias, In Phaedrum (52, 7 f.; 106, 31–33 Lucarini  /  Moreschini). 113   Proclus, In Parmenidem (805, 12–28; 853, 19–25 Cousin); Theologia Platonica 6, 11 (6, p.  54, 28–55, 5 Saffrey  /  Westerink). 114   Proclus, Theologia Platonica 6, 4 (6, p.  23, 19–23 Saffrey  /  Westerink), mit einer Umdeutung der plotinischen διττὴ ὁμοίωσις; Proclus, In Timaeum (3, p.  115, 27–116, 21; 229, 9 Diehl). 115   S. unten S. 977–979. 116   S. unten S. 780. 109

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Weisheit« (κτῆσις καὶ χρῆσις σοφίας),117 »heilige Natur« (ἱερὰ φύσις)118 oder »erstrangige aller Fertigkeiten« (ἡγεμονικωτάτη πασῶν τῶν τεχνῶν).119 Insofern die letzte Definition eine Veränderung der gesamten Lebensführung hin zum Besseren impliziert, zu der allein der Philosoph wirklich bereit ist,120 ist es zur Philosophie, wie zu jeder anderen Wissenschaft, erforderlich »zu einem Begehrer des Schönen und Guten zu werden, arbeitsam und seit dem frühesten Morgen lernend sowie sich eine lange Zeit hindurch hierin vollendend«.121

Hier wird die umfassende Bedeutung der Philosophie als Lebensideal deutlich, das der Einzelnen, die daran festhält, auch in der Not Trost spenden kann, wodurch sie zur Zeugin (μαρτύς) für die Wahrheit der Philosophie wird.122 Während das philosophische Leben »gemäß der göttlichen und menschlichen Vernunft« (κατὰ λόγον τὸν θεῖον καὶ τὸν ἀνθρώπινον) zum Glücklichsein (εὐδαιμονία) führen soll,123 ergreifen doch nur wenige, niemals alle, die allen angebotene gute »göttliche Gabe«, formuliert Hierokles, in Anlehnung an den ›Timaios‹, recht ähnlich der vor-augustinischen christlichen Gnadenlehre.124 Näherhin wird die Philosophie von den Platonikern als Heraufführung (ἀναγωγή) zur Loslösung vom Körper hin zur Schau der höheren, insbesondere noetischen Dinge verstanden;125 in diesem Sinne entspricht sie grundsätzlich der platonischen Dialektik.126 Zur Philosophie gehören sowohl die Praxis als Vorbereitung für eine philosophische Lebensführung als auch die Theorie, in der sie sich vollendet.127 Letztere kulminiert in der ›Theologie‹ (θεολογία), die als theoretische Betrachtung der göttlichen Wirklichkeit verstanden wird.128 Ihre Systematik ruht auf einer ontologischen Interpretation des platonischen ›Parmenides‹, bei der die einzelnen Götter vor dem Hintergrund als Elemente einer komplexen Seinsstruktur erklärt werden,129 die auch ohne explizit theologische Bezüge dargestellt

117

  Iamblichus, Protrepticus 6 (40, 2 f. Pistelli).   Hierocles, In carmen aureum 25, 7 (107, 8 f. Koehler). 119   Iamblichus, Protrepticus 20 (95, 25 f. Pistelli). 120   Plotinus, Enneades 1, 3, 3; 5, 9, 2, 3. 121  Ἐπιθυμητὴν γενέσθαι τῶν καλῶν καὶ ἀγαθῶν φιλόπονόν τε καὶ πρωιαίτατα μανθάνοντα καὶ πολὺν χρόνον αὐτοῖς συνδιατελοῦντα. Iamblichus, Protrepticus 20 (95, 18–20 Pistelli). 122   Porphyrius, Ad Marcellam 8 (109, 15–110, 2 des Places). 123   Iamblichus, Protrepticus 4 (21, 2 f. Pistelli). 124   Hierocles, In carmen aureum 25, 4–7 (106, 9–107, 9 Koehler), nach Plato, Timaeus 47b. 125   Plotinus, Enneades 1, 1, 3, 17 f.; 1, 1, 3, 23–26; 1, 3, 1, 1–5; 6, 4, 16, 40 f.; Porphyrius, Vita Pythagorae 46 (57, 22–58, 12 des Places); Iamblichus, Protrepticus 3 (14, 3–17 Pistelli). 126   S. unten S.  762  f. 127   Hierocles, In carmen aureum, prooem. 1 (5, 1–4 Koehler) nach Plato, Timaeus, 47b. 128   Proclus, Theologia Platonica 1, 2 f. (1, p.  12, 6–14, 4 Saffrey  /  Westerink). 129   Vgl. M. Abbate, Il divino tra unità e molteplicità. Saggio sulla teologia Platonica di Proclo, Alessandria 2008; Van den Berg, Proclus’ Hymns, 35–43. 118

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werden kann, wie das Beispiel von Proklos’ ›Theologischer Elementarlehre‹ (›Elementatio theologica‹) zeigt.

Einteilung der Philosophie Die Einteilung der Philosophie spiegelt dieses Aufstiegsschema insofern wider, als die Neuplatoniker stets voraussetzen, dass man durch Ethik, Logik und Physik zur Theologie gelangt.130 Dieses Schema entspricht grundsätzlich der anagogisch verstandenen Dreiteilung, wie man sie bei Aspasios und Origenes findet.131 Besonders ähnlich ist, in einem ebenfalls anagogischen Kontext, die Darstellung in Porphyrios’ ›Brief an Markella‹, dem zufolge der Aufstieg gemäß drei »Gesetzen« geschehen soll: das durch menschliche Übereinkünfte bei den einzelnen Völkern gültige, das auf den Körper bezogene natürliche und das auf den Geist bezogene göttliche Gesetz.132 Als Philosophie im eigentlichen Sinne gelten jedoch vor allem die Physik (φυσιολογία) und die Theologie, deren idealtypische Darstellung die Neuplatoniker in Platons ›Timaios‹ beziehungsweise ›Parmenides‹ finden,133 sowie die Dialektik, die beide verbindet. Weitere traditionelle Einteilungen, zum Beispiel die in theoretische und praktische Philosophie134 oder in Physik und Metaphysik im aristotelischen Sinne, abhängig von den Objekten dieser Wissenschaften,135 werden zitiert und im Sinne des oben genannten Grundschemas verstanden: So verlangt Jamblich vom Studenten der Weisheit den Erwerb sowohl der apodeiktischen Wissenschaft (ἡ ἀποδεικτικὴ ἐπιστήμη) als auch der mit Klugheit verbundenen Tugend (ἡ κατὰ φρόνησιν ἀρετή) sowie der ›gesamten logischen Philosophie‹, die für die Erkenntnis der Struktur der Ideenwelt unerlässlich sei (πᾶσα ἡ λογικὴ φιλοσοφία).136 Während mit Weisheit (σοφία) hier entsprechend dem Sprachgebrauch der kaiserzeitlichen Aristoteliker137 die aristotelische Metaphysik gemeint ist,138 entsprechen die genannten Bezeichnungen den übrigen drei Teilen theoretische und praktische Philosophie sowie Logik, Letztere verstanden als platonische Dialektik. Die Tatsache, dass die Logik hier Erwähnung findet, in ›An Markella‹ 130   Porphyrius, Vita Plotini 24–26 (1, p.  32–38 Henry  /  Schwyzer2); Iamblichus, Vita Py­tha­ gorae, 157 f. (88, 24–28 Deubner); Iamblichus, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 2 (2, p.  19, 29 f. Wachsmuth); Proclus, Theologia Platonica 1, 4 (1, p.  19, 6–8 Saffrey  /  Westerink). 131   S. oben S. 564, 676  f. 132   Porphyrius, Ad Marcellam 25 (120, 8–17 des Places). 133   Proclus, In Timaeum, prooem. (1, p.  1, 4–8 Diehl); Theologia Platonica 1, 7 (1, p.  31, 7–27 Saffrey  /  Westerink). 134   Iamblichus, Protrepticus 4 (21, 7 f. Pistelli). 135   Syrianus, In Metaphysica (CAG 6, 1, p.  3, 10–17; 58, 9–20 Kroll). 136   Iamblichus, Protrepticus 4, (19, 14–23 Pistelli). 137   S. oben S. 562. 138   Plotinus, Enneades 1, 3, 6, 19.

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hingegen nicht, verdeutlicht, dass die Frage, ob die Logik ein Teil der Philosophie ist oder nicht, im Neuplatonismus kontextabhängig beantwortet werden kann.139 Man muss daher davon ausgehen, dass die in unseren Quellen seit Ammonios Hermeiou und Boethius Platon zugeschriebene Position, sie sei sowohl ein Teil als auch ein Werkzeug der Philosophie, bereits auf frühere Neuplatoniker zurückgeht, wobei Porphyrios, als wahrscheinliche Quelle für Boethius, ein plausibler Kandidat ist.140 Bei Jamblich141 und Syrian142 begegnet eine Einteilung der »einen und gesamten Philosophie« (ἡ μία φιλοσοφία καὶ ὅλη), die alles Seiende als Seiendes (πᾶν τὸ ὂν ᾗ ὄν) beschreibe, in einzelne Arten, die speziellen Seinsarten entsprächen, wobei verschiedene Einteilungen möglich sind, z. B. eine einfache Unterscheidung von Metaphysik und Physik oder auch eine genauere Einteilung der Naturphilosophie entsprechend den Themenbereichen der aristotelischen Schriften ›Über den Himmel‹ (›De caelo‹) und ›Über Werden und Vergehen‹ (›De generatione et corruptione‹); die hierfür zu findenden Belege in der Ausgehenden Antike dürften ebenfalls auf eine ältere Tradition zurückgehen.143 Derartige, im Detail häufig kompliziert zu lesende Ausführungen sind daraus zu erklären, dass die Neuplatoniker sämtliche bei Platon und Aristoteles, und zum Teil bei den Stoikern, überlieferten Philosophiebegriffe aufgreifen und integrieren wollen. Hierzu verwenden sie das allgemeine methodische Grundschema, verschiedenen Autoren unterschiedliche Begrifflichkeiten für dieselben Entitäten bzw. Sachverhalte zuzuschreiben, deren Synonymität vom neuplatonischen Interpreten aufgezeigt werden muss. In diesem Sinne erklärt z. B. Jamblich »vielköpfiges Tier« (πολυκέφαλον θηρίον), »sterbliche Lebensform« (θνητὸν τῆς ζωῆς εἶδος) und »Veränderung hervorbringende Natur« (φύσις γενεσιουργός) als Bezeichnungen für die gleiche Entität, nämlich die Seele im Körper.144 Mit derselben Methodik lässt sich natürlich auch erklären, dass unterschiedliche Einteilungen der Philosophie im Endeffekt dasselbe meinen.

139

  So wird das φυσικὸν μέρος der Philosophie in Porphyrios’ ›Kommentar zu den Kategorien‹ erwähnt (CAG 4, 2, p.  56, 28–31 Busse). Möglicherweise gibt das bei Boethius zu findende Schema der Teile der Philosophie einen Text des Porphyrios wieder (s. unten S.  1066 f.). Zur Logik s. unten. 140   Vgl. unten S. 984  f., 1067. 141   Iamblichus, Protrepticus 4 (20, 2–14 Pistelli). 142   Syrianus, In Metaphysica (CAG 6, 1, p.  58, 12–19 Kroll). 143   Vgl. unten S.  982  f. 144   Iamblichus, Protrepticus 3 (13, 23–14, 3 Pistelli).

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Ethik und Praxis145 Die Praxis und das zu ihr gehörige Handeln ist für den Neuplatoniker, wie schon für den Mittelplatoniker Alkinous, grundsätzlich auf die Theorie hingeordnet und sollte zu ihr hinführen.146 Eine alleinige Konzentration auf das praktische Leben zeigt für sie das Verkennen dieses Umstands.147 Daher taucht die Ethik in den Leselisten der Platoniker, die sich auf Naturphilosophie und Theologie konzentrieren,148 nicht eigens auf, sondern wird vor Beginn des eigentlich philosophischen Studiums anhand spezieller Texte für Anfänger vermittelt beziehungsweise, bei späteren Autoren, nach der Logik als Vorbereitung für die eigentliche Philosophie gelehrt.149 Daneben bleibt eine Wertschätzung für die Politik bei allen Platonikern bestehen und wird mit der Idee der Freundschaft theoretisch ausgearbeitet,150 auch wenn die Möglichkeiten politischer Aktivität im christlichen Kontext zunehmend geringer werden.

Physik bzw. Naturphilosophie Die in Platons ›Timaios‹ überzeugend dargestellte ›Physik‹ bzw. ›Naturphilosophie‹ (meist φυσιολογία) strebt an, auch die sinnlich wahrnehmbare Realität als Abbilder der geistigen Ideen sowie die Teile im Kontext des Ganzen zu beschreiben. Die Natur kommt folglich von vornherein als Spur des Ewigen in den Blick151 und wird vor allem in ihrer Verweisfunktion auf die transzendenten Ursachen untersucht, deren wirkursächlicher Charakter gegen die Aristoteliker stark betont wird.152 Zur Naturphilosophie gehört auch der Nachweis der Ewigkeit der Welt, für den sich die Neuplatoniker sachlich an Aristoteles anschließen und Platons Behauptung, der Kosmos sei »geworden« (γενητός), entsprechend interpretieren.153 Neben den aus Aristoteles bekannten Argumenten für diese These, deren ausführliche Verteidigung durch Proklos sich ausdrücklich gegen die Mittelplatoniker Plutarch und Attikos richtet – aber sicherlich auch vom christlichen Kontext 145   R. Arnou, Praxis und Theoria. Étude de détail sur le vocabulaire et la pensée des Ennéades de Plotin, Paris 1921; O’Meara, Platonopolis, 50–62; Perkams, Die Gleichzeitigkeit von Wählen und Nicht-Wählen, 221–225. 146   Plotinus, Enneades 3, 8, 5, 34–3, 8, 6, 2. 147   Plotinus, Enneades 3, 8, 4, 31–36; s. unten S. 775. 148   Anonymus, Prolegomena in philosophiam Platonis 10 (26, 16–18 Westerink). 149   S. unten S. 764. 150   S. unten S. 774–776. 151   Proclus, In Timaeum, prooem. (1, p.  1, 17–24 Diehl). 152   Proclus, In Timaeum, prooem. (1, p.  2, 21–1, 3, 13 Diehl). 153   Proclus, In Timaeum (1, p.  233, 8–234, 3 Diehl); Proclus, apud: Ioannes Philoponus, De aeternitate mundi 6, 7 (139, 15–140, 1 Rabe).

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angeregt ist –, treten auch eher apriorische Argumente aus der platonischen Tradition, z. B. dass der Schöpfergott sonst vor der Schöpfung untätig und somit unvollkommen gewesen wäre.154

Metaphysik, Theologie und Dialektik Die aristotelische Metaphysik als Wissenschaft vom Seienden qua Seienden (ὂν ἧ ὄν),155 die zugleich Weisheit genannt wird, wird seit Jamblich auf den gesamten Bereich des Seins bezogen. Er umfasst all dasjenige, was aus der Monade des Seins hervorgeht, d. h. aus dem höchsten Seienden, das auch das »seiende Eine« (τὸ ἓν ὄν) beziehungsweise »Selbstseiende« (τὸ αὐτοόν) genannt wird, »aufgrund dessen alles Seiende seiend genannt wird und in Vergleich zu dem nur das Eine selbst und die Prinzipien des Einen höher stehen« (δι ὃ τὰ ὄντα πάντα ὄντα λέγεται, οὗ δὴ μόνον ἐστὶ κρεῖττον τὸ ἓν αὐτὸ καὶ αἱ ἀρχαὶ τοῦ ὄντος).156

Die Benutzung pseudo-pythagoreischer Traktate aus der Kaiserzeit, welche diese Lehre unter den Namen früher Pythagoreer präsentieren, erlaubt es den Neuplatonikern, hierin ein pythagoreisches Konzept zu sehen.157 Demgegenüber wird die »Theologie« (θεολογία) beziehungsweise »theologische Wissenschaft« (θεολογικὴ ἐπιστήμη) von Proklos, mit Verweis auf die allgemeine philosophische Tradition, als die Wissenschaft von »den allerersten und ganz selbständigen Prinzipien des Seienden« verstanden, die »alle, die sich jemals mit der Theologie befasst haben, Götter nennen«.158 Als Besonderheit der Position Platons, die sich die Neuplatoniker zu eigen machen, gilt, dass er in seinem Prinzipiendenken nicht nur alles Körperliche, sondern auch Seele und Geist übersteigt und so

154   Proclus, apud: Ioannes Philoponus, De aeternitate mundi 4, 11 (82, 15–25 Rabe); vgl. B. Gleede, Platon und Aristoteles in der Kosmologie des Proklos. Ein Kommentar zu den 18 Argumenten für die Ewigkeit der Welt bei Philoponos, Göttingen 2009, 128–136. S.  auch unten S. 1019  f., 1033  f. 155   Syrianus, In Metaphysica (CAG 6, 1, 45, 28–31); Proclus. In Parmenidem (1087, 4–7 Cousin). 156   Proclus, In Timaeum (1, p.  232, 4–12 Diehl); Proclus, In Parmenidem (704, 5–9 Cousin). 157   Vgl. M. Perkams, Apodeiktische Weisheit. Metaphysik als Seinswissenschaft nach den Neuplatonikern Jamblich und Syrian, in: Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese, 45–68, v. a. 48–53. 158   Ἅπαντες μὲν οὖν ὅσοι πώποτε θεολογίας εἰσὶν ἡμμένοι, τὰ πρῶτα κατὰ φύσιν θεοὺς ἐπονομάζοντες, περὶ ταῦτα τὴν θεολογικὴν ἐπιστήμην πραγματεύεσθαί φασιν. […] Ἅπαντες μὲν οὖν […] τὰς πρωτίστας ἀρχὰς τῶν ὄντων καὶ αὐταρκεστάτας θεοὺς ἀποκαλοῦσι καὶ θεολογίαν τὴν τούτων ἐπιστήμην. Proclus, Theologia Platonica 1, 3 (1, p.  12, 11–13; 1, p.  13, 6–8 Saffrey  /  Westerink).

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»zu einem anderen Prinzip voranschreitet, das dem Geist völlig transzendent und noch unkörperlicher sowie unsagbar ist, von dem alles, selbst wenn Du das Letzte an Seiendem nennst, notwendigerweise die Existenz hat«.159

Letztlich ist ein solcher Zugang zum Einen nur durch das schon angesprochene mystische Übersteigen des diskursiven Denkens möglich, das konkret durch das Studium verschiedener platonischer Dialoge erreicht werden soll, in denen eine ganze Reihe von Methoden – symbolische, dialektische, naturphilosophische, ethische – exemplarisch durchgeführt werden.160 Insbesondere die ersten beiden Ausdrücke verweisen darauf, dass für die meisten späteren Neuplatoniker eine Annäherung an das Eine nur über theurgische Riten, nicht über philosophisches Studium möglich ist. Eine weitere Besonderheit Platons besteht laut den Neuplatonikern darin, dass er ausgehend von der Erkenntnis des Einen auch »den Hervorgang« (τὸν πρόοδον) und »die Spezifika« (τὰς ἰδιότητας) aller Götter beziehungsweise aller Formen ewiger Wirklichkeit beschreibt.161 Damit wird die Theologie zu der Wissenschaft, welche die gesamte denkbare und sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit wissenschaftlich, d. h. aus den Ursachen heraus – nämlich im Ausgang von der obersten Ursache selbst –, erklären kann.162 Damit ergibt sich, ähnlich wie in der Stoa, auch die Möglichkeit, die gesamte Götterwelt philosophisch darzustellen.163 Zentral für die Philosophie bleibt bei den Neuplatonikern die platonische Dialektik,164 die sie als besondere Weise des Aufstiegs bis hin zum Überseienden bzw. Einen verstehen. Aufgrund ihrer Notwendigkeit für die Theologie wird sie dezidiert als Teil der Philosophie165 oder, in Anlehnung an kaiserzeitliche Vorbilder, als in allen Teilen der Philosophie enthalten aufgefasst.166 Bei Syrian und Proklos167 werden in die Dialektik auch Elemente der aristotelischen Logik aufgenommen, die Plotin noch klar von der Dialektik unterscheidet,168 was die Frage verschärft, inwieweit beides ein ›Teil‹ der Philosophie sei. 159   Πρόεισι δὲ ἐπ’ ἄλλην ἀρχὴν τοῦ νοῦ παντελῶς ἐξῃρημένην καὶ ἀσωματωτέραν καὶ ἄρρητον ἀφ’ ἧς πάντα, κἂν τὰ ἔσχατα τῶν ὄντων λέγῃς, τὴν ὑποστάσιν ἔχειν ἀναγκαῖον. Proclus, Theologia Platonica 1, 3 (1, p.  13, 8–23 Saffrey  /  Westerink, Zitat 20–23). 160   Proclus, Theologia Platonica 1, 4 (1, p.  17, 9–20, 25 Saffrey  /  Westerink). 161   Proclus, Theologia Platonica 1, 4 (1, p.  20, 19–25 Saffrey  /  Westerink). 162   Proclus, Theologia Platonica 1, 3 (1, p.  14, 5–23; 16, 25–17, 7 Saffrey  /  Westerink). 163   S. unten S.  766  f. 164   D. P. Taormina, La dialettica come propedeutica, in: Giamblico, I frammenti delle epistole. Introduzione, testo, traduzione e commento, a cura di D. P. Taormina  /  R. M. Piccione, Neapel 2010, 89–134. 165   Plotinus, Enneades 1, 3, 3, 8–13. 166   Iamblichus, apud: Ioannes Stobaeus, Anthologium 2, 2 (2, p.  19, 14–20, 16 Wachsmuth); s. oben S. 550. 167   Syrianus, In Metaphysica (CAG 6, 1, p.  3, 30–32 Kroll); Vgl. Perkams, Apodeiktische Weisheit, 58–63. 168   Plotinus, Enneades 1, 3, 3, 13–23; vgl. Taormina, La dialettica come propedeutica,

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Curriculum und Leseordnung philosophischer Texte169 Die anagogische Struktur, in der die bis jetzt geschilderten Teile der Philosophie vermittelt werden, wird von Jamblich zu einem philosophischen Curriculum ausgearbeitet, das einen lange anhaltenden Einfluss auf die philosophischen Studien ausübt. Er versucht in seine Bildungsvorstellung die gesamte antike Tradition zu integrieren, und zwar neben der platonischen die aristotelische und stoische Philosophie, soweit man sie mit dem Platonismus kompatibel machen kann, sowie die religiös-literarische Tradition seit Homer, insbesondere die ›Chaldäischen Orakel‹, die den Neuplatonikern als göttliche Offenbarung gelten, aber wohl faktisch in mittelplatonischer Zeit zusammengestellt worden sind.170 Die verschiedenen Teile der Philosophie werden durch das Studium bestimmter Texte mit dem Lehrer vermittelt: Die als Propädeutik verstandene Ethik erklärt man anhand nicht technischer Texte wie der ›Goldenen Verse‹ (›Carmen ­aureum‹) oder den ›Diatriben‹ Epiktets.171 Dann studiert man – jedenfalls laut einigen programmatischen Texten – als »kleine Mysterien« Aristoteles’ Logik anhand des Organons und, jedenfalls später, dessen Ethik anhand der ›Nikomachischen Ethik‹, die im Gegensatz zu den genannten Schriften als technischer Text gilt.172 Dann folgen Aristoteles’ naturwissenschaftlichen Schriften bis hin zu ›Über die Seele‹ (›De anima‹), dessen Thematik bereits über die Physik hinausweist, und zur ›Metaphysik‹, bevor man anhand von Platon die gleichen Themen noch einmal in vertiefter Weise durchgeht.173 Hierbei werden in der von Proklos referierten Anordnung Jamblichs zunächst ›Alkibiades I‹, ›Gorgias‹, ›Phaidon‹, ›Kratylos‹, ›Theaitetos‹, ›Sophistes‹, ›Politikos‹, ›Phaidros‹, ›Symposion‹ und ›Philebos‹ gelesen sowie schließlich der ganze Kurs anhand des ›Timaios‹ und des ›Parmenides‹ zusammengefasst.174 In der Praxis werden aber auch thematisch verwandte Texte von Aristoteles und Platon im Zusammenhang gelesen, z. B. liest Plutarch von Athen mit Proklos ›De anima‹ und den ›Phaidon‹, der aus neuplatonischer Sicht eben132 f.; M. Schramm, Aristotelische Syllogistik und platonische Dialektik. Das Logik-Konzept der alexandrinischen Aristoteles-Kommentatoren, in: Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese, 247–275, hier 265 f.; dort auch zur Position Plotins 169   Vgl. P. Golitsis, Les commentaires de Simplicius et de Jean Philopon à la ›Physique‹ d’Aristote. Tradition et innovation, Berlin  /  New York 2008, 8–16. 170   Hierocles, apud: Photius, Bibliotheca 214 (3, p.  126, 2–9; 128, 5–130, 40 Henry); Marinus, Proclus 12–14; 22; 26 f. (p.  14–17; 25–27 ; 30–32 Saffrey  /  Segonds). 171   Simplicius, In Categorias (CAG 8, p.  5, 28–6, 3 Kalbfleisch); vgl. Hadot, Le problème du néoplatonismue, v. a. 160–164. 172   S. unten S. 986. 173   Marinus, Proclus 13, 1–10 (p.  15 f. Saffrey  /  Segonds); Damascius, Vita Isidori, epit. 35 (58, 9–60, 2 Zintzen). 174   Proclus, In Alcibiadem (1, p.  11, 14–21 Segonds); Anonymus, Prolegomena in philosophiam Platonis 10 (26, 16–44 Westerink); vgl. L. G. Westerink, in: ›Prolégomènes à la philosophie de Platon‹. Texte établi par L. G. Westerink et traduit par J. Trouillard, Paris 1990, LVIIIf., LXVIII–LXXII.

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falls die Seele behandelt.175 Texte wie Platons ›Staat‹ (›Politeia‹) und ›Gesetze‹ (›Nomoi‹), die außerhalb des Curriculums stehen, werden ebenfalls ganz oder teilweise studiert.176 An Platon schließen sich die »höchsten Mysterien« an, die insbesondere im Studium der ›Chaldäischen Orakel‹ bestehen, die auf der Grundlage des neuplatonischen Systems interpretiert werden.177 Entscheidend für die neuplatonische Lektüre all dieser Schriften ist, dass die Interpreten die Übereinstimmung bzw. ›Harmonie‹ des Aristoteles (und anderer nichtplatonischer Autoren) mit Platon aufzuweisen haben, was – bei individuellen Abweichungen – eine ganz spezifische Deutung der aristotelischen Texte nach sich zieht.178 Eine der exegetischen Techniken, die dies ermöglicht, ist die ›allegorische Interpretation‹ der Neuplatoniker, die insbesondere eine philosophische Deutung poetischer Texte, aber auch platonischer Mythen ermöglicht.179 Einige Belege weisen darauf hin, dass fortgeschrittene Studenten offenbar im Rahmen ihrer Ausbildung Kommentare verfassen, welche die Interpretation ihres Lehrers von bestimmten Texten enthalten, womöglich als Vorbereitung auf eine anstehende eigene Lehrtätigkeit.180 Derartige hoch spezialisierte und viele Jahre dauernde Kurse werden sicherlich nur von wenigen Hörern ganz absolviert, vor allem von Mitgliedern des engeren Kreises. Es ist davon auszugehen, dass viele Hörer nur die Anfangskurse studieren, d. h. vorwiegend die aristotelische Logik, deren Stellung als universale wissenschaftliche Methodik auf diese Weise viele Interessierte, darunter zumindest in Alexandrien auch Christen, erreicht.181

175

  Marinus, Proclus 12, 9–11 (p.  15 Saffrey  /  Segonds).   Anonymus, Prolegomena in philosophiam Platonis 10 (26, 45 f. Westerink). 177   Marinus, Proclus 26 (p.  30–32 Saffrey  /  Segonds). 178   Vgl. dazu z. B. G. Karamanolis, Plato and Aristotle in Agreement? Platonists on Aristotle from Antiochus to Porphyry, Oxford 2006, 322–330; M.-A. Gavray, Reconciling Plato’s and Aristotle’s Cosmologies. Attempts of Harmonization in Simplicius, in: Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese, 101–125. 179   Vgl. D. Cürsgen, Die Rationalität des Mythischen. Der philosophische Mythos bei Platon und seine Exegese im Neuplatonismus, Berlin  /  New York 2002, 164–364; W. Bernard, Die methodischen Grundlagen neuplatonischer Literaturinterpretation. Proklos’ Theorie der Dichtungsarten, in: K. Bracht u. a. (Hrsg.), Heteronome Texte. Kommentierende und tradierende Literatur in Antike und Mittelalter, Berlin  /  Boston 2021, 111–129. 180   S. z. B. Marinus, Proclus 12, 11–15; 13, 10–17 (p.  15 f. Saffrey  /  Segonds); Hermias, In Phaedrum (96, 24–28 Lucarini  /  Moreschini); dazu z. B. E. Lamberz, Proklos und die Form des philosophischen Kommentars, in: J. Pépin  /  H. D. Saffrey (Hrsg.), Proclus. Lecteur et interprète des anciens. Actes du colloque international du CNRS. Paris (2–4 octobre 1985), Paris 1987, 1–20. 181   Vgl. schon 856, 858 zu Kyrill von Alexandrien, ferner S. 947. 176

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Bezüge zu anderen kulturellen und wissenschaftlichen Feldern Philosophie und Religion Die Deutung der antiken Religion Ein Charakteristikum des Neuplatonismus seit Porphyrios und vor allem Jamblich liegt darin, dass viele religiöse Praktiken eine philosophische Deutung erfahren und Teil des philosophischen Lebens werden. Schon Porphyrios beschränkt sich nicht auf die aus früheren Zeiten bekannte interpretatio philosophica der heidnischen Religion, einschließlich von Phänomenen wie z. B. Orakeln, sondern setzt sich philosophisch – und überwiegend kritisch – mit dem Christentum auseinander.182 Proklos, der selbst Hymnen schreibt und Theurgie betreibt,183 versteht das Herzstück seiner Philosophie, die Henadenlehre, als eine auf Platon zurückgehende philosophische Ausformulierung paganer Theologie.184 Die angeblich offenbarten ›Chaldäischen Orakel‹ sieht er neben dem ›Timaios‹ als wichtigste Überlieferung der Wahrheit an.185 Zu dieser Tendenz, religiöse Praktiken wie Theurgie, Hymnengesang etc. im philosophischen Kontext zu übernehmen und als Teil ­einer philosophisch relevanten Praxis zu verstehen, gehört auch, dass bis ins späte 5. Jahrhundert z. B. in Karien unter dem Einfluss der Philosophie polytheistische Kulte gefördert werden.186 Das ist durchaus auch eine politische Positionierung, denn schon für den jungen Proklos kann es, seinem Biographen Marinos zufolge, als philosophischer Freimut (παρρησία) gelten, in einem christlichen Umfeld und trotz bestehender Verbote187 offen und furchtlos den Kult der Athene auszuüben.188 Die enge Beziehung der Neuplatoniker zur Religion entwickelt sich langsam: Die Beteiligung des Amelios an den Kulten wird von Plotin noch kritisiert, der seinerseits – wie Porphyrios nicht ohne Erschrecken notiert – im Bewusstsein seiner besonderen Einsichten meint, die Götter sollten zu ihm kommen.189 Plotins Aussage, Porphyrios habe sich durch ein Gedicht zur »Heiligen Hochzeit« als »Dichter, Philosoph und Hierophant« erwiesen,190 passt jedoch zum Selbstver182

  In der Sammlung von A. Smith unter dem Titel »Mythica et Mystica« (303F–369F), übrigens zum großen Teil von Eusebios überliefert. 183   Dies ist laut Damaskios vor allem für Jamblich und Proklos charakteristisch: Damascius, In Phaedonem 1, 172 (Westerink). 184   Vgl. zum Beispiel Proclus, In Parmenidem 6 (1062, 28–1063, 9 Cousin); vgl. R. Chlup, Proclus. An Introduction, Cambridge 2012, 112–119. 185   Marinus, Proclus 38, 15–20 (p.  44 Saffrey  /  Segonds). 186   Vgl. Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 13–17, 6; 40, 11–41, 11 Kugener); Damascius, Vita Isidori, frg.  *186; 204 (159, 11 f.; 177, 2–4 Zintzen); vgl. von Haehling, Heiden im griechischen Osten, 81; Hartmann, Der spätantike Philosoph 2, 1065–1069 und 1080–1088. 187   Vgl. zur theodosianischen Gesetzgebung Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1602 f. 188   Marinus, Proclus 11, 15–23 (p.  14 Saffrey  /  Segonds). 189   Porphyrius, Vita Plotini 10, 33–38 (1, p.  15 Henry  /  Schwyzer2). 190   Porphyrius, Vita Plotini 15, 4–6 (1, p.  18 Henry  /  Schwyzer2).

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ständnis vieler späterer Neuplatoniker, Erbe der antiken Kultur und Religion in ihrer Breite zu sein. Der Bezug zur Religion wird schon von Porphyrios aus der Tradition der »Barbarenphilosophie« und unter Aufweis von Parallelen bei verschiedenen Völkern begründet, so dass er z. B. die Essener und die indischen Samanäer als Philosophen in ihren Völkern ansieht. In diesem Kontext argumentiert Porphyrios, z. T. unter Benutzung von Theophrasts Schrift ›Über die Frömmigkeit‹ sowie epikureischer Werke, für die vegetarische Lebensweise, die auch für die Betrachtung des Göttlichen von Bedeutung sei,191 zumal für Philosophen, aufgrund ihrer herausragenden Stellung und Zielsetzung, höhere, insbesondere auch religiös sanktionierte Ansprüche gelten als für andere Menschen.192 Weiterhin sehen die Platoniker den Philosophen als wahren, universal verantwortlichen Priester an.193 Zu seinen Aufgaben gehört es, Verirrte (d. h. Christen) »auf den wahren Weg zurückzurufen, d. h. zur Verehrung der Götter« (ad ueram uiam reuocare, i. e. ad cultus deorum).194 In diesem religiös geprägten Verständnis ihrer eigenen Rolle folgen die Neuplatoniker einerseits stoischen Vorgängern,195 betonen aber selbst, wie schon Platon, besonders das Vorbild der Ägypter.196 Die religiöse Praxis nimmt im späteren Neuplatonismus noch weiter zu. Dies belegen u. a. die Förderung, die Plutarch von Athen religiösen Feiern angedeihen lässt,197 die Hymnen des Proklos sowie die Teilnahme an Opfern und das Erbeten von Orakeln.198 Der von Augustinus wiederholte Vorwurf, die Philosophen verehrten dieselben Kulte wie die Heiden, obwohl sie anders dächten,199 trifft insofern die spätantiken Philosophen nicht. Zur philosophischen Deutung der traditionellen Religion, die ebenfalls eine Aufgabe der Theologie ist,200 gehört neben der rationalen Erklärung der überlieferten Göttervorstellungen201 auch die Behandlung weiterer Elemente der reli-

191

  Porphyrius, De abstinentia 4, 11; 4, 17 (3, p.  17–19; 27–29 Patillon  /  Segonds).   Porphyrius, De abstinentia 4, 18, 6–9 (3, p.  31 f. Patillon  /  Segonds). Zur Benutzung Theophrasts vgl. F. Wehrli  /  G. Wöhrle  /  L. Zhmud, Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, in: GGPh 3 (22004), 493–666, hier 533 f. 193   Porphyrius, De abstinentia 2, 49 (2, p.  114 Bouffartigue  /  Patillon); Proclus, Theologia Platonica 1, 1, (1, p.  5, 15–6, 15 Saffrey  /  Westerink; mit τινες ἱερεῖς ἀληθινοί sind die im nächsten Abschnitt genannten Philosophen gemeint). 194   Anonymus, apud: Lactantius, Institutiones 5, 2, 5. 195   S. oben S. 436. 196   Besonders klar Porphyrius, De abstinentia 4, 6–8 (3, p.  9–13 Patillon  /  Segonds); vgl. ferner im Ganzen den literarischen Dialog zwischen Porphyrius, ›Ad Anebo‹, und Iamblichus, ›De mysteriis‹. 197   Vgl. Luna  /  Segonds, Plutarque d’Athènes, 1081–1088. 198   Vgl. zu Asklepiodotos Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 13–17, 14 Kugener). 199   Augustinus, De vera religione 1, 1 f. (CCL 32, p.  187, 4–188, 28 Daur). 200   Iamblichus, De mysteriis 1, 1 (2, 6–8 Parthey  /  des Places); Ammonius, In De interpretatione (CAG 4, 5, p.  131, 5–10 Busse). 201   Sallustius, De deis et mundo 3, 2 (4, 9–20 Nock). 192

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giösen Praxis, einschließlich der Vorsehung sowie religiöser Bräuche wie Opfer,202 Gebet,203 Götterbilder (Porphyrios, Περὶ ἀγαλμάτων),204 Orakel (Porphyrios, Περὶ τῆς ἐκ λογίων φιλοσοφίας),205 Mythen206 und der Theurgie.207 Proklos erklärt den Anhängern der Kulte den philosophischen Sinn ihrer religiösen Praxis.208 Sprachlich achtet insbesondere Jamblich auf eine polytheistische Beschreibung des göttlichen Wollens beziehungsweise Denkens (ἡ βούλησις καὶ νόησις τῶν θεῶν), das er gleichwohl als einheitlich versteht209 und mit der Vorsehung der Götter identifiziert,210 die ihrerseits über dem Schicksal (εἱμαρμένη) steht, das die Seele gefesselt hält und von den Göttern gelöst werden muss.211 Überhaupt ist Jamblichs Ausdrucksweise mit der Vorstellung kompatibel, die vielen Götter (sowie Dämonen, Heroen, Engel usw.) seien einem höchsten Gott (θεὸς εἷς oder ὁ δημιουργὸς θεός) unterzuordnen, von dem bei den anderen Autoren meist im Singular gesprochen wird:212 Für die Neuplatoniker kann ein höchstes einheitliches Prinzip, sei es nun das Eine oder der Geist (νοῦς), nur vielfältig wirken, indem es sich selbst ontologisch vervielfältigt.213 Die Einheitlichkeit der Vorsehung widerspricht somit nicht der Verschiedenheit der Götter, Erzengel, Engel, Dämonen und Heroen, die sich auch dem Theurgen als solche zu erkennen geben.214 Voraussetzung hierfür ist es nicht zuletzt, dass die verschiedenen Namen der Götter in den verschiedenen Sprachen einen realen Bezug zur gemeinten Sache aufweisen,215 was natürlich die Übernahme einer Theorie natürlicher Bezeichnung jedenfalls in Bezug auf göttliche Namen impliziert.

202   Iamblichus, De mysteriis 5 (199, 6–240, 18 Parthey  /  des Places); Sallustius, De deis et mundo 16 (28, 20–30, 5 Nock). 203   Iamblichus, De mysteriis 5, 26 (237, 8–240, 18 Parthey  /  des Places). 204   Porphyrius, frg.  351–360a (Smith). 205   Porphyrius, frg.  303–350 (Smith); vgl. A. Busine, Porphyre de Tyr. ›La philosophie tirée des oracles‹, in: DPhA 5b (2012), 1394–1397. 206   Sallustius, De deis et mundo 3 f. (2, 18–10, 4 Nock). 207   Iamblichus, De mysteriis, v. a. 10, 2 f. (286, 17–289, 2 Parthey  /  des Places). 208   Marinus, Proclus 15, 26–29 (p.  18 Saffrey  /  Segonds). 209   Iamblichus, De mysteriis 2, 2 (69, 9 Parthey  /  des Places): ἡ βούλησις καὶ νόησις τῶν θεῶν; De mysteriis 3, 4 (134, 14 Parthey  /  des Places). 210   Ammonius, In De interpretatione (CAG 4, 5, p.  135, 12–137, 11 Busse) mit ausdrücklichem Verweis auf Jamblich; Hierocles, apud: Photius, Bibliotheca 214 (3, p.  127, 40–8 Henry). 211   Iamblichus, De mysteriis 8, 7; 10, 2 (269, 13–270, 4; 287, 16–290, 4 Parthey  /  des Places). 212   Porphyrius, Sententiae 31 (21, 9–11 Lamberz); Iamblichus, De mysteriis 8, 2 (261, 9–11 Parthey  /  des Places); Hierocles, In carmen aureum. 3, 4 f. (18, 20–19, 8 Koehler); Hierocles, apud: Photius, Bibliotheca 214 (3, p.  126, 22–27, 42 Henry). Vgl. auch die Aussagen zur Christentumskritik bei Porphyrios und dem von Makarios Magnes zitierten Anonymos unten S. 772. 213   Proclus, In Timaeum (1, p.  305, 22–29 Diehl). 214   Iamblichus, De mysteriis 2, 7 (85, 1–86, 4 Parthey  /  des Places). 215   Iamblichus, De mysteriis 7, 5 (257, 3–19 Parthey  /  des Places).

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Göttliche Gnade und theurgisches Wirken Die Verbindung von Philosophen mit kultischen, aber auch magischen Handlungen, die für die Zeitgenossen selbstverständlich ist,216 hängt eng mit der Theurgie zusammen,217 die als charakteristisches Merkmal bestimmter Neuplatoniker gilt: »Die einen ziehen die Philosophie vor, wie Porphyrios, Plotin und viele andere Philosophen, die anderen aber die Theurgie (τὴν ἱερατικήν), wie Jamblich, Syrian und Proklos sowie alle Theurgen«.218

Unter ›Theurgie‹ wird nach einer neueren Darstellung ein »Wirken des Göttlichen« (action of the divine) verstanden, »welches der Theurgist von den Göttern zu besorgen versucht« (which the theurgist tried to procure from the gods), und zwar meist mithilfe von Symbolen verschiedenster Art (Steine, Tiere, Gebete etc.), auf der höchsten Stufe aber auch ganz ohne Rituale.219 Die Theurgie erreicht also ihre Ziele durch symbolisches Handeln, dessen Wirkung nicht vom menschlichen Denken (νόησεις) verursacht wird, sondern von den Göttern selbst.220 Da sie aber zum Aufstieg der Seele und der entsprechenden Schau führt, kann sie mit der »wahrhaftigen Theologie« (ἀληθινὴ θεολογία) identifiziert werden.221 Wichtiger als die niederen Formen von Theurgie, die auf bestimmte Effekte in der materiellen Welt abzielen,222 ist deren Rolle für die Vereinigung mit dem Göttlichen. Auszugehen ist von der durchaus in der philosophischen Tradition stehenden Annahme der Platoniker, dass sich Menschen wegen der Kräfte ihrer eigenen Seele zur theoretischen Aktivität aufschwingen können.223 Sie wird in der Weise religiös kontextualisiert, dass die Seele nicht von sich aus zur Vereinigung mit dem Einen vorstoßen kann, sondern durch den Geist (νοῦς) beziehungsweise die Götter zu ihr heraufgeführt werden muss,224 ohne dass die Menschen in der Lage wären, die Götter und ihre Kräfte zur Aktivität zu bewegen.Vielmehr »flößt die Kraft der stummen Symbole (σύμβολα), die von den Göttern allein gedacht 216

  Marinus, Proclus 28–33 (p.  33–39 Saffrey  /  Segonds); Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  15, 7–19, 3 Kugener). 217   Allgemein zum Verständnis der Theurgie: van den Berg, Proclus’ Hymns, 66–85; Ch. Helmig, Hilfe der Götter für das gute Leben. Die Rolle der Religiosität in der Ethik des antiken Platonismus, in: Pietsch (Hrsg.), Ethik im antiken Platonismus, 237–258. 218   Οἱ μὲν τὴν φιλοσοφίαν προτιμῶσιν, ὡς Πορφύριος καὶ Πλωτῖνος καὶ ἄλλοι πολλοὶ φιλόσοφοι· οἱ δὲ τὴν ἱερατικήν, ὡς Ἰάμβλιχος καὶ Συριανὸς καὶ Πρόκλος καὶ οἱ ἱερατικοὶ πάντες. Damascius, in Phaedonem 1, 172 (p.  105 Westerink); vgl. auch die oben S. 747  f. Anm.  35. erwähnte Stelle aus Hermeias’ ›Kommentar zum Phaidros‹. 219   Vgl. van den Berg, Proclus’ Hymns, 67 und 77–79. 220   Iamblichus, De mysteriis 2, 11 (97, 2–11 Parthey  /  des Places). 221   Iamblichus, De mysteriis 10, 2 (287, 9 f. Parthey  /  des Places). 222   Iamblichus, De mysteriis 2, 9 (88, 12–15 Parthey  /  des Places). 223   Iamblichus, De mysteriis 8, 7 (270, 9–13 Parthey  /  des Places). 224   Iamblichus, De mysteriis 8, 8 (271, 1–272, 15 Parthey  /  des Places)

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werden, die theurgische Vereinigung (τὴν θεουργικὴν ἕνωσιν) ein«,225 während die Reinheit der menschlichen Seele nur als »eine Art Mitursache« (ὡς συναιτία ἄττα) an der Wirkung des göttlichen Wollens beteiligt ist.226 Eine ähnliche Wirkung wird z. B. auch mit dem Gebet verbunden.227 Damit verwischen gerade in Bezug auf die Theurgie die Grenzen von Philosophie und religiöser Praxis, ohne dass der Vorrang der göttlichen gegenüber der menschlichen Tätigkeit infrage gestellt wird. Er spiegelt sich zum Beispiel auch darin wider, dass die Zukunft von den Göttern verborgen oder bekannt gemacht wird, je nachdem, was die menschliche Tugend am meisten fördert.228 Im Ganzen ist das (nicht spannungsfrei zu denkende) Zusammenspiel des göttlichen Wirkens mit menschlicher religiös-philosophischer Praxis im späten Neuplatonismus der Form christlicher Gnadenlehre nahe verwandt, welche, wie bei vielen spätantiken Christen bis hin zum jungen Augustinus, ein menschliches Mitwirken mit der Gnade für möglich hält, so dass sich hier eine gemeinsame religiöse Perspektive ausdrückt.229 Gelegentlich wird daher sogar behauptet, der spätantike Platonismus sei selbst zur Religion geworden.230 Allerdings bedeuten die genannten Praktiken keine Identität von Philosophie und Religion, sondern die im eigentlichen Sinne religiöse Praxis wird durch die Philosophie eher theoretisch erklärt und begründet,231 wie Jamblich explizit erklärt: Der Philosoph als solcher könne gerade keine theurgischen Handlungen vollbringen, da diese nicht durch das philosophische Denken, sondern von den Göttern aus sich heraus gewirkt würden.232 Demnach versteht sich die spätantike Philosophie als eine Erklärungsinstanz innerhalb eines religiösen Horizontes, aber nicht selbst als Religion. Insofern kann man ihre Rolle dem theoretischen Denken der Christen vergleichen, das die religiöse Praxis erklärt und beschreibt, ohne dass der Vollzug dieser Praxis allein in ihr bestünde. Verhältnis zum Judentum Das Judentum spielt insgesamt für die Neuplatoniker keine große Rolle mehr. Insbesondere Porphyrios zeigt aber im Rahmen seines Aufgriffs der »Barbarenphilosophie« an einigen Stellen eine hohe Wertschätzung der Juden, 233 die, im Unterschied zu den Christen, ihren althergebrachten Sitten folgten.234 Insbeson-

225

  Iamblichus, De mysteriis 2, 11 (96, 19–97, 2 Parthey  /  des Places).   Iamblichus, De mysteriis 2, 11 (97, 2–19 Parthey  /  des Places). 227   Iamblichus, De mysteriis 5, 26 (237, 8–239, 13 Parthey  /  des Places). 228   Iamblichs, De mysteriis 10, 4 (289, 14–290, 4 Parthey  /  des Places). 229   Vgl. unten S.  896  f. 230   So Dillon, Jamblich. Leben und Werke, 13, 19. 231   S. oben S. 766–768. 232   Iamblichus, De mysteriis 2, 11 (96, 6–97, 4 Parthey  /  des Places). 233   Porphyrius, frg.  323 f.; 344 (Smith). 234   Porphyrius, Contra Christianos, frg.  1, 16–20 (Harnack). 226

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dere nimmt er die Essener, die er aus dem direkt zitierten Josephus235 kennt, zum Vorbild für sein Ideal einer vegetarischen Lebensweise.236 Andererseits kritisiert er die Christen auch für ihre Nähe zu den »allseits verachteten jüdischen Mythenerzählungen (μυθολογήματα)«,237 so dass seine Position letztlich ambivalent bleibt. Die Attraktivität des Neuplatonismus für manche Juden und Samaritaner zeigt Fälle der Bekehrung zur Philosophie wie der von Proklos’ Nachfolger Marinos.238 Verhältnis zum Christentum Das Verhältnis von Neuplatonismus und Christentum ist früh von Spannungen, aber auch von Annäherungen geprägt: Christen sehen eine große Nähe zu den Platonikern und lernen bei ihnen239 oder aus ihren Schriften,240 und Porphyrios spricht respektvoll von Christus.241 Amelios erklärt den Johannesprolog als platonische Prinzipienlehre.242 Diese christliche Präsenz regt bereits Plotin zu Antworten an, die er teils selbst verfasst, teils von seinen Schülern Porphyrios und Amelios verfassen lässt.243 Die antichristlichen Schriften sind aus neuplatonischer Sicht kein Sonderfall, sondern stehen neben Schriften z. B. gegen die Gnostiker244 oder gegen Zoroaster.245 Die Widerlegungen setzen voraus, dass die Gegner eine philosophische Position haben, die argumentativ bekämpft werden kann. So wirft Plotin den Gnostikern vor, eine »eigene Philosophie« (ἰδία φιλοσοφία) aus den platonischen Quellen zu entwickeln.246 In diesem Sinne erkennen die Neuplatoniker auch implizit an, dass die Christen eine Philosophie besitzen, wenn sie deren Ansichten widerlegen. Teils reicht die Gegnerschaft zu den Christen aber noch weiter als eine polemische Auseinandersetzung, denn anscheinend wirken einige Platoniker sogar aktiv an Christenverfolgungen mit.247 Letzteres wird für Porphyrios gemutmaßt, dessen – nur mit großen Unsicherheiten rekonstruierbare – Auseinandersetzung mit den Christen den ersten literarischen Höhepunkt der neuplatonischen Kritik 235

  S. oben S. 624.   Porphyrius, De abstinentia 4, 11, 3–8 (3, p.  18 f. Patillon  /  Segonds). 237   Porphyrius, Contra Christianos, frg.  1, 14–16 (Harnack). 238   Damascius, Vita Isidori, epit. 141; frg.  *239 (196, 1–7; 197, 2–8 Zintzen). Vgl. zu Marinos’ Verhältnis zum Judentum jetzt M. Luz, Marinus’ Abrahamic Notions of the Soul and One, in: Butorac  /  Layne (Hrsg.), Proclus and his Legacy, 145–158. 239   Porphyrius, Vita Plotini 16, 1 f. (1, p.  19 Henry  /  Schwyzer2). 240   Augustinus, Confessiones 7, 13–15 (CCL 27, p.  101, 8–103, 65 Verheijen). 241   Porphyrius, frg.  345 (Smith). 242   Eusebius, Praeparatio Evangelica 11, 18,26–19,1 (GCS Eus. 8, 2, p.  44, 18–45, 10 Mras). 243   Porphyrius, Vita Plotini 16, 1–16 (1, p.  19 Henry  /  Schwyzer2). 244   Plotinus, Enneades 2, 9. Vgl. Horn, Plotin, 1305 f. 245   Porphyrius, Vita Plotini 16, 5 f. (1, p.  19 Henry  /  Schwyzer2). Vgl. Horn, Plotin, 1304 f. 246   Plotinus, Enneades 2, 9, 6, 10–12. 247   Lactantius, Institutiones 5, 2, 4; 5, 2, 12 f. 236

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an ihnen bildet.248 Neuerdings wird vorgeschlagen, die Sorge, die Porphyrios dem Christentum gegenüber hegt, und die daraus resultierenden Schriften ›Über die Philosophie aus Orakeln‹, ›Über die Götterbilder‹ (jeweils vor 250) sowie ›Gegen die Christen‹ (nach 270 entstanden) als Resultat einer empfundenen intellektuellen Rivalität anzusehen, da Porphyrios in Anbetracht des Ansehens von Origenes und anderen christlichen Autoren um die platonische Dominanz in Bildungsfragen gefürchtet habe.249 Porphyrios’ Kritik am Christentum beschäftigt sich, soweit sie rekonstruiert werden kann, zum großen Teil mit dem Aufweis von Widersprüchen und Ungenauigkeiten in der Bibel250 oder in der philosophischen Ausarbeitung des Christentums durch Origenes, dem z. B. eine nicht orthodoxe Seelenwanderungslehre und Trinitätstheologie vorgeworfen werden;251 insofern wird der von den Christen erhobene Vorwurf der Uneinigkeit der Philosophen nun, nicht zu Unrecht, gegen diese selbst gewendet. Ähnlich wie christliche Polemiken scheint Porphyrios seinerseits auch das höhere Alter der eigenen Tradition herauszuarbeiten.252 Rein rational wird hingegen nur an wenigen erhaltenen Stellen argumentiert.253 Trotzdem haben seine Vorwürfe Gewicht: Die Behauptung, den Christen zufolge könnten die Philosophen »nichts […] durch Beweis darlegen, sondern sie fordern, allein durch Glauben achtzuhaben«,254 weist stichhaltig auf ein Zentralproblem für die Selbstdefinition des Christentums als Philosophie hin. Der von Makarios Magnes zitierte Autor, dessen Identität mit Porphyrios nicht völlig gesichert ist,255 bestreitet einen wesentlichen Unterschied zwischen christlichem Monotheismus und Polytheismus, da ja auch die Christen annähmen, ein wahrer Alleinherrscher müsse seinesgleichen regieren, wenn die Bibel von Göttern spräche und die Christen an Engel glaubten. In diesem Zusammenhang erwähnt er auch die Austauschbarkeit der paganen Götternamen bei den verschiedenen Völkern.256 248   Dazu M. Zambon, Porphyre de Tyr. ›Contra Christianos‹ (Κατὰ Χριστιανῶν), in: DPhA 5b (2012), 1419–1447, hier 1429–1447; Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹, 24 f.; skeptisch Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1445 f. 249   So Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹, 22–27, 32–70. Ein wichtiges Indiz ist frg.  8 Becker aus der Chronik Michael des Syrers (12. Jhdt.). Vgl. auch H. Leppin, Die frühen Christen. Von den Anfängen bis Konstantin, München 22019, 179–184. 250   So Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 19, 2 (GCS Eus. 2, 2, p.  558, 3–8 Schwartz). Übersicht der von Porphyrios behandelten Themen: Zambon, Porphyre de Tyr, 1443–1447; ­Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹,70–85. 251   Vgl. auch hierzu Porphyrius, Contra Christianos, frg.  8 (Becker). 252   Vgl. frg.  10; 11 Becker sowie den Kommentar dazu bei Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹,82 f., 184. 253   Vgl. jedoch Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹,78. 254   Οὐδὲν […] δι’ ἀποδείξεως παρέχειν, πίστει δὲ μόνῃ προσέχειν. Porphyrius, Contra Christianos, Dubium 85 (Becker). 255  Vgl. Zambon, Porphyre de Tyr, 1438 f.; Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹,87 f. 256   Porphyrius (?), Contra Christianos, frg.  75–78 (Harnack). Diese Texte sind in der

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Seit Konstantin scheint es, abgesehen vom Werk Julians, keine direkt antichristlichen Schriften von philosophischer Seite mehr gegeben zu haben, die Christen werden meist allenfalls indirekt, unter kodierten Formulierungen wie »die Vielen« (οἱ πολλοί), kritisiert.257 Eine Ausnahme bildet Eunapios von Sardeis, der seine Abneigung offen äußert, ohne freilich überpolemisch zu sein.258 Im Vergleich seiner Lehrer Maximos und Chrysanthios bevorzugt er das diplomatische Verhalten des Letzteren.259 Andererseits muss man auch mit christlichen Einflüssen auf neuplatonische Lehren rechnen. Das liegt z. B. nahe, wenn Jamblich Liebe (φιλία beziehungsweise ἔρως), Hoffnung (ἐλπίς) und Glaube (πίστις) als Folgen des Gebetes nennt260 oder wenn Proklos das Böse, so wie die meisten Christen, aus der Entscheidung der Seele selbst erklärt.261 Hiervon zu unterscheiden sind platonische Überlegungen zu kontroversen Themen mit dem Christentum, z. B. Proklos’ ausführliche Argumentation für die Ewigkeit der Welt gegen die kaiserzeitlichen Platoniker Plutarch und Attikos.262 Hierbei handelt es sich formal nicht um antichristliche Traktate, doch könnte eine ausdrückliche Nennung des Christentums aus Vorsicht vermieden worden sein, so wie es Eunapios bereits für den Jamblich-Schüler Aidesios im Hinblick auf bestimmte religiöse Praktiken berichtet.263 Der Nachweis christlicher Einflüsse auf die spätantiken Neuplatoniker ist vor diesem Hintergrund schwierig. Selbst die in der Forschung weithin anerkannte allgemeinere These, dass Jamblichs Verbindung von Philosophie und Religion den Versuch darstellt, dem Christentum Ausgabe von Becker nicht enthalten, wohl aber in den beiden neuen Makarios-MagnesAusgaben als 4, 20–23 von dessen Werk (mit leicht abweichender Nummerierung): Macarios de Magnésie, Le ›Monogénès‹. Édition critique et traduction française par R. Goulet, Bd.  1–2, Paris 2003, 2, 308–315, mit erhellenden Anmerkungen von R. Goulet, die die Nähe zu Porphyrios belegen, auf S.  421–428; Makarios Magnes, ›Apokritikos‹. Kritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung, herausgegeben von U. Volp, Berlin  /  Boston 2013, 394–402. 257   Vgl. H. D. Saffrey, Allusions anti-chrétiennes chez Proclus, le diadoque Platonicien, in: Revue des sciences philosophique et théologique 59 (1975), 553–563; Saffrey  /  Segonds, in: Marinus, ›Proclus ou sur le bonheur‹, XXV–XXVIII (beide mit verschiedenen Belegen). 258   Vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 68–77, für eine detaillierte Diskussion der einzelnen Belege. 259   Eunapius, Vitae sophistarum, 6, 1, 4 f. (18, 3–10 Giangrande); vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 545 f. 260   Iamblichus, De mysteriis 5, 26 (239, 6–14 Parthey  /  des Places). 261   Vor allem Proclus, De malorum subsistentia 59, 13–48 (106 f. [lat.]; vgl. 190 f. [griech.] Isaac); Proclus, In Timaeum (p.  3, p.  333, 28–334, 27 Diehl); dazu J. M. Rist, Prohairesis. Plotinus, Proclus et alii, in: Entretiens Fondation Hardt 21 (1975), 103–122 (ND in: J. M. Rist Platonism and its Christian Heritage, 1985, Kap. XIV.), hier 103 f.; für weitere Literatur zu Proklos’ Theorie des Schlechten vgl. M. Perkams, Proklos, 105–107. 262   Proclus, De aeternitate mundi (überliefert zumeist bei Johannes Philoponos: vgl. im Detail Gleede, Platon und Aristoteles); Proclus, In Timaeum (1, p.  227, 6–296, 12 Diehl); Perkams, Proklos, 99–103. 263   Eunapius, Vitae sophistarum, 6, 1, 4 f. (18, 3–10 Giangrande). Vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 249.

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eine Einheit der gesamten hellenischen Tradition seit Homer entgegenzustellen, so wie es besonders in den Schriften Kaiser Julians betont wird,264 wird in Quellen aus der neuplatonischen Schule nicht offen ausgesprochen.265 Verhältnis zum Gnostizismus Ein Verhältnis der Neuplatoniker zu den Gnostikern ist sowohl durch deren Erwähnung in Porphyrios’ ›Vita Plotins‹, gemeinsam mit den Christen, als auch durch Plotins Schrift gegen die Gnostiker266 deutlich und ist auch durch Jamblichs Rezeption z. B. in ›Über die Mysterien‹ erkennbar.267 Welche Gruppen dabei im Einzelnen unter »Gnostiker« zu verstehen sind, ist allerdings schwer festzustellen.268 Plotin und Porphyrios grenzen sich jedenfalls deutlich von ihnen ab. Wenn Plotin die Zurückführung von Krankheiten auf Dämonen durch die Gnostiker als unphilosophisch zurückweist und demgegenüber die Erhabenheit der platonischen Philosophie betont, dann nimmt er insbesondere Bezug auf deren wissenschaftliches Selbstverständnis.269 Einen wichtigen Unterschied sieht er auch darin, gegen die Gnostiker die Einzigkeit des ersten Prinzips zu betonen.270

Philosophie und Politik271 Die Stellung der Neuplatoniker zur Politik ist recht ambivalent: Im Gefolge Platons halten sie prinzipiell an der politischen Konnotation der Philosophie fest; sie zeigt sich z. B. daran, dass alle Arten der praktischen Philosophie auf platonische Weise in einen gesetzgeberischen und einen Recht sprechenden Teil eingeteilt werden.272 Ein politisches Interesse äußert sich auch in Plotins Wunsch, eine Platonopolis in Kampanien nach den Regeln wiedererstehen zu lassen, die in ­Platons ›Gesetzen‹ entwickelt werden.273 Von größerer praktischer Relevanz sind wohl die Bemühungen um Präsenz am Kaiserhof und die aktive Unterstützung 264

  S. unten S. 779.   Zu alternativen Lesarten vgl. Opsomer, Iamblichos und seine Schule, 1375 f. 266   Plotinus, Enneades 2, 9. 267   Dazu E. des Places, in: Jamblique, ›Les mystères d’Égypte‹. Texte établi et traduit par É. Des Places, Paris 21989, 19–21. 268   Dazu z. B. Tardieu, Les Gnostiques dans la ›Vie de Plotin‹; C. D’Ancona, Plotin, in: DPhA 5a (2012), 984–992. 269   Plotinus, Enneades 2, 9, 14. 270   Plotinus, Enneades 2, 9, 1, 1–12. 271   D. J. O’Meara, Vie politique et divinisation dans la Philosophie neoplatonicienne, in: M.-O. Goulet-Cazé  /  G. Madec  /  D. O’Brien (Hrsg.), ΣΟΦΙΗΣ ΜΑΙΗΤΟΡΕΣ. »Chercheurs de sagesse«. Hommage à J. Pépin, Paris 1992, 501–510; ders., Platonopolis. 272   Iamblichus, Vita Pythagorae 172 (96, 14–20 Deubner); Proclus, In Alcibiadem (2, p.  220, 5–12 Segonds); O’Meara, Platonopolis, 56–59. 273   Porphyrius, Vita Plotini 12, 3–12 (1, p.  16 Henry  /  Schwyzer2). Zur historischen Ein265

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von Julians Regierung durch einige Neuplatoniker.274 Vor diesem Hintergrund wird neuerdings in der Forschung auch von einer »politischen Philosophie« der Neuplatoniker gesprochen.275 Die Würdigung der Politik bei den Neuplatonikern wird allerdings durch den niedrigen Rang der politischen Tugenden innerhalb des Systems der Tugendstufen konterkariert.276 Schon Plotin ist davon überzeugt, dass politische Großtaten zum Glück des Philosophen nichts beitragen.277 Eine apolitische Tendenz legt auch Jamblich dem angehenden Philosophen durch Zitierung der entsprechenden Passagen aus Platons ›Theaitet‹ nahe.278 Diese Spannung ist den Neuplatonikern bewusst, und sie wird von ihnen auf mehreren Ebenen aufgelöst: Theoretisch setzt man voraus, dass die politischen Tugenden mit dem Erwerb der höheren nicht verlorengehen; bei Proklos bezieht sich daher eine »wahrhaft politische« Haltung (ἡ ὡς ἀληθῶς πολιτική) auf das rechte Verhältnis der Seelenkräfte untereinander, von denen die äußeren nur Abbilder der inneren seien.279 In den Viten des Plotin und Proklos wird berichtet, wie Philosophen, die selbst keine Zeit für Politik hatten, begabte Schüler zu gleichsam stellvertretender politischer Aktivität anhalten; dies ist offenbar Teil eines theoretischen Konzepts, bei dem die philosophischen Lehrer über ihre Schüler politisch aktiv sein wollen.280 Trotzdem legen die Biographen Wert darauf, auf eine gelegentliche politische Aktivität der vorzustellenden Philosophen hinzuweisen.281 In der Tat werden diese Gelegenheiten jedenfalls von einigen Neuplatonikern gerne ergriffen, wie sich an der sofortigen Bereitschaft der Philosophen Maximos von Ephesos und Priskos zeigt, sich in die Gesellschaft Kaiser Julians zu begeben, während Chrysanthios sich eher vorsichtig verhält.282 Das Potential des Neuplatonismus für politische Theoriebildung finden wir im Ganzen eher bei Randfiguren ausgearbeitet, vor allem bei Julian und Themis­ tios.283 Das dürfte auch daran liegen, dass die hellenischen Neuplatoniker der Spätordnung zu den Grenzen von Plotins Absicht vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1439–1445. 274   Vgl. dazu oben S. 734. 275   O’Meara, Platonopolis, 5–12; Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 1–14; kritische Anfragen bei M. Perkams, Eine neuplatonische politische Philosophie. Gibt es sie bei Kaiser Julian?, in: Ch. Schäfer (Hrsg,), Kaiser Julian ›Apostata‹ und die philosophische Reaktion gegen das Christentum, Berlin  /  New York 2008, 105–125, 103 f., 103 f. 276   S. oben S. 761. 277   Plotinus, Enneades 1, 5, 10, 15–18. 278   Platon, Theaetetus 173c–177b bei Iamblichus, Protrepticus 14 (72, 11–77, 25 Pistelli). 279   Proclus, In Rem publicam (1, p.  210, 20–30 Kroll). 280   Vgl. Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 102–115. 281   Porphyrius, Vita Plotini 7, 19–29 (1, p.  11 Henry  /  Schwyzer2); Hierocles, apud: Photius, Bibliotheca 214 (3, p.  125, 25–29 Henry); Marinus, Proclus 14 f. (p.  16–18 Saffrey  /  Segonds); s. oben S. 735. 282   Dieser Gegensatz wird von Eunapios ausdrücklich dargestellt: Vitae sophistarum 7, 3, 9–7, 4, 17 (47, 8–51, 3 Giangrande). Vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 377–397. 283   Anonymus de scientia politica; al-Fārābī; vgl. O’Meara, Platonopolis, 171–197.

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antike wohl wenig Interesse haben, die Regierung der christlichen Herrscher theoretisch zu rechtfertigen, was stattdessen Christen wie Eusebios, unter Benutzung platonischer Ideen, tun.284 Aus der Reserve der Neuplatoniker gegen die christliche Reichsregierung ist wohl auch die Spannung zwischen ihrem häufigen Lob der philosophischen Parrhesie und der gleichzeitig geäußerten Würdigung des Prinzips »Lebe im Verborgenen« (λάθε βίωσας) zu erklären.285 Politische Wirkung entfaltet der Neuplatonismus letztlich vor allem als ein Nukleus paganer Weltsicht, dessen Sprengkraft in Kaiser Julians Restaurationsversuch deutlich wird.

Philosophie und Rhetorik Während Plotin und Porphyrios noch einen merklichen Unterschied zwischen der Stellung eines Rhetoren und der eines Philosophen betonen,286 wird dieser im späteren Neuplatonismus auf verschiedenen Ebenen eher nivelliert, wenn auch nie wirklich aufgehoben: Auf der lebenspraktischen Ebene liegt das zunächst einmal daran, dass sich die Lehrer der traditionellen Disziplinen Philosophie und Rhetorik zunehmend als Angehörige einer weitgehend einheitlichen Bildungselite verstehen und insoweit auch von ihrem christlichen Umfeld abgrenzen. Das deutlichste Zeugnis dafür sind die ›Lebensbeschreibungen der Sophisten‹ des Eunapios von Sardeis, die sowohl Philosophen als auch Mediziner und Rhetoren beschreiben, darunter sogar den christliche Rhetoriklehrer Prohairesios.287 In den Augen seines hellenischen Schülers wird dessen geistiger Rang durch die Religionszugehörigkeit, die eher beiläufig erwähnt wird, offenbar nicht gemindert. Auch sonst werden in den Schriften vieler Neuplatoniker, im Rahmen der generellen Tendenz, einen geschlossenen Erklärungsrahmen für alle Phänomene der antiken Kultur zu liefern, zum Teil dieselben Personen mit unterschiedlichen Akzenten mal als ›Sophist‹ (σοφιστής) und mal als ›Philosoph‹ (φιλόσοφος) bezeichnet. Beispiele sind Jamblichs Schüler und Nachfolger Sopater288 sowie in der Schule von Athen Lachares, Plutarch von Athen und nicht zuletzt Syrian. Letzterer realisiert das Ideal des Philosophen und Rhetors auch in der wissenschaftlichen Praxis, indem er nicht nur Aristoteles’ ›Metaphysik‹ kommentiert, sondern auch die rhetorischen Traktate des Hermogenes,289 und zwar nicht als erster Platoniker.290 Im Rahmen des Erwerbs einer breiten Bildung (παιδεία), zu der die

284

  S. unten S. 806.   Marinus, Proclus 15, 31 (p.  18 Saffrey  /  Segonds); Damascius, Vita Isidori, frg.  *18; *34 (21, 8; 33, 7 f. Zintzen) (Sarapion). 286   Porphyrius, Vita Plotini 7, 46–49 (1, p.  12 Henry  /  Schwyzer2). 287   Vgl. Becker, Eunapius aus Sardes, 40 f. 288   Vgl. O’Meara, Platonopolis, 209–211. 289   Vgl. Luna  /  Segonds, Plutarque d’Athènes, 1084–1087. 290   Syrianus, In Hermogenem (1, p.  1, 7–9; 96, 6–8 Rabe). 285

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Rhetorik selbstverständlich gehört,291 dient diese Beschäftigung den Philosophen dazu, selbst, über das Kommentieren hinaus, die Kompetenz zum Verfassen literarischer Werke zu erhalten.292 Allerdings ist die Rhetorik (wie die Grammatik) im platonischen Curriculum eher ein Vorstudium zur Beschäftigung mit der Philosophie, von der sie ansonsten, als überflüssige »mannigfaltige Halbbildung« (πολυμαθία), ablenken könnte.293

Philosophie und Wissenschaften Das Verhältnis der Neuplatoniker zu den übrigen Wissenschaften richtet sich theo­retisch weitgehend nach ihrer platonischen Weltsicht, in der insbesondere die mathematischen und grammatischen Wissenschaften aufgrund ihrer praeparatorischen Funktion eine Rolle spielen. Für die Mathematik (ἡ περὶ τὰ μαθήματα φιλοσοφία), die aufgrund der pythagoreisierenden Tendenzen der Neuplatoniker als besonders wichtig gilt, begründet Jamblich ausführlich den Status als »freie«, d. h. nicht zweckgerichtete Wissenschaft.294 Proklos, der ebenso wie andere Platoniker die mittlere Stellung der Mathematik zwischen Meinen und geistigem Erkennen betont,295 sieht diese als notwendige Vorübung für die »erste Philosophie«, d. h. die Metaphysik, an.296 Von Porphyrios ist in einem historischen Kontext eine Liste überliefert, die den sieben freien Künsten, wie man sie bei Augustinus kennt, bereits sehr nahekommt: Zum »Zirkel der Disziplinen« (ἐγκύκλια μαθήματα) gehörten »Grammatik, Rhetorik und die Philosophie selbst« sowie die mathematischen Disziplinen des Quadriviums.297 Verwunderlich ist an dieser Liste zunächst die Präsenz der Philosophie anstelle der Dialektik, die entweder dem Überlieferer Johannes Tzetzes oder einer platonischen Auffassung von Dialektik geschuldet sein könnte.298 Tatsächlich zeigt eine Parallele bei Eunap, dass Rhetorik, Grammatik und die mathematischen Disziplinen hier als Vorstufe zur Philosophie gemeint sein müssen, die, wie üblich, aus Ethik, Logik (τὰ περὶ λόγους), Physik und Epoptik 291

  Damascius, Vita Isidori, frg.  331 (263, 9–14 Zintzen).   Syrianus, in Hermogenem (1, p.  97, 7–10 Rabe); ähnlich Damascius, Vita Isidori, frg.  138 (117, 5–23 Zintzen). 293   Marinus, Proclus 8, 25–31; 9, 12–14 (p.  10 f. Saffrey  /  Segonds); Damascius, Vita Isidori, epit. 35 (58, 9 f. Zintzen); Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  12, 7–12 Kugener). 294   Iamblichus, De communi mathematica scientia 23 (70, 1–73, 17 Festa). 295   Proclus, In Euclidem, prol. (1, 1–3, 19 Friedlein). 296   Proclus, In Euclidem, prol. (20, 11–17 Friedlein). 297   Porphyrius, frg.  224 (p.  247 f. Smith). Vgl. St. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria 1.–3. Jhdt. n.  Chr., Stuttgart 2020, 46 mit Anm.  135. 298   Vgl. A. R. Sodano, in: Porfirio, ›Storia della filosofia‹ (frammenti). Introduzione, traduzione, commento e note di A. R. Sodano. Impostazione editoriale, notizia biografica e indici di G. Girgenti, Mailand 1997, 122 f. 292

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(hier seltsamerweise θεουργόν genannt) besteht.299 Im Vergleich zum erstmals bei Augustinus fassbaren Schema von sieben Disziplinen bleibt jedenfalls der Status der Dialektik an dieser Stelle auffällig unklar. Auch die Medizin wird in die neuplatonische Weltdeutung einbezogen, indem sie auf Pythagoras zurückgeführt wird.300 Mediziner sind ebenfalls auf vielfältige Weise mit den neuplatonischen Zirkeln verbunden und werden von Eunap ebenfalls als Teil der traditionellen Bildungselite behandelt; insofern spricht man auch von ›Iatrosophisten‹.301 Die ab dem 6. Jahrhundert vielfach typische Doppelrolle eines Philosophen und Arztes scheint aber im 4. und 5. Jahrhundert noch nicht besonders verbreitet zu sein.302

Würdigung Der spätantike Neuplatonismus zeichnet sich gegenüber allen vergleichbaren philosophischen Richtungen vor allem dadurch aus, dass er das geistige Leben einer ganzen Epoche in nie gekanntem und nie wieder erreichtem Maße prägt. Zumindest die hellenische Bildungswelt des 4.–6. Jahrhunderts, aber in nicht geringem Maße auch das Christentum der Zeit, sind tiefgehend von neuplatonischen Vorannahmen beeinflusst und ohne diese nicht verständlich. Ermöglicht wird dies vor allem durch zwei sachliche Aspekte neuplatonischen Philosophierens: Zum einen hat der Neuplatonismus mit der Lehre vom Einen, von dem nur auf die Weise der negativen Theologie gesprochen werden kann, als erste Philosophie einen wirklichen Begriff von Transzendenz,303 der hervorragend zu den religiösen Interessen passt, welche viele spätantike Menschen bewegen. Zum anderen ermöglicht gerade die Unbestimmtheit dieses Konzeptes sowie die Idee einer Ausfaltung der Wirklichkeit in vielen Stufen, die ontologisch auf hierarchische Weise eng miteinander verbunden sind, aber durchaus recht unabhängig voneinander beschrieben werden können, die Erklärung und Deutung einer Vielzahl von religiösen Überzeugungen und anderen geistigen Phänomenen, die auf diese Weise in die neuplatonische Weltsicht eingepasst werden können. So können die ganze Vielfalt polytheistischer religiöser Überzeugungen und die Hauptwerke des literarischen und rhetorischen Bildungsgutes auf philosophische Weise gedeutet und so ein einheitliches hellenisches Weltbild geschaffen werden, welches selbst politischer Aktivität als Hintergrund dienen kann. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll an der Aktivität Kaiser Julians. 299   Eunapius, Vitae sophistarum 4, 2, 2 f. (9, 13–18 Giangrande). Zur Bedeutung und Problematik der Stelle vgl. Becker, Eunapios aus Sardes, 202–204. 300   Iamblichus, Vita Pythagorae, 163 f. (92, 4–18 Deubner). 301   Vgl. Becker, Eunapios aus Sardes, 630 f. 302   S. unten S. 989. 303   Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus, 43–58; 93–97.

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2. Kaiser Julian: Die Restitution des philosophischen Kaisertums und seine philosophischen Grundlagen304 Allgemeines Kaiser Julians Lebensführung, angefangen von seiner Konversion zur Philosophie305 und zum Heidentum unter dem Einfluss der pergamenischen Neuplatoniker, vor allem des Maximos von Ephesos, und sein Versuch einer Wiederherstellung eines Reiches, das von der traditionellen Religion dominiert wird, lassen sich ohne seine Beziehung zur Philosophie nicht wirklich verstehen. Nicht umsonst lobt ihn der Panegyriker Mamertinus dafür, sie nicht nur befreit, sondern wieder mit Purpur bekleidet zu haben.306 Seine eigenen Schriften zu diesem Thema haben aufgrund der Tatsache, dass Julian nur eine eingeschränkte philosophische Bildung besitzt,307 eine persönliche Note, die nicht immer voll mit dem Schulplatonismus zur Deckung zu bringen ist, der gleichwohl Julians geistiges Fundament bildet.308

Philosophieverständnis Sein Verständnis von Philosophie309 entwickelt Julian vor allem in der Auseinandersetzung mit den Kynikern, die in seinen Augen durch ihre unsittliche Lebensweise das Ansehen der Philosophie bedrohen.310 Für Julian ist die Philosophie wesentlich eine,311 auch wenn sie von verschiedenen Richtungen nach jeweils eigenen Regeln betrieben wird.312 Ihr allgemeines Ziel ist die Eudaimonie,313 die Julian 304

  Vgl. A. Lippold, Iulianus I (Kaiser), in: RAC 19 (2001), 442–483; J. Bouffartigue, L’Empereur Julien et la culture de son temps, Paris 1992; J. Bouffartigue, Iulianus (Julien) l’Empereur, in: DPhA 3 (2000), 961–978; Ch. Schäfer (Hrsg.), Kaiser Julian ›Apostata‹ und die philosophische Reaktion gegen das Christentum, Berlin  /  New York 2008; I. TanaseanuDöbler, Konversion zur Philosophie in der Spätantike. Kaiser Julian und Synesios von Kyrene, Stuttgart 2008, 57–154; Riedweg, Kaiser Julian. 305   Vgl. Iulianus Imperator, Oratio 7 (›Misopogon‹), 24 (353bd = 2, 2, p.  177 Lacombrade); vgl. Tanaseanu-Döbler, Konversion zur Philosophie, 91–99. 306   Mamertinus, Gratiarum actio Iuliano 23, 4 (3, p.  36 Gallétier). 307   D. Cürsgen, Kaiser Julian über das Wesen und die Geschichte der Philosophie, in: Schäfer (Hrsg.), Kaiser Julian, 65–86, hier 69 Anm.  19. 308   Bouffartigue, Iulianus (Julien), 969–973; Tanaseanu-Döbler, Konversion zur Philosophie, 86–99. 309   Vgl. vor allem Bouffartigue, L’empereur Julien et la culture de son temps, 629–642, daneben Tanaseanu-Döbler, Konversion zur Philosophie, 124–128; Cürsgen, Kaiser Julian. 310   S. unten S.  790  f. 311   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 6, 185c (2, 1, p.  150 Rochefort). 312   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 5, 184d–185a (2, 1, p.  149 Rochefort); vgl. Cürsgen, Kaiser Julian, 68–70. 313   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 13, 193d (2, 1, p.  161 Rochefort).

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Die Philosophie in der Spätantike

selbst als das Erreichen wahrer Erkenntnis aller Dinge versteht.314 Daher fallen für ihn die verschiedenen Definitionen der Philosophie: »Ähnlichwerden mit Gott«, »Erkenne dich selbst« und »Wissenschaft der Wissenschaften«315 sowie »Sorge um den Tod« der Sache nach zusammen.316 Eine gelebte Philosophie im Sinne wahren Kynismus gibt es auch bei den Barbaren,317 doch die wahre und höchste Philosophie besteht in der Ruhe des philosophischen Studiums.318 Die Dreiteilung der Philosophie wird von Julian in der Reihenfolge und mit den Namen Physik, praktische Philosophie, Logik angeführt, wobei er die Logik entweder zur Physik oder zur praktischen Philosophie rechnen möchte (und damit die Frage nach ihrem Status als Teil der Philosophie andeutet). Die Feinunterteilung ist hingegen sehr aristotelisch, wenn die Physik in Theologie, Mathematik und Naturphilosophie, die praktische Philosophie in Ethik, Ökonomik und Politik eingeteilt wird.319 Die Einteilung in theoretische und praktische Philosophie interpretiert Julian interessanterweise, jedenfalls für Sokrates und die Kyniker, im Sinne eines Vorrangs der Praxis, d. h. der philosophischen Lebensführung,320 worin sich ein erstaunlicher Gegensatz zum Theorie-Ideal ausdrückt, das er ebenfalls vertritt.

Philosophie und Religion Julians Philosophie ist eng mit seiner persönlichen Frömmigkeit verbunden.321 Philosophie und »Theologie« fallen für ihn zusammen,322 zumal er wie viele Philosophen323 annimmt, die Erkenntnis Gottes sei dem Menschen natürlich eingegeben.324 Diese große Bedeutung wahrer Gottesverehrung für die Philosophie ist die Grundlage seiner Gegenüberstellung der philosophisch rechtfertigbaren polytheistischen und der verfehlten christlichen Religion, wobei das Judentum eine gewisse Mittelstellung einnimmt.325

314   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 4, 183a–184a; 9 (6), 8, 188b (2, 1, p.  147 f.; 154 Rochefort). 315   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 3–5, 183a–185c (2, 1, p.  147–150 Rochefort). 316   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 11, 190c (2, 1, p.  157 Rochefort). 317   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 8, 187d (2, 1, p.  153 Rochefort). 318   Iulianus Imperator, Epistulae 8, 441b–d (1, 2, p.  14, 18–15, 11 Bidez). 319   Iulianus Imperator, Oratio 7, 215cd (2, 1, p.  58 Rochefort). 320   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 11, 190bc (2, 1, p.  156 f. Rochefort). 321   Iulianus Imperator, Ad Themistium (Oratio 6) 13, 266b–267a (2, 1, p.  28 f. Rochefort); Oratio 7, 8, 212bc (2, 1, p.  54 Rochefort): Vergleich mit Diogenes. 322   Iulianus Imperator, Oratio 8 (5), 161ab (2, 1, p.  105 f. Rochefort). 323   S. oben S.  398  f., 435  f. 324   Iulianus Imperator, Contra Galileos frg.  7 (Masaracchia). 325  Vgl. Cürsgen, Kaiser Julian, 80 f.; M. Schramm, Einführung in die Schrift, in: M. Schramm (Hrsg.), Sonne, Kosmos, Rom. Kaiser Julian, ›Hymnos auf den König Helios‹, Tübingen 2022, 3–21, hier 5.

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

Polytheistische Religion Die enge Verbindung von Religion und paganer Philosophie zeigt sich an Julians Überzeugung, der Gott des delphischen Orakels sei der »Anführer der Philosophie« (ἀρχηγὸς τῆς φιλοσοφίας)326 und die Vermittlung der Güte des Höchsten geschehe durch Helios.327 Julians religiöse Deutung der eigenen Herrschaft zeigt sich besonders klar in seinem ›Mustermythos‹,328 in dem er von sich selbst als ­einem Abkömmling329 des Helios erzählt, der von diesem auf Geheiß des Zeus als Erbe seines Vaters in die Welt geschickt wird, um sich initiieren zu lassen, indem er die Herden der Familie gerecht regiert. Dieser in seiner Gattung an Platon angelehnte Mythos baut auf das Kaiserideal Dions von Prusa auf330 und reichert es mit neuplatonischen Elementen an.331 Zusammen mit dem Hymnos an die Göttermutter Kybele bildet der Helios-Hymnos einen Baustein für Julians eigene, politisch orientierte philosophische Theologie, die ihrerseits die antike Religion so transformiert, dass sie zu Julians kaiserlichem Selbstverständnis passt.332 Julian nimmt, wie die meisten Philosophen, einen höchsten Gott an, dem viele andere untergeordnet sind.333 Der monotheistische Grundzug dient dabei zur Begründung des politischen Prinzips der »Menschenfreundlichkeit« (φιλανθρωπία),334 während die regionale Verschiedenheit der Götter derjenigen der menschlichen Sitten und Gesetze entspricht.335 Auf dieser Grundlage gehört die Förderung der regionalen Kulte zu Julians Politik.336

326

  Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 8, 188a (2, 1, p.  153 Rochefort).   Iulianus Imperator, Oratio 11 (4), 6, 133a–c (2, 2, p.  103 f. Lacombrade); vgl. J. Opsomer, Weshalb nach Julian die mosaisch-christliche Schöpfungslehre der platonischen Demiurgie unterlegen ist, in: Schäfer (Hrsg.), Kaiser Julian, 134–156. 328   Iulianus Imperator, Oratio 7, 227c–235c (2, 1, p.  74–84 Rochefort). 329   Iulianus Imperator, Oratio 7, 228c (2, 1, p.  76 Rochefort). 330   S. oben S. 536, 606–608. 331   Vgl. Perkams, Eine neuplatonische politische Philosophie, 117–120; H.-G. Nesselrath, Mit Waffen Platons gegen ein christliches Imperium. Der Mythos in Julians Schrift ›Gegen den Kyniker Herakleios‹, in: Schäfer (Hrsg.), Kaiser Julian, 207–219. 332   Vgl. Schramm, Einführung in die Schrift, 5–8; M. Schramm, Julians Götter. Der ›Helios-Hymnos‹ und die neuplatonische Theologie, in: Schramm (Hrsg.), Sonne, Kosmos, Rom, 133–166, hier 159–166; St. Rebenich, Der ›Helios-Hymnos‹ als Beitrag zu Julians Religionspolitik. Herrschaftsrepräsentation und pagane Reaktion, in: Schramm (Hrsg.), Sonne, Kosmos, Rom, 211–232, hier 218–227. 333   Iulianus Imperator, Epistulae 89a, 454a (1, 2, p.  155, 1–8 Bidez); Iulianus Imperator, Contra Galileos, frg.  18 f.; 21 (Masaracchia). 334   S. auch unten S. 788  f. zu Themistios. 335   Iulianus Imperator, Epistulae 89b, 292ab (1, 2, p.  159, 15–160, 3 Bidez); Iulianus Imperator, Contra Galileos, frg.  37 (Masaracchia). 336   Iulianus Imperator, Epistulae 89b, 292d–305d (1, 2, p.  160, 17–174, 7 Bidez). 327

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Die Philosophie in der Spätantike

Christentum Große Bedeutung hat Julians, vor allem durch Kyrill von Alexandrien, zu umfangreichen Teilen überlieferte Schrift ›Gegen die Galiläer‹ als das am besten erhaltene Zeugnis der hellenischen anti-christlichen Argumentation der Spät­ antike. Die Qualität von Julians Argumentation stellt für die Christen eine Herausforderung dar und scheint sogar zu Konversionen zu führen.337 Für Julian ist die christliche Lehre Menschenwerk ohne Bezug zum Göttlichen, das sich nur an die niederen Seelenteile wendet338 und keinen positiven Beitrag zur Gesellschaft leistet.339 Sie hat sowohl von den Heiden als auch von den Juden das Schlechte übernommen.340 Seine Argumentation beruht z. T. auf spezifisch philosophischen Überzeugungen. So kritisiert er die christliche Schöpfungslehre anhand eines Vergleichs ausführlich zitierter Passagen aus ›Genesis‹ 1 und dem platonischen ›Timaios‹,341 die darauf hinausläuft, dass der Bibeltext sich nicht auf den höchsten Gott, sondern nur auf den untergeordneten Demiurgen beziehen könne, da diesem nur die Schöpfung der sinnlich wahrnehmbaren, nicht aber auch die der geistigen Welt zugeschrieben werde.342 Philosophisch motiviert ist auch die Kritik an der biblischen Behauptung, Gott habe den ersten Menschen die Erkenntnis von Gut und Böse verboten, da das Fehlen dieses Wissens die »Klugheit« (φρόνησις) und überhaupt jede Lebensführung unmöglich mache, die sich ja, gemäß dem philosophischen Eudaimonie-Begriff, auf ein gutes Ziel richten müsse.343 Eine Definition von Philosophie wird berührt, wenn Julian betont, ein Ähnlichwerden mit dem emotional handelnden biblischen Gott sei dem Ideal der Philosophie nicht angemessen.344 Überhaupt verehren Juden und Christen in Julians Augen lediglich einen regionalen Gott, wie auch aus der Bibel selbst hervorgehe,345 was aber Paulus’ christliche Heidenmission verkannt habe.346 Beachtlich sind schließlich Julians Vorwürfe, schon die Juden hätten mit ihrem eifersüchtigen Gott die Gemeinschaft der Götter verlassen und das grausame Vorgehen der Christen gegen andere Kulte und gegen Häretiker übertreffe sogar das in der Bibel Geforderte.347 Hier wird die 337

  Vgl. die Bewertung und Inhaltsübersicht von Ch. Riedweg, Julian, ›Contra Galilaeos‹, in: W. Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, in: Kyrill von Alexandrien, Werke. Erster Band, LXXXV–CVIII; Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CXVf., ferner Cürsgen, Kaiser Julian, 82. 338   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos frg.  1 (Masaracchia). 339   Iulianus Imperator, Epistulae 111, 432d–433d (1, 2, p.  188, 10–189, 20 Bidez). 340   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  3 (Masaracchia). 341   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  6; 9 (Masaracchia). 342   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  6, 26–37; 18 (Masaracchia); vgl. Opsomer, Weshalb nach Julian, 127–134. 343   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  16 f. (Masaracchia). 344   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  36 (Masaracchia). 345   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  19, 14–19 (Masaracchia). 346   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  20 (Masaracchia). 347   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  48; 55; 58 (Masaracchia).

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

Göttergemeinschaft der neuplatonischen Theologie und des antiken Synkretismus effektvoll gegen die Gefahren des Monotheismus ausgespielt.348 Die rhetorische Leistung Julians behält, selbst wenn ihr genaues Verhältnis zu Porphyrios aufgrund des weitgehenden Verlusts von dessen ›Gegen die Christen‹ nicht mehr zu klären ist,349 somit auch heute noch einen Teil ihrer Kraft.

Judentum Julians Urteil über das Judentum ist ambivalent: Einerseits erkennt er es durchaus als eine der vielen Regionalreligionen seines Reiches an.350 Andererseits richten sich aber viele der Kritikpunkte am Christentum auch gegen das jüdische Gottesbild, und Julian bezweifelt ausdrücklich, dass es eine jüdische Bildungstradition gebe.351 Hierbei richtet er sich allerdings in erster Linie gegen die Behauptung des namentlich genannten Eusebios,352 bei den Juden habe es Poesie und Logik gegeben,353 so dass auch hier das Judentum eher indirekt zum Ziel der Kritik wird.

Philosophie, Politik und Rhetorik354 Im Gegensatz zu seinem Briefpartner Themistios hält Julian die politische Tätigkeit nicht für ein eigentlich philosophisches Glücksideal,355 sondern für eine notwendige Aufgabe, die der Philosoph zu übernehmen hat.356 Ein Grund dafür ist der Zusammenhang des politischen Lebens mit dem Glück (τύχη), das der Zu-

348

  Nicht zufälligerweise folgt die Kontrastierung des friedvollen Polytheismus, der einfach die fremden Götter mit eigenen Namen belegen kann, mit Judentum und Christentum als »Gegenreligion« bei J. Assmann, Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, München  /  Wien 1998, 18–20, der anti-christlichen hellenischen Polemik, wie sie am zusammenhängendsten bei Julian überliefert ist. Die Lehre ist freilich weit älter, s. oben S. 551–553, 776–778. 349   Die Abhängigkeit dürfte recht hoch sein. Hilfreich für die Beurteilung dieser Frage scheinen mir vor allem die von Goulet, in: Macarios de Magnésie, Le ›Monogénès‹, gesammelten Anmerkungen zu sein, die auch viele Parallelen bei Julian aufführen. 350   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  71, 17–21 (Masaracchia). 351   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  53 f. (Masaracchia). 352   S. unten S. 800. 353   Iulianus Imperator, Contra Galilaeos, frg.  53, 7 (Masaracchia). 354   M. Mazza, Filosofia religiosa ed imperium in Giuliano, in: B. Gentili (Hrsg), Giuliano Imperatore. Atti del convegno della società Italiana per lo studio dell’antichità classica, Urbino 1986, 39–108; M. Perkams, Eine neuplatonische politische Philosophie, 105–125. 355   Iulianus Imperator, Ad Themistium (Oratio 6) 10, 264b–265a (2, 1, p.  25–27 Rochefort); Epistulae 8, 441b–d (1, 2, p.  15, 2–11 Bidez). 356   Iulianus Imperator, Ad Themistium (Oratio 6) 12, 266cd (2, 1, p.  29 Rochefort).

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Die Philosophie in der Spätantike

verlässigkeit des philosophischen Weges entgegensteht.357 Eigentlich ist Politik eine Aufgabe für übermenschliche Wesen, deren Status sich Julian zumindest als Philosoph nicht zuschreibt,358 wenn er auch im Mustermythos seine Abstammung von Helios und die zu erwartende Hilfe der Götter herausstreicht.359 Konkretere politische Überzeugungen Julians speisen sich aus verschiedenen philosophischen Quellen: So leitet er die »Menschenfreundlichkeit« (φιλανθρωπία), die er zur Grundlage herrscherlichen Handelns erklärt, aus Aristoteles’ Definition des Menschen als »politisches Lebewesen« (ζῶον πολιτικόν) sowie, eher religiös, aus der gemeinsamen Abstammung aller Menschen von Zeus ab.360 Seine Herrscherreden sind hingegen geprägt vom traditionellen, wesentlich durch Dion beeinflussten Herrscherideal und greifen viele stoische Züge auf, wie sie in der neuplatonischen Ethik weiterleben.361 Die Rhetorik362 gehört für Julian dank ihrer Zugehörigkeit zum klassischen Bildungskanon zum selben griechischen Erbe wie die Philosophie und wird deswegen von ihm den Studenten empfohlen.363 Das hieraus resultierende Verbot für Christen, Rhetorik zu lehren,364 erklärt sich letztlich aus Julians Übernahme von Jamblichs einheitlichem Bild der antiken Kultur, aus deren Erbe er die Christen auszuschließen suchte, denn »sie behaupten zu Unrecht, das von Ihnen Gelehrte sei die politische Philosophie« (τὸ κατὰ σφᾶς εἶναι φασι τὴν πολιτικὴν φιλοσοφίαν).365

Würdigung Julians philosophische Gedanken fallen durch ihre Ausrichtung auf politische Praxis aus dem Rahmen ihrer Zeit, enthalten aber insgesamt keine großen inhaltlichen Innovationen.366 Bemerkenswert ist das Geschick, mit dem Julian auf neuplatonischer Grundlage ein Programm für die Reichsregierung entwickelt, für das 357

  Iulianus Imperator, Ad Themistium (Oratio 6) 4, 256c (2, 1, p.  16 Rochefort).   Iulianus Imperator, Ad Themistium (Oratio 6) 7, 260cd (2, 1, p.  21 Rochefort). 359   Vgl. zu den verschiedenen hier angesprochenen Aspekten auch Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 306–346. 360   Iulianus Imperator, Epistulae 89, 288b–289c; 291b–292b (1, 2, p.  155, 16–157, 3; 158, 23–160, 3 Bidez). S. oben S. 781. 361  Vgl. Perkams, Eine neuplatonische politische Philosophie, 111–117; Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 346–397. 362   Vgl. Bouffartigue, L’Empereur Julien et la culture de son temps, 511–545, 625–629, v. a. 627 f. 363   Iulianus Imperator, Epistulae 8, 441c (1, 2, p.  15, 6 Bidez). 364   Iulianus Imperator, Epistulae 61c, 422cd (1, 2, p.  73, 16– 74, 3 Bidez). 365   Iulianus Imperator, Epistulae 61c, 422d (1, 2, p.  74, 4 f. Bidez); vgl. Cürsgen, Kaiser Julian, 77, 82 f mit Anm.  91. 366   Vgl. Bouffartigue, Iulianus (Julien), 976–978. 358

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

er auf ältere Quellen zurückgreift und sie aktualisiert. Sein beeindruckendes Werk (sowohl auf politischem wie auf literarischem Gebiet) zeigt somit, inwieweit die platonische Philosophie im 4. Jahrhundert noch immer eine prägende Kraft im gesamten Geistesleben ist.

3. Eine Sammlung philosophischen Wissens zu didaktischen Zwecken: Johannes Stobaios und das ›Anthologion‹ Eine Darstellung des spätantiken Philosophierens in neuplatonischer Tradition wäre unvollständig ohne die Erwähnung des größten (zumindest im Großen und Ganzen) erhaltenen Sammelwerks der Antike: In der Zeit nach Jamblich sammelt ein Autor aus dem thrakischen Stoboi mit dem christlichen Namen Johannes in vier Büchern zahllose Exzerpte aus der erhaltenen oder ansonsten verlorenen philosophischen oder doch philosophisch adaptierbaren Literatur der Antike.367 Die ersten beiden Bücher seines monumentalen Werkes umfassen, wie sich aus dem Bericht des Photios rekonstruieren lässt,368 eine grundlegende Einführung in die philosophische Theologie, die Physik bzw. Kosmologie und die Logik, während das besser erhaltene dritte und vierte Buch ethischen Fragen gewidmet ist.369 Die theoretische Einführung in das Verständnis des Kosmos geht also der ethischen Unterweisung voraus, ohne dass sich eine der bekannten Dreiteilungen der Philosophie hier exakt abbilden würde. Die Bezüge des Werks zu Jamblich ergeben sich dabei aus der Textauswahl, in denen dieser nicht nur selbst prominent und ausführlich vertreten ist, sondern auch aus der Einbeziehung zahlreicher Fragmente aus dem hellenistisch-kaiserzeitlichen Pythagoreismus, die ansonsten verloren sind.370 Den inklusiven Charakter des Neuplatonismus dokumentieren dabei aber auch zahllose Zitate aus älteren philosophischen Traditionen, welche namentlich als wichtige indirekte Zeugen älterer Sammlungen (Areios Didymos, Aetios) und damit für deren Inhalte (Vorsokratiker, Stoiker, hellenistischer Peri­

367   Überblick zu den Einleitungsfragen bei R. M. Piccione, in: Giamblico, I frammenti delle lettere. Introduzione, testo, traduzione e commento a cura di D. P. Taormina  /  R. M. Piccione, Neapel 2010, 23–85, hier 23–54. Vgl. Auch R. M. Piccione, Encyclopédisme et enkyklios paideia. À propos de Jean Stobée et de l’›Anthologion‹, in: Philosophie antique 2 (2002), 169–187; R. M. Piccione, Materiali, scelte tematiche e criteri di ordinamento nell’ ›Anthologion‹ di Giovanni Stobeo, in: M. Horster  /  Ch. Reitz (Hrsg.), Condensing Texts – Condensed Texts, Stuttgart 2010, 619–647. 368   Eine Analyse von Photius, Bibliotheca 167 (2, p.  151, 37–152, 5 Henry) findet sich bei Piccione, Encyclopédisme et enkyklios paideia, 176–180. 369   Vgl. Piccione, in: Giamblico, I frammenti delle lettere, 26–32; Piccione, Materiali scelte, 624 f. 370   Vgl. Piccione, in: Giamblico, I frammenti delle lettere, 46–54.

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Die Philosophie in der Spätantike

patos) von unschätzbarem Wert für die Darstellung der antiken Philosophie sind.371 Ferner stellt das Werk ein wichtiges Zeugnis für die antike didaktische Praxis dar, in ein Thema mit Versen einzuführen und deren Inhalte erst danach durch Prosatexte zu erschließen.372 Obwohl uns das »Lob der Philosophie« (ἔπαινος φιλοσοφίας) und die Darstellung der philosophischen Richtungen, die Photios noch zu Anfang des Werkes lesen kann, und die hier enthaltenen Exzerpte aufgrund der schwierigen Überlieferungssituation verloren sind,373 stellt Stobaios’ Sammlung einen wichtigen Baustein einer Philosophiegeschichte der Antike dar, der mit einer aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Methodik das Studium der Philosophie zu fördern sucht.

4. Ein aristotelisierender Platoniker: Themistios Allgemeines Themistios (317–388)374 nimmt sowohl als bedeutendster Panegyriker seiner Zeit375 als auch durch sein Philosophieverständnis eine Sonderstellung in der Spätantike ein. Als Redner am Kaiserhof und in der Öffentlichkeit der Poleis führt er das kaiserzeitliche Ideal des politisch und rhetorisch tätigen Philosophen fort. Hauptquelle für sein Philosophieverständnis sind seine Reden, während seine früher entstandenen Aristoteles-Paraphrasen über seine Position zu diversen philosophischen Fragen Auskunft geben. Inhalte auf Griechisch verlorener Texte können nicht selten aus lateinischen und arabischen Nebentraditionen erschlossen werden.376 Themistios’ Philosophie zeigt sowohl aristotelische als auch neuplatonische Züge, was eine Einordnung schwierig macht. Entgegen der früher üblichen Position, Themistios wegen seiner Aristoteles-Paraphrasen als peripatetischen Autor zu sehen, tendiert man neuerdings eher dazu, ihn als Platoniker einzuordnen. Die Debatte lässt sich vielleicht dahingehend auflösen, dass seine Logik und Naturphi371

  Vgl. Piccione, Materiali scelte, 622 f.   Vgl. Piccione, Encyclopédisme et enkyklios paideia, 184–187. 373   Vgl. Piccione, in: Giamblico, I frammenti delle lettere, 26. 374   Vgl. zu Themistios Stegemann, Themistios; O’Meara, Platonopolis, 206–208; Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 182–299; Schamp  /  Todd  /  Watt, Thémistios; M. Schramm, Themistios, in: GGPh 5, 1 (2018), 72–94. 375   Gregorius Nazianzenus, Epistulae 38 (GCS Greg. Naz., p.  33, 15–19 Gallay); Libanius, Epistulae 371, 3; 793, 2 (10, p.  353, 5–8; 10, p.  713, 18–714, 2 Foerster). 376   Vgl. Schamp  /  Todd  /  Watt, Thémistios, 861–880. Neuentdeckungen geschehen immer wieder, z. B. im Umfeld Avicennas: A. Kalbarczyk, Predication and Ontology. Studies and Texts on Avicennian and Post-Avicennian Readings of Aristotle’s ›Categories‹, Berlin  /  Boston 2018, 159–163. 372

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

losophie eher aristotelisch, seine Theologie377 stärker platonisch ist. Obwohl Themistios spezifisch neuplatonische Lehren auch in seinen Aristoteles-Paraphrasen aufgreift, wenn es ihm richtig scheint, wie die Rezeption des plotinischen »Wir« (ἡμεῖς)378 in der ›De-anima-Paraphrase‹ zeigt,379 bestehen zum Neuplatonismus plotinisch-jamblichischer Prägung jedenfalls beträchtliche Unterschiede.380 Insofern allerdings bei ihm, im Hinblick auf die Ethik und die Theorie der Freundschaft, eine »Verschmelzung von platonischen, aristotelischen und stoischen Theorieelementen« konstatiert werden kann,381 fällt dies nicht aus dem Rahmen des in der Spätantike Üblichen.

Philosophieverständnis und Einteilung der Philosophie Kennzeichnend für Themistios’ Philosophieverständnis ist die Wertschätzung der politischen Praxis gegenüber einer theoretischen Zurückgezogenheit oder einer Beschränkung auf die Lehre im kleinen Kreis, die keinen politischen Beitrag leisten.382 In diesem Sinne lobt er die aristotelische Hinordnung des ethischen Wissens auf das Handeln,383 so dass die Philosophie mit dem »Bewirken von Tugend« gleichgesetzt werden kann (ἐργάζεσθαι ἀρετήν).384 Selbst dann, wenn er die prinzipiell überragende Bedeutung der theoretischen Kompetenz des Philosophen zugesteht, betont er, dass diese auch im praktischen Leben nicht verlorengeht, sondern dieses geradezu erfordert. In diesem Sinne ermutigt er offenbar auch Kaiser Julian, sein politisches Amt als eigentlich philosophische Aufgabe ernstzunehmen. Wenn dieser in seinem Antwortschreiben auf Themistios’ verlorenen Brief das 377

  Vgl. dazu nicht zuletzt seine Paraphrase zur aristotelischen ›Metaphysik Lambda‹, die jetzt bei Y. Meyrav, Themistius’ ›Paraphrasis of Aristotle’s Metaphysics 12‹. A Critical Hebrew-Arabic Edition of the Surviving Textual Evidence with an Introduction, Prelimary Studies, and a Commentary, Leiden  /  Boston 2019, besser zugänglich ist. 378   S. oben S. 746. 379  Themistius, De anima paraphrasis (CAG 5, 3, p.  100, 16–101, 4 Heinze); Griechisch – Deutsch bei F.-J. Simon, Themistios. Paraphrase zu De anima III 4–6, in: H. Busche  /  M. Perkams, Antike Interpretationen zur aristotelischen Lehre vom Geist. Texte von Theophrast, Alexander von Aphrodisias, Themistios, Johannes Philoponos, Priskian (bzw. ›Simplikios‹) und Stephanos (›Philoponos‹). Griechisch  /  Lateinisch – Deutsch, Hamburg 2018, 237–349, hier 300–303. 380   Als Peripatetiker gilt Themistios namentlich H. J. Blumenthal, Themistius. The Last Peripatetic Commentator on Aristotle, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 113–123; für die hier vertretene Position vgl. z. B. M. Schramm, Göttliches und menschliches Denken bei Themistios, in: Rheinisches Museum 151 (2008), 181–221. Weitere Einschätzungen bei Simon, Themistios, 237. 381   Vgl. Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 297 f. 382   Themistius, Oratio 2 (30bc). 383   Themistius, Oratio 2 (31bc); 34, 27 (2, p.  216, 11–13 Downey  /  Norman); s. oben S. 286  f. 384   Themistius, Oratio 2 (31d).

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Die Philosophie in der Spätantike

Ideal das »Lebe im Verborgenen« (λάθε βίωσας) lobt,385 vertritt er ein Lebensideal, das Themistios für den Philosophen explizit ablehnt.386 Ähnlich wie Dion von Prusa, und überhaupt der kaiserzeitliche Diskurs über diese Frage, betont Themistios den Unterschied zwischen wahren und falschen Philosophen. Als Kriterien wahrer Philosophie benennt er, neben dem ernsthaften Bemühen um Tugend,387 Kenntnisse philosophischer Lehren (μαθήματα), insbesondere in Bezug auf die höchste »Wesenheit« (οὐσία),388 das Anleiten von Schülern oder das Verfassen von Schriften,389 ein freundliches Wesen390 und Wahrheitsliebe.391 Das Ziel der Philosophie liegt für ihn im Ähnlichwerden mit Gott (ὁμοίωσις θέῳ).392 Weil er die Tätigkeit Gottes wiederum als »praktische und politische Philosophie« (πρακτικὴ τε καὶ πολιτικὴ φιλοσοφία) versteht,393 liegt das Ähnlichwerden für ihn vor allem in der Menschenfreundlichkeit.394 Wie seine Zeitgenossen sieht Themistios Platon und Aristoteles, dessen Philosophie »gleichzeitig das Voropfer, gleichzeitig der Schutzwall und die Festung der platonischen Bacchantik ist«,395 als die wichtigsten Autoritäten der Philosophie an,396 wobei er aber selbst bei ihnen gelegentlich »Geschwätz« (λῆρος) zu finden bereit ist.397 In mittelplatonischer Tradition stellt er Platon als den Ordner der vertreuten Teile der Philosophie dar,398 schreibt aber auch Aristoteles eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess der Philosophie zu, habe dieser doch »als erster die Argumente nach Gebieten getrennt geordnet«, nämlich nach Logik, praktischer und theoretischer Philosophie, und zugleich zwischen Texten für ein breites Publi­ kum und solchen für Fachphilosophen unterschieden.399 Themistios spielt gelegentlich auf die aristotelischen Einteilungen der Philosophie an, ohne sie systematisch hervorzuheben.400 Wichtig ist ihm, dass alle Philosophie auf das praktische Ziel bezogen ist, und daher kritisiert er eine Beschäftigung mit Feinheiten der Logik als sinnfrei.401 Zugleich preist er aber Aristoteles 385

  S. oben S. 402.   Themistius, Oratio 26 (324a). 387   Themistius, Oratio 2 (32ab). 388   Themistius, Oratio 21 (251cd). 389   Themistius, Oratio 21 (252ab). 390   Themistius, Oratio 21 (254bc). 391   Themistius, Oratio 21 (257c). 392  Themistius, Oratio 2 (32d); 34, 72 (2, p.  232, 17 f. Downey  /  Norman). Vgl. dazu Schamp  /Todd  /  Watt, Thémistios, 894. 393   Themistius, Oratio 34, 27 (2, p.  216, 16 f. Downey  /  Norman). 394   Themistius, Oratio 6 (78d–79a). 395   Themistius, Oratio 20 (235d). 396   Themistius, Oratio 2 (31b). 397   Themistius, Oratio 21 (258a). 398   Themistius, Oratio 21 (262a); Oratio 26 (318c–319a). 399   Themistius, Oratio 26 (319a–c). 400   Themistius, Oratio 26 (327ab). 401   Themistius, Oratio 2 (30b). 386

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

nicht nur als Schöpfer einer philosophischen Sprache, sondern auch als Erfinder des Organons.402 Wie mehrere Kommentatoren berichten, betont er zu Beginn der Syllogistik, d. h. wohl seiner Paraphrase der ›Analytica priora‹, dass »Platon« bzw. »große Naturen« vor Aristoteles keiner syllogistischen Regeln bedurft hätten, während diesem deren Ordnung zukomme.403 Selbst wenn Themistios nicht der Erste sein mag, der eine solche Position vertritt,404 dürfte doch seine Rolle für deren Vermittlung in die aristotelische Tradition in der Tat wichtig sein.

Verhältnis der Philosophie zu Politik, Rhetorik und Religion Die Verbindung mit der Politik405 ist für Themistios ein Kerninhalt der Philosophie, zumal die (Stadt-)Staaten (πόλεις) ebenso der Tugend bedürften wie die Einzelnen.406 Die zeitgenössischen Philosophen werden für ihre Zurückgezogenheit scharf kritisiert.407 Gegenüber den vier christlichen Kaisern, vor denen er als Redner auftritt (Constantius, Jovian, Valens, Theodosios), hält Themistios das Ideal der Einheit von Philosophie und Königsherrschaft aufrecht408 und lobt sie als »Philosophen in der Purpurrobe« (φιλόσοφος ἐν ἁλουργίδι) in der Tradition des Hadrian, Antoninos und Mark Aurel.409 Im Anschluss an Aristoteles wird jedoch die beratende Aufgabe des Philosophen von der praktischen des Kaisers unterschieden.410 Die Verbindung von Philosophie und Rhetorik ist für Themistios grundsätzlich eng. Er beschreibt Philosophie und Musen als Schwestern (ἀδελφαί),411 wobei die Aufgabe der Rhetorik, die in diesem Sinne mit der (wohl im aristotelischen Sinne zu verstehenden) Dialektik übereinstimmt,412 insbesondere darin besteht, das philosophische Ideal dem Hörer auf angenehme Weise vorzustellen.413 In strengerem Sinne ordnet Themistios freilich Rhetorik und Grammatik der Philosophie dezi-

402

  Thermistius, Oratio 26 (319b–320a).   Ioannes Philoponus, In Analytica priora (CAG 13, 2, p.  6, 14–18 Wallies); Elias, In Analytica priora (134, 5–7; 136, 25 f. Westerink). Die Länge des zweiten Testimoniums ist nicht ganz klar. Vgl. unten S. 983  f. 404   Vgl. oben S. 752  f. zu aristotelischen Zügen bei Porphyrios. 405   Vgl. O’Meara, Platonopolis, 206–208. 406   Themistius, Oratio 24 (307ab). 407   Themistius, Oratio 26 (320bc). 408   Themistius, Oratio 2 (29d–30a; 32bc). 409   Themistius, Oratio 34, 30–36 (2, p.  217, 14–219, 20 Downey  /  Norman) über Theodosios. Vgl. zum Kontext z. B. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 1484–1490. 410   Themistius, Oratio 2, 34bc; 6, 72ab; 8, 107cd; vgl. hierzu Schramm, Freundschaft im Neuplatonismus, 185–188. 411   Themistius, Oratio 24 (302d). 412   Themistius, Oratio 26 (328c). 413   Themistius, Oratio 24 (302d–303a; 304a–304c). 403

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Die Philosophie in der Spätantike

diert unter, der es zukommt, sie beide zum rechten Zweck zu gebrauchen.414 Die bloß »nützliche Rhetorik«, z. B. vor Gericht, wird explizit abgelehnt und mit dem Gesang der Sirenen verglichen.415 Religion ist kein zentrales Thema des Themistios. Seine Formulierungen sind typischerweise monotheistisch im Sinne Platons,416 doch gibt es auch Anklänge ans Christentum, z. B. die Deutung der sokratischen Menschenfreundlichkeit im Sinne der Feindesliebe.417 Solche Formulierungen dürften ein breites, christliches wie heidnisches, Publikum seiner Zeit angesprochen haben.

Würdigung Während Themistios im innerphilosophischen Diskurs eine geschätzte, aber nur begrenzt einflussreiche Randfigur bleibt, ist seine Bedeutung für das Verständnis von Philosophie zu seiner Zeit nicht zu unterschätzen, insofern er fast bis zum Ende des 4. Jahrhunderts das kaiserzeitliche Philosophieideal als herausragender paganer Philosoph am Kaiserhof und in anderen politischen Ämtern vertritt. Langfristig beeinflusst freilich vor allem seine Aristoteles-Auslegung die folgende Tradition, für die Themistios ein steter Referenzpunkt bleibt.

5. Kynisches Philosophieren in der Spätantike Der Kynismus ist die einzige philosophische Richtung, die in der Spätantike neben dem Neuplatonismus noch in größerem Maße fortbesteht. Aus den meist kritischen Zeugnissen der Zeitgenossen lässt sich ersehen, dass das öffentliche Auftreten und Predigen herumwandernder Kyniker im 4.–5. Jahrhundert durchaus noch verbreitet ist.418 Deren inhaltliche Ausrichtung ist nur schwer zu erfassen, selbst den Zeitgenossen fehlten hierfür schriftliche Grundlagen.419 Die wichtigsten Quellen, Kaiser Julians Reden ›Gegen Herakleios‹ und ›Gegen die ungebildeten Kyniker‹, konfrontieren Aussagen und Verhaltensweisen zeitgenössischer 414

  Themistius, Oratio 21 (251ab).   Themistius, Oratio 26 (329d–330b). 416   Themistius, Oratio 2 (33a). 417   Themistius, Oratio 34, 68 (2, p.  230, 12–18 Downey  /  Norman). 418   Vgl. die Sammlung von Zeugnissen Kaiser Julians bei G. Rochefort, in: L’empereur Julien. Œuvres complètes 2, 1. Texte établi et traduit par G. Rochefort, Paris 1963, 34; ferner Ioannes Chrysostomus, Ad populum Antiochenum 17, 2 (PG 49, col. 173 f.) und für den Westen Augustinus, De civitate dei 14, 20; 19, 1 (CCL 48, p.  442, 1–443, 35; p.  657, 1–660, 152 Dombart  /  Kalb); Vgl. G. Catapano, Philosophia, in: Augustinus-Lexikon 4 (2016), 719–742, hier 738. 419   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 7, 186bc (2, 1, p.  151 Rochefort). 415

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Das neuplatonische Universum: Hellenische Philosophie in der Spätantike

Kyniker mit dem eigenen Philosophieideal, von dem aus der Kynismus gedeutet wird, und helfen daher bei der Klärung von deren eigenem Selbstverständnis nur bedingt.420 Immerhin ist erkennbar, dass der wichtigste Wert für diese Kyniker die Freiheit (ἐλευθερία) ist,421 die einige von ihnen angeblich so weit fassen, dass sie sich über ihren Stifter Diogenes lustig machen,422 während sie sich selbst nur anhand von Äußerlichkeiten wie Mantel und Rucksack profilieren.423 Andere Belege deuten an, dass kynische Verhaltensweisen wie die offene Predigt und der Mantel von Philosophen verschiedener Schulrichtungen, z. B. von Hypatia, übernommen wurden.424 Der spätantike Kynismus dürfte daher nicht zuletzt eine radikale Variante der philosophischen Lebensführung sein, die innerhalb verschiedener Schulen praktiziert wird.

6. Zusammenfassende Würdigung Die spätantike Philosophie zeigt im Ganzen eine erstaunliche Einheitlichkeit bei einer recht großen Mannigfaltigkeit im Detail: Einigkeit besteht in der platonischen Grundausrichtung, die allen systematisch arbeitenden Autoren der Epoche gemeinsam ist, sowie in dem Bemühen, die verschiedenen Schulen der Philosophie in dieses Gesamt positiv zu integrieren, also neben dem eigentlichen Platonismus vor allem aristotelische Elemente sowie, in geringerem Maße, ontologische Thesen der Stoiker und ethische Maximen der epikureischen Schule. Die fortschreitende Arbeit der spätantiken Philosophen besteht darin, diese Elemente zusammen mit solchen der religiös-literarischen Tradition in ein Gesamtsystem zu bringen, an dem jedes Element seinen Platz hat. Wenn in der Schule des Plotin und Jamblich die platonischen Texte im Sinne der drei Hypostasem Eines, Geist  /  geistiger Bereich und Seele interpretiert werden, werden sie freilich einer wesentlich klareren Zielsetzung unterworfen, als sie selbst in sich aufweisen. Ein stärkeres Nebeneinander platonischer und aristotelischer Elemente begegnet hingegen bei Themistios, bei dem aber auch die Überzeugung zu erkennen ist, eine im Kern einheitliche philosophische Weltsicht zu vertreten. Hinsichtlich des Philosophieverständnisses lässt sich ein Interesse aller Autoren am ›Ähnlichwerden mit Gott, soweit es dem Menschen möglich ist‹, erkennen. Diese platonische Definition drückt das religiöse Philosophieideal der Zeit besonders gut aus und wird zum Gegenstand pointierter Deutungen, welche die 420

  S. oben S.  779  f.   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 15, 195c (2, 1, p.  163 Rochefort). 422   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 1, 180d–181a; 9 (6), 20, 202d (2, 1, p.  144; 172 Rochefort). 423   Iulianus Imperator, Oratio 9 (6), 18, 200d–201a (2, 1, p.  169 f. Rochefort). 424   Damascius, Vita Isidori, frg.  *102 (77, 5 Zintzen); Augustinus, De civitate dei 19, 1 (CCL 48, p.  659, 90–94 Dombart  /  Kalb). 421

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Die Philosophie in der Spätantike

Eigendynamik neuplatonischer Systembildung gut veranschaulichen: Bereits bei Plotin wird die Definition in differenzierter Weise auf einen Aufstieg zu den verschiedenen Hypostasen bezogen, was sich bei Proklos verstärkt, bei welchem sich Züge eines statischen Verständnisses zeigen, bei dem das ›Ähnlichwerden‹ zur ›Ähnlichkeit‹ wird. Bei Themistios lässt sich hingegen das Bild eines tätigen Gottes finden, so dass das ›Ähnlichwerden‹ sich eher in politischer Tätigkeit realisiert. Der umfassende Deutungsanspruch des Neuplatonismus prägt auch die Bezüge der Philosophie zu anderen Gebieten: Rhetorik und Medizin bleiben als eigene Disziplinen bestehen, doch wird eine große Nähe zur Philosophie etabliert, sowohl durch gemeinsame Zirkel gebildeter Menschen, die sich von ihrem christlichen Umfeld abgrenzen, als auch, indem Philosophen wie Themistios und Syrian sich intensiv mit Rhetorik beschäftigen, während Mediziner als Teil der philosophischen Zirkel gelten. Entscheidend für die Zeit ist aber das Verhältnis der Philosophie zur Religion, das von den Neuplatonikern selbst durch den Unterschied von ›Theurgie‹ und ›Philosophie‹ erläutert wird, wobei seit Jamblich die Erstere, also eine religiöse Praxis, die auf konkrete Wirkungen abzielt, gegenüber der Philosophie als Bildungsdisziplin einen Vorrang besitzt. Insofern erhält die philosophische Aktivität, ohne ihren Eigencharakter aufzugeben, eine religiös konnotierte Zielsetzung, die, auch im Vergleich zum Christentum, als typisch für die Zeit gelten kann.

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IV. Philosophie in fachwissenschaftlichen und ­medizinischen Texten

Die Spätantike gehört nicht zu den Blütezeiten antiker Wissenschaft. Während mathematische Themen vorwiegend von den Philosophen selbst behandelt werden, gibt es in der Medizin durchaus noch eine eigene Literatur, die allerdings im Ganzen eher aus Sammlungen älteren Materials besteht.1 Der bekannteste Arzt, Philosoph und Verfasser medizinischer Sammelwerke ist vielleicht Oreibasios, der Leibarzt Kaiser Julians, der u. a. durch eine Vita des Eunap gewürdigt wird. In den Resten seines Werkes, deren Sammlungscharakter er betont,2 geht er kaum explizit auf die Philosophie ein, doch hat man darin ein an Aristoteles geschultes Methodenbewusstsein gefunden.3 Im lateinischen Raum wirkt im 5. Jahrhundert Caelius Aurelianus vorwiegend als Übersetzer der Schriften der Methodiker bzw. des Soranos.4 Die neuere Forschung stellt allerdings bei ihm auch methodische Neuerungen im Vergleich zu den erhaltenen Werken des Soran fest, ohne deren genaue Tragweite eruieren zu können.5 Es dürfte sich jedenfalls allenfalls um eine Fortsetzung älterer Debatten der Methodiker handeln,6 nicht aber um neue Anleihen bei der Philosophie.

1

  Vgl. K. Deichgräber, Die griechische Empirikerschule. Sammlung der Fragmente und Darstellung der Lehre, Berlin 1930, 6; O. Temkin, Byzantinische Medizin. Tradition und Empirik, in: H. Flashar (Hrsg.), Antike Medizin, Darmstadt 1971, 435–468, hier 438–441. 2   Photius, Bibliotheca 216–219 (3, p.  131, 33–139, 23 Henry). 3   Vgl. V. Boudon-Millot  /  R. Goulet, Oribase de Pergame, in: DPhA 4 (2005), 800–804, hier 803 f.; R. de Lucia, Doxographical Hints in Oribasius’ ›Collectiones Medicae‹, in: Ph. J. van der Eijk (Hrsg.), Ancient Histories of Medicine. Essays in Medical Doxography and Historiography in Classical Antiquity, Leiden  /  Boston  /  Köln 1999, 473–489. 4   Vgl. F. Kudlien, Caelius Aurelianus, in: Der Kleine Pauly 1 (1979), 994 f. 5   Vgl. Ph. van der Eijk, Antiquarianism and Criticism. Forms and Functions of Medical Doxography in Methodism (Soranus and Caelius Aurelianus), in: Van der Eijk (Hrsg.), Ancient Histories of Medicine, 397–452; Ph. van der Eijk, Medicine and Philosophy in Classical Antiquity. Doctors and Philosophers on Nature, Soul, Health and Disease, Cambridge 2005, 299–327. 6   Vgl. oben S. 599.

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V. Philosophie im Judentum1

Die jüdische Literatur der Spätantike beschränkt sich auf rabbinische Texte, nämlich im Wesentlichen die beiden Formen des Talmud, den palästinischen Talmud (Yerushalmi) und den babylonischen Talmud (Bavli), deren Inhalte man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Spätantike im hier gemeinten Sinn, also das 4. und 5. Jahrhundert, datieren kann. Der palästinische Talmud entsteht wohl in Tiberias in Galiläa, also innerhalb des Römischen Reiches, der babylonische Talmud in Obermesopotamien, also im Perserreich, in einer Zone, wo die Präsenz griechischer Kultur, und damit der Philosophie, sicherlich geringer ist als im Römischen Reich.2 Beide Talmude sind Interpretationen und Weiterführungen des in der ›Mischna‹ Genannten. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass ihre Autoren nicht mehr in lebendigem Kontakt mit griechischer Philosophie stehen, sondern ihre eventuellen Kenntnisse der ›Mischna‹ verdanken. So scheint es im Kern auch mit der einzigen Erwähnung von Epikur zu stehen, die sich im palästinischen Talmud findet. Hier werden nicht nur mögliche Lehren der Sadduzäer mit den Epikureern verbunden, sondern auch die biblische Erzählung von der »Rotte Korachs«.3 Eine neue Interpretation der Stelle meint, diese Stelle im Sinne der christlichen Epikureerkritik verstehen zu können, welche die Epikureer vor allem mit den Stoikern als Leugner der Providenz darstellt.4 In der Forschung wird teils die Ansicht vertreten, dass die spekulativen Interessen in der Zeit des Talmud eher abnehmen, so wie auch die (durchaus vorhandene) Kenntnis des Griechischen infrage gestellt wird.5 Demgegenüber hat Jacob Neusner gerade für den Babylonischen Talmud die These aufgestellt, hier würden die in der ›Mischna‹ auf analytischem Wege gewonnenen Ergebnisse auf eine dialektische Art weiter entwickelt, die fraglos als philosophisch zu gelten habe. Auch auf diese Weise, die aufgrund der großen Menge nicht-mischnaischer Traditionen trotz der

1   Vgl. S.  Lieberman, How Much Greek in Jewish Palestine?. in: A. Altmann (Hrsg.), Biblical and other Studies, Cambridge (Mass.) 1963, 123–141; A. Hyman, Philosophy, Jewish, in: Encyclopaedia Judaica 13, Jerusalem 1972, 423 f. 2   Vgl. G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 92011, 13 f., 189 f., 213–215. 3   Numeri 16, 28–33. 4   Talmud Yerushalmi, Sanhedrin 10, 2/19–23 (27d–28a), zitiert und interpretiert bei H. J. Becker, ›Epikureer‹ im Talmud Yerushalmi, in: P. Schäfer (Hrsg.), The Talmud Yerushalmi and Graeco-Roman Culture, Tübingen 1998, 397–421. 5   Vgl. H.-J. Becker, Earthquake, Insects, Miracles, and the Order of Nature, in: Schäfer, The Talmud Yerushalmi, 387–396.

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Philosophie im Judentum

fraglosen Gültigkeit der ›Mischna‹, notwendig geworden wäre, hätten sich die Rabbinen um Generalisierungen zur Regelbildung bemüht.6

6

  Vgl. J. Neusner, Jerusalem and Athens. The Congruity of Talmudic and Classical Philosophy, Leiden u. a. 1997, vor allem 2–6 und 75–80; J. Neusner, Intellectual Templates of the Halakhah, Lanham, Maryland u. a. 2006; A. Hyman, Philosophy, Jewish, in: Encyclopaedia Judaica 16, Detroit u. a. 2007, 67–114, hier 74.

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VI. Größe und Grenzen des Platonismus im ­patristischen Denken der griechischen Spätanitke1

1. Allgemeines Bei den griechischen christlichen Autoren des 4./5. Jahrhunderts, deren Werk ­einen Großteil der erhaltenen Literatur der Zeit ausmacht, bleibt die Philosophie in vielerlei Hinsicht wichtig: Neben bekannten ›Kirchenvätern‹ wie Eusebios von Kaisareia, den Kappadokiern oder den antiochenischen Exegeten, die alle ein philosophisches Interesse haben, sind Grenzgänger zwischen neuplatonischer Philosophie und Christentum, wie Synesios von Kyrene und Nemesios von Emesa, für die Zeit ebenso charakteristisch wie das christliche Mönchstum mit seinem mehr oder weniger stark rationalistisch verstandenen Anspruch, an das Ideal der Philosophie anzuschließen.

2. Über den Platonismus zum Christentum: Eusebios von Kaisareia2 und die ›Ermahnung an die Hellenen‹ (›Cohortatio ad Graecos‹) Den Neuansatz der spätantiken gegenüber der kaiserzeitlichen christlichen Philosophie lässt man sinnvollerweise mit zwei inhaltlich verwandten Schriften beginnen, der ›Vorbereitung des Evangeliums‹ (›Praeparatio evangelica‹) des Eusebios von Kaisareia und der ›Ermahnung an die Hellenen‹ (›Cohortatio ad Graecos‹), in der ein unbekannter Autor etwa gleichzeitig die Hellenen »Über die rechte Gottesverehrung« (περὶ τῆς ἀληθοῦς θεοσέβειας) belehren will. Beide Schriften, die in die Zeit der Zuwendung Kaiser Konstantins zum Christentum datiert werden, zeichnen sich dadurch aus, dass hier nicht nur Philosophie kritisiert, sondern, bei aller angenommenen Überlegenheit des Christentums, grundlegende Parallelen zur platonischen Philosophie herausgestellt werden. Sie können daher im Zusammenhang behandelt werden.

1

  Vgl. H. Görgemanns, Philosophie II. Patristik und Mittelalter. A. Griechische Patristik, in: HWbPhil 7 (1989), 616–623. 2   Vgl. J. Moreau, Eusebius von Caesarea, in: RAC 6 (1966), 1052–1088; R. Goulet, Eusèbe de Césarée, in: DPhA 3 (2000), 358–367.

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Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

Die ›Ermahnung an die Hellenen‹ (›Cohortatio ad Graecos‹) Die ›Ermahnung an die Hellenen‹ kann als Vorbereitung von Gedanken des Eusebios an erster Stelle behandelt werden, ist das Werk doch wesentlich kürzer und inhaltlich weniger von der Idee des Christentums als wahrer Philosophie geprägt. Vom zeitlichen Ablauf ist das freilich nicht sicher, denn diese fälschlich unter dem Namen des Justin überlieferte Schrift kann nur aufgrund inhaltlicher Kriterien historisch eingeordnet werden, so dass nicht leicht festzustellen ist, ob sie vor oder nach der ›Vorbereitung des Evangeliums‹ anzusetzen ist. Trotz vieler Ähnlichkeiten sind beide Schriften wohl voneinander unabhängig,3 was aber weiter diskutiert werden sollte. Als eine Mahnrede (παραίνεσις), die auf die Bekehrung zum Christentum abzielt, gehört die Schrift mit Tatians ›Rede an die Hellenen‹ und der syrischen Pseudo-Meliton-Rede in die Reihe christlicher Protreptikoi, unter denen sie jedoch durch ihre Rezeption des Platonismus hervorsticht. Sie besteht im Grunde aus zwei Teilen: In § 2–7 werden verschiedene hellenische Dichter und Philosophen widerlegt, vor allem mit dem traditionellen Topos, dass sie sich so häufig widersprechen. Die Stellen, mit denen der Autor dies belegt, zeigen, dass er sich auf die mittelplatonische Tradition stützt, wobei er zwar vorwiegend Handbücher verwendet, aber auch einige Texte aus eigener Lektüre kennt. Insgesamt ist sein Platonbild an die Vorstellungen seiner hellenischen Zeitgenossen, der Adressaten der Schrift, angelehnt.4 Im Anschluss hieran wird in knapper Weise, unter ausdrücklichem Verweis auf hellenische Historiker, anhand eines Altersbeweises gezeigt, dass verschiedene Dichter, Pythagoras und Platon in wesentlichen Punkten die Lehre Moses übernommen haben (§ 8–13). Für Pythagoras wird hierbei auf die Annahme der Monade als einem einzigen Gott verwiesen (§ 19), für Platon ebenfalls auf die Einzigkeit Gottes sowie auf das Totengericht, die Ideenlehre (die der freilich missverstanden habe), Anklänge an biblische Formulierungen,5 die Tugendlehre (die der Lehre vom heiligen Geist entsprechen soll) und das Verhältnis von Welt und Zeit.6 Hinsichtlich der biblischen Formulierung ›Ich bin der Seiende‹ meint der Autor, sie bedeute, ebenso wie die entsprechende Formulierung in Platons ›Timaios‹ (»was ist das immer Seiende, kein Werden habende, und was ist das Werdende, 3

  Vgl. dazu die Einleitung von Ch. Riedweg, Ps.-Justin (Markell von Ankyra?), ›Ad Graecos de vera religione‹ (bisher ›Cohortatio ad Graecos‹). Einleitung und Kommentar, Teil 1: Einleitung, Basel 1994, vor allem 60 f., der auch die Datierung von M. Marcovich, in: Pseudo-Iustinus, ›Cohortatio ad Graecos‹. ›De monarchia‹. ›Oratio ad Graecos‹, ed. by M. Marcovich, Berlin  /  New York 1990, 4, zwischen 260 und 302 weiter für möglich hält; vgl. jetzt D. Wyrwa, Ps.-Justin, in: GGPh 5, 1 (2018). 807–816, hier 813–816. 4   Vgl. Riedweg, Ps.-Justin 1, 71–75. 5   Plato, Phaedrus, 246a. 6   Vgl. die Inhaltsübersicht von Marcovich, in: Pseudo-Iustinus, ›Cohortatio ad Graecos‹, 13–19.

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Die Philosophie in der Spätantike

aber niemals Seiende«),7 eine Unterscheidung des wahrhaft seienden Gottes von den vielen Göttern, die es nur scheinbar gebe. Hier, wie auch an anderen Stellen, habe Platon allerdings die biblische Aussage nur in verklausulierter Weise übernommen, um nicht, wie Sokrates, bei den Athenern Anstoß zu erregen; das liege auch daran, dass er von Mose die Lehre, Gott habe keinen Namen, übernommen habe.8 Die ›Ermahnung‹ verarbeitet hier also mehrere von Philon stammende, bei älteren Apologeten wie im Mittelplatonismus vorkommende Motive9 zum Nachweis einer weitgehenden Übereinstimmung Platons, der hierfür äußerst selektiv wahrgenommen und zurechtinterpretiert wird, mit der christlichen Lehre; eine produktive Nutzung der platonischen Position zur Entfaltung christlicher Grundgedanken findet nicht statt.10 Überhaupt enthält die ›Ermahnung‹ keine Idee einer christlichen Philosophie. ›Philosophie‹ oder ›Philosophen‹ steht stets für die griechische Kulturtechnik oder deren Vertreter, niemals für christliche Autoren. Auch gelegentliche Formulierungen wie »die bei ihnen«, d. h. den älteren Hellenen, »Philosophen genannten« (παρ’ αὐτοῖς ὀνομασθέντων φιλοσόφων)11 bedeuten nicht, dass der Autor sich auch wahre, d. h. christliche Philosophen vorstellen kann, sondern beziehen sich darauf, dass die Griechen den Philosophen wahre Erkenntnis zuschreiben, weswegen der christliche Diskurs Bezug auf sie nehmen kann.12 Die relativ weitgehende sachliche Übereinstimmung zwischen Christentum und Platonismus dient somit einer Hinführung der Hellenen zum Christentum; ein Eigenwert der Philosophie als solcher ist damit nicht verbunden.

Christentum als wahre Philosophie bei Eusebios von Kaisareia Damit ist der wesentliche Unterschied zu Eusebios von Kaisareia (260/264– 337/340)13 benannt, einer der berühmtesten Gestalten der Spätantike. Er wirkt im palästinischen Kaisareia zunächst als christlicher Gelehrter, bevor er als Bischof derselben Stadt insbesondere die Kirchenpolitik Konstantins beeinflusst. Sein literarisches Werk, für das er auf eine äußerst breite, heute vielfach verlorene Quellenbasis zurückgreifen kann, die er vielfach in der Bibliothek des Origenes findet, ist teils vor der Bekehrung Konstantins verfasst, teils während dessen Herrschaft. Eusebios’ Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie und seine eigene philosophische Leistung zeigen sich vor allem in dem Doppelwerk, das aus der 7

  Vgl. Plato, Timaeus 27d–28a.   Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 20–22 (50, 1–54, 30 Marcovich). 9   Zu den Quellen vgl. Ch. Riedweg, Ps.-Justin 2, 374–381. 10   Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 37 (75, 1–76, 46 Marcovich). 11   Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 38, 2 (78, 28 f. Marcovich). 12   So eindeutig Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Graecos 1, 2 (23, 14 f. Marcovich): φιλόσοφοι, οἱ τὴν ἀληθῆ καὶ θείαν εἰδέναι παρ’ ὑμῖν ἐπαγγέλλομένοι γνῶσιν. 13   Vgl. H. Strutwolf, Eusebios von Caesarea, in: GGPh 5, 2 (2018), 1465–1477. 8

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Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

›Vorbereitung des Evangeliums‹ (›Praeparatio evangelica‹) in 15 Büchern und dem ›Beweis des Evangeliums‹ (›Demonstratio evangelica‹), mit ursprünglich zwanzig Büchern, besteht, die zwischen 312 und 322 entstanden sind.14 Die ›Praeparatio evangelica‹, die sich explizit mit der hellenischen Philosophie beschäftigt, dient als Vorbereitung für die Mysterien des zweiten Werkes, welches die christliche Deutung der hebräischen Religion liefert.15 Für die Folgezeit ist die ›Vorbereitung des Evangeliums‹ von großer Bedeutung, weil es sowohl der modernen Forschung als auch späteren griechischen christlichen Autoren einen großen Fundus philosophischer Texte liefert, die sonst nicht bekannt sind oder außerhalb der Philosophenschulen schwer zugänglich bleiben. Damit werden freilich auch die Einseitigkeiten von Eusebios’ Rezeption Teil der Philosophiegeschichte (so dürfte man allein anhand von Eusebios’ Zitaten kaum verstehen, dass das Eine bei Plotin eine zentrale Stellung hat). Daneben bieten ferner Eusebios’ historische Werke,16 die Schriften für Konstantin,17 die Schrift gegen Hierokles hinsichtlich des Apollonios von Tyana als heiligen Mannes18 sowie das 2. Buch der Syrisch überlieferten ›Theophaneia‹ mancherlei Informationen zur griechischen Philosophie.

Der Ansatz des Eusebios Eusebios’ Kernthese, die er in verschiedenen Werken in selbstbewusstem Tonfall wiederholt, lautet, das Lebensideal der Philosophie habe im Christentum seine Vollendung gefunden; somit appelliert er gezielt an traditionsbewusste Christen und Hellenen, unter christlichen Vorzeichen die hellenische Tradition zu pflegen.19 Sogar von Kaiser Konstantin sagt Eusebios, wenn dieser über christliche Lehren spricht, er »philosophiere«, und lobt ihn für die Fürsorge derer, die sich der auf Gott bezogenen Philosophie (wohl dem Priesteramt) gewidmet hätten.20 Vorausgesetzt ist also, dass Philosophie in den Kontext althergebrachter Überlie14   Für die ›Praeparatio evangelica‹ gibt K. Mras, in: Eusebius, Die ›Praeparatio evangelica‹. Erster Teil, hrsg. von K. Mras, 2. bearbeitete Auflage hrsg. von É. des Places (GCS Eus. 8, 1), Berlin 1982, LIVf. den Zeitraum von 312–322 an; zum geistigen Umfeld des Werks vgl. J. Sirinelli, in: Eusèbe de Césarée, La ›Préparation évangelique‹. Introduction générale, Livre 1. Introduction, texte grec, traduction et commentaire par J. Sirinelli  /  É. des Places (SC 206), Paris 1974, 24–28. 15   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 1, 12 (GCS Eus. 8, 1, p.  8, 6–14 Mras); zum Aufbau des Gesamtwerks É. des Places, in: Eusèbe de Césarée, La ›Préparation évangélique‹ (SC 206), 35–54 16   Sirinelli, in: Eusèbe de Césarée, La ›Préparation évangelique‹ (SC 206), 16–18. 17   S. unten S. 806. 18   Dazu M. Forrat, in: Eusèbe de Césarée, ›Contre Hiérocles‹. Introduction, traduction et notes par M. Forrat. Texte grec établi par É. des Places (SC 333), Paris 1986, 26–66. 19   Zu den polemischen Zielsetzungen des Werkes vgl. prägnant Siniossoglou, Plato and Theodoret, v. a. 11 f. 20   Eusebius, Vita Constantini 29, 2 (GCS Eus, 1, p.  128, 22 Heikel).

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ferung, Religion und Gesetzgebung gehört und insofern der Gottlosigkeit beziehungsweise dem Atheismus entgegensteht.21 Mit dieser pointierten Bezeichnung des Christentums als Philosophie greift Eusebios die ursprünglich kaiserzeitliche Vorstellung auf, die Philosophie sei ein einheitliches Lebensideal bei Griechen und Barbaren,22 und wendet sie gegen seinen philosophischen Hauptgegner Porphyrios, der gerade die Christen nicht in dieser einheitlichen Traditionslinie von Hellenen und Barbaren sieht.23 Die Dignität des Christentums als Philosophie rechtfertigt Eusebios auf ganz unterschiedliche Weise, wobei er sich wohl häufig mit (nicht mehr erhaltenen) Kritiken des Porphyrios auseinandersetzt. Zu Beginn der ›Vorbereitung des Evangeliums‹ bestreitet er, dass das Christentum auf »irrationalem Glauben« (ἄλογος πίστις)24 beruhe, und verweist auf die Notwendigkeit, jede menschliche Tätigkeit, auch das Leben gemäß einer philosophischen Richtung, im Glauben zu beginnen.25 Gegen den Vorwurf, das Christentum sei minderwertig, weil es sich nicht einmal an die immerhin alter Tradition entsprechende Lebensweise der Juden halte,26 argumentiert er, dass die durch ihr Alter und ihre Qualität ehrwürdigen barbarischen Traditionen der Juden von den Christen zu Recht, nämlich aufgrund göttlicher Autorität, in eine »neue und wahre Theosophie« (καινὴ καὶ ἀληθὴς θεοσοφία) umgewandelt würden.27 Damit erweitern sie die jüdische Tradition zu einer universalen »hohen Philosophie« (ἄκρα φιλοσοφία) von solcher Wirkung, dass alle Menschen, Barbaren wie Griechen, den Monotheismus, die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele und ein sittliches Leben übernehmen.28 Das zeige sich zunächst in den Taten, sowohl der Abwendung aller Völker von den unsittlichen Bräuchen, von denen Porphyrios noch berichtet,29 als auch im wahrhaft philosophischen Verhalten der christlichen Märtyrer, darunter auch Frauen und Kinder, die im Sinne der Philosophie für die Unsterblichkeit der Seele einstanden.30 In diesen Kontext einer Argumentation mit der hervorragenden Lebensweise der Christen gehört auch die Stilisierung des Origenes zum Philosophen in Eusebios’ ›Kirchengeschichte‹.31

21

  Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 2, 1–3 (GCS Eus. 8, 1, p.  8, 20–9, 7 Mras).   Vgl. des Places, in: Eusèbe de Césarée, La ›Préparation évangelique‹ (SC 206), 28–34. 23   Zur Position des Porphyrios vgl. oben S. 767 sowie Becker, in: Porphyrios, ›Contra Christianos‹, 67 f. 24   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 1, 11 (GCS Eus. 8, 1, p.  7, 23 Mras). 25   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 5, 3–9 (GCS Eus. 8, 1, p.  20, 4–21, 19 Mras). 26   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 2,1–4 (GCS Eus. 8, 1, p.  8, 20–9, 15 Mras). 27   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 5, 10–13 (GCS Eus. 8, 1, p.  21, 25–22, 21 Mras). 28   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 4, 9; 1, 4, 13 f. (GCS Eus. 8, 1, p.  17, 9–23; 18, 24–19, 8 Mras). 29   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 4, 6–8 (GCS Eus. 8, 1, p.  16, 8–17, 9 Mras). 30   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 4, 14 (GCS Eus. 8, 1, p.  19, 3–8 Mras). 31   Eusebius, Historia ecclesiastica 6, 2–19 (GCS Eus. 2, 2, p.  518–566 Schwartz). 22

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Eine Darstellung der christlichen Weltsicht im Stil einer philosophischen Welterklärung findet sich insbesondere im 1. Buch der ›Theophaneia‹, die sich vorwiegend an gebildete Hellenen richtet, sowie in seiner Lobrede an Konstantin (›Laus Constantini‹ bzw. τριακονταετηρικός), die der ›Theophaneia‹ inhaltlich sehr nahesteht.32 Hier findet sich eine, im Ganzen eher rhetorische als philosophisch-argumentative, Erklärung der Einzigkeit Gottes und der Rolle seines Logos sowie der Stellung des Menschen, welche aber den Anspruch einer rationalen Darlegung hat, was sich auch an biblischen sowie gelegentlichen platonischen Belegen für die Richtigkeit dieser Position zeigt. Sie kann als Versuch angesehen werden, den systematischen Inhalt der wahren Philosophie, die das Christentum ist, so wiederzugeben, dass dieses auch für gebildete Heiden als vernünftige Weltsicht akzeptabel ist.33 Allerdings wird in diesem Kontext, anders als in der ›Vorbereitung des Evangeliums‹, das Wort ›Philosophie‹ nicht erwähnt.

Kenntnisse und Kritik griechischer Philosophie Der Überblick über philosophische Schriften, den Eusebios im Zuge dieser Arbeiten erkennen lässt, ist bemerkenswert aktuell, umfangreich und tiefgehend. Eindeutig im Mittelpunkt stehen die Werke Platons und der führenden Platoniker des 3. Jahrhunderts, des Numenios, Plotin und Porphyrios, während er Jamblich nicht zu kennen scheint.34 Darüber hinaus verwendet er eine ganze Reihe Handbücher und Monographien von Philosophen verschiedener Richtungen, die heute zum großen Teil verloren sind. Die konkrete Argumentation zum Nachweis der Superiorität des Christentums gegen die heidnische Philosophie führt Eusebios, indem er in Buch 11 und 12 der ›Vorbereitung des Evangeliums‹ zeigt, dass das Judentum mit der besten Philosophie, derjenigen Platons, »in einigen, wenn auch nicht in allen Lehrüberzeugungen« (ἔν τισι, εἰ καὶ μὴ ἐν πᾶσι, τοῖς δογματικοῖς θεωρήμασι) übereinstimmt.35 Für diese Übereinstimmung gebraucht er den platonischen Terminus »Harmonie« (συμφωνία)36 und nennt die platonische Philosophie sogar eine »Interpretation (ἑρμηνεία) der heiligen Schriften der Hebräer«,37 während er schon vorher, unter anderem mit Zitaten aus Porphyrios, dafür argumentiert, dass die hebräische

32

  Vgl. Moreau, Eusebius von Caesarea, 1068 f.   Ähnlich z. B. ›Hippolyt‹: s. oben S. 652  f. 34   Übersicht über die von Eusebios zitierten philosophischen Texte: Goulet, Eusèbe de Césarée, 362–364. 35   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, prooem. 3; 13, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  5, 14 f.; 165, 2–4 Mras). 36   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, prooem. 3; 14, 1, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  5, 16; 259, 4 Mras). 37   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  165, 3 f. Mras). 33

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Die Philosophie in der Spätantike

Philosophie sachlich älter als die griechische und von den Griechen gestohlen worden sei.38 In Buch 13 wird Platon kritisiert, weil er sich nicht, wie die Hebräer, konsequent gegen polytheistische Überzeugungen gewendet39 und nicht die ganze Seele als unsterblich angesehen habe.40 Die Terminologie des Abschnitts und ein Zitat des Platonikers Severos41 weisen darauf hin, dass Eusebios auch in diesen Punkten von Interpretationen späterer Platoniker beeinflusst ist. In der ›Praeparatio‹ zeigt sich Eusebios jedoch gegenüber den kritisierten Lehren insgesamt sehr zurückhaltend: Er betont, dass er die Kritikpunkte aus Respekt vor Platon erst spät anführt und nicht zu hoch gewichten will, obwohl sie für seine Argumentation von großer Bedeutung sind,42 da sie ja den zentralen Punkt rechtfertigen müssen, dass die Christen als Griechen eher der hebräischen als der griechisch-philosophischen Tradition folgen.43 Auf eine inhaltliche Widerlegung verzichtet er bewusst, weil Platon seine Behauptungen auch nicht argumentativ belegt habe.44 Dieser irenischen Attitüde der ›Vorbereitung auf das Evangelium‹ steht allerdings ein deutlich kritischer formuliertes Exposé in der ›Theophaneia‹ gegenüber.45 Einen wichtigen Kritikpunkt bildet auch für Eusebios der Topos der Uneinigkeit der Philosophen, dem er das Beharren der Hebräer in der »wahren und frommen Philosophie« (ἀληθὴς καὶ εὐσεβὴς φιλοσοφία) gegenüberstellt.46 Seine Darstellung richtet sich insbesondere gegen den Platonismus und seine verschiedenen Schulen, deren Uneinigkeit (διαφωνία), die er anhand eines sehr ausführlichen Numenios-Zitats verdeutlicht,47 er damit erklärt, dass dieser menschlichen Philosophie die sichere Vorgabe einer göttlichen Offenbarung fehle. 48 Die abschließende Behandlung der inneren Widersprüche des Aristoteles und der Stoiker dient Eusebios nur zur Vervollständigung seiner Rechtfertigung des Anschlusses

38   Eusebius, Praeparatio evangelica 10, z. B. 10, 3, 7 (GCS Eus. 8, 1, p.  562, 13–563, 2 Mras) aus Porphyrios in Bezug auf den »Diebstahl« philosophischer Begriffe durch Juden und Christen. 39   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 14, 4–13; 13,15, 3–5 (GCS Eus. 8, 2, p.  229, 19–232, 7; 232, 17–233, 1 Mras). 40   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 16, 1–3 (GCS Eus. 8, 2, p.  234, 1–23 Mras). 41   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 17 (GCS Eus. 8, 2, p.  239, 9–240, 16 Mras). 42   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  165, 10 f. Mras). 43   Vgl. Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 5, 5–9 (GCS Eus. 8, 1, p.  20, 19–21, 19 Mras). 44   Eusebius, Praeparatio evangelica 13, 16 (GCS Eus. 8, 2, p.  234, 21 f. Mras). 45   Eusebius, Theophania 2, 19–52 (p.  168–147 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  87, 20–105, 19 Gressmann [dt.]). 46   Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 3, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  261, 13 Mras); aufgegriffen Theophania 2, 47–49 (p.  152–150 Lee [syr.]  /  GCS Eusebius 3, 2, p.  100, 27–102, 8 Gressmann [dt.]). 47   Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 5–9 (GCS Eus. 8, 2, 268, 16–285, 2 Mras). 48   Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 9, 4–9 (GCS Eus. 8, 2, p.  285, 3–286, 11 Mras).

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Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

der Christen an die hebräische Lehre,49 wobei er sich auch hier von persönlichen Angriffen gegen Aristoteles distanziert.50

Darstellung des und Verhältnis zum Platonismus Der deutlich zutage tretenden Sympathie für den Platonismus51 entsprechen auch einige sachliche Einflüsse. Zum Beispiel greift Eusebios’ Christologie nicht nur die neuplatonische Hypostasenlehre auf, sondern er betont, dass Gott, wie das neuplatonische Eine, entsprechend der zuvor zitierten Stelle ›Politeia‹ 7, 509b »jenseits des Seins« (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας) angesiedelt ist.52 In der ›Theophaneia‹ zitiert Eusebios zustimmend die Unterscheidung der sinnlichen und geistigen Welt aus dem ›Timaios‹,53 und an anderen Stellen nimmt er, entgegen der Tendenz kaiserzeitlicher Christen, eher der stoischen Lehre von der Seele zu folgen,54 ausdrücklich für die platonische Lehre von deren Unsterblichkeit Stellung.55 Zu Beginn seines Platon-Referats im zweiten Buch der ›Theophaneia‹ stimmt Eusebios sogar der platonischen Ansicht zu, das Erste beziehungsweise Gute sei die Ursache, das Zweite hingegen der Schöpfer (bārōyā = δημιουργός) von allem.56 Auch in der ›Demonstratio evangelica‹ nennt er, in Anlehnung an die in der ›Vorbereitung‹ zitierten Texte, die zweite Person der Trinität »wesenhafter Logos Gottes, zweite Ursache von allem, oder zum intelligiblen Denken fähige Substanz«.57 Die hier zutage tretende Unterordnung des Sohnes (und des Geistes) unter den Vater, also der ›Subordinationismus‹ des Eusebios, der der arianischen Position nahesteht, was ihm viel Kritik eingetragen hat,58 zeigt an solchen Stellen deutlich ihre platonischen Wurzeln.

49

  Eusebius, Praeparatio evangelica 15, 1, 11 (GCS Eus. 8, 2, p.  345, 23–346, 3 Mras).   Eusebius, Praeparatio evangelica 15, 1, 13 (GCS Eus. 8, 2, p.  346, 8–11 Mras). 51   Vgl. auch Eusebius, Theophania 2, 24–30 (160–159 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  91, 29–93, 2 Gressmann [dt.]), dann aber recht deutlich kritisiert. 52   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 21, 7 (GCS 8, 2, p.  48, 16 f. Mras). Vgl. Strutwolf, Eusebius von Caesarea, 1472 f. 53   Eusebius, Theophania 1, 36 (197 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  53, 25–54, 1 Gressmann [dt.]). 54   S. oben S.  654  f., 673  f. 55   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 27 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  58, 11–66, 7 Mras). Vgl. Strutwolf, Eusebius von Caesarea, 1473 f. 56   Eusebius, Theophania 2, 24 (p.  160 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  91, 29–32 Gressmann); vgl. Numenius, apud: Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 18, 6 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  41, 7–13 Mras). 57   Οὐσιώδη τοῦ θεοῦ λόγον, δεύτερον τῶν ὅλων αἴτιον, ἢ οὐσίαν νοεράν. Eusebius, Demonstatio evangelica 5, prooem. 1 (GCS Eus. 6, p.  202, 4 f. Heikel). 58   Deutlich ausgesprochen wird dies von Eusebius, Demonstratio evangelica 5, 30, 3 (GCS Eus. 6, p.  249, 4 f. Heikel [δεύτερον θεὸν μετὰ τὸν ἀνωτάτω]); zu den historischen 50

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Die Philosophie in der Spätantike

Philosophiebegriff und Einteilung der Philosophie59 Für sein Philosophieverständnis rekurriert Eusebios auf die traditionellen Einteilungen, für die er insbesondere aus Aristokles und Attikos zitiert und so das wichtige Bild der Einheit der platonischen Philosophie aus vielen Gliedern an die Folgezeit weitergibt.60 Er selbst teilt die platonische wie die hebräische Philosophie in Logik, Ethik und Physik ein, wobei er in Letzterer dezidiert einen auf die körperliche und einen auf die geistige Welt bezogenen Teil, in Anlehnung an die Einteilung in Naturphilosophie und Metaphysik, unterscheidet.61 Damit akzeptiert er faktisch eine platonische Variante der stoischen Dreiteilung der Philosophie, ohne aber, wie Origenes, Klemens und viele Platoniker, die Theologie als Epoptik zum eigenen Teil anstelle der Logik zu erklären. Seine Erläuterungen zu den einzelnen Teilen der hebräischen Philosophie fallen allerdings recht knapp aus: Für die Logik nennt er bei den Hebräern keine argumentationstheoretischen Punkte, da er Judentum und Christentum durch göttliche Offenbarung legitimiert sieht;62 immerhin sieht er in den biblischen Erklärungen von Eigennamen einen Beitrag zur Logik, der mit Platons ›Kratylos‹ vergleichbar sei.63 Hinsichtlich der Ethik verweist er sowohl auf das mosaische Gesetz als auch auf die Weisheitstradition64 und für die Physiologie auf die Propheten und die biblische Weisheitstradition.65 In jedem Fall betont er, durchaus in der Tradition der ›Barbarenphilosophie‹ die Rolle des philosophischen Lebens (φιλόσοφος βίος) in der jüdischen Tradition und die sich ihm bietenden Möglichkeiten im Christentum.66 Zur »Naturphilosophie im Hinblick auf das Intelligible« (τῶν νοήτων φυσιολογία), wie er die metaphysische Theologie bezeichnet, führt auch er ›Exodus‹ 3, 14 mit Gottes Selbstaussage »Ich bin der Seiende« (ἐγώ εἰμι ὁ ὤν) als Parallele zum ewigen Seienden aus Platons ›Timaios‹ an, wozu er auf die Erklärungen dieses Dialogs durch Numenios und Plutarch verweist.67 Ausführlicher als den Monotheismus, für den er neben dem ›Timaios‹ vor allen Dingen die entspreUmständen vgl. Moreau, Eusebius von Caesarea, 1079 f.; U. Klein, Eusebius von Caesarea, in: LACL, 209–214, hier 212 f. 59   Vgl. zum Folgenden Malingrey, Philosophia, 185–206. 60   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 2 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  7, 3–9, 21 Mras); zu diesem Bild s. oben S. 547  f. sowie zur Rezeption des Sergios von Rēšʿaynā unten S. 1052  f. 61   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 1, 1 (GCS Eus. 8, 2, p.  6, 13–17 Mras). 62   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 5, 1 f.; 11, 5, 8 (GCS Eus. 8, 2, p.  11, 2–11; 12, 12–16 Mras). 63   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 5, 9–11, 6, 41 (GCS Eus. 8, 2, p.  12, 16–20, 20 Mras). 64   Eusebius, Praeparatio evangelica11, 4 (GCS Eus. 8, 2, p.  9, 22–10, 28 Mras). 65   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 7 (GCS Eus. 8, 2, p.  21, 1–23, 13 Mras). 66   Zusammenstellung und Interpretation der Belege bei Malingrey, Philosophia, 200– 205. 67   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 8–11 (GCS Eus. 8, 2, p.  24, 1–31, 20 Mras).

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Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

chenden Passagen aus den platonischen ›Gesetzen‹ (Nomoi) zitiert,68 behandelt er die Lehre von der zweiten Hypostase beziehungsweise dem Logos, besonders anhand von Plotin69 und Numenios, aber auch anhand von Zitaten aus Platon und Amelios, denen er wiederum biblische Weisheitslehren und Philon von hebräischer Seite gegenüberstellt.70

Philosophie und Religion Das Verhältnis von Philosophie und Religion bei Eusebios ist komplex. Einerseits sieht er, in der Tradition der Barbarenphilosophie, viele, auch offenbarungsgestützte religiöse Lehren als Philosophie an, so auch das Christentum als wahre Philosophie sowie das Judentum. In Bezug auf die hellenische Religion benutzt er hingegen philosophische Lehren zu deren Dekonstruktion, z. B. die kosmologischen Lehren der Vorsokratiker, mit denen er für das verhältnismäßig geringe Alter des Polytheismus argumentiert.71 Ausführlich kritisiert er die Deutungen der heidnischen Götter und Kulte durch die pagane Philosophie, insbesondere Platons unterschiedliche Aussagen zu Mono- und Polytheismus72 sowie Porphyrios’ interpretatio philosophica der Götterstandbilder und der Orakel, welche Eusebios »philosophische Hexerei« (φιλόσοφος γοητεία) nennt.73 Letztlich kulminieren seine Ausführungen zu den platonischen, aber auch zu anderen Philosophen (Demokrit, Epikur) in dem besonders scharf in der ›Theophaneia‹ ausgesprochenen Vorwurf, diese hätten wider besseres Wissen mit der Masse der Menschen auf die Weise des Polytheismus (der πολύθεος δεισιδαιμονία)74 die vielen Götter verehrt.75 Eusebios kann in Anbetracht seines großen Einflusses als einer der Hauptvertreter dieser Behauptung gelten.

68

  Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 13 (GCS Eus. 8, 2, p.  32, 9–34, 8 Mras).   Plotinus, Enneades 5, 1. 70   Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 14–22 (GCS Eus. 8, 2, p.  34, 9–51, 9 Mras). 71   Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 8 (GCS Eus. 8, 1, p.  28, 14–34, 15 Mras). 72   Eusebius, Praeparatio evangelica 2, 7 (GCS Eus. 8, 1, p.  96, 15–99, 2 Mras); Theophania 2, 30 (158–157 Lee [syr.]; GCS Eus. 3, 2, p.  93, 3–22 Gressmann [dt.]). 73   Eusebius, Praeparatio evangelica 3, 6, 7–17, 3 (GCS Eus, 8, 1, p.  122, 13–157, 16); Zitat 17, 1 (157, 6 Mras). 74   Eusebius, Praeparatio evangelica 14, 9, 5 (GCS Eus. 8, 2, p.  285, 12 Mras). 75   Eusebius, Theophania 2, 19; 2, 52 (169; 148 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  88, 27–31; 104, 18–21 Gressmann [dt.]); Praeparatio evangelica 3, 17, 1 (GCS Eus. 8, 1, p.  157, 3–7 Mras). 69

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Die Philosophie in der Spätantike

Philosophie und Politik Die politische Dimension des philosophischen Ideals, das Eusebios im Christentum sieht, erweist sich bereits in der vor der konstantinischen Wende geschriebenen ›Vorbereitung auf das Evangelium‹, wenn er behauptet, die Einheit der Philosophie werde im christlichen Monotheismus auf das einheitliche, Frieden stiftende Reich der römischen Monarchie folgen.76 Noch weiter ausgearbeitet tritt sie in den Schriften für Konstantin hervor, besonders in dem Panegyrikos ›Lob des Konstantin‹ (›Laus Constantini‹), wo der eine Kaiser (βασιλεύς) Konstantin als Abbild (μίμημα) des himmlischen Königs dargestellt wird, an dessen Tugenden er durch Teilhabe (μετοχή) verbunden ist.77 Die offensichtlichen platonischen Einflüsse auf diese Darstellung könnten sowohl auf kaiserzeitlichen78 als auch auf neuplatonischen Quellen beruhen.79

Würdigung Eusebios und die ›Ermahnung an die Hellenen‹ repräsentieren einen Höhepunkt der Selbstdeutung des Christentums als der wahren Philosophie, welche die Wahrheiten des Platonismus inkorporiert und überbietet. Die politische Durchsetzung unter Konstantin bildet den Anlass, die philosophische Überlegenheit, die von Justin, Clemens und Origenes nach und nach herausgearbeitet bzw. behauptet wird, geradezu triumphalistisch zu verbreiten und mit einer weitgehenden Inkorporation platonischen Gutes zu erläutern. Im Werk des Eusebios ermöglichen seine breite Kenntnis und inhaltliche Akzeptanz des zeitgenössischen Platonismus eine intensive Ausarbeitung dieser Idee. Seine Vereinnahmung aller wahren Philosophie für die christliche Sache ist eine geschickte Dekonstruktion der ebenfalls häufig auf der Deutung von Texten beruhenden Vorwürfe des Porphyrios, wobei der Vorzug des Christentums durch das sogenannte Altersargument gesichert wird; wesentliche platonische Lehren, wie die vom ersten Prinzip alles wahrhaft Seienden, werden so auf angebliche jüdisch-christliche Wurzeln zurückgeführt. Die Kernthese, die Aussage Gottes »Ich bin der Seiende« (ἐγὼ εἰμι ὁ ὤν) aus der griechischen Bibel entspreche der platonischen Annahme, die Ideen seien das wahrhaft Seiende, stellt Eusebios dezidiert in den Mittelpunkt und formuliert, wie auch die ›Ermahnung an die Hellenen‹, den Anspruch, die Philosophie der Christen könne ein besserer Platonismus sein. Dies bedeutet auch eine gewisse Anerkennung des platonischen Denkens, das Eusebios in die eigene Lebenswirklichkeit zu integrieren sucht, so 76

  Eusebius, Praeparatio evangelica 1, 4, 3–5 (GCS Eus. 8, 1, p.  15, 3–16, 7 Mras).   Eusebius, Laus Constantini 4 f. (GCS Eus. 1, p.  203, 6–25 Heikel). 78   S. oben S. 536. 79   O’ Meara, Platonopolis, 145–151. 77

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dass er, als Angehöriger der griechischen Bildungselite, einer nichtgriechischen Tradition folgen kann, ohne seine eigenen, philosophisch geprägten Bildungsvorstellungen aufzugeben.

3. Philosophie in den dogmatischen Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts Eusebios’ Tendenz, das Philosophische am Christentum herauszuarbeiten, tritt bei den meisten Christen gegenüber der Bekämpfung innerchristlicher Gegner deutlich in den Hintergrund; die bekannteste derartige Position ist der sogenannte ›Arianismus‹.

Die Vertreter des Arianismus Diese gegen Ende des 3. Jahrhunderts vom Priester Areios (Arius) aus Alexandrien begründete Richtung vertritt die Ansicht – bzw. eine ganze Reihe von Spielarten der Ansicht80 –, der Sohn Gottes sei dadurch, dass er aus Gott entstanden sei, von diesem verschieden und nicht gleichrangig mit ihm. Dieses Argument löst die erste der langen Reihe dogmatischer Kontroversen über die richtige christliche Gotteslehre aus. Der arianische Streit selbst zieht sich bis zum Ende des 4. Jahrhunderts hin. Ihre Gegner werfen den Arianern eine Abhängigkeit von hellenischer Philosophie vor,81 so wie es schon Eirenaios und ›Hippolyt‹ gegenüber den Gnostikern der Kaiserzeit tun. Tatsächlich arbeiten aber alle Diskussionsteilnehmer, die Arianer wie ihre Gegner, mit ontologischen und sprachphilosophischen Begriffen (z. B. οὐσία, ἐνέργεια, ἔννοια), um die Beziehung von Vater und Sohn in Gott verständlich zu machen, und greifen dazu nicht nur zeitgenössische philosophische Theorien auf, sondern entwickeln auch neue, dem Gegenstand entsprechende Annahmen.82

80

  Zur tatsächlichen Komplexität des arianischen Streits vgl. den knappen Überblick bei W. Kinzig, Areios und der Arianismus, in: GGPh 5, 2 (2018), 1478–1490, hier 1479–1481. 81   Zum Beispiel wirft Gregor von Nyssa Eunomios eine Abhängigkeit von Platons ›Kratylos‹ vor: Contra Eunomium 2, 404 (GNO 1, p.  334, 13–15 Jaeger). Vgl. G. Gentz, Arianer, in: RAC 1 (1950), 647–652, hier 648 f. 82   Eine sehr nützliche Übersicht lässt sich gewinnen aus A. Usacheva, Grammar of Theology. Logical Argumentation from Origin to the Cappadocian Fathers, in: Vox Patrum 68 (2017), 95–105.

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Areios Der alexandrinische Presbyter Areios (ca. 260–336)83 unterscheidet zwischen dem »anfanglosen« Gott und dem Sohn, der »einen Anfang hat« (ἀρχὴν ἔχει),84 und folgert, der Sohn sei dem Vater »unähnlich« (ἀνόμοιος),85 wobei der Sohn Gottes näherhin als Erstentstandenes definiert wird.86 Arius zieht also in der Tat Distinktionen und Definitionen heran, um das Verhältnis von Gott Vater und Gott Sohn zu beschreiben, und greift insofern eine philosophische Herangehensweise auf. Seine geistigen Wurzeln dürften aber eher im subordinationistischen Gottesdenken früherer christlicher Autoren, insbesondere des Origenes, als in der zeitgenössischen Philosophie liegen, wenn auch Einflüsse bestimmter Mittelplatoniker nicht auszuschließen sind.87 Denn Areios operiert nicht mit einem Emanations- und Multiplikationsmodell platonischen Typs, sondern denkt im Rahmen der christlichen Vorstellung einer Schöpfung durch Gottes Willen,88 die eine natürliche Beziehung des zweiten zum ersten Prinzip nur schwer zu denken zulässt.89 Die logische Struktur seines Werkes ist daher im Ganzen ein Zeugnis der theoretischen Verselbständigung des christlichen Denkens am Ende des 3. Jahrhunderts. Eine weitere wichtige, aber recht enigmatische Figur in der arianischen Richtung ist der sogenannte ›Sophist‹ Asterios,90 der sich bereits der Terminologie der »Substanz« (οὐσία) und der »Hypostasen« (ὑποστάσεις) bedient, aber beide Begriffe synonym versteht, so dass auch er deutlich zwischen Vater und Sohn unterscheidet.91 Beide Begriffe finden auch bei Markellos von Ankyra (ca. 280–374) Verwendung, einem Gegner der Arianer und auch des Eusebios, der aber seinerseits langfristig unter Häresieverdacht steht.92 Er ist für das Verhältnis des Christentums zur Philosophie vor allem durch seine dezidierte Ablehnung des Begriffs

83   R. Williams, Arius. Heresy and Tradition, Grand Rapids  /  Cambridge 22001; vgl. Karamanolis, Philosophy 111–113. 84   Arius, Epistula ad Eusebium (Athanasius, Werke 3, 1, p.  3, 4 f. Opitz); vgl. Symbolum Arii (Athanasius, Werke 3, 1, p.  13, 8 Opitz). 85   Arius, apud: Athanasius, Oratio contra Arianos 6, 2 (Athanasius, Werke 1, 1, p.  115, 3–6 Metzler  /  Savvidis). 86   Symbolum Arii (Athanasius, Werke 3, 1, p.  12, 10 f. Opitz). 87   So Williams, Arius. Heresy and Tradition, 181–198; vgl. zum Forschungsstand genauer Kinzig, Areios und der Arianismus, 1484–1486. 88   Ähnlich z. B. schon Origenes, In Ioannem 1, 109–124 (GCS Orig. 4, p.  23, 12–25, 20 Preuschen). 89   Vgl. Athanasius, Oratio 1 contra Arianos 10, 6 (Athanasius, Werke 1, 1, p.  119, 22–120, 2 Metzler  /  Savvidis). 90   Vgl. Kinzig, Areios und der Arianismus, 1486–1490. 91   Vgl. Asterius, frg.  51 f. (p.  116 Vinzent). Vgl. M. Vinzent, Asterius von Kappadokien. Die theologischen Fragmente. Einleitung, Kritischer Text, Übersetzung und Kommentar, Leiden  /  New York  /  Köln 1993, 38–40. 92   Vgl. G. Feige, Marcell von Ancyra, in: LACL, 481 f.

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»Dogma« im christlichen Kontext bedeutsam, das er als eine menschliche Lehre ansieht, dem das Zeugnis der Schrift gegenüberzustellen ist.93

Eunomios Deutlicher zu erkennen ist die philosophische Denkweise bei Eunomios (ca. 330– 392/395),94 dem wichtigsten Vertreter der sogenannten ›Anhomöer‹, einer Richtung in der zweiten Generation des Arianismus, der zufolge Christus nicht mit der Substanz des Vaters identisch, ja diesem nicht einmal ähnlich ist. Zwar wird die Philosophie als Gegenstand von ihm offenbar nicht eigens diskutiert, ein philosophisches Denken ist aber in seinen Werken ganz zentral.95 In der Ontologie vertritt Eunomios eine Hierarchie dreier Substanzen (οὐσίαι), die jeweils als ihre ›Aktivität‹ bzw. ›Wirkung‹ (ἐνέργεια) die nächstuntere Sub­ stanz hervorbringen.96 Die oberste Substanz wird mit Gott (dem Vater, »dem Ungezeugten«) identifiziert, aus dem der Sohn durch Zeugung hervorgehe (»der Gezeugte«). Zugleich nimmt Eunomios auf sprachphilosophischer Ebene an, Worte bezeichneten nicht, »dem menschlichen Klassifizieren entsprechend« (κατ’ ἐπίνοιαν), sondern seien auf eine eindeutige, nicht akzidentelle Weise und »der Wahrheit entsprechend« (κατ’ ἀλήθειαν)97 von Gott von Anfang an festgelegt.98 Damit schließt er sich der anti-stoischen, gegen die Lekton-Theorie gerichteten Position an, dass wir mit Ausdrücken wie ›Ungezeugter‹ (für Gott Vater) oder ›Gezeugter‹ (für den Sohn) nicht ein ›Bezeichnetes‹, also ein nicht-sprachliches Zeichen für die Sache, benennen, sondern direkt die jeweilige Substanz selbst, die folglich wesenhaft so ist, wie der richtige Ausdruck sie nennt.99 Eunomios vertritt also eine extrem realistische Semantik, um die Unterscheidung von Gott Vater und Gott Sohn nicht nur dem Namen nach, sondern auch dem Sein nach abzusichern.100 93   Marcellus Ancyranus, frg.  86 (GCS Eus. 4, p.  203, 26–34 Klostermann  /  Hansen). Vgl. J. Zachhuber, Philosophy and Theology in Late Antiquity, in: E. Anagnoston-Laoutidos  / M. Perry (Hrsg.), Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, Leiden  /  Boston 2020, 52–77, hier 64. 94   Vgl. L. Abramowski, Eunomios, in: RAC 6 (1966), 936–947. 95   Zur auch hier komplexen Diskussionslage vgl. W. Kinzig, Neuarianismus, in: GGPh 5, 2 (2018), 1491–1496, hier 1494–1496. 96   Hauptbelege: Eunomius, Apologia, apud: Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 1, 151–154 (GNO 1, p.  71, 28–73, 15 Jaeger); Eunomius, Apologia 20 (p.  58–60 Vaggione). 97   Vgl. Eunomius, Apologia 8, 1–3 (p.  40–42 Vaggione). 98   Vgl. Eunomius, Apologia, apud: Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 2, 417 (GNO 1, p.  348, 7–10 Jaeger) 99   Vgl. die Formulierung οὐχ ἔτερον τὴν οὐσίαν νοοῦντες, ἕτερον τι παρ’ αὐτὴν τὸ σημαινόμενον in Eunomius, Apologia 12; zur geistesgeschichtlichen Einordnung vgl. Usacheva, Grammar of Theology, 96–103. 100   Eunomius, Apologia 19, 1–3 (p.  56 Vaggione).

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Dies ist offensichtlich ein ambitionierter Versuch, notwendige theoretische Voraussetzungen für eine wahrheitsfähige sprachliche Bezugnahme auf die Annahmen der christlichen Gotteslehre zu formulieren.101 Er macht sich mancherlei platonische Lehren zunutze, z. B. in der Substanzen-Lehre und Sprachphilosophie, weicht aber in anderen Punkten, z. B. der sprachlichen Beschreibbarkeit der ersten Ursache und der willentlichen Einsetzung der richtigen Wortbedeutungen durch Gott, davon wesentlich ab.102 Die schon von Basileios behauptete Abhängigkeit des Eunomios von der »äußeren«, d. h. nicht-christlichen Philosophie«103 trifft daher nicht den Punkt, zumal auch Eunomios viele Gedanken einer bereits bestehenden christlich-jüdischen Tradition (Philon, Asterios) entlehnt zu haben scheint.104

Der schärfste Gegner der Arianer: Athanasios von Alexandrien Der wichtigste und am Ende erfolgreiche Gegner der Arianer ist Athanasios, Patri­arch von Alexandrien (ca. 295–373).105 Zur Darstellung der christlichen Glaubensüberzeugungen macht er namentlich in seiner Frühschrift ›Gegen die Heiden‹ (›Contra gentes‹) von philosophischen Meinungen Gebrauch, allerdings, vermutlich auch aufgrund begrenzter Kenntnisse, in selektiver Weise:106 So stellt er den Abfall des Menschen von Gott recht platonisch als Abwendung von der Schau des Geistigen (ἡ τῶν νοητῶν θεωρία) dar, die unmittelbar zur epikureisch klingenden Akzeptanz der Freude (ἡδονή) als wahrhaft Schönes beziehungsweise in sich Gutes (τὸ ὄντως καλόν) führt.107 Auch die Erklärung des menschlichen Verfehlens durch Hinwendung der Selbsterkenntnis auf die eigene sinnlich-körperliche und nicht die geistige Existenz klingt stark platonisch.108 In der Gotteslehre setzt er den elaborierten Theorien der Arianer die Unterscheidung entgegen, der Sohn 101   Vgl. Abramowski, Eunomios, 941–946; B. Sesboüé  /  G.-M. de Durand  /  L. Doutreleau, in: Basile de Césarée, ›Contre Eunome‹. Introduction, traduction et notes par B. Sesboüé  / G.-M. de Durand  /  L. Doutreleau, 2 (SC 305), Paris 1983, 188–197. 102   Vgl. hierzu G. M. de Durand, Eunome, in: DPhA 3 (2000), 324–333, hier 330–333. 103   Basilius, Contra Eunomium 1, 1 (SC 299, p.  142, 11–13 Sesboué). 104   Vgl. auch X. Batllo, Ontologie scalaire et polémique trinitaire. Le subordinationisme d’Eunome et la distinction κτιστόν  /  ἄκτιστον dans le ›Contre Eunome‹ I de Gregoire de Nysse, Münster 2013, 192–194. 105   Übersichtliche Darstellungen geben G. Gentz, Athanasius, in: RAC 1 (1950), 860– 866; M. Tetz, Athanasius von Alexandrien, in: TRE 4 (1979), 333–349; U. Heil, Athanasius von Alexandrien, in: LACL, 69–76; P. Gemeinhardt (Hrsg.), Athanasius Handbuch, Tübingen 2011; W. Kinzig, Athanasios von Alexandrien, in: GGPh 5, 2 (2018), 1497–1506. 106   Vgl. St. Frost, Der Mensch, in: P. Gemeinhardt (Hrsg.), Athanasius Handbuch, Tübingen 2011, 318–327, hier 318. Eine kurze Inhaltsangabe der Schrift gibt Heil, Athanasius von Alexandrien, 70 f. 107   Athanasius, Contra gentes 4, 1–5 (p.  10 Thomson). 108   Athanasius, Contra gentes 3, 2–11 (p.  8 Thomson).

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könne doch in einer Weise (qua Gott) »ungezeugt« genannt werden, in anderer dagegen nicht (nämlich qua Sohn).109 Derartige wenig technische Aussagen sind im Rahmen von Athanasios’ Überzeugung zu lesen, dass der Glaube durch die ihm innewohnende Rationalität aus sich selbst heraus als wahr erkennbar ist, ohne auf die Syllogismen, die Technik oder Magie der Philosophen angewiesen zu sein.110 Auf ähnliche Weise argumentiert auch der Mönchsvater Antonios in seiner von Athanasios verfassten Biographie nicht gegen seine philosophischen Besucher, sondern bringt sie zu bewunderndem Staunen.111 Inwieweit die ›Vita des Antonios‹ als Ganze philosophische Lebensbeschreibungen als Vorbilder aufnimmt oder mit ihnen in Wettstreit tritt, ist in der Forschung umstritten;112 eine explizite Bezeichnung des Mönchtums als Form von Philosophie enthält sie jedenfalls nicht. Mit ›Philosophen‹ meint Athanasios im Regelfall die heidnischen Philosophen. Ihre Lehre lehnt er nicht in jedem Punkt ab, sondern schließt sich z. B. der Definition der Welt (ὁ κόσμος) als Körper an, wenn er darauf ein Argument für seine eigenen Zwecke aufbauen kann.113 Hart kritisiert werden jedoch die Anerkennung der griechischen Götter und die Versuche zur Rechtfertigung der Verehrung von Götterbildern.114 Im Übrigen moniert Athanasios, wie viele christliche Autoren, dass die Philosophen selbst dort, wo sie das Richtige getroffen hätten, im Gegensatz zum christlichen Logos keine Breitenwirkung entfaltet hätten.115 Dass ihm die Idee der Philosophie im Christentum nicht unbekannt ist, zeigt z. B. sein Brief an Maximos Heron, den er, wie Gregor von Nazianz,116 als Philosophen anspricht.117 In seinem ›Psalmenkommentar‹ vergleicht er den Psalm im Verhältnis zum Lied (dem Hohelied?) mit der praktischen Philosophie im Verhältnis zur Theorie; beide zusammen machten ein vollendetes Leben aus.118 Aufs Ganze gesehen erweist sich die Philosophie im Werk des Athanasios als Randthema, das von ihm punktuell rezipiert, aber allenfalls ansatzweise zur Entwicklung des christlichen Denkens fruchtbar gemacht wird. Seine Erfolge verdankt Athanasios mehr taktischem Geschick, politischem Einfluss und einer gewissen Kompromissbereitschaft als philosophischen Kenntnissen, zumal ihn Philosophie und ihr Lebensideal insgesamt nur wenig interessiert zu haben scheinen. 109

  Athanasius, De synodis 46 (271, 13–26 Opitz).   Athanasius, Vita Antonii 80, 3 (SC 400, p.  338, 10–14 Bartelink); vgl. Athanasius, Contra gentes1, 1–4 (p.  2 Thomson); Athanasius, Epistula ad Maximum (PG 26, col. 1085A). 111   Athanasius, Vita Antonii 72 (SC 400, p.  320, 3–322, 16 Bartelink). 112   Vgl. D. Bumazhnov, Monastische Schriften, in: Gemeinhardt (Hrsg.), Athanasius Handbuch, 255–265, besonders 256 f. 113   Athanasius, De incarnatione 41, 17 f. (p.  236 Thomson). 114   Athanasius, Contra gentes 19, 22–35; 23, 1–47 (p.  52–54; 62–64 Thomson). 115   Athanasius, De incarnatione 47, 22–26; 50, 7–12 (p.  252–254; 258–260 Thomson). 116   S. unten S. 826. 117   Athanasius, Epistula ad Maximum (PG 26, col. 1085A). 118   Athanasius, Expositiones in Psalmos 47; 64 (PG 27, col. 568C; 576B). 110

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Philosophie in der Häresiographie: Epiphanios von Salamis Für Epiphanios von Salamis (310/320–403) sind Arianismus und Philosophie(n) nur zwei der vielen Bedrohungen der rechten christlichen Lehre, die er mit großer Schärfe und wenig Argumenten bekämpft.119 Großen Einfluss übt er vor allem durch seine dezidierte Ablehnung des Origenismus aus, was zu dauernden Pro­ blemen für eine der philosophischsten innerchristlichen Strömungen führt. In seinem Werk gegen die Häresien behandelt Epiphanios neben allen möglichen innerchristlichen Richtungen auch nichtchristliche Gruppen, von den Philosophenschulen insbesondere Stoiker, Platoniker, Pythagoreer und Epikureer.120 Abgesehen von deren knappen Beschreibungen, deren Qualität, wie sämtliche Berichte des Epiphanios, von der verwendeten doxographischen Tradition und von Epiphanios’ ausgeprägter Antipathie gegen die Kritisierten abhängig sind, spielen die Philosophen für ihn, wie für Eirenaios und ›Hippolyt‹, vorwiegend als angebliche Quellen und Vorbilder christlicher Irrlehren eine Rolle:121 Von Eirenaios übernimmt er die Information, die Karpokratianer hätten mit den Philosophen Götterbilder verehrt.122 Abhängigkeit von der aristotelischen Logik wird insbesondere Eunomios’ Lehrer Aëtios vorgeworfen.123 »Philosophien« (φιλοσοφίαι) kann folglich geradezu synonym zu »Häresien« (αἱρέσεις) gebraucht werden.124 Vereinzelt bezieht sich Epiphanios allerdings auch positiv auf Platon und andere Philosophen, wenn es seinen Zwecken dient,125 doch auch dies nicht aufgrund eigener Kenntnis philosophischer Schriften. Insofern bezeugt Epiphanios eine Unkenntnis und Ablehnung der griechischen Philosophie, die sich deutlich von den meisten anderen Kirchenvätern unterscheidet, aber sicher von nicht wenigen gering gebildeten Christen geteilt wurde.

119   Übersichtsdarstellungen: W. Schneemelcher, Epiphanius von Salamis, in: RAC 5 (1962), 909–927; A. Pourkier, Épiphane de Salamine et l’hellénisme, in: M. A. Amir-Moezzi  /  J.-D. Dubois  /  Ch. und F. Jullien (Hrsg), Pensée grecque et sagesse d’orient. Hommage à M. Tardieu, Turnhout 2009, 477–493; W.-D. Hauschild  /  D. Wyrwa, Epiphanios von Salamis, in: GGPh 5, 2 (2018), 1569–1574. 120   Epiphanius, Adversus Haereses 5–8 (GCS Epiph. 1, p.  183, 11–187, 11 Holl); umfangreicher ist der Katalog Ephiphanius, De fide 9 (GCS Epiph. 3, p.  504, 21–509, 22 Holl). 121   Epiphanius, Adversus Haereses 32, 4, 1; 79, 1, 4 (GCS Epiph. 1, p.  443, 3–5; GCS Epiph. 3, p.  476, 7–9 Holl). 122   Epiphanius, Adversus Haereses 27, 6, 10 (GCS Epiph. 1, p.  311, 3–8 Holl). 123   Epiphanius, Adversus Haereses 75, 2 (GCS Epiph. 3, p.  341, 31–342, 4 Holl). 124   Epiphanius, De fide 10, 3 (GCS Epiph. 3, p.  510, 5 Holl). 125   Epiphanius, Adversus Haereses 64, 54, 1–3 (GCS Epiph. 2, p.  484, 14–485, 3 Holl).

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Würdigung Wie der Überblick zeigt, weisen die innerchristlichen Konflikte nur dort philosophisch interessante Aspekte auf, wo die Autoren über eine entsprechende Bildung verfügen. Dabei überragt das Werk des Eunomios an philosophischem Scharfsinn und Kenntnisreichtum seine Gegner und Mitstreiter deutlich, bei denen die Rezeption der Philosophie vor allem in der Wiedergabe von Quellen sowie in entweder Irenik oder Polemik besteht, ohne dass eine argumentative geistige Auseinandersetzung in intensivem Maße stattfindet.

4. Philosophie und Christentum bei den kappadokischen Vätern ­Basileios, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa Ganz anders stellt sich die Situation bei den ›Kappadokiern‹ oder ›kappadokischen (Kirchen-)Vätern‹ dar, den wohl bedeutendsten griechischen christlichen Denkern des 4. Jahrhunderts. Unter dieser Bezeichnung werden üblicherweise Basileios von Kaisareia bzw. der Große (329/330–378), sein Studienfreund Gregor von Nazianz bzw. Gregor der Theologe (ca. 326–390) und Basileios’ Bruder Gregor von Nyssa (335/340 – nach 390) zusammengefasst, neben denen auch ihr Freund Amphilochios von Ikonion (340/45–398/404)126 Erwähnung finden kann. Alle drei Autoren wirken vorwiegend in Kappadokien, wo Basileios als Bischof eine wichtige kirchenpolitische Rolle spielt, aber auch in Konstantinopel, wo Gregor von Nazianz zeitweise Bischof der nicht-arianischen Minderheit ist. Zumindest sie beide studieren in den 350er Jahren in Athen, wo sie auch dem zukünftigen Kaiser Julian begegnen.Gregor von Nyssa wird hingegen später in Kappadokien direkt von Basileios unterrichtet. Alle drei gehören zu den gebildetsten Persönlichkeiten ihrer Zeit, die mit wichtigen Anhängern der alten Religion im Austausch stehen. Ihre Bewunderung für Origenes zeigt sich unter anderem daran, dass Basileios und Gregor von Nazianz eine Auswahl aus seinen Schriften unter dem Titel ›Philokalia‹ herausgeben. Genauso wenig wie Augustinus können die Kappadokier ihren monastisch-asketischen Neigungen ungestört frönen, sondern ein Großteil ihrer Energie fließt in die innerchristlichen Streitigkeiten mit den arianischen Parteiungen, die auf politischer wie auf geistiger Ebene ausgetragen werden.127 Ihre philosophische Bedeutung liegt vor allem darin, dass sie 126

  Vgl. G. Röwekamp, Amphilochius von Iconium, in: LACL, 23 f.   Wirklich gute Einführungs- und Überblicksdarstellungen, zumal solche philosophischen Charakters, gibt es relativ wenig, und man muss sich die teils komplexen Positionen der Kappadokier durch eigene Lektüre erschließen; nützlich sind M. Cassin, Grégoire de Nysse, in: DPhA 7 (2018), 534–570. Des Weiteren lassen sich empfehlen: Für Basileios Sesboüé  /  de Durand  /  Doutreleau, in: Basile de Césarée, ›Contre Eunome‹, 38–48; W.-D. Hauschild  /  D. Wyrwa, Basileios von Kaisareia, in: GGPh 5, 2 (2018), 1522–1534; für Gregor von 127

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wesentlich zur Wertschätzung der hellenischen Philosophie sowie zur philosophischen Aus­arbeitung des Christentums innerhalb ihrer kirchenpolitischen Partei beitragen, die sich am Ende des 4. Jahrhunderts als ›Orthodoxie‹ durchsetzt; diese Durchsetzung impliziert auch Veränderungen in der philosophischen Landschaft, hin zu einer größeren Rolle des Aristotelismus, die freilich erst in der Folgezeit wirksam wird. Im Hinblick auf philosophische Theorien gilt der »spekulativ hochbegabte« Gregor von Nyssa als der interessanteste der drei Autoren und wird von seinen Erforschern »zu Recht als der Philosoph unter den drei berühmten Kappadoziern« bzw. »der grundsätzlichste griechische Philosoph des christlichen Zeitalters« angesehen,128. Seine Theorien, die im 20. Jahrhundert auch Autoren wie Hans-Urs von Balthasar oder Werner Jaeger faszinierten, sind freilich ebenso wenig wie die seiner Kollegen für das philosophisch interessierte Publikum leicht zugänglich oder zu überblicken, sind sie doch über Werke aus verschiedenen Gattungen christlicher Literatur verstreut, treten in christlich geprägten Fragekontexten auf und schweigen sich nicht selten über die Quellen aus, mit denen man sich gerade auseinandersetzt.129

Philosophische Arbeit Selbstverständnis als Philosophen Um in Anbetracht dieser Situation die philosophische Arbeit der Kappadokier einschätzen zu können, sind zunächst einige Voraussetzungen zu klären, insbesondere im Hinblick auf ihr Philosophieverständnis und ihr Verhältnis zur hellenischen Philosophie; hierzu lassen sich den Schriften mancherlei direkte Zeugnisse entnehmen, die freilich unterschiedlichen Argumentationskontexten entstammen und insofern Spannungen oder sogar Widersprüche aufweisen. Tatsächlich bezeichnen die Kappadokier ihre gedankliche Arbeit, anders z. B. als Origenes und andere christliche Autoren, häufig als ›Philosophie‹. Die so genannten theologischen Reden des Gregor von Nazianz sind ein gutes Beispiel: Sie erheben ausdrücklich den Anspruch, das christliche Dogma auf philosophische Nazianz B. Wyß, Gregor II (Gregor von Nazianz), in: RAC 12 (1983), 793–863, hier 794–797; W.-D. Hauschild  / D. Wyrwa, Gregor von Nazianz, in: GGPh 5, 2 (2018), 1534–1544; für Gregor von Nyssa Dörrie, Gregor III, 863–870; W.-D. Hauschild  /  D. Wyrwa  /  M. Ludlow, Gregor von Nyssa, in: GGPh 5, 2 (2018), 1544–1562. 128   So H. von Balthasar, Présence et pensée. Essai sur la philosophie religieuse de Grégoire de Nysse, Paris 1942, XIII; H. Merki, Homoiôsis theô. Von der platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa, Fribourg 1952, XI. 129   Diese Situation hat schon von Balthasar, Présence et pensée, XIII, geschildert; die editorische Situation hat sich seitdem durch die ›Gregorii Nysseni Opera‹ gewandelt, ­Defizite im Hinblick auf die philosophische Durchdringung bestehen weiter.

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Weise zu diskutieren.130 Zu Beginn des Predigtzyklus werden die Bedingungen richtigen Philosophierens festgelegt, d. h. wer wann vor wem was philosophieren darf und welche Regeln für das »theologische Reden« (θεολογεῖν), d. h. die rationale Behandlung Gottes, gelten.131 Diese ›Theologie‹ wird als ein philosophisches Sprechen von Gott verstanden (ἐφιλοσόφησεν), das, wie im Platonismus, durch das Bemühen um vollständige Selbsterkenntnis auf die mystische Vereinigung mit Gott ausgerichtet ist (εἰς ἐμαυτὸν ὡς οἷόν τε συστραφεὶς).132 Der Glaube ist somit ein wissendes Nichtwissen, das sich dadurch als rational erweist, dass man »das Erkennen über die Vernunft  /  Rede hinaus« (τὸ γνῶναι ὑπὲρ τὸν λόγον) selbst als Vernunft  /  Rede (λόγος) erkennt.133 Das Erreichen dieses Logos in der Vereinigung unseres Geistes (νοῦς) mit dem göttlichen nennt Gregor von Nazianz »das schlechthin philosophisch Erreichte« (τὸ πάνυ φιλοσοφούμενον).134 Die Einsicht in die Unerkennbarkeit der Struktur der Welt kann so als Weg zum Verständnis Gottes begriffen werden, dessen Existenz dem Menschen von Natur aus bekannt ist.135 Dieser Anschluss an die negativ-transzendente Gotteslehre des Platonismus bedeutet für Gregor freilich auch, dass er einen beweisenden Zugriff auf die Natur Gottes mit Mitteln der Logik beziehungsweise Dialektik in der Weise, die er seinen arianischen Gegnern unterstellt,136 scharf ablehnt. Vor diesem Hintergrund legt er in den folgenden Reden auf biblischer Grundlage seine Trinitätstheorie dar und verteidigt sie, indem er logische Ableitungen philosophisch gekonnt als Fehlschlüsse aufweist.137 Im Sinne einer theoretischen Aktivität bezeichnen die beiden Gregore auch Basileios nach seinem Tod als Philosophen, weil er über eine entsprechende Bildung verfügt138 und sie zur Ausarbeitung der mosaischen Schöpfungsgeschichte angewandt habe (διὰ τῆς ὑψηλῆς φιλοσοφίας).139 Basileios selbst redet in seiner Schrift vom Heiligen Geist nicht direkt von Philosophie, bekennt sich aber zur Erkenntnis Gottes als einem Weg zum »Ähnlichwerden mit Gott« (ὁμοίωσις θέῳ), folgt also faktisch einem philosophischen Ideal.140 Derartige Aussagen gilt es freilich angemessen zu interpretieren, um das Selbstverständnis der Autoren nicht zu verfehlen. Sie sind zunächst einmal Zeugnisse 130

  Zum Beispiel Gregorius Nazianzenus, Oratio 27, 10; 31, 5 (SC 250, p.  96, 17–20; 282, 15 Gallay; s. unten). 131   Gregorius Nazianzenus, Oratio 27, 3 f. (SC 250, p.  76, 1–80, 20 Gallay); ähnliche Kautelen z. B. auch bei Basilius, Homiliae in Hexameron 1, 1 (GCS NF 2, p.  1, 8–2, 9 Amand de Mentieta  /  Rudberg). 132   Gregorius Nazianzenus, Oratio. 28, 3 f. (SC 250, p.  104, 1–108, 19 Gallay; Zitat 104, 4 f.). 133   Gregorius Nazianzenus, Oratio 28, 28 (SC 250, p.  164, 41; 164, 44 Gallay). 134   Gregorius Nazianzenus, Oratio 28, 17 (SC 250, p.  134, 1–136, 11 Gallay). 135   Gregorius Nazianzenus, Oratio 28, 22–28 (SC 250, p.  144, 1–164, 44 Gallay). 136   S. unten S. 828. 137   Gregorius Nazianzenus, Oratio 29, 11–16 (SC 250, p.  200, 15–212, 27 Gallay). 138   Gregorius Nazianzenus, Oratio 43, 23 (SC 384, p.  174, 18–23 Bernardi). 139   Gregorius Nyssenus, In Hexameron (GNO 4, 1, p.  7, 2 f. Drobner). 140   Basilius, De spiritu sancto 1 f. (Fontes Christiani 12, p.  72, 14–74, 23 Sieben).

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des zeitgenössischen Diskurses über wahre Philosophie. Hierbei ist bei den Kappadokiern aber die Abgrenzung der christlichen Philosophie (ἡ ἡμετέρα oder καθ ἡμᾶς φιλοσοφία) von der »äußeren« (ἡ ἔξω φιλοσοφία) zu beachten, d. h. der nicht-christlichen bzw. hellenischen Philosophie, von der z. B. gesagt wird, sie betreibe Schattenspiele.141 Die als christlich definierte Philosophie hat allerdings in der Verteidigung der richtigen Lehre gegen Heiden und Häretiker eine wichtige und konkrete Aufgabe.142 Diese wird aber nicht nur auf dem Wege direkter Konfrontation erreicht, sondern auch mittels einer Klärung der philosophisch-argumentativen Voraussetzungen, da ja den hellenischen Gegnern vorgeworfen wird, sich der Logik in falscher Weise zu bedienen.143 Voraussetzung für die Auseinandersetzung sollen nach Gregor von Nazianz beim christlichen Philosophen sowohl ein Fortschritt in der theoretischen Bildung (ἐν θεωρίᾳ) als auch Reinheit und Festigkeit der Seele sein.144 Unter dieser Bedingung – die eine Nichtbeachtung der etwas karikierend aufgezählten fragwürdigen Lehren griechischer Philosophen mit sich bringt – wird dann aber auch ein Christ zum Philosophieren aufgerufen, über naturphilosophische Fragen wie über solche, die zentrale christliche Inhalte betreffen: »Wenn […] Du Dich um das Eigene bemühst und das Ehrbare in diesen [i. e. den genannten Philosophen] suchst, werde ich Dir auch hier die Wege breit öffnen. Philosophiere über die Welt oder die Welten, über die Materie, über die Seele, über die besseren und die schwächeren rationalen Naturen, über Auferstehung, Gericht, Vergeltung, die Leiden Christi«.145

Mit diesem Aufruf, die Verbundenheit zwischen hellenischen und christlichen Inhalten146 theoretisch nachzuvollziehen, formuliert Gregor einen Kerninhalt spätantiken christlichen Denkens vielleicht am klarsten in der gesamten Tradition aus. 141   Basilius, Epistulae 135, 1 (2, p.  49, 20–50, 23 Courtonne); Gregorius Nazianzenus, Oratio 4, 23; 25, 4 (SC 309, p.  116, 6 f. Bernardi; 284, p.  164, 18–20 Mossay); vgl. Malingrey, Philosophia, 212–240. 142   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 15 (SC 284, p.  192, 1–194, 34 Mossay). 143   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 18 (SC 284, p.  200, 4–202, 19 Mossay). 144   Gregorius Nazianzenus, Oratio 27, 3 (SC 250, p.  76, 4–13 Gallay). 145   Εἰ δὲ σὺ ταῦτα μὲν ἀπαξιοῖς λόγου, ὡς μικρά τε καὶ πολλάκις ἐληλεγμένα, περὶ δὲ τὰ σὰ στρέφῃ, καὶ ζητεῖς τὸ ἐν τούτοις φιλότιμον· ἐγώ σοι κἀνταῦθα παρέξομαι πλατείας ὁδούς. φιλοσόφει μοι περὶ κόσμου ἢ κόσμων, περὶ ὕλης, περὶ ψυχῆς, περὶ λογικῶν φύσεων βελτιόνων τε καὶ χειρόνων, περὶ ἀναστάσεως, κρίσεως, ἀνταποδόσεως, Χριστοῦ παθημάτων. Gregorius Nazianzenus, Oratio 27, 10 (SC 250, p.  96, 14–20 Gallay). 146   Nach P. Gallay, in: Grégoire de Nazianze, Discours 27–31 (Discours théologiques). Introduction, texte critique, traduction et notes par P. Gallay (SC 250), Paris 2008, 36–38, sind die von Gregor aufgezählten Punkte ›freie‹ Fragen, die auch Christen ohne lehramtliche Entscheidung frei diskutieren können, denn im Anschluss sage Gregor ausdrücklich, es handle sich um Fragen, in denen man gefahrlos einen Irrtum begehen könne (SC 250, p.  96, 21–98, 1 Gallay). Zu thematischen Einschränkungen des Philosophierens nach den Kappadokiern s. unten S. 818.

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Bemerkenswert ist die Nähe der von Gregor genannten Voraussetzungen des Philosophierens zu neuplatonischen Schulpraktiken, die gleichfalls die Reinheit der Seele und naturwissenschaftliche Studien als notwendige Vorbereitung der platonischen Metaphysik (und Mystik!) sieht. Die Nähe beider Positionen scheint wie in einem Brennglas auf, wenn sowohl Gregor als auch Proklos dieselbe Platonstelle als Ausdruck der notwendigen Vorbereitung auf metaphysische Studien zitieren: »Für einen Unreinen gehört es sich nämlich keineswegs, das Reine zu berühren« (μὴ καθαρῷ γὰρ καθαροῦ ἐφάπτεσθαι μὴ οὐ θεμιτὸν ᾖ).147

Aufgabenstellung im Verhältnis zur hellenischen Philosophie Soweit eine derartige christliche Philosophie also legitim bzw. erforderlich ist – wie es die Kappadokier für sich selbst voraussetzen –, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit den Werken und Theorien der hellenischen Philosophie in pointierter Weise. In dieser Hinsicht benutzen die Kappadokier, die sich auf verbaler Ebene gelegentlich scharf antiphilosophisch äußern,148 die etablierte innerkirchliche Rechtfertigungsstrategie des Gebrauchs bzw. der Chrēsis (χρῆσις) hellenischer Bildung, die sie theoretisch eigens begründen. Das bekannteste Zeugnis hierfür ist Basileios’ Rede ›An die Jugend‹ (Πρὸς τοὺς νέους, ›Ad adolescentes‹), die argumentiert, das gegenwärtige Leben sei aus christlicher Sicht wertlos, aber alles, was helfen könne, zum jenseitigen Leben zu gelangen, dürfe man grundsätzlich verwenden; dass hierzu philosophische Kenntnisse gehören, geht vor allem aus der Erwähnung des Mose hervor, der sich, »im Hinblick auf den Verstand durch die ägyptischen Lehren geübt, […] der Betrachtung des Seienden genähert habe«, d. h. Gott, der ihm im brennenden Dornbusch als der Seiende erschienen ist.149 Ferner werden einige Philosophen (Prodikos, Sokrates, Pythagoras [im Hinblick auf die Musik]; Platon, Diogenes) als Exempla gewürdigt,150 und die platonische Konzeption der Sorge für die Seelen und den rechten Gebrauch des Körpers wird übernommen.151 Eine noch explizitere Aufforderung zu philosophischer Annäherung an das Seiende findet sich in Amphilochios’ ›Jamben an Seleukos‹, wo ausdrücklich empfohlen wird, »sich an den feinen Gedanken der Philosophen zu üben« (λεπταῖς τε μερίμναις φιλοσόφων ἀσκούμενος), aber auch bei ihm soll, im Sinne der bis zu Philon zurückreichenden Tradition, die griechische Bildung als ›Die147

  Plato, Phaedo 67b, zitiert bei Gregorius Nazianzenus, Oratio 27, 3 (SC 250, p.  76, 7 f. Gallay) sowie bei Porphyrius, Ad Marcellam 8 (110, 16 f. des Places) und vor allem bei Proclus, Theologia Platonica 1, 2 (1, p.  10, 16 f. Saffrey  /  Westerink; mit Verweis auf Sokrates). 148   S. unten S. 828. 149  Τοῖς Αἰγυπτίων μαθήμασιν ἐγγυμνασάμενος τὴν διάνοιαν, οὕτω προσελθεῖν τῇ θεωρίᾳ τοῦ ὄντος. Basilius, Ad adolescentes 3, 13–15 (p.  44 Boulenger). 150   Basilius, Ad adolescentes 5, 55–57; 7, 23–25; 9, 45–48; 9, 63–85; 9, 112–115 (p.  48; 51; 56; 56 f.; 59 Boulenger). 151   Basilius, Ad adolescentes 9, 66–84 (p.  57 Boulenger).

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nerin‹ bzw. ›Magd‹ (θεραπαίνη) vom inneren Richter des Christen beurteilt werden.152 Etwas differenzierter ist die Wiederaufnahme des Themas in Gregors von Nyssa ›Über das Leben des Mose‹ (›De vita Moysis‹): Er interpretiert die biblische Erzählung vom Raub der Gefäße der Ägypter durch die Israeliten allegorisch in der Weise, dass »Ethik und Physik, Geometrie, Astronomie und die Behandlung der Logik« auf Befehl des Mose den Ägyptern wegzunehmen sei, die sie nur zeitweise gebraucht hätten, und zur Verschönerung des Hauses Gottes zu nutzen, so wie Basileios es auch gewollt habe. Das sei kein moralisch verwerflicher Diebstahl.153 Gregor ermutigt also ausdrücklich zum Gebrauch der philosophischen Disziplinen zu christlichen Zwecken, aber nicht um ihrer selbst willen. Im Übrigen fordert er zu einem Streben nach den Wahrheiten des Glaubens auf, lehnt aber eine Diskussion von grundlegenden Fragen wie »Was ist das Wesen Gottes, was war vor der Schöpfung« und Ähnlichem ab; hier habe man sich mit der Glaubenslehre zu begnügen.154 Da zudem nach Meinung der Kappadokier grundsätzlich alle Richtungen der Philosophie als solche auch wegen ihrer Verbindung zu der als unwissenschaftlich geltenden Astronomie und ›Hexerei‹155 zu verlassen sind,156 wird die Beschäftigung mit der Philosophie in jungen Jahren als gefährlich bezeichnet. 157 Was weniger schlecht beleumundete philosophische Positionen angeht, vor allem den Platonismus, so sind deren Differenzen zum Christentum auch für Gregor von Nyssa, ähnlich wie bei seinem Vetter in Nazianz, klar definiert und betreffen die Seelenwanderung, körperliche Gottesvorstellungen und Ewigkeit der Materie.158 Dass für die Kappadokier selbst, die über entsprechende Kenntnisse verfügen, einer Aufnahme hellenischer Ideen nichts Grundlegendes im Weg steht, zeigen viele Beispiele, z. B. Basileios’ Anleihen bei den Platonikern, besonders Plotin, in der Lehre vom heiligen Geist.159 Man muss damit rechnen, und kann in einigen Fällen auch nachweisen, dass alle drei Autoren einige Werke von Platon, Aristote152

  Amphilochius, Ad Seleucum 33–44; 240–250 (p.  30; 36 Oberg).   Gregorius Nyssenus, De vita Moysis (GNO 7, 1, p.  67, 9–69, 3; Zitat 68, 11–13 Musurillo). 154   Gregorius Nyssenus, De vita Moysis (GNO 7, 1, p.  66, 9–67, 8 Musurillo). 155   Gregorius Nazianzenus, Oratio 4, 31 (SC 309, p.  128, 5–7 Bernardi [gegen die philosophischen Berater und Lehrer Julians gerichtet]). 156   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 6; 27, 10 (SC 284, p.  168, 1–170, 30 Mossay; 250, p.  94, 1–96, 14 Gallay); Gregorius Nazianzenus, Carmina 2, 1, 10, 198–340 (PG 37, col. 694– 705). 157   Gregorius Nazianzenus, Oratio 4, 30 (SC 309, p.  124, 19 f. Bernardi [über Julian]). 158   Gregorius Nyssenus, De vita Moysis (GNO 7, 1, p.  44, 13–19 Musurillo). 159   Basilius, De spiritu sancto 22 f. (Fontes Christiani 12, p.  136, 1–142, 16 Sieben); zur Interpretation G. Bardy, Basilius von Caesarea, in: RAC 1 (1950), 1261–1265, hier, 1264; H. Dehnhard, Das Problem der Abhängigkeit des Basilius von Plotin, Berlin 1964, v. a. 87 f. Vgl. die Übersichten von Wyß, Gregor II, 821–835 zu Gregor von Nazianz, von Dörrie, Gregor III, 884–887 sowie Cassin, Grégoire de Nysse, 542–552, zu Gregor von Nyssa; zu Basileios Sesboüé  /  De Durand  /  Doutreleau, in: Basile de Césarée, Contre Eunome 1 (SC 299), 75–95. 153

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les und verschiedenen Neuplatonikern, vor allem von Plotin, aus direkter Lektüre kennen.160 Bei der konkreten Arbeit und für weniger aktuelle Schulen wie Stoiker und Epikureer und Platoniker benutzen sie aber offensichtlich handbuch­artige Überblicksdarstellungen, die sich ebenfalls teils indirekt nachweisen lassen.161 Man hat hier korrekt von einer »philosophischen Umgangssprache, an die sich die Kirchenväter, die in den großen Schulen ihrer Zeit Bildung erlangt hatten, anschließen«, gesprochen.162 Doch gilt es zu bedenken, dass die Bildung der Kappadokier viele Zeitgenossen deutlich übertrifft und sie auch noch durchaus bemerkenswerte Nähen z. B. zu stoischen Positionen erkennen lassen, die der zeitgenössische Platonismus so nicht unbedingt aufweist. Auf dieser Grundlage kann dann z. B. Gregor von Nazianz den Platonikern für die Theologie, in der er sie intensiv benutzt,163 eine Nähe zum Christentum attestieren (οἱ […] μᾶλλον ἡμῖν προσεγγίσαντες).164 Auch akzeptiert er den Kynismus, dessen Lebensform man mit christlichen Überzeugungen verbinden könne.165 Seine eigenen theologischen Reden stehen in ihrer sprachlichen und argumentativen Dichte den Traktaten der Platoniker nicht nach, auf die sie, unter dem Namen »die Theologen unter den Hellenen« (οἱ παρ Ἕλλησι θεόλογοι), gelegentlich Bezug nehmen.166 Noch weiter als er geht in der Rezeption und Ausarbeitung von Philosophie Gregor von Nyssa, in dessen Traktaten die christliche Weltsicht in Form einer Neudeutung philosophischer Formulierungen ohne Angabe der hellenischen Vorbilder dargelegt wird.167 Methodisch hält aber auch er der »äußeren Philosophie« das Spezifikum des christlichen Zugriffs klar entgegen: »Wir haben keinen Teil an der Möglichkeit, behaupte ich, das zu sagen, was wir wollen, weil wir die heilige Schrift als Maßstab (κανών) jeder Lehre (δόγμα) und jedes Gesetzes verwenden«.168 160

  Für Plotin vgl. A. Meredith, The Good and the Beautiful in Gregory of Nyssa, in: Hermeneumata. Festschrift Hadwig Hörner, Heidelberg 1990, 133–145. 161   So zeigt J. Daniélou, Grégoire de Nysse et la philosophie, in: H. Dörrie  /  M. Altenburger  /  U. Schramm (Hrsg.), Gregor von Nyssa und die Philosophie. Zweites internationales Kolloquium über Gregor von Nyssa, Freckenhorst bei Münster 18.–23. September 1972, Leiden 1976, 3–21, hier 4 f., dass Gregor von Nyssa, Calcidius und Nemesios von Emesa fast dieselbe Einteilung von Positionen zur Seelenwanderung zitieren. 162   »Κοινή philosophique à laquelle se rattachent les Pères de l’Église formés dans les grandes écoles de leur temps«: Sesboüé  /  De Durand  /  Doutreleau, in: Basile de Césarée, Contre Eunome 1 (SC 299), 95. 163   S. unten S. 826. 164   Gregorius Nazianzenus, Oratio 31, 5 (SC 250, p.  282, 6 f. Gallay). 165   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 6 f. (SC 284, p.  168, 5–7; 172, 18–174, 25 Mossay). 166   Gregorius Nazianzenus, Oratio 28, 4: Platon; 31, 5: οἱ θεολογικώτεροι (SC 250, p.  106, 27–108, 5; 282, 6 f. Gallay). 167   Vgl. Dörrie, Gregor III, 883–893. 168   Ἣμεῖς δὲ τῆς ἐξουσίας ἄμοιροι ταύτης ἐσμὲν, τῆς λέγειν φημὶ ἅπερ βουλόμεθα, κανόνι παντὸς δόγματος καὶ νόμῳ κεχρημένοι τῇ ἁγίᾳ Γραφῇ. Gregorius Nyssenus, De anima et resurrectione (GNO 3, 3, p.  33, 10–12 Spira).

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Philosophische Theoriebildung Vor dem Hintergrund der gerade genannten Bestimmungen kann man von keinem der Kappadokier eine zusammenhängende philosophische Systematik erwarten.169 Die wahre Lehre in ihrer Gesamtheit, nämlich die christliche, steht für sie fest, und nur in ihrem Rahmen können Rezeption und Ausarbeitung von Philosophie ihre Aufgaben erfüllen. Für die Darstellung der christlichen Lehre kommt der philosophischen Ausarbeitung andererseits durchaus eine Schlüsselstellung zu, die sich unter anderem daran zeigt, dass die Kappadokier, wie z. B. auch Proklos in verschiedenen Werken, häufig erst ein Argument rational entwickeln, bevor sie es mit biblischen Texten belegen.170 Im Detail gibt es zwischen den drei Denkern merkliche Unterschiede: Während sich Basileios und vor allem Gregor von Nazianz in regelmäßigem Austausch mit der zeitgenössischen Bildungswelt befinden und deren Lehren, mit Einschränkungen versehen, explizit aufnehmen, entwickelt Gregor von Nyssa konsequent eine eigene, an christliche Interessen angepasste philosophische Position, die den Anspruch erhebt, das hellenische Gut zu ersetzen, das nur an wenigen Stellen noch ­eigens erwähnt wird. Einige Beispiele mögen den Charakter der Lehren der Kappadokier verdeutlichen,171 wobei die ersten beiden etwas ausführlicher erörtert seien: a)  Ein wichtiger Ort naturphilosophischer Reflexion ist für die Kappadokier die Erklärung des biblischen Schöpfungsberichtes. In dieser Hinsicht stellen Basileios’ ›Homilien über das Sechstagewerk (Hexameron)‹ einen Schlüsseltext dar.172 Er präsentiert sich als Auslegung der Naturphilosophie des Mose, der sich hierfür vor allem durch seinen persönlichen Zugang zu Gott (ἀστεῖος παρὰ τῷ θεῷ) qualifiziere; auch hier liegt der Akzent also auf dem offenbarten Charakter der 169   Aussagen wie die von G. Ch. Stead, dass Gregor von Nyssa »lacks the essential attribute of the philosopher – the concern for consistency and the respect for truth in all its forms« (Ontology and Terminology in Gregory of Nyssa, in: Dörrie  /  Altenburger  /  Schramm (Hrsg.), Gregor von Nyssa und die Philosophie, 107–127, hier 107), sind in diesem Sinne eigentlich nur Beschreibungen von Gregors eigenem Selbstverständnis, das von einem ganz anderen Wahrheitsbegriff ausgeht. Eine These wie die von J. Daniélou, L’Être et le Temps chez Grégoire de Nysse, Leiden 1970, VII, der von einem »système philosophique« bei Gregor von Nyssa spricht, scheint in Anbetracht des Gelegenheitscharakters vieler philosophischer Ausführungen gewagt. 170   Vgl. hierzu Ch. Kannengiesser, Logique et idées motrices dans le recours biblique selon Grégoire de Nysse, in: Dörrie  /  Altenburger  /  Schramm (Hrsg.), Gregor von Nyssa und die Philosophie, 85–103. 171   M. Cassin, Grégoire de Nysse, 558–568, gibt für eine Auswahl philosophisch relevanter Werke nützliche Kurzbeschreibungen. 172   Eine gründliche Erklärung der Ziele und Vorgehensweisen der beiden Ausleger gibt Ch. Köckert, Christliche Kosmologie. Die Auslegung des Schöpfungsberichtes bei Origenes, Basilius und Gregor von Nyssa vor dem Hintergrund kaiserzeitlicher Timaeus-Interpretationen, Tübingen 2009, 312–322, 400–410.

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Wahrheit.173 Im Laufe des Werks zeigen sich gute Kenntnisse und zahlreiche Anleihen bei der griechischen Naturphilosophie, z. B. die Annahme einer von Mose hier nicht ausgeführten intelligiblen Welt,174 jedoch auch klare Zurückweisungen bestimmter mit dem Christentum unvereinbarer Thesen, z. B. der Ewigkeit der Welt: »Etwas, dessen Teile Untergang und Veränderung unterliegen, dessen Ganzes muss notwendigerweise dasselbe wie die eigenen Teile erleiden«.175 Die christliche Lehre wird also auf philosophisch-wissenschaftliche Weise im Sinne der Zeit ausgeführt und von philosophischen Positionen abgegrenzt. Später sieht sich Gregor von Nyssa gezwungen, den Gegenstand noch einmal anzugehen und scheinbare Widersprüchlichkeiten »des vom großen Mose mit göttlicher Inspiration zur Weltentstehung Philosophierten« (κατὰ θείαν ἐπίπνοιαν ἐν τῇ κοσμογονίᾳ φιλοσοφηθέντων τῷ μεγάλῳ Μωϋσῇ) und seiner Auslegung durch Basileios auszuräumen, wobei die sachliche Treue abweichende Lösungen im Detail nicht ausschließt.176 b)  Von großer Bedeutung ist die philosophische Trinitätserklärung der Kappadokier, die hier nur an Gregor von Nyssas kleiner Schrift ›An die Hellenen, aus den allgemeinen Begriffen‹ (›Ad Graecos de communibus notionibus‹) erläutert sei.177 Gregor argumentiert hier mit einer realistischen Ontologie, bei der die ›Substanz‹ (οὐσία) im strengen Sinn nur die Wesenheit bezeichnet, die allen ›Personen‹ (πρόσωπα) als ihr wesentliches Sein innewohnt; insofern sind sie wesentlich eines bzw. verschiedene gleichrangige Ausprägungen einer unbestimmten (also auch nicht als Universalie bestimmten) Einheit, so dass eine subordinationistische Unterordnung von Sohn und Geist unter den Vater ausgeschlossen werden kann.178 Diese ›Personen‹ werden auch als ›Hypostasen‹ (ὑποστάσεις) bezeichnet, womit sich die Bedeutung dieses Terminus weg von den neuplatonischen Strukturen des Ewigen hin zu einer Betonung des Individuellen verschiebt.179 Hierbei wird jede Hypostasis, gemäß der Interpretationstradition der aristotelischen ›Ka173

  Basilius, In Hexameron 1, 1 (GCS NF 2, p.  2, 10–3, 13 Amand de Mantieta  /  Rudberg).   Basilius, In Hexameron 1, 5 (GCS NF 2, p.  8, 17–19 Amand de Mantieta  /  Rudberg). 175   Οὗ τὰ μέρη φθοραῖς καὶ ἀλλοιώσεσιν ὑπόκειται, τούτου καὶ τὸ ὅλον ἀνάγκη ποτὲ τὰ αὐτὰ παθήματα τοῖς οἰκείοις μέρεσιν ὑποστῆναι. Basilius, In Hexameron 1, 3 (GCS NF 2, p.  7, 4 f. Amand de Mantieta  /  Rudberg ). 176   Gregorius Nyssenus, Hexameron (GNO 4, 1, p.  5, 3–7, 13 Drobner). Vgl. zur Interpretation Köckert, Christliche Kosmologie, 404 f. 177   Tatsächlich wird diese Theorie von allen drei Kappadokiern entwickelt: Vgl. Hauschild  /  Wyrwa, Basileios, 1529–1531; Hauschild  /  Wyrwa, Gregor von Nazianz, 1540 f.; Hauschild  /  Wyrwa  /  Ludlow, Gregor von Nyssa, 1550–1552; ferner Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 15–71. Umstritten ist die Autorschaft des zentralen Briefes 38 aus dem basilianischen Briefcorpus, dazu z. B. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 46–48. Eine knappe Formulierung findet sich z. B. bei Gregor Nazianzenus, Oratio 29, 13 (SC 250, p.  202, 13–204, 22 Gallay). 178   Für diesen Punkt vgl. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 50–66. 179   Vgl. dazu Vasiliu, Penser Dieu, 308–312. Zum Begriff ›Hypostase‹ bei Plotin s. oben S. 753. 174

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tegorien‹, als eine »unteilbare Form« (ἄτομον εἶδος) bezeichnet,180 jedoch nicht, wie bei Aristoteles, als Substanz (οὐσία),181 weswegen dieser Begriff Gregor zufolge auf einzelne Menschen oder Personen der Trinität nicht im wissenschaftlichen Wortsinn, sondern nur in abgeleiteter Weise angewandt werden kann.182 Die Einheit Gottes wird, trotz seiner drei Personen, dadurch garantiert, dass die göttlichen Personen sich nicht, wie menschliche Individuen, zeitlich unterscheiden, verändern und in unterschiedlichen kausalen Abhängigkeitsverhältnissen stehen, sondern immer unveränderlich gleich bleiben und dieselbe göttliche Ursache haben, so dass sie keine Vielheit von Individuen unter dem einen substanz-bezogenen Namen Gott bilden.183 Somit wird für das drängendste Problem der rationalen Durchdringung des christlichen Gottesbildes eine argumentative Lösung anhand einer stark realistischen Lesart von Aristoteles’ ›Kategorien‹ angeboten, wenn auch mit verschiedenen Qualifizierungen.184 Als Resultat dieser Vorgehensweise, das keineswegs von vornherein beabsichtigt ist,185 löst die aristotelische Logik subordinationistische Lehren platonischer Prägung als Interpretament der christlichen Gotteslehre ab. Für die weitere Entwicklung hat das bedeutsame Konsequenzen: Die christlichen Denker müssen sich sowohl von einem möglichen Tritheismus als auch von einer scharfen Trennung von Mensch und Gott in Christus distanzieren, wie ihn Gregors Vergleich von menschlicher und göttlicher Sub­stanz nahelegt.186 Für die Philosophie zeichnet sich hingegen eine stärkere Rolle aristotelischer Logik ab, die aber erst nach und nach in den Quellen zutage tritt. c)  In der Sprachphilosophie hält Gregor von Nyssa gegen Eunomios’ Annahme, es gebe eine natürliche Bezeichnung der Wörter,187 fest, mit der Bezeich180

  Zur Ersterwähnung dieses Terminus in ›Hippolyts‹ Aristoteles-Referat s. oben S. 560; zum Einfluss der ›Kategorien‹ und ihrer Deutung auf die Trinitätstheologie der Kappadokier vgl. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 40. Zur Christianisierung des Begriffs ›Hypostasis vgl. Vasiliu, Penser Dieu, 308 f. und 326 f. 181   Vgl. Hauschild  /  Wyrwa  /  Ludlow, Gregor von Nyssa, 1552. 182   Gregorius Nyssenus, Ad Graecos (GNO 3, 1, p.  19, 5–23, 4; 28, 9–33, 4 Müller). 183   Gregorius Nyssenus, Ad Graecos (GNO 3, 1, p.  23, 13–26, 5 Müller). 184   Dieses Problem kann hier nicht im Detail angegangen werden; vgl. aber z. B. die un-aristotelischen Formeln bei A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 1. Von der apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalkedon, Freiburg u. a. 1979, 542 f. Die Lehre der Kappadokier hat gerade wegen dieser unklaren Terminologie konträre Interpretationen erfahren, auch was ihren Zusammenhang mit platonischen Lehren betrifft, vgl. dazu Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 782–784; Cassin, Grégoire de Nysse, 560 f. 185   Vgl. die Kritik an der Benutzung einer Terminologie aus den ›Kategorien‹ bei Basilius, Contra Eunomium 1, 9 (SC 299, p.  198, 6–200, 16 Sesboué). 186   Dies wird für die Christologie schön gezeigt von Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 1, 541–547, wo der aristotelische Zug seiner Lehre allerdings nicht erwähnt wird. 187   S. oben S. 809.

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nung »gemäß dem Klassifizieren (von Wörtern)« (κατ’ ἐπινοίαν) werde ein heuristischer Zugriff auf die noch nicht erkannte Wirklichkeit bezeichnet, auf dem die gesamte kreative und problemlösende Fähigkeit des Menschen beruhe.188 d)  Die Lehre von der Handlungsfreiheit, in der sich Gregor von Nyssa ­einer Theorie der Selbstbestimmung annähert;189 auch in diesem Kontext wird die sprachlich-gedankliche Kreativität des Menschen sogar eine Grundlage seiner Handlungsfreiheit (προαίρεσις) genannt.190 e)  Die Begründung der zeitlichen Geschaffenheit der Seele und der Möglichkeit einer körperlichen Auferstehung, die Gregor in seinem formal an Platon geschulten Werk ›Über die Seele und die Auferstehung‹ durchführt.191 In diesem Kontext formuliert er u. a., wohl unter dem Einfluss Plotins, seine Lehre, der Körper als solcher bestehe aus diversen ›Qualitäten‹ (ποιότητες) wie Farbe, Größe etc.192 f)  Beachtlich sind vor diesem Hintergrund die Überlegungen der Kappadokier zur Menschenwürde und Gleichheit aller Menschen, die sich z. B. in ihrer Kritik an der Sklaverei zeigt.193 g)  Die Metaphysik, die Gregor insbesondere in seiner ›Hohelied‹-Interpretation im Anschluss an Origenes ausführt; auch in seinen Predigten zum Buch ›Kohelet‹ arbeitet er u. a. auf eine Vermittlung der aus ›Exodus‹ 3, 14 gewonnenen Idee, Gott sei der Seiende, mit der neuplatonischen Lehre vom überseienden Einen hin.194

Philosophieverständnis195 Vor diesem Hintergrund lässt sich nun der bereits erwähnte häufige Gebrauch der grundsätzlich positiv konnotierten Begriffe ›Philosophie‹ (φιλοσοφία) und ›philosophieren‹ (φιλοσοφεῖν) bei den Kappadokiern näher erläutern. Diese werden 188   Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 2, 180–191 (GNO 1, p.  276, 29–280, 21 Jaeger); vgl. Apostolopoulos, Die Rolle der Epinoia, 239–245; Karamanolis, Philosophy 136– 138; zum Werk an sich Cassin, Grégoire de Nysse, 558–560. 189   Vgl. dazu J. Gaith, La conception de la liberté chez Grégoire de Nysse, Paris 1953. 190   Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 2, 334 (GNO 1, p.  323, 28–324, 1 Jaeger); vgl. Kobusch, Selbstwerdung und Personalität, Tübingen 2018, 160–165. 191   Vgl. Karamanolis, Philosophy 203–210. 192   Zum Beispiel Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 2, 115 f. (GNO 1, p.  259, 26–260, 6 Jaeger). Vgl. Daniélou, Grégoire de Nysse et la philosophie, 15 f.; zu möglichen neuplatonischen Hintergründen vgl. F. De Haas, John Philoponus’ New Definition of Prime Matter. Aspects of its Background in Neoplatonism and the Ancient Commentary Tradition, Leiden u. a. 1997, 24. Zu Plotinus, Enneades 6, 3, 8 vgl. oben S. 746. 193   Vgl. unten S. 827. 194   Gregorius Nyssenus, Homiliae in Ecclesiasten 7 (GNO 5, p.  406, 7–9 Alexander). Vgl. Daniélou, L’Être et le temps, 6–9. 195   Zum Philosophiebegriff dieser Autoren vgl. Malingrey, Philosophia, 207–260.

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in vielen Bedeutungen verwendet: Neben der hellenischen Philosophie können zum Beispiel die theoretische und praktische Aktivität von Christen, die asketische Lebensführung des Mose oder auch die Inhalte biblischer Texte ›Philosophie‹ genannt werden.196 Der Unterschied von christlicher und heidnischer Philosophie ist nicht an allen Stellen deutlich beziehungsweise muss erst durch Erklärungen klargestellt werden. Gregor von Nazianz, dessen Sprachgebrauch auch hier die Attitüde aller drei Kappadokier erhellen kann, erklärt sich als »Diener der Weisheit« (σοφίας θεραπευτής) zum Bewunderer der Philosophie, wenn er sich schon nicht zum Philosophen erklären will,197 und bringt die Rede über Philosophie als verbindendes Element gegenüber dem Hellenen Themistios ins Spiel.198 Er beteiligt sich auch am zeitgenössischen Diskurs über wahre und falsche Philosophie: Grundsätzlich umfasse die Philosophie Theorie und Praxis, und der Philosoph zeichne sich durch »Festigkeit in der Seele, Reinheit des Denkens und Neigung zum wahrhaft Guten« aus.199 Die ethische Dimension sei ein besonders wichtiges Merkmal der Philosophie (δέσποινα τῶν παθῶν):200 Während Feigheit mit ihr unvereinbar sei,201 gehörten Bescheidenheit, Freimut (παρρησία) sowie eine dauernde Sorge um die Seelen zu ihren typischen Zügen. Dieser Philosophie stellt Gregor die »angemaßte Weisheit« gegenüber, »die im Wort (λόγος) liegt und durch Wohlklang verzaubert«.202 Die technischen Aspekte der Philosophie wie Syllogismen, Geometrie und Astronomie gelten hingegen, entsprechend der Tradition der Aufforderung zur philosophischen Lebensführung, als sekundär, da sie keinen Nutzen für die Lebensführung brächten.203

Definitionen der Philosophie Die Definitionen der Philosophie werden von den Kappadokiern häufig in verselbständigter Form aufgegriffen, ohne direkt auf die Philosophie Bezug zu nehmen. So beschreibt Gregor von Nazianz das Priesteramt als »Fertigkeit der Fer196

  Basilius, Ad adolescentes 9, 4–7 (54 f. Boulenger); Gregorius Nazianzenus, Oratio 4, 12 (SC 309, p.  104, 1–18 Bernardi); Gregorius Nyssenus, In Canticum 12: ἡ ἐν τῆ ἐρήμῳ φιλοσοφία; in Canticum 1: ἡ τοῦ βιβλίου τούτου φιλοσοφία (GNO 6, p.  355, 2; 34, 2 Langerbeck); De professione Christiana (GNO 8, 1, p.  136, 15 f. Jaeger). 197   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 1 (SC 284, p.  157, 1–8 Mossay). 198   Gregorius Nazianzenus, Epistulae 24, 2 (GCS Greg. Naz. p.  23, 16 f. Gallay). 199   Ἐν ψυχῆς στεῤῥότητι καὶ διανοίας καθαρότητι, καὶ γνησίᾳ τῇ πρὸς τὸ καλὸν νεύσει. Gregorius Nazianzenus, Oratio 4, 23; 25, 6 (SC 309, p.  116, 6–9 Bernardi; 284, p.  168, 11 f. [Zitat] Mossay). 200   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 4 (SC 284, p.  164, 12–16 Mossay). 201   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 14 (SC 284, p.  192, 28 Mossay). 202   Τῆς νόθου σοφίας ἔλεγχε, τῆς ἐν λόγῳ κειμένης, καὶ δι’ εὐγλωττίας γοητευούσης. Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 1 f. (SC 284, p.  156, 1–160, 18; Zitat 158, 3 f. Mossay). 203   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 7 (SC 284, p.  172, 11–17 Mossay).

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tigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften« (τέχνη τέχνων καὶ ἐπίστημη ἐπιστήμων).204 Bei den beiden anderen Autoren erhält vor allem das »Ähnlichwerden mit Gott« (ὁμοίωσις θέῳ) eine große Bedeutung, wobei es sich aus seinem platonischen Kontext teilweise löst. Basileios, der sich auch selbst mit diesem Ideal identifiziert,205 beschreibt es als die Realisierung schlechthin der gottgegebenen Freiheit des Menschen.206 Gregor von Nyssa identifiziert es regelmäßig mit dem »Bild Gottes«, wobei er das gemeinsame Auftreten der beiden Wörter »Ähnlichkeit« (ὁμοίωσις) und »Bild« (εἰκών) im griechischen Text von ›Genesis‹ 1, 26 syn­ onym versteht. Beide Begriffe bezeichnen einerseits die beste Form der menschlichen Natur vor dem Sündenfall und andererseits die Rückkehr zu dieser durch ein tugendhaftes Leben, so dass das neuplatonische Schema von Hervorgang und Rückkehr christlich ausgefüllt wird.207 An anderen Stellen stuft Gregor allerdings die Bedeutung des Ähnlichwerdens mit Gott herab, indem er das Christentum (χριστιανισμός) zur »Nachahmung der göttlichen Natur« (μίμησις θείας φύσεως) erklärt, weil ein Ähnlichwerden mit Gott der menschlichen Natur gar nicht möglich sei, sondern nur bestimmten Aktivitäten von ihr.208

Teile der Philosophie Die Aufzählung der Teile der Philosophie, bei der deren eigener Name ebenfalls nicht immer erwähnt wird, folgt verschiedenen traditionellen Mustern, die keine geschlossene Gesamtkonzeption erkennen lassen: Neben der typischen Einteilung in theoretische und praktische Philosophie209 wird auch die Dialektik erwähnt, zu der sowohl die Lehre vom Beweis und den Gegenteilen als auch die Argumentationskunst (παλαίσματα) zählen.210 ›Dialektik‹ wird somit, wie in den lateinischen Listen der sieben freien Künste, eher als (aristotelische) Logik denn als Aufstieg im platonischen Sinne gedeutet, so dass die Logik faktisch als Teil der Philosophie anerkannt wird. Gregor von Nyssa grenzt die Seinsphilosophie (ἡ περὶ τοῦ ὄντος φιλοσοφία), die er auch als höheres Leben (ὁ ὑψηλότερος βίος) bezeichnet, von der Naturphilosophie wie von der Ethik ab und identifiziert sie mit der Betrachtung Gottes, so dass die Philosophie in die theologische Mystik hinein aufgehoben

204

  Gregorius Nazianzenus, Oratio 2, 16 (SC 247, 110, 3–6 Bernardi).   S. oben S. 815. 206   Basilius, De origine hominis (SC 160, p.  206, 1–208, 21 Smets  /  Van Esbroeck). Vgl. auch Basilius, Epistulae 233, 1 (3, p.  39, 11–13 Courtonne) und dazu Vasiliu, Penser Dieu, 390. 207   Vgl. hierzu Merki, Homoiôsis theô, 92–164. 208   Gregorius Nyssenus, De professione Christiana (GNO 8, 1, p.  136, 20–138, 23 Jaeger); vgl. Dörrie, Gregor III, 888 f. 209   S. oben S. 824. 210   Gregorius Nazianzenus, Oratio 43, 23 (SC 384, p.  174, 20 f. Bernardi). 205

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wird.211 In der Einleitung zum ›Hohelied-Kommentar‹ wird entsprechend Origenes’ Dreiteilung der christlichen Philosophie angedeutet.212 Mehr an der theoretischen Darstellung orientiert ist hingegen die innovative Einteilung des christlichen Philosophierens in Theologie (Gotteslehre) und Ökonomie (Heilslehre) bei Gregor von Nazianz,213 die auch bei Gregor von Nyssa angedeutet wird.214

Philosophie als mönchische Lebensführung im Bezug zur Mystik Begriffsgeschichtlich wichtig ist, dass Gregor von Nyssa die ethische Konnotation des Begriffs Philosophie, die Basileios und Gregor von Nazianz aus dem allgemein-antiken Sprachgebrauch übernehmen,215 auf das asketische christliche Leben ausweitet: Zur richtigen Philosophie gehöre nicht nur die Loslösung vom Schlechten und ein Leben in Gerechtigkeit, sondern auch, sich mit Christus das richtige Ziel zu setzen.216 »Hat sie [die Philosophie] diese Dinge verloren, bleibt nur ein leerer Name zurück«.217 Ziel dieser »höheren Philosophie« (ὑψηλότερα φιλοσοφία) ist insbesondere eine mystische Einsicht in die Wahrheit, die sich nicht mehr mit Worten ausdrücken lässt.218 Die Philosophie wird somit als Liebe zur »transzendenten Schönheit« (τοῦ ὑπερκειμένου κάλλους) Gottes verstehbar, womit Gregor die Liebe (ἔρως) des platonischen ›Symposions‹ in veränderter Form aufnimmt.219 Die Braut des ›Hohelieds‹, die diese Philosophie schildert, wird vom göttlichen Bräutigam angeregt, nach der mystischen Einheit zu streben, die selbst keine Philosophie mehr und von dieser auch als solche nicht mehr zu erreichen ist.220

211   Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 2, 181 (GNO 1, p.  277, 8–15 Jaeger); De vita Moysis 2 (GNO 7, 1, p.  43, 21–44, 5 Musurillo); Homiliae in Ecclesiasten 7 (GNO 5, p.  406, 1–7 Alexander); Oratio funebris de Pulcheria (GNO 9, p.  471, 7–12 Spira); vgl. Gregorius Nyssenus, Hexameron (GNO 4, 1, p.  7, 1–13 Drobner). 212   Gregorius Nyssenus, In Canticum 1 (GNO 6, p.  18, 7–10 Langerbeck). 213   Gregorius Nazianzenus, Oratio 45, 4 (PG 36, col. 628C). 214   Gregorius Nyssenus, In Canticum 1 (GNO 6, p.  40, 14 f. Langerbeck). 215   S. oben S. 824. 216   Gregorius Nyssenus, De instituto Christiano (GNO 8, 1, p.  48, 3–18; 64, 4–19; 66, 4–15 Jaeger). 217   Τούτων δὲ ἐστερημένη κενὸν ὄνομα καταλείπεται. Gregorius Nyssenus, De instituto Christiano (GNO 8, 1, p.  83, 5 f. Jaeger). 218   Gregorius Nyssenus, In Canticum, prooem.; 1 (GNO 6, p.  11, 5–7; 36, 11–37, 17 Lan­ ger­beck). 219   S. oben S. 232, 240  f. 220   Gregorius Nyssenus, In Canticum 5 f. (GNO 6, p.  137, 4–12; 172, 20–174, 20; 181,4– 16 [mit dem Motiv der göttlichen Finsternis] Langerbeck); vgl. Dörrie, Gregor III, 877– 883.

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Das Verhältnis der Philosophie zu Politik, Rhetorik und Wissenschaften Im Hinblick auf die politische Aktivität des Philosophen verweist Gregor von Nazianz, als Kompliment an Themistios, auf die platonische Verbindung von Philosophie und Königtum.221 Freimut (παρρησία) gegenüber dem Herrscher und gerechte Rede (δικαιολογία) gehören für ihn zu den Eigenschaften des wahren Philosophen, der insofern eine politische Dimension hat.222 Besonders Gregor von Nyssa realisiert den Freimut in einer scharfen Kritik an der Sklaverei.223 Freilich ist das letztlich von den Umständen abhängig: Während die Verbindung der paganen Philosophie zur Politik kritisiert wird, wenn es um den verhassten Julian geht,224 wird der Mut des orthodoxen Philosophen Maximos Heron gegenüber dem Arianer Valens gelobt.225 Die Philosophie gehört im Übrigen in den Rahmen einer breiteren griechischen Bildung.226 Hierfür erkennen die Kappadokier die Bedeutung einer ganzen Reihe von Wissenschaften an, soweit man sich auf das Richtige konzentriert: Geometrie, Astronomie, Mathematik, Medizin.227 Für die Ausbildung zur Tugend sind für Basileios auch Dichtung und Literatur wichtig, auch die Musik,228 aber mehr noch die Philosophie, sofern aus diesen Gebieten die richtige, mit der christlichen Lehre zu vereinbarende Auswahl getroffen wird.229 Im Kontext der Philosophie gehört auch die Rhetorik zur Bildung,230 weswegen sie in ähnlicher Weise wie die Philosophie behandelt wird: Obwohl die Kappadokier sie meisterhaft beherrschen (und zeitweise wohl sogar beruflich ausüben), erfährt sie als eigene Disziplin gelegentlich harsche Kritik. Im Hinblick auf die Philosophie gehört auch der Verweis auf die Schönrednerei Platons in diesen Kontext.231 221

  Gregorius Nazianzenus, Epistulae 24, 4–6 (GCS Greg. Naz., p.  23, 20–25 Gallay).   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 7; 43, 53 (SC 284, p.  170, 1–172, 17 Mossay; SC 384, p.  236, 1–6 Bernardi). 223   Gregorius Nyssenus, In Ecclesiasten 4 (GNO 5, p.  334, 4–353, 9 Langenbeck). Vgl. E. Herrmann-Otto, Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht, in: RAC 30 (2021), 691–751, hier 737–740. 224   Gregorius Nazianzenus, Oratio 4, 30 (SC 309, p.  124, 19–126, 6 Bernardi). 225   Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 9 (SC 284, p.  176, 1–178, 18 Mossay). 226   Basilius, Ad adolescentes 4, 1 f. (44 Boulenger): μαθήματα τὰ ἔξωθεν; Gregorius Nazianzenus, Oratio 7, 8 (SC 405, p.  198, 28–31 Calvet-Sebasti); Gregorius Nyssenus, De vita Moysis 2 (GNO 7, 1, p.  43, 20–44, 23 Musurillo): ἔξω παίδευσις. 227   Gregorius Nazianzenus, Oratio 7, 7; 43, 23 (SC 405, p.  194, 11–18 Calvet-Sebasti; SC 384, p.  172, 10–176, 41 Bernardi); Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium 2, 181 (GNO 1, p.  277, 7–9 Jaeger). 228   S. oben S.  817  f. 229   Basilius, Ad adolescentes 5, 1–24 (46 f. Boulenger). 230   Gregorius Nazianzenus, Oratio 43, 23 (SC 384, p.  174, 15 f. Bernardi). 231   Gregorius Nazianzenus, Oratio 32, 25 (SC 318, p.  136, 5–138, 1 Moreschini); Gregorius Nazianzenus, Carmina 1, 2, 10, 43–49 (PG 37, col. 684). Vgl. zum Ganzen Ch. Tornau, Rhetorik, in: RAC 29 (2019), 1–94, hier 75–78. 222

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Allgemeine Bemerkungen zum Verhältnis von Philosophie und christlicher Religion Das Verhältnis der Philosophie zur Religion braucht nicht mehr im Detail ausgeführt zu werden, denn es ergibt sich, dem Gesagten entsprechend, vorwiegend aus deren Gefahren oder Nutzen für die christliche Lehre. Hieraus und aus der einschlägigen Tradition erklären sich einzelne scharfe Formulierungen: Als größte Gefahr der Philosophie für die christliche Theologie gilt es »den Glauben in den Scheinschlüssen aufzulösen« (τὸ λύειν τὴν πίστιν ἐν τοῖς σοφίσμασιν), wobei der Philosophie im Auflösen solcher Irrtümer eine wichtige Rolle zukomme.232 Hierin spiegelt sich der Vorwurf an die jeweiligen Gegner wider, von der »leeren Philosophie« (ματαία φιλοσοφία)233 beziehungsweise »leeren Weisheit« (ματαία σοφία)234 abhängig zu sein, d. h. von falscher Dialektik. Gegen deren Gebrauch wendet sich Gregor von Nazianz und geißelt, neben Pyrrhon und Chrysipp, »die Übeltechnik der Techniken des Aristoteles und die Hexereien des Wohlklangs Platons« (τῶν Ἀριστοτέλους τεχνῶν τὴν κακοτεχνίαν ἢ τῆς Πλάτωνος εὐγλωττίας τὰ γοητεύματα).235 Diese Formulierungen, die mit nicht minder topischen Verweisen auf die »Einfachheit« des christlichen Glaubens und die eigene Inkompetenz in logischen Fragen (παν­τελῶς ἀγύμναστοι τοῦ τοιούτου εἴδους τῶν λόγων ὄντες) garniert werden,236 beziehen den bis Eirenaios und ›Hippolyt‹ zurückreichenden Topos, der Häretiker würde fremdes Gut aus der heidnischen Weisheit ins Christentum eintragen, auf die zeitgenössischen Gegner. Rückschlüsse auf deren tatsächlichen Bildungsgrad und ihre Methodik sind daraus allenfalls nach genauer Prüfung zu ziehen.

Würdigung Die Kappadokier markieren einen Höhe- und Wendepunkt auf dem Weg der Integration der Philosophie ins Christentum griechischer Sprache. Die Philosophie wird nicht mehr, wie bei Eusebios, im Ganzen als etwas Außenstehendes aufgefasst, dessen einzelne Lehren mit christlichen verglichen werden, sondern die Kappadokier arbeiten ihre christliche Glaubensüberzeugung selbständig mit philosophischem Material und rationaler Argumentation aus, wobei sie abzulehnende philosophische Lehren ausscheiden und das Übrige in eine grundlegend christlich 232

  Gregorius Nazianzenus, Oratio 25, 18 (SC 284, p.  200, 13–202, 16 Mossay).   Basilius, De spiritu sancto 5 (Fontes Christiani 12, p.  84, 7–11 Sieben), mit Anspielungen auf die stoische Ursachenlehre. 234   Basilius, Contra Eunonium, prooem. 1 (SC 299, p.  142, 10–14 Seboüé). 235   Gregorius Nazianzenus, Oratio 32, 25 (SC 318, p.  136, 4–138, 1 Moreschini); vgl. Oratio 25, 2 (SC 284, p.  158, 2–5 Mossay); weiteres bei Wyß, Gregor II, 820. 236   Basilius, Contra Eunomium, prooem. 1 (SC 299, p.  140, 5–142, 21 Sesboué). 233

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Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

überformte Lehre einbauen, deren Darlegung über weite Strecken selbst philosophischen Charakter hat. Hierbei werden Anstoß erregende Züge vermieden, so wie sie sich bei Origenes finden, ohne dass darunter das philosophische Argumentationsniveau leidet. Somit entsteht eine Einheit von Philosophie und Christentum, die die hellenische philosophische Bildung in gewisser Weise überflüssig zu machen geeignet ist. Es wäre interessant zu überlegen, inwieweit dies mit den Erfahrungen der Kappadokier unter Julian zu erklären ist. Aufschlussreich – und nicht neu – ist ein Vergleich mit Augustinus, der die lateinisch-christliche Tradition in ähnlicher Weise philosophisch geprägt hat wie die Kappadokier die östliche. Obwohl die Orientierung am Platonismus ein gemeinsames Merkmal darstellt, sind hierbei einige bemerkenswerte Unterschiede festzuhalten: Augustinus lernt über den Platonismus das Christentum verstehen und entwickelt dann nach und nach philosophiekritische Positionen, während die Kappadokier Platonismus und Christentum von vornherein kennen und in ihrer Reflexion gezielt gewisse problematische Punkte aussparen bzw. entsprechend formulieren; folglich entwickelt sich ihre Position sachlich weiter, zeigt aber offenbar keine markanten Richtungswechsel. Hierzu trägt als zweiter Punkt bei, dass die Kappadokier nicht, wie der Lateiner Augustinus, von der akademisch-skeptischen Grundhaltung Ciceros beeinflusst sind, sondern eher, Plotin nicht unähnlich, die problematischen Punkte der eigenen Systematik immer wieder kritisch durchdenken, um diese umso überzeugender auszuformulieren. Insofern hat die Philosophiekultur der griechischen Spätantike wesentlich dazu beigetragen, dass die Kappadokier der Nachwelt ein beeindruckend geschlossenes Modell christlichen Denkens hinterlassen haben.

5. Das Philosophieideal im christlichen Mönchstum Die schon bei Gregor von Nyssa erkennbare Tendenz, das Mönchstum als christliche Philosophie zu verstehen und entsprechend auszuarbeiten, repräsentiert eine breitere geistige Strömung im 4. Jahrhundert, die, insbesondere aufgrund des einflussreichen Werks des Evagrios Pontikos (ca. 346–399), langfristig zur Präsenz von vielen Konzepten stoischer und platonischer Philosophie in der westlichen wie der östlichen christlichen Tradition führt. Evagrios ist freilich nur ein Repräsentant einer sehr mannigfaltigen Tradition: Die Vertreter der von ihm geförderten rationalen, von Origenes beeinflussten Tendenzen, die sich schon bei dem Ägypter Didymos dem Blinden (ca. 313–398) finden, müssen sich konstant gegenüber dezidiert antirationalen Strömungen verteidigen, die kurioserweise manchmal mit umso größerer Intensität das Wort Philosophie im Mund führen, je weniger sie sich an das hellenische Ideal in seiner stoischen oder platonischen Form annähern. Unter den zahlreichen lebenspraktischen Texten, die aus dieser Richtung hervorgegangen sind, bieten sich die Briefe 829

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des Chrysostomos-Schülers Neilos von Ankyra (gest. ca. 430) deswegen zur Behandlung an, weil sie räumlich und zeitlich klar einzuordnen sind.

Didymos der Blinde237 Didymos der Blinde, der seine guten Kenntnisse antiker Philosophie wohl der origeneischen Tradition verdankt, zitiert sowohl Aristoteles’ logische Schriften238 als auch Epikur, den er teils sogar positiv würdigt.239 Zur hellenischen Philosophie im Allgemeinen äußert er sich aber meist kritisch: Sie bringe keine echte Bildung hervor.240 Indem er falsche kosmologische Spekulationen ›Philosophie‹ nennt, folgt Didymos dem biblischen Sprachgebrauch aus ›Kolosserbrief‹ 2, 8.241 Kritisch ist er ferner zu Einzelpunkten: So wird Zenons von Elea Aussage, sich eher die Zunge abzubeißen, als »ich weiß es nicht« zu sagen, von Didymos, im Gegensatz zu allen anderen Zeugnissen für diese Anekdote, negativ bewertet.242 Ein wichtiges Thema ist für Didymos die Kritik des Porphyrios an der allegorischen Exegese der Christen.243 Didymos verwendet das Wort ›Philosophie‹ aber auch für eine ganze Reihe von christlichen Aktivitäten und kann etwa sagen, dass biblische Aussagen »philosophieren«244 oder dass die Worte eines biblischen Autors »Philosophie« sind.245 Voraussetzung hierfür ist jedenfalls, dass Philosophie im Kern eine Suche nach Gott ist246 und dass man durch Christus direkter auf Gott schließen kann, als es die paga237   Überblicke bei B. Kramer, Didymus von Alexandrien, in: TRE 8 (1981), 741–746; M. Zambon, Didyme d’Aléxandrie, in: DPhA 7 (2018), 485–513; M. Zambon, Didymos der Blinde, in: GGPh 5, 2 (2018), 1506–1518. 238   Wörtliche Zitate aus den ›Kategorien‹ und der ›Hermeneutik‹ finden sich bei Didymus Caecus, In Ecclesiasten 226, 23–25; 232, 24–26 (4, p.  102; 124–126 Kramer). 239   Didymus Caecus, In Ecclesiasten 23, 30–24, 11 (1, 1, p.  102–104 Binder  /  Liesenborghs); stärker rekonstruierter Text und Würdigung: G. Binder  /  L. Koenen  /  L. Liesenborghs, Ein neues Epikurfragment bei Didymos dem Blinden, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 1 (1967), 33–44. 240   Didymus Caecus, In Ecclesiasten 158, 7–9 (3, p.  28 Kramer). 241   Didymus Caecus, In Psalmos frg.  764; 903; 1109a (2, p.  105, 11 f.; 184, 8; 285, 22 f. Mühlenberg). 242   Didymus Caecus, In Psalmos 217, 33–218, 2 (3, p.  354 Gesché  /  Gronewald); vgl. die Anmerkung Gronewalds zur Stelle. 243   Vgl. G. Binder, Eine Polemik des Porphyrios gegen die allegorische Auslegung des AT durch die Christen, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 3 (1968), 81–95. 244   Didymus Caecus, In Zacharian 1, 109; 2, 155; 2, 241 (SC 83, p.  250, 2 f. Doutreleau; SC 84, p.  494, 17; 540, 3 Doutreleau). 245   Didymus Caecus, in Zacharian 2, 51; 2, 62; 5, 179 (SC 84, p.  452, 25; 458, 28 Doutreleau; SC 85, p.  1070, 17 f. Doutreleau); Didymus Caecus, In Psalmos 206, 24 f. (3, p.  308 Gronewald); In Psalmos, frg.  1111 (2, p.  286,16 f. Mühlenberg). 246   Didymus Caecus, In Ecclesiasten 82, 24 f. (2, p.  88 Gronewald).

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nen Philosophen »aus einer Analogie zur Schöpfung« (ἐξ ἀναλογίας τῆς κτίσεως) tun.247 Übereinstimmung der Christen mit aller richtigen Philosophie herrscht weiterhin im Hinblick auf die Freiheit des rationalen Wesens zum Guten wie Bösen248 und über die Notwendigkeit, nicht den nicht rationalen Regungen zu folgen,249 so dass das Leben nach Philosophie und Tugend ein Leben im wahrsten Sinne ist.250 Aufs Ganze gesehen kann Didymos insofern als gutes Beispiel für einen geistig offenen Christen des 4. Jahrhunderts gelten, bei dem sich antiphilosophische Topoi mit einer gebildeten und stark philosophisch geprägten Denkweise finden.

Evagrios Pontikos: Ein philosophisch inspiriertes Aufstiegsmodell für intellektuell interessierte Mönche Evagrios Pontikos,251 Sohn eines kappadokischen Lokalbischofs, der im Umfeld des Basileios aufwächst und hier wohl auch ausgebildet wird, zieht, nachdem er ­einige Jahre Gregor von Nazianz und dessen Nachfolger als Bischof der nizänischen Partei in Konstantinopel unterstützt hat, nach Palästina, um schließlich ca. 383 als Mönch nach Ägypten zu gehen. Hier fällt er seinem Umfeld durch seine sehr konsequente Askese auf, wobei er weiterhin Verbindungen zu den mit Origenes sympathisierenden Kreisen Palästinas hält.252 Seine geistige Prägung stammt also einerseits von den beiden ersten kappadokischen Vätern, andererseits von ägyptischen und palästinischen Mönchen; beide Traditionen weisen Verbindungen zu Origenes auf, dessen Weiterleben durch Evagrios besonders gefördert wird. Die besonderen Schwierigkeiten der Annäherung an Evagrios ergeben sich sowohl daraus, dass seine Werke meist Sammlungen kurzer und bewusst dunkel gehaltener, zur Meditation anregender Sentenzen sind, als auch durch den aus der kirchlichen Verurteilung origeneischer Lehren resultierenden253 Verlust der wichtigsten griechischen Schriften, die Evagrios’ theoretische (und nicht asketische) Lehren enthalten, so dass diese nur auf Syrisch erhalten sind. 247

  Didymus Caecus, In Psalmos 151, 10–12 (3, p.  112 Gronewald).   Didymus Caecus, Contra Manichaeos 12 (PG 39, 1100C–1101B). 249   Didymus Caecus, In Ecclesiasten 128, 12–14 (2, p.  222 Gronewald). 250   Didymus Caecus, In Ecclesiasten 162, 17–19 (3, p.  44 Kramer); ebenso mit Verweis auf Philon zu Sarah: Didymus Caecus, In Genesim 235 (SC 244, p.  202, 29 f. Nautin); mit Verweis auf Ijob: Didymus Caecus, Fragmenta in Ijob (PG 39, col. 1128A–1128C). 251   Überblicke bei A. Guillaumont  /  C. Guillaumont, Evagrios Pontikos, in: RAC 6 (1966), 1087–1107; A. Guillaumont, Les ›Kephalaia Gnostika‹ d’Évagre le Pontique et l’Histoire d’Origénisme chez les Grecs et les Syriens, Paris 1962; W.-D. Hauschild  /  D. Wyrwa, Euagrios Pontikos, in: GGPh 5, 2 (2018), 1563–1569. 252   Ein biographischer Überblick findet sich z. B. bei R. E. Sinkewicz, in: Evagrius of Pontus. The Greek Ascetic Corpus. Translated with Introduction and Commentary, Oxford 2003, xvii–xxi. 253   Schriftenübersicht z. B. bei A. Guillaumont  /  C. Guillaumont, Évagre le Pontique, ›Traité pratique ou le moine‹ 1. Introduction (SC 170), Paris 1971, 29–38. 248

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Inhaltliche Grundlinien Der philosophisch anmutende Charakter von Evagrios’ Werk ergibt sich vor allem daraus, dass er in reichem Maße philosophische Terminologie zur Beschreibung einer guten mönchischen Lebensführung verwendet. Ein Großteil dieser Terminologie, die Evagrios trotz seines kryptischen Stils in durchaus origineller und offenbar recht konsistenter Weise gebraucht,254 dürfte aber nicht aus hellenischen Quellen, sondern aus Origenes oder anderen christlichen Autoren übernommen sein. Zentrale Elemente seiner Lehre sind, dass sich die Intellekte von Menschen, Engeln und Dämonen aus einer ursprünglichen Einheit entfaltet haben, zu der sie zurückstreben, wofür freilich die Hilfe Christi, eines weiteren Intellektes, erforderlich ist. Für das Ende der Zeiten erwartet auch Evagrios, wie Origenes, die »Wiederherstellung von allem« (ἀποκατάστασις πάντων).255 Am augenfälligsten ist die Nähe seiner Lehre zur platonischen Philosophie in der Stufenfolge, in der sich nach seiner Vorstellung das geistliche Leben entwickelt. Dieser liegt eine Aufteilung in einen praktischen und einen theoretischen beziehungsweise »gnostischen« (γνωστικός) Teil zugrunde, die schon in einem Brief deutlich wird, der vor Evagrios’ monastischer Zeit verfasst ist. Er betont, dass die Erkenntnis der Trinität der »Naturbetrachtung« (φυσικὴ θεωρία) beigemischt ist, die somit den ganzen Bereich theoretischen Philosophierens umfasst.256 In seinen späteren Werken unterscheidet er drei Stufen des geistlichen Weges, die schließlich zur »äußersten Seligkeit« (ἡ ἐσχάτη μακαριότης) führen: Einhalten der Gebote (τήρησις τῶν ἐντολῶν = πρακτική), Einsicht in die natürlichen Objekte (φυσικὴ γνῶσις), Theologie.257 Evagrios formuliert pointiert: »1. Das Christentum ist die Lehre unseres Erlösers Christus, die aus Praktik, Physik und Theologie besteht. 2. Das Königreich der Himmel ist die Erleidensfreiheit (ἀπάθεια) der Seele, verbunden mit wahrer Erkenntnis von allem Seienden. 3. Das Königreich Gottes ist die Erkenntnis der heiligen Trinität, die sich so weit ausdehnt wie das Bestehen des Geistes, und seine Unvergänglichkeit überragt«.258 254

  Weiteres: Guillaumont  /  Guillaumont, Evagrios Pontikos, 1104–1106.   Überblicke über seine Lehre, die sich aus seinen Schriften nicht leicht eruieren lassen, finden sich z. B. bei Guillaumont  /  Guillamont, Evagrios Pontikos, 1097–1105; K. Pinggéra, All-Erlösung und All-Einheit. Studien zum ›Buch des heiligen Hierotheos‹ und seiner Rezeption in der syrisch-orthodoxen Theologie, Wiesbaden 2002, 70 f.; Vgl. auch die kritischen Bemerkungen zu über-systematischen Deutungen bei A. M. Casiday, Evagrius Ponticus London 2006, 28–36. 256   Evagrius Ponticus, Epistula de fide (griech. [als Basilius, Epistula 8] 1, p.  37, 45–50 Courtonne; syr. 634 Frankenberg). Zur Datierung und Zuschreibung des griechischen Textes an Evagrios vgl. Casiday, Evagrius Ponticus, 45 f. 257   Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica 1, 10 (PO 28, 1, p.  21 Guillaumont); Capitula Practica (PG 40, col. 1221B); zur Terminologie s. auch Capitula Practica 53 (1233C). 258   1. Χριστιανισμός ἐστι δόγμα τοῦ Σωτῆρος ἡμῶν Χριστοῦ ἐκ πρακτικῆς καὶ φυσικῆς 255

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Dies ist eine Reformulierung der bei Origenes zu findenden platonischen Dreiteilung der Philosophie in Ethik, Physik und Epoptik,259 die jeweils auf allegorische Weise mit unterschiedlichen biblischen Heilsbegriffen verbunden wird. Allerdings gehört, wie bei Gregor von Nyssa, die transzendente Schau Gottes selbst, in der man – für einen Mönch zentral – nicht mehr unter der gefürchteten Anfechtung durch Dämonen leiden soll,260 nicht in diese Stufenfolge.261 Das dreiteilige Grundschema wird mithilfe von christlicher und philosophischer Terminologie weiter ausgestaltet: Zur Praxis gehören neben Glaube und Hoffnung auch Gottesfurcht, Selbstbeherrschung und Ausdauer.262 Der theoretische Teil des Weges baut auf die Liebe (ἀγάπη) auf und umfasst fünf »Arten von Betrachtung« (θεωρίαι): die der Trinität, die der unkörperlichen und der körperlichen Objekte sowie die des Gerichts und der Providenz.263 Die erstgenannte stellt das höchste Ziel des geistigen Weges dar264 und dürfte mit der Seligkeit zusammenfallen. Platonischen Einfluss zeigt auch die Seelenlehre des Evagrios: Die Praxis richtet sich ihm zufolge ausschließlich auf den nicht rationalen Seelenteil,265 innerhalb dessen »Zornmut« (θυμός) und »Begierde« (ἐπιθυμία) unterschieden werden,266 auf die sich wiederum verschiedene Tugenden richten, die teils in platonischer, teils in aristotelischer Terminologie beschrieben werden.267 Demgegenüber ist der rationale Seelenteil, der unkörperlich ist und ganz anders als die körperliche Welt funktioniert,268 der Ort der erkennenden beziehungsweise theoretischen Lebensführung, die auf die praktische aufbaut. Schließlich zitiert Evagrios mindestens einmal die ›Historia animalium‹ des Aristoteles269 und zeigt so eine recht breite Bildung auch in einem weniger gelesenen Werk.

καὶ θεολογικῆς συνεστός. 2. Βασιλεία οὐρανῶν ἐστιν ἀπάθεια ψυχῆς μετὰ γνώσεως τῶν ὄντων ἀληθοῦς. 3. Βασιλεία Θεοῦ ἐστι γνῶσις τῆς ἁγίας Τριάδος συμπαρεκτεινομένη τῇ συστάσει τοῦ νοός, καὶ ὑπερβάλλουσα τὴν ἀφθαρσίαν αὐτοῦ. Evagrius Ponticus, Practicus 1–3 (SC 171, p.  498–500 Guillaumont). Vgl. Evagrius, In Proverbia, scholium 2 (SC 340, p.  90 Géhin) und Gnosticus 18 (548, 3–9 Frankenberg [syr.]  /  SC 356, p.  116 f. Guillaumont [frz.]). sowie P. Géhin, in: Évagre le Pontique, Scholies aux proverbes. Introduction, texte critique, traduction, notes, appendices et index par P. Géhin (SC 340), Paris 1987, 28–30; 41–44. 259   S. oben S. 676. 260   Deswegen wird er in Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica 1, 10 (PO 28, 1, p.  21 Guillaumont) nicht genannt. 261   Vgl. oben S. 826. 262   Evagrius Ponticus, Capitula Practica 53 (PG 40, col. 1233B). 263   Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica 1, 27 (PO 28, 1, p.  29 Guillaumont). 264   Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica 1, 52 (PO 28, 1, p.  43 Guillaumont). 265   Evagrius Ponticus, Capitula Practica 50 (PG 40, col. 1233AB). 266   Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica 1, 53 (PO 28, 1, p.  43 Guillaumont). 267   Evagrius Ponticus, Capitula Practica 61 (PG 40, col. 1236 A–C). 268   Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica 1, 45–48 (PO 28, 1, p.  39–41 Guillaumont). 269   Evagrius Ponticus, In Proverbia, Scholium 96 (SC 340, p.  196 Géhin).

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Philosophiebegriff Die theoretische Dimension von Evagrios’ Lehre wird besonders in dem bereits erwähnten frühen Brief eng mit dem Ideal der Philosophie verbunden, welche die theoretische Reflexion über die christlichen Lehren (δόγματα) sei.270 Später bezeichnet »Philosophie« bei ihm entweder die asketische Lebensführung271 oder die Höhe der geistigen Schau, die nur auf diesem Wege zu erreichen ist (ὕψος φιλοσοφίας).272 Auf sie richtet sich die Liebe (ἔρως), die offener als bei Gregor von Nyssa in den Formulierungen von Platons ›Symposion‹ beschrieben und als Ideal des Mönches dargestellt wird.273 Meist wird Philosophie als die theoretische Anstrengung der rationalen Seele beschrieben: An einer Stelle ist sie das stete Bewusstsein, Gott dankbar sein zu müssen (σύνεσις εὐχαριστίας),274 an einer anderen heißt sie »Feldherr der Betrachtung« (θεωρίας στρατηγός), nämlich im Kampf gegen die bösen Gedanken (λογισμοί), der ausschließlich im vernünftigen Seelenteil (λογιστικόν) stattfindet.275 ›Philosophie‹ ist für Evagrios demnach in erster Linie nicht die asketische, auf die nicht rationale Seele bezogene Praxis, sondern ein geistiges Bemühen um Vervollkommnung der rationalen Seele. Dieser Wortgebrauch stimmt im Hinblick auf die angenommenen Stufen des Aufstiegs überein mit der neuplatonischen Beschränkung des Philosophiebegriffs auf Naturphilosophie und Theologie.276

Würdigung Evagrios ist in der Systematik seiner Gedanken, in der reichhaltigen Verwendung philosophischen Materials und der nur gelegentlichen Benutzung des Wortstamms Philosophie ein recht typischer Repräsentant der rationalen Strömungen im antiken Christentum. Da er die philosophischen Formulierungen weniger stark in christliche Formeln kleidet als sein Zeitgenosse Gregor von Nyssa, wird sein Werk zu einem wichtigen Vehikel, dank dessen die philosophische Begrifflichkeit ins christliche Mönchstum übergeht.

270

  Evagrius Ponticus, Epistula de fide (1, p.  23, 11–13 Courtonne).   Evagrius Ponticus (›Nilus Abbas‹), Ad Eulogium 24; De oratione 18 f. (PG 79, col. 1125BC; 1172A). 272   Evagrius Ponticus (›Nilus Abbas‹), Ad Eulogium 4 (PG 79, col. 1100A). 273   Evagrius Ponticus (›Nilus Abbas‹), De oratione 52 (PG 79, col. 1177). 274   Evagrius Ponticus (›Nilus Abbas‹), Ad Eulogium 32 (PG 79, col. 1136C). 275   Evagrius Ponticus (›Nilus Abbas‹), Ad Eulogium 8 (PG 79, col. 1105BC); zur zentralen Rolle dieses Kampfes bei Evagrios Guillaumont, Evagrios Pontikos, 1101. 276   S. oben S. 759. 271

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Neilos von Ankyra und weitere Traktate Wesentlich häufiger als Evagrios verwendet Neilos von Ankyra Worte vom Stamm philosoph-: Unter Philosophie versteht er im Allgemeinen ein selbstbeherrschtes Leben,277 das aber nur als »erhabene Philosophie gemäß Christus« (κατὰ Χριστὸν ὑψηλὴ φιλοσοφία), »Philosophie Gottes« (ἡ τοῦ θεοῦ φιλοσοφία) oder »geistliche Philosophie« (πνευματικὴ φιλοσοφία) wahrhaft vollendet sein kann.278 Diese »wahre Philosophie« (ἀληθὴς φιλοσοφία) wird, nach dem Vorbild der »unsagbaren Philosophie« Christi,279 im Werk und Wort gelebt und besteht insbesondere im Enthobensein der Seele von den körperlichen Leidenschaften,280 das sich in der Selbstbeherrschung und im Gehorsam ausdrückt.281 Wie bei Gregor von Nyssa und Evagrios zielt die Askese aber auf ein theo­ retisches Ziel ab, wozu sowohl die Engel als auch die »unsagbaren Lehren (δόγ­ ματα) und die Königsherrschaft Christi« gerechnet werden können, weswegen das theoretische Bemühen dem Werk vorzuziehen ist, und zwar auch der auf die Armen bezogenen Nächstenliebe (φιλανθρωπία).282 Für Neilos ist die Philosophie eine Liebe (ἔρως), die den Geist zur Betrachtung des Himmlischen hinwegreißt.283 Dies wird jedoch nicht durch ein philosophisches Studium im Sinne der griechischen Bildung erreicht, dem Neilos, anders als Gregor von Nyssa und Eva­ grios, offen kritisch gegenübersteht. Er warnt vor dem Geschwätz der »dummen griechischen Philosophen« (οἱ μωροὶ Ἑλλήνων φιλόσοφοι) oder Pseudophilosophen284 und hält die theoretische Betrachtung der Naturphänomene für »unphilosophisch«,285 da die kosmische Weisheit nicht zur Gotteserkenntnis führe.286 Daher warnt er, vielleicht mit einer Spitze gegen die Anhänger des Evagrios, vor einer theoretischen Beschäftigung, die sich der Theologie und Naturphilosophie widmet und die Praxis vernachlässigt.287 Mit dem Erreichen der wahren Philosophie verliert nicht zuletzt auch jede Beschäftigung mit der griechischen Sprachkunst und Grammatik ihre Berechtigung,288 denn im Hinblick auf den Weg zum Heil kann

277

  Nilus Ancyranus, Epistulae 1, 199; 1, 312; 2, 209 (PG 79, col. 157B; 196C; 309D).   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 49; 3, 72 (PG 79, col. 220AD; 421C). 279   Nilus Ancyranus, Epistulae 3, 161 (PG 79, col. 460C). 280   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 54 (PG 79, col. 224C). 281   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 305; 2, 335 (PG 79, 349D; 364B). 282   Nilus Ancyranus, In Canticum 72, 20 (180, 24 f. Rosenbaum); Nilus Ancyranus, Epistulae 3, 13; 122; 172 (PG 79, col. 376B; 440C; 480D). 283   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 257 (PG 79, col. 332C). 284   Nilus Ancyranus, Epistulae 1, 112; 3, 8 (PG 79, col. 132A; 369B). 285   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 55 (PG 79, col. 224C). 286   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 49 (PG 79, col. 220AD). 287   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 264 (PG 79, col. 333D–336A). 288   Nilus Ancyranus, Epistulae 2, 49 (PG 79, col. 220BC). 278

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ein Mönch oder Bauer kompetenter sein als jemand, der den Zirkel der Bildung (ἐγκύκλιος παιδεία) und Philosophie studiert hat.289 Zahlreiche anonyme Traktate zum mönchischen Leben der Christen ergänzen das aus Neilos zu gewinnende Bild: Die pseudo-neilische ›Erzählung‹ (›Narratio‹) bezeichnet generell den Rückzug aus der Welt als Philosophieren290 und gebraucht den auch bei anderen Autoren zu findenden Ausdruck »sich in etwas hineinphilosophieren« (ἐμφιλοσοφεῖν τινὶ) etwa im Sinne von »sich einer Sache geistig widmen«, wobei zur Gotteserkenntnis aufgestiegen wird.291

Zusammenfassung Insgesamt lässt sich aus den untersuchten Werken entnehmen, wie stark die griechischen christlichen Konzeptionen der Askese und des Mönchstums vom Lebensideal der Philosophie geprägt sind, wobei sie allerdings deren theoretische Haltung und Interessen in wesentlichen Punkten aufgeben. Das ergibt sich im Grunde genommen schon aus dem starken Transzendenzbezug bei Gregor von Nyssa und Evagrios, wird aber gerade von dem weniger theoretischen Neilos besonders klar ausgesprochen: Die christliche Philosophie der Mönche, deren theoretische Beschäftigung ausschließlich auf die Überwindung jedes Denkens in der Gottesschau gerichtet sein darf, grenzt sich nun überzeugt und scharf von der hellenischen Bildung ab, von der sie aber sowohl die Bezeichnung Philosophie als auch das Lebensideal, die Grenzen der Rationalität durch eigenes Bemühen zu übersteigen, übernommen hat.

6. Im Grenzgebiet von Philosophie und Christentum: Nemesios und Synesios Aus philosophischer Sicht sind unter den christlichen Autoren zwei Grenzgänger bemerkenswert, in deren Werk christliche und neuplatonische Elemente eine so enge Verbindung eingehen, dass die geistige Einordnung schwerfällt. Sowohl Synesios von Kyrene als auch Nemesios von Emesa hinterlassen ein Œuvre, das sie vorwiegend als Philosophen erscheinen lässt.

289

  Nilus Ancyranus, Epistulae 3, 43 (PG 79, col. 413A).   ›Nilus Ancyranus‹, Narratio 1, 4 (2, 20–23 Conca). 291   ›Nilus Ancyranus‹, Narratio 1, 1; 3, 18 (1, 9 f.; 19, 22–20, 1 Conca). 290

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Ein Philosoph wird Bischof und reflektiert seine eigenen Überzeugungen: ­Synesios von Kyrene Bei Synesios von Kyrene (ca. 370–413)292 lässt sich sein Verhältnis zur Philosophie im Grundsatz biographisch erklären: Mit einigem Abstand folgt auf sein Studium der Philosophie bei Hypatia293 in Alexandrien die Wahl zum Bischof in seiner Heimat Kyrene. Sein Werk zeigt, dass er diesen Schritt, auch aufgrund seiner philosophischen Überzeugungen, die er nicht aufgibt, nur unter Bedenken übernimmt. Die Interpretation dieser Bedenken fällt jedoch umso schwerer, als die konfessionelle Entwicklung des Synesios sich aus seinen Schriften nicht eindeutig ermitteln lässt: Nach einer traditionellen Hypothese, die immer noch gelegentlich vertreten wird,294 lässt sich der der Philosophie nahestehende Synesios erst zum Zeitpunkt seiner Bischofswahl taufen; nach der heute verbreitereren Annahme hat er zu diesem Zeitpunkt bereits das Christentum angenommen oder sogar die Taufe empfangen.295 Alle Hypothesen haben im Hinblick auf die unklare Quellenlage, die sowohl aus der zumeist philosophischen Form von Synesios’ eigenen Schriften als auch aus dem Verlust vieler Werke seiner Vorbilder Hypatia und Porphyrios resultiert, ein gewisses Begründungsdefizit, um entweder zu erklären, wie ein nicht-christlicher Philosoph plötzlich zum Bischof gemacht wird oder wie ein Christ fast durchweg philosophische Traktate schreibt. Der sachliche Gegensatz löst sich aber teilweise auf, wenn man Synesios als Vertreter einer Oberschicht sieht, die aufgrund der Umstände seit Konstantin offiziell christlich wird, ohne ihre ererbten Bildungsgewohnheiten aufzugeben (wie es die Familien des Basileios und Gregor von Nazianz auch nicht tun). Unter dieser Annahme scheint es durchaus konsequent, dass die christliche Lehre für Synesios eine untergeordnete Rolle spielt und erst zum Thema wird, wenn die persönliche Geisteshaltung für ein politisches Amt, wie es das des Bischofs um 400 bereits ist, Bedeutung erhält.

292

  Übersichten: H. I. Marrou, Synesius of Cyrene and Alexandrian Neuplatonism, in: A. Momigliano (Hrsg), The Conflict Between Paganism and Christianity in the 4th century, Oxford 1963, 126–150; S.  Vollenweider, Neuplatonische und christliche Theologie bei Synesios von Kyrene, Göttingen 1985; St. Toulouse, Synésios de Cyrène, in: DPhA 6 (2016), 639–678; S.  Vollenweider, Synesios von Kyrene, in: GGPh 5, 3 (2018), 1898–1909. 293   S. oben S. 730, 736. 294   Auf Deutsch z. B. von Tanaseanu-Döbler, Konversion zur Philosophie in der Spätantike, 155–286. 295   Vgl. Toulouse, Synésios de Cyrène, 656.

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Die Philosophie in der Spätantike

Philosophiebegriff und Verhältnis zum Platonismus In jedem Fall lässt sich für Synesios festhalten, dass seine Überzeugung, die Philosophie sei das höchste Lebensideal, im Sinne des Neuplatonismus und nicht einer christlichen Philosophie zu verstehen ist.296 Platonisch geprägt ist zum Beispiel sein Verständnis der Einteilung der Philosophie in Theorie und Praxis,297 das er im Sinne eines stufenweisen Aufstiegs deutet, bei dem die praktischen Tugenden kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung für den eigentlichen, theoretischen Aufstieg sind. Dieser muss über die kathartischen Tugenden298 und die (anscheinend mit diesen verbundene) Naturphilosophie zu den »Gedanken« bzw. »Ideen« (νοήσεις) aufsteigen, d. h. zur geistigen Schau der Wahrheit beziehungsweise Gottes.299 Diese Struktur sei, so Synesios, »von alten und seligen Männern herausgearbeitet« (παλαιοῖς τε καὶ μακαρίοις ἀνδράσιν) worden, womit nur die platonische Schultradition gemeint sein kann.300 Dieses Aufstiegsdenken wird von Synesios in einen breiteren Kontext gestellt. Die klassische Definition der Philosophie als »Fertigkeit der Fertigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften« (τέχνη τεχνῶν καὶ ἐπιστήμη ἐπιστημῶν) bedeutet für ihn, dass die Philosophie, »wie es der Königin ziemt« (ὥσπερ ἔοικεν τῇ βασιλίδι), die anderen Fertigkeiten und Wissenschaften anzuleiten und zu ordnen habe.301 Denn der Philosoph sei durch die Philosophie »mit sich selbst und Gott verbunden (συνέσται)«, während er durch die »niederen Fähigkeiten des Logos« (ὐφειμέναι δύναμεις τοῦ λόγου) mit den Menschen verbunden sei.302 Diese platonischen Formulierungen implizieren, dass für Synesios, anders als für viele Platoniker,303 das geistige Leben des Philosophen und seine Beziehung zu Gott keine Isolierung von der Umwelt implizieren, sondern ihn auf das Leben in dieser verpflichten. Synesios entwickelt die genannten Charakterisierungen in Abgrenzung zu zwei Gruppen von Gegnern: Den einen wirft er vor, frech ohne jegliche Bildung in der Öffentlichkeit über Gott zu reden,304 die anderen, die sich auf Platon berufen, kritisiert er für den Rückzug aus der Öffentlichkeit beziehungsweise ihr Schweigen sowie das Ziel der Selbsterlösung, das insbesondere durch religiöse Praktiken erreicht werden soll.305 Während die erste Gruppe wohl mit den Kynikern (darunter 296

  Synesius, Epistulae 137 f. (3, p.  277, 46–62; 278, 21–279, 2 Garzya).   Synesius, Epistulae 103 (3, p.  231, 84–88 Garzya). 298   S. oben S. 754. 299   Synesius, Dio 9, 6; 10, 1 (4, p.  163 f.; 165 Lamoureux). 300   Synesius, Dio 10, 2 (4, p.  165 Lamoureux). 301   Synesius, Dio 4, 3 (4, p.  152 Lamoureux). 302   Synesius, Dio 5, 1 f. (4, p.  153 Lamoureux). 303   S. oben S. 775. 304   Synesius, Epistulae 154 (3, p.  302, 19–30 Garzya). 305   Synesius, Dio 7, 1 (4, p.  157 Lamoureux); Synesius, Epistulae 154 (3, p.  302, 31–303, 47 Garzya). 297

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womöglich auch bestimmten Mönchen) gleichzusetzen ist, weist die zweite darauf hin, dass Synesios jedenfalls einem Teil der zeitgenössischen Platoniker sehr kritisch gegenübersteht. Einen Ausgangspunkt für die Frage, wer hierunter fallen könnte, bietet die Beobachtung, dass Synesios gegenüber den Athener Neuplatonikern ausgesprochen reserviert zu sein und sie geradezu mit der wahren Philosophie seiner Lehrerin zu kontrastieren scheint.306 Nun ist seine geistige Persönlichkeit zwar ohne Zweifel durch Hypatia, »die authentische Vorsteherin der Mysterien der Philosophie« (τῆς γνησίας καθηγεμόνος τῶν φιλοσοφίας ὀργίων),307 geprägt, doch lässt sich deren philosophischer Standpunkt nicht aus eigenen Schriften ermitteln, so dass Synesios’ Zeugnis großer Wert für die Ermittlung ihrer Position zukommt, ohne dass aber ein Vergleich möglich wäre.308 Die Forschung zu diesem Punkt geht häufig davon aus, dass insbesondere Porphyrios den Hintergrund von Synesios’ (und Hypatias) Position bilde,309 was interessanterweise der philosophischen Bildung der meisten Kirchenväter und insbesondere seines jüngeren Alexandriner Zeitgenossen Kyrill entsprechen würde, nicht aber der Überzeugung der meisten bekannten Neuplatoniker zu seiner Zeit. Die neuere Gegenthese, dass die Nähe seiner Hymnen zu den chaldäischen Orakeln nur durch den Einfluss Jamblichs erklärbar sei,310 kann in Anbetracht der Benutzung der Orakel durch Porphyrios311 jedenfalls nicht als bewiesen gelten. Trotzdem ist es im Einzelnen schwierig, Aussagen des Synesios einer bestimmten Richtung des Neuplatonismus zuzuweisen: So erinnert seine Feststellung, das Ziel des Menschen bestehe im »Leben gemäß dem Geist« (ἡ κατὰ νοῦν ζωή),312 ohne dass das Eine in diesen Kontexten erwähnt würde, an Texte des Marius Victorinus, die auf Porphyrios zurückgehen könnten.313 Dass Synesios betont, die Seele sei nicht ein »Gut« (ἀγαθόν), sondern nur »von der Gestalt des Guten« (ἀγαθοειδές),314 erinnert am ehesten an Jamblich und Proklos und scheint eine Distanzierung von Plotin zu bedeuten. Sie ist aber mit Porphyrios’ Betonung der 306  Vgl. Synesius, Epistulae 136 (3, p.  275, 19 f. Garzya  /  Roques), wo mit »das Paar der plutarchischen Sophisten« oder »der weisen Plutarcheer« (ἡ ξυνωρὶς τῶν σοφῶν Πλουταρχείων) Plutarch von Athen und Syrian gemeint sein dürften: Luna  /  Segonds, Plutarque d’Athènes, 1087 f., auch zu den divergierenden Lesarten, ferner Vollenweider, Neuplatonische und christliche Theologie, 19 f.; Toulouse, Synésios de Cyrène, 654. Zur aktuellen Diskussion über die hier geteilte Position vgl. Vollenweider, Synesios von Kyrene, 1903–1905. 307   Synesius, Epistulae 137 (3, p.  276, 8 f. Garzya). 308   Vgl. die Bemerkungen von Toulouse, Synésios de Cyrène, 664. 309  Vollenweider, Neuplatonische und christliche Theologie 14 f.; neuerdings wieder Toulouse, Synésios de Cyrène, z. B. 661. 310   Vgl. Saffrey, Hypatie d’Alexandrie, 816. 311   Vgl. L. Brisson, Oracles chaldaiques, in: DPhA 4 (2005), 788 f. 312   Synesius, Epistulae 137 (3, p.  277, 59 Garzya). 313   Zum Beispiel die von P. Hadot, Porphyre et Victorinus, Bd.  1–2, Paris 1968, 2, 35–38 zitierten. 314   Synesius, Dio 9, 8 (4, p.  164 Lamoureux).

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Transzendenz und Einheit der Seele nicht notwendig unvereinbar.315 Vor diesem Hintergrund scheint es letztlich nach wie vor am plausibelsten, dass die von Synesios für ihre religiösen Riten kritisierten Platoniker tatsächlich Anhänger Jamblichs sind, deren theurgische Praxis er als unphilosophisch missbilligt; dies würde natürlich zu einer christlichen Grundtendenz hervorragend passen.

Verhältnis der Philosophie zu Politik, Rhetorik und Wissenschaften Es könnte auch mit seiner relativ positiven Stellung zur politischen Aktivität zu tun haben: Für Synesios muss der Liebhaber der Weisheit auch einer der Polis sein (ἀνάγκη τὸν αὐτὸν εἶναι καὶ φιλόπολιν καὶ φιλόσοφον).316 Aus diesem Grund nimmt er sich im ›Dion‹ und wohl auch in seinem Fürstenspiegel ›Über die Königsherrschaft‹ (Περὶ βασιλείας) Dion von Prusa zum Vorbild,317 dessen politische Reden er als »ein Grenzgebiet zwischen den Anfangslehren und der allerwahrsten Bildung« (μεθόριον τῶν προπαιδευμάτων τε καὶ τῆς ἀληθινωτάτης παιδείας), d. h. der »edlen Philosophie« (τῆς γενναίας φιλοσοφίας), ansieht.318 Zwar äußert er Zweifel an der Eignung der Philosophie zu politischer Tätigkeit, aber alle anderen Fertigkeiten (τέχναι) oder Wissenschaften (ἐπιστήμαι) sieht er als noch ungeeigneter an.319 Auch hierin zeigt sich, dass Synesios einem Philosophieverständnis anhängt, das eher für die Kaiserzeit typisch ist und in der Spätantike nur noch von wenigen, insbesondere Themistios, vertreten wird.320 Da Synesios von der Philosophie auch eine Wirksamkeit in der menschlichen Gemeinschaft erwartet, ist sie für ihn aufs engste mit der Rhetorik und der griechischen Kultur im Ganzen verbunden.321 Daher wendet er sich im ›Dion‹ gegen ein »bäurisches« Verständnis der Philosophie, das er seinen beiden Gruppen von Gegnern unterstellt.322 Allerdings sieht er selbst die Philosophie als nützlichstes Mittel für jede Tätigkeit an und billigt folglich nur die »richtige« Rhetorik, die kein äußeres Ziel verfolge, sondern in Einklang mit der Philosophie stehe.323 In diesem Sinne betont er zu Beginn von ›Über die Königsherrschaft‹, dass die Philosophie, anders als Rhetorik und Poetik, keine angenehmen, sondern vor Unfreiheit warnende Worte anzubieten habe und gerade deswegen an den Hof zu lassen sei.324

315

  S. oben S. 746, 754  f.   Synesius, Epistulae 103 (3, p.  230, 54 f. Garzya). 317   Vgl. dazu Schramm, Neuplatonische politische Philosophie. 318   Synesius, Dio 4, 1 (4, p.  151 Lamoureux). 319   Synesius, Epistulae 103 (3, p.  228, 18–22 Garzya). 320   S. oben S.  789  f. 321   Synesius, Dio 4, 3 (4, p.  152 Lamoureux). 322   Synesius, Epistulae 154 (3, p.  301, 1–303, 65 Garzya). 323   Synesius, Epistulae 103 (3, p.  229, 29–32 Garzya). 324   Synesius, De regno 1, 1–3 (5, p.  64 f. Lamoureux). 316

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Philosophie und Religion Aus dieser Grundhaltung müssen auch Synesios’ Überlegungen zum Verhältnis von Religion und Philosophie verstanden werden, die als ein Hauptproblem seiner geistigen Stellung gelten können. Bemerkenswert ist, dass der Unterschied von (platonischer) Philosophie und Christentum bei ihm keinen Bruch darstellt, sondern dass rein mit hellenischen Motiven ausformulierte Texte neben solchen mit christlichen Elementen stehen, wobei die Frage, ob sie verschiedenen Zeitpunkten angehören, hier offen bleiben muss.325 In den platonischen Schriften greift er ganz offen die interpretatio philosophica der griechischen Götterwelt auf,326 doch ist eine monotheistische Grundausrichtung bei ihm stets fühlbar,327 was freilich bei einem Anhänger der Philosophie in jedem Fall zu erwarten ist. Von besonderer Bedeutung ist Synesios’ 105. Brief, in dem er für die Öffentlichkeit328 seine Bedenken gegen die Wahl zum Bischof ausführt. Seine Argumentation umfasst die folgenden Elemente: Er könne seine in der Philosophie bewiesenen Überzeugungen nicht aufgeben, wozu folgendes gehöre: 1. die Präexistenz der Seelen, 2. die Ablehnung einer Zerstörung der gesamten Welt, 3. die Auferstehung der Toten in ihrem volkstümlichen, d. h. körperlichen Verständnis, das ihren Charakter als unaussprechliches Mysterium nicht ernstnehme. Allerdings »gibt ein philosophischer Geist, der die Wahrheit schaut, die Notwendigkeit zu, sich zu verstellen«, denn die Lüge sei nützlich für das Volk, die Wahrheit aber unter Umständen schädlich. »Innen philosophiere ich, nach außen lehre ich mit Freude am Mythos«.329 Es handelt sich hier um eine bemerkenswert offene Darlegung der von Eusebios und Augustinus kritisierten Haltung, als Philosoph brauche man seine Überzeugungen der Masse der Menschen nicht kundzutun und könne daher am Kult teilnehmen. Synesios nutzt hier also ein älteres, letztlich wohl auf die theologia tripertita der hellenistischen Zeit zurückgehendes Prinzip zur Rechtfertigung seines Bischofamts, das er in Distanz zu seinen persönlichen Überzeugungen übernimmt. Der Gegensatz zwischen Philosoph und Masse liegt nach seinen Aussagen vor allem in der Höhe der Einsicht, auf deren Grundlage das rechte Leben geführt wird. Wo der Philosoph Beweisen folgt, aber auch scheinbar Widersprüchliches denken kann, werden ungebildete Leute eher durch Mythen überzeugt.330

325

  Vgl. Vollenweider, Neuplatonische und christliche Theologie 13 f.   Synesius, De insomniis 1, 3 (4, p.  269 f. Lamoureux). 327   Vgl. Vollenweider, Neuplatonische und christliche Theologie, 13 f. 328   Synesius, Epistulae 105 (3, p.  238, 70 f. Garzya). 329   Νοῦς μὲν οὖν φιλόσοφος ἐπόπτης ὢν τἀληθοῦς συγχωρεῖ τῇ χρείᾳ τοῦ ψεύδεσθαι. […] Τὰ μὲν οἴκοι φιλοσοφῶ, τὰ δ’ ἔξω φιλόμυθός εἰμι διδάσκων. Synesius, Epistulae 105 (3, p.  238, 71–241, 145, Zitat 239, 90–92 und 99 f. Garzya). 330   Vgl. Marrou, Synesius of Cyrene, 141–149. 326

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Würdigung Synesios ist ausweislich seines Werks in erster Linie Zeuge eines Platonismus, der dessen Grundlehren für bewiesen hält und das theoretische Leben bevorzugt, aber, wie man es z. B. auch bei Themistios sieht, eine relativ-starke politisch-praktische Tendenz hat. Dies mag ebenso wie die Ablehnung der Athener Platoniker mit einer christlichen Bildung des Synesios zu tun haben, doch bleibt die in seinen meisten Schriften eher implizit und tritt nicht nach außen hervor. Wie lange auch immer er ein Christ und Bischof war, er war es jedenfalls auf die Weise eines platonischen Philosophen und zeigt, dass beides für spätantike Menschen auf eine gewisse Weise verbindbar ist. Damit bildet er eine Gegenperspektive zur Position des Julian und repräsentiert vielleicht einen Übergang der Oberschicht zum Christentum, der durch dessen Scheitern weiter vorangetrieben worden ist.

Christliche Anthropologie auf platonischer Grundlage: Nemesios von Emesa Eine Verbindung von philosophischen und christlichen Annahmen sieht man ferner bei Nemesios von Emesa,331 dessen ›Über die Natur des Menschen‹ (›De natura hominis‹) im Hinblick auf Argumentation und Quellen sehr philosophisch vorgeht, obwohl der christliche Standpunkt des Autors deutlich ist. Das Werk wird traditionell ans Ende des 4. Jahrhunderts datiert, also kurz nach den spätesten identifizierbaren Quellen, doch setzt eine Rezeption erst nach 600 ein.332 Ein neuerer Ansatz schlägt daher mit interessanter Begründung eine Datierung ins 6. Jahrhundert, in die Nähe des Leontios von Byzanz und den Kontext der origenistischen Streitigkeiten, vor.333 Nach einem einleitenden Kapitel, welches die Größe des Menschen als Mikrokosmos preist, folgen eine Reihe von Absätzen, in denen die wichtigen Themen der philosophischen Anthropologie überliefert sind; auffällig ist, dass das Werk relativ spontan einsetzt und schließt, ohne Prooemium, Inhaltsverzeichnis und Widmung, was bei einem spätantiken Werk mit einem breiten literarischen An-

331

  Überblicksdarstellungen: A. Palancic  /  M. Chase, Némésius d’Émèse, in: DPhA 4 (2005), 625–654; S.  Föllinger  /  D. De Brasi, Nemesios von Emesa, in: RAC 25 (2013), 822– 838; A. M. Ritter, Nemesios von Emesa, in: GGPh 5, 2 (2018), 1579–1586. 332   Vgl. Palancic  /  Chase, Némésius d’Émèse, 647. 333   Vgl. P. F. Beatrice, Origen in Nemesius’ Treatise ›On the Nature of Man‹, in: G. Heidl  / R. Somos (Hrsg.), Origeniana Nona. Origen and the Religious Practice of his Time. Papers of the 9th International Origen Congress (Pécs, Hungary, 29 August – 2 September 2005), Leuven 2009, 505–532, besonders 509–524 mit Verweis auf die bei Nemesios vorausgesetzte inhaltliche Nähe von Origenes’ Anthropologie und der Christologie der Antiochener.

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spruch – der Autor wendet sich an Christen wie Hellenen334 – überrascht.335 Als Urheber relevanter Ansichten werden neben älteren Philosophen Plotin, Porphyrios, Theodor von Asine und auch Jamblich336 sowie, als heterodoxe Christen, Eunomios und Apollinaris von Laodikeia337 namentlich zitiert, ebenso auch die »Hebräer« und die »Manichäer« sowie, für einige akzeptierte Lehren, Autoren des Neuen Testaments.338 Indem Nemesios einen Dualismus, bei dem die Seele nicht vom Körper beeinflusst werden kann, mit dem Versuch verbindet, das leib-seelische Wesen trotzdem als Einheit zu erklären,339 folgt er der neuplatonischen Anthropologie,340 deren Kenntnis er offenbar weitgehend den ›Vermischten Untersuchungen‹ (Συμμικτὰ ζητήματα) des Porphyrios verdankt, welche er ausdrücklich zitiert.341 Trotz seiner philosophischen Argumentationsweise erwähnt Nemesios den Philosophiebegriff nirgends, sondern lediglich die »sogenannte theoretische Philosophie« (τῆς θεωρητικῆς καλουμένης φιλοσοφίας), innerhalb derer er verschiedene Arten natürlichen Seins andeutet.342 Demgegenüber sieht er aber das christliche Dogma als das entscheidende Wahrheitskriterium an.343 Mit Synesios verbindet ihn also eine Offenheit für philosophische Argumentationsformen, die diese auf einer Ebene mit christlichen Meinungen behandelt, doch steht es für Nemesios außer Zweifel, das die Wahrheit des Christentums jeder Philosophie überlegen ist. Anders als bei Synesios geschieht die Verbindung beider Größen im Übrigen bewusst.

Würdigung In der Zusammenschau lassen Synesios und Nemesios erkennen, als wie groß die Nähe zur Philosophie bei einigen griechischen Christen der Spätantike empfunden wird. Beide sind philosophisch gebildet und nehmen als Christen, allerdings in unterschiedlicher Weise, an den philosophischen Diskursen ihrer Zeit teil: Ne334

  Nemesius, De natura hominis, 333 f. (120, 19–23 Morani).   Eine ausführliche Inhaltsübersicht geben Palancic  /  Chase, Némésius d’Émèse, 631– 647, doch wird die literarische Form des Werkes nicht weiter diskutiert. 336   Nemesius, De natura hominis 36; 117 (1, 9; 35, 5–8 Morani). 337   Zum Beispiel Nemesius, De natura hominis 36; 103 (1, 11 f.: 30, 18 Morani). 338   Beispiele: Hebräer: Nemesius, De natura hominis 46; 56 (6, 6; 11, 15 Morani); Manichäer: Nemesius, De natura hominis 110 (32, 20 Morani); NT: Paulus in Nemesius, De natura hominis 44 (5, 12 Morani). 339   Nemesius, De natura hominis 124 f.; 143 f. (37, 21–38, 10; 44, 4–21 Morani). 340   Nicht nachvollziehbar ist die Aussage von Föllinger  /  De Brasi, Nemesios von Emesa, 829, er vertrete »keinen Dualismus«. 341   Vgl. H. Dörrie, Porphyrios’ ›Symmikta zetemata‹. Ihre Stellung in System und Geschichte des Neuplatonismus nebst einem Kommentar zu den Fragmenten, München 1959, 12–103. Das Zitat findet sich bei Nemesius, De natura hominis 139 f. (43, 1–8 Morani). 342   Nemesius, De natura hominis 284 f. (102, 11–20 Morani). 343   Nemesius, De natura hominis 125 (38, 7–9 Morani). 335

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mesios nutzt die Philosophie zur systematischen Ausarbeitung einer christlichen Anthropologie, deren Überlegenheitsanspruch aufrechterhalten wird. Synesios schreibt verschiedene Werke im platonischen Stil und raisonniert in Anbetracht des Bischofsamtes, dem er sich nicht verweigert, über die Möglichkeit, als Christ an platonischen Überzeugungen festzuhalten. Insofern sind die Perspektiven, aus denen beide auf die kulturelle Verschmelzung in ihren Schriften blicken, ganz unterschiedlich und zeigen verschiedene Wege des Umgangs mit einer Situation auf, in der die Verbindung von Christentum und wahrer Philosophie keineswegs alle Zeitgenossen überzeugt.

7. Die Schule von Antiochien und ihr Umfeld Eine bedeutende, aber nicht leicht erschließbare christliche Institution der Spätantike ist die sogenannte antiochenische Schule, deren bekannteste Vertreter Diodor von Tarsus (gest. 392/394) und Theodor von Mopsuestia (ca. 350–428) sind. Sie ist dafür bekannt, unter Vermeidung einer allegorischen Auslegung insbesondere den historischen Sinn des biblischen Textes ergründen zu wollen; ferner für ihre Nähe zu den christologischen Thesen des Nestorios, deren Zwei-NaturenLehre ein viel kritisierter Versuch ist, das Verhältnis von Gott und Mensch in Christus vor dem Hintergrund der trinitarischen Ontologie der Kappadokier zu deuten.344 Auf die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Schule hat bereits Martin Grabmann in seiner ›Geschichte der scholastischen Methode‹ aufmerksam gemacht und sie wegen ihrer methodischen Vorgehensweise gewürdigt. 345 Diese ließe sich wohl anhand der systematischen Ausgestaltung der Werke verfolgen, die aus der antiochenischen Schule (Theodoret von Kyrrhos, Nestorianische Quaestionensammlungen des 6. Jhdts.) und den ihr nahestehenden Institutionen in Edessa (Philoxenos von Mabbug) und Nisibis (Causa-Literatur, Institutiones Iunilii, Babai der Große) erhalten sind, doch ist dies bisher noch nicht im Zusammenhang geschehen. Schwierig sind auch Aussagen zum Verhältnis der Antiochener zur Philosophie. In der älteren Forschung galten sie teils als ›rationalistisch‹, was allerdings von späteren Forschern bekämpft wird, nicht zuletzt aufgrund einer negativen 344

  Vgl. Grillmeier, Jesus Christus im Glauben der Kirche 1, 547. Das Problem ergibt sich recht folgerichtig aus der Voraussetzung Gregor von Nyssas, dass man die Einheit der göttlichen Personen nur wahren kann, wenn man die göttliche Substanz vom Menschen wesenhaft unterscheidet. 345   »Auf eine ausgiebigere und systematische Weise wurde die aristotelische Philosophie durch die antiochenische Schule in den Dienst der christlichen Theologie gestellt«: M. Grabmann, Geschichte der scholastischen Methode 1. Die scholastische Methode von ihren Anfängen in der Väterliteratur bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts, Freiburg 1909, 93.

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Konnotation dieses Wortes in bestimmten christlichen Kreisen.346 Die Literarizität der antiochenischen Bibelerklärungen legt allerdings in der Tat eher eine gewisse Spannung zur philosophisch beeinflussten allegorischen Bibelauslegung nahe. Dies wird in der Schule von Nisibis, welche sich als Fortsetzerin der antiochenischen Tradition sieht, jedenfalls offen ausgesprochen: Philon habe die allegorische Methode aus der Philosophie übernommen und an Origenes weitergegeben, wodurch »Halluzinationen« in den Bibeltext eingedrungen seien.347 Wenn die Antiochener allerdings in neuerer Forschung vielfach als eher wissenschaftskritisch gelten,348 muss dem entgegengehalten werden, dass ihre Benutzung philosophischer Konzepte dem Grundsatz nach anderen christlichen Vätern entspricht.349 Einen gewissen Ersatz für die verlorenen Schriften Diodors und Theodors geben die Werke zweier ihnen eng verbundener Autoren: Theodoret von Kyrrhos (393–466), ein vielseitiger Schriftsteller mit Bezügen zum Mönchstum, der sich in seiner ›Therapeutik der hellenischen Leiden‹ (›Curatio affectionum Graecarum‹) explizit mit der hellenischen Philosophie auseinandersetzt, sowie Johannes Chrysostomos (349–407), ein Schüler des Diodor sowie Freund des Theodor von Mopsuestia sowie einer der berühmtesten christlichen Prediger aller Zeiten. Beide überliefern nicht nur mancherlei Informationen über die Philosophie in Antiochien und Umgebung, sondern entwickeln in Zusammenhang mit dem Mönchstum eigene Philosophiebegriffe. Als Hintergründe der antiochenischen Autoren sind generell Tendenzen der kulturellen Situation im syrisch-obermesopotamischen Raum wichtig, namentlich die Tätigkeit des Rhetors Libanios in Antiochien, die die Erinnerung an Kaiser Julian auch nach dessen Tod hochhält, sowie die starke Rolle astraldeterministischer Modelle in der Tradition des Bardaiṣān von Edessa, die eine geistige Auseinandersetzung erforderlich machen.350

346   Vgl. zu Theodor von Mopsuestia den Forschungsüberblick bei P. Bruns, Den Menschen mit dem Himmel verbinden. Eine Studie zu den katechetischen Homilien des Theodor von Mopsuestia, Leuven 1995, 1–15; S.-P. Bergjan  /  D. Wyrwa, Theodor von Mopsuestia, in: GGPh 5, 2 (2018), 1605–1614. 347  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 3, p.  376, 10–12 Scher). 348   Vgl. C. Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De opificio mundi‹. ›Über die Erschaffung der Welt‹. Übersetzt, und eingeleitet von C. Scholten, Bd.  1–3, Freiburg u. a. 1997, 1, 53–56. 349   Das lässt sich z. B. aus der Darstellung bei Bruns, Den Menschen mit dem Himmel verbinden, herauslesen, dort z. B. 87–92 zur Ontologie. 350   Vgl. W. Meyer  /  D. Wyrwa, Johannes Chrysostomos, in: GGPh 5, 2 (2018), 1614–1619, 1614; S.  P.; Bergjan, Diodor von Tarsos, in: GGPh 5, 2 (2018), 1597–1605, hier 1603.

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Diodor von Tarsus und Theodor von Mopsuestia Der Versuch, einen rudimentären Einblick in das Philosophieverständnis des Diodor und Theodor zu geben, führt gleich auf eine Reihe Werktitel verlorener Schriften, die der Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie gewidmet sind.351 Diodor von Tarsus, dem Barḥaḏbšabbā Kompetenz in Philosophie und Exegese zuschreibt,352 bringt in seiner Schrift gegen die Astronomen, die offensichtlich eine umfangreiche Deutung der verschiedenen Phänomene der Natur enthält,353 deren Fatalismus mit der Lehre von der Ewigkeit der Welt in Verbindung,354 was für recht breite Kenntnisse und einiges Abstraktionsvermögen spricht. Er soll sich auch mit Platon, Porphyrios und anderen Autoren auseinandergesetzt haben.355 Sein eigener Philosophiebegriff umfasst nach den erhaltenen Fragmenten einerseits das Ertragen von Leid,356 andererseits die Philosophie als Gesetzgeber ethischer Regeln.357 Theodor von Mopsuestias theoretisches Potential lässt sich z. B. daran ermessen, dass er, obwohl laut ›Exodus‹ 3, 14 Gott schlechthin »ist«, auch den geschaffenen Dingen ausdrücklich Sein zuschreibt, den Seinsbegriff also nicht nur auf Gott bezieht, sondern eine universale Ontologie vorbereitet.358 Einen großen Entwurf Theodors bildet vor allem seine Lehre von zwei »Weltzuständen« (καταστάσεις), des gegenwärtigen und des künftigen, welche letztlich eine christliche Systematik über verschiedene Fragen der Naturbeschreibung und -philosophie legt.359 Theodor betont ferner das symmetrische Verhältnis der zwei »Naturen« von Gott und Mensch in Christus, die nur als »Person« (πρόσωπον) vereinigt seien,360 und bereitet somit die ›nestorianische‹ Position vor. Theodors nur bruchstückhaft rekonstruierbaren theoretischen Leistungen entspricht offenbar eine häufige Verwendung des Wortes Philosophie: So stützt 351   Vgl. Th. Fuhrer, Diodor von Tarsus, in: LACL, 199 f.; P. Bruns, Theodor von Mopsuestia, in: LACL, 678–680. 352  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 3, p.  378, 2 f. Scher). Zu Diodor vgl. auch Bergjan, Diodor von Tarsos,1597–1605. 353   Vgl. Ch. Schäublin, Zu Diodors von Tarsus Schrift gegen die Astrologie, in: Rheinisches Museum NF 123 (1980), 51–67. 354   Diodorus Tarsensis, apud: Photius, Bibliotheca codicum 223 (4, p.  9, 33–42; 12, 12–13, 22 Henry). 355   Vgl. Ch. Schäublin, Diodor von Tarsos gegen Porphyrios?, in: Museum Helveticum 27 (1970), 58–63. 356   Diodorus Tarsensis, In Psalmos 38, 1; 39, 2a (CCG 6, p.  234, 10 f.; 240, 17 f. Olivier). 357   Diodorus Tarsensis, Fragmenta in Romanos 12, 20 f. (107, 12 Staab). 358   Theodorus Mopsuestenus, Homiliae catecheticae 9, 10 (p.  228 = f. 58r, 6–16 Tonneau); Fragmenta Syriaca (p.  57, 28–58, 19 Sachau). Vgl. Bruns, Den Menschen mit dem Himmel verbinden, 88–90. Die Stelle steht im Hintergrund der Ontologie des Barḥaḏbšabbā (s. die unten S. 1102 Anm. 24 zitierte Literatur). 359   Vgl. Bergjan  /  Wyrwa, Theodor von Mopsuestia, 1608–1613. 360   Kurze Zusammenfassung bei Bergjan  /  Wyrwa, Theodor von Mopsuestia, 1609–1612.

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Theodor seine Interpretation von »am Anfang war das Wort«361 auf eine Unterscheidung von »Anfang« (ἀρχή) und »Erstem« (πρῶτον), für die er sich auch auf Philosophen beruft, die »den Physikern folgten«; er selbst entnimmt dieses Wissen anscheinend einer Doxographie.362 Auch sonst verwendet er »philosophieren« (φιλοσοφεῖν), wie die Kappadokier, auch für die theoretische Arbeit des Christen, zum Beispiel des Evangelisten Johannes, die sich durch Neuheit auszeichne (ὡς καινόν τι φιλοσοφῶν)363 und zu christlichen Lehrsätzen führe (περὶ τῶν τῆς θεοτήτος ἐφιλοσόφησε δογμάτων).364 Aus den Fragmenten seiner Schrift gegen Julian geht hervor, dass für ihn die Philosophie nur die Tätigkeit einiger, nicht aller Christen sei, da es sich nur um einen Rat Jesu handle; das Wort wird also im Sinne von Mönchstum oder Askese gebraucht.365 Hätte man mehr griechische Originaltexte, ließe sich zum Sprachgebrauch wohl noch manches ergänzen, denn die syrischen Übersetzungen vermeiden, gerade im Falle verbalen Gebrauchs, häufig den Wortstamm philosoph- und sprechen stattdessen von »Fremden« oder, ähnlich wie Ephrem, von »Weisen unter den Griechen«.366

Johannes Chrysostomos367 Johannes Chrysostomos, der vorwiegend in Antiochien und in Konstantinopel wirkt, spricht in seinem umfangreichen Werk sehr häufig über die Philosophie und die Philosophen,368 womit sowohl Hellenen als auch Christen gemeint sein können, wobei Erstere an anderen Stellen mit Ausdrücken wie »die äußeren« (οἱ ἔξωθεν) oder »die Philosophen der Hellenen« (οἱ  Ἑλλήνων φιλόσοφοι) bezeichnet werden.369 Mehrfach stellt er in diesem Sinne die Philosophen als die nun überwundenen Gegner der Christen dar370 und polemisiert recht scharf gegen sie, vor allem gegen Platon, unter anderem mit Hinweis auf die Lehre von der Wieder­

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  Evangelium secundum Ioannem 1, 1.   Theodorus Mopsuestenus, Fragmentum Graecum in Ioannem 2 (307, 5–16 Devreese). 363   Theodorus Mopsuestenus, Fragmentum Graecum in Ioannem 2 (309, 23 Devreese). 364   Theodorus Mopsuestenus, Fragmentum Graecum in Ioannem 1 (306, 9 Devreese). 365   Theodorus Mopsuestenus, Contra Iulianum, frg.  6, 3 f. (92, 9–21 Guida). 366   Theodorus Mopsuestenus, In Ioannem (CSCO Syr. 62, p.  5, 25; 15, 2 [syr.]  /  63, p.  4, 10–12; 9, 20 [lat.] Vosté) = Fragmentum Graecum in Ioannem 1; 2 (306, 9; 307, 5 Devreese [griech.]; vgl. auch CSCO Syr. 62, p.  12, 9–13 [syr.]  /  63, p.  7, 22–26 [lat.] Vosté, wo kein griechischer Text erhalten ist). 367   Überblicke bei R. Brändle  /  V. Jegher-Bucher, Johannes Chrysostomos I, in: RAC 18 (1998), 426–503; Meyer  /  Wyrwa, Johannes Chrysostomos, 1614–1619. 368   Zum Sprachgebrauch vgl. Malingrey, Philosophia, 263–301. 369   Ioannes Chrysostomus, De Lazaro 3, 3; In Matthaeum 10, 4 (PG 48, col. 994; 57, col. 188). 370   Ioannes Chrysostomus, De S.  Babyla contra Iulianum 2 (PG 50, col. 536 f.). 362

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geburt sowie die Rolle der Frauen im ›Staat‹ (›Politeia‹).371 Im Ganzen wirken seine Kenntnisse hellenischer Philosophie freilich eher bescheiden.372 Ein positiver Begriff von Philosophie wird von Chrysostomos durchweg mit einer guten Lebensführung verbunden, so dass er die »der richtigen Lebensführung entsprechende Philosophie« (ἀπὸ τῆς πολιτείας φιλοσοφία) von der »Richtigkeit der Dogmen« unterscheidet.373 Die Empfehlung heidnischer Exempla auch für Christen zeigt, dass er in dieser Hinsicht der hellenischen Philosophie mehr abgewinnen kann.374 Seine Behauptung, solche Praxis sei besser als das nutzlose Wissen der Hellenen, greift den Diskurs über wahre Philosophie auf, den man z. B. bei Dion von Prusa und Themistios findet.375 Wenn Chrysostomos weiter sagt, sowohl aus christlicher Sicht wie auch nach Ansicht von hellenischen Philosophen sei Philosophie im Wesentlichen Ethik376 und erfordere keine theoretische Bildung (χωρὶς τῆς παιδεύσεως),377 lässt sich vermuten, dass insbesondere Ansichten der Kyniker, die er gelegentlich scharf kritisiert,378 seine Haltung prägten.

Christliches Leben und Mönchstum als Philosophie Die Aufforderung zur Philosophie richtet Chrysostomos sehr häufig an Christen und versteht darunter ein gutes christliches Leben, das keineswegs nur auf das Mönchstum beschränkt ist. Schon Apostel sind Beispiele für wahre Philosophie: Diese zeigt sich z. B. in der Natur der Seele des Petrus,379 und sogar Judas war (vor seinem Verrat!) in sie eingeweiht.380 Typische Merkmale auch der christlichen Philosophie sind ein tugendhaftes Leben, Furchtlosigkeit vor dem Tod und »Freimut« (παρρησία);381 eine solche »Philosophie«, die bei Chrysostomos mit einer ganzen Reihe von Adjektiven qualifiziert werden kann, stellt für ihn den einzigen Weg zur Seligkeit dar.382 Bibelworte 371   Ioannes Chrysostomus, In Acta apostolorumin 4, 3 f; De S.  Babyla contra Iulianum 9 (PG 60, col. 47 f.; 50, col. 544). 372   Eine in der Wertung nicht immer glückliche Auflistung bietet Brändle, Johannes Chrysostomus I, 453–458. 373   Ioannes Chrysostomus, De Christi divinitate 12, 5 (PG 48, col. 811). 374   Ioannes Chrysostomus, Adversus oppugnatores 2, 5 (PG 47, col. 339); In 2 ad Thessalonicenses 2 (PG 62, col. 472). 375   Ioannes Chrysostomus, In Acta apostolorum 4, 4 (PG 60, col. 48); s. oben S. 604  f. 376   Ioannes Chrysostomus, Ad populum Antiochenum 18, 4 (PG 49, col. 185). 377   Ioannes Chrysostomus, Adversus oppugnatores 3, 11 (PG 47, col. 367). 378   S. oben S. 197–200. 379   Ioannes Chrysostomus, In Acta apostolorum 4, 4; Cum Presbyter fuit ordinatus 3 (PG 60, col. 47 f.; 48, col. 697). 380   Ioannes Chrysostomus, Quod nemo laeditur 11 (PG 52, col. 472). 381   S. oben S. 196, 212, 251  f. 382   Ἡ ἄνω ἡ κατὰ τὸν θεὸν φιλοσοφία: Ioannes Chrysostomus, Ad populum Antiochenum 18, 4 (PG 49, col. 186); ἡ κατὰ Χριστὸν φιλοσοφία: De Lazaro 5, 3 (PG 48, col. 1021);

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nennt er auch Lehren (δόγματα) der christlichen Philosophie, deren »philosophischer« Charakter ein Beleg für ihre göttliche Herkunft ist.383 Die Verbindung mit dem Wissen ist aber für die Philosophie nicht entscheidend; vielmehr sollen die Christen auch ohne sicheres Wissen über die Zukunft der »barbarischen« Philosophie folgen.384 Das mönchische Leben verwirklicht das allgemeine Philosophieideal in spezifischer Weise (φιλοσοφία καὶ ἐρημία).385 Diese »himmlische Philosophie« (οὐράνιος φιλοσοφία) beruht auf einer langen Zeit der Bildung während des jungfräulich-klösterlichen Lebens.386

Verhältnis der Philosophie zu Rhetorik und Politik Die Rhetorik ist in den Augen des exzellenten und hervorragend ausgebildeten Redners und Predigers Chrysostomos387 zusammen mit der hellenischen Philosophie ein typisches Element griechischer Bildung und ähnlich wie sie zu bewerten, d. h. meistens eher als überflüssige Ablenkung vom guten Leben.388 Freilich können auch Rhetorik und Poesie den Christen mit Beispielen guten Lebens versorgen.389 Chrysostomos wendet sich scharf gegen Platons und Zenons Vorstellungen vom Idealstaat, da sie mit dem himmlischen Ideal kontrastieren.390 Das traditionelle Verhältnis der Philosophen zum Herrscher bildet hingegen ein wichtiges Motiv für sein Lob wahrer Philosophie: Er betont den Vorrang des Philosophen vor dem Herrscher mit paganen Beispielen391 und stellt auch in diesem Kontext den »Freimut« (παρρησία) heraus, der von einem Philosophen, gerade von einem christlichen, vor dem Herrscher erwartet werden kann, während seine Zeitgenossen hier versagt hätten.392

πᾶσα φιλοσοφία (bezogen auf Körper und Seele): Cum Presbyter fuit ordinatus 3 (PG 48, col. 697); vgl. Malingrey, Philosophia, 270–277. 383   Ioannes Chrysostomus, Ad Theodorum 1, 1 (PG 47, col. 279). 384   Ioannes Chrysostomus, Adversus oppugnatores 5, 6 (PG 47, col. 77). 385   Ioannes Chrysostomus, Ad Theodorum 1, 17; ἀληθὴς φιλοσοφία: De sacerdotio 1, 3; Ad populum Antiochenum 17, 2 (PG 47, col. 304; 48, col. 623; 49, col. 174). 386   Ioannes Chrysostomus, Adversus oppugnatores 3, 18; De virginitate 16 (PG 47, col. 380; 48, col. 545). 387   Vgl. Tornau, Rhetorik, 78–82. 388   Ioannes Chrysostomus, De Lazaro 3, 3 (PG 48, col. 994); In Acta apostolorum 4 (PG 60, col. 47); De S.  Babyla contra Iulianum 2 (PG 50, col. 436); In Matthaeum 1, 4 (PG 57, col. 18). 389   Ioannes Chrysostomus, In 2 ad Thessalonicenses 2 (PG 62, col. 472). 390   Ioannes Chrysostomus, In Matthaeum 1, 4 (PG 57, col. 18v). 391   Ioannes Chrysostomus, Adversus oppugnatores 2, 5 (PG 47, col. 339). 392   Ioannes Chrysostomus, Ad populum Antiochenum 17, 2; De S.  Babyla contra Iulianum 8 (PG 49, col. 173; 50, col. 543).

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Würdigung Chrysostomos’ Schriften beeindrucken vor allem durch die Selbstverständlichkeit, mit der wahre Philosophie als Leitbild des christlichen Lebens dargestellt wird. Dabei bleibt es nicht bei diesem einen Wort, sondern die Schilderung des Ideals greift wichtige Elemente des antiken Philosophieideals, besonders im kynischen Verständnis, auf, das auch gut zu seinem geringen Interesse an systematischen Fragen passt.

Theodoret von Kyrrhos393 Theodoret, ausgebildet in der Schule von Antiochien und Bischof einer syrischen Kleinstadt, geht vor allem in zwei Hinsichten auf Philosophie ein: Einerseits setzt seine ›Therapeutik der hellenischen Leiden‹ die Tradition der christlichen Auseinandersetzung mit der Philosophie fort, andererseits entfaltet er in seiner Mönchsgeschichte und zahlreichen Briefen das christliche Philosophieideal.

Argumentative Struktur der ›Therapeutik der hellenischen Leiden‹ Die ›Therapeutik der hellenischen Leiden oder Aufdeckung der Wahrheit des Evangeliums aus der hellenischen Philosophie‹ (Ἑλληνικῶν θεραπευτικὴ πα­ θ­ημάτων ἢ εὐαγγελικῆς ἀληθείας ἐξ ἑλληνικῆς φιλοσοφίας ἐπίγνωσις)394 verfolgt – etwa zeitgleich mit Augustinus’ in mancher Hinsicht vergleichbarem ›Gottesstaat‹ – das Programm, das Christentum als die wahre Vollendung der legitimen Anliegen der hellenischen Kultur darzustellen, deren beste Früchte zu diesem Zweck zu bewahren sind, wie Theodoret im Sinne des Chrēsis-Gedankens formuliert: »Die Dornen nicht auszureißen, sondern zu verwandeln, befiehlt das Gesetz unseres Ackerbaus«.395 Die Idee der Philosophie als Medizin der Seele bildet

393   Überblicke bei P. Bruns, Theodoret von Cyrus, in: LACL, 683–685; S.  P. Bergjan  / D. Wyrwa, Theodoret von Kyrrhos, in: GGPh 5, 2 (2018), 1620–1633. Zur Deutung seines Werkes können jetzt auch Y. Papadoyannakis, Christianity and Hellenism in the fifth Century Greek East. Theodoret’s Apologetics Against the Greeks in Context, Cambridge (Mass.)  /  London 2012, sowie Siniossoglou, Plato and Theodoret (dort z. B. 34–43 zu Theodorets Beziehungen zu den Hellenen seiner Umgebung), herangezogen werden, der generell wichtige Aspekte der anti-hellenischen christlichen Polemik herausarbeitet. 394   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio, prooem. 16 (SC 57, 1, p.  103, 9–11 Canivet). 395  Οὐ γὰρ ἐκτέμνειν, ἀλλὰ μεταβάλλειν τὰς ἀκάνθας ὁ τῆς ἡμετέρας γεωργίας παρακελεύεται νόμος. Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 1, 7 (SC 57, 1, p.  105, 17–19 Canivet).

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e­ inen Leitfaden des Werks,396 das sich durch einen strukturierten Aufbau auszeichnet, der im antiochenischen Schulbetrieb geübt gewesen sein mag. Es beginnt, wie zuvor Theodor von Mopsuestias ›Katechetische Homilien‹,397 mit einem Traktat über den Glauben als Fundament der christlichen Lehre und endet, nach zehn Abhandlungen zu verschiedenen Themen, mit einem 12. Buch über die wahre philosophische Lebensführung, die sich besonders im Mönchstum finde.398 Zur Erreichung seines Zwecks weist Theodoret auf die sachliche Übereinstimmung einer ganzen Reihe philosophischer, vor allem platonischer Lehren mit dem Christentum hin, die seine noch nicht zu diesem bekehrten Adressaten über dessen Kontinuität mit der antiken Kultur informieren sollen.399 Die Schrift, die sich in ihrem Vorwort auch das Ziel setzt, für die einfachen Christen die hellenische Kritik am Christentum aufzulösen,400 wird so zu einer Aufforderung zum Studium der hellenischen Philosophen in ihrer Verweisfunktion auf das Christentum.401 Dieser zweifache Anspruch wird mit den klassischen Topoi der christlichen Apologetik begründet: dem höheren Alter der biblischen Tradition, der Einheit der christlichen Überzeugungen im Vergleich zur Zerstrittenheit der Philosophen als Garant der Wahrheit des Christentums, der weltweiten, auch an einfache Menschen gerichteten Verbreitung des Christentums.402

Platons Glanz und Platons Elend: Theodorets Kenntnisse und Kritik der hellenischen Philosophie Voraussetzung für ein solches Projekt ist eine breite eigene Kenntnis philosophischer Quellen seitens Theodorets. Allerdings arbeitet er in seiner ›Therapeutik‹ ganz überwiegend mit den Zitaten von Philosophen, die seine Vorgänger Cle396   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 1, 1–5 (SC 57, 1, p. 101, 1–103, 8 Canivet). 397   Vgl. Bruns, Den Menschen mit dem Himmel verbinden, 36. 398   Zur Struktur: Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio, prooem. 4–15 (SC 57, 1, p.  104, 7–107, 16 Canivet); dazu P. Canivet: SC 57, 1 (2000), 27–46; Siniossoglou, Plato and Theodoret; C. Scholten, in: Theodoret, ›De Graecarum affectionum curatione‹. ›Heilung der griechischen Krankheiten‹. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen, Leiden, Boston 2014, 49–53. Es ist interessant, dass der Abschluss mit einem ethischen Traktat sich auch in der Causa-Literatur aus der Schule von Nisibis findet (s. unten S. 1100 und dort die Anm.  10 zitierte Literatur). 399   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 2, 114–117 (SC 57, 1, p.  169, 12–170, 20 Canivet). Vgl. Bergjan  /  Wyrwa, Theodoret von Kyrrhos, 1626–1628. 400   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio, prooem. 1–3 (SC 57, 1, p.  100, 4–22 Canivet). 401   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 2, 116 f. (SC 57, 1, p.  170, 3–15 Canivet). 402   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 5, 44–50; 5, 66–68 (SC 57, 1, p.  241, 12–243, 7; 248, 1–24 Canivet).

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mens von Alexandrien403 und vor allem Eusebios, den er namentlich erwähnt,404 gesammelt haben. Zitiert werden neben Platon vor allem platonische Autoren wie Plutarch, Numenios, Porphyrios und Plotin. Eigene Lektüre, zum Beispiel von Platons ›Apologie des Sokrates‹ und Porphyrios’ ›Philosophiegeschichte‹, scheint hingegen nur einen geringen Raum einzunehmen; seinen syrischen Landsmann Jamblich scheint Theodoret nicht zu kennen. Doxographien wie die des Aetios, die er benötigt, um die Uneinigkeit der hellenischen Philosophen zu erweisen, versorgen ihn mit Kenntnissen anderer Richtungen der Philosophie.405 So sehr Theodoret für seine Absicht, über die hellenische Philosophie zum Christentum hinzuführen, ein positives Bild entwirft, so differenziert stellt sich dies im Einzelnen dar. Soweit er der Philosophie Wahrheit zubilligt, bezieht sich das meistens auf Platon, dem er selektiv folgt, wenn er zum Beispiel, wie Eusebios, seine monotheistische Haltung akzeptiert, seine polytheistischen Äußerungen aber kritisiert.406 In der Anthropologie betont er trotz seiner Anerkennung der Unsterblichkeit der Seele407 die Schöpfung des Menschen als leib-seelisches Wesen mit einem Körper, der an sich gut ist.408 An anderen Stellen zeigt er aber auch eine ausgesprochen kritische Stellung, die sich von der positiven Grundstimmung bei Eusebios und den Kappadokiern deutlich unterscheidet: So klagt Theodoret Platon ganz offen des Dualismus von Gutem und Bösen an, da er in den ›Gesetzen‹ (›Nomoi‹) eine böse Weltseele angenommen habe.409 Eine Darstellung der ›Philosophen‹, zu denen er auch einige christliche Lehrer rechnet, als Verbreiter von Irrlehren findet sich auch zu Beginn seiner zehn Reden ›Über die Vorsehung‹,410 die insgesamt, auch unter Rückgriff auf philosophisches Gut, dem Ziel gewidmet sind, gegen die Bestreitung der Vorsehung zu kämpfen.411 Auch in diesem wenig bekannten und erforschten Werk wird aber der positive Beitrag der hellenischen Philosophen zum Thema des Werkes kurz gewürdigt.412

403

  S. oben S.  663  f.   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 2, 97 (SC 57, 1, p.  165, 6–9 Canivet). 405   Vgl. P. Canivet, in: Théodoret de Cyr, Thérapeutique des maladies helléniques. Texte critique, introduction, traduction et notes par P. Canivet (SC 57, 1), Paris 1958, 57–59. Vgl. auch die Quellendarstellung von R. Goulet, Théodoret de Cyr, in: DPhA 6 (2016), 986–991, hier 989 f. 406   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 2, 42 (SC 57, 1, p.  150, 6–12 Canivet). 407   Theodoretus Cyrensis, De providentia 1 (PG 83, col. 560D). 408   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 5, 50–52; 5, 76 (SC 57, 1, p.  243, 4–17; 251, 9 f. Canivet). 409   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 3, 103 f. (SC 57, p.  201, 5–13 Canivet), mit Bezug auf Plato, Leges 10, 896de. 410   Theodoretus Cyrensis, De providentia 1 (PG 83, col. 557D–560C). 411   Theodoretus Cyrensis, De providentia 1 (PG 83, col. 560D–561A). 412   Theodoretus Cyrensis, De providentia 9 (PG 83, col. 728D–729A). 404

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Elemente des Philosophiebegriffs und ihre Verwirklichung im christlichen Mönchstum Zur Philosophie gehören für Theodoret die Erkenntnis des Göttlichen (τῶν θείων ἡ γνῶσις) und die Praxis; zur wahren Erkenntnis ist neben Gotteslehre (θεολογία) und Naturphilosophie (φυσιολογία) auch ein fester Glaube erforderlich.413 Im Ausgang von leicht variierten Bibelstellen wie »werdet Nachahmer (Evangelium: »Söhne«) Eures Vaters im Himmel« und »Werdet vollkommen (Evangelium: »Ihr werdet vollkommen sein«), wie Euer himmlischer Vater vollkommen ist«414 führt Theodoret das Ideal einer ethischen Nachahmung Gottes ein415 und parallelisiert dies mit dem platonischen Ähnlichwerden im menschlichen Maße,416 das freilich in der hellenischen Philosophie selbst bei Sokrates nicht verwirklicht worden sei.417 Ein Grund hierfür ist in Theodorets Augen die Verbindung der hellenischen Philosophie zur Rhetorik und Poetik, die er alle als Bestandteile der einen hellenischen Kultur ansieht.418 Eine mögliche Konsequenz hieraus sieht er in einem philosophischen Oberflächenwissen aufgrund des Rhetorikunterrichts, das er bei einigen hellenischen Zeitgenossen kritisiert.419 Der einzige Vorteil der Philosophie der Griechen besteht in seinen Augen in der sprachlichen Schönheit ihrer Texte, die Theodoret gerne mit Schlagwörtern wie »Wohlklang« oder »Wohlgesetztheit« (εὐγλωττία bzw. εὐέπεια) umschreibt,420 während er inhaltlich von der absoluten Überlegenheit der christlichen Position überzeugt ist. Im Übrigen stellt auch Theodoret den ethischen Charakter des PhilosophieIdeals schon bei Platon heraus und betont dessen hervorragende Realisierung im christlichen Mönchstum. Mit Hinblick auf das Ähnlichwerden mit Gott421 fasst er 413

  Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 3–6 (SC 57, 2, p.  419, 10– 420, 8 Canivet). 414   »Γίνεσθε οὖν μιμηταὶ τοῦ Θεοῦ.« […] »Γίνεσθε μιμηταὶ τοῦ πατρὸς ὑμῶν τοῦ ἐν οὐρανοῖς.« Καὶ πάλιν· »Γίνεσθε τέλειοι, καθὼς ὁ πατὴρ ὑμῶν ὁ οὐράνιος τέλειός ἐστιν«. Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 7–10 (SC 57, 2, p.  420, 12–421, 14; Zitat 420, 15 f. Canivet), mit Bezug auf wie Mt. 5, 45 und 48 sowie die Parallelen in den synoptischen Evangelien. 415   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 11–18 (SC 57, 2, p.  421, 15–423, 20 Canivet). 416   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 19–21 (SC 57, 2, p.  423, 21–424, 17 Canivet). 417   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 26 f (SC 57, 2, p.  426, 13– 427, 7 Canivet). 418   Zum Beispiel Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 2, 6; 2, 19 (Πλάτων ὁ εὐγλωττότατος) (SC 57, 1, p.  138, 13–18; 143, 8 f. Canivet). 419   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 1, 18 (SC 57, 1, p.  108, 1–8 Canivet). 420   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 5, 60; 5, 64 (SC 57, 1, p.  246, 6 f.; 247, 6 f. Canivet). 421   S. oben S.  244  f.

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zusammen: »Hierdurch skizzierte Platon die Lebensführung unserer Philosophen« (ἐν τούτοις ὁ Πλάτων τὴν τῶν ἡμετέρων φιλοσόφων ἐζωγράφησε πολιτείαν).422 Dieser Gedanke wird, neben weiteren Zitaten, mit dem bereits von Clemens und Jamblich zitierten platonischen Plädoyer für das Leben des Philosophen in der Wildnis erläutert,423 um die Trennung der christlichen Philosophen von der Politik und ihren Rückzug in Berge und Wüste zu rechtfertigen, wodurch allein das platonische Philosophie-Ideal verwirklicht worden sei.424 Theodoret wendet sich in diesem Abschnitt ausdrücklich an hellenische Leser und fordert sie auf, ihre Verachtung gegenüber den Mönchen abzulegen und deren Leben als Verwirklichung von Philosophie im Sinne Platons anzuerkennen.425 Auch sonst bezeichnet Theodoret die Askese, insbesondere das Mönchstum, sehr häufig tout court als Philosophie (ἀσκητικὴ φιλοσοφία).426 In seiner ›Geschichte des gottesfürchtigen Lebens‹ (›Historia religiosa‹), die diesen Sprachgebrauch auch im Vergleich mit anderen Mönchsviten wie der ›Historia lausiaca‹ besonders intensiv pflegt, beschreibt er das asketische Leben als einen »Lehrer der Philosophie« (φιλοσοφίας διδάσκαλον).427 Die Klöster sind dann für ihn »Sorgestätten der Philosophie« (φροντιστήρια τῆς φιλοσοφίας)428 und Mönche »Liebhaber der Philosophie« (ἐρασταὶ τῆς φιλοσοφίας)429 oder »Athleten der Philosophie« (φιλοσοφίας ἀθληταί), und ihre Lebensführung nennt er, wie Chrysostomos, »politische Aktivität« (πολιτεία).430 Während Chrysostomos das Wort Philosophie häufig mit einigen hellenischen, besonders kynischen Charakterisierungen versieht, finden sich derartige Konnotationen bei Theodoret selten.

422   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 26 (SC 57, 2, p.  426, 11 f. Canivet). 423   Plato, Theaetetus 174de; s. oben S. 664, 775. 424   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 27–43 (SC 57, 2, p.  427, 5–432, 21 Canivet). 425   Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 29; 12, 33; 12, 37 (SC 57, 2, p.  428, 6 f.; 429, 6–17; 430, 15–20 Canivet). 426   Theodoretus Cyrensis, Historia ecclesiastica 5, 34, 9 (GCS NF 5, p.  336, 7 Parmentier). 427   Theodoretus Cyrensis, Historia religiosa, prooem. 3 (SC 234, p.  130, 1 f. Canivet  /  Mollinghen). 428  Theodoretus Cyrensis, Historia religiosa 2, 6; 3, 4 (SC 234, p.  206, 8; 252, 6 Canivet  /  Mollinghen). 429   Theodoretus Cyrensis, Historia religiosa 4, 12 (SC 234, p.  318, 21 Canivet  /  Mollinghen). 430   Theodoretus Cyrensis, Historia religiosa 2, 9 (SC 234, p.  216, 7–17 Canivet  /  Mollinghen); Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio 12, 32 (SC 57, 2, p.  428, 20–429, 5 Canivet).

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Würdigung Das Werk Theodorets ist nicht nur ein bedeutendes Zeugnis für die Geisteshaltung gebildeter Christen zu Beginn des 5. Jahrhunderts, sondern auch für die Situation und das Verständnis der Philosophie zu dieser Zeit. Er akzeptiert bei aller Kritik die in der Philosophie zu findenden Wahrheiten und die Übereinstimmungen von Platonismus und Christentum, die er sowohl zur Überzeugung seiner hellenischen Adressaten vom Christentum als auch zur Argumentation für die Providenz nutzt. Seine Überzeugung, dass die inhaltlichen (wenn auch nicht die sprachlichen) Ideale griechischer Bildung im Christentum ihre Verwirklichung auf breiter Front gefunden haben, beinhaltet den Gedanken, dass die antike Kultur auch im Christentum – und in den von diesem festgelegten Grenzen – weitergepflegt werden kann und soll. Die eigentlichen ethischen Anliegen wahrer Philosophie werden dagegen für ihn im Mönchstum umgesetzt und lebendig gehalten.

Zusammenfassende Betrachtung Die spätantiken Zeugnisse für das Umfeld der antiochenischen Schule ergeben ein differenziertes Bild: Diodor und Theodoret besitzen offensichtlich gute Kenntnisse der antiken Philosophie und wissen diese für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Die eigentliche Verwirklichung des Philosophie-Ideals sehen jedoch alle genannten Autoren offensichtlich primär in der ethischen Praxis, die spätestens bei Theodoret mit dem Mönchstum zusammenfällt. Demnach lehnt die antiochenische Schule wohl weniger das Philosophie-Ideal ab, als sie dessen primär praktische Realisierung betont; dadurch erklärt sich auch, weswegen sich Ansätze zu einer rational-systematischen Ausarbeitung des Christentums, wie sie von den Kappadokiern betrieben werden, bei ihnen nicht finden.

8. Philosophische Bildung in Polemik und Christologie bei Kyrill von Alexandrien Kyrill, Patriarch von Alexandrien (gest. 444),431 prägt, nicht anders als sein Amtsvorgänger Athanasios einige Jahrzehnte zuvor, sowohl die Kirchenpolitik seiner Zeit als auch die Ausformulierung der christlichen Lehre entscheidend mit; insbesondere die Ablehnung der antiochenischen bzw. ›nestorianischen‹ Christologie wird von ihm wesentlich initiiert, mit aller Härte betrieben und schließlich, auf 431

  Übersichtsdarstellungen: G. Jouassard, Cyrill v. Alexandrien, in: RAC 3 (1957), 499– 516; G. Münch-Labacher, Cyrill von Alexandrien, in: LACL, 174–178; Ch. Riedweg, Kyrill von Alexandrien, in: GGPh 5, 2 (2018), 1586–1596.

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Kosten eines bleibenden Schismas mit der persischen Kirche des Ostens, durchgesetzt. Seine eigene Christologie betont, bei aller Anerkennung auch der Menschheit Christi, vor allem dessen göttliche Natur.432 Philosophiegeschichtlich ist er einerseits aufgrund seiner Widerlegung der Schrift ›Gegen die Christen‹ des Kaisers Julian erwähnenswert, der neuerdings bescheinigt wird, eine »äußerst effektive Apologie eines […] auch philosophisch gebildeten Mannes« zu sein.433 Das ist allerdings so zu verstehen, dass Kyrill wie viele Christen seiner Zeit eine christliche Lesart hellenischer Philosophen mit den klassischen anti-hellenischen Argumenten der Christen, vor allem dem Altersargument und demjenigen der Zerstrittenheit der Philosophen, aufgreift und neu ausarbeitet. Es gibt aber auch einige beachtliche Neuansätze, zum Beispiel dahingehend, Moses’ kosmologische Argumentation als eine Kritik des nicht konsequenten Monotheismus der philosophischen Autoren zu lesen (was freilich zum Altersargument in einer gewissen Spannung steht).434 Andererseits hat Kyrill durch seine Rezeption der aristotelischen Logik in christologischen Debatten eine gewisse philosophiehistorische Bedeutung, da er, als dauernder Referenzpunkt der Diskussionen der Folgezeit, diese Praxis und somit das Studium der aristotelischen Logik indirekt fördert. Eine derartige Vorgehensweise findet sich aber nicht in allen einschlägigen Schriften Kyrills, sondern vor allem in ›Über die Schätze der heiligen und wesensgleichen (ὁμοούσιος) Trinität‹.435 Seine logischen Kenntnisse reichen für eine eigenständige Argumentation aus: So weist er, in einer anti-subordiantistischen Wendung, darauf hin, dass die Bezeichnung »ungezeugt« (ἀγέννητος) nicht im Sinne des aristotelischen Begriffs der Substanz (οὐσία) positiv auf Gott (den Vater) angewandt werden kann, weil Gott dann unter eine Gattung fallen und Akzidenzien aufnehmen würde,436 und unterscheidet verschiedene Arten von Gegensätzlichkeit.437 Die hier zutage tretenden Kompetenzen Kyrills lassen vermuten, dass er auch im Hinblick auf weitere Gebiete von der lebendigen Philosophietradition in Alexandrien profitiert, so wie es neuerdings für seine Auseinandersetzung mit Julian vermutet wird.438 432

  Vgl. Riedweg, Kyrill von Alexandrien, 1594 f.   W. Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CXVIIIf., wo auch divergierende ältere Urteile zitiert werden. 434   Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 2, 24 (GCS NF 20, p.  119, 9–19 Riedweg); vgl. im Übrigen die detaillierte Inhaltsübersicht bei Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CXXI– CXLVII. 435   Vgl. zu diesem Punkt die Analysen von M.-O. Boulnois, Le paradoxe trinitaire chez Cyrille d’Alexandrie. Herméneutique, analyses philosophiques et argumentation théologique, Paris 1994, 181–227; H. van Loon, The Dyophysite Christology of Cyril of Alexandria, Leiden  /  Boston 2009, 61–122. 436   Cyrillus Alexandrinus, Homilia Paschalis 12 (PG 77, 689C–691A); Thesaurus de trinitate 2 f. (PG 75, col. 28B–36D) 437   Cyrillus Alexandrinus, Thesaurus de trinitate 8 (PG 75, col. 108B). 438   Vgl. Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CLVIII–CLX. Zum geistigen Austausch der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Alexandriens vgl. auch Watts, City and Schools, 153 f. 433

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Philosophiebegriff und Teile der Philosophie Obwohl Kyrills Studium und Gebrauch philosophischer Quellen also eher anlassbezogen ist, spricht er doch gelegentlich positiv von der Philosophie als Ideal, um die Lebenshaltung einer durch Wissen ausgezeichneten Elite zu bezeichnen.439 Das nicht allzu häufige Wort bezieht sich bei ihm meist auf theoretisches Philosophieren440 und kann in diesem Sinn sowohl aristotelische Ontologie bezeichnen441 als auch die geistige Anstrengung von Christen oder auch biblischen Autoren.442 Gelegentlich kann es auch für eine gute Lebenshaltung stehen.443 Das Wort wird, nicht immer pejorativ, für die hellenische Philosophie verwendet,444 insbesondere in ›Gegen Julian‹.445 Häufiger bezeichnet es aber christliche Lehre und Lebensführung: Hierzu nutzt Kyrill die platonische Definition der Philosophie als ›Ähnlichwerden mit Gott‹, um zu einem einfachen, d. h. guten Lebenswandel mit vollkommener Einsicht anzuregen, »auf dass man gewiss weiß, wer der Gott von allem ist« (εἰς τὸ εἰδέναι τίς ὁ τῶν ὅλων θεός), »denn dies ist die Definition von Philosophie: mit Einsicht fehlerfrei zu sein«.446 Er spielt auch auf die Idee der Philosophie als Medizin für die Seele an.447 Kyrill kennt die Einteilung der Philosophie in theoretische und praktische und den bei Neuplatonikern üblichen Vorrang der theoretischen Philosophie; diese Annahme wird von ihm angeführt, um den Wert der biblischen Aussagen zu Gott auch für hellenische Gegner plausibel zu machen.448 Während er diese Bezeichnungen besonders für hellenische Philosophie gebraucht, spricht er im Hinblick auf das christliche Philosophieren auch von der »ethischen und dogmatischen Bildung« (ἠθικὴ καὶ δογματικὴ παίδευσις).449 Die umfangreichere Einteilung in »praktische, physische und theologische Philosophie« findet er in einer allegorischen Interpretation der drei Sprachen der von Pilatus verfügten Inschrift auf dem Kreuz Christi wieder: Das Lateinische stehe für die Praxis, vor allem die Tapferkeit, das Griechische wegen der wissenschaftlichen Interessen dieses Vol439

  Cyrillus Alexandrinus, In Psalmos 5 (PG 69, col. 740A).   Besonders das Verb φιλοσοφεῖν und seine Partizipien. 441   Cyrillus Alexandrinus, Homilia Paschalis 12 (PG 77, col. 689C). 442   Cyrillus Alexandrinus, Dialogus de trinitate (SC 246, p.  202, 46 De Durand); De incarnatione unigeniti (SC 97, p.  206, 29 De Durand); Cyrillus Alexandrinus, Homilia Paschalis 27 (PG 77, col. 933A). 443   Cyrillus Alexandrinus, In Psalmos 38 (PG 69, col. 972); In Lucan (PG 72, col. 592D). 444   Cyrillus Alexandrinus, Thesaurus de trinitate 8 (PG 75, col. 108B); In Lucan (PG 72, col. 640A). 445   Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 1, 17 (GCS NF 20, p.  36, 15–18 Riedweg). 446   Οὗτος γὰρ ὅρος φιλοσοφίας, τὸ μετὰ συνέσεως ἄπλαστον εἶναι. Cyrillus Alexandrinus, In Lucan (PG 72, col. 856BC). 447   Cyrillus Alexandrinus, In Lucan (PG 72, col. 640A). 448   Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 1, 17; 2, 6; 2, 12 (GCS NF 20, p.  36, 15–18; 94, 6–9; 102, 8–12 Riedweg). 449   Cyrillus Alexandrinus, In duodecim prophetas (1, p.  732, 27–733, 2 Pusey). 440

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kes für die Naturphilosophie, das Hebräische für die »theologische Mystagogie« (θεολογικὴ μυσταγωγία) gemäß der Nähe Israels zu Gott.450

Kenntnisse und Umgang mit hellenischer Philosophie Grundsätzlich sieht Kyrill die hellenische Philosophie, ebenso wie andere Elemente griechischer Kultur, recht kritisch.451 Im Detail ist die Frage nach seiner Wertschätzung sowie nach den Kenntnissen hellenischer Philosophie aber komplizierter und erfordert die Berücksichtigung der Notwendigkeit, für die Argumentation gegen Julian philosophische Kenntnisse zu erwerben, sowie des alexan­ drinischen Bildungshintergrunds mit seiner nach wie vor ausgeprägten Philosophenszene. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kyrill zwar nicht, wie die Kappadokier, eine philosophische Ausbildung erhält, sich aber für seine polemischen Zwecke in einige wichtige Autoren einliest.452 Von diesen steht Platon an erster Stelle, wobei Kyrill wohl erst für seine anti-julianische Argumentation direkte Kenntnisse erwirbt.453 Beachtliche Kenntnisse philosophischer Schriften zeigen sich ferner daran, dass er als Einziger griechische Fragmente aus verlorenen Werken von Alexander von Aphrodisias (›De providentia‹)454 und Porphyrios (Φιλόσοφος ἱστορία) bewahrt; auch Hermes Trismegistos benutzt er augenscheinlich direkt.455 Die wichtigste Autorität für wahre Philosophie und für die Interpretation Platons ist auch für ihn Porphyrios,456 was kurioserweise damit begründet wird, dass dessen Gegnerschaft gegen die Christen ihn zum objektiven Kronzeugen mache.457 Jamblich wird auch bei ihm anscheinend nirgendwo erwähnt. Hinsichtlich der Würdigung dieser Quellen ist festzuhalten, dass die Gegnerschaft zu Julian nicht zu einer völligen Ablehnung der hellenisch-philosophischen Tradition führt. Vielmehr zielt er darauf ab, die von ihm berücksichtigten hellenischen Autoren in einer Weise zu interpretieren, welche die Nähe zum Christentum erkennen lässt; vor diesem Hintergrund ist dann aber Platz für deutliche Kritik. Aus dieser Voreinstellung heraus führt er Platon, Porphyrios und Hermes Trismegistos als Zeugen dafür an, dass der hellenische Polytheismus nur ein scheinbarer sei, weil auch die Philosophen eigentlich einen Schöpfergott angenommen hät450

  Cyrillus Alexandrinus, In Lucan (PG 72, col. 937BC).   Belege bei Jouassard, Cyrill v. Alexandrien, 501. 452   Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CLVIII–CLXXIII. 453   So die Erklärung von Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CLXIIIf. 454   Dazu R. Goulet  /  M. Aouad, Alexandros d’Aphrodisias, in: DPhA 1 (1994), 125–139, hier 135. 455   Vgl. P. Burguière  /  P. Évieux, in: Cyrille d’Alexandrie, ›Contre Julien‹ I. Livres I–II. Introduction, texte critique, traduction et notes par P. Burguière  /  P. Évieux (SC 322), Paris 1985, 63. 456   Vgl. Cyrillus Alexandinus, Contra Iulianum 1, 25 (GCS NF 20, p.  46, 1–48, 3 Riedweg). 457   Cyrillus Alexandinus, Contra Iulianum 1, 38 (GCS NF 20, p.  66, 1–4 Riedweg) 451

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ten,458 wenn auch die jüdisch-christliche Tradition aufgrund ihres Alters überlegen sei.459 In ähnlicher Perspektive attackiert er Julians positives Bild des Polytheismus mithilfe von Porphyrios’ Kritik an der Brutalität des Opferkults.460 Dass er derartige Annäherungen an den philosophischen Diskurs nicht nur für den jeweiligen Zweck aufnimmt, zeigt sich z. B. daran, dass er philosophische oder äquivalente Formulierungen auch für die Beschreibung des christlichen Dogmas verwendet, wenn er sich nicht in einem explizit polemischen Kontext bewegt,461 wie auch die oben bereits angesprochenen Aufnahmen der aristotelischen Logik zeigen. Philosophische Terminologie ist ebenfalls im Spiel, wenn Kyrill die menschliche Freiheit, der Tugend oder der Freude (ἡδονή) zu folgen, gegen die Anhänger des Fatums ins Feld führt.462 All dies hindert ihn im Übrigen nicht daran, seinen Gegnern, dem alten Topos gemäß, Abhängigkeit von der Philosophie vorzuwerfen.463 Es finden sich bei Kyrill jedoch auch sehr scharfe Kritiken aller Philosophen, einschließlich Platons, dem z. B. ein Selbstwiderspruch vorgeworfen wird, ebenso wie er an der Widersprüchlichkeit der hellenischen Philosophen im Allgemeinen Anteil habe, sowohl im Hinblick auf theoretische Fragen wie die Gotteslehre als auch in Bezug auf praktische Themen wie die Lehre von Frauen.464 Daneben werden ihm moralische Verfehlungen ebenso wie »Wortklauberei« (εὑρεσιλογία) vorgeworfen,465 und seinen Schriften wird ein verderblicher moralischer Einfluss unterstellt.466 Aufschlussreich sind diese Kritiken unter anderem deswegen, weil sie zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Kritik der Platoniker am Christentum zu einer scharfen christlichen Platonkritik anregt, welche sich in der Attitüde von den harmonisierenden Ansätzen der früheren Tradition durchaus unterscheidet.

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  Cyrillus Alexandinus, Contra Iulianum 1, 24–30 (GCS NF 20, p.  45, 1–56, 28 Riedweg).   Cyrillus Alexandinus, Contra Iulianum 1, 50 (GCS NF 20, p.  84, 1–14 Riedweg). 460   Cyrillus Alexandinus, Contra Iulianum 4, 11–15 (GCS NF 20, p.  275, 1–281, 20 Riedweg). 461   Cyrillus Alexandrinus (SC 97, p.  206, 33–36 De Durand); vgl. Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 1, 30 (GCS NF 20, p.  55, 1–56, 28 Riedweg). 462   Cyrillus Alexandinus, De adoratione 6 (PG 68, 453CD). 463   Cyrillus Alexandrinus, Thesaurus de trinitate 3 (PG 75, 36A). 464   Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 2, 16–18; 6, 35 f. (GCS NF 20, p.  107, 26–110, 7 Riedweg; 21, p.  458, 11–459, 19 Kinzig  /  Brüggemann). Vgl. insgesamt Kinzig, Kyrill, ›Contra Iulianum‹, CXLIII. 465   Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 2, 19; 2, 32 (GCS NF 20, p.  113, 22–27; 130, 7 Riedweg). 466   Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum 6, 6 (GCS NF 21, p.  419, 15–23 Kinzig  /  Brüggemann). 459

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Die Philosophie in der Spätantike

Würdigung Kyrills komplexe Bezüge zur Philosophie verleihen ihm vor allem durch seinen Rückgriff auf die aristotelische Logik ein eigenständiges Profil, während er in vielen anderen Punkten – Altersargument, Widersprüche der Philosophen, besondere Würdigung Platons – Vorgängern wie Eusebios und den Kappadokiern oder seinen antiochenischen Zeitgenossen ähnelt. Im Vergleich zu diesen ist aber sehr deutlich, dass die Philosophie für ihn 1. nur ein relativ randständiges Thema ist, das zu argumentativen oder polemischen Zwecken aufgegriffen wird, ihn aber persönlich als solches nicht sehr interessiert und dass er infolgedessen 2. auch, angeregt durch die Gegnerschaft Julians, zu einer scharfen Kritik bereit ist. Interessanterweise übt der aristotelische Charakter einiger seiner Interpretationen unter diesen Punkten den langfristigsten philosophiegeschichtlichen Einfluss aus.

9. Zusammenfassung: Platonische Theologie und aristotelisches ­Trinitätsdenken bei den griechischen Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts Grundlegende Entwicklungen Generell zeigt sich auch bei den christlichen Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts die bekannte Ambivalenz gegenüber der Philosophie: Gezielte Polemik findet sich neben einer teils offenen Anerkennung und Rezeption. Die Polemik wird dann am schärfsten, wenn es konkrete Anlässe gibt, entweder weil man sich gegen Kritiker des Christentums (Julian, Porphyrios), gegen christliche Gegner (Maximos Heron) oder gegen das häresiefördernde Vertrauen in die Logik wendet (bei Gregor von Nazianz). In Werbeschriften an Heiden ist der Ton hingegen konzilianter. Die problematischen Aspekte, gegen die polemisiert wird, stehen hier neben ausdrücklichen Bezugnahmen auf ›wahre‹ Ansichten der angesehenen Hellenen, in denen sich die Überzeugung manifestiert, dass das Christentum das antike Philosophieideal wahrhaft realisiert. Im Übrigen bildet die Vorstellung, man könne die Philosophie gleichsam als eine »Magd« für eigene Zwecke gebrauchen (so wie diese es zuvor von den Fachwissenschaften behauptet hat), einen terminologischen Rahmen für den Rekurs auf hellenisch-römische Philosophie, ohne dass sich die Vielzahl der Aspekte wirklich von hierher erklären lassen. Fast von allen Autoren wird betont, dass Platon den wichtigsten und am ehesten akzeptablen Referenzpunkt unter den hellenischen Philosophen bildet. Insbesondere Eusebios von Kaisareia und die kappadokischen Väter Basileios der Große, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa führen diese Parallelität näher aus, indem Gott als ›der Seiende‹ nach dem griechischen Text von ›Exodus‹ 3, 14 mit dem wahrhaft Seienden identifiziert wird, das für die Platoniker die Ideen bzw. 860

Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

die Gedanken im Geiste (νοῦς) sind. Das Platonbild ist auch sonst relativ einheitlich und in seinen Grundlinien durch Eusebios von Kaisareias umfangreiche und gerne benutzte Ausarbeitung geprägt. Kritisiert wird aber auch Platon dort, wo seine Lehren vom Christentum abweichen. Was unter ›Platon‹ zu verstehen ist, ergibt sich im Übrigen weitgehend aus dem Blickwinkel einer mittel- und neuplatonischen Auslegungstradition, die vorwiegend durch Porphyrios bestimmt ist, während Plotin gelegentlich wohl implizit, aber nirgends ausdrücklich zitiert wird. Die relativ mannigfaltigen christlichen Denkansätze aus der Kaiserzeit werden im Zuge dieser Platonismus-Rezeption systematisiert, und insbesondere das Denken des Origenes wird durch neue Überlegungen ersetzt, soweit es nicht integriert werden kann. Stoische Züge verlieren an Bedeutung. Insgesamt wird sorgfältig darauf geachtet, welche philosophischen Aussagen mit dem Christentum überhaupt kompatibel sind und welche nicht, und typische ›Irrtümer‹ der hellenischen Philosophie gezielt vermieden. So gilt die Menschwerdung Gottes als ein Zug, der sich der rationalen Begreifbarkeit entzieht. Bei Gregor von Nyssa und Evagrios Pontikos werden die hellenischen Bezugsautoren gar nicht mehr explizit genannt, so dass sie als Dokumente einer durchweg christlichen Tradition wahrer Philosophie gelesen werden können. Ein Hauptvorwurf an die hellenischen Denker, die Überschätzung des eigenen Wissens und die Meinung, durch eigenes Bemühen allein zur Eudaimonie gelangen zu können, wird durch die Idee des sokratischen Wissens des Nichtwissens relativiert: Autoren wie Gregor von Nazianz können unter diesem Vorzeichen positiv an die antike Wissenskultur anknüpfen und betonen, hier lasse sich bereits die christliche Überzeugung erkennen, dass der Mensch sich nicht allein aus eigener Kraft vervollkommnen kann, doch schließt das ein Zusammenwirken mit der Gnade keineswegs aus. Wie bewusst der Anschluss an die Philosophie erfolgt, zeigt sich auch daran, dass Christen wie Gregor von Nazianz und Theodor von Mopsuestia ihre Arbeit als ein ›Philosophieren über Gott‹ verstehen und dies als wichtigen Teil einer christlichen Lebensführung propagieren. In diesen Kontext gehört die Rezeption der Philosophiedefinition des ›Ähnlichwerdens mit Gott‹. Diese erreicht bei den Kappadokiern einen Höhepunkt und führt auch hier – wie im Neuplatonismus – zu einer kontextsensitiven Interpretation: Es geht um ein Ähnlichwerden mit dem einen Gott, und dieses besteht in einer statisch verstandenen Abbildhaftigkeit der ursprünglichen menschlichen Schöpfungsnatur von ihrem Schöpfer. Aus diesem Verständnis der Beziehung von Gott und Mensch erklärt sich auch, dass Christen die Einteilung der Philosophie in Ethik, Physik, Metaphysik  /  Theologie so weitgehend übernehmen können, dass sie bei Evagrios geradezu zur Definition des Christentums wird. Philosophie und Religion sind in derartigen Aufstiegskonzeptionen mindestens so eng verknüpft wie bei den Neuplatonikern, die noch eine Theurgie neben der ›Philosophie‹ annehmen. Eine vergleichbare Würdigung erhalten andere Disziplinen wie Rhetorik und Medizin nicht, so dass sie als Bildungsgut bewertet werden, während die Sonderstellung der Philosophie deutlich erkennbar bleibt. 861

Die Philosophie in der Spätantike

In enger Entsprechung zu diesem relativ einheitlichen Zugang zur Philosophie lässt sich, von individuellen Unterschieden des Bildungsniveaus einmal abgesehen, ein einheitlicher Rahmen von Kenntnissen hellenisch-philosophischer Texte und Autoren feststellen, der in beachtlichem Maß mit den Zitaten des Eusebios übereinstimmt. Dazu gehören eine Reihe platonischer Dialoge sowie von den zeitgenössischen Platonikern vor allem Texte von Porphyrios und auch Plotin. Von Vorsokratikern und hellenistischen Philosophen, mit Ausnahme der Skeptiker, sind doxographische Kenntnisse die Regel, ebenso wohl für Aristoteles, wenn man von der Logik einmal absieht. Alexander von Aphrodisias wird zumindest von Theodoret und Kyrill von Alexandrien benutzt, vielleicht auch von anderen Autoren. Vor allem fällt aber auf, dass eine direkte Auseinandersetzung mit den dominanten Traditionen des zeitgenössischen Platonismus, also mit Jamblich und seinen Nachfolgern, praktisch nur im Hinblick auf das antichristliche Werk Julians stattfindet; ansonsten zeigen die christlichen Autoren, mit wenigen Zweifelsfällen (Eunomios, Nemesios, Synesios), wenig Spuren eines geistigen Austausches unter Zeitgenossen. All dies deutet darauf hin, dass die Philosophiekenntnisse der christlichen Autoren in der Regel allgemeines Bildungsgut sind, das vor allem im Rhetorikund Grammatikunterricht geformt wird, vielleicht noch in einem grundlegenden Logikunterricht; Ergänzungen ergeben sich durch eigene Lektüren oder durch das Studium des Eusebios mit seinen reichen Quellenzitaten. Mit Ausnahme des Synesios und der Kappadokier scheinen die Kontakte zu Philosophenschulen keine große Rolle zu spielen und zumindest im 5. Jahrhundert wenig ausgeprägt zu sein. Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung ist eine schleichende Wandlung des philosophischen Bezugsrahmens: Nachdem die Kappadokier gezeigt haben, dass sich die christliche Trinität, namentlich in Bezug auf die Gleichrangigkeit der drei trinitarischen Personen, besser im Rahmen einer stark universalienrealistischen Interpretation der aristotelischen Kategorienlehre erklären lässt als im Ausgang von der subordinationistischen mittel- und neuplatonischen Prinzipienlehre in der Tradition des Origenes, rekurriert bereits Kyrill von Alexandrien direkt auf die aristotelischen ›Kategorien‹. Auch die dyophysitische Position der Antiochener entsteht aus einem Weiterdenken der Trinitätstheorie der Kappadokier, doch lässt sich hier wegen des Verlustes von Quellen eine direkte Aristoteles-Rezeption nicht überprüfen. In jedem Fall dürften auf diesem Feld wesentliche Grundlagen dafür entstehen, dass für die Christen ab etwa 500 Aristoteles, und vor allem seine Kategorienlehre, entscheidende Bedeutung erlangen. Innerhalb der Spätantike zeigen sich charakteristische Unterschiede zwischen einzelnen christlichen Autoren, die sich vielleicht stärker als Zeugnisse einer Entwicklung denn als individuelle Differenzen deuten lassen: Die meisten einschlägigen Autoren des 4. und frühen 5. Jahrhunderts – Eusebios, Eunomios, die Kappadokier, Evagrios, Synesios und Nemesios – zeigen eine unterschiedlich ausgeprägte, aber doch stets starke Nähe zur Philosophie, die meist ihr ganzes Œuvre prägt. Bei Eusebios, Basileios und Nemesios geschieht das geradezu programmatisch, bei Synesios besteht seine ganze Biographie darin und bei Eunomios, Gregor 862

Platonismus im p ­ atristischen Denken der griechischen Spätanitke

von Nyssa sowie Evagrios Pontikos zeigt es sich in geistigen Auseinandersetzungen auf hohem Niveau, die Ausdruck einer gründlichen philosophischen Schulung bzw. Einarbeitung sind. Diesen Autoren ist die Ausarbeitung des Christentums als rational-philosophischer, ethisch hochstehender Welthaltung ein echtes Anliegen.467 Weniger interessiert an der hellenischen Philosophie scheinen neben dem kritischen Epiphanios vor allen Dingen die Antiochener sowie deren Gegner Kyrill von Alexandrien zu sein. Soweit sich bei ihnen Anklänge an und Bewunderung für die hellenische Philosophie finden lassen, dienen diese entweder polemischmissionarischen Zwecken, wie in Kyrills ›Gegen Julian‹ und Theodorets ›Therapeutik der hellenischen Leiden‹, oder, bei Kyrill, der Durchsetzung der eigenen Position in innerchristlichen Disputen. Neben dieser geistigen Auseinandersetzung ist vor allem die Tendenz zu beachten, innerhalb des Christentums, und zwar vor allem im Mönchstum, eine Philosophie als eine vorwiegend durch Askese besonders ausgezeichnete Lebensform zu etablieren. Motive dazu finden sich schon in Athanasios’ ›Leben des Antonius‹, allgemeine Verbreitung findet diese Terminologie aber vor allem bei Autoren des syrisch-kleinasiatischen Raums ab der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts (Gregor von Nyssa, Neilos von Ankyra, Theodoret von Kyrrhos, Johannes Chrysostomos, Zacharias Rhetor). Trotz der genannten Unterschiede zeigen diese vielfältigen und bewussten Bezugnahmen, dass es für die griechischen Christen auch in der Spätantike ein wichtiges Anliegen ist, sich durch die Realisierung des Philosophie-Ideals als wahre Erben der griechischen Tradition zu zeigen.

467

  Vgl. hierzu auch Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 238–240.

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VII. Traditionalisten und christliche Vordenker: Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

1. Einführung Auch im lateinischen Sprachraum werden im 4. und 5. Jahrhundert wichtige geistesgeschichtliche Weichen im Hinblick auf das Mittelalter gestellt. Dabei bildet sich langsam eine gewisse Eigenständigkeit auf philosophischem Gebiet heraus, obwohl die Entwicklungen im griechischen Raum zumindest teilweise rezipiert werden. Die Produktion lateinischer Schriften, die noch im 2. Jahrhundert vorwiegend auf Nordafrika begrenzt ist, weitet sich im Zuge dieser Entwicklungen über weite Gebiete des weströmischen Reiches aus, und auf Latein verfügbare Werke gewinnen in dem Maß größere Bedeutung, in dem die Kenntnis des Griechischen zunehmend schwindet.1 Für die philosophische Überlieferung im Lateinischen kommt den geistigen Interessen der Oberschicht, des Senatorenstandes und der Provinzaristokratie besondere Bedeutung zu. Sie bleiben auch im Westen der Philosophie gewogen, was sich in Übersetzungen philosophischer Werke sowie lateinischen Zusammenfassungen philosophischer Inhalte zeigt. In diesen Kreisen entstehen Werke, die griechische Philosophie auf Latein darstellen und mit älteren lateinischen Traditionen verbinden: Neben einem ersten Ansatz zur Übersetzung des aristotelischen Organons, dessen Umfang sich wohl aus dem Werk des Martianus Capella rekon­ stru­ieren lässt, sind Calcidius’ schwer datierbare Übersetzung des ›Timaios‹ und die Aufarbeitung neuplatonischen Gutes bei Marius Victorinus und Macrobius zu nennen, die zusammen mit den großen Werken der Ausgehenden Antike (Boethius, Cassiodor) die wissenschaftliche Welt des Frühmittelalters prägen. Der Unterschied der der alten Religion anhängenden Autoren, die im lateinischen Bereich weiterhin keine Fachphilosophen sind, zu den Christen ist weniger pointiert als im griechischen Sprachraum: Alle arbeiten mit ähnlichen Vorkenntnissen und Quellen, und zentrale Autoren wie Marius Victorinus und Augustinus bekehren sich erst im Laufe ihres Lebens zum Christentum. Vor diesem Hintergrund kann selbst das Werk des Augustinus, das alle weiteren Entwicklungen der Zeit an philosophischer Bedeutung weit übertrifft, als eine besonders originelle Weiterentwicklung eines weiter verbreiteten Bildungsideals angesehen werden. Aus diesen Erwägungen heraus verzichte ich für diese Darstellung auf eine ge1   Vgl. P. Courcelle, Les lettres grecques en occident. De Macrobe à Cassiodore, Paris 1948, 390–392.

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Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

trennte Behandlung von Christen und Nicht-Christen, sondern halte eine ungefähre zeitliche Reihenfolge ein, aus der am Ende zusammenfassende Schlussfolgerungen gezogen werden können.

2. Laktanz und die Einheit von Philosophie und Religion Der erste sicher datierbare lateinische Autor, den man zur Spätantike rechnen kann, ist der Christ Lucius Caelius Firmianus Lactantius (ca. 250–320),2 ein schließlich am Kaiserhof Konstantins tätiger Redner aus Nordafrika. Er vertritt besonders dezidiert die These, wahre Philosophie und Gottesverehrung seien im Christentum zur Einheit gekommen.3 Sie wird mit einer durchaus konsequenten Reflexion auf die Folgen des ciceronisch-akademischen Skeptizismus vor dem Hintergrund der Anerkennung der Wahrheit des Christentums begründet.

Philosophische Kenntnisse und Umgang mit Philosophie Wie sich an dieser Vorbemerkung bereits zeigt, sind Laktanz’ Kenntnisse der Philosophie und damit auch sein eigener Zugang weitgehend von Cicero geprägt.4 Mit der bei ihm überlieferten akademischen Kritik philosophischen Wissens begründet er seine Skepsis gegenüber den Möglichkeiten nicht offenbarungsgestützter Philosophie. Hierzu verweist er sowohl auf Arkesilaos,5 dessen Position einer Aufhebung der Philosophie gleichkomme,6 als auch auf die beiden Reden des Karneades für und wider eine natürliche Gerechtigkeit, die er Ciceros ›Über den Staat‹ (›De re publica‹) entnimmt.7 Apologetische Topoi wie die Zerstrittenheit der Philosophen8 fügen sich in diese Tendenz ein. Laktanz’ Verständnis von Philosophie unterscheidet sich demnach selbst insofern fundamental von seinen griechischen Zeit- und Glaubensgenossen, als bei ihm Elemente platonischer Schultradition eher am Rande eine Rolle spielen, und zwar primär solche wie das Menon-Paradox, die im Sinne der akademischen Tradition skeptisch gedeutet werden.9 Obwohl die Gestalten Platon und Pythagoras

2

  Zu Laktanz vgl. z. B. V. Fàbrega, Lactantius, in: RAC 22 (2008), 795–825; M.-A. Aris, L. Caelius Firmianus Lactantius, in: GGPh 5, 2 (2018), 1045–1052. 3   Lactantius, Institutiones 4, 4; Epitome divinarum institutionum 36. 4   Lactantius, De opificio dei 1, 1, 12–15; vgl. V. Fàbrega, Lactantius, 814 f. 5   S. oben S. 441–448. 6   Lactantius, Institutiones 3, 4, 10–14. 7   Lactantius, Institutiones 5, 14–16. 8   Lactantius, Institutiones 3, 4, 4–7. 9   Lactantius, Institutiones 3, 6, 9 f.

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Die Philosophie in der Spätantike

für ihn wichtig sind,10 spielen die metaphysischen Theorien des Platonismus eine geringe Rolle, und Laktanz scheint sie auch kaum zu kennen.11 Einzelpunkte wie die Betonung der aufrechten Gestalt des Menschen und seiner Beziehung zum Himmel12 bleiben vage und haben keine spezifisch platonische Prägung. Von den übrigen Philosophenschulen werden vor allem die Epikureer, nach dem Vorbild Ciceros und der lateinischen Apologeten, kritisiert.13

Philosophieverständnis Die skeptische Tendenz bestimmt auch die Anklänge an den Platonismus im Hinblick auf das Philosophieverständnis: Die Philosophie versteht Laktanz vom Konzept der Liebe zur Weisheit her, die sich dadurch auszeichne, dass sie sich der eigenen Torheit bewusst sei.14 Andernfalls muss sie scheitern, weil sie die Einlösung ihres Ideals auf dem notwendigerweise fruchtlosen Weg menschlichen Bemühens sucht.15 Denn ihr Ideal des »Wissens um die göttlichen und menschlichen Dinge« (divinarum et humanarum rerum scientia)16 kann sie wegen der begrenzten Einsichtsfähigkeit des Menschen nicht voll verwirklichen, und was sie erreichen kann, das Meinen (opinatio), ist keine Weisheit.17 Dies zeigt sich in der Unfähigkeit der Philosophen, eine kohärente Position zu formulieren.18 Aus diesen Gründen ist die »sogenannte Philosophie« (philosophia quae dicitur) ebenfalls unfähig, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, die Menschen zur Tugend zu erziehen.19 Diese Unfähigkeit deutet Laktanz als historische Verfallserscheinung, weswegen man ihn auch als »vermutlich erste[n] christlichen Geschichtsphilosophen« bezeichnet hat.20 Sie ist auf eine Abwendung vom höchsten Gut zurückzuführen,21 die er auch in der mythischen Weltalter-Erzählung ausgedrückt findet.22 Zwar hätten die sieben Weisen als Vorläufer der Philosophie noch einen anderen Zugang zur Wahrheit, aber die folgenden Philosophen nicht mehr.23 Platon etwa in10

  Z. B. Lactantius, Institutiones 3, 2, 6; 4, 2, 4.   Vgl. seine Nichterwähnung des Porphyrios unter den zeitgenössischen Christentumskritikern Lactantius, Institutiones 5, 2 f. 12   Lactantius, Institutiones 7, 11, 14; vgl. Fàbrega, Lactantius, 815. 13   Dazu Fàbrega, Lactantius, 807–809. 14   Lactantius, Institutiones 3, 2, 3–7; 4, 1, 10–14; Epitome divinarum institutionum 25. 15   Lactantius, Institutiones 3, 2, 7–10. 16   Diese Definition entnimmt Laktanz Cicero: Epitome divinarum institutionum 26, 2. 17   Lactantius, Institutiones 3, 3 f; Epitome divinarum institutionum 26. 18   Lactantius, Institutiones 5, 3, 1 f. 19   Lactantius, Institutiones 1, 1, 17 f. 20   Vgl. Fàbrega, Lactantius, 802. 21   Lactantius, Institutiones 4, 1, 1–6; 5, 1, 2–8. 22   Lactantius, Institutiones 5, 5. 23   Lactantius, Institutiones 5, 1, 9 f. 11

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formiere sich nur bei Ägyptern, Magiern und Persern, aber nicht bei den Juden über die Wahrheit.24 Im Blick auf die Teile der Philosophie folgt Laktanz im Prinzip der hellenistischen Dreiteilung in der Reihenfolge Logik, Ethik, Physik, wobei er aber in dem thematischen Kapitel ›Institutiones‹ 3 nur die ersten beiden behandelt und nur die letzten beiden namentlich erwähnt.25

Philosophie und Religion Die Trennung von Philosophie und paganer Religion zeigt sich für Laktanz in einem je verschiedenen Fehler: Die Letztere suche nicht ernsthaft nach der Wahrheit, während der Philosophie ein Bezug zum Göttlichen fehle.26 Eine Begründung der Religion durch eine irdische Philosophie ist aber aus methodischen Gründen abzulehnen: Allein die Suche nach Argumenten für die Religion impliziert, dass der Glaube an diese nicht hinreichend ist.27 Während der Vorbereitung dieser Thesen entfaltet Laktanz klassische Motive der Apologetik, vor allem im Hinblick auf die Ambivalenz der Philosophen im Hinblick auf die Religion: Im Rahmen seiner Kritik am Polytheismus, die den Ausgangspunkt seiner prochristlichen Argumentation bildet, wendet er sich auch gegen die interpretatio philosophica des Götterglaubens, die er wiederum aus Cicero kennt,28 um dann zu beklagen, dass Cicero und Seneca ihre monotheistischen Einsichten nicht konsequent umsetzten.29 Der Kernpunkt von Laktanz’ gesamten Argument ist die Einheit von wahrer Philosophie und Religion, die im Christentum erreicht ist: »Weder kann die Religion von der Weisheit getrennt noch die Weisheit von der Religion geschieden werden, denn es ist derselbe Gott, der sowohl erkannt wird, was zur Weisheit gehört, als auch verehrt werden muss, was zur Religion gehört«.30

Wenn Laktanz hierbei betont, dass die Erkenntnis Gottes seiner Verehrung vorangehen muss,31 setzt er voraus, dass diese Erkenntnis faktisch nur durch eine Offenbarung erlangt werden kann, so wie es den Christen ergangen ist.32 Die Philosophen, die sie nicht erreicht haben, obwohl einige von ihnen bereits monotheisti24

  Lactantius, Institutiones 4, 2, 4.   Lactantius, Institutiones 3, 7, 1; Epitome divinarum institutionum 28, 13. 26   Lactantius, Institutiones 4, 3, 1–5. 27   Lactantius, Institutiones 2, 6, 8–11. 28   Lactantius, Institutiones 1, 12, 7–10; 1, 15, 16–1, 17, 5. 29   Lactantius, Institutiones 2, 2. 30   Non potest igitur nec religio a sapientia separari nec sapientia a religione secerni, quia idem deus est qui et intelligi debet, quod est sapientiae, et honorari, quod est religionis. Lactantius, Institutiones 4, 4, 2. 31   Lactantius, Institutiones 4, 4, 3. 32   Lactantius, Institutiones 1, 1, 6; 5, 15, 1. 25

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sche Einsichten besitzen,33 gleichen daher, in Ermangelung von Liebe und Furcht gegenüber dem einen Herrn, verleugneten Söhnen und entlaufenen Sklaven, die folglich auch nicht auf Unsterblichkeit der Seele hoffen können.34 Dagegen wird das philosophische Ideal von den Christen realisiert, was sich nicht zuletzt daran äußert, dass deren Märtyrer auf die Weise sterben, von der die Philosophen nur gesprochen haben.35

Verhältnis der Philosophie zu Rhetorik und Politik Laktanz sieht sein Projekt der Aufforderung zur wahren Weisheit als höherwertig als die bisher von ihm betriebene Rhetorik an. Gerade weil diese ebenso wie die Philosophie zum paganen Bildungsideal gehört,36 muss auch sie doch in wahrer Philosophie ihre Vollendung finden, was erst unter den Bedingungen der Vollendung der Philosophie durch das Christentum möglich wird.37 Ein wichtiger Argumentationsstrang betrifft das Verhältnis von Philosophie und Politik, da er in ciceronischer Tradition den Begriffen Gesetz und Gerechtigkeit hohen Wert beimisst. Er zitiert Ciceros Definition des Gesetzes aus ›Über den Staat‹ (›De re publica‹) zustimmend und lobt die Klarheit seiner Sprache, betont aber zugleich, dass er zur Angabe genauer Lebensregeln ein Prophet und nicht ein Philosoph hätte sein müssen.38 Göttliches Wissen habe auch Sokrates, Platon und Aristoteles zur Verteidigung der Gerechtigkeit gefehlt, weswegen ihre Begründungsansätze ohne Hilfe der Religion scheitern mussten.39 Denn zur Gerechtigkeit gehört als Voraussetzung der Gleichheit, die alle Menschen nur von Gott aus erhalten können, diejenige Frömmigkeit, die auf dessen Erkenntnis beruht.40 Damit ist zu einer effektiven Begründung natürlicher Gerechtigkeit die Offenbarung unverzichtbar, die es auch ermöglicht, die Gerechtigkeit mit wahren Beispielen zu illustrieren.41

Würdigung Laktanz’ Ansatz stellt die wohl pointierteste Argumentation für das Christentum als wahrer Einheit von Religion und Philosophie aus der Antike dar. Die höchste 33

  Lactantius, Institutiones 1, 5, 15–28; 1, 8, 1 f.   Lactantius, Institutiones 4, 4, 5–7. 35   Lactantius, Institutiones 5, 13, 15. 36   Lactantius, Institutiones 1, 15, 16; 5, 19, 8. 37   Lactantius, Institutiones 1, 1, 8–11. 38   Lactantius, Institutiones 6, 8, 7–11. 39   Lactantius, Institutiones 5, 14, 13 f; 5, 17, 4. 40   Lactantius, Institutiones 5, 14, 9–5, 15, 1. 41   Lactantius, Institutiones 5, 16, 13; 5, 17, 6–9. 34

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Leistung der nicht-christlichen Philosophie, in Gestalt der akademischen Skepsis ihre eigenen Grenzen einzusehen, liefert den Hintergrund, vor dem die Einheit von Philosophie und Religion im Christentum als Ideal erkannt und realisiert wird. Im Gegensatz zur bei den Griechen vorherrschenden christlichen Rezeption und Transformation platonischer Metaphysik ist Laktanz’ Konzeption des Christentums als wahrer Philosophie weitgehend von Cicero inspiriert. Auf diese Weise kann Laktanz als ein erster und nicht untypischer Repräsentant eines typisch lateinischen Zugangs zur Philosophie gelten, wenn er diesem Zugang auch eine pointiert christliche Wendung gibt.

3. Platons Naturphilosophie im lateinischen Gewand bei Calcidius Die bei Laktanz offenbar gering entwickelten Kenntnisse platonischer Philosophie werden durch die Übersetzung und den Kommentar des ansonsten unbekannten Calcidius42 zur 1. Hälfte von Platons ›Timaios‹ auf Lateinisch besser verfügbar. Die Anonymität des Autors und der technische Charakter des Werkes führen allerdings zu höchst unterschiedlichen Datierungen: Während der Herausgeber Jan Hendrik Waszink vor allem aus stilistischen Gründen für das frühe 5. Jahrhundert plädiert,43 bevorzugt John Dillon die 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts. Auffällig ist, dass die wichtigsten Quellen dem 2.–3. Jahrhundert angehören: der Christ Origenes, der Platoniker Numenios, der Aristoteliker Adrast.44 Der Einfluss neuplatonischer Autoren ist dagegen gering und selbst derjenige des Porphyrios nur schwer festzustellen.45 Die verschiedenen von Calcidius angeführten Einteilungen der Philosophie sind von einem platonischen Typ, der bereits, wie schon im Mittelplatonismus, aristotelisches Material aufgreift. Die teils ungewöhnlichen lateinischen Termini erschweren die Einordnung: Die Philosophie teilt sich in »Betrachtung« (consideratio) und »Akt« (actus), womit wohl Theorie und Praxis gemeint sind. Zur ersten gehören Calcidius zufolge Theologie, Naturphilosophie und die »Wissenschaft, ein Argument zu liefern« (praestandae rationis scientia), also wohl die Logik, während zur Praxis »Ethik, Ökonomik und Staatliches« (moralis, domestica, publica) gehören, d. h. Ethik, Ökonomik und Politik.46 Während diese Einteilung also zumindest 42

  Überblicke bei J. H. Waszink, in: Plato Latinus, ›Timaeus‹ a Calcidio translatus commentarioque instructus. Coniuncto P. J. Jensen edidit J. H. Waszink, London  /  Leiden 1975, IX–CVI; J. Dillon, The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B. C. to A. D. 220, London 1977, 401–408; J. Dillon, Calcidius, in: DPhA 2 (1994), 156 f.; S.  Döpp, Calcidius, in: GGPh 5, 3 (2018), 2327–2330. 43   Vgl. Waszink, in: Plato Latinus, XV. 44   Vgl. Waszink, in: Plato Latinus, XXXV–CVI. 45   Vgl. Dillon, Middle Platonists, 403 f. 46   Calcidius, In Timaeum 264 (492, 19–32 Bakhouche).

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an der Oberfläche konsequent aristotelisch ist, wird die Naturphilosophie, wie bei Origenes und im Neuplatonismus, der Epoptik untergeordnet.47 Bemerkenswert ist Calcidius’ Werk vor allem, wie im griechischen Bereich Nemesios ›Über die Natur des Menschen‹,48 als christlicher Text, der in Quellen und Methodik praktisch ganz der Fachphilosophie zugehört und eine christliche Überzeugung nur gelegentlich erkennen lässt.49 So erkennt er die Ewigkeit der Materie an, bestreitet die Entstehung von etwas aus dem Nichts und stellt eine hohe Übereinstimmung der Wirkweise des Schöpfers mit der stoischen Position fest,50 so dass er entweder eine philosophische Position der christlichen vorzieht oder zumindest einen noch wenig entwickelten Stand der dogmatischen Entwicklung der christlichen Schöpfungslehre repräsentiert.

4. Artes liberales und neuplatonisches Trinitätsdenken bei Marius Victorinus51 Marius Victorinus (281/291–365) ist einer der führenden römischen Rhetoriklehrer seiner Zeit, dessen Bekehrung zum Christentum seine Zeitgenossen durchaus beeindruckt.52 Unter seinen erhaltenen Schriften zeugt vor allem sein Kommentar zu Ciceros ›Über das Auffinden‹ (›De inventione‹) von seinem Bildungsinteresse, während seine Schriften zur Trinität ihn als fähigen philosophischen Denker erweisen.

Übersetzungen philosophischer Schriften Sein nicht erhaltenes Œuvre muss allerdings wesentlich umfangreicher und philosophisch einschlägiger gewesen sein: Cassiodor zufolge übersetzt Victorinus bereits die dem spätantiken Curriculum nach ersten Schriften des aristotelischen Organons – Porphyrios’ ›Eisagoge‹ sowie ›Kategorien‹ und ›Hermeneutik‹ – ins Lateinische und kommentiert sie.53 Einen größeren Einfluss üben aber wohl seine 47

  Calcidius, In Timaeum 127 (364, 15–17 Bakhouche).   S. oben S. 842–844. 49   Dillon, The Middle Platonists, 408. 50   Calcidius, In Timaeum 311; 316 (538, 9–12; 540, 12–16 Bakhouche). 51   Vgl. P. Hadot, Marius Victorinus. Recherches sur sa vie et son œuvre, Paris 1971; V. H. Drecoll, Marius Victorinus, in: RAC 24 (2012), 122–147; L. Karfíková, Victorinus (Marius), in: DPhA 7 (2018), 153–166; St. Gersh, Marius Victorinus, in: GGPh 5, 2 (2018), 1646–1655. 52   Dies berichtet Augustinus, Confessiones 8, 3 (CCL 27, p.  114–115, 1–27 Verheijen). 53   Cassiodorus, Institutiones 2, 18 (128, 14–129, 5 Mynors). Vgl. zu diesem Zeugnis, das durchaus auch angezweifelt wird, L. Minio-Paluello, Boethius’ Translation of Aristotle’s ›Categories‹, in: L. Minio-Paluello (Hrsg.), Opuscula. The Latin Aristotle, Amsterdam 1972, 48

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Übertragungen neuplatonischer Schriften aus, deren genaue Ausdehnung schwierig zu bestimmen ist. Augustinus berichtet, Victorinus habe »Bücher der Platoniker« (libri Platonicorum) aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen,54 zu denen offensichtlich metaphysische Werke Plotins gehören,55 die vielleicht auch die Quelle für einige plotinische Passagen bei Ambrosius sind.56 Darüber hinaus hat Pierre Hadot vermittels Parallelen vor allem zwischen Victorinus’ antiarianischen Werken und dem anonymen Turiner ›Parmenides-Kommentar‹57 dafür argumentiert, dass dieser auch ansonsten verlorene Schriften des Porphyrios übersetzt habe.58 Absichern lässt sich dies, wie gesagt, nur für die ›Eisagoge‹,59 die aber keine prinzipientheoretischen Ausführungen enthält.60

Ausarbeitung einer Trinitätstheorie Solche Theorien arbeitet Victorinus jedoch ausführlich in seinen antiarianischen Schriften aus, welche entsprechend der westlichen Tradition – und im Gegensatz sowohl zu den griechischen Subordianisten als auch zu den in diesem Punkt aristotelisierenden Kappadokiern – eine nizänische Trinitätslehre mit neuplatonischen Denkmitteln entwickelt.61 Hier führt er insbesondere die Unterscheidung zwischen Überseiendem (τὸ προόν) und Seiendem (τὸ ὄν) aus,62 entwickelt ferner vier Begriffe von Sein und Nicht-Sein,63 den Unterschied von und die Verbindung zwischen »Geist« (νοῦς) und Seele64 sowie die Trias »Sein, Leben, Denken« (esse, vivere, intelligere).65 Ausgesprochen neuplatonisch wirkt weiterhin die Unterscheidung vom Vater als dem »Einen« (unum) vom Sohn als dem »jeweils Einen« (unum unum), das noch Einheit ist, aber bereits mit Wirkkraft (potentia) verbunden.66 Aufgrund derartiger Aussagen hat Pierre Hadot innerhalb von Victorinus’ 1–27, hier 26 f.; J. Marenbon, Boethius, Oxford 2003, 13 f.; Karfíková, Victorinus (Marius), 155–157. Vgl. Gersh, Marius Victorinus, 156 f. 54   Augustinus, Confessiones 8, 3 (CCL 27, p.  114, 3–9 Verheijen). 55   Augustinus, De beata vita 1, 4 (CCL 29, p.  67, 98–103 Green). 56   Vgl. Hadot, Marius Victorinus, 204 f. 57   S. oben S. 748. 58   Vgl. Hadot, Porphyre et Victorinus. 59   Vgl. Drecoll, Marius Victorinus, 129 f. 60   Vgl. Karfíková, Victorinus (Marius), 157 f., zu den verschiedenen Positionen der Forschung in dieser Frage. 61   Vgl. die präzisen Zusammenfassungen bei Karfíková, Victorinus (Marius), 159 f. und Gersh, Marius Victorinus, 1651–1653. 62   Victorinus, Ad Candidum 2 (12, 2–8 Locher). 63   Victorinus, Ad Candidum 11 (16, 14–22 Locher). 64   Victorinus, Ad Candidum 7 (14, 19–24 Locher). 65   Victorinus, Adversus Arium 3, 4 (118, 9–119, 7 Locher). 66   Victorinus, Adversus Arium 1b, 49–51 (84, 22–87, 24 Locher); Paraphrase bei Drecoll, Marius Victorinus, 135–137.

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trinitätstheoretischen Schriften Fragmente aus Porphyrios nachträglich zu identifizieren versucht.67 Abgesehen von der Frage, ob dies der erhaltenen Textgestalt gerecht wird, hat sich namentlich zu der zuletzt zitierten Lehre eine Parallele in der koptisch-gnostischen Literatur gefunden, welche eine direkte Abhängigkeit des Victorinus von Porphyrios weniger wahrscheinlich macht. Stattdessen wird nun vermutet, Victorinus sei Teil eines ›Milieus‹ platonisierender Christen in Rom gewesen,68 was sich freilich ebenfalls kaum erhärten lässt. Letztlich wird man ihm am besten zubilligen, aufgrund seiner guten Kenntnisse des griechischen Platonismus eine eigenständige Deutung zu entwickeln, und mit weiteren Schlüssen vorsichtig sein.

Philosophie und Rhetorik Auf den Begriff der Philosophie kommt Victorinus in den erhaltenen Werken vorwiegend im Vergleich zur Rhetorik zu sprechen.69 Hierbei unterscheidet er die »Fertigkeit der Rhetorik« (ars rhetoricae), die deswegen weitergegeben werden kann, weil sie einfach aus den Vorschriften für gutes Reden besteht, von der »Fertigkeit der Weisheit« (ars sapientiae), die als Tugend (virtus) aus den vier Kardinaltugenden bestehe, die in sich ruhten und nicht weitergegeben werden könnten.70 Daher kann der Rhetor die Aufgaben des vollkommenen Philosophen, nämlich das Wissen um Göttliches und um Menschliches – diese beiden Teile der wohl ursprünglich stoischen Philosophie-Definition bezieht Victorinus auf das »Bemühen um die rechte Vernunft und das Bemühen um eine ehrbare Amtsführung« (studium rectae rationis und das studium honesti officii) –, nicht voll erlangen, doch ist die Rhetorik, um ihre Nützlichkeit sicherzustellen, zumindest auf eine Verbindung mit der Philosophie angewiesen.71

Würdigung Marius Victorinus muss, ungeachtet mancher kaum zu lösender Quellenfrage, aus philosophischer Sicht als einer der bedeutendsten gebildeten Lateiner der Spätantike gelten. Seine Trinitätsmetaphysik sowie seine Übersetzungen platonischer Schriften sind entscheidende Bestandteile einer lateinischen Platonismus-Rezeption, die in Stil und Niveau derjenigen im griechischen Osten nicht nachsteht, 67

  Vgl. Hadot, Porphyre et Victorinus 2, 13–55.   Vgl. Drecoll, Marius Victorinus, 133–135; Gersh, Marius Victorinus, 1653. 69   Vgl. Hadot, Marius Victorinus, 79–101. 70   Marius Victorinus, Explanationes in Ciceronis Rhetoricam 1, praef. (CCL 132, p.  6 f., 32–80 Ippolito). 71   Marius Victorinus, Explanationes in Ciceronis Rhetoricam 1, 2 (CCL 132, p.  12 f., 147– 161 Ippolito). 68

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ohne Spuren des sogenannten ›späten Neuplatonismus‹ eines Jamblich und seiner Nachfolger aufzuweisen. Seine Verbindung eines platonisierenden Christentums mit Organon-Übersetzungen begründet eine Entwicklung, die in der Ausgehenden Antike die gesamte antike Welt umfassen wird.

5. Die ›Zehn Kategorien‹ (›Categoriae decem‹) bzw. ›Paraphrasis ­Themistiana‹ und der Kreis um Vettius Agorius Praetextatus Das einzige vollständig erhaltene Zeugnis für die lateinischen Aristoteles-Übertragungen des 4./5. Jahrhunderts ist in Anbetracht des Verlustes von Victorinus’ Übersetzungen eine Paraphrase der ›Kategorien‹, die unter dem Titel ›Zehn Kategorien‹ (›Cate­goriae decem‹) bekannt ist und als ›Paraphrasis Themistiana‹ herausgegeben wurde, da sie sich als eine Übersetzung von Themistios’ Werk (seiner verlorenen ›Kategorien-Paraphrase‹?) vorstellt. Das kleine Werk ist wohl auch schon Augustinus bekannt, der seit dem frühen Mittelalter häufig als Autor gilt. Es möchte die ›Kategorien‹ nicht ersetzen, sondern »das klarer darstellen, was den Unkundigen unverständlich erschien«.72 Die knappe Darstellung der ›Kategorien‹ lässt sich relativ leicht auf das Ende des 4. Jahrhunderts datieren, da sie sowohl Themistios als auch den römischen Senator Vettius Agorius Praetextatus, ein führendes Mitglied der philosophiefreundlichen Senatsaristokratie, namentlich zitiert.73 Vom Editor wird es einem Albinus zugeschreiben, der, ebenso wie Praetextatus, in Macrobius’ ›Saturnalien‹ auftritt und Boethius als Verfasser von Werken zur Logik bekannt ist.74 Da dieser allerdings die verlorenen Übersetzungen des Praetextatus auf Vorlagen von Themistios zurückführt und die Übertragungen der Albini nicht selbst vor Augen hat, wird man die erhaltenen ›Zehn Kategorien‹ mit ihren Bezügen zu allen diesen Namen wohl am besten als ein Werk des Praetextatus-Kreises verstehen, welches vielleicht von den Albini bearbeitet worden ist. Für den vorliegenden Kontext ist das Werk zum einen als Zeugnis für die Übernahme griechischer philosophischer Traditionen in lateinischer Sprache von Bedeutung, zum anderen auch, weil es Aristoteles und Themistios den Titel »Philosoph« (philosophus) bzw. »hervorragender Philosoph« (egregius philosophus) 72

  Categoriarum Paraphrasis Themistiana 70 (149, 2 Minio-Paluello); vgl. L. Minio-Paluello, in: Aristoteles Latinus I 1–5. Categoriae vel Praedicamenta, ed. L. Minio-Paluello, Bruges  /  Paris 1961, LXVIIf. 73   Categoriarum Paraphrasis Themistiana 20; 176 (137, 20; 175, 18–20 Minio-Paluello: Themistios, an der letzten Stelle als Übersetzer der griechischen Vorlage); 125 (162, 21–23 Minio-Paluello: Praetextatus). 74   Vgl. L. Minio-Paluello, The text of the ›Categoriae‹. The Latin tradition, in: L. MinioPaluello (Hrsg.), Opuscula. The Latin Aristotle, Amsterdam 1972, 28–39, hier 31–33; Boethius, In De interpretatione commentariu, editio secunda (3, 7–4, 7 Meiser).

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zubilligt.75 Aristoteles selbst wird dafür gelobt, dass er, »begierig alles zu erörtern«, eine Lehre vom Satz (oratio) zusammengestellt habe, bei denen er die acht Satzteile der Grammatiker auf Nomen und Verb sowie Verbindungswörter reduziert habe.76 Dies ist ein frühes, in der Tat an Themistios erinnerndes Zeugnis dafür, dass Aristoteles als Ordner der logischen Materie ein besonderer Rang zukommt, wie es im 6. Jahrhundert häufiger formuliert und von Sergios von Rēšʿaynā auf die gesamte Wissenschaft ausgedehnt wird;77 beachtlich auch der Hinweis auf die Bedeutung einer philosophischen im Verhältnis zu einer grammatischen Analyse von Sprache. Insofern stellen die ›Zehn Kategorien‹ ein wichtiges Zeugnis der spätantiken Philosophie-Übersetzungen dar, wobei ihnen als erster erhaltener AristotelesAdaption in lateinischer Sprache ein besonderer Rang zukommt. Nicht zuletzt sind sie als Quelle für die Deutung des Themistios und als Zeugnis von dessen Einfluss wichtig.

6. Trinitätsdenken in Gallien bei Hilarius von Poitiers Der gallische Bischof Hilarius (315–367/368) hat bedeutenden Anteil an der Begründung einer spekulativen Gotteslehre bei den lateinischen Christen, gerade auch auf dem Gebiet der Trinitätslehre.78 Das Wort ›Philosophie‹ gebraucht er aber nur sehr spärlich. Es bezeichnet durchweg, im Anschluss an ›Kolosserbrief‹ 2, 8, das gottferne weltlich-heidnische Wissen.79 Insbesondere werden die quälenden Fragen der Philosophie, die vor allem von einer Beschränkung auf das Sichtbare und einer Elementenspekulation ausgingen, vom »religiösen Wissen um die göttlichen Dinge« (religiosa divinarum rerum scientia) abgegrenzt, in der Ciceros »Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge« (humanarum et divinarum scientia) in veränderter Form auflebt.80 Trotz dieser vorgetragenen Distanz zur Philosophie zeigt sich Hilarius in seiner Zugangsweise durch sie geprägt, wenn er seine Bekehrung als das Ergebnis einer 75

  Categoriarum Paraphrasis Themistiana 1; 176 (133, 6; 175, 18: Themistios).   Categoriarum Paraphrasis Themistiana 1 f. (133, 3–15 Minio-Paluello). 77   Vgl. unten S.  1052  f. 78   Zu Hilarius allgemein J. Doignon, Hilarius von Poitiers, in: RAC 15 (1991), 139–167; M. Durst, Hilarius von Poitiers, in: LACL, 293–296. Zu den Bezügen des Hilarius zur Philosophie vgl. im Detail Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 653–675; St. Rebenich, Hilarius, in: GGPh 5, 2 (2018), 1641–1646. 79   Hilarius, De trinitate 8, 52 f. (CCL 62A, p.  365, 15–366, 12 Smulders); In Psalmos 64, 4; 67, 21 (CCL 61, p.  222, 1–223, 21; 277, 1–4 Doignon); In Psalmum 118, 19, 8 (CCL 61A, p.  183, 1–20 Doignon). 80   Hilarius, De trinitate 1, 13; 12, 19 (CCL 62, p.  12, 1–15, 56; 62A, p.  592, 1–5 Smulders); In Psalmos 63, 5 (CCL 61, p.  214, 1–215, 22 Doignon). 76

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Suche nach der richtigen Gotteserkenntnis schildert.81 Derartige Stellungnahmen sind ebenso wie weitere Aufnahmen und Kritiken der Philosophie von Cicero und Seneca angeregt,82 so dass Hilarius’ Bildung im Wesentlichen auf die lateinische Grammatik und Rhetorik beschränkt sein dürfte. Eine genaue Quellenangabe wird durch sein regelmäßiges Verschweigen von Autorennamen erschwert.

7. Hieronymus zwischen Kenntnis und Kritik der Philosophie Hieronymus (357–419), der Übersetzer der Bibel ins Lateinische und einer der streitbarsten christlichen Denker seiner Zeit, verweist immer wieder auf die Philosophie, ohne dass sie ein beherrschendes Thema seiner Werke wäre.83 Einige seiner Äußerungen sind jedoch bemerkenswert für einen Autor, der eher als Vertreter einer asketischen Tradition gilt und sich nur begrenzt mit der Bildungselite identifiziert. Hieronymus bezeichnet mit dem Wort Philosophie in aller Regel die »weltliche Philosophie« (saecularis philosophia),84 die er grundsätzlich negativ vom Christentum abgrenzt.85 Das Wort »philosophieren« wird auch als ›über gelehrte Dinge reden‹ gebraucht, meist mit negativer Konnotation.86 Obwohl er die Rezeption von Philosophie zur Beschreibung christlicher Themen bei seinen Griechisch schreibenden Zeitgenossen bewundert, möchte er sie nicht nachahmen.87 Gelegentlich benutzt er den Wortstamm allerdings, in eher unspezifischem Sinn, für die christliche Lehre (philosophia nostri dogmatis).88 Grundlage dafür sind die inhaltlichen Verbindungen von Christentum und Philosophie, die er immer wieder zur Ermahnung seiner Mitchristen erwähnt: Die Christen haben mit den Philosophen die Annahme der Unsterblichkeit der Seele89 und der freiwilligen Lehre der Tugend sowie die Einteilung ihres Bemühens in Physik, Ethik und Logik (die bei den Christen ›Theologik‹ heiße) gemeinsam.90 Selbst Paulus bediene 81

  Hilarius, De trinitate 1, 1–11 (CCL 62, p.  1, 1–12, 27 Smulders); In Psalmos 61, 2 (CCL 61, p.  197–199, 1–49 Doignon). 82   J. Doignon, Hilarius, 156–161; A. Fürst, Hieronymus, in: LACL, 286–290. Zu seinen Bezügen zur Philosophie Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 711–718. 83   Vgl. H. Hagendahl  /  J. H. Waszink, Hieronymus, in: RAC 15 (1991), 117–139; St. Rebenich, Hieronymus, in: GGPh 5, 2 (2018), 1665–1672. 84   Hieronymus, In Amos 2, 5, 3 (CCL 76, p.  274, 79–80 Adriaen). 85   Hieronymus, In Ezechielem 10, 31 (CCL 75, p.  442, 280–443, 309 Glorie). 86   Hieronymus, Epistulae 50, 3, 1; 53, 7, 1 (CSEL 54, p.  390, 12–19; 453, 1–10 Hilberg); vgl. aber In Sophoniam, prol. (CCL 76A, p.  655, 1–28 Adriaen). 87   Hieronymus, Epistulae 99, 2 (CSEL 55, p.  212, 10–213, 5 Hilberg). 88   Hieronymus, Epistulae 49, 1 (CSEL 54, p.  350, 10–351, 1 Hilberg). 89   Hieronymus, Epistulae 60, 4, 2 (CSEL 54, p.  553, 2–11 Hilberg). 90   Hieronymus, In Galatas 3 (CCL 77A, p.  197, 131–134 Raspanti); Hieronymus, Epistulae 30, 1 (CSEL 54, p.  243, 5–10 Hilberg).

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sich vielfach des syllogistischen Schlusses.91 Weiterhin greift Hieronymus auf philosophische Exempla für die Ermahnung zu christlicher Lebensführung zurück,92 wozu er auch die platonische Definition der Philosophie als »Nachdenken über den Tod« (meditatio mortis) heranzieht.93 Er rechtfertigt seinen Gebrauch solcher philosophischen Bezüge mit dem Vorbild vieler christlicher Vorgänger, und zwar nicht nur wegen ihres Nutzens zu apologetischen Zwecken, sondern auch weil »fast alle Bücher von allen, mit Ausnahme von denen, die zusammen mit Epikur das Alphabet nicht gelernt haben, randvoll von Bildung und Belehrung sind«.94

Obwohl Hieronymus zugibt, primär durch nicht-christliche Philosophie gebildet zu sein,95 bekennt er sich zu einer im Vergleich auch zu seinen griechischen christlichen Vorgängern geringen Kenntnis dieser Materie.96 Die griechischen philosophischen Werke kenne er nur indirekt aus lateinischen und christlichen Autoren.97 Damit bezeugt er auch den philosophischen Bildungsstand vieler Christen seiner Zeit,98 doch geht bei Hieronymus mit dieser eingeschränkten Kenntnis auch ein begrenztes Interesse an Philosophie einher, obwohl er diese nicht als bedrohliche Konkurrenz zu empfinden scheint.

8. Ambrosius von Mailand: Christliche Reichspolitik und Adaption ­hellenisch-römischer Philosophie Historische Situation und politisches Wirken Ambrosius (333/340–397)99 stammt aus einer angesehenen römischen Familie und durchläuft mit bemerkenswertem Erfolg die Ämterlaufbahn, wie sie zu seiner Zeit üblich ist. Erst 374 wird er Christ und fast zeitgleich Bischof von Mailand, der faktischen Hauptstadt des westlichen Reichsteils. Dort prägt er als Berater der Kaiser Valentinian I., Gratian, Valentinian II. und Theodosius die (Kirchen-) 91

  Hieronymus, Epistula 30, 1 (CSEL 54, p.  243, 10–12 Hilberg).   Hieronymus, Epistulae 58, 2, 2 (CSEL 54, p.  529, 7–16 Hilberg). 93   Hieronymus, Epistulae 127, 6, 1 (CSEL 56, p.  150, 5–8 Hilberg). 94   Omnes paene omnium libri, exceptis his, qui cum Epicuro litteras non didicerunt, ­eruditionis doctrinaeque plenissimi sunt. Hieronymus, Epistula 70; Zitat 70, 6, 1 (CSEL 54, p.  708, 7 f. Hilberg). 95   Hieronymus, Epistulae 84, 6, 2 (CSEL 55, p.  127, 15–128, 3 Hilberg). 96   Hieronymus, Epistulae 70, 2 (CSEL 54, p.  703, 6–18 Hilberg). 97   Hieronymus, Epistula adversus Rufinum 39 (CCL 79, p.  107, 17–108, 23 Lardet). 98   Vgl. Hagendahl  /  Waszink, Hieronymus, 134–137. 99   Übersicht: W. Wilbrand, Ambrosius, in: RAC 1 (1950), 365–373; G. Madec, Saint Ambroise et la philosophie, Paris 1974; G. Madec, Ambroise, in: DPhA 1 (1994), 155–159; Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 935–958; St. Rebenich, Ambrosius, in: GGPh 5, 2 (2018), 1656–1665. 92

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Politik seiner Zeit entscheidend mit. Hierbei steht die Bereitschaft, Konflikte bis hin zur Verweigerung der Sakramente einzugehen, um den kaiserlichen Zorn zu mäßigen, neben einer kompromisslos christlichen Einflussnahme, welche die Zerstörung jüdischer und polytheistischer Heiligtümer, auch entgegen dem Zögern der Kaiser, fördert.100 Während die erstere Handlungsweise traditionelle Aufgaben des Philosophen mit den neuen Mitteln eines Kirchenpolitikers weiterführt, lässt die zweite den Unterschied zum politisch eher neutralen Beratertum der Philosophen deutlich hervortreten.

Die philosophische Bedeutung von Ambrosius’ literarischem Werk Ambrosius ist als Autor einer Reihe exegetischer und anderer Schriften bedeutsam, aber keiner eigentlich philosophischen Werke. Allerdings beeinflusst er durch deren Adaptionen andere christliche Autoren z. T. langfristig. Der bemerkenswerteste Fall ist sein ›Über die Pflichten der Amtsträger‹ (›De officiis ministrorum‹), das in Form und Inhalt eindeutig auf Ciceros ›De officiis‹ rekurriert, freilich nicht ohne gelegentlich die Distanz anzuzeigen.101 Ein wichtiges Resultat dieser Adaption ist die Übernahme des Schemas der vier Kardinaltugenden, also einer rein philosophischen, nicht biblischen Zusammenstellung, in die christliche Denk- und Lehrtradition lateinischer Sprache.102 Die leider verlorene Schrift ›Über das Sakrament der Wiederherstellung bzw. die Philosophie‹ (›De sacramento restaurationis sive de philosophia‹) verdankt ihren Titel wohl einer Kritik an Platons Lehre von der Seelenwanderung.103 Ambrosius zitiert ferner, ohne Kennzeichnung, ausführlich Plotin in seinen Predigten ›Über Isaak‹ (›De Isaac‹), ›Über das Gute am Tod‹ (›De bono mortis‹) und ›Über Jakob‹, welche z. B. Grundzüge der neuplatonischen Lehre vom Bösen übernehmen. Das hier geübte Vorgehen ähnelt interessanterweise dem des Gregor von Nyssa in Bezug auf das Ähnlichwerden mit Gott104 und trägt Ambrosius gelegentlich eine Einordnung unter den »christlichen Platonismus« ein.105 Die geistesgeschichtliche Bedeutung dieser Werke liegt vor allem darin, dass sie eine Rolle bei der Bekehrung des ­Augustinus spielen.106 100   Konzise Zusammenfassung: Demandt, Die Spätantike, 132–134; Ch. Markschies, Ambrosius von Mailand, in: LACL, 13–22, hier 15 f. 101   Vgl. Madec, Saint Ambroise et la philosophie, 161–166. 102   Vgl. I. Bejczy, The Cardinal Virtues in the Middle Ages. A Study in Moral Thought from the Fourth to the Fourteenth Century, Leiden  /  Boston 2011, 12–17. 103   Vgl. dazu Madec, Saint Ambroise et la philosophie, 249–337. 104   S. oben S. 825. 105   So z. B. bei Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 940–951, der freilich die Distanz zum Neuplatonismus deutlich betont. 106   So das Beweisziel von P. Courcelle, Recherches sur les ›Confessions‹ de Saint-Augustin, Paris 21968, der diese Parallelen entdeckt und z. B. auf S.  106–138 des genannten Werkes dokumentiert hat; weitere Literatur bei Madec, Saint Ambroise et la philosophie,

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Philosophieverständnis Doch wie stark auch immer dieser Einfluss sein mag – das Philosophieverständnis beider unterscheidet sich jedenfalls tiefgehend. Unter ›Philosophie‹ und ›Philosophen‹ versteht Ambrosius fast immer die nicht-christliche Philosophie, und diese wird durchweg negativ gewürdigt, insbesondere im Hinblick auf kosmologische Spekulationen, die anhand von ›Kolosserbrief‹ 2, 8 beurteilt werden.107 Ambrosius betont, wie verfehlt es ist, mit rein menschlicher Vernunft zu wahrer Weisheit gelangen zu wollen, die auch noch zur Erlösung führen soll,108 und stellt die Einfachheit des Glaubens dem Wortreichtum der Philosophie gegenüber.109 Dieser führe allenfalls zur »Eitelkeit der Welt« (vanitas mundi)110 und stehe auf derselben Stufe wie die übrigen weltlichen Tätigkeiten, etwa Recht, Handel oder Architektur.111 Soweit die Philosophen etwas Wahres gesehen haben, ist dies von zeitlich früheren alttestamentlichen Autoren entlehnt, formuliert Ambrosius in Anlehnung an den bekannten ›Altersbeweis‹ für das Christentum.112 An der einen Stelle, an der Ambrosius bei Christen »Philosophie« erkennt, steht der Begriff offenbar der »Klugheit« (prudentia) sehr nahe.113 Definitionen der Philosophie finden sich bei Ambrosius nicht, wohl aber Erwähnungen von deren traditionell unterschiedenen Teilen, die aber nicht unbedingt der Philosophie zugeschrieben werden.114 Die Weisheit in ihren Teilen Ethik (moralis), Naturphilosophie (naturalis) und Mystik (mystica), die er bevorzugt, wird ihm bzw. seiner anzunehmenden Hauptquelle Origenes115 zufolge in den ›Sprichwörtern‹, in ›Kohelet‹ und im ›Hohelied‹ von Salomon behandelt,116 aber

11 Anm.  1; vgl. auch V. H. Drecoll, Neuplatonismus und Christentum bei Ambrosius, ›De Isaac vel anima‹, in: Zeitschrift für antikes Christentum 5 (2001), 104–130, dem ich hier in der Einschätzung folge, Ambrosius und Gregor von Nyssa hätten unabhängig voneinander Plotin auf ähnliche Weise verwandt. 107   Ambrosius, Expositio psalmi 118, 22, 10 (CSEL 62, p.  493, 10–25 Petschenig); Am­bro­ sius, De virginibus 14, 92 (PL 16, col. 303D). 108   Ambrosius, Expositio psalmi 118, 10, 20; 118, 22, 9 (CSEL 62, p.  215. 17–22; 493, 1–9 Petschenig). 109   Ambrosius, Explanatio psalmorum 36, 28 (CSEL 64, p.  93, 6–94, 7 Petschenig); Expositio evangelii secundum Lucan 5, 70 (CSEL 32, 4, p.  209, 17–27 Schenkl). 110   Ambrosius, Expositio psalmi 118, 11, 12 (CSEL 62, p.  240, 10–241, 3 Petschenig). 111   Ambrosius, Expositio psalmi 118, 22, 11 (CSEL 62, p.  493, 26–494, 12 Petschenig). 112   Ambrosius, Explanatio psalmorum 35, 1 (CSEL 64, p.  49;, 1–27 Petschenig); Ambrosius, Expositio psalmi 118, 2, 5 (CSEL 62, p.  21, 28–22, 21 Petschenig). 113   Ambrosius, De virginitate 48 (PL 16, col. 292D [lege ›eum‹ pro ›cum‹]). 114   Ambrosius, Expositio evangelii secundum Lucan, prol. 1–5 (CSEL 32, 4, p.  1, 1–7, 9 Schenkl). 115   S. oben S.  676  f. 116   Ambrosius, De Isaac 4, 22–27 (CSEL 32, 1, p.  657, 1–660, 9 Schenkl); Ambrosius, Expositio psalmi 118, 1, 3 (CSEL 62, p.  66, 12–23 Petschenig).

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auch in anderen biblischen Schriften.117 Andernorts formuliert er dieselbe Dreiteilung mit den Worten »Ethik, Physik, Rationalität« (moralis, naturalis, rationalis),118 ohne dass sich der Sinn im Vergleich zur vorigen änderte, denn Ambrosius setzt die »Rationalität« entsprechend der platonischen Dialektik an die Stelle der »Mystik« (mystica); er benutzt hier also genau denselben Sprachgebrauch wie der Platoniker Macrobius.119 Die eigentlich mit »rationalis« gemeinte Logik wird hingegen als »Dialektik« (dialectica) scharf kritisiert.120

Kenntnisse philosophischer Werke Diese Überlegungen erfolgen vor dem Hintergrund einer recht breiten Kenntnis philosophischer Autoren und Werke, der freilich, wie bei anderen Autoren der Spätantike, in nicht geringem Maße indirekt, z. T. doxographisch, vermittelt ist.121 Eine wichtige Rolle spielt, wie bei allen lateinischen Autoren, Cicero; Ambrosius übernimmt von ihm nicht nur das Modell einer Schrift über die Pflichten, sondern zitiert ihn auch in anderen Werken intensiv. Neben den von ihm zitierten Schriften 6–8 aus Plotins ›Enneade‹ 1 kennt er wohl auch weitere Schriften von Plotin und Porphyrios. Platon nennt er zwar häufiger, dürfte hierfür aber durchweg von einer längeren Tradition abhängig sein, so dass eine direkte Lektüre bestimmter Dialoge nicht zu belegen ist. Die bis hierhin geschilderte Quellenlage ähnelt den Feststellungen, die man z. B. für Macrobius, Marius Victorinus und Augustinus treffen kann; sie belegt eine gewisse Bildung, wie sie im lateinischen Bereich üblich ist, erlaubt aber keine Rückschlüsse darüber, ob Ambrosius einem mutmaßlichen Mailänder Platonikerzirkel angehört hat.122 Bemerkenswert ist hingegen, dass Ambrosius einige Werke der Kappadokier kannte, z. B. Basileios’ ›Hexameron-Homilien‹. Es verdient genauere Prüfung, inwieweit sein Gebrauch philosophischer Texte hiervon geprägt ist.123

117

  Ambrosius, Explanatio psalmorum 36, 1 f. (CSEL 64, p.  70, 1–71, 26 Petschenig).   Ambrosius, Expositio psalmi 118, 2, 32 (CSEL 62, p.  39, 6–26 Petschenig). 119   Ambrosius, Expositio evangelii secundum Lucan, prol. 2 (CSEL 32, 4, p.  3, 7–4, 20 Schenkl). Zu Macrobius s. oben S. 902. 120   Ambrosius, Explanatio psalmorum 36, 28 (CSEL 64, p.  94, 1–7 Petschenig). 121   Die folgenden Informationen basieren auf Madec, Saint Ambroise et la philosophie, 99–174. 122   Madec, Ambroise, 156. 123   R. Henke, Basilius und Ambrosius über das Sechstagewerk. Eine vergleichende Studie, Basel 2000, betont eher die paränetischen Aspekte der Umarbeitung des Ambrosius. 118

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Würdigung Insgesamt lassen sich bei Ambrosius weder ein gesteigertes Interesse an Philosophie noch bemerkenswerte philosophische Leistungen nachweisen, obwohl seine Ausbildung und Lektüre beachtliche Kenntnisse erkennen lassen. Das gilt für seine Wahrnehmung der Rolle als Kaiserberater, die aufgrund seiner Ausbildung eher die eines christlichen Politikers ist, ebenso wie für sein literarisches Werk. Zwar macht er hierin intensiven Gebrauch von der Philosophie, wo ihm dies für die christliche Verkündigung nützlich erscheint, und kann insofern, ähnlich wie schon Justin, ganz im Sinne des Chrēsis-Gedankens formulieren: »Uns (Christen) gehört, was in den Schriften der Philosophen herausragt«.124 Jedoch vertritt Am­ bro­sius weder ein Ideal des Christentums als wahrer Philosophie, noch findet sich bei ihm eine intensive antiphilosophische Polemik. Die Philosophie ist in seinem Umfeld wohl kein Thema, mit dem man sich intensiv auseinanderzusetzen hat, und er selbst hat dazu, trotz seiner Bildung, kein Bedürfnis. Der von ihm dem Psalmisten zugeschriebene Wunsch, jemand zu sein, »der die Lehre der Philosophie nicht verlangt, obwohl er sie vorher kannte«,125 könnte daher die persönliche Haltung des bekehrten Heiden treffend ausdrücken.

9. Die pelagianische Position am Beispiel des Julian von Aeclanum Eine gewisse Rolle spielt die Philosophie offensichtlich in der Position der sogenannten Pelagianer, die insbesondere Augustinus scharf bekämpft. Ihre Ansicht, das menschliche Glücksstreben könne, wenn es tugendhaft ist, real zum Glück beitragen, weist ohne Zweifel Berührungspunkte mit der antiken Philosophie auf. Möglich ist eine nähere Untersuchung aber in erster Linie im Falle von Julian von Aeclanum (ca. 385  –  vor 455), dessen polemisches Werk aus den Schriften seines Gegners Augustinus rekonstruiert werden kann.126 Einige Bibelkommentare dieses Autors, darunter Übersetzungen von Werken des Theodor von Mopsuestia, sind auch direkt überliefert. Über Julians philosophische Position hat es eine längere Kontroverse gegeben, in deren Ergebnis man Julian eine gewisse Bildung in aristotelischer und stoischer Logik zuschreibt, die sich freilich an den Erfordernissen der Polemik 124

  Nostra sunt itaque, quae in philosophorum litteris praestant. Ambrosius, De bono mortis 11, 51 (CSEL 32,1, p.  747, 8 f. Schenkl). Dieser Vergleich findet sich bei Madec, Saint Ambroise et la philosophie, 246. Zu Justin s. oben S. 647  f. 125   Doctrinam philosophiae non requirat, etiamsi ante cognouit. Ambrosius, Expositio Psalmi 118, 22, 11 (CSEL 62, p.  494, 2 Petschenig). 126   Knappe Übersicht: W. Geerlings, Julian von Eclanum, in: LACL, 360–362; ausführlich: Lössl, Julian von Aeclanum. Moreschini, Storia del pensiero Cristiano tardo-antico, 677–710, macht in seinem Pelagianismus-Kapitel ebenfalls intensiv von Julian Gebrauch.

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orientiert; sie muss nicht als Produkt einer spezifisch philosophischen Ausbildung angesehen werden.127 In jedem Fall zeigt eine Lektüre der von Augustinus überlieferten Fragmente Julians, dass dieser bei aller rhetorischen Schärfe auch eine klar konturierte philosophische Argumentation zu entwickeln vermag; man lese nur seine Verteidigung der These »der Wille ist eine Bewegung des Geistes, ohne dass jemand zwänge« (voluntas est motus animi cogente nullo), die nicht nur auf eine Unterscheidung von Natur und Freiheit hinausläuft, sondern unter dem Begriff »möglich« (possibile) eine Idee von Kontingenz entwickelt, die auch Gottes eigenen Schöpfungsakt umfasst.128 Diese Ausführungen zeigen, dass Julian nicht minder stark als Augustinus in klaren Distinktionen denkt. Unter »Philosophen« (philosophi) versteht Julian die griechischen Philosophen, die er als Bildungsgut zitiert (z. B. Aristoteles, verschiedene Vorsokratiker usw.), aber auch als Exponenten nicht christlicher Positionen versteht.129 Die spöttischen Bezeichnungen des Augustinus als »Aristoteles der Punier« (Aristoteles Poenorum) oder »philosophaster der Punier« kritisieren Julians argumentative Vorgehensweise als pseudo-wissenschaftliche Darstellung130 und demonstrieren, welche Assoziationen zeitgenössische Leser mit gutem wie mit schlechtem Gebrauch der Philosophie verbanden. Insgesamt zeigt Julian, genauso wie andere Pelagianer, keine spezifische Nähe zur Philosophie. Vielmehr zeigt er, wie gründlich die philosophische Ausbildung von lateinischen Christen zu seiner Zeit sein kann, selbst wenn eine markante intellektuelle Distanz eingenommen wird.

127

  Vgl. Lössl, Julian von Aeclanum, 80–82;   Zum Beispiel Iulianus Aeclanensis, Ad Florum, apud: Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum 5, 40–53 (CSEL 85, 2, p.  234, 18–258, 7 Zelzer); vgl. zu Julians Position in diesem Konflikt Lössl, Julian von Aeclanum, 126–146, dessen philosophiegeschichtliche Vergleiche die Positionen der Diskutanten z. T. eher verdunkeln: Julians Betonung der Freiheit des Willens ist sicherlich genauso wenig der aristotelischen Handlungstheorie vergleichbar, wie Augustinus’ Position »sokratisch« ist. 129   Iulianus Aeclanensis, Ad Florum, apud: Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum 5, 44 (CSEL 85, 2, p.  247, 5 Zelzer); vgl. auch Iulianus Aeclanensis, Ad Turbantium 4, 295 (CCL 88, p.  390, 265–269 de Coninck). 130   Iulianus Aeclanensis, Ad Florum, apud: Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum 3, 199; 5, 11 (CSEL 85, 1, p.  498, 6; 85, 2, p.  180, 34 Zelzer); vgl. Lössl, Julian von Aeclanum, 34 f. 128

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10. Der Platonismus und seine Grenzen: Augustinus’ Ringen um ­Philosophie im Christentum Augustinus (354–430) ist gerade in Bezug auf die Philosophie der bei weitem bedeutendste Kirchenvater des lateinischen Westens, ja vielleicht der einflussreichste philosophische Autor lateinischer Sprache der Antike. Nicht zufällig hat man in seinem Werk einen »Paradigmenwechsel« hin zum »Ende antiker Denkund Lebenshaltung« verorten wollen131 – eine Diagnose, die freilich vor dem Hintergrund einer spannungsvollen persönlichen Entwicklung132 zum Zeitpunkt der Kulmination der politischen Krise des Weströmischen Reiches historisch zu kontextualisieren ist. Seine Kenntnisse Ciceros, bestimmter Platonici und anderer Autoren führen Augustinus in relativ jungen Jahren zu der Überzeugung, eine Philosophie, die sich richtig verstehe, sei weitgehend im Einklang mit dem Christentum. Für ihn selbst stellt die Zuwendung zu ihr, wie er sie bei Cicero, Plotin und Porphyrios kennenlernt, einen wichtigen Schritt seiner Bekehrung zum Christentum dar, wie er in seinen ›Bekenntnissen‹ (›Confessiones‹) erzählt. Auf dieser Grundlage denkt er den Platonismus, sowohl vor dem Hintergrund seiner eigenen Bildungserfahrung als auch vor dem der jeweils aktuellen Debatten, unter christlichen Vorzeichen weiter. Das Ergebnis sind eine Reihe äußerst bemerkenswerter philosophischer Theorien. Diese führen Augustinus, gefördert durch die von Cicero ererbte kritische Methodik, zu einer zunehmend klareren Unterscheidung zwischen philosophischen und biblischen Vorstellungen, was eine gewisse Distanzierung von der weltlichen Bildung insgesamt wie von der platonischen Philosophie zur Folge hat. Besonders wichtig ist die sogenannte Gnadenlehre, die Augustinus in der Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus entwickelt; sie lässt in seinen Augen für eine Philosophie, die sich die Erlösung durch menschliche Anstrengung verdienen will, keinen Platz, so dass die Distanzierung von ihr beim späten Augustinus wesentlich stärker erscheint, als sie bei seinen griechischen Zeitgenossen gesehen wird.

Kurze Bemerkungen zum Forschungsstand133 Augustinus’ Verhältnis zur Philosophie bildet bis heute einen wichtigen Schwerpunkt der einschlägigen Forschung, auf die hier nur kursorisch hingewiesen werden kann. Mindestens drei Problembereiche sind zu unterscheiden: 131   So J. Kreuzer, in: Aurelius Augustinus, ›De trinitate‹. Neu übersetzt und mit Einleitung herausgegeben von J. Kreuzer, Hamburg 2001, VII. 132   Vgl. K. Flasch, Augustin. Einführung in sein Denken, Stuttgart 32003, 404–407. 133   Gesamtdarstellungen sind beispielsweise G. Madec, Augustine, in: DPhA 1 (1990), 665–675; Flasch, Augustin; Th. Fuhrer, Augus­tinus, Darmstadt 2004; Ch. Horn, Augustinus, München 1995; Th. Fuhrer, Augustinus von Hippo, in: GGPh 5, 2 (2018), 1672–1750. Die

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Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

1.  Augustinus’ Verständnis und Würdigung des Begriffs ›Philosophie‹, die viele vorwiegend christliche Denker der Folgezeit tief beeinflussen; 2.  Augustinus’ philosophische Leistungen, die ihn zu einem der originellsten und bedeutendsten Philosophen der (Spät-)Antike machen; 3.  Augustinus’ Ablehnung jedenfalls eines bestimmten Verständnisses von Philosophie, die in seiner berühmten Gnadenlehre kulminiert.134 Diese Themen stehen im Zusammenhang mit Augustinus’ geistiger Entwicklung, die sich in seinen Schriften spiegelt: Hierbei sind eine Reihe von stark platonisch beeinflussten Frühschriften (›Contra Academicos‹, ›De beata vita‹, ›De ordine‹, ›De magistro‹, ›Soliloquia‹, ›De libero arbitrio‹, u. a.) zu unterscheiden von den großen Abhandlungen der späteren Periode, deren originelle Auseinandersetzung mit philosophischen Thesen selbst eine bedeutende Leistung ist (›Confessiones‹, ›De civitate dei‹, ›De trinitate‹, ›De doctrina Christiana‹); schließlich gibt es eine Reihe Bibelkommentare sowie polemische Schriften, die ebenfalls viel Philosophie enthalten, jedoch insgesamt eine größere Distanz zu ihr aufweisen (z. B. ›In tractatus Ioannis ad Parthos‹, ›Quaestiones‹, ›De genesi ad litteram‹, antipelagianische Schriften etc.).135 Die Frage, wie mit dem in einer solchen Klassifizierung ausgedrückten Wandel umzugehen ist, leidet in der Forschung seit jeher unter den diametral unterschiedlichen Voraussetzungen: Ist die evangelische Theologie vorwiegend an einem proto-lutherischen und philosophieskeptischen späten Augustinus interessiert, so gibt es eine lange vorwiegend katholische Tradition einer harmonistisch-philosophischen Lesart des Gesamtwerks.136 Während die eher historische Annäherung einer jüngeren Forschergeneration helfen mag, diese Gegensätze zu überwinden, tut die eigentliche philosophiehistorische Forschung gut daran, eine eigene Perspektive zu entwickeln: Aus philosophischer Sicht machen gerade die skeptischen und selbstkritischen Suchbewegungen, die

überwältigende inhaltliche und textliche Fülle von Augustinus’ Werk kann jedoch kaum in einer einzelnen Darstellung erfasst werden. 134   Eine knappe und klare Darstellung der augustinischen Gnadenlehre findet sich bei V. H. Drecoll, ›Ungerechte Gnadenlehre‹. Zeitgenössische Anfragen an Augustin und ihr Einfluß auf seine Gnadenlehre, in: C. Mayer  /  A. E. J. Grothe  /  Ch. Müller (Hrsg.), Gnade – Freiheit – Rechtfertigung. Augustinische Topoi und ihre Wirkungsgeschichte. Internationales Kolloquium zum 1650. Geburtstag Augustins, Mainz, 25.–27. November 2004, Stuttgart 2007, 25–40, hier 26–30, der eine eher gemäßigte Position vertritt. Zu den nicht wenigen scharfen Augustinus-Gegnern in der jüngeren Deutungsgeschichte gehört Flasch, Augustin, 172–226, der freilich auch betont, dass Augustinus selbst keine so radikale geistige Umkehr vollzogen hat, wie seine Gedanken hätten nahelegen können. Eine interessante Interpretation des späten Augustinus gibt auch G. Lettieri, L’altro Agostino. Ermeneutica e retorica della grazia dalla crisi alla metamorfosi del ›De doctrina christiana‹, Brescia 2001. 135   Übersichtliche und zeitlich gegliederte Listen von Augustinus’ Schriften findet man z. B. bei Flasch, Augustin, 13 f., 468–473. 136   Diese Beobachtungen zur älteren Forschung werden von Flasch, Augustin, 492–497, in angemessene Worte gefasst.

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Die Philosophie in der Spätantike

sich in jeder Phase von Augustinus’ Werk finden lassen, ihn zu einem faszinierenden Denker.137 Die Vielfalt des augustinischen Schrifttums führt dazu, dass die Frage nach Augustinus’ Verhältnis zur Philosophie differenziert zu beantworten ist. Eine wesentliche Veränderung im Hinblick auf die Philosophie lässt sich z. B. an den beiden bildungstheoretischen Schriften ›Über die Ordnung‹ (›De ordine‹; ca. 386/87) und ›Über die christliche Lehre‹ (›De doctrina Christiana‹; 396/97 bzw. 426/27) leicht erkennen: In der ersten zählt Augustinus die sieben »freien Künste« (artes liberales) als Weg zur Philosophie auf, die in der Erkenntnis Gottes und der Seele gipfelt, in der zweiten lässt er einen Gebrauch platonischer Schriften insoweit zu, wie sich hieraus ein Gewinn für die christliche Lehre ziehen lässt.138 Identifiziert also Augustinus zu Beginn seiner christlichen Schriftstellerei Christentum und Philosophie weitgehend, so wird diese, wie andere kulturelle Leistungen der griechisch-römischen Welt, am Ende zu einem Werkzeug, das man benutzen kann oder nicht. In diesem Sinne ähnelt die Position des späten Augustinus, wenn man die Besonderheiten seiner Gnadenlehre einmal beiseitelässt, grundsätzlich der Chrēsis-Lehre, die sich z. B. bei dem Kappadokier Basileios findet.139 Inwieweit es im Hinblick auf Augustinus’ Verhältnis zur Philosophie vor diesem Hintergrund überhaupt eine Kontinuität gibt, hängt u. a. davon ab, wie man Augus­ tinus’ Philosophieverständnis grundsätzlich bestimmt. Die umfassendste Monographie von Giovanni Catapano schlägt für den Philosophiebegriff des frühen Augustinus drei Möglichkeiten vor: Augustinus könne in den Frühschriften unter ›Philosophie‹ a) den Neuplatonismus, b) das Christentum, oder c) »ein Verständnis des christlichen Glaubens« verstehen, »das sich des neuplatonischen Denkens bedient«.140 Der Autor selbst tendiert aufgrund seiner Analyse sämtlicher für den Philosophiebegriff relevanter Passagen der Frühschriften zu der letzten Formulierung, die es ermöglicht, eine gewisse Kontinuität des augustinischen Denkens über die Philosophie bis in die späteren Texte zu betonen: Wenn die richtig verstandene philosophia die intellektuelle Vollendung des Christen selbst ist, dann bedeuten die tiefgreifenden Änderungen von Augustinus’ Einstellung zu weltlicher Bildung und zur Möglichkeit des Glücklichwerdens aus eigener Kraft nicht unbedingt eine fundamentale Revision des Philosophieverständnisses, sondern

137

  Vgl. z. B. die Bemerkung von M. J. Fuchs, Sum und cogito. Grundfiguren endlichen Selbstseins bei Augustinus und Descartes, Paderborn u. a. 2010, 178. 138   Augustinus, De doctrina Christiana 2, 40 (CCL 32, p.  61, 1–62, 12 Martin); im Grunde ganz ähnlich wird die Rhetorik zu Beginn des erst 426/27 geschriebenen vierten Buches (De doctrina Christiana 4, 1 f. [CCL 32, p.  116, 1–117, 18 Martin]) behandelt. 139   S. oben S.  817  f. 140   Catapano, Il concetto di filosofia, 10–15. Eine auf den ganzen Augustinus ausgedehnte Darstellung gibt derselbe Autor in Catapano, Philosophia, 719–742.

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die Frage nach der richtigen Beschreibung des Christentums ist immer irgendwie diejenige nach der wahren Philosophie.141

Biographisch Grundlegend ist die Rolle der Philosophie, der Augustinus in verschiedenen Schriften vorwiegend nichtchristlicher Autoren begegnet, für seinen eigenen Lebensweg. An äußeren Ereignissen führt dieser den jungen afrikanischen Rhetor zunächst nach Italien, wo er, nach großen beruflichen Erfolgen, unter dem Einfluss von Marius Victorinus und Ambrosius schließlich die Taufe empfängt (387) und im oberitalienischen Cassiciacum philosophischen Gesprächen frönt, die er teils in seinen Frühdialogen festhält. 388 zieht er zurück nach Afrika, wo er allerdings nicht lange die zurückgezogene Lebensweise einer christlichen Philosophie genießen kann, sondern 391 Priester und 395 Bischof wird. Nach vielen Streitigkeiten mit Gegnern wie Donatisten und Pelagianern stirbt er schließlich in seiner Bischofsstadt Hippo Regius, während die Vandalen deren Mauern belagern.142 Im Hinblick auf die Rolle der Philosophie für seine geistige Entwicklung in diesen Jahren lassen Augustinus’ Schilderungen in ›Über das glückliche Leben‹ (›De vita beata‹) und den ›Bekenntnissen‹ Raum für verschiedene Einschätzungen.143 Als wichtigste Momente, in denen ihn Texte nichtchristlicher Philosophen zu wahrer Philosophie anregen, stellt er die Lektüre von Ciceros verlorenem ›Hortensius‹ und den Einfluss der sogenannten »Bücher von Platonikern« (Platonicorum libri) heraus. Demnach wird er mit 19 Jahren durch die Lektüre des ›Hortensius‹ zur Liebe zur Weisheit bekehrt, und zwar in Bezug »auf nicht diese oder jene Richtung, sondern auf die Weisheit selbst, was sie auch immer sein möge« (non illam aut illam sectam, sed ipsam quaecumque esset sapientiam).144 Gemeint ist also die Suche nach der wahren Weisheit beziehungsweise dem glücklichen Leben schlechthin, die nicht auf eine bestimmte philosophische Richtung oder Überzeugung festgelegt ist. Dieser Suche wendet sich Augustinus zu, als ihm noch nicht bekannt ist, wodurch sie erfüllt wird, und somit steht er, ebenso wie alle philosophisch Suchenden, vor der Gefahr, letztlich einem Irrtum anheimzufallen.145 Theoretische Schwierigkeiten, zum Beispiel in der Seelenlehre, seien ihm, berichtet Augus­tinus, im Prozess dieser Wahrheitssuche ebenso hinderlich gewesen wie sein Streben 141

  Vgl. Catapano, Il concetto di filosofia, 294–296; P. Domínguez, Augustins Philosophiebegriff. Fides und ratio im Hinblick auf die Glaubensfrage, Paderborn 2016. 142   Viele Details sind natürlich auch hier diskutierbar. Vgl. zum Ganzen K. Rosen, Augus­ tinus. Genie und Heiliger. Eine historische Biographie, Darmstadt 2015; für einen kurzen Überblick vgl. z. B. Flasch, Augustin, 12, wobei das gesamte Buch biographisch gestaltet ist. 143   Horn, Augustinus, 22–28. 144   Augustinus, Confessiones 3, 8. (CCL 27, p.  30, 29 f. Verheijen). 145   Augustinus, De beata vita 1, 1–6 (CCL 29, p.  65, 1–68, 147 Green).

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nach Ruhm.146 Jedenfalls führt Augustinus’ Suchbewegung zunächst zum Anschluss an den später scharf abgelehnten Manichäismus, obwohl, wie er selbst sagt, »die Akademiker meine Steuerruder entgegen allen Winden inmitten der Fluten festhielten«.147 Die Bekehrung zum Christentum, in dem er bereits durch seine Mutter erzogen ist, ohne es selbst anzunehmen, wird durch die Lektüre der platonischen Schriften inauguriert, die Augustinus um die Mitte der 380er Jahre erhält. Er vergleicht deren Inhalte mit denen des Glaubens und überwindet so die theoretischen Schwierigkeiten, insbesondere hinsichtlich der Erklärung des Bösen und der Unkörperlichkeit Gottes, die ihn bisher davon abhalten, Christ zu werden.148 Unklar ist, ob es in Augustinus’ Leben jemals eine platonische Phase im engeren Sinne gibt, in der er diese Philosophie nicht im Hinblick auf eine Bekehrung zum Christentum betreibt. Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn man den Bericht über die Lektüre der platonischen Bücher in ›Bekenntnisse‹ 7 zeitlich vor die Gartenszene als ausschlaggebenden Zeitpunkt der Bekehrung in ›Bekenntnisse‹ 8149 stellt. Die früheren Schilderungen in ›Gegen die Akademiker‹ und ›Über das glückliche Leben‹150 stellen es jedoch so dar, als motivierte die Lektüre der platonischen Schriften Augustinus dazu, die Bekehrung zum Christentum umzusetzen, um die er zu diesem Zeitpunkt ringt und die stets im Hintergrund seiner philosophischen Entwicklung steht. Insofern spricht vieles dafür, dass die platonischen Quellen Augustinus zunächst eine große Nähe von wahrer Philosophie und Christentum suggerieren.

Kenntnisse griechischer und römischer Philosophie Schon dieser Bildungsgang zeigt, dass Augustinus’ philosophische Kenntnisse breitgefächert sind: Zentral sind einerseits die ciceronischen Schriften mit ihren reichhaltigen Informationen über hellenistische Schulen und Debatten sowie ihrer akademischen Grundhaltung und andererseits die »Bücher der Platoniker«. Diese beschreibt Augustinus unmittelbar nach seiner Bekehrung noch als »ganz wenige Schriften Plotins« (Plotini paucissimi libri), so dass dessen Werke besonderen Einfluss gehabt haben dürften.151 Allerdings kennt er möglicherweise die 146

  Augustinus, De beata vita 1, 4 (CCL 29, p.  67, 90–97 Green); s. auch unten S. 896.   Gubernacula mea repugnantia omnibus ventis in mediis fluctibus Academici tenuerunt. Augustinus, De beata vita 1, 4 (CCL 29, p.  67, 88–90 Green). 148   Augustinus, Confessiones 7, 13–24 (CCL 27, p.  101–108 Verheijen); Augustinus, De beata vita 1, 4 (CCL 29, p.  67, 91–94 Green); vgl. dazu Löhr, Christianity as Philosophy, 180–184. 149   Augustinus, Confessiones 8, 29 (CCL 27, p.  131, 18–38 Verheijen). 150   Augustinus, Contra Academicos 2, 5 (CCL 29, p.  20, 45–21, 67 Green); Augustinus, De beata vita 1, 4 (CCL 29, p.  67, 98–103 Green). 151   Augustinus, De beata vita 1, 4.(CCL 29, p.  67, 99 Green). 147

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Schriften des Porphyrios, die er in ›Der Gottesstaat‹ breit benutzt,152 ebenfalls schon zu diesem frühen Zeitpunkt.153 Jamblich scheint er hingegen nur dem Namen nach zu kennen,154 so wie der Einfluss der späten Neuplatoniker auch auf ihn gering bleibt. Im Übrigen verfügt Augustinus über gute Kenntnisse der gesamten lateinischen Literatur, so dass ihm mit Seneca155 und Apuleius156 auch direkte Informationsquellen zur Stoa und zum Mittelplatonismus zur Verfügung stehen. Ergänzt wird dieses Wissen zum Beispiel durch Aristoteles’ ›Kategorien‹, aus denen seine Lehrer ihr Wissen beziehen,157 und der philosophischen Sammlungs- und Handbuchliteratur.158 Eine breite Lektüre von Originalschriften Platons ist hingegen weniger offensichtlich159 und in Anbetracht der Übersetzungssituation auch eher nicht anzunehmen. Damit besitzt Augustinus einen hinreichenden Überblick über die zeitgenössische Philosophie und deren Vorgeschichte, um zu eigenen Urteilen in der Lage zu sein, aber weder einen detaillierten Überblick über die gesamte Philosophie noch eine philosophische Schulbildung, die ihn auf eine bestimmte Richtung hin festlegen würde. Er kann somit den Spuren Ciceros folgen und die Wahrheit suchen, die ihn überzeugt.

152

  Zum Beispiel: ›De regressu animae‹: Augustinus, De civitate dei 10, 32 (CCL 47, p.  309–314, 1–188 Dombart  /  Kalb); ›Brief an Anebon‹: Augustinus, De civitate dei 10, 11 (CCL 47, p.  284–286, 1–103 Dombart  /  Kalb). 153   So argumentiert z. B. I. Hadot, Arts libéraux et philosophie dans la pensée antique. Contribution à l’histoire de l’éductation et de la culture dans l’Antiquité, Paris 22005, 103. Inauguriert wurde die reiche Porphyrios-Quellenforschung im Werk des Augustinus durch W. Theiler, Porphyrios und Augustin, Halle 1933 (= W. Theiler, Forschungen zum Neuplatonismus, Berlin 1966, 160–251), doch bleibt der Ertrag jedenfalls für die Frühschriften fraglich, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich die quellenkundliche Forschung häufig auf verlorene und somit nicht mehr nachweisbare Porphyrios-Zitate stützt: Ch. Tornau, Ratio in subiecto? The Sources of Augustine’s Proof for the Immortality of the Soul in the ›Soliloquia‹ and its Defense in ›De immortalitate animae‹, in: Phronesis 62 (2017), 319–354. Vgl. ferner P. Hadot, Porphyre et Victorinus 1, 475–478 (wo sich vor allem zeigt, dass sich Augustinus von Victorinus dort unterscheidet, wo Hadot die Benutzung des Porphyrios vorschlägt); G. Madec, Augustin et Porphyre, in: Goulet-Cazé  /  Madec  /  O’Brien (Hrsg.), ΣΟΦΙΗΣ ΜΑΙΗΤΟΡΕΣ, 367–382; A. Smith, Porphyrius, in: Augustinus-Lexikon 4 (2016), 795–804. 154   Augustinus, De civitate dei 8, 12 (CCL 47, p.  229, 26 Dombart  /  Kalb). 155   Augustinus, De civitate dei 5, 8 (CCL 47, p.  135, 12–136, 18 Dombart  /  Kalb). 156  Augustinus, De civitate dei 8, 12; 8, 16 (CCL 47, p.  229, 1–30; 233 f., 1–39 Dombart  /  Kalb). 157   Augustinus, Confessiones 4, 28 (CCL 27, p.  54, 1–17 Verheijen). 158   Vgl. Madec, Augustine, 667. 159   Vgl. aber die Bemerkungen zu platonischen Dialogen, zum Beispiel in Augustinus, De civitate dei 8, 4. (CCL 47, p.  219–222, 1–62 Dombart  /  Kalb).

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Philosophische Leistung160 Augustinus’ eigenes Nachdenken lehnt sich, als Teil seines Suchens nach der Wahrheit, niemals ausschließlich an eine philosophische Richtung an, obwohl er zeitlebens platonische Positionen bevorzugt.161 Vielmehr versucht er, sachliche Fragen vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens zu klären, und denkt in diesem Sinne philosophische Theorien weiter. Zentral ist immer wieder die Frage, wie sich die Realität der Dinge, insbesondere die unerkennbare Realität Gottes, verstehen lässt. Die platonische Lehre von der Welt als Abbild des guten Gottes mit ihrem grundsätzlich realistischen Charakter steht dabei in einer gewissen Spannung zu der Problematik, wie man sich überhaupt durch Zeichen der Realität annähern kann, insbesondere der unerkennbaren Realität Gottes. Sie führt zu einem steten Bemühen um angemessenes Sprechen, das gerade in ›Über die christliche Lehre‹ (›De doctrina Christiana‹) zur Aufwertung der sprachbezogenen Wissenschaften Grammatik, Logik und Rhetorik führt.162 Im Zuge von Augustinus’ Denkarbeit, die gerade in früheren Werken häufig von der platonischen Abbild-Theorie geprägt ist, werden grundlegende Annahmen der antiken Philosophie neu durchdacht und auf eine Weise reformuliert, die mit dem Christentum kompatibel ist beziehungsweise zu seinem besseren Verständnis verhilft; inkompatible Sichtweisen werden hingegen zurückgewiesen, wobei die Schärfe, mit der das geschieht, vom jeweiligen Thema und Anlass abhängt. Bedeutende theoretische Ansätze zu einzelnen Themen betreffen vor allem: 1. den Willen, den Augustinus nach Meinung vieler Interpreten als umfassendes philosophisches Konzept begründet;163 2. die Erklärung des Bösen mithilfe der Annahme, dass ›nichts‹ den Abfall des gefallenen Engels begründete als dessen eigenes falsches Wollen;164

160   Hierzu sind aufschlussreiche Gesamtdarstellungen Ch. Kirwan, Augustine, London 1990, sowie Horn, Augustinus. 161   Augustinus, De civitate dei 8, 5–8 (CCL 47, p.  221–225 Dombart  /  Kalb). 162   Vgl. die prägnanten Aussagen von E. Sweeney, Logic, Theology, and Poetry in Boethius, Abelard, and Alan of Lille. Words in the Absence of Things, New York 2006. 163   Auf die geistesgeschichtliche Bedeutung von Augustinus’ Willensbegriff hat besonders A. Dihle, Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen 1985, 138–149 und 162, hingewiesen. Vgl. für eine Stellungnahme mit Forschungsüberblick z. B. auch J. Lössl, Intellektualistischer Voluntarismus. Der Willensbegriff Augustins von Hippo, in: J. Müller  / R. Hofmeister Pich, Wille und Handlung in der Philosophie der Kaiserzeit und Spätantike, Berlin  /  New York 2010, 301–330. 164   Zum Bösen bei Augustinus vgl. z. B. Schäfer, Unde malum?, 194–348; B. Neuschäfer, Der menschliche Wille als Wurzel des Bösen. Augustinus’ willenstheoretische Lösung des Unde malum-Problems, in: F. Jourdan  /  R. Hirsch-Luipold, Die Wurzel allen Übels. Vorstellungen über die Herkunft des Bösen und Schlechten in der Philosophie und Religion des 1.–4. Jahrhunderts, Tübingen 2014, 261–278.

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3. die Erklärung der Zeit als eine Ausdehnung des Geistes in ›Bekenntnisse‹ (›Confessiones‹) 11;165 4. die Analyse der menschlichen Person und ihrer Selbsterkenntnis, vor allen Dingen in einem Vergleich zur Dreieinigkeit in ›De trinitate‹.166 5. die Erkenntnis des ›Zeichens‹ (signum) als fundamentale hermeneutische Kategorie und die erste systematische Ausarbeitung dieses Gedankens.167 Insgesamt kann man der Meinung sein, dass Augustinus‹ Leistung insbesondere im steten Suchen und Fragen besteht, während eine eigene Theoriebildung, die als abgeschlossenes System verstanden werden kann, nicht in jedem Fall gelingt oder später von ihm selbst revidiert wird; die eine augustinische Theorie gibt es daher nicht.168

Philosophieverständnis Augustinus’ Interesse am Philosophiebegriff zeigt sich rein statistisch daran, dass er zusammen mit Cicero der Autor ist, der das Wort ›philosophia‹ und seine Ableitungen im Lateinischen mit weitem Abstand am häufigsten verwendet; das gilt besonders für seine Frühschriften, die zusammen trotz ihres relativ geringen Umfangs die Hälfte aller augustinischen Belege für das Wort enthalten.169 Grundsätzlich bedeuten bei Augustinus, wie bei anderen Kirchenvätern, ›Philosophie‹ und Philosophen entweder die hellenische Philosophie170 oder eine Lebenshaltung, die diese zumindest als eine Art Vorstufe mit dem Christsein verbindet. Beide Bedeutungen sind bei Augustinus eng miteinander verbunden, so dass sie geeigneterweise zusammen behandelt werden.

Der Philosophiebegriff zwischen Vernunft und Autorität Zur allgemeinen Begriffsbestimmung übernimmt Augustinus aus Ciceros ›Hortensius‹ die Übersetzung von ›philosophia‹ (φιλοσοφία) als ›Bemühen um Weisheit‹ (studium sapientiae),171 während er an anderer Stelle auch mit ›Liebe zur 165

  Hierzu äußern sich in jüngerer Zeit z. B. K. Flasch, Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der ›Confessiones‹. Historisch-philosophische Studie. Text – Übersetzung – Kommentar, Frankfurt 1993; W. Mesch, Reflektierte Gegenwart. Eine Studie über Zeit und Ewigkeit bei Platon, Aristoteles, Plotin und Augustinus, Frankfurt 2003, 295–342. 166   Vgl. dazu Fuchs, Sum und cogito, 21–183. 167   Vgl. hierzu z. B. Fuhrer, Augustinus von Hippo, 1696–1699. 168   Das wird von Flasch, Augustin, 493, zu Recht betont. 169   Vgl. die Analyse von Catapano, Il concetto di filosofia, 17–19: Während es bei Cicero mindestens 700 Belege für den Stamm philosoph- gibt, sind es bei Augustinus 587, bei Seneca 226 und bei Apuleius 103. 170   S. unten S.  896  f. 171   Augustinus, Confessiones 3, 8 (CCL 27, p.  30, 16–18 Verheijen).

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Weisheit‹ (amor sapientiae) übersetzen kann.172 Dieses Streben nach Weisheit ist grundsätzlich positiv konnotiert: Der Rückzug von Alltagssorgen (otium), der typisch für die Philosophie ist, ist für den jungen Augustinus eine Voraussetzung für das Erreichen der Glückseligkeit (beata vita).173 Er führt die sexuelle Metaphorik zur Beschreibung der Philosophie bis dahin aus, dass er berichtet, wie er in ihrem Schoß Zuflucht sucht, von ihren Brüsten nicht ausgeschlossen wird174 und sie gleichsam als nackte begehrt.175 Schließlich nennt er sie »den Hafen, aus dem sogleich ins Land oder auf den Boden des seligen Lebens geschritten wird«.176 Im Laufe des augustinischen Werkes wird jedoch zusehends deutlicher, dass die Annäherung an die Philosophie nicht mit dem Erreichen ihres Ziels zusammen fällt. Vielmehr kann sie nur ihre Erfüllung finden, wenn sie bereits während der Suche ein rechtes Ziel im Blick hat. Daher muss »der wahre Philosoph ein Liebhaber Gottes (amator dei)« sein,177 wie insbesondere Platon in prinzipieller Übereinstimmung mit dem Christentum richtig angenommen habe.178 Jedoch kann das philosophische Streben aufgrund von Hindernissen scheitern. 1. könne man sich in die Ruhe zurückziehen und nur als Zeichen seines Wirkens (lediglich) ein (wohl öffentliches) Denkmal aufrichten; 2. könne man die philosophische Suche ernsthaft betreiben, aber nicht den Weg zurück zum Ausgangspunkt finden; 3. könne man mit richtiger Absicht durch äußere Ereignisse (und nicht das eigene Bemühen) auf das richtige Ziel gelenkt werden. Die Hauptgefahr liege jedoch darin, dass die eigene Philosophie zur Sünde des Stolzes beziehungsweise Hochmuts führe.179 In ›Gegen die Akademiker‹ nennt er als Hauptgefahren, denen dieses Werk begegnen will, die Verzweiflung, aufgrund theoretischer Probleme niemals zum Ziel gelangen zu können, und die Anmaßung, dieses bereits erreicht zu haben.180 Bereits der junge Augustinus bestimmt die Philosophie durch die Begriffe »Vernunft« (ratio) und »Autorität« (auctoritas) genauer, die für ihn den doppelten Weg zur Überwindung von Unsicherheit bilden. Die Philosophie »verspreche die Vernunft«, führe aber nur sehr wenige Menschen zur Einsicht in die Geheim172

  Augustinus, Contra Academicos 2, 7 (CCL 29, p.  21, 4 Green); Augustinus, De ordine 2, 31 (CCL 29, p.  124, 15–125, 33 Green); Augustinus, De civitate dei 8, 1 (CCL 47, p.  216 f., 1–39 Dombart  /  Kalb). 173   Augustinus, Contra Academicos 2, 4 (CCL 29, p.  20, 27–44 Green). 174   Augustinus, Contra Academicos 1, 3 f. (CCL 29, p.  5, 72–85 Green). Vgl. P. Courcelle, Le personnage de la philosophie dans la littérature latine, in: Journal des savants (1970), 209–252, hier 226–231. 175   Augustinus, Soliloquia 1, 22 (CSEL 89, p.  34, 1–8 Hörmann) 176   Philosophiae portum, e quo iam in beatae vitae regionem solumque proceditur. Augus­tinus, De beata vita 1 (CCL 29, p.  65, 1 f. Green). 177   Augustinus, De civitate dei 8, 1 (CCL 47, p.  216, 12 Dombart  /  Kalb). 178   Augustinus, De civitate dei 8, 10 f. (CCL 47, p.  226 f. Dombart  /  Kalb). 179   Augustinus, De beata vita 1, 2 f. (CCL 29, p.  65 f., 15–49 Green). 180   Augustinus, Contra Academicos 2, 8 (CCL 29, p.  22, 26–46 Green).

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nisse, die von der »Autorität« mitgeteilt würden.181 Sie bleibe daher auf deren Vorbegriffe angewiesen, die ihrerseits nach rationalem Begreifen verlangten.182 Daher fühlt sich Augustinus verpflichtet, die Rede über die Autorität rational zu rechtfertigen.183 Die verschiedenen Autoritäten, zu denen neben der sicheren göttlichen auch unzuverlässige menschliche Meinungen gehören,184 regen daher die Vernunft dazu an, zu entscheiden, wem sie Glauben schenkt,185 denn nur auf diese Weise kann sie zur Wahrheit vorstoßen.

Würdigung hellenisch-römischer Philosophie Augustinus’ Haltung zur hellenischen und römischen Philosophie ist aufs Ganze gesehen recht positiv. Zwar werden viele Ansichten der Philosophen und Aspekte ihrer Lebenshaltung immer wieder kritisiert, doch steht es für ihn außer Frage, dass die Philosophie das wertvollste Element der paganen Kultur ist und dass die Philosophen, vor allem die Platoniker, in vielen Hinsichten den Christen sehr nahestehen.186 Diese Hochschätzung der Philosophen zeigt sich besonders deutlich in seinem ›Gottesstaat‹.187 Hier steht eine intensive Auseinandersetzung mit der Philosophie jeweils am Ende der großen Hauptabschnitte: In Buch 5, 8–11 bildet die Auseinandersetzung mit Cicero und der Stoa den theoretischen Hintergrund der endgültigen Zurückweisung des diesseitigen Glücksverständnisses der Heiden, das in ›De civitate dei‹ 1–5 behandelt wurde. In ›Gottesstaat‹ 6–10 werden die Hoffnungen der Heiden auf das Jenseits zuerst anhand Varros188 und dann anhand der Platoniker189 erklärt. Ebenso wie hier sind auch in der abschließenden Auseinandersetzung über Unsterblichkeit der Seele und Auferstehung190 Platon und Porphyrios die bedeutendsten Gesprächspartner. In allen diesen Abschnitten wird betont, wie gering der Unterschied zwischen Christen und den besten Philosophen ist: Lediglich ein Streit um Worte (verbi controversia) trenne die Christen von den Stoikern im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Schicksal (fatum) beziehungsweise 181

  Augustinus, De ordine 2, 16 (CCL 29, p.  115, 42–116, 58 Green).   Augustinus, De vera religione 45 (CCL 32, p.  215, 1–216, 19 Daur). 183   Rationem reddere: Augustinus, De ordine 2, 28 (CCL 29, p.  123, 18 f. Green). 184   Augustinus, De ordine 2, 27 (CCL 29, p.  122 f., 28–52 Green). 185   Augustinus, De vera religione 46 (CCL 32, p.  216, 1–22 Daur). 186   Augustinus, De civitate dei 8, 9 (CCL 47, p.  225, 1–226, 14 Dombart  /  Kalb). 187   Zur Argumentationsstruktur dieses Werkes vgl. v. a. Ch. Tornau, Zwischen Rhetorik und Philosophie. Augustins Argumentationstechnik in ›De civitate dei‹ und ihr bildungsgeschichtlicher Hintergrund, Berlin u. a. 2006. 188   Augustinus, De civitate dei 6–10 (CCL 47, p.  163, 1–314, 188 Dombart  /  Kalb). 189   Augustinus, De civitate dei 8–10 (CCL 47, p.  216, 1–314, 188 Dombart  /  Kalb). 190   Augustinus, De civitate dei 22, 11; 22, 26–28 (CCL 48, p.  829, 1–831, 101; 853, 1–856, 42 Dombart  /  Kalb). 182

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göttlicher Vorsehung und menschlicher Freiheit191 sowie von den Platonikern im Hinblick darauf, ob man die Engel Götter nennen dürfe.192 Sogar hinsichtlich der Unsterblichkeit der Seele hätten Platon und Porphyrios jeder für sich entscheidende Elemente der Lehre vom körperlichen Weiterleben nach dem Tod erkannt, auch wenn sie dieses letztlich abgelehnt hätten.193 Damit spielen die Philosophen eine entscheidende Rolle in Augustinus’ Strategie, das Christentum als erfüllende Überbietung der richtig verstandenen hellenisch-römischen Tradition darzustellen. Diese Tendenz wird schon zu Beginn des Werkes durch die Bemerkung angedeutet, die Philosophen hätten vieles entdeckt, aber im Hinblick auf das Göttliche geirrt.194 Deutlich zutage tritt sie in der Behauptung, der »allgemeine Weg zur Befreiung der Seele« (universalis via animae liberandae), auf den Porphyrios hinweise, den er aber von der eigenen Philosophie unterscheide, sei mit dem Christentum gekommen.195 So gebe dieser zu, dass seine eigene Philosophie nicht die wahrste sei,196 weil er die Wahrheit des Christentums aufgrund seiner platonischen Vorannahmen nicht akzeptieren könne.197 Regelmäßig weist Augustinus andererseits auf die Fehler der Philosophen hin. Neben der Kritik an einzelnen Richtungen, die häufig zugleich aus einer platonischen Haltung heraus erfolgt, zieht sich vor allem die Klage über den Hochmut (tyfus) der Philosophen, mit dem sie insbesondere ihre Irrtümer aufblähen, oder ihre Arroganz (iactantia) durch sein Werk.198 Weitere verbreitete Vorwürfe beziehen sich auf die Uneinigkeit der Philosophen, der Augustinus die Ausgrenzung der Häretiker aus der Kirche gegenüberstellt,199 und die Beschränkung vieler Philosophen auf eine Weltsicht, die Gott ausgrenzt; sie werde in ›Kolosserbrief‹ 2, 8 und an anderen biblischen Stellen kritisiert.200 Insgesamt treten solche Vorwürfe jedoch hinter die positive argumentationstheoretische Benutzung der Philosophie zurück.

191

  Augustinus, De civitate dei 5, 8 (CCL 47, p.  135, 1–136, 35 Dombart  /  Kalb).   Augustinus, De civitate dei 9, 23 (CCL 47, p.  269, 1–271, 76 Dombart  /  Kalb). 193   Augustinus, De civitate dei 22, 27 f. (CCL 48, p.  854, 1–856, 42 Dombart  /  Kalb). 194   Augustinus, De civitate dei 2, 7 (CCL 47, p.  39, 1–40, 40 Dombart  /  Kalb). 195   Augustinus, De civitate dei 10, 32 (CCL 47, p.  309, 1 f. Dombart  /  Kalb). 196   Augustinus, De civitate dei 10, 32 (CCL 47, p.  309, 1–314, 188 Dombart  /  Kalb). 197   Augustinus, De civitate dei 10, 24; 10, 27 f. (CCL 47, p.  297, 1–298, 50; 301, 1–303, 24 Dombart  /  Kalb). 198   Augustinus, De vera religione 8 (CCL 32, p.  193, 1–16 Daur); Augustinus, Confessiones 3, 8; 4, 28; 7, 13 (CCL 27, p.  30, 15–37; 54, 1–17, 101, 1–19 Verheijen). 199   Augustinus, De vera religione 8 (CCL 32, p.  193, 1–16 Daur); Contra Iulianum 4, 75 (PL 44, col. 776). 200   Augustinus, De civitate dei 8, 10 (CCL 47, p.  226, 1–228, 59 Dombart  /  Kalb). 192

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Christentum als Philosophie Da die Philosophie als Suche verstanden wird, fällt sie als solche nicht mit dem Finden zusammen, weswegen Augustinus das Christentum nur ausnahmsweise als »wahre Philosophie« (vera philosophia) bezeichnet.201 Trotzdem scheint dies für ihn in den Frühschriften im Grunde eine Selbstverständlichkeit zu sein, wie sich insbesondere an der Darstellung seiner Mutter Monnica in ›Über die Ordnung‹ (›De ordine‹) zeigt, wo sie die Rolle eines einfachen Menschen ohne spezielle Bildung einnimmt: Augustinus betont, dass stets auch Frauen philosophiert haben, und akzeptiert Monnica als Lehrerin, weil sie in der Liebe nach Weisheit so weit gekommen ist, den Tod nicht zu fürchten.202

Einteilung der Philosophie Augustinus kennt sowohl die Einteilung in eine ionische und eine italische Sukzession203 als auch systematische Einteilungen: Dabei ist für ihn die Einteilung in Praxis und Theorie (actio et contemplatio) gleichwertig mit der Dreiteilung der Philosophie in Ethik, Physik und Logik (moralis, naturalis, rationalis), die er auf Platon zurückführt, der damit vorsokratische Naturphilosophie und sokratische Ethik zusammenführe. Die Einteilung der Philosophie folgt also der Tradition des kaiserzeitlichen Platonismus,204 die Augustinus wohl aus Handbüchern kennt, und nicht der aristotelisch-neuplatonischen Einteilung in Ethik, Naturphilosophie und Theologie, die bei seinen griechischen Zeitgenossen verbreitet ist. Augustinus greift das von ihm geschilderte dreigeteilte Modell positiv auf, indem er in Gott und seinem Abbild, dem Menschen, jeweils eine »Seinsursache, einen Verständnisgrund und eine Lebensordnung« unterscheidet, »von welchen drei sich das erste begreiflicherweise auf den physischen, das zweite auf den logischen und das dritte auf den ethischen Teil bezieht«. All das sei jedem Christen bekannt, selbst wenn er die Dreiteilung der Philosophie nicht ausdrücklich kenne.205 Pagane ›Theologie‹ (theologia) ist für Augustinus negativ konnotiert, jedenfalls solange sie sich, wie in Varros theologia tripertita, entweder als »mythische Theologie« (theologia fabulosa) mit Erzählungen, als »natürliche Theologie« (theologia naturalis) mit beobachtbaren Phänomenen oder als »politische Theologie«

201

  Augustinus, Contra Iulianum 4, 72 (PL 44, col. 774).   Augustinus, De ordine 1, 31 f. (CCL 29, p.  105, 1–106, 71 Green). 203   Augustinus, De civitate dei 8, 2 (CCL 47, p.  217 f., 1–48 Dombart  /  Kalb). 204   S. oben S. 548–550. 205   Causa subsistendi et ratio intellegendi et ordo vivendi, quorum trium unum ad naturalem, alterum ad rationalem, tertium ad moralem partem intelligitur pertinere. Augustinus, De civitate dei 8, 4; 8, 10 (CCL 47, p.  220, 53–56, p.  226, 1–227, 59 Dombart  /  Kalb). 202

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Die Philosophie in der Spätantike

(theologia civilis) mit öffentlichem Kult beschäftige.206 Allerdings bestreitet er, dass Varro zu Recht die Philosophen als Vertreter dieser Art natürlicher Theologie ansieht;207 vielmehr seien diese aufgrund des Gottesbezugs wahrer Philosophie208 die einzigen angemessenen Gesprächspartner für ernsthafte theologische Debatten.209

Philosophie und Religion Wie für Laktanz sind auch für Augustinus Philosophie und Religion in ihren vollkommenen Formen engstens aufeinander verwiesen, indem erst im Christentum das philosophische Streben zu seiner Erfüllung kommt.210 Damit entwirft er ein Gegenbild zu der Trennung von Philosophie und Religion, die er im paganen Bereich diagnostiziert.

Pagane Religion und Manichäismus Auch im Hinblick auf die pagane Religion erkennt Augustinus den Philosophen eine größere Einsicht zu als den übrigen Menschen; insbesondere würdigt er ihre Kritik abergläubischer heidnischer Bräuche211 und akzeptiert sogar die Rede von vielen Göttern, wenn diese nur im Sinne geschaffener Engel verstanden werden.212 Zugleich betont er, wie schon Flavius Josephus und Eusebios, die Schizophrenie der Philosophen, die anderes denken als die Masse der Menschen, aber ihre Kritik nicht offen äußern213 und an den gewöhnlichen Riten teilnehmen.214 Die Lektüre philosophischer Schriften wäre daher ein würdigerer Gottesdienst gewesen als Bräuche wie die Selbst-Kastration der ›Galli‹ genannten kultischen Aktivisten, die Augustinus freilich selbst wohl kaum mehr erlebt.215 Scharfe Kritik erfährt auch jede direkte Annäherung an die pagane Religion wie die Theurgie216 und die 206

  Augustinus, De civitate dei 6, 5; 7, 1; 8, 5 (CCL 47, p.  170, 1–172, 75; 185, 1–29; 221, 1–222, 82 Dombart  /  Kalb). 207   Augustinus, De civitate dei 6, 5 (CCL 47, p.  170, 1–172, 75 Dombart  /  Kalb). 208   Im Sinne der gerade zitierten Formulierung aus ›Contra Iulianum‹ (S. 893 Anm. 201). 209   Augustinus, De civitate dei 8, 1 (CCL 47, p.  216, 1–217, 39 Dombart  /  Kalb). 210   Augustinus, De vera religione 8 (CCL 32, p.  193, 1–16 Daur). 211   Augustinus, De civitate dei 6, 2 (CCL 47, p.  167, 1–168, 50 Dombart  /  Kalb). 212   Augustinus, De civitate dei 9, 23 (CCL 47, p.  269, 1–271, 76 Dombart  /  Kalb); vgl. oben S. 645, 768. 213   Augustinus, De civitate dei 6, 2 (CCL 47, p.  167, 1–168, 50 Dombart  /  Kalb). 214   Augustinus, De vera religione 1 (CCL 32, p.  187, 1–17 Daur); Augustinus, De civitate dei 10, 3 (CCL 47, p.  274, 1–276, 55 Dombart  /  Kalb). 215   Augustinus, De civitate dei 2, 7 (CCL 47, p.  39, 1–40, 40 Dombart  /  Kalb). 216   Augustinus, De civitate dei 10, 9 f. (CCL 47, p.  281, 1–284, 41 Dombart  /  Kalb).

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interpretatio philosophica der paganen Religion, die im ›Gottesstaat‹ am Beispiel der von Varro genannten Lehren scharf kritisiert wird.217 Der Manichäismus erscheint bei Augustinus nicht als eine Philosophie, sondern kurzerhand als eine Abirrung. Gleichwohl ist die Zuwendung zu ihm ein Teil seiner vom ›Hortensius‹ ausgelösten Suche nach der wahren Weisheit, insofern sie auf bestimmten Argumenten ruht, von denen sich Augustinus erst mit Hilfe des Platonismus lösen kann. Das gilt z. B. für die Vorstellung, Gott könne nichts mit dem Bösen gemeinsam haben, die zur Wurzel des manichäischen Dualismus wird,218 oder auch zur körperlichen Gottesvorstellung, zu der Augustinus vor seiner Bekanntschaft mit dem Platonismus keine Alternative findet.219

Das Christentum als Erfüllung des philosophischen Ideals Sehr prominent wird das Christentum in ›Über die wahre Gottesverehrung‹ (›De vera religione‹) als Erfüllung des philosophischen Ideals in breiten Schichten der Gesellschaft dargestellt,220 womit Augustinus sich an die älteren christlichen Überlegungen zu diesem Thema anschließt. Gemeint ist insbesondere das Philosophieideal, das die platonischen Philosophen entwerfen, die »nach Veränderung weniger Worte und Lehrsätze Christen würden« (paucis mutatis verbis atque sententiis Christiani fierent). Auch Platon selbst und seine wahren Anhänger würden sich daher zu Augustinus’ Zeit dem Christentum zuwenden – ja die meisten Platoniker hätten dies schon getan –, wenn sie sehen würden, wie weit ihre Ideale der Verehrung eines Gottes und einer guten Lebensführung auch unter einfachen Menschen verbreitet wären, es sei denn, ihr philosophischer Hochmut verstocke ihr Herz.221 Die Verbindung von Christentum und Philosophie ruht für Augustinus darauf, dass wahre Philosophie immer auf Gott gerichtet ist, so dass das »Genießen Gottes« (fruitio dei) das philosophische Streben erfüllt. Zu Beginn seiner ›Bekenntnisse‹ beschreibt er die Suche, die vom verkündeten Glauben ausgehend zu Gott hin strebt, als Unruhe des Herzens.222 So nimmt der Glaube die Stellung eines Vorwissens ein, das geeignet ist, die Schwierigkeit zu überwinden, die Platon im Menon-Paradox jeder Wahrheitssuche gestellt hatte.223 Dieser Rolle des Glaubens korrespondiert die Rolle Christi als wahrer Weisheit, auf die Augustinus durch Zitierung von ›Ijob‹ 8, 3 »bei Dir ist Weisheit« (apud te est sapientia) bei der Ein217

  S. oben S. 455, 893.   Augustinus, Confessiones 7, 20 (CCL 27, p.  106, 1–12 Verheijen). 219   Augustinus, Confessiones 7, 1 f. (CCL 27, p.  92, 1–93, 53 Verheijen). 220   Augustinus, De vera religione 3–5 (CCL 32, p.  188, 1–192, 102 Daur). 221   Augustinus, De vera religione 3; 7 (CCL 32, p.  188, 1–190, 46; 192, 20–30 Daur). 222   Augustinus, Confessiones 1, 1 (CCL 27, p.  1, 6 f. Verheijen). 223   S. oben S. 239. 218

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führung des Begriffs von Philosophie als »Streben nach Weisheit« (studium sapientiae) im Zusammenhang seiner ›Hortensius‹-Lektüre anspielt.224 In denselben Kontext gehört die berühmte Darstellung Christi als innerer Lehrer im frühen ›Über den Lehrer‹ (›De magistro‹).225 Entscheidend für die Erkenntnis, dass die Suche nach der wahren Philosophie im Christentum zur Vollendung kommt, ist dessen Ähnlichkeit mit dem zeitgenössischen Platonismus, wie ihn Augustinus durch die Schriften von Plotin und Porphyrios kennenlernt, in fundamentalen Punkten;226 er ist für ihn das Paradebeispiel einer monotheistischen Philosophie. Als Ergebnis des Vergleichs mit dem Christentum227 findet Augustinus laut seinen ›Bekenntnissen‹ bei den Platonikern die Einzigkeit Gottes und die Ewigkeit des Sohnes ausgesagt, während insbesondere die Menschwerdung und das Leiden des Sohnes bei ihnen nicht zu finden seien.228 Damit bleibt der Platonismus hinter der Wahrheit zurück, die Augustinus von vornherein aufgrund seiner christlichen Erziehung sucht, und seine Sehnsucht nach dem Mittler Christus, die er seit seiner Taufe in sich trägt, bleibt ungestillt.229 Doch dank der Lösung seiner philosophischen Probleme mithilfe der »Bücher der Platoniker« ergibt sich für ihn die Möglichkeit, zu den unsichtbaren Aspekten an Gott, d. h. zu dessen transzendenter, nicht körperlicher Existenz, aufzusteigen. Dabei gesteht Augustinus Platon zu, historisch unabhängig vom Propheten Jeremia seine Gedanken entwickelt zu haben, und wundert sich fast über seine Formulierungen, die das mosaische »ich bin, der ich bin« vorwegnehmen.230

Die Probleme der Gnadenlehre Die augustinische Gnadenlehre, deren vollendete Form ihre erste(n) klare(n) Darstellung(en) in den nach 395 entstandenen ›Antworten an Simplician‹ findet, wird von Volker Drecoll prägnant folgendermaßen zusammengefasst: »Gnadenlehre ist die Darlegung des Sachverhalts, wie es durch göttliche gratia dazu kommt, daß der Mensch, obwohl er dazu selbst nicht in der Lage ist, das Gute will und so erlöst werden kann«.231

224

  Augustinus, Confessiones 3, 7 f. (CCL 27, p.  29, 1–30, 37 Verheijen); vgl. Augustinus, De civitate dei 8, 1 (CCL 47, p.  216, 1–217, 39 Dombart  /  Kalb); s. oben S. 885, 889. 225   Augustinus, De magistro 38 (CCL 29, p.  196, 46–51 Daur). 226   Augustinus, De civitate dei 8, 9 f. (CCL 47, p.  225, 1–226, 6 Dombart  /  Kalb). 227   S. oben S.  886  f. 228   Augustinus, Confessiones 7, 13–15 (CCL 27, p.  101, 1–103, 66 Verheijen). 229   Augustinus, Confessiones 7, 23–26 (CCL 27, p.  107, 1–110, 27 Verheijen). 230   Augustinus, De civitate dei 8, 11 (CCL 47, p.  227, 1–228, 52 Dombart  /  Kalb). 231   Vgl. V. H. Drecoll, Die Entstehung der Gnadenlehre Augustinus, Tübingen 1999, 22 (Erläuterungen der Formel: 22–24).

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Diese Definition hebt genau die zwei Elemente der augustinischen Gnadenlehre hervor, die aus dem Blickwinkel der antiken Philosophiegeschichte entscheidend sind: 1)  Nach der Gnaden- bzw. der mit ihr verbundenen Erbsünden- und Prädestinationslehre Augustins ist der Mensch nicht in der Lage, aus sich heraus das Gute zu wollen und glücklich zu werden. 2)  Dass es doch zu einer Art Eudaimonie für den Menschen kommen kann, ist einer rein von Gott ausgehenden Wirkung, eben der Gnade, zu verdanken, welche die Erlösung von Gott auserwählter Menschen im Jenseits bewirkt. Diese Konzeption, die sich im Wesentlichen als Exegese der paulinischen Briefe versteht,232 bedeutet insofern einen Bruch mit der antiken Philosophie, als ihr zufolge letztlich alle menschlichen Handlungen bzw. Werke (opera), angefangen mit dem Glauben selbst, ausdrücklich als Folge der göttlichen Wahl verstanden werden.233 Damit bleibt faktisch kein Raum mehr für die Vorstellung, der Mensch könne sich durch eine philosophische Lebensführung selbst zum Glück hin voranbringen. Diese Spannung tritt bei Augustinus selbst aber noch nicht in voller Stärke zutage: Zum einen entwickelt sich die Gnadenlehre langsam in einem komplexen Prozess aus christlichen, neuplatonischen und manichäischen Elementen,234 zum anderen beschreibt er in ›Bekenntnisse‹ 7 und 8 die Wirkung der Erbsünde und der Gnade parallel zu seiner philosophisch-theoretischen Entwicklung.235 Der Zusammenhang zwischen der Erbsünde, die eine Unfähigkeit zum guten Handeln bedeutet, und der Gnade, die den dadurch entstandenen Mangel (mehr als) behebt, zeigt sich auch in der Rolle des (gnadenmäßig vermittelten) Glaubens als Ausgangsbedingung für die philosophische Suche, die somit aus christlicher Perspektive selbst als Ausdruck der wirksamen Gnade erscheint. In der Auseinandersetzung mit den Pelagianern stellt Augustinus heraus, dass die Philosophen angesichts ihrer Unkenntnis der Erbsündenlehre keinen ernsthaften Beitrag zur Debatte über den Status des Menschen zu leisten vermögen,236 weist aber auch in dieser Auseinandersetzung weiterhin auf die positiven Momente in ihrem Denken hin.237

232

  Vgl. Drecoll, Die Entstehung der Gnadenlehre Augustins, 144–250.   Augustinus, Ad Simplicianum 1, 2, 4–6 (CCL 44, p.  9, 51–12, 108 Mutzenbecher). 234   Diese werden bei Drecoll, Die Entstehung der Gnadenlehre Augustins, 355–362, nicht minder prägnant zusammengefasst. 235   Vgl. Flasch, Augustin, 174; Drecoll, Die Entstehung der Gnadenlehre Augustins. 236   Augustinus, Contra Iulianum 4, 77 (PL 44, col. 778). 237   Augustinus, Contra Iulianum 4, 72 78 (PL 44, col. 774. 778 f). 233

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Die Philosophie in der Spätantike

Philosophie, Rhetorik und Fachwissenschaften Trotz Augustinus’ begrenzter Begeisterung für die nicht-philosophischen Wissenschaften führt seine Ansicht, man könne sich Gott nur durch das Studium von Zeichen annähern, die zumeist Worte sind, zu der bereits angesprochenen Wertschätzung der Grammatik, Dialektik und Rhetorik, die, auch angesichts seiner gelegentlichen Polemik gegen die »freien Künste« (inklusive der Philosophie),238 als wichtiges Element seiner Herangehensweise festgehalten werden kann. Sein eigenes Fach, die Rhetorik, sieht er, obwohl ihre Regeln seine Schriftstellerei durchgängig prägen, besonders kritisch, sobald er Christ geworden ist: Ganz anders als die Philosophie ist sie, nach seiner Erfahrung, ganz entgegen ihrer Einordnung unter die sogenannten »ehrbaren Studien« (studia honesta) auf Ziele des weltlichen Ehrgeizes gerichtet.239 Daher zieht er selbst sich langsam aus ihr zurück,240 ohne dass dies eine totale Ablehnung bedeuten würde. Charakteristisch für Augustinus ist, dass er die Regeln des rhetorischen Diskurses, den er meisterhaft beherrscht, gezielt durchbricht, um auf sein Ungenügen hinzuweisen.241 Überhaupt stellt er durchgängig die »Ordnung der Studien für die Weisheit« (ordo studiorum sapientiae) als propädeutische Beschäftigung ohne eigenen Wert dar, die sogar verderblich wirken kann, wenn sie durch Vermittlung eines scheinbar zuverlässigen Wissens zu unberechtigtem Hochmut anregt.242 Eine wichtige Rolle spielt aber die Rhetorik, so wie Grammatik und Dialektik bzw. Logik, in seinen Entwürfen eines christlichen Curriculums propädeutischer Studien in ›Über die Ordnung‹ (›De ordine‹) und ›Über die christliche Lehre‹ (›De doctrina Christiana‹). Die erste Schrift, in deren zweitem Buch die Disziplinen als Schritte auf dem Weg zur wahren Einsicht dargestellt werden, ist die älteste erhaltene Auflistung der Liste der sieben freien Künste, wie die spätere Zeit sie kennt.243 Offenbar greift Augustinus hier auf ein Vorbild aus Porphyrios oder seinem Umfeld zurück und (er oder seine Quelle) ersetzt die dort erhaltene ›Philosophie‹ durch die ›Dialektik‹.244 Diese versteht er, ähnlich wie die Kappado238

  Z. B. Augustinus, Epistulae 101, 2 (CSEL 34, 2, p.  540, 13–541, 17 Goldbacher).   Augustinus, Confessiones 2, 6 (CCL 27, p.  29, 13–28 Verheijen). 240   Augustinus, Confessiones 9, 1 f. (CCL 27, p.  133, 1–134, 13 Verheijen). 241   Vgl. Tornau, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 20–73. 242   Augustinus, Confessiones 4, 30 (CCL 27, p.  55, 30–49 Verheijen). 243   Augustinus, De ordine 2, 37–43 (CCL 29, p.  128–131 Green); vgl. zur Interpretation und zur Quellenfrage Hadot, Arts libéraux et philosophie, 101–136. 244   So aber schon Hadot, Arts libéraux et philosophie, 132; zu Porphyrios s. oben S. 777  f. Vgl. dagegen allerdings J. Doignon, in: Augustine, ›De ordine‹. Introduction, texte critique, traduction, notes complémentaires par J. Doignon, Paris 1997, 30. Die Rückführung des Schemas auf Varro, der eine neupythagoreische Quelle benutzt habe, ist kaum plausibel zu machen (A. Dyroff, Über Form und Begriffsgehalt der augustinischen Schrift ›De ordine‹, in: M. Grabmann  / J. Mausbach [Hrsg.], Aurelius Augustinus. Die Festschrift der Görres-Gesellschaft zum 1500. Todestage des heiligen Augustinus, Köln 1930, 15–62 hier 40–46), weil wir keine neupythagoreischen Texte überhaupt in diese Zeit datieren können. 239

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kier, im Sinne der Logik. Auch seine Ausarbeitung der Dialektik, die vorwiegend an stoischen Vorbildern orientiert ist,245 dürfte kaum auf Porphyrios mit seinem Interesse an Aristoteles’ ›Kategorien‹ zurückgehen. In ›Über die christliche Lehre‹ werden neben der Rhetorik, die eine christliche Ausarbeitung erfährt,246 sowohl die Grammatik als auch, unter dem Namen »Wissenschaft von der Erörterung« (scientia disputandi), die Dialektik behandelt. Letztere wird, entsprechend den Aufgaben der Logik, zur Unterscheidung von rechten und falschen Schlüssen, ebenfalls als »Wissenschaft vom Definieren, Einteilen und Aufteilen« (scientia definiendi, dividendi atque partiendi) beschrieben und in angemessenem Maße den christlichen Lesern empfohlen. Ihre Darstellung ist, ebenso wie in Augustinus’ eigener Schrift zur ›Dialektik‹, insgesamt eher stoisch, jedenfalls aber nicht aristotelisch geprägt, wie das bei einer neuplatonischen Vorlage zu erwarten gewesen wäre.247 Aufs Ganze gesehen kann Augustinus’ Bedeutung für die Förderung sprachlicher Studien sowie für die Ausbildung des Schemas der sieben freien Künste, das durch Martianus Capella und Cassiodor ausgebaut werden wird, kaum überschätzt werden.

Würdigung Augustinus sticht unter den Kirchenvätern durch seine geistige Beweglichkeit und Originalität heraus, die ihn immer wieder dazu führt, traditionelle Positionen nuancierter vorzutragen. Das betrifft auch seine Würdigung der insbesondere platonischen Philosophie für ihre inhaltliche Nähe zum Christentum, welche über die Aussagen des Eusebios und anderer griechischen Christen noch hinausgeht. Dies liegt nicht nur an der argumentativen Stoßrichtung, die Heiden, wie im ›Gottesstaat‹, dadurch zu gewinnen, dass das Christentum als Vollendung der Philosophie aufgezeigt wird, sondern noch mehr an Augustinus’ eigenen Erfahrungen, wie sie in seinen Schriften breit dokumentiert sind. Trotz seiner zunehmenden Skepsis gegenüber den Möglichkeiten menschlichen Denkens und menschlicher Lebensführung prägt Augustinus mit dieser positiven Grundhaltung zur Philosophie das abendländische Denken wesentlich, zumal für den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Leser der junge, für die Philosophie begeisterte Augustinus gleichwertig neben dem späteren Gnadentheoretiker steht und nicht von ihm zu unterscheiden ist, so dass sein Werk die Berufung auf ihn ganz verschiedene Stellungnahmen zur Philosophie rechtfertigen kann. Einen besonderen Akzent besitzt sein Œuvre im antiken Kontext dadurch, dass er n ­ eben Marius Victorinus als einziger spätantiker christlicher Autor gezielt Schriften für 245

  Vgl. zu den Inhalten der Dialektik Augustinus, De dialectica, sowie zur Einordnung H. Ruef, Dialectica, dialecticus, in: Augustinus-Lexikon 3 (1996), 407–413, v. a. 409–412. 246   Vgl. Tornau, Rhetorik, 86–88. 247   Augustinus, De doctrina Christiana 2,48–58 (CCL 32, p.  65, 16–72, 23 Martin).

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Die Philosophie in der Spätantike

eine christliche wissenschaftliche Propädeutik, unter Einschluss der Dialektik bzw. Logik, verfasst. Diese Beobachtung hebt freilich die Schwierigkeiten nicht auf, die sich gerade auch der philosophischen Deutung von Augustinus’ Werk stellen: Sosehr eine harmonisierende Perspektive auf den frühen und den späten Augustinus, wie sie die neuere Forschung gerne einnimmt, zu einem einheitlichen Verständnis von dessen eigenem Bildungsweg verhilft, so groß ist die Gefahr, die fundamentale Bedeutung von Augustinus’ geistigem Wandel zu unterschätzen.Unter den Denkbedingungen des späten Augustinus scheint ein philosophisches Leben im antiken Sinn überhaupt nicht mehr möglich zu sein. Somit weist Augustinus auf Standpunkte voraus, die gute Philosophie gerade dadurch definieren, dass Individuen vor dem Hintergrund der Begrenztheit wissenschaftlicher Gewissheit je eigene Wege suchen – was sowohl der individualistischen und erkenntnistheoretischen Fokussierung der westlichen Philosophie als auch einer Berufung auf den Glauben ­allein Vorschub leistet.

11. Die platonischen Ausleger Ciceros: Macrobius und Favonius Eulogius In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts erläutern zwei Autoren lateinischer Sprache Ciceros ›Traum des Scipio‹ (Somnium Scipionis), den Teil des 6. Buchs von ›Über den Staat‹ (›De re publica‹), in welchem der alte Scipio Africanus Maior das Leben des Staatsmanns nach dem Tod erläutert. Von großer geistesgeschichtlicher Bedeutung ist vor allem das Werk des Macrobius, der neben einem recht umfangreichen Kommentar zu Ciceros Werk unter dem Namen ›Saturnalien‹ von einem Gastmahl berichtet, in welchem eine gebildete römische Gesellschaft grund­legende Gebiete der Bildungswelt erörtert.248 Wesentlich kürzer ist das Parallelwerk des Favonius Eulogius, der lediglich zu einigen Punkten der CiceroDeutung aus pythagoreischer Perspektive Stellung nimmt.249 Beide Werke sind vermutlich im 2. Viertel des 5. Jahrhunderts entstanden, wobei die Perspektive des Christen Favonius sich kaum von derjenigen der ausführlicheren Darstellung des Platonikers Macrobius unterscheidet.250

248

  Zusammenfassend: Fuentes González, Macrobius, 227–242; S.  Döpp, Macrobius, in: GGPh 5, 3 (2018), 2332–2337. 249   Dazu J. Pépin, Favonius Eulogius, in: DPhA 3 (2000), 417 f.; S.  Döpp, Fauonius Eulogius, in: GGPh 5, 3 (2018), 2330 f. 250   Die Daten beider Autoren sind nicht ganz leicht zu bestimmen, doch kann man für Macrobius unter Zugrundelegung plausibler familiärer und literarischer Verbindungen auf ca. 430 kommen (M. Armisen-Marchetti, in: Macrobe, ›Commentaire au Songe de Scipion‹. Tome 1–2. Texte établi, traduit et commenté par M. Armisen-Marchetti, Paris 2003, 1, XII– XVII; vgl. aber die skeptischere Haltung von Fuentes González, Macrobius, 229–231. Für

900

Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

Die Philosophie in Macrobius’ Werk Das Werk des Macrobius ist weniger eine Texterklärung als eine Darstellung verschiedener Gebiete der Philosophie sowie angrenzender, weitgehend dem Quadrivium entsprechender Disziplinen (Arithmetik, Geographie, Astronomie, Musik) anhand des ciceronischen Textes.251 Der Kerngedanke, d. h. das Thema von ›Ciceros Traum‹ (Somnium Scipionis) im Sinne der Kommentartradition,252 ist dabei die Unsterblichkeit der Seele, zu der diese Disziplinen hinführen sollen; bei dieser Gelegenheit wird der ciceronische Text, der bei allen platonischen Anklängen noch vielfach eine stoische Gedankenwelt wiedergibt, einer gründlichen neuplatonischen Deutung unterzogen, für die Platon, Plotin und Porphyrios Pate stehen, deren Namen ausdrücklich genannt werden; es ist freilich hier, wie bei anderen Autoren, wahrscheinlich, dass sich Macrobius für die Darstellung der früheren Positionen der Zusammenfassungen des Porphyrios bedient (was eine eigene Lektüre nicht ausschließt).253 Eine ähnlich enzyklopädische, aber ausführliche Darstellung verschiedener Wissensgebiete bieten die ›Saturnalien‹, die ebenfalls eine philosophisch-didaktische Zielsetzung aufweisen,254 sowie in geringerem Maße der Text des Favonius, der sich darauf beschränkt, einzelne Aspekte des ciceronischen Textes mit einer pythagoreischen Zahlensymbolik zu erklären.255 Macrobius schätzt die »philosophia« sehr, erwähnt sie dauernd und meint damit die Lehre der klassischen griechischen und z. T. römischen Philosophie, deren Vertreter er Philosophen nennt;256 dies gilt auch für Favonius.257 An Definitionen der Philosophie zitiert Macrobius im ›Kommentar zu Scipios Traum‹ »Nachdenken über das Sterben« (meditatio moriendi) sowie in den ›Saturnalien‹ »Wissenschaft der Wissenschaften« (disciplina disciplinarum), wobei er die Philosophie auch als »Geschenk der Götter« (munus deorum) bezeichnet.258 Die erste DefiFavonius ergibt die Erwähnung bei Augustinus, De cura pro mortuis gerenda 13 (CSEL 41, p.  642, 12–643, 4 Zycha) eine ähnliche Datierung. 251   Vgl. die Inhaltsübersicht von Armisen-Marchetti, Macrobe, 1, XLII–XLVI. 252   Macrobius, Somnium Scipionis, 1, 4, 1 (12, 29–13, 5 Willis). 253   Vgl. Armisen-Marchetti, Macrobe, 1, XXIV–XLI, XLVI–LXI. 254  Vgl. Fuentes González, Macrobius, 234–237. Bemerkenswert für die spätantike Sammlungsliteratur insgesamt sind die instruktiven Bemerkungen des Macrobius, Saturnalia 1, 2–12 (1, 12–3, 28 Willis). Die Bezüge der hier auftretenden Theologie zum neuplatonischen Denken werden erläutert von E. Syska, Studien zur Theologie im ersten Buch der ›Saturnalien‹ des Macrobius, Stuttgart 1993. 255   Im ersten Teil des Werkes (2, 8–14, 19 Holder) geschieht dies im Hinblick auf die Konstitution der Welt, im zweiten (14, 21–21, 28 Holder) im Hinblick auf die Sphärenharmonie. 256   Zum Beispiel: Macrobius, Somnium Scipionis 1, 2, 13; 1, 8, 3; 8, 5 (6, 19; 37, 2–7; 37, 22–5 Willis). 257   Favonius, Disputatio in Somnium Scipionis (1, 12; 10, 3 Holder). 258   Macrobius, Somnium Scipionis 1, 13, 5 (52, 12–14 Willis); Saturnalia 1, 24, 21 (121, 27–29 Willis).

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nition nimmt er zum Anlass einer ausführlichen Diskussion über die Arten des Sterbens, wobei er, als Erläuterung der kathartischen und der höheren Tugenden Plotins, nur die Befreiung des im Körper lebenden Menschen von den Lüsten als den wahren Tod ansieht, den der Philosoph anzustreben hat.259 Insgesamt ist Macrobius der Meinung, dass jemanden »die Lehre der Philosophie zu mehr als einem Menschen, ja wahrhaft zum Menschen« macht.260 Wichtig ist ihm die Dreiteilung der Philosophie in »ethische, naturwissenschaftliche und rationale« (moralis, naturalis et rationalis), die er am Ende des ›CiceroKommentars‹ anführt. Er versteht die Dreiteilung im neuplatonischen Sinne, da ihm zufolge »die Ethik, welche die erhabene Vervollkommnung der Sitten lehrt, die Naturphilosophie, welche die göttlichen Körper erörtert, und die rationale (Philosophie, d. h. die Logik), wenn vom Unkörperlichen die Rede ist, welches nur der Verstand umfasst«, gemeinsam die Philosophie ausmachen.261 Diese platonische Deutung des Schemas ist von der Formulierung her überraschend, da das Wort rationalis an eine Übersetzung von ›Logik‹ (ἡ λογική) denken lässt, so dass man an eine traditionell stoische Dreiteilung denken würde; vermutlich steht hier eine Kontinuität der lateinischen Begrifflichkeit im Hintergrund, welche eine Übertragung des Namens des dritten Teils der Philosophie in ›Theologie‹ oder ›Dialektik‹ nicht mitvollzieht.

Verhältnis der Philosophie zur Politik und zu anderen Wissenschaften Entsprechend seiner neuplatonischen Deutungstendenz wird die von Cicero betonte Verbindung von Philosophie und Politik für Macrobius eher zu einem Problem, das er dadurch löst, dass er auf Plotins politische Tugenden verweist und somit die staatsmännische Aktivität immerhin als eine erste Stufe der Philosophie als Loslösung vom Körper gelten lässt. »Es steht fest, dass es auch politische Tugenden gibt. Also wird man auch durch die politischen glückselig«.262 In dieser Hinsicht nimmt Macrobius die politischen Tugenden im neuplatonischen Kontext relativ ernst, doch erhalten sie im Grunde keine systematische Bedeutung, sondern werden einfach integriert; bei Favonius spielt die politische Dimension keine Rolle. 259

  Macrobius, Somnium Scipionis 1, 13, 6–12 (52, 20–53, 36 Willis). Zu Macrobius’ Plotin-Referat vgl. Macrobius, Somnium Scipionis 1, 8, 8–10 (38, 19–39, 10 Willis). 260   Quem doctrina philosophiae supra hominem, immo vere hominem fecit. Macrobius, Somnium Scipionis 1, 16, 9 (65, 27 f. Willis). 261   Moralis quae docet morum elimatam perfectionem, naturalis quae de divinis corporibus disputat, rationalis, cum de incorporeis sermo est quae mens sola complectitur. Macrobius, Somnium Scipionis 2, 17, 15 (52, 20–153, 20–23 Willis). Vgl. zur Bedeutung dieser Zusammenfassung für Macrobius Armisen-Marchetti, Macrobe, 1, XLVI–XLIX. 262   Constat autem et politicas esse virtutes; igitur et politicis efficiuntur beati. Macrobius, Somnium Scipionis, 1, 8, 5–8; 1, 12 (37, 18–38, 18; 39, 16–25, Zitat 39, 17 f. Willis).

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Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

Die Bezüge der Philosophie zu den übrigen wissenschaftlichen Disziplinen sind eng: Die Arithmetik bzw. Zahlenlehre ist für Macrobius wie Favonius wichtig, Ersterer geht, wie gesagt, auch auf das Quadrivium sowie (in den ›Saturnalien‹) auf Rhetorik und Poetik intensiv ein.263 Von besonderer Bedeutung sind Macrobius’ Ausführung zu den Möglichkeiten der Benutzung poetischer Formen für philosophische Themen, welche die neuplatonische Dichtungstheorie in lateinischer Sprache präsentieren.264 Diese Disziplinen sind nicht einfach vorbereitend, sondern bilden ein enzyklopädisches Wissen, das im Grunde an die Stelle der meisten eigentlich philosophischen Inhalte tritt, so dass man diese und das aus ihr resultierende Lebensziel auch als das vereinigende Band der vor allem von Macrobius überlieferten Wissenskultur sehen kann, die entsprechend breit gefächert ist.

Würdigung Macrobius ist der bedeutendste, aber auch der letzte Repräsentant des neuplatonischen Philosophieideals in lateinischer Sprache. Bei ihm überformt das griechische Vorbild weitestgehend die lateinische Eigentradition Ciceros, so dass Macrobius, wie auch Favonius, zeigt, wie sehr sich die spätantiken Anhänger der alten Tradition und Religion auch im lateinischen Raum am neuplatonischen Vorbild orientieren, das allerdings nicht systematisch ausgearbeitet, sondern als Bildungsgut übernommen wird.

12. Eine allegorische Darstellung des lateinischen Bildungskanons: ­Martianus Capella Felix Capella aus Karthago, später meist als Martianus bekannt,265 ist der Autor einer menippeischen Satire – einer Mischung aus Dichtung und Prosa – in neun Büchern, die unter dem nicht sicher authentischen Titel ›Die Hochzeit Merkurs mit der Philologie‹ (›De nuptiis Mercurii et Philologiae‹) bekannt wird. Geistesgeschichtliche Bedeutung hat dieses Werk als erste erhaltene ausführliche Darstellung der sieben freien Künste, die, zusammen mit Cassiodors ›Institutiones‹, das frühmittelalterliche Verständnis dieser Disziplinen prägt.266 Die Tatsache, dass Cassiodor Martianus’ Werk nicht direkt kennt, spricht im Übrigen dafür, dass die 263   Vgl. zum oben Gesagten ferner die Inhaltsübersicht der Saturnalien bei Fuentes González, Macrobius, 236. Zu den einzelnen Wissenschaften vgl. J. Flamant, Macrobe et le Néo-Platonisme Latin, à la fin du IVe s., Leiden 1977, 233–482. 264   Macrobius, Somnium Scipionis, 1, 2, 7–21 (5, 11–8, 12 Willis). 265   Zusammenfassend: R. Goulet, Martianus Capella, in: DPhA 4 (2005), 288–302; S.  Döpp, Martianus Capella, in: GGPh 5, 3 (2018), 2340–2345. 266   Vgl. Th. Ricklin, Die ideale Bibliothek, in: GGPh Mittelalter 3 (2021), 14–33, hier 26 f.

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Die Philosophie in der Spätantike

Ähnlichkeiten beider Werke auf eine gemeinsame Quelle oder Tradition zurückgreifen, die uns nicht mehr vorliegt.267 Das Werk wird vermutlich von Boethius’ ›Trost der Philosophie‹ vorausgesetzt, so dass es vor 524 entstanden sein dürfte, während Augustinus davon keine Kenntnis zu haben scheint. Plausibel scheint jedenfalls eine Datierung in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts, also die Zeit des Macrobius, da uns für ähnlich offen von hellenisch-römischer Religiosität geprägte und das Christentum ignorierende Darstellungen Belege aus der Folgezeit fehlen. Eine spätere Entstehung im vandalischen Nordafrika kann aber nicht ausgeschlossen werden.268

Die Rolle der Philosophie Da die Darstellung auf die Disziplinen der »Philologie« (philologia) konzentriert ist, taucht die Philosophie als solche nur gelegentlich auf. Ihr wird im Text die Aufgabe übertragen, »diesen Beschluss des höchsten Senates, der in erzene Tafeln eingeritzt ist, durch Sphären und Wege zu verbreiten«;269 die allegorisch verstandene Philosophie verbreitet also die Botschaft des Höchsten – in diesem Fall die Hochzeit Merkurs mit der Philologie – unter den Göttern, aber vielleicht auch unter den Menschen. Der Charakter des Dekrets wird durch die Rede von »erzenen Tafeln« verdeutlicht, die auf die vom augusteischen Historiker Livius dargestellte Fassung des römischen Zwölftafelgesetzes anspielt.270 Die Philosophie wird insofern als religiöse Mittlerfigur von Regeln guten Lebens umschrieben. Wenn sie andererseits als »Mutter so vieler Übungsstätten und so vieler Helden«271 einen Bezug zu den anderen Disziplinen aufweist, werden insofern auch diese in gewissem Maße durch die besondere Aufgabe der Philosophie gewürdigt; dies zeigt sich auch daran, dass die Philologia die Philosophie von Herzen liebt, da diese ihr den Aufstieg zum Himmel vorhergesagt hat.272 267

  Vgl. Goulet, Martianus Capella, 294.   Zur Datierungsproblematik vgl. Goulet, Martianus Capella, 289–291, der freilich die möglichen Beziehungen zu Boethius (s. unten S. 1064  f.) nicht anspricht; dies tut D. Shanzer, A Philosophical and Literary Commentary on Martianus Capella’s ›De nuptiis Philologiae et Mercurii‹, Berkeley u. a. 1986, 1–17, die auch den nicht-christlichen Charakter des Werkes zu Recht betont; vgl. auch S.  Grebe, Martianus Capella, ›De nuptiis philologiae et Mercurii‹, 11–22. Gerade dieser Charakter spricht aber für eine Datierung in die Zeit Cassiodors, d. h. nicht später als Mitte des 5. Jahrhunderts, so wie es auch andere Autoren annehmen (z. B. Minio-Paluello, The text of the ›Categoriae‹, 31; Hadot, Arts libéraux et philosophie, 137). 269   Hoc superi senatus consultum aeneis incisum tabulis per orbes et compita publicare. Martianus Capella, De nuptiis 1, 96 (27, 22 Willis); vgl. 2, 131; 6, 576 (41, 5; 203, 5 Willis). 270   Vgl. Shanzer, A philosophical and literary commentary, 185, auch zur Textgestalt. 271   Martianus Capella, De nuptiis 6, 576 (203, 5 Willis). 272   Martianus Capella, De nuptiis 2, 131 (41, 7–10 Willis). 268

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Der hierdurch angedeutete Bezug des Werks zu platonischen Aufstiegslehren wird an der Gesamtanlage noch deutlicher: Die zentrale Figur des Merkur, dessen eigentlichster Name, wie bei Hermes Trismegistos, Thot lautet,273 symbolisiert offenbar die menschliche Vernunft, und seine Hochzeit mit Philologia deutet an, dass die Seele durch deren Disziplinen geordnet wird;274 dies geschieht, indem Merkur der Philologie die sieben Disziplinen schenkt, um die es im Rest des Buches geht.275 Insbesondere der Lobgesang der Muse Euterpe spricht die philosophischen Implikationen deutlich aus: Die Leistung der Philologia besteht wesentlich darin, vermittels der Idee der Selbsterkenntnis und der Philosophie des Platon und Pythagoras zum Aufstieg zum Himmel anzuleiten.276 Auch für die einzelnen Disziplinen wird immer wieder ihr Bezug zur Philosophie verdeutlicht, insbesondere, wenn sämtliche Philosophen, die bei der Hochzeit anwesend sind, der Geometrie applaudieren. Ähnliche Bemerkungen finden sich auch für Grammatik und Rhetorik.277 Lässt sich insofern ein gewisser platonischer Rahmen der Darstellung erkennen, so muss betont werden, dass dieser weit weniger hervorgehoben wird, als dies z. B. bei Macrobius der Fall ist. Auch eine spezifisch neuplatonische Färbung fällt nicht auf, und entsprechende Quellen lassen sich allenfalls erschließen, was aber mit großen Unsicherheiten behaftet ist.

Aristotelische Logik in der Dialektik Eigentlich philosophische Themen werden in erster Linie bei der Darstellung der Dialektik erläutert, die freilich gewisse Spannungen aufweist: In der Einleitung schreibt Capella ihr sechs Aufgaben zu – das Sagen (loqui), das Sprechen (eloqui), das Aussagen (proloqui), die »Zusammenfassung des Aussagens« (proloquiorum summa), das Urteilen über Dichtung (iudicare) und das Reden (dicere), das der Rhetorik äquivalent sei278 –, erläutert aber nur die ersten vier, und zwar weitgehend anhand der ersten Bücher des spätantiken aristotelischen Curriculums: Das Sagen bezieht sich demnach auf ›Eisagoge‹ und ›Kategorien‹, das Sprechen auf die ›Hermeneutik‹, das Aussagen hat es mit verschiedenen Satzarten zu tun und die »Summe des Aussagens« mit den Schlüssen.279 Bei der anschließenden detail273

  Vgl. Martianus Capella, De nuptiis 2, 178 (50, 23–51, 1 Willis).   So die plausible Deutung von Hadot, Arts libéraux et philosophie, 137–139; damit sind andere Deutungen nicht notwendig ausgeschlossen: Goulet, Martianus Capella, 293 f. 275   Martianus Capella, De nuptiis 1, 36; 2, 217 f. (15, 8–18; 57, 6–14 Willis). 276   Martianus Capella, De nuptiis 2, 125 (38, 4–30 Willis). Vgl. Hadot, Arts libéraux et philosophie, 146–148. 277   Martianus Capella, De nuptiis 6, 724 (258, 16–18 Willis); vgl. 3, 230; 5, 538 (62, 4–6; 189, 19 f. Willis). 278   Martianus Capella, De nuptiis 4, 338 (109, 15–18 Willis). 279   Martianus Capella, De nuptiis 4, 339–343 (109, 18–110, 25 Willis). 274

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Die Philosophie in der Spätantike

lierten Auflistung der Lehrinhalte dieser ersten vier Teile der Dialektik erweist sich der Bezug zur ›Eisagoge‹, den ›Kategorien‹ und den ›Analytica priora‹ als sehr eng, während die Satzlehre, die mit lateinischen Beispielen operiert, eine andere Quelle zu haben scheint.280 Auf eine andere Tradition geht wohl auch die Gliederung selbst zurück, die in ihren ersten vier Teilen auch in Augustinus’ Schrift ›Über die Dialektik‹ (›De dialectica‹) zu finden ist,281 wo ein aristotelischer Einfluss nicht erkennbar ist.282 Bemerkenswert sind insofern weniger die nicht-aristotelischen Inhalte als der starke aristotelische Einschlag, weil er sich bei Augustinus nicht finden lässt. Aufgrund der zunehmenden Präsenz des Aristotelismus auch in anderen Quellen stellen die Aristoteles-Bezüge vermutlich eine Neuerung gegenüber einer älteren Tradition dar, die womöglich, wie Capella selbst andeutet, bis auf Varro zurückgeht.283 Das passt auch zur stoischen Prägung der Schemata, für welche die große Aufmerksamkeit auf Sätze und das Wort ›Dialektik‹ spricht, für das man aus aristotelischer Perspektive eher ›Logik‹ erwartet hätte.284 Die aristotelische Ausarbeitung dürfte lateinische Übersetzungen der entsprechenden Schriften, vielleicht die des Marius Victorinus, zur Voraussetzung haben.285 Jedenfalls ist Martianus Capella ein wichtiger und, neben Marius Victorinus, relativ früher Zeuge für die Akzeptanz des kurzen Curriculums aristotelisch-logischer Schriften, das die lateinischen, syrischen und armenischen Übersetzungen der Ausgehenden Antike prägen wird.286

Würdigung Die allegorisch gestaltete Enzyklopädie des Martianus Capella zeugt im Ganzen von einer weitgehenden Aushöhlung des Philosophie-Ideals: Zwar bilden Vorstellungen der platonischen Philosophie den Rahmen des Werks, insofern dieses zum Aufstieg der Seele beitragen will; als Mittel hierzu wird aber mit den sieben freien Künsten ein Kanon von Disziplinen angeboten, die selbst nicht eigentlich die Philosophie ausmachen, wenn sie auch in Beziehung zu ihr stehen. Am philo280

  Martianus Capella, De nuptiis 4, 344–422 (111, 3–145, 25 Willis).   Augustinus, De dialectica 4 (p.  86 Pinborg  /  Jackson). 282   Detailliert zum Aufbau dieses Kapitels Grebe, Martianus Capella, 109–212 283   Martianus Capella, De nuptiis 4, 335 (109, 1 f. Willis). Ein möglicher Einfluss Varros auf Capella ist umstritten. Hadot, Arts libéraux et philosophie, 156–190, bestreitet ihn mit Nachdruck, doch M. Bovey, Disciplinae cyclicae. L’organisation de savoir dans l’œuvre de Martianus Capella, Trieste 2003, z. B. 355–360, argumentiert wiederum, dass zumindest auf der Ebene der Disziplinenordnung Varro eine Rolle gespielt haben könnte. 284   B. D. Jackson, in: Augustine, ›De dialectica‹. Translated with Introduction and Notes by B. D. Jackson, edited by J. Pinborg, Dordrecht  /  Boston 1975, 124. 285   Vgl. Minio-Paluello, The Text of the ›Categoriae‹, 31. 286   S. unten S. 960–966. 281

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Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

sophischsten ist noch die Dialektik, welche Capella wesentlich anhand des kurzen Curriculums der aristotelischen Logik so ausgestaltet, dass philosophische Inhalte methodisch wichtig bleiben. Somit skizziert ein Anhänger der alten Religion ein ganz ähnliches Schema wie die Christen Augustinus und Cassiodor: Alle diese Lateiner entwerfen ein Bildungsideal, das den Menschen in mathematischer und methodischer, aber nicht in inhaltlich-philosophischer Weise prägt. Dass die griechische Philosophie somit für lange Jahrhunderte eine Randerscheinung im lateinischen Bildungskanon bleibt, dürfte nicht nur am Christentum liegen, sondern auf eine ältere Bildungstradition zurückgehen, die traditionell mit den ›Disciplinarum libri‹ des Varro verknüpft ist.

13. Gallische Autoren des 5. Jahrhunderts (Johannes Cassian, Eucherius von Lyon, Claudianus Mamertus, Salvian von Marseille) Eine merkliche literarische Aktivität in lateinischer Sprache gibt es in Gallien, also am nordwestlichen Rand des Imperium Romanum, das gerade dort zunehmend zusammenbricht, noch im 5. Jahrhundert. Immerhin vier Autoren sind hierbei im Hinblick auf den Philosophiebegriff oder philosophische Theorien von Interesse:

Origenismus im Westen: Johannes Cassian Johannes Cassian (ca. 360–432)287 verfasst am Ende eines bewegten Lebens in der Gegend von Marseille mehrere Lebensregeln für Mönche, die in der Tradition des Evagrios Pontikos bzw. des Origenes stehen und mancherlei philosophische Einflüsse enthalten. So fragt Cassian zu Beginn seiner Ausführungen nach dem »Ziel, das heißt der Bestimmung der Seele und der Intention des unzugänglichen Verstandes« (scopos, i. e. animae destinatio sive inaccesibilis mentis intentio) des Lebens der Mönche und siedelt es in der »Reinheit des Herzens« (puritas cordis) an, um die dauerhaft in jedem Moment, letztlich als Erwerbung von Tugenden, zu kämpfen ist.288 Die verschiedenen Fehler der Seele werden auf die drei platonischen Seelenteile Vernunft, Zornmut und Begierde zurückgeführt.289 Trotz dieser erkennbar philosophischen Einflüsse gelten die »weltliche Philosophie« (saecularis philosophia) bzw. die »Dogmata der Philosophen« (philosophorum dogmata) als subtile Gefahr, die eher gut erscheint als gut ist.290 Was das Leben 287

  Übersicht: M. Skeb, Johannes Cassian, in: LACL, 335 f.   Ioannes Cassianus, Collatio 1, 4 (CSEL 13, p.  9, 11–10, 14 Petschenig). 289   Ioannes Cassianus, Collatio 24, 15 f. (CSEL 13, p.  691, 9–692, 14 Petschenig). 290   Ioannes Cassianus, Collatio 1, 20 (CSEL 13, p.  30, 4–19 Petschenig). 288

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der Philosophen selbst angeht, von denen Sokrates und Diogenes namentlich erwähnt werden, so ist es allenfalls teilweise perfekt, aber niemals so wie dasjenige der christlichen Mönche.291 Insofern ist Cassian ein typischer Zeuge dafür, dass viele philosophische Lehren so gründlich in christliche Strömungen aufgenommen waren, dass ihr Ursprung keine Rolle mehr spielte.

Christliche Askese in der Nachfolge der Philosophie: Eucherius von Lyon Ebenfalls ein produktiver und einflussreicher Verfechter eines asketischen Lebens ist Eucherius, seit ca. 410 Asket auf der Insel Lérins und spätestens in den 440er Jahren Bischof von Lyon.292 Eucherius stellt in seinen Traktaten die wahre christliche Askese der ›Philosophie‹ (philosophia) gegenüber, mit der sich seine gebildeten Zeitgenossen zu seinem Missfallen, in der Tradition ihrer römischen Vorfahren, noch beschäftigen.293 Beispiele wahrer Philosophie entnimmt er der christlichen Tradition, z. B. Gregor Thaumaturgos und Gregor von Nazianz.294 Seine Kenntnis der christlichen, philosophisch eingefärbten Tradition der Bibelauslegung zeigt besonders die Einleitung zu seinen ›Formeln der geistigen Einsicht‹ (›Formulae spiritalis intelligentiae‹): Sie greift einerseits auf die Einteilung der Philosophie in Physik, Ethik und Logik zurück und erklärt sie durch mehrere Dimensionen allegorischer Bibelauslegung; andererseits übernimmt sie auch den Unterschied von Theorie und Praxis für die christlichen Ideale der Kontemplation und Askese.295 Gerade in der Abgrenzung zur vorchristlichen Philosophie zeigt sich insofern bei Eucherius eine indirekt vermittelte Kenntnis von Grundunterscheidungen der Philosophie.

Ein Plädoyer für die göttliche Gerechtigkeit: Salvian von Marseille Salvian von Marseille (ca. 400–480) wendet sich einem asketischen Leben zu und kritisiert in seiner Schrift ›Über die göttliche Regierung‹ (›De gubernatione dei‹) die sozialen Zustände seiner Zeit.296 Seine Schrift beginnt mit Zitaten von Pythagoras, Platon, den Stoikern und Vergil (»nicht weniger Philosoph als Dichter«), die den Grundgedanken einer göttlichen Weltregierung einführen. Die drei zitierten Persönlichkeiten werden als »Hauptvertreter sowohl der Philosophie als 291

  Ioannes Cassianus, Collatio 13, 5 (CSEL 13, p.  365, 19–367, 5 Petschenig).   Übersicht: C. Kasper, Eucherius (von Lyon), in: LACL 234 f. 293   Eucherius, De laude eremi 32, 1–3 (p.  166 Pricoco); Eucherius, De contemptu mundi (104, 693–110, 783 Pricoco). 294   Eucherius, De contemptu mundi (80, 371–82, 387 Pricoco). 295   Eucherius, Formulae spiritalis intelligentiae, prooemium (SC 618, p.  96, 43–100, 74 Mandolfo  /  Dulaey). 296   Übersicht: N. Brox, Salvianus von Marseille, in: LACL, 543 f. 292

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Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

auch der Beredsamkeit« (principes et philosophiae simul et eloquentiae) bezeichnet, die sich, »von Gottesverehrung frei« (religionis expertes), zur Anerkennung der göttlichen Weltregierung gezwungen gesehen hätten – so dass diese auch in Salvians stürmischen Zeiten offensichtlich sein sollte, wolle man sich nicht den ungläubigen Epikureern gleichstellen.297 Überhaupt bekennt sich Salvianus zur »christlichen Philosophie« (philosophia Christiana), weswegen die vergleichende Kritik an den nicht-christlichen Vorläufern deutlich ausfällt.298 Somit finden wir bei Salvian eine unbefangene Anführung der alten Philosophen als Vorbilder für die Christen, was zu seiner generellen Tendenz passt, viel mehr mit Exempla als auf rationalem Wege zu argumentieren.299

Ein christlicher Denker über die Seele: Claudianus Mamertus Am wichtigsten für die Philosophie ist jedoch ohne Zweifel Claudianus Mamertus (ca. 425–474), der manchmal kurzerhand als »christlicher Neuplatoniker« bezeichnet wird.300 Mamertus argumentiert in seiner Schrift ›Über den Zustand der Seelen‹ (›De statu animarum‹) mit Argumenten »aus der Geometrie, der Arithmetik und auch der Dialektik sowie einigen, soweit es für den Gebrauch nützlich war, philosophischen Regeln (philosophomenon regulis)« für die These, dass die Seele unkörperlich ist.301 Bei allem Zusammenhang dieser Disziplinen sieht Mamertus eine besondere Stellung der Philosophie: Mit Respekt spricht er von der langen philosophischen Wahrheitssuche seit den Vorsokratikern, die der menschlichen Natur entspreche und zur Erkenntnis von Wahrheiten geführt habe, und gebraucht sie bereitwillig zur Überzeugung seines Gegners.302 Er beschreibt sein eigenes Bemühen »als eine höchst subtile Erörterung der philosophischen Kunst« (philosophicae artis subtilissima disputatio) und bedauert, dass ihm Gesprächspartner zum Klären der eigenen Meinung fehlen.303 297   Salvianus Massiliensis, De gubernatione dei 1, 1–6 (2, p.  100, 1–104, 6 Lagarrigue). Die Belege sind, wie der Quellenapparat der Ausgabe zeigt, Laktanz entnommen. 298   Salvianus Massiliensis, De gubernatione dei 4, 59 (2, p.  280, 47–54 Lagarrigue); vgl. 1, 12; 7, 101–106 (2, p.  112, 87–103; 502, 1–506, 62 Lagarrigue). 299   Vgl. G. Lagarrigue, in: Salvien de Marseille. Œuvres. Tome 2. ›Du gouvernement de Dieu‹. Introduction, texte critique, traduction et notes, Paris 1975, 19. 300   Übersicht: M. Skeb, Claudianus Mamertus, in: LACL, 128; St. Gersh, Claudianus Mamertus, in: DPhA 2 (1994), 401 f., der von einem »néoplatonicien Chrétien« spricht. Ausgewogener S.  Döpp, Claudianus Mamertus, in: GGPh 5, 3 (2018), 2336–2340. 301   Ex geometricis et arithmeticis atque etiam ex dialecticis et nonnullis, prout interfuit usui, philosophomenon regulis. Claudianus Mamertus, De statu animarum, praef. (CSEL 11, p.  19, 15 f. Engelbrecht). 302   Claudianus Mamertus, De statu animarum 2, 2 f. (CSEL 11, p.  101, 4–102, 9; 104, 14– 105, 4 Engelbrecht). 303   Claudianus Mamertus, De statu animarum, epilogus (CSEL 11, p.  191, 4–14 Engelbrecht).

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Das auf Latein ungewöhnliche griechische Passiv philosophomena im obigen Zitat lässt vermuten, dass Mamertus Kenntnisse des Griechischen besitzt, für die auch recht ausführliche Platon-Zitate sprechen, vor allem ein längerer Abschnitt aus dem ›Phaidon‹, den Mamertus anderthalb Seiten lang zitiert.304 Da allerdings der Großteil von Mamertus’ Argumenten Augustinus entlehnt ist, dem sich wohl auch ein Bezug auf Porphyrios verdankt, könnte man auch vermuten, dass Mamertus Platon aus einer lateinischen Übersetzung kennt, über die uns freilich sonst Nachrichten fehlen.305 Auf jeden Fall begegnet uns mit Mamertus noch einmal ein philosophierender und philosophisch gebildeter christlicher Autor, der zeigt, welches Interesse und welche Bildung in diesem Bereich am Ende der Antike noch vorhanden waren.

14. Zusammenfassende Würdigung Die Spätantike ist die Zeit einer beträchtlichen philosophischen Eigenentwicklung der lateinischen Welt im Vergleich zum griechischen Sprachraum, was insbesondere am Werk des Augustinus, aber auch in einer spezifischen Quellensituation begründet liegt. Es sind nämlich überwiegend solche philosophischen Einflüsse stark bemerkbar, die auf Lateinisch erreichbar sind: Das sind einerseits die ciceronianische Tradition mit ihrer Neigung zur rhetorischen Bildung und zum methodischen Skeptizismus und andererseits einzelne Elemente der griechischen Tradition, nämlich die aristotelische Logik, deren Wirkung sich anscheinend erst nach und nach gegen eine stoisierende Tendenz durchsetzt, und der Neuplatonismus eines Plotin und Porphyrios, der, anders als die den Lateinern wenig bekannte Lehre von Jamblich und seinen Anhängern, hier wie im Griechischen den Christen interessante Anknüpfungsmöglichkeiten bietet. Genutzt werden diese vor allem von Augustinus, dessen ungestümer, von einer drängenden Wahrheitssuche geprägter Denkweg ihn die weite Strecke von einer weitgehenden Identifizierung von Neuplatonismus und Christentum bis hin zu einer Dissoziierung gehen lässt, die expliziter und inhaltlich tiefgreifender ist als im griechischen Bereich. Seine antipelagianische Position mit ihrem starken Akzent auf der Wirkung der Erbsünde und der Unfähigkeit des Menschen, sich aus eigener Kraft zu vervollkommnen, legt ganz andere Akzente als die stets neuen Ansätze der griechischen Christen, ihre Glaubensüberzeugung mit philosophischer Rationalität zu verstehen. Eine Selbstvervollkommnung durch Philosophie 304

  Plato, Phaedo, 66b–67a, apud: Claudianus Mamertus, De statu animarum 2, 7 (CSEL 11, p.  125, 14–127, 2 Engelbrecht); vgl. auch Plato, Phaedo 245c, apud: Claudianus Mamertus, De statu animarum 2, 7 (CSEL 11, p.  123, 20–22 Engelbrecht). 305   Porphyrios wird erwähnt bei Claudianus Mamertus, De statu animarum 2, 7 (CSEL 11, p.  128, 13 Engelbrecht).

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Das Philosophie-­Ideal in der lateinischen Spätantike

ist nach einigen Aussagen des späten Augustinus kaum mehr möglich. Folglich spielt auch die Einheit von wahrer Philosophie und wahrer Religion, die Laktanz zu Konstantins Zeit pointiert herausstellt, beim späten Augustinus kaum mehr eine explizite Rolle. Durch philosophisches Nachdenken über die christliche Offenbarung hat sich für ihn, wie schon für seinen Lehrer Ambrosius, gezeigt, dass man als Christ auf die Philosophie nicht angewiesen ist. Die typisch antike Einheit von Christentum und Philosophie ist somit im lateinischen Sprachraum bereits um 450 zwar noch eine Option, aber keinesfalls mehr von der Sache her geboten.

Zum Philosophiebegriff und seinen Verflechtungen Am Philosophiebegriff der lateinischen Quellen fällt zunächst auf, dass es nach Laktanz nur wenige christliche Enthusiasten für die Philosophie gibt: Die Kirchenväter Hilarius und Ambrosius sind zwar philosophisch gebildet und vor allem Ambrosius macht davon einigen Gebrauch, doch ihre Haltung zur Philosophie bleibt distanziert und das Ideal des Christentums als ›wahrer Philosophie‹ bleibt bei den Lateinern eher selten, mit Ausnahme einiger gallischer Autoren. Anhänger der traditionellen Religion schätzen die Philosophie zwar hoch, doch wird sie eng mit anderen Disziplinen verbunden und somit zu nur einem Teil eines Bildungsideals. Interessanterweise begegnen sie sich gerade in dieser Tendenz mit ihren christlichen Zeitgenossen, von denen Marius Victorinus und Augustinus ebenfalls um die Förderung propädeutischer Bildung bemüht sind. Hier bildet sich eine Tendenz zu einer auf sprachliche und mathematische Disziplinen gestützten Allgemeinbildung heraus, in der die Philosophie – anders als noch bei Porphyrios – nur noch als ›Dialektik‹ eine Rolle spielt, die nach Augustinus zunehmend durch die ersten Schriften des aristotelischen Organons geprägt wird. Somit bleibt die Logik faktisch, indem Augustinus und Martianus Capella sie als Dialektik unter die sieben freien Künste rechnen, mehr als andere Teile der Philosophie ein Element des Bildungskanons. Die Definitionen und Gliederungen der Philosophie zeigen auch in der Spätantike den Einfluss Ciceros, dank dessen ›die Wissenschaft von den göttlichen und menschlichen Dingen‹ bei den Lateinern anders als bei den Griechen nach wie vor die verbreitetste Formel ist. Daneben sind die platonisch-aristotelischen Definitionen ›Wissenschaft der Wissenschaften‹ und das ›Nachdenken über den Tod‹ einigen Autoren bekannt, während das ›Ähnlichwerden mit Gott‹ kaum je zum Thema wird. Sowohl Macrobius als auch Ambrosius teilen die Philosophie in Ethik, Physik und Erkennen des Göttlichen, wobei Letzteres erstaunlicherweise immer noch unter dem Namen ›vernünftige‹ Philosophie (rationalis) fungiert, das seine Herkunft aus einer Übersetzung von ›Logik‹ (λογική) im stoischen Curriculum noch deutlich verrät; umfangreichere Einteilungen der Philosophie in Theorie, Praxis und deren aristotelische Unterabteilungen finden sich vor allem bei Calcidius und Augustinus. 911

VIII. Philosophie in den Sprachräumen des christlichen Orients

1. Allgemeines und kulturgeschichtlicher Hintergrund Für die Literaturen des christlichen Orients sind das 4. und 5. Jahrhundert eine klassische Epoche, in der literarische Schöpfungen von bleibendem Wert entstehen. Sie sind allerdings weit weniger als in der Kaiserzeit oder in der Ausgehenden Antike von explizit philosophischem Charakter, sondern enthalten lediglich verschiedene Kritiken von und Annäherungen an hellenische Philosophie, welche neuerdings durch Spezialforschung herausgearbeitet werden.

2. Philosophische Kenntnisse im syrischen Sprachraum Allgemeines Die syrische Tradition des 4. und 5. Jahrhunderts scheint ihren Schwerpunkt nach wie vor in Edessa und dem Umland zu haben, doch spielt daneben auch bereits der westliche Raum des Perserreichs eine Rolle, wie die dort entstandenen Werke Aphrahats und der Umzug des Ephrem von Nisibis, das nach 363 an Persien fällt, nach Edessa zeigen. Insbesondere in Edessa gibt es nach späterer Überlieferung auch einen Schulbetrieb, der anscheinend zunächst unter antiochenischem Einfluss steht, bis im 5. Jahrhundert die monophysitische Tradition stärker wird. Die Frage, inwieweit in diesem Unterrichtsbetrieb philosophische Lehren vorkommen, kann allenfalls indirekt aus deren Behandlung durch mögliche Absolventen dieser Schulen, wie Ephrem der Syrer und Philoxenos von Mabbug, erschlossen werden.1 Ein Zeugnis Ephrems zeigt jedenfalls, dass zumindest einzelne zeitgenössische philosophische Traktate bekannt sind, vielleicht in syrischen Übersetzungen, so wie wir sie von einzelnen Plutarch-Traktaten noch haben, ohne diese Übertragungen bislang datieren zu können.2 Unser eingeschränkter Kenntnisstand hat auch damit zu tun, dass die theologische Forschung bis vor wenigen Jahrzehnten bei

1

  Die bei weitem wichtigste Publikation ist Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts. 2   Zum Zeugnis Ephrems zu Albinos s. unten; zu den syrischen Plutarch-Übersetzungen, die in der Regel ohne nähere Begründung ins 6. Jahrhundert datiert werden, S.  F. Frazier, Plutarque de Chaironée, in: DPhA 5b (2012), 1096–1185, hier 1175.

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den Syrern eine (angeblich!) rein semitische Theologie finden wollte, weswegen griechische Motive heruntergespielt wurden.3 Das griechische Wort ›Philosophie‹ und seine Ableitungen sind bereits Teil der syrischen Schriftsprache: Die ins 4. Jahrhundert zu datierende syrische Übersetzung der sogenannten ›Apostellehre‹ (›Didascalia apostolorum‹) aus dem 3. Jahrhundert benutzt zweimal die Wendung »Weise und Philosophen« (ḥḵīmē w-filosofē); beide Worte dürften zusammen das griechische ›Philosophen‹ (φιλόσοφοι) übersetzen, da die Philosophen im engeren Sinne des Wortes gemeint sind.4 Das Abstractum ›Philosophie‹ (filosofūṯā) begegnet zur gleichen Zeit in der syrischen Übersetzung der ›Theophaneia‹ des Eusebios, deren frühe Datierung durch die überliefernde Handschrift gesichert ist.5 Das Wort taucht auch in allen syrischen Versionen von ›Kolosserbrief‹ 2, 8 als Übersetzung des griechischen Äquivalents (φιλοσοφία) auf, doch ist die früheste erhaltene Übersetzung, die Peschitta, nicht sicher noch ins 4. Jahrhundert zu datieren.6 Eine Kenntnis des griechischen Ideals des furchtlosen Philosophen vor dem Kaiser zeigt der syrische Julianroman, wohl aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, in der ein Aplatos – »erzogen in seiner Weisheit, bekannt unter den Philosophen, und der, obwohl er ein Heide war, gerechte Ratschläge zu geben pflegte« – den Tyrannen Julian in der ihm erteilten Redefreiheit (parhēsiyā) an die Regeln der Gerechtigkeit erinnert.7 Diese Belege zeigen allerdings noch nicht, dass Kenntnisse sowie Ausarbeitungen der Philosophie in syrischer Sprache vorliegen. Bei Aphrahat (gest. nach 344), 3   Ich verweise auf die Belegsammlung bei Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 1–8. 4   Didascalia apostolorum (CSCO Syr. 175, p.  17, 19–21 [syr.]  /  176, p.  14, 26–28 [engl.] Vööbus). Der Bezug auf die Philosophen ergibt sich dadurch, dass deren Weisheit mit der höheren Weisheit der Propheten verglichen wird. Zur Gewohnheit syrischer Übersetzer, ein griechisches Wort durch zwei syrische wiederzugeben, S.  z. B. A. Vööbus, The ›Didascalia apostolorum‹ in Syriac I. Chapters I–X. Translated by A. Vööbus (CSCO Syr. 176), 25*; zum Alter der Übersetzung ebd. 25*–28*. 5   Zum Beispiel Eusebius, Theophania 2, 19 (p.  164 Lee [syr.]  /  GCS Eusebius 3, 2, p.  84, 17; 87, 27 Gressmann [dt.]). Zum Datum der Handschrift im Jahre 411 vgl. zum Beispiel H. Gressmann, in: Eusebius, Werke 3, 2. Die Theophanie. Die griechischen Bruchstücke und Übersetzung der syrischen Überlieferung, Herausgegeben von H. Gressmann (GCS Eus. 3, 2), Berlin 21992, XIf. 6   Vgl. B. Aland  /  A. Juckel (Hrsg.), Das Neue Testament in syrischer Überlieferung II. Die paulinischen Briefe 2, Berlin  /  New York 1995, S.  415. Zum Alter der Peschitta K. Aland  / B. Aland, Der Text des Neuen Testamentes. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik, Stuttgart 21989, 202 f. 7  

Narratio Iuliani (33, 18–20; 35, 7 Hoffmann [syr.]; englisch zitiert bei Brown, Power and Persuasion, 91). Zur Datierung vgl. M. van Esbroeck, Le soi-disant roman de Julien l’Apostate, in: H. J. W. Drijvers u. a. (Hrsg.), IV Symposium Syriacum 1984. Literary Genres in Syriac Literature (Groningen-Oosterhesselen 10–12 September), Rom 1987, 191–202.

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der im persisch beherrschten Mesopotamien literarische Diskurse verfasst, wurde bisher nichts dergleichen festgestellt,8 allerdings wohl auch nicht systematisch untersucht. Als einziger relevanter Autor ist hier Ephrem kurz darzustellen, während Philoxenos von Mabbug9 im Kapitel über die Ausgehende Antike behandelt wird.

Ephrem der Syrer als philosophischer Denker und Rezipient hellenischer Philosophie Ephrem, bekannt unter dem Beinamen »der Syrer« (ca. 306–373),10 gilt vor allem wegen seiner Darstellung der christlichen Glaubensinhalte in Versen als heraus­ragender Literat. Es sind aber auch mehrere Widerlegungsschriften gegen Bardaiṣān, Mani, Markion und andere in Prosa, z. T. allerdings sehr lückenhaft, überliefert. Ephrem verbringt sein Leben im Kerngebiet der syrischen Sprache in Edessa und später in Nisibis, wobei er fast die einzige Schriftquelle für sein sozia­les Umfeld ist.

Philosophische Arbeit und Terminologie Ephrem verfügt über einige philosophische Kenntnisse und verwendet eine syrische Terminologie, die sowohl Äquivalente zu griechischen philosophischen Termini als auch syrische Begriffe mit philosophischem Inhalt enthält. Das wichtigste Beispiel für Letzteres findet sich in der Gotteslehre, wo Ephrem die lange syrische Tradition begründet, Gott als das »Sein« (īṯyā bzw., weniger spezifisch, aber meist synonym īṯūṯā) schlechthin zu verstehen, neben dem es kein weiteres selbständiges Sein gebe (so wie es Bardaiṣān für die Elemente angenommen hatte). In diesem Zusammenhang verweist auch Ephrem auf Gottes Selbstaussage »ich bin, der ich da bin« in ›Exodus‹ 3, 14, aus der folge, dass nur dieser »Sein« genannt werde.11 Eine Parallele zu Platon wird zwar nicht ausdrücklich gezogen, doch gibt es Berührungspunkte mit der apophatischen Rede vom Einen: Das Dasein Gottes (dass er ist = d-īṯāw(hy)) könne grundsätzlich erkannt werden, nicht aber, »wie er ist« (d-aykān īṯāw(hy)).12 Überhaupt entwickelt Ephrem gelegent8

  Orientierend zu Aphrahat vgl. P. Bruns, Aphrahat, in: LACL, 37–39, wo auf S.  38 behauptet wird, der Text enthalte »keine hellenistisch-philosophische Begrifflichkeit«. 9   S. unten im Kapitel zur Ausgehenden Antike S. 1088–1090. 10   Überblicksdarstellung: E. Beck, Ephraem Syrus, in: RAC 5 (1962), 520–531; P. Bruns, Ephraem der Syrer, in: LACL, 191–194; für einen philosophischen Zugang ist aber Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, das gegenwärtige Standard-Referenzwerk. 11   Ephrem Syrus, Hymni contra haereses 53, 11 f. (CSCO Syr. 76, p.  204, 7–16 [syr.]  /  77, p.  183, 18–29 [dt.] Beck); Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 55–59. 12   Ephrem Syrus, Sermones de fide 4, 59–64 (CSCO Syr. 88, p.  33, 14–16 [syr.]  /  89, p.  48, 10–13 [dt.] Beck). Vgl. M. Perkams, Das Wissen des Nichtwissens in der Schule von Nisi-

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lich die Idee eines bewussten Nichtwissens im Hinblick auf Gott, das durchaus sokratische Züge hat.13 Ein weiteres Betätigungsfeld für rationale Argumentation ist die Polemik gegen zumeist dualistische Gegner.14 Ephrem sieht sich gerade hierin in mosaischer Tradition: Schon das Ziel des Mose bei der Abfassung des Schöpfungsberichts habe (von Seiten Gottes!) darin bestanden, die Vorstellung abzuwehren, Mensch und Welt seien aus sich heraus entstanden.15 Ist insofern schon Ephrems Auslegung des Sechstagewerks eine Auseinandersetzung mit bestimmten philosophischen Positionen, so enthalten andere Werke von ihm eine recht gründliche Auseinandersetzung mit Atom- und Elementen-Theorien, die der bei anderen Kirchenvätern zumindest ebenbürtig ist.16 Wichtig ist die terminologische Unterscheidung der Geschöpfe, die er »Naturen« (kyānē) nennt, vom göttlichen »Sein« (īṯyā); der hier zutage tretende Naturbegriff ist dem philosophischen griechischen Sprachgebrauch ähnlich, mit ihm aber nicht identisch.17 Das Gleiche gilt für das Wort qnōmā, »(vorwiegend körperliche) Substanz, Essenz«, dessen Gebrauch gewisse Parallelen mit dem stoischen Materialismus zeigt.18 Nicht zuletzt spielt bei Ephrem, wie überhaupt in der anti-dualistischen Literatur und schon im ›Buch der Gesetze der Länder‹, die menschliche Freiheit (ḥērūṯā) eine wichtige Rolle.19 Bei alldem dürfte der materialistisch-kosmogonische Charakter der gegnerischen Argumentationen dafür verantwortlich sein, dass Ephrem mehr Ähnlichkeiten mit dem Stoizismus zeigt als seine platonisch gesinnten christlichen Zeitgenossen.20

bis. Philosophie in Barḥaḏbšabbā von Ḥalwāns ›Die Ursache der Gründung der Schulen‹ (um 590), in: Phasis (Tbilissi) 18, 2015, 167–190, hier 179 f. 13   Vgl. Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 41–44. 14   Vgl. Ch. Nakano, Des rapports entre les marcionites et les manichéens dans un corpus Ephrémien. ›St. Ephrem’s Prose Refutations of Mani, Marcion, Bardaisan‹, in: Amir-Moezzi  /  Dubois  /  Jullien (Hrsg), Pensée grecque et sagesse d’Orient, 441–453. 15   Ephrem Syrus, In Genesim 2 (CSCO Syr. 71, p.  3, 13–19 [syr.]  /  72, p.  1, 14–20 [lat.] Tonneau); vgl. Th. Kremer, Mundus primus. Die Geschichte der Welt und des Menschen von Adam bis Noach im Genesiskommentar Ephräms des Syrers, Louvain la Neuve 2012, v. a. 145–170. 16   Der Atomismus dürfte wohl besonders von den Bardaisaniten hochgehalten worden sein; vgl. zu ihrem Einfluss auf ihn Kremer, Mundus primus, 30–33. 17   Ephrem Syrus, In Genesim 4 (CSCO Syr. 71, p.  3, 26–28 [syr.]  /  72, p.  1, 27–29 [lat.] Tonneau). Vgl. zu den Bedeutungen von kyānā Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 59–65. 18   Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 69–78. 19   Vgl. Kremer, Mundus Primus, 167–170. 20   Der stoische Charakter seiner Argumentation wird betont von Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, z. B. 229–234.

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Kenntnisse und Darstellung der hellenischen Philosophie Tatsächlich kennt Ephrem die stoischen Theoreme zumindest teilweise aus einer platonischen Quelle: Einmal zitiert er einen sonst unbekannten Traktat ›Über das Unkörperliche‹ des Mittelplatonikers Albinos und führt aus, diese Schrift habe die stoische Frage überliefert, ob es überhaupt Unkörperliches gegeben habe, während dies, anders als Bardaiṣān in seinem verlorenen Werk ›Domnos‹ behauptet habe, für die Platoniker selbst kein Problem sei. Zur Erläuterung führt er an, es sei in den Schriften der Philosophen üblich, mit »Fragen ihrer Gefährten« (šuʾalē ḏ-ḥa­b­ rayhōn) zu beginnen, die dann zum Gegenstand der Untersuchung würden.21 Demnach liegt Ephrem offensichtlich ein mittelplatonischer Traktat mit antistoischer Stoßrichtung in einer für ihn verständlichen Sprache vor, also wohl auf Syrisch, da seine Griechisch-Kenntnisse zweifelhaft sind. Man muss davon ausgehen, dass er auch weitere Informationen zur Philosophie aus ähnlichen Quellen bezieht.22 Die recht gründliche Einarbeitung in eine philosophische Quelle sowie die argumentative Vorgehensweise halten Ephrem nicht davon ab, entsprechend dem Topos, Häresien leiteten sich aus der Philosophie ab, ausdrücklich vor der »Weisheit der Griechen« (ḥeḵmaṯ yāwnāyē) zu warnen.23 Ephrems generelle Einschätzung zur Philosophie dürfte aber eher, ebenfalls im Sinne einer verbreiteten christlichen Überzeugung, dahin gehen, dass eine Benutzung des an sich neutralen griechischen Bildungsgutes erlaubt ist, wenn das keine Konsequenzen für die spezifisch christlichen Überzeugungen hat.24 Ephrem ist ein wichtiger Zeuge der griechischen Fremdworte ›Philosophie‹ und ›Philosoph‹ in originalsyrischer Prosa, wobei ich das Abstractum ›Philosophie‹ nur einmal in der Formel »Lehre der Philosophie« (yulpānā ḏ-filosofūṯā) gefunden habe.25 Die Philosophen werden von ihm ansonsten entweder mit derselben Zwei-Wort-Kombination bezeichnet wie in der »Apostellehre« oder mit dem einfachen »Philosophen« (filosofē).26 Eine ironische Verwendung der Bezeichnung ›Philosoph‹ ist die Charakterisierung Barḍaiṣāns als »Philosoph der Aramäer« (filosofā ḏ-armāyē).27 Das Vorkommen philosophischer Termini und 21

  Ephrem Syrus, Contra Bardesanis Domnum (6, 41–7, 28 [syr.]  /  p. iif. [engl.] Mitchell); weitere Belege: Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 54. 22   Vgl. die Liste bei Beck, Ephraem Syrus, 524–526, der freilich, entgegen Ephrems klarer Bezeugung mindestens eines philosophischen Traktats, derartige Kenntnisse als »isoliert« herunterspielt. 23   Ephrem Syrus, Hymni de fide 2, 24 (CSCO Syr. 73, p.  7, 13 f. [syr.]  /  74, p.  7, 10–12 [dt.] Beck). 24   Vgl. Possekel, Evidence of Greek Philosophical Concepts, 46–48. 25   Ephrem Syrus, Refutatio 1 contra errores (58, 23 Overbeck [syr.]  /  p.  120 Beck [dt.]). 26   Beide Worte: Ephrem Syrus, Contra Bardesanis Domnum (7, 13 f. [syr.]  /  p.  ii [engl.] Mitchell) (während der Erörterung der spezifischen philosophischen Methodik); nur ein Wort: Refutatio 1 contra errores (58, 20 Overbeck [syr.]  /  p.  119 Beck [dt.]) (in der Wendung: d-filo­sofē wa-ḏ-rheṭorē: der Philosophen und Rhetoren). 27   Ephrem Syrus, Contra Bardesanis Domnum (7, 48–8,1 [syr.]  /  p.  ii  f. [engl.] Mitchell).

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Argumente gerade in Ephrems Predigten und poetischen Werken setzt überhaupt eine Verständlichkeit für das Auditorium voraus, so dass grundlegende philosophische Kenntnisse auch unter Edessener und Nisibener Bürgern, die vorwiegend auf Syrisch kommunizieren, vorhanden sein müssen.

Würdigung Im Ganzen sind Ephrems Kenntnisse und Verwendung der Philosophie nicht weit entfernt von seinen griechischen christlichen Zeitgenossen. Ebenso wie sie benutzt er philosophische Terminologie vor allem zur Ausarbeitung der Gotteslehre und der Naturphilosophie (in Bezug auf die Schöpfung) sowie in polemischen Kontexten. Als typische, aber nicht exklusiv orientalisch-christliche Züge können seine wohl von Bardaiṣān angeregte Rezeption des Atomismus sowie seine antidualistische Betonung der Freiheit gelten. Bezüge zum Stoizismus können sowohl mit dem Materialismus seiner Gegner Bardaiṣān und Mani als auch mit einer gewissen Ungleichzeitigkeit in der syrischen Philosophie-Rezeption im Vergleich zum griechischen Raum zu tun haben. Ein positiv besetztes christliches Philosophie-Ideal kennt Ephrem im Übrigen nicht und verwendet das Wortfeld durchweg für im Kern außerchristliche Phänomene.

3. Die Rolle der Philosophie bei der Entstehung der armenischen ­Literatursprache Die Entstehung der armenischen Literatursprache und ihre Gründe Die für uns fassbare Geschichte des Armenischen beginnt kurz nach 400, als durch das Wirken des Mesrop bzw. Maschtotz (der Name wird unterschiedlich überliefert) das armenische Alphabet vor dem Hintergrund griechischer und syrischer Vorbilder entsteht; von diesem bemerkenswerten Vorgang berichtet eine Vita des Koriwn (sprich: Korjun). Die Gründe für diesen Schritt werden dort nicht ganz klar, doch dürfte er mit dem Bedürfnis zu tun haben, christliche Quellentexte, vor allem die Bibel, in armenischer Sprache zu studieren.28 Die Erfindung der Schrift zieht sogleich eine recht planmäßige und umfangreiche Übersetzungstätigkeit aus dem Griechischen und Syrischen ins Armenische nach sich, die neben der Bibel 28   Gut lesbar und aufschlussreich (wenn auch im Detail nicht immer abzusichern) ist S.  Weber, Allgemeine Einleitung. Die patrologische Literatur der Armenier, in: Ausgewählte Schriften der armenischen Kirchenväter. Übersetzt von S.  Weber, München 1927, XI–XXVII. Zur Darstellung vgl. S.  P. Cowe, Armenian Biography in Late Antiquity, in: K. de Temmerman, The Oxford Handbook of Ancient Biography, Oxford 2020, 431–446, hier 434–436.

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auch die Werke einiger Kirchenväter umfasst, in denen sich philosophische Theorien finden. Spezifisch philosophische Werke scheinen jedoch erst an der Schwelle zum 6. Jahrhundert übersetzt worden zu sein.29

Die Rezeption philosophischer Methodik und die Auseinandersetzung mit Philosophen bei Eznik von Kolb Eine Aufnahme philosophischer Argumentationsweisen und eine kritische Rezeption der hellenischen Philosophie kann bereits in dem kurz vor 450 entstandenen Werk ›Gegen die Häresien‹ bzw. ›Über Gott‹ eines gewissen Eznik (sprich Jeznik) von Kolb (Eznik Kołbaci) nachgewiesen werden, der offenbar zum Kreis der armenischen Übersetzer aus dem Griechischen und Syrischen gehört.30 Das Werk enthält eine Darlegung des christlichen Gottesverständnisses in Abgrenzung gegen außer- und innerchristliche Gegner. Im ersten Teil werden die dualistischen Positionen der valentianischen Gnosis und der persischen Zoroastrier sowie der griechische Polytheismus bekämpft, wozu auch eine Sektion über die Philosophen gehört; der zweite Teil beschäftigt sich mit Markion.31 Eine kurze Gotteslehre zu Beginn des Werkes spricht bereits vom Hervorgehen einer Kette rationaler Substanzen aus Gott sowie der Güte jedes Geschöpfs und zeigt damit den Einfluss griechischer Darstellungen des Christentums in philosophischem Stil.32 Ansonsten besteht das Werk aus Referaten der von Eznik bekämpften Positionen und auf sie bezogenen Widerlegungen, wobei gegen innerkirchliche Gegner vor allem die Bibel, gegen außerkirchliche »die Fakten der Wahrheit«, d. h. wohl rationale Argumentation, eingesetzt werden sollen.33 Während die Referate der bekämpften Positionen auf (ausschließlich?) griechischen und syrischen Quellen beruhen,34 sind die Widerlegungen zum Teil selbständig verfasst. Sie gehen dialektisch-rhetorisch vor, indem sie aus den genannten Positionen Konsequenzen ableiten, die (wenn auch häufig vorwiegend vom eigenen Standpunkt her) absurd sind. Großen Wert hat vor allem die Darstellung der zurvanistischen Richtung des Zoroastrismus, für die Eznik freilich das Fehlen schriftlicher Vorlagen und

29

  Vgl. hierzu das Kapitel zur Ausgehenden Antike, unten S. 1074–1078.   Kurzübersicht: P. Bruns, Eznik von Kolb, in: LACL, 229 f. 31   Vgl. die Inhaltsübersicht bei L. Mariès, Le ›De deo‹ d’Eznik de Kolb, connu sous le nom de ›Contre les sectes‹. Études de critique littéraire et textuelle, Paris 1924, 19–33 (mit Begründung) sowie bei L. Mariès  /  Ch. Mercier, in: Eznik de Kolb, ›De deo‹. Traduction française, notes et table, ed. L. Mariès  /  Ch. Mercier (PO 28, 3 f.), Paris 1959, I–XXII (am Ende des Bandes). 32   Esnicus Colbensis, De deo 1 f. (PO 28, 3, p.  9, 3–15 Mariès  /  Mercier). 33   Esnicus Colbensis, De deo 144 (PO 28, 3, p.  52, 3–15 Mariès  /  Mercier). 34   Eine etwas unübersichtliche Sammlung der Quellen findet sich bei Mariès, Le ›De deo‹ d’Eznik de Kolb, 34–93. 30

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die daraus resultierende Unklarheit der Gegenposition beklagt35 – und somit auf einen anderen Umgang mit Schrift verweist als im griechischen Bereich üblich. Die Philosophen selbst werden, wie teils bei Ephrem, als »Weise der Griechen« (Yownazc imastownkcn) bezeichnet, häufiger aber mit dem griechischen Fremdwort »Philosoph« (pcilisopcay, Pl. pcilisopcaykc), nämlich in der Wendung »religiöse Überzeugungen« bzw. »Religion der Philosophen« (krawnkc pcilisopcayic).36 Ein Lehnwort, das ›Philosophie‹ entspräche, findet sich bei Eznik nicht, doch im Geschichtswerk des Moses Khorenaci (pcilisopcayowtiwn), an einer Stelle, die aufgrund der Erwähnung des David kaum vor dem 6. Jahrhundert entstanden sein kann, wahrscheinlich aber deutlich später ist.37 Ezniks Darstellung der Philosophen – in der Reihenfolge Pythagoreer und Peripatetiker (in einem Abschnitt), Platon, die Stoiker, die Epikureer – ist eine Übersetzung der Kurzzusammenfassung aus Ephiphanios’ von Salamis ›Panarion‹ und entsprechend knapp und oberflächlich.38 Davor steht ein Abschnitt, der die DreiPrinzipien-Lehre nach Numenios und Plotin zusammenzufassen scheint, wie sie Eusebios überliefert; es handelt sich aber nicht um eine Übersetzung von dessen Text.39 Die Gegenargumentation Ezniks, die keine direkte Übersetzung aus dem Griechischen zu sein scheint, kritisiert die verschiedenen Positionen vom Standpunkt einer monotheistischen Lehre von einer transzendenten Erstursache und ist punktuell recht polemisch. Ezniks Werk zeigt eindrucksvoll, wie sehr im 5. Jahrhundert eine philosophische Methodik die Darstellung und Verteidigung des Christentums prägt. Seiner Transferleistung ist auf jeden Fall hoher Respekt entgegenzubringen, auch wenn Darstellung und Kritik der Philosophen dürftig bleiben. Ein eigenes christliches Philosophie-Ideal ist aber auch bei ihm kein Thema: Philosophen und Philosophie werden, wie bei Ephrem, als etwas dem Christentum Fremdes wahrgenommen. 35

  Esnicus Colbensis, De deo 192 (PO 28, 3, p.  64, 6 f. Mariès  /  Mercier).   Esnicus Colbensis, De deo 293, 298 (PO 28, 3, p.  89, 28; 90, 14 f.; 91, 16 Mariès  /  Mercier). 37   Moses Chorenaci, Historia Armenorum 1, 6 (p.  79 Thomson [engl.]); für die Mitteilung des armenischen Wortes danke ich Frau Prof. A. Drost-Abgarjan (Halle). Das Wort wird nicht aufgelistet bei M. Bedrossian, A New Dictionary Armenian-English, Venedig 1879, 723a. Zu den Quellen Khorenacis, die für die komplexe Datierungsfrage wichtig sind, vgl. R. W. Thomson, in: Moses Khorenats’i, ›History of the Armenians‹. Translation and Commentary on the Literary Sources by R. W. Thomson, Cambridge (Mass.)  /  London 1978, 7–56. 38   Esnicus Colbensis, De deo 294–297 (PO 28, 3, p.  90, 16–91, 15 Mariès  /  Mercier) = Epiphanius, Adversus Haereses, Capitula librorum libri I (= Anakephalaiosis) 5–8 (GCS Epiph. 1, p.  165, 5–166, 8 Holl). 39   Esnicus Colbensis, De deo 293 (PO 28, 3, p.  89, 28–90, 15 Mariès  /  Mercier); vgl. Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 10 f. (GCS Eus. 8, 2, p.  26, 1–28, 22 Mras); Theophania 2, 24–27 (160 Lee [syr.]  /  GCS Eusebius 3, 2, p.  91, 29–92, 12 [dt.] Gressmann); dieser Text, der sich allgemein auf Platon als besten Philosophen bezieht, könnte am ehesten die direkte Vorlage gewesen sein; Mariès  /  Mercier, in: Eznik de Kolb, 208, Anm.  691 kennen keine Quelle für diesen Abschnitt). 36

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IX. Zusammenfassende Würdigung

1. Formen platonischer Denkansätze als Charakteristika der Spätantike Da die Philosophie der Spätantike sowohl auf hellenischer als auch auf christlicher Seite von einem Platonismus dominiert wird, ist das Verhältnis zu Platon für die philosophische Tätigkeit der ganzen Epoche zentral. Die Frage, welchen Unterschied es macht, ob man Platon als Platoniker oder als Christ liest, muss vor diesem Hintergrund differenziert beantwortet werden: Für die Platoniker der Zeit ist Platon einerseits ein göttlicher und insofern auch inspirierter Autor, dessen Wahrheit keine Abweichung erlaubt. Auf diese Weise gewinnt er eine universale Bedeutung für alle Hellenen, die er so in der Kaiserzeit nicht hatte. Dass Platon als Symbol- und Integrationsfigur der hellenischen Tradition wahrgenommen wird, geht mit einer Deutung seiner Werke in einem größeren Kontext einher, die sowohl vom neuplatonischen System als auch vom Bedürfnis nach Harmonisierung verschiedener Traditionen geprägt wird. Die Bewunderung Platons impliziert also geradezu, dass seine Texte stets aus dem Blickwinkel ­eines Systems gelesen werden, in dem auch andere philosophische und literarische Traditionen ihren Platz haben und zu dem sie beitragen, was besonders für den Aristotelismus gilt. Für die Christen ist Platon hingegen zum einen deswegen der beste der Hellenen, weil seine Ansichten und Lehren in höherem Maße als die aller anderen Philosophen der christlichen Position zu ähneln scheinen, zum anderen auch, weil Platon ein Idol hellenischer Bildung darstellt, in dessen Tradition sich auch die Christen sehen. Vor diesem Hintergrund ist es, wenn alle Differenzen zwischen Christentum und Platonismus beachtet werden, für Christen möglich, sich bewusst und absichtlich in die platonische und damit in die hellenische Tradition zu stellen, wie man es bei Eusebios und den Kappadokiern, aber auch dem frühen Augustinus jedenfalls feststellen kann. Dies ist allerdings nur in dem Maße langfristig attraktiv, wie sich platonische Positionen als geeignet für die Darstellung der christlichen Offenbarung erweisen. Ein entscheidender Umschwung, dessen Wirkung sich erst nach und nach zeigt, liegt im griechischen Raum offenbar darin, dass eine Erklärung der Trinität mithilfe platonischer, subordinationistisch-hierarchisierter Gottesbilder im Arianismus-Streit scheitert, während die Lösung der Kappadokier, der zufolge die trinitarischen Personen gleichrangig sind, im Kern auf Aristoteles’ ›Kategorien‹ beruht. Im lateinischen Raum, wo bei Marius Victorinus und Augustinus platonische Denkmuster für die Trinitätstheorie zentral bleiben, entsteht hingegen durch den 920

Zusammenfassende Würdigung

Denkweg des Augustinus und seine Gnadenlehre, die eine dezidierte Ablehnung des Ideals der Selbstvervollkommnung beinhaltet, eine stärkere Distanz zwischen Christentum und jeder Art von Philosophie. Unterschiede zwischen Platonikern und Christen zeigen sich auch in der Rezeption bestimmter platonischer Traditionen: Während Plotin für Neuplatoniker wie philosophisch interessierte Christen ein wichtiger Referenzpunkt bleibt, setzt sich später in den griechischen neuplatonischen Schulen Jamblich als zentraler Referenzautor durch, dessen Lehrsystem die Integration verschiedenster Traditionen ermöglicht. Seine Wirkmächtigkeit zeigt sich auf politischer Ebene eindrucksvoll im hellenischen Restaurationsversuch Kaiser Julians, einem Enkelschüler Jamblichs, und auf philosophischer Ebene im systematischen Werk des Proklos. Die christliche Rezeption von Platon und Plotin ist hingegen, im Griechischen wie im Lateinischen, vor allem durch Plotins Schüler Porphyrios bestimmt, der trotz (oder gerade wegen?) seiner Kritik am Christentum die wichtigste Quelle christlicher Platon-Lesarten wird. Der Einfluss Jamblichs und seiner Schule bleibt hier marginal. Die Gründe müssen teils in der Verbreitung von Texten liegen – im griechischen Bereich spielt die Rezeption von Plotin und Porphyrios bei Euseb und darüber hinaus eine große Rolle, auf Latein scheinen überhaupt nur wenige Texte von Platonikern vorzuliegen –, teils auch in den Inhalten: Der geschlossene Charakter der jamblicheischen Schulen sowie ihre antichristliche, offen polytheistische Haltung dürften einer Rezeption durch christliche Autoren hinderlich sein, während die eher porphyrianisch beeinflussten Philosophen, zu denen wohl Themistios, Hypatia, Synesios und Marius Victorinus zu rechnen sind, in einem relativ engen und offenen Austausch mit Christen stehen.

2. Systembau und Dialektik: Philosophische Arbeit in der Spätantike Das Nebeneinander der Denkwelten von Neuplatonismus und Christentum in der Spätantike zeigt sich auch in der philosophischen Arbeit der Epoche: Vorherrschend sind eine Ausarbeitung des eigenen Systems durch Lösung von Detailfragen sowie eine dialektisch vorgehende Polemik gegen andere Positionen. Die erste Vorgehensweise zeigt sich bei allen wichtigen Vertretern der Epoche: Plotin setzt sein Gedankengebäude voraus und diskutiert vor diesem Hintergrund dessen interne Schwierigkeiten, um so Einzelpunkte näher zu klären. Auf gar nicht unähnliche Weise ringen die Christen um eine philosophisch vertretbare Deutung von Glaubensinhalten wie der Trinität, der Inkarnation oder auch der Weltschöpfung. Besonders offen zielen die Dialoge gerade des jungen Augustinus auf eine gedankliche Klärung systeminterner Sachfragen ab. Den Anlass zu solchen Reflexionen gibt nicht nur persönliche Wissbegierde, sondern häufig auch die Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen innerhalb der eigenen Tradition. Hierzu gehören z. B. Jamblichs Kritik an Plotin in der Seelenlehre und seine Ausei921

Die Philosophie in der Spätantike

nandersetzung mit Porphyrios im Hinblick auf die Theurgie; ebenso auch die Auseinandersetzungen des Syrian und Proklos mit verschiedenen platonischen Vorgängern. Mit solchen Debatten sind die Auseinandersetzungen der Kappadokier mit Eunomios und des Augustinus mit Pelagius strukturell durchaus vergleichbar. Sie gewinnen aber eine unvergleichliche Schärfe, weil die Gegenposition rasch als ›Häresie‹ gebrandmarkt und teils verfolgt wird. Obwohl diese innerchristlichen Debatten zu einer interessanten Dynamik im philosophischen Durchdenken des eigenen Glaubens führen, trennen sie sich insofern vom Philosophie-Ideal, als ein – bei aller Kritik – prinzipiell gleichberechtigtes Nebeneinander-Bestehen verschiedener Denktraditionen wegen des Zwanges zu ›einer‹ Wahrheit letztlich unmöglich wird. In direkten Auseinandersetzungen von Christen und Platonikern wird meist auf dialektische Weise versucht, die Quellentexte und Überzeugungen des Gegners zu denkonstruieren, indem sie als ganz haltlos und irrational, geradezu lachhaft dargestellt werden oder indem man darlegt, dass sie eigentlich eher für die eigene Position sprechen. In denselben Kontext gehören Topoi wie das Altersargument oder der platonische Vorwurf an die Christen, der jüdischen Tradition untreu geworden zu sein. Noch mehr als die antichristlichen Schriften des Porphyrios und Julian sowie die christlichen Polemiken des Eusebios, Ephrem, Eznik von Kolb, Kyrill und Theodoret muss Augustinus’ ›Gottesstaat‹ als das vollendetste Beispiel dieser Art der Vorgehensweise gelten, die man neuerdings als »zwischen Rhetorik und Philosophie« stehend charakterisiert hat.1 Diese Werke, in denen es um eine adressatenzentrierte Überzeugung des jeweiligen Lesers geht, sind keine defensiv-apologetischen Selbstvergewisserungen, sondern offensive polemische und protreptische Angriffe,2 obwohl das argumentative Niveau auf christlicher Seite dabei in vielen Fällen überschaubar bleibt.3

1   Tornau, Zwischen Rhetorik und Philosophie. Interessant ist auch die Darstellung der gegenseitigen Strategien der Platon-Deutung bei Siniossoglou, Plato and Theodoret, 1–7. 2   Vgl. Siniossoglou, Theodoret and Plato, 243: »These are polemical works of the highest effectiveness and ingenuity«. Das ist insofern bemerkenswert, als schriftliche Religionsdialoge späterer Zeiten in der Regel primär Personen aus der eigenen Gruppe ansprechen wollen (vgl. etwa K. Jacobi, Einleitung, in: K. Jacobi [Hrsg.], Gespräche lesen. Philosophische Dialoge im Mittelalter, Tübingen 1999, 9–22, z. B. 14). 3   Diese Tatsache wurde von C. Scholten, Verändert sich Gott, wenn er die Welt erschafft? Die Auseinandersetzung der Kirchenväter mit einem philosophischen Dogma, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 43 (2000), 25–43, hier 29–38, im Vergleich zu Philoponos korrekt hervorgehoben; die Gründe für das Auftreten solcher Debatten in der Ausgehenden Antike scheinen wesentlich mit einem neuen Interesse der Christen an fachphilosophischer Argumentation zusammenzuhängen.

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Zusammenfassende Würdigung

3. Kynismus, Cicero und Aristoteles: Die Rolle nicht-platonischer ­Traditionen in der Spätantike und die Bedeutung der Logik Von den nicht-platonischen fachphilosophischen Traditionen wird wohl lediglich der Kynismus in der Spätantike noch als eigene Richtung gelebt, ohne dass er als philosophische Haltung im strengen Sinn verstanden würde, so dass auch Christen die kynische Lebensweise in Anspruch nehmen,4 bis hin zu einer Beeinflussung mönchischer Ideale. Von den übrigen Autoren ist bei den Lateinern vor allem Cicero zentral, dessen Mischung aus Philosophiebegeisterung und skeptischer Methodik zum Profil von Autoren wie Laktanz, Macrobius und Augustinus wesentlich beiträgt, so dass die platonische Metaphysik bei ihnen in spezifischen Formen erscheint. Die Theorien der übrigen philosophischen Richtungen spielen meist nur insofern eine Rolle, als sie zur argumentativen Ausarbeitung der christlichen oder platonischen Traditionen verwendet werden können, doch führt das zum Weiterleben aristotelischer, epikureischer und stoischer Lehren. Die Einbeziehung aristotelischer Elemente geschieht bei den Neuplatonikern seit Jamblich systematisch und erstreckt sich auf Seelenlehre, Physik und Metaphysik. Bereits zuvor greift Porphyrios epikureische und stoische Anleitungen zu einer Lebensführung auf. Unter den Christen bedient sich Gregor von Nyssa für sein Konzept von Körperlichkeit offenbar stoischer Theoreme. Eine Sondersituation nimmt in dieser Hinsicht das Werk Ephrems ein, das gegen materialistische Gegner viele Bezüge gerade zur Stoa zeigt; hier dürfte die orientalische Situation sowohl in ihrer geistigen Frontstellung als auch in einer gewissen philosophischen Ungleichzeitigkeit eine Rolle spielen. Für die gesamte Epoche ist ein aristotelischer Einfluss aber vor allem auf dem Gebiet der Logik zu beobachten: Die neuplatonischen Einführungswerke des Porphyrios zu Aristoteles werden nicht nur in das jamblicheische Curriculum aufgenommen, sondern spätestens seit den Kappadokiern auch von Christen in der Trinitätslehre und Christologie genutzt. Letzteres steht in auffälligem Gegensatz zu Plotins Kritik an einer Anwendung der aristotelischen Kategorien auf das transzendente Sein, deretwegen diese von den Platonikern seit Porphyrios lediglich auf sprachliche Ausdrücke bezogen werden, welche Phänomene der sinnlich wahrnehmbaren Welt bezeichnen. Damit ist auch ein Problem angesprochen, das für das christliche Denken immer wichtiger wird, nämlich das Verhältnis von Gott und Mensch in Christus. Die aristotelische Logik wird jedenfalls zu einer allen spätantiken Richtungen gemeinsamen Methodenlehre, deren curricularen Einfluss im 4. und 5. Jahrhundert besonders die lateinischen Aneignungen des aristotelischen Organons zeigen (Martianus Capella, ›Categoriae decem‹ sowie 4

  Zum Beispiel Maximos Heron: Gregorius Nazianzenus, Orationes 25, 5 (SC 284, p.  166, 1–168, 20 Mossay); vgl. M.-O. Goulet-Cazé, Maxime Héron d’Alexandrie, in: DPhA 4 (2005), 348–363.

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Die Philosophie in der Spätantike

Übersetzungen des Marius Victorinus), die die stoisierende Dialektikdarstellung bei Augustinus nach und nach ablösen. Dies bedeutet nicht zuletzt, dass auch die Philosophie in ihrem christlichen Verständnis für eine Lehre richtigen Argumentierens weiterhin auf aristotelische Texte angewiesen ist, deren Erklärung lediglich die neuplatonischen Zeitgenossen zu leisten vermögen.

4. Aspekte des Philosophiebegriffs Diese Gesamtlage beeinflusst auch die Philosophiebegriffe, die sich nicht zuletzt bei Christen einer großen Konjunktur erfreuten. Das Wort bezeichnet in ihren Texten keineswegs nur die hellenische Philosophie, sondern, wie bei den Platonikern auch, eine gute, auf wahre Überzeugungen gestützte Lebensweise, die jeweils nur in der eigenen Tradition realisiert werden kann. Einen Enthusiasmus im Philosophieverständnis, wie ihn die Christen anhand einer speziellen Begrifflichkeit bemerkenswert häufig herausstellen, kennen die Neuplatoniker im Allgemeinen nicht: Dort ist das Verständnis, Philosophen zu sein, so selbstverständlich, dass es nicht eigens betont werden muss. Im Hinblick auf die Definitionen der Philosophie lässt sich eine beachtliche Einig­keit feststellen: Dominiert in der Kaiserzeit tendenziell die wohl ursprünglich stoische Definition als Streben nach »Wissen um die göttlichen und menschlichen Dinge« (ἐπιστήμη τῶν θείων καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων), so herrscht ab dem späten 3. Jahrhundert das platonische »Ähnlichwerden mit Gott, soweit es dem Menschen möglich ist« (ὁμοίωσις θέω κατὰ τὸ δυνατόν ἀνθρώπῳ), im griechischen Sprachraum bei Platonikern wie Christen vor. Bei beiden zeigt sich auch eine zunehmende Loslösung der Formel vom Ähnlichwerden vom Philosophiebegriff, z. B. bei Plotin, welcher der Formel eine ganze Enneade widmet, ohne das Wort ›Philosophie‹ zu erwähnen, und bei Gregor von Nyssa, bei dem das ›Ähnlichwerden‹ mit Gott je nach Kontext sowohl zu einer ›Ähnlichkeit‹ (der Formel vom Bild Gottes vergleichbar) als auch zu einer ›Nachahmung‹ Gottes (μίμησις, imitatio) werden kann.5

5   Der langfristige Erfolg dieser christlichen Aneignung des platonischen Ideals zeigt sich darin, dass es, unter dem Namen des Gregor von Nyssa, einen Platz in der neuen Ausgabe des Katholischen Gesangbuchs Gotteslob gefunden hat. Vgl. Die (Erz-)Bischöfe Deutschlands und Österreichs und der Bischof von Bozen-Brixen (Hrsg.), Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch, Stuttgart 2013, unter nr. 258. Die Quelle für den Spruch könnte das Motto der Arbeit von Merki, Homoiôsis theô, auf dem Frontispiz sein.

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Zusammenfassende Würdigung

Einteilung der Philosophie In der Spätantike begegnen bei Christen wie Platonikern sowohl drei- bzw. vierteilige Aufstiegsschemata in der Form Ethik, (Logik), Physik, Metaphysik  /  Epoptik  /  Theologie  /  Dialektik als auch komplexe Schemata aristotelischen Zuschnitts, in denen zwischen theoretischer und praktischer Philosophie sowie deren Unterteilungen unterschieden wird. Derartige Einteilungen werden geradezu topisch und auch losgelöst vom Wort ›Philosophie‹ verwendet, z. B. bei Evagrios Pontikos zur Deutung der christlichen Existenz als ganzer. Die stoische Dreiteilung Logik, Ethik, Physik findet sich vor allem noch bei Laktanz dank des Fortwirkens ciceronischer Texte im lateinischen Sprachraum. Unter praktischer Philosophie beziehungsweise Praxis verstehen Christen wie Platoniker die menschliche Lebensführung im engeren Sinne, wofür neben e­ inem tugendhaften Leben im Allgemeinen mehr oder weniger streng asketische Formen kennzeichnend sind, wie sie etwa Porphyrios in ›Über die Enthaltsamkeit‹ (›De abstinentia‹) vertritt. Als eigentliche Philosophie im Christentum gilt in diesem Sinne vielfach das Mönchstum. Die Theorie beziehungsweise theoretische Philosophie selbst wird in der Regel als Fortschritt in der Erkenntnis der Wahrheit verstanden, dessen Ziel die Transformation des Lebens hin zur Schau Gottes, insbesondere der Trinität, bzw. zur Vereinigung mit dem Einen (und den Henaden) ist. In diesem Sinn wird auch die Unterscheidung von Naturphilosophie und Theologie  /  Metaphysik aufgefasst, welche die Christen, in der Tradition des Origenes, in verschiedenen biblischen Schriften finden (Schöpfungsbericht bzw. ›Hexameron‹, ›Hohelied‹), die Platoniker hingegen vorwiegend in Platons Dialogen ›Timaios‹ und ›Parmenides‹. Die Naturphilosophie gilt als Vorbereitung der Gottesschau durch Beobachtung der dem Göttlichen ähnlichen Natur, während die Theologie sich direkter mit den unkörperlichen Naturen des Geistes bzw. der Engel sowie Gottes bzw. des Einen befasst. Eine Schau des Göttlichen und somit die letzte Stufe der Vervollkommnung kann aber für Christen wie Platoniker nicht mehr rational erreicht werden, sondern hierzu muss das Göttliche sich zeigen.

Die Stellung der Philosophie unter den Bildungsdisziplinen Die unklare Stellung der Logik unter den Teilen der Philosophie leitet über zur Frage nach dem Verhältnis der Philosophie zu den propädeutischen Wissenschaften. In der Spätantike bestehen grundsätzlich die verschiedenen Bildungsdisziplinen nebeneinander weiter, aber im Verhältnis zur Philosophie gibt es deutliche Unterschiede: Entsprechend dem Ansinnen der Neuplatoniker nach Jamblich, möglichst weite Teile der hellenisch-römischen Tradition in die eigene Lehrtätigkeit aufzunehmen, werden Rhetorik, Medizin sowie die mathematischen Disziplinen als Teil platonischer Lehre betrachtet und von Philosophen auch betrieben (z. B. von Hypatias Vater, dem Mathematiker Theon von Alexandrien, sowie von 925

Die Philosophie in der Spätantike

Proklos und Jamblich in ihren Schriften zur Mathematik oder von Syrian in Bezug auf die Rhetorik). Für die mathematischen Disziplinen und die Grammatik kann dabei an das ältere Modell propädeutischer Wissenschaften im Platonismus angeschlossen werden, das im lateinischen Bereich in der Ordnung der sieben freien Künste (artes liberales) weiterlebt, die aber nur noch in relativ unspezifischer Weise als Vorbereitung auf eine philosophische Lebensführung verstanden werden.6 Beachtlich ist jedenfalls, dass Augustinus die Schwierigkeit sieht, eine methodische Grundlegung für die christliche Weltsicht zu formulieren,7 und als Reaktion in ›Über die christliche Lehre‹ (›De doctrina Christiana‹) Eusebios’ Idee, die Logik als Hermeneutik der Schrift zu verstehen,8 als wohl einziger antiker christlicher Autor in einem eigenen Methodenwerk umsetzt. Entgegen dem Erfolg dieses Werks bleibt aber Augustinus’ Bemühen, für alle propädeutischen Disziplinen, zu denen auch die bereits erwähnte Logik gehört, Lehrbücher aus christlicher Perspektive zu verfassen, isoliert. Die Lehrer der Rhetorik und die Ärzte haben in der Spätantike teils eine gemeinsame Gruppenidentität mit neuplatonischen Philosophen, wie sie in Eunaps ›Lebensbeschreibungen der Sophisten‹ dargestellt wird. Im 4. und 5. Jahrhundert treten allerdings kaum Personen hervor, die Philosophie und Medizin gemeinsam betreiben, obwohl die persönlichen Verbindungen in gebildeten Zirkeln und Familien häufig eng sind. Bei den Christen ist die Wertschätzung der Rhetorik von derjenigen der Philosophie sehr verschieden, weil sie diese (wie vor ihnen schon viele Philosophen seit Platon), nicht als ernsthafte Wahrheitssuche werten und deswegen häufig geringschätzen. Da das Christentum folglich nicht beansprucht, selbst eine bessere Rhetorik zu liefern, wird aber die Rhetorik als Disziplin weniger als direkte Konkurrenz zum Christentum gesehen als die Philosophie und kann, anders als diese, auch von Christen als Fachdisziplin gelehrt und studiert werden. Diese Situation, die unter Julian zu Verboten führt, trägt sicherlich zur Verbreitung philosophischer Grundkenntnisse sowie von Lektüreerfahrung bei Autoren wie Platon und Cicero bei.

Verhältnis der Philosophie zur Politik Das Verhältnis der Philosophie zur Politik wird vor allem unter den platonischen bzw. hellenischen Autoren diskutiert, die auf theoretischer Ebene eigentlich alle eine politische Verantwortung des Philosophen bejahen. Ein Meinungsunterschied zwischen Themistios und Julian zeigt sich in der Frage, ob die Politik die höchste Vollendung des philosophischen Lebens sei – so die Position des Themistios – oder eher eine Pflicht des Philosophen, für den das kontemplative Leben 6

  Vgl. Hadot, Arts libéraux et philosophie, 101–214.   Karamanolis, Philosophy of Early Christianity, 117–143. 8   S. oben S. 804. 7

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Zusammenfassende Würdigung

vorzuziehen sei, wie Julian die neuplatonische Position ausformuliert. Obwohl zu Beginn der Epoche neben Julian auch andere Philosophen politisch aktiv sind, z. B. Themistios als Senatspräsident, Plutarch von Athen in der städtischen Oberschicht oder Hypatia als Beraterin des Statthalters Orestes, entwickelt sich nach und nach, da die politischen Wirkmöglichkeiten für hellenische Philosophen im christlichen Umfeld zusehends begrenzt sind, eine Tendenz zu einer apolitischen Lebensweise auch auf theoretischer Ebene, obwohl politische Tugenden ein wichtiges Thema neuplatonischer Philosophie bleiben. Bei den Christen spielt das Thema eine geringe Rolle, auch wenn etwa Eusebios platonische Denkmittel für sein Kaiserlob einsetzt. Allerdings werden zunehmend philosophisch gebildete Menschen wie Augustinus, Basileios, Synesios und Gregor von Nazianz in hohe Kirchenämter berufen und üben dadurch auch politischen Einfluss aus. Wenn aber auf diese Weise gehobene Bildung zur Grundlage einer Kirchenpolitik mit reichspolitischer Wirkung wird, lässt sich dies kaum mehr als spezifisch philosophisch bezeichnen.

Philosophie und Religion Das Verhältnis von Philosophie und Religion prägt sowohl die hellenische als auch die christliche Philosophie der Zeit. Hierbei zeigt sich ein bemerkenswerter Unterschied in der terminologischen Ausformulierung: Am Anfang der christlichen Spätantike stehen die sehr weitgehenden Ansprüche auf eine Identifizierung des Christentums als Ganzem mit der wahren Philosophie, die Eusebios und Laktanz zur Zeit Konstantins ausarbeiten und deren angeblichen Gegensatz in der hellenisch-römischen Tradition gegenüberstellen. Diese Tendenz wird in gewisser Weise bei den Kappadokiern ausgearbeitet, deren Schriften auch systematisch die christliche Lehre durch vielerlei Anleihen, aber auch durch sorgfältige Abgrenzung zum Platonismus entfalten, ohne dermaßen explizit triumphalistisch zu sein wie ihre Vorgänger zur Zeit Konstantins. Für den jungen Augustinus werden wiederum die Philosophie im Allgemeinen und der Platonismus im Besonderen Schritte auf dem Weg zum Christentum, doch arbeitet er in seinen späteren Phasen auch die Besonderheiten der christlichen Position, vor allem die Erbsünden- und Gnadenlehre, in einer Weise heraus, die wichtige Grundlagen eines philosophischen Ideals guten Lebens aus eigener Einsicht und eigenem Lernen infrage stellt. Vor allem griechische Christen beschreiben hingegen weiterhin eine religiös-asketische Lebensführung sehr häufig als ›göttliche Philosophie‹ (θεία φιλοσοφία), ›heraufführende Philosophie‹ (ἀναγωγὸς φιλοσοφία) oder ›Philosophie Christi‹ (φιλοσοφία τοῦ Χριστοῦ), und einige Auto­ren reden auch auf theoretischer Ebene vom ›Philosophieren über Gott‹ (περὶ τοῦ θεοῦ φιλοσοφεῖν). Als Reaktion auf die Einheitsansprüche von Christen wie Euseb und Laktanz kann der Versuch des Jamblich und seiner Schule gewertet werden, die verschie927

Die Philosophie in der Spätantike

denen hellenischen und orientalischen Traditionen (Plato, Aristoteles, Homer, Rhetorik, Medizin usw.) in einem Denkgebäude zu vereinigen. Während bei den Christen aber sowohl die Lebensführung als auch die theoretische Reflexion als Philosophie bezeichnet werden, unterscheiden die Neuplatoniker zwischen ›Philosophie‹ und ›Theurgie‹, wobei Letztere eine gleichsam göttliche Macht und Erkenntnis bezeichnet, die dem Philosophen als solchen nicht in gleichem Maße gegeben ist; hierdurch zeigen sie, dass eine letztlich religiöse Einsicht und Handlungsfähigkeit nicht unmittelbar durch rationale Aktivität zu erreichen ist. Insofern aber auch die Christen ihre Gottesdienste und Liturgien in der Regel nicht ausdrücklich als Philosophie bezeichnen, wird bei beiden Gruppen eine Konvergenz von philosophischer Erkenntnis und religiösem Ritual vorausgesetzt, ohne dass eine vollständige Identifizierung bestünde. Allenfalls gibt es ein gewisses Bewusstsein der Verschiedenheit und gleichzeitigen Zusammengehörigkeit von religiöser Praxis und theoretischer Durchdringung. Auch wenn dies noch nicht auf einen klaren Begriff von ›Religion‹ führt, ist das Bemühen um Einheit von Philosophie und Gottesverehrung wohl nie größer als in der Spätantike.

PRAK TISCHE HINWEISE Die philosophische Literatur der Spätantike ist generell gut erschlossen: Die neuplatonischen Schriften sind teilweise bereits um die Jahrhundertwende in Teubner-Ausgaben ediert worden (z. B. Proclus, ›In Timaeum‹, ed. Diehl; Olympiodorus, ›In Gorgiam‹, ed. Norvin), teilweise werden sie erst in den letzten Jahren kritisch ediert, und zwar überwiegend mit französischer Übersetzung in der ›Collection des universités de France‹; hier liegen die großen Werke von Damaskios, Marinos und Proklos inzwischen in mehrbändigen Ausgaben mit hervorragenden Einleitungen vor. Für Jamblich liegen teilweise ebenfalls zweisprachige Ausgaben vor, häufig sind aber hier noch die Teubner-Editionen relevant. Sondersituationen gelten für folgende Texte:  – Plotin, der nach der zweiten Edition von Henry und Schwyzer (Oxford 1964–1983) zitiert wird. Hier sind insbesondere ältere Texte und Übersetzungen (z. B. die Edition von Harder  /  Theiler  /  Beutler) textkritisch unbefriedigend.  – Proklos’ ›Theologische Elementarlehre‹ (›Elementatio theologica‹) wird in der Regel in der vorzüglichen Edition von E. R. Dodds (Oxford 1964) zitiert, die auch über gute Erklärungen und eine englische Übersetzung verfügt. Daneben ist neuerdings die griechisch-deutsche Ausgabe von E.-O. Onnasch und B. Schomakers (Hamburg 2015) zu beachten, die durch stärkere Berücksichtigung der georgischen Nebentradition einige neue Erkenntnisse bringt.  – Für Proklos’ ›Parmenides-Kommentar‹ liegen zwei kritische Editionen von C. Steel et al. (3 Bde.; Oxford 2007–2009) und von Concetta Luna (Paris 2007–2021) vor, die beide Verwendung finden können. Lunas Ausgabe ist im Ganzen umfassender und besser fundiert, doch ist Steels Ausgabe teils handlicher und leichter zugänglich. 928

Praktische Hinweise

Die griechischen Aristoteles-Kommentare aus der Spätantike sind in den ›Commentaria in Aristotelem Graeca‹ (CAG) ediert, von der folgende Bände in die Spätantike gehören: Dexippos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (›In Categorias‹): CAG 4, 2 (ed. A. Busse) Porphyrios, Eisagoge: CAG 4, 1 (ed. A. Busse), S.  1–22 (mit der Übersetzung des Boethius auf S.  23–51). Porphyrios, Kommentar zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (›In Categorias‹): CAG 4, 1 (ed. A. Busse), S.  52–142. Syrianos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Metaphysik‹ (›In Metaphysica‹): CAG 6, 1 (ed. W. Kroll). Themistios, Paraphrase von Aristoteles’ ›Analytica priora‹ (›In Analytica priora‹): CAG 5, 1 (ed. M. Wallies). Themistios, Paraphrase von Aristoteles’ ›Physik‹ (›In Physica‹): CAG 5, 2 (ed. H. Schenkl). Themistios, Paraphrase von Aristoteles’ ›Über die Seele‹ (›In De anima‹): CAG 5, 3 (ed. R. Heinze). Themistios, Paraphrase von Aristoteles’ ›Über den Himmel‹ (›In De caelo‹): CAG 5, 4 (ed. R. Heinze). Themistios, Paraphrase von Aristoteles’ ›Metaphysik‹ Lambda (›In Metaphysica‹ 12): CAG 5, 5 (ed. S.  Landauer) [diese Edition des hebräischen Textes ist vor allem wegen der lateinischen Übersetzung des Herausgebers weiterhin wichtig; der hebräische und arabische Text liegen jetzt neu ediert vor bei Y. Meyrav, Themistius’ ›Paraphrase of Aristotle’s Metaphysics 12‹. A Critical Hebrew-Arabic Edition of the Surviving Textual Evidence, with an Introduction, Preliminary Studies, and a Commentary (Aristoteles Semitico-Latinus 25), Leiden  /  Boston 2019]. Die syrischen und armenischen Aristoteles-Kommentare liegen, soweit sie schon ediert sind, in verschiedenen Einzelausgaben vor, für die auf das Literaturverzeichnis verwiesen sei. Die christlichen Texte der Spätantike sind entweder in den ›Griechischen christlichen Schriftstellern‹ oder in der griechisch-französischen Reihe ›Sources Chrétiennes‹ ediert, letztere mit vielen Einzelbänden, exzellenten Einleitungen und französischer Übersetzung. Die ›Griechischen christlichen Schriftsteller‹ erhalten in den letzten Jahren als ›Neue Folge‹ eine Fortsetzung, in der weitere Editionen erscheinen. Die Werke Gregor von Nyssas sind in einer eigenen Reihe (Gregorii Nysseni Opera = GNO) einsprachig kritisch ediert. Die einzelnen Werke können z. B. anhand des ›Lexicon Gregorianum. Wörterbuch zu den Schriften Gregors von Nyssa‹, Bd.  1, bearbeitet von F. Mann, Leiden  /  Boston  /  Köln 1999, XIII, gefunden werden. Philosophisch besonders interessant sind namentlich: ›Gegen Eunomios‹ (›Contra Eunonium‹): GNO 1–2 (ed. W. Jaeger). ›An Eustathios, über die heilige Trinität‹ (›Ad Eustathium‹): GNO 3, 1, S.  1–16 (ed. F. Müller). ›An die Hellenen, von den allgemeinen Begriffen her‹ (›Ad Graecos‹): GNO 3, 1, S.  17–33 (ed. F. Müller). ›An Ablabios, dass es keine drei Götter gibt‹ (›Ad Ablabium‹): GNO 3, 1, S.  35–57 (ed. F. Müller). 929

Die Philosophie in der Spätantike

›Apologie (für Basileios) über das Sechstagewerk‹ (›In Hexameron‹): GNO 4, 1 (ed. H. R. Drobner). ›Über die Seele und die Auferstehung‹ (›De anima et resurrectione‹): GNO 3, 3 (ed. A. Spira) ›Kommentar zum Hohelied‹ (›In Canticum‹): GNO 6 (ed. H. Langerbeck). ›Leben der Makrina‹ (›Vita Macrinae‹): GNO 8, 1, S.  345–414 (ed. V. Woods Callahan). Texte weniger strikt wissenschaftlicher Natur in orientalischen Sprachen mit zumindest teilweise christlicher Thematik erscheinen seit Jahrzehnten in den Reihen ›Patrolo­ gia Orientalis‹ (PO) und ›Corpus Christianorum Scriptorum Orientalium. Scriptores Syri‹ (CSCO Syr.). In beiden Reihen werden sämtliche Bände von Übersetzungen begleitet, die entweder direkt neben dem Text angeordnet sind (Patrologia Orientalis) oder in einem separaten Band publiziert werden (CSCO). Insbesondere bei der CSCO ist zu beachten, dass es sowohl eine Zählung der Bände der gesamten Reihe als auch eine solche der Bände in einer bestimmten Sprache gibt, was häufig zu falschen bzw. uneindeutigen Zitationen führt. Zudem folgen nicht immer die Übersetzungsbände in der Nummerierung unmittelbar auf die übersetzten Bände. Sehr verstreut ediert und z. T. mit Umsicht zu benutzen sind die nur auf Syrisch (und evt. Armenisch) erhaltenen Werke des Evagrios Pontikos: Sein theoretisches Hauptwerk ›Capitula Gnostica‹ ist in zwei syrischen Versionen erhalten, von denen die jeweils rechts in der Edition von A. Guillaumont (PO 28, 1; Turnhout 1985) abgedruckte Version S2 – mit vielen dogmatisch problematischen Formulierungen – nach dem Herausgeber eine direkte Übersetzung von Evagrios’ Text ist. Einige Texte, v. a. der ›Gnosticus‹, finden sich auch nur am Ende der schwer zu benutzenden Ausgabe von W. Frankenberg (Berlin 1912) in Begleitung einer griechischen Rückübersetzung des Autors, die keineswegs den Originaltext darstellt.

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F. Philosophie in der Ausgehenden Antike Aristotelische Logik und platonische Metaphysik an der Schwelle zum Mittelalter

I. Einleitung: Eine verkannte Epoche

1. Philosophiegeschichtliche Gründe für die besondere Behandlung der Ausgehenden Antike Die Zeit vom Ende des 5. Jahrhunderts bis um 600 wird in historischen Überblicksdarstellungen meist ohne weiteren Unterschied als Teil der Spätantike betrachtet, und zwar sowohl in philosophie- als auch in allgemeinhistorischen Darstellungen.1 Dies ist, wie zunächst kurz zu begründen ist, für die Philosophie nicht wirklich befriedigend. Denn in dieser Zeit verändern sich das Philosophieverständnis und die philosophische Arbeit in einer Weise, die grundlegende Veränderungen gegenüber der Spätantike mit sich bringt und für das anschließende, Syrisch, Arabisch und Lateinisch schreibende und denkende ›Mittelalter‹ wichtige Weichen stellt. Da die Bedeutung dieser Unterschiede am besten in der Rückschau deutlich wird, seien zunächst die langfristigen Wirkungen skizzenhaft dargestellt. Den ersten Hinweis hierfür liefert das Verständnis von ›Philosophie‹ selbst, wenn es in einem größeren historischen Rahmen betrachtet wird. Denn das Philosophieverständnis des lateinischen Mittelalters und der klassischen arabischen Philosophie unterscheidet sich in auffälliger Weise von dem für Kaiserzeit und Spätantike typischen Verständnis. Denn in diesen Epochen kann jede rational argumentierende, ausgestaltete oder begründete Gesamtdeutung der Wirklichkeit mit dem Anspruch, zum richtigen Leben und zur Eudaimonie anzuleiten, eine ›Philosophie‹ oder gar die ›wahre Philosophie‹ genannt werden, sei sie nun durch eine religiöse (christlich-jüdische) Offenbarung oder durch eine philosophische Tradition (v. a. des Platonismus) fundiert. Demgegenüber treten im arabischen Raum seit dem 9. Jahrhundert einige Christen und Muslime (z. B. al-Kindī und al-Fārābī) mit dem Anspruch auf, unter der aus dem Griechischen entlehnten Bezeichnung falsafa, also ›Philosophie‹, einen rational-demonstrativen Weg zum Glück zu weisen, der methodisch besser fundiert sein und weiter führen soll als eine religiöse Lehre, welche die eigenen Überzeugungen nicht mit rationalen Beweisen vermittelt.2 Im lateinischen Mittelalter wird eine ähnliche Sichtweise um 1

  Einen Blick auf die Besonderheit der Epoche vom 6.–9. Jahrhundert entwickelt auch K. Parry, Eastern Christianity and Late Antique Philosophy. A Conspectus, in: E. Anagnostou-Laoutides  /  K. Parry (Hrsg.), Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, Leiden  /  Boston 2020, 13–51, hier 13 f., der die Folgezeit allerdings mit einbezieht. 2   Vgl. M. Perkams, Die Bedeutung der arabischen Philosophie für die Geschichte der Philosophie, in: H. Eichner  /  M. Perkams  /  Ch. Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter. Ein Handbuch, Darmstadt 2013, 13–31, 14–23; M. Perkams, Logik und Religion. Entstehungsbedingungen autonomer Philosophiebegriffe im lateinischen und im syrisch-arabischen Raum (6.–12. Jhd.), in: M. Enders  /  B. Goebel (Hrsg.), Die Philosophie

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

1130 bei Petrus Abaelardus deutlich: Schon früh ein Vertreter eines methodischen Verständnisses der Philosophie als Dialektik,3 unterscheidet er philosophische und jüdisch-christliche Argumentationen dadurch, dass die einen ausschließlich rational, die anderen auch auf eine autoritative Schrift gestützt seien.4 Nach der Rezeption einiger arabischer Texte, vor allem des Ibn Rušd, im 13. Jahrhundert entwickelt sich diese Sichtweise in Westeuropa allmählich zu der für die Neuzeit typischen Idee, die Philosophie sei ein rationaler, von der Religion ganz unabhängiger und methodisch verschiedener Zugang zur Wirklichkeit. Einen zweiten Hinweis liefert der Name des Philosophen, der im arabischen wie im lateinischen Mittelalter, aber eben nicht in der Spätantike, als Inkarnation seines Gebiets gilt: In beiden Kulturräumen wird die Philosophie insbesondere mit dem Werk und dem Namen des Aristoteles verbunden, während der für die Spätantike zentrale Platon allenfalls in sekundärer Weise wichtig ist. Obwohl auf beiden Seiten des Mittelmeers viele auf Platon zurückgehende Lehren übernommen werden, sind seine Werke verhältnismäßig wenig bekannt, und viele platonische Positionen werden unter anderen Namen wie ›Dionysios Areopagites‹ oder sogar ›Aristoteles‹ vermittelt. Das exoterische Werk des Stagiriten ist hingegen in beiden Kulturräumen ein wichtiger Maßstab dafür, was eigentlich eine ›wissenschaftliche‹ Vorgehensweise ausmacht, und es wird relativ rasch (fast) im Ganzen rezipiert und umfangreich kommentiert. Die intensive Aristoteles-Rezeption steht also in engem Zusammenhang mit der Vorstellung, dass ›Philosophie‹ insbesondere ein methodisch konnotiertes Vorgehen kennzeichnet, das selbst dann nicht mit Religion zusammenfallen kann, wenn beide die gleichen Behauptungen vertreten. Im Folgenden soll verdeutlicht werden, dass diese Entwicklungen zwischen 480 und 600 wesentliche Impulse empfangen, zu einer Zeit also, als die Mittelmeerländer zwischen Mesopotamien und Italien zum letzten Mal für viele Jahrhunderte eine geistig-kulturelle Einheit bilden: Zu dieser Zeit erlebt der Prozess der ›Aristotelisierung‹ der Philosophie, im oben geschilderten Sinn, seinen Durchbruch, während sich die Philosophie zugleich sprachlich diversifiziert, wobei in den verschiedenen Sprachen (im Syrischen, Lateinischen, Mittelpersischen und Armenischen) grundsätzlich ähnliche Entwicklungen begegnen, welche die späteren Parallelen in diesen Kulturräumen erklären, aber auch Unterschiede im Wissenschaftsverständnis zwischen den einzelnen Kulturen verdeutlichen helfen.

der monotheistischen Weltreligionen im frühen und hohen Mittelalter, Freiburg u. a. 2019, 72–100, hier 79–85. 3   Vgl. Petrus Abaelardus, Historia calamitatum (p.  63 Monfrin). 4   Nämlich in der Einleitung zu seinem ›Gespräch zwischen einem Philosophen, einen Juden und einem Christen‹, vgl. Perkams, Logik und Religion, hier 86–90.

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Einleitung: Eine verkannte Epoche

2. Philosophische Charakteristika der Epoche – ein Überblick Vor dem geschilderten Hintergrund ist die philosophiegeschichtlich besondere Behandlung der Zeit von 480 bis 600 wegen zumindest vier Phänomenen gerechtfertigt, die so in der vorhergehenden Epoche nicht oder nur in eingeschränktem Maße zu beobachten sind, aber auf die künftige Zeit vorausweisen: a. Die philosophische Aktivität, wie sie uns die erhaltenen Quellen zeigen, konzentriert sich zunehmend auf die aristotelische Philosophie. Einer begrenzten Reihe von Platon-Kommentaren aus dem 6. Jahrhundert (Damaskios zum ›Parmenides‹, ›Philebos‹, ›Phaidon‹, Olympiodor zum ›Gorgias‹) steht in der Überlieferung eine Fülle von Aristoteles-Kommentaren gegenüber, und zwar sowohl von hellenischen Philosophen (Ammonios Hermeiou, Asklepios, Simplikios, Priskian, Olympiodor) als auch von christlichen (Philoponos, Boethius, ›Amelachos‹, Sergios von Rēšʿaynā, Elias, David [›der Unbesiegbare‹], Proḇā, Paul der Perser, Stephanos). Hierbei bringt die Tatsache, dass eher Aristoteles als Platon kommentiert wird, zunächst keine grundsätzlichen Innovationen oder Abweichungen von der neuplatonischen Lehre mit sich; vielmehr herrscht, nicht zuletzt durch den Einfluss der jahrzehntelangen Lehrtätigkeit des Ammonios, eine neuplatonische Interpretationsrichtung der aristotelischen Texte vor.5 Eine Übernahme explizit aristotelischer, nicht platonischer Theorieelemente zeigt sich nur punktuell, vor allem in den frühen armenischen Kommentaren zu ›Kategorien‹ und ›Hermeneutik‹;6 auch Abweichungen vom Platonismus aufgrund christlichen Einflusses finden nur nach und nach und häufig in versteckter Weise Eingang in die Kommentare, z. B. bei Stephanos.7 Eine Ausnahme bildet Johannes Philoponos, der seine fundamentale Kritik an bestimmten aristotelischen Lehren explizit in einige Aristoteles-Kommentare einträgt, wobei er sich nicht auf Themen beschränkt, die eng mit christlichen Positionen verbunden sind. Die Aristoteles-Interpretation bleibt somit eine Arbeit am auszulegenden Text im Sinne der hellenischen Philosophie und ihrer Inhalte, also eine fachphilosophische Arbeit. b. Eng verbunden mit dem Aristotelismus ist im Lauf des Jahrhunderts eine zunehmende Begrenzung der philosophischen Arbeit auf die Logik. Diese zeigt sich zum einen an der Überlieferung – der überwiegende Teil der erhaltenen Aristoteles-Kommentare aus der Zeit betrifft die logischen Schriften des Aristo-

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  Vgl. I. Hadot, Le problème du néoplatonisme Aléxandrin. Hiéroclès et Simplicius, Paris 1978, 198–200; H. J. Blumenthal, Neoplatonic Elements in the ›De anima Commentaries‹, in: R. Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed. The Ancient Commentaries and their Influence, London 1990, 305–324. 6   S. unten S. 1075–1077. 7   Vgl. z. B. W. Charlton, Introduction, in: ›Philoponus‹, ›On Aristotle, On the Soul‹ 3, 1–8, London 2000, 1–16, hier 10–12. Dazu z. B. M. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spät­ antike. Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles’ ›De anima‹, Berlin  /  New York 2008, 237–277.

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teles, insbesondere die ›Kategorien‹8 –, zum anderen an den Übersetzungen: Etwa gleichzeitig beginnen Boethius, Sergios von Reš’aynā und ein anonymer Armenier um oder kurz nach 500, erste Texte aus dem aristotelischen Organon und Kommentare dazu in ihre Sprache zu übertragen, so dass diese im Lateinischen, Armenischen und Syrischen vorliegen. Obwohl sowohl Sergios als auch Boethius angeben, den gesamten Aristoteles (und Boethius auch den ganzen Platon) behandeln zu wollen,9 werden in allen drei Sprachen nur die logischen Einführungsschriften (›Eisagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹, ›Analytica priora‹) des zeitgenössischen aristotelischen Curriculums übersetzt und kommentiert.10 Auch Paul der Perser schickt seiner Einführung in die Logik für den Sassaniden Ḥusro III. Anuširwān eine Aufforderung zur ganzen Philosophie voraus, behandelt aber de facto nur den Stoff der gerade genannten Schriften. Somit wird ausgerechnet die Logik, die im 4./5. Jahrhundert häufig gar nicht mehr als eigener Teil der Philosophie wahrgenommen wird, ab dem 6. Jahrhundert zu dem Teil des Curriculums, der am intensivsten, und in vielen Fällen fast ausschließlich, studiert wird. Im Ergebnis wird die Philosophie vielfach in einem relativ engen Sinn verstanden und als eigenes Wissensgebiet innerhalb größerer Lehrkontexte wahrgenommen, d. h. sie entwickelt sich von einem Ansatz einer Weltdeutung mit universalem Anspruch hin zu einer wissenschaftlichen Disziplin. c. Drittens lässt sich seit etwa 480 eine in ihrer Methodik und literarischen Gestalt rein philosophische Auseinandersetzung der Christen mit philosophischen Theorien beobachten. Die wohl ersten Zeugnisse hierfür sind zwei Dialoge des Aineias von Gaza (›Theophrast‹) und Zacharias Rhetor (›Ammonios‹), die sich implizit oder explizit mit dem alexandrinischen Lehrbetrieb, vor allem des Ammonios, auseinandersetzen. Einige pseudo-justinische Quaestionensammlungen, die neuerdings auf einen nestorianischen Autor des frühen 6. Jahrhunderts zurückgeführt werden, kritisieren Aristoteles und eine etwas allgemeinere platonische Position auf eine noch stärker textnahe Weise, ein Vorgehen, das seinen Höhepunkt in der Kritik des Johannes Philoponos an der aristotelischen und der proklischen Philosophie findet, insbesondere an der Lehre von der Ewigkeit der

8   Vgl. z. B. die Liste bei R. Sorabji, The Ancient Commentators on Aristotle, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 1–30., hier 27 f. 9   Boethius, In De interpretatione, editio secunda 2, prol. (79, 9–80, 9 Meiser). Für die Ankündigung des Sergios von Rēšʿaynā vgl. H. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote du grec au syriaque. Études sur la transmisson des textes de l’Organon et leur interprétation philosophique, Paris 2004, 168 f. (frz.) und M. Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften. Ein Bild des Sergios von Rēšʿaynā, seine Rezeption bei Paul dem Perser und die spätantiken Wurzeln der arabischen Aristoteles-Eulogien, in: Sh. Talay (Hrsg.), Überleben im Schatten. Geschichte und Kultur des syrischen Christentums. Beiträge des 10. Deutschen Syrologentages an der FU Berlin 2018, Wiesbaden 2020, 179–201, hier 190 f. (syrisch  /  deutsch), dort auch zur Problematik der Ankündigung des Sergios. 10   S. unten S. 960–966.

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Welt. Auch in diesen Traktaten lässt sich also eine wichtige Rolle des Aristotelismus als Objekt der Kritik erkennen. d. Weniger deutlich ist dies in der vierten Entwicklungslinie der Philosophie, die zwischen 480 und 600 zu beobachten ist. Sie kann man daran festmachen, dass mehrere Christen formal sehr ausgefallene Werke verfassen, deren Inhalt weitgehend von platonisch-aristotelischer Philosophie geprägt ist, ohne dass ein Konflikt mit der christlichen Lehre namhaft gemacht würde. Wiederum zieht sich dieses Phänomen durch alle Teile des Mittelmeerraumes: In lateinischer Sprache schildert Boethius in der ›Consolatio philosophiae‹, wie die Philosophie ihn, vermittelt durch die zu erwartende Schau Gottes, glücklich macht und wie dessen Providenz mit der eigenen Freiheit vereinbar ist. Auf Griechisch entsteht etwa gleichzeitig das schon rätselhafte Werk des Pseudo-Dionysios Areopagites, das die Struktur der neuplatonischen Philosophie ins Christentum transponiert. In syrischer Sprache legt Sergios von Rešʿaynā einerseits Grundzüge einer aristotelischen Kosmologie in ›Über die Prinzipien des Universums‹ nur oberflächlich an christliche Vorstellungen adaptiert vor und entwirft andererseits in seinem Traktat ›Über das geistige Leben‹ ein christliches, von Origenes und Evagrios Pontikos inspiriertes Programm eines geistigen Aufstiegs, der von der Ethik über die Naturphilosophie und die Metaphysik hin zur Gottesschau führt. Am Ende des Jahrhunderts schildert der programmatische Text ›Die Ursache der Gründung von Schulen‹ des Barḥaḏbšabbā aus der Schule von Nisibis zunächst einen platonisch gefärbten, nur grob christianisierten Aufstieg der Seele und sodann den darauf folgenden Abstieg der göttlichen Offenbarung in der Weise, dass die Stationen der Heilsgeschichte jeweils eine Schule bilden, bis die wahre Philosophie (filosofūṯā) und alle Wissenschaften von Christus selbst gelehrt werden.

3. Zum Forschungsstand11 Einen Forschungsstand zur Ausgehenden Antike als solcher gibt es insofern nicht, als diese bisher nicht als besondere Epoche wahrgenommen wird. Das führt dazu, dass die unterschiedlichen Phänomene der Zeit meist getrennt behandelt werden, z. B. die Schulen von Athen und Alexandrien als Teil des spätantiken Neuplatonismus vorwiegend von Historikern der antiken Philosophie, Boethius hingegen als Vorläufer des lateinischen Mittelalters von Spezialisten dieser Epoche. Die Philosophie-Kritiker werden am ehesten von Theologen in einen Zusammenhang gestellt, die syrischen und armenischen Autoren sind häufig schon mangels Editionen und Sprachkenntnissen kaum bekannt, aber auch Cassiodor oder die Debatten zwischen Miaphysiten und Neuchalkedonensern sind meist nicht auf dem 11   Wie üblich, werden hier nur einige selektive Literaturhinweise gegeben; für Genaueres sei auf die einzelnen Kapitel im Folgenden verwiesen.

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Radar der Historiker der Philosophie, auch wenn sie inzwischen nicht mehr als terra incognita der Forschung gelten können. Die hellenischen Aristoteliker der Zeit (Ammonios, Simplikios, Priskian, Olympiodor u. a.) werden gegenwärtig in erster Linie als Repräsentanten des Neuplatonismus betrachtet, selbst wenn sie mit dem Label ›Kommentatoren‹ eine eigene Bezeichnung erhalten.12 Insbesondere Ilsetraut Hadot und Henry Blumenthal haben überzeugend nachgewiesen, dass diese Autoren Aristoteles unter neuplatonischen Voraussetzungen lesen und keine grundlegenden systematischen Änderungen gegenüber Autoren wie Jamblich und Proklos einführen.13 Diese im Grundsatz richtige Erkenntnis verstärkt allerdings, obwohl viele jüngere Forscher durchaus Unterschiede zwischen verschiedenen Platonikern bedenken, den Trend, die einschlägigen Texte in erster Linie von anderen neuplatonischen Quellen her zu lesen, so dass sowohl die Eigenleistung einzelner Denker und Schulen als auch ihre Interaktion mit anderen Phänomenen der Zeit, gerade mit Christen, aber auch z. B. mit der Medizin und anderen wissenschaftlichen Disziplinen weniger in den Fokus der Forschung geraten. Im Übrigen ist, trotz einiger sehr nützlicher Studien,14 der interpretative Zugang zu den Aristoteles-Kommentaren nach wie vor schwierig: Denn Fragen nach der Einheitlichkeit eines Œuvres, der persönlichen Stellung verschiedener Denker zu einzelnen Problemen oder auch nach Besonderheiten der Methode erfordern eine philologisch und philosophisch äußerst sorgfältige Durchsicht größerer Textstücke, die im notwendigen Umfang noch nicht geleistet ist. Das fällt insbesondere bei der Beurteilung des zentralen Verhältnisses von Ammonios und Philoponos sowie im Hinblick auf dessen geistige Stellung stark ins Gewicht. Eine Folge dieser Situation ist, dass für Philoponos’ Entwicklung ganz unterschiedliche, insgesamt nicht zuverlässig begründete Hypothesen existieren. Das Problem einer wenig tiefgehenden Erforschung der Aristoteles-Kommentare betrifft selbst einen Autor wie Boethius, hinsichtlich dessen es zwar, jedenfalls im Blick auf den ›Trost der Philosophie‹, an Forschung nicht mangelt, ohne dass er aber bisher adäquat mit seinen Zeitgenossen verglichen würde, die Griechisch oder Syrisch schreiben. Die Forschung zu Philoponos ist nicht zuletzt von theologischer Seite positiv beeinflusst worden, wo z. B. Clemens Scholten, Benjamin Gleede und Johannes 12   Zum Beispiel auch in der Einleitung zu R. Sorabji, The Philosophy of the Commentators. 200–600 AD. A Sourcebook, Volume 1: Psychology (with Ethics and Religion), ­Ithaca (N. Y.) 2005, 1–32. 13   Hadot, Le problème du néoplatonisme Alexandrin; Blumenthal, Neoplatonic Elements in the ›De anima‹ Commentaries. 14   Zum Beispiel F. De Haas, John Philoponus’ New Definition of Prime Matter. Aspects of its Background in Neoplatonism and the Ancient Commentary Tradition, Leiden u. a. 1997; R. Thiel, Aristoteles’ ›Kategorienschrift‹ in ihrer antiken Kommentierung, Tübingen 2004; Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike; P. Golitsis, Les commentaires de Simplicius et de Jean Philopon à la ›Physique‹ d’Aristote. Tradition et innovation, Berlin  /  Boston 2008.

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Zachhuber auf seine in der philosophiegeschichtlichen Forschung wenig beachteten patristischen Kontexte hingewiesen haben, auch auf die inhaltliche Nähe zu anderen Philosophiekritikern des 6. Jahrhunderts.15 Im Übrigen lesen neuere Forschungen auch seine christologischen Werke stärker im Kontext eines erwachenden philosophischen Interesses an den christologischen und innermiaphysitischen Streitigkeiten16 und eröffnen damit weitere neue Kontexte, denen nachzugehen ist. Eine kontextsensitive Erschließung des Pseudo-Dionysios wird langsam möglich, da zentrale Texte aus seinem Umfeld, namentlich von Sergios von Rēšʿaynā und Johannes von Skythopolis nun nach und nach in brauchbarer Weise ediert werden.17 Zwar erschwert ›Dionysios’‹ Vorgehensweise nach wie vor die genaue Deutung seiner philosophischen Argumentationsstrukturen, doch dürfte eine gründliche Einordnung seiner Leistung in die philosophischen Diskurse seiner Zeit neue Verstehenshorizonte eröffnen. Trotz der noch unerfreulichen Editionssituation – wichtige Texte von Sergios von Rēšʿaynā, Proḇā und Paul dem Perser sind noch nicht ediert oder gerade erst ediert worden – hat die Erforschung der syrischen Schriften u. a. durch die Arbeiten von Henri Hugonnard-Roche, John Watt, Emiliano Fiori und Daniel King18 15   C. Scholten, Antike Naturphilosophie und christliche Kosmologie in der Schrift ›De opificio mundi‹ des Johannes Philoponos, Berlin  /  New York 1996; B. Gleede, Platon und Aristoteles in der Kosmologie des Proklos. Ein Kommentar zu den 18 Argumenten für die Ewigkeit der Welt bei Johannes Philoponos, Tübingen 2009; B. Gleede, Johannes Philoponos und die christliche Apologetik. Die Widerlegung des Proklos und Aristoteles und die Debatte des Schöpfungsproblems in der Schule von Gaza und bei Pseudo-Justin, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 54 (2011), 73–97; B. Gleede, The Ps.-Justinian Corpus of Eratapokriseis and Apologetical Treatises. In Search of an Author and a Historical Setting, in: B. Demulder  /  P. van Deun (Hrsg.), Questioning the World. Greek Patristic and Byzantine Question-and-Answer-Literature, Turnhout 2021, 67–98; J. Zachhuber, The Rise of Christian Theology and the End of Ancient Metaphysics. Patristic Philosophy from the Cappadocian Fathers to John of Damascus, Oxford 2020. Grundlegend bleibt die Fragmentensammlung von Ch. Wildberg, John Philoponus’ Criticism of Aristotle’s Theory of Aether, Berlin  /  New York 1988. 16   Zum Beispiel U. M. Lang, John Philoponus and the Controversies over Chalcedon in the Sixth Century. A Study and Translation of the Arbiter, Löwen 2001; Zachhuber, The Rise of Christian Theology. 17   Vgl. in den einschlägigen Kapiteln. 18   Vgl. z. B. J. W. Watt, From Sergius to Mattā. Aristotle and Pseudo-Dionysius in the Syriac Tradition, in: J. Lössl  /  J. Watt (Hrsg.), Interpreting the Bible and Aristotle, Farnham 2011, 239–257; J. W. Watt, Al-Fārābī and the History of the Syriac Organon, in: G. Kiraz (Hrsg.), Malphono w-Rabo d-Malphone. Studies in Honor of S.  P. Brock, Piscataway 2008, 751–778; E. Fiori, Un intellectuel alexandrin en Mésopotamie. Essai d’une interprétation d’ensemble de l’œuvre de Serge de Reshʿayna, in: E. Coda  /  C. Martini Bonadeo (Hrsg.), De l’antiquité tardive au Moyen Âge. Études de logique aristotélicienne et de philosophie grecque, syriaque, arabe et latine offertes à Henri Hugonnard-Roche, Paris 2014, 59– 90; D. King, The Earliest Syriac Translation of Aristotle’s ›Categories‹. Text, Translation, and Commentary, Leiden  /  Boston 2010; D. King, The Study of Logic in Syriac Culture, in: E. Fiori  /  H. Hugonnard-Roche (Hrsg.), La philosophie en syriaque, Paris 2019, 163–208.

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beachtliche Fortschritte gemacht: Es liegen inzwischen halbwegs abgesicherte Chronologien der Texte vor, und auch unbekannte Texte sind teils über Übersetzungen und leicht erreichbare Handschriften zugänglich. Erste Ansätze zum Verständnis des Sergios von Rēšʿaynā und auch (in geringerem Maße) zu Paul dem Perser liegen vor. Besonders begrüßenswert ist, dass die Texte dieser Autoren mit alexandrinischem Material verglichen wurden, was wichtige Beiträge zu einem Verständnis der Gesamtepoche geliefert hat. Noch schlechter als die syrischen sind bislang die armenischen Texte aufgearbeitet, doch liegt der ›Analytica-priora‹-Kommentar des David inzwischen ediert und übersetzt vor. Zu den wichtigen anonymen ›Amelachos‹-Kommentaren gibt es dank der Forschungen von Géneviève ­Lachance erste Arbeiten, die deren Bedeutung erkennen lassen.

4. Leitfragen und Vorgehensweise der Untersuchung Die folgenden Seiten haben das Ziel, die unter a. und b. eher thetisch genannten Phänomene für die Bereicherung des Forschungsstandes durch eine detaillierte Behandlung fruchtbar und zugleich in sich besser verständlich zu machen. Insbesondere zielen sie wiederum darauf ab, die einzelnen Schulen und Autoren auf diejenigen Aspekte hin abzuklopfen, die eine Einordnung in ihre breiteren Kontexte ermöglichen. Folgende Leitfragen sind hierzu besonders wichtig: a)  Welche Motivation(en) liegen hinter den philosophischen Projekten der Zeit? Welches Bedürfnis erfüllen der philosophische Unterricht und die einschlägigen Übersetzungen, und was ist die Motivation ihrer Autoren? Wie verhalten sich insbesondere die mehr oder weniger verkappten philosophischen Konzeptionen im christlichen Gewand zum überkommenen Philosophie-Ideal? b)  Wie kommt es zu der zunehmenden Konzentration auf aristotelische Schriften und wie wird diese in den Texten reflektiert und kommentiert? Welche aktiven Tendenzen zur Förderung eines aristotelisch geprägten Philosophie-Ideals sind erkennbar und was sind ihre Gründe? In welchen Kontexten spielt hingegen Platon noch die zentrale Rolle? c)  Wie ist insbesondere das Verhältnis von Philosophie und Christentum in der Ausgehenden Antike zu bewerten? Sind die christlichen Auseinandersetzungen mit philosophischen Thesen eher ein Beitrag zur oder eher ein Kampf gegen die Philosophie? Wie nehmen Christen positiv und negativ zur Philosophie Stellung? d)  Wie ist die Verbindung von Philosophie und Medizin im alexandrinischen Unterricht in der spätantiken Wahrnehmung zu verstehen und wie entwickelt sie sich? Fällt die Philosophie letzten Endes in eine instrumentale Rolle im Verhältnis zur Medizin und auch zu anderen Disziplinen? e)  Wie verhalten sich die ausdrücklichen Darstellungen des Philosophie-Ideals zur Vermittlung philosophischer Inhalte? Warum entsteht und was bedeutet die feststellbare Divergenz zwischen ausführlichen Philosophie-Einführungen und 940

Einleitung: Eine verkannte Epoche

auf die Logik beschränkten Inhalten bzw. zwischen philosophischen Inhalten und christlicher Außendarstellung, z. B. bei ›Dionysios‹? Gemäß dem Gesamtplan dieser Untersuchung wird bei der Beantwortung dieser Fragen in allen Kulturräumen das Jahr 600 als der Endpunkt der Darstellung genommen. Dies scheint beim gegenwärtigen Forschungsstand vertretbar und wird der relativen Geschlossenheit gerecht, die der mediterrane Raum im 6. Jahrhundert noch aufweist, auch wenn Isidor von Sevilla, Maximos Confessor, Johannes von Damaskos oder die Schule von Qennešrē, welche die hier beschriebenen Tendenzen fortsetzen und ggf. zu einem gewissen Abschluss bringen, so keine Berücksichtigung mehr finden können. Im Folgenden wird zunächst ein allgemeinhistorischer sowie ein philosophiehistorischer Überblick gegeben, in dem auch wichtige Themenkreise im Zusammenhang behandelt und wichtige Gesichtspunkte für die Beschäftigung mit Philosophie namhaft gemacht werden. Dann wird auf die einzelnen Schulen und Autoren eingegangen, die in den oben geschilderten Zusammenhang gestellt werden: Die philosophischen Schulen, die philosophiekritischen Christen, die Übersetzer und schließlich die Rezeption in den ›scholastischen‹ Debatten über Christologie und andere Fragen des christlichen Glaubens. Auf diese Weise soll die Kontextualisierung der Phänomene über wichtige Parallelen leichter fallen. Eine grundsätzliche Unterscheidung von Christen und Hellenen wird dabei nicht vorgenommen, weil sie im Hinblick auf viele Figuren der Zeit (z. B. Elias und David) keine sinnvollen Erkenntnisse erwarten lässt.

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II. Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

1. Allgemeines Auf historischer Ebene wird die spätantike Welt in den letzten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts von Veränderungen betroffen, die, freilich regional auf ganz unterschiedliche Weise, Auswirkungen auf die geistige Situation in den verschiedenen Sprachräumen besitzen: Historisch am auffälligsten ist die Entwicklung im lateinischen Westen, wo das weströmische Reich im Jahre 476 endgültig sein Ende findet und den germanischen Nachfolgestaaten Platz macht. In diesen nehmen die traditionellen Eliten weiterhin führende Stellungen in der kirchlichen und politischen Hierarchie ein, wie die Beispiele des Boethius und Cassiodor zeigen. Sie bemühen sich intensiv um die Erhaltung des literarischen und wissenschaftlichen Erbes einerseits und die Wiederbelebung der Bildungstradition andererseits und stellen, ebenso wie schon früher Martianus Capella und im folgenden Jahrhundert Isidor von Sevilla (ca. 560–636),1 enzyklopädische Werke zusammen, in denen das lateinische Mittelalter reichhaltige Anregungen findet.2 Der Osten des Reiches erweist sich als politisch stabiler. Hier ist erst mit dem Verlust der vorderasiatischen Provinzen Syria, Palestina und Ägypten in den 630er Jahren ein starker Einschnitt zu verzeichnen. Die geistigen Veränderungen seit Ende des 4. Jahrhunderts sind jedoch beträchtlich und haben Konsequenzen, welche große Teile der Gesellschaft betreffen: Die Anhänger der alten Religion geraten zunehmend unter Druck und ins Hintertreffen. Einzelne von ihnen unterstützte Revolten sind erfolglos,3 und auf gesetzliche Weise oder einfach durch Ausübung von Druck von Seiten der Christen wird ihre Position zusehends prekärer.4 So ist die Schließung und Zerstörung von Tempeln an der Tagesordnung. Selbst wenn ein solches Vorgehen nicht gesetzlich sanktioniert und vorbereitet wird, ist doch die reale Macht christlicher Gruppierungen und Würdenträger häufig aus1   Zu diesem Autor, der aus dem hier gesetzten Zeitrahmen herausfällt, vgl. jetzt S.  Döpp, Isidor von Sevilla, in: GGPh 5, 3 (2018), 2388–2390. 2   Vgl. Th. Ricklin, Die ideale Bibliothek, in: GGPh. Mittelalter 3 (2018), 1 (2021), 14–33, hier 20–31. 3   Vgl. zur Revolte des Illos und des Pamprepios P. Chuvin, Chronique des derniers païens. La disparition du paganisme dans l’Empire romain, du règne de Constantin à celui de Justinien, Paris 1990, 100–103; zu weiteren Revolten, über die Damaskios berichtet, vgl. R. von Haehling, Damascius und die heidnische Opposition im 5. Jahrhundert nach Christus. Betrachtungen zu einem Katalog heidnischer Widersacher in der ›Vita Isidori‹, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 23 (1980), 82–95. 4   Vgl., auch zu Damascius, Meier, Das andere Zeitalter Justinians, 55–64.

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

reichend, um in Eigeninitiative tätig zu werden, ohne dass staatliche Autoritäten dem schützend entgegentreten könnten.5 Im Verlauf des 6. Jahrhunderts scheinen die antiken Kulte im Römischen Reich vor diesem Hintergrund weitgehend ausgelöscht oder zumindest marginalisiert zu werden. Eine literarische Aktivität von dieser Seite ist zwar noch festzustellen, doch verdankt sie sich nicht zuletzt dem kulturellen Interesse christlicher Kreise.6 Dies betrifft auch die noch immer prominenten Philosophenschulen, allerdings in Athen und Alexandrien in unterschiedlicher Weise: Die Schule von Athen gerät nach dem Tode des Proklos zunächst in eine Krise, bevor sie unter Damaskios eine letzte Blüte erfährt. Diese endet um 530 mit der Schließung der Schule und dem Auszug sieben führender Vertreter ins Perserreich, wo freilich ebenfalls keine dauernde Begründung einer Lehrtradition gelingt.7 Die Alexandriner Schule nimmt hingegen christliche Schüler auf und besteht – als Ort eines intensiven geistigen Austauschs zwischen christlichen und hellenischen Lehrenden und Schülern der Philosophie und Medizin – mindestens bis in die Zeit nach 600 fort, als, nach traditioneller Lesart, der Philosoph und Mediziner Stephanos nach Konstantinopel berufen wird, um fortan dort Philosophie zu lehren.8 Plausibel ist eine Tätigkeit in der Reichshauptstadt jedenfalls für den nicht sicher identifizierbaren Autor eines ›Eisagoge-Kommentars‹ in der Tradition des Olympiodoros.9 Der Druck auf die nichtchristlichen Lehrer der Philosophie ist aber, insbesondere aufgrund des aggressiven Vorgehens bestimmter christlicher Gruppen, z. B. der sogenannten Philoponoi, auch in Alexandrien schon um 490 groß.10 Jedenfalls bilden die Philosophen dort nicht wenige christliche Schüler aus, deren Wirken in der Folgezeit für die Weiterentwicklung der Philosophie eine wichtige Rolle spielen wird. Ein Blick auf die Philosophie des 6. Jahrhunderts darf auch den armenischen und persischen Raum nicht außer Acht lassen:11 Armenien wendet sich, mit den südlich angrenzenden Syrern, der miaphysitischen Lehre zu und gerät somit in eine zunehmende Spannung zu Konstantinopel und auch Rom. Eine große kulturelle Blüte erreicht hingegen das Perserreich der Sassaniden unter dem be5

  Vgl. Chuvin, Chronique des derniers païens, 65–74.   Chuvin, Chronique des derniers païens, 130–132 (für den Westen), 155–157. 7   S. unten S. 993. 8   Diese Version wird neuerdings in Zweifel gezogen, s. unten S. 968  f. 9   Vgl. L. G. Westerink, in: Pseudo-Elias (Pseudo-David), ›Lectures on Porphyry’s Eisagoge‹. Introduction, Text and Indices by L. G. Westerink, Amsterdam 1967, XIII. 10   Zur philosophiekritischen Haltung einiger Christen S.  z. B. Ph. Hoffmann, Damascius, in: DPhA 2 (1994), 541–593, 557. Das Wirken der Philoponoi wird von Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  24, 3–9; 26, 6–12 Kugener), eindrücklich geschildert. Vgl. auch Damaskios’ Bericht über die Auspeitschung seines Bruders Julian: Vita Isidori, epit. 180–186 (252, 1–254, 5 Zintzen). 11   Vgl. dazu jetzt zusammenfassend Parry, Eastern Christianity and Late Antique Philosophy. 6

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rühmten Großkönig Ḫusro III. Anūširwān (griech. / lat. Chosroes, syr. Ḵosrau bzw. Ḵosrāw). Hier begegnen westliche Einflüsse aus Byzanz sowohl dem einheimischen Zoroastrismus als auch den jüdischen Akademien Obermesopotamiens sowie kulturellen Einflüssen aus dem indischen Raum. Für innere Spannungen sorgt nicht zuletzt die Konfrontation des wachsenden christlichen Bevölkerungsteils mit den zoroastrischen Eliten. Die persischen Christen geben sich nach 489 unter Aufnahme des antiochenischen (›nestorianischen‹) Erbes eine eigene konfessionelle Prägung mit starkem Gegensatz zum syrisch-ägyptisch-armenischen Miaphysitismus. Die dünne Quellen- und unbefriedigende Forschungslage lässt immerhin erkennen, dass gerade diese Gegensätze das Interesse an philosophischer Grundlegung und Methodik verstärken, das auch durch eine anscheinend recht verbreitete Schulkultur in diesem Reich sowie durch öffentliche Religionsdialoge am Königshof gefördert werden dürfte.12 Die neuere Forschung zum Erstarken der Philosophie im Islam unter den ‘Abbāṣiden hat jedenfalls auf die Bedeutung der persischen Rezeption griechischer Philosophie aufmerksam gemacht.13

2. Innerchristliche Spaltungen und Debatten Die christliche Welt selbst gerät in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts in eine ex­ trem polarisierende Auseinandersetzung, welche einen Großteil der schriftlichen Produktion der Zeit bestimmt: Infolge der Kritik des Kyrill von Alexandrien an Nestorios wird die Frage, ob Christus als Gott und Mensch eine Natur habe oder zwei, eine göttliche und eine menschliche, zu einem Streitpunkt, der die Einheit der Kirche auflöst und zur Positionierung zwingt. Hierzu trägt auch die chaotische Entwicklung des Streits bei: Nachdem das vom alexandrinischen Patriarchen  – teils auch gewaltsam – dominierte Konzil von Ephesus 449 (die sog. ›Räuber­ synode‹) ›monophysitisch‹ bzw., wie man heute meist sagt, ›miaphysitisch‹ für eine Natur Christi entschieden hat, beschließt das Nachfolgekonzil von Chalkedon 451 unter kaiserlicher Leitung und starkem westlichen Einfluss, gemäßigt ›dyophysitisch‹ von zwei ungetrennten Naturen sowie einer Hypostase und Person Christi zu sprechen. Diesem Beschluss verweigern sich jedoch die ägyptischen und armenischen Christen, deren christologische Annahmen zunehmend auch die Klöster und Bistümer im syrischen Raum dominieren: In der Folge sieht sich der Kaiser in Konstantinopel nach 451 einer weitgehend geschlossenen Oppositionsfront im 12   Aufschlussreiche Einblicke in die persische Tradition gibt A. M. Schilling, Die Anbetung der Magier und die Taufe der Sāsāniden. Zur Geistesgeschichte des iranischen Christentums in der Spätantike, Leuven 2008, v. a. 1–158. 13   Vgl. D. Gutas, Paul the Persian on the Classification of the Parts of Aristotle’s philosophy. A Milestone between Alexandria and Baġdād, in: Der Islam 60 (1983), 231–267, 258–260; D. Gutas, Avicenna and the Aristotelian Tradition. Introduction to Reading Avicenna’s Philosophical Works, Leiden  /  Boston 22014, 233 f.

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Osten und Südosten seines Reiches gegenüber, der gegenüber alle Vermittlungsversuche, wie etwa das sogenannte Henotikon Kaiser Zenons gegen Ende des 5. Jahrhunderts, scheitern.14 Im 6. Jahrhundert wird im Gegenzug die chalkedonensische Lehre von der sogenannten ›neuchalkedonensischen‹ Richtung neu formuliert und gewinnt eine beträchtliche argumentative Kraft.15 Im syrischen Sprachraum führt diese Entwicklung zu einer bis heute wirksamen Spaltung: Die traditionell der antiochenischen Theologie nahestehende Schule von Edessa im römischen Reichsgebiet kommt unter Bischof Rabbulā unter miaphysitischen Einfluss. In der Folge werden die Anhänger der antiochenischen Tradition bzw. des Theodor von Mopsuestia, die im edessenischen Schulbetrieb bis zu diesem Zeitpunkt dominieren, verdrängt. 489 weicht der leitende Theologe Narsai in das unter persischer Herrschaft stehende Nisibis aus, wo er mit Unterstützung des Bischofs Barṣaumā eine neue Schule aufbaut. Von hier ausgehend entsteht im sassanidischen Perserreich ein umfassendes christliches Schulwesen, das der ›Kirche des Ostens‹, in der die Fortsetzer der antiochenischen Tradition eine neue Heimat finden, ein besonderes geistiges Profil verleiht.16 Ihr fortwährender Disput mit den Miaphysiten, deren Mission sich im 6. Jahrhundert ebenfalls bis ins Perserreich ausdehnt,17 spaltet die syrischsprachige Welt grundlegend, wobei im Hinblick auf die säkularen Wissenschaften ein nicht zu unterschätzender Austausch stattfindet.18 Alle diese Entwicklungen bringen eine beträchtliche Veränderung der literarischen Debatten mit sich. Auf christlicher Seite treten Versuche, die eigene Position in einer philosophischen Gesamtschau darzustellen, zurück hinter die Polemik gegen die jeweils andere christologische Meinung. An die Stelle der großen christlich-philosophischen Entwürfe eines Gregor von Nyssa, Augustinus oder Theodor von Mopsuestia treten Rechtfertigungsschriften der eigenen Position oder Polemiken gegen Rivalen. Hierfür sind vor allem technisch-philosophische Argumente von Interesse, die helfen, das von vornherein feststehende eigene Anliegen, vorwiegend in christologischen Fragen, zu verteidigen. Ein gewisses Residuum findet die Philosophie allerdings gerade unter Christen des syrischen Raums durch das 14   Einen erfreulich verständlichen Überblick über diese auf vielen Ebenen komplizierte Problematik bietet W. Klein, Syrische Kirchenväter, Stuttgart 2004, 16–27. 15   Vgl. dazu unten S.  1086, 1095–1097. 16   Die wichtigste Quelle für diesen Prozess ist die unten zu besprechende ›Ursache der Gründung der Schulen‹ des Barḥaḏbšabbā (PO 4, 4, p.  381, 5–386, 11 Scher), ferner die sogenannte Kirchengeschichte des (nicht notwendigerweise identischen) Barḥaḏbšabbā. Vgl. A. Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom. The School of Nisibis and Christian Scholastic Culture in Late Antique Mesopotamis, Philadelphia 2006, 57–61. 17   Dazu z. B. Schilling, Die Anbetung der Magier, 11–41. 18   Vgl. S.  Brock, From Antagonism to Assimilation. Syriac Attitudes to Greek Learning, 21 f., in: N. G. Garsoïan  /  Th. F. Mathews  /  R. W. Thompson (Hrsg.), East of Byzantium. Syria and Armenia in the Formative Period, Washington, D. C 1982, 17–34, hier 21 f., sowie unten S. 1102  f. zur Schule von Nisibis.

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Aufgreifen der evagrianischen und/oder origenistischen, stark philosophisch geprägten Tradition durch einige Mönche und Laien. Allerdings richtet sich die Verurteilung des Origenismus 553 in Konstantinopel gerade gegen diese Gruppen.19

3. Philosophie und Philosophen in der Gesellschaft Verbreitung von Philosophie und philosophischem Unterricht »Am Ende des 5. Jahrhunderts gestattete es noch ein einziger Bereich, dass sich eine gewisse heidnische Macht geltend machte: die geistigen Berufe und insbesondere der Unterricht«.20 Zu diesem Zeitpunkt, also zum Beginn der hier zu besprechenden Epoche, ist nämlich politische Aktivität von Nichtchristen nur noch in sehr eingeschränktem Maße möglich, und öffentlich sichtbare heidnische Kulthandlungen finden kaum mehr statt. Ein direkter Einfluss der Heiden bleibt somit dem Bereich der Wissenschaft und Lehre vorbehalten; das gilt in besonderer Weise für die Philosophie. Diese hat sich nicht nur seit Jamblich zur Darstellung der übergreifenden Ordnung gewandelt, welche die Wirklichkeit und sämtliche Zweige der Lehre erklärt und übergreift. Vielmehr bilden die institutionalisierte Philosophenschule von Athen und der gut organisierte Unterricht in Alexandrien anscheinend stärker als die offenbar immer noch verbreiteten heidnischen Rhetoriklehrer Identifikationspunkte der noch paganen Teile der Oberschicht und zugleich Angriffspunkte für die Christen.21 Im Laufe des 6. Jahrhunderts führt dies zur Schließung der Athener Schule im Jahre 529 und zur langsamen Christianisierung des philosophischen Schulbetriebs in Alexandrien im Laufe des 6. Jahrhunderts.22

19   Vgl. dazu A. Guillaumont, Les ›Kephalaia Gnostica‹ d’Évagre le Pontique et l’Histoire d’Origénisme chez les Grecs et les Syriens, Paris 1962, 124–170; A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2, 2. Die Kirche von Konstantinopel im 6. Jahrhundert, Freiburg 1980, 403–430. 20   Chuvin, Chronique des derniers païens, 105. Vgl. auch schon A. H. M. Jones, The Social Background of the Struggle between Paganism and Christianity, in: A. Momigliano (Hrsg.), The Conflict between Paganism and Christianity in the Fourth Century, Oxford 1963, 17–37, hier 32. 21   Vgl. Chuvin, Chronique des derniers païens, 105–114. 22   Vgl. die Überblicke bei L. G. Westerink, The Alexandrian Commentators and the Introductions to their commentaries, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 325–348, hier 329–341; R. Thiel, Die Transformation der Theurgie im christlichen Alexandria des 6. Jahrhunderts nach Christus, in: H. Seng  /  L. G. Soares Santoprete  /  Ch. O. Tommasi (Hrsg.), Formen und Nebenformen des Platonismus in der Spätantike, Heidelberg 2016, 403–415; H. Tarrant, Forgetting Procline Theology. The Alexandrian Story, in: D. D. Butorac  /  D. A. Layne (Hrsg.), Proclus and his Legacy, Berlin  /  Boston 2017, 33–44.

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Dieser Schulbetrieb, der nicht nur philosophischen Unterricht, sondern auch andere Fächer umfasst, besitzt schon am Ende des 5. Jahrhunderts große Bedeutung.23 Zacharias Rhetor berichtet von den philosophischen Vorlesungen des Ammonios als offenbar größeren Versammlungen, bei welchen der Lehrer vorn auf einem erhöhten Stuhl sitzt.24 An anderer Stelle berichtet er, dass er und andere Christen an Freitagen die Lehre der Philosophen – unter ihnen Horapollon – in den Schulgebäuden besuchen, während andere Lehrer zu Hause unterrichten.25 Anscheinend wenden sich die Philosophen an diesem Wochentag also an ein breiteres Publikum.26 Deutlich wird aus diesen Berichten zweierlei: 1. muss sich jedenfalls eine Form des philosophischen Unterrichts in Alexandrien deutlich von dem Lehrer-Schüler-Verhältnis in kleinen Zirkeln unterscheiden, das in früheren Jahrhunderten typisch ist. Damit ist natürlich keineswegs ausgeschlossen, dass nach wie vor ein persönlicherer Unterricht gegeben wurde, so wie Zacharias selbst das für das engere Umfeld des Horapollon vorauszusetzen scheint27 und wie es für die Schule in Athen wohl nach wie vor anzunehmen ist. 2. Dieser Unterricht entfaltet offenbar eine beträchtliche Breitenwirkung in der christlichen Oberschicht namentlich des syro-palästinensischen Raums. Wie intensiv die Christen hier Philosophie studieren, kann daran abgelesen werden, dass Zacharias selbst bei Vorlesungen über die ›Physik‹ und die ›Nikomachische Ethik‹ anwesend gewesen sein will28 und dass die von Olympiodor erhaltenen Manuskripte von Platon-Vorlesungen christliche Hörer voraussetzen.29 Im Falle des Pseudo-Dionysios Areopagites scheint es zweifelhaft, ob seine guten Proklos-Kenntnisse durch private Aktivitäten ohne konkreten Unterricht erklärbar sind. Man kann also davon ausgehen, dass Christen sehr unterschiedlich tief Philosophie studieren können, was sich noch verstärkt, wenn man private Studien hinzurechnet. Jenseits des alexandrinischen Unterrichts und der eher privaten Einrichtung in der Kleinstadt Athen ist die philosophische Lehre jedoch, soweit wir dies feststellen können, nur wenig verbreitet: In Konstantinopel studiert um 500 Johannes 23   Vgl. auch die archäologischen Befunde zur Anlage in St. Holder, Bildung im kaiserzeitlichen Alexandria. 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr., Stuttgart 2020, 210 f. mit Anm.  660. 24   Zacharias Rhetor, Ammonius (98, 98 f. Minniti Colonna). Es handelt sich allenfalls um eine sehr weitläufige Anspielung auf Plato, Protagoras, 315c, und kann daher durchaus als Schilderung des Vorlesungsbetriebs verstanden werden. 25   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  23, 6–14 Kugener). Die Textüberlieferung bietet sowohl die Möglichkeit, dass die Lehre der Philosophie (filosofīyā), als auch, dass die eines Philosophen (filosofā) gemeint ist. 26   Eine ähnliche Interpretation dieser Stelle, aber auch alternative Deutungsmöglichkeiten bei U. Hartmann, Der spätantike Philosoph. Die Lebenswelten der paganen Gelehrten und ihre hagiographische Ausarbeitung in den Philosophenviten von Porphyrios bis Damascius 2, Bonn 2018, 1306 f., Anm.  364. 27   Vgl. seine Charakterisierungen des Zirkels um Horapollon in Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 7–10; 22, 12–14 Kugener). 28   S. unten S. 1019. 29   Vgl. Tarrant, Forgetting Procline Theology, 36 f.

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Lydos bei dem Proklosschüler Agapios die aristotelische Philosophie und auch etwas Platonismus.30 Das angrenzende Karien ist nach einigen Hinweisen ebenfalls ein Ort philosophischer Aktivität, zumal Asklepiodotos der Ältere, wohl auch ein Schüler des Proklos, dort mit Erfolg die hellenischen Kulte verbreitet.31 Die Anwesenheit von Anhängern der hellenischen Philosophie ist für die Zeit vor 500 für einige Orte Syriens bezeugt, doch muss dies nicht mit Lehre einhergegangen sein.32 Mitte des 6. Jahrhunderts lehrt in Konstantinopel ein »Samuel Petros, ein tüchtiger Syrer aus Rēšʿaynā in Mesopotamien«. Bei ihm wird Johannes Askozanges »innerhalb von 20 Jahren in der gesamten Weisheit der Griechen ausgebildet«, d. h. in der Philosophie. Damit ist auf jeden Fall die aristotelische Logik gemeint, denn Askozanges entwirft auf ihrer Grundlage die Theorie des ›Tritheismus‹, die, auch aufgrund ihrer Übernahme und Ausarbeitung durch Johannes Philoponos, zu einer Spaltung der Miaphysiten führt.33 Möglicherweise ist es kein Zufall, dass der Lehrer Samuel Petros aus demselben Rēšʿaynā stammt wie sein älterer Zeitgenosse Sergios, der ihn in den Aristotelismus hätte einführen können. In Konstantinopel gibt es auch in der Folgezeit philosophischen Unterricht: Pseudo-Elias scheint hier in die ›Eisagoge‹ einzuführen, und nach 600 wird möglicherweise Stephanos durch Kaiser Herakleios von Alexandrien hierher berufen, um »ökumenischer« Philosophielehrer zu werden.34 Von Christen für Christen wird die Philosophie vermutlich ab dem 6. Jahrhundert, nachdem entsprechende Übersetzungen vorliegen, auch in den orientalischen Nationalsprachen gelehrt: Das in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts zu datierende Werk des Probā, das die ›Kategorien‹-Kommentare des Sergios von Rēšʿaynā um solche zur ›Eisagoge‹, zu den ›Kategorien‹ und zur ›Hermeneutik‹ ergänzt, weist durch seine Gestalt auf eine Verwendung im schulischen Unterricht,35 möglicherweise in Antiochien, wo er Archidiakon und Oberarzt ist. Verwendet werden die syrischen Aristotelika auch im ostsyrischen Schulbetrieb in Nisibis, doch fehlen uns Informationen darüber, inwieweit sie als eigenes Fach gelehrt werden.36 Auf einen Unterrichtskontext weisen schließlich auch die arme30

  Ioannes Lydus, De magistratibus 3 (113, 12–20 Wuensch).   Damascius, Vita Isidori, frg.  202–204 (175, 9–177, 4 Zintzen); vgl. frg.  222 (187, 20–24 Zintzen) sowie R. Goulet, Asclépiodote d’Alexandrie, in: DPhA 1 (1994), 626–631. 32   Damascius, Vita Isidori, frg.  221 (185, 16–20 Zintzen). 33   Barhebraeus, Chronicon 1 (p.  223 Abbeloos Lamy); ähnlich Michael Syrus, Chronicon 9, 30 (p.  316 rechts  –  317 links Ibrahim [syr.] = 2, col. 251–253 Chabot [frz.]); die Parallelität beider weist auf den glaubwürdigen Zeitgenossen Johannes von Ephesos als Quelle hin; vgl. A. van Roey, La controverse trithéite jusqu’à l’excommunication de Conon et d’Eugène, in: Orientalia Lovaniensia Periodica 16 (1985), 141–165, hier 141. 34   Zu beiden s. unten S. 968  f., 975  f. 35   Vgl. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 16 f. 36   Vgl. U. Possekel, »Go and Set Up for Yourselves Beautiful Laws  …«. The School of Nisibis and Institutional Autonomy in Late Antique Education, in: M. Perkams  /  A. M. Schilling (Hrsg.), Griechische Philosophie und Wissenschaft bei den Ostsyrern. Zum Gedenken an Mār Addai Scher, Berlin  /  Boston 2020, 29–47, hier 35; M. Perkams, Ostsyrische 31

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nischen Übersetzungen philosophischer Texte, die gelegentlich mit Einleitungen versehen sind.37 Diese christlichen Lehraktivitäten scheinen sich weitgehend auf den Grundkurs des aristotelischen Organons zu beschränken, nämlich ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹, ›Analytica priora‹, wie es zumindest al-Fārābī 300 Jahre später, mit Zeichen deutlicher Geringschätzung, über die Christen berichtet.38 Es spricht viel dafür, dass die geschilderten Übersetzungen des frühen 6. Jahrhunderts das Ziel verfolgen, solche Studien in den verschiedenen christlichen Sprachräumen zu etablieren. Demnach wird die Philosophie faktisch als propädeutischmethodologische Wissenschaft verstanden, so wie es Sergios von Rēšʿaynā und Paul der Perser in ihren Prooimien ausdrücklich dokumentieren.39 Zu beachten ist allerdings, dass auch die armenischen Philon-Texte möglicherweise zu einer Art philosophischem Unterricht genutzt werden.40 Im 7. und frühen 8. Jahrhundert studiert eine westsyrische Gelehrtengruppe im Kloster Qennešrē am Euphrat jedenfalls das gesamte Organon und kennt auch weitere aristotelische Werke.41 Für die Verbreitung der Philosophie wichtig ist schließlich die mehr oder weniger private Beschäftigung: So berichtet Zacharias Rhetor, dass Aineias von Gaza mit Platon, Aristoteles und Plotin sowie überhaupt mit naturphilosophischen und »theologischen« Lehren vertraut sei,42 und auch die Plotin-Kenntnisse eines Johannes von Skythopolis dürften auf privater Lektüre beruhen. Auch gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die bekanntesten Übersetzer philosophischer Texte im frühen 6. Jahrhundert, Boethius und Sergios von Rēšʿaynā, selbst Philosophie lehren. Andererseits arbeitet zumindest Sergios offensichtlich für konkrete Interessenten.43 Auch die Athener Neuplatoniker um Damaskios, insbesondere Simplikios, scheinen ihre Arbeit nach Schließung der Schule im privaten Kontext fortzusetzen.44 Für den Skeptiker Ouranios ist uns ebenfalls keine SchulzugehöPhilosophie. Die Rezeption und Ausarbeitung griechischen Denkens in der Schule von Nisibis bis Barḥaḏbšabbā, in: Perkams  /  Schilling (Hrsg.), Griechische Philosophie und Wissenschaft bei den Ostsyrern, 49–76, hier 59–65. 37   Das ist namentlich bei den oben S. 616  f. diskutierten Dialogen Philons der Fall. 38   Ibn Abī Uṣaybiʿa, Historia medicinae 15, 1, 2 (2, 2, p.  1151 [arab.]  /  3, 2, p.  1297 [engl.] Savage-Smith et al.). Vgl. M. Perkams, Die Übersetzung philosophischer Texte aus dem Griechischen ins Arabische und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, in: Eichner  /  Perkams  /  Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter, 115–142, hier 122; wichtige Klarstellungen finden sich z. B. bei King, The Earliest Syriac Translation, 11–14. 39   S. dazu unten S. 1050–1053, 1082  f. 40   Vgl. Philo Alexandrinus, De providentia (Introductio p. XI). 41   Vgl. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 8 f.; H. Hugonnard-Roche, Die Schule von Keneschre, in: GGPh 5, 3 (2018), 2469–2478. 42   Zacharias Rhetor, Vita Isaiae (CSCO Syr. 7, p.  12, 9–23 Brooks [syr.]  /  8, p.  8, 13–32 [lat.] Brooks) (s. unten S. 1014). 43   Wie daraus hervorgeht, dass seine Übersetzungen in der Regel konkreten Adressaten bzw. ihren Rückfragen gewidmet sind. 44   A. Cameron, The Last Days of the Academy at Athens, in: Cambridge Classical Jour-

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rigkeit bekannt, obwohl man sie nicht ausschließen kann.45 Insgesamt entsteht auf diese Weise bei einem genauen Blick in die Quellen ein erstaunlich vielfältiges Bild philosophischer Arbeit. Neben diesen ortsfest wirkenden Philosophen gibt es weiterhin umherziehende Kyniker.46

Ansehen der Philosophie und die soziale Rolle der Philosophen Die Bedrängnis der letzten hellenischen Philosophen im 6. Jahrhundert geht nicht mit einer generellen Ablehnung des Ideals ›Philosophie‹ einher. Zwar klagt Damaskios darüber, dass der Name ›Philosophie‹ verlacht wird,47 doch ist das weder ein neues Phänomen, noch ist es die einzige im 6. Jahrhundert zu beobachtende Tendenz. So brennt Damaskios’ jüngerer Zeitgenosse Zacharias Rhetor förmlich für die Philosophie, die er freilich im christlichen Sinne erneuern will.48 Zumindest bei Teilen der politisch-gesellschaftlichen Elite bleibt auch das Ansehen der hellenischen Philosophie hoch, und zwar namentlich derjenigen des Platon und Aristoteles. Deutliche Beispiele sind der Historiker Agathias, der die Philosophie als »die höchste Bildung« (ἡ ἀκροτάτη παιδεία) bezeichnet. Die letzten Athener Philosophen seien »gemäß ihrer schöpferischen Tätigkeit die höchste Blüte der in unserer Zeit Philosophie Treibenden«.49 Im Übrigen sei die Philosophie so eng mit dem Griechischen verbunden, dass ein Barbar wie Ḫusro sie in seiner Sprache nicht wirklich erlernen könne.50 Kaum weniger emphatisch preist der anonyme Verfasser des Dialogs ›Über die politische Wissenschaft‹ die Philosophen von Sokrates an als »Leuchten für die gesamte bewohnte Welt«,51 dehnt also den Anspruch der Philosophie als Bildungsideal über den griechischen Bereich hinaus aus. Johannes Lydos, angesehener Politiker und Rhetoriklehrer unter Justinian, ist stolz auf seine beim Proklos-Schüler Agapios erworbene philosophische Bildung. Er berichtet auch, dass der anscheinend christliche, unter Kaiser Anastasios I. (491–518) wirkende Dichter Christodoros ein ganzes Gedicht über die Schüler des Proklos geschrieben habe.52 Auch einige traditionelle Gebräuche im Hinblick auf den Philosophiebegriff bleiben z. T. bestehen: Herrschende Männer nal NS 15 (1969), 7–29, hier 24 f., vermutet immerhin, Simplikios habe in Athen noch einige wenige Schüler gelehrt. 45   S. unten S. 1009. 46   S. unten S. 1010. 47   Damascius, Vita Isidori, frg.  126 (109, 3–5 Zintzen). 48   Vgl. unten S. 1015–1017 zur Rolle der Philosophie in der ›Vita Severi‹. 49   Agathias, Historiae 2, 28, 3; 30, 3 (77, 15; 80, 9 f. Keydell). 50   Agathias, Historiae 2, 28, 3 (77, 16–19 Keydell). 51   S. unten S.  1010  f. 52   Ioannes Lydus, De magistratibus 3 (113, 14–20 Wuensch); vgl. H. D. Saffrey  /  L. G. Westerink, in: Proclus, ›Théologie Platonicienne‹ I. Texte établi et traduit par H. D. Saffrey  /  L. G. Westerink, Paris 1968, XLIX.

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legen noch manchmal Wert darauf, von Philosophen umgeben zu sein,53 und die Bezeichnung Philosoph wird gelegentlich weiterhin als Ehrentitel für einen gebildeten Mann gebraucht, z. B. beim Schriftsteller Johannes Malalas.54 Man darf freilich nicht übersehen, dass in vielen einschlägigen Texten, z. B. bei Pseudo-Dionysios oder in Sergios von Rēšʿaynās ›Über das geistige Leben‹ das Wort ›Philosophie‹ selten ist oder ganz vermieden wird. Entsprechend dieser äußerst vielschichtigen Entwicklung ist die gesellschaftliche Rolle der Philosophie Treibenden höchst unterschiedlich. Einige neuplatonische Philosophen setzen ihre traditionelle Lebensweise bis zum Ende der Antike fort und sind durch ihren Mantel kenntlich.55 Sie sind, wie wohl schon in den Jahrzehnten zuvor, eng abgegrenzte Zirkel mit familiären Verbindungen. Der Lehrer ist manchmal der eigene Vater, der die philosophische Lehrkompetenz, durchaus auch als Lebensunterhalt, in der Familie weitergibt.56 Beruflich wirken die eigentlichen Fachphilosophen, wenn sie nicht von ihrem Vermögen leben, auch in der Ausgehenden Antike als Lehrer, wobei man vermuten kann, dass diese an der öffentlichen alexandrinischen Schule unter mehr Anpassungsdruck stehen als in dem geschlossenen Zirkel in Athen, solange diese denn fortbestehen können. Politische Aktivität ist nur lokal unter besonderen Bedingungen möglich, wird aber z. T. von Christen wie Boethius unter philosophischen Vorzeichen betrieben.57 Offensichtlich stehen tatsächlich einige Alexandriner Philosophen auch den versuchten Revolten am Ende des 5. Jahrhunderts nahe, die teils die Anhänger der alten Religion anzusprechen versuchen, was Damaskios als Anlass für die Verfolgungen nahelegt.58 Wohl vor diesem Hintergrund schildert er das zurückgezogene Leben des Isidoros und Sarapion besonders positiv.59 Neuplatoniker wie Asklepiodotos in Karien und Hegias in Athen fördern aber noch um 500 die Weiterführung der alten Kulte,60 was sie vermutlich in direkten Gegensatz zu den forcierten Missionsanstrengungen unter dem christlichen Kaiser Justinian bringt.61 Es ist vor diesem Hintergrund, der sicher auch zur Schließung der Athener Schule beiträgt, bezeichnend, dass die letzten Athener Philosophen nach Persien ziehen, wo man offenbar als Philosoph auch noch ein gewisses politisches Ansehen gewinnen (oder darauf zumindest hoffen) kann. Aber auch dieses Bemühen bleibt 53

  Damascius, Vita Isidori, frg.  258 (209, 12–16 Zintzen).   Vgl. R. Goulet, Isocasius d’Égée (en Cilicie), in: DPhA 3 (2000), 891. 55   Τριβωνοφορεῖν: Damascius, Vita Isidori, frg.  *135; 211 (113, 16 f.; 179, 11 Zintzen). 56   Vgl. dazu Horapollo, Epistula (Pap. Cairo III 67295), 15 f. (166 Maspero). 57   Dazu z. B. Cameron, The Last Days, 16 f., zu Klagen des Simplikios darüber, weiterhin Chuvin, Chronique des derniers païens, 95 f. Zu Boethius s. unten S. 1059, 1068. 58   Vgl. R. von Haehling, Heiden im griechischen Osten des 5. Jhdt. n. Chr., in: Römische Quartalsschrift 77 (1982), 52–85. 59   S. oben S. 954. 60   Zu Hegias Damascius, Vita Isidori, frg.  352 (287, 7–10 Zintzen); zu Asklepiodotos s. oben S. 955. 61   Vgl. Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 13–17, 1 Kugener). 54

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erfolglos, und sie beschließen ihr Leben wohl als Privatgelehrte, die aus eigenen Mitteln (ἐφ’ ἑαυτοῖς) arbeiten.62 Die mit der Philosophie befassten Christen haben unterschiedliche, meist aber eher säkular konnotierte Rollen inne: Die frühen syrischen Übersetzer philosophischer Werke, Sergios von Rēšʿaynā und Probā, sind zumindest (auch) Ärzte, während Elias, David und Stephanos offensichtlich in Alexandrien Philosophie (und wenigstens teilweise auch Medizin) lehren. Johannes Philoponos ist wohl beruflich Grammatiker und nicht Philosoph, und auch Aineias von Gaza lehrt möglicherweise Rhetorik. Einen eigenen Stand des Lehrers kennen die ostsyrischen Schulen, innerhalb derer wir aber nichts von einer Sonderrolle philosophischer Lehrer hören.63 Die Überzeugung, Philosophie zu treiben, ist hier eher eine Sache des privaten oder schulischen Selbstverständnisses und Interesses. Primär als Jurist bzw. Beamter aktiv sind wohl Zacharias Rhetor und der Verfasser des Dialogs ›Über die politische Wissenschaft‹, während Boethius sich als Mitglied der Oberschicht eine selbständige Haltung erlauben kann. Lediglich Pseudo-Dionysios und Johannes von Skythopolis scheinen Geistliche zu sein. Bei allen genannten Personen ist jedenfalls davon auszugehen, dass ihre philosophischen Arbeiten auch ihre sonstigen Studien z. B. durch methodologische Grundlegungen, dogmatische Argumente, Anleitung zu guter Lebensführung oder Ähnliches unterstützen sollen.64

Hellenische Philosophenzirkel und ihre Auflösung Dank einer recht guten Quellenlage sind wir insbesondere um die Situation der Philosophen um 500 ganz gut informiert: Für die Ereignisse in Alexandrien in den 480er Jahren stehen uns mit dem neuplatonischen ›Leben des Isidoros‹ des Damaskios und der christlichen ›Lebensbeschreibung des Severos von Antiochien‹ des Zacharias Rhetor65 zwei Dokumente mit unterschiedlichen Perspektiven zur Verfügung, die sich durch viele Berührungspunkte gegenseitig zu erläutern vermögen. In Alexandrien kommen zu dieser Zeit Anhänger der alten Religion und Christen zum Studium der Grammatik, Rhetorik, Medizin und Philosophie zusammen, wobei die Lehrer zunächst meistens Hellenen sind.66 Der Christ Zacharias und 62

  Zu dieser Formulierung des Agathias (Historiae 2, 31, 4 [p. 81, 16–19 Keydell]) vgl. Hoffmann, Damascius, 561 f. 63   Vgl. Possekel, »Go and Set Yourself up Beautiful Laws  …«, 35–37. 64   So explizit Sergios von Rēšʿaynā; vgl. unten S. 1052. 65   Einen Überblick über Leben und Werk des Zacharias Rhetor geben z. B. S.  Brock  / B. Fitzgerald, Two Early Lives of Severos, Patriarch of Antioch. Translated with an Introduction and Notes, Liverpool 2013, 15–19. 66   Zum alexandrinischen Schulbetrieb und seinen Facetten vgl. D. Caluori  /  A. M. Ritter, Überblick. Die neuplatonischen Schulen von Athen und Alexandria, in: GGPh 5, 3 (2018), 1859–1870, hier 1863–1870.

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seine Gefährten beschäftigen sich zumindest dann mit ›Philosophie‹, wenn sie, wie erwähnt, »freitags in den gewöhnlichen Schulen« gelehrt wird; vielleicht gehören die Vorlesungen bei Ammonios in diesen Kontext.67 Als Lehrer hat Zacharias jedenfalls, wie die Erwähnung des Horapollon in diesem Kontext zeigt,68 den Kreis gebildeter Hellenen vor Augen, den er anderswo als »die Leute um Horapollon und Heraïskos und Asklepiodotos und Ammonios und Isidoros und der Rest der Philosophen in ihrem Umfeld« charakterisiert.69 Zwei dieser Männer, die alle auch eine wichtige Rolle in Damaskios’ ›Leben des Isidoros‹ spielen, sind als namhafte Philosophen bekannt: Isidoros hält sich zeitweise in Athen auf, und es wird zumindest erwogen, ihn als Nachfolger des Proklos einzusetzen;70 Ammonios, Sohn des Hermeias, hat bei Proklos studiert und ist der produktivste Philosoph seiner Zeit und ein besonderer Kenner des Aristoteles, der Geometrie und Astronomie.71 Auch Asklepiodotos ist ein Schüler des Proklos.72 Dem Heraïskos hingegen »war schon als Lebendem immer etwas Göttliches zu eigen«: Er bekommt in Gegenwart einer menstruierenden Frau Kopfschmerzen und kann beseelte von unbeseelten Statuen unterscheiden.73 Im Übrigen ist er, wie sein Kollege Asklepiades, vorwiegend in der ägyptischen Theologie versiert und möchte sich mumifizieren lassen, während er in Philosophie und Dialektik laut Damaskios weniger ausgewiesen ist.74 Interessanterweise wird Horapollon, möglicherweise ein Sohn des Asklepiades und Neffe des Heraïskos, von Zacharias meist als Grammatiker charakterisiert, bezeichnet sich selbst aber einige Jahre später als Lehrer der Philosophie.75 Der philosophische Zirkel Alexandriens ist demnach zu Beginn der 480er Jahre ein Ort der Begegnung neuplatonischer Philosophie, breitgestreuter Lehrtätigkeit und altägyptischer Theologie.76 Er zieht neben heidnischen auch christliche 67

  Zacharias Rhetor, Ammonius (98, 92–103 Minniti Colonna).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  23, 13 f. Kugener). 69   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 8 f.; 22, 13 f. Kugener). 70   Zur Datierung S.  Goulet, Isidore d’Alexandrie, 874–876. Ansonsten s. unten S. 953  f. 71   Damascius, Vita Isidori, epit. 79 (110, 1–5 Zintzen). Zu Ammonios s. unten S. 954  f., 967  f. 72   Es dürfte sich um den Proklos-Schüler Asklepiodotos handeln, der von einem etwas älteren Namensvetter in Karien, dessen Tochter er heiratet, zu unterscheiden ist; vgl. insgesamt Goulet, Asclépiodote d’Alexandrie; konzise, aber nicht immer sichere Auflösung der Problematik bei Athanassiadi, Damascius, 348 f. 73   Damascius, Vita Isidori, frg.  174 (147, 1–12 Zintzen, Zitat 12). 74   Damascius, Vita Isidori, frg.  162–164, 174 (135, 6–139, 5; 147, 12–17 Zintzen). Vgl. Goulet, Asclépiadès; R. Goulet, Héraïscus, in: DPhA 3 (2000), 628–630; und ausführlich Hartmann, Der spätantike Philosoph 2, 955–966 und 1301–1303. 75   Das erste Mal Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  14, 2 Kugener). Vgl. Horapollons Selbst-Charakterisierung in einem Papyrus (Horapollo, Epistula [165, 23 f. Maspéro]) und Brock  /  Fitzgerald 37, Anm.  25; dazu jetzt Hartmann, Der spätantike Philosoph, 1293–1309. 76   Vgl. die noch immer aufschlussreiche Zusammenstellung von Maspéro, Horapollo et la fin du paganisme égyptien, 187–193. 68

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Schüler an und befindet sich, vielleicht nicht ohne eigene Bekehrungserfolge, in einem intellektuellen Wettstreit mit den Christen.77 Diese Situation implodiert jedoch offenbar in den 480er Jahren infolge gewaltsamer Zusammenstöße mit Christen: Zacharias berichtet, wie Horapollon in Folge der Affäre um die Zerstörung des geheimen Isis-Tempels von Menuthis Alexandrien verlässt, nachdem seine Schüler einen Paralios gewaltsam angegriffen haben, der unter christlichem Einfluss an der Macht der Götter zweifelt.78 Den Anlass für die Zerstörung gibt angeblich Asklepiodotos der Jüngere mit dem Versuch, durch Opfer an die Götter in Menuthis die Schwangerschaft seiner Frau zu erreichen.79 Damaskios’ fragmentarischer Bericht betrifft anscheinend eine andere, noch weiter reichende Verfolgung: Heraïskos und Horapollon werden gefoltert, um den Zufluchtsort des Isidoros zu verraten, der anscheinend mit einer politischen Verschwörung in Verbindung steht.80 Am Ende dieser Ereignisse, die noch andere Philosophen betreffen, steht aus Damaskios’ Sicht der Übertritt des Horapollon zum Christentum, der wohl in den 490er Jahren anzusetzen ist.81 Als einziges Mitglied des Zirkels übersteht offenbar Ammonios diese Krisensituation langfristig. Von Damaskios wird ihm vorgeworfen, aus Gewinnsucht ein Abkommen mit Bischof Athanasios II. von Alexandrien (Patriarch von 489–496) geschlossen zu haben.82 Leider wird der Inhalt dieses Abkommens nicht genannt. Meist wird entweder vermutet, dass Ammonios Platon generell oder zumindest im Hinblick auf seine Metaphysik nicht mehr behandle oder dass er es unterlasse, auf philosophische Weise die alten Götter zu lehren.83 Allerdings ist recht gut bezeugt, dass in Alexandrien sowohl Platon als auch die Ewigkeit der Welt und nicht zuletzt – sogar beim späten Christen Elias – die neuplatonischen Hypostasen weiter gelehrt werden.84 Dagegen fehlen uns Nachrichten über eine Auslegung des platonischen ›Parmenides‹ und ›Timaios‹ in der Zeit nach Isidoros, und auch die Aussagen zur Theurgie sind in alexandrinischen Texten vorsichtig for-

77   Die Bekehrungserfolge vom Christentum zum Hellenismus schließt Athanassiadi, Damascius, 21, aus seinem von Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  32, 12 f. Kugener) mitgeteilten Spitznamen »Psychapollo«, »Seelenverderber«. Zum intellektuellen Wettstreit vgl. unten S. 1014, 1017  f. 78   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  21, 1–27, 2 Kugener). 79   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 1–19, 3 Kugener). 80   Damascius, Vita Isidori, frg.  *314 (251, 2–8 Zintzen). 81   Damascius, Vita Isidori, frg.  *317 (253, 2–8 Zintzen). 82   Damascius, Vita Isidori, frg.  316 (251, 11–13 Zintzen). Dass in der Tat Athanasios der fragliche Patriarch gewesen sein muss, wenn Damascius seinen Namen nennt, wird von Westerink, The Alexandrian Commentators, 327 mit Anm.  17, zu Recht festgehalten. 83   Vgl. mit unterschiedlichen Akzenten K. Verrycken, The Metaphysics of Ammonius Son of Hermeias, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 215–250, hier 229 f.; Thiel, Die Transformation der Theurgie, 406 f.; M. Schramm, Ammonios Hermeiou, in: GGPh 5, 3 (2018), 2007–2031, hier 2008 f. 84   Vgl. Westerink, The Alexandrian Commentators, 326–328.

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

muliert.85 Möglicherweise besteht der Inhalt des Abkommens also darin, dass Ammonios auf explizit pagan-theologische Bezüge verzichtet, während die Philosophie als traditionelles Bildungsgut weiter gelehrt wird, auch unter Einschluss einiger aus christlicher Sicht kritischer Lehren. Jedenfalls scheint es wahrscheinlich, dass die aristotelische Prägung der uns aus Alexandrien erhaltenen philosophischen Texte, die keine Bezüge zur ägyptischen Theologie erkennen lassen, auch eine Folge der von Damaskios beschriebenen Ereignisse und dieses Abkommens ist. Jedenfalls wird nach einem bisher kaum beachteten Zeugnis noch Mitte des 6. Jahrhunderts die komplette aristotelische Geistlehre in Alexandrien unterrichtet.86 Die beiden genannten Quellen geben uns auch für andere Orte interessante Informationen: In Karien propagiert Asklepiodotos der Ältere, vielleicht ein Schüler des Proklos, aber gewiss der Schwiegervater des Philosophen Asklepiodotos der Jüngere, mit Erfolg noch einmal pagane Kulte.87 In Athen kann die aus eigenen Mitteln lebende Schule ihre Arbeit, bzw. die »goldene Kette« der Nachfolger Platons,88 bis 529 fortsetzen und muss keine christlichen Schüler annehmen. Nach ihrer Schließung durch Justinian ziehen die letzten Lehrer dieser Schule an den persischen Hof, wo ihre Hoffnungen freilich ebenfalls enttäuscht werden.89 Eine gewisse Aufmerksamkeit hat die Hypothese Michel Tardieus gefunden, die genannten Philosophen seien in der Stadt Ḥarrān unweit der persischen Grenze geblieben, von wo es spätere arabische Zeugnisse für ein Fortleben hellenischer Religion und Philosophie gibt. Konkrete Hinweise auf einen solchen Zusammenhang fehlen aber.90 Gut dokumentiert ist hingegen auch aus anderen Quellen das Interesse König Ḫusros III. an der Philosophie: Neben Agathias’ Bericht zeugen hiervon auch zwei erhaltene, diesem König gewidmete Texte: Die Antworten des Philosophen Priskian (der an der von Agathias geschilderten Reise teilnahm) auf Fragen des Königs, und ein Traktat des Persers Paul über aristotelische Logik, der diesem gewidmet ist. Beide Texte verweisen, ebenso wie einige Bemerkungen des Agathias, darauf, dass das Interesse an der Philosophie mit kontroversen Debatten über die richtige Weltsicht im multireligiösen Perserreich zusammenhängen könnte; demnach könnte auch hier die Philosophie nicht zuletzt aus methodischem Interesse 85

  Vgl. Verrycken, The Metaphysics of Ammonius, 228; Thiel, Die Transformation der Theurgie, 413. 86   Barhebraeus, Chronicon 1 (p.  221–223 Abbeloos Lamy). 87   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 13–17, 3 Kugener). 88   Damascius, Vita Isidori, epit. 151 (206, 1 f. Zintzen). 89   Vgl. unten S. 993, 1079. 90   Die Hypothese wird formuliert von M. Tardieu, Les calendriers en usage à Harran d’après les sources arabes et le commentaire de Simplicius à la ›Physique‹ d’Aristote, in: I. Hadot (Hrsg.), Simplicius. Sa vie, son œuvre, sa survie. Actes du Colloque International de Paris (28 Sept.–1er Oct. 1985), Berlin  /  New York 1987, 40–57; zur Kritik vgl. v. a. R. Thiel, Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen, Stuttgart 1999; C. Luna, Rez. zu Thiel, Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule, in: Mnemosyne 54 (2001), 482–504; recht offen jetzt wieder H. Baltussen, Simplikios, in: GGPh 5, 3 (2018), 2060–2084, hier 2060 f.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

studiert worden sein. Die Antworten des Priskian weisen freilich eher darauf hin, dass die Philosophie als eigene Weltsicht mit einer spezifischen Lehre verstanden wird. Insgesamt macht die Armut an wirklich belastbaren Quellen jede Aussage hierüber zur Spekulation; es ist jedoch bezeichnend, dass einige der letzten Spuren für ein breiteres gesellschaftliches Interesse an einer nicht-christlichen Philosophie nicht mehr aus dem imperium Romanum stammen.91

4. Christen als Träger der philosophischen Arbeit Überblick Die zunehmende Marginalisierung und Auslöschung der hellenischen Philosophenzirkel führt dazu, dass die weitere Tradierung, Rezeption und Entwicklung des philosophischen Erbes im 6. Jahrhundert überwiegend von Christen abhängt. Hier kommen zwei Tendenzen zur Geltung, die zwar gegenläufig zueinander sind, aber im Ergebnis zur Fortführung der Philosophie auf verschiedenen, einander ergänzenden Ebenen beitragen. Der eine Trend ist die kritische Auseinandersetzung mit der Philosophie auf ihrem eigenen argumentativen Gebiet; der andere ist die Aneignung und Weiterführung philosophischer Texte, Inhalte und Idealvorstellungen in christlichen Kontexten. Diese Entwicklung spielt sich zum Teil ganz offen ab, gerade was die Übertragung aristotelischer Logik angeht. Aber auch andere philosophische Inhalte werden dadurch salonfähig gemacht und weitergegeben, dass sie als christlich ausgegeben werden. Das klassische Beispiel sind die pseudo-dionysischen Schriften, in denen unter dem Pseudonym des Apostelschülers Dionysios wesentliche Grundannahmen insbesondere des proklischen Neuplatonismus in transformierter Form weitergegeben werden, vieles davon als mehr oder weniger wörtliches Zitat. Diese Texte werden schon kurze Zeit nach ihrer Entstehung von den philosophisch gebildeten Christen Sergios von Rēšʿaynā (im Syrischen, vor 536) und Johannes von Skythopolis (im Griechischen, zwischen 536 und 543) um Einleitungen und Kommentare ergänzt, die ihrerseits viel philosophisches Gut enthalten, ohne dies ganz öffentlich zu machen. Besonders raffiniert wird das hellenische Philosophieideal in der ›Ursache der Gründung der Schulen‹ des schon erwähnten Barḥaḏbšabbā in einen christlichen Lehrkontext eingebettet, indem wörtliche Zitate aus Sergios’ Werken mit einer sehr konventionellen, auf Eusebios basierenden kritischen Darstellung der Philosophie verbunden werden. Bei Sergios (und in geringerem Maß bei anderen syrischen Autoren) wird philosophisches Lehrgut im Kontext eines christlichen Lebensentwurfs in der Tradition des Evagrios Pontikos übermittelt, dessen platonisch und stoisch beeinflusste Aufstiegs- und Erkenntnislehren hierfür einen geeigneten Rahmen bilden. Eine 91

  Vgl. unten S.  1079  f.

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

wichtige Voraussetzung für die Verbreitung dieser Konzeption ist, dass neben einer wörtlichen Übersetzung der ›Zenturien‹ des Evagrios ins Syrische92 eine Version kursiert, die frei von den als häretisch geltenden Origenismen des Evagrios (z. B. die Wiederherstellung von allem) ist und insofern gut ›orthodox‹ scheint.93 Diese Version wird schon um 500 zuerst von westsyrischen (Philoxenos von Mabbug, Sergios von Rēšʿaynā) und nach dem hier zu besprechenden Zeitraum auch von ostsyrischen Autoren (wohl zuerst von Babai dem Großen ab 600) genutzt und trägt zum Fortleben philosophischer Ideen bei. Aufs Ganze gesehen ist es nicht leicht, die Stellung der philosophisch interessierten Christen zur Philosophie klar zu definieren: Sind sie eher an deren Fortführung im christlichen Rahmen interessiert, unter Einschluss der notwendigen Veränderungen, oder geht es ihnen tatsächlich primär um eine komplette Zurückweisung der hellenischen Philosophie? Ein neuerer Vorschlag unterscheidet zwischen einer radikal antipaganen Haltung bei Zacharias Rhetor und Philoponos einerseits sowie einer irenischeren Position bei Aineias von Gaza und Sergios von Reš‘aynā andererseits, die sich eher, wie auch Pseudo-Dionysios und Boethius, um eine Integration der Philosophie ins Christentum bemüht hätten.94 Demgegenüber ist zu bedenken, dass Philoponos selbst aufgrund seiner gründlichen Ausbildung stärker als seine Zeitgenossen von innerphilosophischen Gründen zu seiner Aristoteles-Kritik motiviert sein könnte.95 Für eine positive Stellung des Philoponos zur Aufnahme von Philosophie ins Christentum spricht sein ganz positiver Bezug auf Pseudo-Dionysios ›irenischen‹ 7. Brief, in dem der Alexandriner Frömmigkeit (εὐσεβεία) und ›Philosophie‹ vereint sieht.96

Christliche Philosophiekritik in philosophischem Gewand Für den Hintergrund der philosophischen Auseinandersetzungen von Christen mit platonisch-aristotelischen Ansätzen97 ist eine autobiographische Bemerkung in Zacharias Rhetors Biographie des Severos aufschlussreich. Er begründet die 92

  S. unten S. 1050, 1088  f.   Vgl. Guillaumont, Les ›Kephalaia Gnostika‹; J. W. Watt, Philoxenus and the Old Syriac Version of Evagrius’ ›Centuries‹, in: Oriens Christianus 64 (1980), 65–81; K. Pinggéra, All-Erlösung und All-Einheit. Studien zum ›Buch des heiligen Hierotheos‹ und seiner Rezeption in der syrisch-orthodoxen Theologie, Wiesbaden 2002, 29–33; A. Camplani  /  E. Fiori, Origen and Evagrius in Syriac Culture. History, Doctrine, and Texts, in: Adamantius 15 (2009), 6–8. 94   So D. King, Alexander of Aphrodisias’ ›On the Principles of the Universe in a Syriac Adaptation‹, in: Muséon 123 (2010), 159–191, hier 173–188. 95   Vgl. Gleede, Johannes Philoponos, 95–97. 96   Philoponus, De opificio mundi 3, 13 (148, 27–149, 4 Reichardt) mit Bezug auf ›Dionysius Areopagita‹, Epistula 7 (p.  165–170 Heil  /  Ritter). Vgl. Scholten, Antike Naturphilosophie, 175. 97   Vgl. zusammenfassend unten S. 1012  f. 93

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Verlängerung eines Studienaufenthalts in Alexandria damit, er wolle weiter »die Vorlesungen (mēmrē = λόγοι) der Rhetoren und Philosophen« hören, um auch auf diesen Gebieten, auf welche die Heiden so stolz seien, in der Lage zu sein, den Wettstreit mit ihnen aufzunehmen.98 Diese Aussage dürfte nicht nur Zacharias’ eigene Motive illustrieren, sondern auch die des Aineias von Gaza, der sich nach Ausweis derselben Vita in denselben Kreisen bewegt wie Zacharias,99 sowie des Grammatikers Johannes, der seinen Beinamen Philoponos womöglich derselben Gruppe radikaler Christen verdankt, der auch Zacharias nahesteht.100 Man kann daher vermuten, dass die argumentativen Anfragen der platonisch-aristotelischen Philosophie weitgehend auf die Zirkel christlicher Studenten in Alexandrien zurückgehen, welche die Christianisierung des Reiches, die Kaiser Justinian auf politischem Wege betreibt, auf ihre Art umsetzen. Eine genaue Lektüre des ›Lebens des Severos‹ zeigt, dass es hier nicht nur um eine Frage des Prestiges geht, sondern dass die philosophisch-rhetorische Überlegenheit des Christentums auch gleichsam ›missionarische‹ Bedeutung hatte: Seinen noch ungetauften Freund Severos – den späteren Patriarchen – bringt Zacharias mit dem Argument, der Sieg der Christen über die Heiden sei in der Rhetorik schon erreicht, da Libanios im (womöglich fiktiven)101 Briefwechsel mit dem Kirchenvater Basileios dessen literarische Überlegung anerkannt habe, dazu, sich von nun an intensiv mit den Kirchenvätern zu beschäftigen.102 Von dem in Philosophie und Medizin ausgebildeten Mönch Stephanos berichtet er, wie dieser erfolgreich die Anfragen und Argumente der paganen Philosophen zurückweisen und so den jungen Paralios zum Christentum hinführen kann.103 Zacharias bezeugt auch, wie er mit Severos verschiedene patristische Traktate gelesen hat, um diesen »zur Rhetorik und zugleich zur Philosophie sowie zur Kenntnis der göttlichen Worte und Lehren« hinzuführen, wozu auch die creatio ex nihilo gehört.104 Nach antiheidnischen Traktaten hätten sie verschiedene Schriften des Basileios gelesen, um schließlich bei den Werken »der drei heiligen Gregore« (Thaumaturgos, von Nazianz, von Nyssa) sowie des Johannes Chrysostomos und 98

  Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  46, 9–47, 1 Kugener).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  90, 2 Kugener). 100   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  24, 2 f.; 32, 13–33, 1 Kugener). Vgl. King, Alexander of Aphrodisias, 174. Die alten Quellen nennen Johannes fast durchweg ›Johannes den Grammatiker‹ (Ἰώαννης Γραμματικός). 101   Zur Debatte über die Echtheit dieses Briefwechsels vgl. R. Cribiore, The School of Libanius in Late Antique Antioch, Princeton  /  Oxford 2007, 100–104; Zacharias’ Bericht dürfte wohl eher dafür sprechen, dass es sich um eine christliche Fälschung handelt, die ein gebildetes Publikum von der eigenen Sache überzeugen soll. 102   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  13, 1–8 Kugener). Vgl. auch unten S. 1014. 103   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  15, 13–16, 12; 43, 8 f. Kugener) (zum Bildungshintergrund des Stephanos). 104   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  52, 9 f.; zur creatio ex nihilo ebd. 49, 3 f. Kugener). 99

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

Kyrill zu enden.105 Später gibt er an, Severos habe durch die Lektüre der Kirchenväter »die Theorie der göttlichen Philosophie zusammen mit den Lehren in Bezug auf die praktische Philosophie empfangen«, deren Ausführung er dann durch das Vorbild seines Lehrmeisters erlernt habe.106 Zacharias versteht also die ›Klassiker‹ unter den Kirchenvätern als christliches Pendant zu den Schriften der Neuplatoniker und entwirft die Idee eines Curriculums, das von Schriften zur Begründung der christlichen Lehre schrittweise hinführen soll zu deren tiefem Verständnis. Er will also die griechische Philosophie nicht nur argumentativ übertreffen, sondern sieht in einer theoretisch fundierten christlichen Lebensführung das überlegene Ideal auch für sich selbst als Christ.

Die Rolle philosophischer Logik in der Wissenschaftstheorie und der ­innerchristlichen Polemik Eine Durchsicht der Literatur des 6. Jahrhunderts zeigt allerdings, dass sich Zacharias’ Streben nach einer umfassenden christlichen Philosophie in dieser Form nicht durchsetzt.107 Stattdessen nimmt die aristotelische Philosophie zunehmend die Rolle einer methodischen Grundlegung ein, die ihre Rechtfertigung durch andere Diskurse erhält. Hier ist zum einen die Rolle einer wissenschaftstheoretischen Hinführung zu nennen, die insbesondere Sergios von Rēšʿaynā als Voraussetzung für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der galenischen Medizin betont.108 Diese Funktion ist von Leendert G. Westerink auch für die deutlich spätere Einführung des Pseudo-Elias in die Medizin behauptet worden,109 und sie liegt bei medizinisch und philosophisch aktiven Autoren wie Stephanos und Proḇā zumindest nahe. Man kann daher annehmen, dass die medizinische Lehre vielfach einen Anlass bietet, die philosophische Logik zu studieren. Ein weiteres Anwendungsgebiet der aristotelischen Logik ist die christologische Debatte, die im 6. Jahrhundert zwischen Miaphysiten, Chalkedonensern und ›Nestorianern‹ äußerst kontrovers geführt wird. Neben die eindeutige Stellungnahme eines anonymen ›Nestorianers‹, die Logik zu diesem Zweck benutzen zu wollen, lässt sich eine solche Verwendung der aristotelischen Philosophie in einer ganzen Reihe von Texten nachweisen, unter denen Sergios der Grammatiker und vor allem Johannes Philoponos auf miaphysitischer sowie Boethius, Leontios von Byzanz und Pamphilos auf chalkedonensischer Seite herausragen. Für alle diese Autoren spielt nicht nur die Logik im engeren Sinn eine Rolle, sondern auch die 105

  Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  53, 10–54, 5 Kugener).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  56, 13–57, 5; 76, 3–5; vgl. 90, 10 f. Kugener). 107   Vgl. aber unten S. 1093  f. zu Severos von Antiochien selbst. 108   Vgl. unten S. 1052. 109   Vgl. L. G. Westerink, in: Pseudo-Elias (Pseudo-David), ›Lectures on Porphyry’s Eisagoge‹, Amsterdam 1967, XV. 106

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Anthropologie (die als Paradigma der Einheit von Gott und Mensch in Christus herangezogen wird) und die aristotelische Lehre von der Mischung aus ›Über Werden und Vergehen‹. Die Autoren diskutieren also auf einem philosophischen Niveau, das eine intensive Schulung und eine Standardisierung von Argumentationsformen voraussetzt. Daher hat man in jüngster Zeit von einer ›Scholastik‹ des 6. Jahrhunderts gesprochen.110

5. Frauen in der Philosophie in der Ausgehenden Antike Aus der Zeit der Ausgehenden Antike sind kaum mehr philosophierende Frauen bekannt. Immerhin wird von einer »heiligen Frau« berichtet, die Isidoros offenbar in Alexandrien trifft.111 Ferner gehören in diese Zeit das Lob des Damaskios für Hypatia, das freilich letztlich herausstellt, dass sie als Frau einem Mann wie Isidoros an philosophischer Tugend doch nachstehe,112 sowie sein lobender Bericht über Aidesia.113

6. Übersetzungen philosophischer Texte Ein Überblick Wie schon erwähnt, wird die Übersetzung philosophischer Texte ins Lateinische und Syrische, etwas später auch ins Armenische und wohl auch ins Mittelpersische in der bisherigen Forschung meist getrennt behandelt, ohne dass die bemerkenswerte zeitliche und inhaltliche Parallelität dieser Projekte berücksichtigt würden.114 Dabei lässt schon ein einfaches Schaubild einen Zusammenhang vermuten und wirft Fragen nach der Deutung des Gesamtphänomens auf: 110   Vgl. Lang, John Philoponus and the Controversies over Chalcedon, 157–166; Becker, Fear of God, 12–15. 111   Damascius, Vita Isidori, epit. 191 (268, 1–5 Zintzen). Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 2026 f. 112   Damascius, Vita Isidori, epit. 164 (218, 3 f. Zintzen). Vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph 3, 2027. 113   Vgl. oben S. 739. 114   Vgl. immerhin Watt, Al-Fārābī and the History of the Syriac Organon, hier 752–754. Zur syrischen Übersetzungsbewegung vgl. zusammenfassend Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 5–20; King, The Earliest Syriac Translation, 3–14; zu Boethius J. Marenbon, Boethius, Oxford 2003; zur armenischen Tradition V. Calzolari, David et la tradition arménienne, in: V. Calzolari  /  J. Barnes (Hrsg.), L’œuvre de David l’Invincible. Commentaria in Aristotelem Armeniaca – Davidis opera 1, Leiden 2009, 15–36, hier 19.

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie Lateinisch

Syrisch

Armenisch

Boethius (gest. 524) = B; Marius

Sergios von Reš‘aynā (+ 536) =

Übersetzt von der »hellenisti-

Victorinus = V; anonym = A

S; Probā (2. H. 6. Jh.) = P; Atha-

schen Schule« (zw. 500 [?] und

nas v. Balad = AB (7. Jh.); Georg

650); ›Am‹ = ›Amelachos‹

d. Araberbischof = GA (8. Jh.); anonym = A [Prolegomena Philosophiae:

[Prolegomena philosophiae: S in

Prolegomena philosophiae

­Boeth. im Komm. Eisag.]

1 Komm. Kateg.]

(David Invincibilis)

Porphyrios, Eisagoge (V, B)

Porphyrios, Eisagoge (A, AB)

Porphyrios, Eisagoge

(2 Komm.: Boethius)

(2 Komm.: P, A)

(Komm.: David Invincibilis)

Arist., Kategorien (A [Paraphr.,

Arist., Kategorien (A, AB)

Arist., Kategorien

4. Jhdt.], V, B)

(2 Komm.: S; GA)

(Komm.: ›Am‹; David Invinci-

(mind. 1 Komm.: Boethius)

bilis)

Arist., Hermeneutik (Ap, V, B)

Arist., Hermeneutik (P, GA)

Arist., Hermeneutik

(2 Komm.: Boethius)

(Komm.: P; Paulus Persa; GA)

(Komm.: ›Am‹; David Invincibilis)

[Boethius, De syllogismis cate-

Arist., Analytica Priora (A [bis

Arist., Analytica priora

goricis/hypotheticis (cf. Ap, De

I 7], GA)

(Komm.: David Invincibilis)

interpr.)]

(Komm.: P, A, GA)

Abb. 1:  Übersicht über erhaltene Übersetzungen und Kommentare zur Logik vor 750

Diese Übersicht zeigt zunächst, dass Porphyrios’ ›Eisagoge‹ sowie Aristoteles’ ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹ im 6. Jahrhundert im Lateinischen, Syrischen und Armenischen zugänglich gemacht werden. Ergänzen lässt sich, dass diese Schriften auch die Grundlage der im persischen Kontext verfassten Werke Pauls des Persers abgeben, die ebenfalls im 6. Jahrhundert entstehen. Schließlich zeigt die Zusammenstellung, dass die Fragen nach dem Hintergrund der Übersetzungen und der Rolle der Logik im 6. Jahrhundert eng miteinander verbunden sind. Des Weiteren lässt sich das Schaubild folgendermaßen erläutern: Boethius übersetzt, z. T. aufgrund der Vorlagen des Marius Victorinus und anderer aus dem 4./5. Jahrhundert, ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹ und ›Hermeneutik‹ ins La961

Philosophie in der Ausgehenden Antike

teinische und kommentiert diese Schriften z. T. zweimal. Weitere Übersetzungen, v. a. der ›Zweiten Analytik‹ und der ›Topik‹, sind bezeugt, aber nicht erhalten. Die ›Analytica priora‹ erschließt er inhaltlich in zwei thematischen Monographien.115 Etwa gleichzeitig beginnt der Übertragungsprozess fast derselben Schriften ins Syrische, an dem mehrere Übersetzer und Erklärer längere Zeit arbeiten: Den Anfang macht vermutlich Sergios von Rēšʿaynā, der vor 536 zwei syrische Kommentare zu den ›Kategorien‹ (d. h. wohl: zu deren griechischem Text) verfasst, einen davon mit einer Einführung in die aristotelische Philosophie. Die ersten, anonym überlieferten Übersetzungen der ›Eisagoge‹, der ›Kategorien‹, der ›Hermeneutik‹ und der ›Analytica priora‹ (bis Kapitel 7) sind wohl etwas jünger, stammen aber offenbar ebenfalls noch aus dem 6. Jahrhundert. Kommentare zu ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹ und ›Analytica priora‹ wurden wohl in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts von Proḇā vorgelegt.116 Der Umfang der Übersetzungen zur Logik in dieser Zeit entspricht also im Grunde dem, was sich vom Werk des Boethius langfristig erhalten hat. An nicht logischen Schriften werden von Sergios das auf Latein seit Apuleius verfügbare pseudo-aristotelische ›Über die Welt‹ (›De mundo‹), Alexanders Schrift ›Über die Prinzipien des Universums‹ in bearbeiteter Form, Nemesios von Emesas ›Über die Natur des Menschen‹ sowie das Corpus Dionysiacum übertragen. Die Übersetzer einiger kleiner Schriften, darunter Plutarch, Themistios, das pseudo-aristotelische ›Über Tugenden und Laster‹ (›De virtutibus et vitiis‹) und ein pseudo-platonischer Dialog, sind unbekannt.117 Nicht zu vergessen sind übrigens die syrischen Originalschriften mit philosophischem Inhalt aus dem 2./3. Jahrhundert.118 In Armenien ergibt sich die besondere Situation, dass hier zusätzlich zu den Texten einige Kommentare zur ›Eisagoge‹, zu den ›Kategorien‹, zur ›Hermeneutik‹ und zu den ›Analytica priora‹ direkt aus dem Griechischen übersetzt werden (also nicht, wie im Lateinischen und Syrischen aufgrund griechischen Materials eigenständig erarbeitet). Der Grund hierfür könnte darin liegen, dass der Philosoph David, der nach dem Zeugnis der griechischen Handschriften aus Thessaloniki stammt,119 als Armenier gilt und mit einem »David dem unbesiegbaren Philosophen« (David Anjałt, David Invincibilis) identifiziert wird, über den armeni115

  Vgl. die Charakterisierung von Boethius’ Werk bei Marenbon, Boethius, 17 f.   Einen Überblick über die syrischen Aristotelica gibt Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 123–142; weiteres bei H. Hugonnard-Roche, Platon syriaque, in: M. A. Amir Moezzi u. a. (Hrsg.), Pensée grecque et sagesse d’Orient. Hommage à Michel Tardieu, Turnhout 2009, 307–322. 117   Zu Editionen und Sekundärliteratur vgl. Y. Arzhanov, Syriac Philosophy. Select Bibliography, in: Fiori  /  Hugonnard-Roche (Hrsg.), La philosophie en syriaque, 414–447, hier 430–436. 118   S. oben S. 690–696. 119   Vgl. L. G. Westerink, in: Pseudo-Elias (Pseudo-David), ›Lectures on Porphyry’s Eisagoge‹, XVf., aber auch Helmig, Elias und David, 2085, zum zweifelhaften Ursprung dieser Tradition. 116

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

sche Quellen berichten.120 Zuvor gibt es bereits die peripatetischen Kommentare eines nicht näher bekannten ›Amelachos‹ zu ›Kategorien‹ und ›Hermeneutik‹121 sowie Übertragungen von etwa denselben Schriften, die auch auf Syrisch übersetzt werden. Zu erwähnen ist schließlich auch der mittelpersische Raum: Das (ost-)syrische Logik-Handbuch Pauls des Persers, das mit Ḫusro III. einen mittelpersischen Adressaten hat und vielleicht auch in dessen Muttersprache vorliegt, behandelt ebenfalls ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹. In einer Handschrift belegt ist ein mittelpersisches Original hinter der syrischen Übersetzung für Pauls Erläuterung zur ›Hermeneutik‹.122 Für den persischen Bereich wird sogar eine viel weitergehende Übersetzungstätigkeit behauptet.123 Die Belege für eine mittelpersische Philosophie-Rezeption sind auch als Argument dafür wichtig, dass die Übersetzungen philosophischer Texte im 6. Jahrhundert kein ausschließliches christliches Phänomen gewesen sein müssen. Dies ist zwar mangels erhaltener Dokumente schwer zu überprüfen, sollte aber zumindest im Blick behalten werden.

Zum Hintergrund des einheitlichen Corpus übersetzter Texte Das Corpus der übersetzten philosophischen Texte ist also bemerkenswert einheitlich: In alle drei christlichen Literatursprachen, die im 6. Jahrhundert Philosophie rezipieren, werden im Grunde dieselben Werke übersetzt und mit Kommentaren versehen. Dies ist umso auffälliger, als die zwei prominentesten Übersetzer ins Lateinische und Syrische etwa gleichzeitig leben und zudem demselben Zeitabschnitt angehören wie Zacharias Rhetor, Johannes Philoponos und PseudoDionysios, so dass sich eine gemeinsame Betrachtung auch mit diesen anbietet. Gemeinsam haben beide die christliche Konfession, eine Begeisterung für Philosophie sowie Kreativität und Mut zu eigenen Akzenten: Boethius setzt mit seinem ›Trost‹ der Philosophie ein unsterbliches Denkmal, Sergios inauguriert, vor einem evagrianischen Hintergrund, den Aristotelismus in der syrischen Philosophie. Des Weiteren setzen sich beide wesentlich ambitioniertere Ziele, als sie tatsächlich erreichen: Sergios kündigt an, alle Werke des Aristoteles erklären zu wollen. Boethius geht, nachdem er sich zunächst auf die Logik konzentriert, sogar noch einen Schritt weiter und nimmt sich vor, nicht nur Aristoteles, sondern auch Platon komplett zu übersetzen und zu kommentieren, wozu noch Einführungsliteratur kommen soll.124 Gerade in der Zusammenschau stellt sich die Frage, ob dieses 120

  S. unten S.  1074  f.   Dazu z. B. A. Ouzounian, David l’Invincible, in: DPhA 2 (1994), 614 f. 122   S. unten S. 1081. 123   Vgl. unten S. 1079. 124   S. unten S.  1060  f. 121

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Scheitern der umfassenderen Pläne beider genannten Autoren wirklich nichts anderes als ein biographischer Zufall ist oder ob sich für ihre faktische Beschränkung auf die Logik, und zwar auf die ersten Schriften des Organons, in der ihnen die späteren Übersetzer folgen, Gründe angeben lassen. Hierzu ist zunächst zu bedenken, dass die Anfänge einer Übertragung und Vermittlung der genannten Schriften bereits weit vor 500 im lateinischen Bereich zu beobachten sind (Marius Victorinus, Martianus Capella, ›Categoriae decem‹). Kann man insofern mit einer Tradition hinter Boethius’ Wirken rechnen, so ist auch zu beachten, dass es im 6. Jahrhundert (noch) eine syrisch-lateinische Interaktion gibt, die einen gemeinsamen Erklärungsrahmen für beide Übersetzungsbewegungen nahelegt. So fordert Gennadius von Marseille am Ende des 5. Jahrhunderts in seiner Fortsetzung von Hieronymus’ ›Über berühmte Männer‹ (›De viribus illustribus‹) zur Kenntnisnahme syrischer Autoren auf. Die römische Kirche macht regelmäßig ihre Position gegen die Miaphysiten des Ostens beim Kaiser in Konstantinopel deutlich und lehnt Kompromissvorschläge wie das Henotikon ab, wozu sie sich auch der argumentativen Hilfe des Boethius bedient. Iunilius Africanus gibt um 540 an, seine ›Institutiones‹ nach einer Vorlage zu entwerfen, die er in Konstantinopel von einem Syrer namens Paul aus Nisibis erhalten hat. Cassiodor, dessen Familie aus Syrien stammt, stellt die Schule von Nisibis als wünschenswertes Vorbild für den lateinischen Raum dar.125 Man muss vor diesem Hintergrund annehmen, dass Boethius aus dem Osten nicht nur philosophische Texte, sondern auch Informationen über neue Entwicklungen erhalten kann, und umgekehrt gilt dasselbe. Nicht zuletzt sprechen die sprachenübergreifenden dogmatischen Diskussionen und das von Cassiodor und Iunilius bezeugte Bildungsproblem im Westen dafür, dass es im syrischen und lateinischen Sprachraum strukturell verwandte Bildungsbemühungen gibt, die zum Grund für eine Übersetzungstätigkeit werden können, ohne diese gleich aus der persönlichen Motivation überzeugter Philosophie-Anhänger erklären zu müssen. Recht einfach lässt sich vor diesem Hintergrund auch die Nähe zwischen dem syrischen und dem armenischen Corpus philosophischer Schriften erklären: Abgesehen von dem Westsyrern und Armeniern gemeinsamen Miaphysitismus braucht man nur daran zu erinnern, dass die Armenier Bildungsentwicklungen aus dem syrischen Raum aufnehmen. Zum Beispiel ist die Beschäftigung mit Philosophie auch aus dem 5. Jahrhundert schon bei Eznik von Kolb bezeugt.126

125

  Z. B. Gennadius Massiliensis, De viris illustribus 1 (Iacobus bzw. Aphrahat, mit einem Bericht über die aktuelle Situation in Nisibis); 74 (Petrus Edessenus); 82 (Samuel Edessenus) (p.  60 f.; 86; 88 f. Bernoulli); Iunillus Africanus, Institutiones, praef. (118, 15–120, 20 Maas); Cassiodorus, Institutiones, praef. (3, 7–21 Mynors). Zum Henotikon und zur lateinischen Kirchenpolitik vgl. A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2, 1. Das Konzil von Chalkedon (451). Rezeption und Widerspruch (451–518), Freiburg u. a. 1986, 279–358. 126   S. oben S.  918  f.

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Die historische Situation der Ausgehenden Antike und die Rolle der Philosophie

Somit scheint es sinnvoll, die Frage nach der Motivation nicht isoliert zu verfolgen, sondern gemeinsam zu betrachten. Hierzu wird in der Forschung gelegentlich auf eine Mitteilung des Abū Naṣr al-Fārābī verwiesen, der berichtet, aufgrund des Banns einer kaiserlich geführten Synode hätten die Christen das jamblicheische Curriculum nur bis zu den kategorischen Syllogismen (›Analytica priora‹ I 7) unterrichten dürfen.127 Der Wert dieses späten und polemischen Zeugnisses ist, abgesehen davon, dass es die beobachtbaren Fakten bestätigt, allerdings schon deswegen fragwürdig, weil es ihm um eine positive Heraushebung der Muslime geht und die hier erwähnte Synode so sicherlich nicht stattgefunden hat.128 Hierzu fehlen nicht nur Belege, sondern die Fortsetzung des Philosophieunterrichts in Alexandrien bis mindestens ins späte 6. Jahrhundert und die ganz anderen, meist christlich-dogmatischen Probleme des byzantinischen Reiches zu dieser Zeit schließen das geradezu aus. Auch weitere mögliche Gründe für die Zusammenstellung genau dieser Schriften haben wenig Erklärungskraft: Ein in der Forschung gelegentlich angeführter Rückschluss vom Umfang der Corpora auf die verfügbaren Bibliotheken129 ist nur insofern stichhaltig, als deren Mindestbestand, nicht deren Umfang betroffen ist: Für die syrische Tradition ist bekannt, dass sie auch über griechische Handschriften verfügt, die nicht übersetzt, aber von gebildeten Spezialisten weiter studiert wurden.130 Sergios und Boethius sehen offenbar kein Problem darin, sich den gesamten Aristoteles und Platon zu beschaffen. Pseudo-Dionysios und Johannes von Skythopolis haben auch Proklos und Plotin vorliegen. Die übersetzten Texte müssen also die sein, die, wohl vor allem im schulischen Betrieb, auch von solchen Interessenten studiert werden sollen, die nicht des Griechischen mächtig sind. Auch ein weiteres Argument, nämlich die erkannte Notwendigkeit einer Sammlung und Bewahrung des kulturellen Erbes, ist zwar als Motiv für einige Autoren der Zeit gut belegt, kann die Zusammenstellung der gleichen Werke in Übersetzungen in mehrere Sprachen aber ebenfalls nicht erklären. Neben Simplikios, der z. B. Parmenides ausdrücklich zum Zwecke seiner Bewahrung ausschreibt,131 ist das Motiv der Bewahrung des literarischen Erbes zwar auch im lateinischen Raum von Bedeutung, richtet sich aber auch dort auf solche Texte, für deren Erhaltung

127   Ibn Abī Uṣaybiʿa, Historia medicinae 15, 1, 2 (2, 2, p.  1151 [arab.]  /  3, 2, p.  1297 [engl.] Savage-Smith et al.). 128   Al-Fārābīs Text wird zitiert und interpretiert z. B. bei M. Perkams, The Date and Place of Andronicus’ Edition of Aristotle’s Works According to a Neglected Arabic Source, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 10, 3 (2019), 445–468, vor allem 449 f. und 457. Vgl. auch z. B. S.  Aydin, in: Sergius of Reshayna, ›Introduction to Aristotle and his Categories, Addressed to Philotheos‹. Syriac Text, with Introduction, Translation, and Commentary, Leiden  /  Boston 2016, 44. 129   So verstehe ich den Hinweis von Calzolari, David et la tradition arménienne, 19. 130   King, The Earliest Syriac Translation, 12–14. 131   Vgl. unten S. 997 zu Simplikios.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

eine Gefährdung gesehen wird, was auf die Einleitungsschriften des Organon, die noch in breitem Gebrauch sind, sicherlich nicht zutrifft. Somit bleiben für das Verständnis der Motivlage hinter den Logik-Übersetzungen vor allen Dingen zwei Ansätze als Möglichkeiten übrig, die in der neueren Forschung zur syrischen Philosophie gemacht worden sind: Entweder kann man in den Übertragungen von ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeutik‹ und ›Analytica priora‹ – also den ersten Schriften des neuplatonischen Lektürecurriculums – Produkte eines Bemühens ihrer Autoren sehen, die Philosophie in ihren Sprachräumen weiterzuführen,132 oder man nimmt sie als eine Propädeutik, insbesondere zum medizinischen Studium.133 Diese Möglichkeiten können als zwei Pole gelten, vor deren Hintergrund die folgenden Ausführungen zu den einzelnen philosophischen Bewegungen der Ausgehenden Antike ein genaueres Verständnis des Aristotelismus dieser Epoche suchen.

132

  Vgl. D. King, Logic in the Service of Ancient Eastern Christianity. An Exploration of Motivs, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 97 (2015), 1–33; King, The Study of Logic in Syriac Culture, 163–208. 133   So Aydin, in: Sergius of Reshayna, ›Introduction to Aristotle‹, 42–47.

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III. Fachphilosophie der Ausgehenden Antike: Aristotelisch-platonische Studien in Athen und ­Alexandrien 1. Ein gelehrter Aristotelismus: Der alexandrinische Schulbetrieb Der philosophische Schulbetrieb in Alexandrien, der, anders als in Athen, mindestens bis zu Beginn des 7. Jahrhunderts andauert, ist sicherlich das virulenteste und einflussreichste philosophische Zentrum der Zeit. Von größter Bedeutung sind vor allem die auf Aristoteles bezogenen Arbeiten des Proklos-Schülers Ammonios Hermeiou (ca. 435/45–517/526), der offenbar als einziger aus dem von Damaskios und Zacharias Rhetor erwähnten Philosophenkreis seine philosophische Lehrtätigkeit nach 500 fortsetzt.1 Seine Auslegungen prägen die Werke der späteren Philosophielehrer in Alexandrien, dürften aber auch die Athener philosophische Schule beeinflussen, da Ammonios nach dem Tod des Proklos 485 sicherlich der profilierteste Philosophielehrer bis zum Wiedererstarken der Athener Schule unter Damaskios ist. Noch bedeutsamer ist sein Werk aber, dank christlicher Hörer wie Johannes Philoponos, Zacharias Rhetor oder wohl auch Sergios von Rēšʿaynā, für die christliche Kritik und Aneignung der Philosophie im 6. Jahrhundert sowie für die Konstituierung eines Aristotelismus im islamischen Raum in den folgenden Jahrhunderten.2

Historischer Überblick Ammonios ist der Sohn von Proklos’ Mitstudent Hermeias, studiert selbst bei Proklos und gehört in Alexandrien in den 480er Jahren dem Zirkel um Isidoros und Horapollon an. Er ist, mit seinem Bruder Heliodor zusammen, Lehrer des Ersteren.3 Demnach entstammt er dem engsten Kreis der neuplatonischen Philosophen, gilt aber in diesem Kontext, wie Damaskios berichtet, als besonderer Spezialist für Aristoteles, was durch sein überliefertes Werk bestätigt wird. Auch sein Interesse für Mathematik und Astronomie ist bezeugt.4 Seine erfolgreiche Lehraktivität, die mindestens bis 517 reicht,5 wird offenbar auch durch eine Verständigung mit den 1

  Zu seiner Person vgl. Schramm, Ammonios Hermeiou, 2007–2031.   Vgl. Schramm, Ammonios Hermeiou, 2031. 3   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 8 f.; 22, 12 f. Kugener); Damascius, Vita Isidori, frg.  *160 (135, 3 f. Zintzen). Zur hier übernommenen Einordnung und Interpretation der letzteren Stelle vgl. Hartmann, Der spätantike Philosoph, 1300 mit Anm.  340. 4   Damascius, Vita Isidori, epit. 79 (110, 2–5 Zintzen). 5   Das Datum ergibt sich aus Philoponos’ ›Physik-Kommentar‹, der auf einer Vorlesung 2

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Alexandriner Christen ermöglicht, wie oben schon diskutiert wurde.6 Fassbar ist sie fast ausschließlich durch die Vorlesungsmitschriften seiner Schüler Philoponos, Asklepios und anderer, die z. T. voneinander abweichen, weil entweder Ammonios in der Darlegung des Stoffs in den einzelnen Vorlesungen etwas variiert oder weil die Reportatoren diesen unterschiedlich darlegen und ergänzen, was besonders bei dem eigensinnigen Philoponos ins Gewicht fällt.7 Von den Lehrern in Alexandrien nach Ammonios kennen wir nur einige Namen, meist als Autoren überlieferter Texte. Nach seinem Tod scheint der an Mathematik und Astronomie interessierte Eutokios von Bedeutung zu sein, der Ammonios eine Schrift widmet.8 Unklar ist die Rolle des dem Neuplatonismus kritisch gegenüberstehenden Christen Johannes Philoponos. Wohl im 2. Drittel des 6. Jahrhunderts9 wirken der Hellene Olympiodor, von dem mehrere Kommentare zu Platon und Aristoteles überliefert sind,10 sowie die Christen Elias und David, deren Arbeiten anscheinend schon vor 579 von Paul dem Perser benutzt werden.11 Von David, der vielleicht selbst aus Armenien stammt, ist vermutet worden, dass er Platon gar nicht mehr kommentiere.12 Vielleicht am Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrhunderts unterrichtet ein Stephanos Philosophie und Medizin, der möglicherweise unter Kaiser Herakleios um 610 nach Konstantinopel berufen wird, um dort den philosophischen Unterricht fortzusetzen.13 Falls diese Übertragung der Studien nach Konstantinopel tatsächlich stattfindet, bringt sie jedenfalls kein des Ammonios beruht: Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  703, 16 f. Vitelli). Vgl. Westerink, The Alexandrian Commentators, 326. 6   S. oben S. 953. 7   Vgl. zusammenfassend M. L. Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments. Edited with Translation and Commentary by M. L. Chiesara, Oxford 2002, 55 f. 8   Vgl. R. Goulet, Eutocius d’Aléxandrie, in: DPhA 3, (2000), 392–396; Ch. Helmig, Euto­ kios von Askalon, in: GGPh 5, 3 (2018), 2107–2112. 9   Alle diese Zeitangaben sind mehr oder weniger spekulativ; vgl. im Einzelnen die bei Westerink, The Alexandrian Commentators, zusammengestellten Belege. 10   Vgl. D. Caluori, Olympiodoros, in: GGPh 5, 3 (2018), 2051–2059. 11   Vgl. R. Sorabji, John Philoponus, in: R. Sorabji (Hrsg.), Philoponus and the rejection of Aristotelian science, London 22010, 41–82; Westerink, The Alexandrian Commentators, 336–340; Ch. Helmig, Elias und David, in: GGPh 5, 3 (2018), 2084–2096; Ch. Helmig, Die jeweiligen Eigenheiten der Neuplatoniker David und Elias und die umstrittene Autorschaft des ›Kommentars zur Kategorienschrift‹, in: B. Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese bei den spätantiken Platon- und Aristoteleskommentatoren. Akten der 15. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 4. bis 6. Oktober 2012 in Trier, Berlin  /  Boston 2018, 277–313. Zu Paul dem Perser s. unten S. 1081–1085. 12   Vgl. Westerink, The Alexandrian Commentators, 339 f. 13   Vgl. zu seiner Person Wolska-Conus, Stephanus d’Athènes et Stephanus d’Aléxandrie, und die von W. Charlton, ›Philoponus‹, On Aristotle on the Soul, 1 f. genannte Literatur, sowie neuerdings die kritischen Anmerkungen von M. Roueché, A Philosophical Portrait of Stephanus the Philosopher, in: R. Sorabji (Hrsg.), Aristotle Re-Interpreted. New Findings on Seven-Hundred Years of the Ancient Commentators, London u. a. 2016, 541–563, hier 544– 552, und hierzu wiederum Ch. Tornau, Stephanos, in: GGPh 5, 3 (2018), 2097–2107, hier 2098.

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Aristotelisch-platonische Studien in Athen und ­Alexandrien

Ende des philosophischen Unterrichts in Alexandrien mit sich, denn noch vom Syrer Jakob von Edessa, einem führenden Vertreter der Schule von Qennešrē, wird berichtet, dass er, nicht lange vor 684, in Alexandrien »zu den Weisheiten hinzufüge« (ʿal ḥeḵmāṯā ḵnaš), also wohl Philosophie studiere.14 David und Stephanos repräsentieren jedenfalls eine Spätphase des alexandrinischen Unterrichts, die sich auf eine technische Ausbildung konzentriert und in der das neuplatonische Gesamtsystem als Rahmen der philosophischen Lehre eher zurücktritt.15 Allerdings lassen sich bei ihnen nur wenige christliche Einsprengsel in der philosophischen Lehre feststellen,16 so dass die Philosophie in Alexandrien als ein eigenständiges, kaum christlich überformtes Traditionsgut bis ans Ende der Antike weiter überliefert wird.

Philosophische Aktivität Die philosophische Aktivität der Alexandriner besteht seit Ammonios überwiegend in der Lehre, deren Grundlage das jamblicheische Curriculum der aristotelischen Schriften bleibt, das in den Einleitungen zu Aristoteles regelmäßig vorausgesetzt ist.17 Entsprechend besteht die literarische Überlieferung der späten Alexandriner vorwiegend aus Aristoteles-Kommentaren, deren erhaltener Umfang zeigt, dass zwar weiterhin nahezu sämtliche aristotelischen Schriften abgedeckt werden, es aber einen deutlichen Interessenschwerpunkt in den Schriften des Organons gibt, die im 6. Jahrhundert auch übersetzt werden: Namentlich (nicht immer sicher) zuschreibbare Kommentare von alexandrinischen Autoren sind auf Griechisch erhalten zur ›Eisagoge‹ (Ammonios, Elias, David), zu den ›Kategorien‹ (Ammonios, Philoponos, Olympiodor, David), zur ›Hermeneutik‹ (Ammonios, Stephanos), zu den ›Analytica priora‹ (Ammonios, Philoponos, z. T. Elias, David18), den ›Analytica posteriora‹ (Philoponos), zur ›Physik‹ (Philoponos), zu ›De generatione et corruptione‹ (Philoponos), zur ›Meteorologie‹ (Olympiodor), zu ›De anima‹ (Philoponos, Stephanos) und zur ›Metaphysik‹ (Asklepios).19 Da14

  Barhebraeus, Chronicon 1 (p.  289 Abbeloos  /  Lamy). Vgl. J. Watt, Jakob von Edessa, in: GGPh 5, 3 (2018), 2474–2478, hier 2474; O. Overwien, Medizinische Lehrwerke aus dem spätantiken Alexandria. Die Tabulae Vindobonenses und Summaria Alexandrinorum zu Galens ›De sectis‹, Berlin  /  Boston 2019, 48 mit Anm.  35. 15   Vgl. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 237–278. 16   Vgl. W. Charlton, in: ›Philoponus‹, On Aristotle On The Soul 3.1–8. Translated by W. Charlton, London 2000, 11 f. 17   Vgl. besonders Anonymus, Prolegomena in philosophiam Platonis 10 (26, 10–44 Wes­ terink). 18   Nur in armenischer Sprache, jetzt ediert von A. Topchyan, David the Invincible, ›Commentary on Aristotle’s Prior Analytics‹. Old Armenian Text with an English Translation, Introduction, and Notes, Leiden  /  Boston 2010. 19   Vgl. insbesondere die Übersicht über die Commentaria in Aristotelem Graeca in: Sorabji, The Ancient Commentators, 27–29.

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mit ist jedenfalls für Ammonios, dessen Vorlesungen, vermittelt durch Mitschriften, den Kommentaren des Philoponos und auch dem ›Metaphysik-Kommentar‹ des Asklepios zugrunde liegen,20 eine breite aristotelische Lehrtätigkeit bezeugt, wie sie auch von Damaskios bestätigt wird. Ihre Spuren zeigen sich auch in der neuplatonisch beeinflussten ›Vita Marciana‹ des Aristoteles, deren Kenntnis bei einigen Autoren im 6. Jahrhundert dadurch kenntlich ist, dass sie Aristoteles den ›Intellekt‹ (νοῦς) nennen.21 Eine Lehrtätigkeit zu Platon ist hingegen lediglich für Ammonios bezeugt.22 Einige Alexandriner beschäftigen sich auch mit Mathematik und Medizin.23 Aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts sind, mit der Ausnahme von Olympiodors Kommentar zur ›Meteorologie‹ und dem wohl Stephanos zuzuschreibenden Kommentar zu ›De anima‹ III,24 zu Aristoteles nur Erklärungen der ›Eisagoge‹ und der ersten drei Schriften des aristotelischen Curriculums (›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹, ›Analytica priora‹) erhalten. Da dies genau die Schriften sind, die auch auf Lateinisch, Syrisch und Armenisch zusammen mit Kommentaren erhalten sind, liegt der Schluss nahe, dass die Überlieferung eher das Interesse des Auditoriums bzw. der Abschreiber widerspiegelt als den Umfang des tatsächlichen Lehrbetriebs, der auch naturphilosophische und metaphysische Themen umfasst haben dürfte. Hierfür sprechen die genannten einschlägigen Kommentare, das naturphilosophische Zeugnis eines späten ägyptischen Papyrus25 und nicht zuletzt die Überlieferung zu Platon: Da von Olympiodor Kommentare zu ›Gorgias‹, ›Erstem Alkibiades‹ und ›Phaidon‹ überliefert sind, in denen auch Kurse des Ammonios hierzu erwähnt werden, ist klar, dass Platon bis ins 2. Drittel des 6. Jahrhunderts in Alexandrien Gegenstand des Unterrichts ist.26 Auch David diskutiert das Verhältnis der aristotelischen zur platonischen Metaphysik,27 und die anony20

  Vgl. die Übersicht bei Schramm, Ammonios Hermeiou, 2009 f.   Edition dieser Vita bei Düring, Aristotle in the Ancient Biographical Tradition, 116– 119. Vgl. im Übrigen unten S. 1092. 22   Vgl. Westerink, The Alexandrian Commentators, 326 f.; Schramm, Ammonios Hermeiou, 2011. 23   S. unten S. 975, 1104–1106. 24   Vgl. die Einleitung zu Stephanos von Alexandria (›Philoponos‹), Kommentar zu De anima III 2. 4–6, in: H. Busche  /  M. Perkams (Hrsg.), Antike Interpretationen zur aristotelischen Lehre vom Geist. Texte von Theophrast, Alexander von Aphrodisias, Themistios, Johannes Philoponos, Priskian (bzw. ›Simplicius‹) und Stephanos (›Philoponos‹). Griechisch / Lateinisch – Deutsch, Hamburg 2018, 677–793, hier 677–692. 25   Vgl. die Diskussion zu PSI 1400 bei M. Perkams, PSI 1400. Discussione di filosofia naturale tardo-neoplatonica, in: Corpus dei papiri filosofici Greci e Latini 2, 1. Frammenti Adespoti, Bd.  1-2, Florenz 2021, 2, 202–225. 26   Vgl. Westerink, The Alexandrian Commentators, 328–330; Caluori, Olympiodoros, 2054 f. 27   David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  120, 23–123, 11 Busse). Zur Autorschaft dieses Kommentars vgl. Helmig, Die jeweiligen Eigenheiten, 300–306 (mit Diskussion der hier erwähnten Passage). 21

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Aristotelisch-platonische Studien in Athen und ­Alexandrien

men ›Prolegomena zur Philosophie Platons‹ aus demselben Umfeld begründen ausführlich den Vorrang der platonischen vor allen anderen Philosophien.28 Der Unterricht in Alexandrien dürfte demnach auch nach 565 weite Teile der aristotelischen und platonischen Philosophie umfassen und nicht auf die Eingangsschriften der Logik beschränkt sein. Dass Vorlesungen zu bestimmten Schriften gehalten werden, ohne Spuren in der Überlieferung zu hinterlassen, bezeugt auch der Fall der ›Nikomachischen Ethik‹, von der keine alexandrinischen Kommentare erhalten sind, zu der aber Zacharias Rhetor in Alexandrien Vorlesungen hört.29 Man kann also davon ausgehen, dass eher das Interesse des lesenden Publikums bzw. der praktische Bedarf nach bestimmten Schriften dazu führt, dass uns vorwiegend Kommentare zur Logik erhalten sind und weniger die Arbeit der philosophischen Lehrer. Die Lehre, die sich in den Kommentaren ausdrückt, folgt grundsätzlich einem traditionellen Schema, wie von Ilsetraut Hadot und Concetta Luna an einigen Details der ›Kategorien‹-Tradition überprüft wurde: Hinsichtlich des Philosophiebegriffs tauchen die sechs von Ammonios angeführten Definitionen bei David und Elias auf.30 Die vier Alexandriner ›Kategorien-Kommentare‹ (Ammonios, Philoponos, Olympiodor, David  /  Elias) zu Kapitel 1 der ›Kategorien‹ sind im Vergleich mit vier weiteren erhaltenen (Porphyrios, Dexippos, Boethius, Simplikios) besonders einheitlich.31 Hinsichtlich der zehn einleitenden Punkte zum Studium des Aristoteles lassen sich die genannten Textzeugen gar nicht auf feste Gruppen verteilen, sondern sie geben jeweils verschiedene Elemente eines umfangreichen Fundus von Einführungsmaterial wieder.32 Als Quellen dieser Tradition lassen sich insbesondere Proklos bzw. Ammonios namhaft machen, während der in Athen schreibende Ammonios-Schüler Simplikios sowie Boethius stärker von Porphyrios und/oder Jamblich abzuhängen scheinen.33 Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass im alexandrinischen Unterricht der Philosophie und Medizin

28   Anonymus, Prolegomena in philosophiam Platonis 2 (7, 1–12, 17 Westerink). Vgl. zu diesem Text P. Mueller-Jourdan, Anonymus, ›Prolegomena in Platonis philosophiam‹, in: GGPh 5, 3 (2018), 2118–2123, hier 2121. 29   Zacharias Rhetor, Ammonius (125 f., 940–952 Minniti Colonna). Dass es in der Tat um eine Auslegung der ›Nikomachischen Ethik‹ und nicht einer anderen aristotelischen Schrift geht, bezeugt uns die Erwähnung von Aristoteles’ Kritik an den platonischen Ideen (Ethica Nicomachea 1, 4). 30   S. unten S.  979  f. 31   Vgl. C. Luna, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories d’Aristote‹. Chapitre 2–4. Traduction par Ph. Hoffmann, Paris 2001, 127–146. 32   I. Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories d’ Aristote‹. Traduction commentée sous la direction de I. Hadot. Fascicule 1. Introduction. Première partie (p.  1–9, 3 Kalbfleisch), Leiden u. a. 1989, 169–182. 33   Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories d’Aristote‹, Introduction. Première partie, 26, 29; Luna, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories‹. Chapitre 2–4, 145.

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neben Kommentaren auch Dihairesensammlungen bzw. Kurztexte (Summarien) zum Memorieren des Lernstoffs eine Rolle spielen.34

Wurzeln und Hintergründe des alexandrinischen Aristotelismus Facetten des Problems Nicht leicht zu beantworten ist die Frage, welche Gründe für die in Alexandria deutlich erkennbare Konzentration auf Aristoteles verantwortlich sind. Die Problematik ergibt sich im Grunde aus drei Punkten, die es ausschließen, die Alexandriner Lehrer tout court als Aristoteliker zu kennzeichnen: 1.  bekennen sie sich sämtlich nach wie vor zur Überlegenheit Platons gegenüber Aristoteles, wenn sie die Position der Platoniker zum Status der Logik übernehmen (wenn auch David mit wenig Emphase); 2.  weisen die alexandrinischen Texte – wie vor allem Ilsetraut Hadot gegenüber einer alten These Karl Praechters nachdrücklich betont hat – jedenfalls zu Beginn des 6. Jahrhunderts, inhaltlich keine wesentlichen Unterschiede zum Athener Lehrbetrieb auf. Eventuell vorhandene Differenzen sind meist der jeweiligen literarischen Form zuzuschreiben oder ergeben sich aus den überschaubaren Differenzen zwischen Autoritäten wie Jamblich, Proklos und Ammonios zu Fragen, die nicht das System als Ganzes betreffen;35 3.  kann man sie auch nicht als christliche Aristoteliker bezeichnen, denn die traditionellen neuplatonischen Positionen werden in Alexandrien jedenfalls bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts auch dann weiter gelehrt, wenn sie im Gegensatz zum Christentum stehen, z. B. in der Lehre von der Ewigkeit der Welt. Das bezeugen uns nicht nur die christlichen Auseinandersetzungen mit dieser Frage von

34

  Die griechischen Varianten derartiger Texte wurden von M. Roueché, Byzantine Philosophical Texts of the Seventh Century, in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 23 (1974), 61–76, die syrischen Analoge bzw. Übersetzungen von Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 101–122 untersucht. Genauere Überlegungen zu ihrer Verwendung werden von Overwien, Medizinische Lehrwerke aus dem spätantiken Alexandrien, 35–107, mit Blick auf die medizinische Lehrpraxis angestellt. 35   Dieser Punkt wird vor allem von Ilsetraut Hadot immer wieder mit Nachdruck betont, vgl. z. B. I. Hadot, La vie et l’œuvre de Simplicius d’après les sources grecques et arabes, in: Hadot (Hrsg.), Simplicius. Sa vie, son œuvre, sa survie, 3–39, hier 3–7; I. Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur le Manuel d’Épictète‹. Introduction et edition critique du texte grec, Leiden u. a. 1996, 111–113. Die These Praechters findet sich in Praechter, Richtungen und Schulen im Neuplatonismus. Vgl. jetzt z. B. auch E.-O. Onnasch  /  B. Schomakers, in: Proklos, ›Theologische Grundlegung‹. Griechisch – Deutsch. Übersetzt und mit einer Einleitung sowie einem durchgängigen erläuternden Kommentar herausgegeben von E.-O. Onnasch  /  B. Schomakers, XXVIII–XXX, zu verschiedenen Versionen des Neuplatonismus.

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Aineias von Gaza, Zacharias Rhetor und Philoponos, sondern auch einige von Leendert G. Westerink gesammelte Stellungnahmen Olympiodors.36 Andererseits zeigt eine detaillierte Lektüre, dass sich bei Ammonios Aristoteles-­ Deutungen finden, die von einer dezidierten Harmonisierung des Aristoteles mit Platon absehen: So ist ihm zufolge auch für Aristoteles, im Einklang mit der neuplatonischen Platon-Deutung, Gott, d. h. primär der Geist (νοῦς) bzw. der Demiurg, nicht nur eine Finalursache, sondern auch eine Wirkursache. Damit widerspricht er zwar direkt Alexander von Aphrodisias, stillschweigend aber auch seinem Lehrer Proklos.37 Zur Lehre vom Geist meint Ammonios, ebenfalls anders als Proklos, dass die Ideen dem Menschen zunächst in erster Potentialität gegeben sind, d. h. überhaupt erst erlernt werden müssen, und nicht in zweiter Potentialität, so dass sie im Grunde genommen bei jedem Menschen stets voll entwickelt, aber vielleicht nicht jedem bewusst sind. Auch in dieser Position, der schon Philoponos widerspricht, weicht er vom Athener Neuplatonismus des Plutarch ab, will aber offenbar die neuplatonische Theorie nicht grundsätzlich infrage zu stellen, da er den Geist nur als verschüttet ansieht.38 Die häufig auf die logischen Schriften beschränkte Überlieferung lässt uns nur eingeschränkt erkennen, inwieweit sich diese Situation im 6. Jahrhundert verändert. Während es für David und Elias im Allgemeinen richtig sein mag, dass sie »ganz in der neuplatonischen Bildungstradition stehen«,39 lässt sich jedoch z. B. Davids Behauptung, das Ziel der aristotelischen Philosophie bestehe darin, eine Ursache, nämlich Gott, als Basis der Ordnung der Welt zu erweisen,40 am sinnvollsten als Angebot an christliche Hörer verstehen. In Stephanos’ ›Kommentar zum dritten Buch von De anima‹ stehen klassische neuplatonische Ansichten schließlich recht unvermittelt neben neuen Ideen, die anderen Quellen oder einfach dem Ingenium des Autors entstammen können.41 Die alexandrinische Lehre scheint sich daher nach und nach von der eindeutigen Weitergabe des neuplatonischen Systems zu entfernen, was vermutlich damit zu tun hat, dass dieses nach der Schließung der Athener Schule nicht mehr oder nur noch im kleinen Kreis im Zusammenhang gelehrt wird.

36

  S. unten zu Philosophie und Religion.   Vgl. Verrycken, The Metaphysics of Ammonius, 215–222, mit Diskussion der verschiedenen Zeugnisse des Asklepios und Simplikios. 38   Vgl. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 143–147. 39   So Helmig, Elias und David, 2068. 40   David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  119, 30–120, 23 Busse). 41   Vgl. Ch. Tornau, Bemerkungen zu Stephanos von Alexandria, Plotin und Plutarch von Athen, in: Elenchos 28 (2007), 105–127; Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 277 f. 37

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Ansätze zur Erklärung In Anbetracht dieser Punkte, die den durchgehend neuplatonischen Charakter des Alexandriner Neuplatonismus zeigen, hat Robert Wisnovsky die These aufgestellt, die Neuplatoniker würden nach der Erstellung der »großen Harmonie« von Platon und Aristoteles nun auf eine kleinere Harmonie, die des Aristoteles mit sich selbst, hinarbeiten.42 Demnach wäre die stärkere Beschäftigung mit Aristoteles im 6. Jahrhundert aus der Ausarbeitung des neuplatonischen Systems selbst heraus zu erklären. Diese Erklärung hat aber offenbar drei Probleme: 1. gibt es, soweit ich sehe, keine Belege, die auf sie hindeuten; 2. nimmt sie auf die historischchronologische Abfolge der Entwicklung keine Rücksicht; und 3. scheint sie eine Idee eines langsamen Ausbaus der Theorie bzw. ›Fortschritts‹ zu implizieren, der für die Epoche mit ihrem traditionellen Charakter eher unpassend scheint. Eine differenziertere Erklärung erscheint daher angemessener, die wiederum drei Punkte umfassen kann. 1. hat das persönliche Interesse und das didaktische Talent des Ammonios als wesentlicher Faktor zu gelten. Dessen in den Quellen deutlich erkennbarer Einfluss kontrastiert auffällig zu einem Fehlen von Gegenevidenz: Es ist nicht bekannt, dass Ammonios einen nennenswerten Vorläufer als Aristoteliker in Alexan­drien hat; zu früheren Philosophen, die hier lehren (Hypatia, Theon, Hierokles, Hermeias), liegen keine Informationen vor, die auf eine Orientierung an aristotelischer Wissenschaft hindeuten. Noch weniger ist eine solche Orientierung von Ammonios’ Lehrer Proklos her naheliegend, der die relativ Aristoteles-kritische Haltung seines Lehrers Syrian teilt.43 Schließlich weisen Ammonios’ Aristoteles-Interpretationen in der Seelenlehre die oben angesprochenen Unterschiede zu früheren neuplatonischen Exegeten auf,44 die bemerkenswert deutlich zur pointierten Orientierung des Atheners Priskian an Jamblich kontrastieren.45 2. ist zu beachten, dass die Alexandriner Philosophen in erster Linie Lehrer sind, die öffentlichen Unterricht erteilen und hiervon offenbar auch leben.46 Insofern werden sie im Zweifelsfall das unterrichten, woran Interesse besteht. Hierzu ist zu bedenken, dass a) die aristotelischen Schriften nach der traditionellen Lese42   R. Wisnovsky, Avicenna’s Metaphysics in Context, Ithaca, N. Y., 2003, 15; 64; R. Wisnovsky, Avicenna and the Avicennian Tradition, in: P. Adamson  /  R. C. Taylor (Hrsg.), The Cambridge Companion to Arabic Philosophy, Cambridge 2005, 92–136, hier 97 f. (kritisch hierzu Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 18–21; 74–76); weniger pointiert C. D’Ancona Costa, Le traduzioni di opere greche e la formazione del corpus filosofico arabo, in: C. D’Ancona Costa (Hrsg.), Storia della filosofia nell’Islam medievale 1, Turin 2005, 180–258, hier 189. 43   S. oben S. 752. 44   Vgl. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 122–149. 45   Zu diesem Punkt vgl. unten S. 994. 46   Vgl. Caluori  /  Ritter, Überblick. Die neuplatonischen Schulen, 1860, und oben S. 951 zum Beispiel des Horapollon.

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ordnung des Jamblich am Anfang des neuplatonischen Curriculums stehen und b) man sich spätestens seit der weitgehenden Zerschlagung des Zirkels um Hor­ apollon in den 480er Jahren mit den Christen arrangieren muss, wie es Damaskios ja auch von Ammonios bezeugt. Diese haben, wie die bei Aineias von Gaza, Zacharias und Philoponos überlieferten Anfragen sowie die christologischen Debatten deutlich erkennen lassen,47 Bedarf an einer Ausbildung in Logik als argumentationstheoretischer Grundlegung sowie an bestimmten Fragen der Naturphilosophie (Ewigkeit der Welt, Körper und Seele, Definition der Mischung). Diejenigen Christen, die sich wie Pseudo-Dionyios und Johannes von Skythopolis mit neuplatonischer Metaphysik befassen, tun dies in anonymisierter Form. 3. darf man die Eigendynamik nicht unterschätzen, die sich unter den alexandrinischen Bedingungen einstellt. Auch wenn sicherlich einige Philosophen, z. B. Olympiodor, noch in den Platonismus eingeführt werden, so regt das interdisziplinäre Umfeld auch von selbst zu anderen Interessen an. Eutokios ist offenbar vorwiegend an Mathematik und Astronomie interessiert, Philoponos an Naturphilosophie und Fragen des christlichen Glaubens, Stephanos und Pseudo-Elias sind zugleich Ärzte wie Philosophen, und im Alltagsgeschäft vermitteln die Philosophen meist aristotelische Logik. Es scheint vor diesem Hintergrund nur folgerichtig, dass die konkreten Arbeiten dieser Autoren sich zunehmend auf derartige Gegenstände richten, die in ihrem Umfeld und für ihre Schülerschaft von Interesse sind.

Philosophiebegriff und Einteilung der Philosophie Allgemeines Charakteristisch für die Kommentare aus der Ammonios-Schule sind die ausführlichen Einführungen in die verschiedenen Facetten des Philosophiebegriffs, die uns in einer ganzen Reihe unterschiedlicher Versionen überliefert sind. Im Wesentlichen handelt es sich um Textkomplexe, die an mehr oder weniger festgelegten Stellen des philosophischen Curriculums regelmäßig dieselben Fragen behandeln; ihre Quelle stellt letztlich wohl ein Traktat des Proklos dar, der leider nicht erhalten ist:48 1. Zu Beginn des philosophischen Kurses, also vor der Auslegung der ›Eisagoge‹ des Porphyrios, werden allgemein die Definitionen der Philosophie sowie deren Einteilung erläutert. Dieses Stück wird später vom ›Eisagoge-Kommentar‹ for47

  Vgl. unten S. 1018  f., 1031–1036.   Einen sehr guten Überblick über die Gesamtstruktur dieses Einführungsmaterials gibt vor allem Hadot, in: ›Commentaire sur les Catégories d’ Aristote‹. Introduction. Première partie, 21–48; vgl. weiterhin L. G. Westerink, in: Anonymous ›Prolegomena to Platonic Philosophy‹, Amsterdam 1962, XXXIIf.; Sorabji, The Ancient Commentators, 5–7. 48

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mell abgetrennt und heißt dann ›Prolegomena zur Philosophie‹. Auf Griechisch sind drei Fassungen dieses Materials vollständig erhalten, und zwar in Ammonios’ ›Kommentar zur Eisagoge‹ sowie den ›Prolegomena zur Philosophie‹ des David und Elias. Diese Autoren bieten vielleicht verschiedene Ausarbeitungen von Material, das von Olympiodor neu strukturiert worden ist.49 Zwei weitere, unvollständig überlieferte Texte sind ein Elias und David nahestehender ›Eisagoge-Kommentar‹ (›Pseudo-Elias‹) sowie auf Syrisch eine Reihe recht kurzer, in Bezug zu Stephanos stehender Auszüge, die weiterer Forschungen bedürften.50 2.  Zu Beginn der Beschäftigung mit Aristoteles, d. h. am Anfang der Kommentare zu den ›Kategorien‹, die unmittelbar nach der ›Eisagoge‹ erklärt werden, wird eine Einleitung in die aristotelische Philosophie gegeben. Hierbei sind, nach Ammonios’ ›Kommentar zu den Kategorien‹, die folgenden zehn Punkte zu behandeln: »1. woher die Namen der philosophischen Richtungen stammen, 2. was die Einteilung der aristotelischen Schriften ist, 3. von wo man mit den aristotelischen Schriften beginnen muss, 4. was der für uns aufscheinende Nutzen aus der aristotelischen Philosophie ist, 5. was das zu dieser Führende ist, 6. wie sich der vorbereiten muss, der die philosophischen Ausführungen hören will, 7. was die Form der Verkündigung ist, 8. warum der Philosoph anscheinend Unklarheit verwendet hat, 9. was für welche und wie viele Punkte man vor jeder der aristotelischen Schriften durchnehmen muss, 10. wie der Ausleger beschaffen sein soll«.51

49

  Gelegentlich bei David namentlich genannt, z. B. Prolegomena (CAG 18, 2, p.  31, 34 Busse). Die bloße Namensnennung spricht wohl eher dafür, dass David Olympiodor nicht mehr direkt gekannt hat. 50   Vgl. Westerink, in: Pseudo-Elias (Pseudo-David), ›Lectures on Porphyry’s Eisagoge‹, VII–XVI. Der syrische Text ist, als Auszug aus einer viel späteren Kompilation, herausgegeben worden von A. Baumstark, Aristoteles bei den Syrern vom 5. bis 8. Jahrhundert 1. Syrisch-Arabische Biographien des Aristoteles, Syrische Kommentare zur ›Eisagōgē‹ des Porphyrios, Leipzig 1900, 15–33 (syr.)  /  192–210 (deutsch). Die Auszüge lassen sich eindeutig der Tradition der Prolegomena zuweisen, sind aber m. E. zu kurz für eine nähere Einschätzung. Baumstarks eigene Einleitung hierzu (Aristoteles bei den Syrern, 181–192) liefert hierzu nur bedingt verlässliche Anhaltspunkte. 51   Φέρε τινὰ δέκα τὸν ἀριθμὸν εἰς ταύτην ἡμῖν συμβαλλόμενα ζητήσωμεν, πρῶτον πόθεν τὰ ὀνόματα τῶν φιλοσόφων αἱρέσεων, δεύτερον τίς ἡ διαίρεσις τῶν Ἀριστοτελικῶν συγγραμμάτων, τρίτον πόθεν ἀρκτέον τῶν Ἀριστοτελικῶν συγγραμμάτων, τέταρτον τί τὸ ἀναφαινόμενον ἡμῖν χρήσιμον ἐκ τῆς Ἀριστοτελικῆς φιλοσοφίας, πέμπτον τίνα τὰ ἄγοντα ἐπὶ ταύτην, ἕκτον πῶς δεῖ παρασκευάσασθαι τὸν ἀκροασόμενον φιλοσόφων λόγων, ἕβδομον τί τὸ εἶδος τῆς ἀπαγγελίας, ὄγδοον διὰ τί φαίνεται ὁ φιλόσοφος ἀσάφειαν ἐπιτηδεύσας, ἔννατον ποῖα δεῖ καὶ πόσα προλαμβάνεσθαι ἑκάστου τῶν Ἀριστοτελικῶν συγγραμμάτων, δέκατον ποῖον δεῖ εἶναι τὸν ἐξηγούμενον αὐτά. Ammonius, In Categorias (CAG 4, 4, p.  1, 2–12 Busse).

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Ein detaillierter Überblick über die Behandlung dieser zehn Punkte in den verschiedenen ›Kategorien-Kommentaren‹, die insgesamt recht einheitlich ist, ist von Ilsetraut Hadot erstellt worden.52 3.  gibt es in der Regel Ausführungen dazu, ob die Logik ein Teil oder ein Werkzeug der Philosophie ist. Diese finden ihren Platz meistens in der Einleitungen zum Kommentar zu den ›Analytica priora‹, manchmal aber auch anderswo.53 4.  gibt es noch ›Prolegomena zur Philosophie Platons‹. Diese sind uns nur in der bereits erwähnten anonymen Variante überliefert, gehen aber offensichtlich auf Proklos zurück.54 Sie dürften zu Beginn der Behandlung der platonischen Lehre gelehrt worden sein. Dieses insgesamt sehr umfangreiche Material ist vor allem von Leendert G. Westerink ausführlich schematisiert und analysiert worden.55 Hier ist es nur möglich, wichtige Punkte exemplarisch zu behandeln, insbesondere den Philosophiebegriff und die Einteilung der Philosophie. Der unter dem Namen Ammonios überlieferten Darstellung soll besondere Aufmerksamkeit gelten, da diese in der Schule offenbar bestimmend wird; punktuell wird der syrische Text, den Baumstark dem Stephanos zuschreibt, mit berücksichtigt (›Stephanos‹). Dabei ist wohl richtiger von der Tradition des Stephanos zu reden, weil dieser namentlich erwähnt wird.56

Philosophiebegriff Die Darstellung des Ammonios Mit der Begründung, man könne überhaupt nur etwas zu lernen beginnen, dessen Definition man kenne, eröffnet Ammonios die Einführung der sechs Definitionen von Philosophie. Sie tauchen in den meisten Einleitungen der Philosophie aus dem 6. Jahrhundert wieder auf und werden daher für Rückverweise im Folgenden durchnummeriert. Zentral ist eine Gruppe von vier Definitionen, die im Zusammenhang präsentiert werden: Dabei sollen die Definitionen der Philosophie als 1.  »Erkenntnis des Seienden als Seiendes« (γνῶσις τῶν ὄντων ἧ ὄντα ἐστὶ) und als 2.  »Erkenntnis der menschlichen und göttlichen Dinge« (γνῶσις τῶν θείων καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων) 52

  Vgl. Hadot, in: ›Commentaire sur les Catégories d’ Aristote‹. Introduction. Première partie, 19–168. 53   Vgl. hierzu Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories d’ Aristote‹. Intro­ duction. Première partie, 183–188. 54   Vgl. Mueller-Jourdan, Anonymus, 2119 f. 55   Vgl. v. a. Westerink, The Alexandrian Commentators, 341–348. 56   Faktisch hat Baumstark, Aristoteles bei den Syrern, 15–33 (syr.)  /  192–210 (dt.) Texte eines Kompendiums aus dem 13. Jahrhundert gedruckt, deren Traditionszugehörigkeit gut erkennbar ist. Zur Problematik der Zuweisung an Stephanos vgl. unten S. 1058 Anm. 66.

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auf die der Philosophie zugrundeliegende, sehr umfassende Materie bezogen werden. Dagegen sollen die Definitionen als 3.  »Ähnlichwerden mit Gott gemäß dem dem Menschen Möglichen« (ὁμοίωσις θέῳ κατὰ τὸ δυνατόν ἀνθρώπῳ) und 4.  »Sorge um den Tod« (μελέτη τοῦ θάνατου) das Ziel der Philosophie umreißen.57 Das »Ähnlichwerden mit Gott« wird aus den beiden Aktivitäten (ἐνεργείαι) bzw. Fähigkeiten (δύναμεις) Gottes begründet, der theoretischen, mit der er alles weiß, und der praktischen, mit der er für alles Vorsorge trifft; der Philosoph wolle in seiner theoretischen wie praktischen Aktivität beides nachahmen.58 Die Sorge um den Tod wird mit der Unterscheidung eines freiwilligen von einem natürlichen Tod erklärt: Während letzterer allgemein sei, bestehe ersterer darin, sich von der Unterwerfung der Seele unter den Körper zu lösen, was das Ziel der Philosophie sei.59 Damit wird insbesondere die Vorstellung abgewehrt, das Ziel der Philosophie könne in der Selbsttötung bestehen, zumal diese ja schon von Platon verboten worden sei. Ammonios stellt also dezidiert zwei platonische Definitionen als die Form der Philosophie betreffend in den Mittelpunkt und ordnet diesen die aristotelischen und stoischen Vorläufer gleichsam als »materiellen Aspekt« unter. Trotz dieses platonischen Profils erreicht er so eine Darstellung, die mit der Betonung des Bezuges zu Gott und des Verbotes der Selbsttötung auch den christlichen Hörer ansprechen oder zumindest für ihn akzeptabel klingen dürfte.60 Vielleicht ist diesem Zweck auch die offensichtliche Gleichrangigkeit theoretischer und praktischer Ziele des Philosophen geschuldet, die eigentlich im Widerspruch zur platonischen Tugendskala steht, bei der die praktische Erkenntnis und die politischen Tugenden eher einen Weg zum theoretischen Ideal darstellen. Nicht erwähnt wird die schöpferische Aktivität Gottes, die von einem christlichen Standpunkt her zu erwarten gewesen wäre, aber gleich auf den strittigen Punkt der Ewigkeit der Welt hinweisen würde. An diesen recht geschlossenen Gedankengang hängt Ammonios zwei weitere Philosophiedefinitionen in lockerer Form an: Von Aristoteles übernimmt er die Definition als 5.  »Fertigkeit der Fertigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften« (τέχνη τεχνῶν καὶ ἐπιστήμη ἐπιστήμῶν), wobei sich die Überlegenheit (ὑπεροχή) der Philosophie dadurch ergebe, dass diese den anderen Wissenschaften und Fertigkeiten ihre Prinzipien vermittle.61 Nach der damit verbundenen ausführlichen wis57

  Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  2, 22–5, 27 Busse).   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  3, 9–19; 4, 8–14 Busse). 59   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  4, 15–5, 27). 60   Zur Verwendung des Wortes ›Gott‹ (ὁ θεός) bei Ammonios in einem für christliche Hörer akzeptabel klingenden, aber inhaltlich gut neuplatonischen Sinne s. Verrycken, The Metaphysics of Ammonius, 220–223. 61   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  6, 25–7, 40 Busse). 58

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senschaftstheoretischen Erörterung, die unten zu besprechen ist,62 kommt er mit der auf Pythagoras zurückgeführten Definition der Philosophie als 6.  »Freundschaft« bzw. »Liebe zur Weisheit« (φιλία σοφίας) auf deren Beziehung zum Göttlichen zurück: Diese Definition korrigiere den Irrtum, schon den Philosophen als weise zu bezeichnen, denn Weisheit im eigentlichen Sinne komme nur Gott zu.63 Obwohl hier ganz traditionell Athene als Beispiel für ›den Gott‹ (τὸν θεόν) genannt wird, schließt die Darstellung der Definitionen der Philosophie so mit einer Aussage, die wiederum in ihrem Grundtenor für christliche wie hellenische Hörer akzeptabel sein dürfte – jedenfalls wenn man voraussetzt, dass auch ein christlicher Hörer ein gewisses griechisches Kolorit in einer philosophischen Lehrveranstaltung am Ende des 5. Jahrhunderts erwartete. Die Definition wird auch in den Kommentaren des Asklepios und Philoponos zur ›Einführung in die Arithmetik‹ des Nikomachos behandelt, die wohl ebenfalls auf eine Ammonios-Vorlesung zurückgeht. Hierbei werden die Definitionen der Weisheit des Aristokles, die vielleicht auf Aristoteles’ ›Über die Philosophie‹ zurückgehen, ausführlich erörtert.64 Ammonios’ Einführung dürfte auf diese Weise für hellenische wie christliche Hörer seiner Zeit akzeptabel sein, ohne dass jemals die platonische Positionen verlassen würde.65 Die Darstellungen des David, Elias und ›Stephanos‹ Die Behandlung des Themas durch Ammonios bleibt als Quelle der ausführlicheren Darstellungen des Elias, des David und der auf Syrisch erhaltenen Einführung des ›Stephanos‹ erkennbar. Alle drei Autoren reichern das Material durch die letztlich auf Aristoteles’ ›Protreptikos‹ zurückgehende Aufforderung an, man müsse »auf jeden Fall philosophieren«, selbst wenn man das bestreiten würde.66 Ansonsten unterscheiden sie sich im Hinblick auf den Philosophiebegriff im Grunde nur dadurch von Ammonios, dass die Präsentation der sechs von diesem genannten Definitionen in einen umfangreicheren Traktat eingebettet wird. In diesem werden bereits bei der Einführung der Philosophie zahlreiche Fragen gestreift, Namen genannt und Anekdoten erzählt, die einen gewissen Überblick über wichtige Stellen, Namen und Arbeitsweisen der platonischen und aristotelischen Philosophie vermitteln, wobei freilich die recht übersichtliche Struktur

62

  S. unten S.  989  f.   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  9, 7–24 Busse). 64   Beide Texte (Asclepius, In Nicomachum [24, 5–49 Tarán]; Philoponus, In Nicomachum 1, 1 [105, 7–107, 42 Giardina]) werden nebeneinander zitiert, verglichen und erläutert von Chiesara, in: Aristocles of Messene, Testimonies and Fragments, 2–9 und 56–60. Zu den Vorlagen vgl. oben S. 295  f., 562. 65   Eine ähnliche Überlegung findet sich z. B. bei Thiel, Transformation der Theurgie, 411–414. 66   Vgl. oben S. 291–293. 63

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von Ammonios’ Behandlung verlorengeht. Inhaltliche Neuerungen, die der wohl christlichen Konfession der Autoren entsprächen, findet man hingegen nicht. Bei Elias werden vorweg mit dem Bezug der Philosophie auf das Gute oder der Frage, ob zuerst die Existenz (εἰ ἐστι) oder die Definition (τί ἐστι) der Philosophie angegeben werden, einige weitere Punkte behandelt. David diskutiert noch ausführlicher verschiedene, ganz traditionelle Einwände gegen die Existenz der Philosophie67 und bezieht sich besonders ausführlich auf den aristotelischen Satz »Wenn man nicht philosophieren darf, muss man philosophieren, wenn man philosophieren soll, muss man philosophieren« (εἴτε μὴ φιλοσοφητέον, φιλο­ σοφητέον, εἴτε φιλοσοφητέον, φιλοσοφητέον), durch den die Unausweichlichkeit philosophischer Argumentation abschließend begründet wird.68 Alle drei kommen aber auf exakt die sechs Definitionen der Philosophie zu sprechen, die sich auch bei Ammonios finden, und charakterisieren sie ganz ähnlich.69 David und Elias stellen die Sechs-Zahl der Definitionen als vollkommene Zahl dar.70 Zwei weitere Definitionen der Philosophie, nämlich die als Heilkunst der Seele und die als größte, die Seele harmonierende Musik, werden von David und Elias als ungeeignet für eine Definition verworfen.71 Die Definitionen als »Erkenntnis des Seienden qua Seienden« sowie »Erkenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge« führen alle drei Kommentatoren unrichtigerweise auf Pythagoras zurück. Als Quelle dieser Behauptung geben David und ›Stephanos‹ ausdrücklich Nikomachos von Gerasa an, der als Pythagoreer bezeichnet wird.72 Beim ›Ähnlichwerden mit Gott‹ erläutern David und Elias die erreichbare Ähnlichkeit des Philosophen mit Gott anhand der drei Attribute Güte, Macht und Erkenntnis aus Platons ›Nomoi‹.73

67

  David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  2, 31–9, 12 Busse).   David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  9, 2–12 Busse); vgl. ›Stephanus‹, Prolegomena (17, 8–13 [syr.]  /  p.  194, 16–23 [dt.] Baumstark). Zu unterschiedlichen Formen dieser Aussage in der Überlieferung s. oben S. 292  f. 69   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  7, 25–8, 13 Busse); David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  20, 25–31; 23, 18–25, 3 Busse); ›Stephanos‹, Prolegomena (21, 5–23 [syr.]  /  198, 6–39 [dt.] Baumstark). 70   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  24, 26–25, 2 Busse); David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  22, 18–23, 2 Busse). 71   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  9, 6–10, 6 Busse); David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  25, 4–24 Busse). 72   David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  26, 9–13 Busse); ›Stephanos‹ (p.  21, 9–18 [syr.]  /  198, 11–24 [dt.] Baumstark); vgl. Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  10, 8–12, 2 Busse). 73   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  16, 35–17, 21 Busse); vgl. David, Prolegomena Philosophiae (CAG 18, 2, p.  17, 1–26; 35, 21–36, 34 Busse). 68

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Einteilung der Philosophie Die theoretische und praktische Philosophie sowie deren Unterteilungen Die Definitionen der Philosophie werden in den Schultexten regelmäßig durch Einteilungen der Philosophie erläutert. Deren grundlegende Struktur wird wieder in Ammonios’ Einführung zur ›Eisagoge‹ deutlich: Die fundamentale Einteilung in theoretische und praktische Philosophie, die aus dem Ideal des Ähnlichwerdens mit Gott abgeleitet wird, führt der Kommentar in aristotelischer Diktion, aber mit zahlreichen platonischen Inhalten aus: Die theoretische Philosophie wird in Physik bzw. Physiologie, Mathematik und Theologie eingeteilt, diese Einteilung wird aber, mit einem aristotelischen Gedanken,74 ganz anagogisch erklärt: Die Gegenstände der Physik sind zwar für uns das zuerst Erkannte, zum zuerst Erkannten an sich, das die Theologie darlegt, führen sie aber nur, indem durch die Mathematik ihre Strukturen erkannt werden, die auf das ewige Göttliche verweisen; ansonsten würde der Mensch erblinden.75 Die Mathematik selbst wird, den Arten von Quantität (τὸ ποσόν) entsprechend, in Geometrie, Musik, Astronomie und Arithmetik eingeteilt, so dass alle Disziplinen (μαθήματα) des lateinischen Quadriviums in dieser Weise Teil der Philosophie selbst sind.76 Weniger geschlossen sind die Aussagen zur praktischen Philosophie, die in Ethik, Ökonomik und Politik eingeteilt wird, wobei jeder Teil wieder, entsprechend platonischer Tradition, einen gesetzgebenden und einen richtenden Aspekt umfassen soll.77 Insgesamt ist all das gut platonisch (unter Berücksichtigung aristotelischer Elemente), doch fällt wiederum das relativ große Gewicht der praktischen Philosophie auf. Bei Elias wird schon in diesem Traktat betont, dass die Logik kein Teil der Philosophie ist.78 Bei der Einteilung wird auch die Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie wieder auf die Ähnlichkeit mit Gott zurückgeführt.79 David diskutiert auch in einem Abschnitt die Frage nach dem relativen Vorrang beider Teile der Philosophie, nimmt aber, entgegen der traditionellen neuplatonischen Ansicht, nicht klar Stellung für den theoretischen Teil.80 Die Binneneinteilung der theoretischen Philosophie und der Mathematik wird von beiden Ammonios folgend angegeben, wobei Elias darauf verweist, »den Auslegern«

74

  Aristoteles, Metaphysica 2, 1, 993b 7–11. Vgl. oben S.  308  f.   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  11, 6–13, 7 Busse); vgl. z. B. Philoponus, In Physica (CAG 16, p.  1, 1–10 Vitelli). 76   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  13, 10–14, 226 Busse). 77   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  15, 1–16, 16 Busse). Vgl. zum gesetzgebenden und zum richtenden Teil O’Meara, Platonopolis, 87–115. 78   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  26, 35–27, 1 Busse). 79   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  27, 8–26 Busse); David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  55, 36–56, 16 Busse). 80   David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  56, 17–57, 7 Busse). 75

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(οἱ ἐξηγήται) zu folgen, d. h. einer breiteren Tradition.81 David erwähnt immerhin, dass für Platon die Mathematik lediglich eine Vorübung (προγύμνασμα) der Philosophie sei, rechtfertigt dann aber doch Aristoteles’ Position und führt sie aus.82 Hinsichtlich der praktischen Philosophie votieren wiederum beide, mit Platon, für deren Einteilung in einen gesetzgebenden und einen richtenden Teil, wobei die aristotelische Position kritisch gesehen wird: Während Elias rechtfertigend behauptet, Aristoteles habe hier gar keine Dreiteilung vorgenommen, sondern nur die ›Ethik‹, den ›Oikonomikos‹ und die ›Politik‹ als Schriften verfasst, führt David die aristotelische Einteilung mit der Behauptung ad absurdum, dieser habe das Politische und das Praktische im Ergebnis durcheinandergebracht.83 ›Stephanos‹ ist insgesamt viel kürzer, womöglich dank des selektiven Vorgehens eines syrischen Bearbeiters: Er begründet die Aufteilung in Theorie und Praxis rein mit den Seelenvermögen, ohne Verweis auf die Ähnlichkeit mit Gott, und präsentiert das Schema ohne die Aufteilung der Praxis in einen gesetzgebenden und einen rechtsprechenden Teil.84 Bei David ist weiterhin eine Einteilung der einzelnen Teile der theoretischen und praktischen Philosophie enthalten, die mittels einer Dihairese den Sinn der einzelnen Bücher des Aristoteles erklärt.85 Bei Pseudo-Elias ist eine solche Einteilung ebenfalls vorausgesetzt, aber nicht erhalten.86 David fasst an dieser Stelle, zu Beginn seines ›Kategorien-Kommentars‹, mehrere Einteilungen zusammen, die offenbar sonst zu Beginn unterschiedlicher Teile des Corpus Aristotelicum gelesen wurden, v. a. die Einteilung der Logik zu Beginn der ›Analytica posteriora‹ sowie die dihairetische Einteilung der naturphilosophischen Schriften, die Philoponos und Simplikios zu Beginn der Erörterung der ›Physik‹ bzw. von ›Über den Himmel‹ (›De caelo‹) anführen. Eine ähnlich umfassende Analyse ist auch bei Paul dem Perser in einer arabischen Übersetzung aus dem Syrischen erhalten.87 Dieser Autor stimmt mit Philoponos darin überein, zuerst die Dihairese der Themen und dann die dieser zugeordneten Schriften zu benennen. Elias ordnet die Schriften hingegen, wie Simplikios, direkt ein. Die verschiedenen Einteilungen stimmen vor allem am Anfang überein, wo gesagt wird, die ›Physik‹ beziehe sich allgemein 81

  Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  27, 27–29, 34 Busse); vgl. David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  60, 10–65, 9 Busse). 82   David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  57, 9–59, 23 Busse). 83   Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  31, 26–34, 25 Busse); David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  74, 11–76, 28 Busse). 84   ›Stephanus‹, Prolegomena (21, 29–23, 14; 25, 16–20 [syr.]  /  198, 40–200, 14; 202, 16–26 [dt.] Baumstark). 85   David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  115, 14–117, 14 Busse). Vgl. die Übersicht bei Gutas, Paul the Persian, 262. 86   Pseudo-Elias, In Eisagogen 19, 2 (p.  35 Westerink). 87   Vgl. Gutas, Paul the Persian, 263 f.; M. Perkams, The Syro-Persian Reinvention of Aristotelianism. Paul The Persian’s Treatise on the Scopes of Aristotle’s Works Between Sergius of Rēšʿaynā, Alexandria, and Baghdad, in: Studia Graeco Arabica 9 (2019), 129–146, hier 142–144.

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auf alle Körper, ›Über den Himmel‹ auf die ewigen Körper88 und ›Über Werden und Vergehen‹ (›De generatione et corruptione‹) auf alle im Werden befindlichen Körper. Als Behandlung der unbeseelten Körper wird fast stets ›Über die Metalle‹ (›De metallis‹ = ›Meteorologie‹ 4) genannt, sowie ›Über die Pflanzen‹ (›De plantis‹) für das Beseelte ohne Sinneswahrnehmung. Der Teil über die Lebewesen schwankt im Detail, doch gehören hierhin die Schriften über einzelne Vermögen der Lebewesen ebenso wie die ›Historia animalium‹ und, bei Philoponos und Paul dem Perser, auch ›Über die Seele‹ (›De anima‹).89 Dieses Werk wird bei David und Simplikios wohl deswegen aus der Naturphilosophie ausgegliedert, weil es den Grenzbereich zur unkörperlichen Welt betreffen soll, wie Philoponos’ und Priskians ›De anima-Kommentaren‹ behandelt. Die Autorenangaben bei Simplikios könnten dafür sprechen, dass Ammonios die Einteilung entwickelt hat.90 Anzumerken ist, dass neben diesen ausführlichen Einteilungen der Philosophie weiterhin die kürzeren Schemata in Gebrauch sind: So kann Ammonios selbst im Zuge der Diskussion der Pronoia darauf hinweisen, dass dieses Problem »alle Teile« der Philosophie betrifft, und dann nur Ethik, Physik, Logik und Erste Philosophie bzw. Theologie (in dieser Reihenfolge) aufführen.91 Die Stellung und Einteilung der Logik Die Einführungen zur Logik sind in mehrfacher Hinsicht von besonderem Interesse: Zunächst einmal enthalten sie die ausdrücklichsten Stellungnahmen zur philosophischen Bedeutung des Aristoteles im alexandrinischen Schriftenkorpus: Alle Autoren betonen, dass Aristoteles das Feld der Syllogismen systematisch geordnet habe, obwohl die Syllogismen vorher, insbesondere von Platon, schon angewandt worden seien. Die Emphase schwankt dabei: Ammonios erwähnt das eher beiläufig,92 Philoponos führt Platons Benutzung der Syllogismen auf Themistios zurück.93 Olympiodor hingegen erwähnt, dass neben Platon auch andere bereits Syllogismen verwendet hätten, und betont ausdrücklich, dass Platon nicht geringer als Aristoteles einzuschätzen sei, bloß weil dieser die Regeln unabhängig von konkreten Fragen aufgestellt habe.94 Elias und David betonen hingegen, Aristoteles habe »als einziger der Menschen« (μόνος τῶν ἀνθρώπων) nicht einfach Schlüsse über die Dinge gezogen, sondern von ihnen Regeln abstrahiert bzw. eine »logische Fertigkeit« (τέχνη λογική) zusammengestellt, während die frühe88

  Dies ist mit περὶ τὰ ὑπὲρ τὴν σελήνην, ὡς τὰ οὐράνια σώματα καὶ ἡ περὶ τούτων ζήτησις (David [›Elias‹], In Categorias [CAG 18, 2, p.  115, 28 Busse]) offensichtlich gemeint; zu Simplikios und Alexander s. unten S. 1003. 89   Vgl. Philoponus, In Physica (CAG 16, p. 1, 16–2, 13 Vitelli) und unten S. 1084. 90   Vgl. unten S. 1003. 91   Ammonius, In De interpretatione (CAG 4, 5, p.  130, 27–131, 20 Busse). 92   Ammonius, In Analytica priora (CAG 4, 6, p.  2, 28–30; vgl. p.  2, 18–20 Wallies). 93   Philoponus, In Analytica priora (CAG 13, 2, p.  6, 14–18 Wallies). 94   Olympiodorus, In Categorias (CAG 12, 1, p.  17, 35–18, 12 Busse).

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ren Menschen (οἱ πρὶν ἄνθρωποι) auch gewusst hätten, was ein Beweis sei, und folglich richtig nachgedacht hätten. Hieran anschließend referieren beide ebenfalls Themistios.95 Diese unterschiedlichen Akzentsetzungen lassen eine Debatte im Umfeld der Kommentatoren als Hintergrund erkennen: Offensichtlich findet die Leistung des Aristoteles als Systematisierer der Logik teils so großen Anklang, dass der Rang Platons demgegenüber eigens betont werden muss. Die Kommentatoren stehen im Endeffekt alle zum Vorrang Platons, bei Elias lässt sich eine spezielle Hochachtung für Aristoteles aber mit Händen greifen. Bei den alexandrinischen Kommentatoren finden sich ferner regelmäßig Erörterungen der zunächst bei Alexander von Aphrodisias begegnenden Frage, ob die Logik ein Teil oder ein Werkzeug der Philosophie ist. Anders als bei Alexan­der wird neben diesen Positionen, welche den Stoikern (Teil) respektive den Peripatetikern (Werkzeug) zugewiesen werden, regelmäßig eine dritte Position heran­ gezogen, nämlich dass die Platoniker die Logik sowohl als Teil als auch als Werkzeug der Philosophie angesehen hätten. Dies ist die Position, die Ammonios, Philoponos, Olympiodor und David letztlich akzeptieren. Allerdings sehen sie die Bezeichnung ›Werkzeug‹ nur für die Logik im Sinne der bloßen Regeln (ψιλαὶ κάνονες), d. h. die aristotelische Logik, für gerechtfertigt an. Bei Platon, namentlich in der ontologisch zu verstehenden Dialektik des ›Parmenides‹, sei sie aber nicht ›nur‹ ein Werkzeug. Von den griechischen Kommentatoren scheint lediglich Elias in etwas unklarer Weise die Bezeichnung der Logik als Werkzeug letztlich zu übernehmen. Die Traktate sind stets sehr ähnlich strukturiert, indem zwei stoische und zwei peripatetische Argumente aus platonischer Warte zurückgewiesen und mehr oder weniger dieselben Platon-Stellen zitiert werden.96 Diese Tatsache deutet zusammen mit dem parallelen Bericht des Boethius an,97 dass die Kritik der peripatetischen Position Alexanders schon im früheren Neuplatonismus ausgearbeitet worden ist, und erklärt so, dass platonische Quellen die Logik regelmäßig als Teil der Philosophie nennen,98 während Ammonios sie auch einmal nur als ›Werkzeug‹ bezeichnet.99 Im Hintergrund steht wahrscheinlich Proklos’ Ansatz, 95

  Elias, In Analytica priora (136, 13–137, 3 Westerink); David, In Analytica priora (56, 3–18 Topchyan). David verwendet dasselbe Platon-Zitat wie Elias, doch scheint dies, ähnlich wie bei Elias, aber anders als in Topchyans Übersetzung, eher positiv konnotiert zu sein. Den Ausdruck τέχνη λογική verwendet David offenbar nicht. 96   Ammonius, In Analytica priora (CAG 4, 6, p.  8, 15–11, 21 Wallies); Philoponus, In Analytica priora (CAG 13, 2, p.  6, 19–9, 20 Wallies); Olympiodorus, In Categorias (CAG 12, 1, p.  14, 13–18, 12 Busse); David, In Analytica priora (46, 26–58, 13 Topchyan); Elias, In Analytica priora (134, 3–137, 3 Westerink). Zur ganzen Diskussion vgl. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 203–231. Zu Elias vgl. A. Topchyan, Remarks on David the Invincible’s ›Commentary on Aristotle’s Prior Analytics‹, in: Calzolari  /  Barnes (Hrsg.), L’œuvre de David l’Invincible, 119–135, hier 127–130. 97   S. unten S. 1067. 98   S. oben S. 757  f. 99   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  23, 23 f. Busse).

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die aristotelische Syllogistik in der (neu)platonischen Dialektik zu verorten, den Ammonios bei der Aristoteles-Interpretation weiterführt.100 Für die Entwicklung der Logik bedeutsam ist ihre Einteilung in einen Teil, der die beweisende Methode (ἀποδεικτικὴ μέθοδος) vorbereitet, einen, der sie darstellt, und einen, der mit falschen Schlüssen vertraut macht. Sie findet sich schon bei Ammonios: Weil der Syllogismus aus Aussagesätzen (πρότασεις) bestehe, diese aber wieder aus Begriffen (ὀνόματα) und Ausdrücken (ῥήματα), lehrten zunächst die ›Kategorien‹ die Begriffe und Ausdrücke, sodann die ›Hermeneutik‹ die Aussagesätze und schließlich die ›Analytica priora‹ den Syllogismus als solchen. »Die ›Analytica posteriora‹ aber lehrt uns die Methode selbst, d. h. den apodeiktischen Syllogismus«.101 Schließlich würden von Aristoteles in weiteren Schriften die Grundlagen der sophistischen Fehlschlüsse vorgestellt.102 Bei Johannes Philoponos, Elias und David werden als auf die ›Analytica posteriora‹ folgenden Schriften die ›Sophistikoi Elenchoi‹, die ›Topik‹ (dialektische Schlüsse), die ›Rhetorik‹ (rhetorische Argumente) und (bei Philoponos mit Zurückhaltung) die ›Poetik‹ (Hervorrufen von Vorstellungen) aufgezählt, so dass fünf Arten von Syllogismen angenommen werden,103 während Ammonios die ›Rhetorik› und ›­Poetik‹ nicht im strikten Sinn zur Logik rechnet und daher nur drei Arten von Syllogismen kennt.104 David wiederum scheint die ›Analytik‹ als eine Einheit zu verstehen, welche im Ganzen die Apodeiktik behandelt.105 Somit lässt sich aus den alexandrinischen Texten eine Rechtfertigung für die Konzentration auf die ›Eisagoge‹, die ›Kategorien,‹ die ›Hermeneutik‹ sowie die ›Analytica priora‹ gewinnen, die sich insbesondere in den gleichzeitigen Übersetzungen, aber auch in der handschriftlichen Überlieferung findet: Für viele Hörer bzw. Lehrplaner stellt offenbar das Erlernen bzw. die Vermittlung der Grundstrukturen der Begriffs- und Satzanalyse das wichtigste Ziel des philosophischen Unterrichts dar, während die daran anschließende Unterscheidung verschiedener Arten des Syllogismus als weniger wichtig erachtet wird. 100   Vgl. M. Schramm, Aristotelische Syllogistik und platonische Dialektik: Das LogikKonzept der alexandrinischen Aristoteles-Kommentatoren, in: B. Strobel (Hrsg.), Die Kunst der philosophischen Exegese, Berlin 2018, 247–275, hier 266–269. 101  Τὰ δὲ Δεύτερα ἀναλυτικὰ αὐτὴν ἡμᾶς διδάξει τὴν μέθοδον, τοῦτ’ ἔστι τὸν ἀποδεικτικὸν συλλογισμόν. Ammonius, In Analytica priora (CAG 4, 6, p.  5, 15 f. Busse). 102   Ammonius, In Categorias (CAG 4, 4, p.  5, 6–29 Busse). 103   Philoponus, In Categorias (CAG 13, 1, p.  5, 8–14 Busse); David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  119, 29–35 Busse); David, In Analytica priora (32, 10–34, 9; 40, 17–42, 16 Topchyan). Vgl. auch D. Black, Logic and Aristotle’s ›Rhetoric‹ and ›Poetics‹ in Medieval Arab Philosophy, Leiden 1990, 17–51; J. W. Watt, Sergius of Reshaina on the Prolegomena to Aristotelian Logic. The ›Commentary on the Categories‹, Chapter Two, in: Coda  /  Martini Bonadeo (Hrsg.), De l’antiquité tardive au Moyen Age, 31–55, hier 47 f. 104   Ammonius, In Analytica priora (CAG 4, 6, p.  11, 22–38 Wallies); vgl. David, In Analytica priora (34, 10–36, 15 Topchyan). 105   David, In Analytica priora (42, 17–28 Topchyan). Die gleiche Sicht findet sich offenbar auch bei Sergios von Rēšʿaynā, s. unten S. 1053  f.

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Das philosophische Curriculum Besondere Aufmerksamkeit erfährt in den Einleitungen die Reihenfolge des Studiums der aristotelischen Schriften. Hierbei greift man auf das peripatetische Ideal106 zurück, zuerst die aristotelische Logik und dann die ›Nikomachische Ethik‹ zu lesen, die aufgrund ihrer syllogistisch-technischen Struktur eine vorherige Behandlung der Logik voraussetze. Zugleich verlangen die Kommentatoren, dass Ethik sowohl vor als auch nach Aristoteles’ Organon studiert werden soll, was historisch gesehen einen Rückgriff auf die pythagoreische Tradition eines nichttechnischen Ethikstudiums als Einstieg in die Philosophie darstellt.107 Ilsetraut Hadot hat gezeigt, dass schon Hierokles’ Kommentar zum pythagoreischen ›Carmen aureum‹, aber auch Simplikios’ ›Epiktet-Kommentar‹ vor diesem Hintergrund zu verstehen sind,108 was wiederum zeigt, dass die systematischen Darstellungen des Studiums bei den Autoren des 6. Jahrhunderts frühere Traditionen nur fortführen.

Philosophie und Religion In den Alexandriner Texten ist die Nähe der Philosophie zur griechischen Religion weiter präsent. So erklärt Ammonios die schwierigen Stellen der aristotelischen Schriften durch einen Vergleich mit den Bedeckungen (περιπετάσματα) des Heiligen, die den Zutritt Uneingeweihter verhinderten.109 Auch die späteren Schulautoren tradieren – von Philoponos abgesehen – die überkommenen Formulierungen und Theorieelemente auch dann treu weiter, wenn sie dem Christentum zu widersprechen scheinen, und lehnen sie nirgends aus religiösen Gründen ab. Am weitesten geht, wie L. G. Westerink gezeigt hat,110 der Hellene Olympiodor: Wenn die Rede auf pagane Götternamen kommt, gibt er sich durch das Wort ›wir‹ seinen Hörern explizit als jemand zu erkennen, der wie Platon diese Namen verwendet.111 Er bejaht ohne Kautelen philosophische Positionen, die für den Christen kritisch sind, wie die Ewigkeit der Welt oder die Ablehnung einer ewigen Bestrafung der Seelen, die er sogar ganz dezidiert betont.112 Ferner spricht er, ähnlich 106

  S. oben S.  563  f.   Ammonius, In Categorias (CAG 4, 4, p.  5, 31–6, 8 Busse); Philoponus, In Categorias (p.  5, 15–33 Busse); ebenso Simplicius, In Categorias (CAG 8, p.  5, 3–6, 5 Kalbfleisch); weiteres bei Hadot, Simplicius, ›Commentaire sur le Manuel‹, 51. 108   Hadot, Le problème du néoplatonisme, v. a. 189–192; Hadot, ›Commentaire sur le Manuel‹, 51–60. 109   Ammonius, In Categorias (CAG 4, 4, p.  7, 7–14 Busse). 110   Westerink, The Alexandrian Commentators, 331–333. 111   Olympiodorus, In Gorgiam (32, 16 f.; 244, 15 Westerink). 112   Ewigkeit der Welt: v. a. Olympiodorus, In Meteorologica (CAG 12, 2, p.  118, 16–30 Stüve). Ablehnung einer ewigen Strafe: Olympiodorus, In Gorgiam (263, 14–25 Westerink). Weitere Belege: Westerink, The Alexandrian Commentators, 333 f. 107

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wie in Proklos’ ›Timaios-Kommentar‹, die komplette neuplatonische Seins- und Götterkette durch113 und erläutert, die Philosophen hielten zwar keine Steine für göttlich, bemühten sich aber, durch deren Betrachtung und Verehrung zum Göttlichen zu gelangen.114 Gerade an diesem Punkt ist allerdings die rhetorische Strategie auffällig: Einerseits betont Olympiodor, analog zum Monotheismus, die Annahme eines ersten Prinzips durch die Philosophen115 – und demonstriert somit gegenüber möglichen christlichen Hörern Einheit in der Sache –, andererseits erklärt er die polytheistischen Formulierungen als Chiffren für einen bestimmten sachlichen Gehalt, z. B. für bestimmte Momente des notwendig anzunehmenden Prozesses der Entstehung der Welt aus der ersten Ursache: So stehe z. B. der Göttername Kronos für einen »jungfräulichen Intellekt« (κόρος νοῦς), womit, entsprechend dem Wort für ›Mädchen‹ (κόρη), die jungfräuliche Reinheit dieses Prinzips gemeint sei.116 Deutet schon der Verweis auf die Jungfräulichkeit auf eine Hermeneutik für Christen, so wird dies noch deutlicher, wenn Olympiodor seinen Hörern, entsprechend der bis Philon zurückreichenden monotheistischen Platon-Deutung, anbietet, die hier gemeinten »Denk- und Lebenskräfte« (νοεραὶ καὶ ζωτικαὶ δυνάμεις) zum besseren Verständnis im ersten Prinzip zu verorten.117 Olympiodor betont also nicht durchweg die religiösen Implikationen des philosophischen Sprachgebrauchs, sondern rationalisiert diese, indem er sie als Teil einer letztlich mystagogischen Praxis verständlich macht, die auch für christliche Hörer nachvollziehbar sein kann (und in der Tat von Pseudo-Dionysios in analoger Weise anhand christlicher Symbolik verdeutlicht wird). Am deutlichsten wird er bezeichnenderweise bei der Ablehnung einer ewigen Bestrafung, wo aber weniger die religiösen Implikationen als die sachlichen Vorzüge seiner Position betont werden. In den überlieferten – thematisch nicht immer sehr ergiebigen – Werken der christlichen Autoren ändert sich die sachliche Darstellung kaum, doch unter Umständen die persönliche Stellungnahme des Autors, die jedenfalls bei Stephanos deutlich zurückhaltender ausfällt.118 So schreibt er die Annahme der Ewigkeit der Welt, die er aufgrund ihrer Notwendigkeit zur Erklärung des aristotelischen Textes erwähnt, »manchen« bzw. »Aristoteles« zu,119 während David sich ganz offen zu ihr bekennt.120 Die Präexistenz der Seele gibt als bekannte philosophische Lehre

113

  Olympiodorus, In Gorgiam (243, 16–246, 12 Westerink).   Olympiodorus, In Gorgiam (246, 7–12 Westerink). 115   Olympiodorus, In Gorgiam (32, 16–33, 15; 243, 16–24 Westerink). 116   Olympiodorus, In Gorgiam (244, 15–18 Westerink). 117   Olympiodorus, In Gorgiam (244, 8–15 Westerink). Vgl. zu diesen Überlegungen auch Tarrant, Forgetting Procline Theology, 43–45. 118   Belege und Diskussion bei Charlton, ›Philoponus‹. On Aristotle On the Soul, 11 f.; vgl. auch Westerink, The Alexandrian Commentators, 340 f. 119   Stephanus (›Philoponus‹), In De anima (CAG 15, p.  540, 25–28 Hayduck). 120   David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  120, 16–18 Busse). 114

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den Anlass, ein aus Aristoteles’ Text resultierendes Problem zu diskutieren.121 An zwei Stellen bei Elias ist die Rede »von den falschen Mythen der Griechen« überliefert, aber vom Editor, vielleicht zu Recht, getilgt worden.122 Stephanos verfolgt an zwei Stellen oberflächlich die Strategie, die sachliche Einheit von Platonismus und Christentum zu behaupten: So spricht er sich für eine sachliche Identität der platonischen Gotteslehre und der »seligen Lehren« im Hinblick darauf aus, dass Gott und die Vorsehung noch höherrangiger sind als der Geist (νοῦς).123 Auf ähnliche Weise schlägt er neben der wörtlichen Deutung des Satzes ›Gott »sprach und es geschah« (εἶπε καὶ ἐγένετο)‹ auch vor, ihn als Ausdruck der ewigen Aktivität des göttlichen Geistes zu verstehen,124 was man auch im christlichen Sinne verstehen kann. Insgesamt belegen diese Beispiele, wie die Alexandriner die traditionellen philosophischen Inhalte weitergeben, indem sie vorsichtig-vermittelnde Formulierungen wählen, wenn es um aus christlicher Sicht problematische Punkte geht. Bei all dem gilt es zu bedenken, dass diese Haltung zu christlichen Inhalten nicht zuletzt der Gattungskonvention und Lehrpraxis geschuldet ist. Stephanos und Elias werden jedenfalls auch in der christlichen Sammlung ›Lehre der Väter‹ (›Doctrina patrum‹) mit eindeutiger christlichen Aussagen zitiert.125

Verhältnis der Philosophie zu Politik und Rhetorik Die Herausstellung der politischen Aktivität des Philosophen ergibt sich bereits daraus, dass neben den theoretischen auch praktische Aktivitäten Gottes, wie insbesondere die Vorsehung für die Untergebenen, Teil des Ähnlichwerdens mit Gott sind, so dass »der politische Philosoph Recht spricht und Gesetze gibt«.126 Hier deutet sich eine gewisse Aufwertung der politischen Dimension des Philosophiebegriffs an, die sich auch darin äußert, dass für Elias und David Rechtsprechung und Gesetzgebung die Inhalte jeglicher praktischen Philosophie ausmachen;127 all dies dürfte letztlich damit zusammenhängen, dass hier Unterrichtsveranstaltungen für Anfänger wiedergegeben werden, vor denen eher eine für Christen wie Hellenen akzeptable Philosophie vertreten wird, ohne in die Feinheiten des Neuplatonismus einzuführen. Genauere Ausführungen zur politischen Aktivität und ihren Grenzen sind im Kommentar des Olympiodor zum ›Gorgias‹ erhalten: Der wahre Politiker zeichne sich dadurch aus, keine Wahrheit zu verschweigen, auch wenn sie bitter sei, was ihn 121

  Stephanus (›Philoponus‹), In De anima (CAG 15, p.  541, 24–542, 1 Hayduck).   Am klarsten ist Elias, In Eisagogen (CAG 18, 1, p.  11, 35–12, 2 Busse); vgl. weiterhin, Westerink, The Alexandrian Commentators, 339. 123   Stephanus (›Philoponus‹), In De anima (CAG 15, p.  527, 29–32 Hayduck). 124   Stephanus (›Philoponus‹), In De anima (CAG 15, p.  547, 11–14 Hayduck). 125   Vgl. Roueché, A Philosophical Portrait, 547–549. 126   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  3, 18 f. Busse). 127   Vgl. oben S. 774. 122

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in die Nähe des Aristokraten, nicht des Demokraten stelle.128 Er sei somit nicht nur vom Schmeichler zu unterscheiden, sondern auch von einem dienenden Politiker, der sich bemühe, den Untergebenen zu Gefallen zu sein.129 Dem wahren Politiker sei auch die wahre Rhetorik zuzuordnen, die einerseits um die Gründe für eine Aussage wisse – wenn auch nicht so gründlich wie der Politiker – und andererseits dem Politiker dabei helfe, seine Botschaft adressatengerecht zu vermitteln. Alle Rhetorik, die anderes tue, werde fälschlicherweise so bezeichnet.130 Diese dezidierten, an den ›Gorgias‹ anschließenden Aussagen werden von Olympiodor, in bemerkenswerter Ähnlichkeit mit Simplikios’ Aussagen zu Epiktet, eingeschränkt: Der politische Philosoph, der die Menschen nicht fliehe, sondern die würdigen Bürger »orchestriere« (ῥυθμίζει), ziehe sich in ungerechten Staaten zurück und baue gleichsam eine Mauer um sich, zumal deren Herrscher in ihrem Verhalten an wilde Tiere erinnerten.131 Der Hellene Olympiodor empfindet demnach die Grenzen, die einem philosophischen Leben in seiner Zeit gesetzt waren, als sehr deutliche, ungerechte Einschränkung.

Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften Die interdisziplinäre Verortung, die schon aufgrund des multidisziplinären alexan­ drinischen Schulbetriebs naheliegen muss, zeigt sich an den teils viele Disziplinen berührenden Interessen der Lehrer selbst: Auf Ammonios gehen zwei Kommentare zur ›Einführung in die Arithmetik‹ des Nikomachos von Gerasa zurück, von denen der eine von Philoponos bearbeitet ist. Von Eutokios sind mehrere mathematische Schriften, u. a. zur Geometrie, erhalten.132 Stephanos und Pseudo-Elias sind – ebenso wie die Syrer Sergios von Rēšʿaynā sowie Proḇā – Philosoph und Arzt. Damit zeigt sich im alexandrinischen Schulbetrieb und seinen Absolventen bereits der Typ des gebildeten Mannes, der aristotelische Philosophie mit einer medizinischen Kompetenz verbindet, so wie es später namentlich für den arabischen Raum typisch wird, wo so bedeutende Denker wie al-Fārābī, Ibn Sīnā und Abū Zakarīyā ar-Rāzī diese beiden Disziplinen kombinieren. Wie diese interdisziplinäre Perspektive philosophisch thematisiert wird, zeigt sich in Ammonios’ ausführlicher Erörterung der Philosophie als »Fertigkeit der Fertigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften«. Diese Definition, die sich nicht harmonisch an die platonisch akzentuierte Idee der Philosophie als Ähn128

  Olympiodorus, In Gorgiam (165, 9–19; 166, 27–167, 18 Westerink).   Olympiodorus, In Gorgiam (165, 25–166, 27 Westerink). 130   Olympiodorus, In Gorgiam (14, 22–15, 18; 18, 19–19, 14 Westerink). 131   Olympiodorus, In Gorgiam (143, 6–12; 165, 19–23; 208, 2–6 Westerink). Vgl. D. J. O’Meara, Vie politique et divinization dans la Philosophie neoplatonicienne, in: M.-O. Goulet-Cazé  /  G. Madec  /  D. O’Brien (Hrsg.), ΣΟΦΙΗΣ ΜΑΙΗΤΟΡΕΣ. ›Chercheurs de sagesse‹. Hommage à Jean Pépin, Paris 1992, 501–510, hier 508 f. 132   Vgl. Schramm, Ammonios Hermeiou, 2010 f.; Helmig, Eutokios von Askalon, 2109 f. 129

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lichwerden mit Gott anschließt, gibt dem Kommentator die Gelegenheit, gleich zu Beginn des Kurses das Verhältnis der Philosophie zu den Einzelwissenschaften zu erklären: Der Geometrie gebe sie Prinzipien in Form von Allgemeinbegriffen; der Medizin in Form der vier Elemente; der Rhetorik in Form von Syllogismus und Deduktion (ἐπαγωγή), in Analogie zu denen das Enthymem und das Beispiel (παράδειγμα) gebildet worden seien. Der Grammatik gebe sie den Rhythmus (τόνους καὶ χρόνους), die aus der Musik, einem Teil der Philosophie, entnommen seien.133 Ähnliches wird für die allgemeinen Fertigkeiten angenommen, indem die Grundbegriffe der Architektur und des Handwerks aus der Geometrie, verstanden als Teil der Philosophie, abgeleitet werden.134 An anderer Stelle wird das Verhältnis der Philosophie zu den genannten »Lehrgebieten« (τὰ μαθήματα), d. h. dem Quadrivium aus Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie, so erläutert, dass diese als Vorbereitung des Philosophiestudiums zu erlernen seien. Hierzu wird sich auf Pythagoras, Platon und Plotin berufen.135 Es ist deutlich, dass hier ohne weitere Vertiefung Aussagen verschiedener Provenienz gesammelt sind, die aber insgesamt dem Ziel dienen, die Stellung der Philosophie im Wissenschaftskosmos zu begründen. Auf diese Weise gewinnt das Verständnis der Philosophie als spezifischer Wissensdisziplin erkennbar an Bedeutung.

Würdigung Die philosophiehistorische Bedeutung der Alexandriner Schule liegt insbesondere darin, der arabischen Philosophie und, indirekt, dem Denken im lateinischen Mittelalter wesentliche Fundamente der Aristoteles-Auslegung zu liefern. Im Folgenden wird zudem argumentiert, dass sie der Ausgangspunkt sowohl für die Aristoteles-Rezeption in Athen (Damaskios, Simplikios, Priskian) als auch für die christliche Rezeption, vor allem bei den Syrern, darstellt. Beide Positionen schließen natürlich ganz unterschiedlich an das alexandrinische Vorbild an. Die Grundlage hierfür liegt, nach den hier gesammelten Beobachtungen, darin, dass 1. Ammonios ein bemerkenswertes Aristoteles-Interesse besitzt; 2. die Alexandriner vor allem Lehrer der Philosophie sind, welche dasjenige von der philosophischen Überlieferung weitergeben, was auf das größte Interesse stößt, d. h. zu ihrer Zeit vor allem die aristotelische Logik und Naturphilosophie; 3. sich die Arbeit an Aristoteles im interdisziplinären Kontext Alexandriens weiterentwickelt und sich somit der Fokus weg von einer platonischen Metaphysik verschiebt. Die insbesondere von Ilsetraut Hadot und Koenraad Verrycken aufgewiesene fundamentale Übereinstimmung der Alexandriner mit dem Athener Neuplatonismus erklärt in diesem Gesamtbild, dass die Aristoteles-Interpretation weiter133

  Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  7, 14–8, 24 Busse).   Ammonius, In Eisagogen (CAG 4, 3, p.  8, 24–9, 6 Busse). 135   Asclepius, In Nicomachum (24, 49–25, 62 Tarán); Philoponus, In Nicomachum 1, 1 (107, 43–108, 75 Giardina). 134

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hin vom Neuplatonismus bestimmt ist. Die Wirkung der Alexandriner Deutungen dürfte jedoch nicht zuletzt darin begründet sein, dass diese die platonische Dogmatik nicht in den Mittelpunkt rücken oder sie in einer Weise formulieren, die auch für ihre christlichen Hörer akzeptabel klingt. Indem die Alexandriner im Übrigen die wissenschaftsfundierende Funktion der Philosophie betonen, werden sie zu Wegbereitern dessen, was man den »zweiten Anfang der Philosophie« genannt hat136 – wobei die hiermit gemeinte Verwissenschaftlichung natürlich auch eine einseitige Deutung des antiken Erbes impliziert.

2. »Die Blüte der Philosophen unserer Zeit«: Die neuplatonische Schule von Athen vom Tod des Proklos bis zu ihrer Schließung Allgemeines  /  Historischer Überblick Die Athener Schule bleibt nach dem Tod des Proklos ein dezidiert hellenisches intellektuelles Zentrum und führt die neuplatonische Tradition in ihren wesentlichen Zügen unverändert fort. Allerdings gelingt es den zunächst kurzfristig amtierenden Nachfolgern des Proklos als Leiter der Schule (διάδοχος) – sein Biograph Marinos, der Alexandriner Philosoph Isidoros und wohl auch ein Zenodotos, zu dem wir nur wenige Informationen haben – nicht, das Ansehen der Schule voll zu erhalten.137 Unter dem nächsten Leiter Hegias gewinnen offenbar theurgische Tendenzen besonders große Bedeutung, während die philosophisch-argumentative Arbeit zurücktritt. Hiergegen schreitet nach dem Zeugnis des Damaskios insbesondere Isidoros ein, der aus Alexandrien nach Athen kommt, aber nach nur kurzem Aufenthalt dort in seine Heimatstadt zurückkehrt.138 Neue Bedeutung erhält die Schule, als mit Damaskios wieder eine bedeutende Persönlichkeit ihre Leitung übernimmt. Um 460 wohl in Damaskus geboren,139 136

  Vgl. L. Honnefelder, Was ist Wirklichkeit? Zur Grundfrage der Metaphysik, Paderborn 2016, 195–216. 137   Drastisch festgehalten von Aeneas Gazaeus, Theophrastus (4, 5–12 Colonna). Vgl. Cameron, The Last Days, 27; Caluori  /  Ritter, Überblick, 1862 f.; E. J. Watts, City and School in Late Antique Athens and Alexandria, Berkeley  /  London 2006, 118–121, v. a. zu politischen Rahmenbedingungen. 138   Damascius, Vita Isidori, epit. 221; frg.  351; epit. 228–230 (284, 8 f.; 285, 7–287, 15; 296, 1–6 Zintzen); vgl. Di Branco, La città dei filosofi, 163–178, mit detaillierter Diskussion der Evidenz; Watts, City and School, 121–125; M. Schramm, Isidoros, in: GGPh 5, 3 (2018), 1982–1986, hier 1983 f. 139   Zu Damaskios vgl. allgemein D. Caluori, Damaskios, in: GGPh 5, 3 (2018), 1987–2002. Da es kein Zeugnis zu seinem Geburtsjahr gibt, sind 458 oder besonders 465 beliebte Kandidaten: L. G. Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2. Damascius, Amsterdam 1977, 7; J. Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1. De l’ineffable et l’un. Texte établi par L. G. Westerink et traduit par J. Combès, Paris 1986, IX–XI.

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studiert er zunächst Rhetorik in Alexandrien und lehrt sie wohl in Athen.140 In Alexandrien steht er bereits den Philosophie-affinen und durch viele Familienbande verbundenen Zirkeln nahe, zu denen neben Hermeias’ Witwe Aidesia Ammonios und sein Bruder Heliodoros gehören.141 In Athen bitten ihn offenbar die Leiter der dortigen Philosophenschule, einem Wunsch des Proklos entsprechend Isidoros als Nachfolger des Marinos zu gewinnen.142 Dieser Kontakt zu philosophisch interessierten Personen trägt sicher dazu bei, dass sich Damaskios, in dieser Hinsicht Augustinus nicht unähnlich, vielleicht um 492 selbst der Philosophie zuwendet Nach seinen eigenen Angaben tut er dies, da ihn die äußerliche Beschäftigung mit der Rhetorik von der Sorge um seine Seele abgehalten habe.143 Diese Bekehrung veranlasst ihn offenbar, nach Alexandrien zurückzukehren, um bei Ammonios und Heliodoros Philosophie zu studieren, nachdem zuvor schon Isidoros dorthin zurückgekehrt ist.144 Gegen den durch diesen Weggang wohl verstärkt prekären Zustand der Athener Schule etabliert Damaskios, nachdem er, wiederum zu einem unbekannten Zeitpunkt, deren Leiter geworden ist,145 das jamblicheische Curriculum mit Studien zu Platon und Aristoteles von Neuem.146 Anscheinend zum letzten Mal in der Antike wird so eine Philosophie gelehrt, die auf das Studium Platons ausgerichtet ist. In seiner nur teilweise rekonstruierbaren ›Vita des Isidoros‹ (›Vita Isidori‹) schildert Damaskios nicht nur den Werdegang dieses Philosophen, sondern stellt auch programmatisch seine eigene Motivation vor, die Philosophie, auch im Verbund mit der Theurgie, wieder aufzuwerten.147 Da er auch auf viele Zeitumstände (meist kritisch) eingeht, erlaubt das Werk, das gelegentlich auch als ›Philosophengeschichte‹ (φιλόσοφος ἱστορία) zitiert wird,148 einen Blick in die historische Si140

  Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 7 f.; Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, X. 141   Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 7; Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, XI–XIII. 142   Vgl. Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 8; Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, XVI; die Quellen sind lückenhaft: Vita Isidori, epit. 194; 209 f. (270, 4–5; 280, 5–8 Zintzen). 143   Damascius, Vita Isidori, epit. 201 (p.  274, 10–14 Zintzen). Vgl. Caluori, Damascius, 287 f. Zum unsicheren Datum dieser Bekehrung Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, XIII. 144   Vgl. Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 8 f.; Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ I, XI–XIII, stellen Isidoros’ und Damascius’ Rückkehr nach Athen in einen Zusammenhang, was freilich mit dem von ihnen angenommenen Bekehrungsdatum des Damascius zur Philosophie um 492 nicht leicht zu vereinbaren ist. 145   Streng genommen könnte man sogar die Evidenz dafür hinterfragen, ob Damascius überhaupt je offizieller Leiter war: Hoffmann, Damascius, 556. 146   Hoffmann, Damascius, 555. 147   Offenbar unter Umständen in Projektion auf die Person des Isidoros: Vita Isidori, epit. 227; 230 (292, 6–11; 296, 5 f. Zintzen). 148   Unter diesem Titel ist von Polymnia Athanassiadi eine Rekonstruktion des Textes an

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tuierung der Philosophen um 500. Nicht zuletzt zeigt es deren Bedrängnis durch die Christen und das Bemühen, weiter am politischen Leben teilzuhaben, was die Philosophen in die Nähe der letzten heidnischen Oppositionsbemühungen rückt. Vor dem Hintergrund der unter Damaskios wieder auflebenden Aktivität der Athener Schule ist wohl auch deren um 529 stattfindende Schließung auf Befehl Justinians zu verstehen, über die direkt lediglich vom Historiker Johannes Ma­ lalas berichtet wird: Hier solle weder Philosophie noch Astronomie – nach einer anderen Handschrift Recht – gelehrt werden.149 Wie der Historiker Agathias berichtet, ziehen, wohl als Reaktion hierauf, Damaskios, Simplikios, Priskian von Lydien und vier weitere Philosophen zum Perserkönig Ḫusro III., der 531 den Thron der Sassaniden besteigt und dem großes Interesse an der Philosophie nachgesagt wird.150 Dieses Interesse kann jedoch in den Augen des Berichterstatters nichts daran ändern, dass die vom König geduldeten lockeren Sitten am Perserhof den Philosophen so missfallen, dass sie lieber im römischen Reich sterben als im persischen leben wollen. Trotz dieser kritischen Perspektive von Agathias’ Bericht könnte die von ihm berichtete Überlegung der Philosophen, Platons positive Äußerungen zur persischen Monarchie ließen sich auf Ḫusro übertragen, deren eigene Perspektive wiedergeben.151 In der Forschung wird die Reise nach Persien unterschiedlich gedeutet, u. a. als eine traditionelle ›Philosophenreise‹, die durchaus mit einer Rückkehr nach Athen enden soll.152 Obwohl von einer Rückkehr der Philosophen ins byzantinische Reich auszugehen ist (Damaskios scheint 538 in Syrien zu leben), dürfte die philosophische Lehraktivität in Athen jedenfalls mit dieser Reise enden,153 und damit auch die Geschichte der neuplatonischen Schule als Institution an diesem Ort.154

diesem Ort in einer Spalte veröffentlicht worden (Damascius, The Philosophical History). Vgl. Caluori, Damascius, 1990. 149   Ioannes Malalas, Chronicon, 18, 47. Vgl. Watts, City and School, 128–138, mit Überlegungen zu den historischen Hintergründen. 150   Vgl. unten S.  1079  f. 151   Agathias, Historien 2, 30, 3 (80, 12–15 Keydell). Zur Quelle vgl. Hoffmann, Damascius, 560. 152   Vgl. dazu die Darstellung der Mission des Jamblich-Schülers Eustathios bei Eunapius, Vitae sophistarum 6, 5, 5–10 (26, 9–27, 10 Giangrande) sowie M. Becker, Eunapius aus Sardes. Biographien über Philosophen und Sophisten. Einleitung, Übersetzung, Kommentar, Stuttgart 2013, 278–285. Zur umfangreichen Literatur zu dieser Reise gehört z. B. Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, XXI–XXIII; Cameron, The Last Days, 13–15; Hoffmann, Damascius, 559–563; weiteres bei Hartmann, Der spätantike Philosoph 2, 897–920. 153   Vgl. Hoffmann, Damascius, 559; Caluori, Damascius, 1988; Baltussen, Simplikios, 2060 f. 154   Möglicherweise gab es das Vermögen der Schule als solches noch bis in die 560er Jahre: Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 9; Cameron, The Last Days, 24 f. vermutet sogar, es habe noch Lehre stattgefunden; kritisch dazu z. B. Hoffmann, Damascius, 550.

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Eine bedeutende literarische Aktivität entfalten auch zwei Begleiter des Damaskios auf der Reise nach Persien, Simplikios, der Ammonios als seinen Lehrer (καθηγέμων) bezeichnet,155 und Priskian.156 Während Priskian und Simplikios möglicherweise bereits vor dieser Reise erste Werke verfassen,157 zeigt Simplikios’ Polemik gegen die anti-aristotelischen Argumente des Philoponos, dass jedenfalls dessen große Aristoteles-Kommentare nach der Rückkehr an einem unbekannten Ort entstehen.158

Philosophische Aktivität Die philosophische Aktivität der letzten Athener Neuplatoniker steht fest in der neuplatonischen Tradition. Die trotzdem bei Damaskios, Simplikios und Priskian neu feststellbare Dynamik ergibt sich z. T. daraus, dass von ihnen Jamblich als Auto­rität hochgeschätzt wird. Folglich treten im Vergleich zum Werk des Proklos, der Jamblich vermittelt durch Syrian rezipiert, andere Aspekte in den Vordergrund.159 Diese Tendenz ist möglicherweise bis auf Isidoros zurückzuführen, für den Damaskios auch ein Interesse an Aristoteles’ Metaphysik (bzw. ›Theologie‹) bezeugt, das er aber bald zugunsten Platons aufgegeben habe.160 Damaskios’ Kommentierungstätigkeit gilt vor allen Dingen Platon, wie seine teilweise erhaltenen Auslegungen zu ›Phaidon‹, ›Philebos‹ und ›Parmenides‹ bestätigen.161 Stets ist hier die Auslegung des Proklos zu den einzelnen Stellen der Ausgangspunkt, dem eigene Bemerkungen angefügt werden, häufig ohne die Position des Meisters wesentlich zu verändern.162 In der Auseinandersetzung mit dem platonischen ›Parmenides‹ übersteigt Damaskios, der hierzu eine eigene Monographie über die Prinzipien verfasst, noch den Gedanken des Einen hin zu einem ›nicht mehr Sagbaren‹ (τὸ ἀπόρρητον) – »ich weiß nicht, wie ich es nennen soll«, 155   Simplicius, In Physica (CAG 10, p.  1363, 8 f. Diels). Zu Simplikios vgl. Baltussen, Simplikios, 2060–2084. 156   Es ist naheliegend, aber nicht sicher, dass sie Schüler des Damaskios sind: Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, XXVI–LXXII. Zu Priskianos vgl. Ch. Helmig  /  C. Steel, Priskianos Lydos, in: GGPh 5, 3 (2018), 2112–2118, hier 2113. 157   So für Simplikios Baltussen, Simplikios, 2060; für Priskian jedenfalls M. Perkams, Priscian of Lydia. Commentator on the ›De anima‹ in the Tradition of Iamblichus, in: Mnemosyne 58 (2005), 510–530, hier 527 f., anders Helmig  /  Steel, Priskianos Lydos, 2113. 158   Zur sogennnten Ḥarrān-Hypothese vgl. oben S. 955. 159   Zu Damaskios: Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  795, 15–17 Diels); vgl. ferner Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima, praef. (CAG 11, p.  1, 10–15 Hayduck) sowie Simplicius, In Categorias (CAG 8, p.  3, 2–4 Kalbfleisch). 160   Damascius, Vita Isidori, epit. 33–36; frg.  77 (58, 1–60, 6; 61, 12–15 Zintzen). 161   Werklisten des Damascius finden sich bei Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 9–15; Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ I, XXVI– LXXII; Hoffmann, Damascius, 564–493. 162   Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 10 f.

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sagt er selbst –, demgegenüber lediglich Schweigen möglich wird;163 in dieser Einführung einer weiteren Ebene totaler Transzendenz ist aber nicht eine Auflösung des neuplatonischen Systems, sondern eine konsequente Entfaltung von dessen dialektischer Gedankenführung zu sehen, die auch einen mystischen Aspekt aufweist.164 Seine philosophische Originalität und Selbständigkeit zeigt Damaskios auch sonst in seinen teilweise erhaltenen Monographien, u. a. zu Zahl, Ort und Zeit, die er als »zusammenführende Maße« (μέτρα συναγωγά) von Menge, Lage und Bewegung beschreibt.165 Sie ist Teil einer Auseinandersetzung mit Aristoteles, über deren Umfang wir allerdings nur unsichere Informationen haben.166 Bei Simplikios und wohl auch Priskian ist hingegen ein Fokus auf Aristoteles feststellbar. Ihre Arbeiten hierzu weisen im Hinblick auf das verwendete Material und die vertretenen Positionen große Ähnlichkeit mit den Alexandriner Kommentaren auf, was sich letztlich daraus ergibt, dass sie auf dieselbe einheitliche Auslegungstradition rekurrieren. Im Hinblick auf literarische Abhängigkeit hat Concetta Luna für die Erklärung des ersten Kapitels der aristotelischen ›Kategorien‹ gezeigt, dass Simplikios vor allem Porphyrios als direkte Quelle nutzt, während er Ammonios’ Kommentar nicht direkt heranzuziehen scheint. Ein indirekter Einfluss des Jamblich ist gut möglich, aber aufgrund des Verlustes von dessen Kommentar nicht nachweisbar. Inhaltliche Unterschiede folgen allerdings aus diesen Entscheidungen nur bedingt.167 Spezifische Interessen der Athener Kommentatoren zeigen sich im Übrigen an den Themen ihrer Schriften, die unter den zeitgenössischen alexandrinischen Werken nur teilweise Parallelen aufweisen: Simplikios selbst kommentiert Aristoteles’ ›Kategorien‹, ›Physik‹ und ›De caelo‹ sowie Epiktets ›Handbüchlein‹ (›Encheiridion‹), Priskian beschäftigt sich mit Theophrasts ›Physik‹ und wohl auch mit der aristotelischen ›Physik‹ und der ›Metaphysik‹,168 wie der ihm offenbar zuzuschreibende ›De anima-Kommentar‹ bezeugt, dessen eigenständige Ausarbeitung der neuplatonischen Seelenlehre Ähnlichkeiten zu der Arbeitsweise des Damas163

  Damascius, De principiis (1 , p. 9, 1–11, 16 Westerink  /  Combès).   Combès, in: Damascius, ›Traité des premiers principes‹ 1, XXVI–LXXII. Vgl. Westerink, The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 2, 14 f. und, für eine sehr klare Interpretation, Gh. Pascalau, Das Absolute »jenseits des Unsagbaren«, in: E. Plevrakis  /  M. Rohstock (Hrsg.), Grundlegung des Absoluten? Paradigmen aus der Geschichte der Metaphysik, Heidelberg 2019, 117–146. 165   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  625, 27–32; 644, 36–645, 4 Diels). Vgl. Combès, in: Damascius. Traité des premiers principes 1, XLII–XLVI. 166   Vgl. dazu im Detail Hoffmann, Damascius, 577–579. 167   Vgl. Luna, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories‹. Chapitre 2–4, 127–147. 168   Die Zuweisung des wohl kaum zu Recht unter Simplikios’ Namen überlieferten ›De anima-Kommentars‹ an Priskian ergibt sich aus Eigenheiten in Stil, Vorgehensweise und inhaltlichen Nuancen sowie aus einem identifizierbaren Querverweis im ›De-animaKommentar‹, der Priskians ›Theophrast-Metaphrase‹ als eigenes Werk kennzeichnet. Der ›De anima‹-Kommentator hat nach eigenen Informationen auch verlorene Kommentare zu ›Physik‹ und ›Metaphysik‹ verfasst: Vgl. Perkams, Priscian of Lydia, mit älterer Literatur. 164

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kios, aber auch eigenständige Züge aufweist; in jedem Fall gehört er neben Plotin zu den interessantesten Ausarbeitungen der neuplatonischen Seelenlehre.169 Die Frage, ob sie sich inhaltlich von Damaskios und den übrigen Werken des Simplikios unterscheidet, wird in der Forschung verschieden beantwortet. Bei Simplikios und Priskian fällt jedenfalls auf, dass die spezielle Behandlung der Seele als mittleres und strukturell veränderliches Wesen mit der scharfen Differenzierung von deren verschiedenen Stufen zusammenhängt, bei der insbesondere die vom Körper gelöste Seele, wie schon bei Plotin, der wahre ›Mensch‹ (ἄνθρωπος) bzw. das höhere ›Selbst‹ (οἱ κρείττονες ἡμεῖς) ist.170 Gerade der Kommentar Priskians erklärt hierbei, wie diese Unterscheidung aufgrund der steten Veränderlichkeit der Seelensubstanz mit der empfundenen Einheit unseres Seelenlebens zu vereinen ist.171 Doch kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um verschiedene Ausarbeitungen des als systematische Einheit empfundenen neuplatonischen Systems handelt.172 Bei den Kommentaren von Simplikios und Priskian handelt es sich im Unterschied zum Großteil der alexandrinischen Produktion nicht um ausgearbeitete Vorlesungsmitschriften, sondern um schriftlich abgefasste Werke,173 die jeweils inhaltlich eine klare Zielsetzung aufweisen. Während Priskian im ›De anima-Kommentar‹ danach strebt, die Übereinstimmung des aristotelischen Textes mit der wahren Theorie Jamblichs herauszuarbeiten,174 setzt sich Simplikios, neben einem besseren Verständnis und einer klareren Erklärung des Textes, das Ziel, »die große Masse der vielförmigen Schriften irgendwie auf ein kleineres Maß zu verringern, aber nicht so wie der sehr philosophische Syrian auf ein ganz kleines, sondern so, dass, soweit es möglich ist, nichts Notwendiges ausgelassen wird«.175 169

  Vgl. zu diesem Kommentar Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 149–137 und 284–416. 170   Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, p.  248, 1 f. Hayduck); Simplicius, In Epictetum, praef. (196, 101–197, 123 Hadot) (im Anschluss an Platons ›Ersten Alkibiades‹); dazu Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 388–394. 171   Vgl. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 402–416. 172   Die Originalität betonen C. Steel, The Changing Self. A Study on the Soul in Later Neoplatonism. Iamblichus, Damascius, and Prisciatus, Brüssel 1978, und Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike. I. Hadot betont z. B. in: Simplicius. ›Commentaire sur le Manuel‹, 70–113, die sachliche Einheit der Seelenlehren von Damaskios und Simplikios, dem sie auch den ›De anima-Kommentar‹, anders als die genannten Autoren, nicht absprechen will. 173   Zu diesem Unterschied vgl. E. Lamberz, Proklos und die Form des philosophischen Kommentars, in: J. Pépin  /  H.-D. Saffrey (Hrsg.), Proclus. Lecteur et interprète des anciens. Actes du colloque international du CNRS; Paris (2–4 Octobre.1985), Paris 1987, 1–20. 174   Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, p.  1, 14–20 Hayduck). 175   Τὸ πολὺ πλῆθος τῶν πολυειδῶν συγγραμμάτων ἐπ’ ἔλαττον ὁπωσοῦν συστεῖλαι, οὐχ οὕτως ὡς ὁ φιλοσοφώτατος Συριανὸς εἰς ἐλάχιστον, ἀλλὰ μετὰ τοῦ μηδὲν ὡς δυνατὸν τῶν ἀναγκαίων παραλιπεῖν. Simplicius, In Categorias (CAG 8, p.  3, 4–10 Kalbfleisch, Zitat 8–10).

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Diese Bemerkung bezieht sich auf die zu Beginn des Werkes ausführlich aufgezählten älteren Erklärungen der ›Kategorienschrift‹, würde aber auch zum ›Physik-Kommentar‹ passen, wo Simplikios ebenfalls fleißig aus seinen eingangs ausführlich aufgezählten Vorgängern176 zitiert. Durch dieses historisch-konservatorische Interesse erhält Simplikios einige sonst verlorene Quellen zu wesentlichen Teilen. Das gilt besonders für viele vorsokratische Texte, namentlich für das Lehrgedicht des Parmenides,177 aber auch für Auslegungen des Alexander von Aphrodisias, des Porphyrios und des Jamblich, die sich aus Simplikios’ Werken mehr oder weniger vollständig rekonstruieren lassen.178 Ein ähnliches Interesse an Büchern deutet sich an, wenn Priskian ausführlich angibt, welche Quellentexte er zur Lösung der Fragen des Ḫusro heranzieht, und dabei teils dieselben Titel nennt, die Simplikios zitiert.179 Zu beachten ist, dass die zitierten Texte von beiden als Teil der neuplatonischen Harmonie (fast) der gesamten antiken Philosophie verstanden und entsprechend gedeutet werden.180 Unmittelbar auf die Entwicklungen der eigenen Zeit reagieren Simplikios’ scharfe Polemiken gegen Johannes Philoponos, in deren Zuge er die aristotelische Position z. B. zur Unendlichkeit klar ausführt.181 Nicht zuletzt wirft er seinem Gegner eine Unkenntnis Platons vor und meint u. a. deswegen, dessen Werk richte sich gar nicht an gebildete Leute, und nur wegen der durch Philoponos Betrogenen lohne sich eine Widerlegung.182 Wer sich so wie sein Gegner gegen die Ansichten des Aristoteles und seiner »in der Philosophie berühmten« Ausleger wende, der solle halt »im Meer der Unverständigkeit« versinken.183 Wenn er auch von solch feinsinniger Polemik frei ist, könnte auch Priskians ›De anima-Kommentar‹ einen zeitgeschichtlichen Hintergrund haben und auf Ammonios’ Bestreitung der Annahme reagieren, die Anamnesis-Lehre sei in ›Über die Seele‹ (›De anima‹) 3, 4–5 zu finden. Hierzu passt Priskians dezidierte Betonung der Einigkeit von Aristoteles und Jamblich, die zu einer strikt (neu-) plato­nisch geprägten Lesart führen muss. In diesem Fall würde es sich aber

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  Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  6, 31–8, 15 Diels).   Vgl. insbesondere Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  144, 26–28 Diels). Vgl. auch Golit­ sis, Les commentaires de Simplicius, 100–108. 178  Vgl. M. Rashed, in: Alexandre d’Aphrodise, Commentaire perdu à la ›Physique d’Aristote‹ (livres IV–VIII). Les scholies byzantines. Édition, traduction et commentaire Marwan Rashed, Leiden  /  Boston 2011, 12–165. 179   Priscianus Lydus, Solutiones ad Chosroem (CAG Suppl. 1, 2, p.  1, 16–2, 21 Bywater). Vgl. Perkams, Priscian of Lydia, 521. 180   Vgl. Golitsis, Les commentaires de Simplicius, 89–124. 181   Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  26, 17–19 Heiberg). Vgl. R. Goulet  /  E. Coda, Simplicius de Cilicie, in: DPhA 6 (2016), 341–394, hier 343; zur ganzen Polemik Ph. Hoffmann, Simplicius’ Polemics. Some Aspects of Simplicius’ Polemical Writings against John Philoponus. From Invective to a Reaffirmation of the Transcendency of Heavens, in: Sorabji (Hrsg.), Philoponus and the Rejection, 97–123. 182   Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  66, 33–67, 5; 84, 11–14; 165, 1–9 Heiberg). 183   Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  200, 26–30). 177

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um eine wissenschaftliche Debatte unter befreundeten Neuplatonikern handeln, so dass das Fehlen von Polemik nicht zu verwundern braucht. Simplikios führt aus, dass der ideale Aristoteles-Ausleger nicht nur sämtliche aristotelischen Schriften und Aristoteles’ Gewohnheiten (συνήθεια) kennen, sondern auch an den richtigen Stellen zu Verteidigung und Kritik bereit sein soll. Er soll aber nicht selbst gleichsam zum Aristoteliker werden, sondern danach streben, die Unterschiede zu Platon möglichst oft als bloß verbal zu erweisen.184 Insgesamt zeigen die Aristoteles-Deutungen der letzten Athener Philosophen das Bemühen, die Vereinbarkeit des Aristoteles (und im Falle Priskians des Theophrast) mit der platonischen Lehre und damit indirekt auch die Richtigkeit letzterer explizit nachzuweisen. Eine Konzentration auf Aristoteles, wie sie in Alexandrien deutlich wird, ist bei ihnen weniger stark ausgeprägt.

Begriff und Einteilung von Philosophie Philosophiebegriff Der Philosophiebegriff der späten Athener Neuplatoniker unterscheidet sich grundsätzlich weder von ihren Vorgängern um Proklos noch von ihren Alexan­ dri­ner Zeitgenossen, doch sind individuelle Besonderheiten feststellbar. Ein besonderes Gepräge erhalten die Aussagen des Damaskios durch sein Interesse an der Verbindung griechischer und ägyptischer Philosophie, welche er, in der Tradition des platonischen ›Timaios‹ sowie der Barbarenphilosophie, als den eigentlichen Ursprung der Philosophie, namentlich der hieratischen, ansieht; Pythagoras habe diese Lehren nach Griechenland gebracht.185 Bei Simplikios fällt auf, wie stark er die Verbindung philosophischer Arbeit mit der Heilung der Seele betont,186 während er das Ideal des »Ähnlichwerdens mit Gott« (ἡ πρὸς θεὸν ὁμοίωσις) eher beiläufig erwähnt.187 In seinem ›Epiktet-Kommentar‹ erwähnt er etwa die Philosophie als größtes Geschenk der Götter, deren Dignität auch die Verächter von Simplikios’ eigener Gruppe anerkennen – also offenbar die Christen –, sowie die Formel »Erkenne Dich selbst« (γνῶθι σαυτόν) als Anfang und Ziel der Philosophie.188 Auch die Physik soll für den, der sie betreibt, eine thera-

184

  Simplicius, In Categorias (CAG 8, p.  7, 23–32 Kalbfleisch).   Damascius, Vita Isidori, epit. 1–11; frg.  1–6 (2, 1–10, 5 Zintzen); vgl. Plato, Timaeus, 21e–25d. Zum Verhältnis griechischer und ägyptischer Philosophie beachte die Umstellung des Suda-Textes bei Asmus, Leben des Philosophen Isidoros, 4 f. 186   Z. B. Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  1, 6 f. Diels); vgl. ferner die Einleitung zum Epiktet-Kommentar und dazu Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur le Manuel‹, 51–60, zu Kommentaren als geistige Übungen. 187   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  533, 27–29 Diels). 188   Simplicius, In Epictetum 30 (p.  302, 32 f.; 303, 47–52 Hadot). 185

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peutische Funktion einnehmen, insofern sie von den körperlichen Freuden ablenkt.189 Eine grundlegende Frage der letzten Athener Philosophen ist offenbar das Verhältnis der Philosophie zur Theurgie bzw. deren höherer Form, der Hieratik (ἡ ἱερατική).190 Damaskios’ berühmte Gegenüberstellung von Plotin und Porphyrios als Autoren, welche die Philosophie bevorzugten, sowie Jamblich, Syrian und Proklos, welche der Theurgie zuneigten, während Platon in seinem Werk beides vereinigt habe,191 ist als Ausdruck dieser Fragestellung zu lesen. Denn einerseits weisen einige Stellen bei Damaskios darauf hin, dass er im Anschluss an seinen Lehrer Isidoros – nach dem ›Leben des Isidoros‹ ein besonderer Anhänger der ›Theurgen‹ Jamblich, Syrian und Proklos192 – der Theurgie einen Vorrang vor der Philosophie einräumt, da die theurgische Vollendung gleichsam das Ziel der Philosophie sei. In einem programmatischen Dialog mit dem vorwiegend religiös interessierten Hegias193 betont Isidoros jedoch die Bedeutung der Philosophie, die in Athen darniederliege,194 gegenüber der Theurgie mit der Notwendigkeit, »dass die, die Götter sein wollen, zuerst Menschen werden müssen« (πρῶτον ἀνθρωποὺς γένεσθαι τοὺς ἐσομένος θεοὺς δεῖ), weswegen es laut Platon kein größeres Gut als die Philosophie gebe. Der Ansicht, dass die Theurgie an sich göttlicher sei, widerspricht er damit letztlich nicht.195 Auch bei der Auslegung des ›Phaidon‹ schreibt Damaskios der Theurgie zu, »die Seelen zu dem Ziel zu führen, von wo sie den ersten Abstieg, gleichsam von ihrem Ursprung, vollzogen«, weswegen »der vollständig Eingeweihte (ὁ τετελέσμενος) mit den Göttern wohnen wird«. Dagegen stellten »die Aufstiege durch die Philosophie […] die Berührung (mit dem Göttlichen) weder exakt noch auf die Weise der nicht mehr sagbaren Vereinigung«196 her, weswegen wohl auch letzten Endes die Philosophie auf der Theurgie beruhe.197 189

  Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  9, 4 f. Diels).   Vgl. oben S. 769  f. zum Unterschied von Telestik und Hieratik. 191   Damascius, In Phaedonem 1, 172, 1–4 (p.  105 Westerink). 192   Vgl. L. G. Westerink, in: The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹ 1. Olympiodorus, Amsterdam 1976, 104. 193   Damascius, Vita Isidori, frg.  352 (287, 4–10 Zintzen). 194   Damascius, Vita Isidori, epit. 221 (284, 8 f. Zintzen). Ich folge bei der Rekonstruktion der Ereignisse der auf Asmus zurückgehenden Anordnung der Fragmente und Testimonien bei Zintzen. 195   Damascius, Vita Isidori, epit.  227 (292, 6–11 Zintzen). 196   Σκοπὸς τῶν τελετῶν ἐστιν εἰς τέλος ἀναγαγεῖν τὰς ψυχὰς ἐκεῖνο ἀφ’ οὗ τὴν πρώτην ἐποιήσαντο κάθοδον ὡς ἀπ’ ἀρχῆς […]. ἀναγκαίως ἄρα ὁ τετελεσμένος ‘οἰκεῖ μετὰ θεῶν’. […] ἀνάλογον δέ μοι σκόπει καὶ τὰς διὰ φιλοσοφίας ἀνόδους, εἰ καὶ μὴ ἀκριβῆ μηδὲ κατὰ τὴν ἀπόρρητον ἕνωσιν ποιοῦνται τὴν συναφήν. Damascius, In Phaedonem 1, 168, 1–5 und 13 f. (p.  101–103 Westerink). 197   Damascius, In Phaedonem 2, 109 (p.  347 Westerink). Die Beobachtungen bis hierhin decken sich mit I. Hadot, Die Stellung des Neuplatonikers Simplikios zum Verhältnis der Philosophie zu Religion und Theurgie, in: Th. Kobusch  /  M. Erler (Hrsg.), Metaphysik und Religion. Zur Signatur des spätantiken Denkens. Akten des Internationalen Kongresses 190

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Andererseits betont Damaskios offenbar zu Beginn seiner Lebensbeschreibung Isidors, dass die Philosophie, verstanden als kosmische Größe, vom Einen ausgeht und sich durch alle Gattungen des Seienden hindurch bis zur Materie (ἡ ὑποσταθμὴ τῶν ὄντων) entfaltet, während die Theurgie sich von den kosmischen Ursachen her mit der Unsterblichkeit der Seele beschäftigt.198 Demnach beschränkt sich der Vorrang der Theurgie auf die Sorge um die eigene Seele, während die Philosophie letztlich doch umfassender ist. Vor diesem Hintergrund ist dann wohl auch der Bericht zu verstehen, Isidoros habe Aristoteles’ Philosophie deswegen verlassen, weil der Stagirite eher auf »die Notwendigkeit« als »auf den eigenen Geist (νοῦς)« gesetzt habe; demgegenüber habe er bei Platon und Pythagoras, aber auch Porphyrios, Jamblich, Syrian und Proklos einen Zugang zum »Inneren der Heiligtümer« (εἴσω τῶν ἀδύτων) bzw. zu den überirdischen Orten gefunden.199 Das Problem der aristotelischen Philosophie dürfte hier weniger darin bestehen, dass sie Philosophie ist, als dass dieser Typ von Philosophie den Weg zur Vereinigung mit den Göttern, für den die Theurgie in Verbindung mit einer Zuwendung zur eigenen Seele notwendig ist, nur unvollkommen weist. Zu beachten ist auch, dass Damaskios dann, wenn er das ›nicht mehr Sagbare‹ noch jenseits des Einen durch philosophische Analyse aufweist,200 genau die Leerstelle hervortreten lässt, die der Theurg durch seine Praxis zu schließen hat. Eine gewisse Begrenzung der Wirkmacht der Philosophie lässt sich auch an Damaskios’ Interpretation des Philosophie-Exkurses aus Platons ›Phaidon‹ erkennen: Hier sieht er es als letztlich unvereinbar mit unserer körperlichen Existenzweise an, in Bezug auf Menschen von Philosophen und von »Fortschreitenden« (προκόπτοντες) auf dem Weg zu wahrer Philosophie zu sprechen.201 Denn diese bestünde darin, »unvermischt« mit dem »unphilosophischen Leben« zu sein.202 Dies sei jedoch der Philosophie, die ein Unternehmen des diskursiven Denkens (λόγος) sei, nicht möglich. Dieses könne sich nämlich – entsprechend der aristotelischen Lehre – vor allem von der Vorstellungskraft (φαντασία) nicht lösen, so dass sie keinen Zugang zu den wahrhaft einheitlichen Begriffen besitze.203 Dieser Tendenz einer klaren Abgrenzung ›menschlicher‹ von wahrer Philosophie entspricht ein Verständnis der politischen, kathartischen und theoretischen Lebensform als klarer Abstufungen,204 was wiederum ganz in der Linie platonischen Den-

vom 13.–17. März 2001 in Würzburg, Berlin  /  Boston 2012, 323–342, hier 330–332, während ich im Folgenden, aufgrund anderer Stellen, etwas anders akzentuiere. 198   Damascius, Vita Isidori, frg.  3 (5, 5–9; 7, 4–8 Zintzen). 199   Damascius, Vita Isidori, epit.  35 f. (58, 9–60, 6 Zintzen). 200   Vgl. oben S.  994  f. 201   Damascius, In Phaedonem 1, 100, 6–8 (p.  67 Westerink). 202   Damascius, In Phaedonem 1, 104 (p.  69 Westerink). 203   Damascius, In Phaedonem 1, 101 und 111–113 (p.  67–69; 71–73 Westerink). Vgl. Aristoteles, De anima 3, 8, 432a 9 f. 204   Damascius, In Phaedonem 1, 121 f. (p.  77 Westerink).

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kens steht. Auch in dieser Perspektive ist Philosophie also stets nur der Weg und niemals das Ziel. Eine Vielzahl von Elementen des Philosophiebegriffs lässt sich aus den Aussagen der Athener Neuplatoniker zu ihren Kollegen gewinnen, insbesondere aus den oft bissigen Kritiken, mit denen Damaskios im ›Leben des Isidoros‹ einige von ihnen bedenkt: So habe es Hermeias an Fleiß und Streben nach Weisheit nicht gefehlt, wohl aber an Kreativität in der Suche nach der Wahrheit.205 Die Bedeutung von Fleiß und wissenschaftlicher Exaktheit wird auch betont bei Ammonios206 und im Hinblick auf Aidesia wird die Philosophie eindeutig mit Wissen bzw. Unterricht verbunden.207 Derartigem Lob für philosophische Arbeit entspricht die Hochschätzung, die Simplikios seinem Lehrer, dem »äußerst investigativen« (ζητητικώτατος) Damaskios, und »Proklos bestem Schüler« Asklepiodot beimisst.208 Hierbei fällt auf, dass er diese Anerkennung zollt, obwohl er gleichzeitig zugibt, dass gerade diese beiden Philosophen auch von Proklos abgewichen sind. Letzten Endes ist philosophische Exzellenz demnach nicht an eine bestimmte Theorie gebunden, sondern sie lässt gewisse Debatten und Neuerungen zu, solange ein grundsätzlicher Bezug zur platonisch verstandenen Wahrheit erhalten bleibt. Bei anderen Philosophen zieht Damaskios eher lebenspraktische Aspekte zur Charakterisierung heran: Voraussetzung der Philosophie seien die geeignete Physis und die rechte Wahl (προαίρεσις).209 Erfolgten diese nicht richtig, so könne auch eine gute philosophische Anlage (φύσις) verlorengehen.210 Eine einfache Frömmigkeit, die Damaskios durchaus hochachtet, ist für ihn hingegen noch keine Philosophie.211 So wird ein gewisser Sarapion, wohl nicht ohne Ironie, gelobt, er habe die Maxime des »Lebe im Verborgenen« so gut umgesetzt, dass nur Isidoros seine besondere Philosophie erkannt habe.212 Horapollon wird im Zuge der Andeutung, er sei letztlich zum Christentum übergetreten, die Eigenschaft des Philosophen abgesprochen. Insgesamt erweist sich der Begriff ›Philosophie‹ bei den Athenern somit als eine Art positiver Rahmenbegriff, der mit verschiedenen Konnotationen besetzt ist. Dabei macht weniger das Vorhandensein eines Elements die ›Philosophie‹ aus, als das Fehlen eines Aspektes diese sofort nur eingeschränkt vorhanden sein lässt.

205

  Damascius, Vita Isidori, epit. 74; frg.  120 (100, 9–14; 101, 6–10 Zintzen)   Damascius, Vita Isidori, epit. 79 (110, 1 f. Zintzen). 207   Damascius, Vita Isidori, frg.  124 (107, 2–9 Zintzen). 208   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  624, 38–625, 1; 795, 11–17 Diels). 209   Damascius, Vita Isidori, frg.  145 (125, 19–127, 1 Zintzen). 210   Damascius, Vita Isidori, frg.  358 (291, 9–14 Zintzen). 211   Damascius, Vita Isidori, frg.  186 (161, 4–10 Zintzen). 212   Damascius, Vita Isidori, frg.  34 (33, 6–12 Zintzen). 206

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Einteilungen der Philosophie Während Damaskios die Einteilung der Philosophie nur en passant erwähnt,213 finden sich differenzierte Ausführungen bei den anderen Autoren, vor allem in den Einleitungen von Simplikios’ Kommentar zur ›Physik‹ und ›Über den Himmel‹ (›De caelo‹), welche durch Andeutungen in seinem Kommentar zu den ›Kategorien‹ und bei Priskian ergänzt werden. Grundsätzlich ähneln diese Ausführungen den gleichzeitigen alexandrinischen Texten,214 vor allem in der Grundeinteilung in theoretischer und praktischer Philosophie sowie in der Unterteilung ersterer in Physik, Mathematik und Metaphysik. Simplikios betont aber weniger den Gegenstandsbereich dieser Schriften, sondern die Funktion jeder Wissenschaft für die Vervollkommnung der Teile der Seele: Während die praktische Philosophie die Aufgabe habe, deren strebenden Teil auf das Gute hin auszurichten, solle die theoretische das Erkennen vollenden, wobei verschiedene Arten des Denkens zu unterscheiden seien: Die Physik diene zur Vollendung des mit dem Körper verbundenen Geistes, indem sie die Erkenntnis der körperlichen Dinge korrigiere, während die Theologie bzw. Metaphysik diejenige des vom Körper abtrennbaren Geistes bezwecke. Die Seelenlehre und die Mathematik beträfen hingegen solche Erkenntnisse, die in einer gewissen Weise abtrennbar seien und in einer anderen nicht, so wie die veränderliche menschliche Seele mal getrennt und mal ungetrennt vom Körper sei und wie die mathematischen Entitäten zwar allgemein, aber stets im Körper realisiert seien.215 Dem entspricht die Stellung der Seelenlehre zu Beginn von Priskians ›De anima-Kommentar‹: Mit einem längeren Zitat aus Aristoteles’ ›Über die Teile der Lebewesen‹ (›De partibus animalium‹)216, das sich durch eine Parallele bei Philoponos217 als traditionelles Gut erweist, begründet er, dass die Seelenlehre sowohl in gewissem Sinne zur Physik als auch zur Metaphysik gehört.218 Hinsichtlich der Mathematik erkennt Priskian aber nur deren pythagoreische Form als Teil der Philosophie an, weil diese sich mit den »lebendigen Logoi« der Figuren beschäftige, die aristotelische, auf Abstraktion beruhende Mathematik hingegen nicht.219 Damit wird ein anderer Akzent gesetzt als in der Bereitschaft der AmmoniosSchule, das Quadrivium als Ganzes an die Systemstelle der ›Mathematik‹ in der

213

  Damascius, Vita Isidori, epit. 126 (170, 1–12 Zintzen).   Vgl. zu Unterschieden im Detail Perkams, The Syro-Persian Reinvention of Aristotelianism, 142–144. 215   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  1, 7–2, 7 Diels). Die Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie findet sich z. B. auch bei Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, z. B. p.  48, 31 f. Hayduck). 216   Aristoteles, De partibus animalium 1, 1, 641a 17–31. 217   Philoponus, In De anima (CAG 15, p.  10, 11–24 Hayduck). 218   Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, p.  2, 2, 3–28 Hayduck). 219   Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, p.  276, 27–279, 3 Hayduck). 214

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aristotelischen Wissenschaftseinteilung zu setzen. Ähnliches ist für die genannte Einteilung des Simplikios auch zu vermuten. Im Hinblick auf die aristotelische Physik findet sich bei Simplikios im Übrigen auch eine Akzentverschiebung gegenüber Proklos:220 Laut Simplikios ist Aristoteles’ ›Physik‹ für den Bereich dessen, »was allgemein allen Naturgegenständen, insofern sie natürlich, das heißt körperlich, sind, zukommt«, mit ihrer Beschreibung der Naturprinzipien als bewegter und der Zeit unterliegender durchaus heranzuziehen,221 zumal sie auch einen Verweis auf die Wirkursächlichkeit Gottes umfasse.222 Von besonderem Wert sind Simplikios’ Ausführungen zur Einteilung der naturphilosophischen Schriften des Aristoteles. Neben Ausführungen zu Alexander von Aphrodisias, Jamblich und Syrian zum Thema von ›Über den Himmel‹223 schreibt er »anderen« eine Einteilung nach dem Schema des Baums des Porphyrios zu, die sich später noch, mit geringfügigen Abweichungen in Terminologie und aufgezählten Schriften, bei David und bei Paul dem Perser findet:224 Unter den natürlichen Körpern gebe es ewige, welche ›Über den Himmel‹ behandle, und vergängliche (›De generatione et corruptione‹), unter diesen gebe es himmlische Körper (›Meteoro­logica‹) sowie irdische, nämlich unbeseelte (›De metallis‹), und beseelte, unter diesen unbewegliche (›De plantis‹) und bewegliche; über letztere berichteten allgemein ›Über das Entstehen der Lebewesen‹ (›De generatione animalium‹) und ›Über die Teile der Lebewesen‹ (›De partibus animalium‹) sowie ›Über die Fortbewegung der Lebewesen‹ (›De ingressu animalium‹) und ›Über den Schlaf und das Wachen‹ (›De somno et vigilia‹), speziell hingegen die ›Historia anima­ lium‹; vor all dem sei die ›Physik‹ zu studieren.225 Wer auch immer jeweils die nicht genannten »anderen« waren: Jedenfalls zeigen die Parallelen, dass es sich um eine weit verbreitete Schulklassifikation im 6. Jahrhundert handelt.

Philosophie und Religion Antike und asiatische Religionen Die Verbindung der Athener Philosophen zur antiken Religion bleibt im Umfeld des Damaskios nicht weniger eng als unter Proklos. Die komplexe Diskussion des Verhältnisses von Philosophie und Theurgie deutet sogar darauf hin, dass die religiöse Dimension des Platonismus vielleicht sogar noch stärker empfunden wird als zuvor. Das kann man auch dem ›Leben des Isidoros‹ entnehmen, wo religiös orientierte Philosophen teils sehr positiv geschildert werden, vor allen Dingen 220

  Vgl. oben S.  761  f.   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  9, 3 f. Diels). 222   Simplicius, In Physica (CAG 9, p.  5, 17–19 Diels). 223   S. oben S.  982  f. 224   S. oben S.  982  f. 225   Simplicius, In de caelo (CAG 7, p.  2, 29–3, 8 Heiberg). 221

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Sarapion als Leser des Orpheus.226 Die ›hieratische‹ Philosophie, die ihrem Wirken zugrunde liegt, hat nach Damaskios keinen zeitlichen Anfang, auch wenn die Ägypter sie zuerst betreiben, sondern kommt in mehreren Stufen vom ersten Prinzip her in die Welt.227 Allerdings werden Hegias und sein Sohn Archiadas für den allzu religiösen Fokus ihrer Interessen kritisiert.228 Überhaupt bedeutet die gute Kenntnis religiöser Bräuche in den Augen des Damaskios noch nicht, dass man Philosophie praktiziert.229 Bemerkenswert ist auch die konsequent religiöse Sprache, mit der Damaskios die Schönheit von Isidoros’ Gesicht als Abbild des Hermes und die seiner ­Augen als eines der Aphrodite beschreibt.230 Für seine recht ausführlichen Berichte über asiatische Religionen, z. B. den Zoroastrismus, bedient sich Damaskios wohl der Geschichte der religiösen Meinungen des Aristoteles-Schülers Eudemos.231 Die besondere Bedeutung, welche die ägyptische Religion bei ihm einnimmt, erklärt sich wohl durch den Einfluss des alexandrinischen Kreises um Isidoros und Heraïs­kos, mit dem Ergebnis, dass die Athener Schule ironischerweise zu einem der letzten Orte wird, an denen das ägyptische religiöse Erbe in der Philosophie Beobachtung findet.232 Eine ähnliche Hochachtung der Religion findet sich in Simplikios’ Deutung von Epiktets Aussagen zur Mantik:233 Wo der Stoiker betont, dass man zu den Göttern wie zu Ratgebern gehen soll – wenn auch zu solchen mit großer Autorität –, da sieht Simplikios den Ungehorsam gegenüber göttlichem Ratschluss stets als Ausdruck eigener Neigung an.234 Allerdings sieht er den Wert der Mantik für philosophisch nachprüfbare Aussagen, z. B. die Unsterblichkeit der Seele, als begrenzt an, denn sie vermittelt nur eine Überzeugung (πίστις), aber kein Wissen (ἐπιστήμη), da man von den Göttern die Gründe für eine Antwort nicht einfordern könne.235 Das erinnert bereits an die Überzeugung arabischer Philosophen wie al-Kindī, man könne die Offenbarungsinhalte auch – wenn auch langsamer – mit der Vernunft erkennen.236 226

  Damascius, Vita Isidori, frg.  41 (37, 6–10 Zintzen).   Damascius, Vita Isidori, frg.  3 (5, 6–7, 14 Zintzen). 228   Damascius, Vita Isidori, frg.  351 (287, 5–10 Zintzen). 229   Damascius, Vita Isidori, frg.  351, 353 (287, 1–289, 4 Zintzen). 230   Damascius, Vita Isidori, epit. 16 (16, 2–12 Zintzen). 231   Vgl. oben S. 377 sowie F. Wehrli  /  G. Wöhrle  /  L. Zhmud, Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, in: GGPh 3 (22004), 493–666, hier 562 f. 232   Damascius, De principiis (3, p.  167, 1–24 Westerink  /  Combès). 233   Vgl. auch die Interpretation von Hadot, Die Stellung des Neuplatonikers Simplikios, 333–341. 234   Simplicius, In Epictetum 39 (393, 30–36 Hadot), als Interpretation von Epictetus, Enchiridium 32, 10–12 (p.  24*f. Schenkl). 235   Simplicius, In Epictetum 39 (395, 65–69 Hadot). 236   Vgl. P. Adamson, Al-Kindī und die frühe Rezeption der griechischen Philosophie, in: Eichner  /  Perkams  /  Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter, 143–161, hier 156 f. 227

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Christentum und Judentum Kritisch ist durchweg die Stellung zum Christentum, auch wenn diese Kritik sich zumeist, wie schon bei Proklos und anderen, unter Wendungen wie »die Masse« (οἱ πολλοί), die anderen (οἱ ἕτεροι) oder »die herrschende Meinung« (ἡ κρατοῦσα δόξα) versteckt.237 Während eine inhaltliche Auseinandersetzung nur gelegentlich, vor allem im Hinblick auf die Lehren des Philoponos, stattfindet, lassen sich bei Damaskios und Simplikios mehr Äußerungen als bei Proklos feststellen, die als nur oberflächlich verborgene Kritik an den Zeitumständen gewertet werden können:238 Äußerst harsch kritisiert Damaskios das Abkommen des angeblich »habgierigen« Ammonios mit dem Bischof von Alexandria,239 obwohl es – wie man annehmen kann – den philosophischen Unterricht und die Existenz der Philosophen in Alexandrien sichern hilft.240 Die bereits erwähnte Kritik an der Konversion des Horapollon zum Christentum, die in auffälligem Gegensatz zu dessen von Zacharias Rhetor berichtetem hellenischen Standpunkt sowie zu seiner von Damaskios selbst zuvor berichteten Standhaftigkeit in der Verfolgung steht, erklärt sich möglicherweise damit, dass Horapollon letztlich ohne erkennbaren äußeren Zwang konvertiert bzw., wie Damaskios sagt, aufgrund heimlicher Überzeugungen über Gott.241 Dagegen stellt er den Rhetor und Politiker Severianos als leuchtendes Beispiel dar, weil ihn auch die Aussicht auf den zweiten Rang im Staat nicht zur Bekehrung veranlasst.242 Die bittere Kritik des Simplikios an Philoponos spart keines der Merkmale aus, mit denen die letzten Neuplatoniker die Christen charakterisieren.243 Den Zorn des Simplikios dürfte weniger die längst bekannte Tatsache erregen, dass ein Christ Position zu philosophischen Fragen bezieht, als die konsequent Aristoteles-dekonstruierende Position des Philoponos. Von einer angeblichen Kritik des Philoponos an Priskian244 ist uns inhaltlich nichts bekannt.

237   Bei diesen Formulierungen ist auch zu bedenken, dass sie dem stilistischen Bedürfnis des Vermeidens unklassischer Begriffe entsprechen, vgl. Hadot, in: Simplicius, ›Commentaire sur le Manuel‹, 60. 238   So Damascius, Vita Isidori, frg.  30/30a (29, 7–31, 7 Zintzen); Simplicius, In Epictetum 14 (257, 22–35 Hadot). Vgl. H. D. Saffrey, Le thème du malheur des temps chez les derniers philosophes néoplatoniciens, in: Goulet-Cazé  /  Madec  /  O’Brien (Hrsg.), ΣΟΦΙΗΣ ΜΑΙΗΤΟΡΕΣ, 421–431. 239   Damascius, Vita Isidori, frg.  316 (251, 12–14 Zintzen). 240   Vgl. oben S. 953. 241   Damascius, Vita Isidori, frg.  317 (253, 2–8 Zintzen); vgl. frg.  314 (251, 2–10 Zintzen). Zur Rolle des Horapollon in Zacharias’ Erzählung vgl. oben S. 953  f. 242   Damascius, Vita Isidori, frg.  305 (243, 20–245, 6 Zintzen). 243   Kurze Übersicht dieser von H. D. Saffrey, Allusions anti-chrétiennes chez Proclus, le diadoque Platonicien, in: Revue des sciences philosophique et théologique 59 (1975), 553–563, gesammelten Punkte bei Hoffmann, Simplicius’ Polemics, 100. 244   Vgl. Helmig  /  Steel, Priskianos Lydos, 2113.

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Philosophie und Politik Es ist bemerkenswert, wie häufig von den letzten Athener Neuplatonikern das Verhältnis von Philosophie und Politik angesprochen wird. Auf der theoretischen Ebene folgt Damaskios der neuplatonischen Lehre, das Politische als erste Stufe der Tugendvollendung nach der grundlegenden Paideia zu ziehen. Der Politiker strebt dabei nach Ähnlichkeit mit Gott in seiner Vorsehung für das Niedere, aber noch nicht mit Gott als dem transzendenten, auf sich selbst bezogenen.245 In der praktischen Umsetzung berichtet er immerhin, wie er selbst die politische Seite der Rhetorik gelernt hat.246 Hinsichtlich der konkreten Möglichkeiten zu politischer Aktivität fällt seine Einschätzung aber recht skeptisch aus: Mit Hilarios, Severianos und Asklepiodotos dem Älteren nennt er zwar eine Reihe politisch aktiver Heiden, doch ist deren Bedeutung in der Regel allenfalls regional. Mit Bedauern berichtet er über einen Ulpian, dem die Gelegenheit zur Politik fehlt.247 Bezeichnend ist der Fall des Severianos, der gerade dank seiner Verweigerung einer Bekehrung für politische Vorteile als Muster angemessenen paganen Verhaltens angeführt wird.248 All dies mündet in eine Klage darüber, wie viel Gehässigkeit den Tugendhaften in der Politik entgegen schlägt.249 Insofern dürfte sich seine für die Zeit Hypatias angestellte Bemerkung, dass auch damals nur noch der Name ›Philosophie‹, nicht die Sache bei den Regierenden Ansehen genoss, auf die eigene Zeit gemünzt sein250 und die begrenzten Möglichkeiten der Philosophen in der Politik illustrieren. Zugleich arbeiten die Autoren auf verschiedenen Ebenen an der theoretischen Bewältigung der Situation: Wenn Damaskios eine Reihe paganer Rebellionsversuche aufzählt, scheint er deren geringe Bedeutung zu thematisieren und sich vorsichtig von ihnen zu distanzieren.251 Zudem stellt er am Beispiel der genannten gesellschaftlich aktiven Hellenen dar, dass deren Tätigkeit keinen Raum zur Beschäftigung mit Philosophie lässt.252 Simplikios diskutiert mindestens zweimal die schwierige Situation des Philosophen in einem ungerechten Umfeld: Einerseits betont er die Schwierigkeit, in Anbetracht von Umständen, die bis hin zum Niedergang der gesamten Philosophie und Bildung (παιδεία) reichen, den von Epiktet eingeforderten Gleichmut zu bewahren.253 Andererseits diskutiert er ausführlich die Rolle des Philosophen in einem ungerechten Staat: Dieser solle stets sehen, wo er helfen könne, sich aber doch auf die Führung weniger Wil245

  Damascius, In Phaedonem 1, 119 (p.  75 Westerink).   Damascius, Vita Isidori, frg.  282 (227, 3–5 Zintzen). 247   Damascius, Vita Isidori, frg.  324 (257, 8 f. Zintzen). 248   Damascius, Vita Isidori, frg.  305 (243, 20–245, 6 Zintzen). 249   Damascius, Vita Isidori, frg.  324 (257, 10–259, 4 Zintzen). 250   Damascius, Vita Isidori, frg.  102 (79, 16–18 Zintzen). 251   Vgl. von Haehling, Damascius und die heidnische Opposition. 252   Damascius, Vita Isidori, frg.  222, 278 (187, 5 f., 223, 10–12 Zintzen). 253   Simplicius, In Epictetum 14 (257, 22–35 Hadot). 246

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liger beschränken und es ansonsten vermeiden, durch den eigentlich notwendigen Freimut (παρρησία) die Herrscher zu reizen; vielmehr gelte es, diese wie wilde Tiere zu besänftigen, freilich ohne sich zu erniedrigen und die eigene Freiheit (ἐλευθερία) zu kompromittieren.254 Diese Aussagen sind wohl vor dem Hintergrund der repressiven Herrschaft Justinians zu sehen, die wohl die »tyrannische Situation« (τυραννικὴ περίστασις) ist, die Simplikios die Gelegenheit gab, Epiktets Aussagen nachvollziehen zu können.255

Verhältnis der Philosophie zu Rhetorik und Fachwissenschaften Entsprechend ihrem Charakter als dezidiert philosophischer Lehr- und Lebensgemeinschaft spielt für die Athener Schule, anders als für den multidisziplinären alexandrinischen Lehrbetrieb, der Kontakt zu den verschiedenen Fachwissenschaften eine verhältnismäßig geringe Rolle. Doppelqualifikationen z. B. als Philosoph und Arzt sind nicht überliefert. Man sollte deswegen aber nicht ausschließen, dass die einzelnen Mitglieder nicht ein Interesse an und eine gewisse Bildung in anderen Disziplinen besitzen. So beklagt Simplikios das völlige Verschwinden vieler Fertigkeiten und Künste (τέχναι καὶ ἐπιστήμαι), während von anderen, wie Medizin und Architektur (ἰατρικῆς καὶ οἰκοδομικῆς καὶ τεκτονικῆς), nur Schatten blieben256 – eine nicht ganz einfach zu deutende Anspielung, die sich vielleicht kritisch auf das Niveau des Lehrbetriebs in Alexandrien richtet. Während wir im Falle des Damaskios wissen, dass er Geometrie und Mathematik, traditionelle Teile des platonischen Curriculums, studiert hat,257 zeigen Priskians Lösungen der Pro­ bleme des Ḫusro seine Fähigkeit, sich auch zu Fragen der körperlichen Natur des Menschen (Schlaf, Sehvermögen), zu medizinischen sowie zu meteorologischen und geographischen Themen zu äußern.258 Entsprechend tauchen in dem von ihm vorangestellten Schriftstellerkatalog auch Namen wie Hippokrates, Poseidonios Geminos und Strabon auf.259 Die Äußerungen von Damaskios, Priskian und Simplikios zum Thema sind jedoch meist dadurch gekennzeichnet, dass andere Wissenschaften an ihrem philosophischen Nutzen gemessen werden: Vom Arzt Gesios teilt uns Damaskios mit, dass er in der Philosophie nicht weit gekommen sei.260 Die Mathematik sieht er, 254

  Simplicius, In Epictetum 32 (314, 186–315, 223 Hadot). Vgl. dazu Cameron, The Last Days, 16 f. 255   Simplicius, In Epictetum, epil. (454, 2–4 Hadot). Den Bezug zu Justinian stellt her Saffrey, Le thème du malheur du temps, 428. 256   Simplicius, In Epictetum 14 (257, 27–32 Hadot). 257   Photius, Bibliotheca 181 (2, p.  192, 40–10 Henry). Vgl. Hoffmann, Damascius, 543–545. 258   Priscianus Lydus, Solutiones ad Chosroem (CAG Suppl. 1, 2, p.  42, 7–14 Bywater). 259   Priscianus Lydus, Solutiones ad Chosroem (CAG Suppl. 1, 2, p.  54, 6–11; 59, 3 f.; 63, 19–28; 68, 14–19; 69, 19–23 Bywater). 260   Damascius, Vita Isidori, frg. 335 (265, 21 Zintzen).

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auch wenn sie nicht die ganze Philosophie ausmacht, doch als einen Teil von ihr an.261 Laut Priskian gilt das aber nur für die pythagoreische Mathematik, während die übliche aufgrund ihrer Beschäftigung mit aus der Sinneswahrnehmung gewonnenen Abstraktionen nicht hierunter falle.262 Simplikios schließt aus der aristotelischen Ansicht, dass die höheren Wissenschaften den niedrigeren die dort hypothetisch vorausgesetzten Prinzipien liefern, auf die letztliche Abhängigkeit der Geometrie von der Metaphysik.263 Eine Sonderrolle nimmt in gewisser Weise die Rhetorik ein, da sie weiterhin von den angehenden Philosophen, als Teil des Bildungscurriculums, durchlaufen und folglich von ihnen manchmal auch bearbeitet wird. So hört Damaskios die Rhetorik bei einem Theon und einem Severianos, lehrt sie einige Jahre und verfasst auch einschlägige Schriften.264 Er verlässt sie aber, wie erwähnt, ähnlich wie sein Lehrer Proklos, aber auch wie Augustinus, zugunsten der Philosophie.

Würdigung Damaskios und seine Schüler, der anscheinend letzte dezidiert hellenisch geprägte philosophische Zirkel der Antike, stellen einen würdigen Abschluss dieser Tradition dar, verbinden sie doch Gelehrsamkeit und die ernsthafte Arbeit an Sachfragen mit einer inhaltlichen Originalität, welche die Grenzen des neuplatonischen Denksystems auslotet, ohne sie zu überschreiten oder infrage zu stellen. Die literarische und philosophische Vielgestaltigkeit von Damaskios’ Werk können bis heute ebenso faszinieren wie die Gelehrsamkeit und intellektuelle Redlichkeit des Simplikios; insbesondere Letztere sind immer wieder ein wesentlicher Bezugspunkt für die philosophiehistorischen Studien auch der Neuzeit geworden, und zwar sowohl mit Blick auf Aristoteles als auch im Hinblick auf andere zitierte Autoren.

261

  Damascius, Vita Isidori, frg.  102; 324 (77, 3 f.; 257, 1–3 Zintzen).   Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima (CAG 11, p.  276, 28–277, 9 Hayduck). 263   Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  563, 6–8 Heiberg); In Physica (CAG 9, p.  47, 30 f. Diels). 264   Photius, Bibliotheca 181 (2, p.  192, 40–42 Henry); Damascius, Vita Isidori, frg.  282 (227, 3–5 Zintzen). Vgl. Hoffmann, Damascius, 543 f., 564. 262

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3. Skeptische Philosophie Dass auch der pyrrhonische Skeptizismus im 6. Jahrhundert noch aufgegriffen wird, erfahren wir wiederum durch Agathias, dem zufolge ein gewisser, sehr negativ dargestellter Ouranios »die sogenannte sich [vom Urteilen] enthaltende Erfahrung mit Begeisterung betreiben, nach Pyrrhon und Sextos [Empirikos] Debatten durchführen sowie das Ziel haben wollte, die Ataraxie zu erreichen, indem er nichts für erfassbar hielt«.265

Ouranios sei eigentlich Arzt gewesen (bzw. habe sich als solcher ausgegeben) und habe in den Konstantinopler Buchläden Diskussionen geführt, bevor auch er an den Hof des Ḫusro Anūširwān gegangen sei und dort große Ehre erfahren habe.266 Bemerkenswert ist, dass Ouranios debattiert haben soll, ob »der Logos in den Kosmos eingegangen ist« (ἐν κόσμῳ ἰέναι τὸν λόγον),267 was für einen christlichen Kontext der Debatten spricht. In jedem Fall entspricht ein in diesem Sinne argumentativ disputierender Philosophiestil ebenso wie die von Agathias erwähnten Themen268 den feststellbaren Interessen des Königs, wie sie z. B. im Vorwort zu Pauls des Persers ›Logik-Kompendium‹ deutlich werden.269 Schwieriger ist zu sagen, inwieweit Ouranios’ Bezug auf den Pyrrhonismus eine persönliche Marotte oder eine in Konstantinopel noch vorhandene Tradition darstellt. Ersteres könnte eher zutreffen, denn Agathias deutet Grundkenntnisse im Aristotelismus an, die vermuten lassen, Ouranios’ medizinische Ausbildung könnte, wie es Sergios von Rēšʿaynā ausdrücklich sagt, eine aristotelische Argumentationslehre umfasst haben, die vielleicht Anregung zu weiteren philosophischen Studien und der Beschäftigung mit dem Arzt Sextos gegeben habe, dessen Schule in den philosophischen Prolegomena regelmäßig erwähnt wird.270

265

  Ἠβούλετο μὲν γὰρ τὴν ἐφεκτικὴν καλουμένην ζηλοῦν ἐμπειρίαν κατά τε Πύρρωνα καὶ Σέξτον τὰς ἀποκρίσεις ποιεῖσθαι καὶ τέλος ἔχειν τὴν ἀταραξίαν τῷ μηδὲν ὁτιοῦν οἴεσθαι ληπτὸν καθεστάναι. Agathias, Historiae 2, 29, 7 (79, 7–9 Keydell). 266   Agathias, Historiae 2, 29, 1 f. und 9–11; 2, 30; 2, 32 (78, 6–12; 79, 19–80, 5; 82, 17–83, 5 Keydell). 267   Agathias, Historiae 2, 29, 6 (79, 5–7 Keydell). 268   So Diebler, Ouranios, 861. 269   S. unten S. 1082. 270   Unter den Schulen der Philosophie: Vgl. z. B. David (›Elias‹), In Categorias (CAG 18, 1, p.  109, 14–110, 30 Busse).

1009

Philosophie in der Ausgehenden Antike

4. Kynismus Ein Beispiel für einen kynisierenden Stil des Philosophierens ist an der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert ein gewisser Saloustios, der Damaskios offenbar als eine der markantesten Philosophengestalten seiner Zeit erscheint.271 Er deutet nicht nur seine Nähe zur kynischen Lebensweise an, sondern erwähnt, hierzu passend, auch einen Wechsel zwischen intensiver philosophischer Aktivität und einem spielerischen, spöttischen Auftreten.272 Dieser Wechsel äußert sich, nach Damaskios’ Zeugnis, einerseits in anekdotenhaften Antworten auf Anfragen – also in gut kynischer Tradition –, andererseits in einer intensiven Auseinandersetzung mit Philosophieschülern, die Saloustios verunsichert, indem er behauptet, die Philosophie sei für den Menschen zu hoch. Auf diese Weise bringt er, unter anderem, den Proklos-Schüler Athenodoros von der Philosophie ab.273 Trotzdem hat Saloustios viele Berührungspunkte mit anderen Philosophen seiner Zeit: Ähnlich wie Damaskios beschäftigt er sich zunächst mit der Rhetorik und bekehrt sich dann wohl zur Philosophie, die er in sehr asketischer Weise lebt.274 Noch eindeutiger als für andere Neuplatoniker sind politische Aktivitäten für ihn belegt.275 Bemerkenswert, und für einen Kyniker nicht unbedingt typisch, ist seine ausgeprägte Frömmigkeit, die offenbar von Christen, die seinen Lebensstil bewunderten, kritisiert wurde.276

5. Politische Philosophie im Dialog ›Über das politische Wissen‹ Ein bemerkenswertes Dokument politischen Denkens ist der zum kleineren Teil erhaltene, anonyme Dialog ›Über die politische Wissenschaft‹ (περὶ πολιτικῆς ἐπιστήμης) zwischen dem Patrikios Menas bzw. Menodoros, einem hohen Beamten, und dem Referendar Thomas. Der Dialog, der wohl aus dem ersten Drittel des 6. Jahrhunderts stammt,277 entwickelt in sechs Büchern eine Kritik des platonischen Ideals des Philosophenkönigs, an dessen Stelle er offenbar eine von Ciceros

271

  Vgl. M. Di Branco, Saloustios, in: DPhA 6 (2016), 96–100, 99.   Damascius, Vita Isidori, epit. 89; frg.  138; 148 (130, 1–3; 115, 12–14; 129, 4–7 Zintzen). 273   Damascius, Vita Isidori, frg.  144–148 (125, 14–129, 13 Zintzen). 274   Damascius, Vita Isidori, frg.  138; 152 f. (117, 3–119, 8; 131, 9–14 Zintzen); Simplicius, In Epictetum 14 (p.  266, 234–237 Hadot). 275   Damascius, Vita Isidori, epit. 92; frg.  158 f. (132, 7–134, 3; 133, 8–14 Zintzen). Vgl. Di Branco, Saloustios, 100. 276   Damascius, Vita Isidori, frg.  148 (p.  129, 8–11 Zintzen). Dass Saloustios seine Frömmigkeit gegen Christen verteidigt, wird zu Recht bemerkt von Di Branco, Saloustios, 99. 277   Vgl. M. Mazzucchi, in: Menae patricii cum Thoma referendario De scientia politica dialogus, ed. C. M. Mazzucchi, Mailand 1982, XIII. 272

1010

Aristotelisch-platonische Studien in Athen und ­Alexandrien

›Über den Staat‹ (›De re publica‹) angelehnte Mischverfassung aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie bevorzugt.278 In den erhaltenen Teilen von Buch 4 und 5 wird ein sonst wohl nicht erhaltenes Lob des Cicero (Κίκερων) für Sokrates zitiert, dieser sei »der Erste der ganzen und wahren Philosophie« (πρίγκιπα τῆς ὅλης καὶ ἀληθοῦς φιλοσοφίας) gewesen.279 Überhaupt werden die Philosophen hoch gepriesen: »Sokrates, Platon, Xenophon, Aristoteles und die übrige Schar der Philosophen, an Tugend und Erziehung göttliche Männer«, seien »die Leuchter (φωστῆρας) nicht nur von Hellas, sondern auch der ganzen bewohnten Welt (ὅλης τῆς οἰκουμένης)« gewesen.280 Diese Emphase ist ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, welches Prestige Philosophie und Philosophen auch unter griechischsprachigen gebildeten Christen des sechsten Jahrhunderts noch genießen. Ansonsten wird die Philosophie vor allem in einem Vergleich zur Monarchie erwähnt, die mit einer christlichen Formel als Nachahmung Gottes (θεοῦ μίμησις) charakterisiert wird. Anhand eines Vergleichs mit der Medizin wird dann gefolgert, dass die Monarchie ein Gesetz, Lehren (δόγματα) und aktive Betätigungen (κατ’ ἐνέργειαν ἐπιτηδεύματα) benötige,281 die im Folgenden ausgeführt werden. Im Übrigen zeigt der Text eine reiche Berücksichtigung älteren und zeitgenössischen philosophischen Materials, z. B. wenn in Anlehnung an die wissenschaftliche Einleitungsliteratur der Zeit der Zweck (ὁ σκοπός), das Ziel (τὸ τέλος) und der Nutzen (τὸ χρήσιμον) der Königsherrschaft aufgezählt werden.282

6. Zusammenfassende Würdigung In der Zusammenschau erweist sich die fachphilosophische Landschaft jedenfalls im 1. Drittel des 6. Jahrhunderts als überraschend vielfältig: Neben dem ganzen Aristoteles wird auch Platon gelehrt. Die Bezüge zu Mathematik und Medizin spielen eine wichtige Rolle und einzelne Persönlichkeiten gehen ihre eigenen Wege. Während die letzten Athener Neuplatoniker so mit Skepsis in die Zukunft blicken, kann man sich gut vorstellen, wie eine so vielfältige Szene junge Menschen egal welcher Religion für ein philosophisches Projekt begeistern und anregen kann, Wege zu suchen und zu finden, sie unter veränderten Vorzeichen weiterzuführen. Dies geschieht dann aber vielfach außerhalb der Fachphilosophie, wie nun zu zeigen ist. 278   Vgl. die Charakterisierung des Photius, Bibliotheca codicum 37 (1, p.  22, 1–12 Henry), zitiert in der Edition Menae patricii cum Thoma referendario De scientia politica dialogus, ed. Mazzucchi, XVIII. 279   Anonymus, De scientia politica 5, 209 (52, 22 Mazzucchi). 280   De scientia politica 5, 208 (52, 17–21 Mazzucchi). 281   De scientia politica 5, 9–15 (18, 5–19, 17 Mazzucchi). 282   De scientia politica 5, 16 (19, 20–24 Mazzucchi).

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IV. Die Heiden in ihrer Paradedisziplin ­übertreffen: Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

1. Allgemeines Ein kennzeichnendes Phänomen der Ausgehenden Antike ist eine offensiv-kritische Auseinandersetzung der Christen mit den hellenischen Philosophen.1 Mehrere Punkte weisen auf die Neuartigkeit dieses Phänomens hin: 1)  Die christlichen Kritiker zielen darauf ab, ihren paganen Gegnern als argumentativ überlegen zu erscheinen, so dass der Anspruch der hellenischen Philosophen auf eine überlegene Rationalität widerlegt wird. 2)  Verweise auf die Schrift treten hinter Argumentationen zurück, die auf philosophische Weise Geltung beanspruchen, indem sie entweder die angeblich überlegene Plausibilität der eigenen Position herausstellen (z. B. durch Verweis auf die Handlungsfreiheit Gottes) oder ein Ungenügen der gegnerischen Position zu erweisen suchen (z. B. durch Aufweis von inneren Widersprüchen oder die Behauptung mangelnder Plausibilität). 3)  Neben die argumentative und dialektische Auseinandersetzung via eine christliche Bezugnahme auf philosophische Quellen tritt punktuell die Heranziehung christlicher »philosophischer« Autoritäten, insbesondere der Kappadokier. 4)  Die Argumentation wird in den Textformen der Philosophie geführt: Die Vertreter der sogenannten ›Schule von Gaza‹ schreiben Dialoge, Johannes Philoponos nutzt den Kommentar als Medium der Auseinandersetzung oder widerlegt pagane philosophische Schriften in ausführlichen Monographien, so wie es auch die anonyme ›Widerlegung gewisser Lehren des Aristoteles‹ tut. Andere Texte sind der Responsenliteratur zuzuordnen. Die genaue zeitliche Entwicklung, die zu dieser Sachlage hinführte, ist uns nicht leicht zugänglich: Ein Teil der wichtigen Quellen, die pseudo-justinischen Schriften ›Widerlegung gewisser Lehren des Aristoteles‹, ›Fragen der Christen an die Heiden‹ sowie ›Fragen der Heiden an die Christen‹ sind anonym überliefert und daher nur anhand interner Merkmale datierbar. Für die etwas besser erforschten Autoren Aineias von Gaza, Zacharias Rhetor und Johannes Philoponos liegen ebenfalls nur wenige belastbare Datierungen vor. 1

  Dieser Sachverhalt wird notiert von King, Alexander of Aphrodisias ›On the Principle of the Universe‹, 173–178; C. Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De aeternitate mundi‹. ›Die Ewigkeit der Welt‹. Übersetzt und eingeleitet von C. Scholten, Bd.  1–5, Turnhout 2009–2011, 1, 127–134; Gleede, Johannes Philoponos, 75 f.

1012

Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

Jedenfalls deuten sämtliche Informationen darauf hin, dass die gesamte Literatur dieses Typs in den 480er Jahren, d. h. den letzten Jahren des Proklos, einsetzt und, zumindest in den meisten Fällen, auf eine Auseinandersetzung von christlichen Studenten der Philosophie mit dem alexandrinischen Schulbetrieb zurückgeht. So lässt sich vermuten, dass die Ansichten der dortigen Lehrer, vor allem Ammonios Hermeiou, die offenbar nicht wenigen Christen direkt bekannt werden, zu diesem Widerspruch herausfordern. Ein Studium bei Ammonios und eine direkte Auseinandersetzung mit ihm ist jedenfalls für Zacharias Rhetor, der einen ganzen Kreis von Alexandriner Philosophen um Ammonios und Isidoros beschreibt, eindeutig bezeugt, und eine gute arabische Quelle bestätig ein solches Studium für Sergios von Rēšʿaynā. Auch Johannes Philoponos setzt sich mit Aristoteles in der Gestalt auseinander, wie er sie bei Ammonios kennenlernt, den er wahrscheinlich selbst als Lehrer hört, bevor er seine Vorlesungsnachschriften in bearbeiteter Form ediert. Weniger klar ist der Fall des Aineias von Gaza, doch auch dessen ›Theophrast‹ kann kaum vor 485 entstanden sein. Interessant ist, dass der Beginn der direkten Auseinandersetzungen in etwa mit dem Tod des Proklos zusammenfällt. Es wäre denkbar, dass die Wiederbelebung der platonischen Philosophie durch Proklos zu einem entsprechend selbstbewussten, qualitätsvollen und erfolgreichen Auftreten seines Schülers Ammonios in Alexandrien führt, der auch die christentumsfeindlichen Spitzen der proklischen Lehre zumindest andeutet. Ein solches Szenario könnte einen konkreten Anlass für die stärker philosophische Argumentationsweise der Christen liefern. Nicht übersehen darf man allerdings, dass gegen Ende des 5. Jahrhunderts die Bildungseinrichtungen das letzte gesellschaftliche Feld sind, in dem die Hellenen dominieren, so dass schon deswegen eine Kritik an diesen Lehrern für einige Christen naheliegen dürfte, zumal sich, wie in Gaza, Antiochia und Edessa, christliche Lehrtraditionen herausbilden, die sich gegenüber der alexandrinischen Konkurrenz in den säkularen Wissenschaften zu profilieren suchen.

2. Die Schule von Gaza und ihr Umfeld (Aineias von Gaza, Prokop von Gaza, Zacharias Rhetor) Allgemeines Zur ›Schule von Gaza‹2 wird eine Gruppe literarisch tätiger Christen zwischen dem ausgehenden 5. und der Mitte des 6. Jahrhunderts gerechnet, die mehr oder weniger eng mit der Stadt Gaza verbunden sind und z. T. nachweislich dort gelehrt haben. Dies steht von den bekanntesten Persönlichkeiten Prokop von Gaza

2

  Vgl. A. M. Ritter, Die Schule von Gaza, in: GGPh 5, 3 (2018), 2200–2219.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

(ca. 465–528) und Chorikios (6. Jhdt.) fest,3 von denen Ersterer in seinen Ausführungen zum Hohelied eine mystische Form christlicher ›Philosophie‹ vermitteln will.4 Für die beiden hier hauptsächlich zu behandelnden Autoren Aineias von Gaza und Zacharias Rhetor bzw. Scholastikos ist dies weniger klar. Sie sind jedenfalls durch eine sehr ausgeprägte christliche Frömmigkeit und ein Interesse an der griechischen Philosophie bzw. deren Widerlegung miteinander (und wohl auch mit Prokop von Gaza) verbunden, während es nicht ganz klar ist, ob sie sich persönlich kennen. Aineias wird uns jedenfalls von Zacharias unter Berufung auf sein Umfeld als »ein Sophist aus der Stadt Gaza, ein sehr christlicher und sehr gelehrter Mann, und bekannt für jegliche Weisheit«, vorgestellt. Er beschäftige sich mit Texten von Aristoteles, Platon und Plotin, hole sich aber für deren Auslegung und Widerlegung Rat bei dem Mönch Jesaja.5 Der etwas jüngere, ca. 465 geborene, Zacharias Rhetor selbst ist wohl nur gebürtig aus Gaza. Nach Studien der Philosophie und Rhetorik in Alexandrien und des Rechts in Beirut lebt er vorwiegend in Konstantinopel, bevor er Bischof von Mytilene auf Lesbos wird.6 Er steht schon zu seiner Studienzeit den christlichen Aktivisten der ›Philoponoi‹ nahe7 und setzt es sich ausdrücklich zum Ziel, die Heiden auch auf den Gebieten der Philosophie und Rhetorik zu übertreffen, auf die sie so stolz seien.8 Die Folgen dieser auch für Aineias zu vermutenden Absicht können wir vor allem in zwei philosophischen Dialogen verfolgen, die uns von den beiden Auto­ren erhalten sind, während die Auseinandersetzung des Prokop von Gaza mit Proklos bis auf Fragmente verloren ist.9 Von großer Bedeutung für die Geschichte der Philosophie ist auch Zacharias’ teils autobiographische Vita des miaphysitischen Patriarchen Severos von Antiochien. Sie ist eine bedeutende Quelle für den Studienbetrieb in Alexandrien in den 480er Jahren sowie die Einstellung der jungen Christen zur Philosophie. In den beiden Dialogen wird der Neuplatonismus mit Argumenten von Christen konfrontiert und, dem Anspruch der Autoren nach, inhaltlich überwunden.10 Trotz dieser Gemeinsamkeit weisen die beiden Dialoge beträchtliche Unter3

  C. A. M. Glucker, The City of Gaza in the Roman and Byzantine Periods, Oxford 1987, 51–53; A. M. Ritter, Prokop von Gaza, in: GGPh 5, 3 (2018), 2206–2211, hier 2206; A. M. Ritter, Chorikios von Gaza, in: GGPh 5, 3 (2018), 2217–2219. 4   Z. B. Procopius Gazaeus, Epitome in Canticum 61 (CCG 67, p.  62, 1 Auwers). 5   Zacharias Rhetor, Vita Isaiae (CSCO Syr. 7, p.  12, 9–19 Brooks [syr.]  /  8, p.  8, 13–29 [lat.] Brooks). Vgl. A. M. Ritter, Aineias von Gaza, in: GGPh 5, 3 (2018), 2202–2205, hier 2202. 6   Vgl. Brock  /  Fitzgerald, Two Early Lives of Severos, 15–18. 7   Vgl. Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  24, 1–5; 26, 6–8 Kugener) sowie A. M. Ritter, Zacharias Scholastikos, in: GGPh 5, 3 (2018), 2212–2217, hier 2212. 8   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  46, 11–47, 1 Kugener). 9   Vgl. E. Amato, in: Procope de Gaza. Discours et fragments. Texte établi, introduit et commenté, Paris 2014, XLV–LI. 10   Für einen detaillierten inhaltlichen Vergleich S.  E. Gallicet, Per una rilettura del ›Teofrasto‹ di Enea di Gaza e dell’›Ammonio‹ di Zacaria scolastico, in: Atti della Accade-

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Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

schiede im Detail auf: Im ›Theophrast‹ des Aineias, der sich in die sokratisch-lukianische Tradition einer Überwindung des schulmeisterlichen Fachmanns durch einen offenen Laien stellt,11 treten nur anonyme Persönlichkeiten auf, nämlich als Protagonisten der christliche Ich-Erzähler ›Euxitheos‹ und der hellenische Philosoph ›Theophrast‹, die Koryphäe der Philosophie in der eigenen Zeit, der gerade aus Athen in Alexandria zu Gast ist. Dagegen berichtet der ›Ammonios‹ des Zacharias vorwiegend von Diskussionen, die der Autor selbst mit Ammonios Hermeiou während dessen Vorlesungen sowie mit verschiedenen Schülern von diesem gehabt haben will. Da Zacharias’ Studien in Alexandrien und Beirut und sein Engagement für die christliche Sache in den Auseinandersetzungen der 480er Jahre durch sein ›Leben des Severos‹ bestätigt werden,12 wird man damit rechnen können, dass der Dialog auf Diskussionen zurückgeht, an die sich Zacharias aus seiner Studienzeit erinnert – wobei er sie natürlich literarisch entsprechend bearbeitet.13 Eine ähnliche autobiographische Ausrichtung des ›Theophrast‹, die es erlauben würde, ein Studium des Aineias beim Neuplatoniker Hierokles zu konstatieren, so wie es sein Protagonist Euxitheos von sich behauptet, ist hingegen nicht abzusichern. Daher ist die chronologische Einordnung des Autors insgesamt recht unsicher. Tatsächlich scheinen nur die Abfassung des ›Theophrast‹ kurz nach 485 sowie ein späterer Zeitpunkt für die Abfassung des ›Ammonios‹ durch Zacharias gesichert.14

Philosophieverständnis In den Schriften des Aineias und insbesondere des Zacharias zeigt sich die Begeisterung für die Philosophie in der Omnipräsenz des Wortstammes philosoph-, der dabei verschiedene Sinnebenen annimmt, je nachdem ob er für eine gute Lebensführung oder für theoretische Arbeit steht bzw. ob er für Hellenen oder für Christen verwendet wird. Die Bedeutung der Philosophie wird jedenfalls hochgehalten: Für Aineias besteht die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott gerade in ihr,15 und für Zacharias führt sie insbesondere zu besonnener Lebensführung.16 Häufig wird der Wortstamm für den philosophischen Unterricht und die Theoriebildung verwendet und ist insbesondere auf platonische und aristotelische Lehmia delle scienze di Torino. II. Classe di scienze morali, storiche e filologiche 112 (1978), 117–167, hier 120–135. 11   Vgl. Ritter, Aineias von Gaza, 2203. 12   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  23, 12 f. Kugener). 13   Vgl. Ritter, Zacharias Scholastikos, 2212. 14   Vgl. Aeneas Gazaeus, Theophrastus (2, 9–20 Colonna) zu Hierokles. Zu Recht zurückhaltend ist A. Segonds, Ainéas de Gaza, in: DPhA 1 (1994), 82–87, hier 83. 15   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (39, 23 Colonna). 16   Zacharias Rhetor, Ammonius (97, 85–87 Minniti Colonna).

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

rer bezogen.17 So wird Ammonios als »Philosophie der Griechen« (τῶν Ἑλλήνων ἡ φιλοσοφία) geradezu als Personifikation der Philosophie angeredet.18 Auch das Verb ›philosophieren‹ (φιλοσοφεῖν) steht für inhaltliche Arbeit ebenso wie für eine philosophische Lebensführung, für die auch vom Christen Euxitheos das Vorbild Sokrates sowie von Zacharias Pythagoras angeführt wird.19 Die Traditionen der Selbstbeschreibung der Philosophie sind beiden Autoren bekannt: Im Rahmen der Barbarenphilosophie sieht Aineias allerdings die Brahmanen nicht als authentische Vertreter der Philosophie an.20 Für Zacharias gehört es, gut sokratisch, zur wahren Philosophie, den eigenen Irrtum einzugestehen.21 Historisch ist es interessant, dass Aineias eine Verarmung der Philosophie seiner Zeit auch in Athen und Alexandrien behauptet,22 wobei freilich nicht ganz klar ist, inwieweit dies als objektive Beschreibung seiner Gegenwart zu verstehen oder einfach ein Topos ist. Immer wieder kehrt freilich der Gedanke wieder, dass die ›wahre‹ bzw. ›göttliche‹, manchmal auch ›anagogische Philosophie‹ bei den Christen gefunden werde, und zwar in erster Linie beim Mönchstum, das Zacharias tief bewundert.23 In diesem Sinne kann er auch davon sprechen, »das Joch der Philosophie« auf sich zu nehmen.24 In etwas weiterem Sinn wird mit ›Philosophie‹ eine tadellose Lebensführung von Christen überhaupt bezeichnet, etwa wenn Zacharias seinen Freund Severos einen »philosophischen Mann« (gaḇrā filosofā = φιλόσοφος ἀνήρ) nennt.25 Hierzu ist zu bedenken, dass Severos vor seinem Bischofsamt eine ganze Mönchsgemeinschaft zu »Früchten der Philosophie« geführt haben soll;26 doch auch ansonsten werden nicht-mönchische Christen für ihre ›praktische Philosophie‹ gelobt.27 Ein Mönch namens Evagrios ist »Philosoph unseres Herrn ­Jesus Christus durch Taten« (b-suʿrānē filosofē ḏ-māran īšōʿ mšīḥā [= ἐν πράξεσι φιλοσόφοις τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χρίστου?]). Ebenso ist das religiöse Leben des Johannes von Palästina ›philosophisch‹, insofern er sich in einer Kirche der

17   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (2, 9–19 [Hierokles]; 34, 13 [Pythagoras] Colonna); Zacharias Rhetor, Ammonius (97, 72 f.; 106, 352 [Ammonios] Minniti Colonna). 18   Zacharias Rhetor, Ammonius (128, 1018 Minniti Colonna). 19   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (20, 3–10 [Sokrates] Colonna); Zacharias Rhetor, Ammonius (121, 816–818 [Pythagoras] Minniti Colonna). 20   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (8, 19–22; 17, 24–18, 11 Colonna). 21   Zacharias Rhetor, Ammonius (127, 992–994 Minniti Colonna). 22   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (3, 6–8; 4, 5–7 Minniti Colonna). 23   Belege: Göttliche Philosophie: Vita Severi (PO 2, 1, p.  39, 1; 39, 8 f. (= Mönchstum); 43, 3; 54, 9; 56, 10; 85, 13 (Licht der); 88, 7; 89, 3; 92, 5 f.; 93, 3; 96, 6; 98, 4 f.; 103, 15; 109, 7 f.; 113, 8 f. Kugener); wahre Philosophie = Mönchstum (p.  43, 9; vgl. 78, 8; 83, 5; 93, 4 f.; 110, 7 f. Kugener); filosofūṯā maḏnḥā = ἀναγωγὸς φιλοσοφία: (p.  83, 6 Kugener). 24   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  14, 15; 86, 1 f.; 94, 12 f. Kugener). 25   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  8, 4; 8, 14 Kugener). 26   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  99, 8 f. Kugener). 27   Vgl. unten S. 1020.

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Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

Suche nach Gott widmet.28 Gegenüber einer solch christlichen Zuspitzung des Begriffs werden die ›Philosophen der Heiden‹ durch ein eigenes Epithet abgegrenzt, wobei auch von ihnen und sogar von der Frau eines Philosophen ein korrektes Verhalten erwartet wird.29 Diesem werden sie freilich in den Augen ihrer christlichen Gegner nicht gerecht, wie sich zum Beispiel an der Leichtgläubigkeit des ›Philosophen‹ Asklepiodotos zeigt, wenn er sich im Tempel von Menuthis dazu überreden lässt, Geschlechtsverkehr mit einer Statue der Isis zu haben.30

Einteilung der Philosophie und das Curriculum christlicher theoretischer ­Philosophie Die grundlegenden Einteilungen der Philosophie in Theorie und Praxis sowie Ethik, Physik, Metaphysik werden von den Autoren immer wieder zur Schilderung einer guten Lebensführung herangezogen.31 Für Aineias zeigen einige Syrer (Mönche?) durch Theorie und Praxis der Philosophie, wie Menschen sich mit Leib und Seele Gott annähern können.32 In Zacharias’ ›Leben des Severos‹ wird das nicht-mönchische Leben aktiver Christen als ›praktische Philosophie‹ (filosofūṯā suʿrānaytā = πρακτικὴ φιλοσοφία) bezeichnet,33 wobei die theoretische Kenntnis noch nicht an die Praxis einer guten Lebensführung, die nur Einzelne erreichen, heranreichen soll.34 Diesen Vorrang der Praxis vor der Theorie übernehmen die Mönche offenbar aus Gregor von Nazianz,35 ebenso wie die Idee einer »natürlichen Theorie und Theologie« (teorīa kyānaytā w-ṯeologia = φυσικὴ θεωρία καὶ θεολογία), die im Sinne des wohl von Evagrios Pontikos übernommenen spätantiken PhilosophieCurriculums auf die Erwerbung von Tugenden folgen sollten.36 Entsprechend soll sich die Vollkommenheit eines Mönchs in Praxis, Naturwissenschaft und Theologie von den »sogenannten (nämlich hellenischen) Philosophen« positiv abheben.37 Eine Beschreibung für einen Mönch, der die theoretischen und praktischen Quali28

  Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  64, 1 Kugener).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 9; 19, 12 f. Kugener). 30   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  18, 1–8 Kugener). 31   Zum Beispiel Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  98, 4–8 Kugener). 32   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (64, 18–23 Colonna). 33   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  55, 2 Kugener). 34   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  56, 13–57, 12; 90, 10 f. Kugener). Vgl. auch Brock  /  Fitzgerald, Two Early Lives, zu den einzelnen Stellen. 35   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  99, 11 f. Kugener); ähnlich Vita Isaiae (CSCO Syr. 7, p.  12, 21–23 Brooks [syr.]  /  8, p.  8, 30–32 [lat.] Brooks), wo die Ethik, Physik und Theologie genannt werden. 36   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  98, 4–6 Kugener). 37   Zacharias Rhetor, Vita Isaiae (CSCO Syr. 7, p.  12, 9–23 Brooks [syr.]  /  8, p.  8, 13–32 [lat.] Brooks). 29

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

täten des Philosophen vereint, scheint zu lauten: »ein philosophischer Mann, der an Seele und Körper Jungfrau war«.38 Die theoretische Philosophie des Christen, die mit der Praxis einhergehen soll, kann nach Zacharias durch die Lektüre gewisser Schriften der philosophisch bedeutsamen Kirchenväter erworben werden. Zum Erwerb der »Rhetorik zusammen mit der Philosophie, sowie der Kenntnis der göttlichen Worte und Lehren« liest Zacharias mit seinem Freund Severos die folgenden Schriften von Athanasios (von Alexandrien), Basileios (dem Großen), Gregor, Johannes und Kyrill (von Alexandrien). Zunächst studieren sie die Traktate gegen die Heiden, dann Basileios’ ›Hexaemeron‹, seine Reden und Briefe und den Traktat an Amphilochios von Ikonion, sodann ›Gegen Eunomios‹, die Rede ›An die Jugend‹ sowie schließlich die Schriften der »drei Gregore« (Thaumaturgos, von Nazianz, von Nyssa) und des Johannes (Chrysostomos ?) sowie des Kyrill.39 Diese Lektüreliste wirkt wie ein vielleicht nicht wirklich zu Ende gedachter Entwurf eines Curriculums der christlichen Philosophie als Gegenstück zum platonischen Curriculum, indem von der gedachten antiheidnischen Polemik über die Naturphilosophie (›Hexaemeron‹) und Protreptik zu den eigentlich Autoren vorangeschritten wird, die tatsächlich über die Natur Gottes nachdenken.

Kenntnis von und Kritik an hellenischer Philosophie Inhaltlich ergänzen die Dialoge des Aineias und des Zacharias einander insofern, als der ›Theophrast‹ sich mit der Auseinandersetzung der neuplatonischen Psychologie, der ›Ammonios‹ schwerpunktmäßig mit der Gotteslehre beschäftigt. In beiden Dialogen geben sich die heidnischen Gesprächspartner in unterschiedlich klarer Weise geschlagen: Der Theophrast im gleichnamigen Dialog erklärt »ich bin überzeugt« und will sich von Platon ab- und dem wahren Gott zuwenden.40 Im ›Ammonios‹ verstummen die paganen Gesprächspartner vor den Argumenten für die Nicht-Ewigkeit der Welt, und die Dialogfigur Ammonios lässt sich auf eine Zustimmung zur Unterscheidung der drei trinitarischen Personen in Gott ein.41 Die beiden Autoren sind grundlegend informiert über die Werke des Platon und Aristoteles, über die hellenistische Philosophie sowie die Neuplatoniker der Spätantike. Sie erwähnen neben Ammonios Plotin, Porphyrios, Jamblich, Syrian und Proklos in Zacharias’ ›Leben des Severos‹ auch andere Alexandriner Neuplatoniker des späten 5. Jahrhunderts (Isidoros, Heraïskos, Horapollon, Asklepiodos, u. a.), die uns ansonsten fast nur durch Damaskios bekannt sind.42 Nicht alle 38

  Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  86, 9 Kugener).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  52, 9–54, 5; 56, 13 f. Kugener). 40   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (68, 5–8 Colonna). 41   Zacharias Rhetor, Ammonius (125, 926–937; 127, 986–996; 131, 1122–1128 Minniti Colonna). 42   S. v. a. Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  16, 8 f.; 22, 12–14 Kugener). 39

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diese Autoren sind aber gründlich studiert worden. Eher hat man den Eindruck, dass, abgesehen von einigen aus den Vorlesungen bekannten Wissensbeständen, z. T. ausdrücklich zitierte christliche Autoren (Gregor von Nyssa) und ihre Referate die Hauptquellen sind, wobei Aineias’ ›Theophrast‹ seinerseits eine Quelle für Zacharias’ ›Ammonios‹ darstellt. Allerdings sind, obwohl nicht für jeden Fall eine Zwischenvermittlung durch andere christliche Autoren ausgeschlossen werden kann, zumindest einige Werke von Aristoteles, Platon, Plotin und wohl auch Porphyrios den Autoren direkt bekannt.43 Auf der argumentativen Ebene sind die Dialoge weniger originell, als das Nachgeben der heidnischen Gesprächspartner vermuten ließe: Aineias’ Theophrast lässt sich von dem alten Topos der Uneinigkeit der Philosophen so beeindrucken, dass er den Christen Euxitheos in ausführlichen Reden dessen Position darstellen lässt,44 in der das für christliches Denken typische Ideal der Freiheit hervorgehoben wird.45 Im Vergleich hierzu wirkt Zacharias’ Ammonios authentischer: Es werden die Vorlesungen zu Aristoteles’ ›Physik‹ und zur ›Nikomachischen Ethik‹46 als Anlass von Diskussionen benannt, und mit der Ewigkeit der Welt sowie der Freiheit und Veränderlichkeit Gottes werden Themen in den Mittelpunkt gestellt,47 welche die christlichen Hörer des Ammonios Hermeiou bewegen dürften. Argumentativ beschränkt sich die Diskussion aber, obwohl Zacharias »die Beweise der Christen« (τὰς Χριστιάνων ἀπόδειξεις) ankündigt,48 eher auf die Ebene des Behauptens von Plausibilitäten. Thesen wie die folgenden: 1) Gott müsse insofern frei gedacht werden, als er entscheiden könne, wann er zu schaffen beginne und wann nicht, sowie,49 2) Gott als Ursache könne nicht ebenso ewig existieren wie die verursachte Welt, ohne eines gebührenden Vorrangs zu ermangeln,50 werden von seinen Gesprächspartnern nicht ernsthaft mit den naheliegenden platonischen Gegenargumenten konfrontiert, sondern nach kurzer Gegenwehr mehr oder weniger akzeptiert. Ammonios’ Gegenfrage, wie man denn denken könne, Gott schaffe zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem anderen nicht, ohne anzunehmen, er sei veränderlich, wird von Zacharias nur knapp mit einem Verweis auf den Unterschied zwischen dem ewigen Gott und dem zeitlichen Men-

43   Vgl. den Überblick der Quellen des ›Ammonios‹ bei M. Minniti Colonna, in: Zacaria Scolastico, Ammonio. Introduzione, testo critico, traduzione, commentario, a cura di M. Minniti Colonna, Neapel 1973, 45–55. 44   Inhaltsübersicht: Segonds, Ainéas de Gaza, 85. 45   Aeneas Gazaeus, Theophrastus (21, 2–6 Colonna). 46   Zacharias Rhetor, Ammonius (98, 93; 126, 944 f. Minniti Colonna). Vgl. Thiel, Die Transformation der Theurgie, 404. 47   Inhaltsübersicht bei Minniti Colonna, in: Zacaria Scolastico, Ammonio, 38–44. 48   Zacharias Rhetor, Ammonius (100, 148–150; 127, 997 Minniti Colonna). 49   Zacharias Rhetor, Ammonius (112, 527–534 Minniti Colonna). 50   Zacharias Rhetor, Ammonius (112, 516–525; 126, 969–127, 994 Minniti Colonna).

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schen beantwortet.51 Allerdings könnten die christlichen Gedankengänge, z. B. zur Freiheit Gottes, für den zeitgenössischen Leser insoweit eingängiger und plausibler klingen als die komplizierte neuplatonische Weltentstehungslehre, als zumindest auf rhetorischer Ebene die Dialoge einen gewissen Eindruck hinterlassen.

Philosophie und Religion Es ist auffällig, mit welcher Selbstverständlichkeit Philosophie und christliche Religiosität besonders von Zacharias als einheitliches Ideal verstanden und zur Darstellung von gelungener und misslungener Lebensführung angeführt werden. Wie schon in den vorigen Abschnitten geschildert, gehört die Philosophie zur Vollkommenheit christlichen Lebens nicht nur der Mönche. Sie findet nicht nur im wahren Glauben, sondern auch in den durchschlagenden Argumenten der Christen seine Vollendung. In diesem Sinne ist es nur konsequent zu sagen, dass wahre Philosophie und Priestertum zusammen in Jesus gründen52 und dass Paulus philosophiert habe.53 Das schlimmste Vergehen gegen die Philosophie ist für beide Autoren eine falsche Lehre über Gott, so wie sie die theologischen Lehren der griechischen Philosophen darstellten.54 Sie geht für Zacharias mit einer irrtümlichen Lebensführung Hand in Hand, wie man z. B. an der Leichtgläubigkeit des Asklepiodotos im Tempel von Menuthis sieht.55

Philosophie, Rhetorik und Politik Obwohl die rhetorische Gestaltung ihrer Schriften evident ist, finden sich bei Zacharias Rhetor und Aineias von Gaza keine ausdrücklichen Erörterungen der Rhetorik und ihres Wertes. Zwar gehört die intensive Einarbeitung in die klassische Rhetorik bei Zacharias zu den Leistungen des Severos, aber in erster Linie deswegen, weil sie von seiner Bewunderung des Rhetors Libanios hin zur wahren Philosophie führen kann, wie man sie beim Christen Basileios findet.56 Ansonsten erfährt man nicht viel mehr als die Namen nicht weniger ›Sophisten‹ (Rhetoren) und Grammatiker sowie die Tatsache, dass auch die Christen diese Fächer als die Disziplinen des ›Zirkels der Lehre‹ studieren (und somit womöglich dem Einfluss heidnischer Lehrer ausgesetzt sind) und lehren.57 51

  Zacharias Rhetor, Ammonius (129, 1078–130, 1092 Minniti Colonna).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  9, 5 f. Kugener). 53   Zacharias Rhetor, Ammonius (106, 345 f. Minniti Colonna). 54   Zacharias Rhetor, Ammonius (97, 75–78; 136, 1298–137, 1314 Minniti Colonna); vgl. Aineias von Gaza, Theophrastus (37, 20–38, 7 Colonna). 55   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  17, 1–7 Kugener). 56   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  12, 7–13, 4 Kugener). 57   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  11, 8 f.; 98, 2 Kugener). 52

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Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

Auch die Medizin findet nur insoweit Erwähnung, als auch in ihr (jedenfalls von den Heiden) Philosophie im Sinne von Bildung betrieben wird.58 Eine Verbindung von Philosophie zur Politik unter den Heiden wird für die beiden Asklepiodotoi konstatiert, aber nicht eigentlich bewertet.59

Würdigung Die Werke des Aineias von Gaza und des Zacharias Rhetor sind herausragende Zeugnisse und Quellen für die geistige Situation am Ende des 5. Jahrhunderts: Beide Dialoge zeigen die recht breite Bildung einer christlichen Elite, die sich ihrer Überlegenheit nun auch auf philosophischem Wege zu versichern sucht. Zacharias’ ›Leben des Severos‹ ist ferner eine der besten erzählenden Quellen für den historischen Hintergrund dieses Versuchs und zeigt, wie sehr das Ideal der Philosophie das Empfinden gebildeter Christen bestimmt. Die beiden Dialoge zeugen von beträchtlichem literarischen Können (besonders des Zacharias) und einer recht breiten Kenntnis paganer und christlicher Philosophen. Ein wirklich gründliches Durchdenken des zeitgenössischen Neuplatonismus sowie der damit zusammenhängenden Probleme philosophischer Theologie sucht man allerdings vergeblich. Eindrucksvoll bleibt das Überwiegen philosophischer Bildung über die überraschend spärlichen biblischen Bezüge. Sie lässt den Eindruck erahnen, den die antike Bildungstradition sowie der Neuplatonismus in seinen letzten Jahren immer noch auf gebildete Christen ausüben.

3. Auseinandersetzungen mit der Philosophie in der ›nestorianischen‹ Quaestionenliteratur Allgemeines Weitere Zeugnisse einer Auseinandersetzung der Christen mit den zeitgenössischen Hellenen in philosophischer Methodik sind drei pseudonym überlieferte Texte, die in den Handschriften fälschlicherweise dem ›Philosophen und Märtyrer‹ Justin zugesprochen werden. Es handelt sich60 58

  Zacharias Rhetor, Ammonius (107, 363 f. Minniti Colonna).   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  17, 1 f. Kugener). 60   Die Grundlage der hier gegebenen Darstellung sind Gleede, Johannes Philoponos, 77–81, und Gleede, The Ps.-Justinian Corpus of Eratapokriseis. Vgl. des Weiteren A. M. Ritter  /  P. Toth, Sechs ps.-justinische Traktate, in: GGPh 5, 3 (2018), 2250–2263, sowie die in Teilen inzwischen überholte Darstellung bei Ch. Riedweg, Iustinus Martyr II, in: RAC 19 (2001), 848–873, hier 868–872. 59

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1. um zwei Reihen philosophischer Fragen, die ein Hellene an einen Christen (›Fragen der Hellenen an die Christen‹, ›Quaestiones Graecorum ad Christianos‹) sowie ein Christ an einen gebildeten Hellenen (›Fragen der Christen an die Hellenen‹, ›Quaestiones Christianorum ad Graecos‹) stellt und die der jeweils andere Dialogpartner beantwortet. Die Antworten des Hellenen auf die christlichen Fragen werden durch umfangreiche Widerlegungen des Christen ergänzt, welche die hellenische Darlegung ad absurdum zu führen suchen. 2. um die ›Widerlegung gewisser Dogmen des Aristoteles‹ (›Confutatio quorundam dogmatum Aristotelis‹), eine strukturierte Sammlung von Aristoteles-Zitaten zur Ewigkeit der Welt, die im Folgenden ebenfalls von einem Christen widerlegt werden. Hieran schließt sich eine Reihe von thetischen Argumenten ›Gegen die Hellenen‹ an. Die antihellenischen Texte behandeln, ähnlich wie Zacharias Rhetor und Johannes Philoponos, vor allem die Ewigkeit der Welt sowie die Frage, auf welche Weise Gott die Welt hervorbringt. Die antichristlichen Fragen und Argumente behandeln v. a. unkörperliches Sein sowie die Beweis- bzw. Widerlegbarkeit der Auferstehungshoffnung. In einer vierten, noch unedierten Sammlung, die von Are­ thas von Kaisareia (10. Jhdt.) als ›Dritte Abhandlung gegen die Hellenen‹ (Κατὰ τῶν Ἑλλήνων λόγος τρίτος) überliefert wird und z. T. wörtlich mit den anderen Stücken übereinstimmt, scheinen die Anfragen der Hellenen sowie Aristoteles’ ›Kategorien‹ für innerchristliche Zwecke genutzt zu werden.61 Diese Texte sind Teil eines größeren Corpus von Quaestionen- bzw. Eratapokriseis-Literatur, zu dem insbesondere die sogenannten ›Fragen und Antworten an die Orthodoxen‹ (›Quaestiones et responsiones ad Orthodoxos‹) gehören, die in der Überlieferung seit dem 9./10. Jahrhundert (und einem Großteil der Forschung) wechselnd (und wohl zu Unrecht) entweder Pseudo-Justin oder Theodoret von Kyrrhos zugeschrieben werden. Mittels dieser Texte kann das Gesamtkorpus auf eine nestorianische Gruppe zurückgeführt werden, die sich selbst als »Orthodoxe« innerhalb eines Umfelds von ›Häretikern‹, d. h. wohl Miaphysiten und Chalkedonensern, sieht; für das Gesamtmaterial ist somit eine Datierung nach 451 (Konzil von Chalkedon) und wohl vor 519 festzustellen.62 Demnach sind die Texte etwa gleichzeitig mit den ähnlichen Arbeiten des Aineias von Gaza, Zacharias Rhetor und Johannes Philoponos entstanden, was auch von der philosophischen Problemstellung her plausibel ist.63 Die variable Überlieferung der Quaestionen in meist wenig strukturierten Sammlungen, in denen sich das Material zum Teil in unterschiedlicher Anordnung wiederholt, zeigt allerdings, dass die Texte über 61   [Anonymus], Sermo tertius contra Graecos (Κατὰ τῶν Ἑλλήνων λόγος τρίτος), Prol., nach Codex Moskau GIM 394 (Vlad. 231). Ich danke Benjamin Gleede für Informationen zu diesem Text. Vgl. dazu auch Ritter  /  Toth, Sechs ps.-justinische Traktate, 2256–2258. 62   Vgl. v. a. Ps.-Iustinus, Quaestiones et responsiones ad Orthodoxos 1 (391BC); Gleede, The Ps.-Justinian Corpus, 91 f.; Ritter  /  Toth, Sechs ps.-justinische Traktate, 2262 f. 63   Erstmals festgehalten von J. P. Martín, El Pseudo-Justino en la historia del Aristotelismo, in: Patristica et Mediaevalia 10 (1989), 3–19, v. a. 16–18.

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einen längeren Zeitraum entstanden, benutzt und von verschiedenen Personen ergänzt worden sind. Das ist für Unterrichtsmaterial, wozu die Quaestionenliteratur gehört, typisch.64 Als Ort der Entstehung bzw. Zusammenstellung des Corpus scheinen aufgrund der geschilderten Umstände die Schulen in Antiochien (falls sie um 500 noch besteht) oder Edessa (bzw. nach 489 evt. Nisibis) am wahrscheinlichsten, zumal die Quaestionenform auch in anderen Zeugnissen aus dem ›nestorianischen‹ Schulkontext auftaucht.65 Bei den Stücken mit im engeren Sinne philosophischer Thematik spricht allerdings die Vorgehensweise, die den Rahmen der Quaestionenliteratur sprengt, und die beachtliche philosophische Bildung, die hier zutage tritt, für eine Abfassung durch einen einzelnen Autor, die möglicherweise nachträglich bearbeitet wurde, aber in Teilen noch tentativ zu erkennen ist: Denn einerseits behandeln, wie gleich näher zu erläutern ist, die ›Widerlegung bestimmter Dogmen des Aristoteles‹ (›Confutatio quorundam dogmatum Aristotelis‹) und die ›Fragen der Christen‹ (›Quaestiones Christianorum‹) das zuvor zitierte philosophische Material – also die aristotelischen Texte zur Ewigkeit der Welt und die Antworten des Hellenen auf die christlichen Fragen – in ganz analoger Weise. Andererseits sind die ›Fragen der Christen‹ mit den ›Fragen der Griechen‹ dadurch verbunden, dass in beiden Texten jeweils Fragen der anderen Seite in einem Kurzexposé beantwortet werden, das in den ›Fragen der Christen‹ dann noch einmal vom christlichen Autor kritisiert wird.

Auseinandersetzung mit der Philosophie und Hintergrund der Texte Die Gruppe des nicht-christlichen Gesprächspartners wird in allen Quaestionensammlungen in der Regel als ›Hellenentum‹ (Ἑλλήνισμος) bzw. ihre Anhänger als ›Hellenen‹ (Ἕλληνες) bezeichnet.66 Einmal wird die hellenische Position den ›Philosophen unter den Hellenen‹ (οἱ πρὸς Ἕλλησι φιλόσοφοι) zugeschrieben, 64

  Für die äußerst schwierige editorische Behandlung und historische Bewertung derartigen Materials vgl. exemplarisch die in R. M. Piccione  /  M. Perkams (Hrsg.), Selecta colligere. Bd.  1–2, Alessandria 2003–2005, gesammelten Beiträge. 65   Der vermutlich antiochenische Schulkontext wird bereits betont von M. Grabmann, Geschichte der scholastischen Methode 1. Die scholastische Methode von ihren ersten Anfängen in der Väterliteratur bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts, Freiburg 1909, 96  f. Beispiele sind v. a. die ›Instituta regularia divinae iuris‹ des Iunilius (6. Jhdt.; vgl. M. Maas, Exegesis and Empire in the Early Byzantine Mediterranean. Junillus Africanus and the ›Instituta Regularia divinae iuris‹, Tübingen 2003), die Causa-Literatur aus dem 6./7. Jahrhundert (vgl. Perkams, Ostsyrische Philosophie) sowie das ›Scholion‹ des Theodor bar Konī, die alle direkt oder indirekt aus verschiedenen ›nestorianischen‹ Schulen stammen. 66   Beispiele sind: Ps.-Iustinus, Quaestiones ad Orthodoxos 1 (391B–D); Ps.-Iustinus, Confutatio Aristotelis, praef. (110D–E: ἐκλογἠ τῶν Ἑλληνικῶν περὶ θεοῦ καὶ κτίσεως δογμάτων); sowie in den Titeln der ›Quaestiones Christianae‹ und ›Quaestiones gentiles‹.

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doch werden ansonsten eher die klassischen Denker als Philosophen bezeichnet.67 Generell ist festzustellen, dass die so bezeichnete Personengruppe als Gesprächs­ partner respektvoll behandelt und nicht mit übersteigerter Polemik überzogen wird. In der ›Widerlegung des Aristoteles‹ und den ›Fragen der Christen‹ werden die Texte des Aristoteles bzw. des Gesprächspartners vom christlichen Respondenten als zusammenhängende Einheiten behandelt.68 Man muss daher davon ausgehen, dass es sich um Stücke handelt, die gezielt zusammengestellt worden sind,69 vielleicht für den Zweck einer schriftlichen Widerlegung. In der vorliegenden Fassung dienen sie wohl der Vermittlung der christlichen Argumente gegen die Hellenen. Im Detail weisen die den Hellenen zugeschriebenen Textpartien Anzeichen e­ iner christlichen Bearbeitung auf: In den ›Fragen der Christen‹ wird einmal »der Glaube der Orthodoxen« genannt,70 was die auch sonst in den Quaestionensammlungen übliche Bezeichnung für die eigene christliche Gruppe ist. In den ›Fragen der Griechen‹ wird gegen die Möglichkeit der Auferstehung die Frage formuliert, mit welchem Leib ein Mensch auferstehen solle, der von einem Fisch gefressen und dann wieder von anderen Menschen verzehrt worden sei. Sie wird kurioserweise von dem hellenischen Frager anderen Leuten zugeschrieben, die ›ein Herz aus Stein haben‹ (οἱ λιθοκάρδιοι), womit philosophische Kritiker des Christentums gemeint sein dürften. Der Frager selbst hält dieses Argument hingegen nicht für zwingend und fordert seinen Gesprächspartner auf, einen Beweis der Auferstehung zu führen.71 Die Widerlegung in der ›Widerlegung des Aristoteles‹ und in den ›Fragen der Christen‹ selbst folgt in der Regel dem gerade zitierten Text Satz für Satz bzw. Formulierung für Formulierung und versucht meist kleinteilig, manchmal aber auch vom größeren Kontext her, innere Widersprüche aufzuweisen. Eine eigene Position, wie sie sich bei Philoponos findet, wird nicht eigentlich entwickelt, doch beherrscht der Autor seine Terminologie und hat zu einigen Fragen, z. B. zum Ver67

  Ps.-Iustinus, Confutatio Aristotelis 4 (117CD): οἱ κατὰ φιλοσοφίαν πρῶτοι vs. οἱ πρὸς Ἕλλησι φιλόσοφοι. 68   Vgl. Ps.-Iustinus, Confutatio Aristotelis 15; 35 (127B; 136AB); Ps.-Iustinus, Quaestiones Christianorum 5 (187E–188A). 69   Die Sammlung aristotelischer Texte scheint auch Philoponos gekannt zu haben. Vgl. die Einleitung zum (entsprechend antiker Zitiertechnik) recht frei zusammengestellten Zitat 36 (Aristoteles, Physica, 4, 12, 220a 19–32): Τῆς γραμμῆς ἐλάχιστος ἀριθμός (146C) mit Philoponus, In Physica (CAG 17, p. 740, 16 Vitelli): γραμμῶν ἐλάχιστος ἀριθμός. 70   Ps.-Iustinus, Quaestiones gentilium 1 (160BC). Vgl. Gleede, The Pseudo-Justinian Corpus, 76 f. 71   Ps.-Iustinus, Quaestiones Graecorum, quaestio 14 (200CD). Für diese ist der Text in Anlehnung an einen Vorschlag B. Gleedes in Ἐγὼ δὲ παρακαλῶ ἀπορίας κατασκευαστικὸν λόγον τῆς ἀναστάσεως μαθεῖν τὸν ἐξ ἀνάγκης ἀποδείκνυντα ὅτι ἀνάγκη εἶναι ἀνάστασιν διά τινων ἀποδεικτικῶν καὶ ἀληθινῶν λόγων zu korrigieren. Vgl. Gleede, The Pseudo-Justinian Corpus, 69 f.

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ständnis der Ewigkeit Gottes im Verhältnis zur Weltschöpfung aus dem Nichts, deutlich mehr zu sagen als Zacharias Rhetor.72 Die ›Fragen der Hellenen‹ und die ›Fragen der Christen‹ dürften tatsächlich auf einen realen Austausch des Autors mit einem befreundeten Hellenen zurückgehen, der uns in redaktionell bearbeiteter Form vorliegt.73 Er könnte im Rahmen eines Studienaufenthaltes in Alexandria anzusiedeln sein. Zur Erklärung dieses Austauschs könnte man erwägen, ob das Verhältnis der bedrängten Minderheiten der ›Nestorianer‹ und der Hellenen weniger von Polemik geprägt ist als die Position des Zacharias, eines Anhängers des in Alexandrien und Syrien vorherrschenden Miaphysitismus.

Philosophische Voraussetzungen und Bedeutung Generell ist die Auseinandersetzung mit dem Heiden durch ein auffälliges Interesse an Beweisen und ihrer Struktur gekennzeichnet: Der Hellene wünscht sich vom Christen ein »notwendig beweisendes Argument« (λόγον […] ἐξ ἀνάγκης ἀποδεικνύντα) für die Auferstehung, und der Christ weist darauf hin, dass seine Probleme keine Aporien im technischen Sinne sind.74 Beide besitzen also ein gründliches Training in philosophischer Argumentationslehre, das vermutlich die ›Analytica posteriora‹ einschließt. Das macht den philosophischen Unterricht als ursprünglichen (oder literarisch behaupteten) Ort des berichteten Austauschs wahrscheinlich. Die philosophisch interessanteste Ausarbeitung erfährt dieser methodische Ansatz zu Beginn der ›Widerlegung des Aristoteles‹: Hier nimmt sich der Autor vor zu zeigen, dass die aristotelischen Argumente keine syllogistisch beweisende Argumentation darstellen (μὴ κατὰ τὴν ἀπόδεικτικὴν ἐπίστημην […] πεποιηκότας).75 Somit erkennt er faktisch die Gefahr, dass die hellenischen Argumente die rationale Vertretbarkeit der christlichen Ansicht unmöglich machen könnten, und gibt die methodisch angemessene Antwort, indem er die Gültigkeit der verwendeten Schlüsse in Zweifel zieht. Diese Einsicht nimmt die Positionen in al-Ġazālīs (1058–1111) ›Inkohärenz der Philosophen‹ und in Moses Maimonides’ (1135/38–1204) ›Wegweiser für die Verwirrten‹ vorweg, welche ebenfalls darauf abheben, die Beweiskraft der philosophischen Argumente

72

  Eine Übersicht von in der ›Confutatio Aristotelis‹ vorausgesetzten philosophischen Annahmen findet sich bei Martín, El Pseudo-Justino en la historia del Aristotelismo, 9–14. 73   Das gilt auch für den Hinweis an den Leser der ›Quaestiones Graecorum‹, dass die Fragen des Hellenen keine logischen Aporien sind (201AB). Vgl. auch den Beginn der Antwort in Ps.-Iustinus, Quaestiones Christianorum 1 (161A): Ἱκανὸς μὲν ἦν εἰς ἔλεγχον τοῦ ἀσυστάτου λόγου αὐτὸς ὁ λόγος νοούμενος: Hier wird offensichtlich der Leser der schriftlichen Fassung im Nachhinein über den Verlauf der Auseinandersetzung informiert. 74   Ps.-Iustinus, Quaestiones Graecorum (200E–201B). 75   Ps.-Iustinus, Confutatio Aristotelis, praef. (110E).

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infrage zu stellen.76 Wie bemerkenswert dies für das 5./6. Jahrhundert ist, zeigt ein Vergleich mit Zacharias Rhetors naivem Gebrauch des Begriffs ›Beweis‹.77

Philosophie und Religion Eine generelle Verhältnisbestimmung von Philosophie und Religion findet in den Quaestiones nicht statt. Das ›Hellenentum‹ ist ebenso eine Weltanschauung mit mythischen und prophetischen Elementen wie Judentum und Christentum und kann in argumentativen Austausch hiermit treten. Insofern bestätigen die Quaestiones die eigentümliche antike Perspektive auf dieses Verhältnis; allerdings zeigen die Texte bereits ein deutliches Bewusstsein dafür, selbst die unbezweifelbare Wahrheit von den Propheten erhalten zu haben,78 und schließen aus dem nicht beweisenden Charakter der hellenischen Antworten, dass es sich um reine Spekulation ohne Wahrheitsanspruch (εἰκασμός) handle.79

Würdigung In den ›nestorianischen‹ Quaestionensammlungen begegnet uns ein sehr interessantes Textcorpus, das uns unter anderem Einblick in einen geistigen Austausch zwischen einem philosophisch gebildeten Christen und einem gebildeten Hellenen gibt, aber auch dessen Aufarbeitung für Schulzwecke zeigt. Das überlieferte Material suggeriert, dass ein ›nestorianischer‹ Lehrer im Nachhinein von seinem Austausch mit einem aufgeschlossenen Hellenen während des Philosophiestudiums berichtet. Es liegt daher nahe, einen Aufenthalt des Verfassers in Alexandrien zu vermuten, wie er auch für ›Nestorianer‹ bezeugt ist, z. B. den Lehrer in Nisibis und späteren Patriarchen Mār Abbā (Patrikios).80 Auch wenn der christliche Bearbeiter der Texte nicht die Originalität und Kreativität seines Zeitgenossen Johannes Philoponos erreicht,81 entwirft er mit der Idee, zu zeigen, dass Aristoteles’ Argumente für die Ewigkeit der Welt keine Beweise im Vollsinn des Wortes sind, 76   Vgl. z. B. F. Griffel, Al-Ġazālī als Kritiker, in: Eichner  /  Perkams  /  Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter, 289–313, hier 298 f. Bei Maimonides können folgende Stellen verglichen werden: Dux neutrorum 1, 71, 16; 2, 16, 213 f. (Moses Maimonides. Wegweiser für die Verwirrten. Eine Textauswahl zur Schöpfungsfrage. Arabisch  /  Hebräisch – Deutsch. Übersetzt von W. von Abel  /  I. Levkovich  /  F. Mussll. Eingeleitet von F. Musall  /  Y. Schwartz, Freiburg u. a. 2009, 86 f. und 194 f.). 77   S. oben S. 1019. 78   Ps.-Iustinus, Confutatio Aristotelis, praef. (110E). 79   Ps.-Iustinus, Confutatio Aristotelis, praef. (111A, 111E–112A). 80   Vgl. S.  Brock, From Antagonism to Assimilation. (= S.  Brock, Syriac Perspectives on Late Antiquity, London 1984, nr. V), hier 21 f. 81   Vgl. dazu Gleede, Johannes Philoponos, 81–86.

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eine Perspektive, die in allen monotheistischen Religionen des Mittelalters eine wichtige Rolle spielen wird.82

4. Philosophische Philosophiekritik: Christliche Naturtheorie bei J­ ohannes Philoponos Allgemeines83 Der bei weitem scharfsinnigste christliche Kritiker der neuplatonisch-aristotelischen Philosophie ist Johannes Philoponos, auch bekannt als Johannes der Grammatiker. Ohne Zweifel gehört er mit Plotin und Augustinus zu den originellsten Denkern der Spätantike, und seine teils revolutionären Ideen besonders in der Naturphilosophie wirken bis heute weiter. Von den Lebensdaten kann vor allem Philoponos’ Tod recht genau auf 572/73 festgelegt werden; seine Geburt wird in der Forschung gerne auf ca. 490 gesetzt, doch scheint ein Geburtsdatum um 500 realistischer.84 Philoponos verbringt sein ganzes Leben in Alexandria und ist in den miaphysitischen Kreisen der Stadt, für die er teils geradezu publizistisch tätig zu sein scheint, gut vernetzt; sein Beiname ›Philoponos‹ (ὁ Φιλόπονος) könnte darauf zurückgehen, dass er der christlichen Aktivistengruppe angehört, der auch Zacharias Rhetor nahesteht.85 Trotzdem ist mit guten Gründen vermutet worden, dass seine Kritik an Aristoteles und Proklos nicht (nur) aus apologetischen Gründen erfolgt, sondern aus einer sachlichen Unzufriedenheit mit der aristotelisch-platonischen Philosophie herrührt.86 Das eine schließt das andere keineswegs aus, wenn man annimmt, die von Zacharias 82   Zu Recht wurde die dialektische Meisterschaft des Verfassers bereits von A. von Harnack, Diodor von Tarsus. Vier pseudojustinische Schriften als Eigentum Diodors, nachgewiesen, Leipzig 1901, 239, sowie von Grabmann, Geschichte der scholastischen Methode 1, 95, hervorgehoben. 83   Die hier gegebene Darstellung folgt M. Perkams, Johannes Philoponos, in: GGPh 5, 3 (2018), 2033–2051. Zur Einführung in Leben und Werk des Philoponos sind darüber hinaus, neben den Beiträgen in Sorabji, Philoponus and the Rejection of Aristotelian Science, vor allem die einsichtvollen Bemerkungen von C. Scholten zu seinen deutschen Übersetzungen der Werke des Philoponos heranzuziehen, v. a. die generelle Einführung von C. Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De opificio mundi‹. ›Über die Erschaffung der Welt‹. Übersetzt und eingeleitet von C. Scholten, Bd.  1–3, Freiburg u. a. 1997, hier 1, 7–69, ferner auch Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De aeternitate mundi‹. 84   So M. Perkams, Zwei chronologische Anmerkungen zu Ammonios Hermeiou und Johannes Philoponos, in: Rheinisches Museum 152 (2009), 385–391. 85   Vgl. z. B. (eher skeptisch) Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De opificio mundi‹ 1, 23. 86   Vgl. Gleede, Johannes Philoponos, 96 f.; vgl. schon M. Wolff, Philoponus and the Rise of Preclassical Dynamics, in: Sorabji (Hrsg.), Philoponus, and the Rejection, 125–160, hier 147–159.

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geäußerte Absicht, die Griechen auch in der Philosophie zu übertreffen,87 könne bei Philoponos einen kritischen Blickwinkel geschärft haben. Jedenfalls nimmt er offenbar nie eine führende Stellung unter den Fachphilosophen Alexandriens an, was eher dafür spricht, dass sein soziales Umfeld stark christlich-kirchlich geprägt ist. Einen Kommentar zur ›Genesis‹, der freilich durch eine sehr umfängliche Auseinandersetzung mit anderen christlichen Autoren und griechischen Philosophen gekennzeichnet ist, schreibt Philoponos mit ›Über die Erschaffung der Welt‹.88 Seine späteren Schriften, ab ca. 540–550, die sich in erster Linie mit Fragen der Christologie und Trinitätstheorie beschäftigen, sind hingegen Abhandlungen und legen die für ihn typische quasi exklusiv rational argumentierende Methodik nicht ab. Seine Schriften über die Trinität tragen in seinen letzten Lebensjahren wesentlich zum sog. ›tritheistischen Schisma‹ innerhalb der miaphysitischen Richtung bei.

Verwendung und Definition des Wortstamms ›Philosophie‹ Für Philoponos’ Philosophiebegriff ist sinnvollerweise zwischen seinen Bearbeitungen ammonianischer Schriften und seinen eigenen Werken zu unterscheiden. In ersteren herrscht eine hohe Übereinstimmung mit seinem Lehrer, wie z. B. ein Vergleich zwischen seinem Kommentar zur ›Arithmetischen Einführung‹ des Nikomachos von Gerasa und dem des Asklepios von Tralleis zeigt.89 Zwar zeigen sich hier neben vielen Übereinstimmungen einige Zusätze des Philoponos, doch heben diese sich nicht deutlich von den Inhalten der schulischen Lehrtradition ab.90 Eine persönliche Positionierung lässt sich in erster Linie Philoponos’ Schriften ›Über die Erschaffung der Welt‹ (›De opificio mundi‹) und ›Über die Ewigkeit der Welt‹ (›De aeternitate mundi‹) entnehmen. Hier wird der Wortstamm philosophin der Regel für die hellenischen Philosophen bzw. deren Lehren gebraucht, teils in ausführlichen Wendungen, z. B. »die Anhänger der erhabenen Philosophie« (οἱ ἐκ τῆς σεμνῆς φιλοσοφίας), »Platon und die bereits Philosophierenden« (Πλάτων καὶ τοὺς ἤδη φιλοσοφήσαντας),91 teils mit der einfachen Bezeichnung ›der Philosoph‹.92 Besonders gerne ist vom »Philosophen Plotin« die Rede, vielleicht, weil er christlichen Lesern weniger bekannt ist.93 Einige dieser Philosophen werden

87

  Vgl. oben S. 1014.   Vgl. Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De opificio mundi‹ 1, 46–52. 89   Vgl. dazu auch oben S. 989. 90   Vgl. oben S. 981 zu den μαθήματα in der Schule des Ammonios. 91   Philoponus, De opificio mundi 1, prol.; 1, 2 (1, 9; 4, 20 Reichardt); weitere Beispiele: De aeternitate mundi 13, 10; 17, 5 (502, 11; 599, 25 f. Rabe). 92   Z. B. Philoponus, De aeternitate mundi 3, Capitula librorum (45, 6 Rabe). 93   Philoponus, De aeternitate mundi 2, 5; 4 Capitula librorum; 4, 16 (39, 2; 59, 9; 101, 25 Rabe). 88

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als Zeugen dafür angerufen,94 dass Platon die Welt für neu entstanden hielt, während Proklos’ gegenteilige Position als der Philosophie unwürdig kritisiert wird.95 Die positive Kennzeichnung gerade der alten Philosophie als ›erhaben‹ (σεμνόν) könnte der Abwertung des Proklos gegenüber seinen Vorgängern dienen.96 Ähnliches gilt wohl auch, wenn Platon als ›Blüte der Philosophie‹ (ἄνθος τῆς φιλοσοφίας) beschrieben wird.97 Dies kontrastiert zur Herabwürdigung anderer Philosophen, wenn etwa Porphyrios generell der Schwindelei bezichtigt wird.98 Allerdings wird gelegentlich auch dem Christen Pseudo-Dionysios ›Philosophia‹ zugeschrieben, so dass sich auch bei Philoponos eine gewisse Ambivalenz des Wortes attestieren lässt.99 Den hellenischen Philosophen im Allgemeinen schreibt Philoponos die Definition der Philosophie als »Ähnlichwerden mit Gott, soweit es dem Menschen möglich ist« zu, die er anführt, um zu zeigen, dass in der Septuaginta-Variante von ›Genesis‹ 1, 26 »gemäß dem Bilde und gemäß dem Ähnlichwerden« (κατ’ εἰκόνα καὶ καθ’ ὁμοίωσιν) sich das ›Ähnlichwerden‹ tatsächlich auf eine ethische Vervollkommnung bezieht, wie es von anderen christlichen Autoren vertreten wird.100 Weitere Definitionen und Einteilungen der Philosophie kommen nicht vor. Einzelne Teile der Philosophie, v. a. die Naturphilosophie, werden gelegentlich erwähnt, aber von der Arbeit des ›Theologie Treibenden‹ nicht scharf geschieden.101 Dies liegt wohl daran, dass die Auseinandersetzung mit der hellenischen Philosophie über die Ewigkeit und Schöpfung der Welt genauso im Bereich der Physik wie in dem der Metaphysik geführt wird.102

Philosophische Arbeit Textformen philosophischer Arbeit Eine bevorzugte Textform von Philoponos’ Auseinandersetzung mit der hellenischen Philosophie ist, in einer gewissen Ausweitung des Programms des gerade besprochenen anonymen ›Nestorianers‹ (Pseudo-Justin), die ausführliche Widerlegung von Serien philosophischer Thesen. Im Falle des Proklos ist dabei dessen in 18 thesenartige Abschnitte gegliederte Schrift ›Über die Ewigkeit der Welt‹ das 94

  Philoponus, De aeternitate mundi 6, 7 (135, 9–14 Rabe).   Philoponus, De aeternitate mundi 3, 1 (45, 6–11 Rabe). 96   Philoponus, De aeternitate mundi 13, 1 (482, 14 f. Rabe); vgl. C. Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De aeternitate mundi‹ 5, 1235 Anm.  8. 97   Philoponus, De opificio mundi 1, 2 (5, 15 f. Reichardt). 98   Philoponus, De opificio mundi 4, 20 (200, 2 f. Reichardt). 99   Philoponus, De opificio mundi 3, 13 (149, 1 Reichardt). 100   Philoponus, De opificio mundi 6, 7 (242, 11 f. Reichardt). 101   Philoponus, De opificio mundi 1, 2 (6, 4–6 Reichardt). 102   Vgl. unten S. 1031–1034. 95

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Referenzwerk,103 im Falle des Aristoteles ist das wegen des Verlustes des Werkes ›Über die Ewigkeit der Welt gegen Aristoteles‹ weniger klar, doch scheint Philoponos sich auch hier an zusammenhängenden aristotelischen Textstücken (›De caelo‹ 1, 2–4 und ›Physik‹ 8, 1) abgearbeitet zu haben.104 Allerdings sind Philoponos’ Argumentationsgänge ungleich zusammenhängender und differenzierter als die seines Zeitgenossen, dessen Werk (wenn nicht auch dessen Person) er zu kennen scheint.105 Eine weitere Praxis des Philoponos trägt wesentlich zur Erschwerung der Forschung bei: Er trägt seine Kritiken an Aristoteles und seinen Auslegern auch in Aristoteles-Kommentare ein, die auf Mitschriften von Vorlesungen des Ammonios Hermeiou zurückgehen und offenbar unter dessen Namen umlaufen, ohne die Einfügungen im Einzelnen zu kennzeichnen, so dass allenfalls die inhaltliche Analyse feststellen kann, wo eine eigene Position von Philoponos beginnt.106 Diese für uns befremdliche Vorgehensweise ist wohl lediglich ein weiteres Zeugnis der gängigen Praxis, bestehende Schul- und andere Gebrauchstexte (wie z. B. Kommentare) für eigene Zwecke beständig zu verändern, zu ergänzen und das Manuskript unter eigenem Namen herauszugegeben; bezeichnenderweise lässt sich dies u. a. an Philoponos’ ›Kategorien-Kommentar‹ gut nachzeichnen, in dem er, im Vergleich zu der unter dem Namen ›Ammonios‹ umlaufenden Variante, ­einige Ergänzungen vornimmt, die den Sinn kaum verändern und daher ohne die Vergleichsmöglichkeit kaum aufgefallen wären.107 Ähnliches gilt für das Verhältnis seines Kommentars zu Nikomachos’ ›Einführung in die Arithmetik‹ zu dem des Asklepios von Tralleis.108 Philoponos kann auf diese Weise AristotelesKommentare veröffentlichen, in denen der christliche (und später jüdische oder muslimische109) Leser Aristoteles’ Aussagen und, wo nötig, deren Widerlegungen kennenlernen kann – was wohl zur relativ umfänglichen Erhaltung von Philoponos’ Kommentaren sowie ihrer breiten Rezeption wesentlich beiträgt. Andererseits hat die Nicht-Beachtung dieser Praktiken durch die moderne Forschung

103

  Vgl. Scholten, in: Johannes Philoponos, ›De aeternitate mundi‹ 1, 25–29.   Simplicius, In Physica (CAG 10, p.  1118, 4–9 Diels); vgl. Ch. Wildberg, in: Philoponus, ›Against Aristotle on the Eternity of the World‹. Translated by Ch. Wildberg, London 1987, 26–28. 105   Zu diesem Verhältnis vgl. auch A. M. Ritter  /  P. Toth, Sechs ps.-justinische Traktate, 2262. 106   Vgl. Scholten, Antike Naturphilosophie, 136–143; Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 142–144; Perkams, Johannes Philoponos, 2036 f.; R. Sorabji, Dating of Philoponus’ Commentaries on Aristotle and on his Divergence from his Teacher Ammonius, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Re-Interpreted, 367–392. 107   Vgl. Luna, in: Simplicius, ›Commentaire sur les Catégories‹. Chapitre 2–4, 355. 108   Herausgegeben in: Asclepius of Tralles, ›Commentary to Nicomachus’ Introduction to Arithmetic‹. Edited with Introduction and Notes by L. Tarán, Philadelphia 1969. 109   Vgl. Perkams, Johannes Philoponos, 2050 f. 104

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zu unnötig komplizierten literarhistorischen und biographischen Annahmen geführt.110

Inhaltliche Grundlinien111 Naturphilosophie und Seelenlehre Philoponos’ Naturphilosophie ist, namentlich in ihrer neuplatonischen Form, die sachlich wohl bedeutendste antike Auseinandersetzung mit der aristotelischen Tradition. Philoponos kritisiert Aristoteles und verschiedene neuplatonische Autoren (Proklos, Ammonios Hermeiou, Damaskios) in einer ganzen Reihe von Punkten, deren Verbindungsglied vermutlich sein aus dem christlichen Glauben resultierender Zweifel an der Ewigkeit der Welt ist.112 Seine wohl berühmteste Ansicht besteht in der Ablehnung der aristotelischen Bewegungslehre zugunsten der Annahme, Bewegung geschehe in erster Linie durch die einem Gegenstand »eingegebene Kraft« (ἔμφυτος ῥοπή),113 die nach einem einmal gegebenen Impetus selbständig wirkt. Ihre vollste Ausprägung im Sinne der sogenannten ›Impetus-Theorie‹ erreicht diese Lehre in ›Über die Erschaffung der Welt‹, wo er diese eingegebene Kraft für jeden Gegenstand als eine Eingabe von außen versteht.114 Schon im ›Physik-Kommentar‹ entwickelt er die Theorie von der inneren Tendenz eines Körpers als einziger ›Wirkursache‹ der Bewegung eines Gegenstandes, weswegen unterschiedlich schwere Körper seiner Meinung nach in einem leeren Raum unterschiedlich schnell fallen.115 Ein eventuell den Gegenstand umgebendes Medium sei daher nur akzidentell als Bewegungsursache anzusehen;116 notwendig sei es für die Bewegung nicht, weswegen diese auch im leeren Raum stattfinden könne.117 Das Ende einer Bewegung ergebe sich folglich auch nicht aus dem Medium, sondern als Folge des natürlichen Nachlassens der eingegebenen Kraft.118 Der Bruch mit Aristoteles ist allerdings nicht vollständig: Philoponos hielt an der Annahme einer ›Neigung‹ (ῥοπή) jedes Ge110

  Insbesondere von K. Verrycken wird, z. B. in: Aristotle Transformed, 236 f., die These einer mehrfachen Überarbeitung von Philoponos’ ›Physik-Kommentar‹ vertreten. 111   Die folgenden Abschnitte stellen eine leicht aktualisierte Fassung von Perkams, Johannes Philoponos, 2038–2050, dar. 112   Vgl. R. Sorabji, John Philoponus, in: Sorabji (Hrsg.), Philoponus and the Rejection, 41–81, hier 47–50; Scholten, Antike Naturphilosophie, 11 f.; De Haas, John Philoponus’ New Definition of Prime Matter 294 f.; anders Wolff, Philoponus and the Rise of Preclassical Dynamics, 147–159; Gleede, Johannes Philoponos, 96 f. 113   Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  680, 8 f. Vitelli). 114   Philoponus, De opificio mundi 1, 12 (28, 20–29, 9 Reichardt). 115   Philoponus, In Physica (CAG 17, p. 678, 22–24; vgl. 678, 5–29 Vitelli). 116   Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  678, 19 Vitelli). 117   Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  642, 3–9 Vitelli). 118   Vgl. Philoponus, In Physica (CAG 16, p.  355,10–13 Vitelli).

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genstandes zu seinem natürlichen Ort im Kosmos fest, so dass auch für ihn leichte Gegenstände ebenso nach oben tendieren wie schwere nach unten.119 Die Impetus-Theorie ist verbunden mit der zumindest hypothetischen Annahme leerer Orte bzw. Räume. Ein Raum ist demnach einfach durch seine dreidimensionale Ausdehnung definiert, ohne dass es erforderlich ist, dass ein konkreter Gegenstand diesen Raum auch tatsächlich einnimmt; folglich ist es auch nicht widersprüchlich, dass ein ausgedehnter Körper an einem ausgedehnten leeren Ort ist,120 zumal diese Möglichkeit eine notwendige Bedingung von Bewegung darstellt.121 Allerdings nimmt Philoponos aufgrund dieser Überlegungen nicht eine tatsächliche Existenz leerer Räume an.122 In ›Über die Ewigkeit der Welt gegen Proklos‹ (Kap. 11, 1–8) lehnt Philoponos auch die im ›Physik-Kommentar‹ noch vorausgesetzte Theorie von der ersten Materie (ἡ πρώτη ὕλη) ab: Zur Erklärung von Veränderung an einem gleich bleibenden Subjekt genüge es, einen »von jeder qualitativen Bestimmung freien Körper« (ἄποιον σῶμα) anzunehmen, der gleichwohl noch durch eine »dreidimensionale Ausdehnung« (τὸ τρίχῃ διαστατόν) gekennzeichnet sei.123 In ›Gegen Aristoteles‹ und im ›Meteorologie-Kommentar‹ wendet sich Philoponos gegen die Theorie von der Ewigkeit des Himmels, der Aristoteles zufolge aus dem sogenannten fünften Element – neben Feuer, Wasser, Erde, Luft – besteht, dem Äther. Philoponos kritisiert vor allem Aristoteles’ Theorie einer besonderen Rolle der Kreisbewegung, die den Äther gegenüber den anderen Elementen hervorhebt, und betont die natürliche Gleichrangigkeit von linearer und zirkulärer Bewegung, weswegen die Bewegung der Feuersphäre nicht übernatürlich, sondern natürlich sei.124 Mit dieser Annahme entfalle auch die Notwendigkeit eines fünften Elements.125 Das Feuer, das auch in der Sonne vorhanden sei,126 sei für die angenommene Kreisbewegung der Himmelssphären verantwortlich.127 In diesem Zusammenhang entwickelt Philoponos die Idee von der Natur als alleiniger Ursa-

119

  Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  679, 27–680, 23 Vitelli).   Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  687, 35–689, 25 Vitelli). 121   Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  693, 28–694, 16 Vitelli). Zu Philoponos’ Theorie des Ortes vgl. Thiel, Aristoteles’ ›Kategorienschrift‹, 281–293. 122   Philoponus, In Physica (CAG 17, p.  675, 20–29 Vitelli). 123   Philoponus, De aeternitate mundi 11, 3 (414, 20–415, 5 Rabe). 124   Philoponus, De aeternitate mundi contra Aristotelem, frg.  1–17 (Wildberg); vgl. Wildberg, John Philoponus’ Criticism of Aristotle’s Theory of Aether, 103–34. 125   Philoponus, De aeternitate mundi contra Aristotelem, frg.  18–22 (Wildberg); vgl. Wildberg, John Philoponus’ Criticism of Aristotle’s Theory of Aether, 135–44. 126   Philoponus, De aeternitate mundi contra Aristotelem, frg.  58* (Wildberg) = Simplicius, In De Caelo (CAG 7, p.  88, 8–10 Heiberg). 127   Philoponus, De aeternitate mundi contra Aristotelem, frg.  59 (Wildberg) = Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  88, 31 f. Heiberg); vgl. Wildberg, John Philoponus’ Criticism of Aristotle’s Theory of Aether, 165–86. 120

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Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

che aller körperlichen Bewegungen und sieht folglich diese auch als Movens der Sphärenbewegung an.128 In seinem ›De anima-Kommentar‹ kritisiert Philoponos die Annahme eines pneumatischen Leibes,129 bleibt aber sonst neuplatonischen Voraussetzungen weiter verpflichtet.130 Gegen Ammonios rehabilitiert er in diesem Kommentar die Lehre von der Präexistenz der Seele, allerdings aus Gründen, die mit der Annahme der Ewigkeit der Welt zusammenhängen.131 Ablehnung der Ewigkeit der Welt Ein wichtiges Ziel von Philoponos’ naturphilosophischer Arbeit ist, wie schon in der wohl etwas früheren pseudo-justinischen ›Widerlegung des Aristoteles‹, die Widerlegung der aristotelischen Annahme, die Welt sei ewig. Allerdings beschränkt er sich nicht auf dessen defensive Zielsetzung, sondern will zeigen, dass die Welt »einen Anfang des Seins hat«.132 Neben den bereits genannten Argumenten über die Nicht-Ewigkeit des Äthers führt Philoponos zu diesem Zwecke zahlreiche weitere Punkte an: Die Ewigkeit der Zeit könne nicht aus der Ewigkeit der Bewegung abgeleitet werden, da die Zeit auch bei unbewegten Entitäten, wie etwa dem menschlichen und göttlichen Geist, gemessen werden könne, die nach den aristotelischen Vorgaben Verschiedenes nacheinander, d. h. zeitlich, erkennten; Zeit sei daher eine menschliche Betrachtungsweise der gesamten Wirklichkeit, aus der kein Rückschluss auf den Charakter dieser Wirklichkeit möglich sei.133 Auch ein weiteres Argument weist Philoponos zufolge auf einen inneren Widerspruch bei Aristoteles hin: Eine ewige Welt, die aus vergänglichen Elementen (wie z. B. Meinungen, Tage, Sphären u. a.) bestehe, müsse faktisch aktual unendlich sein, was aber der aristotelischen Ablehnung einer aktualen Unendlichkeit widerspreche.134 Simplikios’ Entgegnung hierauf weist auf einen grundsätzlichen Unterschied in der Weltsicht beider hin: Während Simplikios Unendlichkeit als kreisförmige unendliche Wiederholung einer gleichbleibenden Zahl endlicher Elemente versteht,135 ergibt sich Philoponos’ 128

  Philoponus, In Meteorologica (CAG 14, 1, p.  97, 9–21 Hayduck).   Philoponus, In De anima (CAG 15, p.  239, 2–38 Hayduck). 130   Vgl. Blumenthal, Neoplatonic Elements in the ›De anima‹ Commentaries; H. J. Blumenthal, Aristotle and Neoplatonism in Late Antiquity. Interpretations of the ›De anima‹, London 1996, 61–65; Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 104–108. 131   Philoponus, In De anima 3 (37, 81–39, 20 Verbeke); vgl. Perkams, Selbstbewusstsein in der Spätantike, 125–128. 132   Vgl. Simplicius, In De caelo (CAG 7, p.  25, 25 f. Heiberg). Im Rückblick formuliert (und erhalten) in Philoponus, De opificio mundi 1, prol. (1, 7–14 Reichardt). 133   Philoponus, De aeternitate mundi contra Aristotelem, frg.  121 f. (Wildberg) = Simplicius, In Physica (CAG 10, p.  1156, 28–1159, 7 Diels). 134   Philoponus, In Meteorogica (CAG 14, 1, p.  17, 2–4 Hayduck). 135   Simplicius, In Physica (CAG 10, p.  1181, 12–21 Diels). 129

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Folgerung aus einem linearen Zeitbegriff. Im Rahmen der aristotelischen Naturphilosophie scheint allerdings eine Zurückweisung von Philoponos’ Argument dann schwierig, wenn man an der Einzigartigkeit der einzelnen Teile der Zeit, wie etwa Tage, festhalten will.136 Die Schöpfung aus dem Nichts hält Philoponos für möglich, weil er den Entschluss Gottes zur Schöpfung als erste Entelechie im aristotelischen Sinn versteht, also als unzeitlichen Übergang und somit nicht als Veränderung in Gott.137 Christliche Dogmatik Im Rahmen der christologischen Debatte des 6. Jahrhunderts138 fallen Philoponos’ Beiträge dadurch auf, dass sie praktisch ausschließlich mit rationalen Argumenten ohne Rekurs auf Väterzitate arbeiten.139 Der Traktat ›Das Ganze und seine Teile‹ gibt sich sogar ganz als philosophische Einzeluntersuchung, obwohl sein Thema von dem christologischen Problem der Einheit der menschlichen und göttlichen Natur in Christus bestimmt ist. ›Über die Trinität‹, auch bekannt als ›Über die Theologie‹, enthält sogar ausdrückliche Zitate aus Aristoteles.140 Die thematischen Schwerpunkte von Philoponos’ christologischer Arbeit bestehen im Kern in drei Thesen: A. Die göttliche und menschliche Natur in Christus bilden auch für Philoponos, entsprechend der von Severos von Antiochien formulierten miaphysitischen Position,141 eine ›zusammengesetzte Substanz‹ (οὐσία σύνθετος), ›aus (eher als ›in‹) zwei Naturen‹ (φύσεις), der menschlichen und der göttlichen. Hierbei sei Christus ebenso eine Natur, wie der ganze Mensch aus Körper und Seele eine Natur bzw. eine unauflösbare ›Einheit‹ bilde. Nur kontrolliere die göttliche Natur in Christus alle Bewegungen des Menschen Christus, während die menschliche Seele im Körper durchaus auch dessen Affektionen unterliege.142 Diese Überlegungen, die durch den miaphysitischen Kontext mit seiner starken Betonung der Individualität der Natur Christi geprägt sind,143 unterscheiden sich merklich von der neu-

136   Vgl. R. Sorabji, Infinity and the Creation, in: Sorabji (Hrsg.), Philoponus and the Rejection, 195–220, hier 210–220. 137   Philoponus, De aeternitate mundi 3, 5 (49, 9–52, 26 Rabe); vgl. C. Scholten, Verändert sich Gott, wenn er die Welt erschafft? Die Auseinandersetzung der Kirchenväter mit einem philosophischen Dogma, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 43 (2000), 25–43, hier 38–43; Gleede, Johannes Philoponos, 94. 138   Vgl. unten S. 1086–1097. 139   Vgl. Lang, John Philoponus, 158. 140   Philoponus, De trinitate, frg.  1 (p.  148 Van Roey). 141   Vgl. unten S. 1091. 142   Philoponus, Arbiter, 3 f. (p.  5 f. Šanda [syr.]  /  p.  174–176 Lang [engl.]). 143   Vgl. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 148 f.

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platonisch-aristotelischen Anthropologie, wie sie auch in Philoponos’ AristotelesKommentaren und ›Die Erschaffung der Welt‹ zu finden ist.144 B. Da jedes Individuum einer Art zugeordnet sein muss, kann jede göttliche Hypostase (ὑπόστασις), also auch Christus, immer nur einer Natur angehören, so dass er keine zwei Naturen besitzen kann.145 Andererseits kann Christus nur mit Gott dem Vater und einem menschlichen Individuum von gleicher Natur sein, wenn er eine zusammengesetzte und keine einfache Substanz ist.146 Vor diesem Hintergrund kann Philoponos in seinem ›Schiedsrichter‹ nicht nur die Aussage akzeptieren, Christus sei »aus zwei Naturen« zusammengesetzt, sondern, richtig verstanden, auch die Formel von Chalkedon, er bestehe »in zwei Naturen«. Deswegen versteht er seine Schrift als Kompromissvorschlag.147 Da Philoponos seinen Vorschlag allerdings später nominalistisch versteht – also die universalienrealistische Voraussetzung der kappadokischen Trinitätsdeutung gerade ablehnt –, so dass die Einheit der drei göttlichen Naturen bzw. Substanzen nur in unserem Denken gegeben sein kann,148 gelangt er zu einem ›Tritheismus‹, was zur Entstehung eines weiteren, innermiaphysitischen Schismas führt bzw. dieses verstärkt. Die auf den ersten Blick überraschende Tatsache, dass Philoponos sich, anders als z. B. Augustinus, der Probleme nicht bewusst ist, die sich ergeben, wenn man Kategorien, die (jedenfalls im neuplatonischen Verständnis) zur Schilderung der sinnlichen Wirklichkeit entwickelt wurden, auf den göttlichen Bereich anwendet,149 erklärt sich einerseits durch die große Selbstverständlichkeit, mit der seit den Kappadokiern die Trinitätslehre vor dem Hintergrund der jeweils als richtig erachteten Deutung der aristotelischen ›Kategorien‹ erklärt wird, andererseits durch die typisch miaphysitische Betonung der Individualität der Natur Christi.150 Sie wird bei dem Chalkedonenser Pamphilos schon im Ansatz dadurch vermieden, dass er mithilfe von Pseudo-Dionysios die Grenzen der Aussagekraft der ›Kategorien‹ klarer anzeigt.151 C. Philoponos’ zuletzt veröffentliche Schriften ›An Dositheos‹ und ›Über die Auferstehung‹ vertreten die These, dass der menschliche Körper nach dem Tode vollständig vergehe und bei der Auferstehung durch einen unvergänglichen Kör144

  Vgl. Perkams, Johannes Philoponos, 2048.   Philoponus, Arbiter 27; 34 (p.  26; 31 f. Šanda [syr.]  /  p.  195; 200 Lang [engl.]). 146   Philoponus, Arbiter 34 (p.  31 f. Šanda [syr.]  /  p. 200 Lang [engl.]). 147   Philoponus, Arbiter 45 (p.  44 Šanda [syr.]  /  p. 213 f. Lang [engl.]) = Fragmentum Graecum 13 (229 Lang). 148   Philoponus, De trinitate, frg.  1; 3; 5 (p.  148 f. Van Roey). Nach Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 163–167, geht damit eine Betonung der transzendenten göttlichen οὐσία im neuplatonischen Sinn, also der platonischen Idee bzw. des universale ante rem, einher, während die neuplatonische immanente οὐσία, also das universale in re, abgelehnt wird (vgl. zu dieser Unterscheidung oben S. 752  f.). 149   So z. B. Lang, John Philoponus and the Controversies about Chalcedon, 165. 150   Vgl. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 163–165. 151   Vgl. unten S. 1096. 145

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

per ersetzt werde, der mit der Seele eine »unvergängliche, unauflösliche Einheit« (ἄφθαρτος ἕνωσις ἀδιάλυτος) eingehe.152 Den wenigen Fragmenten nach zu urteilen, ruht das Argument auf der Annahme, dass ein sterblicher von einem unsterblichen Körper der Art nach unterschieden sei, so dass beide nicht identisch sein könnten.153

Verhältnis der Philosophie zur Religion und den Wissenschaften Das Verhältnis von Philosophie und Religion nach Philoponos lässt sich nicht aus seiner pointierten Ablehnung der als pagan verstandenen Philosophie ablesen. Vielmehr sieht er eine sachliche Übereinstimmung zwischen jüdisch-christlicher Schöpfungslehre und der Naturphilosophie seiner Zeit, die er insbesondere durch die traditionelle Annahme der Kirchenväter rechtfertigt, dass Platon seine grundlegenden Einsichten von Moses übernommen habe.154 Eine Voraussetzung für die Herstellung dieser Übereinstimmung ist allerdings Philoponos’ eigene Widerlegung der unrichtigen aristotelisch-platonischen Annahmen mit wissenschaftlichen Mitteln, mit deren Hilfe eine wahrheitsfähige christliche Theorie entsteht. Große Hochschätzung erfahren bei Philoponos (wie bei Zacharias Rhetor) eine Reihe von Kirchenvätern, v. a. Basileios der Große, auf dessen HexaemeronAuslegung sich Philoponos für ›Die Erschaffung der Welt‹ stützt.155 Allerdings grenzt er die von ihm selbst angestrebte wissenschaftliche Vorgehensweise von einem auf pastorale Bedürfnisse reduzierten Zugang ab, wie er ihn bei Basileios findet,156 so dass das Verständnis von Philosophie als ›Elitenwissen‹, das nicht strikt weitergegeben werden kann, bei ihm in veränderter Form wieder auftaucht.157 Keine explizite Rolle findet bei Philoponos das Verhältnis der Philosophie zur Rhetorik und den weiteren Wissenschaften, soweit er dabei nicht einfach Schulgut aus dem Umfeld des Ammonios in seinen Kommentaren weitertradiert.158

152

  Timotheus Constantinopolitanus, De receptione haereticorum 10 (PG 86, 61C).   Cono, Refutatio, frg.  32 (p.  135 f. Van Roey). 154   Vgl. Philoponus, De opificio mundi 1, 2 (4, 17–24 Reichardt) sowie Scholten, in: Johan­nes Philopons, ›De opificio mundi‹ 1, 52–62. 155   Philoponus, De opificio mundi 3, 13 (148, 20–149, 12 Reichardt). 156   Philoponus, De opificio mundi 1, 1 (2, 19–25 Reichardt). 157   Vgl. oben S. 776–778. 158   S. oben S. 1030. 153

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Christliche Auseinandersetzungen mit der ­Fachphilosophie

Würdigung Eine Gesamtwürdigung des Johannes Philoponos setzt einen umfassenderen, seine christlichen Interessen berücksichtigenden Zugriff voraus, als er häufig von philosophischer Seite geboten wird. Aber auch unter dieser Voraussetzung kann man sein Lebenswerk in verschiedener Weise deuten: Entweder man sieht es a)  als eine konstante Arbeit an einer Deutung der rechten christlichen Lehre mit philosophischen Mitteln und rechnet zu diesem konstant weiterentwickelten Projekt sowohl seine expliziten Auseinandersetzungen mit der Philosophie (spätere Aristoteles-Kommentare, ›Contra Proclum‹, ›Contra Aristotelem‹) als auch seine auf dieser Auseinandersetzung beruhenden Schriften zur Weltschöpfung (›De opificio mundi‹) sowie zu Trinität und Christologie (›Arbiter‹, ›De trinitate‹). Oder man nimmt an, dass b)  Philoponos ein vorwiegend philosophisch arbeitender Wissenschaftler ist, der sich aus sachlichen Gründen gegen die Alexandriner Philosophielehrer wendet und später in innerchristlichen Disputen philosophisch begründete Positionen verteidigt, z. B. gegen den Biblizismus des Kosmas Indikopleustes oder die irrationalen theologischen Entwürfe seiner Zeit. So oder so verstanden, zeigen seine erhaltenen Werke einerseits die Fähigkeit, die Schlüsse aus Schrift und christlicher Überlieferung zu ziehen, die mit einer wissenschaftlich-philosophischen Herangehensweise vereinbar sind, und andererseits die Kompetenz, aus der philosophischen und der innerchristlichen Debatte erwachsende Behauptungen argumentativ zu widerlegen. Die intensive und professionelle Beschäftigung mit Aristoteles, Ammonios und anderem Schulmaterial stellt hierfür ohne Zweifel eine gründliche Vorbereitung dar.

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V. Christliche Adaptionen platonischen Denkens: Pseudo-Dionysios Areopagites und Johannes von Skythopolis

1. Die pseudo-dionysischen Traktate Die Werke des ›Dionysios Areopagites‹ vor dem Horizont ihrer Zeit Einen methodisch ganz anderen Umgang mit der Philosophie, und zwar insbesondere dem Neuplatonismus des Proklos, finden wir in den Schriften, die sich als Werk des Apostelschülers Dionysios Areopagites1 ausgeben, also dem Korpus aus den vier Traktaten ›Über die göttlichen Namen‹ (›De divinis nominibus‹), ›Über die himmlische Hierarchie‹ (›De caelesti hierarchia‹), ›Über die kirchliche Hier­ archie‹ (›De ecclesiastica hierarchia‹) und ›Über die mystische Theologie‹ (›De mystica theologia‹) sowie zehn Briefen desselben Autors. Trotz aller Unterschiede in Form und Inhalt gilt es zu bedenken, dass diese Texte den gleichen Hintergrund haben wie die Auseinandersetzungen mit der aristotelisch-neuplatonischen Philosophie und die gleich zu behandelnden Übersetzungen entsprechender Texte. Ihr anonymer Autor lebt zur gleichen Zeit und in der gleichen geographischen Region wie Zacharias Rhetor, Johannes Philoponos und Sergios von Rēšʿaynā. Seine Werke lassen sich recht zuverlässig in den Zeitraum zwischen 476, oder vielleicht eher 515, und 528 datieren, und sie können im syrischen Raum lokalisiert werden, was ein vorhergehendes Studium in Alexandrien (oder evt. Athen) keineswegs ausschließt. Schließlich teilt der Autor auch die miaphysitische Überzeugung der drei gerade genannten Autoren.2 Im Vergleich zu diesem Umfeld ist aber ›Dionysios’‹ Wertschätzung der zeitgenössischen Philosophie bemerkenswert hoch, wird 1   So die griechische Namensform, die ich hier anstelle des lateinischen Dionysius Areopagita und aller Mischformen bevorzuge. Vgl. A. M. Ritter, Dionys vom Areopag. Beiträge zu Werk und Wirkung eines philosophierenden Christen der Spätantike, Tübingen 2018, IXf. Für einen Überblick vgl. dieses Werk sowie A. M. Ritter, Dionysios Areopagites, in: GGPh 5, 3 (2018), 2220–2236. 2   Diese Einleitungsfragen sind exemplarisch – wenn auch vielleicht nicht in jedem Detail überzeugend – behandelt bei B. R. Suchla, Dionysius Areopagita. Leben – Werk – Wirkung, Freiburg  /  Basel  /  Wien 2008, und jetzt wieder bei A. M. Ritter, Dionys vom Areopag, 1–18; das Datum 515 wird z. B. stark gemacht von P. Rorem  /  J. C. Lamoreaux, John of Scy­tho­polis and the Dionysian Corpus. Annotating the Areopagite, Oxford 1998, 9 f., wo sich auf S.  11–22 eine gute Darstellung der ersten ›Dionysios‹-Rezeption bei Severos von Antiochien und anderen Autoren findet (mit englischen Übersetzungen der wichtigsten Quellentexte).

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Christliche Adaptionen platonischen Denkens

doch das neuplatonische Denkschema des von ihm intensiv benutzten Proklos zum systematischen Kern seines Gesamtwerks, auch wenn dieses zahlreiche Einflüsse christlicher Autoren zeigt.3

Philosophische Arbeit: Der christliche Neuplatonismus des ›Dionysios‹ und seine Proklos-Rezeption Dies lässt sich schon an der groben Struktur des Werkes, das stets als Korpus im Zusammenhang überliefert wurde, gut erkennen:4 In ›Über die göttlischen Namen‹ (›De divinis nominibus‹) werden die Bezeichnungen Gottes besprochen, dem hierzu die hierarchische Stellung des neuplatonischen Einen als Über-Seiendes zugeschrieben wird. Der Autor geht hier z. B. so weit, eine ›überseiende‹ (ὑπερ­ούσιος) und eine ›Sein schaffende‹ (οὐσιοποιός) Bedeutung des göttlichen Seins zu behandeln und sich auf letztere zu beschränken, da die erstere unaussagbar sei.5 Proklos’ Henadenlehre wird auf diese Weise zu einer Beschreibung nicht partizipierbarer und nicht sagbarer Momente Gottes transformiert, die allenfalls von ihren partizipierten Abbildern her zugänglich sind. Durch die Konzentration auf die Rede von Gott verschiebt sich im Vergleich zum neuplatonischen Vorgänger der Fokus von der Ontologie hin zur Erkenntnis des Transzendenten.6 Aus der Beschreibung von Gott als gut ergibt sich die Notwendigkeit einer Erklärung der Entstehung des Bösen, in welcher der Autor Proklos ebenfalls intensiv benutzt, um nachzuweisen, dass das Böse auch ohne Annahme eines schlechten Gegenprinzips zum Guten erklärbar ist.7 In ›Über die himmlische Hierarchie‹ werden die biblisch bezeugten Reihen der Engel in Entsprechung zur neuplatonischen Lehre der verschiedenen Stufen des Geistes (νοῦς) erklärt, und in ›Über die kirch3

  Vgl. z. B. Suchla, Dionysius Areopagita, 59 f.  Knappe Inhaltsübersicht aus philosophischer Sicht: S.  Lilla, Denys l’Aréopagite (Pseudo-), in: DPhA 2 (1994), 727–742, hier 734–739. 5   ›Dionysius Areopagita‹, De divinis nominibus 5, 1 (180, 8–13 Suchla). 6   Vgl. die beiden sehr erhellenden Beiträge V. Nĕmec, Übernahme und Umdeutung der neuplatonischen Metaphysik der »gestuften Transzendenz« bei Dionysios, in: L. Karfíková  /  M. Havrda (Hrsg.), Nomina Divina. Colloquium Dionysiacum Pragense (Prag, den 30.–31. Oktober 2009), Fribourg 2011, 28–41; L. Karfíková, »Der Alte der Tage«. Gott als Zeit nach Dionysios dem Areopagiten, ›De divinis nominibus‹ 10, 2–3 vor dem Hintergrund des platonischen ›Parmenides‹, in: Karfíková  /  Havrda (Hrsg.), Nomina Divina, 50–70. 7   Vgl. für den konkreten Nachweis die klassischen Studien H. Koch, Proklus als Quelle des Pseudo-Dionysius Areopagita in der Lehre vom Bösen, in: Philologus 54 (1895), 438– 454; H. Koch, Pseudo-Dionysius Areopagita in seinen Beziehungen zum Neuplatonismus und Mysterienwesen, Mainz 1900; J. Stiglmayr, Der Neuplatoniker Proclus als Vorlage des sog. Dionysius Areopagita in der Lehre vom Übel, in: Historisches Jahrbuch 16 (1895), 253– 273; 721–748, sowie, im Hinblick auf die Intention des Stücks, Rorem  /  Lamoreaux, John of Scythopolis, 120. Eine neuere Interpretation gibt Ch. Schäfer, Unde malum? Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, 380–472. 4

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

liche Hierarchie‹ werden bestimmte liturgische Riten als ein gleichsam theurgischer Umgang mit sichtbaren Symbolen gedeutet, der zur Vereinigung (ἕνωσις) und Verähnlichung (ἀφομοίωσις) mit Gott führen soll, soweit das dem Menschen möglich sei.8 Schließlich wird in ›Über die mystische Theologie‹ zu einer mystischen Vereinigung mit Gott im Dunkel jenseits des Schweigens angeregt, das mehr als erkennbar ist. Durch alle Traktate hindurch wird die Beschreibung Gottes durch Zuschreibung und Absprechung bzw. Affirmation und Negation von Prädikaten geleistet, die in enger Parallelität geschehen, womit Proklos’ Interpretation der 1. und 2. Hypothese der platonischen ›Parmenides‹ aufgenommen wird. Somit liefern die Traktate in christlicher Terminologie und mit christlichen Quellenbezügen einen durchaus eigenständigen Abriss einer neuplatonischen Metaphysik, die sich an Überlegungen des Proklos und wohl auch des Damaskios anlehnt.9 Eine solche Integrationsleistung des Neuplatonismus in ein christliches Gedankengebäude, die zugleich eine Reinterpretation dieses Denkschemas unter philosophischen Gesichtspunkten darstellt, setzt voraus, dass der Autor das proklische Denkschema grundlegend verstanden hat. Er muss also nicht nur umfangreiche neuplatonische Quellen besessen, sondern er muss deren höchst eigentümlichen Sprachduktus begriffen haben, der seinerseits eine gründliche Kenntnis der neuplatonischen Denkweise und der ihr zugehörigen allegorischen Interpretationstechnik voraussetzt. All dies wäre ohne eine jahrelange intensive Beschäftigung mit neuplatonischer Philosophie nicht möglich. Diese Feststellung hebt den Autor aus dem Kreis seiner Zeitgenossen hinaus: Weder bei Zacharias und Aineias von Gaza noch bei Boethius und Sergios von Rēšʿaynā oder bei Johannes Philoponos lässt sich eine gründliche Kenntnis der neuplatonischen Metaphysik in den erhaltenen Schriften feststellen: Diese Autoren kommentieren und erklären primär Aristoteles oder kritisieren ihn unter Vor­ aussetzung einer alexandrinischen, vor allem auf Ammonios zurückzuführenden Interpretation. Eine Auseinandersetzung mit Proklos führt nur Philoponos, und auch diese ist im Wesentlichen auf die Frage nach der Ewigkeit der Welt konzentriert, während er sich in seinen theologischen Schriften auf eine Auseinandersetzung mit der aristotelischen Logik beschränkt. Selbst Boethius, der immerhin in seinem ›Trost der Philosophie‹ auf Proklos zurückgreift,10 wirkt im Vergleich zu ›Dionysios‹’ nahezu spielerischer Souveränität wie jemand mit elementaren Kenntnissen. Man muss also vermuten, dass die neuplatonischen Studien des ›Dionysios‹ wesentlich gründlicher gewesen sind als die seiner Zeitgenossen und dass er zeitweise den kleinen Zirkeln neuplatonischen Fachphilosophen angehört hat, auch wenn wir Genaueres hierüber nicht wissen.11 8

  ›Dionysius Areopagita‹, De ecclesiastica hierarchia 1, 3 (66, 12 f. Heil  /  Ritter).   Kurze Liste der Entsprechungen bei Lilla, Denys l’Aréopagite (Pseudo-), 729–732. 10   Vgl. unten S. 1063. 11   Neuerdings wird sogar ein »neuplatonischer Koautor« bzw. eine Koautorin ins Spiel gebracht: T. Lankila, A Crypto-Pagan Reading of the Figure of Hierotheus and the ›Dor9

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Christliche Adaptionen platonischen Denkens

Philosophieverständnis und Stellung zur Philosophie Die Philosophie innerhalb des Christentums Das Wort ›Philosophie‹ spielt bei ›Dionysios‹ keine große Rolle. Zweimal bezeichnet es offensichtlich eine enthaltsame Lebensführung, vor allem der Mönche,12 und zwei weitere Male offenbar die christliche Theoriebildung insbesondere zur Trinität, die als ›die göttliche Philosophie‹ (ἡ θεία φιλοσοφία) oder als ›unsere Philosophie‹ (ἡ καθ’ ἡμᾶς φιλοσοφία) bezeichnet wird.13 Gemeint ist einerseits ein Denken, das sich an der Schrift (τὰ λόγια) orientiert, und andererseits eines, das ›mittels des Verstandes‹ (κατὰ νοῦν), d. h. wohl auf rationale Weise, erworben und besessen wird. Somit scheint dieser Gebrauch des Wortes ›Philosophie‹ eher dem Umfang von ›Theologie‹ (θεολογία) im Sinne von ›Wissenschaft von Gott‹ (θεολογικὴ ἐπιστήμη) zu entsprechen, wie ›Dionysios‹ wesentlich häufiger sagt. Zu beachten ist freilich, dass einer Stelle zufolge die ›Überlieferung der Theologen‹ (ἡ τῶν θεολόγων παράδοσις), d. h. in der dionysischen Fiktion v. a. die alttestamentliche Überlieferung, »einerseits geheim und mystisch, andererseits öffentlich und bekannter, einerseits symbolisch und für Eingeweihte, andererseits philosophisch und beweisend, und das Unsagbare mit dem Sagbaren verbunden ist«.14

Diese Formulierung scheint zu implizieren, dass für ›Dionysios‹ die Philosophie die rational-argumentierende Seite des theologischen Bemühens ist, welche durch eine Art christlicher Theurgie und Mystik zu ergänzen ist, die eigentlich erst zur Gotteserkenntnis hinführen, nämlich einerseits durch die liturgische Hinführung zur göttlichen Wahrheit (›De ecclesiastica hierarchia‹)15 sowie andererseits durch die Bewegung des Einzelnen hin zum Dunkel des Schweigens, wie es ›Über die mystische Theologie‹ einzufordern scheint.16 Damit schränkt ›Dionysios‹ den Philosophie-Begriff im eigentlichen Sinne, in Anlehnung an neuplatonische Vorlamition‹ Passage of the Corpus Areopagiticum, in: Butorac  /  Layne (Hrsg.), Proclus and his Legacy, 175–182, hier 181 f.; E. S.  Mainoldi, The Transfiguration of Proclus’ Legacy. PseudoDionysius and the Late Neoplatonic School of Athens, in: Butorac  /  Layne (Hrsg.), Proclus and his Legacy, 199–217. 12   ›Dionysius Areopagita‹, De ecclesiastica hierarchia 3; 6 (83, 19; 117, 24 Heil  /  Ritter). 13   ›Dionysius Areopagita‹, De divinis nominibus 2, 2; 3, 3 (125, 1; 142, 11 Suchla). 14   Τὴν μὲν ἀπόρρητον καὶ μυστικήν, τὴν δὲ ἐμφανῆ καὶ γνωριμωτέραν, καὶ τὴν μὲν συμβολικὴν καὶ τελεστικήν, τὴν δὲ φιλόσοφον καὶ ἀποδεικτικήν· καὶ συμπέπλεκται τῷ ῥητῷ τὸ ἄρρητον. ›Dionysius Areopagita‹, Epistula 9, 1 (197, 9–14 Heil  /  Ritter). 15   Vgl. den mit mystisch-theurgischer Terminologie gefüllten Eingangssatz von ›Dionysius Areopagita‹, De ecclesiastica hierarchia 1 (63, 3–7 Heil  /  Ritter). Zu divergenten Ansätzen in der Forschung s. z. B. W.-M. Stock, Theurgisches Denken. Zur ›Kirchlichen Hierarchie‹ des Dionysius Areopagita, Berlin  /  New York 2008, 29–32. 16   Vgl. die erhellenden Bemerkungen zur bleibenden Divergenz dieser beiden Zugänge zum Göttlichen bei Stock, Theurgisches Denken, 233–236.

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gen17, auf die rationale Annäherung an die Wahrheit ein, während gerade die Liturgie als Mittel zum Ähnlich-Werden mit Gott begriffen wird. Mithilfe der Praxis der paganen Philosophen wird so im Christentum Raum geschaffen für verschiedene Dimensionen einer rein rational nicht einholbaren Religiosität.

Die Stellung des ›Dionysios‹ zur zeitgenössischen Philosophie Lediglich an einer Stelle wird die Lehre der Hellenen als ›Philosophie‹ bezeichnet, nämlich wenn das Wort als Bezeichnung des fiktiven Apollophanes für dessen ­eigene Tätigkeit eingeführt wird, die der Sache nach der Weisheit (σοφία θεοῦ) bei Paulus entspreche.18 Dies steht im Kontext einer Erklärung an ›Dionysios‹’ Briefpartner Polykarp, man solle die Wahrheit als solche darstellen, und dann werde sie ohne kleinlichen Streit durch sich selbst überzeugen. So werde sich auch der weise Apollophanes überzeugen lassen, der sich der Lehre vom Seienden nicht richtig bediene, da er dieses nicht auf Gott als seinen Urheber zurückführe. Er habe ja gemeinsam mit ›Dionysios‹ die Sonnenfinsternis aus Anlass der Kreuzigung Christi gesehen, die nicht den normalen Gesetzen der Natur gehorcht hätte, und könne hieraus die richtigen Schlüsse ziehen.19 Dieser Text, bei dem es nahe liegt, hinter ›Apollophanes‹ einen realen hellenischen Bekannten des ›Dionysios‹ zu sehen, gilt, mit einigen anderen Briefen zusammen, als Zeugnis für eine ›irenische‹ Tendenz des ›Dionysios‹, welche sogar als Vorbereitung religiöser Toleranz gewertet wird.20 In eine ähnliche Richtung kann man auch die Charakterisierung von ›Dionysios’‹ verehrtem Lehrer Hierotheos lesen, hinter dem einige Forscher Proklos erkennen wollen.21 In der Tat unterscheiden sich derartige respektvolle Aussagen, wie sie sich ähnlich bei Sergios von Rēšʿaynā finden,22 von dem polemischen Ton, wie er sich in vielen Texten der Zeit findet. Zu beachten ist freilich, dass dieser Unterschied zum einen auch gattungsgeschichtliche Gründe hat und zum anderen nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass auch kritische Auseinandersetzungen wie die des Zacharias und des Philoponos eine Aufnahme philosophischer Inhalte in das Christentum bedeuten und wohl auch bezwecken, so dass das Interesse an der neuplatonischen Philosophie und der Versuch der Einbeziehung ihrer akzeptablen Inhalte in die christliche Lehre eher als verbindender Faktor gewertet werden muss. 17

  Vgl. zum Beispiel Proclus, In Timaeum (1, p.  7, 17–8, 1 Diehl); Damascius, In Phaedonem 1, 172 (p.  105 Westerink). 18   ›Dionysius Areopagita‹, Epistula 7, 2 (166, 15 Heil  /  Ritter). 19   ›Dionysius Areopagita‹, Epistula 7, 1; 7, 2 f. (165, 3–166, 6; 167, 3–170, 4 Heil  /  Ritter). 20   Vgl. z. B. Suchla, Dionysius Areopagita, 42 f. 21   Neuerdings wieder B. Schomakers, An Unknown ›Elements of Theology‹? On Proclus as the Model for the Hierotheos in the Dionysian Corpus, in: Butorac  /  Layne (Hrsg.), Proclus and his Legacy, 183–197. 22   S. unten S. 1054.

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Christliche Adaptionen platonischen Denkens

Würdigung Die Bedeutung des Pseudo-Dionysios Areopagites für die Geschichte der Philosophie und des christlichen Denkens braucht nicht eigens betont werden. Aus der hier zu betrachtenden Perspektive ragt er durch mehrere Punkte aus einer Gruppe von christlichen Zeitgenossen heraus, die sich intensiv mit der Philosophie auseinandersetzen und diese zu mehr oder minder großen Teilen ins Christentum integrieren: Bemerkenswert sind in diesem Feld vor allem 1) seine gründliche Kenntnis von und sein souveräner Umgang mit der Metaphysik des späten Neuplatonismus, die ihn vom tendenziellen Aristotelismus seiner christlichen Zeitgenossen abheben; 2) seine literarische Meisterschaft und das raffinierte Spiel mit dem Pseud­ onym aus der Apostelzeit, das doch den eigenen Zeithorizont noch recht offen erken­nen lässt. 3) seine unpolemische Tendenz, die sich sowohl in konkreten Äußerungen zeigt als auch in der gesamten Form seines Werkes deutlich wird; 4) sein Interesse an christlicher Mystik und Liturgie, aus dem heraus er wesentliche christliche Lebensvollzüge mithilfe einer neuplatonisch inspirierten und gepräg­ten Theoriebildung deutet. Aufgrund all dieser Punkte kann es nicht überraschen, dass das dionysische Werk die lateinische, griechische, syrische und armenische christliche Tradition langfristig und tiefgreifend prägt. Sein Einfluss ergänzt somit in wesentlichen Punkten die Rolle, welche die Philosophie im Christentum durch die gleich zu besprechenden Übersetzungen vor allem logischer Werke erhält. Der Unterschied zwischen hellenischer und christlicher Metaphysik wird dabei allerdings unsichtbar. Damit folgt ›Dionysios‹ selbst im Hinblick auf Proklos der Tradition des von ihm vielfach benutzten Gregor von Nyssa, der seine hellenischen Vorbilder, namentlich Platon, in seinen eigenen Werken ebenfalls unerwähnt lässt und somit die synthetische Kraft der christlichen Weltsicht offensichtlich macht.23

23

  Vgl. oben S. 819.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

2. Die Scholien des Johannes von Skythopolis zu den pseudo-­dionysischen Schriften Allgemeines Die Werke des Pseudo-Dionysios wurden in der griechischen Überlieferung meist von einem Prolog und einem umfangreichen Scholienwerk begleitet, dessen wesentliche Teile Beate Regina Suchla anhand unkontaminierter griechischer und syrischer Textzeugen als Werk des Johannes von Skythopolis nachweisen konnte.24 Da nun die Scholien des Johannes von denen des Maximos Confessor getrennt werden können, ist eine eigene Würdigung dieses Autors möglich geworden.25 Zu beachten sind hierbei drei frühere Scholien, die Johannes seinem Prolog inkorporiert.26 Johannes von Skythopolis (gest. ca. 553) ist im Übrigen als Hauptvertreter der ›neuchalkedonensischen‹ Christologie bekannt. Seine umfangreichen anti-miaphysitischen Werke sind jedoch weitgehend verloren.27

Philosophische Arbeit und Rezeption der griechischen Philosophie Johannes lobt in seinem Vorwort die philosophische Bildung des Dionysios und kritisiert solche Zeitgenossen, die einen Autor, den sie aufgrund mangelnder Bildung nicht verstünden, sofort verurteilen.28 Auch Timotheos und Paulus werden für ihre philosophische Bildung gelobt, wobei Ersterer als Ephesiner ein »füh-

24

  Vgl. B. R. Suchla, Die Überlieferung des Prologs des Johannes von Skythopolis zum griechischen Corpus Dionysiacum, Göttingen 1984; B. R. Suchla, in: Corpus Dionysiacum 1. ›De divinis nominibus‹. Herausgegeben von B. R. Suchla, Berlin  /  New York 1990, 38–54. Nachweis weiterer Artikel zur Frage in B. R. Suchla, Johannes von Skythopolis, in: LACL, 400 f. 25   Der Gebrauch der Scholien ist nach wie vor schwierig: Der Prolog (ohne die anonymen Scholien) sind von B. R. Suchla als Corpus Dionysiacum 4, 1 herausgegeben worden. Eine Auswahl aus den übrigen Scholien ist von Rorem  /  Lamoreaux, John of Scythopolis, herausgegeben worden, so dass sie in der PG als Scholien des Johannes identifiziert werden können. Zitiert wird also im Regelfall nach PG 4, während die Seitenzahl nach Suchla bzw. Rorem  /  Lamoreaux in Klammern angegeben wird. 26   Diese Scholien werden von Suchla dem Johannes Philoponos zugeschrieben. Vgl. B. R. Suchla, in: Corpus Dionysiacum 4, 1. Ioannis Scythopolitani prologus et scholia in Dionysii Areopagitae librum ›De divinis nominibus‹ cum additamentis interpretum aliorum, ed. B. R. Suchla, Berlin 2011, 43 f. 27   Zu Leben und Werk des Johannes von Skythopolis vgl. Rorem  /  Lamoreaux, John of Scythopolis 23–36; A. M. Ritter, Johannes von Skythopolis, in GGPh 5, 3 (2018), 2246–2250. 28   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, prooem. 17D–20A (p.  104 Suchla). Vgl. oben zum Ende von Sergios’ ›De principiis universi‹.

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render Vertreter der ionischen Philosophie« genannt wird.29 Insofern ist es nur konsequent, wenn Johannes ein Scholium inkorporiert, in dem behauptet wird, die alten Athener Philosophen hätten sich den Dionysios-Text angeeignet und ihn verborgen, so dass Proklos daraus habe abschreiben können.30 Auch sonst spricht Johannes häufiger von den Philosophen im Sinne »der Philosophen bei den Griechen« (οἱ παρ’   Ἕλλησι φιλόσοφοι), womit er auch einzelne Schulen, z. B. die Stoiker und Epikureer, meinen kann.31 Diese Bezeichnungen können ebenso kritisch wie positiv gemeint sein.32 ›Dionysios’‹ offenbar hellenisch konnotierte Selbstbezeichnung »Areopagit« im Titel von ›Über die göttlichen Namen‹ wird von Johannes durch einen Vergleich mit dem Apologeten und Märtyrer Justin gerechtfertigt.33 Die konkrete Arbeit des Johannes besteht teilweise in der Erklärung der kryptischen Formulierungen des ›Dionysios‹, teilweise in einer inhaltlichen Verteidigung. Diese wendet sich, wie schon die Einleitung, insbesondere gegen Zweifel an der Echtheit von dessen Werk. Ersteres führt zur gelegentlichen Nennung eini­ ger Philosophen:34 Einmal wird Aristoteles’ Lehre der Zusammensetzung von Körpern erwähnt, also eine Information aus der Naturphilosophie.35 Ein anderes Scholium erläutert eine Doxographie aus der ›Kirchlichen Hierarchie‹ durch Nennung der Philosophen Bias und Platon sowie ihrer kritisch betrachteten Lehre von der Unsterblichkeit der Seele (und nicht des Leibes), die Johannes auch verschiedenen christlichen Häretikern, Mani und Origenes zuschreibt.36 Diese Stelle verdeutlicht exemplarisch, dass es für Johannes nicht weniger wichtig ist, die Lehre des ›Dionysios‹ von (vermeintlichen) christlichen Häresien abzugrenzen als von den Philosophen, die als Bildungsträger, bei aller Kritik, durchaus eine positive Reputation genießen. Besonders schwer verständlich wird Johannes’ Argumentation, wenn er die historische Einkleidung des ›Dionysios‹ weiterführt: So interpretiert er ›Dionysios’‹ Aussagen über das notwendig transzendierende Verständnis des Begriffs ›ungeworden‹ (ἀγένητον) nicht nur als antiarianisch, sondern auch – im Sinne einer ›philosophiehistorischen‹ Erklärung37 – als Antwort an bestimmte ephesinische 29

  Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, prooem. 17D–20A (p.  104 Suchla).   Vgl. das in PG 4, 22D–23A abgedruckte Scholium. 31   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, prooem. 16A (p.  97 f. Suchla); 372  BC (p.  398 Suchla). 32   Vgl. Rorem  /  Lamoreaux, John of Scythopolis, 109 mit Anm.  37. 33   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, 185A (p.  113 Suchla). 34   Vgl. Rorem  /  Lamoreaux. John of Scythopolis, 52. 35   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, prol. 17D–20A (p.  104 Suchla). 36   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, 377AB (p.  405 f. Suchla). 37   Man fühlt sich an die Moses Maimonides zugeschriebene ›Begründung der religionsgeschichtlichen Methode‹ erinnert, die sich daran zeige, dass er die Vorschriften des jüdischen Gesetzes als Reaktion auf angebliche Bräuche aus dem Umfeld Abrahams erklärt. Vgl. J. Assmann, Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, München  /  Wien 1998, 88–92. 30

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Philosophen, die die Ewigkeit des Geistes (νοῦς) angenommen und ihn zugleich als ›geworden‹ bezeichnet hätten. Hiergegen wolle ›Dionysios‹ darauf insistieren, dass Gott ›auf unverursachte Weise‹ (ἀναίτιως) sowohl ungeworden als auch geworden sei.38 Vergleichbar ist Johannes’ Erklärung der auf Proklos zurückgehenden dionysischen Lehre vom Bösen: Anhand von Plotin wird die antidualistische Natur von ›Dionysios‹’ Argument verdeutlicht, ohne dass Plotins Name erwähnt würde.39 Auch im Hinblick auf das Selbstdenken des Geistes als Ursache der Weltentstehung greift Johannes auf Plotin zurück.40 Ein Scholium, das ›Dionysios‹ gegen eine Bezeichnung Christi als ›Gottmensch‹ (θεανδρίτης) verteidigen will, scheint vorauszusetzen, dass Johannes diesen Ausdruck als Gottesbezeichnung kennt, was sonst exklusiv von späten Neuplatonikern behauptet wird.41 Derartige Argumente, die sicher noch weiterer Erforschung bedürfen, belegen den hohen Bildungsstand des Johannes, ohne dass sie in sich immer leicht zu verstehen wären.

Würdigung Ebenso wie der von ihm erklärte ›Dionysios‹ kennt Johannes von Skythopolis den Neuplatonismus gut und bringt eine noch näher zu bestimmende Zahl plotinischer und evt. anderer Theorien in fiktiv verbrämter Form in seine Erklärungen ein. Insofern ist er zu Recht ein Unterstützer von ›Dionysios‹’ Fiktion genannt worden.42 Ferner zeigt sich eine Nähe zum gleich zu besprechenden Sergios von Rēšʿaynā, sowohl im Umgang mit fiktiv weitergegebenen philosophischen Theorien als auch in der Kritik daran, unverstandene Dinge als häretisch zu kritisieren. Man erhält den Eindruck, hier auf Techniken zu stoßen, die von gebildeten Bewohnern des syro-palästinensischen Raums gezielt zur Verbreitung und Erhaltung philosophischer Inhalte genutzt werden. Der immense Einfluss, den ›Dionysios‹ mit dieser Vorgehensweise in vielen Kulturen ausüben kann, ist bekannt. Die Wirkung des Johannes von Skythopolis wird anhand der kritischen Edition noch weiter zu erforschen sein.

38

  Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, 372B–376D (p.  399–403 Suchla).   Vgl. mit Textbeispielen die Zusammenfassung von Rorem  /  Lamoreaux, John of Scy­ tho­polis, 109–133. 40   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, 320B–321B (p.  328–331 Suchla), mit Bezügen zu Plotin, Enneade 5, 9, 5. Nachgewiesen bei W. Beierwaltes, Johannes von Sky­ tho­polis und Plotin, in: F. L. Cross (Hrsg.) Studia Patristica 11, 2, Berlin 1972, 3–7, hier 5 f. 41   Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, 536A (p.  253 Rorem  /  Lamoreaux); vgl. H. D. Saffrey, Un lien objectif entre le Pseudo-Denys et Proclus, in: F. L. Cross (Hrsg.), Studia Patristica 9, 3, Berlin 1966, 98–105. 42   Vgl. Saffrey, Un lien objectif, 99 f. 39

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VI. Logica universalis: Die Entstehung von Corpora ­philosophischer Fachtexte jenseits des Griechischen

1. Allgemeines Wie bereits erwähnt, verdient die Übersetzungsbewegung des 6. Jahrhunderts eine zusammenhängende Betrachtung, die freilich bis jetzt nur ansatzweise möglich ist. Das liegt daran, dass die breitesten Traditionsströme, die Übersetzungsbewegungen ins Armenische und Syrische, zum Teil in keinen oder nur unvollkommenen Editionen vorliegen. Wenn daher im Folgenden erste Punkte zusammenfassend namhaft gemacht werden, soll dies insbesondere als Anstoß zu weiterer Forschung dienen.

2. Syrische Übersetzungen von und Kommentare zu Aristotelica aus dem 6. Jahrhundert Zeitliche Entwicklung der frühen syrischen Aristoteles-Rezeption Das Corpus syrischer philosophischer Schriften1 lässt sich grob folgendermaßen einteilen: Dem relativ geschlossenen Corpus von Schriften aus der Schule von Qennešrē, das erst zwischen Mitte des 7. und Anfang des 8. Jahrhunderts entstanden ist,2 steht eine weniger geschlossene Gruppe von Schriften gegenüber, die sich mit mehr oder minder großer Sicherheit dem 6. Jahrhundert zuweisen lassen: Hierzu haben wir die sichersten Informationen zu Sergios von Rēšʿaynā und Paul dem Perser (der später im Kontext der Frage nach der Philosophie im Perserreich behandelt wird)3, für einige anonyme Übersetzungen und Probā lässt es sich wahrscheinlich machen. Im Folgenden werden nur diese Texte behandelt.4 Unter ihnen spielt, wie sich zeigen wird, Sergios eine Sonderrolle, während Paul und Probā das von al-Fārābī erwähnte philosophische Curriculum bezeugen, das 1

  Zum Umfang vgl. auch oben S. 949.   Vgl. dazu zusammenfassend Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 8 f.; Hugonnard-Roche, Die Schule von Keneschre, 2469–2478. 3   Vgl. unten S. 1081–1085. 4   Zusammenstellungen der syrischen Aristotelica finden sich bei S.  Brock, The Syriac Commentary Tradition, in: Ch. Burnett (Hrsg.), Glosses and Commentaries on Aristotelian Logical Texts, London 1993, 3–18, und jetzt, wesentlich vollständiger, bei G. Kessel, The Syriac Commentary Tradition. An Update, in: Fiori  /  Hugonnard-Roche (Hrsg.), La philosophie en syriaque, 389–416. 2

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

mit Kapitel I 7 der ›Analytica priora‹ endet.5 Spätestens im 7. Jahrhundert behandeln die Syrer allerdings auch weitere Schriften des Organons, so dass diese Einschränkung nicht typisch für die gesamte Tradition ist.6

Aristoteles, der Vollender der Wissenschaften, und der Weg zur Gottesschau: Das Werk des Sergios von Rēšʿaynā Allgemeines Sergios von Rēšʿaynā ist der wohl bekannteste Übersetzer philosophischer und medizinischer Texte und Vermittler von deren Inhalten ins Syrische. Soweit sich dies aufgrund des spärlichen Editionsstandes der syrischen Aristotelica sagen lässt, eröffnet er die Beschäftigung mit der Fachphilosophie in syrischer Sprache, die von seiner Zeit bis ins 13. Jahrhundert fortdauert.7 Seine langfristig wirksame Bedeutung als Begründer des syrisch-arabischen Aristotelismus wird hingegen bisher erst in Ansätzen gesehen.8 Mit der Entscheidung, Aristoteles’ ›Kategorien‹ auf Syrisch zu kommentieren, eröffnet er ebenso eine lange Tradition, wie er dies mit der Übersetzung der Schriften des Pseudo-Dionysios in dieselbe Sprache tut. Biographisch sind Sergios’ Todesjahr 536, ein Studienaufenthalt in Alexandrien, während dessen er wahrscheinlich bei Ammonios und Gesios lernt, deren Schriften er intensiv benutzt,9 eine Tätigkeit als Arzt im obermesopotamischen Rēšʿaynā und eine späte Reise nach Antiochien und Konstantinopel im Auftrag miaphysitischer Bischöfe belegt. Wohl nach 532 dürfte ihn Bischof Petrus von Rēšʿaynā mit der Übersetzung des Corpus Dionysiacum beauftragt haben.10 Schon vorher

5

  S. oben S. 949.   Vgl. z. B. King, The Earliest Syriac Translation, 11 f. 7   Vgl. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 30, 35; King, The Earliest Syriac Translation, 7 und 79, der allerdings sehr zurückhaltend formuliert. – Für eine ausführliche Diskussion des Forschungsstandes vgl. H. Hugonnard-Roche, Sergius de Rēšʿainā, in: DPhA 6 (2016), 214–227. 8   Vgl. immerhin U. Rudolph, Der spätantike Hintergrund, in: GGPh Arabische Welt 1, 3–39, hier 29, und jetzt Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften, 181–198; M. Perkams, Sergius de Rēšʿaynā: La renouveau syro-occidental de l’Aristotelisme et sa transmission syro orientale, in: Fiori  /  Hugonnard-Roche (Hrsg.), La Philosophie en syriaque, 209–230. 9   Ḥunayn ibn Iṣḥāq, Epistula, 14; 16 (12, 6–8; 14, 14 f. [arab.]  /  p. 9; 11 [dt.] Bergsträsser). Vgl. für Gesios als seinen Lehrer G. Kessel, The Syriac ›Epidemics‹ and the Problem of its Identification, in: P. Pormann (Hrsg.), ›Epidemics‹ in Context. Greek Commentaries on Hippocrates in the Arabic Tradition, Berlin  /  Boston 2012, 93–123, hier 116. Für Ammonios vgl. die Nachweise bei Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 204–215. 10   Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9, 19 (CSCO Syr. 39, p.  136, 1–137, 3 [syr.]  /  42, p.  93, 21–94, 7 [lat.] Brooks), in der Deutung von E. Fiori, in: Dionigi Areopagita. 6

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übersetzt Sergios fast das gesamte alexandrinische Galen-Curriculum11 sowie das pseudo-aristotelische ›Über die Welt‹ (›De mundo‹) ins Syrische, während seine beiden Kommentare zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (die wohl als Erklärungen des griechischen Texts verfasst werden)12 und eine verkürzte syrische Adaption von Alexander von Aphrodisias’ ›Über die Prinzipien des Universums‹ relativ eigenständige Bearbeitungen griechischen Materials sind.13 Den wohl besten Einblick in Sergios’ eigene philosophische Interessen bietet sein ›Traktat über das geistige Leben‹ (›De vita spirituali‹), der nachträglich von ihm selbst als Einleitung mit der ›Dionysios‹-Übersetzung verbunden wird. Er wird auch in ›Über die Ursachen des Universums‹ zitiert und weist Berührungspunkte mit der Einleitung des langen ›Kategorien-Kommentars An Theodoros‹ auf.

Philosophiebegriff und Einteilungen der Philosophie als Strukturmoment von Sergios’ Denken Sergios’ Denkweise ist erkennbar von einer Verbindung zwischen einer christianisierten neuplatonischen Mystik und einem aristotelischen Wissenschaftsverständnis geprägt, wobei das christlich transformierte Ideal des Ähnlichwerdens mit Gott sowie die basalen Einteilungen der Philosophie eine strukturierende Rolle spielen. Das Wort ›Philosophie‹ (filosofūṯā oder filosofiyā) taucht aber nur in den philosophischen Traktaten auf und bezeichnet die hellenische Philosophie,14 es fehlt in ›Über das geistige Leben‹. Dieser Traktat schildert das ›Ähnlichwerden mit dem Schöpfer‹ (dumyā ḏ-ab­ bāw(hy) d-ba-šmayā), wobei die syrische Formulierung auch generell als ›Ähn›Nomi divini‹, ›Teologia Mistica‹, Epistole. La versione siriaca di Sergio di Rēšʿaynā. Tradotta di E. Fiori (CSCO Syr. 253), Leuven 2014, XVIII–XX. 11   Ḥunayn ibn Iṣḥāq, Epistula, 4–20 (5, 18–18, 20 [arab.]  /  p. 4–15 [dt.] Bergsträsser). Vgl. dazu Overwien, Medizinische Lehrwerke, 12 f., Anm.  15. 12   King, The Earliest Syriac Translation, 12. 13   Zu den ›Kategorien‹-Kommentaren vgl. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 149–151; 163 f.; 189 f.; G. Furlani, Sul trattato di Sergio di Resh’ayna circa le ›Categorie‹, in: Rivista trimestrale di studi filosofici e religiosi 5 (1922), 135–172, hier 172; zum Traktat ›De principiis universi‹, für den D. R. Miller Alexander von Aphrodisias als Quelle nachgewiesen hat (D. R. Miller, Sargis of Rēšʿaynā: ›On what the Celestial Bodies Know‹, in: R. Lavenant (Hrsg.), VI Symposium Syriacum (University of Cambridge, Faculty of Divinity, 30 August  –  2 September 1992), Rom 1994, 221–233, hier 221–227), vgl. King, Alexander of Aphrodisias, 163–168; S.  Fazzo  /  M. Zonta, Towards a Textual History and Reconstruction of Alexander of Aphrodisias’s Treatise ›On the Principles of the Universe‹, in: Journal of Semitic Studies 59 (2014), 91–116, hier 102–112 (die allerdings Sergios’ Eingriffe wohl zu Unrecht eher herunterspielen). 14   Sergius, De principiis universi 36 (p.  143 [syr.]  /  p. 157 [frz.] Fiori) tauchen beide Begriffe auf; filosofūṯā in Ad Theodorum in Categorias 1, 1, 3 (Perkams, Ostsyrische Philosophie, 74 [syr.]; Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 191 [frz.]).

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lichkeit‹ interpretiert werden kann. Das Ähnlichwerden spielt sich für Sergios einer­seits auf der Ebene der Praxis als Erfüllung der Gebote (saʿōrūṯā w-pulḥānā ḏ-puqdanē) bis hin zur Selbsterkenntnis der Seele und andererseits als theoretische Erkenntnis (īdaʿ tā ḏ-teʾoriyā) von allem bzw. vom Seienden qua Seienden ab.15 In beiden Bereichen wird ein Aufstieg über mehrere Stufen zunächst geschildert und dann allegorisch erläutert: Im praktischen Bereich Stärke (ḥayltanūṯā), Gerechtigkeit (kēnūṯā) und Ataraxie (lā ḥāšōšūṯā);16 im theoretischen Gebiet die ›Mathematik‹ (yulpānā) bzw. das Quadrivium aus Geometrie, Arithmetik, Astro­ nomie und Musik, die Physik bzw. ›Naturwissenschaft‹ (īdaʿ tā kyānaytā), die ›geistliche Theorie bzw. göttliche Wissenschaft‹ (teʾoriyā ḏ-ruḥ w-īdaʿ tā allāhaytā), also die rationale Metaphysik, und schließlich die ›göttliche Theorie‹ (teʾoriyā allāhaytā), die einer mystischen Offenbarung gleichkommt.17 Dabei ist die theoretische Vollendung von höherem Rang als die praktische, da die Praxis nur den nicht-rationalen Seelenteil, die Theorie aber den rationalen vollendet. Irrtümer entstehen hingegen aufgrund der menschlichen Freiheit.18 Der Traktat stellt also eine christliche Adaption neuplatonischer Aufstiegslehren unter Einbezug einer dezidiert mystischen Dimension dar, wobei auch aristotelische Momente (Seelenteile, Seiendes als solches) erkennbar sind. Andererseits wird im ganzen Traktat lediglich die Bibel zitiert und kein Philosoph namentlich erwähnt. Die Schilderung der einzelnen Vollendungsstufen gerade der Praxis ist dezidiert christlich, wenn z. B. die Liebe zu den Bösen als Ähnlichwerden mit Gott gekennzeichnet und wenn die letzte Vollendung mit der Trinität identifiziert wird. Vieles hiervon ist ›evagrianisch-origenistisch‹, wie Sergios in einer syrischen Chronik beschrieben wird: Die verschiedenen Stufen des Aufstiegs lehnen sich an Evagrios Pontikos an, die allegorischen Bibelexegesen an Origenes.19 Sie rechtfertigen biblisch die im Kern platonische Aufstiegslehre. Auch in dem ausführlichen Einleitungsmaterial, das Sergios seinem ›Kategorien-Kommentar An Theodoros‹ vorausschickt, wird die Einteilung der Philoso15

  Sergius, De vita spirituali 2 f. (p.  20–22 [syr. / frz.] Sherwood).   Sergius, De vita spirituali 16–21 (25 [syr. / frz.] Sherwood). 17   Sergius, De vita spirituali 81 (124 [syr. / frz.] Sherwood); vgl. 82 (p.  124 f. [syr. / frz.] Sherwood). Zur Terminologie vgl. Hugonnard-Roche’s Übersetzung der Einführung in den ›Kategorien-Kommentar an Theodoros‹, v. a. 1, 1, 6 (Birmingham, Mingana 606, 54v– 55r [syr.]  /  Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 192 f. [frz.]), wo die mathematischen Entitäten als mittlere der drei hierarchisch geordneten Seinsgattungen auftaucht; yulpānē steht hier für Griechisch μαθηματικά. – Die syrischen Äquivalente der übersetzten Begriffe werden im Folgenden angegeben nach ms. Birmingham, Mingana 606, dessen FolioZählung in Hugonnard-Roche’s französischer Übersetzung von Prolog und Buch 1 (Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 167–170; 191–202) angegeben ist; auf eine separate Angabe wird daher im Folgenden verzichtet. 18   Sergius, De vita spirituali 76–78 (p.  114–121 [syr.]  /  p. 115–122 [frz.] Sherwood). 19   Vgl. E. Fiori, »È lui che mi ha donato la conoscenza senza menzogna« (Sap 7, 17): Origene, Evagrio, Dionigi e la figura del maestro nel ›Discorso sulla vita spirituale‹ di Sergio di Resh‘ayna, in: Adamantius 15 (2009), 43–59. 16

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phie in theoretische und praktische behandelt und im wohl nachträglich entstandenen ›Kategorien-Kommentar an Philotheos‹ kürzer wieder aufgegriffen:20 Auch hier wird, stets in auswählendem Anschluss an Ammonios, das Ziel des ›Ähnlichwerdens mit Gott‹ (dumyā ḏ-allāhā) zum Ausgangspunkt der Einteilung der Philosophie in praktische (saʿōrūṯā) und theoretische (yādōʿ tānūṯā) sowie in ihre Unterteilungen: So wie Gott über praktische und theoretische Vermögen verfüge, so sei dies auch bei der menschlichen Seele und folglich bei der Philosophie;21 die theoretische Philosophie wird wiederum in ›Lehre vom Natürlichen‹ (malpānūṯā ḏa-knāyātā) und die ›Wissenschaft vom Göttlichen‹ (īdaʿ tā ḏ-allāhayātā) geteilt, die sich Sergios zufolge mit dem ›Geistigen‹, d. h. wohl dem Noetischen, beschäftige; eine mystische Dimension als solche gibt es demnach in Sergios’ Aristotelismus nicht. Die Mathematik (yulpānē) als Beschäftigung mit ›mittleren‹ Gegenständen, die einen Aufstieg anstrebe, wird ebenso wie bei Ammonios mit dem Quadrivium identifiziert.22 Für die praktische Philosophie wird sowohl die aristotelische Einteilung in Ethik, Politik und Ökonomik wie die der platonischen Tradition in gesetzgebende und richtende Ethik angeführt.23 Trotz der Abhängigkeit dieser Ausführungen von der Ammonios-Schule, die Henri Hugonnard-Roche im Detail nachgewiesen hat,24 ist die Auswahl des Stoffes und die Terminologie von ähnlichen Gesichtspunkten geleitet wie der ›Traktat über das geistige Leben‹. Die christliche Perspektive auch der Aristoteles-Einführung wird dadurch deutlich, dass Sergios sein Referat »ihnen«, das heißt den hellenischen Philosophen, in der dritten Person zuschreibt und somit eine gewisse Distanz wahrt. Ähnliche Formulierungen begegnen auch im ›Traktat über das geistige Leben‹.25 Obwohl sich Sergios somit als ein Christ präsentiert, der etwas Fremdes rezipiert, dem er aber einen gewissen Nutzen zuschreibt, führt er ein relativ weit ausgedehntes philosophisches Curriculum vor.

20   Sergius, Ad Philotheum in Categorias 3 (p.  96 f. Aydin). Aydin, in: Sergius of Reshayna, ›Introduction to Aristotle‹, 176–180 diskutiert Sergios’ Einteilung der Philosophie ausführlich. 21   Sergius, Ad Theodorum in Categorias, 1, 1, 2 f. (Perkams, Ostsyrische Philosophie, p.  74 [syr.]  /  p. 191 Hugonnard-Roche [frz.]). 22   Sergius, Ad Theodorum in Categorias 1, 1, 4 (Birmingham, Mingana 606, 54r–55v [syr.]  /  p. 192–194 Hugonnard-Roche [frz.]). 23   Sergius, Ad Theodorum in Categorias 1, 1, 9 f. (Birmingham, Mingana 606, 55v–56r [syr.]  /  p. 192–194 Hugonnard-Roche [frz.]). 24   Das wird in einem Kommentar von Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 203– 231, im Detail begründet. 25   Sergius, Ad Theodorum in Categorias, Liber 1, 1, 2 f. (Perkams, Ostsyrische Philosophie, p.  74 [syr.]  /  p. 191 Hugonnard-Roche [frz.]).

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Die Rolle des Aristoteles Wie – und wie positiv – Sergios die griechische Philosophie wertet, zeigt aber vor allem sein Prolog zum ›Kommentar an Theodoros‹: Hier wird Aristoteles ausführlich als der Begründer der wissenschaftlichen Methodik und der Ordner sämtlicher Wissenschaften gewürdigt: Er habe »Philosophie und Bildung« (filosofūṯā w-raddyūṯā) als ganze so zusammengestellt, wie ein Arzt ein vollkommenes Medikament und wie ein Bildhauer die verschiedenen Glieder einer Statue zusammenstelle.26 Faktisch kombiniert Sergios in diesem längeren Text Motive aus den bei Eusebios überlieferten Lobpreisen von Attikos, Aristokles und Numenios für Platon, dessen Name aber durch den des Aristoteles ersetzt wird.27 Weiterhin benutzt er offenbar eine griechische Vorlage aus Alexandrien, wie Berührungen mit Elias und David (›Aristoteles allein‹ hat dies getan) zeigen, doch auch hier wird der dort stehende Vergleich zu Platon eliminiert, interessanterweise ebenso wie bei Cassiodor.28 Andere Philosophen, die im folgenden Kommentar zitiert werden, werden im Prolog nicht genannt, so dass dieser sich ganz als Hinführung zu Aristoteles präsentiert.29 Auch am Ende von ›Über die Prinzipien des Universums‹ wird Aristoteles, dessen naturwissenschaftliche Kosmologie der Traktat darstellen soll,30 eigens genannt und zugleich in den Kontext eines christlichen Wissenschaftsideals eingeordnet: Die im Traktat beschriebene Ordnung (ṭaksā) sei auf das ›Sein von allem‹ (īṯyā ḏ-kull = Gott)31 zurückzuführen, so dass deren Erkenntnis auf dieses Sein hinweise und folglich zur durch Gottesschau erreichbaren Eudaimonie (ṭūḇtānūṯā) beitrage.32 Um dies zu ermöglichen, hat Sergios seine Vorlage so umgestaltet, dass die Ewigkeit der Welt nicht mehr erwähnt wird.33 Er eignet sich also philosophi26

  Sergius, Ad Theodorum in Categorias, prooem. (Perkams, Ostsyrische Philosophie, p.  75 f. [syr.]  /  p. 168 Hugonnard-Roche [frz.]). 27   Von Attikos (frg.  1; 5 [des Places] = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 2, 1–4; 15 7, 5 [GCS Eus. 8, 2, p.  7, 1–8, 1; 365, 1–5 Mras]) stammen die Teile der Philosophie, die Idee des Sammelns und das Bild von der Statue sowie von Aristocles (frg.  1 [Chiesara] = Eusebius, Praeparatio evangelica 11, 3, 7 [GCS Eus. 8, 2, p.  9, 3–9 Mras]) der Vergleich mit einem Arzt, doch geschieht die Ausgestaltung sehr selbständig. Vgl. schon Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 183 Anm.  3; direkter Textvergleich bei Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften, 181–185; Perkams, Sergius de Rēšʿaynā, hier 211–215. 28   Vgl. oben S. 983  f. und unten S. 1071. 29   Vgl. z. B. Sergius, Ad Theodorum in Categorias, 1, 3, 3 (Stoiker); 1, 3, 13 (Platon) (Mingana 606, f. 58r; 60v–61r [syr.]  /  p. 198; 201 [frz.] Hugonnard-Roche). 30   Sergius, De principiis universi 1 (p.  129 [syr.]  /  p. 144 [frz.] Fiori). 31   Vgl. dazu King, Alexander of Aphrodisias, 167 f. 32   Sergius, De principiis universi, 35 (p.  143 [syr.]  /  p. 157 [frz.] Fiori). 33   Vgl. King, Alexander of Aphrodisias, 168–171, auf der Grundlage eines Vergleichs von Sergius, De principiis universi, 26–28 (p.  137 [syr.]  /  p. 152 f. [frz.]) Fiori mit der arabischen Fassung von Alexander von Aphrodisias, De mundo, 49–52 (p.  68 [arab.]  /  p. 69 [engl.] Genequand).

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sches Material pseudonym an und verwendet es für christliche Zwecke. Hierin ist er Pseudo-Dionysios und Johannes von Skythopolis nicht unähnlich. Spezifisch für Sergios ist aber, dass er die Vollendung des philosophischen Denkens im Werk des Aristoteles findet, die Vollendung des geistigen Weges in Metaphysik und Mystik jedoch in der christlichen Lehre, welche insofern die platonische Theologie ersetzt.34 Vor diesem Hintergrund ist auch Sergios’ wohl nie vollendeter Plan zu sehen, die Ziele aller Werke des Aristoteles in Kürze vorzustellen.35 Damit wäre für ihn, anders als für seinen Zeitgenossen Boethius, die Präsentation der Philosophie vollendet, ohne Platon eigens behandelt zu haben.

Sergios über die Logik Sergios’ Vorliebe für Aristoteles zeigt sich auch in der Einordnung der Logik: In klarem Widerspruch zu allen erhaltenen Zeugnissen aus Alexandrien sieht er sie als Werkzeug, nicht als Teil der Philosophie an. Obwohl sein Referat über die Frage bis ins Detail alexandrinischen Quellen folgt, die letztlich die Rolle Platons betonen,36 ergreift er eindeutig Partei für eine andere, aristotelische Lösung und erklärt die Lösung ›Platons und der Akademiker‹ für selbstwidersprüchlich.37 Zu Beginn des zweiten Buches des ›Kommentars an Theodoros‹ begründet er den Nutzen der ›logischen Fertigkeit‹ (ūmānūṯā mlīltā = λογικὴ τέχνη) für Theorie wie Praxis noch einmal ausführlich mit derselben Akzentuierung.38 Bemerkenswert ist auch, dass Sergios die ›Apodeiktik‹ (apodīqtīqā) als Thema beider ›Analytiken‹ bezeichnet – eine Position, die sich sonst nur bei David findet39 – und sich, wie Ammonios (und anders als David), reserviert zu der Frage verhält, ob auch die ›Rhetorik‹ Teil des Organons ist, während die ›Poetik‹ nicht erwähnt wird.40 Diese Stellungnahme ist vor allem quellentechnisch wertvoll,

34

  Vgl. Hugonnard-Roche, Platon syriaque, hier 322.   Sergius, Ad Theodorum in Categorias, prooem. (Mingana 606, f. 53r [syr.]  /  169 Hugonnard-Roche [frz.]; vgl. auch Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften, 190). Vgl. hierzu Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 182–184. 36   Vgl. oben S. 983–985. 37   Sergius, Ad Theodorum in Categorias, Liber 1, 3, 1–14, besonders 3, 11 f. (Birmingham, Mingana 606, 60rv [syr.]  /  200 f. Hugonnard-Roche [frz.]); Liber 2: Watt, Sergius of Reshaina on the Prolegomena, 35 (engl.) = Birmingham, Mingana 606, f. 62r (syr.). 38   Englische Übersetzung: Watt, Sergius of Reshaina on the Prolegomena to Aristotelian Logic, 35 f. (engl.) (= Birmingham, Mingana 606, f. 62rv [engl.]). 39   Zu David s. oben S. 985. Diese Position ist so ungewöhnlich, dass sie John Watt in seinem Kommentar wegzuerklären versucht: Sergius of Reshaina on the Prolegomena to Aristotelian Logic, 47 f. 40   Sergius, Ad Theodorum in Categorias, Liber II: Furlani, Sul trattato di Sergio di Reshʿayna, 140. Englische Übersetzung: Watt, Sergius of Reshaina on the Prolegomena to Aristotelian Logic, 33 f. [= Birmingham, Mingana 606, f. 64rv]. 35

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denn sie bestätigt, dass die verschiedenen in den Kommentaren zu findenden Standpunkte nicht systematisch miteinander verbunden sind, sondern einen Fundus bilden, welchen einzelne Kommentatoren unterschiedlich kombinieren.

Sergios und das Corpus Areopagiticum Als Philosophie für Christen versteht Sergios auch das Werk des ›Dionysios Areopagites‹, das er am Ende seines Lebens nach eigenen Angaben als Auftragsarbeit übersetzt.41 Es ist jedoch auffällig, wie sehr das Anliegen des dionysischen Corpus Sergios’ eigenem Ansatz ähnelt:42 Beide zeigen nicht nur Sympathien für die Philosophie, sondern trennen die philosophische Metaphysik auch von einer mystischen Schau Gottes, die über das rational Erreichbare im Sinne einer Erleuchtung herausgeht. Insofern entwerfen beide eine Idealvorstellung des Christentums als rational gangbarem Weg in Richtung hin zu einer mystischen Erleuchtung. Es ist daher folgerichtig, dass Sergios seine eigene Gliederung des Entwicklungsweges der Seele im Corpus Dionysiacum wiederfindet: ›Über die kirchliche Hierarchie‹ stelle eine Ethik dar, die (in ›Dionysios’‹ Werk nur erwähnte) ›Symbolische Theologie‹ befasse sich mit der Naturphilosophie, ›Über die himmlische Hierarchie‹ und ›Über die göttlichen Namen‹ mit der rationalen Erklärung der Engel bzw. der verborgenen göttlichen Wesenheit Gottes (īṯūṯā gnīztā).43 Hingegen nennt Sergios die ›Mystische Theologie‹ nicht, was wohl durch ein anderes Verständnis der Gottesschau zu erklären ist.44 Sergios’ wiederholte Ermahnung, die dargebotenen Lehren ohne Streitsucht zu studieren, anstatt sie zu verwerfen,45 ähnelt den Aufforderungen des ›Dionysios‹ und Johannes von Skythopolis zu einer unpolemischen Herangehensweise gerade auch an die Philosophie. Diese Parallelen sind auffällig genug, um irgendeine Art von Beziehung zwischen Sergios und seinem Zeitgenossen, dem Verfasser des dionysischen Corpus, zumindest zu vermuten.46

41

  Vgl. Fiori, in: Dionigi Areopagita (CSCO Syr. 253), XX–XXII.   Vgl. Hugonnard-Roche, Platon syriaque, 318–322; E. Fiori, Sergius of Rēšʿaynā and Dionysius. A Dialectical Fidelity, in: Lössl  /  Watt (Hrsg.), Interpreting the Bible and Aristotle, 179–194. 43   Sergius, De vita spirituali, 117 (p.  148 [syr.]  /  p. 149 [frz.] Sherwood); vgl. 119 (p.  148– 150 [syr.]  /  p.  149–151 [frz.] Sherwood). 44   Fiori, »È lui che mi ha donato la conoscenza«, 56 f. 45   Sergius, De principiis universi, 36 (p.  143 [syr.]  /  157 f. Fiori); Sergius, Ad Theodorum in Categorias, prooem. (Mingana 606, f. 53r–v [syr.]  /  p. 169 [frz.] Hugonnard-Roche). 46   Vgl. Fiori, in: Dionigi Areopagita (CSCO Syr. 253), XX. 42

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Verhältnis der Philosophie zur Medizin und anderen Wissenschaften Laut Sergios’ eigener Darstellung wird er aufgrund von Fragen nach der Grund­ legung wissenschaftlichen Arbeitens, genauer gesagt der galenischen Medizin, dazu geführt, Aristoteles zu übersetzen.47 Die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit der Logik gründet demnach für ihn in den säkularen Wissenschaften und nicht in der Diskussion christologischer Fragen. Seine auf neuplatonische Vorbilder zurückgehende anagogische Interpretation des Quadriviums im christlichen Kontext weist allerdings auf eine christliche Mystik als weiteres Gebiet, für das die Philosophie relevant werden kann.

Würdigung Sergios’ geistesgeschichtliche Leistung liegt in der Begründung einer philosophischen Literatur spätantiken Charakters in syrischer Sprache. Eng damit verbunden ist die ebenfalls langfristig wirksame Verbindung des Philosophie-Ideals mit der Person des Aristoteles als Begründer der wissenschaftlichen Methodik, die er in einer großartigen Metapher entfaltet. Beides erfährt, nicht zuletzt durch die Rezeption bei Paul dem Perser,48 eine jahrhundertelange Tradition im Syrischen und Arabischen. Sergios’ Interessenschwerpunkte bei der aristotelischen Logik und in einer Mystik, die bemerkenswerte Ähnlichkeiten zum von Sergios übersetzten Corpus Dionysiacum aufweist, haben im Übrigen bleibende Schwerpunkte der christlichen Auseinandersetzung mit der Philosophie begründet.49 So hat Sergios sein persönliches Ziel in ausgezeichneter Weise erreicht, eine christliche Version der neuplatonischen Aufstiegslehre, die zugleich deren wissenschafts­theo­retische Grundlagen einholen kann, in der Bildungstradition seiner Religion zu verankern.

Anonyme Übersetzungen der ›Eisagoge‹ und der ›Kategorien‹ Hat Sergios die aristotelischen Studien im Syrischen begründet, so lässt er sich doch nicht sicher als Autor von Übersetzungen fachphilosophischer Texte feststellen. Vielmehr sind die ersten Übersetzungen aristotelischer Texte anonym überliefert und scheinen etwas später entstanden zu sein: Eine Übersetzung der ›Eisagoge‹ des Porphyrios macht wohl den Anfang, dann folgen eine Übersetzung der ›Kategorien‹ sowie etwas später solche zur ›Hermeneutik‹ und den ›Analytica 47

  Sergius, Ad Theodorum in Categorias, prooem. (Perkams, Ostsyrische Philosophie, 75 f. [syr.]  /  p. 168 f. Hugonnard-Roche [frz.]). 48   S. unten S. 1081. 49   Guter Überblick bei Watt, From Sergius to Mattā, 239–257.

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priora‹.50 Diese Übersetzungen, die bereits eine stark wörtlich-abbildende Tendenz besitzen, lassen sich nur nach inneren Kriterien zeitlich gliedern. Man vermutet, dass sie zu Schulzwecken gedient haben, da gebildete Syrer offensichtlich auch weiterhin aristotelische Werke direkt auf Griechisch studieren können. Bemerkenswert ist, dass die Porphyrios-Übersetzung, ganz im Gegensatz zu einigen neochalkedonensischen Autoren, Gott im ›Baum des Porphyrios‹ zugunsten der Engel auslässt.51 Hierin zeigt sich, wie unterschiedlich die christliche Inkulturierung ausfallen kann.

Die Vervollständigung des kurzen Logik-Curriculums durch Proḇā Entscheidende Bedeutung für die Tradition der Lehre des ersten Teils des Organons im Syrischen hatte offenbar Proḇā, der Kommentare zu Porphyrios’ ›Eisagoge‹ sowie zu Aristoteles’ ›Hermeneutik‹ (›De interpetatione‹) und den ›Analytica priora‹ verfasst. Womöglich ist er auch als Übersetzer, zumindest der ›Hermeneutik‹, tätig. Seine zeitliche und geistige Einordnung ist schwierig: Nachdem die lange Zeit akzeptierte Datierung ins 5. Jahrhundert aufgegeben wurde, weisen einige Beobachtungen am Text ins späte 6. Jahrhundert, schließen aber ein Datum im frühen 7. Jahrhundert nicht aus.52 Da die Handschriften Proḇā als »Oberarzt und Erzdiakon von Antiochien« bezeichnen, wurde neuerdings eine Identität mit einem Proḇā vorgeschlagen, der den Antiochener Patriarchen 581 nach Alexandria begleitet und schließlich chalkedonensischer Bischof von Chalkedon wird.53 Aufgrund der Seltenheit des Namens verdient diese Identifikation eine gründliche Prüfung, die freilich vollständige Neueditionen seiner Werke voraussetzte. Das wäre auch deswegen interessant, weil Proḇās Kommentare offenbar noch unerschlossene Informationen über ältere griechische Autoren erhalten.54 Da der erste, einführende Teil seines ›Kommentars zur Eisagoge‹ verloren ist, lassen sich kaum theoretische Aussagen zur Philosophie in Proḇās Werk finden. Eine neuerdings identifizierte Paraphrase dieses Kommentars55 erwähnt immer-

50   Zum terminologischen Vergleich s. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 23–37; King, The Earliest Syriac Translation, 69–85. 51   Porphyrius Syriacus, Isagoge (p.  23, 9–12 Brock = CAG 4, 1, p.  10, 12–14 Busse). Vgl. Perkams, Ostsyrische Philosophie, 69. Zu den Neochalkedonensern vgl. unten S. 1096. 52   Zu all diesen Punkten vgl. die überzeugende Dokumentation bei H. HugonnardRoche, Probus (Proba), in: DPhA 5b (2012), 1539–1542; H. Hugonnard-Roche, Probus, in: GGPh 5, 3 (2018), 2465–2469, sowie unbedingt S.  Brock, The Commentator Probus. Problems of Date and Identity, in: Lössl  /  Watt (Hrsg.), Interpreting the Bible and Aristotle in Late Antiquity, 195–206. 53   Vgl. Brock, The Commentator Probus, 202–206. 54   Vgl. Brock, The Commentator Probus, 196–202. 55   Vgl. Brock, The Commentator Probus, 198. Der Nachweis, dass tatsächlich alle hier

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hin, dass die ›Eisagoge‹ den Beginn des Kurses der Philosophie (filosofiyā) bildet.56 In dieser Einleitung ist auch von philosophischen Worten (φωναί)‹ (bnat qālē filosofayāṯā) die Rede.57 Außerdem führt Proḇā in der Einleitung zu seinem Kommentar zur ›Hermeneutik‹ die Unterscheidung von Praxis (saʿōrūṯā) und Theorie (teʾoriyā) als Dimensionen eines »Handwerks« (ūmānūṯā) an, die dem handelnden (maʿḇdānā) und dem erkennenden (yādōʿ tānā) Teil der Seele nutzen sollten. Hierbei gebe es Dinge, die auf die Lehre (dogmā), solche, die auf die Praxis, und solche, die auf beides abzielten.58 Interessanterweise ordnet Proḇā die Logik (mlīlūṯā), zu der er die ›Hermeneutik‹ rechnet, eindeutig der Theorie zu, sieht sie also offenbar nicht als reines Werkzeug an.59 Dies bestätigt sich in seinem Kommentar zu den ›Analytica priora‹: Hier gibt er das in Alexandria übliche Referat zu Teil und Werkzeug der Philosophie in verknappter Form wieder, ohne irgendeinen der Werktitel zu nennen, welche die griechischen Kommentatoren hier gerne anführen. Das zweite aristotelische Argument und einen Großteil des Platon-Referates lässt er ganz aus. Nachdem er daraus lediglich hervorgehoben hat, die Logik sei insofern Teil der Philosophie, als sie die Nähe und Ferne der Dinge voneinander erkenne, schließt er emphatisch im Sinne der ›platonischen‹ Position: »Diejenige, die dies erkennt, ist die Philosophie allein. […] Aber es ist auch keine Lüge, dass die Mutter aller Fertigkeiten ein Werkzeug zu ihrem eigenen Gebrauch und dem dieser anderen Handwerke angefertigt hat«.60

Im Gegensatz zu Sergios von Rēšʿaynās Strategie, die Rolle des Aristoteles hervorzuheben, indem er den werkzeughaften Charakter der Logik betont, unterstreicht Proḇā den Wert der Philosophie, indem er ihre Verbindung mit der Logik betont. Als Ziel der Logik nennt er im Übrigen, ganz traditionell, die Unterscheidung wahrer von falschen Aussagen, wozu die ›Hermeneutik‹ diene, die daher kein selbstzweckliches Buch sei.61 Im Vergleich zu Proḇās Vorgänger unter den syrischen Kommentatoren zeigen sich somit Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Während Proḇās Begrifflichkeit eine Weiterentwicklung im Vergleich zu Sergios zeigt – so wird nun deutlicher

genannten Scholien Exzerpte aus Proḇā sind, müsste freilich noch besser substantiiert werden. 56   Anonymus Vaticanus, In Eisagogen (37, 8 f. [syr.]  /  228, 19 f. [dt.] Baumstark). 57   Anonymus Vaticanus, In Eisagogen (36, 24 f. [syr.]  /  p. 227, 5 [dt.] Baumstark). 58   Probus, In De interpretatione (p.  65 [syr.]  /  p. 92 [lat.] Hoffmann). 59   Probus, In De interpretatione (p.  68 [syr.]  /  p. 94 [lat.] Hoffmann). 60  Probus, In Analytica priora (p.  129, 17–130, 17 [syr.] / p.  130  f. [frz.], Zitat 130, 13–17/131 Hugonnard-Roche [Übersetzung mit anderer Deutung als die hier vorgeschlagene]). 61   Probus, In De interpretatione (p.  63 [syr.]  /  p. 90 [lat.] Hoffmann).

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zwischen Seelenvermögen und Teilen der Lehre unterschieden62 –, ähnelt die Verbindung von Theorie und Praxis mit den Seelenteilen seiner Konzeption, doch könnte dies auch auf eine griechische Quelle zurückgehen. Auffällig ist jedoch die Annäherung der Bezeichnungen ›Philosophie‹ und ›Handwerk‹, welche wohl im Ganzen darauf abzielt, die Philosophie zu rechtfertigen, indem der Nutzen der Logik und auch der theoretischen wie praktischen Philosophie betont wird.

Syrische Sammlungen von Definitionen der Philosophie, v. a. (Pseudo-)Michael Bādōqā Die alexandrinischen Einteilungen der Philosophie sowie ihre sechs Definitionen waren auch im Syrischen bekannt.63 Zwei Beispiele dieses offenbar umfangreichen Materials sind um 1900 von Anton Baumstark herausgegeben worden: In dem sehr späten Logik-Kompendium des Severos Bar-Šakkō (gest. 1241) bemerkt er »eine Sammlung beinahe wörtlicher Excerpte aus einer syrischen Übersetzung erweiterter Prolegomena zur Philosophie (προλεγόμενα τῆς φιλοσοφίας)«,64 ­darunter alle sechs in Alexandrien umlaufenden Definitionen. In einer Definitionensammlung, die in den Handschriften, nach heutiger Ansicht zu Unrecht, dem ostsyrischen Autor Michael Bādōqā (fl. 600, bei Baumstark Bāzūḏ genannt)65 zugewiesen werden, fehlt hingegen die etymologische Diskussion des Strebens nach Weisheit. Die teils phantasievollen historischen Einordnungen dieser Texte durch Baumstark lassen sich freilich so nicht ohne weiteres übernehmen,66 weswegen eine Einordnung des Materials (und damit die Frage nach dem Zeitpunkt der Übernahme der Definitionenserie ins Syrische) schwerfällt. Ein Ansatzpunkt ergibt sich freilich, wenn man die Wiedergabe der griechischen Termini der Texte vergleicht:67 Sergios von Rēšʿaynā übersetzt die Intelligibilien mit ruḥanāyāṯā, Paul der Perser mit meṯyaddʿānāṯā und Pseudo-Mi62   Zur Wiedergabe von Praxis als saʿōrūṯā und Theorie als teʾoriyā vgl. die Bemerkungen zu Pseudo-Michael Bādōqā. 63   Baumstark, Aristoteles bei den Syrern, 160 f. 64   Baumstark, Aristoteles bei den Syrern, 183 f., zu den genauen Inhalten des Stücks; vgl. auch oben S. 979 f. 65   Vgl. P. Bruns, Michael Badoqa (Malpana), in: LACL, 440. 66   Baumstark, Aristoteles bei den Syrern, 181–192, 210–219. Insbesondere Baumstarks Zuweisung der griechischen Vorlage an Stephanos von Alexandria (S.  186 f.) ist zweifelhaft, weil dessen Name im Text als jemand, der eine Meinung vertritt, genannt wird, und zum anderen deswegen, weil der Text offensichtlich auch älteres syrisches Material aufgreift (s. unten). Erst eine kritische Edition von Severos kann die Grundlage liefern, der historischen Vorlage des Materials genauer nachzuspüren. 67   Diese Untersuchung müsste unter Heranziehung guten handschriftlichen Materials gründlicher vollzogen werden, was hier nicht möglich ist. Vgl. zur Methodik und zum Hintergrund jedenfalls Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 26.

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chael verwendet beide Begriffe. Für »Ähnlichwerden mit Gott« (ὁμοίωσις θέῳ) sagt Sergios dumyā ḏ-allāhā, Paul und Pseudo-Michael dumyā ḏ-allāhūṯā, Severos hingegen dāmyūṯā ḏa-ḇ-allāhā. Den theoretischen Teil der Philosophie bezeichnen Probā, Paul, Pseudo-Michael und Severos im Gegensatz zu Sergios als teʾoriyā. Für die mathematischen Disziplinen (μαθήματα) schreiben Sergios und Pseudo-Michael yulpānē, Paul yulpānāyāṯā und Severos entweder yulpānē oder maṯēmaṭīqōn.68 Die bei Pseudo-Michael zitierten Definitionen weisen demnach beachtliche, wenn auch nicht vollständige terminologische Ähnlichkeiten mit Paul dem Perser, Probā und, in geringerem Maße, mit Sergios von Rēšʿaynā auf, während die bei Severos gelieferten Texte die Terminologie weiter verändern. Die Beispiele sprechen dafür, dass die Distinktionen des Pseudo-Michael zur Philosophie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ins 6. Jahrhundert gehören; sie könnten z. B. dem verlorenen Einführungsteil von Proḇās ›Eisagoge-Kommentar‹ entnommen sein. Auffällig ist, dass sie in der Zuweisung der Definitionen an einzelne Philosophen sehr unzuverlässig sind, während Severos recht korrekte Angaben zitiert.69 Während also diese Texte einer genaueren Erforschung noch bedürfen, zeigen sie doch, dass auch im Syrischen die Philosophie-Definitionen der Ammonios-Schule früh präsent waren.

3. Die Übertragung der aristotelischen Philosophie in die ­ lateinische Sprache: Boethius und Cassiodor Allgemeines Die Übertragung der Grundschriften der aristotelischen Logik ins Lateinische ist das Werk des Boethius, der auf diese Weise Westeuropa mit einer Grund­legung wissenschaftlicher Methodik versorgt, die den syrischen und armenischen Corpora philosophischer Schriften des David vom Umfang her weitgehend entspricht, wobei er, vor allem mit seinem ›Trost der Philosophie‹ (›De consolatione philosophiae‹) ganz eigene Akzente und sich selbst ein großartiges Denkmal setzt. Zu beachten ist ferner das Werk des Cassiodor, der Mitte des 6. Jahrhunderts die alexandrinischen Definitionen und Einteilungen der Philosophie in größerer Vollständigkeit in seinen ›Institutiones‹ wiedergibt als Boethius, zugleich aber auch eine neue wissenschaftstheoretische Verortung der Philosophie vornimmt.

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  Der Text des Severos bar Šakkō findet sich bei Baumstark, Aristoteles bei den Syrern (20, 28–22, 5 (syr.)  /  197, 39–199, 11 [dt.]), der des Pseudo-Michael bei Baumstark, Aristoteles bei den Syrern (33, 15–36, 3 [syr.]  /  219, 1–222, 34 [dt.]). Zu Sergios, Probā und Paul dem Perser vgl. die entsprechenden Kapitel. 69   Vgl. Baumstark, Aristoteles bei den Syrern, 215–217.

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Boethius: Der letzte Römer im Schnittpunkt von Logik, Christologie und Philosophie Allgemeines Anicius Manlius Severus Boethius (ca. 475/80–526)70 lebt als Mitglied der alten römischen Oberschicht im ostgotisch beherrschten Italien. Aus philosophiehistorischer Sicht ist wichtig, dass er zwar offenbar eine sehr gute Ausbildung erhält, es aber keinen Hinweis auf einen Studienaufenthalt in Alexandrien gibt.71 Das wird, wie noch zu erläutern ist, vor allem dadurch nahegelegt, dass seine logischen Schriften zu großen Teilen auf älteren Quellen beruhen als die seiner syrischen und armenischen Zeitgenossen. Boethius’ beträchtliche philosophische Kompetenz erklärt sich wohl nicht zuletzt durch die lange Zeit, während derer er sich derartigen Studien widmen kann. Die Geschichte seiner relativ späten Berufung an den ostgotischen Hof nach Ravenna und seiner daran anschließenden Gefangennahme und Hinrichtung – nach Abfassung des ›Trosts der Philosophie‹ – brauchen hier nicht im Detail erzählt zu werden.72

Philosophische Leistung des Boethius Boethius’ Projekt Boethius’ Projekt ist durch eine gewisse Ambivalenz gekennzeichnet: In seinen früheren Werken, vor allem den Kommentaren zur ›Eisagoge‹, ist seine Absicht erkennbar, die Logik des Aristoteles im Lateinischen verfügbar zu machen, wofür ein Bedarf zu bestehen scheint.73 Dieser Absicht entspricht auch der tatsächliche Umfang seines Werkes an Aristoteles-Übertragungen. Demgegenüber verkündet Boethius zu Beginn seines zweiten ausführlichen Kommentars zur ›Hermeneutik‹, den gesamten Aristoteles und Platon ins Lateinische übertragen, kommentieren und mit erklärenden Monographien versehen zu wollen.74 Was ihn zu dieser (nie ausgeführten) Planänderung bewegt, darüber kann man nur spekulieren. Zu beachten ist jedenfalls, dass eine solche Absicht weder von vornherein bei ihm erkennbar ist noch langfristig sein Schreibverhalten bestimmt. Daher scheint es, auch im Vergleich zum Wirken seiner Zeitgenossen, v. a. des Sergios von Rēšʿaynā, 70

  Vgl. zusammenfassend S.  Döpp, Boethius, in: GGPh 5, 3 (2018), 2345–2382, hier 2345– 2347. 71   Ich stimme hierin mit J. Marenbon, Boethius, Oxford 2003, 13, und Döpp, Boethius, 2345, überein. Hinweise ergeben sich auch aus dem Folgenden. Tendenziell anders z. B. J. Gruber, Boethius. Eine Einführung, Stuttgart 2011, 5. 72   Vgl. im Übrigen, Marenbon, Boethius, 9 f. 73   Vgl. vor allem Boethius, In Isagogen, editio prima 1, 1 (4, 10–16 Brandt), aber auch In Isagogen, editio secunda 1, 2 (138, 10–139, 18 Brandt). 74   Boethius, In De interpretatione, editio secunda 2, prol. (79, 9–80, 9 Meiser).

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angemessen, das aristotelische Werk des Boethius als eine Darstellung der Logik zu sehen, die Boethius freilich mit typisch lateinischen Akzentsetzungen, z. B. durch die Kommentierung Ciceros, zu Ende führt. Die idealistische Behauptung, lediglich der Tod habe ihn an der Ausführung des größeren Planes gehindert,75 entspricht den Beobachtungen, die man zur Entwicklung von Boethius’ Œuvre machen kann, hingegen nicht.76 Boethius’ Übertragungsleistung ist auch so weitaus umfangreicher, als es irgendein Syrer oder Armenier zustande bringt: Sie umfasst Einführungsschriften zum Quadrivium, zur aristotelischen Logik (einschließlich verlorener Übersetzungen der ›Analytica posteriora‹, der ›Topik‹ und der ›Sophistici Elenchi‹, letzterer mit Kommentar) sowie theologische Werke, wobei einiges verloren ist und dies wohl zu Beginn des Mittelalters auch schon war.77 Das Werk findet seinen Höhepunkt im ›Trost der Philosophie‹, der formal und inhaltlich einen letzten Glanzpunkt der antiken lateinischen Literatur und nicht zuletzt eine der eindrucksvollsten antiken Darstellungen des Philosophie-Ideals bildet.78 Aber auch ­Boethius’ technisch brillante und von Augustinus belehrte Schriften zu den Problemen christlichen Denkens79 haben beträchtlichen Einfluss ausgeübt.80 Boethius’ Errungenschaften Die philosophische Leistung des Boethius beginnt mit seiner sprachschöpferischen Tätigkeit als Übersetzer, die als solche schon nicht gering zu veranschlagen ist. Boethius’ hoher Selbstanspruch wird durch sein Ziel deutlich, eine Übersetzung zu liefern, die so gut ist wie das griechische Original, so dass dieses nicht mehr benötigt wird.81 Tatsächlich ist die Qualität seiner Übersetzungen hoch, wobei sie, nicht anders als die Übertragungen ins Syrische und Armenische, um Wörtlichkeit bemüht sind und auch (von Boethius selbst) revidiert wurden.82 Während Boethius’ Originalität in den Logik-Kommentaren relativ überschaubar sein mag – auch wenn er sicherlich nicht griechische Vorlagen übersetzt an75

  So jetzt wieder Döpp, Boethius, 2345 f.   Diese Ansicht, die A. Kappelmacher, Der schriftstellerische Plan des Boethius, in: M. Fuhrmann  /  J. Gruber (Hrsg.), Boethius, Darmstadt 1984, 71–81, bereits 1928 aufgrund von Boethius’ Selbstaussagen überzeugend dargelegt hat, bestätigt sich durch einen Blick auf Boethius’ zeitgenössischen Kontext. 77   Vgl. die Werkübersicht mit Belegen bei Marenbon, Boethius, 14–18; ferner Döpp, Boethius, 2347–2361. 78   Vgl. Döpp, Boethius, 2366–2375. 79   Vgl. Döpp, Boethius, 2361–2366. 80   Eine kurze Übersicht über Boethius’ Wirkung im Mittelalter gibt Marenbon, Boethius, 164–182. 81   Boethius, In Isagogen, editio secunda 1, 1 (p.  135, 10–13 Brandt). 82   Marenbon, Boethius, 18; Döpp, Boethius, 2349 (mit Verweis auf die grundlegende Arbeit L. Minio Paluello, Boethius als Übersetzer und Kommentator aristotelischer Schriften, in: Fuhrmann  /  Gruber (Hrsg.), Boethius, 146–154). 76

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einandergereiht hat83 –, wirkt er insbesondere in seinen theologischen Traktaten sowie im ›Trost der Philosophie‹ innovativ: Klassisch ist zunächst seine berühmte Definition der Person (persona, entsprechend griechisch πρόσωπον oder ὑπόστασις) als ›individuelle Substanz einer rationalen Natur‹ (naturae rationalis individua substantia).84 Hier wird die ›unteilbare Form‹ (ἄτομον εἶδος) der antiarianischen, an die Deutung von Aristoteles’ ›Kategorien‹ angelehnten Terminologie der kappadokischen Trinitätstheologie85 explizit zur ›unteilbaren Substanz‹, so dass das Unteilbare (ἄτομον), das lateinische individuum, als Wesenszug personalen Seins hervorgehoben wird. Die griechische Trinitätsdebatte wird in der Folge auf Lateinisch zu einer Diskussion über die Individualität in ihrem spezifischen Sein.86 Boethius’ Erklärung der Vereinbarkeit von göttlichem Vorwissen und menschlicher Freiheit im ›Trost der Philosophie‹ besitzt ebenfalls, besonders durch ihre elegante Einfachheit, einen eigenen Charakter: Die im Kern auf Jamblich zurückgehende Unterscheidung verschiedener Grade von Vorsehung bzw. vorsehender Erkenntnis87 wird auf eine klare und einleuchtende Definition der Ewigkeit als Nicht- bzw. Überzeitlichkeit zurückgeführt: Gott kennt die Wirkungen des menschlichen Handelns auf ewige, nicht auf zeitliche Weise und weiß sie in diesem Sinne nicht bevor, sondern während sie geschehen.88 Diese Lehre steht exemplarisch für einen auch sonst im ›Trost der Philosophie‹ erkennbaren Zug, das komplexe neuplatonische Denksystem in einer an einen christlichen Monotheismus angepassten Weise darzustellen. Dabei bleibt zwar manche vorchristliche Position stehen, insbesondere die Ewigkeit der Welt, freilich unter Betonung des Unterschieds zwischen Gott und Welt89. Jedoch fällt zugleich die Einfachheit von Boethius’ Konstruktion im Vergleich zur mehrgliedrigen neuplatonischen Kette des Hervorgehens und Zurückkehrens stark ins Auge. Daher sollte der nichtchristliche Charakter des ›Trostes der Philosophie‹ weniger betont werden, als dies in der Forschung gerne geschieht:90 Boethius entwickelt eine persönliche philosophische Darstellung der Welt, die das Christentum nicht 83

  So die These von J. Shiel, Boethius’ Commentaries on Aristotle, in: Sorabji (Hrsg.), Aristotle Transformed, 349–372; vgl. die kritischen Anmerkungen von St. Ebbesen, Boethius as an Aristotelian Commentator, in: Sorabji, Aristotle Transformed, 373–391. 84   Boethius, Contra Eutychen et Nestorium 3 (214, 172 f. Moreschini). 85   Vgl. oben S.  821  f. 86   Zu dieser Definition und der Forschungsdiskussion vgl. Döpp, Boethius, 2365 f. Die Behauptung, Boethius sei von Leontios von Byzanz beeinflusst, kann zwar aus chronologischen Gründen nicht aufrecht erhalten werden, aber eine Abhängigkeit von Johannes dem Grammatiker ist möglich. Einmal mehr ist der Vergleich mit Boethius also nützlich, um das Alter griechischer Traditionen genauer zu erkennen. Vgl. zu diesen Autoren unten S.  1096  f. 87   Ammonius, In De interpretatione 9 (CAG 4, 5, p.  135, 7–136, 15 Busse). 88   Boethius, De consolatione philosophiae 5, Prosa 4; Prosa 6. 89   Boethius, De consolatione philosophiae 5, Prosa 6, 9 f. Vgl. Döpp, Boethius, 2366 f. 90   Vgl. die kurzen Forschungsüberblicke bei Marenbon, Boethius, 154–156; Döpp, Boethius, 2366–2368.

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explizit in den Mittelpunkt stellt, aber in subtilen Anpassungen der Lehre durchaus seinen Einfluss zeigt. Anders als Pseudo-Dionysios oder Sergios von Rēšʿaynā, dessen ›Über die Prinzipien des Universums‹ in dieser Hinsicht vielleicht besonders gut vergleichbar ist, bekennt er sich allerdings offen zu seiner Beziehung zur Philosophie, wenn auch die literarische Form der (menippeischen) Satire mit ihrem leicht ironischen Charakter dem ›Trost der Philosophie‹ etwas von seiner Ernsthaftigkeit nimmt.91 Jedenfalls dürfte das philosophische Bekenntnis eine ureigene Überzeugung des Boethius wiedergeben, die er sich freilich in seiner gesellschaftlichen Stellung, zumal mit dem Todesurteil vor Augen, sicherlich eher erlauben kann als die Anhänger der Philosophie im durch viele Debatten zerrissenen ­Osten des Reiches. Boethius’ philosophische Kenntnisse und seine Quellen Im Vergleich mit Zeitgenossen wie Sergios fällt quellentechnisch auf, dass Boethius weniger auf die zeitgenössischen Aristoteles-Erklärungen aus dem Umfeld des Ammonios als auf älteres Material zurückgreift, vor allem auf solches von Porphyrios.92 Zur Bewertung dieser Tatsache ist zunächst einmal zu bedenken, dass Boethius ganz allgemein über eine bemerkenswert reiche und vielfältige Kenntnis philosophischer Schriften verfügt, die sich auch von seinen griechischen Zeitgenossen in aufschlussreicher Weise unterscheidet:93 Zunächst einmal kennt er viele, ja vielleicht alle Schriften von Aristoteles und Platon. Sicher nachweisen lassen sich von Aristoteles sämtliche logischen Schriften und die ›Physik‹, von Platon ›Gorgias‹, ›Menon‹, ›Phaidon‹, ›Politeia‹ und ›Timaios‹. Daneben kennt er eine ganze Reihe neuplatonischer Schriften, auf jeden Fall Porphyrios’ ›Eisagoge‹ und seinen kurzen ›Kategorien-Kommentar‹, vielleicht auch weitere Schriften zur Logik,94 sowie verschiedene Einführungsschriften des Nikomachos von Gerasa. Von Jamblich, Proklos und den Werken aus der Schule des Ammonios besitzt er, möglicherweise aber erst relativ spät, einige Kenntnis. Nicht zuletzt kennt er die lateinische Tradition, vor allem Cicero, den er auch als Übersetzer schätzt, Seneca, Augustinus und Martianus Capella, der für die literarische Form Pate gestanden haben dürfte.95 Auch aus dieser Literatur empfängt er manchen nicht neuplatonischen Einfluss.

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  Vgl. Marenbon, Boethius, 159–163.   Dies wird vor allem dargelegt von Ebbesen, Boethius as an Aristotelian Commentator, 376–389, der hierfür vor allem didaktische Gründe anführt. Diese können allerdings kaum den Ausschlag zur Wahl des Porphyrios im Vergleich zum modernen Ammonios gegeben haben. Vgl. zur Quellenfrage auch unten S. 1064–1067. 93   Vgl. die Übersicht über Boethius’ philosophische Kenntnisse bei St. Gersh, Boethius, in: DPhA 2 (1994), 117–122, hier 118. 94   Vgl. dazu oben S. 984. 95   Der Einfluss des Martianus ist freilich umstritten (s. unten S.1065). 92

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Versucht man, vor diesem Hintergrund Boethius’ Rückgriff auf Porphyrios und nicht auf seinen Zeitgenossen Ammonios zu erklären, bietet sich die Annahme an, dass er die neuen Materialien aus Alexandria zunächst nicht kennt, sondern mit solchen Schriften arbeitet, die ihm in Italien zur Verfügung stehen, auch wenn er diese nach und nach durch Neuerwerbungen aus dem Osten ergänzt. In der Tat ist die porphyrische Tradition in Italien, zu der auch eine Tradition platonischer Werke gehört,96 durch die Augustinus bekannten »Bücher der Platoniker«, den anonymen Turiner ›Kommentar zu Platons Parmenides‹ sowie die Logik-Einführungen des Marius Victorinus gut bezeugt, und man muss damit rechnen, dass Boethius in Italien auch Personen finden kann, die ihn in einige dieser Werke einführen. Insofern steht er trotz der Ähnlichkeit seines Projektes mit seinen östlichen Zeitgenossen quellentechnisch relativ isoliert. Philosophiebegriff und Einteilungen der Philosophie Philosophiebegriff – Abgesehen von dem kurzen Aufgreifen einzelner Umschreibungen97 finden sich bei Boethius zwei ausführlichere Darlegungen des Philosophiebegriffs: In einer ersten Erörterung im ›Ersten Kommentar zur Eisagoge‹ erklärt Boethius die Philosophie (philosophia) als »Liebe, Bemühen und in gewissem Sinne Freundschaft zur Weisheit« (amor et studium et amicitia quodammodo sapientiae) und charakterisiert die Weisheit als einen sich selbst genügenden Geist (mens) bzw. eine Vernunft (ratio), durch welche die philosophierende Seele eine Erleuchtung erfahre. So sei das Bemühen um Weisheit ein Bemühen um Göttlichkeit (studium divinitatis), die jeder Seelenart auf ihre Weise zuteilwerde.98 Diese Definition erinnert in der Unterscheidung verschiedener Arten von Weisheit am ehesten an den Aristoteliker Aristokles von Messene,99 wobei die Erleuchtung der Seele eher platonisch klingt. Da zu den Philosophiebeschreibungen der Ammonios-Schule keine relevante Ähnlichkeit besteht, muss man vermuten, dass Boethius eine spätaristotelische oder relativ früh platonische Quelle benutzt. Ganz anders zeigt sich Boethius’ klassische Darstellung der Philosophie zu Beginn des ›Trostes der Philosophie‹. Hier erscheint die Philosophie als eine Frau mit durchdringendem Blick und wechselnder Größe, die sich bald zu Menschenmaß verkleinert, bald zum Himmel hin ausstreckt – ein platonisches Motiv. Durch die griechischen Buchstaben Pi und Theta ist der Bezug der Philosophie zu Praxis und Theorie angezeigt.100 Diese selbst sieht ihre Aufgabe in der Heilung der Kranken, insbesondere ihrer eigenen Märtyrer Sokrates, Anaxagoras etc.101 Ihr selbst 96

  Vgl. auch oben S. 910 zu Claudianus Mamertus.   Zum Beispiel: Philosophia est amor sapientiae: Boethius, Institutio arithmetica 1, 1 (9, 12 Friedlein). 98   Boethius, In Isagogen, editio prima 1, 3 (7, 11–23 Brandt). 99   S. oben S. 562. 100   Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 1, 1–6. 101   Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 2; Prosa 3, 6–13. 97

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gewobenes Gewand ist durch mancherlei Schulgezänk, insbesondere der Epikureer und Stoiker, zerrissen,102 womit auf den rhetorisch-christlichen Vorwurf der Zerstrittenheit der Philosophie angespielt wird. Boethius selbst ist durch diese Aktivität außerhalb von Bibliotheken durchaus verwirrt, womit er auf den alten Topos der Untätigkeit der Philosophen anspielt, während er selbst sich deren politischem Ideal verpflichtet weiß.103 Die Anregung zu dieser Darstellung, die trotz vieler Anklänge an die Tradition durchaus originell ist,104 dürfte letztlich auf Platon zurückgehen und ist, neben anderen lateinischen Autoren (Cicero, Augustinus) und möglicherweise bildlichen Darstellungen, vor allem von Seneca angeregt.105 Die Darstellung als Frau mit bestimmten Attributen erinnert nicht zuletzt an Martianus Capella, der in zeitlicher Nähe (nach Lukians viel älteren ›Die Fliehenden‹ [Fugi­tivi]106) die Philosophie, ebenso wie andere Disziplinen, allegorisch als Frauengestalt auftreten lässt. Es gibt auch wörtliche Berührungen, deren Bedeutung freilich umstritten ist.107 Der Philosophiebegriff beschränkt sich jedenfalls, wenn er derart verbildlicht wird, nicht auf eine Einteilung, sondern erhält zahlreiche Querbezüge zu anderen kulturellen und religiösen Phänomenen.108 Von einer schlichten Idealisierung der Philosophie kann nicht die Rede sein.109 Einteilungen der Philosophie – Eine ausführliche Einteilung der Philosophie liefert Boethius, ganz dem Curriculum entsprechend, ebenfalls in der Einleitung zu seinem ersten Kommentar zur ›Eisagoge‹. Sie erfolgt hier im klassischen Schema 102

  Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 1, 5; Prosa 3, 6 f.   Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 4, 1–9. 104   Vgl. auch Döpp, Boethius, 2367. 105   Zur personifizierten Philosophia (z. B. Plato, Gorgias, 482a; Seneca, Epistulaee 16, 5 und vor allem 65, 16) mit unterschiedlicher Akzentsetzung vgl. P. Courcelle. Le personnage de la philosophie dans la littérature latine, in: Journal des savants (1970), 209–252, v. a. 232–252; J. Gruber, Kommentar zu Boethius, ›De consolatione philosophiae‹, Berlin  /  New York 22006, 33–35; M. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Berlin  /  Boston 3 2012, 2, 1473, sowie oben S. 246  f., 466, 572  f. 106   Vgl. oben S.  608  f. 107   Zu Martianus’ Darstellung der Philosophie als Frau s. oben S. 904. Auf mindestens eine Reminiszenz an Martianus weist Gruber, Kommentar zu Boethius, 62, hin, der sich allerdings in der zweiten Auflage seines Werkes deutlich vorsichtiger im Hinblick auf eine Abhängigkeit des Boethius von Martianus zeigt (Gruber, Boethius, 17 mit Anm.  23). 108   Zu den literargeschichtlichen Reminiszenzen vgl. im Detail, aber ohne überzeugende Scheidung von Relevantem und weniger Relevantem, J. Gruber, Die Erscheinung der Philosophie in der ›Consolatio philosophiae‹ des Boethius, in: Rheinisches Museum 112 (1969), 166–186; Gruber, Kommentar zu Boethius, 62–138; deutliche Betonung religiöser Reminiszenzen hingegen bei Gruber, Boethius, 93–95. 109   In der Interpretation folge ich Marenbon, Boethius, 153 f. Eine interessante Würdigung des Boethius und seiner Ambivalenzen gibt E. Sweeney, Logic, Theology, and Poetry in Boethius, Abelard, and Alan of Lille. Words in the Absence of Things, New York 2006, 8–61. 103

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theoretische (theoretica bzw. speculativa) und praktische (practica bzw. activa) Philosophie, wobei erstere nach ihren Objekten in die ›Naturwissenschaft‹ (physiologia), einen mittleren Teil und die ›Theologie‹ (theologia) eingeteilt wird. Diese soll sich dabei den Gegenständen des Intellekts (den intellectibilia, d. h. den νοητά) widmen, die ›Naturwissenschaft‹ den Körpern und ihren Eigenschaften. Die anonyme mittlere Wissenschaft soll hingegen das ›Denkfähige‹ (intelligibilia, d. h. τὰ νοερά) untersuchen, worunter Boethius die unter der Mondsphäre befindlichen Himmelskörper, die menschlichen Seelen und die Beseelung der Körper fasst.110 Die praktische Philosophie wird hingegen ganz traditionell in Ethik, Politik und Ökonomie eingeteilt, ohne dass die Begriffe genannt würden.111 Dass Boethius auch hier, wie bei der Definition der Philosophie, auf eine vorammonianische, wahrscheinlich spätkaiserzeitliche Quelle zurückgreift, lässt sich aufgrund einer ganzen Reihe von Punkten nachweisen: a) Die Beschreibung der drei Teile der theoretischen Philosophie setzt offensichtlich ein aristotelisches Weltbild voraus, in dem nicht nur die Mondsphäre die niedrigste der Sternensphären ist, sondern überhaupt die Himmelskörper (noch) nicht zu den Gegenständen der Naturphilosophie gezählt werden, wie das im neuplatonischen Aristotelismus üblich (und wohl schon bei Porphyrios zu erwarten) wäre.112 b) Die Seelen werden lediglich im Kontext der Beseelung der Lebewesen behandelt, nicht in einer Eigenexistenz ohne Körper. c) Auch eine spätere Einteilung der theoretischen Wissenschaft, in der Naturphilosophie (naturalis), Mathematik (mathematica) und Theologie (theologica) danach unterschieden werden, ob ihre Objekte körperlich und beweglich, körperlich und unbewegt sowie unkörperlich und unbewegt sind, geht von einem aristotelischen Bewegungskriterium aus.113 d) Im Gegensatz zur Ammonios-Schule und der syrischen Tradition wird die Mathematik nicht als mittlere Disziplin der theoretischen Philosophie mit dem Quadrivium identifiziert, sondern dieses wird, ebenso wie das Trivium, der ganzen Philosophie vorangeschickt (s. unten). 110   Boethius, In Isagogen, editio prima 1, 3 (8, 1–9, 12 Brandt). Ich zitiere alle griechischen Begriffe in lateinischer Umschrift, obwohl die Edition von Brandt hier unglücklicherweise schwankt. Vgl. auch die Zusammenfassung M. Enders, Zum Philosophieverständnis des Boethius außerhalb der ›Consolatio philosophiae‹, in: J. A. Aertsen  /  A. Speer (Hrsg.), Was ist Philosophie im Mittelalter? Qu’est-ce que c’est la philosophie au Moyen Age? What is Philosophy in the Middle Ages? Akten des X. internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie, 25.–30. August 1997 in Erfurt, Berlin  /  New York 1998, 444–451. 111   Boethius, In Isagogen, editio prima 1, 3 (9, 13–22 Brandt). 112   Aristotelisch wirkt auch, dass die Philosophie als ›Gattung‹ mit zwei ›Arten‹ (Theorie und Praxis) eingeführt wird (Boethius, In Isagogen, editio prima 1, 4 [10, 8–10 Brandt]); vgl. z. B. Alexander Aphrodisiensis, In Metaphysica (CAG 1, p.  251, 5–8 Hayduck). 113   Boethius, De trinitate 2 (168, 68–169, 83 Moreschini); vgl. besonders Alexander, in Metaphysica (CAG 1, p.  251, 34–38 Hayduck).

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Man muss also vermuten, dass Boethius seine theoretischen Aussagen zur Philosophie aus einer peripatetisch geprägten Quelle übernimmt, deren genaue Zuschreibung aber nicht möglich ist. In der Einführung zum ›Zweiten Kommentar zur Eisagoge‹ werden die theoretische und praktische Philosophie, so wie es im ›Trost der Philosophie‹ angedeutet wird, ohne eine detailliertere Einteilung als Hauptteile der Philosophie umrissen, und dann wird sofort betont, dass die Logik zum Erwerb dieser Teile unentbehrlich sei.114 Hinsichtlich der Frage nach dem Status der Logik als Teil oder Werkzeug der Philosophie, den er im ersten Kommentar noch aufgeschoben hat,115 referiert Boethius nun die aus Alexandrien bekannten Positionen, ohne diese aber bestimmten Autoren zuzuschreiben, und entscheidet sich dafür, dass die Logik sowohl ein Teil der Philosophie sei (weil nur die Philosophie die Logik lehren kann) als auch ein Werkzeug (weil durch sie die gesuchte philosophische Wahrheit aufgespürt wird).116 Exposé und Lösung sind also den alexandrinischen ähnlich und insofern aristotelisch, aber die Schulen, welche die einzelnen Positionen vertreten, bleiben ungenannt und die von den Alexandrinern bekannte Abfolge von Argumenten wird nicht voll wiedergegeben. Aufgeteilt wird die Logik im Anschluss an Ciceros ›Über das Auffinden‹ (›De inventione‹) in die Fähigkeiten des Auffindens (inveniendi) und des Urteilens (iudicandi);117 sie wird also nicht wie in Alexandrien entsprechend den logischen Werken eingeteilt. Die Ergänzung durch Cicero spricht dafür, dass Boethius die in Alexandrien verbreitete Position nur in einer sehr verknappten Form und ohne ihren vollen Kontext kennt, vielleicht aus einer scholienartigen Zusammenfassung,118 die aber gut aus einer älteren Quelle als von Ammonios stammen kann. Verhältnis der Philosophie zu anderen Wissenschaften Das Verhältnis zu anderen Wissenschaften wird von Boethius, als Vertreter der lateinischen Bildungstradition eines Augustinus und Martianus Capella, vor allem im Hinblick auf die »sieben freien Künste« (septem artes liberales) geklärt. Für die Grammatik und Rhetorik erwähnt er freilich in erster Linie ihre Aufteilung in Teile.119 Die rhetorikkritische Beschreibung der Philosophie wird zu Beginn des ›Trostes der Philosophie‹ aufgegriffen, wenn die Philosophie die poetischen Musen vertreibt, weil ihre Täuschungen zur Heilung nichts beitrügen.120 114

  Boethius, In Isagogen, editio secunda 1, 2 (138, 4–139, 18 Brandt).   Boethius, In Isagogen, editio prima 1, 4 (10, 2–5 Brandt). 116   Boethius, In Isagogen, editio secunda 1, 3 (142, 16–143, 7 Brandt). 117   Boethius, In Isagogen, editio secunda 1, 2 (139, 18–140, 8 Brandt). 118   Vgl. dazu oben S. 984. 119   Boethius, in Isagogen, editio prima 1, 4 (10, 19–25 Brandt). 120   Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 1, 7–12. 115

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Wichtiger sind die Ausführungen zum Quadrivium, dessen Namen Boethius, wohl ursprünglich in der Form Quadruvium, geprägt hat.121 Dem entspricht eine große Bedeutung dieser vier Disziplinen für Boethius’ persönliches Projekt, das sich in erhaltenen Schriften zur Arithmetik und Musik sowie einer verlorenen Schrift zur Geometrie kundtut.122 In der Einordnung dieser Schriften in den philosophischen Kanon folgt Boethius wiederum, im Gegensatz zu seinen Griechisch und Syrisch schreibenden Zeitgenossen, der älteren lateinischen Tradition123 und legt dar, dass Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie vor der gesamten Philosophie zu studieren und deren Grundlage seien.124 Sie seien notwendig für die Philosophie, weil es hier ›Pfade zur Weisheit‹ (semitas sapientiae) zu entdecken gebe, die in der Philosophie vorausgesetzt sind, weswegen diese vier Disziplinen eben ein ›vierfacher Weg‹ (quadruvium) seien.125 Besonderes Interesse verdient ›Über die Musik‹ als ein seltenes Beispiel einer antiken Einführungsschrift in diese Disziplin. Wahrscheinlich in der Nachfolge verlorener griechischer Quellen betont Boethius hier auch die ethische Bedeutung der Musik und unterscheidet drei Stufen der Musik: die kosmische (mundana), die menschliche (humana), die in der Harmonie zwischen Körper und Seele liegt, sowie die instrumentale.126 Philosophie und Politik Auch für Boethius stellt das politische Engagement einen Teil seines PhilosophieIdeals dar: Er lässt sich nach eigener Aussage von Platons Ideal der Philosophenkönige dazu anregen, Politik zu treiben.127 Damit bezieht er Platons anspruchsvolles Ideal auf konkrete Tätigkeiten. Die Aufgabe des Philosophen in der Politik charakterisiert Boethius als ›Freiheit des (auszusprechenden) Gewissens‹ (libertas conscientiae),128 womit die philosophische Parrhesie gemeint ist.

121   Vgl. J.-Y. Guillemin, in: Boèce, Institution arithmétique. Texte établi et traduit par J.‑Y. Guillemin, Paris 1995, LIII; Marenbon, Boethius, 14. 122   Vgl. Guillemin, Institution arithmétique, XXV–XLIV; Marenbon, Boethius, 14 f. 123   Vgl. Guillemin, Institution arithmétique, 183; A. Heilmann, Boethius’ Musiktheorie und das Quadrivium. Eine Einführung in den neuplatonischen Hintergrund von ›De institutione musica‹, Göttingen 2007, 105–107. 124   Vgl. insbesondere Boethius, Institutio arithmetica 1, 1 (9, 26 f. Friedlein): Constat, quisquis haec praetermiserit, omnem philosophiae perdidisse doctrinam. 125   Boethius, Institutio arithmetica 1, 1 (9, 26–10, 1 Friedlein). 126   Boethius, Institutio musica 1, 2 (187, 18–189, 13 Friedlein). Vgl. Heilmann, Boethius’ Musiktheorie, 245–257. 127   Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 4, 5–8. 128   Boethius, De consolatione philosophiae 1, Prosa 4, 9.

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Würdigung Eine Betrachtung des Boethius im Vergleich mit anderen Autoren der Ausgehenden Antike enthüllt einige gemeinsame Züge, die sein Werk besser verständlich machen: a) seine Übersetzungen zur aristotelischen Logik verbinden ihn mit Sergios von Rēšʿaynā und anderen Übersetzern ins Syrische und Armenische; b) seine Verbindung von christlichem Glauben und fachphilosophischer Arbeit lässt sich mit christlichen alexandrinischen Lehrern wie Elias und David vergleichen, c) seine philosophische Behandlung christologischer Probleme verbindet ihn mit Philoponos und einigen Neochalkedonensern; d) seine meisterhafte literarische Bearbeitung des Philosophieideals benutzt zwar nicht, wie z. B. Pseudo-Dionysios und Sergios von Rēšʿaynā, philosophische Texte in versteckten Zitaten, doch die Form der menippeischen Satire führt zu einem spielerischen Umgang mit dem Philosophie-Ideal, das ein komplexes Verhältnis von Nähe und Distanz aufweist. Alle diese Punkte sprechen dafür, dass Boethius, auch ohne in Alexandrien studiert zu haben, von der Entwicklung im östlichen Mittelmeerraum nicht isoliert ist. Seiner geistigen Leistung sowie seiner philosophischen und literarischen Originalität tut diese Parallelität jedoch keinen Abbruch, denn er hebt sich in mehrfacher Hinsicht von seinen Zeitgenossen ab: 1. übersetzt und kommentiert er mehr Schriften als alle einzelnen syrischen und armenischen Übersetzer; 2. verwendet er für seine Logik-Kommentare ältere Quellen und greift nicht auf Arbeiten aus dem Umfeld des Ammonios zurück; 3. vertritt er, auch als Christ, das komplette jamblicheische Curriculum aristotelischer und platonischer Schriften und beschränkt seine Rezeption von Philosophie bewusst nicht auf gewisse Facetten des Aristotelismus. 4. gestaltet er das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaften in spezieller Weise, indem er die sieben freien Künste als Ganze vor die Philosophie stellt und nicht das Quadrivium als deren mathematischen Teil ansieht. Hier folgt er einerseits einer älteren philosophischen Tradition, andererseits aber Bildungsvorstellungen, die in dieser Zusammenstellung typisch lateinisch sind.

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Cassiodorus: Die Rolle der Logik im letzten Bildungsideal der Antike Allgemeines Magnus Aurelius Cassiodorus Senator (ca. 485–580)129 entstammt einer christlichen, aus Syrien zugewanderten Familie aus der provinzrömischen Oberschicht Kalabriens. Nicht anders als Boethius dient er den germanischen Herrschern Italiens, vor allem dem Ostgoten Theoderich, in verschiedenen administrativen Funktionen, u. a. als Amtsnachfolger des Boethius nach dessen Ermordung. Nach dem faktischen Ende der Gotenherrschaft 540 zieht er sich in seine Heimat zurück, wo er das Kloster Vivarium gründet, das von vornherein auf die Erhaltung des antiken Wissens angelegt ist, nicht zuletzt durch eine große Bibliothek und eine Ausbildung im Kopieren von Büchern. Von Cassiodors Werken hat neben einer Schrift ›Über die Seele‹ (›De anima‹), die sich vor allem an Augustinus orientiert,130 in erster Linie seine ›Grundlegung‹ (›Institutiones‹) philosophiegeschichtliche Bedeutung, welche das Curriculum allgemeiner Bildung, das, wie für den lateinischen Raum typisch, in den sieben freien Künsten besteht, genauer darlegt.131

Philosophiebegriff, Stellung und Einteilung der Philosophie Im Großen und Ganzen ist bei Cassiodor keine besondere Achtung für die Philosophie als solche zu erkennen, sondern sie wird einfach, christlicher Gepflogenheit entsprechend, als »die weltliche Bildung« (saeculares litterae) oder ähnlich umschrieben.132 Lediglich die hellenischen Philosophen werden von ihm gelegentlich als solche bezeichnet133 und er empfiehlt einmal die »Moralphilosophie« (philosophia moralis), die am besten mithilfe eines dem Augustinus zugeschriebenen, im Übrigen recht biblisch orientierten ›Spiegels‹ (›Speculum‹) zu studieren sei.134 Am wichtigsten für das vorliegende Thema ist Cassiodors Abriss über die Philosophie in seiner ›Grundlegung‹ der sieben freien Künste (›Institutiones‹) im 129   Vgl. St. Gersh, Cassiodorus, in: DPhA 2 (1994), 232–234; W. Bürsgens, Cassiodor, in: LACL, 120 f.; S.  Döpp, Cassiodor, in: GGPh 5, 3 (2018), 2382–2386. 130   Inhaltsübersicht: Döpp, Cassiodor, 2383 f. 131   Inhaltsübersicht: Döpp, Cassiodor, 2385 f. 132   Z. B. Cassiodorus, De anima 4 (538, 1 Halporn); vgl. De anima 1 (534, 5 Halporn); Institutiones 2, prol. 1 (89, 8 Mynors). 133   Z. B. Cassiodorus, Institutiones 1, 31, 2; 2, 3, 11 (79, 3 f.; 114, 23 Mynors). 134   Cassiodorus, Institutiones 1, 16, 4 (54, 14–17 Mynors). Zur Identität des Werkes vgl. A. Pronay, in: Cassiodorus Senator, ›Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften‹ (›Institutiones divinarum et saecularium litterarum‹). Eingeleitet, übersetzt und erläutert von A. Pronay, Hildesheim 2014, 252, sowie W. Geerlings, Augustinus, in: LACL, 65–85, hier 82.

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Kapitel über die ›Dialektik‹ (dialectica), womit, wie schon bei Augustinus und Martianus Capella, die Logik gemeint ist.135 Dieser Abriss enthält im Wesentlichen eine knappe Darstellung der Hauptinhalte von ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ sowie von Apuleius’ und Boethius’ Schriften ›Über die kategorischen Syllogismen‹ und ›Über die hypothetischen Syllogismen‹ (›De syllogismis categoricis‹ bzw. ›hypotheticis‹).136 Es werden also die einführenden Schriften zur Logik in der lateinischen Variante des kurzen Organons berücksichtigt, d. h. unter Ersetzung von Aristoteles’ ›Analytica priora‹ durch Schriften des Apuleius und Boethius. Den Beginn des Abschnitts bilden Auszüge aus dem alexandrinischen Einführungsmaterial zur Philosophie, die mit einem Lob des Aristoteles beginnen: Während die früheren Philosophen (primi philosophi) die Dialektik zwar verwendet, aber nicht als eine erfahrungsgestützte Fertigkeit (artis peritiam) aufgezeichnet hatten, habe Aristoteles, »der sorgfältige Erklärer aller Disziplinen« (disciplinarum omnium diligens explanator), Regeln aufgestellt, mit denen er den griechischen Lehrbetrieb geprägt habe.137 Es handelt es sich, wie ein detaillierter Textvergleich zeigt,138 um eine Reflexion des alexandrinischen Motivs, Aristoteles habe die Logik geordnet, nachdem Platon und andere sie schon verwendet hätten, mit besonderer Nähe zu Elias (v. a. durch die Erwähnung der Logik als Technik). ­Jedoch wird der Name Platons nicht erwähnt und der Text somit, wie bei Sergios von Rēšʿaynā, zu einem reinen Lob des Aristoteles. Mit Sergios stimmt auch der Bezug des Aristoteles zu allen Wissenschaften überein, während die Alexandriner sich in den parallelen Passagen auf die Logik beschränken.139 Während die Auslassung Platons von Cassiodor selbst herrühren mag, der in seiner Logik-Einführung für Platon vielleicht keine Verwendung hat, kann die Erwähnung aller Wissenschaften zu der Vermutung Anlass geben, Sergios und Cassiodor liege eine gemeinsame Tradition zugrunde, vielleicht ein verlorener Alexandriner Kommentar. Für eine solche Tradition könnte Cassiodors Bemerkung sprechen, die Behandlung der philosophischen Einleitungsfragen sei bei den »Lehrern der Philosophie« (doctores philosophiae) vor Behandlung der ›Eisagoge‹ üblich.140 Dass er über deren Inhalt weitere Informationen hat, zeigt Cassiodor, indem er drei an die Alexandriner Listen erinnernde Definitionen von Philosophie zitiert: 135   Cassiodorus, Institutiones 2 praef. 4; 2, 2, 17 (91, 19–92, 3; 108, 14 f. Mynors). Vgl. zu diesem Abschnitt die überzeugende Interpretation von I. Hadot, Arts libéraux et philosophie dans la pensée antique. Contribution à l’histoire de l’éducation et de la culture dans l’Antiquité, Paris 22005, 199–206. 136   Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 8–13 (112, 7–119, 23 Mynors). Soweit Cassiodor seine Quellen nicht selbst angibt, folge ich den Bemerkungen des Editors in den Anmerkungen sowie Hadot, Arts libéraux et philosophie, 205 f. 137   Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 1 (109, 6–12 Mynors). 138   Vgl. Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften, 191–196. 139   S. oben S.  983  f., 1052  f. 140   Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 3 (110, 5–7 Mynors).

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1)  »Ein wahrscheinliches Wissen der menschlichen und göttlichen Dinge, insofern dies dem Menschen möglich ist« (divinarum humanarumque rerum, inquan­ tum homini possibile est, probabilis scientia). Hier wird offensichtlich die Definition nr. 2 des Ammonios mit einem Teil von nr. 3 verbunden, während der Rest dieser Definition, nämlich das Ähnlichwerden mit Gott, ausfällt. »Wahrscheinlich« (probabilis) dürfte eine unglückliche Übersetzung von »genau« (ἀκριβής) sein. 2)  »Die Fertigkeit der Fertigkeiten und die Disziplin der Disziplinen« (ars artium et disciplina disciplinarum), eine Übersetzung von nr. 5 des Ammonios, die vor allem durch die Übersetzung von »Wissen« (ἐπιστήμη) mit »Lerndisziplin« (disciplina) interessant ist. 3)  »Ein Nachdenken über den Tod« (meditatio mortis), also nr. 4, die freilich gleich christlich charakterisiert wird. Im Vergleich zu den Definitionen des Ammonios lässt Cassiodor dessen nr. 1 aus, die allerdings nach Ammonios mit nr. 2 gleichbedeutend ist. Demnach könnte man »wahrscheinlich« in nr.  2 auch als misslungene Übersetzung des »gewiss« (σαφής) verstehen, das Ammonios für nr. 1 oder nr. 2 zu suggerieren scheint. In einem Schaubild weist Cassiodor die Disziplinen des Quadriviums, wie die Alexandriner, der Mathematik (bzw. den μαθήματα) zu. ›Mathematik‹ übersetzt er als »lehrhaft« (doctrinalis), während die theoretische Philosophie »einsehende« (inspectiva; vielleicht angeregt von Rufins Origenes-Übersetzung141), die praktische »tatbezogene« (actualis; wohl als Ableitung von actus) heißt. Die Ökonomie wird als »zuweisende« Disziplin (dispensativa), die Politik als »bürgerliche« (­civilis) wiedergegeben.142 Insgesamt zeigt diese Erläuterung sowohl eine christliche Adaption als auch eine zunehmende Konfusion des aus Alexandrien bekannten Schemas: Die »einsehende« Disziplin (inspectiva) wird einerseits für jede theoretische Philosophie, andererseits als Anschauung vom Nicht-Sichtbaren. Letzteres würde eigentlich nur für den Teil der Metaphysik bzw. Theologie passen, welcher sich mit der »unsagbaren Natur Gottes oder den geistigen Wesen« (ineffabilis natura dei et creaturae spiritales) befassen soll, und nicht für die theoretische Philosophie im Ganzen. Die Naturphilosophie erforsche die »Natur jeder einzelnen Sache« (uniuscuiusque rei natura), sofern diese auf eine nicht durch Wunder verursachte Weise zu Gott führe. Die Mathematik schließlich wird, in aristotelischer Tradition, als »ab­ strakte Quantität« (abstracta quantitas) bezeichnet.143 Aus der Unabhängigkeit der Definitionen und Einteilung der Philosophie von Boethius, der Erwähnung eines ›Eisagoge-Kommentars‹ sowie der Übereinstimmung mit dem griechischen Schema kann man schließen, dass dieser Abschnitt di141

  S. oben S. 676. Vgl. auch Hadot, Arts libéraux et philosophie, 200.   Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 4 (110, 9–14 Mynors). 143   Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 6 (111, 3–16 Mynors); zur Mathematik vgl. Institutiones 2, prol. 4 (92, 5–16 Mynors). 142

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rekt oder indirekt einer griechischen Quelle übernommen ist, der dann wohl auch das Aristoteles-Lob zuzuweisen wäre.144 Denkbar wäre ein ›Eisagoge-Kommentar‹, der dem des Ammonios sehr ähnlich war. Allerdings lässt der erhaltene Text gut erkennen, dass Cassiodor diese Quelle sowohl von christlichen als auch von lateinischen Vorlagen her zu bearbeiten sucht, ohne dass er die innere Logik des Schemas wirklich akzeptierte (bzw. verstünde). So erscheint seine Quelle nur als eine Art Stichwortzettel wesentlicher Inhalte aus alexandrinischen Vorlesungen.

Verhältnis der Philosophie zur Rhetorik bzw. Dialektik und zu anderen ­Disziplinen Für die Bestimmung des Verhältnisses von Rhetorik und Dialektik  /  Logik zitiert Cassiodor Varro mit der (ursprünglich stoischen145) Aussage, die Dialektik entspreche der Faust, die Rhetorik der ausgestreckten Hand, so dass »die Dialektik bei der Erörterung von Dingen scharfsinniger, die Rhetorik fruchtbarer sein soll, um das, worum sie sich bemüht, zu lehren«.146 Über dieses Bild hinaus ist jedoch zu beachten, dass Cassiodor die ammonianische Beschreibung der Philosophie als Ganze, in seiner persönlichen Adaption, in das lateinische Schema der sieben freien Künste einordnet,147 indem er die Dialektik mit der Logik identifiziert. Die Philosophie wird nicht nur, wie bei den östlichen Übersetzern, faktisch auf die Logik beschränkt, sondern sie wird nur eines von mehreren Elementen des Bildungsganges.

Würdigung Die Lektüre Cassiodors erweckt den Eindruck, dass er zwar einige Kenntnis philosophischer Lehren und Quellen, aber kein Gesamtverständnis des philosophischen Bildungsanspruches besitzt bzw. diesen als solchen nicht rezipieren möchte. Insofern er die Philosophie nur als logisches bzw. dialektisches Werkzeug ansieht und andere philosophische Lehren, z. B. zur Seele, wohl überwiegend gleich christlichen Quellen entnimmt, entspricht sein Vorgehen ganz dem, was nach 529 außerhalb von Alexandria üblich ist. Bemerkenswert ist jedoch sein Bild von Aristoteles als Ordner der Logik: Es weist nicht nur auf eine verlorene griechische Quelle hin, 144

  S. oben S. 1071.   Vgl. oben S.  455  f. 146   Dialectica siquidem ad disserendas res acutior, rethorica ad illa quae nititur docenda facundior. Cassiodorus, Institutiones 2, 3, 2 (109, 15–23, Zitat 20 f. Mynors). 147   Zu beachten ist, dass Cassiodor das Werk des Martianus Capella nicht zur Verfügung hatte (Institutiones 2, 3, 20 [130, 11–17 Mynors]), dafür aber vom hier nicht zu behandelnden Isidor von Sevilla intensiv ausgeschrieben wurde (vgl. den Apparat in der Edition von Mynors). 145

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sondern macht auch dem lateinischen Raum die Idee des Aristoteles als des Ordners der Wissenschaften schlechthin bekannt, die die syrisch-arabische Tradition über Sergios und Paul den Perser rezipierte. Anders als diese Traditionen ordnet Cassiodor aber die ganze Philosophie in den breiteren Bildungshorizont der ›sieben freien Künste‹ ein: Die Logik, in der die Philosophie wesentlich besteht, wird ein Bildungsgut, das gegenüber Grammatik, Rhetorik, Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie keine besondere Stellung einnimmt, sondern Teil eines breiteren Kanons ist. Die Philosophie verliert so die herausgehobene Stellung, die sie in der Antike häufig mit Erfolg beansprucht und die in den syrischen und armenischen Quellen der Zeit noch gut erkennbar ist. Für die Stellung der Philosophie im westlichen Wissenschaftskanon besitzt Cassiodors Einteilung große Bedeutung, werden doch die sieben freien Künste als mehr oder weniger gleichrangige Disziplinen zur Blaupause für den frühmittelalterlichen Universitätsbetrieb, in welchem sie die höheren Studien der Theologie, der Medizin und des Rechts vorbereiten.

4. Im Land des ›unbesiegbaren Philosophen‹: Übertragungen ­philosophischer Texte in die armenische Sprache Allgemeines  /  Historischer Überblick Im Rahmen einer breiten Übersetzungsbewegung aus dem Griechischen und ­Syrischen, welche interessanterweise mit der gezielt betriebenen Erfindung einer eigenen Schriftsprache einsetzt,148 entstehen ab dem 6. Jahrhundert, vielleicht sogar etwas früher, auch eine Reihe von philosophischen Texten in (alt-)armenischer Sprache. Das so entstehende Corpus umfasst wiederum Übersetzungen und Kommentare zur ›Eisagoge‹, zu den ›Kategorien‹, zur ›Hermeneutik‹ und zu den ›Analytica priora‹ sowie eine Einführung in die Philosophie. Die einschlägigen Übersetzungen sind das Werk der sogenannten ›hellenischen Schule‹ armenischer Übersetzer aus dem Griechischen, die für sehr wörtliche Übersetzungen bekannt sind.149 Aufgrund des langen Arbeitszeitraums dieser Gruppe vom 5.–8. Jahrhundert ist eine genaue Datierung einzelner Schriften schwierig. Während die syrischen Aristoteles-Kommentare offensichtlich selbständige Schriften ihrer Autoren sind, ist dies im Fall der armenischen Texte unterschiedlich: Die heute bekanntesten Kommentare sind Übersetzungen griechischer Texte 148

  Erste Literaturhinweise hierzu finden sich bei P. Bruns, Koriun, in: LACL, 441 f.; P. Bruns, Mesrop (Maschtotz), in: LACL, 502. 149   Kurzer Überblick mit Literaturangaben: M. E. Stone  /  M. E. Shirinian, Introduction, in: Stone  /  Shirinian (Hrsg.), Pseudo-Zeno, Anonymous Philosophical Treatise, Leiden  /  Boston  /  Köln 2000, 10 f.

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des Alexandriners David, die vielleicht durch Übersetzungen anonymer Kommentare ergänzt werden.150 Da Davids Kommentar zu den ›Analytica priora‹ auf Griechisch verloren ist, ist dessen erhaltene armenische Version von großer Bedeutung für unser Verständnis der Interpretationsgeschichte dieses Textes.151 Die Übersetzungen dieser Kommentare können, entsprechend der Lebenszeit des David, nicht früher entstanden sein als im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts. Andererseits wird mit Davids Werk bereits im 7. Jahrhundert von Anania Širakac’i (610–685) gearbeitet,152 so dass die Übersetzungen nicht allzu lange nach 600 angesetzt werden können. Die Identifizierung des Alexandriners David mit einem »David dem unbesiegbaren Philosophen« (David anjałt), der nach einem (tendenziell eher späten) Teil der verfügbaren Quellen in Athen studiert und wesentlich früher als im 6. Jahrhundert lebt, lässt sich gegenwärtig schon deswegen nicht abschließend akzeptieren oder bestreiten, weil nicht alle einschlägigen Quellen ediert, geschweige denn im Zusammenhang interpretiert sind. Nimmt man die armenische Tradition ernst, können aber viele Probleme gelöst werden, wenn man von zwei Personen des gleichen Namens ausgeht153 (die Übersetzung von Schriften des Alexandriners David könnten davon angeregt sein, dass dieser von den Übersetzern mit einem armenischen Homonym identifiziert wurde). Von großem Interesse für die Erforschung der Geschichte der spätantiken Philosophie scheinen aus der armenischen Tradition zwei anonyme Kommentare zu den ›Kategorien‹ und zur ›Hermeneutik‹ zu sein, die älter sind als die David zugeschriebenen Werke und unmittelbar die armenischen Übersetzungen begleiten.154 Der ihnen manchmal in den Handschriften beigegebene Autorenname ›Amelachos‹ ist historisch ohne Bedeutung,155 besitzt aber immerhin einen gewissen Wiedererkennungswert unter den zahllosen Anonymi der Epoche. Für den ›Her150

  Vor allem ein Kategorien-Kommentar Davids scheint nicht überliefert zu sein: Calzolari, David et la tradition arménienne, hier 29. 151   Übersicht: Calzolari, David et la tradition arménienne, 17 f. Zu den drei sicher David zuzuschreibenden Werken Calzolari, David et la tradition arménienne, 32; zur Autorschaft des Kommentars zu den ›Analytica priora‹ A. Topchyan, in: David the Invincible, ›Commentary on Aristotle’s Prior Analytics‹. Old Armenian Text with an English Translation, Introduction, and Notes, Leiden  /  Boston 2010, 9–17. 152   Vgl. zu beiden Zeitangaben Calzolari, David et la tradition arménienne, 34. 153   Überblick über die armenischen Quellen: Calzolari, David et la tradition arménienne, 20–27; vgl. die Anmerkungen von M. E. Shirinyan, The Armenian Version of David the Invincible’s ›Commentary on Aristotle’s Categories‹, in: Calzolari  /  Barnes (Hrsg.), L’œuvre de David l’Invincible, 89–102, hier 90 f. 154   Zum Verhältnis zu den Übersetzungen vgl. V. K. Čaloyan, in: Institut Madenaran (Hrsg.), Ananown meknowṭiwn ›Storogowṭeanċcn‹ Aristotēli  /  Anonimnoe tolkovanie ›Kategoriy‹ Aristotelja, Erevan 1961, VIII; G. Lachance, Aristotle on the Conventionality of Language. The Exegesis of an Anonymous Armenian Commentator, in: Studia GraecoArabica 11 (2021), 157–175, hier 158. 155   Die Zuschreibung wird z. B. diskutiert von Čaloyan, in: Institut Madenaran (Hrsg.), Ananown meknowṭiwn, Xf.

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meneutik-Kommentar‹ ist jüngst gezeigt worden, dass er in Form und Inhalt von den Kommentaren zum selben Werk aus der Tradition des Ammonios Hermeiou abweicht, Alexander von Aphrodisias zustimmend zitiert und explizit im Sinne des Aristoteles gegen Platon Stellung nimmt; es scheint sich also um einen peripatetischen Kommentar aus der Zeit nach Alexander zu handeln, wofür sonst keine Beispiele bekannt sind.156 Für den bereits 1961 mit russischer Übersetzung edierten ›Kategorien-Kommentar‹157 scheint Ähnliches zu gelten: Hier wird Aristoteles, ohne weitere Qualifikationen, durchgängig (mit dem armenischen Wort) als ›der Philosoph‹ bezeichnet, während von Platon überhaupt nicht die Rede ist.158 Der Kommentar zitiert Alexander von Aphrodisias mindestens dreimal in zustimmender Weise,159 aber keine anderen Autoritäten. Er verteidigt ohne Einschränkungen die aristotelische Lehre von der Priorität der ersten (individuellen) Substanz,160 allerdings offenbar ohne explizite Auseinandersetzung mit Platon. Interessant ist der Text auch durch mindestens eine Erwähnung des Antiphon.161 Dieser Kommentar kann in der vorliegenden Form nur als armenische Schrift bezeichnet werden, denn er diskutiert das Verhältnis des armenischen zum griechischen KasusSystem.162 Ein terminus post quem, der wohl ins 6. Jahrhundert als Entstehungszeit des Kommentars deutet, ist gegeben durch eine Erwähnung des armenischen Helden Vardan Manikonyan, der 451 gefallen ist: Dass dieser, wie an dieser Stelle, als tapferster aller Menschen genannt wird, deutet in die Zeit ab etwa 490, als die Historiker Faustus von Byzanz und Lazar P’arpeċ’i erstmals dessen Heldentaten schriftlich herausstellen.163 Die offensichtlichen Interventionen des armenischen Bearbeiters, die eher für eine frühe Phase der Übersetung sprechen, in der die exklusive Orientierung an der Vorlage noch nicht strikt eingehalten wird,164 tasten 156

  Vgl. Lachance, Aristotle on the Conventionality of Language; G. Lachance, On Aristotle’s ›Peri Hermeneias‹ 16A1–18. The Case of an Anonymous Armenian Commentary, in: Classical Quarterly 71 (2021), 866–885. Die zugrunde liegende Edition lag mir leider nicht vor. 157   Edition durch S.  P. Lalafaryan und V. K. Čaloyan mit einer russischen Übersetzung von S.  S. Arevšatyan: Institut Madenaran (Hrsg.), Ananown meknowṭiwn ›Storogowṭeanċcn‹ Aristotēli  /  Anonimnoe tolkovanie ›Kategoriy‹ Aristotelja [Anonymer Kommentar zu den ›Kategorien‹ des Aristoteles, arm. / russ.], Erevan 1961, 3–311. 158   Z. B. ›Amelachus‹, In Categorias (16, 15; 44, 19 Lalafaryan  /  Čaloyan). 159   ›Amelachus‹, In Categorias (14, 25; 72, 14; 76, 4 Lalafaryan  /  Čaloyan). 160   Ich verweise beispielhaft auf ›Amelachus‹, In Categorias (14, 17–17, 26 Lalafaryan  /  Čaloyan). 161   ›Amelachus‹, In Categorias (149, 27 Lalafaryan  /  Čaloyan). 162   ›Amelachus‹, In Categorias (132, 7–10 Lalafaryan  /  Čaloyan). 163   ›Amelachus‹, In Categorias (168, 9–15 Lalafaryan  /  Čaloyan). Als Indiz für eine Datierung ins 6. Jahrhundert nimmt dies Čaloyan, in: Institut Madenaran (Hrsg.), Ananown meknowṭiwn, XIII. Zu Lazar und Vardan vgl. S.  P. Cowe, Armenian Biography in Late Antiquity, in: K. de Temmerman, The Oxford Handbook of Ancient Biography, Oxford 2020, 431–446, hier 432 f. und 445. 164   In Analogie zur von S.  Brock, Aspects of Translation Technique in Late Antiquity, in:

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aber den aristotelischen Charakter der anzunehmenden griechischen Vorlage offenbar nicht an und machen den Kommentar zu einem einzigartigen, noch näher zu erforschenden Beispiel eines post-alexandrinischen Aristotelismus. Neben diesen Schriften zum Organon liegen auf Armenisch das pseudo-aristotelische ›Über die Welt‹ (›De mundo‹) sowie ›Über Tugenden und Laster‹ (›De virturtibus et vitiis‹), sodann einige hermetische Schriften und ein pseudo-zenonischer, neuplatonisch beeinflusster Traktat in wohl spätantiken armenischen Übersetzungen vor, wobei weitere Entdeckungen möglich sind.165 Während die armenischen Versionen von Platon-Dialogen mittelalterlich zu sein scheinen, gehen die Übersetzungen von Nemesios’ ›Über die Natur des Menschen‹ sowie des Corpus Dionysiacum auf das 8. Jahrhundert zurück.166 Von großer Bedeutung ist, dass die philosophischen Dialoge Philons vollständig auf Armenisch erhalten sind.167

Philosophiebegriff und Definitionen der Philosophie Die genannten armenischen Übersetzungen meiden für gewöhnlich die auf Armenisch filisof- lautende Wurzel, die eigentlich nur für »David den unbesiegbaren Philosophen« selbst verwendet wird.168 Ansonsten übersetzen sie ›Philosophie‹ mit imastasirowtciwn und ›Philosoph‹ oder ›philosophisch‹ mit imastasēr, übertragen es also mit Lehnübersetzungen wie ›Weisheitsliebender‹ bzw. ›Weisheitsliebe‹ ins Armenische.169 Im anonymen ›Kategorien-Kommentar‹ taucht an mindestens einer Stelle auch eine armenische Übertragung des Verbs ›philosophieren‹ auf (imastasirē = φιλοσοφεῖ).170 Die armenische Wiedergabe von ›Liebe zur Weisheit‹ entspricht einer verbreiteten Praxis der hellenischen Schule, griechische Komposita durch armenische Komposita zu ersetzen, was z. B. auch zur Wiedergabe der Kategorien durch die Lehnübersetzung storogowṭiwnkc führt.171 Ansonsten kennen sie für das griechische Wissen, wie die anderen spätantik-christlichen Sprachen Greek, Roman, and Byzantine Studies 20 (1979), 69–87 [ND in: Brock, Syriac Perspectives on Late Antiquity, nr. III], geschilderten Entwicklung. 165   So die Liste von Calzolari, David et la tradition arménienne, 19. Ausführlicher und informativer ist die Liste bei Stone  /  Shirinian, in: Pseudo-Zeno, 13–15. 166   Vgl. Calzolari, David et la tradition arménienne, 18, 25. 167   Vgl. oben S. 614–617. 168   Jedenfalls in der Überschrift des Kommentars zur ›Eisagoge‹: David Armenus, In Isagogen (p.  57 Muradyan). 169  Imastasirowtciwn findet sich z. B. bei Philo Alexandrinus, De providentia (p.  15 Aucher); für weitere Belege vgl. den Index in G. Muradyan (Hrsg.), David the Invincible, ›Commentary on Porphyry’s Eisagoge‹. Old Armenian Text with the Greek Original, an English Translation, Introduction and Notes, by G. Muradyan, Leiden  /  Boston 2015, 510 sowie Pseudo-Zeno 3.1.5 und 3.1.7 (p.  73 Stone  /  Shirinian). 170   ›Amelachus‹, In Categorias (6, 9 Lalafaryan  /  Čaloyan). 171   Im Titel des ›Amelachos‹-›Kategorien-Kommentars‹ (2, 1 f. Lalafaryan  /  Čaloyan).

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auch, die Bezeichnung ›äußere Lehre‹ (artakcin owsowmn), die zum Beispiel Philon zur Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition befähigt haben soll, wie die Einleitung des armenischen Übersetzers zu seinen Dialogen mitteilt.172 Das mir zugängliche Material, das nicht auf Griechisch erhalten ist, gibt zu Begriff und Einteilung der Philosophie wenig Aufschluss, da der anonyme ›Kategorien-Kommentar‹ leider kein Einleitungsmaterial enthält. Er erwähnt lediglich, dass die Philosophie gegen die Natur, d. h. die schlechten Neigungen, kämpfen kann.173 Die aus den neuplatonischen Einleitungen bekannten sechs Definitionen der Philosophie stoßen jedenfalls später in Armenien auf Interesse, denn sie werden wohl aus den armenischen ›Prolegomena‹ des David in den erwähnten pseudo-zenonischen Traktat aufgenommen, der ihnen eine leicht christianisierte Färbung verleiht.174

Würdigung Das armenische philosophische Corpus stellt ein recht typisches Zeugnis für das Interesse an Philosophie, insbesondere Logik, im 6. Jahrhundert dar: Auf frühere, kürzere Kommentare zu ›Kategorien‹ und ›Hermeneutik‹ folgt wohl im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts das umfangreiche Corpus der David zugeschriebenen Schriften, das den damaligen Stand der Logik-Auslegung in Alexandria wiedergibt. Das stellt durchaus eine Parallele zur Entwicklung im syrischen Raum dar, wo die Werke des Proḇā in ähnlicher Weise vorgehen. Aus Sicht der heutigen Forschung dürften allerdings vor allem die beiden zwischen Alexander von Aphrodisias und Ammonios entstandenen peripatetischen Logik-Kommentare von besonderem Interesse sein, die bemerkenswerte Zeugnisse für einen späten nicht-neuplatonischen Aristotelismus darzustellen scheinen. Da das armenische Corpus ein besonders wenig erforschter Teil der antiken philosophischen Überlieferung ist, lässt sich hier auch noch die eine oder andere interessante Entdeckung erwarten. Eine gründliche Edition und Aufarbeitung des Materials sowie ein detaillierter Vergleich mit griechischen und syrischen Quellen wäre die Voraussetzung für eine angemessenere Würdigung.

172

  Praefatio translatoris Armeni, XI. Zu diesem Ausdruck vgl. Calzolari, David et la tradition arménienne, 15. 173   ›Amelachus‹, In Categorias (204, 13–15 Lalafaryan  /  Čaloyan). 174   Pseudo-Zeno 3, 1, 5 und 3, 1, 7 (p.  73 Stone  /  Shirinian); vgl. Stone  /  Shirinian, PseudoZeno, 16 f.

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5. Philosophie (nicht nur) in mittelpersischer Sprache im Reich der Sassaniden Allgemeines Eine ganze Reihe von Texten aus dem 6. Jahrhundert betreffen die Philosophie im Perserreich und legen nahe, dass es in gewissem Umfang auch philosophische Texte im Mittelpersischen gegeben hat. Da hiervon jedoch in dem sehr begrenzten überlieferten mittelpersischen Corpus nichts erhalten ist, ist es schwer, abschließende Schlussfolgerungen zu ziehen.175

König Ḫusro III. Anūšīrwān und die Philosophen Die zentrale Figur hinsichtlich der Fragen nach der Rezeption von Philosophie im sassanidischen Perserreich ist der bereits mehrfach erwähnte (Groß-)König Ḫusro III. Anūšīrwān (syrisch Ḵosrau bzw. Ḵosrāw, griech. / lat. Chosroes), der von 531 bis 579 regiert. Über ihn heißt es im Byzantinischen Reich, er sei »ein Liebhaber von Argumenten und zum Gipfel der bei uns üblichen Philosophie gekommen, nachdem für ihn von jemandem griechische Schriften in die persische Sprache übertragen wurden«.

Konkret werden hierbei, ironisch überspitzt, der ganze Aristoteles sowie Platons ›Gorgias‹, ›Phaidon‹, ›Timaios‹ und ›Parmenides‹ genannt.176 Bestätigung findet das philosophische Interesse des persischen Herrschers im Übrigen in Agathias’ Bericht, die letzten Repräsentanten der Schule von Athen hätten, offensichtlich im Nachgang des Schließungsedikts Justinians von 529, Zuflucht bei Ḫusro gesucht.177 Während Agathias vor allem das Scheitern der Reise betont, um die Unfähigkeit des Barbaren Ḫusro zur griechischen Philosophie zu unterstreichen,178 besteht über dessen philosophische Interessen kein Zweifel, denn sie sind auch in orientalischen Quellen breit dokumentiert, selbst wenn deren Auswertung im Detail schwierig ist.179 Jedenfalls bezeugen die Widmungen dreier (zumindest teilweise) erhaltener philosophischer Schriften sein philosophisches Interesse, näm175

  Eine ältere Zusammenstellung der gleich zu diskutierenden Probleme findet sich bei J.-F. Duneau, Quelques aspects de la pénétration de l’hellénisme dans l’empire perse sassanide (IVe–VIIe siècles), in: P. Gallais  /  Y.-J. Riou (Hrsg.), Mélanges offerts à R. Crozet 1, Poitiers 1966, 13–22. 176   Ὡς λόγων ἐραστὴν καὶ φιλοσοφίας τῆς παρ’ ἡμῖν ἐς ἄκρον ἐλθόντα, μεταβεβλημένων αὐτῷ ὑπό του ἐς τὴν Περσίδα φωνὴν τῶν Ἑλληνικῶν ξυγγραμμάτων. Agathias, Historiae 2, 28, 1 f. (77, 5–14 Keydell). 177   Vgl. oben S. 993. 178   Agathias, Historiae 2, 28, 3–6; 2, 32, 1–5 (77, 15–78, 5; 82, 17–83, 5 Keydell). 179   Instruktive Übersicht: M. Tardieu, Chosroès, in: DPhA 2 (1994), 309–318; vgl. wei-

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lich 1. die ›Antworten des Philosophen Priskian auf die Fragen des Königs Chosroes‹,180 2. das Logik-Handbuch Pauls des Persers mit einer Widmung an Ḫusro; 3. Pauls Klassifikation der aristotelischen Philosophie, das ebenfalls ihm gewidmet sein soll.181 Ihre Existenz ist jedenfalls ein starkes Argument gegen Agathias’ Zweifel daran, dass die Exaktheit philosophischen Ausdrucks »in einer bäurischen und klanglosen Sprache erhalten werden kann«,182 denn die genannten Schriften müssen ja zumindest auf Mittelpersisch verständlich gewesen sein – wenn ihre Begrenzung auf die Logik und den Aristotelismus auch eher gegen die Existenz der von Agathias erwähnten mittelpersischen Platon-Übersetzungen spricht. Nimmt man die Inhalte dieser Werke zum Maßstab für Ḫusros philosophische Interessen, lässt sich erschließen, dass dieser einerseits an naturphilosophischen Fragen,183 andererseits aber auch an einer logischen Methodik interessiert ist. Während Ersteres eher persönliche Neugier sein könnte, lässt sich sein Interesse an Logik mit weiteren Informationen über die geistige Situation im Perserreich verbinden: Wenn Paul der Perser in seinem Vorwort die Philosophie, genauer die Logik, als ein Mittel anbietet, wahr und falsch in Diskussionen zu ermitteln, nennt er zugleich eine Reihe von Fragen, z. B. zur Einzigkeit Gottes und zur Freiheit des Menschen, über die in seiner Zeit Unsicherheit herrsche.184 Interessanterweise ähnelt diese Liste zwei weiteren Reihen von Fragen, die sich in der Einleitung zur (ebenfalls in syrischer Übersetzung überlieferten) Einleitung zur mittelpersischen Version der Fabelsammlung ›Kalila wa-Dimna‹ durch einen Burzoē sowie in einem mittelpersischen Text über die Leistungsfähigkeit der Vernunft finden.185 Aus diesen und anderen Informationen hat man geschlossen, dass im multireligiösen Perserreich (Zoroastrier, ›nestorianische‹ und miaphysitische Christen, Juden) regelmäßig Religionsgespräche am Hof stattfinden, für die eine solche philosophische Methodik nützlich sein dürfte.186 Durch diese Hypothese findet auch das Interesse an philosophischer Methodik eine Erklärung: Denn diese scheint so beterhin Schilling, Die Anbetung der Magier, 42 f. (mit deutscher Übersetzung des wichtigen Zeugnisses der Chronik von Seʿert). 180   Vgl. oben S. 955. 181   Zu Pauls Logik-Handbuch S.  die Widmung an Ḫusro Paulus Persa, De logica Aristotelis (p.  1 [syr.]  /  p. 1 [lat.] Land); zu Aristoteles vgl. die englische Übersetzung der relevanten Bemerkung von Miskawayh bei Gutas, Paul the Persian, 233. 182   Ἀγρίᾳ τινὶ γλώττῃ καὶ ἀμουσοτάτῃ ἀποσωθῆναι. Agathias, Historiae 2, 28, 3 (p.  77, 17–19 Keydell). 183   Vgl. Tardieu, Chosroès, 318. 184   Paulus Persa, De logica Aristotelis (2, 8–23 [syr.]  /  p. 2 f. [lat.] Land). 185   Textvergleich Paul des Persers und Burzoēs bei P. Kraus, Zu Ibn-al Muqaffa, in: Rivista degli studi orientali 14 (1933), 1–20 hier 14–20 (= P. Kraus, Alchemie, Ketzerei, Apokryphen im frühen Islam. Gesammelte Aufsätze, Hildesheim  /  Zürich  /  New York 1994, 102–108). Die mittelpersische Parallele in dem »Die Entscheidung des Geistes der Vernunft« (Dātastān ī Menok ī Xrat) betitelten Text wird paraphrasiert von J. C. Tavadia, Die mittelpersische Sprache und Literatur der Zarathustrier, Leipzig 1956, 99 f. 186   Vgl. Schilling, Die Anbetung der Magier, 42–58.

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trachtet nicht lediglich auf das persönliche Interesse eines bestimmten Herrschers fokussiert, sondern passt gut zum auch sonst feststellbaren Interesse an aristotelischer Logik im 6. Jahrhundert.

Der Herold des Aristotelismus im Osten: Paul der Perser Allgemeines und philosophische Arbeit Der einzige Philosoph, für den ein Originalwerk auf Mittelpersisch bezeugt ist, ist Paul der Perser: Sein kurzer Traktat zum Skopos von Aristoteles‹ ›Hermeneutik‹ ist laut der einzigen erhaltenen Handschrift von dem Westsyrer Severos Sebokht aus dem Mittelpersischen ins Syrische übersetzt worden.187 Auch für Pauls handbuchartige Darstellung ›Über die logischen Schriften des Philosophen Aristoteles‹ von Inhalten aus ›Eisagoge‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹ bis Kapitel 1, 7 (einschließlich Einführungsmaterialien und kurzen Bemerkungen zur Sub­ stanz), die Ḫusro gewidmet ist,188 wird teils eine mittelpersische Version vermutet. Allerdings dürfte der erhaltene syrische Text mit seiner kunstvollen Rhetorik ein syrisches Original und keine Übersetzung aus dem Mittelpersischen sein. Auch Pauls nur auf Arabisch (unverändert?) erhaltene ›Einteilung der aristotelischen Philosophie‹ geht wohl auf eine syrische Version zurück, die das Original gewesen sein dürfte, da sie in der Einleitung eine Bearbeitung von Sergios von Rēšʿaynās Aristoteles-Lob erhält.189 Mit diesen Schriften ist nicht nur das Werk Pauls umrissen, sondern auch seine zeitliche und geistige Einordnung, soweit möglich, geleistet: Aufgrund seines Namens und einzelner Bibelzitate müsste es sich um einen Christen handeln, der zur Regierungszeit Ḫusros in Persien lebt und inhaltlich zur syrischen Tradition logischer Texte gehört.190 Die Untersuchungen Henri Hugonnard-Roches sprechen dafür, dass Paul, ähnlich wie im Griechischen Ammonios und wie Proḇā, eine »ma-

187   Paulus Persa, In De interpretatione (48, 1–3 [syr.]  /  49, 1 f. [frz.] Hugonnard-Roche). Vgl. H. Hugonnard-Roche, Sur la lecture tardo-antique du ›Peri Hermeneias‹ d’ Aristote: Paul le Perse et la tradition d’ Ammonius. Édition du texte syriaque, traduction française et commentaire de l’ ›Élucidation du Peri Hermeneias‹ de Paul le Perse, in: Studia GraecoArabica 3 (2013), 37–104. 188   Titel und Widmung: Paulus Persa, De logica Aristotelis (1, 1–3 [syr.]  /  p. 1 [lat.] Land). Bei dem Wort ›Schriften‹ dürfte in der überlieferten Version ein Pluralzeichen ausgefallen sein. 189   Das ergibt sich aus der Art des Umgangs mit der Vorlage des Sergios von Rēšʿaynā; vgl. Perkams, The Syro-Persian Reinvention of Aristotelianism, 134 f.; Perkams, Aristoteles, Ordner der Wissenschaften,179–201. 190   Vgl. zusammenfassend H. Hugonnard-Roche, Paul le Perse, in: DPhA 5a (2012), 183– 187; H. Hugonnard-Roche, Paul der Perser, in: GGPh 5, 3 (2018), 2462–2465.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

teriale Logik« vertritt, welche den Schluss nicht als reine Form versteht, sondern real existierende Gattungen und Arten in ihrem Verhältnis abbildet.191

Philosophiebegriff Die Einleitung in Pauls Handbuch der aristotelischen Logik ist ohne Zweifel eine der umfangreichsten und interessantesten Erklärungen der Philosophie, die aus der Antike erhalten sind. Es beginnt mit einem sehr schönen und bemerkenswerten Lob der Philosophie, bei dem diese dem Ḫusro, in dem selbst die Philosophie sei, als das schönste aller Geschenke überreicht wird.192 Im Anschluss wird die Philosophie in eine biblische Sprache eingebettet: Das Lob der Weisheit aus dem ›Buch der Sprichwörter‹, eine Gegenüberstellung von Weisem und Tor aus ›Kohelet‹ und – andeutungsweise – der Logos vom Beginn des ›Johannesevangeliums‹193 werden auf die Philosophie bezogen. Ihr wird das Wissen als Merkmal zugewiesen, das dank seiner Seele typisch für den Menschen ist.194 Das Wissen wird ferner, nachdem die oben genannten Fragen eingeführt worden sind, die wohl an Ḫusros Hof diskutiert werden, mit dem Glauben verglichen: Obwohl es nur auf das Nahe und Klare gerichtet sei, sei es doch zuverlässiger als der Glaube, der auf das Ferne, nicht Sensible und Nicht-Intelligible gerichtet sei. Daher liege auch nach dem Apostel Paulus als Repräsentanten des Glaubens das Ziel in dem Wissen, das wir dann haben, wenn wir von Angesicht zu Angesicht schauen.195 Dieses Wissen wird im Folgenden als die Einsicht bzw. Weisheit charakterisiert, die darin gipfelt, dass die Seele in der Zuwendung zu sich selbst wie Gott sieht.196 Diese Darstellung ist eine der grundsätzlichsten Christianisierungen des Philosophie-Ideals, die uns aus der Ausgehenden Antike erhalten sind: Die Philosophie erfüllt die Rolle der biblischen Weisheit und wird als solche am Ende wissbar machen, dass das von den Christen Geglaubte wahr ist. An ihr und der Widmung an Ḫusro zeigt sich, dass Paul die aristotelische

191   Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 255–273; H. Hugonnard-Roche, Du commentaire à la reconstruction: Paul le Perse interprète d’Aristote (sur une lecture du ›Peri Hermeneias‹, à propos des modes et des adverbes selon Paul, Ammonius et Boèce), in: Lössl  /  Watt (Hrsg.), Interpreting the Bible and Aristotle, Farnham 2011, 207–224. 192   Paulus Persa, De logica Aristotelis (1, 1–10 [syr.]  /  p. 1 [lat.] Land). 193   Proverbia 8, 19; Ecclesiastes 2, 14. Das bei Paulus Persa, De logica Aristotelis, pro­ oem. (p.  1, 8 f. [syr.]  /  p. 1 [lat.] Land) zweifach wiederholte byaḏ mellṯā, »durch den Logos« ist eine Anspielung auf Joh. 1, 3 in syrischer Übersetzung. 194   Paulus Persa, De logica Aristotelis (1, 10–2, 8 [syr.]  /  p. 1 f. [lat.] Land), mit Zitat von Paulus, 1 Ad Corinthos 13, 12. 195   Paulus Persa, De logica Aristotelis (2, 23–3, 11 [syr.]  /  p. 3 f. [lat.] Land). 196   Paulus Persa, De logica Aristotelis (3, 11–18 [syr.]  /  p. 4 [lat.] Land), mit dem kuriosen Partizip lwāṯhāfkā, das wohl griechischem ἐπιστρέφων entsprechen soll.

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Die Entstehung von Corpora ­philosophischer Fachtexte jenseits des Griechischen

Logik sehr gezielt dem persischen Kontext anpasst und dabei neben dem Königshof sicherlich auch die ostsyrischen Schulen als Adressaten im Blick hat. Der Text enthält eine Liste von drei Definitionen der Philosophie, die möglicherweise eine bearbeitete Version der Liste des Pseudo-Michael Bādōqā, jedenfalls aber eine freie Ausarbeitung des alexandrinischen Schemas von sechs Definitionen ist: a) »Ein Wissen von allem im Hinblick darauf, was es ist« (īdaʿ tā ḏ-kull b-hay d-īṯāw(hy)), wobei die quidditative Komponente, im Anschluss an Aristoteles’ ›Metaphysik‹,197 dadurch näher begründet wird, dass ohne besondere Berücksichtigung des Begriffs der Substanz (ūsiyā) Beschreibungen von Gegenständen ins Unendliche gerieten und jedes Wissen unmöglich werde. Im Ergebnis wird die Definition schließlich als 1. a) »ein exaktes Wissen vom Sensiblen und Intelligiblen und der Substanz und dessen, was zur Substanz gehört und was an der Substanz ist«, näher erläutert. Hier sind wohl »das Wissen vom Seienden qua Seienden« und das »Wissen um die göttlichen und menschlichen Dinge« des Ammonios und Pseudo-Michael (nr. 1. und 2.) zusammengeflossen. Mit Letzterem stimmen die Formulierung ›exaktes Wissen‹ und der Bezug auf ›alles‹ überein, doch die übrigen Termini unterscheiden sich.198 Eine Verbindung beider Definitionen in den ›Prolegomena philosophiae‹ des David zeigt punktuelle Berührungspunkte mit unserem Text, unterscheidet sich aber ansonsten deutlich.199 Dagegen entspricht b) »Fertigkeit der Fertigkeiten und Weisheit der Weisheiten« (ūmanuṯ kull-umanwān w-ḥeḵmaṯ kull-ḥeḵmān) eindeutig der bekannten griechischen Definition, die als nr. 5. bei Ammonios und Pseudo-Michael auftaucht, doch wird das von diesem verwendete ›Wissen‹ (īdaʿ tā = ἐπιστήμη) zur ›Weisheit‹ umgedeutet, was vermutlich durch deren vorhergehendes Lob zu erklären ist.200 Pauls c), entsprechend nr. 3 des Ammonios, »Philosophie ist ein Ähnlichwerden mit der Gottheit (dumyā ḏ-allāhūṯā), soweit Menschen ähnlich sein können«, stimmt ebenfalls nur im ersten Teil der Definition wörtlich mit PseudoMichael überein, paraphrasiert aber dann eigenständig. Die Erläuterung mit dem Verweis auf Gottes Erkenntnis und Handeln erinnert inhaltlich wieder an Sergios und Pseudo-Michael, ist aber eigenständig formuliert.201 Die Aufzählung der Definitionen der Philosophie ist also eine recht selbständige Umarbeitung vorhandenen syrischen Materials – was eine Übersetzung aus dem Mittelpersischen eher ausschließt – und lässt keine besondere Traditionalität erkennen.

197

  Vgl. Aristoteles, Metaphysica 2, 1, 993b 19–2, 994a 2; IV 2, 1003a 33 – b 19.   Paulus Persa, De logica Aristotelis (3, 18–4, 12 [syr.]  /  p. 4 f. [lat.] Land). 199   David, Prolegomena (CAG 18, 2, p.  27, 12–29, 11 Busse): Zum Beispiel wird hier der Zusatz »qua seiend« auch dadurch erklärt, dass es nicht um Quantitäten geht, aber von Substanz und Unendlichkeit ist in diesem Zusammenhang nicht direkt die Rede. Dadurch ist ausgeschlossen, dass Davids Einteilung der Philosophie Pauls Quelle war, wie Gutas, Paul the Persian, 244–248, vorschlägt. 200   Paulus Persa, De logica Aristotelis (4, 12–22 [syr.]  /  p. 5 [lat.] Land). 201   Paulus Persa, De logica Aristotelis (4, 23–5, 2 [syr.]  /  p. 5 [lat.] Land). 198

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Einteilung der Philosophie Wie Dimitri Gutas gezeigt hat, sind in Pauls Werken mindestens zwei verschiedene Klassifikationen der Philosophie enthalten: Das Logik-Handbuch enthält eine grobe Einteilung, die in die allgemeine Einführung zur Philosophie gehört, wie es z. B. bei Sergios von Rēšʿaynā der Fall ist: Theoretische und praktische Philosophie mit jeweils drei Unterteilungen und der Logik als Werkzeug. Pauls Variante ist allerdings terminologisch von Sergios sehr verschieden: Nicht nur werden die einzelnen Disziplinen der Philosophie nur umschrieben und nicht benannt, sondern auch die Terminologie unterscheidet sich merklich: Während Sergios Geistiges, Natürliches und Mittleres unterscheidet, spricht Paul von Sensiblem (meṯraggšanāyāṯā), Intelligiblem (meṯyaddʿanāyāṯā) und Mittlerem.202 Vermutlich kann man hier ein Element der Weiterentwicklung der philosophischen Sprache der Syrer erkennen, die augenblicklich ein Gegenstand der Forschung ist.203 In der Tradition der alexandrinischen Einteilungen der Philosophie schreibt Paul dem Quadrivium den mittleren Rang unter den Disziplinen der Philosophie zu. Das von ihm verwendete Wort yulpānāyāṯā ist wohl eine Übersetzung von ›Mathematik‹ (μαθηματικά), im Unterschied zum älteren yulpānē = ›Lehren‹ (μαθήματα).204 Die ›Einführung in die Philosophie des Aristoteles‹ enthält hingegen eine genauere Klassifizierung, die strukturell der bei David zu findenden Einteilung von dessen Werken ähnelt, auch wenn es im Detail Unterschiede gibt.205 Die genauen traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge können hier nicht untersucht werden. Doch ist es in Anbetracht von Pauls selbständigem Vorgehen in der Einleitung zum Logik-Handbuch eher unwahrscheinlich, dass er einfach eine alexandrinische Einteilung, z. B. die von David, übernommen hat.

Würdigung Paul der Perser ist eine faszinierende Figur am Schnittpunkt mehrerer Kulturen: Die alexandrinische Schultradition und ihre ersten syrischen Bearbeitungen durch Sergios von Rēšʿaynā und andere hinterlassen ebenso ihre Spur in seinem Werk wie die Atmosphäre am persischen Königshof und das Ideal der Philosophie als Vollendungsgestalt des Christentums. In dieser Vielfalt beeinflusst sein Werk die 202

  Paulus Persa, De logica Aristotelis (5, 2–19 [syr.]  /  p. 5 f. [lat.] Land). Hierdurch ist auszuschließen, dass Sergios Pauls Quelle ist, wie von Aydin, in: Sergius of Reshayna, ›Introduction to Aristotle‹, 180, vorgeschlagen. 203   Vgl. Brock, Aspects of Translation Technique; Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 29. 204   Paulus Persa, De logica Aristotelis (5, 9–13 [syr.]  /  p. 6 f. [lat.] Land). 205   Vgl. oben S. 982  f. sowie das Schaubild bei Gutas, Paul the Persian, 263 f., und Perkams, The Syro-Persian Reinvention of Aristotelianism, 142–144.

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Die Entstehung von Corpora ­philosophischer Fachtexte jenseits des Griechischen

arabische Philosophie direkt, der es Grundlinien einer Ausarbeitung im aristotelischen Sinne vermittelt. Nicht zuletzt stellt sein Œuvre aber ein bedeutendes Zeugnis für die Leistungen und das eigene Profil der syrischen Logik selbst dar, zeigt es doch, wie unter christlichen Vorzeichen sehr ernsthaft aristotelische Philosophie betrieben wird. So lässt sich sein Verständnis von Philosophie, das diese an eine christlich verstandene Weisheit annähert, am ehesten mit der Christianisierung der Philosophie in der gleich zu besprechenden ›Ursache der Gründung der Schulen‹ des Barḥaḏbšabbā vergleichen, die ebenfalls einem ostsyrischen Schulkontext entstammt.206

206

  Vgl. unten S. 1101–1103.

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VII. Die ›Magd‹ der Christologie und die ›Erklärung von Worten‹: Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen des 6. Jahrhunderts

1. Allgemeines Die griechische und syrische Christenheit des späten 5. und des 6. Jahrhunderts ist in grundlegende christologische Auseinandersetzungen verstrickt, die nach dem Konzil von Chalkedon das Byzantinische Reich erschüttern und eine bis heute währende Spaltung der Ostkirchen nach sich ziehen. Die eine einflussreiche Partei sind die Miaphysiten bzw. Monophysiten, zu deren wichtigsten Repräsentanten im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts der Syrisch schreibende Philoxenos von Mabbug und der Griechisch schreibende (aber nur im Syrischen erhaltene) Patriarch Severos von Antiochien sowie später auch Johannes Philoponos in seinen einschlägigen Schriften gehören.1 Nach 500 gewinnt die chalkedonensische Partei, vor allem in Form des gemäßigteren ›Neuchalkedonismus‹, wieder an Gewicht, unter deren Vertretern Johannes der Grammatiker bzw. von Kaisareia (fl. um 515)2 sowie später Leontios von Byzanz (gest. 543),3 die etwas enigmatische Figur des Leontios von Jerusalem (fl. 540?) sowie ein Pamphilos (2. Hälfte 6. Jahrhundert?) herausragen.4 Wichtige Beiträge im Sinne dieser Partei liefen auch Johannes von Skythopolis und Boethius in ihren schon behandelten christologischen Arbeiten. Die Debatte erklärt sich durch terminologische Unklarheiten, namentlich durch ein unterschiedliches Verständnis des Terminus ›Natur‹ (φύσις): Die Miaphysiten verstehen ihn als Synonym zu ›Hypostase‹ (ὑπόστασις) oder auch als ›Person‹ (πρόσωπον), so dass eine Unterscheidung der chalkedonensischen Lehre von zwei Naturen in einer Hypostase und der ›nestorianischen‹ von zwei Personen

1   Vgl. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 119–129. Zu Philoponos vgl. oben S. 1034–1036. 2   Vgl. G. Röwekamp, Johannes von Cäsarea, Grammatiker, in: LACL, 376. 3   Vgl. B. E. Daley, in: Leontius of Byzantium. Complete Works, Oxford 2017, 1–78; A. M. Ritter, Leontios der Eremit bzw. von Byzanz, in: GGPh 5, 3 (2018), 2263–2267. 4   Überblick: S.  Helmer, Der Neuchalkedonismus. Geschichte, Berechtigung und Bedeutung eines dogmengeschichtlichen Begriffs, (Diss.) Bonn 1962. Zu Pamphilos vgl. J. H. Declerck, in: Pamphili theologi opus. Edidit J. H. Declerck (CCG 19), Turnhout 1989, 17–24; B. Gleede, The Development of the Term ἐνυπόστατος, from Origen to John of Damascus, Leiden  /  Boston 2012, 104 f.; zu Leontios von Jerusalem vgl. Gleede, The Development of the Term ἐνυπόστατος, 122 f.

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Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen

und zwei Hypostasen aus ihrer Perspektive inakzeptabel wird.5 Im Hinblick auf ›orthodoxe‹ Formulierungen spielt in der Debatte der Verweis auf ältere pa­tris­ tische Quellen eine entscheidende Rolle.6 Aber aufgrund der Bemühungen der Beteiligten, ihre Position terminologisch zu klären und mit Vernunftargumenten als wahr zu erweisen, kann die Diskussion auch als philosophische Auseinandersetzung gelesen werden. Die Frage nach der Bedeutung der zentralen Termini setzt die bei den Kappadokiern grundgelegte (universalien-)realistische Interpretation von Aristoteles’ Substanzlehre voraus.7 Ferner werden subtile Unterscheidungen im Hinblick auf Einheit und Verschiedenheit wichtig. Denn die Frage, in welchem Sinne von ›einer‹ oder von ›zwei‹ Naturen in Christus gesprochen werden kann, bildet einen wichtigen Punkt der Debatte.8 Daher wird diese häufig in einer mehr oder weniger ›scholastischen‹ Form geführt, bei der die aristotelische Syllogistik sowie die Terminologie der ›Kategorien‹ vielfach zum Einsatz kommen.9 Folglich ist auch auf einer zweiten Ebene die Philosophie betroffen, nämlich in Form einer fortdauernden Bezugnahme auf einige Schriften vor allem des Organons, deren Studium somit gefördert und vorangetrieben wird. Demgegenüber ist der in dieser Debatte erstmals fühlbare Einfluss des Pseudo-Dionysios, der bei Severos von Antiochien zwischen 518 und 528 seine erste Erwähnung findet10 und von Johannes von Skythopolis mit einer chalkedonensischen Interpretation versehen wird, sekundär. Neben den jeweiligen christologischen Gegnern werden von denselben Autoren auch andere Gruppen, namentlich die Manichäer,11 intensiv und mit der Philosophie entlehnten Mitteln bekämpft. Im Folgenden kann nur ein kleiner Einblick in die umfangreiche Debatte gegeben werden, in der eine detailliertere Einschätzung der philosophischen Leistungen und Kenntnisse einzelner Autoren oft schwerfällt, da ihre Werke häufig nur teilweise oder nur auf Syrisch erhalten und verhältnismäßig wenig erforscht 5   Vgl. J. Lebon, Le monophysisme Sévérien. Ètude, historique, littéraire et théologique sur la résistance monophysite au concile de Chalcedoine jusqu’à la constitution de l’église Jacobite, Löwen 1909, 274–278, 504–515; H. Hugonnard-Roche, Severos von Alexandrien, in: GGPh 5, 3 (2018), 2236–2244, hier 2240 f.; Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 123–125. 6   Vgl. Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 129–135. 7   Vgl. Ch. Erisman, Non est natura sine persona. The Issue of Uninstantiated Universals from Late Antiquity to the Early Middle Ages, in: M. Cameron  /  J. Marenbon (Hrsg.), Methods and Methodologies. Aristotelian Logic East and West, 500–1500, Leiden  /  Boston 2011, 75–91. 8   Eine Auswahl von Formulierungen (in diesem Fall von Johannes von Kaisareia) findet sich bei Helmer, Der Neuchalkedonismus, 166 f., der sowohl von einer als auch von zwei Naturen sprechen kann. 9   Zum Begriff ›Scholastik‹ vgl. Lang, John Philoponus, 162–164; Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom, 4 f., 12–15. 10   Vgl. zu den Belegen Hugonnard-Roche, Severos von Antiochien, 2243 f. 11   Vgl. z. B. die prägnante Zusammenfassung bei Ioannes Caesariensis, Syllogismi sanctorum patrum.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

sind. Grundlegende Tendenzen der Begriffsbildung und der Aristoteles-Nutzung lassen sich jedoch dank neuer Forschungen12 durchaus angeben.

2. Miaphysitische Christologie und evagrianische Mystik auf Syrisch: ­Philoxenos von Mabbug Allgemeines und philosophiegeschichtliche Bedeutung Philoxenos von Mabbug (gest. ca. 523), auf Syrisch als Aḫsenāyā bekannt, gehört zu den ersten bedeutendsten frühen Monophysiten, die sich argumentativ gegen die Lehre des Konzils von Chalkedon und die Christologie der antiochenischen Schule wenden. Sein Werk trägt wesentlich zur inhaltlichen Entwicklung einer moderaten miaphysitischen Position und zu deren Durchsetzung im syrischen Raum zwischen Antiochien und Edessa bei.13 Es besteht zum überwiegenden Teil aus polemischen Traktaten zur Christologie, aber Philoxenos entwickelt auch Ideen christlicher Lebensführung, die nicht zuletzt von der ›gereinigten‹ syrischen Evagrios-Pontikos-Version angeregt sind, deren Rezeption in diesem Sprachraum mit Philoxenos beginnt.14 Für die Philosophiegeschichte liegt seine Bedeutung besonders darin, dass die für ihn nachweisbaren philosophischen Kenntnisse Rückschlüsse auf die Unterrichtsinhalte im Schulbetrieb im Edessa des 5. Jahrhunderts erlauben, wo Philoxenos seine Ausbildung erhält.15 Obwohl er offenbar in der Tat über »eine ehrbare Kenntnis der aristotelisch-stoischen Wissenschaft seiner Zeit« verfügt,16 ist die Benutzung philosophischer Argumente und rationaler Argumentationsmuster allerdings nicht typisch für seine Polemik, die meist entweder stark rhetorisch oder biblisch geprägt ist.17 Immer wieder wird der Vorrang des Glaubens vor dem Wissen von ihm betont.18 Auch seine Rezeption des Evagrios im ›Brief an Patrikios‹ ist weit weniger rational-philosophisch geprägt als der ›Traktat über das geistige Leben‹ seines jüngeren Zeitgenossen Sergios von Rēšʿaynā. Sein theoretischer 12   Vgl. vor allem Gleede, The Development of the Term ἐνυπόστατος; Zachhuber, The Rise of Christian Theology. 13   Überblick: Th. Hainthaler, Philoxenos von Mabbug, in: W. Klein (Hrsg.), Syrische Kirchenväter, Stuttgart 2004, 180–190. 14   Vgl. Watt, Philoxenus and the Old Syriac Version of Evagrius’ ›Centuries‹. 15   A. de Halleux, in: Philoxène de Mabbog, ›Commentaire du prologue johannique‹ (Ms. Br. Mus. Add. 14, 534). Traduit par A. de Halleux (CSCO Syr. 166), Löwen 1977, XIX. 16   Vgl. De Halleux, in: Philoxène de Mabbog, ›Commentaire‹, XIX. 17   Vgl. De Halleux, in: Philoxène de Mabbog, ›Commentaire‹, XXI; Hainthaler, Philoxenos von Mabbug, 188. 18   Zum Beispiel Philoxenus Mabbugensis, Epistula ad Patricium 75 (PO 30, 5, p.  102, 1 f. [syr.]  /  p. 103 [frz.] Lavenant).

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Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen

Anteil beschränkt sich im Grunde auf die Angabe einiger Stufen von ›Theorie‹ (teʾoriyā), nämlich nicht-rationaler, rationaler und göttlicher Dinge sowie des Unerkennbaren an Gott,19 während praktische Ratschläge, wie die Aufforderung, alles Geschaffene, z. B. eine schöne Frau, von ihrem Platz in Gottes Ordnung her zu betrachten, weit überwiegen.20 Jedoch zeigt sich Philoxenos durchaus an einigen Stellen als interessanter Denker: So hat seine Grundidee eines innergöttlichen ›Werdens‹ des Gottessohnes, das zur Ewigkeit Gottes nicht im Widerspruch stehe,21 spekulativen Tiefgang. Noch bedeutender sind seine Überlegungen zur Abgrenzung des Gegenstandsbereichs von Glauben und Wissen, die auf die Zuständigkeit des Wissens für die Natur, des Glaubens für das Übernatürliche (aylēn d-īṯayhēn lʿal men kyānā) hinauslaufen.22 Hier ist in der Tat der Einfluss des edessenischen Schulbetriebs naheliegend. Eine genaue Erhebung seiner philosophischen Bildung und Ideen würde eine Einzeluntersuchung erfordern, welche auch den terminologischen Bezügen zu anderen syrischen Quellen mit Bezug zur edessenisch-nisibenischen Schultradition nachgeht.

Verständnis von Philosophie und Philosophen Philoxenos’ Aussagen über die Philosophie und die Philosophen, die auch als Beispiel für das Philosophieverständnis im syrischen Sprachraum um 500 dienen können, ähneln denen älterer griechischer Theologen und verändern sich in der Praxis entsprechend den polemisch-rhetorischen Bedürfnissen: Einerseits werden die Philosophen, die als »Weise von Außen« (ḥkīmē ḏa-lbar), als »fremde Philosophen« (filosofē barrayā)23 oder ähnlich bezeichnet werden, für ihre wissenschaftliche Einsicht durchaus geachtet, besonders sofern sie auf die Grenzen ihrer Erkenntnis hingewiesen haben.24 Andererseits werden sie als irrelevant für

19

  Philoxenus Mabbugensis, Epistula ad Patricium 74–76 (PO 30, 5, p. 100, 11–102, 22 [syr.]  /  p. 101, 15–103, 26 [frz.] Lavenant). 20   Vgl. die Inhaltsübersicht von R. Lavenant, in: Philoxène de Mabboug, La lettre à Patricius. Édition critique du texte syriaque et traduction française (PO 30, 5), Paris 1963, 737–41. 21   Z. B. ein Dauerthema des Johanneskommentars: Philoxenus Mabbugensis, In Ioannem (CSCO Syr. 165, p.  15, 23–29 [syr.]  /  166, p.  15 [frz.] de Halleux); weiterhin z. B. De incarnatione (CSCO Syr. 9, p.  247, 18 f. [syr.]  /  10, p.  183 [lat.] Vaschalde). 22   Philoxenus Mabbugensis, De incarnatione (CSCO Syr. 9, p.  104, 24–107, 6 [syr.]  /  10, p.  81–83 [lat.] Vaschalde); vgl. Grabmann, Geschichte der scholastischen Methode, 1, 97 f. 23   Philoxenus Mabbugensis, Epistula ad Patricium 33 (PO 30, 5, p.  58, 25 [syr.]  /  p. 59 [frz.]) Lavenant). 24   Philoxenus Mabbugensis, De incarnatione (CSCO Syr. 9, p.  247, 6 f. [syr.]  /  10, p.  183 [lat.] Vaschalde).

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

einen Christen in der Einfachheit des Glaubens hingestellt.25 Schon die Behauptung, für ein christliches Denken von heidnischen Philosophen gelernt zu haben, kann als Grund für die Ablehnung der Position angesehen werden.26 Ebenso führt Philoxenos jedoch eine Anekdote über Platon zur Unterstützung der eigenen Position an.27 Der schillernde Perspektivenwechsel von Philoxenos’ Rhetorik zeigt sich schön an folgendem Beispiel: Seinem Gegner Ḥabīb wird einmal vorgeworfen, er sei nicht, wie er behauptet, ein Philosoph, weil er vom Glauben ausgegangen und nicht angekommen (d. h. wohl nicht wahrhaft ein christlicher Philosoph geworden) sei;28 und ein andermal, er sei es nicht, weil er nicht wirklich kompetent in der Philosophie der Griechen sei.29 Dieser kuriose Diskurs, der an die ältere Auseinandersetzung über die ›wahre Philosophie‹ erinnert, zeigt schön, dass die Worte ›Philosoph‹ und ›Philosophie‹ auch im Syrischen positiv konnotiert sein, aber auch durch Bezug auf die hellenischen Gegner negativ gewendet werden können.

Würdigung Das Wirken und die Gestalt des Philoxenos sind eher ein Schlaglicht auf als ein Beitrag zur Philosophiegeschichte. Am eindrücklichsten bleibt vielleicht seine pointierte Gegenüberstellung von Glaube und Wissen haften, die ebenfalls zeigt, dass man um 500 stärker zwischen religiöser Glaubenserkenntnis und wissenschaftlichem Wissen zu unterscheiden beginnt – eine Differenzierung, die freilich von Philoxenos viel stärker zugunsten des Glaubens ausgelegt wird als von der ostsyrischen Schultradition Paul des Persers und Barḥaḏbšabbās.

25

  Philoxenus Mabbugensis, Contra Habibum 3, 12 (PO 38, 3, p.  486, 4–12 [syr.]  /  p. 487 [frz.] Brière  /  Graffin). 26   Philoxenus Mabbugensis, Contra Habibum, 10, 174 (PO 40, 2, p.  338, 24–39 [syr.]  / p.  399 [frz.] Brière/Graffin). 27   Philoxenus Mabbugensis, Epistula ad Patricium 33 (PO 30, 5, p.  58, 25–60, 8 [syr.]  / p.  59 f. [frz.] Lavenant). 28   Philoxenus Mabbugensis, Contra Habibum 3, 4 (PO 38, 3, p.  480, 9–17 [syr.]  /  p. 481 [lat.] Brière  /  Graffin). 29   Philoxenus Mabbugensis, Contra Habibum 3, 28 (PO 38, 3, p.  500, 20–25 [syr.]  /  p. 501 [lat.] Brière  /  Graffin).

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Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen

3. Ein Dialog über Aristoteles und den Nutzen der Philosophie: Severos von Antiochien und Sergios der Grammatiker Das Leben und die Bedeutung des Severos für das miaphysitische Dogma Severos von Antiochien (ca. 456–538), dessen Lebensbeschreibung durch Zacharias Rhetor uns bereits beschäftigt hat, wendet sich nach seinem Studium dem mönchischen Leben zu, von wo er 509 nach Konstantinopel aufbricht und – in einer Phase einer Versöhnungspolitik unter Kaiser Anastasios – 512–518 trotz seines dezidierten Miaphysitismus als Patriarch von Antiochien residiert. Nach einem Regierungswechsel verbringt er den Rest seines Lebens im ägyptischen Exil, das nur durch einen weiteren Konstantinopel-Aufenthalt 532 unterbrochen wird, in dem er an einem Religionsgespräch teilnimmt, das wiederum keine Lösung der Probleme beinhaltet.30 Severos gilt als Schöpfer des miaphysitischen Dogmas in seiner klassischen Form. Hierbei betont er bei der Erörterung der – in seinem Verständnis synonymen – Begriffe ›Natur‹, ›Substanz‹ (οὐσία) und ›Hypostase‹ die Individualität, die durch diese Begriffe ausgedrückt wird,31 und die ›natürliche und hypostatische Einheit‹ Christi, welche zwar eine Zusammensetzung, keine Mischung sei,32 aber keinesfalls als Gleichzeitigkeit zweier Naturen verstanden werden darf.33 Denn diese Gleichzeitigkeit zweier Naturen impliziere eine Trennung und schließe eine wahrhaftige Einheit aus, die folglich aufgelöst sei, wenn man, wie das Konzil von Chalkedon, von einem Christus ›in zwei Naturen‹ spreche.34 Daher ist für Severos die Aussage, Christus bestehe ›aus zwei Naturen‹ akzeptabel, während er die Formel ›in zwei Naturen‹ scharf zurückweist.35 Die Rolle der aristotelischen Logik in seinem Werk verdient noch nähere Beleuchtung.36

30

  Zu Severos’ Leben vgl. Hugonnard-Roche, Severos von Antiochien, 2236–2238.   Vgl. dazu jetzt Zachhuber, The Rise of Christian Theology, 119–129. 32   Severus Antiochenus, Epistula ad Sergium 2 (CSCO Syr. 64, p.  107, 6–16 [syr.]  /  65, p.  80, 2–11 [lat.] Lebon). 33   Severus Antiochenus, Epistula ad Sergium 2 (CSCO Syr. 64, p.  110, 21–28 [syr.]  /  65, p.  82, 28–35 [lat.] Lebon). Vgl. zur ἕνωσις nach Severos und den Miaphysiten Lebon, Le monophysisme Sévérien, 284–292, dort französische Übersetzung des zitierten Textes auf S.  291. 34   Severus Antiochenus, Epistula ad Sergium 1 (CSCO Syr. 64, p.  94, 7–12 [syr.]  /  65, p.  69, 11–13 [lat.] Lebon); Severus Antiochenus, Sermo de Trisagione (PG 86, 932A). Vgl. Lebon, Le monophysisme Sévérien, 285 f. 35   Vgl. insgesamt A. Grillmeier, Die anthropologisch-christologische Sprache des Leontius von Byzanz und ihre Beziehung zu den ›Symmikta Zetemata‹ des Neuplatonikers Porphyrius, in: H. Eisenberger (Hrsg.), Hermeneumata. Festschrift Hadwig Hörner, Heidelberg 1990, 61–72, hier 65 f. 36   Vgl. die Bemerkungen von Parry, Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, 21–23. 31

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Aristoteles, genannt ›der Intellekt‹, und die Philosophie als Magd des ­christlichen Denkens: Eine Debatte über den Status der Philosophie Für die Entwicklung der Philosophie ist im Werk des Severos vor allem sein Briefwechsel mit dem nicht näher identifizierbaren Grammatiker Sergios von Bedeutung, der sich auf die Jahre 515–520 datieren lässt. Sergios, selbst Miaphysit, weist Severos’ Annahme zurück, die eine Natur Christi weise zwei spezifische Eigenschaften bzw. Proprietäten (dīlāyāṯā = ἴδια) auf, nämlich eine göttliche und eine menschliche. Denn dies impliziere eine Verwechslung von Proprietäten und Akzidenzien. Denn wenn man zwei spezifische Eigenschaften annehme, müsse man zwei Substanzen (ūsīyās) annehmen und lege sich damit letztlich (unter der miaphysitischen Voraussetzung der Synonymie von ›Substanz‹ und ›Natur‹) auf eine Zwei-Naturen-Lehre fest.37 Die philosophische Methodik und Begriffsbildung des Sergios, die sich schon in diesem Argument zeigt, wird in seinem dritten Brief offen ausgesprochen: »Und ich bitte, o Vater, dass Du die Exaktheit der Philosophen erträgst. Auch wenn sie nicht von unserem Hofe stammen, verdeutlichen sie uns oft die Erklärung . Von diesen Philosophen sagte Aristoteles, der ›Intellekt‹ (νοῦς) genannt wird, als er ein Beispiel für die Substanz (οὐσία) gab, an einer Stelle die folgenden Worte«,38

worauf die aristotelische Definition der (ersten) Substanz als Einzelding mit der Erläuterung folgt, ein Einzellebewesen könne ja schon, als sinnliches Wesen, keine einfache, sondern müsse eine komplexe Substanz sein39 – wie Christus, um dessen Natur bzw. Substanz es den beiden ja geht. Sergios ist demnach nicht nur mit Aristoteles’ ›Kategorien‹ vertraut, sondern kennt auch deren Kommentierung sowie den uns aus der neuplatonischen Lebensbeschreibung (›Vita Marciana‹) bekannten Beinamen ›Intellekt‹ für Aristoteles.40 All dies macht eine Ausbildung in Ale­ xan­drien oder unter einem dort geschulten Lehrer wahrscheinlich und bezeugt die Verbreitung solcher Kenntnisse im christlichen Osten. Besonders interessant ist aber, dass Sergios die Philosophie ausdrücklich als eine notwendige Technik zur 37   Sergius Grammaticus, Epistula ad Severum 1 (CSCO Syr. 64, p.  101, 21–102, 15 [syr.]  /  65, p.  75, 15–76, 5 [lat.] Lebon). 38  

. Sergius Grammaticus, Epistula ad Severum 3 (CSCO Syr. 64, p.  151, 19–23 [syr.]  /  65, p.  115, 24–27 [lat.] Lebon). Den Zusatz übernehme ich aus Severos’ Wiedergabe der Formulierung seines Gegners; sie ist im Codex unicus vermutlich ausgefallen. 39   Sergius Grammaticus, Epistula ad Severum 3 (CSCO Syr. 64, p.  151, 14–28 [syr.]  /  65, p.  115, 28–31 [lat.] Lebon). 40   Anonymus, Vita Aristotelis Marciana, § 7 (ed. Düring, Aristotle in the Ancient Biographical Tradition, 98). 1092

Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen

Klärung von Begriffen einführt: Hier zeigt sich ein ganz neues, zukunftsweisendes Verständnis der Philosophie, die nicht mehr als Weltanschauung, sondern als ein allgemeines Werkzeug zur korrekten Begriffsklärung verstanden und in ganz anders gearteten Debatten sinnvoll verwendet wird. Mit dieser Einschätzung kommt Sergios dem bemerkenswert nahe, was sein Namensvetter aus Rēšʿaynā für die Rolle der Philosophie für die Darstellung medizinischer Sachverhalte ausführt. An diesen und Paul den Perser erinnert ferner, dass der Grammatiker das Wort ›Philosophie‹ für eine Leistung der Logik gebraucht und den Namen Aristoteles als Chiffre für die so verstandene Philosophie anführt. Dieses Ansinnen wird jedoch von Severos offenbar nicht voll verstanden, jedenfalls aber recht brüsk zurückgewiesen. Er verweist auf die Aristoteles-Kritik des Gregor von Nazianz, »der die Meinungen der Philosophen genau erforscht hat […] und nicht wie wir einiges vom Hörensagen behauptet«: Dieser habe Aristo­ teles für seine Annahme der Sterblichkeit der Seele kritisiert, welche die Aris­ toteliker (die noch mit einigen Elementen der Anti-Philosophen-Polemik belegt werden) bestritten.41 Dieses Zitat enthält mehr als eine Paradoxie: Einmal schreibt Severos in zum Topos gewordener christlicher Demut sich selbst – und auch Sergios? – eine nur eingeschränkte Aristoteles-Kenntnis zu.42 Er kennt aber offensichtlich zeitgenössische Auslegungen der aristotelischen Seelenlehre, die Gregor an der zitierten Stelle – dem Ende seiner ›Ersten theologischen Rede‹43 – gar nicht erwähnt. Zudem ignoriert Severos, wenn er weitergehende Studien in dieser Richtung geradezu für überflüssig erklärt, Gregors Aufforderung zum Philosophieren, die den Kontext seines Textbeleges bildet. Im Anschluss nähert sich Severos allerdings Sergios’ Stellungnahme doch wieder an, indem er ihm eine Formel entgegenhält, die für die folgenden christlichen Jahrhunderte typisch bleiben wird: »Keiner der Lehrer der Theologie sagte: ›Die äußere Philosophie machen wir in den Lehren zur Leitgestalt für die Zeichen und die Worte‹, sondern ganz im Gegenteil sagen sie: Wie eine Magd nehmen wir sie gefangen, die gleichsam mit den Lehren und Bedeutungen der Wahrheit mitläuft«.44

41

  Severus Antiochenus, Epistula ad Sergium 3 (CSCO Syr. 64, p.  167, 10–29 [syr.]  /  65, p.  128, 1–18 [lat.] Lebon; Zitat 167, 16–19 [syr.]  /  128, 6–8). 42   Vgl. King, The Earliest Syriac Translation, 5 f.; für eine gewisse Kenntnis bei Severos vgl. Parry, Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, 20–23. 43   Vgl. oben S.  816  f. 44  Severus Antiochenus, Epistula ad Sergium 3 (CSCO Syr. 64, p.  169, 10–14 [syr.]  /  65, p.  129, 20–23 [lat.] Lebon).

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Diese Worte können nicht, wie jüngst behauptet wurde,45 als erster Beleg für die Ansicht der Philosophie als Magd der Theologie angesehen werden. Vielmehr haben sie an der ambivalenten Haltung teil, die dieser Formel zu eigen ist: Severos wendet sich nicht gegen den Gebrauch der Philosophie (bzw. der Logik), sondern dagegen, sich an ihr zu orientieren. Mit dieser Aussage bezieht er sich auf eine patristische Autorität, nämlich Basileios des Großen Freund Amphilochios, der die hellenischen Wissenschaften (in der syrischen Übersetzung des Severos: die »Lehre der Worte bei den Heiden«), darunter auch die Philosophie, als ›Magd‹ bzw. ›Dienerin‹ (θεραπαίνα) der ›Weisheit des Geistes‹ (ἡ σοφία τοῦ πνεύματος), d. h. der christlichen Lehre, bezeichnet, aber ihre Benutzung ganz ausdrücklich erlaubt.46 Die Beschreibung der Philosophie als ›Magd‹ des christlichen Denkens erweist sich somit, einschließlich der Metapher ihrer ›Gefangennahme‹,47 als pointierte Formulierung der traditionellen Chrēsis-Lehre, die Severos in der Tat durch weitere Basileios-Zitate belegt.48 In der Tat gewinnt aber diese Figur, die seit Philon das Verhältnis der wahren ›Weisheit‹ zur Philosophie und zu den ›freien Künsten‹ bzw. dem ›Zirkel der Lehre‹ (ἐγκύκλιος παιδεία) als hierarchische Einheit beschreibt,49 in der geistigen Situation des 6. Jahrhunderts neue Bedeutung. Denn sie beschreibt nun das Verhältnis zwischen der auch von Christen betriebenen philosophischen Lehre und den christologischen Debatten der Zeit und präfiguriert somit die mittelalterliche Verhältnisbestimmung zweier universitärer Disziplinen Philosophie und Theologie.

Würdigung Als Zeugnis für die Veränderung des Philosophieverständnisses im 6. Jahrhundert ist die Tragweite des Dialogs zwischen Severos und Sergios kaum zu überschätzen, und dies in doppeltem Sinne: Zum einen zitiert Severos hierfür genau die Texte, die er laut Zacharias Rhetor mit diesem zusammen als Zeugen einer wahren, christlichen Philosophie studiert hat,50 so dass man auch ihm ein Verständnis der Debatte als ›philosophisch‹ attestieren kann. Zum anderen kommt er aber faktisch mit Sergios überein, dass auch diese, ebenso wie ihr neuplatonisches Pendant, auf die begrifflichen Klärungen angewiesen sind, welche die aristotelische Logik 45

  Vgl. B. Gleede, Christian Philosophy in Severus of Antioch and Leontius of Byzantium, in: M. Edwards (Hrsg.), The Routledge Handbook of Early Christian Philosophy, London  /  New York 2021, 619–631, hier 623. 46   Amphilochius Iconiensis, Ad Seleucum 240–250 (p.  36 Oberg); zur Philosophie vgl. 37 (p.  30 Oberg). 47   Vgl. oben S.  817  f. 48   Severus Antiochenus, Epistula ad Sergium 3 (CSCO Syr. 64, p.  170, 25–171, 8 [syr.]  /  65, p.  130, 27–131, 4 [lat.] Lebon). 49   Vgl. oben S. 619. 50   S. oben S.  958  f.

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Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen

anzubieten hat. Denn was ist eine zu anderen Zwecken benutzbare ›Magd‹ anderes als das Werkzeug der Philosophie, als welches die peripatetische Tradition die aristotelische Logik definiert?

4. Die neuchalkedonensische Kontroverstheologie Die neuchalkedonensische Position versteht den Begriff ›Hypostasis‹, im Anschluss an die Kappadokier51 und im Gegensatz zur miaphysitischen Betonung der Singularität einer jeden Natur, stärker als erste Substanz im Sinne der ›Kategorien‹ und damit als Instantiation eines Universale.52 So bestimmt bereits Johan­nes von Kaisareia ›Substanz‹ (οὐσία) als Allgemeinbegriff, während einzelne Menschen sich durch ihre Eigenschaften unterschieden.53 Zentral wird der Begriff ›hypostatisch‹ (ἐνυπόστατος bzw. ἐνυπόστατον), mit dem die Neochalkedonenser seit Leontios die Grundlegung jeder Natur in (mindestens) einer Hypostase anzeigen. Damit wollen sie die – von ›Nestorianern‹ wie Miaphysiten geteilte – Voraussetzung vermeiden, jeder Natur entspreche eine Hypostase, so dass es entweder zwei Naturen und Hypostasen (›nestorianisch‹) oder eine Natur und eine Hypostase gebe (miaphysitisch). Dabei soll das Innewohnen der beiden hypostatischen Naturen in der einen Hypostase nicht akzidentell erfolgen, sondern beide sollen deren Wesen so ausmachen, wie etwa das Wissen von der (rationalen) Seele und die Farblichkeit vom menschlichen Körper nicht zu trennen seien54 bzw. wie Seele und Körper gemeinsam, ohne ihre Unterschiedenheit aufzugeben, im Einzelmenschen realisiert seien, der somit eine Hypostase mit zwei wesentlichen Substanzen bleibe.55 Mit derartigen anthropologischen Vergleichen greift Leontios auf Formulierungen zurück, die auch bei Nemesios von Emesa zu finden sind und auf Porphyrios zurückgeführt werden.56 Die für Leontios typische Unterscheidung der Begriffe Hypostase und hypostatisch, 51

  Vgl. oben S.  821  f.   Vgl. Erisman, Non est natura sine persona, 81–89. 53   Ioannes Grammaticus, unter dem Namen Eulogios überlieferte Fragmente: PG 86, 2, 2945BC; vgl. Helmer, Der Neuchalkedonismus, 168. Vgl. zu Johannes Philoponos oben S. 1034–1036. 54   Interessanterweise werden gerade diese beiden Punkte von Sergios dem Grammatiker an der oben S. 1092 zitierten Stelle angeführt. 55   Vgl. den locus classicus Leontius Byzantinus, Contra Nestorianos et Eutychianos 1 (132, 19–136, 28 Daley). Zur Interpretation vgl. Gleede, The Development of the Term ἐνυπόστατος, 61–69 und 185; D. Krausmüller, Theology and Philosophy in the Late Patristic Discourse. Pure Existence, Qualified Existence, and the Arbor Porphyriana, in: Ana­ gnos­tou-Laoutides  /  Parry (Hrsg.), Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, 150– 173, hier 151–155. 56   Vgl. Grillmeier, Die anthropologisch-christologische Sprache des Leontius. 52

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

die bei Johannes noch synonym gebraucht werden, verdankt sich hingegen einer Auseinandersetzung mit der Auslegungstradition der ›Kategorien‹, ohne dass die Christologen den Kommentatoren an Subtilität nachstünden.57 Eine intensive Rezeption findet unter ihnen auch der ›Baum des Porphyrios‹, in den Gott – anders als in der syrischen Übersetzung – ausdrücklich eingeordnet wird.58 Diese begriffliche Feinheit der Neochalkedonenser hängt auch damit zusammen, dass bei ihnen die Akzeptanz einer philosophischen Vorgehensweise im Vergleich zu Severos deutlich erhöht ist. Dies zeigt sich bereits in der Vorrede zu Leontios’ Schrift ›Gegen die Nestorianer und die Eutychianer (d. h. die Miaphysiten)‹, wo der Autor zwar ebenso demütig wie Severos betont, es mangele ihm an der »äußeren Bildung« und an schriftstellerischer Erfahrung ebenso wie am heiligen Geist, während die früheren Kirchenväter doch mithilfe von Gnade sowie der »Exzellenz in äußerer Philosophie und der übrigen Bildung« die Wahrheit schon klar und deutlich dargelegt hätten.59 Im Gegensatz zu dieser pointierten Selbstbescheidung wirft Leontios seinen Gegnern, die er als »die Weisen der Gegenwart« (οἱ νῦν ὄντα σοφοί) bezeichnet und als ›Spitzenphilosophen‹ (ἀκροφιλόσοφοι) apostrophiert, vor, sich selbst für weise zu halten.60 Leontios bedient sich also nicht nur der Motive der alten Philosophentopik, in der er als demütig-bescheidener Christ arroganten philosophischen Gegnern entgegentritt, sondern führt die ›äußere‹, also nichtchristliche, philosophische Bildung ganz selbstverständlich als ein mit der göttlichen Gnade gleichberechtigtes Mittel in der geistigen Auseinandersetzung an, für die er auch das Verb ›philosophieren‹ (φιλοσοφῆσαι) benutzt.61 Eine ähnliche Tendenz findet sich bei seinem jüngeren Nachfolger Pamphilos, der Aristoteles’ ›Kategorien‹ und ›Physik‹ ausdrücklich sowie die ›Metaphysik‹ anonym zur Begründung der richtigen Terminologie zitiert und erläutert,62 um dann mit Pseudo-Dionysios auf die begrenzte Anwendbarkeit logischer Termini auf die Gottheit zu verweisen.63 In der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts wird also im chalkedonensischen Bereich weiterhin gut neuplatonisch eine sinnliche und eine tran­ szen­dente Seinsebene unterschieden, womit man den befremdlichen Tritheismus des späten Philoponos im Ansatz vermeidet.64 Aufs Ganze gesehen zeigt sich in der Entwicklung der chalkedonensischen Theorien somit eine deutlich gesteigerte Akzeptanz einer philosophischen Argumentation im Vergleich zu Väterzitaten. Zwar können ihre argumentativen Klärun57

  Vgl. Gleede, The Development of the Term ἐνυπόστατος, 69–100.   Vgl. Krausmüller, Theology and Philosophy, 155–163. Zur syrischen ›Eisagoge‹-Übersetzung vgl. oben S. 1056. 59   Leontius Byzantinus, Contra Nestorianos et Eutychianos, prooem. (116, 8–18 Daley). 60   Leontius Byzantinus, Contra Nestorianos et Eutychianos 1 (126, 1–21 Daley). 61   Leontius Byzantinus, Contra Nestorianos et Eutychianos 1 (162, 24 Daley). 62   Pamphilus, Solutio 2 und 6 (CCG 19, p.  136, 52–138, 101; 142, 191–143, 206; 161, 112 f. Declerck). 63   Pamphilus, Solutio 2 (CCG 19, p.  138, 101–139, 119 Declerck). 64   Vgl. oben S. 1035. 58

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Philosophie in den innerchristlichen Kontroversen

gen die Schismen, welche die östlichen Kirchen trennen, nicht mehr überwinden, zeigen aber doch eindrucksvoll, warum das Studium der aristotelischen Logik im 6. Jahrhundert eine solche Bedeutung behält und dass es, klug angewandt, neue Optionen auch in schwierigen dogmatischen Debatten bieten kann.

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VIII. Jesus definiert die Philosophie: Philosophie-Ideal und Philosophie-Rezeption in syrischen Texten

1. Allgemeines Das 6. Jahrhundert stellt eine Blütezeit der Literatur in syrischer Sprache dar, die sich auf verschiedene Felder ausweitet und einige interessante Weiterentwicklungen antiken Gedankenguts, darunter auch philosophische Motive, enthält. Interessanterweise tut sich dabei nicht zuletzt die ostsyrische ›nestorianische‹ Tradition hervor, in der die große Bedeutung von Schulen eine beträchtliche literarische Aktivität in verschiedenen Gattungen und eine Offenheit für philosophische Inhalte zur Folge hat.

2. Das ›Buch des Hierotheos‹ und Stephanos bar Sudaili Ein westsyrisches Dokument, das wohl im 6. Jahrhundert entstanden ist, stellt das sogenannte ›Buch des Hierotheos‹ dar, das in der literarischen Tradition mit dem Namen des Stephanos bar Sudaili verbunden wird. In dieser Beschreibung eines mystischen Aufstiegs, die möglicherweise in zwei Schritten entstanden ist, begegnen sich zwei Modelle einer philosophisch angeregten Deutung der christlichen Lebensführung und Lehre, nämlich einerseits das evagrianische Aufstiegsmodell und andererseits die vom Neuplatonismus beeinflusste Synthese des (Pseudo-) Dionysios Areopagites.1 Eine große Rolle spielt folglich die Lehre vom Aufstieg des Intellekts und seiner ›Vereinigung‹ (ḥaḏyūṯā) mit der ›wesenhaften Gutheit‹ (ṭāḇūṯā īṯyaytā),2 die freilich in zahlreiche christliche Motive eingebettet wird, so dass etwa der Intellekt die Seele als ›Leib‹ annimmt und so schließlich gekreuzigt wird, bevor er die All-Erlösung (gemäß der von Evagrios vermittelten Idee des Origenes) bewerkstelligt.3 Eine ganze Reihe philosophischer Motive werden hier also in eine christliche Mystik überführt, die an der Philosophie als solcher nicht mehr in hohem Maße interessiert ist.

1

  Inhaltliche Analyse: Pinggéra, All-Erlösung und All-Einheit, 45–155. Die hier vorgeschlagene literarkritische Scheidung scheint mir nicht wirklich zuverlässig aufgewiesen. 2   Stephanus bar Sudaili, Liber Hierotheus (24, 3–4 [syr.]  /  28 [engl.] Burkitt). 3   Vgl. die Übersicht bei Pinggéra, All-Erlösung und All-Einheit, 67–69.

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Philosophie-Ideal und Philosophie-Rezeption in syrischen Texten

3. Die Schule von Nisibis und die ostsyrische Schultradition Allgemeines und historischer Überblick Die Schule von Nisibis ist wohl die bekannteste Institution, die die ostsyrische Geistesgeschichte hervorgebracht hat. Diese christliche Schule, die von Cassiodor als Vorbild für einen wünschenswerten Bildungsbetrieb in Italien genannt wird,4 ist allerdings nur ein besonders prominentes Beispiel für das ausgedehnte Netzwerk von Schulen, das die ostsyrische bzw. ›nestorianische‹ Kirche im Perserreich aufbaut. Seinen Anfang nimmt das Schulwesen in Nisibis,5 wenn der dortige Bischof Barṣaumā 489 dem Lehrer Narsai, der gerade vor seinen miaphysitischen Gegnern aus dem im römischen Herrschaftsgebiet gelegenen Edessa geflohen ist, die Gründung einer Schule ermöglicht, die bald auch zahlreiche Studenten aus Edessa anzieht. Sie setzen hier ihre Lehre im Sinne der antiochenischen Lehrtradition fort, die ihren Ausdruck insbesondere in den Werken der christlichen Denker Diodor von Tarsus, Theodor von Mopsuestia und Nestorios gefunden hat.6 Unter der Ägide des Metropoliten Mār Abbā (gest. 552)7 wird eine weitere Schule in Seleukeia  /  Ktesiphon in der Nähe der Residenz der Sassanidenkönige gegründet. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Schulgründungen, so dass sich im weiten Raum des Sassanidenreiches eine »Verschulungsbewegung ohne Vorbild in der Kirchengeschichte« etabliert.8 Seine kulturgeschichtliche Bedeutung liegt nicht zuletzt darin, dass es sich, wenn man das Beispiel von Nisibis verallgemeinern darf, um autonome christliche Lehrhäuser handelt, die nicht wie Klöster auf dauerhaftes Zusammenleben einer festen Personengruppe angelegt, aber insofern autonom sind, als sie keiner direkten bischöflichen Jurisdiktion unterstehen. Da neben Theologie ab Mitte des 6. Jahrhunderts an diesen Schulen auch Medizin unterrichtet wird, können sie als frühe Vorläufer der im Mittelalter in Europa entstehenden Universitäten gelten.9 4

  Cassiodorus, Institutiones 1, 1 (3, 8–12 Mynors).   Wichtigere neuere Untersuchungen zur Schule von Nisibis umfassen A. Vööbus, History of the School of Nisibis, Löwen 1965; G. J. Reinink, Edessa Grew Dim and Nisibis Shone Forth: The School of Nisibis at the Transition of the Sixth-Seventh Century, in: Brill’s Studies in Intellectual History 61 (1995), 77–80; Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom; U. Possekel, Selbstverständnis und Bildungsauftrag in der Schule von Nisibis, in: Zeitschrift für antikes Christentum 19 (2015), 104–136. 6   Die Berufung der Ostsyrer auf diese Autoren wird besonders betont von R. Macina, L’homme à l’école de Dieu. D’Antioche à Nisibe. Profil hermeneútique, théologique et kérygmatique du mouvement scoliaste nestorien, in: Proche-Orient [POC] 32 (1982), 86–124; 263–301; 33 (1983), 39–103, hier POC 32, 273–275. 7   Zu seiner Person vgl. Bruns, Aba; Possekel, Selbstverständnis und Bildungsauftrag, 114 f.; Jullien, Introduction, XXV–XXXVI. 8   So die Formulierung von Macina, L’homme à l’école de Dieu, POC 32, 12: Mouvement de scolarisation sans précédent dans les annales de l’Église. 9   Diese Punkte sind jüngst von Possekel, Selbstverständnis und Bildungsauftrag, in wün5

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Aufgrund der sehr eingeschränkten Quellenlage ist es nicht einfach, sich ein umfassendes Bild der Lehre an den ostsyrischen Schulen zu machen, was insbesondere auch die Philosophie betrifft. In der sogenannten Causa-Literatur, die das wohl bedeutendste Corpus erhaltener ostsyrischer Schultexte aus dem 6. Jahrhundert darstellt,10 macht sich die Kenntnis der philosophischen Logik erst nach und nach und zudem in recht eingeschränkter Weise bemerkbar.11 Erst für die Zeit um 600, als die Schule von Nisibis unter ihrem Leiter Ḥnānā von Adiabene, dem Chalkedon-nahe Lehrtendenzen vorgeworfen werden,12 ins Visier kirchlicher, insbesondere monastischer Kritiker gerät, werden die Hinweise deutlicher. Aus dieser Zeit ist eine Erläuterung der gesamten Logik des Aristoteles seitens eines Abbā von Kaschkar bezeugt,13 und eine kurze Causa von Ḥnānā selbst lässt den Einfluss porphyrianischer Distinktionen erkennen.14 Ins Umfeld des Schulbetriebes könnten eine partiell erhaltene Schrift ›Über die Zusammensetzung des Menschen‹ eines Aḥuḏʿemmeh sowie eine Schrift über den Mikrokosmos des Michael Bādōqā gehören, von denen jedenfalls die erste philosophisch vorgeht und auch Elemente aristotelischer Philosophie verwendet.15 Einen Einblick in das Philosophieverständnis der Schule gewährt aber vor allem der programmatische Text ›Die Ursache der Gründung von Schulen‹.16

schenswerter Deutlichkeit herausgearbeitet worden. Schon Macina, L’homme à l’école de Dieu, POC 32, 112, spricht von der »quasi-université nisibienne«. 10   Für allgemeine Charakterisierungen der Causa-Literatur vgl. A. Baumstark, Die nestorianischen Schriften De causis festorum, in: Oriens Christianus 1 (1901), 320–342, hier 336–342; W. F. Macomber, The Theological Synthesis of Cyrus of Edessa, an East Syrian Theologian of the Mid Sixth Century, in: Orientalia Christiana Periodica (1964), 1–38 mit Betonung der liturgischen Bezüge auf S.  9; Macina, L’homme à l’école de Dieu, POC 32, 118 f., Anm.  27, der ›Ursache‹ (syr. ʿellṯā) auf das griechische ὑπόθεσις zurückführt; Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom, 101–112. 11   Generell festgestellt von Brock, From Antagonism to Assimilation, 17–34 (ND: Brock, Syriac Perspectives on Late Antiquity, nr. V); vgl. im Detail Perkams, Ostsyrische Philosophie. 12   Zu seiner Person vgl. Vööbus, History of the School of Nisibis, 234–317, sowie jetzt, differenzierter, Reinink, Edessa grew dim, und neuerdings, Possekel, Selbstverständnis und Bildungsauftrag, 115–118. 13   Vgl. King, The Earliest Syriac Translation, 20. 14   Vgl. Perkams, Ostsyrische Philosophie, 59. 15   Zu Aḥuḏʿemmeh vgl. F. Nau, in: ›Histoire d’ Ahoudemmeh et de Marouta‹, métropolitains Jacobites de Tagrit et de l’Orient. Suivies du traité de Ahoudemmeh ›Sur l’homme‹ (PO 3, 1), Paris 1905, 97 f. Der Traktat des Michael über den Mensch als Mikrokosmos wird zum Beispiel erwähnt von A. Scher, in: Mar Barḥaḏbšabbā Arbaya. Éveque de Ḥalwan (VIe siècle), ›Cause de la fondation des écoles‹. Texte syriaque publié et traduit par A. Scher (PO 4, 4), Paris 1908, 319. Eine Edition durch U. Possekel ist in Vorbereitung. 16   Zum Forschungsstand vgl., auch mit Verweisen auf die ältere Forschung, Perkams, Ostsyrische Philosophie, 57–73.

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Philosophie-Ideal und Philosophie-Rezeption in syrischen Texten

Der Beginn des Unterrichts mit der Schöpfung: Die ›Ursache der Gründung der Schulen‹ des Barhḥaḏbšabbā Die Verwendung des Wortes Philosophie und die Darstellung der hellenischen Philosophen In diesem Text, der wohl zur Eröffnung des akademischen Jahres gehalten wurde, entfaltet der Autor, ein gewisser Barḥaḏbšabbā, vor den Schülern und Lehrern seiner Institution die Heilsgeschichte als Bildungsgeschichte: Angefangen von der ersten Lehre Gottes an die Engel werden die bedeutendsten Stationen der jüdischen Geschichte als eine Reihe von Schulgründungen dargestellt. Nach der Schule Adams und Evas im Paradies und den Schulen Abrahams und Noahs seien besonders bedeutende Schulen von Mose und Salomon gegründet worden. Insbesondere durch Mose habe Gott »eine große Schule von vollkommener Philosophie« errichtet,17 womit der Autor das auf Philon zurückgehende Motiv von Mose als Philosophen übernimmt. Bemerkenswerter ist, dass er Jesus selbst »tragfähige Definitionen der Philosophie (filosofūṯā)« zuschreibt, mit denen er »alle Arten von Wissenschaften (yulpānē), gleichsam als unterschiedliche Glieder einer Statue« vor den Gläubigen entworfen habe.18 Vermutlich bezieht sich die Stelle auf die alexandrinischen Definitionen der Philosophie und in diesem Kontext auf die Rolle des Quadriviums, welches mit ›Lehren‹ (yulpānē) gemeint sein dürfte.19 Dass diese direkt Jesus zugeschrieben werden, muss als pointierte Selbstdeutung des Barḥaḏbšabbā und seines schulischen Umfeldes gelten. Die rationale und vermittelbare Lehre ist in solchem Maße zum Inbegriff des Christentums geworden, dass Christus selbst in vorzüglicher Weise als Lehrer der Philosophie gesehen wird.20 Auch die hellenische Philosophie stellt für Barḥaḏbšabbā eine Abfolge von Schulen dar wie die biblische Tradition (und auch die Tradition der Zoroastrier). Als den Gründer der philosophischen Schulen sieht er Platon an und erwähnt ferner dessen Schüler Aristoteles, die Atomisten Demokrit und Epikur sowie die ›Physiker‹, d. h. die vorsokratischen Naturphilosophen.21 Seine kurzen, in der Tendenz gemischten und nur bedingt richtigen Nachrichten stammen weitestgehend aus der auf Syrisch vorliegenden ›Theophaneia‹ des Eusebios,22 von dem wohl  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  358, 6 Scher).  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  371, 7–10 Scher). 19   Vgl. oben S. 981. 20   Bildersprachlich ist das Motiv von Christus als Philosophen allerdings offenbar älter und weiter verbreitet: Vgl. E. Anagnostou-Laoutides, Drunk on New Wine (Acts 2:13). Drinking Wine from Plato to the Eucharist Tradition of Early Christian Thinkers, in: Ana­ gnostou-Laoutides  /  Parry (Hrsg.), Eastern Christianity and Late Antique Philosophy, 81– 109, hier 89. 21  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  364, 1–365, 12 Scher). 22   Vgl. Perkams, Ostsyrische Philosophie, 65. 17

18

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

auch die Idee übernommen ist, dass sich die Philosophie vor allem durch einen Wohlklang der Sprache auszeichne – den der Autor bei seinem eigenen Lehrer Ḥnānā in herausragender Weise findet.23

Die Rezeption von Philosophie und die versteckte Tendenz des Textes Während die bis jetzt genannten Texte einen relativ klassischen Gebrauch des Philosophie-Ideals bedeuten, das freilich durch die Verbindung mit Jesus besonders pointiert ist, gelangt man zu einem etwas anderen Ergebnis, wenn man die philosophischen Inhalte im Text näher studiert. Schon die Einleitung enthält nämlich umfangreiches und leicht erkennbares philosophisches Material, zu dem unter anderem eine Einteilung der Seelenvermögen im Anschluss an die neuplatonische Lehrtradition gehört.24 Sie ist Wort für Wort der Einleitung zum ›Kommentar an Theodoros‹ des Sergios von Rēšʿaynā zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ entnommen, an deren Text der Autor nur kleinere Änderungen vornimmt. Er ersetzt das Wort ›Philosophie‹ (filosofūṯā), durch welche nach Sergios eine Reinigung der Seelenteile erreicht werden soll, durch ›Intellekt‹ (maddʿā), worunter er das höchste Vermögen in unserer Seele versteht, die im Körper gefangen bzw. ›gebunden‹ ist.25 Dieser platonische Zug, der sich auch in der Annahme eines göttlichen ›Seelenfünkleins‹ zeigt,26 wird mit den ebenfalls platonischen Metaphern des Wagenlenkers (hēniōkhā) und des Steuermanns (qūbernēṭā) näher erläutert, die ihrerseits mit griechischen Fremdwörtern umschrieben werden, die wohl wiederum der ›Theophaneia‹ entnommen sind.27 Somit wird eine ausgeprägte Arbeit mit philosophischen Quellen und Motiven sichtbar, die von einem systematischen Gestaltungswillen gekennzeichnet ist. Letztens geht es Barḥaḏbšabbā um die Fähig Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  392, 1–5 Scher).   Thematische Übersicht: Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom, 130–150; vgl. auch M. Perkams, Das Wissen des Nichtwissens in der Schule von Nisibis. Philosophie in Barḥaḏbšabbā von Ḥalwāns ›Die Ursache der Gründung der Schulen‹ (um 590), in: Phasis 18 (2015), 166–190; Perkams, Ostsyrische Philosophie, 57–72; M. Perkams, Die Reisen des Intellekts in der ›Ursache der Gründung der Schulen‹ des Barḥaḏbšabbā (um 600), in: I. Männlein-Robert (Hrsg.), Seelenreise und Katabasis. Einblicke ins Jenseits in antiker philosophischer Literatur, Berlin  /  Boston 2021, 355–385. 25  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  341, 3–342, 7 Scher) zitiert Buch 1, 2 f. des ›Kommentar an Theodoros‹ (Mingana syr. 606, f. 53v–54r [syr.] / Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote, 191 [frz.]). Die im Hintergrund stehende Platon-Stelle ist Gorgias, 493a. Vgl. den Textvergleich bei Perkams, Ostsyrische Philosophie, 60 f.; 64 f. 26  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  340, 6 Scher): nuhrā ḏmaddʿā allahāyā. 27  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  341, 13 f. Scher), wohl mit Bezug auf Eusebius, Theophania 2, 26 (p.  160 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  92, 1–4 Gressmann [dt.]) und 2, 46 (p.  152 Lee [syr.]  /  GCS Eus. 3, 2, p.  100, 19 f. Gressmann); vgl. Perkams, Ostsyrische Philosophie, 61 mit Anm.  69. 23 24

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Philosophie-Ideal und Philosophie-Rezeption in syrischen Texten

keit der menschlichen Seele, sich selbst zu reinigen und so ihrem göttlichen Rang entsprechen zu können. Die Auslassung des Wortes Philosophie, das ja später in Verbindung mit Jesus wieder im Text auftaucht, eröffnet hier die Möglichkeit, eine Theorie der Seelenreinigung zu integrieren, die ihrerseits in philosophischer Tradition steht. Als Voraussetzung eines solchen Vorgehens betont auch Barḥaḏbšabbā die Rolle der Logik, deren Beschreibung er wiederum aus Sergios übernimmt, aber erzählerisch gestaltet.28 Letztlich bildet sie das Fundament für einen weiteren, umfassend philosophischen Inhalt aus derselben Quelle, nämlich die Idee eines Systems der Wissenschaften. Auch hierzu wird Sergios’ Text entsprechend adaptiert, indem an die Stelle der ›Wissenschaften‹ die ›Überlieferungen der Väter‹ treten. Zugleich tritt der Name Theodors von Mopsuestia, also des wichtigsten Repräsentanten der ostsyrischen Tradition, an die Stelle des Aristoteles, der ja bei Sergios der Sammler aller philosophischen Lehren ist.29 Indem schließlich diese Funktion auf Jesus übertragen wird, findet eine Transformation von Sergios’ PhilosophieIdeal auf den Unterricht einer christlichen Schule statt: Die Philosophie Christi, wie sie in Nisibis gelehrt wird, ist nicht weniger vollständig als die der Griechen, hebt sich aber durch Wiedergabe der wahren Lehre aufgrund der heiligen Schriften von ihr ab.

Würdigung Die ›Ursache der Gründung der Schulen‹ integriert und transformiert das von Sergios von Rēšʿaynā entworfene Philosophie-Ideal in ein Muster für einen philosophischen Schulbetrieb ostsyrischer Prägung: Die Philosophie, wie sie zusammen mit allen Wissenschaften von Jesus und von Theodor von Mopsuestia geordnet worden ist, besteht somit in einem Studium der gesamten eigenen Überlieferung, das zum Ziel der Reinigung der Seele führen wird. Die philosophischen Bestandteile dieses Modells werden weitgehend durch wörtliche Übernahmen in die eigene Lehre integriert, so wie Pseudo-Dionysios dies mit einem großen Teil proklischen Gutes gemacht hat. Wie bei diesem Proklos aus dem Text verschwindet, so tritt hier Aristoteles, um den es Sergios noch geht, völlig zurück und bleibt doch die prägende Gestalt der ganzen Synthese.

28

  Dazu ausführlich mit Textvergleichen Perkams, Die Reisen des Intellekts, 365–370 und 378–380. 29  Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum (PO 4, 4, p.  378, 9–379, 11 Scher) zitiert hier den Prolog des ›Kommentar an Theodoros‹ (Mingana syr. 606, f. 52rv = HugonnardRoche, La logique d’Aristote, 168).

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IX. »Die Mutter aller Künste«: Das Verhältnis der ­Philosophie zu den Fachwissenschaften

Die Verbindung der anderen Wissenschaften zur Philosophie bleibt im 6. Jahrhundert eng, wobei die aufgezeigten regionalen Unterschiede zu beachten sind: Während im lateinischen Raum die Logik unter dem Namen der ›Dialektik‹ in den Kanon der sieben freien Künste integriert ist und somit gleichrangig neben Grammatik, Rhetorik und den mathematischen Wissenschaften steht, bildet sich in Alexandrien ein Modell, das alle diese Wissenschaften (jedenfalls nominell) in einen philosophischen Bildungsgang ein- oder ihm unterordnet:1 Während die Grammatik allenfalls als Vorstufe gilt, wird die Rhetorik des Aristoteles als Teil des logischen Organons gesehen, und die Wissenschaften des Quadriviums machen diejenige Mathematik aus, die in aristotelischer Tradition in der Mitte zwischen Physik und Metaphysik in der theoretischen Philosophie angesiedelt wird. Dies führt faktisch dazu, dass viele Alexandriner auch mathematische Texte schreiben und jedenfalls einige, wie Horapollon und Philoponos, offenbar zugleich Grammatik lehren. Lediglich die Rhetorik scheint im griechischen Raum eine Selbständigkeit zu bewahren, wie sich z. B. an den Repräsentanten der Schule von Gaza zeigt. In Alexandria wird sie aber durchaus im Zusammenhang mit der Philosophie bzw. als deren Vorstufe weiter gelehrt,2 und ihr Prestige zeigt sich daran, dass Zacharias Rhetor seinen Freund Severos durch die glanzvolle Rhetorik Basileios’ des Großen auch zu dessen christlicher Überzeugung führen möchte.3 Im syrischen Bereich setzt sich diese Tradition z. B. mit rhetorischen und astronomischen Studien fort,4 die aber wohl nicht einen Rhetorikunterricht neben der Philosophie darstellen. Im Unterschied zu den genannten Disziplinen scheint die Rechtswissenschaft, die vorwiegend in Beirut zusammen mit den ›freien Lehren‹ (yulpānā ḥērāyā = ἐλευθερ(ί)α μαθήματα) gelehrt wird,5 weniger eng mit der Philosophie verbunden zu sein. Eine Sondersituation gibt es vor allem in der Medizin, die weder im Osten noch im Westen als Teil eines Ausbildungsgangs mit der Philosophie deklariert wird. Stattdessen wird offenbar zur Zeit des Ammonios, unter wesentlicher Mit1

  Vgl. oben S. 981.   Z. B. Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  11, 9 f. Kugener). 3   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  13, 1–7 Kugener). 4   Vgl. zu den mathematischen Disziplinen H. Hugonnard-Roche, Mathématiques en syriaque, in: Villey (Hrsg.), Les sciences en syriaque (Études syriaques 11), Paris 2014, 67–106; É Villey, Qennešre et l’astronomie aus VIe et VIIe siècles, in: Villey (Hrsg.), Les sciences en syriaque, 149–190. 5   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  9, 12 Kugener). Vgl. D. Liebs, Jurisprudenz, in: RAC 19 (2001), 604–638, hier 615–619. 2

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Das Verhältnis der ­Philosophie zu den Fachwissenschaften

wirkung des neuplatonischen Arztes Gesios – Zacharias Rhetor zufolge »der Lehrer derer, welche sich philosophisch um die Medizin bemühen« (τῶν ἰατρικὴν φιλοσφούντων διδάσκαλος)6 – ein eigenes medizinisches Curriculum fixiert, das aus dem Studium von 16 festgelegten Schriften Galens besteht.7 Inhaltlich schließt es sich entgegen den Thesen der Methodiker und Empiriker der dogmatischen Richtung der Medizin an.8 Es wird schon im 6. Jahrhundert auch in Ravenna unterrichtet9 und wirkt im Osten langfristig bis in die früharabische Zeit.10 Da dieses Curriculum häufig von Lehrern der Philosophie unterrichtet wird, ergibt sich eine enge Verbindung beider Disziplinen, welche an den Ärzten Sergios von Rēšʿaynā und Proḇā auch im syrischen Bereich noch sichtbar ist. Aber schon für die Zeit um 500 berichtet Zacharias Rhetor von einem Stephanos, der Philosophie und Medizin studiert habe.11 Auch für den ein Jahrhundert jüngeren Kommentator Stephanos ist wahrscheinlich, dass er zugleich Philosoph und Arzt ist.12 Gerade die Einführung ins alexandrinische Medizinstudium lehnt sich methodisch und formal eng an den Philosophieunterricht an, was sich in den erhaltenen Kommentaren zu Galens ›Über die Sekten‹ (›De sectis‹) zeigt: Ihre Einleitungen gehen in acht Punkten definitorisch den Status der Medizin durch und ganz ähnlichen Fragen nach, wie sie in den philosophischen Einführungen behandelt werden.13 Dass dabei auch die Philosophie explizit behandelt wird, zeigt sich an der einzigen auf Griechisch erhaltenen Einführung in diese Galenschrift, die sich auf einem Papyrus des späten 6. oder frühen 7. Jahrhundert aus dem ägyptischen Hermupolis erhalten hat.14 Der Autor, vielleicht Archelaos,15 beginnt hier den Kurs der Medizin für deren ›Liebhaber‹ (Τοῖς τῆς ἰατρικῆς ἐρασταῖς) mit einem Nachweis von deren Natur. Diese erweise sich durch eine Definition, welche ihrerseits wieder auf die Materie und das Ziel der Medizin eingehen müsse.16 Dies wird 6

  Zacharias Rhetor, Ammonius (107, 363 f. Minniti Colonna). Zu Gesios, seiner didaktischen Exzellenz und seiner Nähe zur hellenischen Philosophie vgl. Zacharias Rhetor, Ammonius (107, 361–364 Minniti Colonna); Damascius, Vita Isidori, frg.  335 (265, 7–28 Zintzen). 7   Ḥunayn ibn Iṣḥāq, Epistula, 4–20 (5, 18–19, 5 [arab.]  /  p. 4–15 [dt.] Bergsträsser). Vgl. Overwien, Medizinische Lehrwerke, 9–18. 8   Vgl. Overwien, Medizinische Lehrwerke, 33 f. 9   Vgl. D. Manetti, Commentarium in Galeni ›De sectis‹, in: Corpus dei papiri filosofici Greci e Latini 3 (1995), 19–38, hier 24–26, mit einer Liste der auf Griechisch und Lateinisch erhaltenen Textbeispiele; Overwien, Medizinische Lehrwerke, 22–26. 10   Vgl. Overwien, Medizinische Lehrwerke, 26–30, mit Auflistung der bis jetzt bekannten arabischen Textbeispiele. 11   Zacharias Rhetor, Vita Severi (PO 2, 1, p.  43, 8 f.; vgl. p.  39, 3 Kugener). 12   Vgl. Tornau, Stephanos, 2097 f. 13   Vgl. Overwien, Medizinische Lehrwerke, 18 f., 27 und 31 f. 14   Ediert von Manetti, Commentarium in Galeni ›De sectis‹, 19–38. 15   Der Name des Autors in der Titelzeile ist nur teilweise lesbar, vgl. Manetti, Commentarium in Galeni ›De sectis‹, 24. 16   Archelaus (?), In De sectis, col. A, 1–36 (31 f. Manetti).

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

an verschiedenen Wissenschaft durchdekliniert, u. a. der Grammatik, die anhand der acht Teile des Satzes auf den ›griechischen Charakter der Sprache‹ (τὸν τῆς φωνῆς ἑλληνισμόν) abziele, und der ›Rhetorik‹, welche über eine Kenntnis des Politischen und Privaten zum ›Hersteller von Überredung‹ (πειθοῦς δημιουργός) werden wolle, bevor auch zwei Definitionen der Philosophie, der ›Mutter aller Fertigkeiten‹ (ἡ πασῶν τῶν τέχνων μητήρ), gegeben werden: Von ihrer Materie her beziehe sie sich auf alles Seiende und sei daher eine ›Erkenntnis des Seienden qua (γνῶσις τῶν ὄντων ᾗ ), vom Ziel eher auf das ›Ähnlichwerden‹ mit Gott (τὸ ὁμοιοθῆναι θέῳ).17 Derselbe Aufbau wird durch mehrere lateinische Parallelen bestätigt, bei denen freilich teils die Definition als ›Ähnlichwerden mit Gott‹ durch diejenige als ›Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge‹ ersetzt wird. Auch sonst zeigt sich in ihnen eine Gliederung, die eher Elias’ und Davids Einführung zu den ›Kategorien‹ ähnelt, während der auf Griechisch erhaltene Papyrus näher an Ammonios steht.18 Derartige Beispiele unterstreichen, dass Damaskios und Zacharias Rhetor nicht zufällig von einigen ›Philosophen‹ berichten, die als Grammatiker und Ärzte aktiv sind.19 Gerade die medizinischen Texte zeigen die tiefe Verbindung von Philosophie und Medizin am Ende der Antike, welche auf die großen Arztphilosophen der arabischen Welt – al-Fārābī, Ibn Sīnā, Maimonides – ausstrahlt, denen unsere Autoren in der Begeisterung der Philosophie vorangehen, die sie gerade als Lehrer der Medizin ihren Schülern von Beginn an vermitteln.

17

  Archelaus (?), In De sectis, col. B, 5–38 (32 f. Manetti).   Vgl. Manetti, Commentarium in Galeni ›De sectis‹, 24–29. 19   So wird in der ›Vita Severi‹ Horapollon von Zacharias Rhetor meist als Grammatikos bezeichnet (PO 2, 1, p.  14, 2; 15, 6 Kugener), manchmal aber auch als Philosoph: Vita Severi (PO 2, 1, p.  27, 12 Kugener; s. oben 953); 32, 12 f. 18

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X. Zusammenfassende Würdigung

Auch in dieser Zusammenfassung sollen wiederum zunächst die Einzelaspekte des Philosophiebegriffs zusammengefasst werden (1.), bevor die philosophische Entwicklung der Zeit insgesamt analysiert wird (2.).

1. Aspekte des Philosophieverständnisses Philosophiebegriffe und Kategorisierungen der Philosophie Von großer Bedeutung ist das 6. Jahrhundert für den Philosophiebegriff und die Einteilung der Philosophie, wobei die Leistung des Zeitalters in erster Linie in der Klassifizierung und Aktualisierung des Materials liegt. Zugleich bringt es aber mit Boethius’ ›Trost der Philosophie‹ die wohl eindrucksvollste literarische Darstellung des Philosophie-Ideals aus der späteren Antike hervor. In syrischer Sprache findet das Philosophie-Ideal in den Vorworten des Sergios von Rēšʿaynā und Pauls des Persers zu ihren logischen Werken beredten Ausdruck.

Philosophiebegriff und Definitionen von Philosophie Eine große Rolle spielen die sechs traditionellen Definitionen von Philosophie, die einen wesentlichen Teil des Einleitungsmaterials ausmachen, seit Ammonios Hermeiou sie erstmalig als eine Liste zusammenstellt: 1. Kenntnis des Seienden qua Seiendes. 2. Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge. 3. Ähnlichwerden mit Gott, soweit es dem Menschen möglich ist. 4. Sorge um den Tod. 5. Fertigkeit der Fertigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften. 6. Liebe zur Weisheit. Diese Definitionen betonen entweder eher die theoretische (1, 2, 5) oder die praktische Dimension der Philosophie (3, 4) und bieten somit eine Fülle von Identifikationsmöglichkeiten, während sie das philosophische Erbe breit rezipieren: Die theoretischen Definitionen 1. und 5. sind von ihrem Ursprung her aristotelisch, die eher auf ein gutes Leben abzielenden 3., 4. und wohl auch 6. sind platonisch, 2. ist stoisch. Allerdings variieren die Zuschreibungen der Definitionen in den einzelnen Texten des 6. Jahrhunderts. 1107

Philosophie in der Ausgehenden Antike

Diese Fülle nebeneinander bestehender Definitionen von Philosophie kon­ tras­tiert auffällig zu dem Fokus auf je eine bevorzugte Definition, wie sie in der vorhergehenden Zeit zu beobachten ist, nämlich entweder (in der hellenistischen und Kaiserzeit) Definition 2. oder (in der Spätantike) 3., neben denen insbesondere 4. dauerhaft in verschiedenen Kontexten rezipiert wird. Auffällig ist ferner, dass die aristotelisch inspirierten Definitionen 1. und 5. im Kanon auftauchen, womit das aristotelische Konzept von Metaphysik als Seinslehre auf die ganze Philosophie ausgeweitet wird. Zusammen mit der ebenfalls wieder stärker beachteten Definition 2. führt dies dazu, dass die Philosophie insgesamt stärker als theoretisches Unterfangen behandelt wird, was dem Rahmen einer schulischen Wissensvermittlung vor größeren Auditorien, wie er sich im 6. Jahrhundert abzeichnet, durchaus entspricht. Die Rezeptionsgeschichte erlaubt einige weitere Beobachtungen: Der gesamte Katalog wird innerhalb der alexandrinischen Lehre von Elias und David wiederholt und, mit der Übersetzung des Letzteren, auch ins Armenische übernommen. Zu Beginn des Medizinstudiums beschränkt man sich hingegen auf Definition 1. sowie entweder 2. oder 3. Im Syrischen finden sich bei Pseudo-Michael Bādōqā, dessen Vorlage dank der Parallelen bei Paul dem Perser wohl ins 6. Jahrhundert datiert werden kann, die Definitionen 1.–5. und erst spät bei Severos bar Šakkō, der aber einer früheren Quelle folgen muss, alle sechs Definitionen. Dagegen nennt Sergios von Rēšʿaynā nur 1. als Philosophiedefinition, 3. hingegen in verdeckter Weise, offensichtlich im Sinne einer seinen Interessen entsprechenden Verbindung von Philosophiedefinition, Seelenlehre und mystischem Aufstieg. Paul der Perser gibt nur 1. (unter Verwendung von Motiven von 2.), 5. und 3. Im Lateinischen liefert, abgesehen von den medizinischen Autoren, lediglich Cassiodor einen Katalog, der aus 2. (unter Aufgriff der Formel »soweit es dem Menschen möglich ist« aus 3.), 5. und 4. besteht, wobei besonders die letzte Definition dezidiert christlich umgedeutet wird. Paul und Cassiodor akzeptieren also eher die theoretischen Funktionen der Philosophie, gehen hingegen bei den platonischen praktischen Anteilen selektiv vor. In allen Sprachen ist die etymologische Definition 6. bekannt, was vielleicht der Grund dafür ist, sie in den abgekürzten Listen der Übersetzer nicht eigens zu wiederholen.

Einteilung der Philosophie Während die Liste von Definitionen gerade im Übersetzungsprozess in andere Sprachen etwas schwankt, bleibt die Einteilung der Philosophie auffällig konstant. In den Einführungen in die Philosophie tritt an die Stelle der aristotelisch-platonischen Drei- oder Vierteilung in Ethik, (Logik,) Physik und Metaphysik  /  Theologie eine aristotelische Einteilung in theoretische und praktische Philosophie sowie ihre Unterteilungen in Physik, Mathematik und Metaphysik  /  Theologie bzw. Ethik, Politik und Ökonomik. Die Alexandriner führen als 1108

Zusammenfassende Würdigung

alternative Einteilung der praktischen Philosophie die ursprünglich platonische Einteilung in einen gesetzgebenden und einen rechtsprechenden Teil ein, doch fehlt dieser Zusatz in der Übersetzungsliteratur z. B. bei Boethius, Paul dem Perser und Cassiodor, während er bei Sergios von Rēšʿaynā erhalten ist. Die Einteilung des Boethius, die wohl einer aristotelischen und keiner (neu-)platonischen Quelle folgt, zeigt allerdings, dass so komplette Schemata, wie wir sie von Ammonios und seinen Nachfolgern kennen, schon im älteren Aristotelismus vorkommen, von wo wir wenig Überlieferung haben. Die ältere Drei- bzw. Vierteilung der Philosophie wird in Texten, die nicht unmittelbar eine einleitende Klassifizierung der Disziplinen beabsichtigen, allerdings weiterhin verwendet, z. B. bei Ammonios in platonischem Sinne und bei Zacharias Rhetor sowie Sergios von Rēšʿaynā im Sinne eines christlichen Aufstiegsschemas. Bei diesen christlichen Autoren spielt auch die Unterscheidung von Theorie und Praxis als den beiden Arten der Philosophie eine große Rolle. Eine Besonderheit der ammonianischen Tradition in griechischen und syrischen Texten betrifft die Behandlung der Mathematik: Diese wird im aristotelischen Sinne als eine Disziplin der theoretischen Philosophie verstanden, die zwischen Physik und Metaphysik angesiedelt ist. Dadurch aber, dass sie mit den ›Lehren‹ (μαθήματα) Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie, also Boethius‹ Quadrivium, identifiziert wird, werden auch diese Disziplinen ihrerseits als Teil der Philosophie klassifiziert, während sie in der älteren platonischen Tradition meist als Vorstufen zu ihr gelten, so wie es bei Boethius noch zu finden ist. Die lateinische Zusammenstellung der sieben freien Künste bestimmt das Verhältnis von Quadrivium und Philosophie überhaupt anders als die an Alexandrien orientierte syrische Tradition, was dadurch noch verstärkt wird, dass Cassiodor die Philosophie als Ganze im Rahmen der Dialektik behandelt, d. h. sie nicht mehr als Ziel der freien Künste, sondern als eine von ihnen darstellt.

Die Logik: Teil oder Werkzeug der Philosophie? Obwohl die Logik nur in dieser Kurzeinteilung ein Teil der Philosophie genannt wird – wenn Proḇā sie zum theoretischen Teil einer Fertigkeit rechnet, ohne die Philosophie zu erwähnen, mag man dies immerhin impliziert sehen –, taucht die Frage, ob sie ein Teil oder ein Werkzeug ist, bei praktisch jedem spätantiken Philosophietheoretiker auf. Während sich allerdings alle einig sind, dass die Logik nicht mit den Stoikern als Teil der Philosophie betrachtet werden darf, zeigt sich im Übrigen ein interessanter Akzentunterschied: Laut Ammonios und allen Alexandrinern außer Elias sowie laut Boethius ist die Logik, gemäß der Platon bzw. den Platonikern zugeschriebenen These, sowohl ein Teil als auch ein Werkzeug der Philosophie. Nur bei den Christen Sergios von Rēšʿaynā und dem recht unklaren Elias ist sie ausschließlich Werkzeug. Bei Sergios zeigt sich hier wohl ein pointierter Aristotelismus, der auf Platonisches verzichten möchte. 1109

Philosophie in der Ausgehenden Antike

Ansonsten wirken diese Diskussion und die Listen von Teilen der Philosophie, welche die Logik gar nicht nennen, schon deswegen paradox, weil die Vermittlung von Fachphilosophie besonders im nichtgriechischen Bereich faktisch fast ausschließlich auf die Logik beschränkt zu sein scheint und diese, z. B. bei Sergios dem Grammatiker, auch als ›Philosophie‹ apostrophiert und mit dem Namen Aristoteles verbunden wird. In syrischen, armenischen und lateinischen Texten wird die Notwendigkeit der Logik für die Unterscheidung zwischen wahren und falschen Aussagen stets betont, zugleich aber eine vollständige Liste von Teilen der Philosophie geliefert, die gar nicht Gegenstand der anschließenden Ausführungen sind. Diese Paradoxie ist bei Paul dem Perser am auffälligsten, wo die Einteilung der Philosophie in der Einführung in ein Handbuch der Logik auftaucht. Dagegen ist sie bei den Alexandrinern und Sergios weniger eklatant, weil die Ersteren ja tatsächlich die ganze Philosophie unterrichten und Sergios die Logik immerhin als Werkzeug zu einer evagrianischen Theorie und Praxis verstehen kann.

Die Einteilung der Logik und ihre curriculare Bedeutung Während die Definitionen und Einteilung der Philosophie also mit der faktischen Lehrpraxis wenig zu tun zu haben scheinen, ist dies bei den Einteilungen der Logik anders: Sie erweisen sich als Schlüssel zum Verständnis einer weitgehenden Konzentration der erhaltenen griechischen Texte, der Übersetzungen und der Rezeption philosophischer Inhalte auf ›Eisgagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹ und zeigen, dass dahinter ein in allen Teilen der mediterranen Welt bekanntes curriculares Programm steht. Auszugehen ist von Diskussionen über den Umfang des Organons, die auf Griechisch, Syrisch und Armenisch erhalten sind: Während Ammonios und Sergios von Rēšʿaynā ein fünf- bzw. sechsteiliges Organon aus ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹, ›Analytica priora‹, ›Analytica posteriora‹, ›Topik‹ und ›Sophistici Elenchi‹ vertreten, wobei der Status der ›Rhetorik‹ offen bleibt, findet sich erstmals bei Philoponos und dann bei Elias, David und Paul dem Perser die Idee eines achtteiligen Organons, das auch ›Rhetorik‹ und ›Poetik‹ mit einschließt. Dieser Gesamtkomplex wird leicht unterschiedlich eingeteilt, und zwar grundsätzlich in die »vorbereitenden« Teile des Organons, den apodeiktischen Hauptteil und denjenigen Teil, in dem mehr oder weniger fehleranfällige Syllogismen behandelt werden. Einigkeit besteht weiter darüber, dass die ›Analytica posteriora‹ als Modell der demonstrativen Wissenschaft bzw. Apodeiktik in den Hauptteil gehören, der zumindest bei Elias zeigt, was im eigentlichen Sinne Philosophie ist. Die ›Topik‹, welche die dialektischen, plausiblen Schlüsse lehrt, und die ›Sophistici elenchi‹, die für täuschende Fehlschlüsse zuständig sind, gehören in den dritten Teil. Soweit ›Rhetorik‹ und ›Poetik‹ zum Organon gezählt werden, sind sie für die ›überzeugenden‹ und ›auf die Vorstellung bezogenen‹ Syllogismen zuständig und gehören ebenfalls zu diesem Teil. Das letztere Schema gewinnt in der Folgezeit dadurch 1110

Zusammenfassende Würdigung

beträchtliche wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung, dass es über Paul den Perser die Bagdader Aristoteliker erreicht, wo al-Fārābī es zur Grundlage der Darstellung der Logik in seinem ›Katalog der Wissenschaften‹ macht und folglich die Philosophie als apodeiktische Wissenschaft charakterisiert. Im lateinischen Sprachraum scheint das Schema hingegen erst mit der Übersetzung des ›Katalogs der Wissenschaften‹ Ende des 12. Jahrhunderts bekannt zu werden.1 Für das 6. Jahrhundert ist hingegen der erste Teil des so definierten Organons zentral: Denn alle Autoren außer Sergios von Rēšʿaynā und David, welche beide ›Analytiken‹ zur Apodeiktik rechnen, lassen den vorbereitenden Teil aus ›Eisagoge‹, ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹ bestehen, die respektive für die Hinführung, die einfachen Termini, die Sätze und die Schlüsse einschlägig sein sollen. Dass dieses Schema, das den Umfang der Übersetzungen der Zeit erklärt, älter als Ammonios ist, zeigt neben Boethius, der es wahrscheinlich aus anderer Quelle kennt, insbesondere Martianus Capella, wenn er genau die genannten Themen im Rahmen der ›Dialektik‹ unter den sieben freien Künsten behandelt.2 Vermutlich liegt das Schema schon dem lateinischen Logik-Curriculum des Marius Victorinus zugrunde, so dass es bereits bei Alexander, Porphyrios oder Themistios vorhanden sein könnte. Nimmt man all dies zusammen, kann die von Aydin für Sergios von Rēšʿaynās Übersetzungsprojekt dargestellte Motivlage3 auf einer deutlich breiteren Basis bestätigt werden: Die Übersetzer des 6. Jahrhunderts stellen ihren Lesern Text und Kommentar genau der Werke zur Verfügung, die, als erster und basaler, gleichsam ›vorphilosophischer‹ Teil des Organons als grundlegend für jegliches wissenschaftliche Arbeitens gelten und sowohl in der Medizin als auch in der Theologie des 6. Jahrhunderts angewandt werden. Dieses aristotelische Modell einer philosophischen Wissenschaftspropädeutik verdrängt auch im lateinischen Westen die stoischen Ansätze einer Propädeutik, die dort noch bei Augustinus vorherrschend sind. Es wäre verfehlt, das Schema als solches als eigenständiges philosophisches Projekt zu verstehen. Vielmehr reagieren die darauf konzentrierten Arbeiten offensichtlich auf einen gefühlten Bedarf und zumindest teilweise auf konkrete Arbeitsaufträge. Ihre Autoren wie Sergios, Paul der Perser und auch Boethius lassen sich aber die Gelegenheit nicht entgehen, Werbung für ihr philosophisches Ideal zu machen, dessen Umfang sie aus den alexandrinischen Einführungsvorlesungen kennen. Die Breite, in der sie die Philosophie darstellen, wird aber zu ihrer Zeit, außerhalb der engeren neuplatonischen Schultradition, allenfalls in Boethius’ ›Trost der Philosophie‹ sowie in den christlich überformten Metaphysiken des Pseudo-Dionysios, des Sergios von Rēšʿaynā und der Schule von Nisibis ausgeführt. Gleichwohl legen die Autoren der Zeit gerade durch ihre klassifikatorischen 1

  Vgl. Alpharabius, De scientiis secundum versionem Dominici Gundisalvi (p.  128–141 Schneider). 2   Vgl. oben S.  905  f. 3   Vgl. oben S. 966 mit Anm. 133.

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Schriften die Grundlage für einen breiteren Neubeginn fachphilosophischer Aktivität im arabischen wie im lateinischen Raum und legen dessen Konturen durch ihren Fokus auf Aristoteles mit fest.

Philosophie und Religion Im Hinblick auf das Verhältnis von Philosophie und Religion lässt sich im Laufe des 6. Jahrhunderts durchaus eine Entwicklung konstatieren: Findet sich am Anfang der Epoche bei Christen wie Hellenen noch die Idee einer engen Verbindung von wahrer Philosophie mit Religion, so lässt sich dies am Ende nur noch ganz im syrischen Raum feststellen, während gleichzeitig der Gebrauch philosophischer Methodik in christlichen Kontexten eine formelle Unterordnung der als Logik verstandenen Philosophie unter christliche Interessen andeutet.

Hellenische und ägyptische Kulte Um 480 kann man das Bemühen der hellenischen Philosophen um die Fortführung der Kulte in den Quellen noch klar erkennen: Die Lebensbeschreibungen des Heraïskos und Asklepiades bei Damaskios bzw. in der Suda heben ebenso wie Damaskios’ eigene Bemerkungen zum Thema deren Bemühen um das ägyptische Erbe ausdrücklich hervor. Auch das ›Leben des Severos‹ des Zacharias Rhetor bezeugt die Nähe der Philosophen (oder Philosophie-affinen Hellenen) Asklepiodot der Ältere und der Jüngere zu den alten Kulten, sowohl in Karien als auch in Ägypten. Von diesen Aktivitäten hören wir später nicht mehr viel, was sicherlich damit zu tun hat, dass sich die hellenische philosophische Erklärung der Religion nach der Schließung der Athener Schule in den Untergrund verlagert oder ganz zum Erliegen kommt. Vor dem Hintergrund dieser Spannungssituation überrascht es nicht, dass die Philosophen über die Christen weiterhin häufig nur in Ausdrücken wie »die herrschende Ansicht«4 (ἡ κρατοῦσα δόξα), oder »die Vielen«5 (οἱ πολλοί) sprechen.

Christentum Auch im Christentum geht die Entwicklung auseinander: Bei Aineias von Gaza und vor allem bei Zacharias Rhetor steht die Idee einer christlichen Philosophie 4

  Agathias, Historiae 5, 30 (80, 11 Keydell); Damascius, Vita Isidori, frg.  316 (251, 13 f Zintzen). 5   Damascius, Vita Isidori, frg.  147 (129, 10 Zintzen); weiteres: Von Haehling, Heiden im griechischen Osten, 66–68.

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Zusammenfassende Würdigung

in voller Blüte, wobei die Kirchenväter den theoretischen Part übernehmen sollen. Insbesondere wird die praktische Philosophie der Christen aber im Mönchstum gesehen. In anderen griechischen Texten werden philosophische Einflüsse hingegen eher verschwiegen: Johannes Philoponos, Pseudo-Dionysios und Johannes von Skythopolis setzen sich zwar intensiv mit Philosophie auseinander und integrieren stillschweigend oder auch öffentlich philosophische Inhalte in ihre eigenen Darstellungen des Christentums. Positive Erwähnungen einer christlichen Philosophie sind jedoch rar und gewinnen jedenfalls keine programmatische Relevanz. Offenbar ist eine positive Aufnahme des Philosophie-Ideals nicht mehr opportun. Dies könnte durchaus mit dem Erfolg der hellenischen Philosophie unter Proklos und Damaskios zu tun haben, auf welche die Christen entweder mit stillschweigender Aneignung oder kompletter Ablehnung dieses Ideals reagieren. Symptomatisch sind in diesem Zusammenhang wohl die Aufforderungen des ›Dionysios‹ und Sergios von Rēšʿaynā, schwierige Lehren erst zu verstehen, bevor man sie verurteilt. Nicht unähnlich stellt sich die Situation im westsyrischen Raum dar. Zwar findet sich hier zunächst keine emphatische Aufnahme des Philosophie-Ideals. Selbst der Philosophie-Enthusiast Sergios von Rēšʿaynā schildert in seinem ›Kategorien-Kommentar An Theodoros‹ die philosophischen Lehren immer im Namen ›der alten Philosophen‹. Aber der philosophische Aufstieg von der Ethik über die Naturphilosophie zur Metaphysik und die damit verbundene Idee eines Wissens von allem ist, dank der Aufnahme des Evagrianismus, bei Philoxenos von Mabbug, Sergios von Rēšʿaynā und im Buch ›Hierotheos‹ sehr präsent, doch wird sie nicht mit dem Wort ›Philosophie‹ verbunden. In zwei späten ostsyrischen Texten geschieht hingegen genau das: Sowohl Paul der Perser als auch die ›Ursache der Gründung der Schulen‹ des Barḥaḏbšabbā sprechen ganz offen von Philosophie als Ideal und finden sie sogar in der Bibel wieder, und zwar noch eindeutiger, als dies im griechischen Sprachraum je üblich war, insbesondere wenn Barḥaḏbšabbā das Philosophie-Ideal Jesus selbst zuschreibt und somit zum Vorbild der eigenen Arbeit erklärt. Zu beachten ist, dass es hierbei weniger wie bei den anderen Christen um eine mystische Erfahrung geht als um die Deutung wissenschaftlicher Arbeit unter christlichen Vorzeichen als Philosophie. Eine weitere Ebene christlicher Philosophie-Rezeption ist die Aufnahme der philosophischen Logik in den innerchristlichen Diskurs, die, im Anschluss an das Vorgehen vor allem des Kyrill von Alexandrien, im 6. Jahrhundert bedeutend zunimmt und zu einer niveauvollen Debatte führt, an der neben christlichen Dogmatikern miaphysitischer und neuchalkedonensischer Prägung auch die Philosophen Boethius und Johannes Philoponos mit z. T. bemerkenswerten Beiträgen teilnehmen. Für die Philosophiegeschichte liegt die Bedeutung dieser Debatte insbesondere darin, dass sie die Entwicklung der Philosophie zu einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin innerhalb einer christlichen Ausbildung fördert. Dies zeigt sich namentlich, wenn Severos von Antiochen sie als eine ›Dienerin‹ der christlichen Lehre bezeichnet und damit ein traditionelles Motiv in dem Sinn umdeutet, in dem es im Mittelalter bedeutend bleiben wird. 1113

Philosophie in der Ausgehenden Antike

Philosophie und Politik Bemerkenswert lebendig ist im 6. Jahrhundert die Idee einer Verbindung von Philosophie und politischem Engagement. Das zeigen sowohl der Dialog ›Über die politische Wissenschaft‹ als auch das Selbstzeugnis des Boethius, aus philosophischer Überzeugung heraus politische Ämter zu übernehmen. Aber auch in den Zirkeln der Neuplatoniker scheint es noch im 5. Jahrhundert auch politisches Engagement bis hin zur Nähe zu Revolten zu geben, wie Damaskios zumindest andeutet. Nach den Verfolgungen von Philosophen, die hierauf folgen, nimmt Simplikios einschlägige Ausführungen des Epiktet zum Anlass für eine Reflexion darüber, wie sich der Philosoph unter ungünstigen Umständen zu verhalten habe – eine Frage, die gerade im arabischen Diskurs bei al-Fārābī und Ibn Bāğğa (›Avempace‹) wieder auftauchen wird.6

Die Stellung der Philosophie im Wissenschaftssystem Philosophie und Fachwissenschaften Die Stellung der Philosophie zu den Fachwissenschaften erlangt im interdisziplinären Alexandriner Lehrbetrieb offensichtlich große Bedeutung. Dies bildet sich in den aus Alexandria stammenden Listen von Teilen der Philosophie ab, die Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie in die philosophische Lehre einbeziehen. Demgegenüber zählt die lateinische Bildungstradition der sieben freien Künste diese Disziplinen gerade nicht zur Philosophie, sondern spätestens bei Cassiodor wird diese selbst als eine der sieben (präparatorischen) Wissenschaften angesehen, die die wissenschaftliche Grundbildung herstellen. Medizin und Recht stehen überall außerhalb des philosophischen Curriculums, doch ist gerade Erstere auf das engste mit der Philosophie verbunden und wird in Alexandrien von philosophischen Lehrern ebenfalls unterrichtet. Die Folgen zeigen sich in den programmatischen Aussagen des Sergios von Rēšʿaynā zu Beginn seines ›Kategorien-Kommentars‹, denen zufolge die Bedeutung der aristotelischen Philosophie gerade darin liegt, die wissenschaftliche Anordnung des Stoffes, wie sie sich bei Galen findet, verständlich zu machen. Das Interesse an der Philosophie bei ihrem ersten Vermittler ins Syrische liegt also ausdrücklich in ihrer Bedeutung für andere Wissenschaften.

6   Vgl. Avempace, Regula solitarii (p.  181–237 Schupp) sowie F. Schupp, in: Avempace, Die Richtschnur des Einsamen, 91–101, 145–154.

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Zusammenfassende Würdigung

Philosophie und Rhetorik Obwohl die Berichte der Zeit erkennen lassen, dass Grammatik und Rhetorik verbreitet gelehrt werden und obwohl z. B. die rhetorische Schule in Gaza auch einiges Prestige genießt, spielen Auseinandersetzungen mit der Rhetorik und Vergleiche zwischen ihr und der Philosophie im Schrifttum des 6. Jahrhunderts kaum mehr eine Rolle. Innerhalb der Philosophie zeigen sie sich vor allem in der erwähnten Debatte über den Umfang des Organons, welche die Frage einschließt, ob die Rhetorik im aristotelischen Sinne Teil der philosophischen Logik ist. Ihre Bejahung durch späte Lehrer wie Elias kontrastiert wiederum zur Positionierung der Rhetorik neben der Philosophie in den sieben freien Künsten des lateinischen Wissenschaftsideals, in der sich die besondere Hochschätzung der Rhetorik bei den Lateinern seit Cicero widerspiegelt, die aber von den griechischen Fachphilosophen nicht im gleichen Umfang geteilt wird.

2. Die Entwicklung der Philosophie im 6. Jahrhundert: ­Zusammenfassende Erklärungen Zu Beginn dieses Kapitels bin ich von vier Charakteristika der Philosophie in der Ausgehenden Antike ausgegangen: 1. der stärkeren Beschäftigung mit Aristoteles, wenn auch unter platonischen oder christlichen Vorzeichen; 2. der stärkeren Zuwendung zur Logik, die vor allem in der Übersetzungsliteratur sichtbar wird; 3. der christlichen Philosophiekritik mit einer rein philosophischen Methodik; und 4. der intensiven Rezeption philosophischer Inhalte durch Christen in ungewöhnlichen Textformen, entweder in Form verdeckter Zitation (z. B. Pseudo-Dionysios) oder in eher spielerischer literarischer Weise (Boethius, ›De consolatione philosophiae‹). Vor dem Hintergrund der Durchsicht der Texte können nun diese Punkte abschließend etwas genauer gefasst werden. 1.  Hinsichtlich des Aristotelismus scheint die Lehraktivität des Ammonios in Alexandrien von besonderer Bedeutung zu sein: Sein jahrzehntelanges Wirken begründet offenbar die Fokussierung auf Aristoteles im alexandrinischen Schulbetrieb und trägt wohl auch zur vermehrten Auseinandersetzung der Athener Neuplatoniker mit Aristoteles bei, die sich dabei stärker an Jamblich als an Proklos (und seinem Schüler Ammonios) orientieren. Ammonios führt auch seine christlichen Hörer, soweit sie sich mit der Philosophie der Hellenen beschäftigen, zu Aristoteles hin: Johannes Philoponos, Zacharias Rhetor und der ›nestorianische‹ Anonymus setzen sich im Wesentlichen mit Aristoteles’ Naturphilosophie auseinander; Sergios von Rēšʿaynā preist als erster philosophisch arbeitender Autor seit langem wieder Aristoteles, ohne Platon auch nur zu nennen, und folgt ihm z. B. im Hinblick auf die Stellung der Logik auch gegen Ammonios. Seine 1115

Philosophie in der Ausgehenden Antike

Haltung, die sich im Bild von Aristoteles als dem Systematisierer aller Wissenschaften ausdrückt, findet im 6. Jahrhundert bei Paul dem Perser und Cassiodor eine Fortsetzung. Diese Philosophie-interne Dynamik im Anschluss an die Lehre des Ammonios ist nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr dürften z. B. eine Skepsis vieler Christen gegenüber dem mit paganer Religion verbundenen Platonismus, der politische Druck gerade auf die Platoniker sowie das Interesse an einer fundierten Einleitung in die Wissenschaft, die anhand von Aristoteles überzeugend geleistet werden kann, eine Rolle spielen. Unter diesen Bedingungen weist Ammonios mit der Fokussierung auf Aristoteles einen Weg, auf dem die Philosophie unter den Bedingungen der Zeit attraktiv bleiben kann, und zwar gerade, weil sie als Logik einen methodischen Nutzen nicht nur für Fachphilosophen besitzt. 2.  Die Bedeutung der Logik wird in den Quellen mit einer ganzen Reihe von Zusammenhängen verbunden: a)  Sergios von Rēšʿaynā betont dezidiert den Nutzen aristotelischer Studien für die Galen-Lektüre, und dies ist wohl auch die Perspektive von Pseudo-Elias und den Verfassern der alexandrinischen Einführungen in Galens ›Über die Richtungen‹ (›De sectis‹). Eine Reflexion dieser Entwicklung ist die Bezeichnung der Philosophie als »Mutter aller Fertigkeiten«, die mit der Logik sich selbst und allen anderen Wissenschaften und Künsten ein Werkzeug geschaffen habe, wie es der Aristoteles-Kommentator Proḇā prägnant ausdrückt. Damit fasst er die Chancen, die sich der Tradierung von Philosophie zu seiner Zeit dank ihrer Methodenkompetenz bieten, pointiert zusammen. b)  Für den lateinischen Raum ergibt sich die Bedeutung der Logik aus ihrer Zugehörigkeit zu den sieben freien Künsten unter dem Namen ›Dialektik‹; da diese dem Quadrivium mathematischer Disziplinen (Geometrie, Arithmetik, Musik, Astronomie) unmittelbar vorangeht, dürfte sie zunächst für diese nützlich sein, ist aber zugleich auch Bildungsgut sui generis. c)  Der Philosophie dient die Logik vor allem laut der alexandrinischen Lehrtradition, welche ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹ zusammen mit der ›Eisagoge‹ als Vorbereitung der apodeiktischen, dialektischen oder sophistischen Wissenschaftsmethodik ansieht. Diese soll zur Philosophie, innerhalb ihrer aber ebenfalls zum Quadrivium, hinführen. Auch Sergios von Rēšʿaynā sieht die Logik als Vorbedingung für seine Vorstellungen von (christlich gewendeter) theoretischer und praktischer Philosophie, d. h. eine Art intellektuell fundierter Mystik, an. Ähnliche Modelle entwickelt man in der Schule von Nisibis. d)  Für Paul den Perser im multireligiösen Sassanidenreich sind die Grundlagen der Logik die Vorbedingung dafür, Fragen im Diskurs klären zu können, was offensichtlich am dortigen Königshof tatsächlich in Form von Debatten geschieht. e)  Die begriffsklärende Rolle der aristotelischen Philosophie – gemeint ist konkret die Logik – in der Christologie wird erstmalig von dem miaphysitischen Grammatiker Sergios um 515 direkt ausgesprochen, worauf sein Briefpartner Se1116

Zusammenfassende Würdigung

veros von Antiochien mit der Idee der Philosophie als ›Magd‹ des christlichen Denkens antwortet. Wenige Jahrzehnte später stellen für Leontios von Byzanz philosophische Argumente ein gleichberechtigtes Mittel der christologischen Diskussion dar wie Zitate der Kirchenväter. Der Sache nach dürfte an dieser Entwicklung Ammonios nicht ohne Anteil sein: Sein Interesse an der ›Hermeneutik‹ ist durch den einzigen Originalkommentar von seiner Hand offenkundig, seine ›Kategorien‹-Interpretation, die punktuell von Porphyrios abweicht, prägt die folgende Kommentartradition. Die Übersetzungsprojekte logischer Schriften werden wohl nicht zufällig noch zu seinen Lebzeiten von Boethius und Sergios von Rēšʿaynā aufgenommen. Zwar studiert zuvor wohl nur der Zweite in Alexandrien, doch gehört auch Boethius’ Übersetzungsprojekt in den Kontext, der durch Ammonios’ Lehre angeregt wird. 3.  Für die neuartige Philosophiekritik der Christen scheinen mir drei Faktoren von Bedeutung zu sein: a)  wiederum die Lehre des Ammonios, die offenbar viele gebildete junge Christen mit einer guten und überzeugenden Darlegung des Aristotelismus, inklusive seiner christentumskritischen Lehre von der Ewigkeit der Welt, konfrontiert und, wie es bei Zacharias Rhetor und Philoponos nachweisbar ist, entsprechende Reaktionen hervorruft; b)  das Werk des Proklos, das nicht nur auf bildungshungrige Christen als Herausforderung wirkt – wie gerade Pseudo-Dionysios bezeugt –, sondern auch christliche Glaubenslehren wie v. a. die Schöpfung aus dem Nichts, aber auch die ewige Post-Existenz der Seele von neuem infrage stellt und genau deswegen von Philoponos auch angegriffen wird; c)  der von Zacharias Rhetor ausgedrückte Wunsch der Christen, die Hellenen auch in der Philosophie zu übertreffen, der über eine mehr oder weniger notdürftige Verteidigung des Glaubensgutes weit hinausführt, sich aber wohl auch aus den Ansprüchen des christlichen Schulbetriebs in Gaza und Antiochien  /  Edessa erklärt; d)  eine originäre Begeisterung gekoppelt mit einer sachlichen Unzufriedenheit mit der aristotelischen Naturphilosophie dürfte für die Kritik des Philoponos nicht weniger den Ausschlag geben als ein Missfallen aus christlichen Motiven. Es kann durchaus sein Ziel sein, die Philosophie für das Christentum zu retten, indem man ihre fragwürdigen Annahmen mit rationalen Mitteln widerlegt. 4.  Für die häufig verkappte Rezeption der Philosophie durch die Christen wird man einen solchen Wunsch, der Philosophie einen Platz im Christentum und seiner Bildungswelt zu verschaffen bzw. zu belassen, und die kritische Haltung vieler Zeitgenossen, wie sie sich etwa bei Severos von Antiochien ausspricht, ebenfalls verantwortlich machen. Bezeichnenderweise betreffen solche Versuche in der Regel nicht die Logik, sondern andere philosophische Teildisziplinen: Das gilt nicht nur für Pseudo-Dionysios und seinen Verteidiger von Skythopolis. Vielmehr sind 1117

Philosophie in der Ausgehenden Antike

auch Sergios von Rēšʿaynās Evagrianismus mit aristotelischen Elementen sowie seine Alexander-von-Aphrodisias-Adaption naturphilosophisch-metaphysische Angebote im Christentum. Sie verzichten zwar auf ausdrückliche Quellenbezüge, führen aber den Leser in Vor- und Nachworten zum Verständnis hin. An den Rändern des Kulturraums der Ausgehenden Antike ist offenbar mehr Offenheit möglich: Barḥaḏbšabbā im fernen Nisibis macht sich nur explizit das christianisierte Ideal philosophischer Lehre zu eigen, auch wenn er Sergios ebenso ohne Namensnennung zitiert wie ›Dionysios‹ den Proklos. Am offensten kann der gefangene Boethius im ostgotischen Italien mit der Philosophie umgehen, doch ist auch sein Bild der Philosophie monotheistisch geprägt und behält als menippeische Satire eine gewisse Offenheit für verschiedene Deutungen. Zu bedenken ist allerdings, dass eine explizit Philosophie-feindliche Haltung von Christen, wie sie sich bei der Schließung der Schule von Athen zeigt, vor allem bei Zacharias Rhetor und Damaskios für die 480er Jahre offen erwähnt wird. Später können Boethius, Philoponos, der Hellene Olympiodor und andere ihrer philosophischen Tätigkeit anscheinend ungestört nachgehen. In Nisibis, bei Cassiodor sowie bei gebildeten Christen wie Johannes Lydos, Agathias und dem ­Autor von ›Über die politische Wissenschaft‹ werden die Philosophie geachtet und Kenntnisse in den säkularen Wissenschaften als Auszeichnung angesehen. Eine bildungsfeindliche Einstellung der Zeit muss man daher vor allem bestimmten einflussreichen christlichen Kreisen zuschreiben. Eine allseits akzeptierte Haltung dürfte sie jedoch nicht sein. Diese Beobachtung bedeutet auch, dass das weitgehende Verschwinden einer platonischen Philosophie wahrscheinlich nicht nur durch sozialen Druck erklärt werden kann. Nach der Schließung der Athener Schule scheint schlichtweg das Interesse an Platon weitgehend zu erlahmen, und zwar wohl selbst in Alexandrien, wo sich bei David und Stephanos nicht mehr viel dazu findet. Ein Grund hierfür dürften die eigenen spirituellen Angebote der Christen selbst sein, die mit Pseudo-Dionysios und den Kappadokiern intellektuellen Tiefgang sowie literarische Qualität erhalten haben. Je weniger bei Platon zudem, im Gegensatz zu Aristoteles, eine eigentliche Wissenschaftslehre zu finden ist, desto weniger treffen seine Schriften offenbar ein Bedürfnis. Dieses Phänomen lässt den Beobachter in Anbetracht der Größe des Autors ein wenig verwundert zurück. Aber diese Verwunderung ist nichts anderes als ein Staunen über die Veränderungen, die das Geistesleben am Ende der Antike und der Schwelle zum Mittelalter nimmt.

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Zusammenfassende Würdigung

PRAK TISCHE HINWEISE Die Texte zur Ausgehenden Antike sind wegen ihrer Mehrsprachigkeit, ihrer Länge und des weitgehenden Fehlens von Editionen und Übersetzungen häufig wenig bekannt und lange nur schwer zugänglich gewesen (bzw. sind dies z. T. noch). Die Texte aus der Schule von Alexandrien und die Aristoteles-Kommentare des Simplikios und Priskian finden sich zumeist in den ›Commentaria in Aristotelem Graeca‹ auf Griechisch. Die Texte aus der Ausgehenden Antike finden sich dabei in den folgenden Bänden: Ammonios Hermeiou, Kommentar zu Porphyrios’ ›Eisagoge‹ (›In Isagogen‹): CAG 4, 3 (ed. A. Busse) Ammonios Hermeiou, Kommentar zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (›In Categorias‹): CAG 4, 4 (ed. A. Busse) Ammonios Hermeiou, Kommentar zu Aristoteles’ ›Hermeneutik‹ (›In De interpretatione‹): CAG 4, 5 (ed. A. Busse) Ammonios Hermeiou, Kommentar zu Aristoteles’ ›Analytica priora‹ (›In Analytica priora‹): CAG 4, 6 (ed. M. Wallies) [Anonymus], Kommentar zu Aristoteles’ ›Analytica posteriora 2‹ (›In Analytica posteriora‹ 2): CAG 13, 3 (ed. M. Wallies), S.  334–440 Asklepios, Kommentar zu Aristoteles’ ›Metaphysik‹ (›In Metaphysica‹; Nachschrift aus einer Vorlesung des Ammonios): CAG 6, 2 (ed. M. Hayduck) David, Prolegomena zur Philosophie und Kommentar zu Porphyrios’ ›Eisagoge‹ (›Prole­ gomena‹  /  ›In Isagogen‹: CAG 18, 2 (ed. A. Busse) David (unter dem Namen ›Elias‹), Kommentar zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (›In Catego­ rias‹; bearbeitete Nachschrift von einer Vorlesung des Ammonios): CAG 18, 1 (ed. A. Busse), S.  105–255 [alle Werke Davids, inklusive seines auf Griechisch verlorenen Kommentars zu den ›Analytica priora‹, sind auch in einer armenischen Version erhalten; vgl. das Literaturverzeichnis] Elias, Kommentar zu Porphyrios ›Eisagoge‹ (inklusive ausführlichen Prolegomena zur Philosophie) (›In Isagogen‹: CAG 18, 1 (ed. A. Busse), S.  1–104 Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (›In Categorias‹; bearbeitete Nachschrift aus einer Vorlesung des Ammonios): CAG 13, 1 (ed. A. Busse) Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Analytica priora 1‹ (›In Analytica priora‹; bearbeitete Nachschrift aus einer Vorlesung des Ammonios): CAG 13, 2 (ed. M. Wallies), S.  1–386 Johannes Philoponos (?), Kommentar zu Aristoteles’ ›Analytica priora 2‹ (›In Analytica priora‹): CAG 13, 2 (ed. M. Wallies), S.  387–485 Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Analytica posteriora 1‹ (›In Analytica posteriora‹; bearbeitete Nachschrift aus einer Vorlesung des Ammonios): CAG 13, 3 (ed. M. Wallies), S.  1–333 Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Physik‹ (›In Physica‹; bearbeitete Nachschrift von einer Vorlesung des Ammonios): CAG 16–17 (ed. H. Vitelli)

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Philosophie in der Ausgehenden Antike

Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›De generatione et corruptione‹ (›In De generatione et corruptione‹; bearbeitete Nachschrift aus einer Vorlesung des Ammonios): CAG 14. 2 (ed. H. Vitelli) Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Meteorologika‹ (›In Meteorologica‹; bearbeitete Nachschrift aus einer Vorlesung des Ammonios): CAG 14, 1 (ed. M. Hayduck) Johannes Philoponos, Kommentar zu Aristoteles’ ›De anima 1–2‹ (›In De anima‹; bearbeitete Nachschrift von einer Vorlesung des Ammonios): CAG 15 (ed. M. Hayduck), S.  1–445 [ein Auszug des Kommentars zu Buch 3 ist in lateinischer Übersetzung herausgegeben worden von G. Verbeke; vgl. im Literaturverzeichnis]. Olympiodor, Prolegomena zur Philosophie (›Prolegomena‹): CAG 12, 1 (ed. A. Busse) Olympiodor, Kommentar zu Aristoteles’ ›Meteorologika‹ (›In Meteorologica‹): CAG 12, 2 (ed. W. Stuve) Priskian von Lydien (unter dem Namen ›Simplikios‹), Kommentar zu Aristoteles’ ›De anima‹ (›In De anima‹): CAG 11 (ed. M. Hayduck) Priskian von Lydien, ›Metaphrase‹ zu Theophrasts ›Physik‹ (Fragment) (›In Theophras­ tum‹): CAG Suppl. 1, 2 (ed. I. Bywater), S.  1–37 Priskian von Lydien, Lösungen für Chosroes (›Solutiones ad Chosroem‹): CAG Suppl. 1, 2 (ed. I. Bywater), S.  38–104 Simplikios, Kommentar zu Aristoteles’ ›Kategorien‹ (›In Categorias‹): CAG 8 (ed. K. Kalbfleisch) Simplikios, Kommentar zu Aristoteles’ ›Physik‹ (›In Physica‹): CAG 9–10 (ed. h. Diels) Simplikios, Kommentar zu Aristoteles’ ›Über den Himmel‹ (›In De caelo‹): CAG 7 (ed. J. L. Heiberg) Stephanos, Kommentar zu Aristoteles’ ›Hermeneutik‹ (›In De interpretation‹): CAG 18, 3 (ed. M. Hayduck) Stephanos (unter dem Namen ›Johannes Philoponos‹), Kommentar zu Aristoteles’ ›De anima 3‹ (›In De anima‹): CAG 18, 3 (ed. M. Hayduck), S.  446–607. Weitere Texte, die nur in Einzeleditionen zu finden sind, lassen sich dem Literaturverzeichnis entnehmen. Die Texte des Damaskios sind über viele Einzeleditionen verstreut, werden aber nach und nach in der ›Collection Budé‹ auf Französisch /Deutsch mit guten Einleitungen und Kommentaren herausgegeben. Insbesondere die Aristoteles-Kommentare, aber auch alle weiteren im engeren Sinne philosophischen Texte, erscheinen nach und nach in guten englischen Übersetzungen in der von Richard Sorabji herausgegeben ›Ancient Commentators Series‹ (London, Routledge). Syrische und armenische philosophische Texte sind sehr verstreut und z. T. gar nicht ediert, was sich aber nach und nach ändert bzw. ändern wird. Hierzu sind insbesondere Neuerscheinungen aus den Reihen Aristoteles Semitico-Latinus (Leiden, Brill) und Scientia Graeco Arabica (Berlin  /  Boston, De Gruyter) zu vergleichen. Die aktuell besten Editionen können dem Literaturverzeichnis entnommen werden. Editionen aus dem 19. Jahrhundert, die ihren Wert noch nicht verloren haben (De Lagarde, ›Analecta Syriaca‹, Hoffmann, ›De Hermeneuticis apud Syros‹ etc.; Land, ›Anecdota Syriaca‹; Sachau, ›In­ 1120

Zusammenfassende Würdigung

edita Syriaca‹), können auch kostenlos im Internet gefunden werden (z. B. auf der Seite archive.org). Eine weitgehend vollständige Bibliographie, insbesondere zu syrischen Aristotelica, bietet jetzt Arzhanov, Syriac Philosophy. Select Bibliography; eine Übersicht über die syrischen Aristotelica bietet Kessel, The Syriac Commentary Tradition. Für die syrischen und armenischen patristischen Texte sei auf die praktischen Hinweise zu Teil V verwiesen.

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G. Fazit

I. Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

Ziel eines abschließenden Fazits muss es sein, die antike Philosophie in ihrer Mannigfaltigkeit so auf den Begriff zu bringen, dass eine Antwort auf die Ausgangsfrage, was die Philosophie in der Antike ist, gegeben werden kann. Die dazu erforderliche knappe Charakterisierung muss freilich auf einer Rekapitulierung des bisher Erreichten beruhen. Ich werde daher im Folgenden zunächst die wesentlichen Entwicklungen antiker Philosophie kurz nachzeichnen, sodann auf die antiken Begriffsbestimmungen und Einteilungen der Philosophie sowie auf die zu beobachtenden Abgrenzungen zu den Nachbargebieten Rhetorik, Politik, Fachwissenschaften und Religion zusammenfassend eingehen, und schließlich – als eine Art Konklusion zur Konklusion – aufgrund einer Typologie verschiedener Formen antiker Philosophie die Ausgangsfrage zu beantworten suchen.

1. Die formative Periode der Philosophie bis ca. 300 v.  Chr. Die Entwicklung der Philosophie in der antiken Welt beginnt gegen Ende der archaischen Zeit als ein Phänomen der ionischen Poleis, also von selbstorganisierten Bürgerschaften mit einer kompetitiv vorgehenden Aristokratie und einer relativ geringen religiösen Normierung: Vor diesem Hintergrund entwickeln sich in kurzer Folge eine ganze Reihe von Ansätzen, die Entstehung und Struktur der Welt auf abstrakte, nicht-personale, begrifflich strukturierte und zunehmend argumentative Weise erklären, welche sich von genealogisch beeinflussten religiösen Modellen unterscheidet. Die Entwicklung ist von Einzelpersönlichkeiten geprägt, die ihren Wahrheitsanspruch je persönlich vortragen und erst nach und nach in intensiven Austausch miteinander treten. Sie gehören in den Kontext von verschiedenartigen Versuchen einer auf sinnlicher Beobachtung beruhenden Darstellung und Erklärung von Phänomenen, die zunächst in Astronomie und Geographie, sowie bald auch in Geometrie und Geschichtsschreibung erfolgt. Insofern machen die vorsokratischen Entwürfe, von denen bald weitere auch außerhalb Ioniens in den griechischen Kolonien Italiens (Großgriechenland) und der nördlichen Randgebiete des griechischen Sprachraums (Abdera) entstehen, einen Teil einer sich beschleunigenden Rationalisierungsbewegung von Welterklärungen im griechischen Sprachraum aus. Dabei erschwert die räumliche und inhaltliche Getrenntheit der einzelnen Denker und Entwürfe eine Vereinheitlichung als eigene Disziplin. Letztlich treffen sich aber die ionischen Elemente, das parmenideische Seiende, der Geist des Anaxagoras und die Atome des Leukipp 1125

Fazit

und Demokrit in dem Versuch, den Ursprung der Welt auf den Begriff bringen zu wollen. Eine Gruppenbildung findet offenbar zunächst unter den Anhängern des Pythagoras statt, die vor allem auf politischer Ebene bald Einfluss in Unteritalien gewinnen. In ihren Kreisen scheinen auch erstmalig in der antiken Philosophie gemeinsame Lebensregeln in Form von Speise- und Verhaltensgeboten (Vegetarismus, Gewissenserforschung etc.) aufzukommen, welche eine Konturierung als ­eigene Gruppe ermöglichen. Die Überlieferung, dass in diesem Kreis auch das – bei Heraklit erstmals belegte – Wort ›philosophisch‹ bzw. ›Philosoph/in‹ (φιλόσοφος) entstehe, ist sicher ebenso wenig ein Zufall wie die Tatsache, dass jedenfalls ab Mitte des 5. Jahrhunderts die vorsokratisch Philosophierenden als Autoren ›Über die Natur‹ (περὶ φύσεως) zusammengefasst werden: Beide Entwicklungen sind als Ausdruck der Tatsache zu werten, dass hier eine Gruppe von Menschen mit eigenen Interessen fassbar wird. Trotz der begrifflichen Ausformulierung stellen die vorsokratischen philosophischen Ansätze doch einen Ausdruck einer Religiosität dar, die teils in den Prooimien der eigenen Werke direkt dargestellt wird (­Parmenides, Empedokles), sich aber auch teils in expliziter Kritik an einer verfehlten anthropomorphen Götterverehrung äußert (Xenophanes, Heraklit). Es ist wohl kein Zufall, dass das Substantiv ›Philosophie‹, in seiner ionischen Form φιλοσσφίη, wahrscheinlich zuerst in einer medizinischen Schrift auftaucht, welche sich um eine Abgrenzung zu vorsokratischen Ansätzen bemüht, nämlich in ›Über die Alte Medizin‹ (›De vetere medicina‹): Das Werk gehört in den Kontext einer zunehmenden Ausdifferenzierung der verschiedenen Disziplinen, welche besonders im Athen des frühen 5. sowie des 4. Jahrhunderts v.  Chr. stattfindet. Sie hat mehrere Voraussetzungen: Zum einen hat sich das Themenfeld beträchtlich erweitert, das von Autoren ›Über die Natur‹ bzw. deren Schülern bearbeitet wird, indem vor allem ethische und politische, aber auch mathematische und medizinische Themen von Autoren wie Empedokles, Demokrit, Gorgias, Protagoras und Hippias behandelt werden. Den weiten Horizont dieser Bewegung markiert das wohl nur wenig jüngere Auftreten des Begriffs ›Philosophie‹, noch in einem Paar mit seinem späteren Gegenbegriff ›Rhetorik‹, im einer wohl vor 390 entstandenen Polemik des Gorgias-Schülers Alkidamas gegen seinen Mitschüler Isokrates. Hier manifestiert sich die rhetorisch-sophistische Konnotation des Philosophiebegriffs. Zum anderen werden die vielfältigen Themen der sich herauskristallisierenden Philosophie nun aktiv in die politische Bildung der Poleis, vor allem in Athen, eingebracht und gewinnen damit beträchtliche praktische Relevanz, und zwar in einem solchen Maße, dass das ›Philosophieren‹ (φιλοσοφεῖν), wie Thukydides bezeugt, in das Selbstverständnis der Athener Bürger eingeht. Des Weiteren gewinnt im Kontext sophistischer Lehre die Frage nach der Geltung verschiedener Wahrheitsansprüche an Schärfe, wobei eine eher skeptische Grundtendenz an die selbstbewusste Behauptung der Richtigkeit der eigenen Position tritt, welche die vorsokratischen Autoren auszeichnet. Schließlich tragen all diese Faktoren zu einer zunehmend rationalen Gestalt der einzelnen Theorieentwürfe bei, welche damit nicht mehr 1126

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

als Ausdruck von Religiosität, sondern als deren kritische Infragestellung wahrgenommen werden. Mit dem zunehmenden Stellenwert der geistigen Diskurse entwickeln sich somit zahlreiche Konfliktlinien, welche ebenso die Glaubwürdigkeit der Theorien und die Abgrenzung und Hierarchie verschiedener Wissensformen betreffen wie deren allgemeineres Verhältnis zu Politik und Religiosität. Vor diesem Hintergrund erfolgen in der klassischen Zeit durch Sokrates und Platon diejenigen Abgrenzungen, welche im Ergebnis zur Konstitution der antiken ›Philosophia‹ als einer spezifischen Form von wissenschaftlichem und ­zugleich weltdeutendem und lebensleitendem Argumentieren führen: Sokrates’ persönlicher Lernprozess bringt zwar eine Distanzierung sowohl von Gesamtentwürfen ›Über die Natur‹ als auch von sophistischen Lehrpraktiken mit sich, welche unter mehr oder weniger erkenntnisskeptischen und relativistischen Vorzeichen ein erfolgsorientiertes politisches Lehren erreichen wollen, lässt ihn aber in den Augen von Teilen der Athener Bürgerschaft trotzdem zu einem Vertreter einer rationalen Weltsicht werden, mit der Naturspekulation, Geldgier und Relativismus ebenso verbunden werden wie eine kritische Haltung zur Religion. Das Ergebnis, der Prozess des Sokrates mit seinem Todesurteil, ändert nichts an dem Bemühen vieler seiner Anhänger, in seinem Sinne eine ethische Orientierung zu lehren, die vor dem Hintergrund einer kritischen Suche nach Wahrheit erfolgt. Vielmehr wird dieses Bemühen von Sokrates’ Nachfolgern – am wirksamsten zunächst von Antisthenes, aber auch von Aristipp und Euklid von Megara – in Konkurrenz zur sophistischen Lehre fortgesetzt, als deren Erbe sich vor allem Isokrates geriert, der sich aus der Warte eines Lehrers politischer Praxis scharf gegen Antisthenes und andere Sokratiker wendet. Die einsetzende Debatte zwischen Verteidigern und Gegnern des Sokrates kulminiert in Platons Gründung der Akademie, einer Einrichtung, die sich einer Lehre in sokratischer Form verschreibt, diese zugleich aber um weitere Elemente ergänzt: Hierzu gehört insbesondere die Einrichtung einer Institution mit eigenem Besitz, welche eine kostenlose Lehre mit einem expliziten Wahrheitsanspruch anbietet, sich aber zugleich der Suche nach dieser Wahrheit gemeinsam widmet und dabei mit anderen Gebieten, namentlich (in pythagoreischer Tradition) der Mathematik, intensiv widmet. Gerade die Ansetzung von transzendenten Ideen als Garanten ewiger Wahrheit und die Verbindung des Philosophiebegriffs mit einer Herrschaft über die eigenen Begierden können als entscheidende Grundlage seiner Antwort auf den sophistischen Relativismus gelten. Als Begründer einer solchen Tradition tritt Platon in einen Wettstreit mit Isokrates um die richtige Bedeutung des Terminus ›philosophia‹, dessen genauer Inhalt damit zum Gegenstand einer intensiven Diskussion wird. Platon obsiegt in dieser Auseinandersetzung nicht nur mit seiner Erklärung der Philosophie als rationaler Suche nach einer wahren Erkenntnis der Ideen, die auch zu perfektem politischen Handeln befähigen soll, sondern auch mit dem Vorschlag, den Ansatz seiner Gegner als ›Rhetorik‹ (ῥητορική) zu bezeichnen und somit vom eigenen Tun zu unterscheiden. Sein Einfluss dürfte sich schon zeigen, wenn die Verbindung dieser Konzeption und des 1127

Fazit

Nomens ›Philosophie‹ mit der Herrschaft des Denkens über die Begierden wohl bereits um die Mitte des 4. Jahrhunderts fernab von Athen in den Mythenerklärungen des Herodoros auftaucht. Damit legt er langfristig die philosophia auf die Suche nach einer Wahrheit fest, die argumentativ mithilfe des Logos zu erfolgen hat und verteidigbar sein muss, auch wenn zu ihrem Aufweis religiöse Textformen wie Mythos und Gleichnis ebenfalls beitragen können. Die nähere Ausarbeitung des neu konstituierten Philosophieideals im 4. Jahrhundert ist eine gemeinsame Leistung der platonischen Akademie und des von ihrem ehemaligen Mitglied Aristoteles gegründeten Peripatos. Beide Einrichtungen etablieren sich mit eigenen Gebäuden und einer personellen Kontinuität, bei der die Leitung der Einrichtung nach dem Tod des Gründers weitergegeben wird. Beide institutionalisieren insofern spezifisch die Suche nach Wahrheit und eine entsprechende Lehre, wobei der Anspruch, ideale Herrscher auszubilden, rasch in den Hintergrund tritt. Der Peripatos dehnt das wissenschaftliche Suchen aber noch ungleich stärker als die Akademie auf eine Vielzahl von Wissensgebieten aus. Behandelt wird nicht nur die Lehre von den Prinzipien und vom Seienden in ganzer Breite, die Aristoteles in seiner ›Ersten Philosophie‹ (πρώτη φιλοσοφία) ebenfalls verfolgt, sondern auch eine ganze Reihe von Phänomenen der beobachtbaren Welt (Tiere, Pflanzen, Mineralien, Himmelskörper), als deren Grundlage unter dem Begriff ›Physik‹ (φυσική) eine eigene Naturtheorie entwickelt wird. Weitere Themengebiete sind die Grundlagen eines guten menschlichen Lebens, die der Stagirite in seiner ›Ethik‹ und ›Politik‹ behandelt. Methodische Grundlagen für alle diese Gebiete entwickelt Aristoteles in seinen logischen Schriften, doch werden die Besonderheiten bestimmter Gebiete, namentlich der Ethik, in den einschlägigen Untersuchungen selbst genauer festgelegt. Während diese weiten Interessen von Aristoteles’ Schülern noch breiter dargelegt werden, setzt sich die Akademie, die jedenfalls zu Platons Zeit ganz unterschiedliche Meinungen unter sich vereinigt, besonders intensiv mit der Lehre von transzendenten Prinzipien auseinander, ohne aber die Beschäftigung mit und die Klassifizierung breiter Wissensgebiete aufzugeben. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts wird die philosophia somit durch zwei große private Einrichtungen wissenschaftlich-theoretischer Forschung und Lehre in Athen vertreten, die – trotz einiger Spannungen mit der Stadtgesellschaft, die z. T. in Ausweisungen der (aller?) Philosophen resultieren – fest etabliert sind und eine zahlreiche Schülerschaft anziehen. Zur ›philosophischen‹ Szene der Zeit gehören aber auch weitere Gruppen wie die Kyniker und Kyrenaiker sowie Einzelpersönlichkeiten wie Pyrrhon von Elis, welche in der Nachfolge des Sokrates ein tugendhaftes Leben lehren, großen Theorieentwürfen aber tendenziell skeptisch gegenüberstehen. Ihr lebenspraktisch orientierter Unterricht bildet innerphilosophisch einen Kontrapunkt zu den großen Schulen, so dass die philosophia schon zu diesem Zeitpunkt alles andere als ein eng umgrenztes Phänomen ist, sondern Ansätze mit ganz praktischem und mit ganz wissenschaftlichem Charakter unter sich vereint. 1128

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

2. Die Periode der Schulen: Hellenismus und Kaiserzeit im griechischen Sprachraum Diese Situation wird durch das Wirken von Epikur und Zenon von Kition um 300 v.  Chr. einschneidend verändert: Beide entwerfen philosophische Konzeptionen, die eine ausgefeilte und in sich kohärente theoretische Konstruktion, welche mehrere Bereiche der Philosophie berücksichtigt, mit dem klaren Ziel verbindet, auf dieser Grundlage ein gutes, tugendhaftes Leben zu lehren. Damit führen diese Entwürfe den Theorie- und wissenschaftsbezogenen Lehrbetrieb der Akademie und des Peripatos mit der lebenspraktisch orientierten Tugendlehre der Sokratiker in gewisser Weise zusammen. Während sie ferner miteinander und mit den Vorsokratikern insofern übereinstimmen, als sie den Bereich angenommener Entitäten bewusst auf die körperliche Natur beschränken, unterscheiden sie sich in der Perspektive: Wo die Stoiker die Begreifbarkeit der Güte der Welt und ein Leben lehren wollen, das sich an ihrer Erkenntnis strikt orientiert, argumentiert Epikur für die Herrschaft des Zufalls aufgrund des Zusammentreffens einzelner Atome und leitet seine Schüler zu einer Haltung an, welche sie befähigen soll, das sinnlich erfahrbare Glück zwar in jedem Augenblick, aber doch mit einer langfristigen Perspektive genießen zu können. Der Lehrerfolg gibt den beiden Protagonisten Recht: Die Stoa, deren Lehre nach dem Gründer Zenon vor allem von Chrysipp noch verfeinert wird, und der Epikureismus dominieren für Jahrhunderte den philosophischen Betrieb und werden zu Mustern des philosophischen Unterrichts bis fast zum Ende der Antike: Philosophische Lehre bedeutet fortan eine Ausbildung in einem guten, tugendhaften Verhalten, das sein Fundament in einer komplexen rationalen, erkenntnistheoretisch gerechtfertigten Weltdeutung, also in einem System, findet, wie die Stoiker das erste Mal formulieren. Theoretischer und praktischer Unterricht sind nun vereint, und die einmal gegründeten Systeme können in einzelne Lehrsätze aufgelöst werden, die sich memorieren lassen und auch fernab der Schule eine Reflexion des eigenen Lebens nach den Grundsätzen der schulischen Doktrin ermöglichen. Konkrete Lebensanweisungen wie die zur abendlichen Gewissensprüfung ermöglichen eine Weiterentwicklung im Sinne des Gelernten. Zugleich werden, wiederum von Epikur, überwiegend heteronome literarische Formen wie der ermahnende Brief und das zusammenfassende Lehrbuch, die Epitome bzw. Synopsis, entwickelt, die diese Inhalte weitergeben. Sie werden wohl zur Grundlage der doxographischen Sammlungen, welche die Lehren der philosophischen Schulen in Handbuchform verarbeiten und somit die Einheit und Vielheit der Philosophie auf moderatem Niveau sichtbar machen. Es spricht vieles dafür, dass dieses Angebot vor allem deswegen so erfolgreich ist, weil es den Bedürfnissen der Oberschicht nach einer gehobenen Ausbildung entspricht, verbindet es doch ein praktisches Versprechen mit dem Erlernen theoretischer Inhalte, welche die Lernenden zugleich zu Angehörigen einer Bildungsschicht machen und mit Rechtfertigungsstrategien für ihre Überzeugungen und 1129

Fazit

ihr Handeln versehen. Es nimmt nicht wunder, dass die mannigfaltigen Bildungsangebote des Peripatos mit so konturierten Lehren nicht konkurrieren können, während die Akademie sich immerhin, indem sie ihre erkenntniskritischen Elemente in den Mittelpunkt stellt, einen Status als kritische Gegenbewegung zu Stoa und Epikur sichern kann. Gemeinsam tragen die drei Schulen der Stoiker, Epikureer und Akademiker entscheidend zur Verbreitung des Ideals eines vernunftbasierten Lebens im gesamten hellenisierten Sprachraum bis in die römische Welt bei und sichern so die Durchsetzung des Logos als Kriterium guten Handelns in weiten Kreisen. Die hellenistische Welt wird somit zum Resonanzraum einer schulischen Entwicklung, welche Platons Idee einer am Logos und den Wissenschaften orientierten Lebensführung so verengt, dass es das Leben vieler antiker Menschen effektiv prägen kann. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass das schulphilosophische Panorama sich in der Kaiserzeit, nach der Zerstörung des Zentrums Athen, nicht wesentlich ändert: Epikureer und Stoiker bleiben bestehen und entwickeln die bereits ausgearbeiteten Lehren vorsichtig weiter, wozu auch ein Studium der Schriften der jeweiligen Schulgründer gehört. Flankiert werden sie durch Wiederbelebungen des Aristotelismus und Platonismus, welche sich insofern am stoischen und epikureischen Vorbild orientieren, als auch sie systematische Ausarbeitungen der Schulposition anstreben, die auf der Grundlage der Schriften des jeweiligen Meisters zu einer Lehre breiterer Schichten geeignet ist. Auffällig ist dabei eine recht früh zu beobachtende Annäherung zwischen Aristotelikern und Platonikern, die offenbar regelmäßig auch Schriften der anderen Schule (Platons ›Timaios‹, Aristoteles’ ›Kategorien‹) kommentieren und teils kompatible Positionen vertreten. Die skeptische Position bleibt in ihrer (neo-)pyrrhonischen Form eine Alternative, wobei die Idee eines Glücklichseins (εὐδαιμονία) durch Urteilsenthaltung noch konsequenter ausgearbeitet wird. Schließlich runden, wie bereits in der hellenistischen Zeit, die weit verbreiteten und intellektuell wenig anspruchsvollen Kyniker das Bild der Philosophie ab. Diese hat sich offenbar in der Kaiserzeit endgültig über alle Metropolen der griechischsprachigen Welt im östlichen Mittelmeer ausgebreitet und zieht die gebildeten Schichten auch in Form lokaler Lehrer an. Zur typischen Sozialform der Philosophen wird damit wieder die Lehre im kleinen und offenen Kreis, während die institutionell konstanten Schulen der hellenistischen Zeit verschwinden. Die einzige ernsthafte Rivalin der Philosophie zwischen 300 v. und 200 n. Chr. bleibt die Beredsamkeit, welche sich in isokrateischer Tradition zu einer Lehrform eines politischen Lebens entwickelt, die sowohl die technischen Seiten guten Redens als auch dessen Vorbilder vermittelt, die klassischen Werke griechischer Literatur. Diese Leistung können und wollen die Philosophenschulen auch dann nicht erbringen, wenn sie – wie Aristoteles und die Stoiker – die Rhetorik ausdrücklich zum eigenen Forschungsgebiet rechnen. Ihre theoretische Aufschlüsselung der sprachlichen Erscheinungen und der rhetorischen Mittel bedeuten eben noch keinen Unterricht in der Kunst, durch Reden zu überzeugen. 1130

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

Bleibt somit die Rhetorik neben der Philosophie bestehen, wird sie insbesondere zur Kaiserzeit wieder zu ihrer mindestens gleichrangigen Rivalin, wenn sie sich als ›Zweite Sophistik‹ vor allem in Kleinasien zu neuer Blüte emporschwingt. Während Redner wie Dion von Prusa, genannt Chrysostomos, und Maximos von Tyros philosophische Idee mit rhetorischer Brillanz vortragen, nimmt Ailios Aristeides sogar, indem er die Bedeutung Platons für die Rhetorik herausarbeitet, den Titel einer ›wahren Philosophie‹ für die Rhetorik in Anspruch – und unterstreicht auf diese Weise indirekt, wie sehr die philosophia nun als Leitideal auch solcher antiker Strömungen gesehen wird, die der Fachphilosophie kritisch gegenüberstehen. Der Preis für den Erfolg der Philosophie, zu einer Leitdisziplin der höheren Bildung im gesamten griechischsprachigen Raum zu werden, ist freilich in mehrfacher Hinsicht nicht zu unterschätzen: Letztlich nur folgerichtig mag die Aufgabe der ohnehin unrealistischen politischen Ansprüche Platons sein, ganze Gesellschaften mit Philosophenkönigen revolutionieren zu wollen. Tatsächlich leistet wohl der Erfolg der Philosophie als Bildungsdisziplin einen weitaus größeren Beitrag dazu, philosophische Ideale in der politischen Wirklichkeit zu verankern. Denn so erreichen diese wichtige Akteure entweder direkt in den Schulen oder indirekt durch die politische Aktivität von Alumni der Philosophenschulen in den Poleis – wie es für die hellenistische Zeit besonders typisch ist – oder durch Philosophen an den Herrscherhöfen, wie es besonders zur Kaiserzeit üblich wird. Allerdings ist dieser Erfolg eben nur, wie gleich näher zu schildern ist, durch einen Verzicht auf eine detailreiche fachwissenschaftliche Lehre sowie durch eine gewisse Kompromissbereitschaft zur Religion zu erreichen, wie an gegebener Stelle näher auszuführen ist.1 Aus dieser Anerkennung einer wahren philosophia als gesellschaftliches Leitideal erklärt sich die schrittweise voranschreitende Entwicklung von Judentum und Christentum zu philosophischen Lehrgebäuden im antiken Sinn, die teilweise auch von einer Übernahme philosophischer Rollenbilder begleitet wird: Den Anfang macht offenbar bereits im 2. Jahrhundert v.  Chr. der Jude Aristobulos, der seine Weltanschauung zu einer philosophischen Wahrheitssuche erklärt, deren rationaler Charakter sich durch eine allegorische Deutung der heiligen Schrift erweisen lasse, die zudem älter sei als die Philosophie der Griechen. Dieser Versuch, der zudem an die Vorstellungen verschiedener Philosophen seit Aristoteles über das Judentum anknüpft, wird von Philon, unter stärkerer Berücksichtigung einer platonischen Transzendenzlehre, auf die gesamte jüdische Bibel ausgedehnt und sogar in philosophischen Dialogen vertreten. Den entscheidenden Schritt zur Etablierung von ›Philosophenschulen‹ gehen aber offenbar erst die Christen Justin im 2. und Clemens im 2./3. Jahrhundert, die selbst bekehrte Philosophen sind und den Habitus des philosophischen Lehrers als Christen beibehalten, während sie auf inhaltlicher Ebene eine Darstellung des Christentums als rationales Gedankenge1

  Vgl. unten S.  1154–1156.

1131

Fazit

bäude geben, worin ihnen diverse Gnostiker vorangegangen sein mögen. Sie alle gehören auf jeden Fall zur äußerst mannigfaltigen Szene philosophischer Lehre im 2./3. Jahrhundert, deren gegenseitige Wahrnehmung nicht nur die antichristliche Polemik des Philosophen Kelsos, sondern auch die Diskussionen der Figur des Moses und der christlichen Lebensform durch Autoren wie Galen, Epiktet und Numenios zeigen, die zwischen Respekt und scharfer Kritik schwanken. Dass im 3. Jahrhundert insbesondere die philosophierenden Koryphäen der Christen zur intellektuellen Elite des griechischen Raumes gehören, verdeutlicht nicht zuletzt die Figur des Origenes, mit dem offenbar ein Christ zu einem der angesehensten Lehrer der eigenen Zeit wird.

3. Philosophie und Religion in zwei Entwürfen: Die griechische Spätantike Vor diesem Hintergrund vollzieht sich zwischen der Mitte des 3. und dem ersten Drittel des 4. Jahrhunderts eine grundlegende Verschiebung des philosophischen Feldes. Diese wird einerseits durch das Wirken Plotins und Jamblichs eingeleitet: Der eine transformiert den Platonismus durch die Ansetzung des transzendenten Einen noch jenseits von Geist und Seele zum sogenannten Neuplatonismus, der andere gibt diesem durch die Einbeziehung des Pythagoreismus – mit seinen reichhaltigen Anleitungen zu einem philosophischen Leben – und des Aristotelismus seine jahrhundertelang wirksame Gestalt. Andererseits ist es die sogenannte konstantinische Wende, die Etablierung des Christentums als dominanter Religion des imperium Romanum mit den ihr folgenden dogmatischen Streitigkeiten innerhalb des Christentums, welche den politischen Rahmen des Neuplatonismus ebenso wesentlich verändert wie die innerchristlichen Gemeindestrukturen und die Rolle der Philosophie in ihnen. Beide Ereignisse müssen zudem vor dem Hintergrund einer grundlegenden Krise des Reiches im 3. Jahrhundert gesehen werden, die erst in den Jahrzehnten vor und nach 300 von Diokletian, Konstantin und ihren Mitkaisern mit der neuen Organisationsform einer Reichsaufteilung überwunden wird, die freilich die kulturelle Distanz von griechischem Orient und lateinischem Okzident auch auf politischer Ebene vertieft. Fortan verteilt sich die philosophische Lehre auf zwei Pole: die neuplatonische und die christliche Philosophie. Beide sind dabei durch eine – jedenfalls offizielle – Einheitlichkeit ihrer jeweiligen Positionen ebenso vergleichbar wie durch ihre Verpflichtung auf eine angeblich wahre Lehre und durch ihre rationale Erklärung religiöser Phänomene. Beide deuten diese Religiosität in einer im weiteren Sinne monotheistischen Perspektive, die im Christentum stärker betont wird als im Neuplatonismus, aber durch die Annahme einer Überordnung Gottes über Engel und (beseelten) Menschen strukturell der neuplatonischen Hierarchie von ­Einem, Geist und Seele nicht ganz unähnlich ist. Das gilt insbesondere für christ1132

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

liche Entwürfe, welche auch eine Überordnung Gottes des Vaters über Sohn und Heiligen Geist annehmen, wie sie bis zum 4. Jahrhundert verbreitet sind. Prinzipielle Streitpunkte zwischen Neuplatonikern und Christen wie die Ewigkeit der Welt werden hingegen nicht als unüberwindliche Trennlinie wahrgenommen. Wie stark abseits der Schlachtfelder der Polemik diese Nähe empfunden wird, zeigt sich an zwei bemerkenswerten Persönlichkeiten: Einerseits wird der Christ Syne­ sios erst zum Schüler und Freund der Philosophin Hypatia und dann zum ­Bischof. Andererseits findet Hypatia einen grausamen Tod von christlicher Seite, der wiederum von gebildeten Christen wie dem Kirchenhistoriker Sokrates durchaus kritisch betrachtet wird. Die Annäherung von Philosophie und Religion führt auf beiden Seiten zu einer ganzen Reihe vergleichbarer Praktiken: So wie das Mönchstum für die Christen philosophia ist, legen sie die Bibel seit Origenes in großem Maßstab allegorisch aus und deuten sie als Aufstieg von der Ethik über die Physik zur Metaphysik, welcher das philosophische Ideal in sich aufnimmt. In analoger Weise behandeln die Neuplatoniker neben Platon auch Dichter wie Homer und die chaldäischen Orakel und stellen die Wirkung auf die Götter, die Theurgie, als Lebensideal an die Seite der Philosophie. Sie entwickeln auch eine eigene Hymnendichtung – ein Genus, in dem Proklos an der Seite des Synesios und Gregor von Nyssa steht – praktizieren Gottesdienste und geben eine philosophische Erklärung des Gebets als einer kosmischen Macht. Ihr Vertrauen in die Kraft der Theurgie durch menschliche Akteure ist dem christlichen Wunderglauben vergleichbar. Mit unterschiedlichen Mitteln stellen sich beide Gruppen auch als die legitimen Fortsetzer des antiken Erbes dar, dessen Kulminationspunkt sie jeweils in Platon sehen, der für die Neuplatoniker der bedeutendste Philosoph schlechthin, für die Christen immerhin der wichtigste nicht-christliche Verkünder der Wahrheit ist. Während Eusebios von Kaisareia das im 4. Jahrhundert emphatisch feststellt, lässt sich diese Anerkennung 50 Jahre später bei Gregor von Nyssa vor allem in der Reproduktion literarischer und systematischer Strukturen des Platonismus erkennen. Eine christliche Rezeption der aristotelischen Schriften, besonders der Logik, lässt sich in den trinitätstheologischen Streitigkeiten zuerst bei Kyrill von Alexandrien klar feststellen, ihre Vorbereitung ist aber schon früher anzusetzen: Wenn Basileios und Gregor von Nyssa Vater, Sohn und Heiligen Geist als drei gleichrangige, individuelle Hypostasen in der einen Universalsubstanz ›Gott‹ beschreiben, so setzt dies, bei aller platonisch-stoischen Begrifflichkeit, die aristotelische Unterscheidung von einer individuellen ersten und einer allgemeinen zweiten Substanz voraus. Damit sind die Grundlagen dafür gelegt, dass die aus Aristoteles’ ›Kategorien‹ gewonnene Lehre von Substanzen und sie bezeichnenden Begriffen, und nicht mehr die (neu- und mittel-)platonische Metaphysik zum wichtigsten Referenzpunkt des christlichen Trinitätsdenkens im Osten wird. Gefördert wird dies zweifelsohne auch durch die Möglichkeiten zum Studium des Aristoteles bei neuplatonischen Lehrern, die sich aus der strikten Lektüreordnung für Adepten der Philosophie ergeben, die von ethischen Anfangsgründen über 1133

Fazit

die Werke des Aristoteles hin zu einer Platon-Lektüre führt, bis zu der wohl nur wenige durchhalten. Wesentlich verschieden sind hingegen die soziale Strukturen beider Gruppen: Während die Neuplatoniker im Wesentlichen die alte Schulstruktur fortsetzen und in Gestalt des Plutarch von Athen sogar eine Schule in Athen als dauernde, private Institution neu gründen, verschwindet im Christentum die Rolle des philosophischen Lehrers, wie sie Justin, Clemens und Origenes noch ausfüllen, nach und nach: Die besten christlichen Denker wie Eusebios, Eunomios und die Kappadokier Basileios, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa sowie die Antiochener Diodor von Tarsus und Theodor von Mopsuestia werden zu Bischöfen, die sich einerseits mit innerkirchlichen Streitfragen beschäftigen müssen und andererseits eine Leitungsfunktion auch auf politischer Ebene ausüben. Das Ideal einer tugendhaften Lebensführung unter dem Titel ›philosophia‹ verlagert sich demgegenüber ins Mönchstum, das mit Didymos dem Blinden und Evagrios Pontikos ebenfalls bedeutende Lehrer hervorbringt, aber vielfach – analog zu den weiter aktiven Kynikern – zugunsten einer radikalen Askese auf eine gründliche theoretische Bildung verzichtet. Diese Positionierung der gebildetsten Christen bedeutet freilich auch, dass die eigentlichen Lehrerpositionen zunächst vielfach in den Händen gebildeter Hellenen bleiben. Bei ihnen auch erhalten christliche Schüler ihre Bildung verbunden mit einer Einführung in die hellenische Weltsicht, wie es um 500 für Zacharias Rhetor, Johannes Philoponos und Sergios von Rēšʿaynā bezeugt ist. Allerdings ist unklar, ob zur neuplatonischen Lehre in Athen unter Proklos und seinen Nachfolgern Christen zugelassen werden. Die umfassende Synthese des Neuplatonismus bedeutet auch den Einschluss weiterer Traditionen griechischen kulturellen Lebens in die Philosophie: Insbesondere Rhetoren, Ärzte und Mathematiker gehören vielfach den neuplatonischen Zirkeln an und erfahren insoweit eine philosophische Bildung, während sich führende Neuplatoniker wie Syrian ebenfalls mit der Rhetorik befassen. Diese behält allerdings im Ganzen ihre disziplinäre Eigenständigkeit, zumal sie nach und nach – anders als zunächst die Philosophie – auch von Christen unterrichtet wird. Auf dem Felde der Politik bleiben auch die neuplatonischen Philosophen aktiv, werden aber nach dem Intermezzo des Kaisers Julian – einem Höhepunkt des philosophischen Einflusses auf die Politik in der Antike – nach und nach marginalisiert, während die christlichen Bischöfe als Berater der Herrscher wichtiger und mächtiger werden. Gewaltanwendung gegen Philosophen wie Hypatia und mehrere Alexandriner um 480 scheinen dann auch primär politisch motiviert zu sein und führen nicht zu einem Abbruch des philosophischen Unterrichts.

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Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

4. Regionalisierung der Philosophie: Besonderheiten des lateinischen Raums vom 1. bis zum 5. Jahrhundert Die bis jetzt für das Gebiet mit primär griechischer Schriftsprache geschilderten Entwicklungen greifen bereits zu hellenistischer Zeit auf seine Randgebiete über. Gerade der lateinische Sprachraum, den die Einflüsse der Philosophie bereits im 2. Jahrhundert v.  Chr. erreichen, nimmt zeitweise intensiv an den philosophischen Entwicklungen teil, wie einige recht typische Schulschriften bezeugen: Lukrez’ Darstellung des Epikureismus, Senecas Briefe und Dialoge sowie das Apuleius zugeschriebene Platonismushandbuch stellen die Lehren griechischer Schulen in lateinischer Sprache dar, und vom 2. vorchristlichen bis zum 5. nachchristlichen Jahrhundert lernen gebildete Lateiner Philosophie und fühlen sich verschiedenen Philosophenschulen zugehörig. Damit ist die philosophische Eigentradition hier deutlich größer als im syrischen Sprachraum, wo die selbständige Rezeption von Philosophie erst um 200 n.  Chr. mit Barḍaiṣān bereit unter christlichen Vorzeichen einsetzt und sich dann in recht enger Abhängigkeit von griechischen Entwicklungen fortsetzt. Entsprechend weist der lateinische Raum auf organisatorischer wie auf inhalt­ licher Ebene Eigenheiten auf, die kurz- wie langfristig zu Sonderentwicklungen führen. Das beginnt bei dem bemerkenswerten Faktum, dass dieser Teil der antiken Welt praktisch keine eigenen Philosophenschulen kennt (mit der kurzlebigen Ausnahme der sogenannten ›Sextier‹) und Römer auch kaum als professionelle Lehrer der Philosophie agieren. Am ehesten betreiben sie diese, so wie Cicero und Seneca, als gebildete Laien, die ihre Erfahrungen mit griechischer Philosophie an ihre Landsleute vermitteln. Des Weiteren ist zu bedenken, dass lateinischsprachige Leser über ganz unterschiedliche Griechischkenntnisse verfügen: Ein direkter Zugang zu Platon und Aristoteles ist für sie nur dann gewährleistet, wenn sie über eine entsprechende Kompetenz verfügen oder wenn Übersetzungen vorliegen. Hinzu kommt, dass sich lateinische Denker häufig als Angehörige einer eigenen Sprachtradition verstehen und deren Quellen besonders berücksichtigen. Im Ergebnis sind lateinische philosophische Texte durchweg stark von Cicero geprägt, während direkte Einflüsse Platons geringer bleiben als im griechischen Sprachraum. Hellenistische Theorien, eine eher skeptische Geisteshaltung und ein ausgeprägtes Interesse an Politik und Rhetorik bleiben somit auch dann einflussreich, wenn im Osten der Platonismus zunehmend dominiert und derartige Tendenzen dort eher zurücktreten. Die Ergebnisse sind mannigfaltig: Während sich vor allem der gebildete, des Griechischen mächtige Marius Victorinus in ausgiebige, neuplatonisch angeregte Spekulationen vertieft, zeigt sich bei Laktanz kaum eine gründliche Kenntnis des Platonismus. Der Christ Calcidius legt ­einen fast durchweg philosophischen Kommentar zu Platons ›Timaios‹ vor, zu dem keine griechische Parallele existiert. Macrobius, Ambrosius und Augustinus verbinden hingegen neuplatonische Einflüsse mit der ciceronischen Tradition. Das führt vor allem bei dem Kirchenvater aus Hippo zu überraschenden Erkenntnissen und 1135

Fazit

e­ inem steten Weiterfragen, welches letztlich ein teilweises Abrücken von dem Ideal nach sich zieht, durch ein philosophisches Leben glücklich zu werden: Anstatt die Vollendung der Philosophie im Christentum zu suchen, wie er es in jungen Jahren unternimmt, betont der späte Augustinus die Unmöglichkeit einer Vollendung seiner selbst durch ein rein menschliches, philosophisches Streben. Der Graben zwischen christlichem Erlösungsangebot und Philosophie reißt damit wesentlich tiefer auf, als er das im griechischen und syrischen Sprachraum je tut. Dies stellt die lateinischen Autoren vor herausfordernde Alternativen, die die geistige Dynamik des Westens bis heute mitprägen.

5. Auf dem Weg zu einer neuen Professionalisierung: Philosophie in der Ausgehenden Antike Bemerkenswerte neue Entwicklungen – nun in auffälliger Parallelität – zeichnen sich schließlich ab etwa 480 ab. Sie lassen sich einerseits in einer zunehmenden Rezeption aristotelischer Philosophie, besonders der Logik, andererseits in einem Auslaufen der platonischen Tradition festmachen, deren Lehren z. T. in anonymer Form in christlichen Texten aufscheinen. Eine Initialzündung scheint der Tod des Proklos zu sein, nach dem die neuplatonische Schule Athens zu einem Zeitpunkt in eine Krise gerät, zu dem zugleich der christliche Druck auch auf die alexan­ drinischen Neuplatoniker stärker wird. Die Durststrecke in Athen endet erst um 515 mit Damaskios, dessen kühne Deutungen der Wirklichkeit, die im Unsagbaren enden, einen letzten Höhepunkt der antiken Philosophie bilden, bevor die strikt platonische Lehrtradition mit der Schließung der Athener Schule um 529 zu einem Ende kommt. Immerhin werden Spuren seines Wirkens nächst denen des Proklos in den philosophisch beeinflussten Werken der Christen Pseudo-Dionysios Areopagites und Boethius aufbewahrt, die somit Grundlehren der neuplatonischen Metaphysik an spätere Zeiten überliefern. Der wichtigste Fortsetzer der philosophischen Lehre wird aber Proklos’ Schüler Ammonios, Sohn des Hermeias, der in Alexandrien öffentlich für ein breites Publikum lehrt, wobei er den faktischen Schwerpunkt mehr und mehr auf Aristoteles legt. Während die Gründe hierfür nicht ganz klar sind – Ammonios’ persönliche Interessen könnten hierfür genauso eine Rolle spielen wie die Wünsche der zahlenden Hörer oder möglicherweise auch äußerer Druck –, lassen sich die Folgen dieser Fokussierung gut fassen. Sie wird zu einem Charakteristikum, in dem sich das 6. Jahrhundert als Ausgehende Antike von den vorherigen Epochen abhebt: In Alexandrien selbst bleibt Aristoteles auch unter Ammonios’ Nachfolgern im Zentrum des Interesses, zu denen neben dem Hellenen Olympiodoros auch die offenbar christlichen Ausleger Elias, David und Stephanos gehören, von denen der letzte um 600 möglicherweise nach Konstantinopel wechselt. Ihre erhaltenen Kommentare zu Aristoteles, die sich überwiegend auf logische Einfüh1136

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

rungsschriften richten, zeigen nur geringe christliche Einflüsse, sondern stellen den Stagiriten als Philosophen vor. Der Fokus auf Aristoteles’ Logik zeigt sich weiterhin markant in zeitlich eng beieinanderliegenden Übersetzungen der logischen Einführungsschriften des Aristoteles ins Lateinische (durch Boethius), Syrische und Armenische, die alle faktisch weitgehend auf Porphyrios’ ›Eisagoge‹ sowie Aristoteles’ ›Kategorien‹, ›Hermeneutik‹ und ›Analytica priora‹ beschränkt sind. Den Hintergrund derartiger Übertragungen dürfte vor allem das Bedürfnis nach einer wissenschaftlichen Absicherung der weiterhin notwendigen Studien in Theologie und Medizin bieten, so dass die philosophiebegeisterten Übersetzer faktisch ein recht breites Publikum in den wichtigsten Literatursprachen der folgenden Jahrhunderte erreichen. Auch über die Übersetzungen hinaus prägt die aristotelische Lehre die Ausgehende Antike. Die Annahme des Stagiriten, die Welt habe weder Anfang noch Ende, ruft nun, nachdem sie jahrhundertelang kaum eine Rolle gespielt hatte, entschiedenen Widerspruch von verschiedenen Christen hervor: Ist dieser in Zacharias Rhetors Dialog ›Ammonios‹ und in argumentativen Quaestionensammlungen argumentativ noch relativ schwach, so wird er bei Ammonios’ christlichem Fortsetzer Johannes Philoponos zum groß angelegten Versuch einer Widerlegung der aristotelischen Position aus sich selbst heraus. Philoponos’ neuartige philosophische Annahmen beeinflussen die Folgezeit stark, auch wenn seine Theorie von einem der letzten originären Platoniker, Simplikios, noch einmal mit Entschiedenheit zurückgewiesen wird. Im Kontrast dazu stellt die unhinterfragte Darstellung der Ewigkeit der Welt beim zeitgenössischen Christen Boethius eine Nachwirkung der unentschiedenen Situation der früheren Jahrhunderte dar. Bedeutend ist der Einfluss aristotelischer Positionen auch auf die christlichen Themen der Zeit, also die Lehre von den Personen der Trinität und von Gott und Mensch in Christus. Sowohl die Frage nach der Einheit und Vielheit in Gott als auch die Problemstellung der Einheit und Zweiheit Christi wird nun mit aristotelischen Mitteln, der Kategorienlehre und der Lehre von der Mischung aus ›Über Werden und Vergehen‹, zu erklären gesucht. Gerade diese in einem monotheistischen Kontext wirksamen Aristotelismen weisen über die Antike hinaus und lassen die Tendenzen der Zukunft erkennen. Dies zeigt sich auch in weiteren Details: Die Schilderung der Philosophie als Magd der Theologie beim Monophysiten Severos von Antiochien formuliert in antiker Sprache eine Verhältnisbestimmung, die, wie im Mittelalter, zwei von Christen betriebene Disziplinen umfasst. Sowohl die syrisch-christlichen Philosophen Sergios von Rēšʿaynā und Paul der Perser, die den Stagiriten als den Philosophen schlechthin propagieren, als auch die frühesten armenischen Aristoteles-Erklärer, bei denen dieser erstmals einfach »der Philosoph« genannt wird, kündigen den Aristotelismus des Mittelalters an, zumal nun Platons Leistung eher beiseite gelassen wird. Weitere, vielleicht noch zentralere Themen mittelalterlicher philosophischer Ansätze werden durch solche christlichen Texte gesetzt, welche neuplatonische Lehren in neuem Gewand präsentieren: Neben dem epochemachen1137

Fazit

den Werk des vorgeblichen Areopagiten Dionysios gehören hierhin auch Sergios von Rēšʿaynās Traktat ›Über das geistliche Leben‹ und Johannes von Skythopolis’ ›Scholien zum Corpus Areopagiticum‹. Die Apogee der Spätantike findet man um 600 n. Chr. in Nisibis am Euphrat, wo der Ostsyrer Barḥaḏbšabbā niemand geringerem als Jesus Christus selbst die Lehre »robuster Definitionen der Philosophie und aller Wissenschaften« zuschreibt.

6. Die Rolle der Frauen in den philosophischen Richtungen der Antike Die Rolle der Frauen in der antiken Philosophie wirkt paradox: Einerseits gibt es in der antiken Philosophie verbreitete Belege für ein Mitwirken und Mitleben von Frauen in philosophischen Schulen und auch für spezifisch an Frauen gerichtete Einladungen zur Philosophie. Beides lässt sich im Zeitraum von den Pythagoreern bis Damaskios nicht lückenlos, aber immer wieder belegen. Andererseits werden die Belege aber deutlich spärlicher, wenn es um die tatsächlichen philosophischen Leistungen von Frauen geht. Das betrifft zunächst deren überliefertes schriftliches Werk, von dem nicht nur fast nichts (die Briefe der Batis) erhalten, sondern auch nicht allzu viel Verlorenes bekannt ist (namentlich die Werke der Hypatia). Es berührt aber auch das philosophische Leben von Frauen, das zwar in einigen Fällen gerühmt wird (zum Beispiel: Hipparchia, Batis, Hypatia, Makrina), aber doch erstaunlich selten ausdrücklich belegt ist: Als philosophische Lehrerinnen scheinen nur Aristipps Tochter Arētē, Hypatia und die Neuplatonikerin Sosipatra direkt genannt zu werden, während namentlich aus Platons Umfeld (Lastheneia, Axiothea), der kynischen Bewegung (Hipparchia) und der frühen epikureischen Schule (Batis, Leonta u. a.) einige philosophierende Frauen bekannt sind. In der neuplatonischen Schule erscheinen Frauen wie Aidesia und Asklepigeneia als aktive Persönlichkeiten, werden aber in den überlieferten Texten eher als Künderinnen göttlicher Wahrheiten denn als Philosophinnen charakterisiert – was sicherlich am Modell der platonischen Diotima orientiert und sehr respektvoll ist, sie aber eben doch nicht ausdrücklich als Philosophinnen erscheinen lässt. Der letztere Befund gibt Anlass zu zweierlei Vermutungen: Die eine ist, dass die Darstellung von Frauen in antiken Quellen von bestimmten Stereotypen geprägt ist, welche eher nicht die philosophische Qualität der Arbeit dieser Frauen in den Vordergrund stellt, die es sicherlich in vielen Fällen zu vermuten gilt. Der zweite Befund ist, dass die faktische Praxis in den Philosophenschulen eine aktive Mitwirkung von Frauen vermutlich nur teilweise begünstigt, und zwar vor allem dann, wenn bestimmte Frauen familiär in diese eingebunden sind, wie es bei Arete und Hypatia, aber auch bei Hipparchia und den Neuplatonikerinnen der Fall ist. Intellektuell relativ unabhängige Räume wie die mittelalterlichen Frauenklöster, die einen gewissen Freiraum für geistige Aktivität von Frauen lassen, kennt die Antike offenbar kaum, und entsprechend spärlich bleibt jedenfalls die Überliefe1138

Die Philosophie der Antike in Raum und Zeit

rung. Insofern dürfen eher die positiven Aussagen zur geistigen Leistungsfähigkeit von Frauen, wie wir sie z. B. in Platons ›Politeia‹ finden, als zukunftsweisend und sachadäquat gelten denn die Möglichkeiten, welche unsere Quellen und deren soziale Hintergründe der philosophischen Aktivität von Frauen einräumen.

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II. Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

1. ›Wahre Philosophie‹ als Bildung mit Bezug zur Wahrheit: Verwendung und Konnotationen des Wortstamms philosophDer spezifische Gebrauch des Wortstamms philosoph- als Bezeichnung eines rationalen, zur Lebensleitung fähigen Weltzugangs, welcher in bestimmten Schulen auf der Grundlage unterschiedlicher Gedankengebäude gelehrt wird, ist fast die ganze Antike hindurch nachzuweisen. Er ist in einen breiteren Wortgebrauch eingebettet, in dem philosophia ganz allgemein einen gewissen Bildungsgrad und philosophos einen Menschen bezeichnet, den man als dermaßen gebildet ansieht. Dieser Wortgebrauch begegnet bereits, wenn Thukydides’ Perikles das ›Philosophieren‹ als Beschäftigung allen Athener Bürgern zurechnet, und wohl auch schon, wenn Herodot Solon als weise charakterisiert. Allerdings deutet eine Reihe von Zeugnissen darauf hin, dass der Begriff ursprünglich eine Suche nach Wahrheit bezeichnet, die zwar jedes mit dem Logos beschreibbare Vorgehen umfasst, aber trotzdem einen recht wissenschaftlichen Charakter aufweist. Dies betrifft die Zeugnisse über Pythagoras’ Selbstverständnis als ›Philosoph‹ sowie die Belege bei Heraklit und auch zu Beginn von Aristoteles’ ›Metaphysik‹ mit ihrer Verbindung von Philosophie und einer breiten, in sich selbst wertvollen Forschung bzw. dem Staunen. Es gilt auch für die bei Aristoteles und Platon begegnende Bezeichnung aller Wissenschaften als ›Philosophien‹. Dass bereits um 400 v. Chr. ›Philosophie‹ eine eigene Disziplin bezeichnen kann, wird durch das wohl früheste Auftreten des Substantivs philosophia (bzw. genauer philosophiē) in ›Über die alte Medizin‹ angedeutet. Die wissenschaftliche Konnotation des Philosophiebegriffs setzt sich mit ihrer Charakterisierung bei Platon als ein an wahre Erkenntnis gebundenes, zu einem guten Leben führendes Streben nach Weisheit gegenüber dem weiteren, auf jegliche politisch relevante Bildung bezogenen Begriff, der insbesondere von Isokrates verfochten wird, weithin durch. Fortan bezeichnet der Wortstamm primär die durch Sokrates, Platon sowie ihre Anhänger und Nachfolger gekennzeichnete Fachphilosophie, wie sie in der Akademie sowie bald auch im Peripatos, der Stoa und dem Kepos betrieben wird, zu der ferner die Kyniker regelmäßig gerechnet werden. Das Ideal eines tugendhaften Lebens geht namentlich durch deren Einfluss sowie durch denjenigen weiterer Sokratiker in hellenistischer Zeit eine enge Verbindung mit der philosophischen Theorie ein. Dadurch erhält der Philosophiebegriff die zusätzliche Konnotation einer besonders tugendhaften Lebensweise, deren konkrete Ausgestaltung – vom wandernden Kyniker bis zum philosophierenden Kaiser – aber eine enorme Bandbreite aufweist. 1140

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Neben diesem relativ klar abgegrenzten Begriff ist auch zu späteren Zeiten die Kennzeichnung philosophia als Anzeige der hohen Bildung einer Person verbreitet, ohne dass diese eine ausgesprochen fachphilosophische Ausbildung haben müsste. Das zeigt sich besonders in der Kaiserzeit, z. B. durch die Inanspruchnahme des Begriffs bei Rhetoren wie Ailios Aristides, der sie mit Sprachbeherrschung und einer »Bildung im Allgemeinen« (παιδεία κοινῶς) verbindet, aber auch dadurch, dass in vielen inschriftlichen Belegen Persönlichkeiten als philosophos bezeichnet werden, die mutmaßlich mit einer philosophischen Schule nicht allzu viel zu tun haben. In diesem Sinne – und wohl weniger im Sinne der Anhängerschaft zu einer Philosophenschule – können sich auch viele Fachwissenschaftler als »Philosophen« bezeichnen, was zu hellenistischer Zeit offenbar weit weniger verbreitet ist. Auf hellenistische Anfänge kann diese Tradition aber zumindest insoweit zurückblicken, als schon hier viele politisch aktive Menschen sich einer Philosophenschule zurechnen und sich selbst deren Ideale zuschreiben, obwohl sie ansonsten Aktivitäten von Angehörigen der Oberschicht in relativ erwartbarer Weise vollziehen. Für den kaiserzeitlichen Sprachgebrauch ist überhaupt eine intensive Diskussion um »wahre Philosophie« (ἀληθὴς φιλοσοφία) typisch, die bereits mit Platon begonnen hat, aber nun ihre höchste Verbreitung erreicht. Von seiten der Fachphilosophie, die zu dieser Zeit ihre größte Vielfalt und Verbreitung erreicht, kulminiert sie in Aufrufen zur Konzentration auf das für das Erlangen der Eudaimonie Wesentliche, die von Autoren wie Seneca, Epiktet, Dion von Prusa und Themistios immer wieder – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – wiederholt werden. Es wäre zwar übertrieben, diese Aufrufe als Ablehnung jeder ernsthaften theoretisch-philosophischen Beschäftigung zu werten, doch dürften etwa die Warnungen Senecas und Epiktets vor allzu spitzfindigen Chrysipp-Studien durchaus ihren Effekt haben. Derartige Warnungen haben sicherlich auch damit zu tun, dass die Fachphilosophie vielerlei Kritik von verschiedenen Seiten ausgesetzt ist, die nicht nur von Rhetoren stammt, sondern auch von Fachwissenschaftlern – die aufgrund der Zerstrittenheit der Philosophen solide erkenntnistheoretische Grundlegungen vermissen – sowie von Satirikern wie Lukian, welche den Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit kritisieren. Ihr schließen sich auch viele Juden und später Christen an, die das Ideal ›wahrer Philosophie‹ mit monotheistischen Überzeugungen verbinden und den Fachdiskurs entsprechend kritisieren, indem sie einige seiner eigenen Tendenzen in ihrem Sinne deuten. Christen wie Justin, Clemens, Eusebios und später die Kappadokier und Johannes Chrysostomos, welche das Ideal ›wahrer Philosophie‹ für sich in Anspruch nehmen und sich zugleich von der Fachphilosophie distanzieren, sind im Übrigen vor dem breiten Hintergrund einer Annäherung von Philosophie und Religion in dieser Epoche zu sehen. Gegenüber der sehr weiten Verwendung von philosoph- in der Kaiserzeit verbindet der spätantike Sprachgebrauch wieder stärker die Fachphilosophie oder eine ihr äquivalente Bildung und Aktivität, also eine theoretische Arbeit mit dem Logos oder eine besonders tugendhafte Haltung, mit diesem Wortstamm. Das erklärt sich einerseits durch die im Neuplatonismus vollzogene Integration verschie1141

Fazit

dener Bildungsgattungen in dessen komplex strukturierten Kosmos, zum anderen auch durch die programmatische Aufnahme des Philosophiebegriffs durch bestimmte Christen: Justin und Clemens nehmen die soziale Rolle von Fachphilosophen ein, Eusebios sieht gerade die Philosophie Platons als Vorbereitung auf das Evangelium, und auch bei den Kappadokiern erscheint das ›Philosophieren‹ als Bezeichnung für ein geistiges Bemühen oder auch für bestimmte Persönlichkeiten, die besonders intensiv philosophisch leben. Auch diejenigen Mönche, die sich häufig ohne einen besonderen Bildungsanspruch (bzw. mit dessen Ablehnung) Philosophen nennen, tun das im Sinne der Zugehörigkeit zu einer durchaus elitären Lebensweise, wenn auch primär im asketischen Sinne. Allerdings scheinen die schulphilosophischen und »heidnischen« Konnotationen des Begriffs manche Christen weitgehend davon abzuhalten, ihn auf die eigene Aktivität zu beziehen, selbst wenn sich diese, wie im Falle des Origenes, in Theorie und Praxis an einem philosophischen Modell orientiert. Ebenso bleibt philosophia weiterhin eine höfliche Anrede, vor allem für gebildete Heiden. Aufs Ganze gesehen beeinflusst der begrifflich fließende Übergang von Fachphilosophie und allgemeinem Bildungsideal den antiken Blickwinkel in mehrfacher Weise: Zunächst einmal impliziert er eine Verbindung der Philosophie mit einer bestimmten Lebensweise, nämlich der des Gebildeten, und trägt somit zu einer lebenspraktischen Konnotation des Konzeptes bei. Zugleich begünstigt er auch die Annahme, dass diese Lebensweise ein theoretisches Fundament benötigt, denn die durch philosophia ausgedrückte Bildung dürfte selbst dann eine Kenntnis der literarisch-philosophischen Tradition, vor allem Platons oder Ciceros, beinhalten, wenn sie keine eigentliche Kenntnis der Lehren der Philosophenschulen umfassen sollte. Im Übrigen dürfte ein theoretisch-philosophisches Fachwissen so selbstverständlich mit den professionellen Nachfolgern Platons sowie des Aristoteles, Chrysipp und Epikur verbunden sein, dass es jedenfalls zu einem qualifizierten Philosophiebegriff zwingend gehört. Vor diesem Hintergrund kann die Fachphilosophie sowohl auf dem Gebiet einer Lebensführung, die sich auf wirkliche Tugend stützt, als auch auf dem Gebiet der Aneignung komplexer intellektueller Überzeugungen als Höhepunkt des allgemein antiken Strebens um philosophia gesehen werden, wird aber genau in dieser Hinsicht auch leicht zur Zielscheibe von Spott und Kritik, die sich auf ihre Uneinigkeit, ihre Abgehobenheit oder ihre Eingeschränktheit richten können. Entsprechend spielt allerdings auch die Strategie, eine nicht wissenschaftliche oder auf zu geringem Niveau argumentierende Philosophie als ›falsche‹ Philosophie zu diskreditieren, in der Antike kaum eine Rolle, wohl nicht zuletzt wegen der Weite des Philosophiebegriffs und auch deswegen, weil sie ja auch viele wenig gebildete Anhänger der eigenen Schulen sowie die eindeutig philosophisch konnotierten Kyniker treffen würde: Die jeweiligen Gegner werden mit Argumenten oder auch Polemik in der Sache bekämpft, aber ihr Anspruch auf philosophia wird allenfalls insofern bestritten, als deren ›wahre‹ Ausprägung stets auf der eigenen Seite zu suchen ist. Insofern wird auch bei Juden und Christen ihr 1142

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Anspruch, ›Philosophen‹ zu sein, von außen weniger infrage gestellt als die – in den Augen ihrer Gegner – grundlegende Falschheit ihrer Lehren sowie deren fehlende Begründung. Innerchristlich gibt es hingegen heftige Auseinandersetzungen um einen wahren oder vermeintlichen philosophischen Einfluss, der in den Augen von Gegnern das Aufkommen abweichender Formen christlichen Denkens, also von ›Häresien‹, erklärt. Gegenüber dieser sehr breiten Verwendung des Wortfelds philosoph- im griechischen Bereich lässt sich in den übrigen antiken Sprachen eine größere Zurückhaltung feststellen: Im lateinischen Sprachraum gehören philosophia und philosophus bald zum wohlbekannten Vokabular, doch wird ihr Inhalt von vielen Römern auch misstrauisch beäugt, und gerne wird das ursprünglich lateinische sapientia verwendet, um die Philosophie zu bezeichnen – was aber nicht in jedem Fall eindeutig ist. Wenn lateinische christliche Autoren wie Tertullian, Laktanz, Ambrosius und Augustinus das Ideal des Christentums als wahrer Philosophie nur selten bis gar nicht benutzen, drücken sie insofern eine in ihrer Kultur verwurzelte Haltung aus. Faktisch unterscheiden sie sich aber nicht allzu sehr von ihren griechischen Vorbildern. Ähnliches lässt sich auch für den syrischen Sprachraum sagen, wo die Nomina filosofūṯā (die Philosophie) und filosofā (der Philosoph) zusammen mit vielen anderen griechischen Lehnwörtern nach und nach, endgültig wohl im 6. Jahrhundert, Aufnahme finden. Hier lässt sich vielfach eine sehr positive Aufnahme der Worte feststellen, aber sie bleiben deutlich seltener als im Griechischen und werden in Übersetzungen aus dieser Sprache auch gezielt vermieden. Eine noch größere Zurückhaltung zeigt das Altarmenische, welches sich weitgehend mit der Lehnübersetzung imastasirowtciwn (Liebe zur Weisheit) begnügt.

2. Definitionen der Philosophie in ihren Kontexten Im Vergleich zu dem sehr breiten Gebrauch des Wortstamms philosoph- informieren die antiken Definitionen der Philosophie über die wesentlich konkretere Perspektive der Philosophenschulen selbst bzw. derjenigen, die diese Definitionen auf- und annehmen. Die wichtigsten Definitionen, die spätestens bei Ammonios Hermeiou um 480 n. Chr. gesammelt begegnen, stammen denn auch von Platon (›Ähnlichwerden mit Gott, soweit es dem Menschen möglich ist‹ und ›Sorge um den Tod‹ sowie das allgemeine ›Streben nach Weisheit‹), Aristoteles (›Wissenschaft vom Seienden, insofern es seiend ist‹ und auch, in gewissem Sinne, ›Fertigkeit der Fertigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften‹) und der Stoa (›Wissenschaft von den göttlichen und menschlichen Dingen‹). Zu beachten ist, dass sie von diesen Autoren nicht notwendigerweise als Definitionen der gesamten Philosophie eingeführt werden, sondern häufig eher gewisse Kontexte und Teilaspekte beleuchten. Das Definition-Werden erfolgt daher durch den verstetigenden und vereinheitlichenden Einfluss einer längeren Entwicklung. Diese kennt im Übrigen 1143

Fazit

deutlich unterscheidbare Moden, die den philosophischen Gesamtentwicklungen der Zeit entsprechen: Die hellenistische und die Kaiserzeit stehen weitgehend im Zeichen der stoischen Definition der Philosophie, die dabei leicht variiert wird und insbesondere eine Kenntnis der Gründe des Gewussten als Bestandteil der Philosophie mit enthalten kann (Cicero, Seneca, evt. mit Rückgriff auf die mittlere Stoa). Diese Definition wird auch von Mittelplatonikern verwendet, spielt aber gerade bei Epikureern naturgemäß kaum eine Rolle, ohne dass sie eine andere Definition bevorzugten. In der Spätantike überwiegt hingegen die Definition der Philosophie als ›Ähnlichwerden mit Gott‹, an die neben Neuplatonikern auch Christen anschließen können, die sie freilich teilweise zur Nachahmung Gottes (imitatio dei) nivellieren. Im syrischen Bereich wird die Definition von Sergios von Rēšʿaynā und Paul dem Perser in ihrer ursprünglichen, aber verkürzten Form als ›Ähnlichkeit mit Gott‹ bzw. ›Ähnlichkeit mit der Gottheit‹ (dumyā ḏ-allāhā bzw. dumyā ḏ-allāhuṯā) aus der Lehre des Ammonios übernommen. Im lateinischen Bereich bleibt demgegenüber die Sonderrolle der stoischen Definition wegen der starken ciceronischen Prägung und der relativen Schwäche direkter platonischer Einflüsse bis Boethius bestehen. Im Hinblick auf die Frage nach der Verbindung von theoretischen Überlegungen und einer bestimmten Lebensführung in der Philosophie betonen die platonischen Definitionen eher den lebenspraktischen Aspekt, während die aristotelischen und stoischen das Wissen bzw. die Wissenschaft (ἐπιστήμη) explizit enthalten. Am weitesten in die praktische Richtung geht die Definition der Philosophie als ›Sorge um den Tod‹, während ›die Wissenschaft vom Seienden qua Seienden‹ am weitesten in die theoretische Richtung geht. Faktisch gehören aber im antiken Verständnis zu allen Definitionen sowohl die theoretische Reflexion als auch eine gewisse Form von Praxis hinzu: Für die Stoiker ist eine Wissenschaftsdisziplin stets auch eine Tugend und insofern direkt handlungsrelevant, und für Aristoteles kann eine theoretische Aktivität, so wie jede andere, auch als eine Aktivität gedeutet werden, die glücklich macht. Umgekehrt wird das Ähnlichwerden mit Gott zwar von Platon im ›Theaitet‹ mit den Tugenden in Verbindung gebracht und hat insofern einen praktischen Zug, doch lässt es sich kaum sinnvoll von dem Aufstieg zur Schau des Göttlichen trennen, der im ›Symposion‹ als Abfolge verschiedener Erkenntnisformen geschildert wird und insofern auch theoretisch ist. Und auch die Sorge um den Tod geschieht bei Sokrates, wie auch bei Epikur, stets durch Rückgriff auf und Vergewisserung von bestimmten theoretischen Überzeugungen, so dass Wahrheitsanspruch und Praxis Hand in Hand gehen. Die Definition als ›Fertigkeit der Fertigkeiten und Wissenschaft der Wissenschaften‹ weist schließlich besonders darauf hin, dass das Prestige und die besondere Stellung der Philosophie wesentlich auf ihren theoretischen Vollzügen beruhen. Die antiken Definitionen der Philosophie stützen deren Charakter als Lebensform also in der Hinsicht, dass antikes Philosophieren stets auf eine Form von Eudaimonie gerichtet ist, die im aristotelischen Sinne als Aktivität zu verstehen, aber nicht auf praktische Lebensvollzüge wie Askese und geistige Übungen beschränkt ist. 1144

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Zu beachten ist allerdings, dass die theoretischen Vollzüge, die für die Philosophie als Weg zur Eudaimonie wichtig sind, gemäß deren Definitionen nicht primär in einer forschenden Aktivität bestehen, sondern in einer Einübung einer wahrheitsgemäßen Haltung. Insofern suggerieren sie, dass die richtigen Überzeugungen und der reflektierte Umgang mit ihnen wichtiger sind als inhaltliche Originalität und objektive Beweisbarkeit der richtigen Überzeugungen. Es überrascht daher nicht, dass gerade Christen das darin inhärierende Konzept von Philosophie als Streben nach Eudaimonie relativ leicht mit solchen Überzeugungen verbinden können, die ihren Wahrheitsanspruch durch Offenbarung erhalten, und die Einübung des Glaubens und der Askese dabei als Mittel der Vergewisserung der gegebenen Wahrheit empfehlen können.

3. Die Einteilungen der Philosophie und ihre Bedeutung Die Einteilungen der Philosophie weisen oberflächlich betrachtet eine geringere Variabilität auf als ihre Definitionen und setzen zudem etwas später ein, nämlich Mitte / Ende des 4. Jahrhunderts v.  Chr., wenn eine Vielzahl philosophischer Teilgebiete sichtbar werden, die eine Ordnung angezeigt scheinen lassen: Auf der Grundlage recht lockerer und offener Reihungen von Teilbereichen in der Alten Akademie entwickeln Aristoteles und die Stoiker die beiden einflussreichsten Schemata: Die aristotelische Einteilung der Philosophie in Theorie und Praxis mit den Unterteilen Ethik, Politik und Ökonomik sowie Erste Philosophie, Mathematik und Physik, an die sich eine große Reihe naturwissenschaftlicher Arbeitsfelder anschließt, stellt den Versuch einer breiten Wissenschaftsklassifikation dar, in der die Philosophie zwar einen Ziel- und Höhepunkt bildet, aber eine Offenheit nach allen oder zumindest vielen potentiellen Forschungsfeldern hin besitzt. Auf diese Weise kann Aristoteles’ Ansatz auch als Zusammenfassung älterer Bemühungen der Pythagoreer und Sophisten sowie Platons um die Bearbeitung verschiedener ›Philosophien‹ gesehen werden. Demgegenüber stellt die stoische Einteilung der Philosophie in Logik, Physik und Ethik – mit den Unterteilen Dialektik, Rhetorik, Theologie und Politik – eher eine abschließende Einteilung dessen dar, was zur Philosophie gehört. Andere Gebiete werden eher außerhalb der Philosophie angesiedelt. ›Philosophieren‹ ist in diesem Verständnis nur dasjenige wissenschaftliche Studium, das für das Erreichen der Eudaimonie im Rahmen der jeweils akzeptierten Theorie essentiell ist. Auch in dieser Hinsicht findet eine weitere Verschlankung der relevanten Inhalte statt: Während bei Aristoteles noch verschiedene Aktivitäten als mehr oder weniger vollkommene Formen von Eudaimonie diskutiert werden und sowohl theoretische als praktische Zugänge zu ihr anerkannt sind, wird dieser Zusammenhang in den Schulen der Folgezeit – in der auch Epikureer, Skeptiker, Platoniker und Peripatetiker ihre Curricula am stoischen Vorbild gestalten – enger gefasst, 1145

Fazit

so dass nur noch eine der Lehre der Schule entsprechende, tugendhafte Aktivität oder Emotion tatsächlich zur Eudaimonie führen soll. Eher als bei Aristoteles könnte dieses Bemühen ein entferntes Vorbild in der platonischen Dialektik finden, in der der Weg zur Ideenschau anhand bestimmter Disziplinen vorgezeichnet werden soll, doch sind Platons mannigfaltige Aussagen dazu durchweg für verschiedene Deutungen offen. Mit den Einteilungen der Philosophie bzw. den Curricula, die aus ihnen bestehen, werden die Gebiete festgelegt, die in der Philosophie zu behandeln und von Philosophen zu erlernen sind, was sicherlich ursächlich für den Erfolg des Konzepts und die Übernahmen der Einteilung bei Epikureern und Akademikern ist. Andererseits drückt sich auch eine geringe Bedeutung der Fachwissenschaften für das philosophische Bildungsideal aus, was, auch wenn einige Fachwissenschaften weiter zumindest teilweise von Philosophen betrieben werden (z. B. Eratosthenes), auch eine faktische Distanz bedeutet. Das ist im Zuge eines Trends zur Spezialisierung nicht überraschend. Trotzdem ist die Vehemenz bemerkenswert, mit der Epikureer und Stoiker zumindest rhetorisch ihren Anhängern eine Distanz zu den Fachwissenschaften anraten. Dies dürfte auch aus einer Abgrenzung zum Peripatos und dem dort zu beobachtenden Verlust einer klar philosophischen Perspektive resultieren, dem gegenüber Epikur und die Stoiker die theoretische Arbeit wieder aktiv als Grundlage für eine Lebensform betreiben wollen. In Kaiserzeit und Spätantike vollzieht sich ein langsamer Prozess einer Ablösung der stoischen Einteilung der Philosophie in eine von platonischen, aber auch aristotelischen Vorannahmen geprägte Darstellung der Stufen eines Aufstiegs zum Göttlichen, die im Kern dadurch gekennzeichnet ist, dass die Theologie bzw. Metaphysik als der höchste Teil bzw. das Ziel der philosophischen Arbeit gesehen wird, auf das die anderen Teile nur vorbereiteten (erstmals wohl bei Plutarch nachweisbar). Hierbei kann entweder die Metaphysik formal den dritten Teil des stoischen Schemas, nämlich die Logik, ersetzen, so dass es, erstmals beim Aristoteles-Kommentator Aspasios nachweisbar, zur Ordnung Ethik-­Physik-Metaphysik kommt. Diese Variante kommt entweder dadurch zustande, dass die Logik, als platonische Dialektik verstanden, ans Ende der stoischen Liste gesetzt (schon bei Cicero) und dann zur Metaphysik bzw. Theologie umgedeutet wird (Aspasios). Oder sie entsteht dadurch, dass die Metaphysik an eine leicht umgestellte Dreierliste angehängt wird – so dass die Auflistung, wie häufig im Neuplatonismus, lautet: Ethik-Logik-Physik-Metaphysik –, schließlich aber, aus gleich zu erläuternden Gründen, die Logik weg­gelassen wird. Jedenfalls ist die neue, platonisch-aristotelische Einteilung in den genannten zwei Formen ab dem 3. Jahrhundert dominant: Die Neuplatoniker verwenden meist eine Vierteilung Ethik-Logik-Physik-Metaphysik, die Christen bevorzugen (seit Clemens bzw. Origenes) die Dreiteilung Ethik-Physik-Metaphysik. Beide Perspektiven sind durch das Interesse vereint, die Philosophie als Aufstieg zum transzendenten Einen bzw. zu Gott anagogisch darzustellen, so dass die Teile in gewisser Weise das ›Ähnlichwerden mit Gott‹ nach einer ethischen Vorbereitung 1146

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

und der Beschäftigung mit Physik und Metaphysik darstellen. Zu beachten ist aber, dass diese Konzeption weniger eng auf bestimmte Inhalte fokussiert ist als die stoische, denn – im Anschluss an mittelstoische Entwicklungen – sind bereits die kaiserzeitlichen Platoniker der Meinung, dass gerade mathematische Disziplinen wie das auf die Pythagoreer zurückkehrende Quadrivium Arithmetik-Geometrie-Astronomie-Musik als Vorbereitung auf die Philosophie zu empfehlen oder sogar verpflichtend ist. Die Christen schließen sich demgegenüber an die stoisch-epikureische Ablehnung übertriebener Bildung an und erklären diese Disziplinen entweder für irrelevant für einen philosophischen Aufstieg (sehr deutlich schon bei Justin), oder sie empfehlen – im Sinne des Konzepts des »Gebrauchs« (χρῆσις, usus) nichtchristlicher Inhalte – eine maßvolle Beschäftigung mit ausgewählten Disziplinen. Besonders auffällig an diesen Entwicklungen ist das Fehlen der Logik in vielen spätantiken Auflistungen von Teilen der Philosophie. Der relativ frühe Beleg bei Aspasios spricht dafür, dass diese Auslassung im Zusammenhang mit der Ansicht der Aristoteliker steht, die Logik, die von Aristoteles nicht als Teil der Philosophie genannt wurde, sei auch kein Teil von ihr, sondern lediglich ein Werkzeug – wie es bereits Alexander von Aphrodisias ausformuliert, der folglich die Logik ebenfalls nicht unter den Teilen der Philosophie nennt. Diese antistoische Lesart der Teile der Philosophie wird wohl deswegen häufig angeführt, weil sie ganz verschiedenen Interessen entspricht: Zum einen passt sie durchaus zur platonischen Ansetzung der Dialektik bzw. der ihr entsprechenden Theorie ans Ende des Dreierschemas, zum anderen kommt sie der Kritik vieler Philosophielehrer an einer Beschäftigung mit logischen Spitzfindigkeiten entgegen, und schließlich bietet sie sich für die Christen aufgrund von den Schwierigkeiten dabei an, ein Äquivalent für die Logik zu entwickeln. Mittelfristig hat die Auslassung der Logik jedenfalls, obwohl die meisten Neuplatoniker an ihr als Teil der Philosophie festhalten, beträchtliche Konsequenzen, insofern der Methodenreflexion, die in der Logik geschieht, eine Sonderstellung für den Erwerb wissenschaftlichen Wissens unabhängig von inhaltlichen Fest­ legun­gen zugebilligt wird. Hierfür spielt auch die Kompetenz der Logik eine Rolle, für nichtphilosophische Wissenschaften wie die Medizin methodische Grundlagen zu legen – so dass sich auf diesem Wege die besondere Kompetenz der Philosophie in dieser Hinsicht, ironischerweise vertreten durch die aus ihr ausgegrenzte Logik, für alle Wissenschaften herauskristallisiert. Ferner gewinnt die Logik zunehmend auch für die dogmatischen Streitigkeiten der Christen an Bedeutung, wenn diese sich in der Trinitätslehre von den logischen Schriften des Aristoteles inspirieren lassen: Aus der Logik, die bislang für viele Christen eine ›Übeltechnik‹ (κακοτεχνία) ist, wird nun eine unverzichtbare Vorbereitungsleistung, die von Seiten der fachphilosophischen Lehrer erbracht werden muss, deren Werke zu diesem Zweck sogar in andere christliche Sprachen übersetzt werden. Das Überleben der Philosophie als Disziplin gelingt somit im christlichen Umfeld weniger durch die Übertragung des philosophischen Aufstiegs auf christliche Lehr1147

Fazit

konzepte, sondern durch die Unverzichtbarkeit gerade des technischen Teils der Philosophie als Methodenlehre – was deren Anhängern Gelegenheit gibt, in ihren Einleitungen auch von den anderen Teilen der Philosophie zu berichten, die am Ende der Antike kaum mehr gelehrt werden.1

4. Die Abgrenzungen der Philosophie Geben insofern insbesondere die Einteilungen der Philosophie erste Hinweise dazu, was zu ihr gerechnet wird und was nicht, so lassen die Abgrenzungen zu ihren Nachbarfeldern einige Akzentsetzungen noch deutlicher erkennen. Hierbei lässt sich durchaus eine Konstanz der verschiedenen Problemfelder konstatieren, während ihre Relevanz und ihre genaue Bestimmung durch die Antike hindurch schwankt.

Philosophie und Rhetorik Der Gegensatz zwischen Philosophie und Rhetorik ist dabei das vielleicht aus­ drück­lichste Diskussionsfeld in der Perspektive der Antike selbst. Immer wieder begegnen sich die beiden Disziplinen in intensiven Auseinandersetzungen und Annäherungen, als deren wichtigste Figuren die Sophisten, Sokrates, Isokrates, Platon, Cicero bekannt sind, doch äußern sich auch Quintilian, Dion von Prusa und Ailios Aristeides explizit zu diesem Problem. Grundsätzlich weisen Philosophen in der Debatte immer wieder darauf hin, dass es ihnen um die Wahrheit geht und nur um sie gehen kann, während die Rhetoren ja nur ein Überzeugen lehrten, das unabhängig von der Wahrheit sein könne. Für eine so verstandene Philosophie gehört also auch ein theoretisches Verständnis dessen, was wahr ist und warum es wahr ist, als Vorbedingung zu einer entsprechenden Lebensform hinzu, die nur gelingen kann, wenn sie in einer wahren Überzeugung fundiert ist. Demgegenüber machen die Rhetoren der Philosophie ihre Zerstrittenheit, ihre Inkompetenz auf sprachlichem Gebiet sowie ihre Praxisferne zum Vorwurf. Dabei verläuft der Streit keineswegs durchweg zwischen zwei klar unterscheidbaren Lagern: Einerseits beanspruchen viele Rhetoren seit Isokrates den Begriff ›Philosophie‹ in seinem traditionellen Sinn als Bildung für sich, andererseits erstreben mehrere bedeutende Figuren wie Cicero und Dion von Prusa eine Einheit von Philosophie und Rhetorik, bei der letztere ohne eine gründliche philo1

  Vgl. M. Perkams, Logik und Religion. Entstehungsbedingungen autonomer Philosophiebegriffe im lateinischen und im syrisch-arabischen Raum (6.–12. Jhd.), in: M. Enders  /   B. Goebel (Hrsg.), Die Philosophie der monotheistischen Weltreligionen im frühen und hohen Mittelalter, Freiburg u. a. 2019, 72–100, hier 77 f.

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Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

sophisch-moralische Bildung, wie sie die Philosophie vermittelt, ihre Vollständigkeit nicht finden könne. Dem stehen Philosophen wie Aristoteles und die Stoiker gegenüber, die differenzierte Rhetoriktheorien entwickeln und insofern die Rhetorik als Teil der Philosophie ansehen, ohne aber ein Lehrangebot in praktischer Rhetorik machen zu können oder zu wollen. Schließlich gilt es zu beachten, dass gewisse Teile der philosophischen Bewegung, z. B. Skeptiker und vor allem Kyniker, von Natur aus wenig Neigung zu einer rhetorischen Selbstpräsentation verspüren und ihr eher mit Verachtung gegenüberstehen. Hieran können in der Spätantike die Christen anschließen, welche zwar nicht selten Rhetorik als Teil ihres Bildungsganges erwerben, jeglichen Leitanspruch dieser Disziplin aber schon deswegen entschieden ablehnen, weil die Rhetorik keinen Wahrheitsanspruch und auch kein ernsthaftes Bemühen um Tugend enthalte. Demgegenüber tendieren die Neuplatoniker seit spätestens Jamblich wiederum dazu, die Rhetorik in den Kanon antiker Bildungsdisziplinen einzuordnen, für deren Bewahrung sie sich verantwortlich fühlen, doch ist letztlich auch für sie die Rhetorik nur noch im übergeordneten Zusammenhang der überlieferten Bildung wertvoll. In der Ausgehenden Antike ist in Bezug auf die Stellung der Rhetorik eine Verschiedenheit auf anderer Ebene zu beobachten, deren Nachwirkung noch genauer zu erforschen ist: Im lateinischen Westen wird die Rhetorik als Teil des Kanons der sieben freien Künste behandelt und bildet so für Jahrhunderte einen zentralen Bestandteil gehobener Allgemeinbildung. Von den philosophischen Disziplinen gehört hingegen nur die Logik unter dem Namen Dialektik zu diesem Kanon, während übrige Teilgebiete wie Physik und Metaphysik nur insoweit eine Rezeption erfahren, wie man sich mit den wenigen auf Latein zugänglichen einschlägigen Spezialtexten dazu befasst.2 Im griechischen Bereich kommt die Rhetorik im alexandrinischen Kanon philosophischer Teildisziplinen hingegen überhaupt nur in ihrer aristotelischen Form als Teil der Logik vor. Nach Meinung der Ausleger des 6. Jahrhunderts beschäftigt er sich mit Syllogismen, die teils wahr, teils falsch sind. Daher stellt aus Sicht der syrischen und vor allem der weiter von antiken Praktiken entfernten arabischen Philosophie die antike Rhetorik, im Sinne einer Lehre der Beredsamkeit, kaum mehr einen Teil desjenigen antiken Erbes dar, welches es zu rezipieren gilt.

Philosophie und Politik Wesentlich mehr als die Fachwissenschaften steht die Politik im Fokus des Selbstverständnisses antiker Philosophen: Schon Thales tritt als Berater im Umfeld des Lyderkönigs Kroisos auf, die Pythagoreer übernehmen selbst Regierungsverantwortung, und Empedokles wird eine Rolle bei der Einführung der Demokratie in 2   Vgl. dazu Perkams, Logik und Religion; Th. Ricklin, Die ideale Bibliothek, in: GGPh Mittelalter 3, 1 (2021), 14–33.

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Fazit

seiner Heimatstadt Akragas zugeschrieben. Erst recht wird die politische Lehre aber von den Sophisten als Kernaufgabe einer Bildung, die mit dem Begriff ›Philosophie‹ verbunden ist, in den Mittelpunkt gestellt. Dieser Zusammenhang wird bei Platon zu einem zentralen Aspekt der Herausarbeitung der Konturen einer enger gefassten Disziplin Philosophie: Diese solle eben nicht eine wertfreie politische Technik lehren, sondern künftige Herrscher beziehungsweise Könige gerade dadurch erziehen, dass sie diese über eine körperliche Ausbildung hinaus zur Erkenntnis der Wahrheit führe. Aufgrund dieser Erkenntnis könnten sie den Staat optimal regieren. Obwohl bekanntlich schon Platon selbst mit diesem Herrschaftsideal scheitert, ist die Vorstellung, dass Philosophen auch politisch aktiv sein sollen, seither nicht mehr wegzudenken. Aristoteles erkennt die Bedeutung der politischen Lebensform in seiner Beschreibung der ethischen Tugenden neben dem theoretischen Lebensideal an. Die implizite Gesellschaftskritik der Kyniker seit Diogenes leitet über zu den Darstellungen eines kosmopolitisch-utopischen Ideals unter der Anleitung eines allgemeinen Gesetzes bei den Stoikern Zenon und Chrysipp. Stoiker und Epikureer schreiben, wie vor ihnen Xenophon, Fürstenspiegel zur Ausbildung künftiger Herrscher, und selbst im Neuplatonismus bleibt die Vorstellung wichtig, dass es zur philosophischen Lebensweise gehört, politisch aktiv zu sein – selbst wenn das praktisch gar nicht möglich ist. Die weitaus schärfsten Konturen und die größte Relevanz erhält die Verbindung von Philosophie und Politik im lateinischen Raum, wo namentlich Ciceros Ideal des gebildeten Rhetors eine philosophische Kompetenz der Herrschenden einfordert, die der Römer bei den Fachphilosophen allerdings vermisst. Vor diesem Hintergrund beschreibt Augustinus in der Folgezeit das Verhältnis von Gott und Welt als das zweier Staaten, bevor Boethius seine eigene, mit seiner Hinrichtung endende politische Aktivität ausdrücklich im Sinne des Philosophenkönigtums deutet. Tatsächlich entspricht der theoretischen Beschäftigung mit der Politik durch die Antike hindurch auch eine politische Aktivität, die allerdings ihre Hoch- und Tiefphasen kennt. Nachdem die pythagoreischen ›Philosophenherrschaften‹ in Italien zu einem Ende gekommen und Platons politische Projekte gescheitert sind, ja selbst aus Athen Philosophen vertrieben werden, kennt die hellenistische Zeit einige Verbindungen von Philosophen und Politik, z. B. des Aristoteles als Lehrer Alexanders des Großen oder des Eratosthenes am Ptolemäerhof, ohne dass aber jeder Herrscher ›standardmäßig‹ einen Hofphilosophen hätte. Dagegen gibt es einige Beispiele für eine polisnahe Aktivität von Schulphilosophen, z. B. die Philosophengesandtschaft aus drei Schulen 156/55 v.  Chr. in Rom sowie die von ›Peripatetikern‹ und ›Epikureern‹ geleiteten Diktaturen in Athen vor der Eroberung durch Sulla. Tatsächlich dürften zu dieser Zeit freilich sowohl professionelle Philosophen als auch einflussreiche Bürger mit entsprechender Ausbildung, so wie andere angesehene Angehörige der Poleis, Gelegenheiten zu politischer Verantwortung nutzen und in diesem Kontext ihre philosophische Zugehörigkeit herausstellen. 1150

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Erst gegen Ende der hellenistischen Zeit scheint sich das Modell des Philosophen beim Herrscher jedenfalls bei römischen Kaisern weithin durchzusetzen: Areios (Didymos?) bei Augustus, Seneca und Chairemon bei Nero sowie Euphrates bei Hadrian sind typische Beispiele, bevor Kaiser Mark Aurel selbst Philosoph wird – was für ihn aber kein revolutionäres Philosophenkönigtum, sondern eine philosophische Selbstreflexion während seiner allgemeinen Herrschaftsaktivitäten bedeutet. Den dringendsten Wunsch, ein Philosophenkönigtum auszuüben, hat wohl im 4. Jahrhundert Kaiser Julian, der seinerseits in der Auseinandersetzung mit dem Christentum auf zahlreiche philosophische Berater zurückblicken kann. Zuvor hatte allerdings schon Eusebios im Umfeld Kaiser Konstantins die wichtigste Beraterrolle als christlicher Bischof übernommen, der sich auch in dieser Hinsicht philosophische Züge aneignet. Später tut es ihm z. B. Ambrosius von Mailand bei verschiedenen Kaisern gleich, der allerdings dank seines Einflusses als Geistlicher und Oberhaupt einer zahlreichen christlichen Anhängerschaft, eine ganz andere Rolle spielt als die Philosophen bei Hofe. Faktisch gelebt wird das Modell des nicht-christlichen Philosophen beim Herrscher also nur in einem relativen kurzen Zeitraum, und nur manchmal werden in den Quellen konkrete Errungenschaften von Philosophen beim Herrscher erwähnt: Während Euphrates eine Mischung von Königsfreund und Kuriosum zu sein scheint – Hadrian befiehlt ihm schließlich, den Schierlingsbecher zu trinken –, wirken Aristoteles (bei Alexander dem Großen) und Seneca (bei Nero) als Erzieher. Areios Didymos weiß Kaiser Augustus immerhin soweit zu beruhigen, dass dieser auf die Zerstörung Alexandriens verzichtet. Ohne Zweifel bilden politische Theorie und Praxis ein wichtiges Identifikationsmerkmal antiker Philosophie und tragen sicher zu ihrem Prestige als Lehrgegenstand und Lebensideal bei. Auffällig ist jedoch, dass es nach Aristoteles kaum direkt praxisrelevante politische Theorien gibt und von den Philosophen auch keine ausgeprägte Sozialkritik geübt wird, wie sie etwa für die alttestamentlichen Propheten typisch ist.3 Allerdings gibt es punktuell durchaus einen Einfluss gerade stoischer Philosophen auf soziale Reformprojekte.4 Gerade Cicero weist im Übrigen schon recht früh auf die Problematik der Vorstellung hin, dass politisch unerfahrene Philosophen im Ernstfall die Leitung von Staaten übernehmen sollen. Im Kern der antiken Überzeugung, dass der Philosoph zur Politik berufen ist, steht somit das Vertrauen in die eigene intellektuelle und charakterliche Exzellenz, welche zu konkreten Urteilen und Gesprächen mit dem Herrscher befähigt, dessen grundsätzliche Rechtmäßigkeit jedoch keineswegs infrage gestellt wird. Allenfalls das Ideal einer guten Monarchie im Gegensatz zur Tyrannis bzw. einer guten Demokratie und Aristokratie gegenüber ihren Verfallsformen wird 3

  Auf diesen Sachverhalt weist J. Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie. Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen, Frankfurt 2019, 312–326, hin. 4   Vgl. I. Hadot, Tradition stoïcienne et idées politiques au temps des Gracques, in: Revue des études latines 48 (1970), 134–179.

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Fazit

so durch den persönlichen Einsatz der antiken Philosophen mehr oder weniger effektiv gefördert.

Die Philosophie im Verhältnis zu den Fachwissenschaften Im Hinblick auf das Verhältnis der Philosophie zu den Fachwissenschaften in der Antike selbst ist ein komplexes Verhältnis zu konstatieren. Nachdem die Philosophie in vorsokratischer Zeit stark in die allgemeine Entwicklung der Wissenschaften eingebunden war, werden in Akademie und Peripatos des 4. Jahrhunderts noch einige mathematische und Naturwissenschaften betrieben. In hellenistischer Zeit zeichnet sich hingegen wegen der Konzentration der Philosophen in Athen und ihrer Beschränkung auf bestimmte Teile der Philosophie eine gewisse Trennung von den Fachwissenschaften ab, wozu auch äußere Faktoren wie die räumliche Trennung von Athen und den hellenistischen Wissenschaftszentren Alexandria und Pergamon beitragen. Zwar ist diese Absonderung von den Fachwissenschaften keineswegs so absolut, wie man zeitweise aus den Warnungen verschiedener Philosophen wie Epikur und Seneca vor überflüssigen Beschäftigungen mit gelehrten Details geschlossen hat. Tatsächlich belegen die stoisch inspirierte Grammatik des Dionysios Thrax und das astronomische Wirken eines Geminos sowie die Geographien des Erathosthenes und Strabon zahlreiche Kontakte zwischen Philosophie und Einzelwissenschaften. Doch derartige Einzelleistungen vielseitiger Persönlichkeiten ändern nichts daran, dass sich die Philosophenschulen der hellenistischen und Kaiserzeit vorwiegend auf zunehmend heftigere Debatten um die Inhalte beschränken, die man explizit der Philosophie zurechnet, also vor allem Erkenntnistheorie, Grundlagen der Ethik und Naturphilosophie. Zwar erreichen diese Debatten – gerade auf erkenntnistheoretischem Gebiet – große Subtilität, aber sie führen nur begrenzt zu Weiterentwicklungen, die eine erkenntnistheoretische Basis für weitere Wissenschaften sind. Letztlich gibt es ein programmatisches philosophisches Interesse an den medizinischen, mathematischen, biologischen und grammatischen Wissenschaften als solchen nur bei bestimmten antiken Autoren und Richtungen, und zwar vor allem bei den Pythagoreern, in der Alten Akademie seit Platon, bei Aristoteles, Theophrast und dem frühen Peripatos sowie bei Poseidonios. Aristoteles und Poseidonios legen Wissenschaftsklassifikationen vor, in denen die Fachwissenschaften Teil eines einheitlichen Wissenschaftsspektrums sind, das in der Philosophie kulminiert. Von ihnen und aus ihrem Umfeld stammen, ebenso wie aus dem Platons, exzellente fachwissenschaftliche Beiträge namentlich in der Mathematik und Astronomie. Nur bei ihnen gehört es daher auch zum Philosophiebegriff, die Spitze des Wissenschaftsprinzips zu sein. Darüber hinaus gibt es weitere Philosophen, z. B. Eratosthenes und den Epikureer Philonides, die sich in den Wissenschaften betätigen, doch scheinen beide Identitäten, die als Philosoph und die als Fachwissenschaftler, bei ihnen eher nebeneinander herzulaufen, ohne dass das Verhält1152

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

nis beider explizit zum Gegenstand einer Theorie würde. Ansonsten werden von Philosophen zwar gerne Beispiele aus der medizinischen Praxis eingeführt und das Verhältnis mathematischer Sätze zu philosophischen diskutiert, doch ist das eher ein Gebrauch gehobener Bildung in den einzelnen Disziplinen als ein echter philosophischer Beitrag zur Klärung von ihren Grundlagen. Die für die arabische Zeit typische Figur des Philosophen, der zugleich Arzt ist, gibt es in der nachsokra­ tischen Antike, also nach dem epochemachenden Werk des Alkmaion, anscheinend nur vereinzelt, namentlich bei einigen späten Platonikern wie – ein Jahrtausend nach Alkmaion – bei Stephanos, der den alexandrinischen Lehrbetrieb repräsentiert, in dem beide Fächer von den gleichen Lehrern unterrichtet werden. Professionelle Fachwissenschaftler reagieren unterschiedlich auf diese Situation: Abgesehen von einer gelegentlichen Erwähnung des Bildungsideals der philosophia ignorieren sie teils die Philosophen weitgehend, teils entwickeln sie, in expliziter Ablehnung der philosophischen Konzeptionen oder mit Rekurs auf diese eigene wissenschafts- und erkenntnistheoretische Grundlagen ihrer Arbeit. Das lässt sich für die Medizin bereits in den pseudo-hippokratischen Traktaten beobachten: ›Über die Alte Medizin‹ grenzt sich von der hier wohl erstmals genannten philosophiē ab, während ›Über die Natur des Menschen‹ nur bestimmte philosophische Theorien aufnimmt. In der Mathematik ist die Zusammenarbeit sowohl in der Akademie als auch im Peripatos bis zu Stratons Zeit eng. Obwohl die spätere hellenistische Wissenschaft, von der wir nur spärliche Reste haben, räumlich wie inhaltlich relativ stark von der Philosophie getrennt zu sein scheint, stehen uns einige aufschlussreiche Aussagen zur Verfügung: Sowohl der Belagerungsmaschinentechniker Athenaios als auch – auf deutlich höherem Niveau – der Arzt Galen und der Astronom Ptolemaios bewerten die methodischen Konzepte der Philosophie, einschließlich ihrer Aussagen zum Wahrheitskriterium, offensichtlich als ungenügend und stellen, zumal die zerstrittenen Philosophen auch keine einheitliche Theoriebildung erreicht hätten, eigene wissenschaftsmethodische Überlegungen an. Gerade Galen, der von medizinischer Seite kommend zu Recht auch Philosoph werden kann, gleicht diesen Mangel durch ein eigenes logisches Œuvre aus, das namentlich in früharabischer Zeit große Erfolge feiert. Der so angedeutete Mangel an philosophischer Methodologie für die Wissenschaften in der Kaiserzeit dürfte zum zunehmenden Erfolg der aristotelischen Logik beitragen. Das hat allerdings, da die große Zeit der antiken Fachwissenschaft im 3. Jahrhundert zu Ende geht, für die Rolle der Philosophie in der Antike nur geringe Konsequenzen. Immerhin werden am Ende der Antike zwei weitere Philosophie-affine Ärzte, Sergios von Rēšʿaynā und Proḇā, zu entscheidenden Figuren in der Anfangsphase der Übertragung aristotelischer Texte und Theorien in semitische Sprachen. Insgesamt muss man die Weichenstellung zu einer philosophischen Schulbildung, die auf eine Belehrung breiter Schichten abzielt, als wesentlichen Faktor einer Entwicklung ansehen, die die Philosophie als allgemeines Bildungsideal von den spezialisierten und methodisch anspruchsvoll arbeitenden Fachwissenschaften trennt. 1153

Fazit

Philosophie und Religion Das Verhältnis der Philosophie zur Religion ist in der Antike stets durch eine gewisse Spannung zwischen einer Abgrenzung von der Religion und rationalisierenden Tendenzen geprägt. Diese sind entweder bemüht, religiöse Vorstellungen im Sinne vernünftiger Vorstellungen zu korrigieren oder gleich die gesamte Götterwelt philosophisch zu deuten. Damit ergibt sich auch für religiöse Bewegungen die Möglichkeit, philosophische Inhalte oder auch das Philosophie-Ideal als Ganzes zu übernehmen. Eine klare Trennung von Philosophie und Religion gibt es deswegen allenfalls bei einigen Autoren bzw. zu gewissen Zeiten. Ein ausschließlich rationales Vorgehen ohne Berücksichtigung geoffenbarten oder mythischen Wissen ist daher kein Merkmal der Philosophie der Antike. Für die vorsokratische Zeit äußert sich diese komplexe Situation z. B. in der Kritik des Xenophanes an bestimmten Annahmen und Formen des Kultes, welche von der Formulierung eines eigenen, monotheistischen Gottesbegriffs begleitet ist. Sie zeigt sich ferner in dem augenfälligen Gegensatz zwischen einer rationalen Methodik und einer religiösen Verbrämung des philosophischen Ansatzes in Parmenides’ Lehrgedicht sowie in der überlieferten Niederlegung von Heraklits philosophisch-provokativem Buch in einem Tempel. Ein offener Konflikt mit politisch etablierten Formen des Kultes entsteht hingegen in Athen und führt zu den Prozessen gegen Anaxagoras und Sokrates. Dass dies nicht zu einem grundsätzlichen Zerwürfnis mit der Polisreligion führt, zeigt sich jedoch an Platons Verwendung der religiösen Form des Mythos zur Verdeutlichung bestimmter Annahmen, die ihm philosophisch wohl nicht anders ausweisbar erscheinen, und dadurch, dass er, namentlich in den ›Gesetzen‹, einen idealen Kult als Grundlage guten Zusammenlebens entwirft. Auch in den Resten der Dialoge des Aristoteles gibt es Spuren des Gebrauchs des Mythos und der positiven Aufnahme religiöser Vorstellungen, auch wenn der Peripatos dank seinem wissenschaftlichen Ansatz vor allem an der Klassifizierung religiös-mythischer Modelle interessiert ist, deren verschiedene Formen Theophrast minutiös erforscht und zusammenstellt. Verschiebungen ergeben sich auch auf diesem Gebiet im Hellenismus, dessen philosophische Hauptrichtungen Epikureismus und Stoa in ihrer inhaltlichen Tendenz insofern mehr oder weniger religionskritisch sind, als den Göttern entweder jedwede – gute oder böse – Aktivität abgesprochen wird (Epikur) oder ihre Namen zu Bezeichnungen bestimmter Elemente des philosophisch beschreibbaren Kosmos werden (Stoa). Obwohl das stoische Modell im Zeushymnos des Klean­ thes als eine Form von Frömmigkeit verstanden wird, lässt es grundsätzlich eine atheistische Deutung zu und scheint auch in diesem Sinne verstanden worden zu sein. Auch andere Gruppen wie Kyniker und Kyrenaiker zeigen in frühhellenistischer Zeit religionskritische Züge. Diese Entwicklung ist allerdings für die Philosophenschulen in einem Moment, in dem sie zahllose Schüler aus den Oberschichten der Poleis anziehen, nicht unproblematisch, da diese wohl vielfach in die heimatlichen Kulte eingeführt sind und diese teils auch in priesterlicher Funktion 1154

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

fortzuführen haben. Dass die Philosophie unter diesen Bedingungen, trotz ihrer kultkritischen Züge, zur Leitdisziplin der Bildung wird, scheint durch mindestens zwei Strategien der Neutralisierung der philosophischen Religionskritik ermöglicht zu werden: – Die eine verbirgt sich hinter dem von Varro überlieferten Konzept einer ›dreigeteilten Theologie‹ (theologia tripertita): Die philosophische Theologie wird als eigene Dimension des Redens über die Götter und den Kult von der Theologie der Dichter und der sogenannten ›bürgerlichen‹ bzw. ›politischen‹ Theologie des Kultes unterschieden, ohne dass die verschiedenen Redeweisen über Götter in diesen drei Dimensionen direkt aufeinander bezogen wären. Auf diese Weise bleibt eine innerschulische Kritik religiöser Überzeugungen möglich, ohne nennenswerte praktische Konsequenzen zu haben: Während pyrrhonische Skeptiker ohnehin gehalten sind, in Ermangelung sicherer Erkenntnisse an den üblichen Bräuchen festzuhalten, berichtet der Epikureer Philodem, sein Schulgründer – Lukrez zufolge der schärfste Bekämpfer der beängstigenden Gottesfurcht – habe durchaus am öffentlichen Kult teilgenommen. Ebenso betont Ciceros Skeptiker Cotta, er könne an seiner priesterlichen Funktion festhalten, obwohl er auf philosophischer Ebene die Existenz der Götter ablehnt. – Eine weitere, besonders bei den Stoikern einsetzende Neutralisierungsstrategie ist die interpretatio philosophica der überlieferten Götternamen, bei der diese nicht als bloße Bezeichnungen von Naturgegenständen, sondern vielmehr diese Objekte als ›göttlich‹ begriffen werden. Vor diesem Hintergrund wird, dem Vorbild des Kleanthes folgend, bei Cicero und Cornutus die stoische Theologie als rationale Deutung und Erklärung der Götterwelt verstanden. Die Strategie, die überlieferten Kulte durch eine allegorische Deutung der Gottheiten als Elemente eines philosophischen Gedankengebäudes zu deuten, nimmt insbesondere der Platonismus auf, unter dessen Vorzeichen Plutarch von Chaironeia z. B. in ›Über Isis und Osiris‹ die Bedeutung religiöser Erzählungen und Kulte für ein gutes Leben darstellt. Die Platoniker können die allegorische Auslegung von Mythen und eine philosophische Gottesverehrung umso überzeugender ausüben, als die Transzendenz der höchsten Ursachen von ihnen selbstverständlich angenommen wird. Daher kann Proklos in seiner ›Platonischen Theologie‹ letztlich das gesamte Pantheon philosophisch erklären, ohne in ihm aber die höchsten Formen des Göttlichen zu sehen, die in seiner Optik unsagbar und daher namenlos sein müssen. Ebenso wie vor ihm Kleanthes und Kaiser Julian richtet Proklos auch philosophische Hymnen an die Götter. Im Neuplatonismus ist sogar mit der Theurgie die Idee verbreitet, dass die Philosophen durch ihr Gebet die Götter zu gnädigen Handlungen bewegen können. Im Gegenzug stellen eher religiöse Bewegungen wie der Hermetismus ihre Überzeugungen in einer philosophischen Form dar. Die Möglichkeit für Juden und Christen, sich den Philosophiebegriff anzueignen, wird nicht nur und nicht primär durch solche Annäherungen von Philosophie und Religion nahegelegt, zumal beide den traditionellen Götterkult entschieden ablehnen und allenfalls ihre eigene Lehre und Lebensweise selbst als wahre Philo1155

Fazit

sophie verstehen. Wahrscheinlicher ist, dass die bereits im 2. Jahrhundert mit Aristobulos einsetzende jüdische Adaption der Philosophie durch eine Ausdehnung des Philosophiebegriffs auf nichtgriechische religiöse Gruppen, darunter eben auch die Juden, angeregt wird. Diese Tendenz, neben einer griechischen auch eine ›barbarische‹ philosophia anzunehmen, entwickelt sich, nach Anfängen bei Platon und Aristoteles, welche teils Ägypten oder Persien zum Vorbild stilisieren, in hellenistischer Zeit wohl unter dem Einfluss der durch den Alexanderzug verstärkten Kenntnisse anderer Völker und Religionen. Sie führt dazu, dass auffällig ›tugendhafte‹ Gruppen wie die indischen Brahmanen bzw. Gymnosophisten als Philosophen avant la lettre gewürdigt werden. In diesem Kontext stellen sich auch die Juden dem griechischen Betrachter als eine ›philosophische‹ Volksgemeinschaft dar, zumal ihre monotheistische Lehre und Lebensweise mehrere von Bewunderung getragene philosophische Analysen erfährt, von denen die bekannteste, bei Strabon überlieferte wohl auf Poseidonios zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund tun griechischsprachige Juden wie Aristobulos und dann vor allem Philon nichts anderes, als die bei vielen Griechen längst anerkannte ›Philosophie‹ ihres Volkes mit griechischen Begriffen darzustellen. Damit ist – trotz heftiger Kritik z. B. eines Apion – ein Punkt erreicht, an den die Christen seit spätestens Justin anknüpfen können, um ihrerseits einen Anspruch zu erheben, wahre Philosophie zu sein. Am deutlichsten realisiert wird er im 2./3. Jahrhunderts, vor allem bei Justin und Clemens, die als philosophische Lehrer auftreten und den Begriff der Philosophie für ihre Tätigkeit verwenden, während ihr Nachfolger Origenes diesen recht konsequent als Selbstbeschreibung vermeidet. Doch auch über diese eher kleine Gruppe hinaus erheben bemerkenswert viele antike Christen, die zumeist die nichtchristliche Philosophie entschieden kritisieren, den Anspruch, selbst ›wahre Philosophie‹ zu lehren und zu leben. Auf diese Weise erklären sie sich – wie weit auch die Lebenssituation von spätantiken Bischöfen oder Mönchen von den Philosophenschulen abweichen mag – zu den legitimen Erben der antiken Kultur bzw. ihres Gipfels der Philosophie. Einige von ihnen – Justin, Clemens, Tertullian, Origenes, die Kappadokier, Augustinus – werden diesem Anspruch auch inhaltlich insofern gerecht, als sie im Rahmen christlichen Denkens Theorien rationaler Weltdeutung von hohem Niveau entwickeln. Insofern wird man zwar im Rückblick kaum sagen können, dass das Christentum als ganzes eine Philosophie wird – schließlich sind ungebildete Christen von dieser weit entfernt, und die kirchliche Organisation ist in der Antike ein Phänomen sui generis. Aber dass sich einige Christen nicht zu Unrecht als Philosophen im Sinne der Kaiserzeit bezeichnen, kann kaum bestritten werden. Das gilt für die Spätantike umso mehr, als auch die letzte große Rivalin des Christentums, die neuplatonische Bewegung, ihrerseits vielerlei religiöse Elemente in ihr Philosophieren einbindet. Genauso wenig wie die Vorsokratiker und noch deutlich weniger als die Denker der klassischen und frühhellenistischen Zeit repräsentieren gebildete Neuplatoniker und Christen der Antike daher eine scharfe Trennung von 1156

Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Religion und Philosophie entlang einer Scheidewand von Glauben und Vernunft, beziehungsweise von persönlichem Vertrauen und rationaler Methodik. Es ist daher nur folgerichtig, dass in der Antike die Frage, ob eine Religion überhaupt eine Philosophie sein kann, als solche nicht zum Thema sein wird. Die konkrete Ausarbeitung und Auseinandersetzung lässt freilich durchaus einige Unterschiede in der Theorie und der Praxis deutlich werden: Bereits Galen fragt, ob die göttliche Allmacht überhaupt philosophisch adäquat beschrieben werden kann. Epiktet wirft die Frage auf, ob ein Glaube tatsächlich die richtige Vorbedingung für ein Leben nach philosophischen Überzeugungen zu bilden vermag. Eine grundlegende Unterschiedlichkeit von Philosophie und Religion ist hiermit aber nicht intendiert, sondern allenfalls eine kritische Infragestellung des Anspruchs gewisser eher religiöser Gruppen, eine vertretbare Philosophie zu besitzen, eine Kritik, die aber gegenüber anderen Schulen z. T. deutlich schärfer formuliert wird. Im Vergleich dazu erweist sich die Besonderheit der Ausgehenden Antike ab ca. 480 als bedeutsam. Denn zu dieser Zeit setzt eine Trennung von Philosophie und Religion auf methodischer Ebene in klarerer Weise ein, wenn die praktisch gelehrte Philosophie faktisch auf eine Logik reduziert wird, während Inhalte einer philosophischen Metaphysik platonischen Typs bereits fest ins christliche Denken integriert, aber nicht eindeutig als Philosophie erkennbar sind. Erst in diesem beschränkten Sinne wird die Philosophie bereits gegen Ende der Antike eine rein weltliche Disziplin, die für die Klärung bestimmter christlicher Fragen nützlich, aber selbst definitiv kein Teil des spezifisch christ­lichen Denkens ist.

Exkurs: Stationen auf dem Wege zur Unterscheidung von rein rationaler Philosophie zu Religion und Theologie Vor diesem Hintergrund scheinen einige Bemerkungen zu der Frage angemessen, wie es historisch gesehen dazu gekommen ist, dass im westlichen Europa meist recht klar zwischen Philosophie und Religion, zwischen Glaube und Wissen unter­ schieden und ihr Gegensatz als Grundfrage einer jeden Weltsicht verstanden wird. Im Hintergrund dieser Entwicklungen scheinen primär bestimmte Motive der christlichen Position zu stehen, die gerade im Neuen Testament angelegt sind und auf die einen Dualismus zweier Sphären, einer geistlichen und einer weltlichen bzw. säkularen, hinauslaufen. Sie äußert sich z. B. auf politischem Gebiet in der Trennung des dem Kaiser Gehörigen von dem, was Gott gehört,5 auf der die Lehre von den beiden Reichen in Augustinus’ ›Gottesstaat‹6 und seit dem spätantiken Papst Gelasius I. die sogenannte Zwei-Gewalten-bzw. Zwei-Schwerter-Lehre auf5

  Evangelium secundum Matthaeum 22, 21.   Augustinus, De civitate dei 15, 1 (CCL 48, p.  453, 15–20 Dombart  /  Kalb). Vgl. dazu z. B. H. Ottmann, Geschichte des politischen Denkens 2. Römer und Mittelalter 2. Das Mittel6

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Fazit

bauen, welche den Unterschied einer weltlichen und einer geistlichen Gewalt im lateinischen Mittelalter institutionalisiert.7 Im Hinblick auf die Unterscheidung von Glaube und Wissen und, im Zusammenhang damit, von Philosophie und Theologie sind im Vergleich zum antiken Philosophieverständnis zwei Aussagen des Paulus wichtig, die zugespitzt folgendermaßen verstanden werden können: 1)  Die Weisen der Griechen haben Gott mit der Vernunft nicht erkannt.8 2)  Eine subjektive Ich-Erfahrung besagt, dass Menschen in gewissen Situationen faktisch auch dann nicht zu gutem Handeln fähig sind, wenn sie eine richtige Erkenntnis besitzen.9 Eine Verallgemeinerung und Verabsolutierung dieser beiden Thesen – z. B. unter Hinzuziehung der aus dem Alten Testament zitierten Wendung: »Es gibt keinen der Gutes tut, auch nicht einen einzigen«10 – muss das Modell antiker Philosophie, mithilfe der Vernunft aus eigener Kraft ein gutes und glückliches Leben zu führen, unmöglich machen. Paulus betont im weiteren Kontext dieser Überlegungen ferner die heilswirksame Rolle des Glaubens sowie der Erlösungstat Christi, auf der diese Heilswirksamkeit letztlich ruht.11 Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Aussagen stellt es bereits Augustinus als zentrale christliche Lehre dar, dass der (unter der Erbsünde stehende) Mensch sich überhaupt nicht selbst erlösen bzw. glücklich machen kann und auf göttliche Gnade angewiesen sei.12 Für das Verständnis der antiken Verbindung von Christentum und Philosophie ist hingegen zu bedenken, dass eine solche Erbsündenlehre keineswegs zwingend aus den genannten Stellen folgt.13 Denn a)  diese schließen ihrem Wortlaut nach weder kategorisch aus, dass es Menschen geben kann, die mit der Vernunft Gott erkennen, noch, dass Menschen aus ihrer Erkenntnis des Guten und Bösen heraus entsprechend handeln, und b)  ihre begriffliche Fassung zeigt, dass sie selbst ein Teil der griechischsprachigen Diskussion mit philosophischen Mitteln sind, so dass sie auch vor deren Hintergrund gedeutet werden können. alter, Stuttgart  /  Weimar 2004, 26–35; T. J. Weissenberg, Die Friedenslehre des Augustinus. Theologische Grundlagen und ethische Entfaltung, Stuttgart 2005, 260–271. 7   Vgl. Ottmann, Geschichte des politischen Denkens 2, 2, 45 f.; 90–93. 8   Paulus, Epistula ad Romanos 1, 19–23. 9   Paulus, Epistula ad Romanos 7, 14–25. 10   Paulus, Epistula ad Romanos 3, 12, wohl eine freie Ausführung von Ecclesiastes 7, 20 bzw. Psalmus 14, 1–3 MT. 11   Aus Sicht der antiken Philosophie scheinen mir diese Punkte entscheidend. Gewiss ist der Zusammenhang des neutestamentlichen und paulinischen Ideennetzes komplexer und hatte weitere Implikationen. So zählt Jürgen Habermas neben dem hier genannten Punkt noch auf: Universales göttliches Heilsversprechen; Beginn der Endzeit in der Gegenwart (Auch eine Geschichte der Philosophie, 1, 506–515). 12   Vgl. oben S.  896  f. 13   Vgl. z. B. H. Löhr, Die Schriften des Neuen Testaments, in: GGPh 5, 1 (2018), 775–782, hier 780.

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Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Daher kann z. B. Origenes behaupten, die in ›Römerbrief‹ 7 sprechende Person sei nur deswegen zum guten Handeln nicht fähig, weil sie in den Tugenden noch nicht ausreichend gefestigt sei.14 Auf diese Weise kann er dem paulinischen Text eine sinnvolle Deutung innerhalb seines hellenischem Ursprungskontexts geben, ohne die Probleme zu betonen, die der Paulus-Text für eine solche Haltung aufwerfen kann. Dieses Verständnis trägt letztlich die Vorstellung vom Christentum als wahrer Philosophie in der Antike wesentlich mit. Durch Augustinus’ Gnadenlehre wird jedoch diese Idee, dass auch eine religiöse Überzeugung den Anspruch erheben kann, wahre, und somit wahrhaft zum guten Leben führende, Philosophie zu sein, wenn sie sich nur als wahrer, zur Eudaimonie führender Logos erweist, aus der Logik der inzwischen herrschenden Offenbarungsreligion Christentum selbst heraus entkräftet. Jedenfalls im lateinischen Westen beginnt ein neues Kapitel der Geistesgeschichte, in der die Philosophie eine neue, andere Rolle suchen muss, als sie sie in der Antike einnahm.15 Vor diesem Hintergrund taucht dann auch im 12. Jahrhundert, wenn zunehmend wieder eine philosophische Diskussion einsetzt, die Idee auf, dass Philosophie nichts anderes sei als eine ausschließlich vernunftgeleitete Erkenntnis- und Lebensweise, die gar nicht auf autoritative Schriften rekurriert, wie es meines Wissens Peter Abaelard zum ersten Mal im Medium eines Dialoges formuliert, in dem ein konstruierter Philosoph als Gesprächspartner auftritt.16 Abaelard selbst betont dabei durchaus die Vereinbarkeit beider Perspektiven und suggeriert seinen post-augustinischen christlichen Zeitgenossen die Möglichkeit eines Anschlusses an die antike Tradition. Dass sich dieses Bild einer Philosophie, die ausschließlich rational vorgeht, im lateinischen Westen – also im europäischen Mittelalter und der frühen Neuzeit – nachhaltig verbreitet, liegt des Weiteren am Einfluss der arabischen Denker, die sich seit dem 10. Jahrhundert als falāsifa, d. h. als ›Philosophen‹ in der Tradition der Antike verstehen und ihre Tätigkeit ebenfalls eindeutiger als ihre antiken Vorläufer durch eine spezifische Methodik definieren, indem sie behaupten, sich durch die Methode des Beweisens, wie sie 14

  Zum Beispiel Origenes, In Romanos 7, 18–21 (2, p.  511, 92–512, 116 Hammond Bammel). 15   Dieser Übergang ist vielfach beschrieben worden, z. B. von R. Darge, Kritische Betrachtungen zu Pierre Hadots Sicht der Philosophie als Lebensform, in: Salzburger Jahrbuch für Philosophie 62 (2017), 109–127. Im Vergleich zu diesen Publikationen setzt die folgende Darstellung eigene Akzente, ohne mit ihnen inkompatibel zu sein. 16   Vgl. hierzu M. Perkams, Pierre Abélard et l’invention de la philosophie moderne occidentale, in: D. Poirel (Hrsg.), Pierre Abélard, génie multiforme, Actes du colloque international, organisé par l’Institut d’Études Médiévales et tenu à l’Institut Catholique de Paris les 29–30 novembre 2018, Turnhout 2021, 83–103. Zur ebenfalls zu beachtenden Rolle des etwas früheren Gilbert Crispin vgl. B. Goebel, Vernunft und Autorität in den Religions­ gesprächen Gilbert Crispins, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie 11 (2012), 29–71; J. Müller, Interreligiöses Gespräch oder philosophischer Dialog? Eine Relektüre von Gilbert Crispins ›Disputatio Christiani cum gentili‹, in: Enders  /  Goebel (Hrsg.), Die Philosophie der monotheistischen Weltreligionen, 254–278.

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Fazit

in der aristotelischen Apodeiktik angelegt sei, von den Theologen ihres Umfelds, den mutakallimūn, zu unterscheiden, deren rationale Methodik keinen wissenschaftlichen Kriterien genüge.17 Der Eindruck, dass es deswegen eine Gruppe ›der Philosophen‹ gebe, die eine Reihe – übrigens neben Aristoteles vor allem auf Ibn Sīnā (Avicenna) zurückführbarer – charakteristischer Ansichten teilen, wird den Lateinern z. B. durch Abū Ḥāmid al-Ġazālīs Zusammenstellung ›Die Absichten der Philosophen‹ (›Maqāṣid al-falāsifa‹) vermittelt.18 Wenn die lateinischen Leser derartiger Texte seit mindestens Albertus Magnus sich von solchen Theorien abgrenzen, sprechen sie, wie schon Abaelard, von »den Philosophen« in der Weise einer Fremdbeschreibung. Sie stellen dieser Gruppe, sowie ihren wirklichen oder vermeintlichen Anhängern auch in der lateinischen Welt,19 den Anspruch »des Glaubens« in bestimmten Fragen pointiert gegenüber.20 Die sich hierdurch entwickelnde Abgrenzung der Philosophie von Religion und Theologie wird schließlich durch ein wesentlich profaneres Bedürfnis beträchtlich gefördert: Ab dem 13. Jahrhundert gilt es, innerhalb der Universität – ebenfalls einer mittelalterlichen Neugründung – die Unterscheidung einer theologischen und einer philosophischen Fakultät zu rechtfertigen.21 Die Durchsetzung eines Verständnisses von Philosophie, welches dem sola fide des lutherischen Bekenntnisses das sola ratione der Philosophie programmatisch gegenüberstellen kann, ist also, wie jüngst von Jürgen Habermas festgehalten, in der Tat ein Resultat der europäischen Diskussionen über Glaube und Wissen.22 Dabei wird der Begriff ›Glaube‹ geradezu zum Synonym für Religion, wie es z. B. 17  Alpharabius, Liber litterarum 108–113 (p.  131–133 Mahdi [arab.]  /  p.  1–4 Khalidi [engl.]). Vgl. M. Perkams, Die Bedeutung des arabisch-islamischen Denkens in der Geschichte der Philosophie, in: H. Eichner  /  M. Perkams  /  Ch. Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter. Ein Handbuch, Darmstadt 2013, 13–31, vor allem 16–18; Perkams, Logik und Religion, v. a. 80–83. 18   Vgl. F. Griffel, Al-Ġazālī als Kritiker, in: Eichner  /  Perkams  /  Schäfer (Hrsg.), Islamische Philosophie im Mittelalter, 289–313, hier 294 f. 19   Hier wäre auf die sogenannten ›Averroisten‹ zu verweisen. Vgl. zu den verschiedenen Aspekten des Problems P. Schulthess, Philosophie im 13. Jahrhundert, in: GGPh Mittelalter 4, 1 (2017), 4–40, v. a. 20–31. 20   Albertus Magnus, Super Dionysium De divinis nominibus 7 (Opera omnia. Editio Colonienisis 38, 1, p.  339, 1–52 Simon); Ioannes Duns Scotus, Reportatio Parisiensis examinata I, d. 42, q. 2. Frage, nr. 22 (160 Söder). Vgl. auch Schulthess, Philosophie im 13. Jahrhundert, 28–31. 21   Vgl. Schulthess, Philosophie im 13. Jahrhundert, 18–20. Zu den Konsequenzen für die, im Vergleich zur Antike neuartige, Abgrenzung von Philosophie und Theologie infolge dieser Entwicklung vgl. z. B. Darge, Kritische Betrachtungen, 117–126 (für die Philosophie); M. Lutz-Bachmann, Von der ›Theologie als Weisheit‹ zur ›Theologie als Wissenschaft‹. Über den theologischen Paradigmenwechsel im Mittelalter, in: Ch. Elsas u. a. (Hrsg.), Tradition und Translation. Zum Problem der interkulturellen Übersetzbarkeit religiöser Phänomene. Festschrift für Carsten Colpe zum 65. Geburtstag, Berlin  /  New York 1994, 218–229 (für die Theologie). 22   Vgl. Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie 1, 14 f.

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Die Philosophiebegriffe, Einteilungen und ­Grenzgebiete der Philosophie in der Antike

Spinoza ganz für einen jüdischen Kontext formuliert, obwohl das Judentum keineswegs die Verbindung von Glaube und Erlösung in paulinischer Weise in den Mittelpunkt stellt.23 Eine so gefasste begriffliche Opposition ist jedoch nachantik, und es ist methodisch verfehlt, sie bereits in antiken Texten vorauszusetzen.

23   B. de Spinoza, Tractatus theologico-politicus 14, p.  165 ed. princeps (p.  440 Gawlick  /  Niewöhner).

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III. Conclusionis conclusio: Was ist antike Philosophie?

1. Versuch einer bündigen Antwort Was ist also ›antike Philosophie‹ bzw. ›Philosophie‹ in der Antike? Beginnen möchte ich meine zusammenfassenden Überlegungen zu dieser Frage mit einer umrisshaften Charakterisierung, bevor ich versuche, eine vereinheitlichende Formel zu finden, die die verschiedenen Aspekte antiken Philosophierens unter einen Begriff bringt. Ausgehen kann man von dem Anspruch, dass die Philosophie in der Antike nicht eine Wissenschaftsdisziplin unter mehreren ist, sondern seit Platon die Rolle eines Leitideals der gesamten Kultur und Bildung für sich beansprucht. Diesen Anspruch verficht sie sowohl gegenüber ihrer einzigen ernsthaften Rivalin, der Rhetorik, als auch gegenüber nicht philosophischen Wissenschaften sowie politischen und religiösen Praxen, deren berechtigte Anliegen sie integrieren will, während sie deren irrationale Züge zu korrigieren sucht. Auf dieser Grundlage wird ›Philosophie‹ in der Antike gleichsam zu einer Chiffre für eine Weltanschauung, welche einen rational einlösbaren Wahrheitsanspruch in Bezug auf die Erklärung der Wirklichkeit erhebt, der sowohl im individuellen als auch im gesellschaftlichen Leben steuernd wirken kann. Diesen besonderen Rang der Philosophie fordert Platon dadurch ein, dass er die Worte philosophia und philosophos, die in Athen ein allgemeines Bildungsideal kennzeichnen, auf sein Ideal einer auf den Logos gestützten Lehre und Lebensweise anwendet. Die faktische Durchsetzung dieser Vorstellung in der Antike wäre nicht denkbar gewesen, hätte nicht sein Schüler Aristoteles die im platonischen ›Symposion‹ vorformulierte Lehre vom menschlichen Glück, der Eudaimonie, so prägnant auf den Punkt gebracht, dass eine Diskussion darüber möglich wurde, welchen Bedingungen eine Lebensweise genügen muss, die einem solchen Glücklichsein entsprechen soll. Erreicht wird die Anerkennung der Sonderstellung der Philosophie durch ihre folgenden Vertreter aus Akademie, Peri­patos, Stoa und Epikureismus, indem diese mit Engagement und intellektueller Brillanz verschiedene Vorschläge für den Inhalt der Eudaimonie begründen sowie Theorien und Lehrkonzepte dafür entwerfen, wie diese zu erreichen sein soll. Ist die Philosophie in diesem Sinne »die höchste geistige Errungenschaft der Antike« und im 1. vorchristlichen Jahrhundert »längst zum Inbegriff griechischer Bildung, ja griechischen Wesens« geworden,1 so stellt sie für die Nachbarkulturen 1   I. Opelt, Rez. zu Malingrey, Philosophia. in: Jahrbuch für Antike und Christentum 5 (1962) 188–190, hier 189.

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Was ist antike Philosophie?

eine Errungenschaft dar, die nicht ignoriert werden kann. Während allerdings Römer wie Lukrez, Cicero und Seneca, welche die Philosophie an ihre Zeitgenossen als einen Inbegriff von Bildung und Wissenschaft vermitteln, punktuell die Rolle von Philosophielehrern annehmen, sich aber im Grunde weiter primär als Römer verstehen, geht der jüdische und christliche Anspruch auf philosophia weit darüber hinaus: Seine Vertreter wollen nicht griechische Bildung vermitteln, sondern sie erheben für ihre eigene, religiös geprägte Weltsicht den Anspruch, die ›wahre Philosophie‹ zu sein. Folglich entwickeln sie eigene Ansätze im Rahmen des historisch nun konsolidierten Verständnisses von philosophia, die bis zum Ende der Antike in Konkurrenz zu den Angeboten der Platoniker und Aristoteliker treten, welche die ›hellenische‹ Tradition der Philosophie fortsetzen. Die Vielfalt von Konzeptionen, die das platonisch-aristotelische Ideal im Laufe der Antike zu realisieren (oder übertreffen) suchen, lässt sich schematisch zu vier Grundtypen antiken Philosophierens zusammenfassen: 1)  Die platonische Konzeption eines Aufstiegs zur Schau des Wahren: Sie geht letzten Endes davon aus, dass das Ziel des philosophischen Bemühens ein Überschreiten der Grenzen des diskursiv Wissbaren hin zu einer Erkenntnis einer nicht mehr sinnlich oder diskursiv erkennbaren Wahrheit im Medium der Schau bzw. Betrachtung ist. Hierin kommen mit Platon und der platonischen Tradition auch jüdische und christliche Ansätze antiken Philosophierens überein, in denen letztlich eine Schau Gottes angestrebt wird. Derartige Konzeptionen werden ferner durch anagogische Stufenschemata als Einteilung der Philosophie geeint, die von der platonischen Dialektik bis hin zu christlichen Aufstiegslehren reichen, aber in der Regel die Einübung ethischer Grundhaltungen als Voraussetzung für Naturphilosophie und eine mehr oder weniger stark mystisch geprägte Theologie oder Metaphysik ansehen. Philosophien dieses Typs stehen wissenschaftlicher Forschung tendenziell positiv gegenüber, weil sie als unerlässlicher Weg zur Überschreitung des Wissbaren gesehen wird, und tendieren dazu, verschiedene Teilgebiete der Philosophie und andere Wissenschaften zu integrieren (was gerade im Christentum freilich zunehmend nur noch für bestimmte Formen von Naturbetrachtung und Geometrie gilt, die auf das Göttliche verweisen). Sie sind zudem durch die Überzeugung geleitet, dass jemand, der die Spitze der möglichen Erkenntnis, die Schau der Wahrheit bzw. der Ideen erreicht hat, dadurch auch prinzipiell eine überlegene Kompetenz im Handeln in der Welt bekommt. Das wird selbst dann noch angenommen, wenn das Ideal des Philosophenkönigtums längst aufgegeben ist: Auch Proklos werden noch aktive politische Tugenden zugeschrieben, selbst wenn diese nicht zur Geltung kommen. Während dieser Typ von Philosophie sich durch den Anspruch, einen Weg zur Wahrheit zu lehren, von der Rhetorik häufig dezidiert abgrenzt, gehört doch ein kreativer Umgang mit literarischen Formen zu seinen Grundmerkmalen. Denn gerade diese können in geeigneter Form eine Anleitung zum Übersteigen des diskursiv Wissbaren geben (z. B. platonische Dialoge; Schriften Plutarchs; neuplatonische Einführungsliteratur; christliche Traktate zur Unsterblichkeit der Seele oder 1163

Fazit

Hohelied-Kommentare). Eine natürliche Nähe besteht zur Religion, wobei eine gegenläufige Tendenz festgehalten werden kann: Einerseits führt die Orientierung solcher Philosophien an rationalen Deutungsmodellen häufig zu einer Rationalisierung religiöser Überzeugungen (griechischer, römischer, ägyptischer, vorderasiatischer, jüdischer und christlicher Herkunft), andererseits impliziert ihre Orientierung auf ein transzendentes Ziel der Vollendung (Idee des Guten; das Eine; jüdisch-christlicher Gott) hin eine mystische Tendenz, die gerade in christlichen Beispielen zu einer Aushöhlung des rational-wissenschaftlichen Charakters des Philosophierens zugunsten etwa von liturgischen und biblischen Praxen führen kann (z. B. ansatzweise bei Evagrios Pontikos oder Pseudo-Dionysios). 2)  Die vorsokratisch-aristotelische Form der Philosophie als theoretischer Tätigkeit: Im Gegensatz zu seinem Lehrer Platon, aber in Kontinuität zur vorsokra­ tischen Naturphilosophie verwendet Aristoteles den Begriff philosophia fast durchweg für eine theoretische Aktivität. Bei Aristoteles kulminiert diese in der ›Weisheit‹ oder ›Ersten Philosophie‹, die er in seiner ›Metaphysik‹ zu beschreiben sucht. Als theoretische Betrachtung erklärt er die philosophia auch in seinen Ethiken zur höchsten Form von Eudaimonie und macht dabei klar, dass er – wiederum im Gegensatz zu Platon – Philosophie und politische Lebensführung grundsätzlich unterscheidet, wobei Letzterer ein eigenständiger und hoher, aber doch gegenüber der Philosophie nachrangiger Wert zukommt. In der Wissenschaftseinteilung kennt Aristoteles eine Fülle von Disziplinen, verwendet philosophia aber fast ausschließlich für die theoretischen Wissenschaften Metaphysik, Mathematik und Physik, während er weder die praktischen Disziplinen Politik, Ökonomik und Ethik noch seine eigene sorgfältige Ausarbeitung der Schlussformen und der Lehre vom wissenschaftlichen Vorgehen in den ›Analytiken‹ und der ›Topik‹ mit diesem Namen bezeichnet. Ein vergleichbares Ideal wissenschaftlichen Lebens wird von Aristoteles’ Nachfolgern und Anhängern wie Theophrast und Alexander von Aphrodisias fortgeführt und gewinnt in veränderter Form am Ende der Antike große Bedeutung, als gerade Aristoteles’ Schriften, vor allem in der Logik, zum Inbegriff praktizierter Philosophie werden, die sich so methodisch klar von religiös-mystischen Zugängen des christlichen Philosophierens unterscheidet (ohne in einer Gesamtkonzeption inkompatibel mit diesen zu sein). 3)  Die sokratisch-kynische Konzeption von Philosophie als tugendhaftem Leben aufgrund wahrer Überzeugungen: Der philosophia als Wissenschaft diametral entgegengesetzt ist der primär lebenspraktische Ansatz, der im Anschluss an ein bestimmtes Sokrates-Verständnis von dessen Schüler Antisthenes und später von den Kynikern bis zum Ende der Antike weitergeführt wird und auch in gewissen Formen des christlichen Mönchstums eine stark veränderte Fortsetzung findet. Für Anhänger dieser Konzeption besteht die Philosophie in einer strikt tugendhaften Lebensführung, die weitgehend ohne theoretische Beschäftigung auskommt und auch meist keine Einteilung der Philosophie kennt. Gleichwohl kommen die verschiedenen Ansätze, die sich hier zusammenfassen lassen (Sokrates, Pyrrhon von Elis, Kyniker, christliche Mönche), nicht ganz ohne gewisse theo1164

Was ist antike Philosophie?

retische Vorannahmen aus, seien diese eher skeptischer Natur, wie das sokratische Wissen des Nichtwissens, oder bestehen sie in gewissen Dogmen: Jedenfalls sind die entsprechenden Lehren übersichtlich und leicht zu memorieren. Während sie zum Wissenschaftsbetrieb keine Nähe zeigen, erheben sie immerhin einen Wahrheitsanspruch, der die außergewöhnliche Lebensführung ihrer Anhänger rechtfertigen soll. 4)  Die epikureisch-stoische Konzeption einer tugendhaften Lebensführung aufgrund von rational strukturierten, wahren Theorien. Der vierte Typ von philosophia, den die Antike kennt, vereinigt in sich bestimmte Züge der bereits genannten Typen: Epikureische, stoische sowie, auf eigene Weise, skeptische Theorien setzen voraus, dass man ein gutes Leben nur führen kann, wenn man sich zugleich die philosophisch begründete, wahre Weltsicht angeeignet – d. h. erlernt und innerlich akzeptiert – hat, ohne die man zu einer guten Lebensführung nicht in der Lage ist. Kenntnisse der stoischen oder epikureischen Ethik und Physik sind folglich in der Sicht beider Schulen eine Voraussetzung für die, beziehungsweise sogar, als Tugenden, ein Bestandteil der, Eudaimonie. Ähnliches gilt für die Erkenntnistheorie, ob diese nun, bei den Stoikern, zu einer Logik ausgebaut ist oder sich nur, wie bei den Epikureern, zu Grundregeln einer »Kanonik« beschränkt. Die durch sie gegebene Gewissheit ist für die Anerkennung des eigenen Weltbildes durch die Philosophierenden zentral. Auch die pyrrhonische Idee der Urteilsenthaltung (ἐποχή) setzt eine Aneignung der Argumente (z. B. der Tropen, aber wohl auch Entkräftungen konkreter Thesen) voraus, mit denen die Nicht-Beweisbarkeit jeglicher Behauptungen immer neu erwiesen werden kann. Besonders Stoiker und Epikureer grenzen zu diesem Zweck einen Bereich von Wissen ein, der als Elemente des philosophischen Diskurses zu erlernen ist, während andere Disziplinen für die philosophische Ausbildung ohne Interesse sind und von ihnen häufig abgeraten wird. Trotzdem vermitteln beide Richtungen in ihrem Unterricht eine methodische Grundlegung der Wissenschaft, welche auch eine Beschäftigung mit anderen Disziplinen ermöglicht, so dass ein Austausch von Philosophie und Fachwissenschaft trotz der bestehenden Differenz prinzipiell eher gefördert wird. Eine vordergründige Distanz besteht meistens auch zur Politik, in welcher sich der Philosoph betätigen kann, ohne es zu müssen, und zur Religion. Dabei können religionskritische Theorien der Epikureer und Skeptiker mit einer Teilnahme am Kult einhergehen, während die stoische Theorie auch eine interpretatio philosophica der Religion und somit eine Eingliederung religiöser Phänomene ermöglicht, die Berührungspunkte mit einer philosophischen Religiosität des platonisch-christlichen Typs (1) hat. Akzeptiert man diese Typologie von Grundformen antiker Philosophie, lassen sich weitere Präzisierungen zu der bereits in der Einleitung diskutierten Hadot­ schen These anbringen, die antike Philosophie sei im Wesentlichen eine Lebensform gewesen. Denn ein verbindendes Element aller vier aufgezählten Typen liegt gerade darin, dass sie zwar ein gutes, glückliches Leben ermöglichen wollen, aber eines, das eng mit einer wahren Erkenntnis verbunden ist, ob es nun eher auf ihr 1165

Fazit

beruht oder eher auf sie abzielt: Gerade diese wahre Erkenntnis macht nach Platon den Philosophen zum geeigneten Herrscher, ihre Universalität begründet für Aristoteles und Poseidonios ihre herausragende Stellung im Wissenschaftskosmos, die von ihr erkannte Notwendigkeit oder Kontingenz bestimmt die Glücksbegriffe der Stoiker und Epikureer wesentlich mit, und sie kulminiert in der Gottesschau, die sich Platoniker und Christen durch die philosophia erhoffen. Aus skeptischer Perspektive ist es gerade die wahre Anerkennung der Unerreichbarkeit zuverlässigen Wissens, die ihre spezifische Lebensform ermöglicht, und nicht zuletzt wird auch die kynische Lebensweise durch eine radikal eindeutige Einsicht in das natürliche, wahre Leben gerechtfertigt. Gerade der letzte Punkt ist bedeutend, ruft er doch in Erinnerung, dass selbst die untheoretischsten Formen der antiken Philosophie für sich eine Orientierung an wahrer Erkenntnis in Anspruch nehmen, selbst wenn diese im Wesentlichen – ganz sokratisch – eine Einsicht in die Begrenztheit möglicher Erkenntnis oder – kynisch gewendet – eine Orientierung an der Natur als solcher in ihrer nicht mehr hinterfragbaren Gegebenheit ist. Nicht eine methodisch abgesicherte Theoriebildung, nicht Wissenschaft als Selbstzweck, nicht geistige Übungen machen also das Proprium der antiken Philosophie in ihrer ganzen Breite aus, sondern letzten Endes das Zusammenspiel dieser zwei Faktoren: das Bemühen um ein gutes, in sich selbst erstrebenswertes Leben und die Gewissheit, dass dies wahren, mit dem Logos begründbaren Einsichten entspreche. Man mag daher versucht sein, die Philosophie im antiken Sinne zu definieren als »das Bemühen, ein gutes und glückliches menschliches Leben durch die Realisierung einer wahren, rational darlegbaren Weltsicht dauerhaft zu erreichen«.

Hierbei gilt es allerdings noch zu bedenken, dass beide Aspekte nicht unvermittelt nebeneinanderstehen können, wenn die Idee einer philosophischen Lebensführung eine gewisse Substanz besitzen soll. Vielmehr ist die Frage, wie es eigentlich gelingen kann, theoretische Einsichten in menschliche Lebenspraxis zu überführen, nicht minder zentral als die allgemeine Annahme, dies sei möglich bzw. notwendig. Diese Überlegung widerspricht der genannten Charakterisierung antiker Philosophie jedoch nicht, sondern erweist sich bei genauerem Hinsehen sogar als Proprium von deren Diskurs: Denn im Grunde bildet die für antike Konzeptionen typische Überzeugung, gutes Leben komme durch Tugenden zustande, die ihrerseits in einer – verschieden definierbaren – Verbindung zur rationalen Ausbildung stehen, eine gemeinsame Strategie des Umgangs mit der Frage, wie ein Leben in Orientierung an der Wahrheit möglich ist. Schon Aristoteles unterscheidet ja deutlich die Klugheit als praktische Vernunft von der theoretisch-wissenschaftlichen Rationalität und lässt sie genau dadurch zustande kommen, dass die rechte Einstellung des Ethos, die Orientierung an einem tatsächlich guten Ziel, eine gute Lebens- und Handlungsweise überhaupt erst ermöglicht. Von hier aus lässt sich eine Brücke schlagen zu den vielen Versuchen der Antike, eine Ausbildung des Charakters durch geistige Übungen, durch wissenschaftliche Studien oder auch 1166

Was ist antike Philosophie?

durch Askese zu erreichen: Sie alle sollen letztlich die tugendhafte Anlage des Menschen freilegen, die in der praktischen Anwendbarkeit seiner individuellen Vernunft grundgelegt ist, aber durch Leidenschaften jeglicher Form im menschlichen Alltagsleben nicht realisiert werden kann. Daher kann die theoretische Weltsicht nur lebensleitend werden, wenn sie dem Lernenden in geeigneter Weise nahegebracht wird, die eine Schulung in Tugend ausmacht. Daher möchte ich die eben genannte Definition noch einmal erweitern: »Philosophie im antiken Sinne ist das Bemühen, ein glückliches menschliches Leben durch die Realisierung einer wahren, rational darlegbaren Weltsicht vermittels der Einübung einer tugendgestützten Handlungsweise dauerhaft zu ­erreichen.«

Versteht man die Grundannahme in dieser Weise, zeigt sich, dass die nötige Theo­ rie eine zweifache Funktion hat und eine bestimmte Gestalt aufweisen muss: Einer­seits ist sie der Rahmen, der die Wahrheit der zugrundegelegten Annahmen garantieren soll. Andererseits enthält sie Ansatzpunkte, z. B. Annahmen über die menschliche Natur und ihre Erziehbarkeit, welche es ermöglichen, eine geeignete Lehrweise philosophischer Lebensführung zu vermitteln. Während der erste Aspekt also, wenn man so will, die »kosmische« oder die »Natur«-Perspektive zum Gegenstand hat, stellt der zweite stets ein Einlassen auf die Welt dar, das auf deren Vielfalt mit geeigneten Lehr- und Vermittlungspraktiken reagiert. Diese müssen aber ihrerseits durchaus der Rahmentheorie entsprechen, die durch sie vermittelt werden soll. Es gilt also, die theoretischen Vorannahmen so zu erschließen und zu diskutieren, dass sie zur Basis von Praktiken rationaler Lebensleitung werden können. Die These von der Philosophie als Lebensform ist in diesem Verständnis im Ganzen keineswegs theoriefeindlich. Sie impliziert aber das Bedürfnis nach einer bestimmten Gestalt philosophischer Theorien, bei der grundlegende Züge eines überzeugenden Ansatzes, wie z. B. Kohärenz, vor allem deswegen angestrebt werden müssen, weil nur derartige Theorien Überzeugungskraft entfalten. Vor diesem Hintergrund scheint es angemessen anzuerkennen, dass das antike Judentum und Christentum, vor allem deren Philosophie-affine Strömungen, das Philosophieverständnis der Zeit eher fortführen, als sich von ihm abzuwenden, denn sie entwickeln aus den Prämissen ihrer Überzeugungen rational darlegbare Gedankengebäude mit Wahrheitsanspruch, die so gestaltet werden, dass sie zum guten Leben anregen können. Daher werden aus der Theorie heraus, wie auch in anderen antiken Philosophien, geeignete Lehrpraxen entwickelt, in denen z. B. auch ein Begriff wie der Glaube seine systematische Rolle findet. Akzeptiert man diese Überlegung, dann liegt das Ende der antiken Philosophie weder in der Schließung einer bestimmten Schule noch im Sieg der christlichen Religion, sondern es ist dort zu suchen, wo an den letzten aktiven philosophischen Lehrstätten der Antike, in Alexandrien, in Nisibis oder in anderen Kontexten, philosophische Inhalte nur noch als Bildungsgut oder als methodisches Werkzeug für den Erwerb breiter Wissensgebiete verstanden und gelehrt werden, ohne dass der Anspruch aufrechterhalten würde, in ihr selbst liege die Vollendung all die1167

Fazit

ser Wissensgebiete und aus ihr selbst heraus müsse ein gutes Leben gelehrt werden. Die Konzentration der explizit philosophischen Studien auf die Logik, wie sie sich in den Übersetzungen des 6. Jahrhunderts exemplarisch zeigt, markiert in diesem Sinne das (allmählich eintretende) Ende des für die Antike typischen Philosophieverständnisses und lässt den Beginn einer neuen Zeit aufscheinen, in dem die Philosophie eine Methode wissenschaftlicher Wahrheitssuche ist, die sich zu anderen Wahrheitsansprüchen sowohl der Religion als auch der Fachwissenschaften in dienender oder allenfalls in gleichrangiger Weise verhält, der aber faktisch im gesellschaftlichen Kontext keine Überlegenheit mehr zugeschrieben wird. Aus diesem Grund scheint es auch im Nachgang angemessen, das 6. Jahrhundert aus philosophischer Sicht als ›Ausgehende Antike‹ zu bezeichnen, in der die lange Entwicklung zu einem modernen Philosophieverständnis einen neuen, klar erkennbaren Impuls erhält.

2. Einige Überlegungen zur Aktualität des antiken Modells Inwieweit ist nun, so lässt sich abschließend fragen, eine so verstandene Philosophie aus heutiger Sicht von Bedeutung? Welche Anregungen hat sie zu geben? Einen Ausgangspunkt, der am ehesten auch der Breite der über die Jahrhunderte geschilderten Phänomene entspricht, scheint mir zunächst einmal die Offenheit des antiken Philosophiekonzeptes zu geben: Offen ist sie zunächst im Hinblick auf verschiedene Bereiche des Lebens und ihnen zugrundeliegende Überzeugungen: Keineswegs ist antike ›Lebenskunst‹ nur eine Schulung einzelner Personen zwecks der Erlangung einer eindeutig zu definierenden Apathie oder eines ›Seelen­friedens‹. Vielmehr erreicht und trifft sie ihre Adressatinnen und Adressaten in den verschiedenen Kontexten ihres Lebens und will diesen eine gute Aktivität in diesen Bereichen ermöglichen, die keinesfalls immer in einem Verlassen der gesellschaftlichen Wirklichkeit besteht: Das betrifft zunächst einmal die Philosophenzirkel selbst, die sich in ihren Poleis und im imperium Romanum auf verschiedene Weise einbringen, sei es als Herrscher, als Berater der Herrschenden oder als politisch aktive Mitglieder der Oberschichten. Sodann betrifft es die ausgebildeten Schüler der antiken Philosophie, die ebenfalls als solche an politischen Prozessen teilnehmen, z. B. Cicero, die sogenannte stoische Senatsopposition oder die philosophisch motivierten Herrscher Athens in den pontischen Kriegen. Es betrifft aber auch die philosophisch gebildeten Angehörigen und Anhänger der antiken Religionen, welche in zweierlei Hinsicht Philosophie und Religion zusammenbringen: Einerseits erklären und rationalisieren sie ihre religiösen Überzeugungen, bis dahin, dass diese selbst als philosophische Lehre gelten können; andererseits wirken sie zurück auf den fachphilosophischen Diskurs, insofern sie die religiösen Erfahrungen eines mystischen Zugangs zum Wissen, der Überzeugungskraft mythischer Erzählungen und der Unaussagbarkeit des Göttlichen in 1168

Was ist antike Philosophie?

diesen einbringen. Alle diese Entwicklungen haben zur Voraussetzung, dass die philosophische Anleitung zu einer guten Lebensführung die Menschen nicht aus den sozialen Gruppen löst, denen sie angehören, ihnen also gerade nicht als eine ganz abgetrennte Weltanschauung eigener Art dargeboten wird. Vielmehr muss sie sie in ihren eigenen schichten- und religionsbezogenen sozialen Kontexten ansprechen, um zu einer Rationalisierung ganzer Lebenssphären beizutragen und auf diese Weise Modelle rationaler Lebensführung zu verankern. Eine Integration des Konzepts der Tugend wird entscheidende Bedeutung haben, muss aber auf die Entfaltung vernunftgeleiteten Handelns hingeordnet bleiben. Offen – und geradezu zwangsläufig offen – ist das antike Modell von Philosophie vor allem aber auch gegenüber der theoretischen und wissenschaftlichen Arbeit. Schließlich lässt sich die Idee einer Lebensform nach der vorgeschlagenen Definition weder von einer Bindung an die Wahrheit lösen, noch ist – und das ist gegenüber einem allzu weiten Verständnis einer Offenheit der Wahrheitsorientierung stets festzuhalten – eine Annäherung an die Wahrheit ohne einen rationalen Diskurs möglich. Diese Konstellation bewegt bereits die überwiegende Mehrheit der antiken Philosophierenden, ihre Wahrheitsansprüche in Form argumentativ strukturierter Theorien darzulegen und dazu – in unterschiedlichem Maße – den Diskurs mit den Wissenschaften ihrer Zeit zu suchen und zu vertiefen. Selbst wenn in der Antike gelegentlich philosophische Behauptungen eher dogmatisch, ohne kritische Diskussion, an ihre Adressaten herangetragen worden sein sollten, so gehört doch zum Philosophie-Diskurs im Ganzen eine kritische Diskussion verschiedener Wahrheitsansprüche, die wiederum Anlass zu Methodendiskussion und zur Kenntnis von Theorien anderer Wissenschaften gibt. Eine wissenschaftlich vorgehende Philosophie ist also im antiken Lebensformkonzept impliziert. Folglich wird eine Trennung lebenspraktischer Ratschläge für einzelne von einer Theoriebildung auf hohem Niveau dem antiken Zugang mit der Idee, dass sich eine rationale Haltung in Tugenden manifestiert, gerade nicht gerecht. Ein Ausspielen ›akademischer‹ gegen ›praktisch orientierte‹ Philosophie verbietet sich daher letztlich vom antiken Beispiel her. Aber die inhärente Spannung dieser beiden Pole sichert stets aufs Neue die Relevanz sowie die Notwendigkeit einer rational-methodischen, kritisch-reflektierten Absicherung der Philosophie. Als zentraler Unterschied der modernen von der antiken Situation könnte insofern vor allem die Absolutheit mancher antiker Ansprüche erscheinen: Denn wie sollen in Anbetracht der Pluralität moderner Lebensformen und Weltdeutungen die platonische Idee eines Philosophenkönigs, die aristotelisch-stoische Sicht auf den Weisen als das Maß der Erkenntnis oder die neuplatonisch-christliche Forderung, sich auf dem Weg zum Göttlichen in einer ganz konkreten Beschreibung zu machen, überzeugen? In antiker Perspektive macht aber gerade die Kenntnis der Idee des Guten den Philosophenkönig zum idealen Herrscher, und das Begreifen des Kosmos den stoischen Weisen zum Vorbild menschlichen Lebens, und die Vereinigung mit dem Einen oder der unabweisbare Wahrheitsanspruch der christlichen Offenbarung verbürgen die Richtigkeit der Lebensmodelle, die 1169

Fazit

diese Menschen, als Ergebnis einer entsprechenden rationalen und charakterlichen Entwicklung, realisieren. Genau dieser Wahrheitsanspruch wird aber, wenn er nicht mehr argumentativ eingelöst, sondern zur dogmatischen Festlegung wird, bereits in der Antike selbst in den Philosophenkritiken eines Justin, Galen oder Lukian zur Zielscheibe von Zweifel und Spott. Im Einklang mit diesen Kritiken, aber auch mit der Wahrheitssuche eines Platon, Aristoteles, Plotin oder Augustinus muss eine Aktualisierung der antiken Philosophie unter Bedingungen der Gegenwart erfolgen, die man treffend als »nachabsolutistische Phase« der Philosophie bezeichnet hat.2 Sie wird vor allem an antike Konzeptionen anknüpfen können, in denen Wahrheitsansprüche bedingt und innerhalb einer Pluralität von Perspektiven geäußert werden, so dass auch alternativen Begründungsformen als den eigenen weiter ein Wahrheitsanspruch zugeschrieben werden kann. Derartige Modelle finden sich z. B. in der Wissenschaftstheorie Epikurs mit der Behauptung, eine mögliche Theorie zur Grundlage des Lebens zu machen, oder in der Plausibilitätslehre eines Cicero. Auch in den Dialogen Platons, in den aristotelischen Endoxa oder in neuplatonischen Akzentuierungen einer Unverfügbarkeit des transzendenten Gipfels aller Erkenntnis – und damit auch der aus ihm möglichen Ableitungen – finden sich antike Ansätze, eine lebensleitende, am Ideal der Wahrheit orientierte Philosophie so zu formulieren, dass eine Pluralität von Zugängen mitgedacht werden kann. Nur im Anschluss an solche Konzepte oder im Aufstellen neuer Ideen in dieser Richtung dürfte sich das Kernanliegen antiker Philosophie, rational gestützte Modelle guten Lebens für Menschen in verschiedenen Situationen zu entwerfen, in die Moderne hinein übersetzen lassen – die breite Wirkung, welche die Philosophie in der Antike unter den Bedingungen ihrer Zeit erreichte, dürfte die beste Empfehlung dafür sein, diesen Versuch zu erneuern.

2   Vgl. H. Lenk, Perspektiven pragmatischen Philosophierens, in: K. Salamun (Hrsg.), Was ist Philosophie?, Tübingen 52009, 315–336, hier 335.

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Verzeichnis der zitierten Quellen

Das folgende Verzeichnis dient im Wesentlichen zur Entschlüsselung der in diesem Buch zitierten Quellen. Gelegentlich sind auch alternative Ausgaben zu den verwendeten oder Besonderheiten der Zählung erwähnt. Anonyme oder von mehreren Autoren verfasste Werke, abgesehen von biblischen und rabbinischen Texten, sind unter [Anonymus] und [Auctores varii] zu suchen. Bei Texten in orientalischen Sprachen ist stets auch eine Übersetzung in eine westliche Sprache angegeben. Acta Apostolorum, siehe Novum testamentum. Aelius Aristides, Orationes: Aelius Aristides, Orations [1–4]. Edited and translated by M. Trapp. Volume 1–2., Cambridge (Mass.) / London 2017–2021. Aelius Theo, Progymnasmata: Aelius Théon, ›Progymnasmata‹. Texte établi et traduit par M. Patillon, Paris 1997 [Seitenzählung von Spengel am Rand]. Aeneas Gazaeus, Theophrastus: Enea di Gaza, ›Teofrasto‹. A cura di M. E. Colonna, Neapel 1958. Aeschines, Orationes: Aeschinis Orationes. Edidit M. R. Dilts, Stuttgart / Leipzig 1997. Aeschines Sphettensis, Fragmenta: Pentassuglio, F., Eschine di Sfetto. Tutte le testimonianze (Philosophie hellénistique et romaine 7), Turnhout 2017 [siehe auch unter Socrates et Socratici]. Aetius, Placita: Doxographi Graeci. Collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels, Berlin 1879, 267–444 = Aëtiana V. An Edition of the Reconstructed Text of the ›Placita‹ with a Commentary and a Collection of Related Texts. Edited by J. Mansfeld / D. Runia (Philosophia antiqua 153, 1–4), Leiden / Boston 2020. Agathemerus, Geographiae informatio: Geographi Graeci minores. E codicibus recognovit, prolegomenis annotatione instruxit, tabulis aeri incisis illustravit C. Mullerus. Pars 2, Paris 1861, S.  471–487. Agathias, Historiae: Agathiae Historiarum libri quinque. Recensuit R. Keydell (Corpus fontium historiae Byzantinae 2), Berlin 1967. Albertus Magnus, Super Dionysium De divinis nominibus: Alberti Magni Super Dionysium de divinis nominibus primum edidit P. Simon (Alberti Magni opera omnia […] curavit Institutum Alberti Magni Coloniense 37, 1), Münster 1972. Albinus, Prologus: Reis, B., Der Platoniker Albinos und sein sogenannter ›Prologos‹. Prolegomena, Überlieferungsgeschichte, kritische Edition und Übersetzung (Serta Graeca 7), Wiesbaden 1999, S.  307–323 [Seitenzählung nach Hermann am Rand der Edition]. Alcidamas, De sophistis: Artium scriptores. Reste der voraristotelischen Rhetorik. Herausgegeben von L. Radermacher (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 227, 3), Wien 1951, S.  135–141. Alcinous, Didascalicus: Alcinoos, ›Enseignement des doctrines de Platon‹. Introduction, texte établi et commenté par J. Whittaker et traduit par P. Louis, Paris 1990 [Seitenzählung nach Hermann am Rand der Edition]. Alciphro, Epistulae: Alciphronis rhetoris epistularum libri IV. Edidit M. A. Schepers, Stuttgart 1905. Alcman, Carmina: Lyrica Graeca Selecta. Edidit D. L. Page, Oxford 1968, S.  1–28. Alexander Aphrodisiensis, De anima: Alexandri Aphrodisiensis praeter commentaria scripta minora. De anima liber cum mantissa. Edidit I. Bruns (Supplementum Aristotelicum 2, 1), Berlin 1885. Alexander Aphrodisiensis, De fato: Alexandri Aphrodisiensis praeter commentaria scripta minora. Quaestiones. De Fato. De Mixtione. Edidit I. Bruns (Supplementum Aristotelicum 2, 2), Berlin 1892, S.  164–212 (vgl.: Alexandre d’Aphrodise, Traité du destin. Texte établi et traduit par P. Thillet, Paris 1984).

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Verzeichnis der zitierten Quellen Apollonius, Scholia ad Dionysii Thracis Grammaticam: I. Bekkeri Anecdota Graeca. Volumen Secundum: Apollonii Alexandrini De Coniunctionibus Et De Adverbiis Libri. Dionysii Thracis Grammatica. Choerobosci, Diomedis, Melampodis, Porphyrii, Stephani In Eam Scholia, Berlin 1819, S.  627–644. Appianus, Mithridaticus: Appiani Historia Romana. Volumen 1: Prooemium. Iberica. Annibalica. Libyca. Illyrica. Syriaci. Mithridatica. Fragmenta. Ediderunt P. Viereck et A. G. Roos, Leipzig 1962, S.  418–531. Apuleius, De deo Socratis: Apulée, Opuscules philosophiques (Du dieu de Socrates; Platon et sa doctrine; Du monde) et fragments. Texte établi, traduit et commenté par J. Beaujeu, Paris 1973, S.  1–45. Apuleius, De interpretatione: Londey, D. / Johanson, C., The Logic of Apuleius. Including a Complete Latin Text and English Translation of the ›Peri hermeneias‹ of Apuleius of Madaura (Philosophia antiqua 47), Leiden 1987, S.  81–107. Apuleius, De Platone et eius dogmate: Apulée, Opuscules philosophiques (›Du dieu de Socrate‹; ›Platon et sa doctrine‹; ›Du monde‹) et fragments. Texte établi, traduit et commenté par J. Beau­ jeu, Paris 1973, S.  47–107. Arcesilaus, Fragmenta: S.  Vezzoli, Arcesilao di Pitane. L’origine del platonismo neoaccademico (Philosophie hellénistique et romaine 1), Turnhout 2016, S.  149–273. Archelaus [Socratis praeceptor]: Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  44–50. Archelaus [Medicus] (?), In De sectis: Corpus dei papiri filosofici greci e latini. Testi e lessico nei papiri di cultura greca e latina. Pars 3: Commentari, Florenz 1995, S.  19–37. Archimedes, Methodus: Archimède, texte établi et traduit par Ch. Mugler. Tomus 3: ›Des corps flottants‹. ›Stomachion‹. ›La méthode‹. ›Le livre des lemmes‹. ›Le problème des bœufs‹, Paris 1971, S.  82–127. Archytas (Pseudo), De universalibus rationibus: The Pythagorean Texts of the Hellenistic Period. Collected and edited by H. Thesleff (Acta Academiae Abonensis. Humaniora 30, 1), Abo 1965, S.  21–32; Szlezák, Th. A., Pseudo-Archytas über ›Die Kategorien‹. Texte zur Griechischen Aristoteles-Exegese (Peripatoi 4). Berlin / New York 1972, S.  27–57. Aretaeus, De causis: Aretaeus. Edidit C. Hude. Editio altera (CMG 2), Berlin 1958. Aristides, Apologia: Aristide. ›Apologie‹. Introduction, texte critique, traduction et commentaire par B. Pouderon (SC 470), Paris 2003. Aristo Ceensis, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar. Herausgegeben von F. Wehrli. Heft 6. Lykon und Ariston von Keos, Basel 1952, S.  32–44. Aristobulus, Fragmenta: Radice, R., La filosofia di Aristobulo e i suoi nessi con il ›De mundo‹ attribuito ad Aristotele. Con due appendici contenenti i frammenti di Aristobulo. traduzione a fronte e presentazione delle varianti (Collana temi metafisici e problemi del pensiero antico 33), Mailand 1994, S.  173–211. Aristocles, Fragmenta / testimonia: Aristocles of Messene, Testimonia and Fragments. Edited with translation and commentary by M. L. Chiesara, Oxford 2001. Aristophanes, Opera: Aristophanis Fabulae. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit N. G. Wilson. Tomus 1–3, Oxford 2007. Aristoteles, Analytica posteriora: Aristotelis Analytica priora et posteriora. Recensuit brevique adnotatione critica instruxit W. D. Ross. Praefatione et appendice auxit L. Minio-Paluello, Oxford 1964, S.  114–183. Aristoteles, Categoriae: Aristotelis Categoriae et Liber de interpretatione. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit L. Minio-Paluello, Oxford 1949, S.  1–45 [griech.]; D. King, The Earliest Syriac Translation of Aristotle’s ›Categories‹. Text, Translation, and Commentary (Aristoteles Semitico-Latinus 21), Leiden / Boston 2010 [syr.]. Aristoteles, De anima: Aristote, ›De l’âme‹. Texte établi par A. Jannone. Traduction et notes de E. Barbotin. Deuxième édition revue, Paris 1995. Aristoteles, De caelo: Aristotelis De caelo libri quattuor. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit D. J. Allan, Oxford 1936.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Aristoteles, De generatione et corruptione: Aristote, ›De la génération et la corruption‹. Texte établi et traduit par M. Rashed, Paris 2005. Aristoteles, De interpretatione: Aristotelis Categoriae et Liber de interpretatione. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit L. Minio-Paluello, Oxford 1949, S.  47–72. Aristoteles, De longitudine vitae: Aristotle, ›Parva naturalia‹. A Revised Text with Introduction and Commentary by D. Ross, Oxford 1931, S.  143–149. Aristoteles, De motu animalium: Aristotle’s ›De motu animalium‹. Text with Translation, Commentary, and Interpretative Essays by M. C. Nussbaum, Princeton 1978. Aristoteles, De partibus animalium: Aristote, ›Les parties des animaux‹. Texte établi et traduit par P. Louis. Deuxième édition revue et corrigée, Paris 1993. Aristoteles, De respiratione: Aristotle, Parva naturalia. A Revised Text with Introduction and Commentary by D. Ross, Oxford 1931, S.  157–180. Aristoteles, Ethica Eudemia: Aristotelis Ethica Eudemia. Eudemi Rhodii Ethica. Adiecto de virtutibus et vitiis libello. Recognovit F. Susemihl, Leipzig 1884. Aristoteles, Ethica Nicomachea: Aristotelis Ethica Nicomachea. Recognovit F. Susemihl, Leipzig 1912. Aristoteles, Fragmenta: Aristotelis opera. Volumen tertium. Librorum deperditorum fragmenta. Collegit et adnotationibus instruxit O. Gigon, Berlin / New York 1987; Aristotelis qui ferebantur librorum fragmenta. Collegit V. Rose, Leipzig 1886. Aristoteles, Historia animalium: Aristote, ›Histoire des animaux‹. Texte établi et traduit par P. Louis. Tome 1–3, Paris 1964–1969. Aristoteles, Metaphysica: Aristotle’s ›Metaphysics‹. A Revised Text with Introduction and Commentary by W. D. Ross. Volumen 1–2, Oxford 1924. Aristoteles, Physica: Aristotle’s ›Physics‹. A Revised Text with Introduction and Commentary. Volumen 1–2, Oxford 1936. Aristoteles, Politica: Aristoteles’ ›Politik‹. Eingeleitet, kritisch herausgegeben und mit Indizes versehen von A. Dreizehnter (Studia et testimonia antiqua 7), München 1970. Aristoteles, Protrepticus: Aristotle, ›Protrepticus or Exhortation to Philosophy‹ (Citations, Fragments, Paraphrases, and Other Evicence). Edited and Translated by D. S.  Hutchinson and M. R. Johnsons, 2017 (www.protrepticus.info/protr2017x20.pdf, geprüft am 02.02.2023); Der ›Protreptikos‹ des Aristoteles. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar von I. Düring (Quellen der Philosophie 5), Frankfurt 1969, 26–29; Aristoteles, ›Protreptikos‹. Hinführung zur Philosophie. Rekonstruiert, übersetzt und kommentiert von G. Schneeweiß, Darmstadt 2005 [insbesondere die letzten beiden Ausgaben sind mit großen Unsicherheiten behaftet]. Aristoteles, Rhetorica: Aristotelis Ars Rhetorica. Recognouit brevique adnotatione critica instruxit W. D. Ross, Oxford 1959. Aristoteles, Sophistici Elenchi: Aristotelis Topica et Sophistici Elenchi. Recensuit, brevique adnotatione critica instruxit W. D. Ross, Oxford 1988, S.  190–251. Aristoteles, Topica: Aristotelis Topica et Sophistici Elenchi. Recensuit, brevique adnotatione critica instruxit W. D. Ross, Oxford 1988, S.  1–189. Aristoteles (Pseudo), De mundo: Aristotelis qui fertur libellus De mundo. Edidit W. L. Lorimer. Accedit Capitum V, VI, VII interpretatio Syriaca ab E. König Germanice versa, Paris 1933. Aristoteles (Pseudo), Divisiones Aristotelicae: Divisiones quae vulgo dicuntur Aristoteleae. Praefatus edidit testimoniisque instruxit H. Mutschmann, Leipzig 1906. Aristoxenus, Elementa harmonica: Aristoxenu Harmonikōn Stoicheiōn Biblia 3. Aristoxeni Harmonicorvm Elementorvm Libri III. M. Meibomivs Vertit ac Notis explicavit, in: Antiquæ Musicæ Avctores Septem. Volumen 1 (1652). Aristoxenus, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar. Herausgegeben von F. Wehrli. Heft 2: Aristoxenos, Basel / Stuttgart 21967. Arius, Epistula ad Eusebium: Brief des Arius an Euseb von Nikomedien, in: Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites. 318–328. Herausgegeben von H. G. Opitz (Athanasius, Werke 3, 1, 1), Berlin / Leipzig 1934, S.  1–3. Arius Didymus, Epitome: Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels, Berlin 1879, 445–472.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Arnobius, Adversus nationes: Arnobii adversus nationes libri VII. Recensuit et commentario critico instruxit A. Reifferscheid (CSEL 4), Wien 1875. Asclepius, In Nicomachum: Asclepius of Tralles, ›Commentary to Nicomachus’ Introduction to Arithmetic‹. Edited with an Introduction and Notes by L. Tarán (Transactions of the American Philological Society NS 59, 4), Philadelphia 1969. Asclepius, In Metaphysica: Asclepii in Aristotelis Metaphysicorum libros A–Z commentaria. Edidit M. Hayduck (CAG 6, 2), Berlin 1888. Aspasius, In Ethica Nicomachea: Aspasii in Ethica Nicomachea quae supersunt commentaria. Edidit G. Heylbut (CAG 19), Berlin 1889. Asterius, Fragmenta: Vinzent, M., Asterius von Kappadokien. Die theologischen Fragmente (Vigiliae Christianae. Supplementum 20), Leiden / New York / Köln 1993. Athanasius, Apologia contra Arianos: Athanasius, Orationes I et II contra Arianos. Oratio III contra Arianos. Edition vorbereitet von K. Metzler. Revidiert und besorgt von K. Savvidis (Athanasius, Werke 1, 1, 2–3), Berlin / New York 1998–2000. Athanasius, Contra gentes: Athanasius, ›Contra Gentes‹ and ›De Incarnatione‹. Athanasius. Edited and translated by R. W. Thomson, Oxford 1971, S.  2–133. Athanasius, De incarnatione: Athanasius, ›Contra Gentes‹ and ›De Incarnatione‹. Athanasius. Edited and translated by R. W. Thomson, Oxford 1971, S.  134–282. Athanasius, De synodis: Athanasius, Die Apologien. Herausgegeben von H. G. Opitz (Athanasius, Werke 2, 1), Berlin 1941, S.  231–278. Athanasius, Epistula ad Maximum: S.  P. N. Athanasii Archiepiscopi Alexandrini Ad Maximum Philosophum, in: Patrologia Graeca 26, Paris 1857, Sp. 1085–1092. Athanasius, Expositiones in Psalmos: Sancti Athanasii Archiepiscopi Alexandrini Expositiones in Psalmos, in: Patrologia Graeca 27, Paris 1837, Sp. 59–591. Athanasius, Vita Antonii: Athanase d’Alexandrie, ›Vie d’Antoine‹. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par G. J. M. Bartelink (SC 400), Paris 2011. Athenaeus, Dipnosophistae: Athenaei Naucratitae Dipnosophistarum libri XV. Recensuit G. Kaibel, Leipzig 1887–1890. Athenaeus Poliorceta, De machinis: Griechische Poliorketiker. Mit den handschriftlichen Bildern herausgegeben von R. Schneider, Berlin 1908, S.  8–49. Athenagoras, Legatio pro Christianis: Athenagoras, ›Legatio pro Christianis‹. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 31), Berlin / New York 1990. Atticus, Fragmenta: Atticus, Fragments. Texte établi et traduit par É. des Places, Paris 1977. [Auctores varii], Anthologia Palatina: Anthologie grecque. Première partie. Anthologie Palatine. Texte établi et traduit par P. Waltz et al. Tome 1–12, Paris 1957–1970. Augustinus, Ad Simplicianum: Sancti Aurelii Augustini De diversis quaestionibus ad Simplicianum. Edidit A. Mutzenbecher (CCL 44), Turnhout 1970. Augustinus, Confessiones: Sancti Aurelii Augustini Confessionum libri XIII. Quos post M. Skutella iterum edidit L. Verheijen. Editio altera (CCL 27), Turnhout 1990. Augustinus, Contra Academicos: Sancti Aurelii Augustini. Contra Academicos. De beata vita. De ordine. De magistro. De libero arbitrio. Cura et studio W. M. Green (CCL 29), Turnhout 1970, S.  3–61. Augustinus, Contra Crescontium: Sancti Augustini Contra litteras Petiliani libri tres, Epistula ad catholicos de secta Donatistarum, Contra Crescontium libri quattuor. Recensuit M. Petschenig (CSEL 52), Wien 1909, S.  21–582. Augustinus, Contra Iulianum: S. Aurelii Augustini Hipponensis episcopi Contra Iulianum Haeresis Pelagianae defensorem Libri sex, in: Patrologia Latina 44, Paris 1865, Sp. 641–874. Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum: Sancti Augustini Contra Iulianum (opus imperfectum). Recensuit M. Zelzer. Tomus 1–2 (CSEL 85, 1–2), Wien 1974–2004. Augustinus, De beata vita: Sancti Aurelii Augustini Contra Academicos. De beata vita. De ordine. De magistro. De libero arbitrio. Cura et studio W. M. Green (CCL 29), Turnhout 1970, S.  63–85. Augustinus, De civitate dei: Sancti Aurelii Augustini De civitate dei libri. Ad fidem quartae editionis Teubnerianae quam a. 1927–1928 curaverunt G. Dombart / A. Kalb paucis emendatis mutatis additis. Tomus 1–2 (CCL 47–48), Turnhout 1955.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Augustinus, De cura pro mortuis gerenda: Sancti Augustini De fide et symbolo. De fide et operibus. De agone christiano. De continentia. De bono coniugali. De sancta virginitate. De bono viduitatis. De adulterinis coniugiis lib. II. De mendacio. Contra mendacium. De opere monachorum. De divinatione daemonum. De cura mortuis gerenda. De patientia. Recensuit I. Zycha (CSEL 41), Wien 1900, S.  619–660. Augustinus, De dialectica: Augustine, ›De dialectica‹. Translated with Introduction and Notes by B. D. Jackson, edited by J. Pinborg (Synthese Historical Library 16), Dordrecht / Boston 1975. Augustinus, De doctrina Christiana: De doctrina Christiana libri IV cura et studio I. Martin, in: Sancti Avrelii Augustini De doctrina christiana. De vera religione (CCL 32), Turnhout 1962, V-167. Augustinus, De magistro: Sancti Aurelii Augustini Contra Academicos. De beata vita. De ordine. De magistro. De libero arbitrio. Cura et studio W. M. Green (CCL 29), Turnhout 1970, S.  157–203. Augustinus, De ordine: Sancti Aurelii Augustini Contra Academicos. De beata vita. De ordine. De magistro. De libero arbitrio. Cura et studio W. M. Green (CCL 29), Turnhout 1970, S.  90–137. Augustinus, De vera religione: De vera religione liber unus. Cura et studio K.-D. Daur, in: Sancti Aurelii Augustini De doctrina christiana. De vera religione (CCL 32), Turnhout 1962, S.  179–260. Augustinus, Epistulae: S.  Aurelii Augustini Hipponensis episcopi epistulae. Recensuit et commentario critico instruxit A. Goldbacher. Pars 1–2 (CSEL 34, 1–2), Wien et al. 1895–1898. Augustinus, Soliloquia: Sancti Aurelii Augustini Soliloquiorum libri duo. Recensuit W. Hörmann (CSEL 89), Wien 1986. Aulus Gellius, Noctes Atticae: A. Gellii Noctium Atticarum libri XX. Recensuit C. Hosius. Volumen 1: Libri I–V, Stuttgart 1981. Avempace, Regula solitarii: Ibn Bāğğa, Die Richtschnur des Einsamen (Fī tadbīr al-mutawaḥḥid), in: Avempace, Die Richtschnur des Einsamen. Über das Ziel des menschlichen Lebens. Über die diesseitige und die jenseitige Glückseligkeit. Ibn Bāğğa, Fī tadbīr al-mutawaḥḥid. Fī l-ġāya l-insāniyya. Fī s-saʿāda l-madīniyya, Übersetzt, mit einer Einleitung und kommentierenden Anmerkungen versehen von F. Schupp. Arabisch – Deutsch, Hamburg 2015, S.  181–196 (arab./dt.). Averroes, In Physica: Aristotelis Stagiritae Omnia, Qvae Extant. Opera […]. Averrois Cordubensis In Ea Opera Omnes, qui ad nos peruenere, Commentarii. […]. Tomus 9 […], Venetiis 1560. ›Bardesanes‹ (Bardaiṣān), Liber legum regionum: Bardesanes, Liber legum regionum cuius textum Syriacum vocalium signis instruxit, Latine vertit F. Nau, in: Patrologia Syriaca 1, 2, Paris 1893, Sp.  536–610 (syr./lat.) / Krannich, T. / Stein, P., Das ›Buch der Gesetze der Länder‹ des Bardesanes von Edessa, in: Zeitschrift für antikes Christentum 8 (2004), 203–229 (dt.). Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum: Mar Barḥaḏbšabbā Arbaya. Éveque de Ḥalwan (VIe siècle), ›Cause de la fondation des écoles‹. Texte syriaque publié et traduit par A. Scher (PO 4, 4), Paris 1908. Barhebraeus, Chronicon: Gregorii Barhebraei. Chronicon ecclesiasticum […]. Ediderunt, latinititate donarunt annotationibusque […] illustrarunt I. B. Abbeloos et Th. I. Lamy, Leuven 1872. Baruch: Siehe Vetus testamentum. Basilius, Ad adolescentes: Basile de Césarée, ›Aux jeunes gens. Comment tirer profit de la littérature grecque‹. Texte établi par F. Boulenger. Introduction, traduction et notes par A. Perrot, Paris 2012 [Seitenangaben nach der ersten Edition von Boulenger]. Basilius, Contra Eunomium: Basile de Césarée, ›Contre Eunome‹. Suivi de Eunome, ›Apologie‹. Introduction, traduction et notes de B. Sesboüé / G.-M. de Durand / L. Doutreleau. Tome 1–2 (SC 299, 305), Paris 1982–1983. Basilius, De origine hominis: Basile de Césarée, ›Sur l’origine de l’homme‹. (Hom. X et XI de l’Hexaéméron). Introduction, texte critique, trad. et notes par A. Smets et M. van Esbroeck (SC 160), Paris 1970. Basilius, De spiritu sancto: Basilius von Cäsarea, ›De Spiritu Sancto‹. ›Über den Heiligen Geist‹. Übersetzt und eingeleitet von H.-J. Sieben (Fontes Christiani 12), Freiburg et al 1993. Basilius, Epistulae: Saint Basile, Lettres, Tome I–III. Texte établi et traduit par Y. Courtonne, Paris 1957–1966. Basilius, In Hexameron: Basilius von Caesarea. Homilien zum Hexameron. Herausgegeben von E. Amand de Mendita / St. Y. Rudberg (GCS NF 2), Berlin 1997.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Batis, Epistulae: Vogliano, A., Epicuri et Epicureorum scripta in Herculanensibus papyris servata, Berlin 1928, S.  45–58 (neue Rekonstruktion bei Angeli, A., La scuola Epicurea di Lampsaco nel PHerc. 176 [fr. 5 coll. I, IV, VIII–XXIII), in: Cronache Ercolanesi 18 [1988], 27–51). Bio Borysthenita, Fragmenta / testimonia: Kindstrand, J. F., Bion of Borysthenes. A Collection of the Fragments with Introduction and Commentary (Studia Graeca Uppsaliensia 11), Stockholm 1976. Boethius, Contra Eutychen et Nestorium: Boethius, De consolatione philosophiae. Opuscula theologica. Edidit C. Moreschini, München 2000, S.  206–241. Boethius, De consolatione philosophiae: Boethius, De consolatione philosophiae. Opuscula Theologica. Edidit C. Moreschini, München 2000, S.  3–161. Boethius, De trinitate: Boethius, De consolatione philosophiae. Opuscula Theologica. Edidit C. Moreschini, München 2000, S.  165–181. Boethius, In De interpretatione: Anicii Manlii Severini Boetii Commentarii in Librum Aristotelis ΠΕΡΙ ΕΡΜΗΝΕΙΑΣ. Recensuit C. Meiser. Pars 1–2. Leipzig 1877–1880. Boethius, In Isagogen: Anicii Manlii Severini Boethii in Isagogen Porphyrii Commenta. Recensuit S.  Brandt. Pars 1. Leipzig et al. 1906. Boethius, Institutio arithmetica: Anicii Manlii Torquati Severini Boetii de institutione arithmetica libri duo. De institutione musica libri quinque. Accedit Geometria quae fertur Boetii. E libris manuscriptis edidit G. Friedlein, Leipzig 1867, S.  1–173. Boethius, Institutio musica: Anicii Manlii Torquati Severini Boetii de institutione arithmetica libri duo. De institutione musica libri quinque. Accedit Geometria quae fertur Boetii. E libris manuscriptis edidit G. Friedlein, Leipzig 1867, S.  177–371. Caelius Aurelianus, Celeres passiones: Caelius Aurelianus. Akute Krankheiten I–III. Chronische Krankheiten I–V. Herausgegeben von G. Bendz, übersetzt von I. Pape, Band 1 (CMG 6, 1), Berlin 1960, S.  17–429. Caelius Aurelianus, Tardae passiones: Caelius Aurelianus. Akute Krankheiten I–III. Chronische Krankheiten I–V. Herausgegeben von G. Bendz, übersetzt von I. Pape, Band 1–2 (CMG 6, 1–2), Berlin 1960–1993, 1, S.  430–677; 2, S.  678–939. Calanus (Pseudo), Epistula Calani ad Alexandrum: Epistolographi Graeci. Recensuit recognovit adnotatione critica et indicibus instruxit R. Hercher, Paris 1873, S.  192. Calcidius, In Timaeum: Calcidius, Commentaire au ›Timée‹ de Platon. Édition critique et traduction française par B. Bakhouche, Band 1–2 (Histoire des doctrines de l’antiquité classique 42), Paris 2011. Canticum canticorum (Hohelied): Siehe Vetus testamentum. Cassiodorus, De artibus: M. Aurelii Cassiodori De artibus ac disciplinis liberalium litterarum, in: Patrologia Latina 70, Paris 1847, Sp. 1149–1218. Cassiodorus, De anima: Magni Aurelii Cassiodori Variarum libri XII. De anima. Cura et studio A. J. Fridh / J. W. Halporn (CCL 96), Turnhout 1973. Cassiodorus, Institutiones: Cassiodori Senatoris Institutiones. Cassiodorus. Edited from the manuscripts by R. A. B. Mynors, Oxford 1937. Cassius Longinus, Fragmenta: Longin, Fragments. ›Art rhétorique‹. Texte établi et traduit par M. Patillon / L. Brisson, Paris 2002. Celsus (Platonicus): Siehe Origenes, Contra Celsum. Celsus, Medicina: De la médecine. Celse. Tome 1: [Livres I–II]. texte établi, traduit et commenté par Guy Serbat (Collection des universités de France. Série latine 326), Paris 1995. Cicero, Academica (i. e. Academica posteriora 1): M. Tullii Ciceronis Academica. The Text Revised and Explained by J. A. Reid, London 1885, 85–168. Cicero, Ad Atticum epistulae: M. Tulli Ciceronis Epistulae ad Atticum. Edidit D. R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1987. Cicero, Brutus: M. Tulli Ciceronis Brutus. Recognovit H. Malcovati. Editio altera, Leipzig 1970. Cicero, De divinatione: M. Tulli Ciceronis De Divinatione. De Fato. Timaeus. O. Plasberg schedis usus recognovit W. Ax, Stuttgart 1938, S.  1–129. Cicero, De fato: M. Tulli Ciceronis De Divinatione. De Fato. Timaeus. O. Plasberg schedis usus recognovit W. Ax, Stuttgart 1938, S.  130–153.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Cicero, De finibus bonorum et malorum: M. Tulli Ciceronis De finibus bonorum et malorum. Recensuit C. Moreschini, München 2005. Cicero, De inventione: Cicéron, ›De l’invention‹. Texte établi et traduit par G. Achard, Paris 1994. Cicero, De legibus: M. Tulli Ciceronis Libros De natura deorum De divinatione, De fato, De re publica, De legibus recognovit C. F. W. Mueller., Leipzig 1905, S.  380–450. Cicero, De natura deorum: M. Tulli Ciceronis De natura deorum. Recensuit O. Plasberg, Leipzig 1933. Cicero, De officiis: M. Tulli Ciceronis De officiis. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. Winterbottom, Oxford 1994. Cicero, De oratore: M. Tulli Ciceronis De oratore. Edidit K. F. Kumaniecki, Leipzig  /  Stuttgart 1969. Cicero, De re publica: M. Tulli Ciceronis De re publica librorum sex quae manserunt. Iterum recognovit K. Ziegler, Leipzig 1929. Cicero, Epistula ad familiares: M. Tulli Ciceronis Epistolarum ad familiares libri I–XVI. Recognovit H. Sjögren, Leipzig 1925. Cicero, Laelius de amicitia: M. Tulli Ciceronis Cato Maior. Laelius. Recognovit K. Simbeck, Leipzig 1917. Cicero, Lucullus (i. e. Academica priora 2): M. Tulli Ciceronis Academica. The Text Revised and Explained by J. A. Reid, London 1885, 169–348. Cicero, Orator: M. Tulli Ciceronis Orator. Edidit R. Westman, Leipzig 1980. Cicero, Topica: Marcus Tullius Cicero, Topica. Edidit with a Translation and Commentary by T. Reinhardt, Oxford 2004. Cicero, Tusculanae disputationes: M. Tulli Ciceronis Tusculanae disputationes. Recognovit M. Pohlenz, Leipzig 1918. Claudianus Mamertus, De statu animarum: Claudiani Mamerti opera ex recensione A. Engelbrecht (CSEL 11), Wien 1885, S.  1–197. Clearchus, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Herausgegeben von Fritz Wehrli. Heft 3. Klearchos, Basel / Stuttgart 21969. Clemens Alexandrinus, Paedagogus: Clemens Alexandrinus. Herausgegeben von O. Stählin. Band 1: ›Protrepticus‹ und ›Paedagogus‹. Herausgegeben von O. Stählin (GCS Clemens Alexandrinus 1), Berlin 1972, S.  87–292. Clemens Alexandrinus, Protrepticus: Clemens Alexandrinus. Werke. Band 1: ›Protrepticus‹ und ›Paedagogus‹. Herausgegeben von O. Stählin (GCS Clemens Alexandrinus 1), Berlin 1972, S.  1–86. Clemens Alexandrinus, Stromata: Clemens Alexandrinus. Werke. Band 2: Stromata I–VI. 4. Band 3: Stromata VII–VIII. Herausgegeben von O. Stählin (GCS Clemens Alexandrinus 2/3), Berlin 1906–1909. Cono, Refutatio (fragmenta): A. van Roey, Un traité cononite contre la doctrine de Jean Philopon sur la résurrection, in: [Auctores varii], Antidoron. Hommage à Maurits Geerard pour célébrer l’achèvement de la Clavis Patrum Graecorum, Wetteren 1984, S.  123–139. Cornutus, Epidrome: Cornuti theologiae Graecae compendium. Recensebat et emendabat C. Lang, Leipzig 1881. ›Crates‹, Epistulae: Müseler, E., Die Kynikerbriefe. Band 2: Kritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung (Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums NF 1. Monographien 7), Paderborn 1994, S.  82–113. Critolaus, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Herausgegeben von F. Wehrli. Heft 10. Hieronymos von Rhodos, Kritolaos und seine Schüler. Rückblick: Der Peripatos in vorchristlicher Zeit, Register, Basel 1969, S.  49–58. Cynici: Siehe Socrates et Socratici. Cyprianus, De bono patientiae: Cyprien de Carthage, ›A Donat‹ et ›La vertu de patience‹. Introduction, traduction et notes par J. Molager (SC 291), 1982. Cyrillus Alexandrinus, Contra Iulianum: Kyrill von Alexandrien, Gegen Julian 1. Buch 1–5. Herausgegeben von Ch. Riedweg. Mit einer allgemeinen Einleitung von Ch. Riedweg / W. Kinzig (GCS NF 20), Berlin / Boston 2016; Kyrill von Alexandrien, Gegen Julian 2. Buch 6–10 und Fragmente. Herausgegeben von W. Kinzig / Th. Brüggemann. Syrische Fragmente herausgegeben von H. Kaufhold (GCS NF 21), Berlin / Boston 2017.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Cyrillus Alexandrinus, De adoratione: S.  P. N. Cyrilli Alexandriae Archiepiscopi De adoratione in spiritu et veritate, in: Patrologia Graeca 68, Paris 1864, Sp. 133–1126. Cyrillus Alexandrinus, Dialogus de trinitate: Cyrille d’Alexandrie, ›Dialogues sur la trinité‹. Texte critique, traduction et notes par G. M. de Durand (SC 246), Paris 1978. Cyrillus Alexandrinus, Homilia Paschalis: S.  P. N. Cyrilli Alexandriae Archiepiscopi Homiliae ­Pascha­les, in: Patrologia Graeca 77, Paris 1864, Sp. 401–982. Cyrillus Alexandrinus, De incarnatione Unigeniti: Cyrille d’ Alexandrie, Deux dialogues christologiques. Introduction, texte critique, traduction et notes par G. M. de Durand, Paris 1964, S.  188–301. Cyrillus Alexandrinus, In duodecim prophetas: Sancti Patris Nostri Cyrilli Archiepiscopi Alexandrini In duodecim prophetas. Post Pontanum et Aubertum edidit Ph. E. Pusey. Volumen 1–2, Oxford 1868 (Nachdruck Brüssel 1965). Cyrillus Alexandrinus, In Lucan: S.  P. N. Cyrilli Alexandriae Archiepiscopi Explanatio in Lucae evangelium, in: Patrologia Graeca 72, Paris 1864, Sp. 475–950. Cyrillus Alexandrinus, In Psalmos: Sancti Cyrilli Alexandriae Archiepiscopi Expositio in Psalmos, in: Patrologia Graeca 69, Paris 1864, Sp. 697–1276. Cyrillus Alexandrinus, Thesaurus trinitatis: S.  P. N. Cyrilli Alexandriae Archiepiscopi Thesaurus de sancta et consubstantiali Trinitate, in: Patrologia Graeca 75, Paris 1863, Sp. 9–1076. Damascius, De principiis: Damascius, ›Traité des premiers principes‹. Texte établi par L. G. Westerink et traduit par J. Combès. Tome 1–3, Paris 1986–1991. Damascius, In Phaedonem: Westerink, L. G., The Greek Commentaries on Plato’s ›Phaedo‹. Volumen II. Damascius, Amsterdam 1977. Damascius, Vita Isidori: Damascii Vitae Isidori reliquiae. Edidit adnotationibusque instruxit C. Zintzen (Bibliotheca Graeca et Latina. Suppletoria 1), Hildesheim 1967 (Text auch in: Damascius, ›The Philosophical History‹. With Translation and Notes by P. Athanassiadi, Athen 1999). Daniel: Siehe Vetus testamentum. David, In Analytica priora: David the Invincible, ›Commentary on Aristotle’s Prior Analytics‹. Old Armenian Text with an English Translation, Introduction and Notes by A. Topchyan (Philosophia antiqua 122), Leiden / Boston 2010. David, Prolegomena Philosophiae: Davidis prolegomena et in Porphyrii Isagogen commentarium. Edidit Adolfus Busse (CAG 18, 2), Berlin 1904, S.  1–79. David (›Elias‹), In Categorias: Eliae (olim Davidis) In Aristotelis Categorias Commentarium, In: Eliae in Porphyrii Isagogen et Aristotelis Categorias commentaria. Edidit A. Busse (CAG 18, 1), Berlin 1900, S.  107–255 (zur Autorschaft dieses Kommentars vgl. S. 970 Anm. 27). David Armenus, In Isagogen: David the Invincible, Commentary on Porphyry’s ›Isagoge‹. Old Armenian text with the Greek original, an English translation, introduction and notes by G. Muradyan (Philosophia antiqua 137), Leiden 2015. Demetrius Laco, Opus incertum: Demetrio Lacone, Aporie testuali ed esegetiche in Epicuro (PHerc. 1012). Edizione, traduzione e commento a cura di E. Puglia. Precedono testimonianze su Demetrio Lacone ordinate da M. Gigante (La scuola di Epicuro 8), Neapel 1988. Demetrius Phalereus, Fragmenta: Demetrius of Phalerum. Text, translation and discussion. Edited by W. W. Fortenbaugh / E. Schütrumpf (Rutgers University Studies in Classical Humanities 9), New Brunswick et al. 2000. Demetrius Phalereus (Pseudo), Démétrios, ›De elocutione‹. ›Du style‹. Texte établi et traduit par P. Chiron, Paris 1993. Democritus, Fragmenta (DK 68 [55]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  81–230. Derekh ʾeretz Rabbah: The Treatises ›Derek Erez‹. ›Masseket Derek Erez‹, ›Pirke Ben Azzai‹. ›Tosefta Derek Erez‹. Edited from Manuscripts with an Introduction, Notes, Variants and Translation by M. Higger. Volume 1–2, New York 1935 (hebr.); M. van Loopik, The Ways of the Sages and the Way of the World. The Minor Treatises of the Babylonian Talmud: ›Derekh ʾEretz Rabbah‹. ›Derekh ʾEretz Zutta‹. ›Pereq ha-shalom‹ (Texts and Studies in Ancient Judaism 26), Tübingen 1991 (engl.). Deuteronomium (4 Mose): Siehe Vetus testamentum.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Dexippus, In Categorias: Dexippi in Aristotelis Categorias commentarium. Edidit A. Busse (CAG 4, 2), Berlin 1888. Dicaearchus, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Herausgegeben von F. Wehrli. Heft  1: Dikaiarchos (Dicaearchus Messenius), Basel 1944. Didymus Caecus, Contra Manichaeos: Didymi Contra Manichaeos Liber, in: Patrologia Graeca 39, Paris 1863, Sp. 1085–1109. Didymus Caecus, In Ecclesiasten: Kommentar zum Ecclesiastes (Tura-Papyrus). Didymos der Blinde. Teil 1–4, Bonn 1969–1983. Didymus Caecus, In Ecclesiasten: Didymus der Blinde, ›Kommentar zum Ecclesiastes‹. (Tura-Papyrus). In Zusammenarbeit mit dem Ägyptischen Museum zu Kairo herausgegeben und übersetzt von G. Binder u. a. Teil 1, 1–6 (Papyrologische Texte und Abhandlungen 9, 13, 16, 22, 24–26), Bonn 1969–1979. Didymus Caecus, In Genesim: Didyme l’Aveugle, ›Sur la Genèse‹. Texte inédit d’après un papyrus de Toura. Introduction, édition, traduction et notes par P. Nautin. Tomus 2 (SC 244), Paris 1978. Didymus Caecus, Fragmenta in Ijob: Didymi Alexandrini Fragmente in Job, ex Catena Nicetae, in: Patrologia Graeca 39, Paris 1863, Sp. 1119–1154. Didymus Caecus, In Psalmos: Didymos der Blinde, ›Psalmenkommentar‹ (Tura-Papyrus). Teil 1–5. Herausgegeben und übersetzt von M. Gronewald, Bonn 1968–1970; (für die Katenenüberlieferung:) Mühlenberg, E., Psalmenkommentare aus der Katenenüberlieferung. Band 1–3, Berlin et al. 1975–1978. Didymus Caecus, In Zachariam: Didyme l’ Aveugle, ›Sur Zacharie‹. Texte inédit d’après un papyrus de Toura. Introduction, texte critique, traduction et notes de L. Doutreleau. Tome 1–2 (SC 83–84), Paris 1962. Dio Cassius, Historiae: Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanarum quae supersunt, edidit U. Ph. Boissevain, Volumen 1–3, Berlin 1895–1901 (Ergänzungen bei: Dio’s Roman History, with an English Translation by E. Cary on the Basis of the Version of H. Baldwin Forster 9, Cambridge (Mass.) / London 1982). Dio Chrysostomus, Orationes: Dionis Chrysostomi orationes post Ludovicum Dindorfium edidit G. de Budé. Volumen 1–2, Leipzig 1916. Diodorus Siculus, Bibliotheca historica: Diodore de Sicile, ›Bibliothèque Historique‹, Tome 1–15. Texte établi et traduit par P. Bertrac / Y. Vernière et al., Paris 1993–2020 [erschienene Bände erfassen Buch 1–20] / Diodori Bibliotheca historica. [Partes IV–V] Post L. Bekkeri et L. Dindorf recognovit C. Th. Fischer. Vol. VI ex recensione L. Dindorfii, Leipzig 1970 [für Zitate ab Buch 21, mit Angabe von Seitenzahl und Nummer des Dindorf-Bandes, dessen letzte drei Bände in der zitierten Ausgabe vereint sind]. Diodorus Tarsensis, Fragmenta in Romanos: Staab, K., Pauluskommentare aus der griechischen Kirche. Aus Katenenhandschriften gesammelt und herausgegeben (Neutestamentliche Abhandlungen 15), Münster 1933, S.  83–112. Diodorus Tarsensis, In Psalmos: Diodori Tarsensis commentarii in Psalmos. quorum editionem principem curavit J.-M. Olivier. Pars 1: Commentarii in psalmos I–L (CCG 6), Turnhout 1980. Diogenes Apolloniensis, Fragmenta (64 [51]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  51–69. Diogenes de Oenoanda, Fragmenta: Diogenes of Oinoanda, The Epicurean inscription. Edited with Introduction, Translation and Notes by M. F. Smith (La scuola di Epicuro. Supplemento 1), Neapel 1992. Diogenes de Oenoanda, Fragmenta nova: Smith, M. F., Excavations at Oinoanda 1997. The New Epicurean Texts, in: Anatolian Studies 48 (1998), 125–170, hier S.  132–135; Smith, M. F., Supplement to Diogenes of Oinoanda, The Epicurean Inscription (La scuola di Epicuro. Supplemento 3), Neapel 2003. ›Diogenes Sinopensis‹, Epistulae: Müseler, E., Die Kynikerbriefe. Band 2: Kritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung (Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums NF 1. Monographien 7), Paderborn 1994, S.  2–79. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum: Diogenis Laertii Vitae philosophorum. Volumen I. Libri I–X. Edidit M. Marcovich, Stuttgart 1999; Diogenes Laertius, Lives of Eminent Philosophers.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Edited with Introduction by T. Dorandi (Cambridge Classical Texts and Commentaries 50), Cambridge 2013. Diogenes Sinopensis, Fragmenta: Tragicorum Graecorum Fragmenta. Volumen 1: Didascaliae tragicae, catalogi tragicorum et tragoediarum, testimonia et fragmenta tragicorum minorum. Edidit B. Snell, Göttingen 1986, S.  254–258 [für weitere Fragemente und Testimonien siehe Socrates et Socratici]. ›Dionysius Areopagita‹, De divinis nominibus: Corpus Dionysiacum 1. ›De divinis nominibus‹. Herausgegeben von B. R. Suchla (Patristische Texte und Studien, Band 33), Berlin 1990. ›Dionysius Areopagita‹, De ecclesiastica hierarchia: Corpus Dionysiacum 2: ›De coelesti hierarchia‹. ›De ecclesiastica hierarchia‹. ›De mystica theologia‹. Epistulae. Herausgegeben von G. Heil /  A. M. Ritter (Patristische Texte und Studien 36), Berlin 1991, S.  61–132. ›Dionysius Areopagita‹, Epistulae: Epistulae (Text), in: Corpus Dionysiacum 2: ›De coelesti hierarchia‹. ›De ecclesiastica hierarchia‹. ›De mystica theologia‹. Epistulae. Herausgegeben von G. Heil / A. M. Ritter (Patristische Texte und Studien 36), Berlin 1991, S.  151–210. Ecclesiastes (Kohelet, Prediger Salomos): Siehe Vetus testamentum. Ecclesiasticus (Σοφία Σίραχ, Jesus Sirach): Siehe Vetus testamentum (Griechisch), ferner: Sapientia Iesu Filii Sirach, ed. J. Ziegler, Göttingen 1965; P. C. Beentjes, The Book of Ben Sira in Hebrew. A Text Edition of All Extant Hebrew Manuscripts and a Synopsis of All Parallel Hebrew Ben Sira Texts, Leiden / New York / Köln 1997. Elias, In Analytica priora: Elias, In Analytica priora commentarius. Edidit L. G. Westerink, in: Mnemosyne 4, 14 (1961), S.  126–139. Elias, In Isagogen: Eliae in Porphyrii Isagogen et Aristotelis Categorias commentaria. Edidit A. Busse (CAG 18, 1), Berlin 1900, S.  35–104. Elias, Prolegomena: Eliae in Porphyrii Isagogen et Aristotelis Categorias commentaria. Edidit A. Busse (CAG 18, 1), Berlin 1900, S.  1–34. Elias (Pseudo), In Porphyrii Isagogen: Pseudo-Elias (Pseudo-David), Lectures on Porphyry’s ›Eisagoge‹. Introduction, Text and Indices by L. G. Westerink, Amsterdam 1967. Empedocles, Fragmenta: Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  276–374; Les débuts de la philosophie. Édition et traduction [par] A. Laks / G. W. Most avec la collaboration de G. Journée et le concours de L. Irribarren / D. Lévystone, Paris 2016, S.  659–819 [enthält auch die im Straßburger Empedokles-Papyrus aufgefundenen Passagen; dazu auch Janko, R., Empedocles, ›On Nature‹ I 233–364. A New Reconstruction of P. Strasb. gr. Inv. 1665–1666, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 150 (2004), 1–26]; Die Vorsokratiker. Griechisch – Deutsch. Ausgewählt, übersetzt und erläutert von J. Mansfeld / O. Primavesi, Stuttgart 2021, S.  392–563. Empirici, Fragmenta: Deichgräber, K., Die griechische Empirikerschule. Sammlung der Fragmente und Darstellung der Lehre, Berlin 1965. Ephrem Syrus, Contra Bardesanis Domnum: S.  Ephraim’s Prose Refutations of Mani, Marcion and Bardaisan, […] First Published by C. W. Mitchell. Part 2: The Discourse called ›of Domnus‹ and six other writings, London / Oxford 1921, S.  1–49 (syr.) / i–xxii (engl.). Ephrem Syrus, Hymni contra haereses: Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen ›Contra haereses‹. Herausgegeben von E. Beck. Text (CSCO Syr. 76), Leuven 1957. Ephrem Syrus, Hymni de fide: Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen ›De fide‹. Herausgegeben und übersetzt von E. Beck. Text (CSCO Syr. 73), Leuven 1955. Ephrem Syrus, In Genesim Commentarius: Sancti Ephraem Syri in Genesim et in Exodum commentarii. Edidit / Interpretatus est R.-M. Tonneau (CSCO Syr. 71 [syr.] / 72 [lat.]), Leuven 1955. Ephrem Syrus, Refutatio 1 contra errores: Ephraemi Ad Hypatium adversus haereses tractatus primus, in: Ephraemi Syri, Rabbulae episcopi Edesseni, Balaei aliorumque opera selecta. E codicibus Syriacis manuscriptis in museo Britannico et bibliotheca Bodleiana asservatus primus edidit I. I. Overbeck, Oxford 1865, S.  21–58 (syr.) / E. Beck, Ephraems Brief an Hypatios übersetzt und erklärt, in: Oriens Christianus 58 (1974), 76–120 (dt.). Ephrem Syrus, Sermones de fide: Des heiligen Ephraem des Syrers ›Sermones de fide‹. Heraus­ gegeben und Übersetzt: Edmund Beck (CSCO Syr. 88), Leuven 1976.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Epictetus, Dissertationes: Epicteti Dissertationes ab Arriano digestae […] Enchiridion ex recensione Schweighaeuseri, index nominum. Iterum recensit H. Schenkl, Leipzig 1916. Epictetus, Enchiridion: Epicteti Dissertationes ab Arriano digestae […] Enchiridion ex recensione Schweighaeuseri, index nominum. Iterum recensit H. Schenkl, Leipzig 1916. Epicurus, De natura: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  189–322. Epicurus, Epistula ad Herodotum: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  33–73. Epicurus, Epistula ad Menoeceum: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  105–117. Epicurus, Epistula ad Pythoclem: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  75–103. Epicurus, Fragmenta: Epicurea. Edidit H. Usener, Leipzig 1887. Epicurus, Gnomologium Vaticanum: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  139–157. Epicurus, Ratae Sententiae: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  119–137. Epicurus, Sententiae Vaticanae: Epicuro, Opere. A cura di G. Arrighetti (Bibliotheca di cultura filosofica 41), Turin 1973, S.  139–157. Epicurus, Testamentum: Epicurea. Edidit H. Usener, Leipzig 1887, S.  165–168. Epicurus (?), Fragmentum e P. Oxy. 2, 215 desumptum, in: Philodemus, ›On Piety‹ 1. Critical Text with Commentary. Edited by D. Obbink, Oxford 1996, 391. Epicurus (?), Tractatus Ethicus Epicureus: Trattato Etico Epicureo (PHerc. 346). Edizione, Traduzione e Commento a cura di M. Capasso, Neapel 1982. Epiphanius, Adversus Haereses: Epiphanius. Herausgegeben von K. Holl. Teil 1–2, 2, erweiterte Ausgabe von M. Bergemann et al. (GCS Epiphanius 1–2 = GCS NF 10, 1–2), Berlin 2010–2013; Teil 3 (GCS Epiphanius 3), 2., bearbeitete Auflage von J. Dummer, Berlin 1985. Epiphanius, De fide: Epiphanius. Herausgegeben von K. Holl. Band 3: Panarion haer. 65–80: De Fide (GCS Epiphanius 3), 2., bearbeitete Auflage von J. Dummer, Berlin 1985, S.  496–526. Esnicus Colbensis, De deo: Eznik de Kolb, ›De deo‹. Édition critique du texte arménien par L. Mariès / Ch. Mercier (PO 28, 3 f.), Paris 1959. Eucherius, De contemptu mundi: Eucherio di Lione, Il rifiuto del mundo. A cura di S.  Pricoco, Florenz 1990. Eucherius, De laude eremi: Eucherio, Elogio dell’Eremo. Introduzione, testo, traduzione e commento a cura di S.  Pricoco, Bologna 2014. Eucherius, Formulae spiritalis vitae: Eucher de Lyon, Œuvres exégétiques. Clés pour l’intelligence spirituelle. Instructions. Texte latin de C. Mandolfo. Introduction, traduction et notes M. Dulaey (SC 618), Paris 2021. Eudemus, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar. Herausgegeben von F. Wehrli. Heft 8. Eudemos von Rhodos, Basel 21969. Eunapius, Vitae sophistarum: Eunapii vitae sophistarum. I. Giangrande recensuit, Roma 1956. Eunomius, Apologia: Eunomius, The Extant Works. Text and Translation by R. P. Vaggione, Oxford 1987, S.  34–78. Eunomius, Apologia [secunda], apud Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium: Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium libri. Edidit W. Jaeger (GNO 1), Leiden 1960. Euripides, Fragmenta: Tragicorum Graecorum fragmenta (TrGF). Volumen 5: Euripides. Edidit R. Kannicht, Göttingen 2004. Eusebius, Demonstratio evangelica: Eusebius, Die ›Demonstratio evangelica‹. Herausgegeben […] von I. A. Heikel (GCS Eusebius 6), Leipzig 1913. Eusebius, Laus Constantini: Eusebius, ›Über das Leben Constantins‹. ›Constantins Rede an die Heilige Versammlung‹ [u. a.]. Herausgegeben von I. A. Heikel (GCS Eusebius 1), Leipzig 1902, S.  193–260. Eusebius, Historia ecclesiastica: Eusebius, Die Kirchengeschichte. Herausgegeben von E. Schwartz und Th. Mommsen (GCS Eusebius 2, 1–2, 3), Berlin 1999.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Eusebius, Praeparatio evangelica: Eusebius, Die ›Praeparatio evangelica‹. Herausgegeben von K. Mras. 2., bearbeitete Auflage von É. des Places. Teil 1: Einleitung, die Bücher I bis X; Teil 2: Die Bücher XI bis XV, Register (GCS Eus. 8, 1–8, 2), Berlin 1982–1983. Eusebius, Theophania (dt., fragmenta Graeca): Eusebius, Werke 3, 2: Die ›Theophanie‹. Die griechischen Bruchstücke und Übersetzung der syrischen Überlieferung. Herausgegeben von H. Gressmann (GCS Eusebius 3, 2), Berlin 1992. Eusebius, Theophania (textus Syriacus): Eusebius, Bishop of Caesarea, ›On The Theophania Or Divine Manifestation Of Our Lord And Saviour Jesus Christ‹. A Syriac Version. Edited […] by S.  Lee, London 1842 [Paginierung nach einem PDF von archive.org ergänzt]. Eusebius, Vita Constantini: Eusebius, ›Über das Leben Constantins‹. ›Constantins Rede an die Heilige Versammlung‹ [u. a.]. Herausgegeben von I. A. Heikel (GCS Eusebius 1), Leipzig 1902, S.  1–148. Eutropius, De Breviarium ab urbe condita: The Breviarium ab urbe condita of Eutropius. Translated with an introduction and commentary by H. W. Bird (Translated Texts for Historicans 14), Liverpool 1993. Evagrius Ponticus, Ad Eulogium: ›S. Nili‹ [potius Evagrii Pontici], Tractatus ad Eulogium monachum, in: Patrologia Graeca 79, Paris 1865, Sp. 1093–1138. Evagrius Ponticus, Capitula Gnostica: Les six Centuries des ›Kephalaia gnostica‹ d’Evagre le Pontique. Édition critique de la version syriaque commune et édition d’une nouvelle version syriaque, intégrale, avec une double traduction française par A. Guillaumont (PO 28, 1), Paris 1958. Evagrius Ponticus, Capitula Practica: Evagrii Scitensis Monachi Capita practica ad Anatolium, in: Patrologia Graeca 40, Paris 1863, Sp. 1219–1250. Evagrius Ponticus, De oratione: De oratione, in: Patrologia Graeca 79, Paris 1865, Sp. 1165–1200. Evagrius Ponticus, Epistula de fide [griech.]: [ediert als] Saint Basile, Lettres, Tome I. Texte établi et traduit par Y. Courtonne, Paris 1957, S.  22–37. Evagrius Ponticus, Epistula de fide [syr.]: Euagrios Ponticus, von W. Frankenberg (Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, NF 13, 2), Berlin 1912, S.  621–635. Evagrius Ponticus, Gnosticus [griech. /  frz.]: Évagre le Pontique, Le ›Gnostique ou à celui qui est devenu digne de la science‹. Édition critique des fragments grecs. Traduction integrale établie au moyen des versions syriaque et arménienne. Commentaire et tables par A. Guillaumont et C. Guillaumont (SC 356), Paris 1989. Evagrius Ponticus, Gnosticus [syr.]: Euagrios Ponticus. von W. Frankenberg (Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, NF 13, 2), Berlin 1912, S.  548–552 [der beigegebene griechische Text ist eine Rückübersetzung des Herausgebers]. Evagrius Ponticus, Practicus: Evagre le Pontique, ›Traité pratique ou le moine‹. Par Antoine Guillaumont et Claire Guillaumont (SC 171), Paris 1971. Evagrius Ponticus, In Proverbia: Évagre Le Pontique, ›Scholies aux Proverbes‹. Introduction, texte critique, traduction, notes, appendices et index par P : Géhin (SC 340), Paris 1987. Evangelium secundum Ioannem (Johannesevangelium): Siehe Novum testamentum. Evangelium secundum Matthaeum (Matthäusevangelium): Siehe Novum testamentum. Exodus (2 Mose): Siehe Vetus testamentum. Favonius, Disputatio in Somnium Scipionis: Favonii Eulogii Disputatio de somnio scipionis. Edidit A. Holder, Leipzig 1901. Flavius Iosephus, Antiquitates Iudaicae: Josephus, Jewish Antiquities. With an English Translation by H. St. J. Thackeray / L. H. Feldman et al. Bd.  1–13, Cambridge (Mass.) / London 1993–2004. Flavius Iosephus, Bellum Iudaicum: Flavius Josephus, ›Der jüdische Krieg‹. ›Bellum Iudaicum‹. Herausgegeben und mit einer Einleitung sowie mit Anmerkungen versehen von O. Michel / O. Bauernfeind. Band 1–3, Darmstadt 1959–1969. Flavius Iosephus, Contra Apionem: Flavius Josèphe, ›Contre Apion‹. Texte établi et annoté par Th. Reinach, traduit par L. Blum, Paris 1930. Galenus, De causis constituentibus: Galeni De causis continentibus libellus a Nicolao Regino in sermonem Latinum translatus. Primum edidit C. Kalbfleisch, Marburg 1904.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Galenus, De facultatibus naturalibus: Galenι De facultatibus naturalibus, edidit G. Helmreich, in: Claudii Galeni Pergameni scripta minora. Recensuerunt I. Marquardt / I. Müller / G. Helmreich. Volumen 3, Leipzig 1893, S. 101–257. Galenus, De Hippocratis anatomia (Auszüge): Walzer, R., Galen on Jews and Christians. by R. Walzer, London 1949. Galenus, De libris suis: Galien, Tome I: Introduction générale. ›Sur l’ordre des ses propres livres‹. ›Sur ses propres livres‹. ›Que l’excellent médecin est aussi philosophe‹. Texte établi, traduit et annoté par V. Boudon-Millot, Paris 2007, S.  129–234. Galenus, De methodo medendi: Claudii Galeni Opera Omnia. Editionem curavit C. G. Kühn. Volumen 10, Leipzig 1825, S.  1–1021. Galenus, De optima doctrina: Galeni De optimo docendi genere. Exhortatio ad medicinam (Protrepticus). Edidit et in linguam Italicam vertit A. Barigazzi (CMG 5, 1, 1), Berlin 1991, S.  89–109. Galenus, De ordine librorum suorum: Galien, Tome I: Introduction générale. ›Sur l’ordre des ses propres livres‹. ›Sur ses propres livres‹. ›Que l’excellent médecin est aussi philosophe‹. Texte établi, traduit et annoté par V. Boudon-Millot, Paris 2007, S.  1–102. Galenus, De Placitis Hippocratis et Platonis: Galen, ›On the doctrines of Hippocrates and Plato‹. ›De placitis Hippocratis et Platonis‹. Edition, Translation and Commentary by Ph. De Lacy, Part 1–2 (CMG 5, 4, 1, 2), Berlin 1978. Galenus, De plenitudine: Claudii Galeni Opera omnia. Editionem curavit C. G. Kühn. Volumen 7, Leipzig 1824, S.  513–583. Galenus, De pulsuum differentiis: Claudii Galeni Opera omnia. Editionem curavit C. G. Kühn. Volumen 8, Leipzig 1824, S.  493–765. Galenus, De qualitatibus incorporeis: Claudii Galeni Opera omnia. Editionem curavit C. G. Kühn. Volumen 19, Leipzig 1830, S.  463–484. Galenus, De sectis: Galeni De sectis, edidit C. Helmreich, in: Claudii Galeni Pergameni scripta minora. Recensuerunt I. Marquardt / I. Müller / G. Helmreich. Volumen 3, Leipzig 1893, S.  1–32. Galenus, De usu partium: Galeni de usu partium libri XVII. Ad codicum fidem recensuit G. Helmreich. Volumen 1–2, Leipzig 1907–1909. Galenus, In Hippocratis Epidemiarum libros: Claudii Galeni Opera omnia. Editionem curavit C. G. Kühn. Volumen 17, Leipzig 1828, 1, S.  1–1009; 2, S.  1–344. Galenus, In Hippocratis De natura hominis: Galeni In Hippocratis De natura hominis commentaria tria. Edidit I. Mewaldt, in: Galeni In Hippocratis de natura hominis. In Hippocratis de victu acutorum. De diaeta Hippocratis in morbis acutis. Ediderunt I. Mewaldt / G. Helmreich / I. Westenberger (CMG 5, 9, 1), Leipzig 1914, S.  1–113. Galenus, Protrepticus: Galeni De optimo docendi genere. Exhortatio ad medicinam (Protrepticus). Edidit et in linguam Italicam vertit A. Barigazzi (CMG 5, 1, 1), Berlin 1991, S.  111–151. Galenus, Quod animi potentiae sequantur corporis mixtionibus: Galeni Quod animi potentiae sequantur corporis mixtionibus, edidit I. Müller, in: Claudii Galeni Pergameni scripta minora. Recensuerunt I. Marquardt / I. Müller / G. Helmreich. Volumen 2, Leipzig 1891, S. 32–79. Galenus, Quod optimus medicus sit quoque philosophus: Galien, Tome I: Introduction générale. ›Sur l’ordre des ses propres livres‹. ›Sur ses propres livres‹. ›Que l’excellent médecin est aussi philosophe‹. Texte établi, traduit et annoté par V. Boudon-Millot, Paris 2007, S.  235–314. Galenus, Subfiguratio empirica: M. Bonnet, De Claudii Galeni subfiguratione empirica, Bonn 1872. Galenus, Summarium respublicae, zitiert nach: Walzer, R., Galen on Jews and Christians, London 1949. Galenus (Pseudo), De optima secta: Claudii Galeni Opera omnia. Editionem curavit C. G. Kühn. Volumen 1, Leipzig 1821, S.  106–223. Galenus (Pseudo), Introductio sive Medicus: Galien. Tome 3: ›Le médecin‹. Introduction, texte établi et traduit par C. Petit, Paris 2009. Gelasius (Pseudo), Historia ecclesiastica: Anonyme ›Kirchengeschichte‹ (Gelasius Cyzicenus, CPG 6034). Herausgegeben von G. Ch. Hansen (GCS NF 9), Berlin 2002. Geminus, Introductio: Géminos, Introduction aux phénomènes. Texte établi et traduit par G. Aujac, Paris 1975. Genesis (1 Mose): Siehe Vetus testamentum.

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›Hermes Trismegistus‹, Clavis Hermae: Corpus Hermeticum. Texte établi par A. D. Nock et traduit par A.-J. Festugière. Tome 1: Traités I–XII, Paris 1945, S.  107–136.

›Hermes Trismegistus‹, Definitiones Asclepii: Corpus Hermeticum. Texte établi par A. D. Nock et traduit par A.-J. Festugière. Tome 2: Traités XIII–XVIII, Paris 1945, S.  231–255.

›Hermes Trismegistus‹, Fragmenta: Corpus Hermeticum. Texte établi par A. D. Nock et traduit par A.-J. Festugière. Tome 3: Fragments, extraits de Stobée I–XXII, Paris 1954.

›Hermes Trismegistus‹, Poimandres: Corpus Hermeticum. Texte établi par A. D. Nock et traduit par A.-J. Festugière. Tome 1: Traités I–XII, Paris 1945, S.  1–31. Hermias, In Phaedrum: Hermias Alexandrinus, In Platonis Phaedrum scholia. Ediderunt C. M. Lucarini et C. Moreschini, Berlin 2012. Herodianus (Pseudo), De soloecismo et barbarismo: Lexicon Vindobonense. Recensuit et adnotatione critica instruxit A. Nauck. Accedit appendix duas Photii Homilias et alia opuscula complectens, Sankt Petersburg 1867, 294–312. Herodorus, Fragmenta (FGrHist 31): Fragmente der griechischen Historiker (F Gr Hist). Von F. Jacoby. Erster Teil. A. Genealogie und Mythographie, Leiden 21957, S.  215–228. Herodotus, Historiae: Herodoti Historiae. Edidit H. B. Rosé. Volumen 1–2, Leipzig 1987–1997. Hesiodus, Opera et dies: Hesiod, Works & Days. Edited with Prolegomena and Commentary by M. L. West, Oxford 1978. Hesiodus, Theogonia: Hesiodi Theogonia. Edidit F. Solmsen, Oxford 1990. Hierocles, In carmen aureum: Hierocles, In aureum Pythagoreorum carmen commentarius, edidit F. G. Koehler, Stuttgart 1974. Hieronymus, Adversus Iovinianum: S. Eusebii Hieronymi. Stridonensis Presbytri, Adversus Jovinianum. Libri duo, in Patrologia Latina 23, Paris 1883, Sp. 211–338. Hieronymus, Chronica: Die ›Chronik‹ des Hieronymus. Hieronymi ›Chronicon‹. Herausgegeben und in 2. Auflage bearbeitet von R. Helm. 3., unveränderte Auflage mit einer Vorbemerkung von U. Treu (GCS Eusebius 7), Berlin 1984. Hieronymus, Epistula adversus Rufinum: S.  Hieronymi Presbyteri Opera 3. Opera polemica 1. Contra Rufinum. Edidit P. Lardet (CCL 79), Turnhout 1982., S.  73–116. Hieronymus, Epistulae: Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae, Pars 1–3, 2. Edidit I. Hilberg. Editio altera supplementis aucta (CSEL 54–56, 2), Wien 1996. Hieronymus, Fragmenta: Lyco of Troas and Hieronymus of Rhodes. Text, Translation, and Discussion. Edited by W. W. Fortenbaugh / St. A. White (Rutgers University Studies in Classical Humanities 12), New Brunswick 2004. Hieronymus, In Amos: S.  Hieronymi Presbyteri Commentarii in prophetas minores. Post D. Vallarsi textum edidit curavit M. Adriaen (CCL 76–76A), Turnhout 1969–1970. Hieronymus, In Ezechielem: S.  Hieronymi Presbyteri Commentariorum in Hiezechielem libri XIV. Cura et studio F. Glorie (CCL 75), Turnhout 1964. Hieronymus, In Galatas: S.  Hieronymi Presbyteri Commentarii in Epistulam Pauli ad Galatas. Cura et studio G. Raspanti (CCL 77A), Turnhout 2010. Hieronymus, In Sophoniam: S.  Hieronymi Presbyteri Commentarii in prophetas minores. Post Dominicum Vallarsi textum edendum curavit M. Adriaen (CCL 76–76A), Turnhout 1969–1970, S.  655–711. Hilarius, De trinitate: Sancti Hilarii Pictaviensis Episcopi De trinitate. Cura et studio P. Smulders. Tomus 1–2 (CCL 62–62A), Turnhout 1979–1980. Hilarius, In Psalmos: Sancti Hilarii Pictaviensis Episcopi Tractatus super psalmos. Cura et studio J. Doignon. Tomus 1–3 (CCL 61–61B), Turnhout 1997–2009. Hipparchia, Testamonia: SSR 2, S.  577–579. Hippocrates (Pseudo), De natura hominis: Hippocrate, ›La natura de l’homme‹. Edité, traduit et commenté par J. Jouanna. Deuxième edition anastatique augmentée et corrigée (CMG 1, 1, 3), Berlin 2002. Hippocrates (Pseudo), De vetere medicina: Hippocrates, Opera. Edidit J. L. Heiberg u. a. (CMG 1, 1), Leipzig / Berlin 1927, S.  36–55.

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Verzeichnis der zitierten Quellen stan­tinopolitani Liber in Sanctum Babylam contra Iulianum, in: Patrologia Graeca 50, Paris 1862, Sp. 533–578. Ioannes Chrysostomus, De virginitate: S.  patris nostri Ioannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani De Virginitate liber unus, in: Patrologia Graeca 48, Paris 1862, Sp. 533–600. Ioannes Chrysostomus, In Acta apostolorum: S.  patris nostri Ioannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani commentarius in Acta apostolorum, in: Patrologia Graeca 60, Paris 1862, Sp. 13–582. Ioannes Chrysostomus, In Matthaeum: S.  Ioannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani Homiliae XC in Matthaeum, in: Patrologia Graeca 57, Paris 1862, Sp. 13–472. Ioannes Chrysostomus, In 2 ad Thessalonicenses: S.  patris nostri Ioannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani Homiliae XI in Epistolam secundam ad Thessalonicenses, in: Patrologia Graeca 62, Paris, Sp. 599–662. Ioannes Chrysostomus, Quod nemo laeditur: S.  Ioannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani Liber quod qui seipsum non laedit, nemo laedere possit, in: Patrologia Graeca 52, Paris 1862, Sp. 459–480. Ioannes Grammaticus (›Eulogius‹), Fragmenta, in: S.  P. N. Eulogii Archiepiscopi Alexandrini [potius Ioannis Grammatici] Sermo in Ramos Palmarum et in pullum asini, in: Patrologia Graeca 86b, Paris 1865, Sp. 2913–3214. Ioannes Lydus, De magistratibus: Joannis Lydi De magistratibus populi Romani libri tres. Edidit R. Wuensch, Leipzig 1903. Ioannes Malalas, Chronicon: Ioannus Malalae Chronographia. Recensuit I. Thurn (Corpus Fontium Historiae Byzantinae 35), Berlin 2000. Ioannes Duns Scotus, Reportatio Parisiensis examinata (Auszüge): Johannes Duns Scotus, Pariser Vorlesungen über Wissen und Kontingenz. Reportatio Parisiensis examinata I 38–44. Lateinisch – Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von J. R. Söder (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 4), Freiburg 2005. Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium: Corpus Dionysiacum 4, 1. Ioannis Scythopolitani prologus et scholia in Dionysii Areopagitae librum ›De divinis nominibus‹ cum additamentis interpretum aliorum. Edidit B. R. Suchla (Patristische Texte und Studien 62), Berlin 2011. Ioannes Stobaeus, Anthologium: Ioannis Stobaei Anthologium. Recensuerunt C. Wachsmuth / O. Hense. Volumen 1–5, Berlin 1884–1912. Irenaeus, Adversus Haereses: Irénée de Lyon, ›Contre les hérésies‹. Édition critique par A. Rousseau / L. Doutreleau et al. (SC 264–264; 293–294; 210–211; 100, 1–2; 153–154), Paris 1965–1982. Isocrates, Orationes: Isocrates, Opera omnia. Edidit B. G. Mandilaras. Volumen 1–3, München / Leipzig 2003. Isidorus de Pelusio, Epistolae: S.  P. N. Isidori Pelusiotae Epistolarum libri quinque, in: Patrologia Graeca 78, Paris 1864, Sp. 177–1646. Iulianus Imperator, Opera: L’Empereur Julien, Œuvres complètes. Texte établi et traduit par J. Bidez / F. Cumont / G. Rochefort / Ch. Lacombrade. Tome 1, 1–2, 2, Paris 1932–1964; Iulianus Augustus, Opera. Edidit H.-G. Nesselrath, Berlin / Boston 2015. Iulianus Imperator, Contra Galileos: Giuliano Imperatore, ›Contra Galilaeos‹. Introduction, testo critico e trad. a cura di E. Masaracchia, Roma 1990. Iulianus Aeclanensis, Ad Turbantium: Iuliani Aeclanensis Expositio libri Iob. Tractatus prophetarum Osee, Iohel et Amos. Accedunt operum deperditorum fragmenta. Edidit L. de Coninck (CCL 88), Turnhout 1977, S.  340–396. Iunillus Africanus, Institutiones: Maas, M., Exegesis and Empire in the Early Byzantine Mediterranean. Junillus Africanus and the ›Instituta Regularia divinae iuris‹ (Studien und Texte zu Antike und Christentum 17), Tübingen 2003, S.  116–235. Iustinianus, Digesta: Digesta Iustiniani Augusti. Recognouit adsumpto in operis societatem P. Kruegero Th. Mommsen. Volumen 1–4, Berlin 1868–1870. Iustinus, Apologia maior: Iustini Martyris Apologiae pro Christianis. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 38), Berlin 2011, S.  31–134. Iustinus, Apologia minor / Apologia secunda: Iustini Martyris Apologiae pro Christianis. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 38), Berlin 2011, S.  135–160.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Iustinus, Dialogus cum Tryphone: Iustini Martyris ›Dialogus cum Tryphone‹. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 47), Berlin 1997. Iustinus (Pseudo), Cohortatio ad Graecos: Pseudo-Iustinus, ›Cohortatio ad Graecos‹. ›De monarchia‹. ›Oratio ad Graecos‹. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 32), Berlin / New York 1990. Iustinus (Pseudo), Confutatio dogmatum Aristotelis: S.  Iustini Philosophi et martyris opera quae feruntur omnia. […] Recensuit prolegomenis adnotatione versione instruxit indices adiecit I. C. Th. Otto (Corpus apologetarum christianorum saeculi secundi 4), 3, 1. Opera Iustini serditicaia, Jena 1849, S.  11–223. Iustinus (Pseudo), Quaestiones Christianorum: S.  Iustini Philosophi et martyris opera quae feruntur omnia. […] Recensuit prolegomenis adnotatione versione instruxit indices adiecit I. C. Th. Otto (Corpus apologetarum christianorum saeculi secundi 4), 3, 1. Opera Iustini serditicaia, Jena 1849, S.  246–326. Iustinus (Pseudo), Quaestiones gentilium: S.  Iustini Philosophi et martyris opera quae feruntur omnia. […] Recensuit prolegomenis adnotatione versione instruxit indices adiecit I. C. Th. Otto (Corpus apologetarum christianorum saeculi secundi 4), 3, 2. Opera Iustini Subditicia, Jena 1850, S.  318–359. Iustinus (Pseudo), Quaestiones Graecorum: S.  Iustini Philosophi et martyris opera quae feruntur omnia. […] Recensuit prolegomenis adnotatione versione instruxit indices adiecit I. C. Th. Otto (Corpus apologetarum christianorum saeculi secundi 4), 3, 1. Opera Iustini serditicaia, Jena 1849, S.  326–366. Iustinus (Pseudo), Quaestiones et responsiones ad Orthodoxos: S.  Iustini Philosophi et martyris opera quae feruntur omnia. […] Recensuit prolegomenis adnotatione versione instruxit indices adiecit I. C. Th. Otto (Corpus apologetarum christianorum saeculi secundi 4), 3, 2. Opera Iustini Subditicia, Jena 1850, S.  2–237. Iustiniani Institutiones: Corpus iuris civilis 1. Institutiones. Digesta. Recognovit P. Krueger, Berlin 1872. Kant, I., Logiknachschrift ›Logik Philippi‹ [1772], in: Kant’s gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 24, 1, Berlin 1926, S.  303–496. Lactantius, De opificio Dei: Lactance, ›De opificio dei‹. ›La création de dieu‹. Texte établi, traduit et annoté par B. Barkhouche / S. Luciani, Turnhout 2009. Lactantius, Epitome divinarum institutionum: L. Caeli Firmiani Lactanti Divinae institutiones et Epitome divinarum institutionum. Recognovit Samuel Brandt (CSEL 19), Wien et al. 1890, S.  673–761. Lactantius, Institutiones: L. Caeli Firmiani Lactanti Divinae institutiones et Epitome divinarum institutionum. Recognovit S.  Brandt (CSEL 19), Wien et al. 1890, S.  1–672; L. Caelius Firmianus Lactantius, Institutionum libri septem. Tomus 1–4. Ediderunt E. Heck / A. Wlosok, Berlin / New York 2005–2011. Leontius Byzantinus, Contra Nestorianos et Eutychianos: Leontius of Byzantium, Complete Works. Edited and Translated, with an Introduction, by B. E. Daley, Oxford 2017, S.  125–265. Leucippus, Fragmenta (67 [54]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  70–81. Libanius, Epistula: Libanii opera. Recensuit R. Foerster. Volumen 10: Epistulae 1–839; Volumen 11: Epistulae 840–1544, una cum pseudepigraphis et Basilii cum Libanio commercio epistolico. Fragmenta, Hildesheim 1922–1931. Lucanus, De bello civili: M. Annaei Lucani De bello civili libri X. Edidit D. R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1988. Lucianus, De mercede conductis: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 26–43, Oxford 1989, S.  212–236. Lucianus, Demonax: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 1–25, Oxford 1972, S.  46–57. Lucianus, De morte Peregrini: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 44–68, Oxford 1980, S.  188–205.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Lucianus, Fugitivi: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 44–68, Oxford 1980, S.  206–222. Lucianus, Hermotimus: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 69–86, Oxford 1987, S.  17–84. Lucianus, Philosophia Nigrini: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 1–25, Oxford 1972, S.  31–45. Lucianus (Pseudo), Cynicus: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 69–86, Oxford 1987, S.  134–146. Lucretius, De rerum natura: T. Lucreti Cari De rerum natura libri sex. Recensuit M. Deufert, Berlin  /  Boston 2019. Lysias, Oratio: Lysiae Orationes cum fragmentis. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit C. Carey, Oxford 2007. Macarius Magnes, Apocriticus: Makarios Magnes, ›Apokritikos‹. Kritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung. Herausgegeben von U. Volp (Texte und Untersuchungen 169), Berlin / Boston 2013; Macarios de Magnésie, Le ›Monogénès‹. Édition critique et traduction française par R. Goulet, Tome 1–2 (Textes et traditions 7), Paris 2003. IV Maccabaeorum: Siehe Vetus testamentum (Griechisch). Macrobius, In somnium Scipionis: Ambrosii Theodosii Macrobii Commentarii in somnium Scipionis commentarios. Edidit I. Willis. Editio stereotypa editionis secundae, Leipzig / Stuttgart 1994. Macrobius, Saturnalia: Ambrosii Theodosii Macrobii Saturnalia. Apparatu critico instruxit. In somnium Scipionis commentarios. Selecta varietate lectionis ornavit I. Willis. Editio correctior editionis secundae, Leipzig / Stuttgart 1994. Mamertinus, Gratiarum actio Iuliano: Panégyriques Latins III (XI–XII). Texte établi et traduit par E. Gallétier, Paris 1955, S.  16–44. ›Mara‹, Epistula: Spicilegium syriacum. Containing remains of Bardesan, Meliton, Ambrose and Mara bar Serapion. Now First Edited with an English Translation and Notes by W. Cureton, London 1855, S.  43–48 (syr.) / 70–76 (engl.). Marcellus Ancyranus, Fragmenta: Eusebius, ›Gegen Marcell‹. ›Über die kirchliche Theologie‹. ›Die Fragmente Marcells‹. Herausgegeben von E. Klostermann (GCS Eusebius 4), Berlin 1991, S.  183– 218. Marcus Aurelius, Ad se ipsum: Marci Aurelii Antonini Ad se ipsum libri XII. Edidit J. Dalfen, Leipzig 1987. Marinus, Proclus: Marinus, ›Proclus où sur le bonheur‹. Texte établi, traduit et annoté par H. D. Saffrey / A.-Ph. Segonds, Paris 2002. Martianus Capella, De nuptiis: Martianus Capella. Edidit J. Willis, Leipzig 1983. Maximus Tyrius, Orationes: Maximvs Tyrius, Dissertationes. Edidit M. B. Trapp, Stuttgart et al. 1994. Megarici, Fragmenta: Die Megariker. Kommentierte Sammlung der Testimonien von K. Döring, Amsterdam 1972. Melissus, Fragmenta (DK 30 [20]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 1, S.  258–276. Melito Sardianus, Fragmenta: Meliton de Sardes, ›Sur la pâque‹ et fragments. Introduction, texte critique, traduction et notes par O. Perler (SC 123), Paris 1966. Melito (Pseudo), Oratio: Spicilegium syriacum. Containing remains of Bardesan, Meliton, Ambrose and Mara bar Serapion. Now First Edited with an English Translation and Notes by W. Cureton, London 1855, S.  41–56 (syr.) / 41–51 (engl.). Menander Rhetor: Menander rhetor. Edidit with Translation and Commentary by D. A. Russell, Oxford 1981. Methodici, Fragmenta: The Fragments of the Methodists 1. Methodism outside Soranus, by M. Tecusan (Studies in Ancient Medicine 24, 1), Leiden / Boston 2004. Methodius Olympius, De libero arbitrio: Metodio d’Olimpo, ›Il libero arbitrio‹. A cura di R. Franchi (Letture Cristiane del primo Millennio 53), Mailand 2015; Methodius. Herausgegeben […] von G. N. Bonwetsch (GCS Methodius), Leipzig 1917, S.  143–206. Methodius Olympius, Symposium: Methodius. Herausgegeben […] von G. N. Bonwetsch (GCS Methodius), Leipzig 1917, S.  1–141.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Michael Syrus, Chronicon (syr. / frz.): ›Chronique‹ de Michel le Syrien Patriarche Jacobite d’Antioche (1166–1199). Editée pour la première fois et traduite en français par J.-B. Chabot, Paris 1901. Michael Syrus, Chronicon (syr.): The Edessa-Aleppo Syriac Codex of the ›Chronicle‹ of Michael the Great. Edited by G. Y. Ibrahim. Text Summary by S.  P. Brock. Photographs provided by Hill Museum & Manuscript Library (Texts and translations of the ›Chronicle‹ of Michael the Great 1), Piscataway 2009. Minucius Felix, Octavius: Minucius Felix, Octavius. Texte établi et traduit par J. Beaujeu, Paris 1974. Mischna Abot (hebr. / dt.): Die ›Mischna‹ 9. ʾAḇōṯ (Väter). Text, Übersetzung und Erklärung. Nebst einem textkritischen Anhang. Von K. Marti / G. Beer, Gießen 1927. Mischna Sanhedrin (hebr. / dt.): Die ›Mischna‹ 4/5. Sanhedrin (Hoher Rat). Makkōṯ (Prügelstrafe). Text, Übersetzung und Erklärung. Nebst einem textkritischen Anhang. Von S.  Krauß, Gießen 1933. Moderatus, Fragmenta: M.-L. Lakmann, Platonici minores. 1. Jh. v.  Chr. – 2. Jh. n. Chr. Prosopographie, Fragmente und Testimonien mit deutscher Übersetzung. Unter Mitarbeit von D. J. O’Meara (Philosophia antiqua 145), Leiden / Boston 2017, S.  618–629. Moses Chorenaci, Historia Armenorum: Moses Khorenats’i, ›History of the Armenians‹. Translation and Commentary on the Literary Sources by R. W. Thomson, Cambridge 1978 (engl., armenischer Text mir nicht zugänglich). Musonius Rufus, Dissertatio: C. Musonii Rufi Reliquiae. Edidit O. Hense, Leipzig 1905. Neanthes, Fragmenta (FGrHist 84): Fragmente der griechischen Historiker (F Gr Hist). Von F. Jacoby. Zweiter Teil. A. Zeitgeschichte und Hellenika, Berlin 1926, S.  191–202. Nemesius, De natura hominis: Nemesii Emeseni De natura hominis. Edidit M. Morani, Leipzig 1987. Nicolaus Damascenus, De philosophia: Nicolaus Damascenus ›On the Philosophy of Aristotle‹. Fragments of the First Five Books Translated from the Syriac with an Introduction and Commentary by H. J. Drossaart Lulofs (Philosophia antiqua 13), Leiden 1969. Nicolaus Damascenus, Fragmenta (FGrHist 90): Fragmente der griechischen Historiker (F Gr Hist). Von F. Jacoby. Zweiter Teil. A. Zeitgeschichte und Hellenika, Berlin 1926, S.  324–430. Nicomachus, Introductio arithmetica: Nicomachi Geraseni Pythagorei Introductionis arithmeticae libri II. Recensuit R. Hoche, Leipzig 1866. Nilus Abbas, De oratione: S.  Nili De oratione tractatus, in: Patrologia Graeca 79, Paris 1865, Sp.  1166–1198. Nilus Ancyranus, Epistulae: S.  Nili Epistulae, in: Patrologia Graeca 79, Paris 1865, Sp. 81–695. Nilus Ancyranus, In Canticum: Nilus von Ancyra, Kommentar zum Hohelied. Bearbeitet von H.-U. Rosenbaum (Patristische Texte und Studien 57), Berlin 2004. ›Nilus Ancyranus‹, Narratio: Nilus Ancyranus, Narratio. Ed. F. Conca, Leipzig 1983; Die Erzählung des Pseudo-Neilos. Ein spätantiker Märtyrerroman. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar von M. Link (Beiträge zur Altertumskunde 220), Leipzig / München 2005. Novum testamentum: Novum testamentum Graece. Begründet von E. und E. Nestle. Heraugegeben von B. und K. Aland / J. Karavidopoulos / C. M. Martini / B. M. Metzger, 28. revidierte Auflage, Stuttgart 2012 (griech.) / Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem. Adiuvantibus B. Fischer / I. Gribomont / H. F. D. Sparks / W. Thiele recensuit et brevi apparatu critico instruxit R. Weber. Editionem quintam emendatam retractatam praeparavit R. Gryson, Stuttgart 2007, S.  1513–1906. Numenius, Fragmenta: Numénius, Fragments. Texte établi et traduit par É. des Places, Paris 1973. Olympiodorus, In Alcibiadem: Olympiodorus, Commentary on the ›First Alcibiades‹ of Plato. Critical Text and Indices by L. G. Westerink, Amsterdam 1956. Olympiodorus, In Categorias: Olympiodori Prolegomena et in Categorias commentarium. Edidit A. Busse (CAG 12, 1), Berlin 1902, S.  26–148. Olympiodorus, In Gorgiam: Olympiodori in Platonis Gorgiam commentaria. Edidit L. G. Westerink, Leipzig 1970. Olympiodorus, In Meteorologica: Olympiodori in Aristotelis Meteora commentaria. Edidit G. Stüve (CAG 12, 2), Berlin 1900. Olympiodorus, Prolegomena: Olympiodori Prolegomena et in Categorias commentarium. Edidit A. Busse (CAG 12, 1), Berlin 1902, S.  1–25.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Origenes, Contra Celsum: Origenes, Werke. Band 1: ›Die Schrift vom Martyrium‹. Buch 1–4 ›Gegen Celsus‹, S.  49–374; Band 2: Buch 5–8 ›Gegen Celsus‹. ›Die Schrift vom Gebet‹. Herausgegeben von P. Koetschau, 1–293 (GCS Origenes 1–2), Leipzig 1899. Origenes, De principiis: Origenes, De Principiis. Herausgegeben von P. Koetschau (GCS Origenes 5), Leipzig 1913; Origenes, Vier Bücher ›Von den Prinzipien‹. Origenes. Herausgegeben, übersetzt, mit kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen von H. Görgemanns / H. Karpp (Texte zur Forschung 24), Darmstadt 1992 [hier Seitenzahlen von Koetschau am Rand angegeben, andere Behandlung der griechischen Fragmente]. Origenes, Epistula ad Gregorium: Grégoire le Thaumaturge, ›Remerciement à Origène‹ suivi de la lettre d’Origène à Grégoire. Texte grec, introduction, traduction et notes par H. Crouzel (SC 148), Paris 1969, S.  186–195. Origenes, Homiliae in Psalmum: Origenes, Die neuen Psalmenhomilien. Eine kritische Edition des Codex Monacensis Graecus 314. Herausgegeben von L. Perrone (GCS Origenes 13), Berlin 2015. Origenes, In Canticum: Origenes, Homilien zu Samuel I, zum Hohelied und zu den Propheten. Kommentar zum Hohelied in Rufins und Hieronymusʾ Übersetzungen. Herausgegeben von W. A. Baehrens (GCS Origenes 8), Leipzig 1925, S.  61–241; Origène, ›Commentaire sur le Cantique des Cantiques‹ 1. Texte de la version latine de Rufin. Introduction, traduction et notes par L. Bré­ sard / H. Crouzel avec la collaboration de M. Borret (SC 375), Paris 1991. Origenes, In Ioannem: Origenes, Der Johanneskommentar. Herausgegeben von E. Preuschen (GCS Origenes 4), Leipzig 1903. Origenes, In Matthaeum: Origenes, Matthäuserklärung 1. Die griechisch erhaltenen Tomoi. Herausgegeben unter Mitwirkung von E. Benz von E. Klostermann (GCS Origenes 10), Leipzig 1937. Origenes, In Romanos: C. P. Hammond Bammel, Der ›Römerbriefkommentar‹ des Origenes. Kritische Ausgabe der Übersetzung Rufins. Band 1–3 (Vetus Latina 16; 33 f.), Freiburg 1990–1998; Origenes, ›Commentarii in epistulam ad Romanos‹. ›Römerbriefkommentar‹. Übersetzt und eingeleitet von Th. Heither. Partes 1–6 [Fontes Christiani 2], Freiburg 1990–1999. Orphici, Fragmenta: Orphicorum fragmenta. Collegit O. Kern, Berlin 1922. Pamphilus, Solutio: Pamphili theologi opus. Edidit J. H. Declerck (CCG 19), Turnhout 1989. Panaetius, Fragmenta: Panaetii Rhodii Fragmenta collegit tertioque edidit M. van Straaten. Editio amplificata, Leiden 1962; Panezio di Rodi, Edizione, traduzione e commento, a cura di F. Alesse, Napoli 1997. Papyrus Derveni: Poetae Epici Graeci. Testimonia et fragmenta, ed. A. Bernabé Pajares, 2, 3, Berlin / New York 2007, 169–269. Parmenides, Fragmenta (DK 28 [18]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, S.  217–246. Paulus (Apostolus), Epistula ad Romanos (Römerbrief): Siehe Novum Testamentum. Paulus (Apostolus), Epistula 1 ad Corinthios (Erster Korintherbrief): Siehe Novum Testamentum. Paulus (Apostolus), Epistula 2 ad Corinthios (Zweiter Korintherbrief): Siehe Novum Testamentum. ›Paulus (Apostolus)‹, Epistula ad Colossaeos (Kolosserbrief): Siehe Novum testamentum. Paulus Persa, De logica Aristotelis: Anecdota Syriaca. Collegit edidit explicuit J. P. N. Land. Tomus quartus. Otia Syriaca. Insunt Tabulae VIII., Leiden 1875, S.  1–30. Paulus Persa, In De interpretatione: H. Hugonnard-Roche, Sur la lecture tardo-antique du ›Peri Hermeneias‹ d’Aristote. Paul le Perse et la tradition d’Ammonius. Édition du texte syriaque, traduction française et commentaire de l’ ›Élucidation du Peri Hermeneias‹ de Paul le Perse, in: Studia Graeco-Arabica 3 (2013), S.  37–104. Petrus Abaelardus, Historia calamitatum: Abélard, ›Historia calamitatum‹. Texte critique avec une introduction publié par J. Monfrin, Paris 1978. Philo Alexandrinus, Opera Graeca: Philonis Alexandrini Opera quae supersunt. Volumen 1–6. Ediderunt L. Cohn / P. Wendland / S. Reiter, Berlin 1896–1915 [für die Verteilung der Werke auf die einzelnen Bände vgl. die Praktischen Hinweise zu Teil D]. Philo Alexandrinus, De providentia: Philonis Judaei Sermones Tres Hactenus Inediti. I. Et II. De Providentia Et III. De Animalibus. Ex Armena Versione […] Nunc Primum In Latium [sic] Fideliter Translati Per I. B. Aucher Ancyranum, Venedig 1822, S.  3–121.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Philo Alexandrinus, Quaestiones in Genesim: Philonis Judaei Paralipomena Armena: Libri Videlicet Quatuor In Genesin. Libri Duo In Exodum. Sermo Unus De Sampsone. Alter De Jona. Tertius De Tribus Angelis Abraamo Apparentibus. Opera Hactenus Inedita Ex Armena Versione […] nunc Primum In Latium [sic] fideliter translata per I. B. Aucher, Venedig 1826, S.  1–442. Philochorus, Fragmenta (FGrHist 328): Fragmente der griechischen Historiker (F Gr Hist). Von F. Jacoby. Dritter Teil. Geschichte von Staedten und Voelkern (Horographie und Ethnographie). B Autoren ueber einzelne Staedte (Laender). Nr. 297–607, Leiden 1950, S.  97–160. Philodemus, Ad contubernales: Filodemo, Agli amici di scuola. PHerc. 1005. Edizione, traduzione e commento a cura di A. Angeli (La scuola di Epicuro 7), Neapel 1988. Philodemus, De dis: Philodemus ›Über die Götter‹. Erstes Buch. Griechischer Text und Erläuterungen von H. Diels, Berlin 1916. Philodemus, De electionibus et fugis: Philodemus, ›On choices and avoidances‹. Edited with Translation and Commentary by G. Indelli / V. Tsouna-McKirahan (La scuola di Epicuro 15), Neapel 1995. Philodemus, De ira: Filodemo, L’ira. Edizione, traduzione e commento a cura di G. Indelli (La scuola di Epicuro 5), Neapel 1988. Philodemus, De libertate dicendi: Philodemi ΠΕΡΙ ΠΑΡΡΗΣΙΑΣ libellus. Edidit A. Olivieri, Leipzig 1914 (vgl. Philodemus, ›On Frank Criticism‹. Introduction, Translation and Notes by D. Konstan et al. [Texts and Translations 43], Atlanta [Georgia] 1998). Philodemus, De musica: Philodemus, ›Über die Musik‹. IV. Buch. Text, Übersetzung und Kommentar von A. J. Neubecker (La scuola di Epicuro 4), Neapel 1986; Philodemus, De musica: Philodemi De musica librorum quae extant. Edidit I. Kemke, Leipzig 1884. Philodemus, De oeconomia: hier zitiert nach Filodemo, Testimonianze su Socrate. Edizione, traduzione e commento a cura di E. Acosta-Méndez / A. Angeli, Neapel 1992, frg.  31. Philodemus, De pietate: Philodemus, ›On piety‹ 1. Edited by D. Obbink, Oxford 1996; Philodem, Über Frömmigkeit. Bearbeitet und erläutert von Th. Gomperz, Leipzig 1866. Philodemus, De Stoicis (Auszüge): T. Dorandi, Filodemo. Gli Stoici (PHerc. 155 E 339), in: Cronache ercolanesi 12 (1982), S.  91–133; R. Gianattasio Andria, Diogene Cinico nei papiri ercolanesi, in: Cronache ercolanesi 10 (1980), S.  129–151. Philodemus, De vitiis: Philodemi ΠΕΡΙ ΚΑΚΙΩΝ liber decimus. Edidit Ch. Jensen. Accedit tabula phototypica, Leipzig 1911. Philodemus, Historia Academiae: Filodemo, ›Storia dei filosofi‹. Platone e l’academia (PHerc. 1021 e 164). Edizione, traduzione e commento a cura di T. Dorandi (La scuola di Epicuro 12), Neapel 1991. Philodemus, Historia Stoicorum: Filodemo, ›Storia Dei Filosofi‹. La Stoà Da Zenone a Panezio (PHerc. 1018). Edizione, Traduzione e Commento a cura di T. Dorandi (Philosophia antiqua 60), Leiden 1994, S.  47–131. Philodemus, Memoriae Epicureae: Filodemo, Memorie Epicuree (PHerc. 1418 e 310). Edizione, traduzione e commento a cura di C. Militello (La scuola di Epicuro 7), Neapel 1997. Philodemus, Rhetorica: Philodemi Volumina rhetorica. Edidit S.  Sudhaus, Leipzig 1895; Philodemi Volumina Rhetorica. Edidit S.  Sudhaus. Supplementum, Leipzig 1895. Philodemus, Rhetorica (Auszüge): D. Obbink / P. A. Vander Waerdt, Diogenes of Babylon, The Stoic Sage in the City of the Fools, in: Greek Roman Byzantine Studies 32 (1991), 355–396; F. Longo Auricchio, I filosofi megarici nella ›Retorica‹ di Filodemo, in: Cronache Ercolanesi 5 (1975), 77–80. Philoponus, Arbiter (syr.): Opuscula Monophysitica Ioannis Philoponi, quae ex manuscriptis Vaticano et Britannico Syriace edidit et Latine interpretatus est A. Šanda, Beirut 1930, S.  3–48 (syr.) / 35–88 (lat.). Philoponus, Arbiter (engl. / fragmenta Graeca): Lang, U. M., John Philoponus and the Controversies over Chalcedon in the Sixth Century. A Study and Translation of the ›Arbiter‹ (Spicilegium sacrum Lovaniense 47), Löwen 2001. Philoponus, De aeternitate mundi: Joannis Philoponi De aeternitate Mundi contra Proclum, edidit H. Rabe, Leipzig 1899.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Philoponus, De aeternitate mundi contra Aristotelem: Fragmenta apud Simplicium servata collegit Anglice Wildberg, Ch., Philoponus, Against Aristotle on the Eternity of the World. Translated by Ch. Wildberg, London 1987. Philoponus, De opificio mundi: Joannis Philoponi De opificio mundi libri VII. Recensuit G. Reichardt, Leipzig 1897. Philoponus, De trinitate (fragmenta): A. van Roey, Les fragments trithéites de Jean Philopon, in: Orientalia Lovaniensia Periodica 11 (1980), 135–163 (syr. / lat.). Philoponus, In Analytica priora: Ioannis Philoponi in Aristotelis Analytica priora commentaria. Edidit M. Wallies (CAG 13, 2), Berlin 1905. Philoponus, In Analytica posteriora: Ioannis Philoponi in Aristotelis Analytica posteriora commentaria cum anonymo in librum II. Edidit M. Wallies (CAG 13, 3), Berlin 1909. Philoponus, In Categorias: Philoponi (olim Ammonii) in Aristotelis categorias commentarium. Edidit A. Busse (CAG 13, 1), Berlin 1898. Philoponus, In De anima: Ioannis Philoponi in Aristotelis De anima libros commentaria edidit M. Hayduck (CAG 15), Berlin 1897, 1–445. Philoponus, In De anima 3: Jean Philopon, ›Commentaire sur le De anima‹ d’Aristote. Traduction de Guillaume de Moerbeke. Édition critique avec une introduction sur la psychologie de Philopon par G. Verbeke (Corpus Latinum commentariorum in Aristotelem Graecorum 3), Löwen / Paris 1966. Philoponus, In De generatione et corruptione: Ioannis Philoponi in Aristotelis libros De generatione et corruptione commentaria. Edidit H. Vitelli (CAG 14, 2), Berlin 1897. Philoponus, In Nicomachum: G. R. Giardina, Giovanni Filopono matematico tra neopitagorismo e neoplatonismo. ›Commentario alla Introduzione aritmetica‹ di Nicomaco di Gerasa. Introduzione, testo, traduzione e note (Symbolon 20), Catania 1999, 104–241. Philoponus, In Meterologica: Ioannis Philoponi in Aristotelis Meteorologicorum librum primum commentarium. Edidit H. Vitelli (CAG 14, 1), Berlin 1897. Philoponus, In Physica: Ioannis Philoponi in Aristotelis Physica commentaria. Edidit H. Vitelli. Volumen 1–2 (CAG 16–17), Berlin 1887–1888. Philostratus, Apollonius: Flavii Philostrati Opera auctiora. Edidit C. L. Kayser. Accedunt Apollonii Epistolae. Eusebius Adversus Hieroclem. Philostrati junioris Imagines. Callistrati Descriptiones, Volumen 1, Leipzig 1870. Philostratus, Vitae sophistarum: Flavii Philostrati Vitae sophistarum. Ad quas accedunt Polemonis Laodicensis Declamationes quae exstant duae. Recognovit brevique adnotatione critica instrvxit R. S.  Stefec, Oxford 2016. Philoxenus Mabbugensis, Contra Habibum (syr. / frz.): Sancti Philoxeni Episcopi Mabbugensis Dissertationes decem de uno e sancta Trinitate incorporato et passo 2. Dissertationes 3a, 4a, 5a. Textum syriacum edidit Latineque verterunt M. Brière et F. Graffin (PO 38, 3), Turnhout 1977; Sancti Philoxeni Episcopi Mabbugensis Dissertationes decem de uno e sancta Trinitate incorporato et passo 4. Dissertationes 9a, 10a. Édition critique du texte syriaque inédit et traduit française par M. Brière et F. Graffin, Turnhout 1980. Philoxenus Mabbugensis, De incarnatione (syr. / lat.): Philoxeni Mabbugensis tractatus tres de Trinitate et Incarnatione, ed. A. Vaschalde (CSCO Syr. 9), 152–271 (syr.); (CSCO Syr. 10), 115–200 (lat.) Rom / Paris / Leipzig 1907. Philoxenus Mabbugensis, Epistula ad Patricium (syr. / frz.): La lettre à Patricius d’Édesse de Philoxène de Mabboug. Édition critique du texte syriaque et traduction française par R. Lavenant (PO 30, 5), Turnhout 1963. Philoxenus Mabbugensis, In Ioannem: Philoxène de Mabbog, ›Commentaire du prologue johannique‹ (Ms. Br. Mus. Add. 14, 534). Édité [et] traduit par A. de Halleux (CSCO Syr. 165 [syr.] / 166 [frz.]), Löwen 1977. Photius, Bibliotheca codicum: Photius, Bibliothèque. Texte et traduit par R. Henry, Tome 1–8, Paris 1959–1977. Pico della Mirandola, Giovanni, De hominis dignitate: Giovanni Pico della Mirandola, ›De hominis dignitate‹. ›Über die Würde des Menschen‹. Übersetzt von N. Baumgartner. Herausgegeben und eingeleitet von A. Buck. Lateinisch – Deutsch (Philosophische Bibliothek 427), Hamburg 1990.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Pindarus, Fragmenta: Pindari carmina cum fragmentis. Edidit B. Snell. Editio altera, Leipzig 1955. Plato, Opera: Platonis opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit I. Burnet. Tomus 1–5, Oxford 1899–1906. Plato (Pseudo), Amatores: Platonis opera. Recognovit breviqve adnotatione critica instruxit I. Burnet. Tomus 2: Tetralogias III–IV continens, Oxford 1900, 1. S.  132–139. Plato (Pseudo), Definitiones et Epinomis: Platonis opera. Recognovit breviqve adnotatione critica instruxit I. Burnet. Tomus 5: Tetralogias IX, Definitiones et spuria continens. Pars 2, Oxford 1906. Plinius, Epistulae: C. Plini Caecili Secundi epistularum libri novem. Recensuit M. Schvster, Stuttgart 1958. Plinius, Naturalis historia: C. Plini Secvndi. Natvralis historiae libri XXXVII. Post Ludovici Iani obitum recognovit et scripturae discrepantia adiecta edidit C. Mayhoff. Volumen II. Libri VII– XV, Leipzig 1875. Plotinus, Enneades: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977 [diese zweite Edition von Henry / Schwyzer stellt die Standardedition dar]. Plutarchus, Agis et Cleomenes: Plutarchus, Vitae parallelae. Volumen 1 Fasc. 1: Quartum recensuit K. Ziegler. Editionem quintam curavit H. Gärtner, Leipzig 1996, S.  352–415. Plutarchus, Camillus: Plutarchus, Vitae parallelae. Volumen 1 Fasc. 1: Quartum recensuit K. Ziegler. Editionem quintam curavit H. Gärtner, Leipzig 1996, S.  197–248. Plutarchus, Moralia: Plutarchi Moralia. Recensuerunt et emendaverunt E. Paton / K. Ziegler et al. Volumen 1–6, 3, Leipzig / Stuttgart 1925–1978 [zu den Moralia gehören folgende in diesem Werk zitierte Abhandlungen, die üblicherweise in der Reihenfolge der Stephanus-Edition angeordnet werden und daher mit deren Seitenzahlen zitiert werden könnten]. Plutarchus, Adversus Colotem = Plutarchus, Moralia 76 (1107d–1127e). Plutarchus, Consolatio ad Apollonium = Plutarchus, Moralia 10 (101f–122a). Plutarchus, De Alexandri Magni fortuna aut virtute = Plutarchus, Moralia 24 (326d–345b). Plutarchus, De animae procreatione in Timaeo = Plutarchus, Moralia 70 (1012a–1030c). Plutarchus, De audiendis poetis = Plutarchus, Moralia 2 (14d–37b). Plutarchus, De cohibenda ira = Plutarchus, Moralia 32 (452f–464d). Plutarchus, De communibus notionibus adversus Stoicos = Plutarchus, Moralia 74 (1058e–1086b). Plutarchus, De defectu oraculorum = Plutarchus, Moralia 29 (409e–438d). Plutarchus, De E apud Delphos = Plutarchus, Moralia 27 (384c–394c). Plutarchus, De exilio = Plutarchus, Moralia 47 (599A–607F). Plutarchus, De fato = Plutarchus, Moralia 45 (568b–574f). Plutarchus, De Iside et Osiride = Plutarchus, Moralia 26 (351c–384c). Plutarchus, De liberis educandis = Plutarchus, Moralia 1 (1a–14c). Plutarchus, De primo frigido = Plutarchus, Moralia 64 (945e–955c). Plutarchus, De Stoicorum repugnantiis = Plutarchus, Moralia 72 (1033a–1057c). Plutarchus, De superstitione = Plutarchus, Moralia 14 (164e–161f). Plutarchus, De unius in republica dominatione = Moralia 56 (826a–827c). Plutarchus, De virtute morali = Plutarchus, Moralia 31 (440d–452d). Plutarchus, Maxime cum principibus philosopho esse disserendum = Plutarchus, Moralia 52 (776a– 779c). Plutarchus, Non posse suaviter vivi secundum Epicurum = Plutarchus, Moralia 75 (1086c–1107d). Plutarchus (Pseudo), Placita philosophorum = Plutarchus, Moralia 61 (874d–911b). Plutarchus, Nicias: Plutarchus, Vitae parallelae. Volumen 1 Fasc. 2: Tertium recensuit K. Ziegler. Editionem correctiorem cum addendis curavit H. Gärtner, Leipzig 1994, S.  85–125. Plutarchus, Quaestiones conviviales = Plutarchus, Moralia 49 (612c–748d). Plutarchus, Pericles: Plutarchus, Vitae parallelae. Recognoverunt C. Lindskog / K. Ziegler. Volumen 1 Fasc. 2. Tertium recensuit K. Ziegler. Editionem correctiorem cum addendis curavit H. Gärtner, Leipzig 1994, S.  1–47. Plutarchus, Sulla: Plutarchus. Vitae parallelae. Volumen 3, Fasc. 2. Iterum recensuit K. Ziegler, Leipzig 1973, S.  131–193. Plutarchus, Themistocles: Plutarchus. Vitae parallelae. Volumen 1 Fasc. 1: Quartum recensuit K. Ziegler. Editionem quintam curavit H. Gärtner, Leipzig 1996, S.  157–196.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Plutarchus, Tiberius Gracchus: Plutarchus, Vitae parallelae. Recognoverunt C. Lindskog / K. Ziegler. Volumen 3, Fasc. 1, Leipzig 1971, S.  416–463. Plutarchus, Vita Alexandri: Plutarchvs, Vitae parallelae. Recognoverunt C. Lindskog / K. Ziegler. Volumen 2, Fasc. 2: Iterum recensuit K. Ziegler. Editionem correctiorem cum addendis curavit H. Gärtner, Leipzig 1994, S.  152–253. Pollux, Onomasticum: Pollucis Onomasticon e codicibus, ab ipso collatis denuo edidit et adnotavit E. Bethe (Lexicographi Graeci 9). Pars 1: Libri I–V continens, Leipzig 1900. Polybius, Historiae: Polybii Historiae. Editionem a L. Dindorfio curatam retractavit Th. BuettnerWobst. Vol. 4: Libri XX–XXXIX. Fragmenta, Stuttgart 1995. Polystratus, De contemptu irrationali: Polistrato: ›Sul disprezzo irrazionale delle opinioni populari‹. Edizione, traduzione e commento a cura di G. Indelli (La Scuola di Epicuro 2), Neapel 1978. Polystratus, De philosophia: M. Capasso, L’Opera polistratea sulla filosofia, in: Cronache Ercolanesi 6 (1976), S.  81–84. Porphyrius, Ad Anebo: Porphyre, ›Lettre à Anébon l’Égyptien‹. Texte établi, traduit et commenté par H. D. Saffrey / A.-Ph. Segonds, Paris 2012. Porphyrius, Ad Marcellam: Porphyre, ›Vie de Pythagore‹. ›Lettre à Marcella‹. Texte établi et traduit par É. des Places. Avec appendices d’A.-Ph. Segonds, Paris 2003, S.  87–143. Porphyrius, Contra Christianos: Porphyrios, ›Contra Christianos‹. Neue Sammmlung der Fragmente, Testimonien und Dubia mit Einleitung, Übersetzung und Anmerkungen von M. Becker (Texte und Kommentare 52), Berlin / Boston 2016; Porphyrius, ›Gegen die Christen‹. 15 Bücher, Zeugnisse, Fragmente und Referate. Edidit A. von Harnack, Berlin 1916. Porphyrius, De abstinentia: Porphyre, ›De l’abstinence‹. Tome I–III. Texte établi, traduit et annoté par J. Bouffartigue / M. Patillon / A. Ph. Segonds, Paris 1977–1995. Porphyrius, De antro nympharum: Porphyre, ›L’antre des nymphes dans l’Odyssée‹. Études d’introduction par T. Dorandi et al. Texte grec révisé par T. Dorandi. Traduction française par A. Bastit, Paris 2019. Porphyrius, De principiis naturalibus: Porphyry, ›On principles and matter‹. A Syriac Version of a Lost Greek Text with an English Translation, Introduction, and Glossaries by Y. Arzhanov (Scientia Graeco-Arabica 34), Berlin / Boston 2021. Porphyrius, Fragmenta: Porphyrii Philosophi fragmenta. Edidit A. Smith. Fragmenta Arabica D. Wasserstein interpretante, Stuttgart 1993. Porphyrius, Historia philosophiae: Porphyrii Philosophi fragmenta. Edidit A. Smith. Fragmenta Arabica D. Wasserstein interpretante, Stuttgart 2001, S.  1–33. Porphyrius, In Categorias: Porphyrii Isagoge et in Aristotelis Categorias commentarium. Edidit A. Busse (CAG 4, 1), Berlin 1887, S.  52–142. Porphyrius, In Categorias (andere Fassung): R. Netz et al. (Hrsg.), The Archimedes Palimpsest 2, Cambridge et al. 2011, S.  331–339. Porphyrius, In Ptolemaei Harmonica: Porphyrios, Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios. Herausgegeben von I. Düring (Göteborgs Högskolas Årsskrift 38, 2), Göteborg 1932. Porphyrius, Isagoge: Porphyrii Isagoge et in Aristotelis Categorias commentarium. Edidit A. Busse (CAG 4, 1), Berlin 1887, S.  1–22  /  Syriace: Edidit S. Brock, in: Journal of the Iraq Academy. Syriac Corporation, 12, Bagdad 1988, 315–322. Porphyrius, Sententiae: Porphyrii Sententiae ad intelligibilia ducentes. Edidit E. Lamberz, Leipzig 1975. Porphyrius, Vita Plotini: Plotini Opera. Ediderunt P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1: Porphyrii vita Plotini. Enneades I–III, Oxford 1964, S.  1–38. Porphyrius, Vita Pythagorae: Porphyre, ›Vie de Pythagore‹. ›Lettre à Marcella‹. Texte établi et traduit par É. des Places. Avec appendices d’A.-Ph. Segonds, Paris 2003, S.  9–86. Posidonius, Fragmenta: Posidonius, edited by L. Edelstein / I. G. Kidd. Pars 1: The fragments. edited by L. Edelstein, Cambridge 1989 [Standardausgabe]; Poseidonios, Die Fragmente. Herausgegeben von W. Theiler 1. Texte, Berlin 1982 [enthält viele Texte, die in den Quellen nicht ausdrücklich Poseidonios zugeschrieben werden]. Priscianus Lydus (›Simplicius‹), In De anima: Simplicii in libros Aristotelis De anima commentaria. Edidit M. Hayduck (CAG 11), Berlin 1882.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Priscianus Lydus, Solutiones ad Chosroem: Prisciani Lydi quae extant. Metaphrasis in Theophrastum et Solutionum ad Chosroem liber. Edidit I. Bywater (Supplementum Aristotelicum 1, 2), Berlin 1885, S.  41–104. Priscianus Lydus, In Theophastum: Prisciani Lydi quae extant. Metaphrasis in Theophrastum et Solutionum ad Chosroem liber. Edidit I. Bywater (Supplementum Aristotelicum 1, 2), Berlin 1885, S.  1–37. Probus, In Analytica priora: H. Hugonnard-Roche, Un cours sur la syllogistique d’Aristote à l’époque tardo-antique. Le commentaire syriaque de Proba (VIe siècle) sur les ›Premiers Analytiques‹. Édition et traduction du texte, avec introduction et commentaire, in: Studia Graeco-Arabica 7 (2017), 105–170. Probus, In De interpretatione: Hoffmann, I. G. E., De hermeneuticis apud Syros. Scripsit adiectis textibus et glossario, Leipzit 21873, S. 62–90 (syr.) / 90–112 (lat.). Proclus, De aeternitate mundi: Joannis Philoponi De aeternitate Mundi contra Proclum. Edidit H. Rabe, Leipzig 1899 (vgl. im Detail B. Gleede, Platon und Aristoteles in der Kosmologie des Proklos. Ein Kommentar zu den 18 Argumenten für die Ewigkeit der Welt bei Johannes Philoponos, Tübingen 2009). Proclus, De malorum subsistentia: Proclus, Trois études sur la providence. Texte établi et traduit par D. Isaac. Tome 3: ›De l’existence du mal‹, Paris 1982. Proclus, Elementatio theologica: Proclus, ›The Elements of Theology‹. A Revised Text with Translation, Introduction and Commentary by E. R. Dodds, Oxford 1964 = Proklos, ›Theologische Grundlegung‹. Griechisch – Deutsch. Übersetzt und mit einer Einleitung sowie einem durchgängigen erläuternden Kommentar versehen von E.-O. Onnasch / B. Schomakers (Philosophische Bibliothek 562), Hamburg 2015. Proclus, In Euclidem: Procli Diadochi in primum Euclidis elementorum librum commentarii. Ex recognitione G. Friedlein, Leipzig 1873. Proclus, In Alcibiadem: Proclus, ›Sur le premier Alcibiade de Platon‹. Texte établi et traduit par A.-Ph. Segonds. Tome 1–2, Paris 1985–1986 [Seitenzählung nach Creuzer am Rand der Edition angegeben]. Proclus, In Rempublicam: Procli Diadochi In Platonis rem publicam commentarii. Tomus 1–2. Edidit G. Kroll, Leipzig 1899–1901. Proclus, In Parmenidem: Procli in Platonis Parmenidem commentaria. Edidit C. Steel. Tomus 1–3, Oxford 2007–2009 = Proclus, ›Commentaire sur le Parménide de Platon‹. Par C. Luna / A.-Ph. Segonds. Tome 1–7, Paris 2007–2021 [die Seitenzählung nach Cousin ist am Rand beider Editionen angegeben]. Proclus, In Parmenidem 7, Versio Latina: Proclus, ›Commentaire sur le Parménide de Platon‹. Traduction de Guillaume de Moerbeke. Volumen 2. Livre V à VII et Notes marginales de Nicolas de Cues. Suivie de l’édition des extraits du ›Commentaire sur le Timée‹, traduit par Moerbeke. Édition critique par C. Steel (Ancient and Medieval Philosophy 1, 4), Leuven 1985. Proclus, In Timaeum: Procli Diadochi In Platonis Timaeum commentaria. Edidit E. Diehl. Tomus 1–3, Leipzig 1903–1906. Proclus, Theologia Platonica: Théologie platonicienne. Proclus. Texte établi et traduit par H. D. Saffrey / L. G. Westerink. Tome 1–6, Paris 1968–1978. Procopius Gazaeus, Epitome in Canticum: Procopii Gazaei Epitome in Canticum canticorum. Edita a J.-M. Auwers cum praefatione a J.-M. Auwers / M.-G. Guérard curata (CCG 67), Turnhout 2011. Prodicus, Fragmenta (DK 84 [77]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  308–319. Proverbia (Παροίμιαι, Buch der Sprichwörter, Sprüche Salomos): Siehe Vetus testamentum. Psalmus (Psalm): Siehe Vetus testamentum. Ptolemaeus, Apotelesmatica: Claudii Ptolemaei Apotelesmatica. Ediderunt F. Boll / Ae. Boer (Ptolemaei opera quae exstant omnia 3, 1), Berlin 1998. Ptolemaeus, De criterio: Claudii Ptolemaei De iudicandi facultate et animi principatu. Edidit F. Lammert (Ptolemaei opera quae exstant omnia 3, 2), Leipzig 1961. Ptolemaeus, Harmonica: Düring, I., Die Harmonielehre des Klaudios Ptolemaios (Göteborgs Högskolas arsskrift 36, 1), Göteborg 1930.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Ptolemaeus, Syntaxis mathematica (Almagest): Claudii Ptolemaei Syntaxis Mathematica. Edidit J. L. Heiberg. Pars 1–2 (Opera quae exstant omnia 1, 1–2), Leipzig 1898–1903. Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum: Ptolémée « al-Gharīb », Épître à Gallus. Sur la vie, le testament et les écrits d’Aristote. Texte établi et traduit par M. Rashed, Paris 2021 [zitierfähige Ausgabe]; Hein, Ch., Definition und Einteilung der Philosophie. Von der spätantiken Einleitungsliteratur zur arabischen Enzyklopädie (Europäische Hochschulschriften 20, 177), Frankfurt et al.1985, S.  416–439 [unkritischer Text des Widmungsbriefs und des Werkkatalogs]. Pythagoras et Pythagoraei, Fragmenta (DK 14–20, 58): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 1, S.  96–113 und 446–480; Les débuts de la philosophie. Édition et traduction [par] A. Laks / G. W. Most avec la collaboration de G. Journée et le concours de L. Irribarren / D. Lévystone, Paris 2016, S.  343–531. Quintilianus, Institutio oratoria: M. Fabi Quintiliani Institutionis oratoriae libri XII. Edidit L. Radermacher. Addenda et corrigenda collegit et adiecit V. Buchheit. Volumen 1–2, Leipzig 1965. Rufinus Aquileiensis, Continuatio Eusebii historiae ecclesiasticae: Eusebius, Die Kirchengeschichte. Herausgegeben von E. Schwartz. Die lateinische Übersetzung des Rufinus bearbeitet von Th. Mommsen. Teil 1–3 (GCS Eusebius 2, 1–3), Leipzig 1903–1908. Sallustius, De deis et mundo: Sallustius, ›Concerning the Gods and the Universe‹. Edited with Prolegomena and Translated by A. D. Nock, Cambridge 1926; Saloustios, ›Des dieux et du monde‹. Texte établi et traduit par G. Rochefort, Paris 1983. Salvianus Massiliensis, De gubernatione dei: Salvien de Marseille, Œuvres. Introduction, texte critique, traduction et notes par G. Lagarrigue. Tome 2: ›Du gouvernement de Dieu‹, Paris 1975. Sapientia Salomonis (Buch der Weisheit, Weisheit Salomos): Siehe Vetus testamentum (Griechisch). Seneca, Ad Helviam: L. L. Annaei Senecae Dialogorum libri duodecim. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds, S.  291–317. Seneca, Ad Marciam: L. L. Annaei Senecae Dialogorum libri duodecim. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds, S.  129–166. Seneca, Apocolocyntosis: L. Annaei Senecae Apokolokyntōsis. Edidit R. Roncali, Leipzig 1990. Seneca, De beneficiis: Seneca, Moral Essays. With an English Translation by J. W. Basore. In three volumes. III, London 1964. Seneca, De clementia: Seneca, Moral Essays. With an English Translation by J. W. Basore. In three volumes. I, London 1958, S.  356–449. Seneca, Epistula ad Lucilium: L. Annaei Senecae Ad Lucilivm epistulae morales. Recognovit et adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds. Tomus 1–2, Oxford 1965–1966. Seneca, Quaestiones naturales: L. Annaei Senecae Naturalium Qvaestionum libros. Recognovit H. M. Hine, Leipzig / Stuttgart 1996. Sergius, Ad Philotheum in Categorias: Sergius of Reshaina, ›Introduction to Aristotle and his Categories, Addressed to Philotheus‹. Syriac Text, with Introduction, Translation, and Commentary by S.  Aydin (Aristoteles Semitico-Latinus 24), Boston, Leiden 2016. Sergius, Ad Theodorum in Categorias: Textus Syriacus: ms. Birmingham, Mingana 606, f. 52r–140v (Exzerpte bei Perkams, M., Ostsyrische Philosophie, 74–76); Prooemium et Liber I (frz.): H. Hugonnard-Roche, La logique d’Aristote du grec au syriaque. Études sur la transmission des textes de l’Organon et leur interprétation philosophique (Textes et traditions 9), Paris 2004, S.  167–170 (Prol.), 191–202 (Liber 1); Liber II (engl.): J. W. Watt, Sergius of Reshaina on the Prolegomena to Aristotelian Logic. The ›Commentary on the Categories‹, Chapter Two, in: E. Coda / C. Martini Bonadeo (Hrsg.), De l’antiquité tardive au Moyen Age. Études de logique aristotélicienne et de philosophie grecque, syriaque, arabe et latine offertes à H. Hugonnard-Roche (Études Musulmanes 44), Paris 2014, S.  31–55; Excerpta ex omnibus libris (ital.): G. Furlani, Sul trattato di Sergio di Reshʿayna circa le ›Categorie‹, in: Rivista trimestrale di studi filosofici e religiosi 5 (1922), S.  135–172. Sergius, De principiis universi (syr. / frz.): Fiori, E., L’épitomé syriaque du traité ›Sur les causes du tout‹ d’Alexandre d’Aphrodise attribué à Serge de de Resh‘ayna. Édition et traduction, in: Le Muséon 123 (2010), S.  127–158. Sergius, De vita spirituali: Sherwood, P., Mimro de Serge de Rēšayna ›Sur la Vie Spirituelle‹, in: L’Orient Syrien 5 (1960), 433–457; 6 (1961), 95–115; 121–156.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Sergius Grammaticus, Epistulae ad Severum: Severus Antiochenus, Epistulae ad Sergium: Severi Antiocheni orationes ad Nephalium. Eiusdem ac Sergii Grammatici epistulae mutuae. Edidit J. Lebon (CSCO Syr. 64 [syr.] / 65 [lat.]), Leuven 1949. S.  70–73, 96–103, 145–157 [syr.] = 51–53, 71–76, 110–120 [lat.]. Severus Antiochenus, Epistulae ad Sergium: Severi Antiocheni orationes ad Nephalium. Eiusdem ac Sergii Grammatici epistulae mutuae. Edidit J. Lebon. (CSCO Syr. 64 [syr.] / 65 [lat.]), Leuven 1949. S.  73–96, 103–145, 157–177 [syr.] = 53–70, 77–109, 120–136 [lat.]. Severus Antiochenus, Sermo de Trisagione: Eustathii Monachi [potius Severi Antiocheni] Epistola ad Timotheum Scholasticum de duabus naturis adversus Severum, in: Patrologia Graeca 86a, Paris 1865, Sp. 901–942. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos: Sexti Empirici opera. Recensuit H. Mutschmann / J. Mau. Volumen 2–3, Leipzig 1914–1961. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposeis: Sexti Empirici opera. Recensvit H. Mutschmann. Volumen 1: Pyrrōneiōn hypotypōseōn libros tres continens, Leipzig 1912. Simonides, Carmina: Lyrica Graeca Selecta, ed. D. L. Page, Oxford 1968, S.  167–190. Simplicius, In Epictetum: Simplicius, ›Commentaire sur le Manuel d’Épictète‹. Introduction et édition critique du texte grec par I. Hadot (Philosophia antiqua 66), Leiden / New York / Köln 1996. Simplicius, In Categorias: Simplicii in Aristotelis Categorias commentarium. Edidit C. Kalbfleisch (CAG 8), Berlin 1907. Simplicius, In De caelo: Simplicii in Aristotelis De caelo commentaria. Edidit J. L. Heiberg (CAG 7), Berlin 1894. Simplicius, In Physica: Simplicii in Aristotelis Physicorum libros commentaria. Edidit H. Diels. ­Tomus 1–2 (CAG 9–10), Berlin 1882–1895. Socrates et Socratici: Siehe unter SSR. Socrates, Historia ecclesiastica: Sokrates, ›Kirchengeschichte‹. Herausgegeben von G. Ch. Hansen. Mit Beiträgen von M. Širinjan (GCS NF 1), Berlin 1995. Soranus, De anima: Soranos von Ephesos, ›Peri psychēs‹. Sammlung der Testimonien, Kommentar und Einleitung von P. Podolak. Unter Mitarbeit von J. E. Heßler (Beiträge zur Altertumskunde 279), Berlin 2010. Soranus, Gynaecia: Sorani Gynaeciorum Libri IV. De signis fracturarum. De fasciis. Vita Hippocratis secundum Soranum, edidit I. Hilberg (CMG 4), Leipzig  /  Berlin 1927, S.  1–30. Soranus (Pseudo), Quaestiones medicinales: Sorani Introductio ad medicinam (Quaestiones medicales). Edidit V. Rose, Berlin 1870 = V. Rose, Anecdota Graeca et Graecolatina. Mitteilungen aus Handschriften zur Geschichte der griechischen Wissenschaft 2: Mit 2 Tafeln in Steindruck, Berlin 1870, S.  243–271. Sotio, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar. Herausgegeben von F. Wehrli. Supplement 2: Sotion, Basel / Stuttgart 1978. Sozomenus, Historia ecclesiastica: Sozomenus, ›Kirchengeschichte‹. Herausgegeben von J. Bidez. Eingeleitet, zum Druck besorgt und mit Register versehen von G. Ch. Hansen (GCS NF 4), Berlin 1995. Speusippus, Fragmenta: Speusippo, Frammenti. Edizione, traduzione e commento a cura di Margherita Isnardi Parente, Neapel 1980. Spinoza, B. de, Tractatus theologico-politicus: Baruch de Spinoza, Opera. Band 1: ›Tractatus theologico-politicus‹. ›Theologisch-politischer Traktat‹. Herausgegeben von G. Gawlick / F. Niewöhner, Darmstadt 2018. Stephanus (›Philoponus‹), In De anima: Ioannis Philoponi in Aristotelis De anima libros commentaria. Edidit M. Hayduck (CAG 15), Berlin 1897, 446–607. Stephanus, In De Interpretatione: Stephani in Librum Aristotelis De interpretatione commentarium. Edidit M. Hayduck (CAG 18, 3), Berlin 1885. ›Stephanus‹, Prolegomena: Baumstark, A., Aristoteles bei den Syrern vom 5. bis 8. Jahrhundert 1: Syrisch-Arabische Biographien des Aristoteles, Syrische Kommentare zur ›Eisagōgē‹ des Porphyrios, Leipzig 1900, S.  15–33 (syr.) / 192–210 (dt.). Stephanus bar Sudaili, Liber Hierotheus: The book which is Called ›The Book of the Holy Hierotheos‹. Edited and translated by F. S.  Marsh, Oxford 1927.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Stoici, Fragmenta: SVF (s. oben, S. 408); Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker. Neue Sammlung der Texte mit deutscher Übersetzung und Kommentaren. Karlheinz Hülser, Stuttgart-Bad Canstatt 1987–1988. Strabo, Geographia: Strabons ›Geographika‹. Mit Übersetzung und Kommentar herausgegeben von St. Radt. Band 1–4, Göttingen 2002–2005; Strabon, ›Géographie‹. Introduction par G. Aujac /  F. Lasserre. Texte établi et traduit par G. Aujac et al. Tome 1–15, Paris 1969–2017 [Die Seitenzählung von Cobet ist an den Rändern dieser Editionen angegeben]. Strato Lampsacenus, Fragmenta: Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar. Herausgegeben von F. Wehrli. Heft 5: Straton von Lampsakos, Basel 1969. Suda: Suidae Lexicon. Edidit A. Adler (Lexicographi Graeci 1), Volumen 1–5, Leipzig 1928–1938. Suetonius, Domitianus: Suétone, ›Vies‹ des douze Césars. Tome 3. Galba – Othon – Vitellius – Ves­ pasien – Titus – Domitien. Texte établi et traduit par H. Ailloud, Paris 1932, S.  78–102. Suetonius, Nero: Suétone, Vies des douze Césars. Tome 2. Tibère – Caligula – Claude – Néron. Texte établi et traduit par H. Ailloud, Paris 1931, S.  150–201. Synesius, De insomniis: Synésios de Cyrène. Tome 4. Opuscules 1. Texte établi par J. Lamoureux. Traduit et commenté par N. Aujoulat, Paris 2008, S.  187–311. Synesius, De regno: Synésios de Cyrène. Tome 5. Opuscules 2. Texte établi par J. Lamoureux. Traduit et commenté par N. Aujoulat, Paris 2004. Synesius, Dio: Synésios de Cyrène. Tome 4. Opuscules 1. Texte établi par J. Lamoureux. Traduit et commenté par N. Aujoulat, Paris 2004, S.  91–185. Synesius, Laus calvitiae: Synésios de Cyrène. Tome 4. Opuscules 1. Texte établi par J. Lamoureux. Traduit et commenté par N. Aujoulat, Paris 2004, S.  1–90. Synesius, Epistulae: Synésios de Cyrène, Correspondance. Texte établi par A. Garzya. Traduit et commenté par D. Roques. Tome 1–2 (= Synésios de Cyrène 2–3), Paris 2000–2003. Syrianus, In Hermogenem: Syriani in Hermogenem commentaria, ed. H. Rabe, Bd.  1–2, Leipzig 1892–1893. Syrianus, In Metaphysica: Syriani in Metaphysica commentaria. Edidit G. Kroll (CAG 6, 1), Berlin 1902. Tacitus, Agricola, Tacitus: Cornelii Taciti De vita Agricolae. Edited by R. M. Ogilvie / I. Richmond, Oxford 1967. Tacitus, Annales: Cornelii Taciti annalium ab excessu divi Augusti libri. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit C. D. Fisher, Oxford 1988. Tacitus, Historiae: P. Cornelii Taciti libri qui supersunt. Edidit E. Klostermann. Tomus II. Fasc. 1: Historiarum libri, Leipzig 1969. Talmud Yerushalmi, Betza [dt.]: [Seder Moʿed = Festzeit]. 8: Besa. Ei, Übersetzt von A. Lehnardt. Tübingen 2001. Talmud Yerushalmi, Sanhedrin (Auszüge): Becker, H. J., ›Epikureer‹ im Talmud Yerushalmi, in: Schäfer, P. (Hrsg.), The Talmud Yerushalmi and Graeco-Roman Culture (Texts and Studies in Ancient Judaism 71), Tübingen 1998, 397–421. Talmud Yerushalmi, Shabbat [hebr.  /  engl.]: The Jerusalem Talmud. ‫תלמוד ירושלמי‬. Second Order. Moʿed. ‫סדר מועד‬. Tractates Šabbat and ʿEruvin. ‫מסכתות שבת ועירובין‬. Edition, Translation, and Commentary by H. W. Guggenheimer (Studia Judaica 68), Berlin / Boston 2012. Talmud Yerushalmi, Shabbat [dt.]: F. G. Hüttenmeister, Talmud Yerushalmi 2, 1. Übersetzung des Talmud Yerushalmi. Shabbat. Schabat, Tübingen 2004. Tatianus, Oratio ad Graecos: Tatiani Oratio ad Graecos. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 43/44), Berlin 1995. Taurus, Fragmenta: M.-L. Lakmann, Platonici minores. 1. Jh. v.  Chr. – 2. Jh. n. Chr. Prosopographie, Fragmente und Testimonien mit deutscher Übersetzung. Unter Mitarbeit von D. J. O’Meara (Philosophia antiqua 145), Leiden / Boston 2017, S.  700–757. Teles, Fragmenta: Les diatribes de Télès. Introduction, texte revu, traduction et commentaire des fragments (avec en appendice une traduction espagnole) par P. P. Fuentes González. Préface de M.-O. Goulet-Cazé (Histoire des doctrines de l’antiquité classique 23), Paris 1998. Tertullianus, Ad nationes: Q. S.  Fl. Tertulliani Ad nationes libri II cura et sudio J. G. Ph. Borleffs, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  9–75.

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Verzeichnis der zitierten Quellen Tertullianus, Apologeticum: Q. S.  Fl. Tertulliani Apologeticum. Cura et studio E. Dekkers, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  77–171. Tertullianus, Adversus Hermogenem: Q. S.  Fl. Tertulliani Adversus Hermogenem. Cura et studio Ae. Kroymann, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  395–435. Tertullianus, Adversus Iudaeos: Q. S.  Fl. Tertulliani Adversus Iudaeos. Cura et studio Ae. Kroymann, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars 2. Opera montanistica (CCL 2), Turnhout 1954, S.  1337–1396. Tertullianus, Adversus Marcionem: Q. S.  Fl. Tertulliani Adversus Marcionem. Cura et studio Ae. Kroymann, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  437–726. Tertullianus, Adversus Valentinianos: Q. S.  Fl. Tertulliani Adversus Valentinianos. Cura et studio Ae. Kroymann, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars 2. Opera montanistica (CCL 2), Turnhout 1954, S.  751–778. Tertullianus, De anima: Quinti Septimi Florentis Tertulliani De anima. By J. H. Waszink, Leiden 1947. Tertullianus, De idololatria: Q. S.  Fl. Tertulliani De idololatria. Cura et studio A. Reifferscheid / G. Wissowa, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars 2. Opera montanistica (CCL 2), Turnhout 1954, S.  1099–1124. Tertullianus, De pallio: Q. S.  Fl. Tertulliani De pallio. Cura et studio A. Gerlo, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars 2. Opera montanistica (CCL 2), Turnhout 1954, S.  731–750. Tertullianus, De patientia: Q. S.  Fl. Tertulliani De patientia. Cura et studio J. G. Ph. Borleffs, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  297–317. Tertullianus, De praescriptione haereticorum: Q. S.  Fl. Tertulliani De praescriptione haereticorum. Cura et studio R. F. Refoulé, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  185–224. Tertullianus, De testimonio animae: Q. S.  Fl. Tertulliani De testimonio animae. Cura et studio R. Willems, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera Pars 1. Opera catholica. Adversus Marcionem (CCL 1), Turnhout 1953, S.  173–183. Thales, Fragmenta (DK 11 [1]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Herausgegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 1, S.  67–81; Die Milesier. Thales. Herausgegeben von G. Wöhrle (Traditio Praesocratica 1), Berlin 2009 [mit dem Anspruch, die Tradition und ihre Entwicklung möglichst vollständig abzubilden]. Themistius, De anima paraphrasis: Themistii in libros Aristotelis De anima paraphrasis. Edidit R. Heinze (CAG 5, 3), Berlin 1899. Themistius, De virtute: Περὶ ἀρετῆς Syriace servata, ed. R. Mach, in: Themistii orationes quae supersunt, recensvit H. Schenkl. Opus consummaverunt G. Downey / A. F. Norman 3, Leipzig 1974, S.  11–71 [Syrisch mit lateinischer Übersetzung]. Themistius, Analyticorum posteriorum paraphrasis: Themistii Analyticorum posteriorum paraphrasis. Edidit M. Wallies (CAG 5, 1), Berlin 1900. Themistius, De caelo paraphrasis: Themistii in libros Aristotelis De caelo paraphrasis. Hebraice et latine. Edidit S.  Landauer (CAG 5, 4), Berlin 1902. Themistios, Physicorum Paraphrasis: Themistii in Aristotelis Physica paraphrasis. Edidit H. Schenkl (CAG 5, 2), Berlin 1900. Themistius, In Metaphysica 12: Themistii in Aristotelis Metaphysicorum librum L paraphrasis Hebraice et Latine. Edidit S.  Landauer (CAG 5, 5), Berlin 1903; Themistius’ ›Paraphrasis of Aristotle’s Metaphysics 12‹. A Critical Hebrew-Arabic Edition of the Surviving Textual Evidence with an Introduction, Prelimary Studies, and a Commentary by Y. Meyrav (Aristoteles Semitico-Latinus 25), Leiden / Boston 2019. Themistius, Oratio: Themistii Orationes quae supersunt. Recensuit H. Schenkl et al. Volumen 1–3, Leipzig 1965–1974 [Die Orationes 1–33 können nach der Stephanus-Zählung zitiert werden, welche die Teubneriana angibt; lediglich bei Oratio 34 fehlen dieses Angaben; für ›De virtute‹ s. oben].

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Verzeichnis der zitierten Quellen Theodoretus Cyrensis, De providentia: Beati Theodoreti Episcopi Cyri De Providentia, in: Patrologia Graeca 83, Paris 1864, Sp. 555–776. Theodoretus Cyrensis, Graecarum affectionum curatio: Théodoret de Cyr, ›Thérapeutique des maladies helléniques‹. Texte critique introduction, traduction et notes de P. Canivet. Tome 1–2 (SC 57, 1–2), Paris 1958. Theodoretus Cyrensis, Historia ecclesiastica: Theodoret, ›Kirchengeschichte‹. Herausgegeben von L. Parmentier (GCS Theodoretus), Berlin 1998. Theodoretus Cyrensis, Historia religiosa: Théodoret de Cyr, ›Histoire des moines de Syrie‹. Introduction, texte critique, traduction, notes par P. Canivet. Tome 1–2 (SC 234, 257), Paris 1977–1979. Theodorus Mopsuestenus, Contra Iulianum: Teodoro di Mopsuestia, ›Replica a Giuliano imperatore‹. ›Adversus criminationes in Christianos Iuliani imperatoris‹. A cura di A. Guida, Florenz 1994. Theodorus Mopsuestenus, Homiliae catecheticae: Les homélies catéchétiques de Théodore de Mopsueste. Reproduction phototypique du Ms. Mingana Syr. 561. Traduction, introduction, index par R. Tonneau en collaboration avec R. Devreesse (Studi e testi 145), Vatikanstadt 1949. Theodorus Mopsuestenus, In Ioannem commentarius: Theodori Mopsuesteni commentarius in evangelium Iohannis apostoli. Edidit J.-M. Vosté (CSCO Syr. 62 [syr.] / 63 [lat.]), Leuven 1940. Theodorus Mopsuestenus, In Ioannem fragmenta Graeca: R. Devreesse, Essai sur Théodore de Mopsueste (Studi e testi 141), Vatikanstadt 1948, S.  389–419. Theodorus Mopsuestenus, Fragmenta Syriaca: Theodori Mopsuesteni Fragmenta Syriaca e codicibus musei Britannici Nitriacis edidit atque in Latinum sermonem vertit E. Sachau, Leipzig 1869. Theo Smyrnaeus, Expositio rerum mathematicarum: Theonis Smyrnaei philosophi Platonici expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium. Recensuit E. Hiller, Leipzig 1878. Theophilus Antiochenus, Ad Autolycum: Theophili Antiocheni ad Autolycum. Edited by M. Marcovich (Patristische Texte und Studien 44), Berlin 1995. Theophrastus, De sensibus: Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels, Berlin 1879, 497–527. Theophrastus, Fragmenta: Theophrastus of Eresus. Sources for his Life, Writings, Thought, and Influence. Edited and Translated by W. W. Fortenbaugh together with A. D. Barker. Volume 1–2 (Philosophia antiqua 54, 1–2), Leiden / Boston 1992. Theophrastus, Historia plantarum: Theophrasti Eresii opera quae supersunt omnia. ex recognitione F. Wimmer. Tomus 1: Tomus primus Historiam plantarum continens, Leipzig 1854. Theophrastus, Metaphysica: Théophraste, ›Métaphysique‹. Texte édité, traduit et annoté par A. Laks / G. W. Most avec la collaboration de Ch. Larmore, Paris 1993. Thucydides, Historiae: Thucydidis Historiae. Post C. Hude edidit O. Luschnat. Volumen 1–3, Leipzig 1960–2000. Timaeus Locrus (Pseudo), De natura mundi: The Pythagorean texts of the Hellenistic period. Collected and edited by H. Thesleff, Abo 1965, S.  202–225. Timaeus Tauromenita, Fragmenta (FGrHist 566): Fragmente der griechischen Historiker (F Gr Hist). Von F. Jacoby. Dritter Teil. Geschichte von Staedten und Voelkern (Horographie und Ethnographie). B Autoren ueber einzelne Staedte (Laender). Nr. 297–607, Leiden 1950, S.  581–658. Timotheus Constantinopolitanus, De receptione haereticorum: Timothei Prebyteri De iis qui ad Ecclesiam accedunt, sive, de receptione baereticorum, in: Patrologia Graeca 86a, Paris 1865, Sp. 11–74. Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia: Valeri Maximi Facta et dicta memorabilia. Edidit J. Briscoe, Stuttgart 1998. Varro, Antiquitates rerum divinarum: M. Terentius Varro, Antiquitates rerum divinarum. Von B. Cardauns. Teil 1: Die Fragmente, Mainz et al. 1976. Varro, De philosophia: M. Terenti Varronis liber de philosophia. Ausgabe und Erklärung der Fragmente von G. Langenberg, Xanten 1959. Vetus Testamentum: Biblia hebraica Stuttgartensia […]. Editio funditus renovata […] cooperantibus H. P. Rüger / J. Ziegler ediderunt K. Elliger / W. Rudolph. Editio secunda emendata opera W. Rudolph / H. P. Rüger, Stuttgart 1984 (hebr. / aram.) / Septuaginta. Id est Vetus testamentum graece iuxta LXX interpretes. Edidit A. Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit R. Han-

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Verzeichnis der zitierten Quellen hart. Duo volumina in uno, Stuttgart 2006 (griech.) / Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem. Adiuvantibus B. Fischer / I. Gribomont / H. F. D. Sparks / W. Thiele recensuit et brevi apparatu critico instruxit R. Weber. Editionem quintam emendatam retractatam praeparavit R. Gryson, Stuttgart 2007, S.  1–1512. Victorinus, Ad Candidum: Marii Victorini Afri Opera theologica. Edidit A. Locher, Leipzig 1976, S.  10–32. Victorinus, Adversus Arium: Marii Victorini Afri Opera theologica. Edidit A. Locher, Leipzig 1976, S.  32–167. Victorinus, Explanationes in Ciceronis Rhetoricam: Marii Victorini Explanationes in Ciceronis Rhetoricam. Cura et studio A. Ippolito (CCL 132), Turnhout 2006. Xenocrates, Fragmenta: Testimonianze e frammenti. Senocrate e Ermodoro. Edizione, traduzione e commento a cura di M. Isnardi Parente, Pisa 2012, S.  49–258. Xenophanes, Fragmenta (DK 21 [11]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Heraus­ gegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 2, S.  113–139. Xenopho, Cynegeticus: Xenophontis opera omnia. Recognovit brevique adnotatione critica instrvxit E. C. Marchant. Tomus V. Opuscula, Oxford 1900, S.  183–222. Xenopho, De vectigalibus (Poroi): Xenophontis opera omnia. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit E. C. Marchant. Tomus V. Opuscula, Oxford 1900, S.  95–112. Xenopho, Expeditio Cyri (Anabasis): Xenophontis opera omnia. Recognovit brevique adnotatione critica instrvxit E. C. Marchant. Tomus III. Expeditio Cyri, Oxford 1900. Xenopho, Memorabilia: Xénophon, ›Mémorables‹. Texte établi par M. Bandini, traduit par L.-A. Dorion. Tomus 1–2, Paris 2010–2014. Xenopho, Oeconomicus: Xenophontis opera omnia. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit E. C. Marchant. Tomus II. Commentarii, Oeconomicus, Convivium, Oxford 1900, S.  156–223. Xenopho, Symposium: Xenophontis opera omnia. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit E. C. Marchant. Tomus II. Commentarii, Oeconomicus, Convivium, Oxford 1900, S.  230–266. Zacharias Rhetor, Ammonius: Zacaria Scolastico, ›Ammonio‹. Introduzione, testo critico, traduzione, commentario a cura di M. Minniti Colonna, Neapel 1973. Zacharias Rhetor, Vita Isaiae: Vita Isaiae monachi auctore Zacharia Scholastico, in: Vitae virorum apud Monophysitas celeberrimorum. Edidit by E. W. Brook (CSCO Syr. 7), Paris 1907, 3–16 (syr.); (CSCO Syr. 8), Paris 1907, 1–10 (lat.). Zacharias Rhetor, Vita Severi: Vies de Sévère par Zacharie le Scholastique. Textes syriaques publiés, traduits et annotés par M.-A. Kugener. Paris 1903, S.  1–115. Zacharias Rhetor (Pseudo), Historia ecclesiastica: Historia ecclesiastica Zachariae Rhetori vulgo adscripta, II. Accedit fragmentum Historiae ecclesiasticae Dionysii Telmahrensis. Edidit / Interpretatus est E. W. Brooks (CSCO Syr. 39 [syr.] / 42 [lat.]), Leuven 1921–1924. Zeno Eleata, Fragmenta (DK 29 [19]): Die Fragmente der Vorsokratiker. Von H. Diels. Heraus­ gegeben von W. Kranz, Band 1–3, Berlin 51934–1937, 1, S.  247–258. Zosimus, Historia nova: Zosime, ›Histoire nouvelle‹. Texte établi et traduit par F. Paschoud. Tome 1–3, 2, Paris 1979–2000.

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Hilfsmittel

Für Editionen und Hilfsmittel zum Studium der antiken Philosophiegeschichte kann man die Anhänge zu den einzelnen Teilen dieses Buches vergleichen. Da die zahlreichen Hilfsmittel zum Studium lateinischer und griechischer Texte hinreichend bekannt sind, seien hier nur einige Hinweise auf nützliche Hilfsmittel zum Studium einiger orientalischer Sprachen gegeben, die ggf. auch zum Selbstudium nützlich sein können.

Armenisch Bedrossian, M., A New Dictionary Armenian-English, Venedig 1879 [trotz schwerer Lesbarkeit und einer eher geringen Binnenstruktur der Einträge nach wie vor ein unverzichtbares Hilfsmittel]. Van Damme, D., Armenische Kurzgrammatik. Neu bearbeitet von Th. Böhm, Fribourg / Göttingen 2004 [sehr zu empfehlende konzise Darstellung].

Hebräisch Gesenius, W., Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Begonnen von R. Meyer. Bearbeitet und herausgegeben unter verantwortlicher Mitarbeit von U. Ruterwörden von H. Donner, Berlin u. a. 181987–2012 [Standardwörterbuch über das Alte Testament]. Jenni, A., Lehrbuch der hebräischen Sprache des Alten Testaments. Neubearbeitung des ›Hebräischen Schulbuchs‹ von Hollenberg-Budde, Basel / Frankfurt 21981 [gut eingeführtes Lehrbuch des Althebräischen]. Levy, J., Neuhebräisches und chaldäisches Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim. Nebst Beiträgen von H. L. Fleischer, Bd.  1–4, Leipzig 1876–1889 [nützliches Nachschlagewerk mit Belegstellen für die hebräischen und aramäischen (»chaldäischen«) Werke des rabbinischen Juden­ tums].

Mittelpersisch (Pahlavi) MacKenzie, D. N., A Concise Pahlavi Dictionary, London / New York 1971 [gut aufgebautes Wörterbuch für einen Teil des Wortschatzes]. Nyberg, H. S., A Manual of Pahlavi, Bd.  1–2, Wiesbaden 1964–1974 [gut aufgebautes Lehrbuch der offiziellen Sprache des Sassanidenreichs mit Chrestomathie und einem Glossar, das vergleichend mit MacKenzie verwendet werden kann].

Syrisch Nöldeke, Th., Kurzgefasste syrische Grammatik, Leipzig 21898 [nach wie vor die wichtigste Referenzgrammatik für das Syrische]. Payne Smith, J., A Compendious Syriac Dictionary. Founded upon the Thesaurus Syriacus of R. Payne Smith, Oxford 1902 [das Standardwörterbuch für die Lektüre syrischer Texte]. Ungnad, A., Syrische Grammatik mit Übungsbuch (Clavis linguarum semiticarum 7), München 1913 [sehr zuverlässige, etwas kompliziert angeordnete Lerngrammtik mit hervorragend übersichtlichen Verbalparadigmata].

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Sekundärliteratur

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Register I. Register der Personen und Themen Das Register enthält in der Regel keine Stichworte, die leicht über das Inhaltsverzeichnis verfolgt werden können. Belegstellen moderner Autoren werden nur in Auswahl berücksichtigt. Zentrale Stellen werden durch Fettdruck hervorgehoben. Abaelardus, Petrus 934, 1159  f. Aberglaube 470, 488, 551, 632, 706, 894 Adrast 869 Ägypten / Ägypter 218, 337  f., 485, 487  f., 493, 579, 635, 721, 728, 738, 818, 829, 831, 942, 944, 970, 1091, 1105, 1164 – als Ursprung von Weisheitslehren 63, 100, 235, 315, 589, 610, 619, 767, 817, 867, 953, 955, 998, 1004, 1112, 1156 Ähnlichwerden mit Gott (ὁμοίωσις θέῳ): siehe ›Definitionen der Philosophie‹ Aëtios (Doxograph) 83, 90, 426, 476, 590, 785, 852 Aëtios (Lehrer des Eunomios) 812 Agapios 948, 950 Agathias 950, 952, 955, 993, 1009, 1079  f., 1118 Agesilaos 201 Aḥūḏʾemmeh 1100 Aidesia 739, 960, 992, 1001, 1138 Aidesios 731, 773 Ailios Aristeides 216, 605  f., 1131, 1141, 1148, Aineias von Gaza 936, 949, 952, 957  f., 973, 975, 1012, 1013– 1021, 1022, 1040, 1112 Ainesidemos 367, 517, 539, 580 Aischines (Rhetor) 151, 322 Aischines von Sphettos (Sokra­ tiker) 152, 161, 175  f., 178, 180  f., 185, 187, 192 Albini-Brüder 732, 873, 916 Albinos 541, 544 Alexander (Personnage bei Philon von Alexandria) 616 Alexander der Große 196, 272, 336, 338, 363, 485, 687, 1151 Alexander Polyhistor 632 Alexander von Aigai 535, 569 Alexander von Aphrodisias 291, 303, 360, 516, 519, 537,

558–566, 651, 693, 701–703, 715, 858, 862, 973, 983  f., 997, 1003, 1049, 1076, 1078, 1111, 1118, 1147, 1164 Alexander von Lykopolis 720 Alexandria / alexandrinisch 338  f., 464, 495, 508  f., 523, 535, 594, 704, 735  f., 839, 1049, 1151–1153, 1167 – Bibliothek von 356, 481  f., 557 – Präsenz von Philosophen(schulen) 341, 344  f., 354–356, 369, 382, 407, 481  f., 579, 614, 729  f., 735, 837 – Bezüge zum Mittelplatonismus und Aristotelismus 369, 443, 500, 504, 516  f., 528, 557–559 – Jüdisches Zentrum 474, 484, 491  f. – Christliches Schulwesen 515, 532, 662–680, 703 – Spätantik-neuplatonisches Schulwesen (und dessen Einfluss) 33, 292, 745, 765, 856, 858, 940, 943–948, 951–955, 958, 967–991, 991  f., 1005, 1013–1016, 1025–1028, 1040, 1048  f., 1052  f., 1056–1060, 1067, 1071–1073, 1078, 1084, 1092, 1104  f., 1108–1111, 1114–1118, 1134, 1136, 1149 Alexinos 191 Albertus Magnus 1160 Al-Fārābī, Abū Nasr Muhammad 8, 45, 369, 465, 516, 557, 933, 949, 965, 989, 1047, 1106, 1111, 1114 Al-Ġazālī, Abū Ḥāmid 1025, 1160 Alkibiades 177, 181, 246 Alkidamas 76, 127, 128, 142, 149, 207–216, 235, 253, 322, 1126 Alkinoos 519, 537, 539, 541, 545  f., 549–552, 554  f., 671, 701  f.

Al-Kindī  933, 1004 Alkiphron 526 Alkmaion 57, 66, 73, 100  f., 104, 124, 133, 1153 Alkman 81 Allegorie / Allegorese 51, 77, 79, 129, 697, 705, 1155 – stoisch 436, 499, 577, 645 – platonisch 223, 552  f., 588, 721, 765, 830, 903  f., 906 – hermetisch 611 – jüdisch-christlich 497, 499, 614  f. 621, 645, 661, 670, 678, 682, 818, 833, 844  f., 857, 908, 1040, 1050, 1065, 1131, 1133 Alter (als Argument) 236, 315, 411, 430, 548, 588, 772 – jüdisch 497–500  f., 510, 620, 622, 624  f., 645 – christlich 651  f., 665, 682, 684, 700, 797, 800, 802, 805  f., 851, 856, 859  f., 878, 922, 1131 Amafinius, Gaius 453 Ambrosius von Mailand 713, 720, 723, 735, 738, 871, 876– 880, 885, 911, 1135, 1143, 1151 ›Amelachos‹ 935, 940, 963, 1075, 1077 Amelios Gentilianos 553, 716, 766, 771, 805 Ammianus Marcellinus 731, 736 Ammonios (Peripatetiker) 558 Ammonios Hermeiou 730, 739  f., 745, 754, 757, 760, 935  f., 953–955, 967–990, 992, 994  f., 1005, 1031, 1033, 1036  f., 1051, 1053, 1063  f., 1066  f., 1069, 1072  f., 1076, 1078, 1081, 1104, 1106  f., 1109–1111, 1136  f., 1143 – Bedeutung als Lehrer 938, 953–955, 967  f., 973  f., 992, 1013, 1015  f., 1018  f., 1040, 1048, 1115–1117 – in Zacharias Rhetors Dialog 936, 1015  f., 1018  f., 1137

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Register – Aristotelismus 935, 938, 953– 955, 969–977, 985, 1115–1117 – Philosophiedefinitionen 757, 977–980, 1051, 1059, 1072, 1083, 1107, 1143 Ammonios Sakkas 716, 743  f. Amphilochios von Ikonion 813, 817, 1018, 1094 Anania Širakac’i 1075 Anastasios I. (Kaiser) 950, 1091 Anaxagoras 54, 66–68, 70, 73, 74, 83, 113, 118–120, 129–131, 133, 146, 148, 151, 158, 162, 167, 322, 624, 1064, 1125, 1154 Anaximander 43, 52  f., 57, 59, 65, 67, 70, 73, 81, 86–91, 101, 106, 592, 594 Anaximenes 65, 74, 86–91, 113 Andreas (Apostel) 644 Andron von Alexandria 349 Andronikos von Rhodos 273, 274–276, 354, 369  f., 464  f., 473, 500, 516, 518, 535, 557–560,

563

Anthropologie 570, 634, 842– 844, 852, 960, 1035 Antigonos II. Gonatas 355  f., 362, 366, 407, 440, 507 Antiochia 344, 382, 738, 845, 847, 850, 948, 1013  f., 1023, 1048, 1088, 1117 Antiochos von Askalon 267, 345, 351, 373, 376, 406, 441– 451, 453  f., 456–458, 460, 465, 467  f., 472, 479, 516, 519, 541, 547, 558, 623 Antiochos (König, Bibel) 623 Antipatros von Tarsos 347, 440, 506 Antiphon 148, 165  f., 1076 Antisthenes 149, 152, 158, 161, 175, 181  f., 187, 192–201, 205  f., 213  f., 216, 241, 305, 368, 1127, 1164 Antisthenes (Peripatetiker) 378 Antoninus Pius (Kaiser) 700, 789 (vgl. 695) Antoninus (Schüler der Sosi­ patra) 730 Antonios Diogenes 98 Antonius der Große (Eremit) 811 Antonius (Mark Anton) 338 Apameia 730  f. Apelles (Epikureer) 401 Apelles (Christ) 627, 635, 639– 641, 650 Apellikos 357, 379 Aphrahat 912  f., 964 Apion 624, 661, 1156 Apodeiktik 24, 278–280, 302–

1268

304, 316, 318, 555, 565, 759, 985, 1083, 1110  f., 1116, 1160 Apollodor von Seleukeia 87, 192, 390, 405, 429, 474 Apollodoros (von Xenophon erwähnt) 182 Apollodoros (Berater des ­Augustus) 406 Apollonios von Tyana 535, 606  f., 799 Appius Claudius Caecus 346 Apollinaris von Laodikeia 843 Apuleius von Madaura 537, 539, 541, 543, 549, 551  f., 887, 889, 962, 1071, 1135 Arcadius (Kaiser) 734 Archelaos (Vorsokratiker) 67, 141, 146, 148  f., 161–163, 177 Archelaos (?) (Arzt) 1105 Archiadas 735, 1004 Archimedes von Syrakus 480– 482, 508, Archytas von Tarent 66  f., 97, 104, 130, 133, 156, 218  f., 255, 376 Archytas (Pseudo) 539, 542, 546, 588 Areios (Arius) 807, 808  f. Areios Didymos 406, 476, 535, 559, 568  f., 574, 590, 785, 1151 Aretaios 597 Arētē (Tochter des Aristipp) 159, 188, 1138 Arethas von Kaisareia 1022 Arianer / arianisch / Arianismus 737, 803, 807–810, 812  f., 815, 827, 871, 920, 1045, 1062 Architektur 524, 878, 990, 1007 Aristion (Epikureer) 337, 343, 357, 403 Aristipp von Kyrene 149,152, 159, 175  f., 180  f., 187–190, 195, 205  f., 263, 384, 1127, 1138 Aristobulos 344, 369, 378, 492, 497–502, 504, 510, 613, 647, 1131, 1156 Aristokles von Messene 295  f., 360, 367, 547, 549, 554, 560, 562, 804, 979, 1052, 1064, Ariston von Chios (Stoiker) 342, 362, 367, 405, 420  f., 425, 429  f., 481, 504, Ariston von Keos (Peripatetiker) 371  f., 376 Ariston (Schüler des Antiochos von Askalon) 345, 558 Aristophanes (Komödiendichter) 127, 146–157, 171, 175, 177, 183  f., 238, 319 Aristophanes von Byzanz 370, 482, Aristos 442

Aristoteles 7–9, 17, 23–25, 271– 317, 329  f., – Aristoteles als der Philosoph (Logiker) schlechthin 8, 881, 934–938, 1051–1053, 1055, 1071, 1073  f., 1076, 1081, 1092, 1102, – Apodeiktik / Dialektik /  Sophistik 24, 302–304 – ›De anima‹ und Rezeption 282–284, 561, 764, 970, 997, 1002  f. – Eudaimoniebegriff und Rezeption 180, 304–306, 373, – grundsätzliche Bedeutung 137–144, 271, 316–322, – Rezeption im Mittel- und Neuplatonismus 543  f., 549, 748–754, 761–765, 776, 786–790, 923  f., 934–938, 953, 967–974, 982–991, 1011–1013, – Rezeption im Christentum 802  f., 822, 828, 830, 833, 862, 881, 887, 899, 934–938, 949  f., 1005, 1018  f., 1022–1026, 1030–1037, 1045, 1047–1049, 1051–1053, 1059–1063, 1070–1076, 1087  f., 1092–1094, 1096  f., 1101, 1110, – Übersetzungen aristotelischer Werke 870  f., 873  f., 961–966, 1047–1056, 1059– 1062 – logisches Werk / Organon 249, 276–280, 410, 427  f., 565  f., 732, 764, 828, 830, 906, 923  f., 934–938, 961–966, 970, 983– 986, 1053  f., 1056, 1060–1063, 1070  f., 1072  f., 1081, 1100, 1104, 1110, 1115  f., – ›Kategorien‹ und ihre Rezeption 560  f., 652, 732, 752  f., 759, 822, 862, 873  f., 887, 899, 920  f., 934–938, 961–966, 995, 1034–1036, 1047–1049, 1062, 1073  f., 1087, 1092, 1096 – ›Metaphysik‹ und ihre Rezeption 223, 274–276, 279, 284–286, 289, 295, 298–303, 308–310, 315  f., 550, 565, 701, 728, 749, 764, 776, 969  f., 994  f., 1083, 1096, 1108, 1128, 1140, 1164 – ›Nikomachische Ethik‹ und ihre Rezeption 180, 210, 273– 276, 286–289, 295, 304–306, 311, 519, 561, 620, 764, 947, 971, 986, 1019, – ›Physik‹ / Naturphilosophie und ihre Rezeption 111, 274–276, 280–282, 308, 310, 312, 761  f., 947, 969, 982, 995–

Register der Personen und Themen 997, 1003, 1018  f., 1022–1026, 1030–1034, 1045, 1063, 1096, 1128, 1146 – ›Protreptikos‹ und Rezeption 154, 156, 274, 290–294, 300, 316, 393, 466, 749, 751, 979  f. (vgl. auch ›Protreptik‹) – ›Über die Philosophie‹ und Rezeption 295  f., 391, 454, 562, 979 – Verhältnis zu Platon / zur Akademie 218, 223, 249, 261–263, 271, 450  f., – Verhältnis zum Peripatos 156, 262, 360, 369–381, 528, 557– – Philosophiegeschichtsschreibung 51, 78, 80  f., 296–299, 1140 – Ciceros Aristotelesbild 463– 465, 471–473 – über Sokrates 171  f. – über die Vorsokratiker 53  f., 72  f., 80–91, 95  f., 99, 119–122, 1140 – Begegnung mit Juden 486 Aristoxenos von Tarent 95  f., 103, 163, 175, 255, 372, 376 Arithmetik 104, 255, 311, 380, 555, 903, 989  f., 1068, 1109, 1114 Arius s. Areios Arkesilaos 262, 341–343, 349, 430, 441–451, 464, 480  f., 865 Arnobius von Sicca 515, 658– 660, 684 Ar-Razī, Abū Zakariya 989 Arrianus, Lucius Flavius 527, 577 Art (εἶδος): siehe ›Gattung /  Art‹ und ›Idee / Form‹ Artaxerxes 145 Artemon 390 Asklepiades von Bithynien 479, 598 Asklepiades (Neuplatoniker) 953, 1112 Asklepigeneia 739, 1138 Asklepiodotos (der Jüngere /  der Ältere) 767, 948, 951 Asklepios von Tralleis 935, 968  f., 970, 973, 979, 1028, 1030 Aspasia 148, 151,158  f., 161–163, 177, 322 Aspasios 519, 558, 561–565, 759, 1146  f. Assmann, Jan 69, 783 Asterios 518, 808, 810 Astronomie 133, 142, 198, 215, 254  f., 269, 311, 380, 432, 480, 508, 555, 566, 594, 648, 657, 667, 679, 703  f., 725, 818, 827,

975, 990, 993, 1068, 1104, 1109, 1114, 1152 – mit Bezug zum Astraldeterminismus 601, 818, 845  f. Ataraxie / Seelenruhe / Freiheit von Leidenschaften (ἀτα­ ραξία / ἀπάθεια) 529, 580, 832, 1009, 1050, 1168 Athanasios von Alexandrien 810–813, 855, 863, 954, 1018 Athanasios II. von Alexandrien (Patriarch) 954 Athen 33, 57, 63, 66  f., 111, 118  f., 129, 474, 481  f., 506, 508  f., 516, 523, 528, 558, 579, 698  f., 735, 813, 1126–1128, 1130, 1150, 1154, 1162, 1168 – in der klassischen Epoche 137–323 – hellenistischer Schulbetrieb 329–451, 517  f., 1152 – neuplatonische Schule 731, 736, 742–745, 752, 776, 943, 946  f., 949–951, 953, 955, 967, 971–974, 990, 991–1008, 1016, 1079, 1112, 1115, 1136, (Schließung 529) 946, 949– 951, 1118, 1134, 1136 – symbolisch 577, 655 Athenagoras von Athen 642– 648, 658, 701 Athenaios 350, 480, 485, 1153 Athenaios von Attaleia 597 Athenion 343, 350  f., 357, 379 Athenodoros 1010 Attikos (Mittelplatoniker) 539, 541, 543–545, 547  f., 761, 773, 804, 1052 Aufstieg (mystischer) 232, 241, 255, 518, 550, 666  f., 719, 721, 747, 750–754  f., 762  f., 769  f., 792, 825, 834, 838, 904–906, 937, 996, 999, 1050  f., 1054  f., 1133, 1144, 1146  f., 1163 Augustinus von Hippo 19, 631, 722  f., 732, 739, 767, 813, 841, 850, 864, 873, 877, 879, 882–900, 904, 906–908, 910  f., 921–924, 927, 945, 992, 1008, 1027, 1035, 1061, 1063–1065, 1070  f., 1150, 1156  f., 1170 – als philosophiehistorischer Berichterstatter 399, 454  f., 542, 880  f. – ciceronischer / skeptischer Einfluss 829, 885–887, 923, 1135 – didaktisch-exegetische Bedeutung / artes liberales 732, 777  f., 884, 887, 898  f., 911, 926, 1067, 1111

– Gnadenlehre: Voraussetzungen und Konsequenzen 31, 633  f., 758, 770, 880, 896  f., 899, 910  f., 921, 1136, 1158  f. – Literarisches Werk 182, 741, 922 – Philosophiebegriff 18, 884  f., 889–893, 895  f., 1143 – Verhältnis zum Platonismus 713, 719  f., 729  f., 829, 871, 886  f., 895  f., 910, 920, 927, 1064, 1135 Augustus (Kaiser) 338, 406, 535, 557  f., 566, 569, 728, 1151, Aulus Gellius 527, 529 Aurelian (Kaiser) 728, 733 Autolykos von Pithane 480 Autorität (als Argument) 70, 184, 374, 450, 459  f., 519, 574, 642, 659, 668, 672, 684  f., 747, 788, 800, 858, 889–891, 934, 972, 994, 1004, 1012, 1076, 1094, 1159 Axiothea 159, 262, 1138 Aydin, Sami 966, 1084, 1111 Babai der Große 844, 957 Baltussen, Han 955 Barbarenphilosophie / Barbarenweisheit 363, 368, 438, 481, 485  f., 501, 553, 593, 675, 767, 770, 780, 998 – Judentum als Barbarenphilosophie 438, 486–488, 498, 501, 510  f., 618, 620, 624, 770 – als christliches Selbstverständnis 645, 547, 649, 665, 706, 800, 804  f., 1016 Barḍaiṣān von Edessa 520, 524, 538, 643, 663, 686  f., 690–693, 696, 699, 845, 914, 916  f., 1135 Barḥaḏbšabbā 846, 915, 937, 945, 956, 1085, 1090, 1101– 1103, 1113, 1118, 1138 Barnabas (Apostel) 661 Barnes, Jonathan 88, 183, 212, 445, 450 Barnes, Timothy D. 653 Bar Qappara 627 Barṣaumā 945, 1099 Basileides 634–641, 652, 683, 699 Basileios der Große / von Kaisareia 732, 810, 813–829, 831, 837, 860, 862, 879, 884, 927, 958, 1018, 1020, 1036, 1094, 1104, 1133  f. Basileios von Ankyra 740 Batis 42, 358  f., 383, 388, 1138 Baumstark, Anton 976  f., 1058, 1100 Becker, Matthias 717  f., 772  f.

1269

Register Bees, Robert 192, 200, 404, 434, 439 Begierde / Begehren (ἐπιθυμία) 129, 185, 232–234, 240, 242, 246, 283, 297, 323, 637, 833, 907, 1127  f. Beierwaltes, Werner 724, 743, 1046 Bengtson, Hermann 62, 145, 336  f. Bibliothek(en) 338, 355  f., 481  f., 798, 1070 Bien, Günther 18, 288 Bild (Urbild / Abbild) 227–230, 234, 249, 424, 434, 536, 544, 554, 639, 667, 757, 761, 775, 806, 861, 888, 1004, 1039 – Bild Gottes (jüdisch-christlich) 493, 696, 825, 836, 861, 888, 893, 924 – im Sinne von Metapher / Analogie 138, 153, 235, 238–240, 287, 366, 418, 431, 804, 1052, 1073, 1116 Bildung / Erziehung (παιδεία) 165, 202, 209–212 (Isokrates), 237, 243, 254, 338, 347, 353, 401, 484, 531, 535, 547, 648, 677, 776, 813–819 (Kappadokier), 827, 830, 835  f., 838–840, 848  f., › 911, 950, 1006  f., 1134, 1141, 1147  f., 1153, 1155, 1162 – griechische / hellenische /  weltliche 146, 271, 487, 817, 849, 855, 882, 884, 920, 1070, 1096, 1162  f. – philosophische 159  f., 162, 241, 344, 417, 457, 470, 507, 630, 657, 667, 683, 697, 740, 829, 950, 1021, 1023, 1044, 1089, 1096, 1134, 1140  f., 1149 – politische 38, 151, 209, 248, 265, 1126 Biographie / Vita (antike literarische Gattung) 94  f., 97, 175, 271, 340, 356, 358, 376  f., 382  f., 474–476, 589  f., 606, 744, 751, 774  f., 793, 957, 970, 992, 1092 – christlich 811, 818, 917, 958, 1014, 1106 Bion von Borysthenes 341, 347, 355, 361–368, 481, 593 Blossius aus Cumae 347, 354, 358, 407, 440, 452, 507 Blumenthal, Henry J. 787, 938 Böses / Schlechtes (Erklärung des) 239, 385, 545, 634  f. (Gnosis), 651, 655, 663, 684, 746, 749, 773, 831, 852, 877, 886, 888, 895, 1039, 1046 – Erkenntnis / Wahl von Gut

1270

und Schlecht / Böse 185, 254, 495, 782, 1158 Boethius, Anicius Manlius Seve­ rinus 19, 565, 760, 873, 904, 935–938, 942, 949, 951  f., 957, 959, 961–965, 971, 984, 1040, 1053, 1060–1069, 1070–1072, 1086, 1107–1118, 1136  f., 1144, 1150 Boethos von Sidon 369, 437, 558, 560, 563, 593 Boethos (Stoiker) 480 Böhner, Philotheus 21 Bonitz, Hermann 307 Brahmanen (›Gymnosophisten‹) 362–364, 367, 486, 607, 609, 1016, 1156 Bremer, Dieter 59, 73, 77, 80, 108, 163, 167 Brief (als philosophische Textform) 41  f., 262, 269, 323, 359  f., 383, 388–390, 421,485, 531, 537, 585, 631, 694–696, 787, 811, 829  f., 832, 850, 887, 897, 1018, 1038, 1092, 1129, – ›Siebter Brief‹ (Platons) 217, 219, 250  f., 323 Brisson, Luc 82, 148, 177, 239, 266, 451, 669 Brock, Sebastian P. 687–689, 952, 1047, 1056, 1076  f., 1100 Brüllmann, Philipp 287, 290  f., 294 Bruns, Peter 661, 845, 850, 914, 1074, 1099 Brutus, Marcus Iunius 347, 453 Bryson 129 Buchheim, Thomas 106, 167 Burkert, Walter 103, 105, 108, 120, 258, 291 Caelius Aurelianus 598, 793 Caesar, Gaius Iulius 347 Calcidius 720, 732, 741, 819, 864, 869  f., 911, 1135 Calpurnius Piso 382 Čaloyan, Vazgen K. 1075  f. Caluori, Damian 952, 991 Calzolari, Valeria 960, 965, 1075, 1077 Cameron, Averil 951, 993 Camplani, Alberto 643, 690  f. Caracalla 559 Cassiodor 455, 864, 870, 899, 903, 907, 937, 942, 964, 1052, 1070–1074, 1099, 1107–1118 Cassian: siehe ›Johannes Cassianus‹ Cassius Longinus: siehe ›Longin‹ Catapano, Giovanni 723, 884, 889 Catius Insuber 453

Cato der Jüngere 347, 465, 578 Celsus, Aulus Cornelius 124  f., 477, 596–599 Centrone, Bruno 266, 379 Chairemon von Alexandria 569, 1151 Chairephon 149 Chalkedon 1056, 1069 – Konzil von Chalkedon 944, 1022, 1035, 1086, 1088, 1091 – chalkedonensische Christologie / ›Neuchalkedonismus‹ 937, 945, 959, 1022, 1035, 1044, 1056, 1086  f., 1095–1097, 1100, 1113 Chamaileon 376  f. Charlton, William 968, 987 Charmadas 448 Cherniss, Harold 53, 84, 297 Chiaradonna, Riccardo 451, 516, 518, 520, 546, 550, 715, 743, 746–748, 753 Chiesara, Maria L. 267, 296, 451, 968, 979 Chorikios 1014 Chosroes: siehe ›Ḫusro III. Anūšīrwān‹ Chrēsis (Gebrauch antiker Philosophie im Christentum) 22, 648, 665, 725, 817, 850, 880, 884, 1094 (vgl. auch ›Philosophie‹, als Magd) Chrie 196, 200, 359, 364  f., 537  f., 585 Christodoros 950 Christologie 19, 652, 803, 822, 842, 855  f., 923, 941, 1028, 1037, 1044, 1060, 1086, 1088, 1116 Chrysanthios von Sardeis 734, 773, 775 Chrysipp von Soloi 29, 52, 342, 357, 360, 405, 407  f., 418, 421  f., 425, 428–430, 439, 504, 506  f., 550, 569, 582, 828, 1129, 1141  f., 1150 Chuvin, Paul 729, 737, 942, 951 Cicero, Marcus Tullius 259, 347, 352, 357, 371, 408, 426, 446, 451  f., 457–473, 516  f., 543, 603, 619, 664, 900, 902, 923, 1135, 1155, 1170 – Transfer von Philosophie ins Lateinische / nach Rom 7, 39, 347, 452  f., 456, 473, 506, 571, 1135, 1144, 1146, 1163 – Dialogform 463  f., 614 – philosophiehistorische Mitteilungen 67, 101–103, 161, 172, 267, 318, 358, 365, 373, 395, 397, 421, 436, 440, 445– 450

Register der Personen und Themen – ›De inventione‹ und Rezeption 161  f., 457, 462, 870, 1067 – ›Hortensius‹ und Rezeption 466, 732, 885, 889, 895  f. – politische Aktivität und Reflexion 35, 459, 461, 506, 1011, 1151, 1168 – Vereinigung von Rhetorik und Philosophie 172, 216, 434, 448, 471–473, 1115, 1148 – christliche Rezeption 865, 867, 869, 875, 879, 882, 889, 891, 1063, 1065, 1067 Claudianus Mamertus 741, 907– 910, 1064 Clemens von Alexandrien 18, 498, 515, 532  f., 538, 583, 587, 618, 622, 657, 661, 662–668, 669, 675–677, 679, 683  f., 699  f., 703  f., 806, 854, 1131, 1134, 1141  f., 1146, 1156 Constantius, Flavius Valerius 734, 789 Cooper, John M. 27  f., 30  f., 172  f., 184, 330, 387, 402, 404, 418, 462, 470, 503–505 Cornutus, Lucius Annaeus 411, 568  f., 574, 576  f., 706, 1155 Courcelle, Pierre 877, 1065 Crescens 706 Curriculum 157, 224, 247, 275  f., 307, 334, 431, 530, 554, 564, 600, 777, 898, 905–907, 911, 923, 936, 959, 970, 975, 1008, 1017  f., 1047, 1049, 1051, 1056, 1070, 1105, 1110  f., 1114, 1145  f. (vgl. auch ›Neuplatonismus‹, Curriculum) Cyprian von Karthago 658–660

– – – – – –

Dalfen, Joachim 215, 253 Damaskios 82, 377, 737, 742, 766, 935, 942  f., 949–955, 960, 967, 970, 975, 990, 991–1008, 1010, 1018, 1031, 1040, 1106, 1112–1114, 1118, 1136, 1138 Daniélou, Jean 819  f. Darge, Rolf 1159  f. David (›der Unbesiegbare‹) 919, 935, 940  f., 952, 961  f., 968–972, 976, 980  f., 982–985, 987  f., 1003, 1052  f., 1059, 1069, 1074–1078, 1083  f., 1108, 1110  f., 1118, 1136 Definition 193, 280, 719, 737, 784, 861, 1092 Definitionen der Philosophie – Allgemein 36  f., 288, 586, 592, 782, 977–980, 1143  f., 1167 – Ähnlichwerden mit Gott 36  f., 924, 1107, 1143  f., 1146 – Griechisch 244  f., 256, 306,



– –

320, 323, 392, 492, 547, 556, 563, 573, 588, 701, 756  f., 780, 782, 788, 791  f., 978, 980–982, 988, 998, 1006, 1106 – Griechisch-Christlich 652, 667, 676, 815, 825, 853, 857, 861, 1029 – Lateinisch 877, 911, 1072, 1106, 1144 – Syrisch 1049–1051, 1058, 1083, 1144, – als Nachahmung Gottes 37, 924, 1144 Geschenk Gottes 52 – Griechisch 258, 551, 667, 695, 998 – Lateinisch 466, 573, 901 – Syrisch 695 gute / rechte Lebensführung (und Verwandtes) 392, 702, 758, 857, 872 Medizin / Heilung der Seele (vgl. auch ›Seele‹, Sorge um die) – Griechisch 117, 121, 123, 168, 197, 393, 421, 425, 446, 546  f., 850, 857, 980, 998 – Lateinisch 467, 857, 980 Mutter aller guten Dinge /  aller Fertigkeiten 466, 572, 904, 1057, 1104, 1106, 1116 Sorge um den Tod (und Verwandtes) 36, 911, 1107, 1143  f. – Griechisch 243  f., 257, 320, 388, 392, 780, 978 – Christlich 664, 848, 876, 1072 – Lateinisch 460, 876  f., 901, 1072 Streben nach Weisheit (und Verwandtes) 9, 36, 1107, 1140, 1143 – Griechisch 75, 101  f., 110, 131, 137, 142, 147, 156, 238– 243, 293, 297  f., 316, 320, 363, 395  f., 423  f., 546, 701, 756, 979, 1001 – Griechisch: Jüdisch / Christlich 501, 618, 664, 666  f., 824, 840 – Lateinisch 466  f., 571  f., 675, 866, 885, 889  f., 893, 895  f., 898, 1064, 1068 – Syrisch / Armenisch 1058, 1077, 1143 Wissenschaft vom Seienden qua Seienden 299–301, 647, 762, 1042, 1106, 1143  f. – Syrisch 1058, 1083 Wissen(schaft) von den menschlichen und göttlichen Dingen (und Verwandtes)

36, 352, 503, 588, 701, 924, 1107, 1143 – Griechisch 423–426, 429, 546  f., 562, 758, 977, 980, 1106 – Jüdisch 498, 619, 623 – Griechisch: Christlich 647, 664, 701, 872, 924, 1072, 1144 – Lateinisch 466  f., 572, 866, 874, 911, 1072 – Syrisch 1083 – Wissenschaft der Wissenschaften (und Verwandtes) 36, 911, 1143  f. – Griechisch 780, 825, 838, 978, 989, 1107, 1132 – Lateinisch / Syrisch 901, 989, 1072, 1083 – Weitere Definitionen 212, 546, 564, 664, 757  f., 980, 1083, 1106 Demetrios I. (Seleukide) 342, 356 Demetrios Lakon 382, 391 Demetrios von Phaleron 343  f., 354  f., 357, 369, 379, 381, 472, 482, 486, 491  f., 507 Demiurg 233–235, 256  f., 414, 493, 545, 602, 637  f., 743, 754, 782, 973 Demochares 340 Demokratie / demokratisch 115, 122, 139  f., 145–147, 177, 217, 250, 354, 475, 524, 575, 607, 704, 989, 1011, 1149, 1151 Demokrit 56, 66, 85, 120–123, 124, 130–133, 166, 168, 289, 386, 393, 477, 504, 805, 1101, 1126 Demokriteer / demokriteisch 367  f., 381, 384, 477, 487 Demonax 523, 584–586, 509 Determinismusproblem 235, 281, 372, 385  f., 414, 418, 545, 560  f., 691, 845, 937, 1062 Dialektik 54, 113, 189  f., 192, 395, 397, 404, 549  f., 555, 725, 762, 879, 909, 953 – platonische s. ›Platon‹, Dialektik – aristotelische (vs. Apodeiktik / Sophistik) 279, 302–304, 316  f., 555, 565, 763, 789 – stoische 268, 397, 404, 408, 410, 427  f., 434, 443, 455, 1145 – unter den freien Künsten 349, 428, 524  f., 777  f., 898–900, 905–907, 911, 934, 1071, 1073, 1104, 1109, 1111, 1116, 1149 – christlich 666, 677, 815, 825, 828 Dialog (philosophische Form) 453, 538, 646–648, 658,

1271

Register 690–692, 699, 741, 921  f., 1010–1012, 1014  f., 1018–1022, 1077  f., 1131, 1159 – platonischer: siehe ›Platon‹, Dialoge Platons – aristotelischer 272  f., 284, 290, 292, 316, 323, 464, 557, 1154 (siehe auch ›Cicero‹, Dialogform) – Religionsdialoge am Perserhof 944 Diatribe 364  f., 421, 490, 527, 537, 694, 764 Di Branco, Marco 1010 Dichtung / Dichter 52  f., 65, 69  f., 77–82, 92, 94, 111  f., 165, 346, 359  f., 362, 377, 434, 452, 454, 554, 577, 593, 725, 766, 903, 905, 1133 – im religiösen Zusammenhang 47, 141, 256, 309, 315, 399, 435, 471, 509  f., 1133, 1155 – Lehrgedicht 41, 111  f., 115, 132, 346, 359, 383, 400, 402, 422, 453, 950, 997, 1154 – philosophische Erklärung und Kritik 129, 213, 257, 323, 401, 434, 555, 658, 903 – jüdisch-christliche Kritik und Rezeption 498  f., 510, 644, 648, 658, 797, 827, 908 Didymos der Blinde 829, 830  f., 1134 Diels, Hermann 54, 58, 77, 83, 589 Dihairese(n) 219, 226, 249, 549, 972, 982 Dihle, Albrecht 335, 350, 704, 888 Dillon, John 543, 564, 869 Diodor von Tarsus 844  f., 846  f., 855, 1099, 1134 Diodoros Kronos 190  f., 341, 404 Diodorus Siculus 95, 345 Diodotos 457 Diogenes (Stoiker) 429 Diogenes Laertios 52, 78, 86, 95, 102, 106, 108, 121, 159, 172, 192  f., 198, 273, 360, 364, 367, 376, 383, 395–397, 405, 408, 427–429, 451, 475  f., 585, 591–593 Diogenes von Apollonia 66  f., 70, 73, 111, 113  f., 126, 131, 147  f. Diogenes von Oinoanda 383, 579, 613 Diogenes von Seleukeia / Babylon 342, 406–408, 419, 422, 428  f., 432, 437, 439  f., 506

1272

Diogenes von Sinope 189, 192  f., 195–200, 361–363, 366, 780, 791, 1150 (vgl. auch Kyniker) – Christliche Rezeption 817, 908 Diokles von Karystos 432 Diokles von Magnesia 476 Diokletian 713, 728, 1132 Dion (Freund Platons) 218 Dion (Schüler des Antiochos von Askalon) 345 Dion von Prusa (Chrysostomos) 533, 535  f., 576, 604  f., 606–608, 698, 784, 788, 840, 848, 1131, 1141, 1148 Dionysios (Tyrann) 476 Dionysios I./II. (Tyrannen von Syrakus) 218 Dionysios Areopagites (biblische Person) 699, 956, 1038 ›Dionysios Areopagites‹ (Pseudonym) 937, 939, 941, 947, 951  f., 956  f., 963, 965, 987, 1038–1043, 1044–1046, 1048  f., 1053  f., 1063, 1087, 1098, 1103, 1111, 1113, 1136, 1138 Dionysios von Alexandria (Bischof) 579 Dionysios Thrax 432, 1152 Döpp, Siegmar 909, 1061  f. Döring, Klaus 174, 176, 190, 194 Dörrie, Heinrich 21, 262, 521, 724 Dogma / Dogmatik (im späteren christlichen Sinne) 1057, 1113, 1132, 1147 Dogmatismus / dogmatische Philosophie 54, 125, 138, 329– 332, 380, 441–444, 448  f., 456, 458, 460, 473, 509, 517, 519, 540, 581–583, 593, 596  f., 697  f., 700, 714, 804, 807, 857, 870, 952, 964  f., 991, 1097, 1105, 1169  f. (vgl. ›Skepsis‹, Skeptizismus und Dogmatismus) – in der Medizin 477–479, 597–599 Dogmen / Lehrsätze / Sentenzen (philosophischer Richtungen) 30, 99  f., 259, 332, 359, 388–390, 402, 449, 504, 518, 678, 724, 738  f., 809, 814, 831, 843, 859, 1022  f., 1057, 1165 Doxographie / Doxographen (Allgemein) 68, 83, 197, 374, 380, 406, 408, 423, 428, 475  f., 573, 589–591, 616, 645, 651, 653, 659, 812, 847, 852, 862, 879, 1045, 1129 – Methodische Besonderheiten 83  f., 88, 91  f., 138, 360, 370, 446, 581, 597

– Vorsokratiker-Doxographien 58, 90, 162  f. Drecoll, Volker 883, 896 Ebbesen, Sten 1062  f. Edessa (Urfa) 524, 686–688, 733, 756, 914 – Schulen in Edessa 844, 912, 945, 1013, 1023, 1088, 1099, 1117 Egnatius 346 Eines (das Eine) 231, 721, 745  f., 750, 755  f., 762  f., 768, 799, 803, 823, 839, 1132, 1146, 1164 Einteilungen der Philosophie – Allgemein 37, 42, 46, 60, 85, 247, 270  f., 306–308, 317, 320  f., 427–429, 521, 548–551, 562–565, 592  f., 673, 676  f., 701  f., 719, 759  f., 911, 925, 975–977, 981–983–985, 1109  f., 1145–1148, 1163  f. – Logik (Kanonik) / Physik /  Ethik (›stoische Einteilung‹) 37, 198, 267, 307, 395–397, 404, 409, 418, 423  f., 426–431, 441, 450  f., 467, 503, 548, 563  f., 582, 585, 594, 600, 620, 702, 925, 1145 – christlich 677, 804, 867, 875, 879, 893, 908 – Ethik / Physik / Logik (Dialektik) 467, 547–549, 574, 591  f., 702, 780, 925 – Ethik / Physik / Metaphysik (Theologie / Epoptik) (»spätantikes Curriculum«) 37, 550, 564, 588, 702, 925, 1108, 1146 – christlich 665, 676, 832  f., 861, 875, 879, 911, 1017, 1133 – Ethik / Logik / Physik / Metaphysik (Theologie) 275, 702, 759, 777, 925, 983, 1108, 1133, 1146 – Physik / Metaphysik / Theologie 375 – Theoretische / Praktische Philosophie (»aristotelische Einteilung«) 37, 1145, 1151 – in philosophischen Schulen 263, 276, 306–312, 317, 321, 375  f., 563  f., 592–595, 702, 759, 780, 788, 825, 925, 978, 981  f., 988, 1002, 1107  f. – jüdisch 619  f., 622 – christlich 824, 832, 835, 838, 853, 857, 869, 893, 908, 911, 982, 1017  f., 1050  f., 1053, 1057  f., 1064, 1066  f., 1077, 1084, 1109  f., 1116, 1142 – Einteilung anhand der aristo-

Register der Personen und Themen telischen Schriften 273  f., 760, 982, 1003, 1084 Einteilungen der Praktischen Philosophie / Praxis – Christliche Unterteilungen 826, 833 – in gesetzgebenden und richtenden Teil 981  f., 988, 1051, 1109 – Ethik, Politik, Ökonomik 37, 549, 595, 780, 869, 981, 1051, 1066, 1108, 1145, 1164 Einteilungen der Theoretischen Philosophie – Physik / Mathematik / Metaphysik (Theologie) 37, 317, 320  f., 563, 780, 981, 1002, 1104, 1108  f., 1145, 1164 – Physik / Theologie (Metaphysik) 413, 759  f., 764, 853, 1147, 1149 – Physik / Theologie / Logik 869 Eirenaios (Irenaeus) von Lyon 382, 636–638, 643, 649–653, 663, 691, 807, 812, 828 Eklektizismus / Eklektiker 35, 457, 516  f., 519  f., 593, 714 Elea (Velia) 63, 66, 92, 111 – Gast aus Elea 220, 228 Eleaten 53, 56, 74, 94, 111, 113, 130, 166, 592 – eleatische Sukzession 92, 592 Elias (Neuplatoniker) 292, 935, 941, 952, 954, 968  f., 971, 973, 976, 979–980, 981–985, 988, 1052, 1069, 1071, 1106, 1108– 1110, 1115, 1136 Elias (Pseudo-) 948, 959, 975  f., 989, 1116 Empedokles 58, 63, 66, 70, 73–76, 106, 115–118, 119, 121, 124, 126–128, 130–133, 162, 168, 216, 475  f., 652, 1126, 1149 Enkyklios Paideia (ἐγκύκλιος παιδεία) s. ›Freie Künste‹ und ›Zirkel der Lehre‹ Ennius, Quintus 346, 452, 466 Ephesos 65, 106, 508, 731 Ephrem der Syrer 690, 713, 722, 847, 912, 914–917, 919, 922  f. Epiktet 365, 418, 421, 527, 529, 537, 539, 568–578, 583, 588, 595, 618, 659, 695, 698, 701–703, 706, 754, 764, 989, 995, 1004, 1006  f., 1114, 1132, 1141, 1157 Epikur 8  f., 52, 99, 119, 123, 190, 329, 333, 342  f., 350, 362  f., 367  f., 372, 381–403, 404  f., 407, 409  f., 433, 441, 455, 503  f., 506, 509, 556, 603, 673, 706, 721,

723, 830, 1101, 1129  f., 1142, 1144, 1146, 1154, 1170 – in der epikureischen Frömmigkeit 389, 400 Epikureer / epikureisch 8, 30, 224, 259  f., 329  f., 332, 334, 337, 341–349, 355–358, 361, 370, 372, 381–403, 404, 406  f., 421, 424, 439, 441, 444, 447, 453, 457, 463, 474, 486, 499, 503– 508, 517, 519  f., 523, 528, 539  f., 547  f., 577, 579, 592, 607, 613, 698, 702, 768, 791, 866, 909, 1129  f., 1135, 1138, 1144–1147, 1154  f., 1162, 1165  f., – Kritik an Platon und Sokrates 171, 223, 397  f. – politische Aktivität 355–357, 1150 – wissenschaftliche Tätigkeit 401, 508, 1152 – literarische Formen 99, 359  f., 389–391 – Rezeption im Judentum und Christentum 613, 616, 628, 632, 644, 646, 659, 663, 673, 682, 725, 794, 805, 810, 812, 819, 830, 866, 876, 909, 919, 923, 1045, 1065, 1101 Epimenides 80 Epiphanios von Salamis 637, 812–813, 863 Epoche (der antiken Philosophie): vgl. jeweils am Anfang der Behandlung jeder Epoche Epoptik: siehe ›Mystik‹, philosophische Erasistratos 477, 482, 509 Eratosthenes von Kyrene 94, 355  f., 364, 432, 480–482, 507  f., 593  f., 1146, 1150, 1152 Erkenntnis 102, 107, 109, 131, 156, 169, 183, 193, 201, 205  f., 225–229, 236, 241  f., 248, 250, 252, 276–280, 302, 308, 318–320, 375, 410–413, 417, 443, 445, 551, 565, 606, 660, 664–667, 676, 678, 695, 780, 782, 798, 832, 853, 909, 925, 928, 956, 977  f., 980, 1002, 1050, 1062, 1083, 1106, 1140, 1150, 1158, 1165  f., 1169  f. – Ideen- / noetische Erkenntnis 137, 228–232, 255, 266, 318, 759, 763, 1127, 1163 – rationale 28, 232  f., 618, 1129, 1159 – sinnliche / empirische 93, 116, 137, 310, 385  f., 397, 410  f., 753 – gewisse / zuverlässige / Ursachenerkenntnis 93, 112, 153,

225, 228, 279, 308, 320, 396, 410, 500 – Erkenntniskritik / -skepsis 101, 181, 214, 219, 367  f., 444, 446, 473, 504, 581, 697  f., 1127, 1130, 1155 – Möglichkeit / Grenzen von 153, 169, 186, 190, 221, 232, 595, 601, 633, 889, 1089 (vgl. auch ›Gotteserkenntnis‹, ›Selbsterkenntnis‹) Erkenntnistheorie 141, 188– 190, 193., 205, 225–229, 263, 280, 299, 307, 318  f., 386  f., 410–413, 443, 565, 581, 588, 595, 601, 663, 684, 721, 1152  f., 1165 Erkenntnisvermögen / -arten / -formen 283, 299, 1144 Erler, Michael 77, 253, 359, 398 Ethik 108, 110, 121, 138, 141, 152, 154, 188, 191–194, 231  f., 263, 270, 276, 286  f., 373, 415– 421, 467  f., 519, 559, 567, 574, 585, 601  f., 702, 721, 725, 784, 787, 902, 986, 1152 – Einführung der Ethik durch Sokrates 162  f., 171  f., 451 – Methodische Besonderheit 280, 311–313, 1128 – hellenistische Ethik 330–332, 335, 386–389, 404  f., 415–419, 431, 447, 503  f., 507, 1165 – jüdisch-christlich 489, 492, 620–622, 666, 674, 804, 818, 825, 937, 1054 – als erste Stufe des Aufstiegs zur transzendenten Schau 518, 562, 666, 702, 761, 764, 937, 1054 – populäre / paränetische Ethik 371, 420, 430 – Teile der Ethik 420  f.. 427, 549, 554 (vgl. auch ›Einteilung der Philosophie‹ / ›Einteilung der praktischen Philosophie‹) Eucherius von Lyon 908 Eucken, Christoph 210 Eudaimonie / Glück(lichsein) 22, 27, 31, 121, 179  f., 188, 194  f., 202, 214, 263  f., 353, 372–374, 379, 449, 540, 562  f., 579, 583, 585, 612, 728, 757  f., 775, 779, 937, 1129  f., 1136, 1144–1146, 1158  f., 1164–1167 – Platon 179  f., 232, 241, 253 – Aristoteles 286  f., 293, 304– 306, 314  f. – Epikur 385, 392  f., 398 – Stoa 409, 415, 425 – Jüdisch / Christlich 490, 630,

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Register 633, 647, 861, 880, 884  f., 890  f., 897, 902, 1052 Eudemos 344, 369, 377  f., 380, 1004 Eudoros von Alexandria 500, 517, 539, 541  f., 547–550, 574 Eudoxos von Knidos 153, 218, 261, 263, 269, 607 Eugenios (Vater des Themistios) 730 Eukleides (Euklid) aus Megara 149, 152, 175, 181, 187, 190– 192, 217, 219, 1127 Euklid von Alexandria (Mathematiker) 380, 480–482 Eunapios von Sardes 592, 717  f., 720, 729, 731, 739, 773, 775– 778, 793, 926 Eunomios 807, 809  f., 812  f., 822, 843, 862, 922, 1134 Euphantes von Olynthos 356 Euphrates 535, 569, 575, 578, 607, 704, 1151 Euripides 72, 74, 78  f. Eusebios von Kaisareia 295, 532, 545, 579, 586  f., 650, 668, 683, 694, 713, 718  f., 728, 738, 744, 766, 776, 783, 796–807, 808, 828, 841, 852, 860–862, 894, 899, 913, 919  f., 922, 926  f., 956, 1052, 1101, 1133  f., 1141  f., 1151 Eustathios 733 Eutokios 968, 975, 989 Evagrios Pontikos 719, 738, 741, 829, 831–836, 861–863, 907, 925, 937, 956  f., 1016  f., 1050, 1088, 1098, 1134, 1164 Ewigkeit der Welt 282, 295, 378, 415, 437  f., 616  f., 626, 761, 773, 821, 954, 978, 1018  f., 1026, 1029–1033, 1062, 1133, 1137 Eznik von Kolb 713, 918  f., 922, 964 Fatum / Schicksal (εἱμαρμένη) 378, 385  f., 413  f., 418  f., 422, 425, 435–439, 545, 560  f., 570, 573, 576, 579, 593, 672, 643, 691  f., 768, 859, 891 Favonius Eulogius 900–903 Favorinos von Arles 543, 604 Fertigkeit (τέχνη) 71, 126, 131, 155, 202, 210–212, 216, 226, 253, 265, 269, 276, 279, 289, 299, 313, 321, 401, 423–426, 433, 446, 450, 468, 530, 536, 562, 572, 575, 758, 825, 838, 840, 872, 978, 983, 989  f., 1007, 1053, 1071, 1083, 1109 – in Bezug auf das Leben (τέχνη περὶ τὸν βίον / ars vivendi) 352, 392, 424, 446, 571

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– Rhetorik als Fertigkeit 379, 508, 583, 621, 872 – politische Fertigkeit 122, 168 Fiori, Emilio 939 Flashar, Hellmut 40, 47, 53, 77, 271, 290, 294, 309, 331, 360 Flavius Valens 731, 789, 827 Foucault, Michel 139, 173, 251 Form (εἶδος): siehe ›Idee / Form‹ Fragment (Überlieferung von / Umgang mit Fragmenten / Fragmentsammlungen) 54, 58, 77, 84  f., 142  f., 175  f., 192, 290  f., 336, 360, 362, 375, 408  f., 474  f., 539, 541 Frede, Dorothea 302 Frede, Michael 12, 285 Freie Künste / Bildung für Freie 170, 265, 300, 314, 352, 428, 433, 575, 703, 732, 1094, 1104, 1109 (vgl. auch ›Zirkel der Lehre‹) – sieben freie Künste (septem artes liberales) 456, 524, 777  f., 825, 884, 898  f., 903, 905  f., 911, 926, 1067, 1069  f., 1073  f., 1104, 1109, 1111, 1114–116, 1149 Freie Zeit / Muße (σχολή, otium) 64, 246, 323, 457 Freiheit / frei 14, 72, 89, 142, 147, 189, 195, 218, 271, 388, 523, 525, 586, 714, 816 – Freiheit durch Philosophieren 246, 265, 300, 319, 352  f., 421, 571–573, 578, 607, 609, 614, 696, 698, 791, 892, 902 – handlungstheoretisch (Willens- / Handlungsfreiheit) 172, 231, 385  f., 418, 471, 561, 617, 634, 643, 651, 655, 672, 691–693, 747, 823, 831, 881, 915, 1050, 1062, – politisch 103, 115, 122, 148, 159, 265  f., 271, 300, 314, 352  f., 840 – Freiheit von Angst / Leidenschaften / Übeln / Schmerz etc. 121, 250, 283, 372, 384, 398, 400, 402, 409, 446, 659, 832, 857, 909 – Zweckfreiheit 132, 159, 288, 297  f., 300, 304, 323, 353, 777 Freimut / freie Rede (παρρησία) 146, 196, 212, 251  f., 353, 388  f., 391, 397, 525, 536, 545, 586  f., 609, 648, 705, 766, 824, 848  f., 913, 1007, 1012, 1068 Fronto, Marcus Cornelius 535 Fuentes González, Pedro P. 364, 900

Gaios (Mittelplatoniker) 541 Gaius (Kaiser) 614 Gaius Calpurnius Piso 347, 382 Gaius Rabirius 453 Galen (Klaudios Galenos) 421, 434, 477  f., 520, 529, 533, 583, 589, 596–599, 600–603, 612, 683, 698  f., 703, 706, 1049, 1105, 1114, 1116, 1132, 1153, 1157, 1170 Gamaliel II. 626  f. Gattung (γένος) / Art (εἶδος / species) 228  f., 277, 280  f., 284, 423, 429, 560, 566, 638, 753, 760, 843, 856, 1000, 1050, 1066, 1082 – μέγιστα γένη 228 Gattung, literarische 84, 207, 262, 294  f., 362, 364–366, 376  f., 489, 537–539, 560, 571, 641, 657, 722, 781, 814, 988, 1042, 1098 Gaza 1012–1014, 1104, 1115, 1117 Geist / Intellekt (νοῦς) 54, 56, 92, 107  f., 113, 119, 138, 279, 374, 542, 551  f., 618, 632, 637, 750, 835, 839, 841, 988, 1000, 1125 (vgl. ›Heiliger Geist‹) – göttlicher 554, 619, 643, 706, 1033 – im Unterschied zur Seele 229, 234, 283  f., 286, 561, 693, 745  f., 750, 755–757, 762  f., 768  f., 791, 871, 973, 1132 – im Sinne von Verstand (mens) 393, 429, 1064 Gelasius I. (Papst) 1157 Geminos 422, 480, 508, 1007, 1152 Gennadius von Marseille 964 Geographie / Geograph 57, 65. 68, 108, 133, 432, 438, 480, 566, 593  f., 901, 1125, 1152 Georg der Araberbischof 961 Geometrie 72, 103  f., 133, 198, 215, 226  f., 254  f., 269, 311, 380, 400, 433, 480  f., 509, 555, 648, 657, 660, 667, 679, 703  f., 818, 824, 827, 905, 989  f., 1007  f., 1068, 1109, 1114, 1163 Gerechtigkeit 150, 179, 189, 233, 314, 346, 354, 444, 461, 470, 826, 865, 868, 913, 1050 – als Tugend 209, 244, 255, 265, 318, 323, 566, 755 – göttliche Gerechtigkeit 245, 257, 617 Gerson, Lloyd 19, 295, 715 Geschichtsschreibung / Historiographie 65, 67, 131, 133, 145, 167, 536, 566, 1125

Register der Personen und Themen – der antiken Philosophie 14, 20, 714 Gesetz (νόμος) / Gesetze 113, 141, 163, 166, 189, 196, 199, 211, 252, 363, 759, 819, 850, 868, 1042 – der Polis / eines Volks oder Staates 110, 147, 150  f., 153, 168, 184, 194  f., 199  f., 210, 213, 252, 257, 323, 354  f., 435, 438–440, 458  f., 461, 468, 580, 583, 585, 691, 781, 868, 904 – rationales / universales / ›natürliches‹ 440, 506, 461, 633, 759, 1150 – jüdisches 487–492, 499, 553, 614, 621, 625, 626057, 633, 666, 668, 804, 1045 – kosmisches 400, 414, 425, 439, 625 – und Philosophie 314, 402, 988 Gesetzgebung / Gesetzgeber 203, 213, 241, 252, 583, 605 – durch Philosophen / Philosophie 355, 409, 668, 800, 846 (vgl. ›Einteilungen der praktischen Philosophie‹) – jüdische 484, 491, 498, 500, 621, 623  f., 668, 676 Gesios 1007, 1048, 1105 Gewissen / Gewissenserforschung 26, 97, 130, 172, 185, 389, 492, 632, 752, 1068, 1126, 1129 Gianantonni, Gabriele 172 Gigon, Olof 295, 375 Gilson, Étienne 21, 458 Glaube 152, 177, 183, 345, 530, 656, 684  f., 773, 800, 867, 891, 1082, 1157 – christlicher 22  f., 39, 602, 622, 631  f., 638 (Definition). 640, 652  f., 659  f., 662  f., 666–668, 675, 693, 700, 706  f., 737, 744, 772, 800, 810  f., 815, 818, 828, 833, 851, 853, 878, 884, 886, 888, 895, 897, 900, 921  f., 1020, 1024, 1069, 1088–1090, 1145, 1157  f., 1160  f., 1167 – Glaube und Wissen s. ›Wissen‹, Wissen und Glaube Gleede, Benjamin 938, 1021  f., 1024, 1088 Glucker, John 373, 460 Gnade / Gnadenlehre 739, 758, 769  f. – christlich 27, 31  f., 720, 882–884, 896  f., 921, 927, 1096, 1158  f. Gnilka, Christian 21  f., 725 Gnostiker / gnostisch 329, 520,

532  f., 543, 634–641, 650–653, 687, 699, 720, 748, 771, 774, 807, 832, 872, 1132 Gorgias von Leontinoi 53, 76, 111, 113  f., 118, 149, 164–170, 198, 207, 214, 216, 253, 1126 Gott / Götter 714, 867, 895, 1146 (Gott der Philosophen) 656 – griechisch-römisch 78, 80, 87, 90, 92  f., 97, 117, 122, 132, 151  f., 177, 183, 190, 199  f., 235, 237–239, 244, 246, 256  f., 269, 306, 309, 314  f., 366, 385, 387  f., 392  f., 398, 400, 414, 435–438, 455, 470  f., 475, 487, 509, 551  f., 566, 573, 576–583, 586, 588, 603, 661, 688, 691, 721, 755– 758, 762  f., 766–769, 781–784, 797, 803, 805, 811, 892, 901, 954, 973, 978  f., 998  f., 1005  f., 1133, 1155 – jüdisch 487  f., 490, 493, 495– 501, 553, 616, 620, 631, 858 – christlich 633–635, 639  f., 642–647, 652, 659, 667, 671–673, 675  f., 678, 681. 691  f., 694–696, 699, 719, 721, 782, 797–799, 803, 807–811, 815, 817, 820, 822  f., 830, 834, 838, 846, 856–858, 860, 867  f., 893, 895–898, 914  f., 918, 927, 988, 1017–1020, 1022, 1034  f., 1039–1042, 1046, 1051  f., 1056, 1062, 1072, 1082, 1089, 1096, 1101, 1133, 1137, 1150, 1157  f., 1164 – Gott / Götter und Mensch 81, 239, 414, 810, 860, 893, 1017 (in Christus) 822, 844, 846, 923, 944, 960, 1137 – höchster / erster / ungezeugter Gott 92, 94, 542, 544  f., 551– 553, 635, 768, 781  f., 807–811 – Rede von Gott 815, 1039, 1056 Gottesbeweis 387, 398, 462, 620 Gotteserkenntnis 93, 315, 562, 624, 633, 656, 658, 671, 695  f., 780, 815, 835  f., 853, 867  f., 875, 884, 1039, 1041, 1052 Goulet, Richard 47, 273, 500, 535, 669, 773, 783, 905 Goulet-Cazé, Marie-Odile 193, 364, 404, 538 Grabmann, Martin 844, 1023, 1027 Gracchen (Tiberius und Gaius Gracchus) 347, 354, 358, 440, 507 Graeser, Andreas 77, 137, 188 Grammatik 24, 157, 215, 338, 380, 428, 432, 434, 524, 534,

576, 581, 657, 667, 703, 777, 789, 835, 875, 888, 898  f., 905, 926, 952, 990, 1067, 1074, 1104, 1106, 1115, 1152 Gratianus, Flavius 876 Gregor Thaumaturgos 527, 532, 668  f., 675, 677, 679  f., 908, 1018, Gregor von Nazianz (Gregor der Theologe) 811, 813–829, 831, 837, 860  f., 908, 927, 1017  f., 1093, 1134 Gregor von Nyssa 719, 722, 724, 740  f., 753, 807, 813–829, 833–836, 860–863, 877  f., 923  f., 945, 1018  f., 1043, 1133  f., – Trinitätsdenken 821  f., 844 Grillmeier, Alois 822, 844 Gruber, Joachim 1060, 1065 Gut / Gutes / Güter 52, 121, 179, 188, 196, 210, 255, 258  f., 263  f., 286, 290, 293, 306, 318, 323, 373, 388, 408, 412, 420, 440, 446, 449, 454  f., 460, 462, 466, 563, 600, 618, 633 – mittlere / indifferente Güter 417, 490, 695, 839, 1158 – das Gute 191  f., 204, 218, 225, 230, 233, 286  f., 545, 585, 716, 746, 758, 803, 810, 824, 896  f., 980, 999, 1002, 1098 (vgl. ›Platon‹, Idee des Guten) – Gut und Böse / Gut und Schlecht 185, 239, 495, 747, 782, 831, 852, 1039, 1154, 1158 – höchstes Gut 449, 454, 460, 563, 866 Gutas, Dimitri 8, 1083  f. Guthrie, William K. C.  17 Habermas, Jürgen 1151, 1158, 1160 Ḥabīb (Adressat des Philoxenons von Mabbug) 1090 Hadot, Ilsetraut 350, 555, 676, 743, 887, 898, 906, 938, 971  f., 975, 977, 986, 990, 996, 998– 1000, 1071 Hadot, Pierre 25–30, 37, 40, 139, 330, 507, 516  f., 521, 564, 871, 887 Hadrian (Kaiser) 535, 569, 700, 789, 1151 Häresie / Häretiker 18, 532  f., 632, 649–652, 654  f., 682, 684, 687, 701, 782, 808, 812, 816, 828, 892, 916, 922, 957, 1022, 1045  f., 1143 Hahn, Johannes 11, 339, 521 Handbuch / Kompendium (antikes) 83  f., 408, 422, 462, 465, 537, 539, 551, 558, 560, 590,

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Register 652, 654, 674, 797, 801, 819, 887, 893, 963, 1058, 1080– 1082, 1084, 1110, 1129, 1135 Hartmann, Udo 358, 722, 772, 947, 953, 967 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 8, 14, 53  f., 77, 86, 88, 137  f., 329–331, 516  f., 714 Hegias 951, 991, 1004 Hegesias (Kyrenaiker) 188, 341 Heiliger Geist 672, 674, 678, 684, 797, 815, 818, 821, 1096, 1133 Heitsch, Ernst 128, 174, 208 Hekataios von Abdera 367, 485, 487, 510, 594 Hekataios von Milet 57, 67  f., 71, 87, 108, 133 Hekaton von Rhodos 440 Heliodor 739, 967, 992 Helmig, Christoph 962, 973, 994 Heraïskos 953  f., 1004, 1018, 1112 Heraklas 532 Herakleides Pontikos 101–103, 132, 243, 261, 264, 293, 372, 463 Herakles 129, 195 Heraklit von Ephesos 56  f., 59, 65, 67, 70, 74  f., 85, 91, 106– 110, 111, 116, 122, 125, 131  f., 133, 162, 302, 504, 592, 1126, 1140, 1154 Herakliteer, herakliteisch 125, 163 Hermagoras 379 Hermann, Karl F. 222 Hermeias von Alexandria 730, 739  f., 745, 749, 757, 769, 953, 967, 974, 992, 1001, 1136 Hermeias (Apologet) 642 Hermeias (König von Assos) 272 Hermes Trismegistos 610  f., 858. 905, 1004 Hermetismus / Hermetiker 520, 543, 589, 610–612, 638, 685, 699, 703, 1077, 1155 Hermias: siehe ›Hermeias‹ Hermippos 440, 487 Hermogenes 639–641, 643, 654, 776 Herodes 536, 566 Herodoros aus Herakleia 129, 1128 Herodot von Halikarnass 57, 59  f., 67  f., 71, 73–75, 86, 100, 102, 108, 131, 133, 146, 154, 475, 1140 Herzberg, Stefan 304 Herophilos von Chalkedon 477  f., 482, 508

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Hesiod 51, 60, 77–82, 89, 91  f., 108  f., 112, 130, 158, 208, 298, 637 Heteronome Texte: siehe ›Textformen‹ Hierokles 730, 745, 751, 754, 757  f., 799, 974, 986, 1015 Hieronymos von Rhodos 372 Hieronymus (Kirchenvater) 374, 453, 672, 739, 875  f., 964 Hilarios 1006 Hilarius von Poitiers 874  f., 911 Hildebrandt, Ronja 143, 293 Hipparchia 160, 341, 358  f., 362, 364  f., 531, 585, 1138 Hippasos aus Metapont 98, 104 Hippias 149, 157, 164–170, 182, 1126 Hippokrates von Kos 124–128, 596, 598, 600, 602, 1007 ›Hippolyt von Rom‹ 83, 92, 106, 162, 172, 360, 375, 378, 560, 590  f., 636–640, 649–653, 684, 694, 701, 807, 812, 822, 828 Ḥnānā von Adiabene 1100, 1102 Höffe, Otfried 277  f., 281 Hoffmann, Philippe 992 Holder, Stefanie 335, 352, 357 Homer / Homerauslegung 51, 77, 78–80, 87, 92, 97, 109, 158, 165, 208, 220, 257, 322, 402, 468, 577, 594, 740, 764, 774, 928, 1133 Horapollon 730, 947–954, 967, 974  f., 1001, 1005, 1018, 1104, 1106 Horn, Christoph 19, 27, 715, 752 Hoschaja 627 Hugonnard-Roche, Henri 1051, 1058, 1081 Ḫusro III. Anūšīrwān 936, 944, 950, 955, 963, 993, 997, 1007, 1009, 1079–1081, 1082 Hutchinson, Douglas S. 290 Hylemorphismus: siehe ›Form‹ und ›Materie / Stoff‹ Hypatia 159, 721, 730, 736  f., 739  f., 743  f., 791, 837, 839, 921, 925, 927, 960, 974, 1006, 1133  f., 1138 Hypostase (prinzipientheoretisch) 560, 671, 803, 805 (trinitätstheoretisch) 753, 944, 1035, 1086, 1091, 1095 Ibn Rušd (Averroes) 8, 934 Ibn Sīnā (Avicenna) 8, 600, 786, 989, 1106, 1160 Idee / Form (εἶδος, ἰδέα) – Idee (platonisch) 75, 137, 153, 209, 226–232, 234, 236,

241–244, 250, 255, 258, 261, 266, 268, 318, 320, 398, 525, 547, 550, 806, 971, 1035, 1127, 1163 (vgl. auch: ›Platon‹, Ideenlehre / Idee des Guten) – Ideen im Geist 542, 544  f., 551, 616, 619, 745, 753  f., 761, 838, 860  f., 973 – Wesensform (εἶδος) 281, 283, 285 (siehe auch ›Gattung / Art‹) – unteilbare Form (ἄτομον εἶδος / individuum) 560, 822, 1035, 1062 (siehe auch ›Hypostase‹, ›Individuum‹) Indien / Inder / indisch 236, 337  f., 343, 362  f., 367, 481, 485  f., 686, 767, 944, 1156 Individuum: siehe ›Idee / Form‹, unteilbare Iphikles 734 Irenaeus von Lyon: siehe ›Eirenaios‹ Ironie 149, 197, 199, 237, 254, 366, 397, 586, 612, 916, 1001, 1063, 1079 – sokratische 171, 173  f., 182, 237, 398, 627 Isidor von Sevilla 44, 941  f., 1073 Isidoros (Neuplatoniker) 951, 953  f., 960, 967, 991  f., 994, 999–1001, 1004, 1013, 1018 Isidor (Sohn des Basileides) 639  f. Isokrates 7, 38, 76, 95, 127, 140, 142  f., 149, 153, 155–157, 159, 169  f., 184, 199, 207–216, 218  f., 235, 241, 248, 252, 254, 271, 289  f., 300, 318  f., 322  f., 468, 526, 606, 1126  f., 1140, 1148 Jaeger, Werner 169, 272, 814 Jakob von Edessa 969 Jamblich von Chalkis 102  f., 165  f., 290  f., 294, 713, 716, 728, 730  f., 734  f., 742, 744, 747–753, 755–757, 759  f., 762, 764, 766, 768–770, 773, 775, 777, 785, 791  f., 921, 923, 925  f., 938, 946, 971–975, 993–995, 997, 999  f., 1003, 1018, 1149 – Pythagoreismus / Pythagorasviten 95  f., 98–100, 102  f., 740, 751  f., 756  f. – Verhältnis zum Christentum 735, 801, 839, 852, 854, 858, 862, 872, 887, 910, 927, 1018, 1062  f., 1115 Jamblich der Jüngere 731 Jehoschua ben Chananja 626 Jeremia (Prophet) 896

Register der Personen und Themen Jerusalem 487  f., 491, 501, 655 Jesaja (Mönch) 1014 Johannes (Evangelist) 847 Johannes Askozanges 948 Johannes Cassian 907  f. Johannes Chrysostomos 830, 845, 847–850, 854, 863, 958, 1018, 1141 Johannes Lydos 947  f., 950, 1118 Johannes Malalas 951, 993 Johannes Philoponos (›der Grammatiker‹) 295, 614, 773, 922, 935  f., 938, 948, 952, 957–959, 963, 967–971, 973, 975, 979, 982–986, 989, 994, 997, 1005, 1012  f., 1022, 1024, 1026, 1027–1037, 1038, 1040, 1042, 1044, 1069, 1086, 1095  f., 1104, 1110, 1113, 1115, 1117  f., 1134, 1137 – Verhältnis zu Ammonios 938, 967–971, 979, 989, 995, 1029–1031, 1033, 1040 – christliche Dogmatik 948, 1034–1036, 1086, 1095  f. Johannes Stobaios: siehe ›Stobaios, Johannes‹ Johannes von Damaskos / Damaskenos 44, 941 Johannes von Ephesos 948 Johannes von Kaisareia (›der Grammatiker‹) 1062, 1086  f., 1095  f. Johannes von Palästina (Mönch) 1016 Johannes von Skythopolis 939, 949, 952, 956, 965, 975, 1044– 1046, 1053  f., 1086  f., 1113 Johannes Tzetzes s. ›Tzetzes, Johannes‹ Johnson, Monte R. 290 Josephus, Flavius 613, 624  f., 627, 645, 682, 771, 894 Iovian (Kaiser) 789 Judas Iskariot 848 Juden / Judentum: vgl. die entsprechenden Abschnitte in den einzelnen Epochen Julian (Bruder des Damaskios) 943 Julian (Kaiser) 35, 366, 720  f., 729  f., 733  f., 736  f., 742  f., 757, 773–778, 779–785, 787, 790, 793, 813, 827, 829, 842, 845, 847, 856, 858–860, 862, 913, 921  f., 926  f., 1134, 1151, 1155 Julian von Aeclanum 880  f. Jurisprudenz / Recht 151, 432, 559, 727, 878, 993, 1114 Justin, Philosoph und Märtyrer 18, 527, 529–533, 535, 538, 555, 603, 639, 641–649, 650  f.,

656, 658, 672, 682–684, 696, 699  f., 703, 706, 806, 880, 1045, 1131, 1134, 1141  f., 1147, 1156, 1170 Justin (Pseudo) 797, 936, 939, 1012, 1021  f., 1029, 1033 Justinian (Kaiser) 950  f., 955, 958, 993, 1007, 1079 Kahn, Charles 174, 176, 178 Kalanos 480, 485 Kallias 150, 203 Kallikles 155, 164, 222, 246, 251 Kappelmacher, Alfred 1061 Karamanolis, George 19, 515, 521, 681, 718 Karfíková, Lenka 871 Karneades 30  f., 343, 346, 374, 442, 443–448, 456, 458  f., 464, 473, 505, 865 Karthago 337, 345, 659, 732, 903 Kassander 337, 354  f. Kassios (Pyrrhoneer) 432 Kategorien(lehre) 280  f., 285, 539, 542, 588, 873  f. – ›Kategorienschrift‹ des Aristoteles 273–275, 277, 285, 373, 546, 558, 560, 574, 588, 703, 748, 753, 873 – (neu-)platonische Deutung und Kommentare 546, 745, 752  f., 760, 923, 905  f., 935  f., 948  f., 961–963, 969, 971, 976  f., 982, 985, 995, 997, 1002, 1030, 1048–1051, 1062  f., 1071, 1074, 1076–1078, 1106, 1110  f., 1113  f., 1116  f., 1130, 1137 – christliche / christologische Rezeption 560, 652, 821  f., 830, 862, 870, 887, 899, 920, 923, 1022, 1035, 1048–1051, 1055, 1087, 1092, 1095  f., 1102, 1137 Kausalität / Ursache 180, 226  f., 234, 240, 279, 298, 309  f., 413  f., 444, 570, 597, 763, 1000, 1031, 1155 – Ursachenerkenntnis 24, 127, 226  f., 299  f., 308–310, 321, 414, 418, 426, 433, 466, 572, 596, 617, 619, 623, 664, 666, 899 – Ursachenarten 281, 286, 298, 770, 973 – erste / göttliche Ursache 372, 497, 547, 562, 595, 721, 761, 763, 803, 810, 822, 919, 973, 987, 1019, 1046 Kebes 244 Kelsos (Mittelplatoniker) 541, 551–553, 706, 1132 Kerferd, George B. 155, 166 Kersting, Wolfgang 194, 242

King, Daniel 949, 957, 1012 Kirche des Ostens (Ostsyrer /  ›Nestorianer‹) 856, 945, 948, 952, 957, 959, 1021–1023, 1025  f., 1029, 1058, 1080, 1083, 1085  f., 1090, 1095, 1098–1100, 1103, 1113, 1115, 1138 Kleanthes von Assos 79, 268, 342, 344, 347, 349, 360  f., 405, 420–436, 480, 507, 576, 1154  f. Klearch von Soloi 343, 378, 486, 510 Kleinomachos (Megariker) 191 Kleitomachos (Akademiker) 52, 345, 442, 447  f. Kleomenes III. (König von Sparta) 355, 358, 440 Kleon 150, 210 Kobusch, Theo 21, 724 Kolotes 382, 391, 397 Kommentar (literarische Gattung) 41, 262, 390, 422, 443, 537–539, 558, 560  f., 614, 697, 740–742, 765, 901, 935  f., 961, 969–972, 975, 994–996, 1012, 1030, 1054, 1056, 1074–1078, 1117, – Anonymer ›Theaitet-Kommentar‹ 262, 443, 504, 539, 541, 547 Konstantin der Große 713, 718, 728, 737, 738, 773, 799, 801, 806, 837, 1132 Konstantinopel 730, 734, 813, 831, 847, 943  f., 946  f., 948, 964, 968, 1009, 1014, 1048, 1091, 1136 Koriwn 917 Kosmopolit(ismus) 199  f., 439, 621, 1150 Krämer, Hans-Josef 261, 263, 404 Krantor 261, 262–264, 359, 443 Kranz, Margarita 264, 266 Kranz, Walther 54  f., 58, 77, 264 Krates von Athen 261, 269 Krates von Mallos 355, 507 Krates von Theben 192, 341, 361–367, 404 Kratippos von Pergamon 558 Kratylos 125, 161–163 Kriterium (wahrer Erkenntnis) 198, 360, 368, 396, 410, 443, 445, 593  f., 612, 628, 698, 843, 1153 – (wahrer) Philosophie / Weisheit 34, 198, 299  f., 426, 586, 788, 1160 Kritias 148, 164 Kritolaos von Phaselis 345, 370, 373, 375, 379, 504, 508, 563, 583

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Register Kroisos 65, 75, 1149 Kronios 541, 659, 684, 716 Kyniker / Kynismus 29  f., 142, 156, 160, 171, 187, 189, 192–201, 259, 266, 319, 333, 341–343, 347, 355, 358  f., 361–368, 373, 403–405, 417, 430, 439, 441, 454, 485  f., 490, 500, 503–506, 509, 517, 520, 523, 527, 531, 539, 584–587, 604  f., 609, 698, 702, 729, 738, 742, 779  f., 790  f., 819, 838, 848, 850, 854, 923, 950, 1010, 1128, 1130, 1134, 1138, 1140, 1142, 1149  f., 1154, 1164, 1166 Kyrene 149, 188, 837 Kyrenaïker 159, 187–190, 192, 198, 259, 341, 1128, 1154 Kyrill von Alexandrien 719, 736, 782, 839, 855–860, 862  f., 922, 944, 959, 1018, 1113, 1133 Lachares 776 Laelius, Gaius 407 Lachance, Géneviève 559, 940 Lactantius, Lucius Caecilius Firmianus 713, 718, 720, 728, 865–869, 894, 909, 911, 923, 925, 927, 1135 Lampsakos 118, 162, 344, 381  f. Larissa (in Thessalien) 344, 350, 442 Lastheneia 159  f., 262, 1138 Lazar Pcarpeċi 1076 Lehr- / Lernbarkeit (von Philosophie, Tugend etc.) 141, 180 (Sokrates), 186, 194, 209, 211  f. (Isokrates), 216, 225, 251, 253, 279, 318, 331, 353, 504, 506, 565 Lehrgedicht: siehe ›Dichtung / Dichter‹ Lekton / Lekta 424, 429, 505, 574, 809 Leon (Fürst von Phleius) 101 Leonta 358, 1138 Leontios von Byzanz 842, 959, 1062, 1086, 1095  f., 1117 Leontios von Jerusalem 1086 Leukipp 66, 120–123, 132, 1125 Libanios 845, 958, 1020 Löhr, Winrich 515, 636, 641, 718 Logik 37, 191, 249, 263, 276, 321, 397, 427, 431, 467  f., 505  f., 555  f., 565  f., 574, 582, 600  f., 677, 702, 759, 788, 869, 902, 911, 925, 936, 959, 1058, 1067, 1073  f., 1093  f., 1103  f., 1115– 1117, 1149, 1153, 1157, 1168 (vgl. auch ›Einteilungen der Philosophie‹) – aristotelische 19, 276–278,

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560  f., 747  f., 752, 763–765, 788  f., 812, 822, 856, 879, 905–907, 910, 923, 935  f., 948, 961–964, 966, 975, 983  f., 1055–1061, 1069–1071, 1078, 1080–1085, 1094  f., 1097, 1100, 1136  f., 1164 – stoische 192, 278, 373, 395, 410–413, 428, 433, 505, 674, 879, 1165 – Begriffsumfang / Teile der Logik 268, 275, 427, 548  f., 576, 825, 961–963, 971, 982, 985, 1110–1113, 1115 – Teil oder Werkzeug der Philosophie? 275, 308, 317, 376, 563, 585, 588, 620, 676  f., 702  f., 759  f., 972, 977, 981–984, 1053, 1057, 1067, 1084, 1109  f., 1147 – im christlichen Denken 666, 676  f., 684, 703, 804, 815  f., 818, 822, 856, 862, 879, 888, 898– 900, 926, 941, 961, 975, 1055, 1133 Logos 32, 107, 110, 118, 139, 148, 151, 153, 168, 185, 210, 215, 233, 257, 289, 293, 409, 415, 425, 435, 441, 452, 503, 610, 618, 648, 652, 682, 811, 815, 838, 1128, 1130, 1140  f., 1159, 1162, 1166 – Logos versus Mythos 24, 39, 55  f., 77, 221  f., 322, – göttlicher Logos 491, 495, 616, 631, 637, 684, 692 – Christus als Logos 20  f., 631, 672, 681, 699, 801, 803, 805, 1009, 1082 Long, Anthony A. 12, 52  f., 54  f., 458, 463 Longin (Kassios Longinos) 555, 669, 716, 728, 733 Lukan (Marcus Annaeus Lucanus) 569, 578 Lukian von Samosata 366, 520, 523, 526  f., 530, 584–587, 589  f., 603, 608–610, 612, 618, 698, 706, 1065, 1141, 1170 Lukrez (Titus Lucretius Carus) 347, 359, 383, 385, 390, 400– 402, 452  f., 1135, 1155, 1163 Luna, Concetta 839, 971, 995 Lutz-Bachmann, Matthias 20 Lykon 357, 378 Lykurg 158 Lysias (Rhetor) 148, 178, 322 Lysias, Tyrann von Tarsos 357, 403 Lysimachos 617 Macina, Menahem R. 1099  f. Macrobius Ambrosius Theodo-

sius 720, 732, 751, 864, 873, 879, 900–903, 904, 905, 911, 923, 1135 Madec, Goulven 723, 879  f. Makarios Magnes 768, 772 Makrina 739  f., 1138 Malingrey, Anne-Marie 18, 675, 723 Mamertinus 779 Mandanis 363 Mani 690, 914, 917, 1045 Mansfeld, Jaap 84, 93,114, 118, 427, 651 Mantik 378, 419, 435–438, 577, 586, 611, 1004 Manuwald, Bernd 237 Marā bar Serapiyōn 689, 693–696 Mār Abbā (Patrikios) 1026, 1099 Marcus Fulvius Nobilior 346 Marenbon, John 1060  f., 1065 Marinos von Neapolis 741, 744, 754, 766, 991  f. Marius Victorinus, Gaius 720, 724, 732, 839, 864, 870–873, 879, 885, 899, 906, 911, 920  f., 924, 961, 964, 1064, 1111, 1135 Mark Aurel (Kaiser) 26, 41, 523, 535, 537, 539, 568–578, 600, 700, 702, 706, 789, 1151 Markella 739, 754, 759 Markellos von Ankyra 808 Markion 635, 639–641, 650, 652  f., 914, 918 Markioniten / markionitisch 533, 687 Martianus Capella 741, 864, 899, 903–907, 911, 923, 942, 964, 1063, 1065, 1067, 1071, 1073, 1111 Materie / Stoff 81, 89, 91, 118  f., 234, 282  f., 310, 413, 415, 571, 603, 746, 769, 816 – im Verhältnis zur Form 281, 285, 310, 978 – ewige / erste Materie (materia prima) 89, 544  f., 552, 616  f., 635, 637–640, 643, 664, 673, 681  f., 692, 818, 870, 1000, 1032 Mathematik 24, 37, 104, 122, 198, 219, 255, 261, 269, 301, 308, 310–312, 317, 319, 321, 380, 382, 433, 480–482, 549, 563, 594  f., 660, 703, 777, 780, 827, 967  f., 981  f., 1002, 1007  f., 1011, 1050  f., 1066, 1084, 1104, 1108  f., 1127, 1134, 1145, 1152  f., 1164 (vgl. auch ›Quadrivium‹ sowie ›Arithmetik‹, ›Geometrie‹, ›Geographie‹, ›Astronomie‹ und ›Musik‹)

Register der Personen und Themen Maximos Confessor 941, 1044 Maximos Heron 811, 827, 860, 923 Maximos von Ephesos 734, 737  f., 773, 775, 779 Maximos von Tyros 535, 541, 555, 1131 Medizin / Heilkunde 24, 65, 67, 104, 111, 118, 124–128, 131, 255, 312  f., 321, 379  f., 448, 477–479, 508, 547, 596–602, 621, 657, 679, 704, 778, 793, 827, 925  f., 943, 952, 990, 1007, 1011, 1055, 1074, 1099, 1104– 1106, 1111, 1114, 1137, 1153 – Doppelqualifikation Medizin und Philosophie 508, 600, 778, 926, 940, 952, 958  f., 968, 970  f., 1021, 1105  f. Megara 149, 153, 190 Megariker 142, 187, 190–192, 205  f., 341, 356, 404, 503 Megasthenes 485  f. Meinhardt, Helmut 139 Meinung (δόξα) – im Gegensatz zu ›Wissen‹ 168, 209, 225  f., 234, 242, 279, 304, 386, 396  f., 411, 416, 418, 424, 445  f., 472, 571, 580, 607, 624, 1005 – im Sinne von ›Ansichten, Theorien‹ 68, 83  f., 203, 218, 298, 360, 377, 380, 408, 519, 590, 602, 743, 810, 921, 1004, (christlich) 654, 681, 737, 891, 945, 1093 – plausible Meinungen (ἔνδοξα) 237, 315  f. – Lehr- / Schulmeinung(en) (bestimmter Personen oder Gruppen) 26, 218, 357, 370, 422, 439, 444, 449, 464, 503, 533, 645 Meleager von Gadara 362 Melissos von Samos 57, 66  f., 73  f., 106, 111, 113, 126, 128, 166 Meliton von Sardeis 641, 647, 649, 665, 699 Meliton (Pseudo) 693–696, 797 Menander 78 Menedemos von Eretria 340  f. Menestor von Sybaris 104 Menippos von Gadara 362, 365, 491 Menodoros 1010 Menon 239, 380, 865, 895 Mesrop (Maschtotz) 917 Messene 344, 350, 382 Metaphysik / Theologie (philosophische Teildisziplin) 21, 94, 141, 332, 380, 504, 518,

565–567, 588, 665  f., 743, 748  f., 759, 762  f. (Neuplatonismus), 777, 785, 954, 970, 990, 994, 1002, 1008, 1040, 1133, 1136, 1149 (vgl. auch ›Aristoteles‹, Metaphysik) – im christlichen Kontext 817, 823, 869, 923–925, 937, 970, 1019, 1040 1043, 1050, 1053  f., 1072, 1111, 1133, 1157, 1163 – Verhältnis zur Mystik / Epoptik 430, 1040, 1050, 1053  f. Methodios von Olympos 515, 532, 538, 680  f. Metrodoros von Lampsakos (Epikureer) 381, 383, 388, 391 Metrodoros von Stratonikeia (Akademiker) 442 Metrokles 341, 365 Metry, Alain 262 Miaphysiten / Monophysiten 937, 939, 943–945, 948, 959, 964, 1014, 1022, 1025, 1027  f., 1034  f., 1038, 1044, 1048, 1080, 1086, 1088–1095, 1096, 1099, 1113, 1116 Michael Bādōqā 1100 Michael Bādōqā (Pseudo) 1058  f., 1083, 1108 Mikrokosmos, Mensch als 121, 415, 842, 1100 Milet / Milesier 65  f., 68, 86, 92, 159, 162, 382 Minio-Paluello, Lorenzo 870, 1061 Minucius Felix, Marcus 538, 658–660, 699 Miskawayh 1080 Mittelplatonismus / Mittelplatoniker 92, 96, 191, 194, 223  f., 262, 267  f., 270, 321, 329, 334, 373, 419, 447, 449, 451, 491, 504, 510, 515–517, 519, 531, 539, 540–556, 560  f., 573, 610, 613, 624, 635, 639, 644  f., 649, 668, 702, 745, 747  f., 751, 756, 761, 764, 788, 797  f., 808, 869, 916, 1144 – Verhältnis zur Akademie 540, 542 – Verhältnis zum Pythagoreismus 542, 554 Mittelstraß, Jürgen 9, 23  f., 139 Mnesarchos 406 Moderatos von Gades 541  f., 716 Monarchie 536, 554, 607, 705, 806, 993, 1011, 1151 Monotheismus 28, 92, 258, 401, 488, 566, 694, 772, 783, 806, 919, 1027, 1062, 1137

– philosophischer 200, 315, 552  f., 576, 615–617, 624, 632, 644  f., 647, 658, 682, 700, 781, 790, 800, 804, 841, 852, 856, 867  f., 896, 987, 1118, 1132, 1141, 1154, 1156 Monnica 739, 893 Moreschini, Claudio 652, 718, 724, 877 Mose 411, 487  f., 493, 497–500, 510, 553, 619, 621–624, 645, 665, 668, 676, 679  f., 705  f., 744, 797  f., 817  f., 820  f., 824, 856, 915, 1036, 1101, 1132 Moses Khorenac’i 919 Moses Maimonides 8, 1025, 1045 Mošē bar Kephā 692 Most, Glenn W. 58, 81, 115 Müller, Gernot M. 463, 470 Müller, Jörn 462 Musik 104, 157, 165, 215, 243, 247, 254  f., 311, 349, 380, 400  f., 524, 526, 554  f., 594, 611, 679, 703, 817, 827, 901, 980  f., 990, 1050, 1068, 1074, 1109, 1114, 1116, 1147 Musonius Rufus 452, 531, 536  f., 568–578 Myllias 475 Mysterien(kult) / mystische Inititation 256, 430, 530, 550, 552, 587, 666  f., 755, 764  f., 799, 839, 841, 858, 987 Mystik / Mystizismus / Mystiker 39, 232, 516, 550, 670, 716, 995, 1014, 1043, 1049–1055, 1098, 1163  f., 1168 – Mystik bzw. ›Epoptik‹ als Teil / Höhepunkt der Philosophie 241, 550, 665  f., 676  f., 702, 762  f., 777, 804, 825  f., 833, 870, 878  f., 925, 1049, 1053, 1072, 1116 – als Schau des Göttlichen / als Erleuchtung 241, 755, 762  f. (christlich) 815, 817, 825  f., 1040  f., 1050, 1054, 1108, 1113 Mythos / mythisch 51  f., 56, 69, 81  f., 87–91, 117  f., 129–133, 141, 165, 230, 240, 256, 315  f., 322, 372, 397, 399, 455, 468, 551  f., 577, 588, 697, 706, 765, 768, 781, 784, 1026, 1128, 1154  f., 1168 (vgl. ›Logos‹, Logos vs. Mythos; ›Platon‹, Mythen) – jüdisch-christlich 496, 499, 611, 619, 635  f., 771, 841, 866, 893, 988 – Mythenkritik 92, 372

1279

Register Nachahmung (μίμησις, imitatio) 151, 434, 529, – anstelle von ›Ähnlichwerden mit Gott‹ 37, 825, 853, 924, 978, 1011, 1144 Narcy, Michel 174, 176  f. Natur (φύσις, natura) 72, 74, 109, 119, 123  f., 153, 171, 195  f., 200, 235, 280–282, 310, 396  f., 414–416, 419, 438, 446, 545, 552, 561  f., 577  f., 760  f., 1042, 1166  f. – jüdisch-christlich 628, 691  f., 815, 846, 925, 1032  f., 1086 (christologisch), 1091  f., 1095 – der Dinge / einer Sache 102, 124, 226, 281, 311, 315, 445, 487, 600, 1072 – des Menschen 125, 151, 165, 204  f., 264, 287, 299, 411, 415  f., 418, 510, 656, 664, 750, 1062, 1078, 1167 – jüdisch-christlich 676, 691, 815, 825, 909, 944, 1007, 1034  f. – philosophische / des Philosophen 241, 245, 250, 609, 758, 848 – Gottes / göttliche 377, 633, 655, 671, 716, 750 – jüdisch-christlich 825, 856, 944, 1018, 1034  f., 1062, 1072 – Natur versus Gesetz 166, 195  f., 228, 363 – Natur versus Kultur / Freiheit 353, 881 – ›Über die Natur‹ (Περὶ φύσεως) 72–75, 104, 113–115, 124, 126–128, 131, 383, 389– 391, 453, 1126  f. Nausiphanes von Teos 341, 367  f., 381, 385–387 Neanthes von Kyzikos 475  f. Nebelin, Katarina 11, 59, 62, 64, 139, 167 Neilos von Ankyra 830, 835  f., 863 Nemesios von Emesa 713, 722, 796, 719, 836–844, 862, 870, 962, 1077, 1095 Nero (Kaiser) 535  f., 598, 1151 Nestle, Wilhelm 15, 24, 53, 77, 149 ›Nestorianer‹: siehe ›Kirche des Ostens‹ Nestorios 844, 944, 1099 Neuplatonismus / Neuplatoniker 8, 27, 36, 39  f., 79, 98, 102, 223  f., 225, 229, 231, 259, 270, 275, 290, 329, 451, 480, 515  f., 540, 550, 562, 565, 610, 713–722, 724  f., 729, 732, 734, 736, 739  f., 742–778, 779, 781,

1280

783–787, 790–792, 817, 821, 870–872, 901–903, 921–928, 935, 937  f., 949, 951–954, 956, 959, 967  f., 972–975, 978  f., 984  f., 988, 990  f., 991–1008, 1010  f., 1018–1021, 1114  f., 1132–1138, 1141, 1144–1147, 1149  f., 1155, 1163, 1169  f. (vgl. auch ›Eines‹) – Jamblicheisches Curriculum (aristotelischer und platonischer Schriften) 224, 764  f., 777, 870, 905  f., 923, 936, 965  f., 969  f., 975, 986  f., 992, 1007  f., 1018, 1069 – Christliche Rezeption 803, 806, 817, 819, 821, 823, 825, 834, 836, 838  f., 843, 857, 861  f. 864, 870–872, 877, 884, 887, 893, 897, 899, 905, 909  f., 937, 955  f., 959, 967, 1014–1016, 1018, 1021, 1027, 1031–1035, 1038–1043, 1045  f., 1049  f., 1055, 1062  f., 1066, 1077  f., 1094, 1096, 1098, 1102, 1105, 1111 Neusner, Jacob 625  f., 794 Nichtwissen: siehe ›Wissen‹ Niehues-Pröbsting, Heinrich 98, 102, 106, 210 Nigrinos 609 Nikaia 515  f., 737 Nikasikrates 383 Nikolaos von Damaskus 536, 558, 560, 563  f., 566 Nikomachos von Gerasa 541  f., 546, 979  f., 989, 1028, 1030, 1063 Nikostratos 543 Nisibis (Nusaybin) / Schule von Nisibis 844  f., 851, 912, 914, 937, 945, 948, 964, 1023, 1026, 1099–1103, 1111, 1116, 1118, 1138, 1167 Nonius Marcellus 559, 729 Nous (νοῡς): siehe ›Geist‹ Novatianer 738 Numa Pompilius 346 Numenios von Apameia 539, 541  f., 545, 548, 552  f., 556, 588, 595, 618, 645, 659, 674, 684, 698, 706, 716, 719, 744, 801  f., 804  f., 852, 869, 919, 1052, 1132 Nussbaum, Martha C. 9, 11 Oinomaos von Gadara 586  f. Okellos Lukanos (Pseudo) 96, 378, 616 Olympiodor (Neuplatoniker) 935, 938, 943, 947, 968–971, 973, 975  f., 983  f., 986–989, 1118, 1136 Olymp(i)os 729

Onesikritos 343, 361–363, 485  f. Ontologie / ontologisch 113, 166, 228, 230  f., 249, 270, 277, 284  f., 308, 412, 425, 505, 518, 552, 636, 673, 742, 749, 753, 758, 768, 778, 809, 821, 844– 846, 857, 984, 1039 Orakel 181, 185, 322, 747, 766– 768, 781, 839 – ›Chaldäische Orakel‹ 725, 740, 764–766, 839, 1133 – Orakelkritik 586  f., 805 Organon (aristotelisches) 275, 563, 732, 764, 789, 911, 923, 949, 966, 969, 986, 1087 – Umfang des Organons 275, 277, 1053, 1071, 1104, 1110  f., 1115 – Übersetzungen 864, 870, 873, 936, 961, 964, 969, 1048, 1056, 1076  f., 1110  f. Oreibasios 793 Origenes (Kirchenvater) 493, 515, 519, 538, 662, 668–680, 683  f., 699, 701, 703  f., 706  f., 715, 718, 744, 759, 772, 798, 804, 806, 814, 829, 861, 869  f., 1133, 1146, 1156, 1159 – als philosophischer Lehrer 527, 532  f., 662, 668  f., 718, 800, 1132, 1134, 1142 – Nachwirkung / Origenismus 738, 800, 808, 813, 823, 826, 829, 831–833, 842, 845, 862, 907  f., 925, 937, 1045, 1050, 1072, 1098 Origenes (Platoniker) 541, 669, 730, 744 Orpheus 370, 1004 Ouranios 949, 1009 Pamphilos 959, 1035, 1086, 1096 Panaitios von Rhodos 188, 340, 346, 357, 406  f., 409, 419  f., 430, 432, 437, 440, 462 Pantainos von Alexandria 532 Papyrus / Papyrusfunde 160, 262, 443, 540, 953, 1105  f. Paralios 954, 958 Parmenides von Elea 31, 56  f., 59, 63, 66, 70  f., 83, 91  f., 94, 106, 111–114, 115  f.,, 119, 130, 132, 148, 166, 220, 228, 965, 997, 1126, 1154 Patzer, Andreas 96, 120 Patzig, Günther 285, 309 Paul der Perser 249, 276, 935  f., 939  f., 949, 955, 961, 963, 968, 982  f., 1003, 1009, 1047, 1055, 1058  f., 1074, 1080, 1081–1085, 1090, 1093, 1107–1111, 1113, 1116, 1137, 1144

Register der Personen und Themen Paul (aus Nisibis) 964 Paulus von Tarsus 221, 631–634, 680, 689, 782, 875, 897, 1020, 1042, 1044, 1158  f., 1161 Pelagius 922 Pelagianer 880  f., 883, 910 Peregrinus Proteus 526, 587 Pergamon 337  f., 344, 348, 350, 355, 407, 474, 731, 739, 779, 1152 Perikles 118, 133, 145, 146–148, 151, 159, 161, 164, 179, 1140 Periktione 531, 542 Persaios 355  f., 404, 407, 421, 440, 507 Persien / Perser(-reich) 63, 86, 122, 180, 201, 336, 367, 485, 687, 794, 867, 912, 943, 945, 951, 955, 993  f., 1079–1081, 1099, 1116, 1156 Persius (Aulus Persius Flaccus) 569 Person (persona, πρόσωπον) 462, 889, 1062 (Definition), 1086 – als Rolle in Dialogen etc. 222, 244, 464, 634, 1159 – trinitarisch 803, 821  f., 846, 862, 920, 944, 1018, 1086  f., 1137 Petrus (Apostel) 848 Petrus von Rēšʿaynā (Bischof) 1048 Phaidon von Elis 175, 187 Phaidros (Epikureer) 346, 457 Phainias von Eresos 376  f. Pheidippides 150  f. Pherekydes von Syros 65, 73, 77, 81  f., 88, 94, 130 Philinos von Kos 478 Philipp II. 146, 272 Philipp von Opus 261, 475 Philodemos von Gadara 79, 85, 199, 262, 345  f., 349, 351, 377, 379, 382, 384, 389–391, 393–396, 398–403, 406, 408, 419, 425, 429, 474  f., 507  f., 510, 1155 Philolaos 66, 101, 130, 156, 244 Philon von Alexandrien 16, 18, 329, 352, 492, 500, 519, 613, 614–623, 625, 683, 699, 706, 714, 1131, 1156 – als philosophiehistorische Quelle 296, 379, 411, 421, 428, 516, 542, 558 – philosophische Dialoge 463  f., 614  f., 617, 1078 – christliche Rezeption 617, 631 (Johannesprolog), 632 (Römerbrief), 640, 643, 645, 664  f., 667, 798, 805, 810, 817,

831, 845, 949, 987, 1078, 1094, 1101 Philon von Larissa 346, 351, 421, 442, 445–448, 457–459, 465, 472, 683 Philonides von Laodikeia 355  f., 382, 390  f., 401, 508, 1152 Philosoph 121, 172, 235, 245  f., 259, 265, 302  f., 333, 423, 604, 627, 758, 824, 837  f., 908, 978, 1001 – Ursprung des Wortes 59, 102  f., 1126, 1140 – Bedeutung 155, 239–242, 776, 835, – äußere Merkmale (Bart, Mantel etc.) 196, 340, 525, 584, 791, 951 – als Ehrentitel 354, 423, 523, 525, 873, 951, 1028 (für Platon) 1133 (für Aristoteles) 976, 1076, 1137 – als Dialogfigur 1015, 1159 – Bereitschaft zum guten Sterben 179, 243  f., 392, 460, 475, 526, 609, 902 – jüdisch-christlich 623, 646, 706, 800, 868, 902 – innerfamiliäre Weitergabe der Profession 159, 188, 528, 567, 639, 729  f., 739  f., 926, 951, 953, 967, 992, 1004, 1138 – beim Herrscher 38, 133, 189, 218, 252, 353, 355  f., 366, 402, 407, 440, 476, 485  f., 507, 524– 527, 535  f., 554, 569, 575, 586, 607, 704, 734, 738, 790, 950  f., 1007, 1131, 1151 – christlich 646, 695  f., 705, 827, 849, 913, 1134, 1150  f., 1168 – politische Rolle (allgemein) 218, 249, 265, 314, 343, 353  f., 356  f., 469  f., 536, 605, 736, 776, 783  f., 868, 951, 988  f., 1011, 1114, 1128, 1151, 1165, 1168 – rhetorische Kompetenz 471, 605 – so genannter versus wahrer Philosoph: siehe unter ›Philosophie‹ – Spott (und Ähnliches) über 150, 520, 589, 612, 642, 698, 736, 916, 1141  f., 1170 – Uneinigkeit / Zerstrittenheit der Philosophen (als skeptisches / christliches Argument) 485  f., 582, 590, 595, 601, 611, 618, 645, 655, 661, 682, 700, 772, 802, 851  f., 856, 865, 892, 1019, 1065, 1141  f., 1148 – Verhältnis zur Masse der

Menschen 69, 204, 238, 245  f., 252, 304, 388, 551, 697, 717  f., 773, 841, 1005, 1112 – christlich 684, 805, 894 – Verhältnis zur Religion: vgl. die jeweiligen Abschnitte in den einzelnen Unterkapiteln – Verhältnis zur Rhetorik: vgl. die jeweiligen Abschnitte in den einzelnen Unterkapiteln – Jüdischer oder christlicher 619, 626, 641, 656, 684, 699, 737, 814, 1016, 1090 532  f. – Christus als Philosoph 631, 835, 1101 Philosophenkönig(tum) 38, 200, 241, 246, 250–252, 256, 314, 320, 323, 333, 355, 363, 469, 554, 575, 621, 648, 704, 784, 789, 1010, 1068, 1131, 1150  f., 1163, 1169 Philosophenschule 11, 29, 57, 97–100, 103  f., 149, 153  f., 270  f., 331–344, 347, 350, 357–359, 361, 369  f., 381–383, 388, 449, 482, 697, 791, 862, 921, 1128, 1135  f., 1138, 1140–1142, – Besonderheiten philosophischer Schulen 142, 157  f., 212, 216, 218, 261, 332, 348  f., 527  f., 586, 603, 699  f., 720, 733–737, 943, 955, 1134, 1143, 1145  f., 1152, 1167 – Leitung und ihre Weitergabe 159, 348, 406, 557  f., 730  f., 991  f. – Unterrichtspraxis 25–27, 30  f., 149, 359  f., 366–368, 388–391, 400, 403, 421, 437, 506, 517  f., 525, 529–531, 537, 539  f., 559, 574, 606, 612, 644  f., 656, 703, 740, 791, 947, 953, 1004, 1007, 1129 – Einfluss / Vorbildunktion 330, 352, 355, 357, 462, 477  f., 507, 528, 532  f., 543, 698, 729, 950, 990, 1051, 1130  f., 1154, 1165 – Verbreitung 39, 130, 187  f., 329, 344, 355, 382, 407, 442, 452, 455, 457, 506, 517, 528  f., 579, 584, 717, 727  f., 730–732, 742, 745, 943, 946, 955, 991  f. – im Sinne von »philosophische Richtung(en) 96, 406  f., 433, 459, 461–463, 468, 504, 516, 519, 589  f., 752, 812, 1045, 1047 Philosophie – Bedeutungsumfang / Charakterisierungen 10  f., 15–17, 27, 34–36, 237  f. (Platon), 288  f. (Aristoteles), 824 (Gregor von Nazianz), 834  f. – frühe Belege 126–129, 210  f.

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Register – im Sinne von Bildung 147, 211–213 (Isokrates), 237, 289, 314, 1142, 1149  f. – als Bildungsideal 10  f., 154  f., 208, 354, 401, 504, 517, 604, 607, 698, 868, 950, 1131, 1142, 1146, 1153, 1162 – als Lebensform / Lebenskunst 14, 25–32, 97, 259, 304  f., 317, 335  f., 462, 572, 582  f., 697, 702, 704, 1132, 1144, 1146, 1148, 1150, 1165–1169 – kynische / asketische Lebensform 319, 366, 819, 835, 863 – theoretische Lebensform 259, 304  f., 702, 1000 – Personifikationen der Philosophie 246  f., 466, 572  f., 608  f., 904, 1016, 1064  f. – als theoretische Wahrheitssuche 182  f., 259, 288  f., 304, 816 – im Sinne einer (Wissenschafts-)Disziplin 237, 254, 289, 1145 – Verhältnis zur Sophistik 76, 114, 126–128, 130, 132, 137, 139–142, 152–158, 167–170, 182  f., 186  f., 203–206, 210  f. (Isokrates), 494, 776, 1150 – Übersetzungen des Wortes 45  f. – Fachphilosophie / -philosophen 10, 35  f., 39, 43–45, 314, 333, 350, 476, 522, 530, 534, 538, 556, 601, 617, 662, 683, 697, 699, 701, 788, 864, 870, 922  f., 935, 951, 1011, 1028, 1040, 1048, 1055, 1069, 1110, 1112, 1115  f., 1131, 1140–1142, 1147, 1150, 1168 – sogenannte versus wahre Philosophie 7, 22, 203, 236–238 (Platon), 250, 394, 397, 454, 456, 526  f., 548, 581, 583, 604  f., 607, 698, 788, 858, 1000, 1011, 1017, 1112, 1131, 1140  f., 1156 – Judentum als wahre Philosophie 619, 624 – Christentum als wahre Philosophie 630, 639, 642, 646, 648  f. (Justin), 665, 674  f. (Origenes), 682, 697, 699, 718, 797  f., 801, 805  f. (Euseb), 816, 835, 839, 844, 848–850 (Chrysostomos), 861, 865–869 (Laktanz), 880, 885  f., 893–896 (Augustin), 908, 911, 927, 933, 937, 1020, 1090, 1141  f., 1159, 1163 – Mönchstum als wahre Philosophie 855, 1016

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– christliche Philosophie 21, 641, 699 – Mönchstum 817, 829, 836 – Philosophie als Magd / Dienerin (der Theologie) 27, 622, 666  f., 860, 1092–1095, 1113, 1117, 1137 (vgl. 619 zur Vorgeschichte des Bildes; ›Chrēsis‹) – Definitionen: siehe ›Definitionen der Philosophie‹ – Einteilungen: siehe ›Einteilungen der Philosophie‹ Philostratos, Flavius 535, 575, 578, 603  f., 606–608, 612, 698, 704 Philoxenos von Mabbug 844, 912, 914, 957, 1086, 1088– 1090, 1113 Photios 785  f. Physik / Naturphilosophie (vgl. auch ›Aristoteles‹, ›Physik‹) – philosophische Teildisziplin 37, 73, 122, 189, 198, 376, 385  f., 395–398 (Epikur), 413–415 (Stoa), 419, 574, 602, 620, 671, 743, 748  f., 759–762 (Neuplatonismus), 764, 785, 981, 995, 998, 1002, 1149, 1165 – im christlichen Kontext 679, 704, 818, 925, 1019 – Unterteilung 275  f., 427  f., 435, 702, 704, 780, 1003 Pico della Mirandola, Giovanni 610 Pindar 246, 257 Platon 7  f., 18, 23–25, 27, 31, 36, 38, 52, 75  f., 129, 217–260, 380, 451, 480, 572, 583, 698, 716  f., 760, 954  f., 963, 965, 968–971, 973–975, 978, 981, 983  f., 986, 990, 1011, 1079–1091, 1105, 1128, 1130  f., 1135, 1138–1143, 1150, 1152, 1154, 1156, 1162– 1165, 1169  f. – Dialoge Platons 41, 146, 164, 174, 181, 214, 219–223, 377, 442, 543, 607, 659, 763, 1078, 1163 – antike Editionen 482, 518 – Mythen bei Platon 141, 221  f., 230, 257, 322 – Gesamtbeurteilung 138–140, 153, 173, 258–260, 605, 706, 756, 920 – Verhältnis zu den Vorsokratikern 54  f., 75, 82  f., 85, 92, 95–102 (Pythagoreer), 109, 111–114 (Parmenides), 120, 123, 130, 141, 155  f., 163, 243, 475

– Beurteilung der Dichtung 78  f., 257  f., 554 – Dialektik 141, 247–249, 268, 304, 451, 549, 555, 758  f., 763, 777, 1145  f., 1163 – Ideenlehre / Idee des Guten 191, 221, 225–229, 293, 295, 299, 318, 525, 544, 551  f., 645, 745 – ›Parmenides‹ und Rezeption 111  f., 148, 157, 220, 227, 748  f., 758  f., 764, 871, 925, 935, 954, 984, 994, 1040, 1064, 1079 – Konturierung des Philosophiebegriffs 97–99, 131, 137, 140, 142, 153, 156, 173, 182, 184, 206, 236–247, 254, 258– 260, 271, 288  f., 297  f., 305  f., 319  f., 395  f., 427, 547  f., 788  f., 1127 – ›Politeia‹ und Rezeption 129, 200, 225–231, 241  f., 248, 250– 252, 254, 305, 313  f., 319, 323, 391, 439, 765, 1139 (vgl. auch ›Philosophenkönig(tum)‹) – Schriftkritik 208, 235  f. – Seelenlehre (und Rezeption) 228–233, 241, 282, 415, 460, 462 – Verhältnis zur Akademie 154, 158–160, 218  f., 223, 261– 264, 267–269, 319, 442, 1127 – Verhältnis zur Medizin 126  f., 255, 312 – Verhältnis zur Naturphilosophie 72 – Verhältnis zur Religion 133, 256–258 – Verhältnis zu Aristoteles / dem Aristotelismus 271  f., 277, 280, 282, 286, 288  f., 293, 295–300, 304  f., 310–316, 318  f., 321, 323, 559, – Verhältnis zu Isokrates 208, 210, 211, 213  f., 216, 219, 235, 254, 318, 322, 526, 1127 – Verhältnis zu Sokrates 142  f., 151, 159, 171, 173–184, 187, 201–206, 217–219, 319, 322 – Verhältnis zur Sophistik 139, 141  f., 150  f., 154–159, 164, 167–170, 205, 253  f. – ›Timaios‹ und Rezeption 153, 220, 222, 233–235, 249, 255–257, 282, 295  f., 322, 414, 493, 543–545, 547, 552, 600, 610, 616, 618, 638  f., 732, 740, 749, 758  f., 761, 764, 782, 797, 803  f., 864, 869  f., 925, 954, 987, 998, 1063, 1079, 1130, 1135 – jüdisch-christliche Rezeption 498, 616, 618, 624, 632,

Register der Personen und Themen 635, 638  f., 645–648, 650, 653  f., 658  f., 668, 684, 689  f., 694, 700, 719, 725, 732, 797  f., 801–805, 814, 817  f., 822, 828  f., 846  f., 849, 851–854, 858–861, 865  f., 877, 879, 887, 890–896, 908, 910, 914, 919–921, 936, 940, 947, 1018  f., 1028  f., 1043, 1051–1053, 1057, 1060, 1063, 1065, 1071, 1076, 1102, 1116, 1118, 1135 – Kritik an Platon 156, 377, 391, 475  f., 604  f., 650, 653 – Doxographie 573, 592, 602, 638 Platon (Pseudo) 7, 261  f., 264– 267, 962 – ›Rivalen‹ (Ἐρασταί) 7, 121, 262, 264–266, 270, 352, 428 Platoniker (laut antiken Quellen) 22, 160, 427, 468, 481, 569, 574, 607, 609, 669, 716, 720, 771, 773, 871, 882, 885  f., 896, 1014, 1063 Platonismus (als Gesamtphänomen) / platonisch(e Tradition) 21, 31, 37, 96, 133, 223, 229, 270, 333, 343, 372  f., 381, 419, 430, 433, 442  f., 447–450, 463, 475, 516–519, 526, 535, 541, 558–569, 574, 578, 588, 600, 602, 610  f., 701–706, 717  f., 721–724, 728  f., 731, 744, 751, 764, 770, 774, 780, 785–788, 791, 900–902, 920–926, 933–936, 948, 983  f., 1108  f., 1114, 1116, 1118, 1130–1133, 1135–1137, 1144–1147, 1153, 1155, 1157, 1163, 1165  f. – zeitliche Einteilung 714  f., 717 – jüdisch-christliche Rezeption 497, 500  f., 631, 638, 640, 642  f., 645, 647, 649, 659  f., 663–665, 667  f., 670–674, 676, 680, 682  f., 684, 686, 693, 695  f., 698  f., 713, 715, 719–725, 738, 776, 796– 798, 801–808, 810, 812, 815, 817–819, 822  f., 825, 829, 832  f., 834, 837–844, 852–855, 857– 866, 868  f., 869–873, 876  f., 879, 882–899, 905–907, 909–911, 915  f., 920–927, 934, 957  f., 988, 1050  f., 1063  f., 1108  f., 1165  f. Plautus, Titus Maccius 346 Plotin 36, 515  f., 551, 553, 583, 591, 638, 669, 680, 713–722 (Rolle in der Spätantike, 732  f., 742–748 (Rolle im Neuplatonismus), 750, 752, 755–757, 763, 766, 769, 771, 774–776, 791  f., 799, 801, 818,

901  f., 921, 924, 990, 996, 999, 1170 – Christliche Rezeption 819, 821, 829, 839, 843, 852, 861  f., 877–879, 882, 896, 910, 919, 921, 949, 965, 1014, 1018  f., 1027  f.,1046 Plutarch (Schüler des Origenes) 532 Plutarch von Athen 730  f., 733, 735, 739, 742  f., 744  f., 761, 764, 767, 776, 839, 927, 973, 1134 Plutarch von Chaironeia 159, 161, 353, 360, 397, 402, 519, 524, 529, 531, 537, 539, 541, 543–546, 550–552, 554  f., 557, 611, 706, 773, 804, 852, 912, 962, 1146, 1155, 1163 Plutarch von Chaironeia (Pseudo) 425, 590 Polemon von Athen 261, 263  f., 268, 341, 404, 427, 441 Polos 157 Polyainos 381, 383, 388, 391 Polybios 407 Polybos 125 Polykrates (Redner) 148, 152 Polykrates (Tyrann) 63, 65, 103 Pompeius (Gnaeus Pompeius Magnus) 407, 453 Porphyrios von Tyros 79, 377, 555, 671, 680, 713, 723, 732, 739, 742, 747  f., 759, 766–774, 776, 789, 1066 – als Philosophiehistoriker / Berichterstatter 58, 95, 97–99, 393, 527, 569, 636, 669, 716  f., 741, 745, 747  f., 751  f., 852, 858 – didaktische Reflexion 754, 759, 777, 911, 923 – ›Eisagoge‹ und Aristotelismus (Kategorienlehre etc.) 732, 748, 752  f., 760, 870  f., 899, 905  f., 923, 936, 943, 948  f., 961–963, 966, 969–971, 975  f., 981, 985, 995, 1003, 1055– 1057, 1059  f., 1063–1065, 1067, 1071–1074, 1077, 1081, 1096, 1111, 1116  f., 1137 – Baum des Porphyrios 1056, 1096 – Rolle in der platonischen Tradition 716, 733, 742, 744, 747–749, 751–754, 766–769, 801, 839, 843, 852, 858, 901, 921  f., 999  f., 1018 – Tugendlehre 754, 757 – Verhältnis zum Christentum 108, 553, 669, 719  f., 732, 741, 744, 748, 767  f., 771–774, 783, 800–802, 805  f., 830, 837, 839, 843, 846, 852, 858–862, 866,

869–872, 879, 882, 887, 891  f., 896, 898  f., 910  f., 921  f., 1018  f., 1029, 1095 Poseidonios von Apameia 334, 342, 344, 350  f., 357, 406  f., 409, 414, 419–422, 425  f., 429–434, 438, 457, 480, 487  f., 497, 508, 510, 570  f., 575, 594, 597, 629, 686, 1007, 1152, 1156, 1166 Possekel, Ute 722, 912–915, 1099 Praechter, Karl 40, 53  f., 138, 140, 329  f., 516  f., 714, 745, 972 Priamos 306 Primavesi, Oliever 112, 114, 273 Prinzipien 17, 91, 101, 234, 269  f., 321, 1128 – der Erkenntnis 68, 279  f., 297  f., 303  f., 380, 448, 563, 978, 990 – des Seienden 56, 81, 263, 300  f., 308–310, 312, 315  f., 343, 377, 386, 413–415, 544  f., 561, 567, 610, 631, 634–639, 681  f., 743, 762  f., 768, 771, 808, 862, 919, 994, 1003, 1008, 1039, 1128 – erstes / Ur-Prinzip 65, 87–89, 92–94, 107, 125, 298, 377, 435, 544, 774, 1004 – im Sinne von Gott 488, 493, 499  f., 510, 519, 552, 576, 638, 640, 806, 987 Priskian von Lydien (Neuplatoniker) 743, 751, 935, 938, 955  f., 974, 983, 990, 993–998, 1002, 1005, 1007  f., 1080 Priskos von Athen 731, 734, 737, 775 Proḇā (Probus, syrischer Logiker) 935, 939, 948, 952, 959, 961  f., 989, 1047, 1056–1058, 1059, 1078, 1081, 1105, 1109, 1116, 1153 Prodikos von Keos 164, 175, 203, 817 Prohairesios 776 Proklos 8, 224, 713, 716, 719, 722  f., 731, 733, 735  f., 740–745, 748–751, 754  f., 757, 761–769, 773, 775, 777, 792, 817, 820, 839, 921  f., 938  f., 943, 953, 955, 1008, 1018, 1163 – als philosophiehistorische Quelle 316, 380 – Werke 671, 716, 740, 759, 926, 1155 – Verhältnis zum Christentum 723, 773, 817, 1005, 1133  f. – Einfluss auf seine Zeit 953, 967, 971–975, 977, 984, 987, 991  f., 994, 998–1001, 1003, 1113, 1115, 1136

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Register – christliche Rezeption 947, 950, 965, 1013  f., 1018, 1027, 1029, 1031  f., 1038–1043, 1045  f., 1063, 1117  f., 1136 Prokop von Gaza 1013–1015 Propädeutik 583, 603, 663, 667, 679, 702, 754, 764, 898, 900, 911, 925  f., 949, 966, 1111 (vgl. auch ›Zirkel der Lehre‹, ›Freie Künste‹) Protagoras 53, 66, 127, 151, 158, 164–168, 209, 214, 225, 245, 1126 Protreptik (literarische Gattung) 294, 549, 662, 749, 751, 757, 797 (vgl. auch ›Aristoteles‹, ›Protreptikos‹ und Cicero, ›Hortensius‹) Providenz (Vorsehung / Vorwissen Gottes) 36, 372, 495, 551, 577, 616  f., 674, 794, 833, 852, 855, 937, 1062 (vgl. auch ›Determinismusproblem‹) – im Neuplatonismus 746, 754, 768, 988, 1006, 1062 Pseudepigraphie / Pseudonymie 41, 95  f., 100, 262, 378, 485, 531, 539, 956, 1021, 1043, 1053 Ptolemaios I. Soter 344, 354, 484 Ptolemaios II. Philadelphos 344, 355, 491, 501 Ptolemaios III. Euergetes 407, 481 Ptolemaios IV. Philopator 481 Ptolemaios VIII. Physkon 344 Ptolemaios al-ġarīb (Peripatetiker) 271, 273–275, 557–559 Ptolemaios, Klaudios 520, 589, 593, 594  f., 601, 603, 612, 698, 702  f., 1153 Pyrilampos 246 Pyrrhon von Elis 191, 329, 341, 361, 367  f., 371, 373, 392, 403, 477, 503, 519, 1128, 1164 Pyrrhoneer (alte) 367  f., 381, 387, 432 Pyrrhoneer (jüngere); siehe ›Skepsis / Skeptiker‹, pyrrhoneische Pythagoras von Samos 57, 63, 65–67, 74, 76, 91, 94–105, 107–109, 116, 119, 131, 354, 363, 391, 438, 475, 487, 498, 542, 607, 638, 751, 756, 762, 990, 998, 1000, 1026 – in der antiken Philosophiegeschichtsschreibung 52, 81, 86, 106, 162, 298, 475, 590, 592, 632 – Philosophiebegriff / Selbstbezeichnung 59, 72, 75, 85,

1284

101–103, 132, 154, 243, 468, 979  f., 1140 – Bezüge zu Judentum und Christentum 487, 498, 624, 638, 695, 797, 812, 865, 905, 908, 1016 Pythagoreer (alte) 57, 63, 66, 82, 94–105 (davon 95  f. Definition), 115, 156, 168, 184, 264, 269, 298, 475 – als Philosophenschule 60, 97–100, 130, 218 – politische Aktivität und Theorie 66  f., 103, 130, 133, 218, 354, 357, 475, 1026, 1147, 1150 – Wissenschaftliche / mathematische Forschung 57, 102– 104, 133, 777  f., 1002, 1008, 1127, 1145, 1147, 1152 – Einfluss auf Platon und Aristoteles 156, 158, 218  f., 243  f., 254, 293, 319  f., 542, 1145 Pythagoreismus / (Neu-)Pythagoreer 95–97 (Definition), 500, 526, 539, 542, 554–556, 568, 606  f., 701, 739  f., 744, 748, 751  f., 777, 785, 900  f., 980, 986, 1132, 1138 – Jüdisch-christliche Rezeption 500, 618, 632, 637  f., 648, 663, 667, 704, 812, 898, 919 (Pseudo-)Pythagoreische Schriften (inkl. Pythagoras-Viten) 71, 95–97 (Definition), 346, 376, 378  f., 531, 539, 542  f., 588, 740, 751, 762, 898 Quintilianus, Marcus Fabius 427, 524, 1148 Quadrivium 255, 524, 555, 901, 903, 990, 1050  f., 1061, 1066, 1068  f., 1084, 1109, 1116, 1147 Rabbulā 945 Rashed, Marwan 272, 275, 518, 520, 558, 715 Rechenauer, Georg 66, 77, 95 Religion: vgl. die entsprechenden Abschnitte in den Unterkapiteln und Zusammenfassungen – Begriffsbestimmung 39 Rhetorik: vgl. die entsprechenden Abschnitte in den Unterkapiteln und Zusammenfassungen Rhodon 650 Rhodos 344, 350, 369, 382  f., 406  f., 457 Richtung, philosophische: siehe ›Schule‹, im Sinne von philosophische Richtung

Ricken, Friedo 77 Riedweg, Christoph 19, 102, 107, 722 Rom 13, 329, 333  f., 338–340, 345–349, 351, 354, 358, 382, 403, 406  f., 442, 448, 452–473, 484, 506–508, 524, 532, 535  f., 557  f., 567, 600, 614, 626  f., 731, 872, 943, 1150 Ross, William D 301, 375 Saffrey, Henri Dominique 730, 1007 Sallustios (Neuplatoniker) 735 Salomon 500, 676, 878, 1101 Saloustios (Kyniker) 1010 Salvianus von Marseille 908  f. Samuel Petros aus Rēšʿaynā (Philosoph) 948 Sammlung (antike Literaturgattung) 83, 196, 323, 359, 365, 369, 377, 380, 388–390, 475, 539, 560, 606, 625, 741, 747, 785  f., 793, 831, 844, 887, 901, 936, 972, 988, 1021–1026, 1058, 1080, 1129, 1137 (vgl. auch ›Doxographie‹) – Sammlungstätigkeit 72, 369, 965 Sardeis (Sardes) 63, 86, 731, Satire, menippeische 362, 364  f., 903, 1063, 1069, 1118 Schicksal: siehe ›Fatum‹ Schleiermacher, Friedrich ­Daniel Ernst 222 Schmitt, Arbogast 228, 283, 410 Scholarch / Leiter einer Philosophenschule / Nachfolger (διάδοχος) des Gründers 261  f., 345, 348  f., 357, 370, 378, 441  f., 558, 597, 744, 991  f. Scholastik 21, 941, 960, 1087 Scholten, Clemens 651, 922, 938, 1027 Scholz, Peter 11, 154, 168, 339, 354, 403 Schorn, Stefan 369, 376, 475  f. Schramm, Michael 280, 787 Schule 33 (vgl. ansonsten ›Philosophenschule‹) – christliche 532  f., 669, 681, 733, 738, 844  f., 855, 912, 937, 941, 944, 952, 964, 969, 1012  f., 1023, 1083, 1088, 1099–1103 (Nisibis), 1111, 1131 – medizinische 477  f., 509, 596  f., 732, 1009 – rhetorische 156, 528, 732, 1115 – der Sophisten 149, 153, 156, 207 – von Übersetzern 1074, 1077

Register der Personen und Themen Scipio Africanus Maior 407, 470, 900 Sedley, David 262, 383, 398, 427, 443 Seele 90, 107, 156, 210, 234, 282–284 (Aristoteles), 293, 310, 322, 372–375, 545  f., 568, 578, 595, 599, 654–656, 746, 768, 773, 803, 816  f., 823  f., 871, 892, 905, 907, 909, 1064, 1098, – Körper und Seele 121, 212, 229  f., 232, 234, 243, 246 (Platon), 282  f. (Aristoteles), 320, 386 (Epikur), 415 (Stoa), 546, 755, 760, 843, 852, 978, 1002, 1017  f., 1034, 1036, 1066, 1068 – menschliche 241, 243, 269, 285, 306, 415, 552, 643  f., 659, 746, 750, 754  f., 760, 770, 834, 839  f., 843, 996, 1000, 1002, 1017, 1034, 1051, 1066, 1082, 1095, 1102  f. – Mittelstellung / Aufstieg der Seele s. ›Aufstieg (mystischer)‹ – Tier- / Pflanzenseele 113, 1066 – Teile / Vermögen der Seele 30, 129, 233  f. (Platon), 278  f., 283, 287 (Aristoteles), 420, 601, 618, 623, 655, 673, 683, 775, 782, 833  f. (Nemesios), 907, 982, 1002, 1050, 1057  f., 1102 – Höchstes / Leitvermögen der Seele (Seelenfunke) 415  f. (Stoa), 479, 601, 673, 746 (Plotin), 996, 1102 – Leidenschaften der Seele 232, 277, 393, 425, 835 – Sorge um / für die Seele 178  f. (Sokrates), 212, 255, 266, 345, 373, 393, 446, 529, 546  f., 571, 664, 817, 824, 992, 1000 – Unsterblichkeit der / Gericht über die Seele 100, 219, 229– 232 (Platon), 372, 374, 385  f., 460, 462, 646, 654, 681, 754, 800, 802, 852, 868, 875, 891  f., 901, 986, 1000, 1004, 1045, 1093, 1117, 1163 – Präexistenz der Seele 229  f., 841, 987, 1033 – Weltseele 234, 414, 435, 576, 673, 852 (vgl. auch ›Geist‹, Geist und Seele) Seelenführung / -leitung 388  f. (Epikur), 421 (Stoa), 538, 668 Seelenlehre 282–284, 372, 588, 595, 598, 643, 654–657, 753, 765, 816, 833, 885, 921  f., 923, 974, 995  f., 1002, 1093, 1108

Seelenwanderung 81  f., 95, 99– 101, 105, 115, 130, 231, 236, 244, 257, 316, 322, 653, 772, 818  f., 877 Seiend (ὄν) 56, 80, 89, 116, 119, 166, 228, 263, 277, 284, 301  f., 309, 317  f., 415, 437, 580, 643, 672, 746, 762, 832, 1000, 1042, 1106, 1128 – das Seiende als / qua Seiendes (ὂν ᾗ ὄν) 36, 130, 301, 760, 762, 977, 980, 1050, 1083, 1106  f., 1143  f. – das / der wahrhaft Seiende (Ideen / Gott) 102, 112–114 (Parmenides), 120, 229, 249, 266, 375, 542, 544–547, 560, 701, 748  f., 753, 756, 762 – jüdisch-christlich 494, 510, 616, 642, 647, 660  f., 664, 695, 797  f., 804, 806, 817, 823, 860, 871 – Über-Seiend / Nicht-Seiend 638, 719, 748  f., 753, 763, 823, 871, 1039, 1125 Sein, das (τὸ ὄν / ἡ οὐσία) 231, 276, 285, 544, 642, 750, 754, 762, 1033 – jenseits des Seins (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας) 231, 544, 642, 745 Selbsterkenntnis 184, 203, 295  f., 500, 581, 652, 677, 696, 810, 815, 889, 905, 1050 Seleukeia-Ktesiphon / Seleukeia am Tigris 344, 407, 1099 Sellars, John 331, 335, 420, 425 Seneca, Lucius Annaeus 189, 365, 397, 420, 426, 452, 462, 519, 531, 535, 537, 539, 549, 566–578, 654, 662, 683, 695, 703, 867, 875, 887, 1063, 1065, 1135, 1141, 1144, 1151  f., 1163 Sergios von Rēšʿaynā 693, 804, 874, 935–937, 939  f., 948  f. 951  f., 956  f., 959, 961–963, 965, 967, 985, 989, 1009, 1013, 1038, 1040, 1042, 1044, 1046  f., 1048–1055, 1057–1060, 1063, 1069, 1071, 1074, 1081, 1083  f., 1088, 1093, 1102–1118, 1134, 1137  f., 1144, 1153 Sergios (Grammatiker) 959, 1091–1094, 1095 Severianos 1005  f., 1008 Severos (Platoniker) 539, 541 Severos bar Šakkō 292, 1058  f., 1108 Severos Sebkokht 1081 Severos von Antiochia 952, 957–959, 1014–1018 (gemäß Zacharias Rhetor), 1020  f.,

1034, 1038, 1086  f., 1091–1094, 1096, 1104, 1112  f., 1117, 1137 Sextos Empirikos 83, 267–269, 329, 392, 395, 431, 444, 447  f., 478  f., 539, 547, 580–583, 591, 598  f., 1009 Simonides von Keos 78, 81, 91, 165 Simplicianus von Mailand 729, 732, 738 Simplikios 73, 83, 114, 284, 561, 743, 754, 935, 938, 949  f., 951, 965, 971, 973, 982  f., 986, 989  f., 993–999, 1001–1008, 1033, 1114 Sisinnios 738 Skepsis / Skeptizismus / Skeptiker 8, 39, 83, 92–94 (Xenophanes), 169, 173, 181, 194, 259, 367  f., 370, 461, 471, 473, 490, 516  f., 949, 1126  f., 1165  f. – akademische 262, 330, 332, 342, 344, 391, 430, 441–449, 454, 458, 479, 509, 540, 698, 865, 869 – in der Medizin 477, 479, 598  f. – pyrrhonische 93, 333, 367  f., 444  f., 449, 479, 517–520, 539  f., 580–583, 588, 590, 592, 598  f., 601, 663, 697  f., 702, 1009, 1130, 1155, 1165 – Skeptizismus versus Dogmatismus 125, 138, 329–331, 509, 581  f., 593, 698, 714 – jüdisch-christliche Rezeption 616–618, 652, 658, 663, 682, 829, 862, 865  f., 869, 883, 910, 923 Sklave / Sklaverei 314, 440, 823, 827, 868 Snell, Bruno 56, 323 Söder, Joachim 167, 215, 239 Sokrates (historischer / als Ideal des Philosophierens) 7, 25, 35, 106, 137, 140  f., 143, 148  f., 151  f., 159, 161–163, 169, 171–186, 187–189, 192, 198, 201–205, 207, 209, 212, 217, 219, 232, 236, 258, 280, 318  f., 322, 351, 363, 367, 374, 405, 459, 609, 950, 1011, 1127  f., 1140, 1144, 1154, 1164 – in der Philosophiegeschichtsschreibung 53–55, 138  f., 146, 162, 171–173, 298  f., 376, 405, 450  f., 468, 592 – Kritik an Sokrates 175, 376, 391, 398, 468 (vgl. auch Polykrates#) – jüdisch-christliche Rezeption 498, 639, 695, 780, 798, 817, 853, 868, 908, 1016, 1064

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Register Sokrates (Dialogfigur, vor allem bei Platon) 7, 79, 111, 161, 174  f., 179  f., 202, 206, 220–222, 226, 230, 232, 237, 240  f., 243, 245  f., 249, 253, 257, 264  f., 322, 460 Sokrates (Kirchenhistoriker) 738, 744, 1133 Sokratiker / Sokrates-Schüler 57, 138, 142  f., 148–153, 156, 158  f., 175, 179  f., 182, 187–206, 209, 213  f., 219, 224, 307, 319, 341, 377, 421, 468, 1121, 1129, 1146 (vgl. auch Aischines von Sphettos, Kyniker, Kyrenaiker, Megariker) Solon 75, 102, 131, 203, 217, 235, 1140 Sopater der Ältere 731, 733, 736, 744, 776 Sopater der Jüngere 731 Sophist / Sophistik 52  f., 57, 60, 67  f., 76, 138–142, 147–158, 163, 165–170, 171, 177, 180, 182–184, 207–216 (Isokrates), 224–226, 235  f., 238, 245, 248, 253, 307, 318  f., 524, 604, 1127, 1145, 1148 – ›sophistische‹ Schlüsse bzw. ihr Ergebnis 275, 279, 285, 302–304, 316, 555, 565, 665, 985, 1116 – allgemein als Weisheit / Lehrkompetenz 350, 363, 839, 1014 – im Sinne von Rhetorik bzw. einer Art davon 318, 401, 508, 534, 604, 608, 621, 667, 679, 1020, 1126 – Zweite Sophistik 156, 259, 520, 534, 555, 589, 603–608, 1131 Sophroniskos 177 Soran von Ephesos 597  f., 599, 654, 793 Sorge um den Tod (μελετὴ τοῦ θανάτου): siehe ›Definitionen der Philosophie‹ Sosipatra 730, 739, 1138 Sotion 93, 189, 376, 474, 476, 485 Sozomenos 744 Speusipp 140, 153, 158  f., 218, 261–263, 269, 319, 475 Sphairos 117, 344, 355, 358, 407, 440, 507 Spinoza, Benedikt (Baruch) de 1161 Spott / Witz (von / über Philosophen) 182, 196, 364  f., 367, 526  f., 608–610 Staunen (als Anfang des Philo-

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sophierens) 244  f., 297  f., 315, 811, 1140 Steel, Carlos 994, 996 Stephanos von Alexandria (Neuplatoniker) 292, 935, 943, 948, 952, 958  f., 968–970, 973, 975–977, 979  f., 982, 987–989, 1058, 1105, 1118, 1136, 1153 Stephanos bar Sudaili 1098 Stilpon 190  f., 341, 368, 404 Stoa / Stoiker / Stoizismus (allgemein) 8  f., 18, 26, 30  f., 36  f., 44, 133, 171, 188, 190, 216, 223  f., 235, 247, 259, 263  f., 306, 321, 332–334, 341–344, 352  f., 361, 368, 370, 372  f., 378, 381, 390, 392, 453, 457  f., 460  f., 463–467, 471–474, 503–510, 517–521, 523, 525  f., 528, 531  f., 567, 582  f., 588, 592, 594, 604, 607, 609, 698, 701–703, 727  f., 786, 1129  f., 1140, 1143–1147, 1149–1152, 1154  f., 1162, 1165  f., 1168  f. – Alte / Ältere Stoa 60, 404– 441, 569–571, 704 (vgl. auch Chrysipp, Kleanthes, Zenon von Kition) – Mittlere Stoa 60, 406, 419  f., 437  f., 442, 466, 516, 549 (vgl. auch Diogenes von Babylon, Pantainos, Poseidonios) – Jüngere / Späte Stoa 60, 516, 568–578 (vgl. auch Epiktet, Seneca, Mark Aurel, Musonius Rufus) – In der Philosophieschichtsschreibung 192, 198, 329  f., 474, 516 – Verhältnis zum Epikureismus 395–399, 548, 579 – Verhältnis zum Kynismus 192  f., 196, 198, 362  f., 365, 490 – Verhältnis zur Akademie /  zum Platonismus 267  f., 270, 307, 442–451, 460, 479, 544–549, 552, 554, 556, 705  f., 721–725, 742, 754, 756, 760, 763  f., 767, 784  f., 791, 901  f., 923–925, 978, 984, 1004, 1107, 1109, 1111, 1133 – Verhältnis zum Aristotelismus 287, 451, 560  f., 563, 566 – Politische Aktivität und Kontakte 346  f., 354  f., 358, 439  f., 480, 535  f., 569, 575  f. – Textformen / literarische Formen 359  f., 422, 537, 539  f. – Wissenschaftliche Aktivität und Einflüsse 432  f., 448, 593  f., 597

– Interaktion mit dem Judentum 438, 490, 493, 495, 497– 500, 510, 615–621, 624, 794 – Rezeption im Christentum 632, 638  f., 645  f., 648, 654, 664, 671–674, 677, 679  f., 682  f., 692–695, 738, 802–804, 809, 812, 819, 828  f., 861, 870, 872, 880, 887, 891, 899, 906, 908, 910  f., 915–917, 919, 923–925, 956, 1046, 1065, 1073, 1088 Stobaios (Johannes Stobaios) 83, 362, 424, 447, 547, 590, 785  f. Strabon 432, 438, 481, 487, 593  f., 1007, 1152, 1156 Stratokles 661 Straton von Lampsakos 312, 355  f., 371  f., 378–380, 508, 1153 Strepsiades 150  f. Substanz (οὐσία, substantia) 277, 280–285, 309  f., 372, 546, 564, 746, 753, 803, 996, 1076, 1081, 1083, 1087 – christliche Terminologie 808–810, 821  f. (Gregor von Nyssa), 844, 856, 915, 918, 1034  f. (Philoponos), 1062, 1091  f., 1095, 1133 Suchla, Beate R. 1038, 1044 Sukzession (Lehrer-SchülerKette) 53, 81, 92, 97, 106, 162, 442, 590–592, 716, 893 Sulla (Lucius Cornelius Sulla Felix) 329, 337, 357, 369, 442, 506, 1150 Sweeney, Eileen C. 888, 1065 Syllogismus / Syllogistik 191, 278–280, 292, 302  f., 313, 316  f., 532, 534, 549, 555, 565, 627, 640, 661, 732, 789, 811, 824, 876, 961, 965, 983–986, 990, 1025, 1071, 1087, 1110, 1149 Synesios von Kyrene 721, 734, 738, 743, 796, 836, 837–842, 843  f., 862, 921, 927, 1133 Synkatathesis: siehe ›Zustimmung‹ Syrian 713, 716, 731, 733, 740–742, 744  f., 749  f., 760, 763, 769, 776, 792, 839, 922, 926, 974, 994, 996, 999  f., 1003, 1018, 1134 System (philosophisches / wissenschaftliches; σύστημα) 21, 27  f., 280, 331, 386, 497, 505, 518, 537, 551, 556, 588, 637–639, 670, 681, 683, 698, 820, 889, 1103, 1129 – (neu-)platonisches 8, 153, 223  f., 547  f., 714, 714, 717, 721,

Register der Personen und Themen 725, 742, 749  f., 765, 920  f., 972–974, 995  f., 1008, 1062 – stoisches 405  f., 409–412, 414, 417, 419, 424  f., 429, 431, 441, 519, 569  f., 576 Tardieu, Michel 955, 1079 Tarrant, Harold 433, 542 Tarsus (Tarsos) in Kilikien 344, 357 Tatian 640–643, 645–647, 649, 665, 699  f., 797 Tauros (Lukios Kalbenos Tauros) 191, 527, 529, 541, 543, 545, 551 Teles 362  f., 364  f. Terenz (Publius Terentius Afer) 346 Tertullianus, Quintus Septimius Florens 538, 599, 640, 643, 653–658, 663, 683  f., 691, 694, 696, 699, 701, 703  f., 1143, 1156 Textformen der Philosophie 36, 359  f., 389  f., 422, 463–465, 537  f., 570, 626, 697, 740  f., 1012, 1029–1031, 1115 – heteronome Texte 83, 359, 537, 741, 1129 Thales von Milet 24, 43, 51, 53, 60, 65, 67  f., 71, 74, 77  f., 86–91, 130–133, 142, 146, 170 Theano 100, 531, 542 Themison von Laodikeia 290, 598 Themistagoras 526 Themistios 713, 721, 729  f., 732, 734, 742  f., 775, 781, 783, 786–790, 791  f., 824, 827, 840, 842, 848, 873  f., 921, 926  f., 962, 983  f., 1141 Themistokles 180 Theodor bar Kōnī 1023 Theodor von Asine 716, 843 Theodor der Atheist 188  f., 341, 358 Theodor von Mopsuestia 741, 844  f., 846  f., 851, 861, 880, 945, 1099, 1103, 1134 Theodoret von Kyrrhos 719, 741, 844  f., 850–855, 862  f., 922, 1022 Theodorus, Flavius Mallius 729, 738 Theodosius I. (Kaiser) 876 theologia triptertita vgl. Theologie, dreigeteilte Theologie (θεολογία) 247, 256, 913, 945, 953  f., 1163 – dichterische Götterlehre 141, 256, 298, 306, 309, 314–316, 455, 893, 1155

– rationale Theologie / philosophische Teildisziplin 268, 270, 275, 308  f., 315  f., 321, 377, 380, 385, 413, 427–431 (Stoiker), 435, 437  f., 455, 471, 516, 549, 550–552 (Mittelplatonismus), 555, 563  f., 622, 758  f., 761–763 (Neuplatonismus), 766, 780  f., 785, 901  f., 925, 981, 983, 994, 1002, 1021 – bei christlichen Autoren 652, 675, 677, 702, 804, 815, 819, 826, 828, 832, 834  f., 861, 869, 893  f., 983, 1017, 1029, 1043, 1056, 1066, 1072, 1093  f., 1108, 1145  f., 1155 – negative Theologie 651  f., 671, 778, – als Epoptik: s. unter ›Metaphysik‹ – (neu-)platonische Theologie 550, 638, 769, 783, 819, 1053 – dreigeteilte Theologia (theologia tripertita) 334, 366, 399, 437  f., 454–456, 471, 499, 509  f., 893  f., 1155 – christliche Theologie als eigene Disziplin 489, 631, 660, 700, 844, 883, 1072, 1094, 1099, 1111, 1137, 1158, 1160 (vgl. auch Metaphysik / Theologie) Theon (Stoiker) 569 Theon (Rhetor?) 1008 Theon von Alexandrien 730, 925, 974 Theon von Smyrna 541, 550, 555, 666, 677 Theophilos von Antiochien 640, 642  f., 650, 654, 673 Theophrast von Eresos 52, 83, 158, 284, 336, 341, 344, 348, 360  f., 364, 369, 370–372, 374  f., 377–380, 405, 441, 476, 486, 504, 508, 563, 767, 995, 998, 1152, 1154, 1164 Thessalos von Tralleis 598 Thiel, Rainer 753, 954, 979 Thrasyllos 120  f., 224, 451, 518, 535, 541, 716 Thrasymachos 150, 167, 253 Thukydides 131, 146–148, 150, 179, 184, 210, 1126, 1140 Thymos (θυμός): siehe ›Zornmut‹ Tiberius (Kaiser) 596 Timaios Lokros (Pseudo) 542, 547 Timaios von Tauromenion 99, 475 Timasagoras 383 Timon von Phlius 367

Timotheos (Schüler des Isokrates) 209 Timotheus (Apostelschüler) 1044 Timycha 475 Titus Livius 904 Tornau, Christian 611, 887, 922, 968 Toulouse, Stéphane 271, 839 Trinität(slehre) 560, 678, 719, 741, 772, 803, 815, 821  f. (Kappadokier) 844, 856, 862, 870– 872 (Victorinus), 874, 889, 920  f., 923, 925, 1018, 1028, 1034  f., 1037, 1041, 1062, 1133, 1137, 1147, – Erkenntnis der Trinität als Vollendung 832  f., 1050 – subordinationistische 545, 672, Tryphon 569 Tugend 129, 141, 173, 179  f., 188, 190, 192, 194–196, 199  f., 203  f., 209, 232  f., 243  f., 264–266, 293, 367  f., 384  f., 404, 409, 411, 420, 429, 446, 471, 510, 549, 566, 601, 609, 618, 770, 1129, 1144, 1149  f. – christlich 630, 677, 681, 797, 833, 848, 859, 907, 1017, 1159, 1169 – Tugend und Eudaimonie 179  f., 194, 219, 286  f., 304–306, 332, 353, 449, 454, 460, 546, 1165–1167 – Tugend und Philosophie 237, 304, 318, 353, 423–425, 466, 481, 525, 787–789, 960, 1011 – christlich 739  f., 827, 831, 866, 872, 875 – Tugend des Bürgers / der Polis 146–148, 152, 154, 165, 169, 212  f., 251  f., 789 – Verbindung zum Wissen / zur Klugheit 137, 141, 158, 180, 216, 225, 236  f., 241, 243, 294, 394, 416–418, 431–433, 503– 505, 525, 619 – politische Tugend 286, 317, 775, 902, 927, 978, 1163 – Grade von Tugend 752, 754– 757, 759, 775, 902, 978, 1006 (christlich) 806, 838 – Kardinaltugenden 755, 872, 877 Tyrann(is) 103, 115, 122, 189, 252, 314, 343, 357, 403, 507, 695, 913, 1007 Tzetzes, Johannes 777 Ursache: siehe ›Kausalität / Ursache‹

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Register Valentinian I/II (Kaiser) 876 Valentinus (Gnostiker) 636 Varro, Marcus Terentius 296, 334, 347, 357, 399, 446, 450, 452, 453–456, 506, 509  f., 542, 893–895, 898, 906  f., 1073, 1155 Vegetarismus 97, 101, 378, 568, 752, 767, 771, 1126 Vergil (Publius Vergilius Maro) 908 Verrycken, Koenraad 954, 978, 990, 1031 Vespasian (Kaiser) 535  f., 607 Vettius Agorius Praetextatus 732, 873  f. Vita: siehe ›Biographie / Vita‹ Vlastos, Gregory 174, 184 Von Arnim, Hans 217, 408, 504 Von Balthasar, Hans-Urs 814 Von Harnack, Adolf 20, 1027 Vorsehung: siehe ›Providenz‹ Vorstellung(skraft) (φαντασία) 283  f., 410–412, 435, 443–445, 459, 1000, 1110 Wahrheit 112, 227, 588, 644, – Bezug der Philosophie zur Wahrheit 11  f., 66, 148, 169, 182, 223, 236, 255, 288, 300, 302, 305, 307, 320, 448, 455, 461, 470, 546, 758 – jüdisch-christlich 499, 530, 615, 618, 641, 667  f., 676, 679, 852, 909  f., 1067, 1131, 1163, 1168–1170 – von Behauptungen 11, 70, 166, 191  f., 214  f., 279, 412, 429, 459, 464, 479, 565, 583, 597  f., 621, 645, 663, 704, 843, 920, 1026, 1096, 1125–1128, 1144, 1148, 1167–1170 – als abstraktes Konzept / Ideal 31, 137, 153, 230, 232, 242, 245, 258, 305, 320, 479, 500, 546  f., 550, 716, 756, 922, 925, 1127, 1149  f., 1162  f., 1165 – christlich 649, 651  f., 666, 678  f., 683–685, 695–700, 821, 826, 838, 851, 865–867, 891  f., 896, 1026, 1042, 1140, 1145 – göttliche Wahrheit 375, 386, 429, 455 – jüdisch-christlich 499, 648, 1041, – in der Lebensführung 179, 205, 223, 236, 425, 522, 534, 1169 – Suche nach Wahrheit 11  f., 23, 66, 131, 148  f., 152, 205  f., 239, 255, 297, 299, 319  f., 322, 465, 612, 621, 660–662, 667  f.,

1288

697, 707, 885, 887  f., 895, 926, 1001, 1127  f., 1140 Waszink, Jan Hendrik 869 Watt, John W. 939, 960 Wehrli, Franz 376, 557 Weisheit (σοφία) 63, 74, 80, 93, 101, 109, 121, 1085 – Definition 295, 299  f., 422– 424, 572, 619, 623, 647, 979, 1064 – Höchstform von Können (auch als Metaphysik) 121  f., 124, 131  f., 155  f., 195, 244–247, 289, 293–301, 303  f., 316, 318, 352, 395, 400, 426, 441, 446, 470, 486, 503, 546, 562, 564, 567, 571, 739, 759, 762, 895, 1094, 1164 – scheinbare / falsche Weisheit 156, 303, 546, 633, 824, 828, 835 – Umschreibung für Philosophie 74  f., 102, 116, 154, 159, 181, 197, 213, 263, 266, 303, 469, 562, 757  f., 866, 913 – im Sinne von Philosophie – Lateinisch 46, 452, 466, 596, 694, 867  f., 872, 878 – Syrisch 689, 913, 916, 948, 1014, 1082  f. – orientalische / biblische 235  f., 315, 368, 489, 491, 493–498, 589, 616, 630  f., 1082 – christliche Formulierungen 637, 647, 667  f., 689, 695, 895, 1042, 1082, 1094 Westerink, Leendert G. 959, 973, 977, 986 Welt / Kosmos / Schöpfung 90, 110, 117, 120, 132, 199, 228, 234  f., 256, 332, 409, 430, 435– 437, 487, 499–501, 578, 620, 632, 673, 692, 721, 754, 797, 811, 815  f., 841, 1032, 1062, 1150, 1163 – Entstehung 70, 89, 234  f., 257, 372, 544–546, 551, 761, 987, 1004, 1125  f. (vgl. ›Ewigkeit der Welt‹) – jüdisch-christlich / creatio ex nihilo 493, 501, 616  f., 627, 633  f., 637  f., 640, 643  f., 651, 655, 673, 681, 692  f., 699, 706, 719, 762, 782, 808, 818, 915, 917, 958, 1019, 1022, 1029, 1033  f., 1117 – geistige / göttliche 234, 552, 636, 749, 782, 803  f., 821, 983 – sichtbare / sinnlich wahrnehmbare / materielle Welt 112, 229, 234, 245, 249, 255, 282, 284, 320, 331  f., 378, 403,

412  f., 546, 566, 672, 746, 753, 769, 803, 833, 923, 1128 – kausal geschlossene / notwendige / (gut) geordnete / gute 234  f., 257, 280, 282, 378, 387, 413–415, 418  f., 424  f., 439, 505, 554, 562, 570, 576, 638, 640, 785, 888, 973, 1129, 1142, 1169 – jüdisch-christlich 495, 707, – kontingente 385–387, 400, 504, – »die Welt« mit negativer Konnotation 244, 249, 681, 689, 694  f., 699, 836, 878 – Erlösung / Rettung der Welt 634, 637, 640, 672 Wille(nsbegriff) 386, 570, 809, 881, 888 Willensschwäche (ἀκρασία) 210, 287, 417, 633 Wissen (ἱστορία, ἐπιστήμη) 69, 71  f., 103, 108  f., 131, 141, 186, 214, 228  f., 239, 241–243, 259, 298–302, 412, 416  f., 423–426, 433  f., 445, 469, 486, 495, 498, 503  f., 566, 571, 685, 702,755, 861, 874, 1072, 1166 – Definition 225  f. – Wissen und Philosophie 217, 237, 246, 332, 352  f., 356, 551, 564, 571–573, 611, 660, 664, 666, 848  f., 857, 865, 1001, 1082  f., 1144, 1154, 1165 (vgl. auch unter ›Definitionen der Philosophie‹) – praktisches Wissen 141, 175, 180  f., 185, 237, 271, 292  f., 394, 409, 782, 787 – wissenschaftliches Wissen 24  f., 30, 181, 276, 411, 417, 432, 595  f., 601, 612, 1147 – Hochmut aufgrund von Wissen 861, 898, – Wissen und Meinung 225 – (Wissen des) Nichtwissen(s) 172  f. 181, 183, 186, 239, 318, 320, 447, 815, 861, 915, 1165 – Wissen und Glaube 23, 39, 631, 660, 700, 1004, 1088– 1090, 1157  f., 1160 – Wissen von Gott, Ideen etc. 209, 227, 242, 250, 259, 266, 447, 501, 526, 647, 754, 868, 1168 – Wissen und Tugend: siehe ›Tugend‹, Tugend und Wissen Wissenschaft (ἐπιστήμη) 241, 250, 269, 277  f., 280, 289, 295, 308–310, 338  f., 469, 495, 508, 759, 777, 869, 874, 946, 1002, 1050  f., 1088, 1116, 1163, 1165  f.

Register der Personen und Themen – Einzelwissenschaft(en) 308, 380, 401, 550, 554–556, 596, 657, 660, 679, 751, 759, 827, 840, 888, 898, 899, 945, 1036, 1052  f., 1071, 1074, 1101, 1103  f., 1106, 1111, 1114, 1116, 1152  f. – Praktische Wissenschaft 308, 311, 375 – Philosophie und Wissenschaft(en) 17  f., 24, 38, 115, 141, 266, 288  f., 300  f., 303, 317–321, 379, 424  f., 433, 474, 482, 508, 595, 619, 621, 648, 704, 730, 758, 777, 925  f., 937, 949, 978, 1007  f., 1067, 1069, 1110  f., 1118, 1138, 1140, 1147, 1162–1164, 1169 (vgl. auch ›Definitionen der Philosophie) – Religion und Wissenschaft 32, 141, 322, 700 – Prinzipienwissenschaft 17, 308  f., 762  f., Xanthippe 177 Xenarch von Seleukeia 593 Xenokrates von Chalkedon 153, 158, 261–264, 266–269, 319, 404, 427, 450  f.

Xenophanes von Kolophon 65–67, 70, 73, 74, 91–94, 99  f., 106, 108, 110, 112, 131  f., 162, 1126, 1154 Xenophon 155, 161, 171, 174  f., 181  f., 201–205, 206, 211  f., 391, 1011, 1150 Zacharias Rhetor / Scholastikos 863, 936, 947, 949  f., 952–955, 957–959, 963, 967, 971, 973, 975, 1005, 1012, 1013–1021, 1022, 1025–1027, 1036, 1038, 1040, 1042, 1091, 1094, 1104– 1106, 1109, 1112, 1115, 1117  f., 1134, 1137 Zachhuber, Johannes 16, 19, 821, 939, 1035 Zamolxis 438 Zeller, Eduard 14–17, 20, 23  f., 27, 40, 53  f., 138, 329  f., 516  f., 714, 716 Zenodotos 991 Zenobia 728, 733 Zenon von Elea 66  f., 70, 73, 83, 111, 113  f., 119, 131 147  f., 157, 166, 214, 220, 281 Zenon von Kition 29  f., 192, 197, 200, 263  f., 267  f., 342, 357,

361, 367, 372, 404  f., 407  f., 421, 425, 427  f., 430, 432, 435, 439, 442, 455, 481, 503, 506, 593, 1129, 1150 Zenon von Sidon 391 Zenon von Tarsos 428 Zeus 80, 378, 413  f., 419, 435– 439, 500, 536, 576  f., 781, 784 – Hymnus an Zeus 360, 422, 436, Zhmud, Leonid 84, 96, 105, 376 Zirkel der Lehre (ἐγκύκλιος παιδεία) 122, 198, 216, 265  f., 289, 349  f., 352, 428, 432  f., 409, 524  f., 550, 586, 777 (vgl. auch ›Freie Künste‹) – jüdisch-christlich 615, 619, 703, 836, 1020, 1094 Zonta, Mauro 8 Zoroastrier / zoroastrisch 315, 367, 377  f., 552, 771, 918, 944, 1004, 1080, 1101 Zornmut (θυμός) 233, 283, 833, 907 Zufall (τύχη, casus)180, 282, 305, 362, 385  f., 387 Zustimmung (συγκατάθεσις) 411, 417, 424, 431, 445  f., 459, 570, 638

1289

Register

II. Register der zitierten Stellen Das Register strebt weitgehende Vollständigkeit an. Es ist nach Paragraphenangaben geordnet. Seienzahlen (p.) werden nur angegeben, wo notwendig. Nahe beieinander liegende Stellen wurden in einem Eintrag zusammengefasst.

Acta Apostolorum Apocrypha Acta Andreae 1  — 661 7  — 661 Acta Thomae 34  — 661 Aelius Aristides, Orationes 2, 62  — 185 2, 74  —  181, 185 2, 259  f. 605 3, 348  —  178, 180 3, 600–604  — 156 3, 668  —  586, 606 3, 671  — 587 3, 672  — 606 3, 674  — 605 3, 677–681  — 606 3, 678  — 606 3, 679–681  — 527 3, 686–691  — 605 3, 690  — 534 Aelius Theo, Progymnasmata 1  —  534  f. Aeneas Gazaeus, Theophrastus, ed. Colonna p. 2, 9–20  —  1015  f. p. 3, 6–8  — 1016 p. 4, 5–7  — 1016 p. 4, 5–12  — 991 p. 8, 19–22  — 1016 p. 17, 24–18, 11  — 1016 p. 20, 3–10  — 1016 p. 21, 2–6  — 1019 p. 39, 23  — 1015 p. 64, 18–23  — 1017 p. 68, 5–8  — 1018 Aeschines, Orationes 2, 153  — 151 3, 16  — 151 Aeschines Sphettensis Cf. Aelius Aristides Aetius, Placita 1 prooem. 1  —  375, 563 1, 3  — 590 5, 18  — 589 5, 30, 1  — 104

1290

Agathemerus, Geographiae ­informatio 1, 1  — 68 Agathias, Historiae 2, 28  —  950, 1079  f., 1112 2, 29  — 1009 2, 30  —  950, 993, 1009 2, 31  — 952 2, 32  —  1009, 1079 5, 30  — 735 Albertus Magnus, Super Dionysium De divinis nominibus 7 (38, 1, p. 339, 1–52 Simon)  — 1160 Albinus, Prologus 4 (p. 149, 13 Hermann)  — 518 6 (p. 151, 4 Hermann)  — 547 Alcidamas, De sophistis 1  —  155, 207, 210 3–32  — 208 15  — 211 Alcinous, Didascalicus 1  —  518  f., 546 2  —  547, 549, 554 3  —  519, 534, 549, 555 7  — 555 8–10  — 545 10  —  544, 551 23  — 552 Alciphro, Epistulae, ed. Schepers 3, 19, 6  f.  — 526 Alcmaeo (DK 24 [14]) A 5 104 B 1 101,73 B 4 104 Alcman, Carmina, ed. Page 1, 13  f.  — 81 3 col. II 9–25  — 81 Alexander Aphrodisiensis De anima, ed. Bruns p. 2, 10–11, 13  — 561 p. 80, 16–91, 6  — 561

De fato, ed. Bruns p. 164, 16  f.  — 518 p. 168, 24–171, 19  — 692 p. 183, 5–11  — 417 p. 191, 22–25  — 414 p. 200, 16–29  — 566 p. 207, 5–9  — 413 De intellectu, ed. Bruns p. 106, 19–113, 24  — 561 p. 112, 5–113, 12  — 561 De principiis universi secundum Aristotelem, ed. Genequand 25–29  — 561 94  — 562 In Analytica priora, ed. Wallies p. 1, 9–2, 2  — 431 p. 2, 3–4, 29  — 564 p. 3, 31–34, 1  — 566 p. 4, 3–6, 12  — 563 p. 5, 20–23, 12  — 563 p. 6, 8–12  — 565 In Metaphysica, ed. Hayduck p. 245, 35–246, 6  —  563, 564 p. 246, 1  — 564 p. 246, 19–21  — 566 p. 250, 27–32  — 564 p. 251, 5–8  — 1066 p. 251, 17–23  — 565 p. 251, 34–38  —  564, 1066 p. 260, 1–20  — 565 p. 273, 8–274, 32  — 303 p. 553, 31–554, 10  — 194 In Topica, ed. Wallies p. 1, 10–12  — 434 p. 1, 12–14  — 434 p. 42, 13–22  — 194 p. 149, 9–15  — 291 p. 433, 15–19  — 263 Quaestiones, ed. Bruns 1, 25  —  561  f. Alexander Lycopolitanus, ed. Brinkmann 1  f.  —  699, 720

Register der zitierten Stellen Alpharabius De scientiis, ed. Schneider p. 128–141  — 1111 Liber litterarum, ed. Mahdi 108–113  — 1160 Ambrosius De bono mortis, ed. Schenkl 11, 51  — 880 De Isaac, ed. Schenkl 4, 22–27  — 878 De virginibus (PL) 14, 92  — 878 48  — 878 Explanatio psalmorum, ed. Petschenig 35, 1  — 878 36, 1  f.  — 879 36, 28  —  878  f. Expositio evangelii secundum Lucan, ed. Schenkl prol. 1–5  — 878 prol. 2  — 879 5, 70  — 878 Expositio psalmi 118, ed. Petschenig 1, 3  — 878 2, 5  — 878 2, 32  — 879 10, 20  — 878 11, 12  — 878 22, 9  — 878 22, 10  — 878 22, 11  —  878, 880 ›Amelachus‹, In Categorias, ed. Lalafaryan / Čaloyan p. 6, 9 1077 p, 14, 17–17, 26  — 1076 p. 14, 25  — 1076 p. 16, 15  — 1076 p. 44, 19  — 1076 p. 72, 14  — 1076 p. 76, 4  — 1076 p. 132, 7–10  — 1076 p. 149, 27  — 1076 p. 168, 9–15  — 1076 p. 204, 13–15  — 1078 Ammianus Marcellinus, Res gestae 14, 9, 5  — 736 19, 12, 12  — 736 29, 1, 37  — 736 29, 2, 25  — 736 30, 5, 9  f.  — 736

30, 5, 8–10  — 734 Ammonius In Analytica priora, ed. Wallies p. 2, 28–30  — 983 p. 5, 15  f.  — 985 p. 8, 15–11, 21  — 984 p. 11, 22–38  — 985 In Categorias, ed. Busse p. 1, 2–12  — 976 p. 5, 6–29  — 985 p. 5, 31–6, 8  — 986 p. 7, 7–14  — 986 In De Interpretatione, ed. Busse p. 5, 28  f.  — 557 p. 15, 1–16, 16  — 983 p. 131, 5–10  — 767 p. 135, 7–136, 15  — 1062 p. 135, 12–137, 11  — 768 p. 249, 7–11  — 117 In Isagogen, ed. Busse p. 2, 22–5, 27  — 978 p. 2, 22–5, 27  — 978 p. 3, 18  f.  — 988 p. 4, 15–5, 27  — 978 p. 6, 25–7, 40  — 978 p. 7, 14–8, 24  — 990 p. 8, 24–9, 6  — 990 p. 9, 7–24  — 979 p. 11, 6–13, 7  — 981 p. 13, 10–14, 226  — 981 p. 15, 1–16, 16  — 981 p. 23, 23  f.  — 984 p. 40, 6–10  — 194 Amphilochius, ed. Oberg 33–44  — 818 240–250  —  818, 1094 Anaxarchos (DK 59) A 1  — 119 A 11  f.  — 119 A 11–15  — 118 A 17  — 118 A 42, 3  — 119 A 42, 6  — 119 A 73  — 119 B 1  — 119 B 3  — 119 B 4  — 119 B 12  — 119 B 17  — 73 Anaximander (DK 12) A 6  — 68,87 A 10  — 86 A 11  — 86,87,89 A 12  — 89 A 15  — 89

A 16  — 88 A 30  — 89 B 1  —  88  f. B 2  — 89 B 3  —  88  f. Anaximenes (DK 13 [3]) A 1  — 87 A 5  — 90 A 7  — 90 B 2  — 90 B 5  — 81 B 11  — 81 B 14  — 81 Andro Alexandrinus (FGrHist 246) frg. 1  —  344, 349 [Anonymus] Categoriarum Paraphrasis ­Themistiana, ed. Minio-Paluello 1  f.  — 874 20  — 873 70  — 873 176  —  873  f. De scientia politica, ed. Mazzucchi 5, 9–15  — 1011 5, 16  — 1011 5, 208  f.  — 1011 De virginitate (PG 30) 11  — 740 In Theaetetum col. VII, 14–20 (p. 278  f. Bastianini / Sedley)  — 547 Narratio Iuliani p. 33, 18–20 Hoffmann (syr.)  — 913 p. 35, 7 Hoffmann (syr.)  — 913 Prolegomena in Hermogenem, ed. Waitz p. 8  — 434 Praefatio translatoris Armeni in Philonis dialogos XI  — 1078 Prolegomena in philosophiam Platonis 2  — 971 10  —  761, 764  f., 969 Scholia ad Dionysii Thracis Grammaticam, ed. Bekker p. 663, 16  — 423

1291

Register Scholia in Analytica priora 292

Anthologia Palatina 7, 413  — 359

Scholia in Apollonium ­Rhodium, ed. Wendel 1, 645  — 81 4, 57  — 81 4, 58  — 51

Antipho (DK 87 [80]) A 12  — 151 B 1  — 166 B 4  — 166 B 44  — 166

Scholia in Euripidis Hecubam, ed. Schwartz 131  — 95

Apocrypha novi testamenti Evangelium Thomae (NHC 2, 2), ed. Layton 35, 2  — 631

Sermo tertius contra Graecos (Κατὰ τῶν Ἑλλήνων λόγος τρίτος) Prologus  — 1022 Symbolum Arii, ed. Opitz p. 12, 10  f.  — 808 Tractatus de resurrectione (NHC 1, 4), ed. Peel 46, 9  f.  — 639 Tractatus tripartitus (NHC 1, 5), ed. Attridge / Pagels 51, 8–57, 8  — 638 53, 23–39  — 638 110, 14  f.  — 639 Verba duplicia (Δισσοὶ λόγοι, DK 90) 1, 1  — 168 6, 1–10 169 6, 5–8  — 168 Vita Aristotelis Marciana, ed. Düring 7  — 1092 11–14  — 261 Vita Philonidis, ed. Gallo frg. 14, 3–10  —  388, 390 frg. 27–34  — 382 frg. 30, 5–8  — 391 frg. 49, 1–5  — 401 Anonymus Epicureus frg. 5, col. XIX (p. 45, 9 Vogliano = p. 45  f. Angeli)  — 388 Anonymus Iamblichi (DK 89 [82]) 2  f. (2, p. 400, 11–401, 32)  — 166 Anonymus Vaticanus Syriacus, In Isagogen, ed. Baumstark p. 36, 24  f. (syr.) / p. 227, 5 (dt.)  — 1057 p. 37, 8  f. (syr.) / p. 228, 19  f. (dt.)  — 1057

1292

Apollonius, Scholia ad Dionysii Thracis Grammatica p. 663, 16 Bekker  — 423 Appianus, Mithridaticus 108–155  — 357 110–112  — 357 Apuleius De deo Socratis 150  — 552 170  — 552 De Interpretatione 1  — 549 De Platone et eius dogmate 1, 187  — 548 1, 189  —  518, 549 1, 192  — 544 1, 193  — 551 2, 220  — 544 Arcesilaus frg. 120  — 447 frg. 132  — 447 Archelaus (Socratis praeceptor) (DK 60) A 1  f.  —  162  f. A 4  f.  —  162  f. A 3  — 163 A 6  — 163 Archelaus Medicus (?), In De sectis col. A, 1–36  — 1105 col. B, 5–38  — 1106 Archimedes, Methodus prooem.  — 481 Archytas Tarentinus (DK 47) B 1  — 104 B 2  — 104 B 4  — 104

Archytas (Pseudo), De universalibus rationibus p. 26, 19  f. Thesleff 546 Aretaeus, De causis, ed. Hude 3, 6, 5  — 597 Aristides, Apologia, ed. Pouderon / Pierre 1, 1  — 641 3–7  — 644 8–11  — 644 13, 2  f.  — 644 17, 3  — 641 Aristo Ceensis frg. 13  — 372 frg. 33  — 372 Aristobulus frg. 2 (Radice) 499 frg. 3 (Radice) 486, 491  f. frg. 4 (Radice) 498 frg. 5 (Radice) 498  f. test. 4 (Holladay) 498 Aristocles, ed. Chiesara frg. 1  —  187, 267, 547, 549, 554, 562, 1052 frg. 2  — 414 frg. 3  — 414 frg. 4  — 367 frg. 7  — 93 test. 3  —  295  f., 562 test. 5  —  295  f. Aristophanes Ecclesiazousae 571  ff.  — 148 Nubes 92  — 157 94  — 149 94–98  — 149 104  — 149 112–118 149 180  —  146, 149 200–217 149,321 240–477  — 149 331–334  — 155 360–363  — 175 361  — 164 1137–1144  — 151 1232–1242  — 152 1421–1429  — 151 Aristoteles Analytica posteriora 1, 1, 24a 22–24b 3  — 303 1, 19, 81b 10–18  — 303 1, 19, 81b 18–22  — 280 1, 2, 71b 9–16  — 279

Register der zitierten Stellen 1, 2, 71b 16–72a 9  — 279 1, 2, 71b 17–72a 14  — 279 1, 2, 71b 26–72a 8  — 279 1, 2, 72a 14–17  — 279 1, 19, 81b 23–29  — 279 2, 2–4, 53b4–57b17  — 278 2, 19, 100a3–b17  — 277 2, 19, 100b 5–17  — 279 Categoriae 4, 1b 25–27  — 277 5, 2a 13–19; 2b 5  f.  — 277 De anima 1, 2, 405a 5–12  — 121 1, 2, 405a 19–21  — 88 1, 5, 411a 8  — 87 2, 1, 412a 27  f.  — 283 2, 1, 412b 6–9  — 283 2, 2, 413a 20–2, 3, 415a 13  — 283 2, 5–12  — 283 2, 5, 417a 22–b 2  — 285 2, 6, 418a 7–13  — 283 3, 1, 424b 22–3, 3, 429a 9  — 283 3, 3, 427a 17–429a 13  — 283 3, 4, 429a15–b23  — 284 3, 4, 429a 18  f.  — 119 3, 4, 429b5–16  — 284 3, 8, 432a 9  f.  — 283,1000 3, 9, 432a 26–3, 10, 433b 30  — 283 11, 4, 1061b 19  — 301 De caelo 1, 2, 268b 11–269b 17  — 282 1, 3, 270b 22–5  — 282 1, 8, 277b 10  — 301 1, 10, 279a 30–35  — 315 1, 11, 280b 1–1, 12, 283b 22  — 282 2, 4, 286b 10–287b 21  — 282 2, 9, 290b 12–291a 28  — 104 2, 12, 291b 27  — 288 2, 13, 294a 29–32  — 88 11, 4, 1061b 19  — 301 De generatione et corruptione 1, 8, 324b 35–325b 13  — 120 De Interpretatione 1, 16a, 3–8  — 278 9, 18a 23–19b 3  — 278 De longitudine vitae 1, 464b 33  — 289 De motu animalium 8–10, 701b 33–703b 2  — 283 De partibus animalium 1, 1, 639a 13  — 72

1, 1, 640b 4  f.  — 297 1, 1, 641a 7  — 298 1, 1, 641a 17–31  — 310,1002 1, 1, 641a 36  — 289 1, 1, 642a 1–13  — 281 1, 5, 645a 4  —  289, 309 2, 7, 653a 10  — 289 De respiratione 480b 28–30  — 312 Ethica Eudemia 1, 1, 1214a 9–13  — 311 1, 1, 1214a 14  f.  — 288 1, 5, 1216b 26–1217a 19  — 308 1, 6, 1216b 35–38  — 286 1, 6, 1216b 35–1217a 10  — 304 1, 6, 1216b 37–39  — 311 8, 3, 1249b 15–23  — 306 Ethica Nicomachea 1, 1, 1094a 1–3  — 286 1, 1, 1094a 27–b 10  — 311 1, 1, 1094b 10–95a 1 311 1, 1, 1094b 11– 1095a 11  — 286 1, 1, 1095a 2  f.  — 312 1, 4  — 971 1, 4, 1096a 14–17  — 302 1, 4, 1096a 31  — 289 1, 5, 1097a 28–b 6  — 287 1, 5, 10976 6–21  — 287 1, 6, 1098a 3–18  — 287 1, 8, 1098b 30–1099a 7  — 287 1, 10, 1099b 9–25  — 305 1, 10, 1099b 11–1100a 9  — 306 1, 11, 1100b 21  f.  — 287 1, 13, 1102a 27–1103a 3  — 287 2, 3, 1105b 10–18  — 289 2, 6, 1107a 8–17  — 312 4, 14, 1128a 20  f.  — 524 6, 3, 1139b 18–36  —  24, 279 6, 5, 1140a 24–b 30  — 287 6, 6, 1141a 3–8  — 279 6, 8, 1141b 29–6, 9, 1142a 10  — 549 7, 1, 1145b 2–7  — 277 7, 3, 1145b 23– 27  — 180 7, 12, 1152b 1  f.  — 289 9, 1, 1164b 3  — 289 10, 2, 1172b 9–25  — 263 10, 4, 1174b 14–23  — 287 10, 5, 1175b 24–1176a 3–19  — 384 10, 5, 1175b 24–1176b 19  — 287 10, 7, 1177a 13–18  — 305 10, 7, 1177a 17–1178a 8  — 304 10, 7, 1177a 24  — 289 10, 7, 1177a 24–29  — 288 10, 7, 1177a 34–b 1  — 306 10, 7, 1177b 26–1178a 2  — 305 10, 8, 1178a 9–34  — 305 10, 8, 1178b 8–22  — 315

10, 10, 1181b 14 f  — 311 10, 10, 1180b 20–23  — 311 10, 10, 1181b 15  — 289 Fragmenta, ed. Gigon frg. 17  — 117 frg. 23  — 315 frg. 28  f.  — 296 frg. 30  —  289, 295 frg. 55  —  291  f., 466 frg. 157  — 101 frg. 158  f.  — 99 frg. 171–177  — 99 frg. 463  — 296 frg. 829  — 282 frg. 838  — 315 frg. 871  — 296 frg. 907  — 295 frg. 916  — 282 frg. 923  — 316 frg. 947  — 316 frg. 982  — 314 Historia animalium 3, 3, 512b 12–513a 7  — 125 6, 5, 563a 7  — 129 9, 11, 615a 9  f.  — 129 Metaphysica 1, 1, 980a 21–981a 22  — 299 1, 1, 980a 28–981b 7  — 277 1, 1, 981a–b6  — 300 1, 1, 981b 7–25  — 300 1, 1  f., 981b 25–982a 30  — 300 1, 1, 981b 29 – 1, 2, 982b 10  — 305 1, 2, 982a 6–b 10  — 301 1, 1, 982a 17–19  — 300 1, 2, 982b 9  f.  — 309 1, 2, 982b 11  —  288, 297, 300 1, 2, 982b 12–18  — 297 1, 2, 982b 18  f.  — 315 1, 2, 982b 19–24  — 298 1, 2, 982b 24–28  — 300 1, 2, 982b 28–983a 11  — 300,305 1, 3, 983a 24–983b 6  — 298 1, 3, 983a 26–32  — 281 1, 3 983a 29  f.  — 73 1, 3, 983b 6  —  288, 297 1, 3, 983b 6–1, 6, 988a 17  — 298 1, 3, 983b 20  — 86 1, 3, 983b 20  f.  — 289 1, 3, 983b 20–984a 3  — 87 1, 3, 983b 27–33  — 315 1, 3, 983b 30–32  — 78 1, 4, 984b 25–31  — 80 1, 5, 982b 11  — 51 1, 5, 982b 18  — 52 1, 5, 985b 23–986b 8  — 101 1, 5, 986b 14  — 298 1, 5, 986b 21–27  — 92

1293

Register 1, 6, 987a 29–31  — 289 1, 6, 987a 32  f.  — 163 1, 6, 987b 1–4  — 171 1, 6, 988a 7–15  — 231 1, 7, 988a 18–1, 10, 993a 22  — 298 1, 9, 992a 33  — 288 2, 1, 993b 7–11  — 981 2, 1, 993b 19–21  — 288 2, 1, 993b 19–2, 994a 2  — 1083 3, 4, 1000b 5–9  — 116 4, 2, 1003b 22–33  — 301 4, 2, 1004a 1–4  — 301 4, 2, 1004a 2–6  — 301 4, 2, 1004a 2–9  — 308 4, 2, 1004a 5–9  — 301 4, 2, 1004b 17–25  — 565 4, 2, 1004b 17–26  — 302 4, 2, 1004b 26  — 303 4, 2, 1004b 27–1005a 17  — 285 4, 3, 1005b 7–4, 4, 1006a 28  — 284 4, 3, 1005b 23–25  — 302 4, 4, 1005b 35–1006a 3  — 167 4, 4, 1005b 35–1006a 18  — 301 4, 4, 1006a 15–18  — 302 4, 4, 1006b 11–34  — 285 4, 5, 1010a 10–15  — 163 5, 4, 1015a 13–16  — 310 5, 29, 1024b 26–34  — 194 5, 30, 1025a 4–6  — 277 6, 1, 1025b 3–7  — 308 6, 1, 1025b 14  f.  — 310 6, 1, 1025b 19  — 309 6, 1, 1025b 21  — 310 6, 1, 1025b 22–4  — 311 6, 1, 1025b 30–1026a 7  — 310 6, 1, 1026a 10–22  — 315 6, 1, 1026a 18–20  — 549 6, 1, 1026a 18–32  — 309 6, 1, 1026a 25–27  — 311 7, 3, 1029a 1–7  — 285 7, 10, 1036a 8  f.  — 281 7, 11, 1036b 2 2–1037a 5  — 281 7, 11, 1037a 5  — 285 7, 11, 1037a 13–20  — 310 7, 11, 1037a 15  — 289 8, 1, 1042a 25–31  — 281 8, 3, 1043b 23–32  — 194 9, 6, 1048a 30–35  — 285 9, 6, 1048a 35–b 17  — 285 12, 2, 1069, 9–13  — 281 12, 7, 1072a 19–24  — 286 12, 7, 1072b 3–30  — 315 12, 7, 1072b 3  — 286 12, 8, 1074b 1–8  — 314 12, 8, 1074b 1–14  — 315 12, 8, 1074b 11  — 289 12, 9, 1074b 15–1075a 11  — 286 13, 2, 1076a 38–1077b 11  — 311 13, 2, 1077b 34–1078a 31  — 310 13, 4, 1078b 17–19  — 171

1294

13, 4, 1078b 23–31  — 171 14, 4, 1091b 9  f.  — 81 14, 4, 1091b 13–15  — 231

Sophistici Elenchi 1, 165a 21–23  —  156, 303 16, 175a 5  — 288

Physica 1, 2, 185a 20  — 288 1, 7, 191a 24  f.  — 288 1, 8, 192a 36–192b 1  — 301 2, 2, 194b 14  f.  — 301 2, 4, 196b 10–197a 8  — 282 2, 6, 213a 12–2, 9, 217b 2  — 281 2, 9, 200a 15–b 8  — 310 3, 1, 200b 28–201a 3  — 280 3, 4, 203a 6–15  — 89 3, 4, 203b 12  f.  — 89 3, 4, 203b 13  f.  — 88 3, 5, 204b 4  — 307 3, 5, 204b 23–29  — 88 3, 6, 406b 24  — 733 4, 4, 203a 2  — 289 4, 11, 219b 1  f.  — 281 4, 12, 220a 19–32  — 1024 6, 9, 239b 5–240b 7  — 281 6, 9, 239b 9–18  — 111 6, 9, 239b 14–18  — 113 6, 9, 239b 30–240a 1  — 111 8, 1, 251a 12–28  — 282

Topica 1, 1, 100a 18–20  — 279 1, 1, 100a 25–27  — 278 1, 1, 100a 27–29  — 303 1, 1, 100a 29–b 23  — 280 1, 2, 101a 34–36  — 304 1, 2, 101a 36–b 4  — 303 1, 2, 101a 37–101b 3 280 1, 4, 101b 14–28  — 280 1, 9, 103b 20–23  — 277 1, 11, 104b 19–21  — 194 1, 14, 105b 19–31  — 307 1, 14, 105b 30  f.  —  280, 288 1, 14, 105b 31–37  — 307 2, 3, 110a 23–b 7  — 303 6, 3, 141a 6–9  — 263 6, 6, 145a 15–18  — 308 8, 1, 155b 3–16  — 303 8, 11, 162a 12–18  — 303

Politica 8, 15, 1334a 23  — 293 1, 7, 1255b 35–37  — 314 1, 11, 1259a 6–19  — 86 1, 11, 1259a 10  — 288 2, 5, 1263b 39  f.  — 314 2, 5, 1263b 40  — 289 3, 8, 1279b 11–15  — 313 3, 11, 1282a 4  f.  — 313 3, 11, 1281b 40–1282a 5  — 312 3, 12, 1282b 14–23  —  311, 314 3, 12, 1282b 19  — 288 3, 12, 1282b 23  — 289 3, 13, 1284a 3–14  — 314 5, 11, 1313b 9–18  — 314 7, 2, 1324a 25–33  — 314 7, 10, 1239a 40–b 2  — 313 7, 15, 1334a 11–34  — 314 7, 15, 1334a 20  f. 30–34  — 324 8, 2, 1337b 5  — 265 8, 2, 1337b 5–21  — 265 8, 6, 1341b 28  — 311 8, 7, 1341b 28–34  — 289 8, 15, 1334a 23  — 289 Rhetorica 1, 1, 1355a 13–18  — 313 1, 1, 1355b 15–21  —  302, 313 1, 4, 1356a 30  f.  — 302 2, 2, 1379a 36  f.  — 289 2, 20, 1394a 5  — 289 3, 3, 1406b 11  f.  — 211 3, 5, 1407b 11–25  — 73

Aristoteles (Pseudo) De Melisso, Xenophane, Gorgia 2,6,975b 1  — 116 3  f.,977a 14–979a 9  — 92 3, 977a 23–29  — 93 De mundo 1, 391a, 1  f.  — 375 1, 391a, 11–16  — 375 2, 391b–392b  — 562 2, 391b 14–392b 5  — 378 6, 397b 9–20  — 372 6, 397b 20–24  — 493 7, 401a, 12–401b, 14 378 Divisiones Aristotelicae, ed. Mutschmann 42  —  268, 428 Aristoxenus Elementa harmonica, ed. Meibom 2  —  219, 255 Fragmenta frg. 16  — 103 frg. 17  — 97,103 Arius, Epistula ad Eusebium, ed. Opitz p. 3, 4  f.  — 808 Arnobius, Adversus nationes 2, 9–11  — 660 2, 11  —  659  f., 684 2, 15  — 659 2, 9  f.  — 660 2, 22  — 660

Register der zitierten Stellen 2, 25  — 659 2, 26–29  — 659 2, 34  — 660 2, 35  — 659 2, 53  — 659 2, 56–60  — 660 2, 69  — 660 Asclepius, In Nicomachum, ed. Tarán 1  —  295  f., 979, 990 Aspasius, In Ethica Nicomachea, ed. Heylbut p. 1  —  519, 561  f., 564 p. 2  —  519, 564 p. 23, 24–29  — 563 p. 37, 20–23  — 565 p. 142, 8–10  — 195 Asterius, ed. Vinzent frg. 51  f.  — 808 Athanasius Apologia contra Arianos 6, 2  — 808 10, 6  — 808 Contra gentes, ed. Thomson 1, 1–4  — 811 3, 2–11  — 810 4, 1–5  — 810 19, 22–35  — 811 23, 1–47  — 811 De incarnatione, ed. Thomson 41, 17  f.  — 811 47, 22–26  — 811 50, 7–12  — 811 De synodis, ed. Opitz 46  — 811 Epistula ad Maximum (PG 26) col. 1085A  — 811 Expositiones in Psalmos (PG 27) 47  — 811 64  — 811 Vita Antonii, ed. Bartelink 72  — 811 80, 3  — 811 Athenaeus, Dipnosophistae 2, 54 (59d)  — 261 4, 49 (159c)  — 199 4, 83 (184bc)  —  344, 349 5, 2 (185b–186c) 349 5, 47  f.  —  344, 357

5, 48 (211  f.)  —  350  f. 5, 54 (217bc)  — 357 6, 58 (251c)  — 356 10, 6 (414a)  — 93 11, 7 (462c–463a)  — 92 12, 69 (547e–548b) 378 Athenaeus Poliorceta, De machinis, ed. Schneider 4,12  — 480 5, 8–11  — 480 Athenagoras, Legatio pro Christianis, ed. Marcovich 2, 3  — 648 2, 4  — 646 4, 2–7, 1  — 645 5, 1  — 644 6, 5  — 648 7, 2  — 644 11, 2  — 648 11, 3  — 647 12,1  — 646 18,2  — 647 22, 1–3  — 645 23  — 645 Atticus frg. 1  —  267, 547, 549, 554 frg. 2  —  540, 543 Augustinus Ad Simplicianum, ed. Mutzenbecher 1, 2, 4–6  — 897 Confessiones, ed. Verheijen 1, 1  — 895 2, 6  — 898 3, 7  f.  — 896 3, 8  —  885, 889, 892 4, 28  —  887, 892 4, 30  — 898 7, 1  f.  — 895 7,13  — 892 7, 13–15  —  771, 896 7, 13–24  — 886 7, 20  — 895 7, 23–26  — 896 8, 3  —  870  f. 8, 29  — 886 9, 1  f.  — 898 Contra Academicos, ed. Green 1, 3  f.  — 890 2, 4  — 890 2, 5  — 886 2, 7  — 890 2, 8  — 890 2, 11  — 446 3, 42  — 729

Contra Crescontium, ed. Petschenig 1, 16  — 398 Contra Iulianum (PL 44) 4, 72  —  893, 897 4, 75  — 892 4, 77  — 897 4, 78  — 897 Contra Iulianum opus ­imperfectum, ed. Zelzer 3, 199  — 881 5, 11  — 881 5, 40–53  — 881 5, 44  — 881 De beata vita, ed. Verheijen 1  — 890 1, 1–6  — 885 1, 2  f.  — 890 1, 4  — 886 8, 3  — 871 De civitate dei, ed. Dombart / Kalb 2, 7  —  892, 894 4, 27  — 510 5, 2  — 438 5, 5  — 438 5, 8  —  887, 892 5, 9  — 471 6–10  — 891 6, 2  — 894 6, 5  —  455, 894 7, 1  — 894 7, 28  — 542 8–10  — 891 8, 1  —  890, 894, 896 8, 2  — 893 8, 4  —  887, 893 8, 5  — 894 8, 5–8  — 888 8, 9  —  891, 896 8, 10  f.  —  890, 892  f. 8, 11  — 896 8, 12  — 887 8, 16  — 887 9, 23  —  892, 894 10, 3  — 894 10, 9  f.  — 894 10, 11.  — 887 10, 24  — 892 10, 27  f.  — 892 10, 32  —  887, 892 14, 20  — 790 15, 1  — 1157 19, 1  —  454, 584, 790  f. 19, 3  —  449, 454  f. 22, 11  — 891 22, 26–28  — 891 22, 27  f.  — 892

1295

Register De cura pro mortuis gerenda, ed. Zycha 13  — 901 De dialectica, ed. Pinborg / Jackson 4  — 906 De doctrina Christiana, ed. Martin 2, 40  — 884 2,48–58  — 899 2, 60  — 22 4, 1  f.  — 884 De magistro, ed. Daur 38  — 896 De Ordine, ed. Green 1, 31  f.  — 893 2, 16  — 890 2, 27  — 891 2, 28  — 891 2, 31  — 890 2, 37–43  — 898 De vera religione, ed. Daur 1  — 894 3  — 895 3–5  — 895 7  — 895 8  —  892, 894 45  — 891 46  — 891 Epistulae, ed. Goldbacher 101, 2  — 898 Soliloquia, ed. Hörmann 1, 22  — 890 Aulus Gellius, Noctes Atticae 1, 9, 10  — 529 2, 6, 1  — 576 7, 10, 1–5  — 191 10, 22, 24  — 529 17, 20  —  529, 534 20, 5  — 550 Avempace (Ibn Bāğğa), Regula solitarii p. 181–237 Schupp  — 1114

6  f.  — 692 8–10  — 691 11–14  — 691 15–17  — 691 20–22  — 691 20  — 693 23–40  — 691 41–45  — 691 46 [47]  — 691 Barḥaḏbšabbā, Causa fundationis scholarum, ed. Scher p. 340, 6  — 1102 p. 341, 3–342, 7  — 1102 p. 358, 6  — 1101 p. 364, 1–365, 12  — 1101 p. 371, 7–10  — 1101 p. 376, 10–12  — 845 p. 378, 2  f.  — 846 p. 378, 9–379, 11  — 1103 p. 392, l. 1–5  — 1102 Barhebraeus, Chronicon 1  —  948, 955, 969 Basilius Ad adolescentes 3, 13–15  — 817 4, 1  f.  — 827 5, 1–24  — 827 5, 55–57  — 817 7, 23–25  — 817 9, 4–7  — 824 9, 45–48  — 817 9, 63–85  — 817 9, 66–84  — 817 9, 112–115  — 817

Biblia: Novum testamentum Acta Apostolorum 17,18  — 632 17,22–31  — 632 Evangelium secundum Ioannem (Johannesevangelium) 1, 1  — 847 1, 1–5  — 631 1, 14  — 631 Evangelium secundum Mat­ thaeum (Matthäusevangelium) 21, 33–43  — 677 22, 21  — 1157 Pauli Epistula ad Romanos (Römerbrief) 1, 19–23  — 633,1158 3, 12  — 1158 3, 23  — 634 7, 7–25  — 633 7, 14–25  — 1158 7, 19  — 633 7, 22  f.  — 632 Pauli Epistula 1 ad Corinthios (Erster Korintherbrief) 1–4  — 633 13, 12  — 1082 Pauli Epistula 2 ad Corinthios (Zweiter Korintherbrief) 4, 16  — 632

Contra Eunomium, ed. Sesboué prooem. 1  — 828 1, 1  — 810 1, 9  — 822

,Pauli’ Epistula ad Colossaeos (Kolosserbrief) 2, 8  —  689, 874, 878, 892, 913 2, 16–23  — 632

De origine hominis, ed. Smets / Van Esbroeck p. 206, 1–208, 21  — 825

Biblia: Vetus testamentum Baruch 3, 9–14  — 496 3, 15–19  — 496 3, 20–23  — 496 3, 24–38  — 496

De spiritu sancto, ed. Sieben 1  f.  — 815 5  — 828 22  f.  — 818

Averroes (Ibn Rušd), In Physica prooem. (f. 1r–2r.)  — 564

Epistulae, ed. Courtonne 8  — 832 135, 1 816 233, 1 825

›Bardesanes‹ (Bardaiṣān), Liber legum regionum, ed. Nau 1  — 691 2–7  — 691 4  — 692

In Hexameron, ed. Amand de Mentieta / Rudberg 1, 1  —  815, 821 1, 3  — 821 1, 5  — 821

1296

Batis Epistula — 42, 383

Daniel 1, 20 LXX  — 494 Deuteronomium (4 Mose) 4, 11 LXX  — 499 5, 23 LXX  — 499 9, 15 LXX  — 499 Ecclesiastes (Kohelet, Prediger Salomos) 1, 2  — 490 1, 13–18  — 493

Register der zitierten Stellen 2, 14  — 1082 5, 17  — 490 7, 20  — 1158 Ecclesiasticus (Σοφία Σίραχ, Jesus Sirach) 1, 1  — 495 1, 4  — 493,496 1, 5  — 495 1, 18–20  — 496 17, 7  — 495 38, 3  — 495 38, 6  — 495 39, 1–11  — 495 39, 33  — 495 42, 18  — 492 Exodus (2 Mose) 3, 14  —  494, 616, 642, 719, 804, 823, 846, 860, 914 Genesis (1 Mose) 1, 1 LXX  — 493 1, 2  —  87, 89 1, 26 LXX / MT  —  493, 825, 1029 Ijob (Job) 8, 3  — 895 28  — 496 IV Maccabaeorum 1, 1  — 623 1, 1–8  — 623 1, 16  — 623 1, 17  — 623 2, 1–6  — 623 5, 22–26  — 623 5, 35  — 623 7, 9  — 623 7, 18–23  — 623 Proverbia 8, 19  — 1082 8, 30  f. 491, 493 31, 27  — 491 Psalmi (Psalmen) 14, 1–3 MT  — 1158 48, 4 LXX = 49, 4 MT  — 493 48, 5 LXX =49, 5 MT  — 493 48, 8–15 LXX = 49, 5–15  — 496 77, 2 LXX = 78,2 MT  — 489, 493 78, 2 LXX  —  489, 493 Sapientia Salomonis (Buch der Weisheit, Weisheit Salomos) 7, 15–27  — 497 13, 1  — 494 13, 1–5  — 497

Bio Borysthenita frg. 16A  — 363 frg. 25  — 366 frg. 29  — 366 Boethius Contra Eutychen et Nestorium 3  — 1062 De consolatione philosophiae 1, Prosa 1, 1–6  — 1064 1, Prosa 1, 5  — 1065 1, Prosa 1, 7–12  — 1067 1, Prosa 2  — 1064 1, Prosa 3, 6  f.  — 1065 1, Prosa 3, 6–13  — 1064 1, Prosa 4, 1–9  — 1065 1, Prosa 4, 5–8  — 1068 1, Prosa 4, 9  — 1068 5, Prosa 4  — 1062 5, Prosa 6  — 1062 De trinitate 2  — 1066 In De interpretatione, ed. Meiser editio secunda, p. 3, 7–4, 7  — 873 editio secunda, p. 11, 30–32; 12, 3–16  — 371 editio secunda, p. 79, 9–80, 9  — 936,1060 In Isagogen, ed. Brandt editio prima 1, 1  — 1060 editio prima 1, 3  —  1064, 1066 editio prima 1, 4  —  1066  f. editio secunda 2, prol.  — 1060 editio secunda 1, 1  — 1061 editio secunda 1, 2  — 1067 editio secunda 1, 3  — 1067 Institutio arithmetica, ed. Friedlein 1, 1  —  1064, 1068 Institutio musica, ed. Friedlein 1, 2  — 1068 Caelius Aurelianus Celeres passiones, ed. Bendz 3, 110  f.  — 599 Tardae passiones 1, 154  — 599 1, 166  f.  — 599 Calcidius, In Timaeum, ed. Bakhouche 127  — 870 264  — 869 276–278  — 673

311  — 870 316  — 870 Cassiodorus De artibus (PL 70) 5  — 732 De anima, ed. Halporn 4  — 1070 Institutiones, ed. Mynors 1, praef.  — 964 1, 1  — 1099 1, 16, 4  — 1070 1, 31, 2  — 1070 2 praef. 4  — 1071 2, 2, 17  — 1071 2, 3  — 249,1071 2, 3, 2  —  456, 1073 2, 3, 3  — 1071 2, 3, 4  — 1072 2, 3, 6  — 1072 2, 3, 8–13  — 1071 2, 3, 11  — 1070 2, 18  —  732, 870 Cassius Longinus frg. 4, 33–36  — 569 frg. 5, 12–17  — 555 Celsus (Platonicus): Siehe Origenes, Contra Celsum Celsus, Medicina, ed. Serbat prooem. 6–8  —  124, 596 prooem. 12  — 125 prooem. 12–44  — 596 prooem. 27–29; 39  — 479 prooem. 46  — 596 prooem. 54  f., 62–64  — 596 prooem. 55–57  — 598 prooem. 74  — 596 Chronicum Edessenum 30  — 687 Cicero Academica (i.e. Academica ­posteriora 1) 1, 13  — 449 1, 16  — 450 1, 17  — 450 1, 19  —  450, 467 1, 35–42  — 418 1, 70  — 449 Ad Atticum epistulae 2, 16, 3  — 374 4, 16, 2  f.  —  463  f. 13, 19, 3–5  — 463 16, 11, 4  — 419

1297

Register Brutus 306  — 459

1, 62  — 466 2, 11  f.  — 461

De divinatione 1, 4  — 460 1, 6  — 437 2, 1  f.  —  466, 468 2, 1–4  — 468 2, 2–4  — 470 2, 3  f.  — 468 2, 7  — 457 2, 20  f.  — 471 2, 87–98  — 436 2, 90  — 437 2, 129  f.  — 436 2, 150  —  459, 460, 470

De natura deorum 1, 3  f.  — 470 1, 6  f.  — 466 1 7  f.  — 457 1, 7–9  —  466, 468 1, 11  f.  — 468 1, 12  —  459, 460 1, 29  — 122 1, 36  — 437 1, 39  — 436 1, 44  f.  — 398 1, 48–50  — 398 1, 120  — 122 2, 3  — 435 2, 10  f.  — 459 2, 70  f.  — 435 2, 71  — 470 2, 23  — 435 2, 62  f.  — 435 2, 95  — 315 2, 118  — 437 3, 3  — 399 3, 5  f.  — 471 3, 39–52  — 447 3, 43  — 471 3, 61  — 471 3, 94  f.  — 471

De fato 1  f.  — 467 17, 40  — 471 23–45  — 444 25  f.  — 462 39–43  — 418 45–48  — 462 De finibus bonorum et malorum 1, 1–8  — 458 1, 10  — 457 1, 22  — 395,400 1, 30  — 384 1, 37  — 386 1, 63  —  387, 395–397 1, 64  — 396 2, 17  — 427 2, 37  — 466 2, 43  — 268 3  — 408 4, 3  f.  — 264 4, 5–7  — 507 4, 14  f.  — 264 4, 7  — 434 5, 1–8  — 343 5, 8  — 449 5, 9  f.  —  373, 376, 467 5, 10  —  444, 464  f. 5, 14  — 372 5, 16  — 449 5, 16–21  — 446 5, 16–23  — 586 5, 19  — 446 5, 55–95  — 460 5, 64–70  — 449 5, 86  — 374 De inventione 1, 51  f.  — 162 De legibus 1, 5  — 67 1, 17–32  — 461 1, 39  — 461 1, 58  — 466

1298

De officiis 1, 1–4  — 472 1, 2  —  465, 468, 471 1, 3  — 472 1, 6  — 460 1, 8–10  — 462 1, 9  — 419 1, 11–14  — 420 1, 93–100  — 420 1, 96–107  — 462 2, 5  — 466 3, 7  — 419 3, 51–53  — 440 3, 52  — 440 De oratore 1, 1  — 469 1, 43  — 472 1, 47  — 461 1, 49  —  465, 472  f. 1, 68  — 467 1, 212  — 467 2, 160  f. 465 2, 162  — 465 3, 54–72  — 470 3, 59–61  — 172 3, 61  f.  — 187 3, 62  — 465 3, 65  — 433 3, 67  f.  — 465 3, 71  — 465

3, 80  —  444, 463, 465 3, 110  — 448 3, 141  — 472 3, 142  f. 472 De re publica 1, 3  — 355 1, 10  f.  — 469 1, 12  f.  — 469 1, 11  f.  — 469 1, 45  — 469 1, 69  — 461 6, 30–33  — 470 Epistulae ad familiares 15, 4, 16  — 466 Laelius de amicitia 14  — 460 20  — 467 37  — 358 Lucullus (i.e. Academica priora 2) 11  f.  — 445 12  — 558 16  — 449 18  — 445 29  — 449 32  — 445 59  — 445 66  — 446 67  — 445 83  — 410 107  —  406, 436 119  — 282 130  — 368 135  —  262, 264 147  — 468 Orator 2, 155  — 370 Topica 1  f.  — 464 3  — 463 6  —  434, 472 7  — 465 Tusculanae disputationes 1, 1  — 467 1, 1  f.  — 468 1, 2  f.  — 458 1, 2–7  — 466 1, 6  — 347 1, 7  —  464, 472 1, 8  — 460 1, 22  — 375 1, 26–29  — 460 1, 41  — 375 1, 65  f.  — 375 1, 102  f.  — 460

Register der zitierten Stellen 1, 108  — 440 2, 1  — 346 2, 1  f.  — 466 2, 4  — 468 2, 7  — 347 2, 9  —  448, 460, 465 2, 12  — 467 3, 4  f.  — 385 3, 6  — 467 3, 13–21  — 421 3, 22  — 373 4, 5  — 467 4, 9–33  — 421 4, 57  — 466 5, 5  — 466 5, 5–7  — 468 5, 5–11  — 470 5, 6–11  — 468 5, 7  — 466 5, 8  —  88, 102 5, 9  — 102 5, 10  f.  —  172, 468 5, 11  — 460 5, 51  — 373 Claudianus Mamertus, De statu animarum, ed. Engelbrecht praef.  — 909 2, 2  f.  — 909 2, 7  — 910 2, 8  —  567  f. epilogus  — 909 Clearchus frg. 6  —  486  f., 628 Clemens Alexandrinus Paedagogus, ed. Stählin 1, 6, 2  — 121 1, 13  — 425 1, 101, 2  — 664 Protrepticus, ed. Stählin 56, 1  — 366 Stromata, ed. Stählin 1, 26, 4  — 666 1, 27, 2  — 662 1, 28, 1  — 666 1, 28, 3  — 666 1, 29, 10  — 667 1, 30, 1  — 664 1, 30, 1–32, 3  — 667 1, 32, 4  —  664, 666 1, 35, 2–4  — 666 1, 35, 3  — 664 1, 37, 1  —  666  f. 1, 37, 6  —  663, 665  f. 1, 38  — 667 1, 39, 2–4  — 667 1, 42, 2–4  — 668 1, 44, 2  — 668

1, 44, 2–4  — 666 1, 45, 5  — 666 1, 60, 3–61, 1 296 1, 64, 2  — 93 1, 67, 1  f.  — 393 1, 71, 1  — 665 1, 165  f.  — 668 1, 176, 1  f.  — 677 1, 176, 1–3  — 665 1, 176, 3  — 666 2, 1, 1  — 665 2, 24, 1  —  263, 266 2, 45, 2  — 664 2, 45, 6  — 664 2, 47, 4  — 666 2, 48, 1  — 665 2, 48, 1 f  — 666 2, 48, 2–2,49, 1  — 668 2, 48, 3  f.  — 666 2, 80, 5  — 664 2, 97, 1  — 664 2, 100, 3  f.  — 664 2, 101, 1  — 664 2, 127, 3  — 372 2, 129, 4  — 425 2, 133, 5–7  — 264 3, 12, 1  — 639 3, 69, 2–70, 4  — 637 4, 1, 2  —  665  f. 4, 2, 1  — 666 4, 3, 1–3  — 666 4, 153, 1  f.  — 663 5, 9, 1  — 115 5, 67, 2  — 664 5, 76, 1  — 436 5, 81, 5–82, 4  — 663 5, 93, 4–96, 3  — 665 5, 94, 5  — 643 5, 95, 1  — 664 5, 97, 7  — 498 5, 104, 2  — 107 5, 109  — 92 5, 110  — 92 5, 141  — 108 6, 1, 3  — 663 6, 53, 2–5  — 639 6, 54, 1  —  664, 666 6, 55, 4  — 665 6, 56, 1  f.  — 667 6, 61, 1  — 667 6, 138, 4  — 498 6, 149, 4  — 667 6, 151, 2  — 665 6, 153, 1  —  666  f. 6, 154, 1  — 665 6, 155, 3  — 666 6, 156–159  — 667 6, 156, 2  — 666 6, 160, 2  — 664 7, 1, 1–6  — 663 7, 22, 1  — 92 7, 98, 2  — 665

Clementinae narrationes Homiliae Clementinae, ed. Rehm 1, 1–2, 4  — 661 1, 3, 1–5  — 661 1, 5, 5–9  — 661 1, 8, 4–9, 1  — 661 1, 10, 1  — 661 1, 11, 5–7  — 661 4, 9, 1  f.  — 661 5, 7, 1–19, 4  — 661 6, 11, 1  — 661 15, 5, 3  — 661 Recognitiones Clementinae, ed. Rehm 8, 15  — 375 Codex Theodosianus 14, 9, 3  — 730 Cono, Refutatio (fragmenta, ed. Van Roey) frg. 32  — 1036 Cornutus, Epidrome 2  — 576 7  — 411 14  — 573 20  —  573, 577 35  —  411, 437, 577 ›Crates‹, Epistulae 1 (p. 83 Müseler) 585 5  — 585 6  — 585 13  — 585 16  —  584  f. 20  — 585 23  — 584 29  — 585 Critolaus frg. 25–39  —  379, 508 frg. 37  — 379 Cynici: Vide Socrates et ­Socratici Cyprianus, De bono patientiae, ed. Molager 2  f.  — 659 Cyrillus Alexandrinus Contra Iulianum, ed. Riedweg  / Kinzig  /  Brüggemann 1, 17  — 857 1, 24–30  — 859 1, 25  — 858 1, 30  — 859 1, 38  — 858 1, 50  — 859

1299

Register 2, 6  — 857 2, 12  — 857 2, 16–18  — 859 2, 19  — 859 2, 24  — 856 2, 32  — 859 4, 11–15  — 859 6, 6  — 859 6, 35  f.  — 859 De adoratione (PG 68) 6  — 859 Dialogus de trinitate, ed. de Durand 246  — 857 Homilia Paschalis (PG 77) 12  —  856  f. 27  — 857 De incarnatione Unigeniti, ed. de Durand 97  — 857 In duodecim prophetas, ed. Pusey 1, p. 732, 27–733, 2  — 857 In Lucan (PG 72) col. 592D  — 857 col. 640A  — 857 col. 856BC  — 857 col. 937BC  — 858 In Psalmos (PG 69) 5  — 857 38  — 857 Thesaurus trinitatis (PG 75) 3  — 859 8  —  856  f. Damascius De principiis, ed. Westerink / Combès 1, p. 9, 1–11, 16  — 995 3, p. 159, 17–164, 8  — 82 3, p. 164, 9–16  — 81 3, p. 167, 1–24  — 1004 In Phaedonem 1, 100, 6–8  — 1000 1, 101  — 1000 1, 104  — 1000 1, 111–113  — 1000 1, 119  — 1006 1, 121  f.  — 1000 1, 138–144  — 755 1, 168, 1–5 und 13  f.  — 999 1, 172  —  766, 769, 999, 1042 2, 109  — 999

1300

Vita Isidori epit. 1–11  — 998 epit. 16  — 1004 epit. 33–36  — 994 epit. 35  —  764, 777 epit. 35  f.  — 1000 epit. 38  — 736 epit. 74  — 1001 epit. 77 = frg. 126  — 736 epit. 79  —  953, 967, 1001 epit. 89  — 1010 epit. 91  f.  — 735 epit. 92  — 1010 epit. 126  — 1002 epit. 141  — 771 epit. 151  — 955 epit. 164  — 960 epit. 191  — 960 epit. 201  — 992 epit. 221  —  991, 999 epit. 227  — 999 epit. 228–230  — 991 epit. 277  — 736 frg. 1–6  — 998 frg. 3  —  1000, 1004 frg. *18  — 776 frg. 30/30a  — 1005 frg. *34  —  736, 776, 1001 frg. *41  — 1004 frg. 77  — 994 frg. 102*  —  737, 777, 1006, 1008 frg. 106  — 736 frg. 120  — 1001 frg. *124  —  735, 1001 frg. 126  — 950 frg. *135  — 951 frg. 138  —  777, 1010 frg. 144–148  — 1010 frg. 145  — 1001 frg. 147  — 1112 frg. 148  — 1010 frg. 152  f.  — 1010 frg. *153–159  — 735 frg. 158  f.  — 1010 frg. *160  — 967 frg. 162–164  — 953 frg. 174  — 953 frg. *186  — 766 frg. 186  — 1001 frg. 202–204  — 948 frg. *204  — 766 frg. 211  — 951 frg. 221  — 948 frg. 222  —  948, 1006 frg. 226  — 735 frg. *239  — 771 frg. 258  — 951 frg. 278  — 1006 frg. 282  —  1006, 1008 frg. 305  —  1005  f. frg. *314  — 954,1005 frg. 316  —  954, 1005, 1112

frg. *317  —  954, 1005 frg. 324  — 1006,1008 frg. 331  — 777 frg. 335  —  1007, 1105 frg. 351  — 991,1004 frg. 351–353  — 1004 frg. 352  — 951,999 frg. 358  — 1001 David In Analytica priora, ed. Topchyan p. 32, 10–34, 9  — 985 p. 34, 10–36, 15  — 985 p. 40, 17–42, 16  — 985 p. 42, 17–28  — 985 p. 46, 26–58, 13  — 984 p. 52, 24–56, 6  — 249 p. 56, 3–18  — 984 In Categorias, ed. Busse p. 120, 16–18  — 1009 p. 113, 17; 117, 22  — 557 p. 114, 25–115, 12  — 284 p. 115, 14–117, 14  —  982  f. p. 117, 22–24  — 563 p. 119, 29–35  — 985 p. 119, 30–120, 23  — 973 p. 120, 16–18  — 987 p. 120, 23–123, 11  — 970 In Isagogen, ed. Muradyan p. 57  — 1077 Prolegomena, ed. Busse p. 2, 31–9, 12  — 980 p. 8, 18  f.  — 102 p. 9, 2–5  — 292 p. 9, 2–12  — 980 p. 17, 1–26  — 980 p. 20, 25–31  — 980 p. 25, 4–24  — 980 p. 23, 18–25, 3  — 980 p. 26, 9–13  — 980 p. 27, 12–29, 11  — 1083 p. 35, 21–36, 34  — 980 p. 38, 18  — 121 p. 55, 36–56, 16  — 981 p. 56, 17–57, 7  — 981 p. 57, 9–59, 23  — 982 p. 60, 10–65, 9  — 982 p. 74, 11–76, 28  — 982 Demetrius Laco, Opus incertum col. XLII–LIII (p. 169–176 Puglia) 391 col. LXXIV (p. 186 Puglia) 382 Demetrius Phalereus frg. 82AB  — 372 frg. 130  — 379

Register der zitierten Stellen Demetrius Phalereus (Pseudo), De elocutione 12  — 68 297  — 176 Democritus, Fragmenta (DK 68 [55]) A 1  — 122 A 2  — 121 A 37  — 120 A 57  — 120 A 74  — 122 A 101  — 121 A 135  — 121 B 31  — 121 B 34  — 121 B 59  — 122 B 64  — 122 B 118  — 122 B 156  — 166 B 157  — 122 B 166  — 122 B 169  — 122 B 191  — 121 B 197  — 121 B 251  — 122 Derekh ʾeretz Rabbah 5, 4 (p. 100  f. Van Loopik [engl.]) 627 Dicaearchus frg. 6–12  — 372 frg. 15  f.  — 378 frg. 20  — 378 frg. 29  — 374 frg. 31  — 374 Didascalia apostolorum, ed. Vööbus p. 17, 19–21 (syr.) / p. 14, 26–28 (engl.)  — 913 Didymus Caecus Contra Manichaeos (PG 39) 12  — 831 In Ecclesiasten 16, 11–18 (1, 1, p. 76–78 Binder / Liesenborghs)  — 167 23, 30–24, 11 (1, 1, p. 102–104 Binder / Liesenborghs)  — 830 82, 24  f. (2, p. 88 Gronewald)  — 830 128, 12–14 (2, p. 222 Gronewald)  — 831 158, 7–9 (3, p. 28 Kramer)  — 830 162, 17–19 (3, p. 44 Kramer)  — 831 226, 23–25 (4, p. 102 Kramer)  — 830

232, 24–26 (4, p. 124–126 Kramer)  — 830 In Genesim, ed. Nautin 235  — 831 Fragmenta in Ijob (PG 39) col. 1128A–1128C  — 831 In Psalmos frg. 764  — 830 frg. 903  — 830 frg. 1109a  — 830 151, 10–12  — 831 217, 33–218, 2  — 830 In Zacharian, ed. Doutreleau 1, 109  — 830 2, 51  — 830 2, 62  — 830 2, 155  — 830 2, 241  — 830 5, 179  — 830 Dio Cassius, Historiae 62, 27, 4  — 536 62, 29, 2  f.  — 576 65, 13, 1–3  — 586 66, 13, 2  — 536 65, 15, 5  — 586 69, 8, 3  —  526, 535, 569 72, 31, 3  — 523 77, 7, 3  — 559 Dio Chrysostomus, Orationes 4, 21  — 536 4, 27–30  — 536 32, 9  —  527, 605 32, 10  — 584 32, 12–16  — 605 32, 17  f.  — 605 32, 20  — 605 36  — 605 49, 3  —  604  f. 49, 4–6  — 605 49, 13  — 604 70, 7  f. 525,697 71, 2  — 697 72, 20  — 527 77, 37  — 525 Diodorus Siculus, Bibliotheca historica 1, 94  — 438 2, 29, 1–6  — 486 2, 29, 5  — 350 2, 29, 6  — 345 31, 10  — 372 40, 3  — 487 40, 3, 2–8  — 629

Diodorus Tarsensis Fragmenta in Romanos 12, 20  f.  — 846 In Psalmos 38, 1  — 846 39, 2a  — 846 Diogenes Apolloniensis (DK 64 [51]) A 1  —  111, 113 A 4  —  114, 155 A 5  — 114 B 2  — 113 B 5  — 113 Diogenes de Oenoanda frg. 29, I, 1–III, 12  — 579 frg. 127, I, 1–10  — 579 frg. novum 126, III, 7–IV, 2  —  486, 579, 613 Diogenes Laertius, Vitae philosophorum 1 (p. 65, 1  f. Dorandi) 591 1, 1  —  299, 593 1, 3  — 52 1, 6–9  — 593 1, 8  — 315 1, 9  — 593 1, 12  —  101  f. 1, 13  f.  —  52, 86, 88, 592 1, 14  —  162, 172 1, 16  — 593 1, 18  — 593 1, 19  f.  — 342 1, 20  — 592 1, 21  — 593 1, 22  —  86, 88 1, 22–44  — 86 1, 23  — 73 1, 37  f.  — 86 1, 109–112  — 81 1, 122  — 86 1, 122–2, 2  — 86 2, 1  — 87 2, 3  — 87 2, 6  — 119 2, 12–14  — 151 2, 16  —  162  f., 172 2, 18  — 177 2, 22  — 107 2, 40  — 177 2, 45  — 177 2, 47  — 187 2, 61  —  161, 176 2, 64  —  176, 187 2, 65  — 187 2, 68  f. 189 2, 86  — 188 2, 87  f.  — 188 2, 90  — 188

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Register 2, 91  f.  — 188 2, 92  — 189 2, 93  — 189 2, 94  — 188 2, 106  — 191 2, 110   — 356 2, 112  — 191 2, 117  — 366 3, 6  — 156 3, 7  —  158, 218 3, 46  — 160 3, 56  — 451,518 3, 63  — 546 3, 78  — 573 4, 2  — 160 4, 4  — 264 4, 13  — 264 4, 14  — 262 4, 23  — 269 4, 27  — 262 4, 28  — 444 4, 52  — 364 4, 55  — 366 4, 67  — 345 5, 2  — 272 5, 4  — 272 5, 28  — 376 5, 31  — 287 5, 39  — 369 5, 51–53 369 5, 59  — 356 6, 3  — 194 6, 6  — 197 6, 10  f.  — 194 6, 12  — 194 6, 16  — 161 6, 22  f.  — 196 6, 63  —  197, 199 6, 64  — 197 6, 65  — 197 6, 71  — 195,198 6, 72  — 199 6, 73  —  198, 199 6, 85  — 366 6, 88  — 363 6, 92  — 363 6, 97  — 358 6, 103  —  193, 198, 584, 585 6, 104  — 192 7, 2  — 404 7, 32  — 432 7, 39  — 430 7, 39–41  —  427  f. 7, 40  — 429–431 7, 41  — 433 7, 42  — 434 7, 51  — 411 7, 54  — 410 7, 55–71  — 432 7, 56  — 412 7, 60  — 434 7, 63  —  411  f.

1302

7, 76–81 413 7, 85  f.  — 416 7, 87  f.  — 415 7, 88  —  414, 423, 435 7, 102  — 417 7, 107  f.  — 416 7, 119  — 436 7, 121  —  405, 440 7, 121–123  — 421 7, 122  —  434, 440 7, 129  — 432 7, 131  — 439 7, 134  —  413, 435 7, 135  —  413  f. 7, 136  — 415 7, 138  — 419 7, 138–140  — 414 7, 142  —  414  f., 419, 437 7, 143  — 413 7, 147  — 435 7, 147–149  — 414 7, 148  — 415 7, 149  — 413 7, 150  —  413, 415 7, 160  — 430 7, 168–171  — 348 7, 179  — 405 7, 180  — 410 7, 185  — 407 7, 188  — 439 7, 189  — 440 8, 1  —  97, 592 8, 6  —  95, 109 8, 24–33  — 632 8, 34–36  — 101 8, 36  —  95, 100 8, 54  f.  — 475 8, 55  — 476 8, 57  — 117 8, 59  —  117  f. 8, 62  —  115, 475 8, 63  f.  — 475 8, 66  — 475 8, 83  — 73,101 8, 91  — 92,106 9, 1  —  108  f. 9, 2  — 110 9, 5  —  106, 110 9, 6  — 106 9, 7  — 107 9, 18  — 92 9, 20  — 91–93,106 9, 23  — 111 9, 24  — 106 9, 36  f.  — 66 9, 37  — 122 9, 50  — 168 9, 51  — 166 9, 57  —  111, 113 9, 107  f.  — 581 9, 111  — 367 10, 17  —  382, 392

10, 29  f.  — 395 10, 30  — 396 10, 33  — 387 10, 117  — 395 Diogenes Sinopensis, ­Fragmenta frg. 6 (= 88  f 6)  — 197 ›Diogenes Sinopensis‹, ­Epistulae 3 (p. 4 Müseler)  —  584  f. 12 (p. 16 Müseler)  — 585 frg. 6  — 197 ›Dionysius Areopagita‹ De divinis nominibus, ed. Suchla 2, 2  — 1041 3, 3  — 1041 5, 1  — 1039 De ecclesiastica hierarchia, ed. Heil / Ritter 1  — 1041 1, 3  — 1040 3  — 1041 6  — 1041 Epistulae 7  — 957 7, 1  — 1042 7, 2  f.  — 1042 9, 1  — 1041 Elias In Analytica priora, ed. Westerink p. 134, 3–137, 3  — 984 p. 134, 5–7  — 789 p. 136  —  249, 789 p. 136, 13–137, 3  — 984 In Isagogen, ed. Busse p. 3, 17–23  — 292 p. 7, 25–8, 13  — 980 p. 9, 6–10, 6  — 980 p. 10, 8–12, 2  — 980 p. 11, 35–12, 2  — 988 p. 16, 35–17, 21  — 980 p. 24, 26–25, 2  — 980 p. 26, 35–27, 1  — 981 p. 27, 8–26  — 981 p. 27, 27–29, 34  — 982 p. 31, 26–34, 25  — 982 Elias (Pseudo), In Porphyrii Isagogen 19, 2 (p. 35 Westerink)  — 982 Empedocles (DK 31 [21]) A 86  — 116

Register der zitierten Stellen B 3  — 117 B 6, 1  —  116  f. B 11  f. 116 B 17–26  — 116 B 29 117 B 109 116 B 111 118 B 111, 1  f. 117 B 112  — 115 B 114  f.  — 115 B 115  — 115 B 117  — 115 B 129  — 117 B 131  — 115 B 136  f. 116 Empirici frg. 6  — 478 frg. 10b  — 478 frg. 11  — 477 frg. 14  — 479 frg. 17  — 477 frg. 18  — 478 Ephrem Syrus Contra Bardesanis Domnum, ed. Mitchell p. 6, 41–7, 28 (syr.) / p. ii  f. (engl.)  —  544, 916 p. 7, 13  f. (syr.) / p. ii (engl.)  — 916 p. 7, 48–8,1 (syr.) / p. ii  f. (engl.) — 916 Hymni contra haereses, ed. Mitchell 53, 11  f.  — 914 Hymni de fide, ed. Beck 2, 24  — 916 In Genesim Commentarius, ed. Tonneau 2 (71, p. 3, 13–19 [syr.] / 72, p. 1, 14–20 [lat.])  — 915 4 (71, p. 3, 26–28 [syr.] / 72, p. 1, 27–29 [lat.])  — 915 Refutatio 1 contra errores p. 58, 23 Overbeck [syr.] / p. 120 Beck [dt.]  — 916 Sermones de fide, ed. Beck 4, 59–64  — 915 Epictetus Dissertationes 1, 4, 14–17  — 574 1, 9, 4–6  — 576 1, 14, 1–17  — 577 1, 15, 1–5  — 573 1, 15, 2  — 571

1, 16, 15–21  — 577 1, 17  —  572, 574 1, 17, 13  —  569  f. 1, 17, 15–17  — 574 1, 17, 18–29  — 574 1, 26, 3  f.  — 571 2, 11, 1  —  529, 573 2, 11, 13  —  529, 573 2, 11, 13–25  — 571 2, 14, 3–29  — 530 2, 14, 7  f.  — 572 2, 14, 11–13  — 573 2, 16, 5  — 576 2, 17, 5–7  — 576 2, 19, 1–5  — 191 2, 20, 21–27  — 577 2, 24, 15  — 573 2, 25, 1–3  — 574 3, 1, 35  — 576 3, 9, 1–22  — 576 3, 26, 33–26  — 572 4, 1, v.a. 170–177  — 572 4, 7, 6  — 578 4, 8, 15  —  525, 527 4, 8, 20  — 525 Enchiridion 32, 1  f.  — 578 32, 10–12  — 1004 53  — 576 Epicurus De natura frg. 34, §  17  f. und 24  f.  — 385 frg. 34, § 28, l. 7–10  — 385 frg. 37, §  2  f.  — 387 Epistula ad Herodotum 35  — 389 39–41  — 385 40  — 386 47–50  — 386 64–66  — 386 76  f.  — 399 77  f.  — 386 81  — 399 Epistula ad Menoeceum 75  f.  — 387 122  —  392  f. 123  f.  —  387, 389, 398 124  f.  —  388, 394 126  — 392 128  f.  — 384 131  f.  — 384 132  —  385, 394 133  f.  — 385 133–135  — 387 135  —  388, 392 Epistula ad Pythoclem 86  f.  —  387, 396

87  — 397 Fragmenta 117, 21  f.  — 401 frg. 205  — 392 frg. 211  — 389 frg. 217  — 392 frg. 219  — 392 frg. 221  —  392  f., 400 frg. 226  —  393, 486 frg. 227  — 400 frg. 227, 5–8  — 401 frg. 227, 3–5  — 401 frg. 227, 17–23  — 401 frg. 229  — 399 frg. 229b  — 400 frg. 242  —  395, 398 frg. 243  — 395 frg. 247  —  386, 393 frg. 281  — 385 frg. 355  — 398 frg. 356* (p. 20–22 Usener) 398 frg. 359–362  — 398 frg. 366, 22–25  — 398 frg. 386  — 399 frg. 457  — 393 frg. 531  — 389 frg. 565  — 401 frg. 568  f.  — 401 Gnomologium Vaticanum 27  — 395 41  — 394 Ratae Sententiae 5  — 394 12  — 399 64  — 393 Sententiae Vaticanae 40  — 385 Epicurus (?) Fragmentum frg. 5, col. XIX  — 388 p. 26–28 Obbink  — 399 Tractatus Ethicus Epicureus col. IV  — 400 Epiphanius Adversus Haereses Capitula librorum libri I 5–8  — 919 5–8  — 812 27, 6, 10  — 812 31, 3, 2  — 637 32, 4, 1  — 812 64, 54, 1–3  — 812 75, 2  — 812 79, 1, 4  — 812

1303

Register De fide 9  — 812 9, 33  f.  — 447 9, 45  — 437 10, 3  — 812 Epistula Aristeae, ed. Pelletier 9  — 356 16  — 600 31  — 500 235  — 501 256  — 501 284  f.  — 501 296  — 501 302  — 491 Epistula ad Diognetum, ed. Funk / Bihlmeyer) 7  f.  — 642 8  — 645 Epistula Calani ad Alexandrum p. 192 Hercher  — 485 Esnicus Colbensis, De deo, ed. Mariès / Mercier 1  f.  — 918 144  — 918 192  — 919 293  — 919 294–297  — 919 298  — 919 Etymologicum magnum, ed. Gaisford p. 722, 16  f.  — 296 Eucherius De contemptu mundi, ed. Pricoco p. 80, 371–82, 387  — 908 p. 104, 693–110, 783  — 908 De laude eremi, ed. Pricoco 32, 1–3  — 908 Formulae spiritalis vitae, ed. Mandolfo / Dulaey Prooemium  — 908 Eudemus frg. 32  — 380 frg. 34  — 380 frg. 133  — 380 frg. 150  — 377 Eunapius, Vitae sophistarum, ed. Giangrande 2, 1  f.  — 717 2, 2  — 592 2, 6  — 717 3, 3  — 717

1304

4, 2, 2  f.  — 778 5, 1, 4  f.  — 733 6, 1  — 731 6, 1–8, 2  — 731 6, 1, 4  f.  —  734, 773 6, 2, 1–11  —  733, 736 6, 5, 1–10  — 734 6, 5, 5–10  — 993 6, 6, 5–6, 10, 5  — 739 6, 9–11  — 730 7, 3, 9–7, 4, 17  — 734 23  — 731 24  — 731 Eunomius, Apologia, ed. Vaggione 8, 1–3  — 809 12  — 809 19, 1–3  — 809 20  — 809 (cf. etiam Gregorius Nyssenus, Contra Eunomium) Euripides frg. 910  — 72 Eusebius Demonstratio evangelica, ed. Heikel 5, prooem. 1  — 803 5, 30, 3  — 803 Laus Constantini, ed. Heikel 4  f.  — 806 Historia ecclesiastica, ed. Schwartz 5, 10, 1–11, 2  — 532 5, 13, 5–7  — 640 5, 28, 13–19  — 532 6, 2–19  — 800 6, 2, 2–13; 18  f.  — 669 6, 3, 2  — 532 6, 3, 3–13; 18  f.  — 669 6, 19, 2  —  669, 674, 676, 679, 744, 772 Praeparatio evangelica, ed. Mras 1, 1  —  799  f. 1, 2, 1–4  — 800 1, 4  —  800, 806 1, 5  —  800, 802 1, 8  —  86, 91, 805 2, 7  — 805 3, 6, 7–17, 3  — 805 4, 3  — 579 5, 21, 6  — 586 6, 7, 23  f.  — 586 6, 8  — 579 8, 10  — 499 9, 7  — 553 9, 8, 1  f.  — 553

10, 3, 7  — 802 10, 14, 13  — 162 11, prooem. 3  — 801 11, 1, 1  — 804 11, 2  —  267, 547, 549, 554, 1052 11, 2  f.  — 804 11, 3  —  187, 267, 547, 549, 554, 562, 1052 11, 4  — 804 11, 5  — 804 11, 5, 9–11, 6, 41  — 804 11, 7  — 804 11, 8–11  — 804 11, 9, 1  — 719 11, 10  —  542, 544, 553 11, 10  f.  — 919 11, 13  — 805 11, 14–22  — 805 11, 18  —  545, 551  f., 803 11, 18, 26–19,1  — 771 11, 21, 7  — 803 11, 22, 1–8  — 545 11, 27  f.  — 803 13, 1  —  801  f. 13, 12  —  486, 491  f., 498  f. 13, 14, 4–13  — 802 13, 15, 3–5  — 802 13, 16, 1–3  — 802 13, 17  — 802 14, 1, 1  — 801 14, 3  —  166, 802 14, 4, 15  — 447 14, 5–9  — 802 14, 5  —  383, 542, 548 14, 9  —  445  f., 802, 805 14, 17, 1  — 93 14, 27, 4  — 122 15, 1  — 803 15, 4  —  540, 543 15, 7, 5  — 1052 Theophania 1, 36  — 803 2, 19  — 913 2, 19–52  —  803, 805 2, 24–27  — 919 2, 24–30  — 803 2, 26  — 1102 2, 30  — 805 2, 46  — 1102 2, 47–49  — 802 Vita Constantini 29, 2  — 799 Eutropius, De Breviarium ab urbe condita 8, 11, 1  — 534 Evagrius Ponticus Ad Eulogium 4  — 834

Register der zitierten Stellen 8  — 834 24  — 834 32  — 834 Capitula Gnostica, ed. Guillaumont 1, 10  —  532, 833 1, 27  — 833 1, 45–48  — 833 1, 52  — 833 1, 53  — 833 Capitula Practica (PG 40) 50  — 833 53  — 833 61  — 833 De oratione 52  — 834 Epistula de fide, ed. Courtonne 1  —  832, 834 Gnosticus, ed. Frankenberg / Guillaumont 18  — 833 Practicus, ed. Guillaumont 1–3  — 833 In Proverbia, ed. Géhin 96  — 833 Favonius, Disputatio in Somnium Scipionis, ed. Holder p. 1, 12  — 901 p. 10, 3  — 901 Flavius Iosephus Antiquitates Iudaicae, ed. Feldman 18, 11–25  — 624 Bellum Iudaicum, ed. Michel / Bauernfeind 2, 119–166  — 624 Contra Apionem, ed. Reinach 1, 2–5  — 624 1, 6  f.  — 624 1, 161–218  — 624 1, 176–179  — 486 1, 176–182  — 628 1, 180  f.  — 487 2, 168–172  — 624 2, 169  — 625 2, 223  f.  — 624 2, 257  — 624 2, 281  — 624 2, 284  — 625

Galenus De causis constituentibus, ed. Kalbfleisch (p. 8, 1–4  — 597 De Hippocratis anatomia, cit. Walzer p. 11 Walzer  — 602 De libris suis, ed. Boudon-­Millot 14, 1–6  — 601 14, 9–23  — 601 De methodo medendi 4, 4  — 598 De optima doctrina, ed. Barigazzi 40  —  444, 543 40–42  — 546 48–51  — 601 De ordine librorum suorum, ed. Boudon-Millot 1, 3–6  — 523 1, 5  — 603 De Placitis Hippocratis et ­Platonis, ed. De Lacy 2, 220  f.  — 434 3, 352  — 424 4, 377–379  — 420 5, 428–445  — 421 5, 459–461  — 420 5, 460  — 416 5, 466–468  — 420 De plenitudine, ed. Kühn p. 525  — 415 p. 527  — 415 De pulsuum differentiis, ed. Kühn 2, 4  — 602 3, 3  — 603 De qualitatibus incorporeis, ed. Kühn 5  — 435 6  —  413, 437

In Hippocratis De natura hominis, ed. Mewaldt prooem. 4  f.  — 255 Protrepticus, ed. Barigazzi 1, 3  — 600 Quod optimus medicus sit quoque philosophus, ed. BoudonMillot 3, 4–8  — 600 4, 2  f.  — 601 4, 4  — 600 Subfiguratio empirica, ed. Bonnet 1  — 478 2  — 478 Summarium respublicae, cit. Walzer p. 15  — 602 Galenus (Pseudo) De optima secta, ed. Kühn 7  — 477 Introductio sive Medicus 4, 2  — 478 Gelasius (Pseudo), Historia ­ecclesiastica 2, 13–24 (p. 47, 20–82, 26 Hansen) Geminus, Introductio, ed. Aujac 16, 21  — 480 17, 48  f.  — 480 (cf. etiam Simplicius, In Physica) Genesis Rabbah 1, 1, 9  — 627 11, 2, 3  — 627 20, 2, 3  — 627 Gennadius Massiliensis, De viris illustribus, ed. Bernoulli 1  — 964 74  — 964 82  — 964

De sectis, ed. Helmreich p. 13, 19–14, 24  — 598 p. 2, 1–3  — 478

Gnomologium Vaticanum, ed. Sternbach 743, nr. 174  —  197  f. 743, nr. 182  — 197

De usu partium, ed. Helmreich 11, 13  f.  — 602 11, 14  — 603

Gorgias, Helena (DK 82 [76], B 11) 13  f.  — 168

In Hippocratis Epidemiarum libros, ed. Kühn 6  — 415

Gregorius Nazianzenus Carmina (PG 37) 1, 2, 10, 43–49  — 827

1305

Register 2, 1, 10, 198–340  — 818 Epistulae, ed. Gallay 24, 2  — 824 24, 4–6  — 827 38  — 786 Orationes, edd. Bernardi et alii 2, 16  — 825 4, 12  — 824 4, 23  —  816, 824 4, 30  —  818, 827 4, 31  — 818 7, 7  — 827 7, 8  — 827 25, 1  — 824 25, 4  —  816, 824 25, 5  — 923 25, 6  —  818, 819, 824 25, 7  —  824, 827 25, 9  — 827 25, 14  — 824 25, 15  — 816 25, 18  —  816, 828 27, 3  f.  — 815–817 27, 10  —  815  f., 818 28, 3  f.  — 815 28, 4  — 819 28, 17  — 815 28, 22–28  — 815 28, 28  — 815 29, 11–16  — 815 29, 13  — 821 31, 5  —  815, 819 32, 25  —  827  f. 43, 23  —  815, 825, 827 43, 53  — 827 45, 4  — 826 Gregorius Nyssenus Ad Graecos, ed. Müller p. 19, 5–23, 4  — 822 p. 23, 13–26, 5  — 822 p. 28, 9–33, 4  — 822

p. 66, 4–15  — 826 p. 83, 5  f.  — 826 De professione Christiana, ed. Jaeger p. 136, 15  f.  — 824 p. 136, 20–138, 23  — 825 De vita Moysis, ed. Musurillo p. 43, 21–44, 5  —  826  f. p. 44, 13–19  — 818 p. 66, 9–67, 8  — 818 p. 67, 9–69, 3  — 818 Hexameron, ed. Drobner p. 5, 3–7, 13  — 821 p. 7, 1–13  — 826 p. 7, 2  f.  — 815 Homiliae in Ecclesiasten, ed. Alexander 4  — 827 7  —  823, 826 In Canticum canticorum homiliae, ed. Langerbeck prooem.  — 826 1  —  824, 826 5  f.  — 826 12  — 824 Oratio funebris de Pulcheria, ed. Spira p. 471, 7–12  — 826 Vita Macrinae, ed. Woods ­Callahan p. 371, 19–21  — 740 p. 373, 4–374, 6  — 740

Contra Eunomium, ed. Jaeger 1, 151–154  — 809 2, 115  f.  — 823 2, 180–191  — 823 2, 181  —  826  f. 2, 334  — 823 2, 417  — 809

Gregorius Thaumaturgus, ­Panegyricus, ed. Crouzel 75  — 669 78  — 669 81–92  — 677 93–108  — 677 107  — 679 109–149  — 677 113  — 679 130  — 679 150  — 677 150–183  — 677 158–161  — 675

De anima et resurrectione, ed. Spira p. 33, 10–12  — 819

Hecataeus Abderita (FGrHist 264) frg. 6  —  487, 629

De instituto Christiano, ed. Jaeger p. 48, 3–18  — 826 p. 64, 4–19  — 826

Heraclides Ponticus frg. 40 101 frg. 87 102 frg. 88, 30–32 102

1306

Heraclitus (DK 22 [12]) A 4  — 73 B 1  — 73 B 5  — 110 B 35  — 108 B 40  —  108  f. B 41  — 109 B 44  — 110 B 45  — 107 B 50  — 107 B 54  — 107 B 56  f. 109 B 78  f. 109 B 81  — 95 B 101  — 107 B 106  — 109 B 112  —  108  f. B 116  — 107 B 129  — 109 ›Hermes Trismegistus‹, ed. Nock / Festugière Asclepius 6  — 610 12–14  — 611 Clavis Hermae (10), 25  — 610 Definitiones Asclepii (16) 1  — 611 (16) 2  — 611 Fragmenta frg. 2b, 2  — 611 frg. 23, 41  f., 68  — 611 frg. 24, 6  — 611 frg. 26, 9  — 611 Poimandres (1), 4–11  — 610 Ps.-Herodianus, De soloecismo et barbarismo, ed. Nauck p. 294, 4  f.  — 534 Hermias, In Phaedrum, ed. Lucarini / Moreschini p. 52, 7  f.  — 757 p. 96, 24–28  — 765 p. 106, 31–33  — 757 p. 118, 32  — 748 p. 251, 18–252, 2  — 152 Herodorus (FGrHist 31) frg. 14  — 129 Herodotus, Historiae 1, praef.  —  72  f. 1, 5  — 68 1, 6–94  — 63 1, 29  f.  — 154

Register der zitierten Stellen 1, 30, 2  — 75 1, 74  f.  — 67 1, 74, 2  — 86 1, 107  — 67 1, 131, 1  — 68 1, 157  f.  — 68 2  — 63 2, 4, 1  — 68 2, 20–23  — 68 2, 81  — 101 2, 99  —  68, 72 2, 118  f.  — 72 2, 123  — 100 3, 80–82  — 68 4, 8, 2  — 68 4, 36, 2  — 68 4, 95  f.  —  67, 95, 100 5, 49  — 68 7, 96  — 72 7, 152, 3  — 68 Hesiodus Opera et dies 276–281  — 80 Theogonia 26–34  — 80 73  f.  — 80 117–122  — 80 Hierocles, In carmen aureum, ed. Koehler prooem. 1  — 758 prooem. 2  f.  — 754 3, 4  f.  — 768 10, 6–12  — 754 10, 25  — 754 24, 7  — 757 25, 4–7  — 758 25, 7  — 758

99, 2  — 875 127, 6, 1  — 876 In Amos, ed. Adriaen 2, 5, 3  — 875 In Ezechielem, ed. Glorie 10, 31  — 875 In Galatas, ed. Raspanti 3  — 875 In Sophoniam, ed. Adriaen prol.  — 875 Hieronymus Peripateticus frg. 11  — 372 Hilarius De trinitate, ed. Smulders 1, 1–11  — 875 1, 13  — 874 8, 52  f.  — 874 12, 19  — 874 In Psalmos, ed. Doignon 61, 2  — 875 63, 5  — 874 64, 4  — 874 67, 21  — 874 118, 19, 8  — 874 Hipparchia test. 3  — 359 Hippocrates (Pseudo) De natura hominis, ed. Jouanna 1  — 166 1–5  — 125 1, 4  — 126

Hieronymus Adversus Iovinianum (PL 23) 1, 42  — 739

De vetere medicina, ed. Heiberg 1–7  — 126 20  —  126  f.

Chronica, ed. Helm p. 164, 3  f.  — 453

De victu 1, 2, 1  — 125

Epistula adversus Rufinum, ed. Lardet 39  — 876

Hippolytus, De benedictione Iacobi 14  — 694 16  — 694

Epistulae, ed. Hilberg 30, 1  —  875  f. 49, 1  — 875 50, 3, 1  — 875 53, 7, 1  — 875 58, 2, 2  — 876 60, 4, 2  — 875 70, 2  — 876 70, 6, 1  — 876 84, 6, 2  — 876

›Hippolytus‹ De universo, edd. Malley et Holl frg. 1 (Malley)  — 637 frg. (p. 143, 127–134 Holl)  — 651 Refutatio omnium haeresum, ed. Wendland 1 Index 4  — 172

1 praef. 8  —  636, 651 1, prooem. 11–1, 1  f.  — 592 1, prooem 11–3, 3  — 162 1, 1  f.  —  590  f. 1, 1, 4  — 88 1, 2, 1  — 592 1, 3, 2  — 115 1, 4, 2  f.  — 106 1, 5  —  172, 591 1, 6  —  86  f., 89 1, 6, 1–1, 10, 1  — 162 1, 7  — 90 1, 8  — 119 1, 9  —  162  f. 1, 10, 1  — 163 1, 10  f.  — 592 1, 11–16  — 162 1, 14  — 93 1, 17, 1  — 172 1, 18, 1–21, 5  — 162 1, 21  — 418 5, 2  — 635 5, 6  — 635 5, 11  — 635 5, 23  — 635 6, 29  f.  — 637 6, 29  — 637–639 6, 31–36  — 637 6, 34, 3  — 639 7, capitula 2  — 652 7, capitula 5  — 652 7, 15, 1  — 560 7, 15, 1–19, 8  — 652 7, 17, 1  f.  — 560 7, 18, 1  — 560 7, 19  —  375, 378, 652 7, 20, 5  — 652 7, 20–27  —  637, 652 7, 21, 1–5  — 638 7, 22, 5  f.  — 639 7, 24  — 639 7, 29  —  115, 117 7, 31, 4  — 115 9, 5  — 107 9, 8, 1  — 106 9, 9  —  107, 109 9, 10, 2  — 109 10, 6, 2–7, 6  — 652 10, 8  — 651 10, 9–29  — 652 10, 30  f.  — 652 10, 31, 5  — 651 10, 32  —  650, 652 10, 33  —  652  f., 762 10, 34, 1  —  652  f. Historiae Augustae scriptores 1,1  — 526 2,2  f.  — 527 27,7  — 575 30,3  — 733

1307

Register Homerus Ilias 14, 201  — 78 14, 246  — 78 18, 478–608  — 78 Odyssea 11, 23–640  — 78 17, 487  — 238

157  f.  — 759 157–159  — 751 159  —  102, 756 159–161  — 756 162  —  751, 756 163  f.  — 778 172  — 774 189–194  — 476 267  —  96, 100

Horapollo, Epistula (Pap. Cairo III 67295) 15  f.  — 951

Ibn Abī Uṣaybiʿa, Historia medicinae, ed. Savage-Smith et al. 15, 1, 2  —  345, 557, 949, 965

Horatius, Epistulae 1, 17, 13–32  — 189

Ioannes Cassianus, Collatio, ed. Petschenig 1, 4  — 907 1, 20  — 907 13, 5  — 908 24, 15  f.  — 907

Ḥunayn ibn Iṣḥāq, Epistula, ed. Bergsträsser 4–20  — 1049,1105 14  — 1048 16  — 1048 115  — 601 Iamblichus De communi mathematica scientia, ed. Festa 23  — 777 25  — 98 De mysteriis 1, 1  — 767 2, 2  — 768 2, 7  — 768 2, 9  — 769 2, 11  —  769  f. 3, 4  — 768 5  — 768 5, 26  —  755, 768, 770, 773 7, 5  — 768 8, 2  — 768 8, 7  f.  —  755, 768  f. 8, 8  — 769 10, 2  f.  —  768  f. Protrepticus, ed. Pistelli 3  —  758, 760 4  — 758–760 6  —  293, 758 9  — 120 10  — 293 12  — 294 14  —  757, 775 20  —  166, 758 21  — 752 Vita Pythagorae, ed. Deubner 58  — 102 80–89  — 98 82–86  — 99 83  — 100 89  — 103

1308

Ioannes Chrysostomus Ad populum Antiochenum (PG 49) 17, 2  —  790, 849 18, 4  — 848 Ad Theodorum (PG 47) 1, 1  — 849 1, 17 (PG 47, col. 304) 849 Adversus oppugnatores (PG 47) 2, 5  —  848  f. 3, 11  — 848 3, 18  — 849 5, 6  — 849 Cum Presbyter fuit ordinatus (PG 48) 3  —  848  f. De Christi divinitate (PG 48) 12, 5  — 848 De Lazaro (PG 48) 3, 3  —  847, 849 5, 3  — 848 De S. Babyla contra Iulianum (PG 50) 2  —  730, 847 8  — 849 9  — 848 De sacerdotio (PG 48) 1, 3  — 849 De virginitate (PG 48) 16  — 849 In Acta apostolorum (PG 60) 4  — 849

4, 3  f.  — 848 4, 4  — 848 In Matthaeum (PG 57) 1, 4  — 849 10, 4  — 847 In 2 ad Thessalonicenses (PG 62) 2  —  848  f. Quod nemo laeditur (PG 48) 11  — 848 Ioannes Grammaticus (›Eulogius‹) frg. (PG 86, 2, 2945BC)  — 1095 Ioannes Lydus, De magistratibus, ed. Wuensch 3  —  948, 950 Ioannes Malalas, Chronicon 18, 47  — 993 Ioannes Duns Scotus, Reportatio Parisiensis examinata, ed. Söder I, d. 42, q. 2. Frage, nr. 22  — 1160 Ioannes Scythopolitanus, Scholia in Dionysium, ed. Suchla sive Rorem / Lamoreaux prooem. 16A  — 1045 prooem. 17D–20A  —  1044  f. 185A  — 1045 320B–321B  — 1046 372 BC  — 1045 372B–376D  — 1046 377AB  — 1045 536A  — 1046 Ioannes Stobaeus, Anthologium, edd. Wachsmuth / Hense 1, pr. 4  — 104 1, 1  —  422, 436 1, 1, 29b  — 497 1, 5  —  414  f., 435  f. 1, 8, 2  — 93 1, 20  — 437 1, 21, 7a  — 101 2, 1, 12  — 122 2, 2  — 759 2, 7  —  411  f., 415–417, 421, 423  f., 436, 446, 373, 547–549, 563, 2, 31  —  122, 199, 219 3, 1  —  107–109, 121, 363 3, 1, 47  — 121 3, 3, 46  — 121 3, 4  —  121  f.

Register der zitierten Stellen 3, 5, 6  — 107 3, 21  — 296 3, 40  — 191 4, 1, 42  — 122 4, 7  — 554 4, 32  —  290, 363 4, 33  — 363 4, 34  — 363 4, 39  — 417 4, 44  — 191,363 Irenaeus, Adversus Haereses, ed. Rousseau / Doutreleau 1, 1  —  637  f. 1, 2, 4  — 637 1, 3, 1–5  — 637 1, 4, 1  — 637 1, 5, 1–6, 2  — 637 1, 6, 2  — 636 1, 9, 1  — 636 1, 10, 1  f.  — 649 1, 22, 1  — 651 1, 25, 6  — 639 2, 14, 5  f.  —  561, 636 2, 28, 7  — 651 2, 33, 3  — 653 2, 34, 4  — 644 3, 25, 5  — 653 4, 37  — 651 Isocrates Ad Nicoclem 3  — 212 Contra Sophistas 1  f.  —  156, 213 2  — 214 3  — 214 9  f.  — 214 14  —  155, 209 16  — 209 21  —  155, 165, 180, 209 De permutatione 39  — 207 45  — 213 47–49  — 210 50  — 212 71  f.  — 213 79–83  — 213 84–86  — 213 87  — 209 121  — 212 154–179 211 155  — 158 180  f.  — 212 186–192  — 209 187  — 209 201  — 150 205  — 211 206  — 212 207  — 210

209–211  — 211 221–223  — 210 224  —  150, 212 235  — 155 246  f.  — 212 254  — 215 258–260  — 215 262–265  — 215 265  —  212, 215 267–269  — 216 268  f.  —  155, 167 270  — 213 272–280  — 215 278  — 209 285  — 216 290  — 209 291–294  — 215 296  — 215 304–306  — 212 316  — 216 Epistula ad Alexandrum 3  —  214  f. Helena 1  — 214 2  — 180 2  f.  — 166 2–5  — 214 4  — 214 6  — 214 Panegyricus 50  — 150 Isidorus de Pelusio, Epistulae (PG 78) 5, 558  — 425 Iulianus Imperator Contra Galileos frg. 1  — 782 frg. 3  — 782 frg. 6  — 782 frg. 7  — 780 frg. 9  — 782 frg. 16  f. 782 frg. 18  f.  —  781  f. frg. 14–19  — 782 frg. 17–21  — 783 frg. 19  — 782 frg. 20  — 782 frg. 21  — 781 frg. 26–37  — 782 frg. 36  — 782 frg. 37  — 781 frg. 48  — 782 frg. 53  f.  — 783 frg. 55  — 782 frg. 58  — 782 frg. 71  — 783

Epistulae, ed. Bidez 8, 441b–d  —  780, 783  f. 61c, 422  — 784 89, 288b–289c  — 784 89, 291b–292b  — 784 89a, 454a  — 781 89b, 292d–305d  — 781 111, 432d–433d  — 782 Orationes 6, 1, 253b–2, 254b  — 743 6, 4, 256c  — 784 6, 7, 260cd  — 784 6, 10, 264b–265a  — 783 6, 12, 266cd  — 783 6, 13, 266b–267a  — 780 7, 8, 212bc  — 780 7, 24  — 779 7, 215cd  — 780 7, 227c–235c  — 781 8 (5), 161ab  — 780 9 (6), 1, 180d–181a  — 791 9 (6), 3–5, 183a–185c  — 780 9 (6), 4, 183a–184a  — 780 9 (6), 5, 184d–185a  — 779 9 (6), 6, 185c  — 779 9 (6), 7, 186bc  — 790 9 (6), 8  —  780  f. 9 (6), 11, 190  — 780 9 (6), 13, 193d  — 779 9 (6), 15, 195c  — 791 9 (6), 16, 197e–198a  — 736 9 (6), 18  —  584, 791 9 (6), 20, 202d  — 791 11 (4), 6, 133a–c  — 781 Iulianus Aeclanensis, Ad Turbantium, ed. De Coninck 4, 295  — 881 (cf. Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum) Iunillus Africanus, Institutiones, ed. Maas praef. (p. 118, 15–120, 20 Maas) 964 Iustiniani Digesta, ed. Mommsen 50, 4, 18, 30  — 523 Iustiniani Institutiones, ed. Mommsen 1, 1  — 439 Iustinus Apologia maior, ed. Marcovich 2, 1  — 646 3  — 648 4, 6–9  — 683 4, 8  f.  —  645  f. 6, 2–7, 1  — 645

1309

Register 7, 3  — 646 8, 4  — 646 10, 5  f.  — 648 12  — 648 26, 6  f.  — 646 43, 3–6  — 643 Apologia minor / Apologia ­secunda, ed. Marcovich 7  —  643, 645  f. 8, 1–3  —  646, 648 10, 1  — 646 12  — 644–646 13  —  646, 648, 683 15  —  646, 648 Dialogus cum Tryphone, ed. Marcovich 1, 1  f.  — 641 1, 3  — 647 2, 1  —  645, 647 2, 3–6  — 646 2, 4  f.  — 648 3, 2  — 644 3, 3  — 647 3, 4  f.  — 647 3, 6  — 644 4, 1  — 642 4, 2  — 644 5, 4  — 644 6, 1  f.  — 644 7, 1  — 644 8, 1  f.  — 644 88, 5  — 643 Iustinus (Pseudo) Cohortatio ad Graecos, ed. Marcovich 1, 2  — 798 3, 2  — 645 4, 2  — 645 19  f.  — 645 20–22  — 798 35, 2–36, 1  — 646 37  — 798 38, 2  — 798 Confutatio dogmatum Aristotelis praef. (110D–E)  —  1023,1025  f. 4 (117CD)  — 1024 15 (127B)  — 1024 35 (136AB)  — 1024 Quaestiones Christianorum 1 (161A)  — 1025 5 (187E–188A)  — 1024 Quaestiones gentilium 1 (160BC)  — 1024

1310

Quaestiones Graecorum 200CD  — 1024 200E–201B  — 1025 Quaestiones et responsiones ad Orthodoxos 1 (391B–D)  —  1022  f. Lactantius De opificio Dei 1, 1, 12–15  — 865 Epitome divinarum institutionum 13  — 867 28  — 867 36  — 865 Institutiones 1, 1  —  867  f. 1, 5, 15–28  — 868 1, 8, 1  — 868 1, 12, 7–10  — 867 1, 15, 16–1, 17, 5  — 867 2, 2  — 867 2, 6, 8–11  — 867 3, 2  — 866 3, 3  f.  — 866 3, 4  — 865 3, 7, 1  — 867 3, 6, 9  f.  — 865 3, 16, 9  — 466 4, 1  — 866 4, 2, 4  —  866  f. 4, 3, 1–5  — 867 4, 4  —  865, 867  f. 5, 1  — 866 5, 2  f.  — 866 5, 2  —  767, 771 5, 3, 1  f.  — 866 5, 5  — 866 5, 13, 15  — 868 5, 14  —  444, 868 5, 14, 9–5, 15, 1  — 868 5, 14–16  — 865 5, 15, 1  — 867 5, 16, 13  — 868 5, 17  — 868 5, 19, 8  — 868 6, 8, 7–11  — 868 7, 11, 14  — 866 Leontius Byzantinus, Contra Nestorianos et Eutychianos, ed. Daley prooem.  — 1096 1  —  1095  f. Libanius, Epistulae, ed. Foerster 371, 3  — 786 793, 2  — 786

Lucanus, De bello civili 9, 564–586  — 578 Lucianus, ed. Macleod De mercede conductis 36  — 531 Demonax 1  — 523 3  —  525, 586, 609 5–10  — 609 11  —  587, 609 12–62  — 585 14  — 609 28  — 610 29  — 609 34  — 586 37  — 586 48  —  527, 584, 609 50  — 586 59  — 585 62  —  584, 609 65  f.  — 609 De morte Peregrini 13  — 587 18  —  584, 586 37  — 609 Fugitivi 3–11  — 609 12  — 584 16  — 584 17  — 584 Hermotimus 6  — 530 11  f.  — 610 15  f.  — 530 80  — 609 82  f.  — 609 85  — 609 Philosophia Nigrini 2–4  — 609 4  — 609 5  — 609 25  —  523, 609 Lucianus (Pseudo), Cynicus, ed. Macleod 1  —  525, 584 7  — 586 14  — 584 19  f.  — 584 Lucretius, De rerum natura 1, 62–135  — 400 2, 216–224  — 385 2, 251–293  — 386

Register der zitierten Stellen Lysias, Oratio 24, 10  — 148 Macarius Magnes, Apocriticus, ed. Volp p. 394–402  — 773 Macrobius, ed. Willis In somnium Scipionis 1, 2  —  901, 903 1, 4, 1  — 901 1, 8  —  901  f. 1, 12  — 902 1, 13  —  901  f. 1, 14, 20  — 375 1, 16, 9  — 902 2, 17, 15  — 902 Saturnalia 1, 2–12  — 901 1, 24, 21  — 901 5, 19, 2  f.  — 375 Mamertinus, Gratiarum actio Iuliano 23, 4 (3, p. 36 Gallétier) 779 Mārā bar Serapiyōn, Epistula, ed. Cureton p. 43 (syr.) / p. 70 (engl.)  — 689, 694, 696 p. 44 (syr.) / p. 72 (engl.)  — 695 p. 45 (syr.) / p. 72 (engl.)  — 695 p. 46 (syr.) / p. 73 (engl.)  — 695 p. 46 (syr.) / p. 74 (engl.)  — 694 p. 48 (syr.) / p. 76 (engl.)  — 695 Marcellus Ancyranus, ed. Klostermann / Hansen frg. 86  — 809 Marcus Aurelius, Ad se ipsum 1, 7, 3  — 576 5, 8  — 570 5, 9  — 572 8, 1  — 572 8, 27  — 570 9, 29  — 575 11, 3  — 578 Marinus, Proclus, ed. Saffrey / Segonds 3, 1–7  — 755 8, 25–31  — 777 9, 12–14  — 777 11, 15–23  — 766 12  —  733, 765 12–14  — 764 13, 1–10  — 764 13, 10–17  — 765 14  f.  — 775 14, 19–27  — 735

15  —  735  f., 768, 776 22  — 764 26  f.  —  764  f. 28–33  — 769 38, 15–20  — 766 Martianus Capella, De nuptiis, ed. Willis 1, 36  — 905 1, 96  — 904 2, 125  — 905 2, 131  — 904 2, 178  — 905 2, 217  f.  — 905 3, 230  — 905 4, 335  — 906 4, 338  — 905 4, 339–343  — 905 4, 344–422  — 906 5, 538  — 905 6, 576  — 904 6, 724  — 905 Maximus Tyrius, Orationes, ed. Trapp 4, 7  — 555 11, 1  — 555 26, 1  — 546 37, 3  — 555 Melissus (DK 30 [20]) B 3  — 113 B 6  — 113 Melito Sardianus, ed. Perler frg. 1  —  647  f., 682 Melito (Pseudo), Oratio, ed. Cureton p. 22 (syr.) / p. 41 (engl.)  — 689, 695  f. p. 27 (syr.) / p. 46  f. (engl.)  —  692, 696 p. 28  f. (syr.) / p. 48  f. (engl.) 696 p. 30  f. (syr.) / p. 50  f. (engl.) 696 Menander Rhetor, ed. Russell / Wilson 1, 360  — 524 Methodici, Fragmenta, ed. Tecusan frg. 180  — 598 frg. 203  — 598 Methodius Olympius De libero arbitrio, ed. Franchi 1, 7–9  — 532 2, 4–3, 9  — 681

7, 159  — 681 8, 170  — 681 Michael Syrus, Chronicon, ed. Ibrahim 9, 30  — 948 Minucius Felix, Octavius 16, 5  f.  — 658 18, 11  — 658 17, 1–11  — 658 19, 3–20, 1  — 658 19, 7  — 200 23, 1  f.  — 658 26, 12–27, 1  — 658 38, 4–7  — 658 Mischna Abot, ed. Marti / Beer 2, 14a  — 628 Mischna Sanhedrin, ed. Krauß 10, 1  — 628 Moses Chorenaci, Historia Armenorum, trad. Thomson 1, 6  — 919 Musonius Rufus, Dissertatio, ed. Hense 1  — 574 2  — 531 3  — 572 4  —  572  f. 8  —  573, 575 9  — 576 11  — 573 14  — 573 Nemesius, De natura hominis, ed. Morani 36  — 843 44  — 843 46  — 843 56  — 843 103  — 843 110  — 843 117  — 843 124  f.  — 843 125  — 843 139  f.  — 843 143  f.  — 843 284  f.  — 843 333  f.  — 843 Nicolaus Damascenus De philosophia, ed. Drossaart Lulofs frg. 1, 1  — 563 frg. 5  — 563 frg. 18  — 563

Symposium, ed. Bonwetsch praef. 4  — 681

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Register Fragmenta (FGrHist 90) frg. 135  — 536 Nicomachus, Introductio ­arithmetica, ed. Hoche 1, 1, 1  — 546 1, 2, 1  f.  — 555 1, 2, 3  —  546  f. Nilus Ancyranus Epistulae (PG 79) 1, 112  — 835 1, 199  — 835 1, 312  — 835 2, 49  — 835 2, 54  — 835 2, 55  — 835 2, 209  — 835 2, 257  — 835 2, 264  — 835 2, 305  — 835 2, 335  — 835 3, 8  — 835 3, 13  — 835 3, 27  — 835 3, 43  — 836 3, 122  — 835 3, 161  — 835 3, 172  — 835 In Canticum, ed. Rosenbaum 72, 20 (p. 180, 24  f. Rosenbaum) 835 ›Nilus Ancyranus‹, Narratio, ed. Conca 1, 1  — 836 1, 4  — 836 2, 18  — 836 Numenius, Fragmenta, ed. des Places frg. 1a  — 553 frg. 1c  — 553 frg. 2  — 545 frg. 5  f. 544 frg. 7  — 542 frg. 9  — 553 frg. 10–19 341 frg. 11  f.  — 545,551 frg. 12  — 552 frg. 16  — 545 frg. 19  f.  — 545 frg. 24  —  383, 542, 547  f. frg. 25  — 341 frg. 28 445  f. Olympiodorus In Alcibiadem, ed. Westerink 1, 144, 16  f.  — 292

1312

In Categorias, ed. Busse p. 14, 13–18, 12  — 984 p. 17, 35–18, 12  — 983 In Gorgiam, ed. Westerink p. 14, 22–15, 18  — 989 p. 18, 19–19, 14  — 989 p. 32, 16–33  —  986  f. p. 143, 6–12  — 989 p. 165  — 989 p. 165, 25–166, 27  — 989 p. 166, 27–167, 18  — 989 p. 208, 2–6  — 989 p. 243, 16–246, 12  — 987 p. 244  —  986  f. p. 246, 7–12  — 987 p. 263, 14–25  — 986 In Meteorologica, ed. Stüve p. 118, 16–30  — 986 Prolegomena, ed. Busse 4 (p. 17, 37–18, 1–6 Busse)  — 249 Origenes Contra Celsum, ed. Koetschau prol. 5  — 676 1, 3  f.  — 683 1, 7  — 677 1, 8  — 674 1, 17  f.  — 678 1, 18  —  679, 706 1, 23  f.  — 553 2, 13  — 679 3, 39  — 679 3, 58  —  675  f. 4, 14  — 435 4, 51  — 553 4, 68  — 674 5, 25  — 553 5, 41  —  551, 553 6, 12  — 109 6, 60  — 552 6, 61  — 553 7, 42–44  — 671 7, 45  — 552 7, 62  — 110 7, 66  — 399 De principiis, ed. Koetschau frg. 9  — 672 1 praef. 2  — 671 1 praef. 3  — 675 1 praef. 8  f.  —  671, 676 1, 2, 2  — 671 1, 2, 6  —  672, 674 1, 2, 8  — 671 1, 3, 1  —  671  f., 674, 676, 678 1, 3, 6  — 672 1, 3, 8  — 672 1, 4, 3–5  — 673

1, 5, 2  f.  — 672 1, 6, 1  — 678 1, 6, 2  f.  — 672 1, 6, 4  — 672 1, 7, 2–8, 4  — 672 2, 1, 3  — 673 2, 1, 4  — 673 3, 1–5  — 408 3, 3, 2  —  676, 679 3, 4, 1  —  671, 673 3, 6, 1  — 676 3, 6, 2  f.  — 672 3, 6, 4–6  — 674 3, 6, 6  —  671, 673, 675 Epistula ad Gregorium, ed. Crouzel 1  —  676, 679 Homiliae in Psalmos, ed. Perrone 76, 1  —  533, 707 77, 1  —  679, 707 77, 4  — 533 77, 6  —  675, 707 80, 4  — 705 In Canticum, ed. Baehrens prol.  —  676  f., 683 In Ioannem, ed. Preuschen 1, 109–124  — 808 1, 153–157  — 674 1, 164  — 671 2, 112  — 421 In Matthaeum, ed. Klostermann 17, 7  — 677 In Romanos, ed. Hammond Bammel 1, 19  f.  — 676 6, 9  f.  — 673 7, 18–21  — 1159 Orphici frg. 28  — 82 frg. 54  — 28 frg. 60  — 28 Pamphilus, Solutio, ed. Declerck 2  — 1096 6  — 1096 Panaetius frg. 55  — 420 frg. 72  — 420 frg. 92–94  — 419 frg. 130  — 437 frg. 131  — 437 frg. 132  — 437 frg. 133  — 437

Register der zitierten Stellen frg. 134  — 438 frg. 136  — 406 frg. 137  — 437 frg. 140  — 437 Parmenides (DK 28 [18]) B 1, 22–32  — 113 B 1, 29  — 112 B 2  — 112 B 6, 1  f.  — 112 B 7, 1  — 112 B 8  — 112 B 8, 3–10, 6  — 112 Paulus Persa De logica Aristotelis, ed. Land prooem. p. 1, 8  f. (syr.) / p. 1 (lat.)  — 1082 p. 1 (syr.) / p. 1 (lat.) 1080–1082 p. 1, 10–2, 8 (syr.) / p. 1  f. (lat.) 1082 p. 2, 8–23 (syr.) / p. 2  f. (lat.) 1080 p. 2, 23–3, 11 (syr.) / p. 3  f. (lat.) 1082 p. 3, 11–18 (syr.) / p. 4 (lat.) 1082 p. 3, 18–4, 12 (syr.) / p. 4  f. (lat.) 1083 p. 4, 12–22 (syr.) / p. 5 (lat.) 1083 p. 4, 23–5, 2 (syr.) / p. 5 (lat.) 1083 p. 5 (syr.) / p. 5  f. (lat.) 1084 In De interpretatione, ed. Hugonnard-Roche p. 48, 1–3 (syr.) / 49, 1  f. (frz.)  — 1081 Petrus Abaelardus, Historia ­calamitatum, ed. Monfrin p. 63  — 934 Philo Alexandrinus De Abrahamo, ed. Cohn 162–164  — 618 De aeternitate mundi, ed. Cohn / Reiter 10  f.  — 282 10–16  — 616 12  — 379 16  —  282, 296, 618 17–19  — 620 20–47  — 282 76–78 437 De agricultura, ed. Wendland 13  — 621 12–16  — 620 14–16  — 428 17–19  — 622

De congressu, ed. Wendland 63–70  — 618 67  — 621 72–80  — 622 73  — 615 79  f.  —  619, 623 De Iosepho, ed. Cohn 29–31  — 440

Quod deterior potiori insinuare soleat, ed. Cohn 119–140  — 615 Quod Deus sit immutabilis, ed. Wendland 148  —  618, 621

De mutatione nominum, ed. Wendland 69–76  — 620 223  — 622

Quod omnis probus liber sit, ed. Cohn / Reiter 72–75  — 620 75  — 620 80  — 620 96  — 618

De opificio mundi, ed. Cohn 1–25  — 615 2  — 619 3  —  621, 625 8  f.  —  616, 619 20  —  542, 619 24  — 542 53  f.  — 618 70  — 618 77  — 619 135  — 619 154  — 619

Vita Moysis, ed. Cohn 1, 23  f.  — 622 1, 23–26  — 619 1, 26  — 618 1, 27  — 619 1, 29  —  618, 625 1, 48  —  618  f., 620 1, 75  f.  — 616 2, 2  — 623 2, 2–7  — 621 2, 45  — 665 2, 66  f.  — 620

De plantatione, ed. Wendland 12–18  — 375

Philochorus (FGrHist 328) frg. 223  — 261

De providentia, ed. Aucher 1  —  617, 1077

Philodemus Ad contubernales, ed. Angeli col. V  — 388

De somniis, ed. Wendland 1, 229  f.  — 616 De vita contemplativa, ed. Cohn / Reiter 1  — 620 21  — 620 25  — 620 27  — 621 28  f.  — 621 31  — 621 67  — 620 78  — 621 Legatio ad Gaium, ed. Cohn / Reiter 245  —  618  f. Quaestiones in Genesim, ed. Aucher 1, 20  — 411 Quis rerum divinarum heres sit, ed. Wendland 55–57  — 375 246–248  — 618 283  — 375

De dis, ed. Diels 1  — 398 3  — 392 De electionibus et fugis, ed. Indelli / Tsouna-McKirahan col. XII–XIV  — 402 col. XIII  —  393, 396 Col. XXI  — 393 De ira, ed. Indelli col. XVIII  —  399, 403 col. XXXI  — 402 col. XXXVf.  — 394 col. XXVIIIf.  — 403 De libertate dicendi, ed. Olivieri frg. 39, 6–14  — 393 II b 3–7  — 389 De musica, edd. Neubecker et Kemke col. X  — 401 col. XVIII  — 401 col. XXVIII, 1–22  — 425 col. XXVIII, 5–35  — 429

1313

Register De oeconomia I  — 394 De pietate, edd. Gomperz et Obbink p. 72 Gomperz  — 200 p. 77 Gomperz  — 435 p. 79  f. Gomperz  —  435  f. p. 156–158 Obbink  — 399 p. 180 Obbink  — 391 p. 186–188 Obbink  — 399 p. 210 Obbink  — 399 p. 214 Obbink  — 399 p. 274–276 Obbink  — 399 De Stoicis, ed. Dorandi col. XV, 6  — 199 De vitiis, ed. Jensen 10, col. X–XVI  — 372 Historia Academiae, ed. Dorandi col. I  — 377 col. IIf.  — 475 col. VI 41  — 262 col. XVIII 6  — 262 col. XXXIII  — 442 Historia Stoicorum, ed. Dorandi col. XII  — 349 col. XIII  —  356, 440 col. XV  — 421 col. XVI  — 440 col. LXI  —  406, 419 col. LXVI  —  419, 432 Memoriae Epicureae, ed. Militello col. XXIII, 5  — 392 Rhetorica, edd. Sudhaus et al. p. 34, 12–24 Sudhaus (Supplementum)  — 508 p. 38, 7–13 Sudhaus (Supplementum) 401 p. 222 Sudhaus  —  379, 401 p. 271  f. Sudhaus  — 403 p. 367, 10–13 Obbink / Vander Waerdt 434 p. 367, 17–19 Obbink / Vander Waerdt 440 p. 367, 19–30 Obbink / Vander Waerdt 439 p. 77  f. Longo Auricchio  — 191 Philolaus (DK 44) B 2 101

Philoponus Arbiter, ed. Šanda, trad. Lang p. 5  f. (syr.) / p. 174–176 (engl.) 1034 p. 26 (syr.) / p. 195 (engl.) 1035 p. 31  f. (syr.) / p. 200 (engl.) 1035 p. 44 (syr.) / p. 213  f. (engl.) 1035 De aeternitate mundi, ed. Rabe 2, 5  — 1028 3, Capitula librorum  — 1028 3, 1  — 1029 3, 5  — 1034 4 Capitula librorum  — 1028 4, 11  — 762 4, 16  — 1028 6, 7  —  761, 1029 6, 21  — 551 6, 21  — 545 11, 3  — 1032 13, 1  — 1029 13, 10  — 1028 17, 5  — 1028 De aeternitate mundi contra Aristotelem frg. 1–17  — 1032 frg. 18–22  — 1032 frg. 58*  — 1032 frg. 59  — 1032 frg. 121  f.  — 1033 De opificio mundi, ed. Reichardt 1, prol.  —  1028, 1033 1, 1  — 1036 1, 2  —  1028  f., 1036 1, 12  — 1031 3, 13  —  957, 1029,1036 4, 20  — 1029 6, 7  — 1029 De trinitate, ed. Van Roey frg. 1  —  1034  f. frg. 3  — 1035 frg. 5  — 1035 In Analytica priora, ed. Wallies p. 6, 14–18  —  249, 789, 983 p. 6, 19–9, 20  — 984 In Categorias, ed. Busse p. 5, 8–14  — 985 p. 5, 15–33  —  563, 986 p. 58, 13–21  — 753 In De anima, ed. Hayduck p. 10, 11–24  — 1002 p. 19, 22–20, 5  — 752 p. 239, 2–38  — 1033 In De anima III, ed. Verbeke p. 37, 81–39, 20  — 1033

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In Nicomachum, ed. Giardina 1, 1  —  295  f., 979, 990 In Meterologica, ed. Hayduck p. 17, 2–4  — 1033 p. 97, 9–21  — 1033 In Physica, ed. Vitelli p. 1, 1–10  — 981 p. 1, 16–2, 13  — 983 p. 355,10–13  — 1031 p. 642, 3–9  — 1031 p. 675, 20–29  — 1032 p. 678  — 1031 p. 679, 27–680, 23  — 1032 p. 680, 8  f.  — 1031 p. 687, 35–689, 25  — 1032 p. 693, 28–694, 16  — 1032 p. 703, 16  f.  — 968 p. 740, 16  — 1024 Philostratus Apollonius, ed. Kayser 1, 1  f.  — 607 1, 2  — 607 1, 7  — 607 5, 32–39  —  535, 575, 578 5, 35  — 697 Vitae Sophistarum, ed. Stefec prooem.  —  534, 604, 606 1, 16, 8  — 604 1, 22, 8  — 604 2, 20, 2  — 523 Philoxenus Mabbugensis Contra Habibum, edd. Brière / Graffin 3, 4  — 1090 3, 12  — 1090 3, 28  — 1090 10, 174  — 1090 De incarnatione, ed. Vaschalde p. 104, 24–107, 6 (syr.) / 10, p.  81–83 (lat.) 1089 p. 247, 6  f. (syr.) / 10, p. 183 (lat.)  — 1089 p. 247, 18  f. (syr.) / 10, p. 183 (lat.)  — 1089 Epistula ad Patricium, ed. Lavenant 33  —  1089  f. 74–76  — 1089 75  — 1088 In Ioannem, ed. de Halleux p. 15, 23–29 (syr.) / 166, p. 15 (frz.) 1089

Register der zitierten Stellen Photius, Bibliotheca codicum, ed. Henry 37  — 1011 48  — 650 167  — 785 181  —  1007  f. 212  — 580 214  —  754, 764, 768, 775 216–219 793 223  — 846 244  — 487 Pico della Mirandola, Giovanni De hominis dignitate, ed. Buck p.  4  — 610 Pindarus frg. 133  — 257 Plato Apologia 20de  — 181 21b  — 181 21d  — 181 23d  — 183 28b  — 179 28d  — 179 28e  — 183 29de  — 183 29e  — 179 30a  — 180 30b  — 178 31cd  — 185 31e–32a 184 36c  — 178 Cratylus 383a  — 163 383ab  — 228 390c  — 248 Crito 48b–d  —  179, 184 48d–50d  — 184 Epistulae 7, 324b–326b  — 217,323 7, 326a  — 236 7, 326ab  —  218, 236, 250 10, 358c  — 236 Euthydemus 217c  — 155 286c  — 166 288d  — 237 289d  — 253 304e  — 155 305c–306c 253 Euthypro 3b  — 185

Gorgias 449a–449d  — 155 452e  — 165 453a  — 253 454b–457c  — 156 458e–461 253 461  — 157 464bc  — 255 463e–466  — 253 481c–482c  — 246 482a  — 1065 484c–485d  —  155, 251 493a  —  230, 232 503d–504e  — 253 506cd  — 232 507cd  — 232 523a  — 222 523a–527a  — 231 523e– 525a  — 230 525c  — 237 526c  — 236 Hippias maior 281ab  — 182 282d–283b  — 158 Leges 896e–898d  — 231 1, 644d–645c  — 233 3, 694b  — 252 4, 716cd  — 245 7, 817e–818a 265 7, 818ab  — 258 7, 818b–d; 819a 265 7, 819b–d 265 9, 875cd  — 252 10, 887bc  — 257 10, 887c–907b  — 257 10, 888a–892b  — 235 10, 896ab  — 230 10, 896de  — 852 10, 901de  — 258 12, 961a–c  — 252 12, 967a–968b  — 256 Lysis 204a  — 157 213d  — 237 217e–218b  — 239 218ab  —  183, 238 212d  — 240 Menexenus 235e  — 161 236a  — 161 249d  — 161 Meno 80d  — 239 81a–d  — 257 81bc  — 79 82a–85d  — 255

85d–86c  — 229 86e–87b  — 255 88c–89b  — 180 90c–91b  — 165 91d  — 155 97a–d  — 226 Parmenides 127b  — 111 127d  — 157 128b  — 111 132cd  — 228 133b–d  — 227 Phaedo 40c–41c  — 243 60c–61b  — 257 61a  — 143 62b  — 230 63bc  — 243 63e–64a  — 664 63e–65e  — 243 64ab  — 245 66b–67a  — 910 67b  — 817 67b–69a  — 243 67de  — 243 70c–72d  — 230 73c–75e  — 225 76d–77a  —  229  f. 82d–83b  — 246 96a  — 72 96a–99c  — 155 97b–99c  — 177 98b–99d  — 235 100cd  — 226 100d  — 226 100e–101b  — 227 101d–102a  — 248 102a–107d  — 230 245c  — 910 Phaedrus 169e–270a  — 167 245c–246a  — 230 245e  — 231 246a  — 797 246a–c  — 230 247a  — 229 248d–249a  — 241 260c  — 254 261a  — 254 261bc  — 253 265c–266b  — 249 266c  — 248 270b–d  — 255 274d–278d  — 235 277c–278d  — 235 278d  — 238 278e–279b  — 254

1315

Register Philebus 17a  — 248 22c–e  — 384 30d  — 643 53c–55c  — 232 55d–59b  — 255 57c  — 266 57e–58a  — 248 58a  — 249 58a–c  — 248 58a–e  — 249 58e–59c  —  233, 249 Politicus 291c–294b  — 252 Protagoras 312a–c  — 147 314e–316a  — 157 315a  — 157 315ab  — 157 315c  —  165  f.,  — 947 316a  — 164 316b  — 157 316b–317d  —  154, 158 316cd  — 157 316d  —  167, 169 316de  — 77,165 317cd  — 159 318d–319a  — 147 318e  —  157, 159, 165 319a  — 169 320–323c  — 165 322c–323a  — 165 325c–326e  — 165 330d–e  — 227 330e–331e  — 226 332a–333b  — 226 337d  — 140 338e–347a  — 78 339b  — 287 339e–347a  — 81 356c–357e  — 180 360e–361b  — 225 Respublica 1, 338c–339a 167 2, 358e–362c 221 2, 376e–377  — 254 2, 379a  — 256 2, 379bc  — 257 2, 383a–c  — 257 3, 377c–392c  — 78 3, 386c–392c  — 256 3, 401d  — 257 4, 435e–441c 233 4, 436bc  — 226 4, 441e  — 232 4, 441e–444a  — 233 5, 457c–466d  — 251 5, 473c–473e  — 250 5, 473cd  — 250

1316

5, 473de  — 236 5, 475b–476b  — 242 5, 475b–475e  — 236 5, 475c–480a  — 242 5, 485c–486b  — 250 5, 485de  — 232 5, 726a–729a  — 264 6, 485ab  — 242 6, 489c–492d  — 251 6, 505de  — 231 6, 506b–509b  — 231 6, 506de  — 242 6, 509b  —  544, 552, 642 6, 509d–511e  — 228 6, 510a–510c  — 255 6, 510c–e  — 227 6, 511b  — 248 6, 511c  — 248 6, 514a–518b 221 7, 509b  — 745 7, 514a–517a  — 232 7, 516e–517  —  242, 245, 251 7, 519b–d  — 248 7, 520a–521a  — 251 7, 521c  — 236 7, 522e–531d  — 254 7, 524a–531d  — 255 7, 530d  — 254 7, 533cd  — 248 7, 533e–534a  — 228 7, 534b–534d  — 248 7, 534bc  — 249 7, 534d  — 248 7, 536e  — 248 7, 537b–d  — 255 7, 540ab  — 251 7, 540d  — 251 7, 553a  — 248 7, 553c  — 248 8, 567b  — 252 9, 588c–e  — 129 9, 589ab  — 221 10, 596a  — 227 10, 596b  — 234 10, 600ab  — 97 10, 606e–608a 257 10, 607bc  — 257 10, 612a–613e  — 256 10, 614b–621b  — 231 10, 617de  — 231 Sophista 216b  — 238 216cd  — 238 231c–e 156 234e–235a  — 151 237a  — 112 241d  — 228 242cd 106 242d  —  92, 111 254b–257b  — 228 260cd  — 167

Symposium 203d–204d  — 238 204e–205a  — 232 205a  —  179, 241 206c–211c  — 241 209e–211c  — 232 210a  — 256 210b  — 229 212a  — 236 Theaetetus 148e–151d  — 229 152a  — 166 155cd  — 245 162de  — 166 171c–172b  — 245 172d–173a  — 248 173d–174a  — 246 173e–174a  — 255 174a  — 86 174a–176b  — 252 174ab  — 245 174de  — 854 175a–e  —  246, 248 176a  —  689, 694 176b  — 244,547,664 176bc  — 244 177b  — 153 177c–179b  — 245 177e–178a  — 252 Timaeus 21e–25d  —  235, 998 22cd  — 296 27d–28a  — 798 28a  — 234 28a–29c  — 257 28b  — 234 28bc  — 551 28e–29b  — 234 29a  — 544 29c  — 233 29d–30c  — 235 29e  — 639 30b  —  222, 233  f. 34b–35b  — 234 40e–41a  — 256 41a–d  — 234 47a  —  258, 618 47b  —  52, 758 47bc  — 255 49a  —  234, 552 69a–72d  — 234 69b  — 222 Plato (Pseudo) Amatores 133ab  — 264 133c  —  7, 265 133d–135b  — 265 135b–136b  — 353 135cd  — 265

Register der zitierten Stellen 135e–137a  — 265 137a–138b  — 265 138b–139a  — 265 Definitiones 414a 5–9  — 266 Epinomis 990c  — 261 Plinius maior, Naturalis historia, ed. Mayhoff 7, 112  — 407 7, 205  — 81 13, 86  — 346 Plinius minor, Epistulae 1, 10  — 569 Plotinus, Enneades 1, 1 tit.  — 746 1, 1, 3  — 758 1, 1, 7, 16  f.  — 746 1, 2  — 754 1, 2, 2  f.  — 757 1, 2, 6  f.  — 757 1, 3, 1, 1–5  — 758 1, 3, 3  —  758, 763 1, 3, 6, 19  — 759 1, 5, 10, 15–18 775 1, 8, 5, 8  f.  — 746 2, 9  —  771, 774 2, 9, 1, 1–12  — 774 2, 9, 6, 10–12 771 2, 9, 9, 64  f.  — 746 2, 9, 14  — 774 3, 5, 1, 5  f.  — 756 3, 7, 1, 13–16  — 756 3, 8, 4, 31–36  — 761 3, 8, 5, 34–3, 8, 6, 2  — 761 5, 1  — 805 5, 1, 1, 1–9  — 746 5, 3, 5  — 746 5, 9, 2, 3  — 758 6, 1, 3, 1–19  — 753 6, 2, 1, 1–30  — 753 6, 3, 1, 8–21  — 753 6, 3, 2, 2–22  — 753 6, 3, 8  —  746, 823 6, 3, 28, 4–12  — 753 6, 4, 16, 4–7  — 756 6, 4, 16, 40  f.  — 758 Plutarchus Adversus Colotem 4  — 166 8  — 120 12  — 116 14  — 295 20  — 107 24  — 444 26  — 444

32  — 122 Agis et Cleomenes (23) 2  — 358 32 (11)  — 358 Camillus 19, 3  — 109 Consolatio ad Apollonium 22  — 531 De Alexandri Magni fortuna aut virtute 1, 6  — 439 De animae procreatione in Timaeo 4  — 545 5  — 544 6  — 385 7  — 545 De audiendis poetis 14e  — 372 De cohibenda ira 11  — 416 De communibus notionibus adversus Stoicos 31  — 435 De defectu oraculorum 1  — 81 13  — 270 De E apud Delphos 21  — 544 De exilio 14  — 344 De fato 6  — 545 De Iside et Osiride 1  f.  — 551 3  — 551 45–47  — 552 53  f.  — 552 56  — 544 60  f.  — 552 64  — 552 66  — 551 69  — 551 74  f.  — 553 76  —  544, 551 77  — 550

De primo frigido 8  — 546 23  — 546 De Stoicorum repugnantiis 7  — 416 9  —  428, 430, 439 12  — 416 38  — 435 De superstitione 1  — 551 De unius in republica dominatione 4  — 554 De virtute morali 3  — 416 Maxime cum principibus philosopho esse disserendum 776a–779c  — 554 Non posse suaviter vivi secundum Epicurum 21  — 399 Nicias 23, 3  f. (538ef) 151 Pericles 24, 2–5  — 161 32  —  118, 151, 162 Sulla 12, 1–4  — 337 12–14  — 357 Themistocles 2, 5  — 74 Tiberius Gracchus 8  —  347, 358 17  — 358 20  — 358 Quaestiones conviviales 7, 4  — 89 Vita Alexandri 7  — 550 Plutarchus (Pseudo), Placita philosophorum 1, prooem.  — 423 1, 6  — 435 1, 27  — 545 1, 28  — 419 1, 29  — 545

De liberis educandis 10  — 529

1317

Register Pollux, Onomasticum, ed. Bethe 4, 16  — 524 Polybius, Historiae, ed. Büttner / Wobst 29, 21  — 372 Polystratus Epicureus De contemptu irrationali, ed. Indelli col. XVIf.  — 397 col. XVII  — 394 col. XVIIIf.  — 396 col. XXXIII  —  393  f. De philosophia, ed. Capasso col. III  — 394 col. IV  — 401 Porphyrius Ad Marcellam, ed. des Places 3  — 739 5  — 739 8  —  758, 817 8  — 817 10  — 756 25  — 759 31  —  393, 739 Contra Christianos, edd. Becker / Harnack Dubium 85 (Becker)  — 772 frg. 1, 14–16 (Harnack)  — 771 frg. 1, 16–20 (Harnack)  — 770 frg. 6, 4–10 (Becker)  — 744 frg. 8 (Becker)  — 772 frg. 75–78 (Harnack)  — 772 De abstinentia, ed. Bouffartigue 1, 3, 2  — 752 1, 7  f.  — 402 1, 26, 2  — 101 1, 50, 3–51, 1  — 752 2, 21, 2–4  — 117 2, 26  —  486, 628 2, 27, 7  — 117 2, 43, 3  f.  — 757 2, 49  —  108, 767 3, 19, 2  — 416 4, 6–8  — 767 4, 11  —  767, 771 4, 17  — 767 4, 18, 6–9  — 767 De principiis naturalibus, ed. Arzhanov 73  f.  — 545 73–94  — 544 88–93  — 541 Fragmenta, ed. Smith frg. 224  — 777

1318

frg. 303–350  — 768 frg. 323  f.  — 770 frg. 344  — 770 frg. 345  — 771 frg. 351–360a 768 In Categorias, ed. Busse p. 57, 20–58, 20  — 753 p. 73, 4–20  — 753 p. 115, 20–33  — 753 In Ptolemaei Harmonica 3 (p. 30, 1–31, 26 Düring) 263 (p. 30, 1–9 Düring) 104 (p. 56, 8–10 Düring) 104 (p. 93, 5–17 Düring) 104 Introductio, ed. Busse p. 10, 12–14  — 1056 p. 18, 24–19, 1  — 753 Sententiae, ed. Lamberz 31  — 768 32  —  754  f., 757 Vita Plotini, edd. Henry / ­Schwyzer2 3  —  669, 744 4, 1–14  — 733 7  —  775  f. 9  —  735, 739 10, 33–38  — 766 12  —  733, 774 14  —  669, 756 15  —  744, 766 16  —  635  f., 720, 771 17, 2  f.  — 569 20, 17–81  —  528, 669, 716, 744 24–26  — 759 Vita Pythagorae, ed. des Places 9  — 103 10  — 98 18  — 103 20  — 97 21  f.  — 97,103 30  — 117 32–40  — 97 37  — 98 41  — 99 46  — 758 53  — 751 58  — 751 Posidonius frg. 18 (Edelstein / Kidd)  —  422, 426, 433 frg. 21 (Edelstein / Kidd)  — 419 frg. 31 (Edelstein / Kidd)  — 420

frg. 34 (Edelstein / Kidd)  — 420 frg. 44 (Edelstein / Kidd)  — 434 frg. 90 (97, 26–28 Edelstein / Kidd)  —  426, 433 frg. 101 (Edelstein / Kidd)  — 497 frg. 103 (Edelstein / Kidd)  — 419 frg. 106–113 (Edelstein / Kidd) 419 frg. 111 (Edelstein / Kidd)  — 438 frg. 133 (p. 112– 114 Theiler) 487  f. frg. 134 (Theiler)  — 438 frg. 169 (159, 31–33 Edelstein / Kidd)  —  416, 420 frg. 186 (Edelstein / Kidd)  — 425 frg. 277a (Edelstein / Kidd)  — 438 test. 75 (Edelstein / Kidd)  —  424, 432 Priscianus Lydus In De anima (›Simplicius‹), ed. Hayduck p. 1, 12  — 743 p. 1, 10–15  — 994 p. 2, 2, 3–28  — 1002 p. 6, 12–17  —  750  f. p. 48, 31  f.  — 1002 p. 248, 1  f.  — 996 p. 276, 27–279, 3  —  1002, 1008 Solutiones ad Chosroem, ed. Bywater p. 1, 16–2, 21  — 997 p. 42, 7–14  — 1007 p. 54, 6–11  — 1007 p. 63, 19–28  — 1007 p. 68, 14–19  — 1007 p. 69, 19–23  — 1007 Probus In Analytica priora, ed. Hugonnard-Roche p. 129, 17–130, 17 (syr.) / 130  f. (frz.)  — 1057 In De interpretatione, ed. Hoffmann p. 63 (syr.) / p. 90 (lat.)  — 1057 p. 65 (syr.) / p. 92 (lat.)  — 1057 p. 68 (syr.) / p. 94 (lat.)  — 1057 Proclus De malorum subsistentia, ed. Isaac 59, 13–48  — 773

Register der zitierten Stellen Elementatio theologica, ed. Dodds 29–35  — 750 211  — 755 In Euclidem, ed. Friedlein prol.  — 777

Procopius Gazaeus, Epitome in Canticum, ed. Auwers 61  — 1014 Ptolemaeus Apotelesmatica, ed. Hübner prooem. 1  f.  — 595

In Alcibiadem, ed. Segonds 1, p. 11, 14–21  — 764 2, p. 220, 5–12  — 774 2, p. 246, 15–247, 17  — 751 2, p. 247,8–20  — 755

De criterio, ed. Lammert 3  f.  — 595

In Rempublicam, ed. Kroll 1, p. 210, 20–30  — 775 2, p. 349, 13–26  — 316

Syntaxis mathematica (Almagest), ed. Heiberg prooem.  — 595

In Parmenidem, ed. Steel et alii p. 704, 5–9  — 762 p. 805, 12–28  — 757 p. 853, 19–25  — 757 p. 1052, 25–1064, 14  — 743 p. 1062, 28–1063, 9  — 766 p. 1087, 4–7  — 762

Ptolemaeus al-ġarīb, Ad Gallum, ed. Rashed 1  — 275 2  — 275 3  — 275 10  f. 272 43  —  275  f.

In Parmenidem 7, Versio Latina, ed. Steel p. 501, 62–67  — 263 In Timaeum, ed. Diehl 1, p. 1, 4–8  — 759 1, p. 1, 17–24  — 761 1, p. 2, 21–1, 3, 13  — 761 1, p. 7, 17–8, 1  — 1042 1, p. 227, 6–296, 12  — 773 1, p. 232, 4–12  — 762 1, p. 233, 8–234, 3  — 761 1, p. 301, 3–21  — 754 1, p. 303, 5–8  — 755 1, p. 303, 24–317, 16  — 743 1, p. 305, 22–29  — 768 3, p. 115, 27–116, 21; 229, 9  — 757 3, p. 333, 28–334, 28  —  750, 773 Theologia Platonica, ed. Saffrey / Westerink 1, 1  —  716, 767 1, 2  — 817 1, 2  f.  — 758 1, 3  —  751, 762  f. 1, 4  —  759, 763 1, 7  — 759 1, 24  — 755 3, 6  — 750 4, 13  — 755 6, 4  — 757 6, 11  — 757

Harmonica, ed. Düring 3, 6  — 595

Pythagoras et Pythagoraei (DK 14–20, 58) DK 14, 1  f.  — 100 DK 14, 8a  — 103 DK 58 A  — 96 Quintilianus, Institutio oratoria 1 praef. 9–17  — 534 1, 10, 1  — 524 2, 15, 34  — 434 2, 20, 7  — 427 10, 1, 81–84  —  534, 555 Rufinus, Continuatio Eusebii historiae ecclesiasticae, ed. Mommsen 10, 3  — 737 Sallustius Platonicus, De deis et mundo, ed. Nock 3  f.  — 768 3, 2  — 767 16  — 768 Salvianus Massiliensis, De gubernatione dei, ed. Lagarrigue 1, 1–6  — 909 4, 59  — 909 7, 67  f.  — 732 Seneca Ad Helviam 17, 3  — 531 Ad Marciam 16, 1–5  — 531

Apocolocyntosis 2, 2  — 527 De beneficiis 7, 7, 1  — 366 De clementia 2, 7, 3  — 571 Epistulae ad Lucilium 5, 4  f.  — 573 6, 6  —  388, 572 16  —  572  f., 1065 20, 2  — 572 25, 5  — 389 44, 2  f. 573 52, 3  f. 388 53, 7  f. 572 59, 7  — 567 64  — 567 65  —  551, 570, 572 70  — 526 73  —  568, 575 88  —  426, 433, 571, 574  f. 89  —  189, 396, 420, 426  f., 430, 546, 549, 572, 574, 576 90  —  570  f., 573, 575, 577 94  —  420, 423, 425 95, 8  f. 424 97, 15  — 389 107, 11  — 576 108, 17  f.  — 568 Quaestiones naturales 2, 45  f.  — 570 2, 53, 3  — 572 32, 2  — 567 Sergius de Rēšʿaynā Ad Philotheum in Categorias, ed. Aydin 3  — 1051 Ad Theodorum in Categorias prooem.  — 1052–1055 1, 1, 2  f.  — 1051 1, 3, 1–14  — 1053 1, 1, 4  — 1051 1, 1, 9  f.  — 1051 1, 3, 3  — 1052 1, 3, 13  — 1052 2 (Mingana 606,  f. 64rv)  — 1052 De principiis universi, ed. Fiori 1  — 1052 26–28  — 1052 35  — 1052 36  —  1049, 1954 De vita spirituali, ed. Sherwood 2  f.  — 1050 16–21  — 1050

1319

Register 76–78  — 1050 81  — 1050 82  — 1050 117  — 1054 119  — 1054 Sergius Grammaticus, Epistulae ad Severum, ed. Lebon 1  — 1092 3  — 1092 Severus Antiochenus Epistulae ad Sergium, ed. Lebon 1  — 1091 2  — 1091 3  —  1093  f. Sermo de Trisagione (PG 86) 932A  — 1091 Sextus Empiricus Adversus mathematicos, ed. Mau et Mutschmann 1, 61  — 586 1, 271  — 583 1, 280  f.  — 583 2  — 583 2, 6  f.  —  268  f., 427, 434 2, 10–16  — 583 2, 20  — 448 7, 1–23  — 582 7, 11  — 189 7, 12  —  420, 430 7, 14  — 163 7, 14  f.  — 395 7, 15  — 189 7, 16  —  267, 376, 450 7, 17–19  — 431 7, 19  — 430 7, 20  — 430 7, 22  — 395 7, 23  — 430 7, 24–26  — 582 7, 49  — 93 7, 60  — 166 7, 65  — 114 7, 110  — 93 7, 111  —  112  f. 7, 114  — 112 7, 125  —  116  f. 7, 132  — 107 7, 147–149  — 263 7, 151  f.  — 411 7, 152–157  — 411 7, 158  — 444 7, 166–189  — 445 7, 191  — 188 7, 202  — 479 7, 203–216  — 386 7, 210–213  — 386 7, 247–252  — 410 7, 248  — 410

1320

7, 284–287  — 581 7, 303–313  — 581 8, 11  f.  — 412 8, 70  — 411 8, 355  — 581 9, 1  — 582 9, 13  —  423, 582 9, 19  — 122 9, 20  — 582 9, 20–22  — 316 9, 33  — 583 9, 49–194  — 582 9, 55–57  — 151 9, 128  f.  — 116 9, 148–150  — 447 9, 193  — 92 10, 310–318  — 652 10, 314  — 93 10, 315  —  116  f. 11, 3–5  — 263 11, 20  — 368 11, 162–165  — 580 11, 168–171  — 503 11, 169  — 392 11, 170  — 424 11, 173–180  — 582 11, 182–189  — 582 Pyrrhoneae Hypotyposeis, ed. Mutschmann / Mau 1, 1  — 444 1, 1–4  — 581 1, 6  — 582 1, 7  — 580 1, 21–24  — 580 1, 25–29  — 581 1, 31–163  — 580 1, 232–234  — 444–446 1, 235  —  445, 449 1, 236  —  478  f. 1, 237–241  — 598 2, 12  — 582 2, 13  —  430, 582 2, 81–83  — 412 2, 135–143  — 413 3, 2–12  — 581 3, 167  f.  — 582 3, 239–242  — 582 3, 245–249  — 582 Simonides,  —  Carmina, ed. Page 354, 5  f.  — 81 371, 1–15  — 81 Simplicius In Epictetum, ed. Hadot praef.  — 996 14  —  1005–1007, 1010 30  — 998 32  — 1007 39  — 1004

epil.  — 1007 In Categorias, ed. Kalbfleisch p. 3, 2–4  — 994 p. 3, 4–10  — 997 p. 5, 3–6, 5  — 986 p. 5, 28–6, 3  — 764 p. 7, 23–32  — 998 p. 208, 28–32  — 194 In De caelo, ed. Heiberg p. 2, 29–3, 8  — 1003 p. 25, 25  f.  — 1033 p. 26, 17–19  — 997 p. 66, 33–67, 5  — 997 p. 84, 11–14  — 997 p. 88  — 1032 p. 165, 1–9  — 997 p. 200, 26–30  — 997 p. 288, 28–289, 2  — 289 p. 289, 2–14  — 295 p. 294, 26–30  — 120 p. 557  —  74, 113  f. p. 563, 6–8  — 1008 In Physica, ed. Diels p. 1, 6  f.  — 998 p. 1, 7–2, 7  — 1002 p. 5, 17–19  — 1003 p. 6, 31–8, 15  — 997 p. 9  — 999, — 1003 p. 24, 18–20  —  88  f. p. 24, 26–25, 1  — 90 p. 25, 6  f.  — 114 p. 27, 23  f.  — 162 p. 34, 18–26  — 119 p. 47, 30  f.  — 1008 p. 70, 16  — 114 p. 109  — 113 p. 116  — 112 p. 116, 30–117, 1  — 112 p. 117, 4  f.  — 112 p. 144, 26–28  — 997 p. 145, 3–10  — 112 p. 146, 24  — 112 p. 151, 25–28  —  114, 155 p. 151, 31  f.  — 113 p. 152, 22–153, 13  — 113 p. 155, 26–30  — 119 p. 163, 19  — 73 p. 164  — 119 p. 291  —  422, 426 p. 291, 23–292, 29  — 433 p. 533, 27–29  — 998 p. 624, 38–625, 1  — 1001 p. 625, 27–32  — 995 p. 644, 36–645, 4  — 995 p. 795, 11–17  —  994, 1001 p. 1118, 4–9  — 1030 p. 1156, 28–1159, 7  — 1033 p. 1181, 12–21  — 1033 p. 1363, 8  f.  — 994

Register der zitierten Stellen Socrates et Socratici (SSR) I H 4  — 187 I H 5  — 187 I H 17  — 187 II A 2  — 191 II A 30  — 191 II C 12 191 II F 24  — 191 II F 24–31 191 II I 1  — 191 IV A 1  — 187 IV A 45  — 189 IV A 104–106  — 189 IV A 160  — 188 IV A 168  — 189 IV A, 172  —  188  f. IV A 213  — 188 V A  — 192 V A 96  — 195 V A 120  — 195 V A 122  — 195 V A 134  — 194 V A 149  — 194 V A 150  — 194 V A 151  — 194 V A 152  — 194 V A 153  — 194 V A 173  — 199 V A 179  — 200 V A 180  — 200 V B 125  — 199 V B 126  — 199 V B 360  f.  — 197 V B 364  — 197 V B 365  —  197  f. VI A 50  —  178, 180 VI A 53  —  181, 185 VI A 59–72  — 161 Socrates Historicus, Historia ecclesiastica, ed. Hansen 5, 21, 2  — 738 6, 22  — 738 7, 15  —  735, 737, 744 Soranus De anima frg. 1 599 frg. 3 599 Gynaecia, ed. Ilberg 1, 29  — 477 2, 57, 2 f  — 599 Soranus (Pseudo) Quaestiones medicinales, ed. Rose 49  — 477 Sotio frg. 35  f.  — 485 frg. 36, 8–12  — 486

Sozomenus,  —  Historia ecclesiastica, ed. Bidez / Hansen 1, 5, 1  —  736, 744 1, 18, 1–7  — 737 Speusippus frg. 62  — 263 Stephanus (›Philoponus‹), In De anima, ed. Hayduck p. 527, 29–32  — 988 p. 540, 25–28  — 987 p. 541, 24–542, 1  — 988 p. 547, 11–14  — 988 ›Stephanus‹, Prolegomena [Syriaca], ed. Baumstark p. 17, 8–13 (syr.) / p. 194, 16–23 (dt.)  — 980 p. 21, 29–23, 14 (syr.) / 198, 40– 200, 14 (dt.)  — 982 p. 25, 16–20 (syr.) / 202, 16–26 (dt.)  — 982 Stephanus bar Sudaili, Liber Hierotheus, ed. Burkitt p. 24, 3–4 (syr.) / 28 (engl.)  — 1098 Stoici frg. 33–43 (Hülser)  — 428 frg. 35  f. (Hülser)  —  268  f., 427 frg. 37 (Hülser)  — 427 SVF 1, 72  — 423 SVF 1, 73  — 424 SVF 1, 97b  — 416 SVF 1, 167  — 437 SVF 1, 197a  — 416 SVF 1, 200  — 416 SVF 1, 202  — 216 SVF 1, 216  — 417 SVF 1, 259  — 432 SVF 1, 262  — 439 SVF 1, 264  — 436ä SVF 1, 265–267 439 SVF 1, 265–268 436 SVF 1, 351  — 430 SVF 1, 356  —  420, 430 SVF 1, 357  —  420, 430 SVF 1, 358  f.  — 420 SVF 1, 492  — 434 SVF 1, 537  —  422, 436 SVF 2, 35  — 523 SVF 2, 35–44 426 SVF 2, 36  — 423 SVF 2, 38  —  430  f. SVF 2, 39  —  428, 620 SVF 2, 40  — 677 SVF 2, 42  —  428, 430 SVF 2, 44  — 430 SVF 2, 49  — 431 SVF 2, 93  f.  — 424

SVF 2, 124  — 434 SVF 2, 131  — 425 SVF 2, 234  — 434 SVF 2, 288  — 434 SVF 2, 291  — 433 SVF 2, 292  — 434 SVF 2, 293  — 434 SVF 2, 294  — 434 SVF 2, 295  — 434 SVF 2, 314  — 439 SVF 2, 315–321  — 440 SVF 2, 322  — 440 SVF 2, 323  — 440 SVF 2, 323a  — 413 SVF 2, 323a  — 435 SVF 2, 326  — 439 SVF 2, 626  — 674 SVF 2, 633  — 673 SVF 2, 909  — 424 SVF 2, 911  — 424 SVF 2, 913  —  414  f., 435  f. SVF 2, 980  — 417 SVF 2, 988  — 408 SVF 2, 1009  — 435 SVF 2, 1049  — 435 SVF 2, 1052  — 435 SVF 2, 1076  —  435  f. SVF 2, 1077  — 436 SVF 2, 1188  — 436 SVF 2, 1189  — 436 SVF 3, 17–26 432 SVF 3, 262  — 344 SVF 3, 293  — 425 SVF 3, 544  — 421 SVF 3, 560  — 424 SVF 3, 563  — 416 SVF 3, 598  — 424 SVF 3, 570  — 416 SVF 3, 654  — 436 SVF 3, 738  — 432 Strabo, Geographia 1, 1, 1  —  424, 432, 594 1, 1, 11  —  68, 87 1, 2, 2  —  364, 481, 593 1, 4, 9  — 481 2, 3, 8  — 593 2, 5, 11  — 594 7, 3, 4  f.  — 438 9, 1, 20  — 355 15, 1, 61–66  —  364, 485  f. 16, 2, 35–39  —  487  f., 629 17, 1, 36  — 594 Strato Lampsacenus frg. 34  f.  — 378 frg. 123–128  — 372 Suda (Suidae Lexicon), ed. Adler s. v. Alexandros Aigaios  — 535 s. v. Archelaos  —  162  f.

1321

Register s. v. Democritus  — 121 s. v. Plotinos  — 744

Talmud Yerushalmi Betza 2, 5 (61c 37–42)  — 627

Suetonius Domitianus 10  — 526 10, 5  — 536

Sanhedrin 10, 2/19–23 (27d– 28a)  — 794

Nero 39, 5  f.  — 586

Tatianus, Oratio ad Graecos, ed. Marcovich 6, 1  f.  — 646 7, 2  — 643 25, 3  f. 845 25, 4  — 646 31, 1  —  647, 682 31–41  — 645 32, 1–7  — 647

Synesius De insomniis, ed. Lamoureux 1, 3  — 841 De regno, ed. Lamoureux 1, 1–3  — 840 Dio, ed. Lamoureux 4, 1  — 840 4, 3  —  838, 840 5, 1  f.  — 838 7, 1  — 838 9, 6  — 838 9, 8  — 839 10, 1  — 838 10, 2  — 838 Laus calvitiae, ed. Lamoureux 22, 1  — 296 Epistulae, ed. Garzya 103  —  840, 938 105  — 841 136  — 839 137  — 839 137  f.  —  838  f. 154  —  838, 840 Syrianus In Metaphysica, ed. Kroll p. 3, 10–17  — 759 p. 3, 30–32  — 763 p. 45, 28–31  — 762 p. 58, 9–20  —  759  f. In Hermogenem, ed. Rabe p. 1, 7–9  — 776 p. 96, 6–8  — 776 p. 97, 7–10  — 777 Tacitus Agricola 2, 1  — 536 2, 3  — 536 42, 5  — 526 Annales 6, 21  — 535 Historiae 3, 81, 1  — 536

1322

Shabbat 3, 4 (6a 62–68)  — 627

2, 1–4, 1  — 654 2, 2  — 655 2, 3  f.  — 655 2, 4  — 655 2, 6  —  599, 657 3, 2  — 654 5, 1  f.  — 375 5, 2  — 654 6, 6, 6  f.  —  599, 654 6, 7  — 654 20, 1  — 654 20, 5  — 655 21, 6  — 655 De idololatria, ed. Reifferscheid / Wissowa 10, 4  — 657

Taurus frg. 22b  —  545, 551

De pallio, ed. Gerlo 6, 2  — 657

Teles, ed. Fuentes González) frg. 4a  — 363 frg. 4b  — 363 frg. 5  — 363 frg. 6  — 363

De praescriptione haereticorum, ed. Refoulé 7  — 655

Tertullianus Ad nationes, ed. Borleffs 2, 2, 10  — 200 Apologeticum, ed. Kroymann 3, 5–8  — 656 17  — 656 46  —  656, 683 Adversus Hermogenem, ed. Kroymann 1, 1  f.  — 649 1, 2, 4–1, 3, 1  — 640 1, 3  — 655 4, 1–10, 4  — 655 Adversus Iudaeos, ed. Kroymann 13, 28  — 694 Adversus Marcionem, ed. Kroymann 1, 15, 4  — 639 2, 5, 1  f.  — 655 2, 6, 2–5  — 655 2, 27, 6  — 656 5, 19, 7  f.  —  639, 655 Adversus Valentinianos, ed. Kroymann 5, 1  — 656 De anima, ed. Waszink 1, 2–4  — 656 1, 6  —  654, 656

De testimonio animae, ed. Willems 1–3  — 655 1, 5  f.  — 656 Thales (DK 11 [1]) A 1  — 86 A 5  f. 10  — 86 A 22  — 87 Themistius De anima paraphrasis, ed. Heinze p. 100, 16–101, 4  — 787 p. 107, 3–5  — 284 De virtute, ed. Mach p. 43  — 195 Oratio 2 (29d–30a; 32bc)  — 789 2 (30b)  — 788 2 (30bc)  — 787 2 (31b)  — 788 2 (31bc)  — 787 2 (31d)  — 787 2 (32ab)  — 788 2 (32d)  — 788 2 (33a)  — 790 2 (34bc)  — 789 6 (72ab)  — 789 6 (78d–79a)  — 788 8 (107cd)  —  314, 789 20 (235d)  — 788 21 (251ab)  — 790 21 (251cd)  — 788 21 (252ab)  — 788

Register der zitierten Stellen 21 (254bc)  — 788 21 (257c)  — 788 21 (258a)  — 788 21 (262a)  — 788 24 (302d)  — 789 24 (302d–303a)  — 789 24 (304a–304c)  — 789 24 (307ab)  — 789 26 (318c–319a)  — 788 26 (319a–c)  — 788 26 (320bc)  — 789 26 (324a)  — 788 26 (327ab)  — 788 26 (328c)  — 789 26 (329d–330b)  — 790 34, 30–36  — 789 34, 27  —  787  f. 34, 28  — 739 34, 68  — 790 34, 72  — 788 Theo Smyrnaeus, Expositio rerum mathematicarum, ed. HIller p. 1, 1–2, 2  — 555 p. 14, 18–16, 2  — 550 Theodoretus Cyrensis De providentia (PG 83) 1 (col. 557–561)  — 852 9 (col. 728D–729A)  — 852 Graecarum affectionum curatio, ed. Canivet prooem. 1–3  — 851 prooem. 4–15  — 851 prooem. 16  — 850 1, 1–5  — 851 1, 7  — 850 1, 18  — 853 2, 6  — 853 2, 19  — 853 2, 42  — 852 2, 97  — 852 2, 114–117  — 851 3, 103  f.  — 852 5, 44–50  — 851 5, 50–52  — 852 5, 60  — 853 5, 64  — 853 5, 66–68  — 851 5, 76  — 852 12, 3–6  — 853 12, 7–10  — 853 12, 11–18  — 853 12, 19–21  — 853 12, 26  f.  —  853  f. 12, 27–43  — 854 12, 29  — 854 12, 32  — 854 12, 33  — 854 12, 37  — 854 12, 67  — 163

Historia ecclesiastica, ed. Parmentier 5, 34, 9  — 854

1 (4a 20–22)  — 380 3  f. (6b 20–7a 3) 563 14 (6b–7a)  — 380

Historia religiosa, ed. Canivet / Mollinghen prooem. 3  — 854 2, 6  — 854 2, 9  — 854 3, 4  — 854 4, 12  — 854

Thucydides, Historiae 2, 37  — 147 2, 38, 7  — 155 2, 40  — 147 3, 37,3–5  — 150 3, 38, 5  — 150 5, 104  f.  — 150,152 5, 111  — 150

Theodorus Mopsuestenus Contra Iulianum, ed. Guida frg. 6, 3  f.  — 847 Homiliae catecheticae, ed. Tonneau 9, 10  — 846 In Ioannem commentarius, ed. Vosté p. 5, 25; 15, 2 (syr.) / 63, p. 4, 10–12; 9, 20 (lat.)  — 847 Fragmenta Graeca in Ioannem, ed. Devreesse frg. 1  — 847 frg. 2  — 847 Fragmenta Syriaca, ed. Sachau p. 57, 28–58, 19  — 846 Theophilus Antiochenus Ad Autolycum, ed. Marcovich 2, 4, 4–9  — 643 3, 2, 4  — 644 3, 6, 1–7  — 645 Theophrastus De sensibus, ed. Diels 1  — 116 7–24  — 116 26  — 104 49–83  — 121 Fragmenta, edd. Fortenbaugh et al. frg. 72A  — 371 frg. 230  — 375 frg. 375 (Wehrli) 374 frg. 479  — 375 frg. 484  f.  — 374 frg. 486  — 374 frg. 580–588  — 378 frg. 584A  —  486, 628 Historia plantarum 21, 5  — 104

Timaeus Locrus (Pseudo), De natura mundi, ed. Thesleff 80  — 547 82  — 554 Timaeus Tauromenita (FGrHist 566) frg. 2  — 475 frg. 14  — 475 frg. 134  — 475 Timotheus Constantinopolitanus, De receptione haereticorum (PG 86) 10  — 1036 Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 4, 3, 4  — 196 Varro Antiquitates rerum divinarum frg. 7  — 455 frg. 8  — 455 De philosophia frg. 1  — 454 frg. 2, 10–13  — 454 frg. 3, 9–43  — 454 frg. 4, 35–40  — 455 frg. 5, l. 12–15 449 frg. 5, 12–16  — 545 Victorinus, Marius Ad Candidum, ed. Locher 2  — 871 7  — 871 11  — 871 Adversus Arium, ed. Locher 1b, 49–51  — 871 3, 4  — 871 Explanationes in Ciceronis ­Rhetoricam, ed. Ippolito 1, praef.  — 872 1, 2  — 872

Metaphysica 1 (4a 3–6)  — 375

1323

Register Xenocrates frg. 82  — 267 frg. 84  f.  — 263 frg. 87  —  104, 263 frg. 90  —  268  f. frg. 222  — 270 frg. 223–229  — 270 frg. 231–235  — 264 frg. 259  —  263, 266 Xenophanes (DK 21 [11]) A 1  —  91  f. A 8  — 93 A 11  — 68 A 21  — 92 A 28  — 92 A 30  — 92 A 32  — 91 A 33  — 93 A 49  — 93 B 1, 11–24  — 92 B 2, 11  f.  — 93 B 7  —  95, 100 B 14–16  — 92 B 18  — 93 B 24–26  — 92 B 33  — 93 B 34  — 93 Xenopho Cynegeticus 13, 4  — 204 13, 6  — 204 13, 9  — 204 De vectigalibus (Poroi) 5, 4, 2  — 203 Expeditio Cyri (Anabasis) 2, 1, 13  — 203 Memorabilia 1, 1, 11  — 155 1, 2, 12–48  — 177 1, 2, 19  f.  — 203 1, 2, 31  — 204 1, 6, 2  — 202 1, 6, 13  — 158

1324

1, 11  — 166 2, 6, 36  — 161 3, 11, 16  f.  — 182 4, 2, 1  — 155 4, 2, 8  f.  — 158 4, 2, 23  — 202 4, 2, 24  f.  — 203 4, 7, 7  — 119 Oeconomicus 3, 14  — 161 16, 9, 2  — 203 Symposium 1, 1–6  — 204 4, 62  — 203 8, 39  — 203 Zacharias Rhetor Ammonius, ed. Minniti Colonna p. 97  —  1015  f., 1020 p. 98  —  947, 953, 1019 p. 100  — 1019 p. 106  —  1016, 1020 p. 107  —  1020, 1105 p. 112  — 1019 p. 121, 816–818  — 1016 p. 125, 926–937  — 1018 p. 125  f., 940–952  — 971 p. 126  — 1019 p. 127  —  1016, 1018  f. p. 128, 1018  — 1016 p. 129, 1078–130, 1092  — 1020 p. 131, 1122–1128  — 1018 p. 136, 1298–137, 1314  — 1020 Vita Isaiae, ed. Brooks p. 12 (syr.) / p. 8 (lat.)  — 949, 1014, 1017 Vita Severi, ed. Kugener p. 8  — 1016 p. 9  —  1020, 1104 p. 11  —  1020, 1104 p. 12, 7–13  —  777, 1020 p. 13, 1–8  —  958, 1104 p. 14  —  953, 1016 p. 15, 7–19, 3  — 769

p. 15, 13–16, 12  — 958 p. 16  —  953, 967, 1017  f. p. 16, 13–17, 3  —  951, 955 p. 16, 1–19, 3  — 954 p. 16, 13–20, 4  —  736, 766  f. p. 17  — 1020 p. 18, 1–8  — 1017 p. 19, 12  f.  — 1017 p. 21, 1–27, 2  — 954 p. 22  —  953, 967, 1018 p. 23  —  947, 953, 1015 p. 24  —  943, 958, 1014 p. 26  —  943, 1014 p. 32, 12  f.  — 954 p. 32, 13–33, 1  — 958 p. 39, 3  — 1105 p. 40, 11–41, 11  — 766 p. 43, 8  f.  —  958, 1105 p. 46, 9–47, 1  —  958, 1014 p. 52, 9 f  — 958 p. 52, 9–54, 5  — 1018 p. 53, 10–54, 5  — 959 p. 55, 2  — 1017 p. 56, 13  f.  — 1018 p. 56, 13–57, 12  —  959, 1017 p. 64, 1  — 1017 p. 76, 3–5  — 959 p. 86  —  1016, 1018 p. 90  —  958  f., 1017 p. 94, 12  f.  — 1016 p. 98  —  1017, 1020 p. 99  —  1016  f. Zacharias Rhetor (Pseudo), Historia ecclesiastica, ed. Brooks 9, 19  — 1048 Zeno Eleata (DK 29 [19]) A 12  — 111 A 24–28  — 111 A 26  — 113 Zosimus, Historia nova (ed. Paschoud) 1, 56, 2  — 733 2, 40, 3  — 736 4, 14  f.  — 736