Öffentliches Rechnungswesen 2000: Vorträge und Diskussionsbeiträge einer Wissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.] 9783428480975, 9783428080977

Schneller als selbst von Optimisten erwartet, kündigt sich derzeit unter dem Druck leerer Kassen auch in Deutschland ein

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Öffentliches Rechnungswesen 2000: Vorträge und Diskussionsbeiträge einer Wissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.]
 9783428480975, 9783428080977

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 117

Öffentliches Rechnungswesen 2000 Vorträge und Diskussionsbeiträge einer Wissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Von

Klaus Lüder

Duncker & Humblot · Berlin

Öffentliches Rechnungswesen 2000

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 117

• ·

Öffentliches Rechnungswesen

2000

Vorträge und Diskussionsbeiträge einer Wissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

herausgegeben von

Klaus Lüder

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Öffentliches Rechnungswesen 2000 : Vorträge und Diskussionsbeiträge einer wissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer / hrsg. von Klaus Lüder. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer ; Bd. 117) ISBN 3-428-08097-1 NE: Lüder, Klaus [Hrsg.]; Hochschule für Verwaltungswissenschaften (Speyer): Schriftenreihe der Hochschule . . .

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-08097-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Herausgebers

9

Begrüßung durch den Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Professor Dr. Heinrich Reinermann

11

Einführung in das Tagungsthema von Professor Dr. Klaus Lüder

17

Erster T e i l Öffentliches Rechnungswesen und institutionelle Rahmenbedingungen

21

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens Von Professor Dr. Reinbert Schauer, Universität Linz Diskussion Leitung: Professor Dr. Heinrich Reinermann Berichterstatterin: Brigitte Kampmann

23

45

Die Entwicklung des öffentlichen Rechnungswesens in der Schweiz vor dem Hintergrund der spezifischen nationalen Rahmenbedingungen Von Hans Mäder und Dr. Kuno Schedler, Hochschule St. Gallen

49

Zweiter Teil Öffentliches Rechnungswesen in Deutschland — Bestandsaufnahme und Bewertung

69

... aus Sicht eines Landesfinanzministeriums Von Staatssekretär Dr. Thilo Sarrazin, Mainz

71

... aus Sicht eines Landesrechnungshofes Von Präsident Professor Dr. Eberhard Munzert, Düsseldorf

85

Inhaltsverzeichnis

6

Diskussion zu den Vorträgen von Thilo Sarrazin und Eberhard Munzert Leitung: Professor Dr. Lothar Streitferdt, Universität Hamburg Berichterstatter: Karl Pütz

95

... aus Sicht einer Landesmittelinstanz Von Professor Dr. Dierk Freudenberg, Hannover

97

... aus kommunaler Sicht Von Oberbürgermeister a. D. Werner Hauser; Stuttgart

107

... aus Sicht der International Federation of Accountants (IFAC) Von IFAC-PSC Chairman Roelof Voormeulen, Den Haag

115

Diskussion zu den Vorträgen von Dierk Freudenberg, Werner Hauser und Roelof Voormeulen Leitung: Professor Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen Berichterstatter: Ulrich Cordes 123 Vergleichende Analyse der staatlichen Rechnungssysteme ausgewählter EU-Länder Von Professor Dr. Klaus Lüder und Dipl. Hdl. Brigitte Kampmann, Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer 127

Dritter Teil Grundzüge eines Reformkonzeptes für das öffentliche Rechnungswesen

161

Thesen zur künftigen Gestaltung des öffentlichen Rechnungswesens Von Professor Dr. Ernst Buschor, Hochschule St. Gallen und Professor Dr. Klaus Lüder, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Komponenten des öffentlichen Rechnungswesens

163 163

Finanzielles Rechnungswesen Von Klaus Lüder

164

Management-orientiertes Rechnungswesen Von Ernst Buschor

178

Budgetierung Von Klaus Lüder

185

Neues Steuerungsmodell und öffentliches Rechnungswesen Von Professor Dr. Klaus Lüder, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

189

Inhaltsverzeichnis Workshop-Protokolle zu den Thesen von Ernst Buschor und Klaus Lüder

197

Workshop „Budgetierung" Leitung: Professor Dr. Heinrich Mäding, Berlin Berichterstatter: Karl Pütz

199

Workshop „Rechnungssystem und Rechnungslegung" Leitung: Professor Dr. Hannes Streim, Universität Würzburg Berichterstatterin: Brigitte Kampmann

201

Workshop „Kosten- und Leistungsrechnung" Leitung: Professor Dr. Dietrich Budäus, Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg Berichterstatter: Ulrich Cordes 205 Workshop „Evaluierung" Leitung: Professor Dr. Christoph Reichard, Fachhochschule für Recht und Verwaltung Berlin Berichterstatter: Oliver Haubner Präsentation der Workshop-Ergebnisse mit Podiums- und Plenumsdiskussion Leitung: Professor Dr. Ernst Buschor; Hochschule St. Gallen Berichterstatter: Ulrich Cordes und Karl Pütz

211

214

Gesamt-Literaturverzeichnis

225

Verzeichnis der namentlich genannten Diskussionsteilnehmer

229

Vorwort des Herausgebers Schneller als selbst von Optimisten erwartet, kündigt sich derzeit unter dem Druck leerer Kassen auch in Deutschland ein Umbau der Verwaltungsführung und des öffentlichen Rechnungswesens an. Dies gilt insbesondere für die kommunale Verwaltungsebene, hier ausgelöst durch die Bemühungen, mit Hilfe management-orientierter Verwaltungsführung und dezentraler Ressourcenverantwortung die Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns nachhaltig zu steigern (Stichworte: Neues Steuerungsmodell, Verwaltungscontrolling, New Public Management). Die im Rahmen einer derart reformierten Verwaltung notwendigen Steuerungs- und Rechenschaftslegungsinformationen liefert das traditionelle, auf die Erfassung von Zahlungen beschränkte öffentliche Rechnungswesen in Deutschland nicht oder nur unvollkommen. Einen Reformbedarf gibt es aber auch — allerdings in geringerem Maße — in Österreich und in der Schweiz. Sowohl konzeptionelle Vorstellungen als auch umfangreiche Anwendungserfahrungen im Ausland liegen inzwischen vor*. Die von mir gemeinsam mit Ernst Buschor am 13. und 14. September 1993 ausgerichtete Arbeitstagung „Öffentliches Rechnungswesen 2000" hatte vor diesem Hintergrund den Zweck einer Bestandsaufnahme und Bewertung des öffentlichen Rechnungswesens in den deutschsprachigen Ländern, der Präsentation der Grundzüge eines Reformkonzepts für das öffentliche Rechnungswesen und eines Meinungs- und Gedankenaustausches darüber zwischen Wissenschaft und Praxis. Schließlich und nicht zuletzt sollte damit auch ein Beitrag zur Umsetzung der derzeit (mindestens auf kommunaler Ebene) politisch spruchreifen Reform des öffentlichen Rechnungswesens geleistet werden. Hiermit werden die Schriftfassungen der Referate, die Workshop-Protokolle und die Diskussionsprotokolle vorgelegt. Die Beiträge von Mäder / Schedler (1. Teil, Ziff. 3), Lüder / Kampmann (2. Teil, Ziff. 8) und Lüder (3. Teil, Ziff. 2) waren nicht Gegenstand der Diskussion — sie wurden zusätzlich in den Band aufgenommen. * Vgl. ζ. B. die Sammelbände von Lüder (Hrsg.) 1991, Brede / Buschor (Hrsg.) 1993 und Buschor / Schedler (Hrsg.) 1994 sowie die dort angegebene umfangreiche Literatur.

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Vorwort des Herausgebers

Mein Dank gilt allen, die zum Gelingen der Tagung beigetragen haben, in erster Linie den Referenten, den Workshop-Leitern, den Diskussionsleitern, den Berichterstattern und nicht zuletzt meinem „wissenschaftlichen Co-Piloten" Ernst Buschor. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Mitarbeiter Dipl.-Wirtschaftsing. Karl Pütz für die Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Bandes. Speyer, Februar 1994

Klaus Lüder

Begrüßung durch den Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Prof. Dr. Heinrich Reinermann

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Johann Wolfgang von Goethe läßt uns in „Wilhelm Meisters Lehrjahre" folgendes mitteilen: „Ich wüßte nicht, wessen Geist ausgebreiteter wäre, ausgebreiteter sein müßte als der Geist eines echten Handelsmannes. Welchen Überblick verschafft uns nicht die Ordnung, in der wir unsere Geschäfte führen. Sie läßt uns jederzeit das Ganze überschauen, ohne daß wir nötig hätten, uns durch das Einzelne verwirren zu lassen. Welche Vorteile gewährt die doppelte Buchhaltung dem Kaufmanne. Es ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und ein jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einführen." Über den Sinn des Rechnungswesens, auch des öffentlichen Rechnungswesens, ist damit eigentlich alles gesagt: Rechnungswesen, das ist der faszinierende Versuch, das Geschehen in einer wirtschaftenden Einheit — sei dies eine erwerbswirtschaftliche Unternehmung, sei dies eine Behörde — fortlaufend und herausgehoben zu bestimmten Stichtagen modellhaft so abzubilden, daß man jederzeit einen Überblick hat über Vergangenheit, Status und Prognose. Das ist nicht erst von Goethe oder von den oberitalienischen Kaufleuten erkannt worden, sondern schon viel früher. Genüge hier Sokrates, der gesagt hat: „Wir sind zahlreichen Sinnestäuschungen ausgesetzt; das beste Mittel dagegen ist das Messen, Zählen und Wiegen. Der Teil in uns, der sich auf dies Berechnen und Messen verläßt, ist der edelste Teil unserer Seele". Wenn nun die Bedeutung des Rechnungswesens schon lange bekannt ist — warum bedarf es noch einer Tagung über „Öffentliches Rechnungswesen 2000"? Offenbar erfüllt das Rechnungswesen der öffentlichen Hand heute nicht die Erwartungen. Dafür gibt es sicher ein ganzes Bündel von Erklärungen. Eine könnte im Wettbewerb liegen. Für die erwerbswirtschaftliche Unternehmung, „den Handelsmann", ist es in der Tat lebensnotwendig, jederzeit zu wissen, ob mit dem wirtschaftenden Handeln die Substanz gewahrt, ob die erwirtschafteten Erträge die aufgewendeten Ressourcen decken. Denn, ein Überleben im Markt, im ständigen Wettbewerb mit Konkurrenten, wäre sonst nicht lange möglich.

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Heinrich Reinermann

Öffentliche Verwaltung aber ist bewußt aus dem erwerbswirtschaftlichen Bereich ausgegliedert und damit — jedenfalls galt dies lange Zeit — auch dem Wettbewerb entzogen. Und je mehr der Bestand garantiert ist, desto weniger essentiell sind ja Informationen über die wirtschaftlichen Ergebnisse des Handelns. Bevor ich darauf in gebotener Kürze noch etwas näher eingehe, darf ich aber Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr herzlich in der Hochschule für VerwaltungsWissenschaften Speyer begrüßen! Ein Blick in die Teilnehmerliste zeigt, daß praktisch jeder der 150 Anwesenden einen so spezifischen Bezug zu unserem Tagungsthema hat, daß ich ihn persönlich begrüßen müßte. Das wäre sicher unwirtschaftlich! Gestatten Sie mir aber, namentlich zu nennen —

Professor Buschor in seinen Eigenschaften als Minister für Gesundheit des Kantons Zürich und als Vorsitzenden der Wissenschaftlichen Kommission „Öffentliche Unternehmen und Verwaltungen" des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft sowie



Vizepräsident Dr. Piska, Mitglied des österreichischen Verfassungsgerichtshofes.

Damit begrüße ich zugleich alle fast 25 ausländischen Teilnehmer aus Italien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. Ich freue mich, weiter willkommen heißen zu dürfen — Herrn Abgeordneten Hein, Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses im Landtag des Saarlandes — Herrn Staatssekretär Dr. Sarrazin, Rheinland-Pfalz

Ministerium der Finanzen des Landes

— den Präsidenten des Landesrechnungshofes Nordrhein-Westfalen, Professor Dr. Munzert, sowie Dr. Binder, Mitglied des Bundesrechnungshofes, zugleich für zahlreiche weitere Vertreter der Rechnungshöfe und der Gemeindeprüfungsanstalten, die wir gern unter uns wissen. Gestatten Sie mir, für den zahlreich vertretenen kommunalen Bereich stellvertretend zu begrüßen —

Herrn Oberbürgermeister a. D. Hauser, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetages Baden-Württemberg sowie



Herrn Ersten Beigeordneten Dr. Cordes von der Stadt Gütersloh. Weiter ist es für uns eine große Freude, unter uns zu haben

— Herrn Voormeulen, den Chairman des Public Sector Committee der International Federation of Accountants, und — den Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik, Professor Dr. Mäding. Last not least möchte ich alle Referenten und Diskussionsleiter herzlich begrüßen und ihnen dafür danken, daß sie sich für diese Tagung Zeit genommen haben!

Begrüßung

13

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte davon gesprochen, daß Wettbewerb und Stellenwert des Rechnungswesens korrelieren. Dafür spricht schon die historische Tatsache, daß das öffentliche Rechnungswesen hierzulande seine ersten wesentlichen Impulse erhielt, als die Staaten untereinander in wirtschaftlichem Wettbewerb standen. Gemeint ist die Zeit des Merkantilismus, als Staaten nicht zuletzt als Wirtschaftsgebilde aufgefaßt wurden und sich die Kameralwissenschaft zur Unterstützung ihrer Führung herausbildete. Und der Kameralismus ist ja bekanntlich namensgebend für das öffentliche Rechnungswesen geworden. Die Frage, warum nicht gleich zur Doppik gegriffen wurde, die ja aus Oberitalien bekannt war, will ich hier offen lassen. Hinweisen möchte ich Sie am Rande aber doch auf kameralwissenschaftliche Vorläufer der Hochschule für VerwaltungsWissenschaften Speyer hier in der Pfalz: 1769 wurde beispielsweise in Kaiserslautern die „Physikalisch-Ökonomische und Bienengesellschaft zu Lautern" gegründet, die schon bald darauf als „Kurfürstliche Kamerai Hohe Schule" die höheren Landesbeamten in allen Teilen der Kameralwissenschaften ausbildete, darunter im Rechnungswesen. Auch wurde Johann Joachim Becher, einer der Begründer der Kameralwissenschaften, 1635 hier in Speyer geboren; in seinem Sinne wirkt die Johann Joachim Becher-Gesellschaft, die eng mit dieser Hochschule verbunden ist. Die Befassung mit dem öffentlichen Rechnungswesen in diesem Landstrich ist, wie Sie sehen, sehr alt, aber, wie diese Tagung beweist, immer noch aktuell. Aber zurück zum Kameralismus als einer Auffassung vom Staat: Sie ist bekanntlich im Zeitalter des Liberalismus ebenso untergegangen wie die Kameralwissenschaft. Diese reduzierte sich mehr oder weniger auf das Verwaltungsrecht und die juristische Perspektive der Begrenzung und Kontrolle öffentlicher Eingriffe in das private Handeln. Die Kameralistik erhielt sich im Rahmen der Finanzwissenschaft, vor allem zum Nachweis der Recht- und Ordnungsmäßigkeit des Finanzgebarens der öffentlichen Hand. Der einzelwirtschaftliche Aspekt des öffentlichen Rechnungswesens aber, seine Bedeutung als Entscheidungshilfe für die Führung, ging zurück. Die Wirtschaftlichkeit öffentlichen Handelns geriet mehr und mehr aus dem Blickfeld. Wirtschaftlichkeit hat denn auch heute, das darf man ohne Angst vor Übertreibung sagen, längst nicht die Bedeutung, welche der Rechtmäßigkeit als Richtschnur des Verwaltungshandelns beigemessen wird. Zwar sprechen wir seit geraumer Zeit schon über die zunehmende Überlagerung von Ordnungsverwaltung durch Leistungsverwaltung — aber dies hat weder hinreichend Niederschlag gefunden in unserer sprachlichen Beschreibung dessen, was Behörden tun, noch in Konzepten und Methoden der Verwaltung, noch in der Ausbildung. Die Kosten und Leistungen des Verwaltungshandelns sowie die Verantwortung aller Mitarbeiter, diese ins rechte Verhältnis zu bringen, sich also um Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Aufgabenbereichs verantwortlich zu kümmern — dies ist längst nicht so verinnerlicht wie Rechtmäßigkeit. Das läßt sich leicht

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Heinrich Reinermann

schon dadurch belegen, daß man die Seitenzahlen vergleicht, die in den Lehrbüchern über Verwaltung dem Verwaltungsakt auf der einen Seite und dem Rechnungswesen auf der anderen gewidmet werden. Daß Wirtschaftlichkeit wortwörtlich vom Grundgesetz genannt wird, hat diese Entwicklung nicht zu verhindern vermocht. Offenbar sind wir aber in den letzten Jahren in eine Ära eingetreten, die dem Wettbewerb wiederum eine hohe Bedeutung für die öffentliche Verwaltung zukommen läßt. Und wie zu Zeiten des Kameralismus scheint dieser Wettbewerb, der Erwerbswirtschaft ähnlich, das Bewußtsein für Wirtschaftlichkeit als Kriterium öffentlichen Handelns und für das Rechnungswesen als Gradmesser der Wirtschaftlichkeit zu befördern. Darauf dürfte, jedenfalls zum Teil, auch das wieder gewachsene Interesse am öffentlichen Rechnungswesen, welches wir in zahlreichen Verwaltungen des In- und Auslandes erkennen können, zurückzuführen sein. Lassen Sie mich diesen neuen Wettbewerb, in der gebotenen Kürze, von zwei Standpunkten aus betrachten, vom öffentlichen Sektor als Ganzem und von den einzelnen Behörden her. Schon einige Jahre ist uns bewußt, daß als Folge der Globalisierung des Wirtschaftslebens der Wettbewerb zwischen Staaten und Regionen gestiegen ist. Der Werbeslogan eines asiatischen Automobilherstellers „Made/or Germany" erhellt dies schlaglichtartig. Ein uns nahes Beispiel dieser Zusammenhänge lieferte schon die Diskussion um die Folgen des europäischen Binnenmarktes, etwa für die Attraktivität unserer Kommunen für Investoren. Schon dabei wurde der Zusammenhang von Standortqualität und Qualität der jeweiligen Verwaltungsinfrastruktur deutlich. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde dann die Weltwirtschaft in ihrer Struktur noch einmal entscheidend verändert. Vor den Toren der EG bieten sich Niedriglohnländer an. Arbeitsplätze wandern leichter von West nach Ost, gleichzeitig können Arbeitskräfte leichter von Ost nach West ziehen. Die Einnahmen unserer öffentlichen Hand werden davon ebenso betroffen wie die Ausgaben von Staat und Kommunen für Arbeits- und Sozialverwaltung oder für den Wiederaufbau in unseren neuen Ländern, in den mittel- und osteuropäischen Staaten wie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Steigende Belastungen der öffentlichen Hand bedeuten aber auch steigende Belastungen der Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft auf dem Weltmarkt. Von daher erklärt sich ja die gegenwärtige Diskussion über den Wirtschaftsstandort Deutschland und damit auch über die Frage, wieviel an öffentlicher Verwaltung wir uns leisten können, wieviel sie kosten darf, wie flexibel und kundennah sie funktionieren sollte. Wie schon einmal im Merkantilismus macht der Wettbewerb zwischen Staaten und Regionen den engen Zusammenhang von Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung deutlich, und es liegt auf der Hand, daß mit der Sorge um Verwaltungsquantität und Verwaltungsqualität auch die Bedeutung des öffentlichen Rechnungswesens als Instrument zu deren Messung steigt.

Begrüßung

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Aber ebenso innerhalb des öffentlichen Sektors wird Wettbewerb immer mehr zu einer Forderung im Zusammenhang mit dem Bestreben um mehr Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Behörden und Ämtern. Daß öffentliche Verwaltung dadurch zu charakterisieren wäre, daß sie — anders als erwerbswirtschaftliche Unternehmen — dem Wettbewerb entzogen sei, gilt immer weniger. Im Gegenteil: Ein Großteil der heutigen Verwaltungsreformvorschläge versucht, marktähnliche Strukturen auch in der öffentlichen Verwaltung zu etablieren. Der Beispiele sind viele. Reiche es hier, auf den Trend zu dezentralisierten Verantwortungszentren mit mehr Autarkie und Autonomie hinzuweisen, auf Konzernstrukturen, in denen die einzelnen Verwaltungseinheiten über Kontraktmanagement miteinander verbunden werden, oder auf die an Raum gewinnende Auffassung, Verwaltung müsse öffentliche Aufgabenerfüllung zwar gewährleisten, öffentliche Aufgaben aber deshalb nicht unbedingt selbst ausführen, woraus sich die Forderung ergibt, Verwaltungshandeln stärker der Frage zu unterwerfen, welche Aktivitäten man selbst erbringen, welche dagegen vom Markt beziehen sollte. Es ist aber klar — und darauf kommt es hier an —, daß sowohl eine sinnvolle Steuerung stärker verselbständigter Verwaltungseinheiten als auch sinnvolle Entscheidungen über Selbsterstellung oder Fremdbezug von Aktivitäten hinreichende Informationen über Wirkungen und Ressourcenverbrauch des Handelns voraussetzen. Die Tagung „Öffentliches Rechnungswesen 2000" kommt also zur rechten Zeit! Den beiden Organisatoren, Professor Buschor und Professor Lüder, ist bereits an dieser Stelle herzlich für ihre Initiative zu danken. Beide sind in besonderem Maße geeignet, diese Tagung durchzuführen: Professor Buschor hat in der Schweiz erfolgreich moderne Systeme öffentlichen Rechnungswesens eingeführt, wobei er auf jahrelange eigene wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiete zurückgreifen konnte. Professor Lüder, der auch stellvertretender Geschäftsführender Direktor unseres Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung ist, hat, besonders in den letzten Jahren, weitreichende internationale Vergleiche über das öffentliche Rechnungswesen angestellt, deren Erträge dieser Tagung zugute kommen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte mit Goethe begonnen und möchte mit Johann Peter Eckermann enden, der in den „Gesprächen mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens" ( 1830) feststellt: „Man hat behauptet,... die Welt werde durch Zahlen regiert; . . . Das aber weiß ich, daß die Zahlen uns belehren, ob sie gut oder schlecht regiert werde." Möge die Tagung „Öffentliches Rechnungswesen 2000" zu solchen Zahlen führen.

Einführung in das Tagungsthema Von Klaus Lüder, Speyer

Als ich auf der Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1988 des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung das überkommene kameralistische öffentliche Rechnungswesen erstmals in einem größeren Kreis von Experten zur Diskussion und in Frage stellte, erntete ich noch weitgehend Unverständnis und Widerspruch. Der damalige Haushaltsdirektor im Bundesfinanzministerium beispielsweise äußerte sich „skeptisch . . . , inwieweit es zweckmäßig ist, Elemente betriebswirtschaftlicher Rechnungssysteme . . . in das öffentliche Rechnungswesen zu übertragen" 1. Mit Feststellungen wie „Öffentliche Aufgabenstellung und Unternehmenszwecke weisen . . . keinen Gleichklang auf' 2 , war die Diskussion dann meist beendet. Die zitierten Äußerungen waren seinerzeit keine Einzelauffassungen — sie repräsentierten durchaus in Verwaltungen, Rechnungshöfen und selbst in der Wissenschaft gängiges Gedankengut. In nur einem halben Jahrzehnt und vornehmlich unter dem Diktat langfristig leerer Kassen hat sich diese Sicht grundlegend gewandelt — graduell unterschiedlich allerdings auf Kommunalebene, Länderebene und Bundesebene. Die neuen Ideen diffundieren von unten nach oben und der Diffusionsdruck wird hoffentlich stark genug sein, um sie bis auf die Bundesebene zu befördern. Als Beleg für die inzwischen mindestens auf kommunaler Ebene weit verbreitete Änderung der Sichtweise zitiere ich aus einem Diskussionspapier des Bayerischen Städtetages3: „Die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens soll eine betriebswirtschaftliche Kosten- und Leistungsrechnung ermöglichen . . . Endziel soll es sein, nicht nur die Kernverwaltung und die Eigenbetriebe, sondern auch die Eigenunternehmen in eine 'konsolidierte Gesamtrechnung' ('Konzernabschluß') der Stadt einzubeziehen," und aus einem Protokoll des Arbeitskreises „Unternehmen Stadt" des Finanzausschusses des Deutschen Städtetages: 1

Η. Η. v. Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989, S. 189. K. Lüder (Hrsg.), Staatliches Rechnungswesen in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Hintergrund neuerer internationaler Entwicklungen, Berlin 1991, S. 66. 3 Bayerischer Städtetag, Unternehmen Stadt, Diskussionspapier, Fürth 1993, S. 54. 2

2 Speyer 117

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Klaus Lüder

„Das kommunale Rechnungswesen soll künftig auf der Grundlage des kaufmännischen doppelten Rechnungswesens eingerichtet werden". Bei der beobachtbaren Änderung der Auffassung von Sinn und Zweck des öffentlichen Rechnungswesens haben wir es mit der Ablösung einer makroökonomischen — für Zeiten reichlich fließender finanzieller Mittel typischen — durch eine mikroökonomische, für Zeiten knapper finanzieller Ressourcen kennzeichnende Sichtweise zu tun. Deutlich geprägt durch die makroökonomische Sichtweise ist das Ende der 60er Jahre geschaffene, heute geltende staatliche Haushaltsrecht. Dies zeigt sich u. a. —

in seiner Planungsgläubigkeit und daraus folgend einer Überbetonung von Planungsrechnungen gegenüber Ist-Rechnungen,



in seiner ausschließlich konjunkturbezogenen Sicht der Staatsverschuldung,



in der geringen Bedeutung, die einer Vermögens- und Schuldenrechnung beigemessen wird und schließlich darin, daß

— die wenigen zur Verbesserung des Rechnungswesens vorgesehenen Vorschriften — die Rechnung über die eingegangenen Verpflichtungen und die Geldforderungen nach § 71 BHO und der Verbund von Haushalts- und Vermögensrechnung nach § 73 BHO — vom Bund bis heute nicht umgesetzt sind. Allerdings hat das öffentliche Rechnungswesen auf der kommunalen Ebene auch nach 1969 eine erheblich größere Bedeutung als mikroökonomisches Informations- und Entscheidungsinstrument behalten als auf der staatlichen Ebene. Für die Schweiz gilt dies — wenn ich es richtig sehe — in noch stärkerem Maße. Mindestens haben die Schweizer Gemeinden und selbst die Kantone sehr viel früher eine Richtungsänderung eingeleitet als die deutschen. Die zunehmende Bedeutung des öffentlichen Rechnungswesens als mikroökonomisches Informations- und Steuerungsinstrument und damit auch die mikroökonomische Sicht des Haushalts ist in Deutschland die Folge der Finanzlage und der Verschuldung der Gebietskörperschaften und eines daraus resultierenden Bedarfs —

an Informationen über die Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns und damit auch an Kosten- und Leistungsinformationen;



an Instrumenten für die effizienz- und effektivitätsfördernde Steuerung des Verwaltungshandelns;



an umfassenden Informationen über die Höhe der Verschuldung (einschließlich der Nichtgeldschulden und der Schulden des peripheren Verwaltungsbereichs) und schließlich



an umfassenden Informationen über die finanzielle Entwicklung und die finanzielle Lage einschließlich der „verdeckten" Ausgaben und Schulden4 wie

4

Vgl. dazu auch H. B. Leonard , Checks Unbalanced — The Quiet Side of Public Spending, New York 1986.

Einführung in das Tagungsthema

19

Altersversorgungsveφflichtungen,Leasingveφflichtungen, Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur, aber auch Steuervergünstigungen und öffentliche Darlehensaktivitäten. Wenn nun der geänderten Zwecksetzung des öffentlichen Rechnungswesens dadurch Rechnung getragen werden könnte, daß nur die „Kameralistik" durch das „Kaufmännische Rechnungswesen" oder die „Doppik" zu ersetzen wäre, bedürfte es dieser Tagung nicht. Aber so einfach liegen die Dinge nicht: Erstens ist der Begriff „Kaufmännisches Rechnungswesen" ebensowenig eindeutig wie der Begriff „Kameraiistisches Rechnungswesen" und zweitens lassen sich zwar Anleihen bei der kaufmännischen Rechnungspraxis nehmen, sie müssen jedoch den besonderen Erfordernissen des öffentlichen Bereichs angepaßt und ergänzt werden. Erforderlich sind m. a. W. Grundsätze für ein ordnungsmäßiges öffentliches Rechnungswesen (GoöR) und deren Normierung im Rahmen einer Haushaltsreform. Solche Grundsätze werden für die Teilbereiche —

Budgetierung

— Rechnungssystem und und Rechnungslegung — Kosten- und Leistungsrechnung — Evaluation (Wirksamkeitskontrolle) im zweiten Teil der Tagung zur Diskussion gestellt. Um aber nicht losgelöst von der Praxis im „luftleeren Raum" zu diskutieren, geht dem eine Expertendiagnose der Ist-Situation und der Informationsbedarfe aus der Sicht — der staatlichen Verwaltung und der Kommunalverwaltung — der Finanzverwaltung und der Fachverwaltung — der Verwaltung und der Rechnungshöfe sowie aus nationaler und internationaler Sicht voran. Die Reform des öffentlichen Rechnungswesens kann jedoch nicht isoliert gesehen werden, sondern sie steht im Zusammenhang mit umfassenden Verwaltungsreformen. Obgleich diesem Aspekt während der Tagung nicht im einzelnen nachgegangen werden soll und kann, erschien er doch wichtig genug, um ihm das Eingangsreferat zu widmen und damit auch die Bedeutung der Rechnungswesenreform für die Verwaltungsreform zu unterstreichen. Bis der Band dieser Tagung erscheint, wird das Jahr angebrochen sein, in dem sich die Erstveröffentlichung von Luca Paciolis „Summa de Arithmetica, Geometrica, Proportioni et Proportionalita" zum 500. Mal jährt. Dieses Buch ist berühmt geworden durch die (erstmalige?) Beschreibung der doppelten Buchhaltung, von der Goethe meinte:

2 *

20

Klaus Lüder

„Es ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und ein jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einführen" 5 . Vielleicht hält sich ja auch die öffentliche Hand künftig an Goethes Empfehlung.

5

J. W. von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, in: Goethes Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Bd. 7, 9. Aufl., München 1977, S. 37.

Erster Teil

Öffentliches Rechnungswesen und institutionelle Rahmenbedingungen

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens Von Reinbert Schauer, Linz

I. Ziele und Instrumente von Verwaltungsreformen Der Ruf nach einer Verwaltungsreform ist so alt wie der Bestand an öffentlichen Verwaltungen. Wir können 3-4 Jahrtausende zurück in die ägyptische Geschichte gehen bzw. im gleichen Zeitraum die Entwicklung Chinas zum Verwaltungsstaat beobachten oder uns mehr als 5 Jahrtausende zurück in die Zeit der Sumerer in Mesopotamien versetzen. Aus der geschichtlichen Erfahrung erkennen wir, daß eine Hochkultur ohne Verwaltung undenkbar ist 1 . So wie sich Kulturen und Gesellschaften im Ablauf der Zeiten veränderten, so entstand auch das Bedürfnis, Verwaltungsstrukturen und Verwaltungsabläufe den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen bzw. ordnend auf diese Veränderungen Einfluß zu nehmen. Heute sind unter „Verwaltungsreform" alle Maßnahmen anzusprechen, die das System von Regierung und staatlicher Verwaltung — vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels — weiterentwickeln und zu einer höheren Qualifikation in der Aufgabenerfüllung befähigen sollen2. Dabei sollen sowohl die Organisation als auch die Tätigkeitsinhalte der staatlichen Vollziehung verändert werden. Ziele der Verwaltungsreformen sind dabei vor allem: 1.

die „bürgernahe" Erfüllung der Verwaltungsaufgaben hinsichtlich der Information der Bürger, der Gestaltung der Kontakte mit dem Bürger und der Wahl der Kommunikationswege;

2.

die „Entbürokratisierung" und damit der Abbau der Normenflut und Detailregulierungen;

3.

die Verwaltungs Vereinfachung, ζ. B. durch Verfahrenskonzentrationen und Dezentralisierung;

4.

die Sorge um eine zweckmäßige, wirtschaftliche und sparsame Aufgabenerfüllung. 1 2

Vgl. Fenske 1989, Sp. 1635. Vgl. König 1989, Sp. 1738.

Reinbert Schauer

24

Sie sollen die Steigerung der Effektivität und der Effizienz des Verwaltungshandelns ermöglichen und das Ausschöpfen von Rationalisierungspotentialen in den Verwaltungen erlauben 3. Als Mittel zur Erreichung dieser Ziele werden u. a. angesehen: 1.

Die Straffung der Aufgaben- und Führungsstruktur durch Kompetenzbereinigung (Arbeitsteilung) zwischen den Gebietskörperschaften, durch Ausgliederung von Aufgabenstellungen bzw. durch Abbau oder Reduktion von Verwaltungsaufgaben;

2.

Dezentralisierung von Verwaltungsaufgaben an Verwaltungseinheiten mit eigener Ergebnisverantwortung;

3.

Professionelles Verwaltungsmanagement mit erhöhter Leistungsorientierung und -Verantwortung, was eine Messung und Kontrolle der erbrachten Leistungen impliziert;

4.

Stärkung des Wettbewerbsgedankens unter Verwaltungen;

5.

Senkung der Kosten des Verwaltungshandelns durch einen verstärkten Einbezug von Kosten- und Leistungsdaten in den Entscheidungsprozeß (dies setzt ein Informationssystem über Verwaltungskosten, Verwaltungsleistungen und Leistungs-Wirkungen voraus).

Die Liste der Reform-Instrumente ließe sich sicher fortsetzen. Lohnender erscheint eine Skizzierung der aktuellen Problemlage, die als Ausgangspunkt für Reformbemühungen in der Gegenwart anzusehen ist. Die Verwaltungsreform hat von den politischen und organisatorischen Rahmenbedingungen auszugehen. Entscheidend ist zunächst der politische Wille zur Verwaltungsreform und die politische Fähigkeit zur Umsetzung von geeignet erscheinenden Reformkonzepten. Der österreichische Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform, Jürgen Weiss, führte dazu aus: „Die Frage nach dem Wie ist eine Machtfrage der Verwaltung, die vorher zu stellende Frage nach dem Was ist eine Machtfrage der Politik. Verwaltungsreform ist daher primär eine Handlungsaufforderung an die Politik . . ." 4 . Diese Handlungsaufforderung wurde in Anbetracht der Ressourcenknappheit und der daraus folgenden Notwendigkeit zur Drosselung der Staatsausgaben konkret formuliert: „Der unternehmerisch denkende Leistungsstaat anstelle des verschwenderischen Verwaltungsstaates ist gefragt!" 5 Andererseits ist zu erkennen, daß die qualitativen Leistungsansprüche an die Verwaltung steigen, es zugleich aber zu keiner inhaltlichen Entlastung der Verwaltung kommt. In bestimmten Verwaltungsbereichen steigen die Ausgaben — 3 4 5

Vgl. Weiss 1993, S. 116. Weiss 1993, S. 118. Weiss 1993, S. 120.

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

25

vor allem die Personalausgaben — sprunghaft an, demgegenüber kann das Leistungsvolumen nur geringfügig verbessert werden. Der Ruf nach dem Ansetzen des „Sparstifts" wird unüberhörbar. Der Routinebetrieb von Verwaltungen unterliegt straffen Organisationsstrukturen und Regularien. Hingegen sind die Steuerungsfunktionen und -fähigkeiten im strategisch-langfristigen Bereich schwach ausgebildet. Dies ist offensichtlich eine Folge des Kompetenzkonfliktes zwischen Politik und Verwaltung in diesem Bereich („organisierte Unverantwortlichkeit"). Was läßt sich nun aus diesen kursorischen Anmerkungen zur Verwaltungsreform für die Reform des öffentlichen Rechnungswesens ableiten? Es sind Trends zur 1.

Leistungsorientierung (Output-Orientierung) statt einer Ausgaben-Orientierung (Input-Orientierung);

2.

Organisationsdezentralisierung mit Ergebnisverantwortung;

3.

Global-Budgets mit entsprechender Haushaltsflexibilisierung;

4.

Verstärkung des Strebens nach Zielwirksamkeit und Wirtschaftlichkeit

zu erkennen. Dies bedingt die Entwicklung eines Leistungs- und Kostenbewußtseins, und zwar nicht nur in den Beziehungen zwischen den Verwaltungen und ihrem Umfeld, sondern auch innerhalb der einzelnen Organisationselemente in den Verwaltungen. Die Ermittlung von Folgekosten und externen Effekten einzelner Verwaltungsaktivitäten, aber auch die interne Leistungsverrechnung werden zur ökonomischen Steuerung des Verwaltungshandelns notwendig. Die Verwaltungsreform bedingt somit eine ausreichende Informationsbasis. Es ist die Frage zu stellen, ob das Öffentliche Rechnungswesen diese Informationsansprüche erfüllen kann. Weiters ist zu bedenken, ob das Rechnungswesen in seiner gegenwärtigen Form eine Verwaltungsorganisation mit dezentraler Ressourcenverantwortung unterstützt, die über politische Zielsetzungen gesteuert und demokratisch kontrolliert werden kann.

II. Informationsprogramme des Öffentlichen Rechnungswesens 1. Finanzwirtschaftliche

Ausrichtung

Das Öffentliche Rechnungswesen umfaßt 1.

das einzelwirtschaftlich ausgerichtete Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen, also von Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltungen;

2.

das einzelwirtschaftlich ausgerichtete Rechnungswesen öffentlicher Unternehmen. Es ist im Falle einer fehlenden eigenen Rechtspersönlichkeit dieser

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Reinbert Schauer

Unternehmen in das Rechnungswesen der Verwaltungen — wenn auch mit Sonderregelungen — integriert. Bei bestehender eigener Rechtspersönlichkeit ist es zumeist nach handelsrechtlichen (kaufmännischen) Normen ausgerichtet („Off-Budget-Aktivitäten"). Durch die zunehmende Ausgliederung von Teilbereichen der Verwaltung in Form von Eigengesellschaften (ζ. B. Krankenhäuser, Ver- und Entsorgungsbetriebe) entsteht ein „Dualismus" in den Rechnungssystemen und das Problem der Konsolidierung des Rechnungswesens der Unternehmen mit jenem der Trägerverwaltungen; das gesamtwirtschaftlich ausgerichtete Rechnungswesen im Sinne der „Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung".

3.

Hier soll nur das einzelwirtschaftlich ausgerichtete Rechnungswesen, vornehmlich der öffentlichen Verwaltungen, Gegenstand der Analyse sein. Dieses Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen (in seiner heutigen Form) ist in erster Linie auf die Informations- und Kontrollbedürfnisse der Parlamente ausgerichtet (Parlamentsorientierung). Als Hauptaufgabe wird die Budgetkontrolle angesehen, demzufolge liegt dem Rechnungswesen ein zahlungsorientiertes Rechnungskonzept zugrunde. Es wird als Cash-Accounting-Konzept bezeichnet und ist im wesentlichen auf die Ermittlung eines Netto-Finanzierungsbedarfes als Ergebnisgröße ausgerichtet 6. Die Parlamentsorientierung des öffentlichen Rechnungswesens wird ergänzt 1 durch die Öffentlichkeitsorientierung . Die Öffentlichkeit verlangt ein zuverlässiges Bild über die finanzielle Gesamtsituation und damit über die Verschuldung des Staates. Dies bedingt neben der Information über Zahlungsströme auch Informationen über finanzielle Bestandsgrößen, also Forderungen und Schulden. Daher wird auch von einem Netto-Schulden-Konzept oder Accrual-Accounting Konzept gesprochen. Beide Rechnungswesen-Konzepte sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht alsfinanzwirtschaftliche Rechnungssysteme einzustufen. Für die einzelwirtschaftlich sinnvolle Steuerung des Ressourceneinsatzes reicht dies nicht aus.

2. Leistungswirtschaftliche

Ausrichtung

Eine ergebnisorientierte Planung staatlicher Aktivitäten muß sich von der Sache her außerhalb der Budgetierung finanzieller Mittel entwickeln. Der Informationsbedarf der Verwaltungsführung erstreckt sich auf die Verwaltungsziele in operationalisierter Form (auf die vorgegebenen Aufgaben), auf verfügbare Ressourcen (Kapazitäten von Personal, Sach- und Fördermitteln sowie deren Einsatz) sowie auf erbrachte Leistungen und daraus folgende Leistungs-Wirkungen. 6 7

Vgl. International Federation of Accountants, Public Sector Committee 1993, S. 7. Vgl. Lüder 1989, S. 269.

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

27

In diesem Spannungsfeld (siehe Abb. 1) zwischen Aufgaben, Mitteleinsatz und Leistungsausbringung ist der erreichte Erfolg des Verwaltungshandelns zu bewerten. Er ist einerseits in der sachpolitischen Dimension der Zweckmäßigkeit (Effektivität) und andererseits in den ökonomischen Dimensionen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (Effizienz) zu beurteilen.

AUFGABEN (VERWALTUNGSZIELE)

(PERSONEN, SACHMITTEL, FINANZMITTEL)

(ERGEBNISSE)

Abb. 1 : Beurteilungselemente für ein erfolgsorientiertes Verwaltungshandeln

Mitteleinsatz und Verwaltungsleistungen kennzeichnet:

sind jeweils durch drei Merkmale ge-

— Gütereinsatz/Leistungsmenge (Mengengerüst); — Sachzielbezug (Qualitätskomponente/Wirkungsanalyse); — Ökonomische Bewertung (Preisgerüst/Monetarisierung). Diese Informationsdimensionen des Verwaltungsgeschehens müssen im Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen ihren Niederschlag finden können (siehe Abb. 2, S. 29). Es zeigt sich, daß das Öffentliche Rechnungswesen (in seiner heutigen Form) diese Informationsdimensionen nicht oder viel zu wenig unterstützt und als einseitig finanzwirtschaftlich ausgerichtet einzustufen ist. Die geforderte Effektivität und Effizienz des Verwaltungshandelns bedingt jedoch, daß nicht nur Rechenschaft über finanzwirtschaftliche Aspekte, sondern auch Auskunft über

28

Reinbert Schauer

den Mitteleinsatz (im Sinne des Einsatzes von Produktionsfaktoren) und das Leistungsergebnis im Dienste der öffentlichen Aufgabenerfüllung gegeben wird. Schwierigkeiten in der Ausgestaltung von Zielsystemen, in der quantitativen Darstellung von Zielen und bei der Festlegung von Zielerreichungsgraden durch die Planung haben deshalb auch integrative Planungssysteme bislang stark behindert. Dies mag als Grund angesehen werden können, weshalb Controlling-Konzepten, also Konzepten der integrierten Planung und Steuerung des Verwaltungsgeschehens, vom Verwaltungsmanagement bisher nur sehr zögernd nähergetreten wurde 8 . Das Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen bedarf daher einer Ergänzung um eine leistungswirtschaftliche Dimension 9, es muß Informationen über Kosten, Leistungen und Leistungs-Wirkungen bereitstellen {Managementorientierung). Dies setzt auch die Entwicklung einer umfassenden Bestandsrechnung (Vermögensrechnung) voraus. Die in der finanzwirtschaftlichen Rechnung erfaßten Zahlungsströme sind hinsichtlich ihrer Verursachung durch den Leistungsprozeß periodengerecht abzugrenzen und im Hinblick auf ihren Zusammenhang mit dem Ressourceneinsatz, Leistungsergebnis sowie Vermögens- und Schuldenbestand entweder erfolgswirksam (leistungswirksam) oder bestandswirksam auszuweisen. Eine Vermögensrechnung wird auf diesem Wege auch für öffentliche Verwaltungen zur zwingenden Notwendigkeit. Sie hat nicht den Ausweis von aktuellen Vermögenswerten (im Hinblick auf allenfalls mögliche Veräußerungen) zum Ziel, sondern den Nachweis von Substanzveränderungen durch die Nutzung von Vermögenswerten und die daraus folgenden Erneuerungsbedürfnisse. Dies erfordert aber die Klärung von Ansatz- und Bewertungsfragen und damit die Klärung der Frage, welche Vermögens- und Schuldpositionen — und mit welchem Wert — auszuweisen sind. Diese umfassende Konzeption wird auch als FullAccrual-Accounting-Konzept bezeichnet, es ist auf die Reinvermögensänderung bzw. Nettoschuldenveränderung im Zeitablauf ausgerichtet. Eine Verbindung zwischen den leistungs- und finanzwirtschaftlichen Dimensionen des Rechnungswesens ist durch die Entwicklung eines Rechnungsverbundes (Finanz-, Bestands-, Erfolgsrechnung) herstellbar (Abb. 3, S. 30). Das deutsche kameralistische Rechnungswesen stellt ein Cash-AccountingSystem dar, das Full-Accrual-Accounting-Konzept liegt dem Rechnungssystem der Schweizer Kantone und Gemeinden und der Integrierten Haushaltsverrechnung des Bundes und der Länder in Österreich zugrunde. In beiden Fällen bestehen jedoch noch zum Teil erhebliche Ansatz- und Bewertungsprobleme 10. 8

Vgl. Laux 1989, Sp. 1684. Vgl. Schauer 1989, S. 90. 10 Vgl. Schauer 1991, S. 77 ff.

9

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

VERWALTUNGSZIELE

LEISTUNGSWIRTSCHAFTLICHES RECHNUNGSWESEN

DER FAKTOREN FÜR DIE

LEISTUNGSERSTELLUNG

LEISTUNGSERSTELLUNG

LEISTUNGSABGABE

VERWALTUNG

VERWALTUNGSLEISTUNGEN

ABGABENAUFKOMMEN s —

AUSGABEN

= EINNAHMEN

FINANZWIRTSCHAFTLICHES RECHNUNGSWESEN



MENGEN (MITTELEINSATZ, LEISTUNGEN) ZAHLUNGEN

Abb. 2: Güterströme in öffentlichen Verwaltungen und deren Abbildung im Rechnungswesen

29

30

Reinbert Schauer

FINANZRECHNUNG

E

A

Hinnahmen

Ausgaben

BESTANDSRECHNUNG ERFOLGSRECHNUNG

V Vermögen

S Schulden

Kosten

LIQUIDITÀ TSSAI.DO

LIQUIDITÄT ZEITRAUM BEZ.

L

Κ Aufwand

F.rträgc Leistungen

ERFOLG SSALDO

VERMOGENSAND. ZEITPUNKT BEZ.

"ERFOLG" ZEITRAUM BEZ.

Abb. 3: Schema der Ermittlungsrechnungen

III. Erweiterung des Erfolgsbegriffes und Inhalte leistungswirtschaftlicher Erfolgsrechnungen Die Erfolgsrechnungen in öffentlichen Verwaltungen haben auf einer Erweiterung und Neudimensionierung des Erfolgsbegriffes aufzubauen. Die allein finanzwirtschaftlich bestimmte Auslegung sieht „Erfolg" im Sinne eines realisierten Vollzugs eines Haushaltsplanes. Diese Auslegung ist einseitig, weil sie nur den Gesichtspunkt der Liquidität zu berücksichtigen vermag. Öffentlichen Verwaltungen ist im Gegensatz zu erwerbswirtschaftlichen Unternehmen kein Rentabilitätsziel vorgegeben. Diese Erfolgskategorie wird ersetzt durch die Ziele von Effektivität und Wirtschaftlichkeit. Sie entziehen sich jedoch wie erwähnt einer umfassenden geldmäßigen Darstellung. Öffentliche Verwaltungen sind darüber hinaus von ihrem Charakter her als Aufwandswirtschaften anzusehen. Die ausgewiesenen Erträge stehen nur in Gebührenhaushalten in einer ursächlichen Beziehung zu den Aufwendungen, sonst besteht kein leistungsmäßiger Zusammenhang. Die Erträge stellen im wesentlichen Abgabenaufkommen und Transferzahlungen dar. Sie repräsentieren nicht einen (Markt-)Wert der abgegebenen Leistungen. Sie können daher auch nicht im Sinne von Nutzenkomponenten angesehen werden, sie sind vielmehr als Richtlinie für die Konsumption und das Investitionsverhalten der öffentlichen Haushalte anzusehen.

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

31

Dennoch hat auch der direkte Vergleich von Aufwendungen und Erträgen mit einer Saldogröße als Ergebnis — trotz der aufgezeigten Einschränkungen — einen originären Informationswert. Er bringt die wertmäßige Deckung des Mitteleinsatzes einer Rechnungsperiode mit den Periodenerträgen zum Ausdruck und stellt eine Grundregel für den leistungswirtschaftlichen Input-Output-Ausgleich dar. Ein negativer Saldo müßte als Vorgriff auf künftige Steuerlasten der Bevölkerung interpretiert werden. Der monetäre Erfolgssaldo gibt somit Auskunft über (a) die Erhaltung der Substanz (des sachlichen Ressourcenbestandes), die den Verwaltungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben gewidmet wurde; und (b) über den Finanzierungserfolg für den leistungsbezogenen Mitteleinsatz (Deckungserfolg). Leistungswirtschaftliche Überlegungen erfordern in erster Linie eine Orientierung an den qualitativen und quantitativen Dimensionen der Leistungsziele, der Leistungsabgabe und der daraus resultierenden Wirkungen (Effektivität und Effizienz als Handlungsmaßstäbe). Die ökonomische Rationalität des Verwaltungshandelns kann nicht über eine Marktregelung und damit über externe Wertvorstellungen gesichert werden. Dies bedingt neben dem herkömmlichen, der finanzwirtschaftlichen Rechenschaftslegung gewidmeten (externen) Rechnungswesen ein entscheidungsorientiert gestaltetes (internes) Rechnungswesen, das als Informationssystem für die Verwaltungsführung dienen kann (Abb. 4). Dieses Informationssystem hat zunächst zu berücksichtigen, daß die meisten Kosten in Verwaltungen in erster Linie von der vorgehaltenen Leistungsbereitschaft (Kapazität) und erst in diesem Rahmen von der tatsächlichen Leistungsinanspruchnahme bestimmt werden. Nur ein geringerer Teil der anfallenden Kosten ist direkt vom Leistungsvolumen abhängig. Als „Kosten" soll der in Geldgrößen bewertete Ressourceneinsatz für Leistungen verstanden werden. Der Unterschied zu „Ausgaben" liegt neben der unabdingbaren Leistungsorientierung vor allem im Bereich der Vermögensnutzung (Abschreibungskosten), im Bereich der Kapitaldisposition im Vermögen (Zinskosten), im Bereich des Vermögensrisikos (Wagniskosten) und im Bereich der langfristigen Entgeltansprüche im Personalbereich (Vorsorge für Abfertigungen und Pensions- bzw. Rentenansprüche). Die Kosten fallen entweder für die Erstellung von Kollektivgütern (das sind sachpolitisch erwünschte Zustände, wie etwa innere oder äußere Sicherheit, Bildung, Soziale Wohlfahrt u. ä.) an oder sie entstehen bei der Erstellung von marktfähigen Individualgütern (wie ζ. B. Leistungen der Regiebetriebe und der Gebührenhaushalte). In den öffentlichen Verwaltungen wird im Unterschied zu den öffentlichen Unternehmen in der Regel die Kollektivgüterproduktion bedeutender als die Individualgüterproduktion einzustufen sein. Die Verwaltungsleistungen im Sinne von Kollektivgütern müssen eine Wirkung im Sinne einer Aufgabenerfüllung erkennen lassen. Die Erfolgsrechnung ist hier gesondert für jeden Aufgabenbereich als eine Wirkungsrechnung zu entwikkeln. Sie läßt als Ergebnis einen Erfolgsquotienten ermitteln, der sich aus der Ge-

Reinbert Schauer

32

genüberstellung von Leistungs-Wirkungen und Kosten ableitet (ζ. B.: geplante und/oder erreichte Verringerung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten in Gegenüberstellung mit den hierfür notwendigen Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit und für Impfmaßnahmen).

KOSTEN - PERSONALKOSTEN - MATERIALKOSTEN , - FREMDLEISTUNGSKOSTEN

- VERMÖGENSKOSTEN - FÖRDERUNGSKOSTEN

LEISTUNGSBEREITSCHAFT LEISTUNGSINANSPRUCHNAHME KOLLEKTIVGÜTER

INDIVIDUALGÜTER

ALLGEMEINE VERWALTUNGSLEISTUNGEN

GEGEN ENTGELT ABGEGEBENE MARKTLEISTUNGEN



WIRKUNGEN

ERFOLGSRECHNUNG ALS WIRKUNGS RECHNUNG (ERFOLGSQUOTIENT E): _ LEISTUNGS-WIRKUNGEN KOSTEN

ν



ERTRÄGE

ERFOLGSRECHNUNG ALS MONETÄRE SALDORECHNUNG LEISTUNGSERTRÄGE - KOSTEN ERFOLGSSALDO

DECKUNGSERFORDERNIS ""

KOSTEN MIT ABGABENAUFKOMMEN

)

KOSTEN MIT MARKTERTRÄGEN

Abb. 4: Erfolgsrechnung als leistungswirtschaftliche Ergebnisrechnung

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

33

Diese Leistungs-Wirkungs-Rechnung ist im Sinne einer Produktivitätsanalyse zu sehen. Die Messung der Leistungs-Wirkung bereitet in der Regel dann Probleme, wenn die Leistung vorrangig von qualitativen Aspekten bestimmt wird (ζ. B. Betreuungsintensität im Sozialhilfebereich). Die Messung kann dann nur unvollkommen sein, sie wird sich auf die laufende Beobachtung von Indikatoren zu erstrecken haben, die oft auch erst über Methoden der empirischen Sozialforschung bereitgestellt werden können. Sie sind dann die Basis für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und damit für Effektivitätsanalysen 11. Im angloamerikanischen Bereich sind für das Gebiet der Wirkungsanalyse mehr oder weniger ausgefeilte Verfahren des „Performance Measurement " entwickelt worden. Sie haben die Leistungsmessung mit Hilfe von Indikatoren zum Inhalt und sollen für eine laufende Einsicht in die Veränderung der Wirksamkeit in der Aufgabenerfüllung sorgen. Sie werden auch für den Vergleich gleichartig tätiger Verwaltungseinheiten herangezogen. Der Aufbau umfassender Indikatorsysteme nimmt allerdings relativ viel Zeit in Anspruch. Er birgt die Gefahr von schematisierten Interpretationen in sich, die die Komplexität und Dynamik des Verwaltungsgeschehens nicht erfassen. Ähnliche Probleme bereitet der Ansatz gemeinwirtschaftlicher Erfolgskategorien (ζ. B. sozialer oder ökologischer Kosten/Nutzen-Komponenten). Gemeinwirtschaftliche Erfolge lassen sich nur auf differenzierte Weise abbilden. Dies ist auf die Vielfalt der Zielsetzungen, Leistungen und daraus resultierenden Nutzenchancen, deren unterschiedliche Erfaßbarkeit und auf die Probleme bei der Bewertung der Nutzenkategorien in Geldgrößen zurückzuführen 12. Nur im Bereich der Individualgütererstellung kann die Erfolgsrechnung als monetäre Saldorechnung zur Beurteilung einer Kostenwirtschaftlichkeit entwikkelt werden. Dabei kann eine vollständige oder aber auch nur eine teilweise Kostendeckung (ζ. B. aus sozialpolitischen Gründen) angepeilt werden. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns ist somit im Bereich der allgemeinen Verwaltungsleistungen durch eine Gegenüberstellung von Kosten mit Erträgen/Nutzen allein nicht sinnvoll möglich. Vielmehr ist ein permanenter Vergleich von Plänen (Soll-Vorgaben, Leistungsbudgets) mit den Ist-Ergebnissen anzustreben. Der Plan/Ist-Vergleich ist um eine Abweichungsanalyse zu ergänzen und kann zu einem System von „Belohnungen" und „Sanktionen" weiterentwickelt werden. Die erreichte Wirtschaftlichkeit ist daher immer nur relativ zur Soll-Vorgabe zu sehen. Das Wirtschaftlichkeitsproblem ist auf die Ebene der Planung und bei kasuistischen Normen (Gesetzen, Verordnungen) auf die Ebene der Normenvorgabe vorverlagert.

11 12

Vgl. Schauer 1993, S. 6. Vgl. Oettle 1987, S. 275 ff.

3 Speyer 117

Reinbert Schauer

34

IV. Informationsinhalte der Bestandsrechnung Die Bestandsrechnung stellt zeitpunktbezogen den Bestand an Vermögen und Schulden dar. Für die strukturelle Darstellung gibt es keine allgemein anerkannten Verfahrensregeln. Sie kann entwickelt werden: 1.

im Sinne einer finanzwirtschaftlichen Deckungsrechnung zur klaren Offenlegung der Nachdeckungserfordernisse in kameralistischer Betrachtungs• 13; weise

2.

im Sinne handelsrechtlicher Grundlagen zur pagatorischen Rechenschaftslegung über Vermögens- und Schuldenbestand und deren Veränderungen Zeitablauf;

3.

auf gänzlich anderer Basis im Sinne der vermögensrechtlichen möglichkeiten von Verwaltungen 14 .

im

Dispositions-

In jedem Fall kann in der Bestandsrechnung durch den Liquiditätssaldo aus der Finanzrechnung einerseits und durch den monetären Erfolgssaldo aus der Erfolgsrechnung andererseits die Vermögensänderung erklärt werden, die sich gegenüber dem Bestand am Ende der Vorperiode ergibt. Der Begriff „Schulden" in der Bestandsrechnung ist sehr weit zu fassen. Er kann einerseits als Finanzschulden und als Verwaltungsschulden aufgefaßt werden. Sie bedürfen einer finanzwirtschaftlichen Nachdeckung. Er kann aber andererseits auch als Eigenkapital im Sinne von „Widmungskapital" verstanden werden. Dieses Widmungskapital resultiert aus Abgabenerträgen oder anderen Erträgen, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bereitgestellt (somit „investiert") wurden. In einer erweiterten Betrachtungsweise kann es als eine „Schuld zur Leistung" (Leistungsschuld) gegenüber der Bevölkerung (Gesellschaft) angesehen werden. Die hohe Verschuldung der Gebietskörperschaften muß dazu führen, daß in einer Bestandsrechnung dieses „Widmungskapital" mit negativem Vorzeichen auszuweisen ist. Es stellt dann den akkumulierten „Vorgriff auf künftige Steuerlasten der Gesellschaft" dar.

V. Die Frage nach dem geeigneten Rechnungsstil (Kameralistik und/oder Doppik?) In der Verwaltungspraxis wird immer wieder die Diskussion um die Vor- und Nachteile der Verwaltungskameralistik entfacht. Immer mehr Vertreter aus Praxis und Wissenschaft verlangen die Einführung des kaufmännischen Rechnungswe13 14

Vgl. Mülhaupt 1987, S. 318 ff. Vgl. Lüder 1986, S. 89 ff.

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

35

sens (und damit der Doppik) auch im öffentlichen Bereich, nicht zuletzt aufgrund guter Erfahrungen in mehreren Staaten Europas und in Nordamerika 15 . Die in Deutschland in den Gebietskörperschaften praktizierte Verwaltungskameralistik weist in der Tat einige Schwächen auf, die eine Reform des öffentlichen Rechnungswesens notwendig machen 16 : 1.

Nach der Haushaltsreform der 60er und 70er Jahre stellt das Rechnungswesen eine Mischung aus finanz- und volkswirtschaftlichen Zielvorstellungen dar. Es läßt ein eindeutiges Rechnungsziel vermissen.

2.

Die starke finanzwirtschaftliche Orientierung erschwert die Darstellung leistungswirtschaftlicher Zusammenhänge, auch die Finanzsphäre wird nur unvollständig wiedergegeben. Mittelherkunft und Mittel Verwendung, Dekkungsvorgänge und Deckungserfolg sind nicht klar ersichtlich.

3.

Es fehlt an einer adäquaten (umfassenden) Vermögensrechnung.

4.

Wirtschaftlichkeitsinformationen kommen zu kurz, sie müssen allenfalls in Nebenrechnungen ermittelt werden.

5.

Der Aussagewert der Kassen- und Haushaltsabschlüsse bleibt gering, da Manipulationsmöglichkeiten bestehen.

6.

Die Möglichkeit zur gleichzeitigen Buchung von Soll und Ist bedeutet die Aufhebung des Prinzips der Trennung von Anordnung und Ausführung.

Die Befürworter eines doppischen Rechnungsstiles in der öffentlichen Verwaltung führen ins Treffen 17 : 1.

Die klassische Verwaltungskameralistik führt zu mangelndem Kosten- und Leistungsbewußtsein in der Verwaltung, was unwirtschaftliches Verhalten zur Folge hat. Die Integration leistungswirtschaftlicher Elemente in das öffentliche Rechnungswesen läßt sich leichter im doppischen System verwirklichen.

2.

Die notwendige Integration von Finanz-, Erfolgs- und Bestandsrechnung ist im doppischen System gewährleistet.

3.

Da aufgrund der Ausbildung wesentlich mehr Leute einen kaufmännischen Jahresabschluß lesen können, kann dem Öffentlichkeitsprinzip mit dem kaufmännischen Rechnungswesen besser Rechnung getragen werden.

4.

Beim Einsatz von EDV-Systemen kann auf kostengünstige Standard-Software zurückgegriffen werden.

15 16 17

3

Vgl. Lüder 1989, S. 266 ff. Vgl. Eichhorn 1991, S. 185 ff. Vgl. Eichhorn 1991, S. 189.

Reinbert Schauer

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Demgegenüber argumentieren die Gegner eines doppischen Rechnungsstiles: 1.

Unterschiedliche Zielsetzungen von öffentlichen Verwaltungen und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen erfordern auch unterschiedliche Rechnungskonzepte.

2.

Der „kaufmännische" Erfolg kann in den öffentlichen Verwaltungen nicht als Leistungsmaßstab gelten, es dominiert die Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

3.

Die Kapitalerhaltung ist kein Ziel öffentlicher Verwaltungen.

4.

Im doppischen Rechnungsstil kommen die finanzwirtschaftlichen Rechnungskategorien (wegen des Fehlens einer eigenständigen Finanzrechnung) zu kurz.

5.

Die Haushalts- und Kassenkontrolle (Anordnungskontrolle) kann im Kameralstil besser sichergestellt werden.

6.

Wohl ist die Wirtschaftlichkeitssteuerung in der Verwaltungskameralistik nicht entwickelt, doch ist die Wirtschaftlichkeit nur eine von mehreren Zielsetzungen.

Die vorgebrachten Argumente sind bereits zum Teil durch die vorangegangenen Ausführungen entkräftet worden. Die Diskussion trifft auch gar nicht den Kern des Problems, wie später noch zu zeigen sein wird. Die Frage Doppik oder Kameralistik wird in der Praxis über Gebühr zu einer Art „Glaubensfrage" hochstilisiert. Ein rechnungstheoretisch ausgewogener Reformvorschlag liegt von Ludwig Mülhaupt 18 vor. Er greift bei seiner Konzeption die Vorschläge von Rudolf Johns bzw. von Ernst Walb auf. Indem er finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Rechnungen kombiniert, beseitigt er entscheidende Schwachstellen des bestehenden Systems der Verwaltungskameralistik. Der Reformvorschlag sieht vier Teilrechnungen vor: 1.

Im Verwaltungshaushalt werden den deckungswirksamen Ertragseinnahmen die Aufwandsausgaben des Haushaltsjahres gegenübergestellt; der Differenzbetrag wird an den Vermögenshaushalt überwiesen, der außerdem die vermögenswirksamen Einnahmen und Ausgaben enthält.

2.

Eine Abgrenzungsrechnung nimmt alle leistungswirtschaftlich neutralen Einnahmen und Ausgaben auf.

3.

Die Betriebsergebnisrechnung umfaßt alle Leistungserträge und Leistungskosten, sie enthält alle leistungs- und erfolgswirksamen Einnahmen und Ausgaben und wird um die nur leistungswirtschaftlich bedeutsamen Positionen (ζ. B. kalkulatorische Kosten) ergänzt.

4.

Mit Hilfe der Sachbücher für den Haushalt und für das Vermögen werden die Bilanzen (Deckungsbilanz und Vermögensbilanz) erstellt. 18

Vgl. Mülhaupt 1987, S. 381 ff.

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

37

Die Einführung dieses Rechnungskonzeptes bei einem im kameralen Rechnungsstil geschulten Verwaltungspersonal dürfte sich einfacher gestalten als das Erlernen eines neuen Rechnungsstils. Trotzdem fand dieses Reformkonzept in der Verwaltungspraxis keinen Anklang. In Österreich und in der Schweiz wurden in den letzten beiden Jahrzehnten entscheidende Schritte zur Verbesserung und Erweiterung des staatlichen Rechnungswesens gesetzt. In beiden Staaten wurde eine mehrere Verrechnungskreise umfassende Verbundrechnung eingerichtet. In Österreich hielt man an den Funktionen der traditionellen Verwaltungskameralistik fest 19 . Man verbesserte die Steuerungs- und Abstimmungsmöglichkeiten im Hinblick auf Haushaltsvoranschlag und Haushaltsvollzug sowie Zahlungsanordnung und -ausführung durch den Einschluß von doppischen Buchführungs- und Abschlußelementen. Sie sind auch für die Integration mit der Jahresbestandsrechnung, der Jahreserfolgsrechnung, der (Verwaltungs-)Betriebsabrechnung und mit anderen Verrechnungskreisen maßgeblich. Durch die doppische Buchführungstechnik wird eine Geschlossenheit des Verrechnungssystems erreicht. Beim heutigen Stand der Informationstechnologie kann diese Funktionalität auch von Datenbankverwaltungssystemen übernommen werden. Die Logik der Doppik trägt jedoch wesentlich zum Verständnis der Verrechnungsabläufe bei den Benutzern bei. Dennoch bleibt das österreichische System der integrierten Haushaltsverrechnung noch immer überwiegendfinanzwirtschaftlich ausgerichtet. Leistungs wirtschaftliche Elemente kommen durch das Fehlen eines einheitlichen Ansatz- und Bewertungssystems zu kurz. Informationen über Leistungen und Leistungs-Wirkungen werden von der Verwaltungsführung auch nicht eingefordert. Das Rechnungssystem ist jedoch erweiterungsfähig und läßt rechnungsorganisatorisch eine duale (finanz- und leistungswirtschaftliche) Verrechnung zu. In der Schweiz entschied man sich auf der Ebene von Kantonen und Gemeinden für die kaufmännische Buchführung 20 . Den Bedürfnissen der Haushaltsplanung und Haushaltsüberwachung entsprach man durch die Erweiterung des privatwirtschaftlichen Rechnungssystems um Elemente der Finanzrechnung (Investitionsrechnung). Für die Abstimmung zwischen Haushaltsplan und Haushaltsvollzug bedient man sich der Sicherungs- und Kontrolleinrichtungen einer EDV-orientierten Datenbankorganisation. Ein hoher Stellenwert wird den verwaltungsinternen Verrechnungen beigemessen, sie sollen eine kostenbewußte Lenkung und Steuerung des Verwaltungsgeschehens ermöglichen. Die interne Verrechnung auf der Basis von Zahlungsströmen ist auch in Österreich gebräuchlich. In der Schweiz ist jedoch die Verrechnung von kalkulatorischen Größen 19 20

Vgl. Schauer 1985, S. 217 ff. Vgl. Buschor 1987, S. 29 ff.

Reinbert Schauer

38

weitaus stärker ausgeprägt und gefordert. Es gelang jedoch nicht, die Abschreibungssätze für die Vermögensnutzung zu vereinheitlichen. Die Kantone und Gemeinden legen die Höhe der Abschreibungen daher oft vom gewünschten Rechnungsergebnis her fest. Daraus ergibt sich eine zu hohe oder zu geringe Dotierung der Reservefonds. Weder das Verwaltungsvermögen noch das Eigenkapital der Verwaltungen werden dadurch miteinander vergleichbar. Die Frage nach dem geeigneten Rechnungsstil läßt ein Verständnisproblem und ein Meßproblem offenkundig werden 21 . Das Verständnisproblem berührt die Frage, ob die Instrumente und Techniken des kaufmännischen Rechnungswesens leistungsfähiger als jene der traditionellen Verwaltungskameralistik seien. Diese Frage läßt sich nur aus der Sicht der konkreten Informationsansprüche, die vom Verwaltungsmanagement an das Öffentliche Rechnungswesen gestellt werden, beurteilen. Das Meßproblem liegt in der Tatsache begründet, daß die Zielsetzungen und gewünschten Wirkungen des Verwaltungshandelns oft nur allgemein und damit nicht durchgängig operational vorgegeben und erfaßt werden können. Die in den verschiedenen Ländern praktizierten Rechnungsstile sind jeweils entwicklungsgeschichtlich geprägt und entsprechen jenem Informationsbedürfnis, wie es von der Öffentlichkeit und von der Verwaltungsführung artikuliert wird. Sie entsprechen daher einem konkreten Informationsprogramm, wie es von der Öffentlichkeit und von der Verwaltungsführung nachgefragt wird. Wenn nun der Rechnungsstil verändert werden soll, so muß dies aus einem veränderten Informationsprogramm und damit aus einer veränderten Informationsnachfrage hergeleitet werden!

V I . Die Reformvorschläge der Wissenschaftlichen Kommission „Öffentliche Unternehmen und Verwaltungen" im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. Die Wissenschaftliche Kommission „Öffentliche Unternehmen und Verwaltungen" im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. beschäftigt sich seit mehr als sechs Jahren mit Diskussionsvorschlägen zur Reform des Öffentlichen Rechnungswesens. Mit dem Sammelband „Doppik und Kameralistik" — als Festschrift für Ludwig Mülhaupt konzipiert — legte Peter Eichhorn 1987 eine Bestandsaufnahme über Ausgestaltung und Fragen der beiden Rechnungsstile in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor 2 2 . Sie regte vor allem Klaus Lüder, Hannes Streim und Ernst Buschor zu intensiven Forschungen über die Rechnungswesen-Konzepte in anderen europäischen und amerikanischen Län21 22

Vgl. Schauer 1989b, S. 77. Vgl. Eichhorn 1987.

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

39

dem an. Unter dem Vorsitz des Verfassers dieses Beitrags wurden bereits 1988 Leitlinien für die Reform des Öffentlichen Rechnungswesens und damit ein Katalog von Anforderungen an ein leistungsfähiges Rechnungswesen im öffentlichen Bereich veröffentlicht. Im wesentlichen wurden folgende Leistungsmerkmale gefordert 23 : ,,a) Eignung zur Abstimmung zwischen Haushaltsplanung und Haushaltsführung, zur Feststellung der Stadien des Haushaltsvollzugs, zur Überwachung der Zahlungsanordnung und Zahlungsausführung sowie zur Erfassung der Zahlungsmittelbestände und ihrer Veränderungen; b)

Gesamtausweis der Bestände an Vermögen und Schulden und deren Veränderungen;

c)

Entwicklung einer modernen, auf die Verwaltungsziele ausgerichteten Kosten- und Leistungsrechnung, die dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in den einzelnen Verantwortungsbereichen Rechnung tragen läßt;

d)

Orientierung an Regeln, die wie die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung zu einer einheitlichen Praxis im Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen führen, wissenschaftlich fundiert sind und Normcharakter haben."

Die Reformdiskussion in der Kommission wurde danach unter dem Vorsitz von Helmut Brede, Karl Oettle und Ernst Buschor intensiv fortgeführt. Im Sommer dieses Jahres wurden „Empfehlungen für das öffentliche Rechnungswesen im Rahmen der Haushaltsreform" verabschiedet 24, deren wesentliche Inhalte im Rahmen dieser Tagung noch vorgestellt werden.

V I I . Anforderungen aus der Sicht des Verwaltungs-Controlling Ohne diesem Bericht vorgreifen zu wollen, sind aus der Sicht des VerwaltungsControlling folgende Feststellungen notwendig: 1.

Die in der Verwaltungspraxis nachgefragten Informationsprogramme — Kameralistik und Kaufmännische Buchführung — sind noch zu wenig entscheidungsorientiert ausgerichtet. Sie können die konstitutiven Elemente der Führung, nämlich Planung, Entscheidung, Anordnung und Kontrolle, in der Informationsbereitstellung nur zum Teil unterstützen.

2.

Es ist besonders wichtig, daß die Planung gegenüber der Rechnungslegung in den Vordergrund gerückt wird. Anstelle der Input-Orientierung und jähr23 24

Vgl. Wissenschaftliche Kommission 1988, S. 684. Vgl. Brede / Buschor 1993, S. 287 ff.

40

Reinbert Schauer

liehen Fortschreibung von Etat-Ansätzen hat eine aufgabenorientierte Leistungsbudgetierung zu treten. 3.

Für die Planung gewinnen zunehmend die projektbezogenen und weniger die zeitbezogenen Rechnungen an Bedeutung.

4.

Leistungen treten oft im Leistungsverbund in Erscheinung. Die mit der Leistungsbereitschaft verbundenen Kosten fallen als „verbundene Kosten" (Kostenverbund) oftmals gemeinsam für mehrere Leistungen an. Die stufenweise Fixkostenrechnung und die Prozeßkostenrechnung stellen auch in Verwaltungen überlegenswerte Alternativen zur Stärkung des Kosten- und Leistungsbewußtseins dar.

5.

Die Verfahren des Rechnungswesens müssen eine flexible Verknüfung von Daten für den Planungsprozeß und für den Kontrollprozeß erlauben. Dies bedingt eine entsprechende Organisation der zumeist EDV-unterstützten Informationswirtschaft.

6.

Die Tendenz zur Ausgliederung von staatlichen Aufgaben aus dem Budget ist rechtsformabhängig mit einer Tendenz zum kaufmännischen Rechnungswesen (zwingend für AG und GmbH) verknüpft. Diese Tendenz ist auch im Falle von Teilprivatisierungen und damit im Falle einer privat-staatlichen Verbundproduktion gegeben. Sie führt zu Schwierigkeiten in der Konsolidierung des Rechnungswesens und damit bei erwünschten Gesamtdarstellungen, da das Holding-Denken vom kameralistischen Rechnungswesen nicht unterstützt wird.

7.

Eine ähnliche Problematik ist bei der Dezentralisierung von Aufgaben mit eigener Ergebnisverantwortung gegeben. Sie erfordert einerseits abgrenzbare Rechnungswesensysteme, die die geforderte Eigenständigkeit in der Ergebnisermittlung gewährleisten lassen, und andererseits die Möglichkeit zur Konsolidierung der Rechnungsergebnisse.

8.

Die wachsende internationale Verflechtung und der Aspekt der internationalen Lastenverteilung verlangen auch für das Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen die Einhaltung der Prinzipien von Transparenz und Vergleichbarkeit.

Die Verwaltungsführung bedarf daher im Öffentlichen Rechnungswesen einer Informationsbasis, die es zuläßt und unterstützt, daß das vom Management artikulierte Informationsbedürfnis sich im Zeitablauf verändern kann. Eine Änderung der Rechnungsorganisation in die aufgezeigte Richtung kann entweder im Wege einer vollständigen und umfassenden Neustrukturierung („Radikalkur") erfolgen. Sie setzt die Bereitschaft voraus, sich gegebenenfalls von althergebrachten Traditionen innerhalb kürzester Zeit zu lösen und offen und vorurteilsfrei neuen Konzepten zuzuwenden. Sie läßt sich aber auch schrittweise realisieren, um die Vorteile des bisherigen Systems zu bewahren, neue Informations ver-

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

41

arbeitungsmöglichkeiten kognitiv besser zu erfassen und um letztlich auch unnötige Unruhe in der Verwaltung zu vermeiden. Als pragmatische Lösung bietet sich folgendes, heuristisch konzipiertes Vorgehen an: 1.

Die heute in den verschiedenen Ländern praktizierten Rechnungsstile werden als weitgehend von der Öffentlichkeit und der Verwaltungsführung akkordiertes (Tei\-)Informationsprogramm angesehen. Es sollte als „Grundrechnung" verstanden werden.

2.

Die heute übliche Rechnungsorganisation ist EDV-orientiert und stützt sich weitgehend auf eine Datenbankorganisation ab. Es sollte Vorsorge getroffen werden, daß eine den Wünschen des Verfassungsmanagements entsprechendeflexible Erweiterung der Datenbasis möglich wird. Dies gilt insbesondere für die Verwaltungskameralistik, die um Datenelemente erweitert werden muß, die für die Kosten- und Leistungsrechnung notwendig sind. Dies gilt umgekehrt aber auch für die kaufmännische Buchführung, die um eine Voranschlagswirksame Verrechnung (Finanzrechnung) erweitert werden muß.

3.

Die Datenbankorganisation schafft die Voraussetzungen dafür, daß die Abbildungsdimensionen im Öffentlichen Rechnungswesen erweitert werden. Damit kann die Basis für zielorientierte „Sonderrechnungen" geschaffen werden. Da Informationen über Leistungs-Wirkungen und externe Effekte in den herkömmlichen pagatorischen Ermittlungsrechnungen nicht verfügbar sind, müssen sie in gesonderten Erfassungsprozessen bereitgestellt und organisatorisch in die Datenbasis integriert werden können.

4.

Im Sinne von „lernfähigen" Systemen kann der Informationsstand des Verwaltungsmanagements verbessert werden. Dies hängt jedoch wesentlich von der Bereitschaft und vom Willen des Verwaltungsmanagements ab, die Informationsbedürfnisse umfassender als bisher zu artikulieren. Das nachgefragte Informationsprogramm wäre auch stärker als bisher auf ziel- und leistungswirtschaftliche Dimensionen auszurichten.

Effizienz und Effektivität dürfen somit keine Leerformeln im Verwaltungsgeschehen darstellen. Das Öffentliche Rechnungswesen hat deshalb nicht nur Dokumentationsanforderungen zum Nachweis der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu entsprechen, sondern ist auch als Informationslieferant zur Erkennung von Effizienzsteigerungspotentialen und zur Sicherstellung einer effektiven Aufgabenerfüllung einzusetzen. Dies bedingt Maßnahmen in der Rechnungsorganisation, in der Akzeptanz des Rechnungswesens als Lenkungs- und Steuerungsinstrument beim Verwaltungsmanagement und im Bewußtsein über die Aussagekraft des Öffentlichen Rechnungswesens bei den Meinungsbildnern in der Öffentlichkeit. Es ist daher ein erkennbarer Bewußtseinswandel bei den politischen und administrativen Entscheidungsträgern und somit ein erkennbarer Wandel in der Verwaltungskultur notwendig. Ohne diesen Wandel müßten die

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Reinbert Schauer

Dispositions-, Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, die das Öffentliche Rechnungswesen bereitzustellen vermag, ungenützt bleiben. Die Reform des Öffentlichen Rechnungswesens ist demnach auch als eine Reform der öffentlichen Verwaltung einzustufen!

Literatur Brede, Helmut I Buschor, Ernst (Hrsg.) (1993): Das neue Öffentliche Rechnungswesen, Baden-Baden 1993. —Buschor, Ernst (1987): Die Schweizer Haushaltsreform der Kantone und Gemeinden, in: Peter Eichhorn (Hrsg.), Doppik und Kameralistik, Festschrift für Ludwig Mülhaupt zur Vollendung des 75. Lebensjahres, Baden-Baden 1987, S. 29-47. — Eichhorn, Peter (Hrsg.) (1987): Doppik und Kameralistik, Festschrift für Ludwid Mülhaupt zur Vollendung des 75. Lebensjahres, Baden-Baden 1987. — Eichhorn, Peter (1991): Zur Notwendigkeit einer Haushaltsreform, in: Peter Faller, Dieter Witt (Hrsg.), Dienstprinzip und Erwerbsprinzip, Festschrift für Prof. Dr. Karl Oettle zur Vollendung des 65. Lebensjahres, Baden-Baden 1991, S. 181-192. — Fenske, Hans (1989): Verwaltungsgeschichte, in: Klaus Chmielewicz, Peter Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft, Stuttgart 1989, Sp. 1632-1642. —International Federation of Accountants (IFAC), Public Sector Committee (1993): Study 2 — Elements of the Financial Statements of National Governments, New York 1993. — König, Herbert (1989): Verwaltungsreformen, in: Klaus Chmielewicz , Peter Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft, Stuttgart 1989, Sp. 1738-1744. — Laux, Eberhard (1989): Verwaltungsmanagement, in: Klaus Chmielewicz, Peter Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft, Stuttgart 1989, Sp. 1677-1689. — Lüder, Klaus (1986): Zur Bewertungsproblematik bei finanziellen Verbundrechnungen der öffentlichen Hand, in: Klaus Lüder (Hrsg.), Entwicklungsperspektiven des öffentlichen Rechnungswesens, Speyerer Forschungsberichte Nr. 48, Speyer 1986, S. 89-107. — L ü der, Klaus (1989): Externes Rechnungswesen öffentlicher Verwaltungen — Ein europäischer Vergleich, in: Jürgen Weber, Otto Tylkowski (Hrsg.), Controlling in öffentlichen Institutionen, Stuttgart 1989, S. 265-278. — Mülhaupt, Ludwig (1987): Theorie und Praxis des öffentlichen Rechnungswesens in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1987. — Oettle, Karl (1987): Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung des kaufmännischen Rechnungswesens auf öffentliche Verwaltungen, in: Peter Eichhorn (Hrsg.), Doppik und Kameralistik, Festschrift für Ludwig Mülhaupt zur Vollendung des 75. Lebensjahres, Baden-Baden 1987, S. 275-290. — Schauer, Reinbert (1985): Das System der integrierten Haushaltsverrechnung in Österreich, in: Peter Eichhorn (Hrsg.), Betriebswirtschaftliche Erkenntnisse für Regierung, Verwaltung und öffentliche Unternehmen, BadenBaden 1985, S. 217-233. —Schauer, Reinbert (1989a): Ansatzpunkte für eine Ausgestaltung des Öffentlichen Rechnungswesens als Instrument zur Effizienzsteigerung in öffentlichen Verwaltungen, in: Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich, 30. Jg., 1989, S. 85-112. — Schauer, Reinbert (1989b): Ist das Öffentliche Rechnungswesen zu reformieren?, in: Bayerische Verwaltungsblätter, 120. Jg., 1989, S. 76-78.— Schauer, Reinbert (1991): Neuere ausländische und internationale Entwicklungen des externen öffentlichen

Verwaltungsreform und Reform des öffentlichen Rechnungswesens

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Rechnungswesens: Österreich und Schweiz, in: Klaus Lüder (Hrsg.), Staatliches Rechnungswesen in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Hintergrund neuerer internationaler Entwicklungen, Berlin 1991, S. 77-94. —Schauer, Reinbert (1992): Kameralistik und/oder Doppik? Anmerkungen zur Reform des öffentlichen Rechnungswesens im Lichte der Erfahrungen in Österreich und in der Schweiz, in: VOP Verwaltungsführung / Organisation / Personal, 14. Jg., 1992, S. 5-11. — Weiss, Jürgen (1993): Reform der Staatsaufgaben als Beitrag zur Verwaltungsreform, in: Zeitschrift für Verwaltung, 18. Jg., 1993, S. 116-120. — Wissenschaftliche Kommission „ Öffentliche Unternehmen und Verwaltungen" im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. ( 1988): Leitlinien für die Reform des öffentlichen Rechnungswesens, in: Die Betriebswirtschaft, 48. Jg., 1988, S. 683-685.

Diskussion Leitung: Prof. Dr. Heinrich Reinermann Berichterstatterin: Brigitte Kampmann

Der Sitzungsleiter, Heinrich Reinermann, dankte Reinbert Schauer für den einleitenden Vortrag. Er hob den am Ende stehenden, für ihn sehr interessanten Vorschlag hervor, in dem Schauer sich für die Entwicklung des Rechnungswesens hin zu einer Grundrechnung ausspreche, die unter Nutzung moderner Informationstechniken nach den jeweiligen Informationsbedürfnissen der Nutzer ausgestaltet bzw. ausgewertet werden könne. Reinermann eröffnete daraufhin die Diskussion mit der metaphorischen Analogie, daß der persönliche Computer heute offenbar auch persönliche Informationssysteme erlaube. Friedrich Lenz maß dem von Schauer erwähnten Leistungs- und Kostenbewußtsein ebenfalls große Bedeutung bei. Er gab aber zu bedenken, daß diesem ein geistiger Prozeß bzw. ein Umdenken der betroffenen Mitarbeiter in der Verwaltung vorangehen müsse. Unabdingbare Grundlage für eine Reform im öffentlichen Rechnungswesen sei die frühe Einbindung der Mitarbeiter der Verwaltung in diese Veränderungsprozesse und demzufolge eine entsprechende Schulung. Lenz richtete an Schauer die Frage, ob es derartige begleitende Maßnahmen bei der Reform des Rechnungswesens in Österreich gegeben habe, bzw. ob es sie zur Zeit gäbe. Schauer bestätigte, daß es im Ausbildungssystem verankerte, begleitende Maßnahmen in Österreich gebe, räumte allerdings ein, daß er persönlich eine Intensivierung dieser Maßnahmen befürworte, da es vor allem an der Weiterbildung der politischen Entscheidungsträger und der Führungskräfte in der Verwaltung fehle. Seines Erachtens müsse mit der Schärfung des Kostenbewußtseins bei der Verwaltungsführung und bei der politischen Führung begonnen werden. Allerdings müsse man auch Hilfestellungen bei einer sinnvollen Erschließung und Nutzung der Vielzahl der bereits vorhandenen Daten und Statistiken geben. Vor allem Leistungsdaten und Daten des Mitteleinsatzes sollten miteinander verknüpft und so das Denken in Produktivitätsgrößen geschult werden. Erst danach sei der nächste Schritt, d. h. die umfassende Gestaltung und Bewertung dieser

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Diskussion

Mitteleinsätze möglich, um schließlich zu einem echten Kosten- und Leistungsbewußtsein zu gelangen. Diesen ersten Schritt, die Verknüpfung der vorhandenen Daten und Statistiken zu leisten, sei primäre Aufgabe der Verwaltungsführung. Karl Wollrab ergänzte die Ausführungen Schauers bezüglich der begleitenden Schulungsmaßnahmen. Das österreichische Bundesministerium für Föderalismus und Verwaltungsreform plane in Kürze eine spezielle Ausbildungs- und Schulungsmaßnahme, mit dem Ziel, das Kostendenken in der Verwaltung zu fördern. Weiterhin bemerkte er, daß die Weiterbildung der politischen Führungskräfte durch gezielte Informationsverbreitung gesteuert werden solle. Dementsprechend würden in Österreich ζ. B. die Ressortchefs durch Vortragsreihen mit dem Thema Verwaltungscontrolling enger vertraut gemacht, womit man ein stufenweises Vorgehen bei der Ausbildung verfolge. Abschließend verwies Wollrab darauf, daß in Kürze in einem Ressort das Instrument der Kostenrechnung eingeführt werde, räumte allerdings ein, daß es bis zu einer umfassenden Nutzung und Verwertung der damit erzeugten Informationen noch ein weiter Weg sei. Reinermann ergänzte den Beitrag Wollrabs, indem er auf das Theorem des Nationalökonomen Say verwies, welches besage, daß sich jedes Angebot seine Nachfrage selbst schaffe. Schauer fügte den beiden vorausgegangenen Diskussionsbeiträgen von Lenz und Wollrab hinzu, daß das österreichische Rechnungssystem von seiner konzeptionellen Ausgestaltung so weit ausgelegt sei, daß es durchaus in der Lage sei, einen Großteil der im Vortrag angesprochenen Zielvorstellungen zu realisieren. Er räumte aber ein, daß es in bestimmten Bereichen noch inhaltlicher Verbesserungen bedürfe, was sich vor allem auf die Vermögenskosten, d. h. beispielsweise auf nutzungsabhängige Abschreibungen, Zinsen auf das Kapital und Wagniskosten beziehe. Schulungsmaßnahmen in großem Umfang seien sowohl notwendig als auch geeignet, eine Bewußtseinsbildung zu verstärken, die die verfügbaren Informationen im Sinne eines Verwaltungscontrolling, also des Steuerns von Verwaltungshandeln, nutzbar mache. Da die Entscheidungsträger sowohl im politischen Bereich wie auch z.T. im Verwaltungsbereich noch immer an die finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise gewöhnt seien, sei allerdings davon auszugehen, daß dies ein langfristiger Prozeß sein werde. Eine über Jahrzehnte — wenn nicht gar Jahrhunderte — gewachsene Verwaltungskultur ließe sich eben nicht von heute auf morgen ändern. Otto Kaufmann gab zu bedenken, daß im Ergebnis bei Ausbau des kameralistischen Systems und seiner Erweiterung um eine Kosten- und Leistungsrechnung immer noch ein zweites System, nämlich das der doppelten Buchführung, das ζ. B. in den deutschen kommunalen Eigenbetrieben angewendet werden müsse, bestünde. Diese beiden Systeme seien nicht kompatibel und miteinander

Diskussion

aggregierter, und dies erschwere den Überblick über die Tätigkeit im gesamten öffentlichen Bereich. Kaufmann plädierte dafür, sich auf die Einführung eines einzigen Systems zu einigen, zweckmäßigerweise auf das kaufmännische Rechnungssystem. Dieses System habe gegenüber dem kameralistischen System den Vorteil des höheren Verbreitungs- und Bekanntheitsgrades und wäre somit auch für einen größeren Teil der Öffentlichkeit nachvollziehbar. Dietrich Budäus äußerte Zustimmung zu den Ausführungen Schauers hinsichtlich der theoretischen Analyse der Funktion des öffentlichen Rechnungswesens, bezog aber — wie zuvor Kaufmann — hinsichtlich der gezogenen Schlußfolgerungen eine Gegenposition. Budäus gab zu bedenken, daß die vorgeschlagene Weiterentwicklung der Kameralistik im Sinne einer Integration der Kostenund Leistungsrechnung nicht unbedingt zu einem stärkeren Kostendenken führe. Er verwies dazu auf Beispiele aus der kommunalen Praxis. Hier gäbe es vor allem in den Gebührenhaushalten bereits eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher Instrumente, insbesondere die Kostenrechnung. Infolgedessen sei man aber nicht zu einem verstärkten Denken in Kosten- und Leistungsgrößen gelangt, sondern lediglich zu einer Verknüpfung der Kostenrechnung mit dem kameralistischen Rechnungswesen in der Weise, daß man die Kostenrechnung dazu nutze, um ζ. B. Gebühren in ihrer Höhe zu legitimieren. Budäus schloß daraus, daß betriebswirtschaftliche Kosten- und Leistungsrechnungen in der öffentlichen Verwaltung kontraproduktiv angewendet würden und damit das Gegenteil der ursprünglich beabsichtigten Zielsetzung erreicht würde, nämlich eine Verstärkung des kameralen Denkens. Dementsprechend hielt Budäus es für unumgänglich, in der Verwaltung generell die Kameralistik durch das kaufmännische Rechnungswesen zu ersetzen. Erst durch die Umstellung des gesamten Systems auf ein kaufmännisch orientiertes System könne die notwendige „psychologische Umorientierung" in der Verwaltungskultur und somit eine echte Leistungs- und Kostenorientierung bewirkt werden. Weitere unabdingbare Voraussetzung einer Verankerung des Kostendenkens in der Verwaltung sei die Änderung des bestehenden Dienstrechts. Das Denken in Kosten- und Leistungsgrößen müsse spürbare Folgen für den jeweiligen Entscheidungsträger haben. Kosteneinsparungen müßten mit einem „persönlichen Nutzen" für den Handelnden, dauerhafte Ressourcenverschwendung mit einer entsprechenden Sanktion verbunden sein. Daraus resultiere die Forderung nach einer leistungsorientierten Besoldung mit Leistungsanreizen und Sanktionsmöglichkeiten. Derartige Möglichkeiten biete das derzeitige öffentliche Dienstrecht jedoch kaum. Schauer nahm zu den Diskussionsbeiträgen Stellung: Bezüglich des von Kaufmann angesprochenen Problems der Eigenbetriebe bestätigte er das hier bestehende Dilemma. Sobald man bei den Eigenbetrieben wie auch den Eigengesellschaften durch Rechtsform unter die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches falle, müsse das kaufmännische Rechnungswesen angewendet werden. Hier ent-

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Diskussion

stehe dann der Dualismus von Verwaltungskameralistik einerseits und kaufmännischem Rechnungswesen andererseits. Aus Zweckmäßigkeitsgründen könne es nun sinnvoll sein, die Verwaltungskameralistik ganz aufzugeben und das kaufmännische Rechnungswesen in allen Teilen der Verwaltung einzuführen. Dabei müsse man sich jedoch vor Augen halten, daß das kaufmännische Rechnungswesen — wie schematisch im Vortrag dargestellt — nur eine Bestands- und Erfolgsrechnung, nicht aber eine Finanzrechnung biete. Um durch den Übergang auf dieses System Informationsverluste zu vermeiden, müsse man daher — und dazu brauche man vor allem die EDV — ein entsprechendes Informationssystem aufbauen, das als Ergänzung zum kaufmännischen Rechnungswesen die Informationsziele der Finanzrechnung abdecke. Bei einer — aus Zweckmäßigkeitsgründen gefällten — Entscheidung für das kaufmännische Rechnungssystem dürfe also nicht vergessen werden, daß der Übergang mit einem Informationsverlust verbunden sei, wenn man nicht ergänzende informatorische Vorsorge treffe. Dies darzulegen, sei die Absicht seiner Ausführungen gewesen. Sollte sich unter Berücksichtigung der Entwicklungen im öffentlichen Rechnungswesen, wie etwa in Skandinavien, Großbritannien, den USA und Kanada zeigen, daß der internationale Trend eindeutig zum kaufmännischen Rechnungswesen gehe, so sollte man sich der allgemeinen Entwicklung nicht verschließen. Nur müßten, was auch den internationalen Empfehlungen auf diesem Gebiet entspräche, die Überlegungen hinsichtlich Haushaltskontrolle und -Vollzug berücksichtigt werden. Die Leistungsfähigkeit des derzeitigen Rechnungssystems müsse auch im zukünftig angewandten Rechnungssystem sichergestellt werden, wozu nach Schauers Ansicht die Nutzung der EDV-Technologie ein besonders geeignetes Instrument darstelle. Zu der Umsetzbarkeit und einer möglichen Implementationsstrategie des kaufmännischen Rechnungswesens in der öffentlichen Verwaltung bemerkte Schauer generell, daß er eine Politik der kleinen Schritte präferiere. Allerdings könne unter Umständen ein drastischer Schritt notwendig sein, und er verwies dabei auf die Rechnungswesenreform der Schweizer Kantone und Gemeinden. Zu erwarten sei dann jedoch ein gewisses Maß an „politischer Unruhe". Den Vorschlag, das bestehende Dienstrecht zu reformieren, befürwortete Schauer uneingeschränkt. Das kaufmännische Rechnungssystem biete die Möglichkeit der Abweichungsanalyse. Sollen Aufgabenverantwortliche nun wirtschaftlich handeln, müsse es in der Konsequenz auch Belohnungs- und Sanktionsmechanismen geben, die entsprechend im Dienstrecht verankert werden müßten. Mit dem Dank an den Referenten und die Diskutanten schloß der Sitzungsleiter die Diskussion.

Die Entwicklung des öffentlichen Rechnungswesens in der Schweiz vor dem Hintergrund der spezifischen nationalen Rahmenbedingungen Von Hans Mäder und Kuno Schedler, St. Gallen

I. Die Schweiz im Lichte von Klaus Lüders Kontingenzmodell Die Schweiz ist mit 6,7 Millionen Einwohnern ein kleines Land im Herzen Europas. Ihre politische Tradition, verwurzelt im Hang aller Bergvölker zu ausgeprägter Eigenständigkeit, fußt auf starkem Föderalismus und direkter Demokratie. Diese Tradition prägt das schweizerische System der Konkordanz (Mehrparteienherrschaft, die keinen Wechsel zwischen Regierung und Opposition kennt) und hat eine „Kompromißkultur" begünstigt, der die Dynamik einer Anakonda im Eisschrank nachgesagt wird. Veränderungen lassen sich — bedingt durch die vielen kleinen, aber referendumsfähigen Interessengruppen — nur in kleinen Schritten vollziehen. Vor diesem Hintergrund stellen die notwendigen Reformen im öffentlichen Sektor der Schweiz eine Herausforderung an die Wandlungsfähigkeit der Gesellschaft dar 1 . Die Gründe für die mangelnde Reformfreudigkeit im Bereich des öffentlichen Rechnungswesens der Schweiz lassen sich anhand des leicht modifizierten Kontingenzmodells von Klaus Lüder (vgl. Abb. 1, S. 50) anschaulich darstellen. Dieses Modell soll dazu beitragen, die „Erfolgsfaktoren" staatlicher Innovation zu finden: „It is finally aimed to contribute to explaining why those innovations took place in some countries and did not in others" 2. Dazu bedient es sich verschiedener erklärender Elemente: Stimuli, Strukturen und Einführungshemmnisse beeinflussen das Verhalten der Administration und bewirken zusammen einen für jedes Land spezifischen Innovationsprozeß. — Stimuli: Das konsolidierte Staatsdefizit (Bund, Kantone und Gemeinden) wird für 1993 auf SFr. 17 Mia. geschätzt. Damit beträgt die Neuverschul1 2

Vgl. Horber-Papazian / Thévoz 1990, S. 13. Lüder 1994, S. 1.

4 Speyer 117

Hans Mäder und Kuno Schedler

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Stimuli -finanzieller Druck

(1993:17 Mia. sFr. Defizit)

• Änderung der Doktrin: Leistungsorientierung Stabilität der politischen Verhältnisse: Konkordanz

bewirken

bewirken

bewirken grosse Erwartungen der Öffentlichkeit (Informationsbenützer)

X

bewirken Variable der Gesellschaftsstruktur - konservative Sozialstruktur mit versch. Sprachkreisen -guter Zugang zum Kapitalmarkt - starke Interessengruppen

y

t

bew.

grosse Erwartungen, aber langsame Änderungen der politischen Akteure — bew. (Informationsbenützer und -produzenten)

verstärken

JK

bewirken

Variable der politischen Struktur - demokratische Kultur; Föderalismus - direkte Demokratie führt zu Einschränkung der Exekutivmacht - schwacher politischer Wettbewerb wegen Konkordanzregierung

langsames Änderungsverhalten der "Beamten" (Informationsproduzenten) ~ ~ * bewirken Variable der Verwaltungsstruktur Verwaltungskultur unterentwickelt schwache Personalmangagementsysteme Standard-settingOrganisationen eher schwach kaufm. Rechnungswesen im Grundsatz vorh.

Einführungshemmnisse -rigidesRechtssystem - grosse Ordnungsdichte - hoher Anteil nichtprofessioneller Verwalter in den Kommunen (Kompetenzprobl.)

langsamer Innovationsprozess

Abb. 1 : Die Schweiz im Lichte von Lüders Kontingenzmodell {Quelle: in Anlehnung an Lüder 1994, S. 9)

Die Entwicklung des öffentlichen Rechnungswesens in der Schweiz

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dung fast 5 Prozent des Brutto-Sozialproduktes 3. Dies schafft in der Schweiz, wo eine ausgeglichene Staatsrechnung als prioritäres Ziel gilt, einen enormen Sparzwang. Dieser Druck wirkt sich gegenwärtig auch förderlich auf die Leistungsorientierung der Verwaltung aus. —

Variablen der Gesellschaftsstruktur: Die eher konservative und doch vielfarbige Gesellschaft der Schweiz stellt wie erwähnt hohe Ansprüche an die Integrationsfähigkeit des politischen Systems. Die Aufnahme neuen Kapitals stellt zwar für die Gemeinwesen (mit wenigen Ausnahmen) vorderhand kein größeres Problem dar. Verschiedene Kreditinstitute haben jedoch damit begonnen, auch öffentliche Gemeinwesen auf ihre Bonität zu überprüfen. Generell steigt die Skepsis des Finanzmarktes im Gleichschritt mit dem Defizit und überträgt sich auch auf die Pressure Groups. Die Interessenverbände sind in der Schweiz gut organisiert und haben oft größeren Einfluß als die politischen Parteien. In neuester Zeit ist vor allem aus wirtschaftlichen Kreisen ein großes Interesse an der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors zu verzeichnen, weil die Leistung der öffentlichen Verwaltung für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zunehmend von Bedeutung ist.



Variablen der politischen Struktur. Das ausgeprägt föderalistische Denken verhindert umfassende Gebietsreformen nahezu gänzlich. Die atomare Struktur bedingt eine aufwendige politische Überzeugungsarbeit, die ein vertretbares Maß übersteigt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es zudem schwierig, kleine Gemeinden mit wenigen Einwohnern effizient und effektiv zu führen 4. Außerdem spielen in der direkten Demokratie ausgesprochen kleine Gruppen immer wieder die Rolle des Spielverderbers, indem selbst komfortable parlamentarische Mehrheiten vom Souverän (Stimmvolk) desavouiert werden. Die Regierungsparteien sind deshalb gezwungen, bereits im vorparlamentarischen Verfahren breiten Konsens zu erzielen, was kaum Raum für Oppositionspolitik läßt. Dies alles führt dazu, daß die Bewegungsund Risikofreudigkeit des politischen Systems derjenigen eines erratischen Blockes gleicht. Tiefgreifende Änderungen sind selten.



Variablen der Verwaltungsstruktur: Das Schreckgespenst der „Bürosklerose" geistert auch durch die Schweizer Amtsstuben. Nur langsam entwickelt sich eine leistungsorientierte, weniger formalisierte Verwaltungskultur. Personalmanagementsysteme sind noch schlecht ausgebaut; Anreizsysteme sind, sofern überhaupt vorhanden, vorwiegend materiell ausgerichtet 5. Tendenziell orientiert sich die Verwaltung stark am Recht und geht kaum Risiken ein. 3

BSP von 1992: 353 Mia. SFr. Da für 1993 Nullwachstum erwartet wird, dürfte sich die Relation nur unwesentlich verändern, wenn die definitiven Zahlen für 1993 vorliegen. 4 Vgl. Wagener 1969, S. 432 ff. 5 Vgl. Schedler 1993, S. 219 ff.

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Hans Mäder und Kuno Schedler

Eine offizielle Standard Setting Organization gibt es in der Schweiz nicht. Die Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren ist ein eher träges, politisches Gremium, das zwar ein Rechnungsmodell erarbeitete, seither jedoch bezüglich Standards für das öffentliche Rechnungswesen praktisch inaktiv geblieben ist. Gegenwärtig engagiert sich die Konferenz der Kantonalen Aufsichtsstellen über die Gemeindefinanzen mit einer neuen Publikation für eine verstärkte Harmonisierung des öffentlichen Rechnungswesens, insbesondere mit Grundsätzen zur finanziellen Führung. Welche Bedeutung ihr zukommen wird, muß sich erst noch zeigen. Im Privatsektor besteht zwar eine Vereinigung, die Schweizerische Treuhandkammer, bis anhin hat sie sich jedoch nicht zum öffentlichen Rechnungswesen geäußert. Das neue Revisionshandbuch der Schweiz (1994; im Druck) wird allerdings einen besonderen Teil „Öffentliche Verwaltung" enthalten. — Einführungshemmnisse: Die schweizerische Justiz wird zwar häufig als eher wenig einflußreich bezeichnet (fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit); dies wird jedoch durch die Übervertretung juristisch ausgebildeter Mitarbeiter in der Verwaltung mehr als ausgeglichen. Die Bereitschaft, betriebswirtschaftliche Erkenntnisse in die Verwaltungsführung einfließen zu lassen, hält sich deshalb in Grenzen. Das politisch-administrative System produziert durch die betont positivistische Grundhaltung der Akteure konditionale statt finale Entscheide, was zu einem stark reglementierten Rechtssystem führt, welches innovative Entwicklungen der Verwaltungssteuerung (wie beispielsweise Performance Measurement) zusätzlich hemmt oder verhindert. Ein weiteres Problem ist die oft mangelnde Professionalität der Verwaltungsführung, insbesondere der Buchhalter, auf Gemeindeebene (kleine Gemeinden mit Milizverwaltern). Dies alles bewirkt den für die Schweiz typischen langsamen Innovationsprozeß, der zwar Kontinuität und Stabilität sichert, schnelle und revolutionäre Lösungen, wie sie im anglo-amerikanischen Raum möglich sind, aber wirksam verhindert. I I . Die Entwicklung bis heute Die Last öffentlicher Aufgabenerfüllung ruht in der Schweiz hauptsächlich auf drei theoretisch relativ unabhängigen, faktisch in vielen Dingen verflochtenen, Säulen: —

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Dem Bund werden durch die Verfassung jene Aufgaben explizit zugewiesen, die er zu erfüllen hat. Ihm stehen zu diesem Zweck rund SFr. 30 Mia. an Einnahmen zur Verfügung 6. Zahlen für 1990; Quelle: Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1994, 393 ff.

Die Entwicklung des öffentlichen Rechnungswesens in der Schweiz

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— Die 26 Kantone sind souverän und bilden das tragende Gerüst des Bundesstaates. Sie verfügen über Einnahmen von rund SFr. 40 Mia. — Die Kantone konstituieren in ihren Verfassungen relativ autonome Selbstverwaltungseinheiten, rund 3300 an der Zahl. Diesen teilweise sehr kleinen Gemeinden stehen Einnahmen von insgesamt SFr. 30 Mia. zur Verfügung 7. Die Haushalte von Bund und Kantonen werden nach unterschiedlichen Rechnungskonzepten geführt. Während das Rechnungssystem des Bundes auf dem Prinzip des Cash Accounting aufbaut 8, führt die Mehrzahl der Kantone und Gemeinden ihren Haushalt nach dem Prinzip des Full Accrual Accounting. Die Schweizerische Finanzstatistik wurde deshalb nur zögerlich an die kantonalen Voraussetzungen angepaßt: Erst seit 1990 kann sie bedingt und mit großen Vorbehalten für Quervergleiche herangezogen werden. Insbesondere die statistische Umrechnung in das Format des kantonalen Modells wurde durch die Revision erleichtert.

1. Das Rechnungsmodell der Kantone und Gemeinden Im Jahre 1978 veröffentlichte die Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren (FDK) das Handbuch über das „Neue Rechnungsmodell" mit der Empfehlung an die Kantone, dieses System doppelter Buchhaltung baldmöglichst einzuführen 9. Heute, über zehn Jahre später, haben alle Kantone (bis auf eine Ausnahme) das Modell wenigstens für ihre Gemeinden eingeführt, wobei den regionalen Besonderheiten derart stark Rechnung getragen wurde, daß interkantonale KennzahlenVergleiche praktisch ausgeschlossen sind. Insbesondere auf Gemeindeebene fehlt außerdem häufig das Fachwissen und die Bereitschaft der nebenamtlich tätigen Amtsträger, um die teilweise recht komplexen Buchungsprobleme sachgerecht zu lösen. Das Rechnungsmodell der Kantone und Gemeinden (auch FDK-Modell) hat zum Zweck, einen einheitlichen Kontenrahmen zu schaffen und auf diese Weise Transparenz und Vergleichbarkeit öffentlicher Haushalte zu fördern 10 . Das Modell gliedert sich in eine Bestandes- und eine Verwaltungsrechnung und lehnt sich damit stark an die Buchhaltung des privaten Sektors an. Die Verwaltungsrechnung ist — als Spezialität des öffentlichen Sektors — unterteilt in Laufende Rechnung und Investitionsrechnung. Letztere erfaßt alle Ausgaben und Einnah7 Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum nehmen die Gemeinden oft eine sehr wichtige Stellung ein. Sie sind verantwortlich für Infrastruktur, aber auch für die Volksschule, Sozialhilfe, Teile des Gesundheitswesens und vieles andere. 8 Zur Konzeption der Rechnungslegungsmodelle vgl. Lüder 1993, S. 30 ff. 9 FDK 1981. 10 Vgl. Buschor 1993, S. 212 ff.

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Hans Mäder und Kuno Schedler

men, welche das Verwaltungsvermögen verändern. Der Saldo der Investitionsrechnung, die Netto-Investition, wird bei Abschluß der Rechnung als Vermögenszuwachs in die Bestandesrechnung (Verwaltungsvermögen) übertragen und in den Folgejahren abgeschrieben. Die Abschreibung erfolgt vom Restbuchwert. Der Saldo der Laufenden Rechnung (Ergebnisrechnung) verändert als Gewinn oder Verlust das Eigenkapital (Reinvermögen) eines Gemeinwesens. Das Eigenkapital hat die Funktion, als finanzieller Puffer Schwankungen im Haushalt a b zugleichen, und liefert gleichzeitig Hinweise zur finanziellen Situation des Gemeinwesens.

Abb. 2: Beziehungen zwischen Verwaltungs- und Bestandesrechnung

Die Bestandesrechnung unterscheidet auf der Aktivseite Finanz- und Verwaltungsvermögen. Finanzvermögen ist nicht an einen öffentlichen Zweck gebunden und somit frei realisierbar. Im schweizerischen Sprachgebrauch handelt es sich um Anlagen. Mittel hingegen, die für eine öffentliche Aufgabe bestimmt sind, fallen in das Verwaltungsvermögen. Sie werden durch einen Ausgabenbeschluß zweckgebunden, gegen den in bestimmten Fällen das sogenannte Finanzreferendum ergriffen werden kann. Reine Vermögensverwaltung findet folglich im Finanzvermögen statt und untersteht nicht dem Finanzreferendum, während die Werte im Verwaltungsvermögen nur über einen Entscheid des zuständigen politischen Organs veräußert bzw. angeschafft werden können. Die Abgrenzung von Ausgaben und Anlagen 11 ist immer wieder Gegenstand der Diskussion. 11

Vgl. Schmitz 1993, S. 67 ff.

Die Entwicklung des öffentlichen Rechnungswesens in der Schweiz

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Durch die Trennung von Finanz- und Verwaltungsvermögen sind viele Bewertungsprobleme, die heute international diskutiert werden, elegant gelöst: Finanzvermögen hat grundsätzlich einen Marktwert, Verwaltungsvermögen einen Nutzungswert. Der Aufbau des Rechnungsmodells ist jenem der klassischen Kostenrechnung ähnlich (vgl. Abb. 3). Trotzdem handelt es sich nicht um eine vollständige Kostenrechnung, weil wesentliche Bestandteile nicht oder nur teilweise implementiert sind. Es fehlt beispielsweise an einer konsequenten internen Weiterverrechnung kalkulatorischer Zinsen und interner Leistungen. Investitionen werden in der Bestandesrechnung netto ausgewiesen und — leider immer wieder in Abhängigkeit des Rechnungsergebnisses — abgeschrieben. Das Rechnungsmodell liefert in der sogenannten Funktionalen Gliederung zwar auch