Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage: Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1966 [1 ed.] 9783428414451, 9783428014453

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Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage: Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1966 [1 ed.]
 9783428414451, 9783428014453

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 34

Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1966

Duncker & Humblot · Berlin

Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage

S c h r i f t e n r e i h e der Hochschule Speyer Band 34

Die Staatskanzlei: Aufgaben Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage

Vorträge und Diekussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

1966

D U N C K E R & H U M B L O T

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Inhalt V o r w o r t des Tagungsleiters, Professor Dr. Fritz Morstein

Marx

Aus den Begrüßungsworten des Rektors, Professor Dr. Hans Ryffel

Erster Teil: Perspektiven des Regierungschefs Ministerpräsident Dr. h. c. Peter Altmeier,

9 13

17

Mainz:

Erfordernisse der Leitung

19

Ministerpräsident Dr. h. c. Alfons Goppel, München: Vielgestaltigkeit der Aufgaben

25

Ministerpräsident Dr. h. c. Dr. e. h. Georg-August

Zinn, Wiesbaden:

E i n notwendiges Hilfsinstrument Erster Bürgermeister Professor Dr. Herbert

31 Weichmann,

Hamburg:

Vorarbeit für den Staatschef

33

Zweiter Teil: Aufbau und Arbeit der Staatskanzlei Professor Dr. Franz Knöpfle, Speyer:

Hochschule für Verwaltungswissenschaften

Tätigkeitssphären u n d Organisationsstrukturen Staatssekretär Fritz Mainz:

Duppré,

39

Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz,

Erprobte Arbeitsmethoden Ministerialrat Robert Mohrhoff,

37

71 Staatskanzlei, Hannover:

E i n anderes Beispiel: Niedersachsen

93

Regierungsdirektor Gerhard Kunze, Senatskanzlei B e r l i n : Funktionale Bedürfnisse u n d institutionsgerechte M i t t e l

99

Assessor Alfons Noll, Hochschule f ü r Verwaltungswissenschaften Speyer: Weitere Gesichtspunkte (Bericht)

109

Inhalt

6

Dritter Teil: Verwertbare Erfahrungen und relevante Faktoren Professor Dr. Fritz schaften Speyer:

Morstein

Marx,

Hochschule für Verwaltungswissen-

Stabspraxis i m Ausland: Gemeinsame Erfahrungen Innenminister Dr. Hartwig

Schlegelberger,

117

Kiel:

B i l d u n g von Stabsstellen

143

Professor Dr. Dr. Ernst-Wolfgang

Böckenförde,

Universität Heidelberg:

Stabsorganisation u n d Haushaltsplanung Assessor Alfons

115

149

Noll, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer:

Ergänzende Erwägungen (Bericht)

155

Ministerialdirigent Dr. Günter Bachmann, Bundeskanzleramt, Bonn: Das Bundeskanzleramt

161

Wissenschaftlicher Berater Dr. Hans-Joachim

Arndt, K ö l n :

Neue Sachzwänge u n d neuer Sachverstand

181

Professor Dr. Thomas Ellwein, Universität F r a n k f u r t a. M. : Drei Hauptaufträge der Staatskanzlei

201

Regierungsdirektor Dr. Dr. Udo Kollatz, Staatskanzlei, Wiesbaden: Die Staatskanzlei als architektonisches Projekt

211

Assessor Alfons Noll, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer: Verlauf der Aussprache (Bericht)

221

Vierter Teil: Tendenzen, Erfordernisse und Entwicklungsmöglichkeiten

231

Professor Dr. Joseph H. Kaiser, Universität Freiburg i. Br. : Ausblicke v o m Standpunkt des Staatsrechts Professor Dr. Rudolf Wildenmann,

233

Wirtschaftshochschule, Mannheim:

Urteilskriterien v o m Standpunkt des politischen Systems Ministerialdirigent Hans Wolf gang Rombach,

Staatskanzlei, Düsseldorf:

Erwägungen v o m Standpunkt der Regierungspraxis Professor Dr. Wilhelm

245

263

Hennis , Universität Hamburg:

Z u r Kunst des Regierens

289

Inhalt Leitender Ministerialrat Dr. Emil

Guilleaume,

Innenministerium, K i e l :

Aspekte des Organisationsgefüges

297

Assessor Alfons Noll, Hochschule f ü r Verwaltungswissenschaften Speyer: Abschließende Diskussion (Bericht) Schlußwort des Tagungsleiters

301 309

Anhang

313

Leitender Regierungsdirektor Ulrich Becker, Organisationsamt der Freien u n d Hansestadt Hamburg: Die Planungsfunktion i n der Hamburgischen Senatskanzlei

315

Schrifttumsauswahl

321

Personen- u n d Sachverzeichnis

329

Diskussionsteilnehmer * Oberregierungsrat Hartmut

Bebermeyer,

Ministerialrat Wolf gang von Dreising, Professor Dr. Ernst-Werner Staatssekretär Dr. Ekkehard

Bundeskanzleramt, Bonn Bundesministerium des Innern, Bonn

Fuß, Wirtschaftshochschule, Mannheim Geib, Finanzministerium, K i e l

Ministerialdirigent Professor Dr. Wilhelm Henle, Bayerisches Staatsminister i u m für A r b e i t u n d Soziale Fürsorge, München Ministerialrat a. D. Bankdirektor Dr. Dr. Adolf F r a n k f u r t am M a i n

Hüttl,

Deutsche Bundesbank,

Professor Dr. Gustav Kafka, Graz Regierungsdirektor Hans-Georg

Lange, Staatskanzlei, Düsseldorf

Ministerialdirektor a. D. Hans-Georg Wormit, scher Kulturbesitz, Berlin-Dahlem

K u r a t o r der Stiftung Preußi-

* soweit nicht i m Inhaltsverzeichnis aufgeführt.

Vorwort des Tagungsleiters Wer sich unbeschwert durch Sachkunde dem Flug der Phantasie anvertraut, mag die Staatskanzlei als die ragende Hochburg des Regierungshaupts sehen, Raum um Raum gefüllt mit „wirklichen geheimen Räten". A n dieser romantischen Vision ist eins wahr: das Entrücktsein der Staatskanzlei aus dem geläufigen B i l d der politischen Zusammenhänge. Es ist nicht ohne weiteres klar, ob die Unkenntnis über das, was sich i n dieser entrückten Sphäre abspielt, auf Abgelegenheit oder auf Geheimniskrämerei beruht. Beides wäre aus dem gleichen Grunde unerwünscht. Eine demokratisch gestaltete öffentliche Ordnung widerspräche sich selbst, wenn sie es zuließe, daß Wichtiges durch Abgelegenheit aus der Sicht geriete. Ebenso aber müßte das Urteil ausfallen, wenn dem Wähler absichtlich Kenntnis vorenthalten würde, etwa weil er insoweit nicht ins Vertrauen genommen werden könnte. Gerade in der Demokratie ist die Rolle der politischen Führung ein so zentraler Bereich, daß auch die A r t ihrer Ausstattung als eine Frage ersten Ranges gelten muß. Zwar w i r d niemand den persönlichen Aspekt in der Führungsleistung übersehen wollen, sei es i m Sinne dessen, was sich i n einer bestimmten Persönlichkeit aus ursprünglichen Gaben und aus der Läuterung durch unmittelbare Verantwortlichkeit entfaltet, sei es i n der Bedeutung der sicheren Hand, die sich unter dem Einfluß der Erfahrung und aus dem Verständnis für gewisse Regeln des zielbewußten Tuns entwickelt. Aber daneben bedarf es zweckgerechter Einrichtungen, die der Führung verläßliche Stütze und handliches Werkzeug geben. Unter diesen Einrichtungen nimmt die Staatskanzlei einen besonderen Platz ein. Weil Führung für die lebende Verfassung eine unerläßliche Voraussetzung darstellt, weil der Anspruch auf verantwortliche Führung dem Grundsatz der politischen Repräsentation als Verheißung innewohnt, w i r d die Gewißheit einer sowohl allen verpflichteten wie gleichfalls umsichtigen Führung für alle zu einem kostbaren Gut. Die Gewißheit w i r d erhöht, wenn der Führung beständige Führungshilfen zur Seite stehen. Für die innere Kraft der Demokratie ist es schon deshalb von größter Bedeutung, wie diese institutionellen Mittel funktionieren. Schon deshalb sollte die Öffentlichkeit mehr über die Staatskanzleien i n der Bundesrepublik wissen, als das bisher der Fall war. Darüber hinaus drängen auf die politische Führung heute wesentlich schwierigere Aufgaben ein als zuvor. Die industrielle Gesellschaft, viel

10

V o r w o r t des Tagungsleiters

berufen aber wenig verstanden, ist aus der Natur ihres Produktionsgefüges nicht ein Durcheinander von selbstbezogenen Mikrokosmen, sondern ein makrokosmischer Zusammenhang. Sie offenbart eine stark ausgeprägte Tendenz zur Verzahnung öffentlicher Interessen und privater Initiativen. Der entscheidende Durchbruch erfolgte in der westlichen Welt nach dem zweiten Weltkrieg unter der Parole von der „Vollbeschäftigung", besser der Anerkennung einer neuen und weitgreifenden Aufgabe der politisch organisierten Allgemeinheit: der Wahrung einer Wirtschafts- und Sozialordnung, die durch aufmerksame Beobachtung und geeignete Beeinflussung sowohl Widerstandskraft wie gesunden Auftrieb aus sich hervorbringt. Das bedeutet praktisch eine Konzeption, i n der die Vielheit der relevanten Faktoren und ebenso der Pluralismus der Produktionseinheiten i n programmatischer Sicht zusammengefaßt werden. Es bedeutet ferner eine gesamtpolitische Steuerung, die nicht der bloßen Inspiration unterworfen bleibt, sondern auf soliden informatorischen Grundlagen i m Wege systematischer Auswertung zu abgewogenen Entscheidungen zu gelangen sucht. Die Methode muß überdies Flexibilität gewährleisten; die Hand der Steuerung darf nicht durch schieres Gewicht erdrücken. A u f diese Erfordernisse müssen die heutigen Führungsinstrumente eingestellt werden. Hier ist eine Dynamik des Wandels entstanden, die gerade auch die Staatskanzlei unabweisbar zu einer noch nicht gewonnenen Ebene der Effektivität anheben wird. Was hier als nächstes zu t u n sein wird, ist zu einer dringlichen Frage geworden, sowohl i n der politischen Perspektive der Aktionsstrategie wie i n der Verfeinerung der aus der Verwaltung zu liefernden Vorplanung. Kein Wunder, daß die Wissenschaft sich der akut gewordenen Problematik zuwendet. Daß sie sich dabei m i t den Kräften der Praxis zu verbünden hat, sollte sich von selbst verstehen. Praxis i n diesem Sinne schließt allerdings nicht nur den Fachmann der aktiven Verwaltung ein, insbesondere die anonyme Mannschaft der Staatskanzlei, sondern auch vornehmlich die politische Führung selbst, in erster Linie den Regierungschef. Der Genius des Staatsmanns zeigt sich über die Zeiten stets wieder in der Erfassung dessen, was i m Denken der Vielen noch unverstanden war. Er erkannte vor allem als erster, welches Potential gerade für die Führung selbst i n der Verbesserung von Führungsinstrumenten lag, wie bedeutsam für ihn selbst, für das Wirksamwerden seiner persönlichen Führungsleistung, die Vervollkommnung dieser Instrumente und der Methodik ihrer Handhabung sein würde. Jede Generation schleppt eine Riesenpartei der Neinsager gegenüber der Zukunft mit, i n der sich die ängstlich Zögernden, die Traditionsopfer, die Verteidiger fragwürdig gewordener Reservate und die liebenswerten Schlafmützen zu einem kleb-

V o r w o r t des Tagungsleiters

rigen Aggregat — und gelegentlich zu ihrer eigenen Überraschung — vereint finden. Der Staatsmann steht über ihnen wie ein Leuchtturm. Dieser Band w i l l dem Verständnis dienen. Weit davon entfernt, das letzte Wort zu seinem Gegenstand zu bieten, läßt er sich eher als ein erstes Wort bezeichnen. Alles muß mit einem ersten Wort beginnen. Es sollte ein Vorteil sein, daß dies Wort gewissermaßen i n Gesprächsform festgehalten ist. Wichtiger ist sicher, daß i n dem Gespräch Ministerpräsidenten und Ressortleiter, die Erfahrung der Privatwirtschaft wie die des Regierens, Stabsgesichtspunkte und Linienbedürfnisse, staatsrechtliche und politologische wie verwaltungswissenschaftliche Aspekte, Gegebenheiten i m Bund wie i n den Ländern und neben den heimischen auch ausländische Perspektiven gemeinsamen Ausdruck fanden.

Fritz Morstein Marx

Aus den Begrüßungsworten des Rektors Es erfüllt mich mit ganz besonderer Freude, daß Herr Ministerpräsident Dr. h. c. Altmeier unsere Tagung mit einigen Betrachtungen über die Aufgaben, die sich der Staatskanzlei stellen, einleiten wird. Er kann dabei aus dem großen Schatz von Erfahrungen schöpfen, den er i n vielen Jahren und unter den verschiedensten Konstellationen gesammelt hat. W i r sind dem Herrn Ministerpräsidenten sehr dankbar dafür, daß er trotz seiner vielfältigen und starken Inanspruchnahme heute zu uns gekommen ist. Erlauben Sie mir, daß ich zwei Referenten besonders erwähne: Herrn Staatssekretär Duppré sind w i r zu ganz besonderem Dank verpflichtet, daß er heute zu uns spricht. Er ist, wie wenige, kompetent für das i h m zugedachte Thema. W i r sehen i n seiner Zusage die Bekräftigung der besonderen Anteilnahme an der Speyerer Hochschule, die er als Chef der Staatskanzlei i n allen Belangen der Hochschule i n so reichem Maße bekundet. Ferner gebührt besonderer Dank Herrn Kollegen Morstein Marx, der nicht nur die Tagung geplant und die Mühen und Umtriebe der Vorbereitung auf sich genommen hat, sondern i n großzügiger Weise gleich auch noch selbst ein Referat halten wird. Durch die Referate soll die Grundlage der Aussprache geschaffen werden. W i r möchten i n der Tat das Hauptgewicht auf die Aussprache legen; deshalb wurde der Kreis der Teilnehmer diesmal etwas enger gezogen, weil i n einem kleineren Kreise die Aussprache besser vonstatten geht. Auch haben w i r eine Reihe von Diskussionsrednern i m voraus gebeten, sich zur Verfügung zu stellen und die Aussprache mit einigen Ausführungen einzuleiten. W i r hoffen, auf diese Weise eine möglichst intensive Erörterung zu gewährleisten. Ich freue mich, daß eine stattliche Zahl von Teilnehmern aus der Regierungspraxis und der Verwaltung sowie mehrere auswärtige Kollegen unserer Einladung gefolgt sind. Gestatten Sie mir, daß ich davon absehe, einzelne Teilnehmer der Tagung eigens zu begrüßen, doch darf ich einige wenige Ausnahmen machen und meiner besonderen Freude darüber Ausdruck geben, daß unter uns weilen der Herr Kultusminister des Landes, Herr Dr. Orth, Herr Innenminister Dr. Schlegelberger aus Kiel, Herr Senator Blase aus Bremen, übrigens ehemaliges Mitglied unseres

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Aus den Begrüßungsworten des Rektors

Verwaltungsrates, sowie der Oberbürgermeister der Stadt Speyer, Herr Dr. Skopp, Ehrensenator der Hochschule. Sie seien besonders herzlich willkommen geheißen. Unsere Tagung hat zwar eine sehr große Resonanz gefunden; die vielfältige Belastung zahlreicher Vertreter aus der Regierungspraxis hat es aber nicht wenigen zu ihrem und unserem Bedauern verunmöglicht, i n diesen Tagen zu uns zu kommen. Statt über die Probleme der Koordination bei uns nachzudenken, müssen nicht wenige Vertreter der Regierung und der Verwaltung i m Rahmen der Ihnen bekannten Übung die Koordination praktisch erproben. Schließlich möchte ich nicht unterlassen, die Vertreter der Presse sowie des Rundfunks und Fernsehens eigens zu begrüßen. Unser Thema ist auch für eine breitere Öffentlichkeit von besonderem Interesse, denn eine moderne Gestaltung und eine sachgerechte Geschäftsführung der Staatskanzleien sind für das ganze staatliche Leben von entscheidender Bedeutung. Ich w i l l der sachlichen Erörterung unserer Thematik nicht vorgreifen. Erlauben Sie mir aber ein paar kurze Bemerkungen zur Bedeutung des Themas, das w i r i n diesem Herbst gewählt haben, und zu unserem Versuch, das Thema i n diesen drei Tagen erstmals einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen. Es ist das Verdienst von Herrn Kollegen Morstein Marx, das heutige Thema aufgegriffen und es für eine Speyerer Arbeitstagung präpariert zu haben. Freilich hat Herr Morstein Marx das Thema nicht frei erfunden, sondern er hat mit gutem Gespür, wie ich glaube, einen Fragenkomplex zur Diskussion gestellt, der schon seit längerer Zeit sozusagen i n der L u f t liegt. Man darf wohl sagen, daß den Staatskanzleien heute erhöhte und immer noch steigende Bedeutung zukommt, daß dies aber nicht immer gesehen wird. W i r müssen heute angesichts des raschen Wandels auf allen Gebieten und der zunehmenden Vervielfältigung der Aufgaben und aller damit verbundenen Zusammenhänge immer bewußter unsere Zukunft gestalten. I n immer weiteren und neuen Bereichen ist eine vermehrte Planung notwendig, so insbesondere bei der Raumordnung und den erforderlich werdenden wirtschaftlichen Strukturveränderungen. Dabei fällt ohne Zweifel den Staatskanzleien eine bedeutsame Rolle zu. Die Funktionen der Staatskanzleien sind freilich von Land zu Land sehr verschieden und reichen vom persönlichen Schreib- und Hilfsbüro des Ministerpräsidenten bis zum schlagfertigen Koordinationsorgan des Regierungschefs oder gar des Kabinetts. Wenn die Staatskanzlei die ihr i n der heutigen Situation zufallende Rolle nicht wahrnimmt, muß dies nachteilige Folgen haben, und es besteht die Gefahr, daß die Aufgaben nicht

Aus den Begrüßungsworten des Rektors

sachgerecht erfüllt werden. Der Erforschung der heutigen Lage und der künftigen Möglichkeiten der Staatskanzlei kommt deshalb große Bedeutung zu. Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Staatskanzleien sind bisher wissenschaftlich noch nicht erforscht worden. Es dürfte deshalb angezeigt sein, daß ein Anfang gemacht wird, und niemand w i r d bestreiten wollen, daß die Behandlung dieses Themas vornehmlich i n den Aufgabenkreis der Speyerer Hochschule gehört. I n unserer heutigen Tagung versuchen wir, wie bisher, Wissenschaft und Praxis zu verbinden. Dies erfolgt vor allem dadurch, daß sowohl Vertreter der Wissenschaft als auch solche der Regierungspraxis und der Administration zu Worte kommen. Die Abstraktionen der Wissenschaft sollen mit Stoff angereichert, und die Thesen der Wissenschaftler mit den Feststellungen und Erfahrungen der Praktiker konfrontiert werden. Andererseits sind die aus der unmittelbaren Regierungs- und Verwaltungspraxis gewonnenen Eindrücke i m Lichte wissenschaftlicher Methodik zu objektivieren. I n der wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas dürfen w i r noch weniger als bei bisherigen Arbeitstagungen auf rechtliche Aspekte das Hauptgewicht legen oder uns gar darauf beschränken. Unser Thema ist nur i n interdisziplinärer Weise anzugehen, indem juristische, verwaltungswissenschaftliche und politikwissenschaftliche Fragestellungen m i t einander zu verbinden sind. M i t fortschreitender Spezialisierung der Wissenschaft sind die Untersuchungsgegenstände bekanntlich parzelliert worden, und so muß nunmehr die Zusammenarbeit der Spezialdisziplinen jeweils i n die Wege geleitet werden. Die Staatswissenschaft des 19. Jahrhunderts vereinigte noch eine Fülle von Problemstellungen und Aspekten, die heute auf die Rechtswissenschaft, die Politikwissenschaft und die VerwaltungsWissenschaft i m engeren Sinne aufgeteilt sind. Ich denke, viele werden, wie ich, mit besonderer Spannung der Erörterung der verschiedenen Aspekte durch die Vertreter der Regierungspraxis und der einzelnen beteiligten Disziplinen entgegenblicken.

Professor Dr. Hans Ryffel

Erster Teil

Perspektiven des Regierungschefs

Erfordernisse der Leitung Von Peter Altmeier

Ich freue mich, wieder einmal Gelegenheit zum Besuch der Hochschule für Verwaltungswissenschaften zu haben, fühle ich mich doch sowohl ressortmäßig als auch durch die Würde eines Ehrensenators dieser Institution ganz besonders verbunden und verpflichtet. I n den 40 Semestern ihrer Existenz hat sich die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Rang und Ansehen erworben. I h r Beitrag zur Wiederbelebung der Verwaltungswissenschaften i n der Bundesrepublik ist unbestritten. Das ist i n erster Linie dem der Hochschule eingegliederten Forschungsinstitut zu danken und den Herren, die darin arbeiten, eigene Forschungsbeiträge liefern und Anregungen geben. Als weiteren Beweggrund für meinen heutigen Besuch werden Sie das Thema ansehen können, das dieser Verwaltungswissenschaftlichen Tagung zugrunde gelegt ist. Es w i r d einen jeden Regierungschef interessieren. Zu meinem großen Bedauern mußte mein bayerischer Kollege, Herr Ministerpräsident Dr. Goppel, kurzfristig absagen. Noch während der Berliner Ministerpräsidentenkonferenz vor einigen Wochen hatte er m i r versichert, daß er gerne nach Speyer kommen und an der Diskussion teilnehmen wolle. Ich bedaure sehr, daß sich seine Teilnahme nicht ermöglichen ließ. Ich bin jedoch sicher, daß Herr Professor Dr. Knöpf le seinen früheren Chef über Ablauf und Ergebnis dieser Tagung unterrichten wird. M i t dem Thema der Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Staatskanzleien ist ein Komplex angeschnitten, der bisher von der Wissenschaft allenfalls am Rande bei der Abhandlung der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs Erwähnung gefunden hat. Über die Aufgaben der Staatskanzlei zu sprechen, ist schon deshalb kein leichtes Unterfangen; das Thema ist überdies ohnehin nicht einfach. Meine Staatskanzlei arbeitet nunmehr schon fast 20 Jahre für mich. Denke ich an die Fülle der Arbeit zurück, so möchte ich behaupten, daß es i n dem komplizierten Mechanismus des Staatsapparates keinen Hebel gibt, den die Staatskanzlei zu übersehen oder gar nicht zu kennen sich leisten könnte. Die Frage nach den Aufgaben der Staatskanzlei w i r d von 2*

20

Peter Altmeier

der Geschäftsordnung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz wie folgt beantwortet: Z u r Unterstützung des Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Landesoberhaupt u n d Vorsitzender der Landesregierung bei der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben, insbesondere hinsichtlich der Vertretung des Landes i m Bundesrat, besteht die Staatskanzlei.

Die Geschäftsordnung unterscheidet somit deutlich drei Aufgabenbereiche: (1) die Unterstützung des Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt; (2) die Unterstützung des Ministerpräsidenten in seiner Eigenschaft als Regierungschef; und (3) die Unterstützung der Landesregierung bei der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben.

Wägt man diese drei Aufgabenbereiche nach Umfang und Bedeutung gegeneinander ab, so w i r d das Schwergewicht der an zweiter Stelle genannten Aufgabe deutlich: Die Unterstützung des Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Regierungschef ist eigentliche und wesentliche Aufgabe der Staatskanzlei. Diesem Aufgabenbereich sind daher auch konsequenterweise die folgenden Ausführungen i m Schwerpunkt gewidmet. Zunächst jedoch einige Worte zu den beiden anderen Aufgabenbereichen. Die Staatskanzlei unterstützt den Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Landesoberhaupt. Tätigkeit und Bereich der Staatskanzlei sind insoweit vergleichbar mit denjenigen des Bundespräsidialamtes. Es geht hier also um die Vertretung des Landes i m staatsrechtlichen Sinne und um die Vertretung, die das Fremdwort Repräsentation genauer umschreibt. Es geht ferner um die Ernennung der Beamten und Richter des Landes, die Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen, die Ausübung des Gnadenrechts und die Verleihung von Titeln und Orden. Jedes dieser Aufgabengebiete würde eine besondere Darstellung verdienen. Für einen Außenstehenden erscheint es allerdings recht einfach und unkompliziert, dem Staatsoberhaupt bei der Erfüllung der genannten Aufgaben zur Hand zu gehen. Welche Schwierigkeiten sollte es auch bei der Ernennung eines Ministerialrates, bei der Ausübung des Gnadenrechts, bei der Dekoration eines verdienten Mitbürgers geben? Daß dahinter Arbeit steckt, oft viel Arbeit und schwierige Arbeit, ist nur dem bewußt, der selbst damit zu tun hat. Die Geschäftsordnung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz weist der Staatskanzlei als Aufgabengebiet die Unterstützung der Landesreg i e r u n g b e i d e r Wahrnehmung

ihrer

verfassungsmäßigen

Aufgaben

zu.

Als wichtigstes Beispiel nennt sie ausdrücklich die Vertretung des Landes i m Bundesrat. Bei der Staatskanzlei w i r d die Bundesratsarbeit koordiniert. Die Betreuung mit diesem Aufgabenbereich bedeutet weiter,

Erfordernisse der Leitung

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daß die Staatskanzlei überall dort Aufgaben zu erfüllen hat, wo die Landesregierung i n Erscheinung tritt. Dies gilt insbesondere i m Verhältnis zum Parlament. Die Geschäftsordnung der Landesregierung weist daher auch grundsätzlich den Verkehr mit dem Landtag der Staatskanzlei zu. Daß dagegen das Schwergewicht der Tätigkeit der Staatskanzlei i n der Unterstützung des Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Regierungschef liegt, hängt mit seiner Richtlinienkompetenz zusammen. A r tikel 65 des Grundgesetzes und die entsprechenden Verfassungsbestimmungen der Bundesländer haben dem Regierungschef die Bestimmung der Richtlinien der Politik übertragen. Damit wurde eine Grundentscheidung getroffen, die unserer demokratischen Staatsordnung ein entscheidendes Merkmal aufprägt. Die i n die Ordnungsform des freiheitlichdemokratischen Rechtsstaates eingebettete Richtlinienkompetenz verpflichtet den Regierungschef zur politischen Führung. Es w i r d zwar gelegentlich die Behauptung gehört, dem demokratischen Ideal entspreche eine radikale Führer- und Führungslosigkeit. Eher aber ist das Gegenteil richtig; denn keine Staatsform ist so sehr auf gute Leitung angewiesen wie die Demokratie. Gewiß bot die Weimarer Reichsverfassung das Modell. Man sollte jedoch nicht übersehen, daß die neuen Verfassungen vor dem Hintergrund eines untergegangenen totalitären Regimes entstanden, das den Begriff der politischen Führung verfälscht und mißbraucht hatte. Umso höher ist es einzuschätzen, daß die neuen Verfassungen mit der Zuerkennung der Richtlinienkompetenz dem Regierungschef die politische Leitung überantwortet haben. Die Nachkriegsentwicklung hat gezeigt, daß die Entscheidung richtig war. Sie w i r d überdies bestätigt durch die i n allen demokratischen Staaten zu beobachtende Entwicklung, die auf eine Stärkung der Stellung des Regierungschefs hinstrebt. Man w i r d diese Entwicklung mit den Wandlungen der Aufgaben i m modernen Staat erklären müssen: Der Führung i m modernen Staat wachsen nämlich nicht nur größere, sondern auch völlig neuartige Aufgaben zu. Hierzu seien nur einige Beispiele erwähnt. Sozial- und Wohlfahrtsstaat haben eine ungeahnte Vermehrung und Erweiterung der Staatsaufgaben gebracht, die zwar i n einer Vielzahl von Ressorts verwaltet werden, aber andererseits nicht isoliert zu lösen sind und daher der Koordinierung bedürfen. Die i m Gefolge der Industrialisierung ständig größer werdenden Interessenkollisionen bei der Raumbeanspruchung machen es erforderlich, die Vielzahl der raumbeanspruchenden Maßnahmen i n den weitgespannten Rahmen einer zielstrebigen Raumordnungspolitik einzuspannen. Daß insoweit eine politische Führungsaufgabe ersten Ranges neu erwachsen ist, w i r d niemand bezweifeln.

22

Peter Altmeier

Noch ein weiteres, das politische Geschehen dieser Tage kennzeichnendes Merkmal sei erwähnt, das die politische Leitung vor neue, große und gewichtige Aufgaben stellt. Ich meine die zunehmende Verflechtung der Staatswesen miteinander. Denken w i r z. B. an die Politik der europäischen Integration, die stufenweise über den Eintritt i n den Europarat zum Montanvertrag bis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit all ihren Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft führte. Das Instrument, das dem Regierungschef zur Handhabung seiner Richtlinienkompetenz herkömmlich zur Verfügung steht, ist i m Bund das Bundeskanzleramt und in den Bundesländern die Staatskanzlei. Die Effizienz der Richtlinienkompetenz korrespondiert weitgehend mit der Leistungskraft der Staatskanzlei. Es ist nicht schwierig, dies zu belegen. Bei der Bestimmung der Richtlinien ist der Regierungschef auf ständige und umfassende Information angewiesen. Nur so ist er i n der Lage, das politische Geschehen zu lenken und zu beeinflussen. Es wäre ein grober Irrtum, anzunehmen, die Richtlinien der Politik könnten i n einer einmaligen umfassenden Regierungserklärung unverändert und für alle Fälle passend aufgestellt und durchgeführt werden. Bismarck hat einmal darauf hingewiesen, daß Politik an sich keine Logik oder exakte Wissenschaft sei; Politik sei vielmehr die Fähigkeit, i n jedem wechselnden Moment der Situation das am wenigsten Schädliche oder das Zweckmäßigste zu wählen. Die Richtlinien der Politik entstehen daher vielfach erst in der Berührung mit dem sich wandelnden politischen Geschehen. Damit w i r d die Beschaffung der Information und deren Aufbereitung zu einer der bedeutsamsten Aufgaben der Staatskanzlei. Es ist zwar selbstverständlich, daß die Regierungsmitglieder den Regierungschef über wichtige Vorgänge i n den Ressorts auf dem laufenden halten. Diese Kontakte auf höchster Ebene genügen jedoch nicht. Die Kontakte auf der Staatssekretärsebene, auf der Abteilungsleiterebene und auf der Referentenebene zu den Ressorts geben bedeutsame Aufschlüsse und gestatten, den Hebel der Richtlinienkompetenz frühestmöglich anzusetzen. Wichtige Entscheidungen, Gesetz- und Verordnungsentwürfe der Ressorts können so schon i m Stadium des Entstehens in Übereinklang mit den Intentionen des Regierungschefs gebracht werden. W i r wissen, daß der Schwerpunkt der Parlamentsarbeit i n der Ausschußtätigkeit liegt. I n den Ausschüssen werden Entscheidungen getroffen, die das Plenum dann vielfach ohne Aussprache billigt. Es ist daher für den Regierungschef sehr wichtig, über die Ausschuß arbeit unterrichtet zu werden. Wenn auch i m Bereich der Legislative die Richtlinienkompetenz nicht wirksam ist, so gibt es für den Regierungschef durchaus legitime M i t t e l und Wege, die Parlamentsarbeit i m Sinne der Richtlinienpolitik zu beeinflussen.

Erfordernisse der L e i t u n g

23

Damit ist gleichzeitig die zweite Komponente berührt, die die Kunst der politischen Führung ausmacht: Es ist nicht damit getan, die Richtlinien der Politik zu bestimmen, es gilt, sie auch durchzusetzen. Aufgabe der Staatskanzlei ist es daher, die Arbeit der Ressorts zu beobachten, i n ihren Auswirkungen zu analysieren, an den vom Regierungschef gesetzten Richtlinien zu messen und gegebenenfalls die Einhaltung der Richtlinien i n Erinnerung zu bringen. Die Aufgaben der Staatskanzlei bei der Unterstützung des Regierungschefs erschöpfen sich nicht innerhalb des Landes. Aus der bundesstaatlichen Struktur ergeben sich Abhängigkeiten, die der Regierungschef bei der Bestimmung der Richtlinien zu beachten hat. Die wachsenden internationalen Verflechtungen des Bundes mit ihren Auswirkungen auf die Länder machen eine sorgfältige Analyse der Bundespolitik noch notwendiger. Es ist daher selbstverständlich, daß die Kontakte zur Bundesregierung und zum Bundestag primär von den Staatskanzleien wahrgenommen werden. Daß die Aufgaben der Staatskanzlei gerade i m Bereich der Richtlinienpolitik an die Qualifikation der Beamten besondere Anforderungen stellen, ist nicht zu verkennen. Die richtige Personalauslese, die bei der Auswahl des Chefs der Staatskanzlei beginnt, bei i h m aber noch nicht endet, dürfte die wesentlichste Voraussetzung für das Funktionieren der Staatskanzlei sein. Es ist nicht immer leicht, geeignete und befähigte M i t arbeiter zu engagieren. Wohl dem, dem dies gelungen ist; er hat schon einen Teil seiner Probleme gelöst. Es scheint m i r aber auch auf der Hand zu liegen, daß der tüchtigste Mitarbeiter nicht sein Bestes geben kann, wenn nicht auch Organisation und Arbeitsweise den gestellten Aufgaben angepaßt sind. Ich sagte bereits, daß i m modernen Staat die Führungsaufgaben beträchtlich angewachsen sind. Es schließt sich nunmehr von selbst die Frage an: Wie werden unsere Staatskanzleien diesen neuen Aufgaben gerecht? Bieten sich neue Organisationsformen und Arbeitsmethoden an? Ich möchte hoffen, daß uns die Arbeitstagung i n Vorträgen und Diskussionen Antworten dazu gibt.

Vielgestaltigkeit der Aufgaben Von Alfons Goppel

Wenn ich i m Anschluß an meinen Kollegen Altmeier nachträglich einen kurzen Beitrag zu dieser Tagung leiste, so kann auch für mich der Ausgangspunkt nur meine eigene Staatskanzlei, die Bayerische Staatskanzlei, sein. Sie erwarten von einem Ministerpräsidenten keine theoretisch-abstrakte Überlegung über die Staatskanzlei an sich, sondern eine Darstellung, wie er mit seiner Staatskanzlei zurecht kommt. So w i l l ich eine Antwort versuchen darauf, was ich erwarten und verlangen kann und was ich fordern muß. Aufgaben und Wirkungsmöglichkeiten der Kanzlei des Ministerpräsidenten sind i n Bayern durch zwei Verfassungsbestimmungen i m wesentlichen umschrieben. Art. 52 der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 stellt fest: Z u r Unterstützung des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung i n ihren verfassungsmäßigen Aufgaben besteht eine Staatskanzlei. I h r e Leitung kann einem eigenen Staatssekretär übertragen werden.

M i t dieser Bestimmung ist die aus dem ehemaligen Bayerischen M i n i sterium des Äußern hervorgegangene Bayerische Staatskanzlei i n das nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs neu belebte bayerische Staatsleben eingefügt und als einzige unter ihresgleichen i m Bundesgebiet in der Verfassung verankert. Eine staatsrechtlich bedeutsame Einschränkung ihrer Wirkungsmöglichkeiten durch die Verfassung muß die Staatskanzlei dabei hinnehmen: Nach Art. 53 Satz 3 der Verfassung dürfen ihr keine Ressortaufgaben zugeteilt werden, da nach dieser Verfassungsbestimmung die Aufgaben der Staatsverwaltung den Geschäftsbereichen zuzuweisen sind. Die Geschäftsbereiche (Staatsministerien) zählt die Verfassung i n Art. 49 Abs. 1 auf. Die Staatskanzlei ist in dieser Vorschrift nicht genannt. Den der Staatskanzlei durch Art. 52 B V erteilten Auftrag — Unterstützung des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung i n ihren verfassungsmäßigen Aufgaben — gliedert die Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung vom 19. Dezember 1956 (BayBS. I S. 19, GVB1. S. 434) i n § 1 i m einzelnen auf. Von den insgesamt 15 Punkten darf ich Ihnen nur die wichtigsten — und diese gekürzt — mitteilen.

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Alfons Goppel

Der Staatskanzlei obliegen zur Unterstützung des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung: die Bearbeitung der sich aus der Pflege der Beziehungen nach außen, zum B u n d u n d zu den anderen deutschen Ländern ergebenden Fragen; die Bearbeitung von Neugliederungsfragen und Angelegenheiten der L a n desgrenze; die Bearbeitung grundsätzlicher Fragen des Verkehrs m i t Landtag und Senat, die Vorbereitung von Anträgen u n d Erklärungen der Staatsregierung an Landtag u n d Senat sowie die formale Behandlung der Landtags- und Senatsbeschlüsse ; die Bearbeitung von Angelegenheiten, f ü r die der Ministerpräsident und die Staatsregierung zuständig sind, insbesondere die Stellungnahme zu allen Gesetzentwürfen und zu allen Entwürfen von Verordnungen der Staatsregierung unter politischen, staats- und verfassungsrechtlichen sowie unter formellen Gesichtspunkten; die Prüfung der v o m Landtag beschlossenen Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit vor ihrer Ausfertigung durch den Ministerpräsidenten; die Bearbeitung von staats- u n d verfassungsrechtlichen Fragen, die sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Ministerpräsidenten u n d der Staatsregierung ergeben u n d i n diesem Zusammenhang die Vorbereitung der Sitzungen des Ministerrats, die Protokollführung i n diesen und die Fertigung der Niederschriften darüber; die Bearbeitung der m i t den Richtlinien der Politik des Ministerpräsidenten zusammenhängenden Angelegenheiten unter M i t w i r k u n g der beteiligten Ressorts; die Vorbereitung von Entscheidungen des Ministerpräsidenten u n d der Staatsregierung i n Personalangelegenheiten; die Vorbereitung von Anordnungen u n d Entscheidungen des Ministerpräsidenten auf dem Gebiet des Gnadenrechts; die Koordinierung der Tätigkeit der Ministerien insbesondere i n Bundesangelegenheiten, i n der Landesgesetzgebung und i n Verwaltungsangelegenheiten, ferner der Verkehr m i t den Obersten Bundes- u n d Landesgerichten; die Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben der Staatsregierung, die V o r bereitung der Verleihung von Auszeichnungen durch den Ministerpräsidenten sowie die M i t w i r k u n g bei der Verleihung von Auszeichnungen durch den B u n despräsidenten; die Schriftleitung des Gesetz- und Verordnungsblattes und des Staatsanzeigers sowie die Federführung bei der Sammlung des bayerischen Landesrechts; der amtliche Informations- u n d Pressedienst der Staatsregierung einschließlich der Herausgabe grundsätzlicher oder allgemeiner politischer Erklärungen des Ministerpräsidenten oder der Staatsregierung; u n d schließlich die Behandlung von Angelegenheiten der auf bayerischem Gebiet stehenden ausländischen Truppen, der Beziehungen zur Bundeswehr u n d die Bearbeitung der m i t dem Vorsitz des Ministerpräsidenten i n der Bayerischen staatlichen Kommission zur friedlichen Nutzung der Atomkräfte zusammenhängenden Angelegenheiten.

Vielgestaltigkeit der Aufgaben

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Der Bayerischen Staatskanzlei sind außerdem eingegliedert zwei Institutionen: Die Geschäftsstelle des Landespersonalausschusses und die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Der Landespersonalausschuß dient der zentralen Erledigung bestimmter Aufgaben, die staatliche und kommunale Beamte i n gleicher Weise berühren, durch ein unabhängiges Kollegium. Wegen der zentralen Bedeutung dieses Tätigkeitsbereichs hat es sich als sinnvoll und segensreich erwiesen, daß seine Geschäftsstelle der Staatskanzlei und nicht einem Ressort angegliedert wurde. Dies erscheint auch verfassungsrechtlich vertretbar: Schon das Bayerische Beamtengesetz von 1946 hat das damalige Landespersonalamt dem Ministerpräsidenten unterstellt und es ist kaum angezweifelt worden, daß die Dienstaufsicht des Ministerpräsidenten über die Mitglieder des Spruchausschusses und über die Geschäftsstelle des Landespersonalausschusses zu einer vorverfassungsrechtlichen Aufgabe des Ministerpräsidenten gehört, zumal die Verfassung nicht alle Aufgaben des Ministerpräsidenten enumerativ aufgeführt hat. Zur Landeszentrale für politische Bildungsarbeit kann ich m i r nähere Ausführungen ersparen. Die Landeszentrale, die mit gleicher Aufgabenstellung auch in den übrigen deutschen Ländern und als Bundeszentrale für politische Bildung beim Bund existiert, soll auf überparteilicher Grundlage das Gedankengut der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung i m Bewußtsein der Bevölkerung fördern und festigen. I n Erfüllung dieser Aufgabe arbeitet sie mit allen Einrichtungen und Vereinigungen zusammen, die sich der staatsbürgerlichen Erziehung und Fortbildung widmen. Aus dieser klar umrissenen Aufgabenstellung ergibt sich, daß die Landeszentrale weder hoheitliche Aufgaben noch Aufgaben der schlichten Verwaltung erfüllt. Ihre Errichtung bei der Bayerischen Staatskanzlei begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach diesem Überblick über die Aufgaben der Bayerischen Staatskanzlei soll noch einiges über die A r t und Weise gesagt werden, i n der die Aufgaben erfüllt werden. Es ergibt sich aus dem Thema der Tagung, daß eine der zu behandelnden Kernfragen die ist, welche Unterstützung der Ministerpräsident als Politiker von seiner Staatskanzlei erwarten kann. Daß die Staatskanzleien auf Grund ihrer herkömmlichen Organisation und personellen Besetzung in der Lage sein müssen, dem Ministerpräsidenten bei der Erfüllung seiner staatsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Aufgaben zur Hand zu gehen, erscheint selbstverständlich. Fragen der Vertretung des Staates, des Beamtenrechts, des Gnadenrechts, des Ordenswesens wie auch die der M i t w i r k u n g bei der Arbeit des Bundesrates können von

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Alfons Goppel

einem eingespielten Beamtenapparat gut und zuverlässig gelöst werden. Schwieriger w i r d die Arbeit der Staatskanzlei, soweit sie den Mitarbeiterstab des Ministerpräsidenten bei der Bestimmung, Durchführung und Überwachung der Richtlinien der Politik stellt. Wie Herr Kollege Altmeier sagte, verpflichtet die Richtlinienkompetenz den Ministerpräsidenten zur politischen Führung seines Landes. Kann vom Ministerpräsidenten allein alles „Politische" kommen, während seinen Mitarbeitern vorwiegend der nichtpolitische Bereich vorbehalten bleibt? Die Antwort liegt auf der Hand. Bei der Vielfalt der politischen Aufgaben des Ministerpräsidenten — er muß ja regieren und darf nicht nur verwalten — kann er auch hier der beamteten Hilfskräfte nicht entraten. Es ist dem deutschen Regierungsstil (schon allein von der personellen Besetzung der obersten Staatsbehörden her) eigen, daß die auftauchenden Fragen vielfach vorrangig juristisch geprüft und gesehen werden. Die Spitzenstellen der Beamtenhierarchie i n den Staatskanzleien und Ministerien sind fast ausschließlich mit Juristen besetzt. Dies braucht kein Nachteil zu sein, weil keine Ausbildung so sehr zu folgerichtigem Denken und umfassender Anschauung führt wie die des Juristen. Doch reichen juristisches Wissen und juristische Betrachtungsweise als Rüstzeug für das Wirken des Politikers nicht aus. Hier ist das juristische Element nur eines von vielen. Volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, psychologische Momente, historische Erkenntnisse müssen berücksichtigt werden, kurz alles, was zum Inbegriff des Politischen gehört, weil es auf unser öffentliches Leben Einfluß hat. Der politischen Entscheidung, die i m Bereich der Richtlinienkompetenz letztlich Sache des Politikers ist, muß eine gewissenhafte Erforschung aller sachlichen Details vorausgehen, die für eine Angelegenheit von Bedeutung sind. Die Staatskanzlei muß so gegliedert und personell besetzt sein, daß sie den Ministerpräsidenten i n folgenden Bereichen unterstützen kann: 1. Für

die Erarbeitung

allgemeiner

Grundsätze

müssen d i e G r u n d -

lagen geschaffen werden. Dazu gehört insbesondere die Gewinnung, Aufbereitung und Verwertung von Informationen. Das erfordert ständige Kontakte mit den Ressorts des eigenen Landes, des Bundes und der anderen deutschen Länder, den Parlamenten, den Parteien und den im öffentlichen Bereich tätigen Verbänden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse müssen klar gegliedert und — soweit erforderlich — i n Form von Alternativvorschlägen dargestellt werden, so daß der Regierungschef ohne unnötigen eigenen Zeitaufwand die Problematik erfassen und Entscheidungen treffen kann.

Vielgestaltigkeit der Aufgaben

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2. Da der Ministerpräsident die politische Verantwortung für die A r beit seines Kabinetts trägt, w i r d unter Umständen auch bei der Behandlung von Einzelfragen, die an sich unter eine Ressortzuständigkeit fallen, eine Einschaltung notwendig werden. Ich erinnere für den bayerischen Bereich nur an den Bau eines Protonenbeschleunigers i m Ebersberger Forst, den Standort eines neuen Münchener Flughafens und den Bau von Massenverkehrsmitteln i n der Landeshauptstadt. Gerade i n der Rolle des Verhandlungspartners w i r d der Ministerpräsident Einzelprojekte selbst verantworten müssen, weil seinem Handeln kraft seiner Stellung ein größeres Gewicht zukommen kann. Dann w i r d er aber eines auf ihn eingespielten und ihm unmittelbar verantwortlichen Apparates bedürfen, u m rasche und zuverlässige Unterstützung zu finden. Die M i t arbeit i m politischen Bereich stellt die dafür zuständigen Beamten vor schwierige Probleme. Schon der ständige Kontakt mit oft wesentlich höhergestellten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, den sie für den Regierungschef pflegen müssen, erfordert ein hohes Maß an Takt und Einfühlungsvermögen. Die Tagesarbeit fällt so stark aus dem Rahmen orthodoxer Beamtentätigkeit heraus, daß die allgemeinen Regeln des öffentlichen Dienstes häufig nicht als Leitsätze dienen können. Trotzdem bin ich auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen der Überzeugung, daß auf lange Sicht keine Staatskanzlei ohne eine Gruppe von Mitarbeitern w i r d auskommen können, die speziell dem politischen Wirken des Ministerpräsidenten zu dienen bestimmt ist. Ich bin mir darüber i m klaren, daß die Kanzleien der deutschen Regierungschefs i n die Erfüllung insbesondere der politischen Aufgaben erst hineinwachsen müssen. Viele dieser Aufgaben sind neu, viele Aufgabenbereiche sind erst i m Entstehen, für manche hat die noch junge „Regierungslehre" noch nicht einmal die theoretischen Grundlagen geschaffen. Hieran mitzuwirken ist gerade auch Aufgabe der Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer. Wenn ich auch viel von dem Wort Bismarcks halte „Man kann nie mehr tun als warten, bis man den Schritt Gottes in der Geschichte spürt und dann vorspringen und den Zipfel seines Mantels zu ergreifen suchen", so bin ich m i r doch dessen bewußt, daß diesem „Spüren" viel harte reale Arbeit meiner Mitarbeiter vorhergehen muß.

Ein notwendiges Hilfsinstrument Von Georg-August Zinn

Auch i n der Staatskunst ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Der Ministerpräsident führt die Regierung. Er bestimmt die Richtlinien und damit die Schwerpunkte der Politik. I n den vielen, oft schwer überschaubaren Fragen des Alltags aber w i r d eine Regierung nur dann nach außen als Einheit auftreten, wenn eine Stelle ihre Geschlossenheit wahrt: die Staatskanzlei. Wer i n der Staatskanzlei lediglich eine Geschäftsstelle und Registratur des Kabinetts, i m Chef der Staatskanzlei nicht mehr als einen dekorativen Bürodirektor der Landesregierung erblickt, hat ihre Aufgabe nicht erfaßt. Natürlich ist die Staatskanzlei auch Dienststelle; wenn man so will, persönliches Büro des Ministerpräsidenten. Aber ihre Tätigkeit erschöpft sich nicht i n der Beurkundung der Kabinettsagenden und der Technik der Gesetzesverkündung, den Aufgaben des Protokolls, der Ehrung von Jubilaren oder der Bearbeitung von Ordensangelegenheiten. Die Hessische Staatskanzlei ist vielmehr die Zentralstelle für den Verkehr der Landesregierung m i t dem Landtag und dem Bundesrat, sie bearbeitet Grundfragen des Verfassungsrechts, unterstützt den Regierungschef bei der Setzung von Orientierungspunkten für eine rationale Politik und hat darüber hinaus oft die ersten Impulse neuer Ideen verwirklicht. Von der rein juristischen Seite aus könnten Auseinandersetzungen vor dem Staatsgerichtshof oder dem Bundesverfassungsgericht, an denen die Landesregierung beteiligt ist, durchaus auch vom Justizminister oder vom Innenministerium bearbeitet werden. Wenn ich gleichwohl Wert darauf lege, daß die Federführung i n diesen Angelegenheiten bei der Staatskanzlei liegt, hat das folgenden Grund: Ob, i n welchem Zeitpunkt und m i t welcher Begründung die Hessische Landesregierung ζ. B. ein Normenkontrollverfahren gegen ein grundgesetzwidriges Bundesgesetz betreibt, welche Argumente sie dabei besonders betont, das alles sind Fragen, die über das Juristische hinaus eminent politische Bedeutung haben. Für die Erhaltung und sinnvolle Fortbildung der Grundprinzipien unserer verfassungsmäßigen Ordnung einzutreten, ist nicht nur ein

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Georg- August Z i n n

Recht, sondern die ureigenste Pflicht des Regierungschefs selbst. Ich erinnere dabei auch an die Konsequenzen, die beispielsweise durch das Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts oder seine Entscheidungen zur Parteienfinanzierung ausgelöst wurden. Deshalb ist es notwendig, daß i n solchen Fragen die Landesregierung unter Führung des Regierungschefs geschlossen auftritt. Zur Staatsführung gehört Autorität. Autorität verbraucht sich, wenn man sie nicht i m rechten Augenblick gebraucht. Dabei sind Übertreibungen genau so schädlich wie Nachlässigkeiten. Meine Staatskanzlei kann mir diese Aufgaben nicht abnehmen. Meine Mitarbeiter haben nicht — wie etwa die Beamten der Staatskanzlei i m alten römischen Reich — ex auctoritate principis zu respondieren. Das widerspräche der verfassungsmäßigen Stellung des Kabinetts und dem Ressortprinzip. Aber sie werden mich rechtzeitig auf Entwicklungen aufmerksam machen, denen ich besondere Aufmerksamkeit widmen muß. Wie bedeutsam das bei der derzeitigen Haushaltslage ist, brauche ich nicht näher zu erläutern. Als auf meine Veranlassung der Große Hessenplan entwickelt wurde, bereitete die Erfassung der i n den nächsten 10 Jahren notwendigen und wünschenswerten Investitionen zunächst Schwierigkeiten. Sobald sich aber die Erkenntnis verbreitet hatte, daß nicht rechtzeitig vorgelegte und eingeplante Investitionsprogramme künftig keine Berücksichtigung finden könnten, brauchte ich mich u m die vorbehaltlose Bereitschaft aller i n Frage kommenden Stellen zur Mitarbeit nicht mehr zu sorgen. Denn jeder wußte, daß die Staatskanzlei i n meinem Auftrag die Einhaltung dieser Grundsätze überwachen würde. I m Jahre 1961 wurde nach meinem Vorschlag erstmals ein Hessentag veranstaltet. Die Staatskanzlei übernahm die Organisation. Seither w i r d der Hessentag alljährlich i n einer anderen hessischen Stadt durchgeführt. Die unerwartet hohen Besucherzahlen und das lebhafte Echo i n der Öffentlichkeit beweisen das große Interesse, das diesem „Fest der Hessen" allgemein entgegengebracht wird. Ich hätte meine Vorstellungen ohne einen nach meinen Weisungen arbeitenden Stab nicht verwirklichen können. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie vielgestaltig und wichtig die Aufgaben einer gut funktionierenden Staatskanzlei sind. Sie ist kein Überressort, sondern das notwendige Hilfsinstrument des Regierungschefs bei der Wahrnehmung seiner Richtlinienkompetenz, der V e r w i r k lichung seiner Ideen und der Erfüllung seiner sonstigen Aufgaben.

Vorarbeit für den Staatschef Von Herbert Weichmann

Da ich an der Tagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer nicht teilnehmen konnte und deshalb an die Referate und Diskussionsbeiträge nicht unmittelbar anzuknüpfen vermag, möchte ich einige grundsätzliche Erwägungen i n den Vordergrund stellen, die m i r freilich für alle Staatskanzleien maßgeblich zu sein scheinen. Die erste Erwägung geht von der Tatsache aus, daß die Staatskanzleien ihrem Wesen nach ein Instrument des Kabinettschefs sein müssen und daß sie sich i n Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise an der Aufgabe des Kabinettschefs auszurichten haben. Soweit die Staatskanzlei instrumental gesehen wird, ist eine leichte Zugängigkeit und eine vielfältige Einsetzbarkeit Voraussetzung. Unabdingbar sind demnach kurze Wege sowohl vom Kabinettschef zu den Mitarbeitern als auch zwischen den Mitarbeitern. Nur so ist eine hohe Aktionsfähigkeit sicherzustellen. Die Aufgabenstellung selbst hat sich an der Zielsetzung der Regierungsspitze auszurichten. Sie ist zunächst einmal abstrakt zu definieren. Danach w i r d sie gekennzeichnet, unbeschadet der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, i n denen sie präzisiert sein mag, durch das Wesen des modernen Staates, der nicht mehr nur ein Verwaltungsstaat, sondern ebensosehr ein Leistungsstaat zu sein hat. Die moderne Gesellschaft richtet heute an den Staat vielfältige Ansprüche. Wissenschaft, Technik sowie der internationale Wettbewerb der Staaten untereinander sorgen dafür, daß Anforderungen und Notwendigkeiten sich i n einem ständigen Wechsel befinden. Außerdem muß die Zielsetzung auf die Situation bezogen werden. Zu berücksichtigen ist, ob es sich beispielsweise um ein entwickeltes oder unentwickeltes Gemeinwesen handelt, ob Engpässe vorhanden sind oder Strukturänderungen sich abzeichnen. Erwogen werden muß ferner die zur Verfügung stehende Finanzmasse und die Problematik der Zuordnung zu größeren Räumen. Daraus ist das Arbeitsmaterial für den Staatschef zu formen, das ihn i n die Lage versetzt, durch Beobachtung, Analyse und Planung die Konzeption für eine Regierungstätigkeit zu entwickeln oder zumindest zu verstehen. Ein wenig übertrieben ausgedrückt, sollte der Staatschef i n der Lage sein, die Funktionen eines Chefplaners und die Funktionen eines obersten Managers i n einem gesellschaftspolitischen Leistungsunternehmen zu entwickeln. 3 Speyer 34

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Herbert Weichmann

Von dieser Aufgabe her gesehen ergibt sich dann als zweite Erwägung die Forderung, den Staatschef i n die Lage zu versetzen, dieser Aufgabe wirklich zu genügen. Die Fülle des Materials, das auf den verschiedensten Gebieten der staatlichen Tätigkeit auf ihn zukommt, umschließt Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, Probleme des Bildungswesens, Sozialpolitik, handfeste Aufgaben wie Verkehrsinfrastruktur, Städteplanung, Stadtsanierung, Industrialisierung, oder auch Fragen der Freizeitgestaltung und der Menschenführung überhaupt. Deshalb ist es einer einzelnen Person natürlich unmöglich, sich m i t Gründlichkeit der Probleme oder der Erkenntnisse anzunehmen, die ein ständig sich wandelndes gesellschaftliches Leben und eine sich immer weiter spezialisierende Wissenschaft präsentieren. Es ist meine Auffassung, daß die Staatskanzlei i n einem modernen Staat heute i n erster Linie eine A r t kleiner brain trust zu sein hat, der vorarbeitend und prüfend für den Staatschef die Grundlagen für die Regierungspolitik zu konzipieren oder zu koordinieren hat. Auch sind Alternativmodelle zu entwickeln, um die Ablaufsbedingungen überschaubarer darzulegen und vor allem den Entscheidungsbedarf zeitlich abzukürzen. Die Konzeption w i r d hier als primäre, originäre Tätigkeit, gleichsam als schöpferische Regierungsfunktion verstanden. Sie ist demgemäß als grundlegende Regierungstätigkeit einzuklassifizieren. Eine Gesamtkonzeption ist unerläßlich, weil auch bei sonst i m einzelnen ausgezeichneten Ministerien die i n eben diesen Ministerien anfallenden Führungsaufgaben nur dann i m richtigen Zeitpunkt und sachlich entsprechend orientiert begonnen werden können, wenn sie als Teil eines Ganzen, aber nicht als eine A r t unabdingbarer Ressortreligion betrachtet werden. Eine Gesamtkonzeption ist auch erforderlich, um die Schwerpunkte zu setzen, die Dringlichkeiten zu bestimmen und damit auch einen belastenden Perfektionismus i m Ressortbereich zu vermeiden. Eben diese Aufgabe, die staatlichen Aufgaben in eine Gesamtkonzeption einzubauen, fällt aber dem Staatschef vor allen Ressortministern zu. I m unmittelbaren Zusammenhang steht damit die Aufgabe der Koordination. Sie lag bisher i m wesentlichen bei den Finanzministerien, denen die gewiß nicht leichte Aufgabe zufiel, über die Möglichkeiten der Haushaltspolitik die Ressortwünsche zu dirigieren und damit eine gewisse schiedsrichterliche Funktion auszuüben. Auch die Finanzministerien sind aber letzten Endes nur Ressortministerien, und die Tatsache, daß die fiskalische Rechnung stimmt, muß noch keineswegs besagen, daß auch die Steuerführung für die staatliche Politik als Ganzes richtig ist. Die Koordination ist so i n Abgrenzung zur Konzeption eine sekundäre Tätigkeit, weil sie i n erster Linie der Überprüfung des Ablaufs dient und somit eine mehr kontrollierende Tätigkeit darstellt. Sie ist aber keine statische Funktion, weil sie dynamisch, d. h. vorausschauend, die A b -

Vorarbeit für den Staatschef

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laufsbedingungen überprüfen muß. Aus diesem Grunde ist sie gleichsam als angewandte Regierungsfunktion einzuordnen. Aus diesen beiden Erfordernissen, der Konzeption und der Koordination, ergeben sich dann auch die Notwendigkeiten für die Organisation der Staatsverwaltung. Nach meinen Erfahrungen i n der Weimarer Zeit i m Staat Preußen und jetzt i n einem Stadtstaat bedarf es keiner personell großen Ausstattung der Staatskanzleien, wohl aber bedarf es einer Ausstattung mit Kräften, die i n der Lage sind, den aufgezeigten Anforderungen wirklich zu entsprechen. M i t der Erfüllung einer Laufbahnvorschrift oder der Absolvierung eines Studiums ist eine ausreichende Qualifikation sicher nicht erbracht. Die Jurisprudenz allein w i r d ebensowenig wie ein volkswirtschaftliches oder betriebswirtschaftliches Studium ein Befähigungszeugnis per se darstellen. Die Mitarbeiter der Staatskanzlei müssen sehr große Kenntnisse i m nationalen und internationalen Bereich besitzen, über eine ungewöhnliche Bildungsbreite verfügen, aber vor allen Dingen auch schöpferischen Instinkt und die Fähigkeit zum selbständigen Denken haben. Sie müssen auch bei den schwierigen Verhandlungen, die mit den Ressorts zu führen sind, über die Begabung verfügen, überzeugend zu wirken und sich Autorität zu verschaffen. Sie werden auch eine außerordentliche Spannkraft und Belastungsfähigkeit besitzen müssen, die ihrerseits wiederum nur gewährleistet sein wird, wenn sie ihre Tätigkeit nicht schlechthin mit dem Geiste der Berufspflicht, sondern mit einem gewissen Geiste der Besessenheit erfüllen, dem trotzdem nicht die Weisheit des Abwägens fehlt. Unter diesen Umständen glaube ich auch nicht, daß sich ein bestimmtes Schema einer Organisationsform festlegen läßt. Die Geschäftsverteilung muß sich i n diesem Falle nach den zur Verfügung stehenden Persönlichkeiten und ihren Fähigkeiten richten, also elastisch bleiben. Bei diesen meinen Äußerungen bin ich an einer ganzen Reihe von klassischen Funktionen der Staatskanzleien, wie Protokollaufgaben oder reinen administrativen Pflichten, vorbeigegangen. Ich glaube jedoch, daß i m Bereich der administrativen Tätigkeit nicht mehr oder nicht weniger Besonderheiten vorliegen als i n jeder anderen Verwaltung. Aus der aktuellen Erfahrung i n einer immer komplizierter werdenden Welt und bei dem gegebenen Selektionsprinzip für unsere Politiker scheint es m i r notwendig, daß gerade dem Regierungschef ein Gremium zur Verfügung stehen muß, in dem vor allen Dingen gleichmäßig ein möglichst großes Maß an Wissen, Fähigkeit zur Konzeption und Begabung zur Koordination verbürgt ist.

Zweiter Teil Aufbau u n d Arbeit der Staatskanzlei

Tätigkeitssphären und Organisationsstrukturen V o n Franz Knöpfle

Gliederung Einleitung — Die mangelnde Aufhellung des „Bereichs der Regierung" i n funktionellem Sinn — Die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit von Wissenschaft u n d Praxis auf diesem beide gleichermaßen interessierenden Gebiet — Das Erfordernis steten Realitätskontaktes — Tätigkeitssphären und strukturelle Gestaltung; Grundfragen in bezug auf Aufgabenbereiche und Funktionen — Die Aufgaben der Staatskanzlei nach Verfassungsrecht als eine vorgegebene Konzeption — Das Erfordernis einer regierungsorganisations-konformen Zuweisung von Aufgaben — Instrument zur Unterstützung des Regierungschefs bei der politischen Lenkung; bei Ausübung der Richtlinienkompetenz; bei Behandlung des politisch relevanten Einzelfalles; bei der „Öffentlichkeitsarbeit" — Hilfsorgan bei der Wahrnehmung „staatsoberhauptlicher F u n k t i o nen" — Generalsekretariat des Regierungschefs — Sekretariat der Gesamtregierung — Sekretariat des Ministerrats — Hilfsorgan bei der Koordinierung der Ministerien u n d der Kontrolle der Befolgung der „Richtlinien der P o l i t i k " u n d der Kabinettsbeschlüsse — Träger von Fach-(Ressort-)Aufgaben — Dienstaufsichtsführende Behörde — Zentrales Verwaltungsamt — „Hausgut" des Leiters der Staatskanzlei — Grundfragen in bezug auf strukturelle Gestaltung und Organisation — Leitung: Soll ein Beamter oder Politiker Leiter sein? — Die m i t politischen Fragen befaßten Amtsangehörigen: Diener des Staates oder des jeweiligen „Regimes"? — Hierarchisch aufgebaute Behörde oder kollegialer Beraterstab? — Die Staatskanzlei als Plattform f ü r die Nutzbarmachung des Sachverstandes u n d der Erfahrungen Außenstehender — Bedeutung von informalen Strukturelementen u n d Irrationalitäten — Schlußgedanke — Auswirkungen der Persönlichkeit des Regierungschefs auf die Leistung der Staatskanzlei

I A l l e wissenschaftlichen D i s z i p l i n e n , die sich u n t e r j e w e i l s verschieden e n A s p e k t e n m i t d e m R e g i e r e n u n d L e i t e n des Staates befassen, s t i m m e n d a r i n ü b e r e i n , daß dieser B e r e i c h s t a a t l i c h e r T ä t i g k e i t b i s h e r v e r nachlässigt b l i e b . V o n staatsrechtlicher Seite w i r d b e m e r k t , daß seit Bestehen d e r B u n d e s r e p u b l i k das wissenschaftliche Interesse m e h r der L e h r e v o n d e n G r u n d rechten, der V e r f a s s u n g s g e r i c h t s b a r k e i t u n d d e m V e r h ä l t n i s v o n B u n d

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Franz Knöpfle

und Ländern gilt als dem organisatorischen Verfassungsrecht 1 . Wenig beachtet ist i m besonderen das „sekundäre Verfassungsrecht", nämlich das in den Verfassungen selbst nicht enthaltene Organisations- und Verfahrensrecht der obersten Staatsorgane, das schon deshalb stärkerer Beachtung wert wäre, weil Geschäftsordnungspraktiken erhebliche politische Auswirkungen zeitigen können 2 . Von der Verwaltungslehre wird erklärt, daß die öffentliche Verwaltung am Rande des staatsbürgerlichen Wissens geblieben sei, daß sie sich als „schweigende Gewalt", die unverkennbaren Beschränkungen i n ihrer Freiheit zur Aussage über sich selbst unterliege, von der Gesetzgebung wie auch von der Rechtspflege unterscheide, die beide ihre Funktionen i n erheblichem Umfang durch geplante Unterrichtung und Begründung ihrer Schritte erfüllten. Es bleibe hier dahingestellt, ob das i m Zeichen der „offenen Tür" und der Pressestellen bei den Behörden i n der Gegenwart für den Gesamtbereich der Verwaltung noch gilt, sicher aber t r i f f t es zu auf die Staatskanzlei, die, wie darzulegen sein wird, darauf angelegt ist, dem Regierungschef und der Regierung beratend und dienend zur Seite zu stehen und allenfalls als deren Sprachrohr in Erscheinung zu treten. Für eine solche Hilfsinstitution gilt in besonderem Maße, daß sie — wie Morstein Marx diesen Sachverhalt einmal treffend ausgedrückt hat — als sachkundiger Berater der Organe der politischen Willensbildung i m Schatten einer internen, wenn nicht sogar vertraulichen Beziehung steht und daß insoweit ihre Tätigkeit unbesungen bleibt. Weil eine solche Stelle „ihrem Wesen nach ,Apparat' ist", darf sie nie einen Gegensatz zu ihrem „Auftraggeber" bekunden, dessen Recht, für sich selbst zu sprechen, immer den Vorrang beansprucht 3 . Auch die politische Wissenschaft beklagt, daß ihr Wissen über die Arbeitsweise der Regierung und der Ministerialbürokratie „denkbar dürftig" sei 4 . Man w i r d wohl zugestehen müssen, daß es (für den Unbeteiligten) schwer ist, sich vorzustellen, was ein Regierungschef und ein hoher Ministerialbeamter denn eigentlich zu tun haben, und daß nichts undurchsichtiger ist als die Realität des modernen Regierens, obwohl doch die Publizität ein Lebenselement der freiheitlichen Demokratie ist 5 . 1 s. Böckenförde, Ernst-Wolf gang: Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung. Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Duncker & Humblot, 1964, S. 7. 2 s. hierzu Rothenbücher, K a r l : Die Stellung des Ministeriums nach bayerischem Verfassungsrechte. München: Beck, 1922, S. 2 ff., u n d Schneider, Hans: Die Bedeutung der Geschäftsordnungen oberster Staatsorgane für das Verfassungsleben. Festschrift für Rudolf Smend. Göttingen: Schwartz, 1952, S. 303 ff. 3 Vgl. Morstein M a r x i n Luhmann, Niklas: Funktionen u n d Folgen formaler Organisation. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 20. Berlin: Duncker & Humblot, 1964, S. 8, Vorwort. 4 Hennis, W i l h e l m : „Aufgaben einer modernen Regierungslehre", Politische Viertel Jahresschrift, Jg. 6, 1965, S. 422 ff., 427. 5 So zutreffend Hennis a.a.O. S. 428.

Tätigkeitssphären und Organisationsstrukturen

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Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer über die Staatskanzlei, jene dem Außenstehenden i m allgemeinen verschlossene „Sakristei des Staates", ein verheißungsvoller Auftakt zu sein, nehmen doch neben Wissenschaftlern erfahrene Kenner der schon i m vorigen Jahrhundert von Walter Bagehot studierten „problems and difficulties of government" mitwirkend teil. Die auf diesem Gebiet unerläßliche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Staatspraxis hat sich auch darin dokumentiert, daß sämtliche Staats- und Senatskanzleien i n hilfsbereiter Weise die erbetenen Aufschlüsse gegeben haben, wofür auch an dieser Stelle gedankt sei. Wenn es also zutrifft, daß die Wirkungsweise der „Maschinerie des Regierens unter modernen Bedingungen" 6 der Aufhellung bedarf, dann gilt es, beim Forschen auf diesen Gebieten auf steten Realitätskontakt bedacht zu sein und sich zunächst einmal der Fakten anzunehmen. Was Walter Eucken der Nationalökonomie zurief, gilt auch hier: „ W i r müssen die Bücher beiseite legen und die Wirklichkeit sehen, w i r müssen uns von den Autoritäten zu den Sachen w e n d e n . . . Natürlich müssen w i r die überkommene Wissenschaft kennen und sie verwenden. Und doch ist es nötig, sich erneut und entschieden der Realität zuzuwenden 7 ."

II Von den drei Komponenten des Tagungsthemas: „Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise der Staatskanzleien" befaßt sich dieser Beitrag nur mit den beiden ersten: Zunächst gilt es, die verschiedenartigen Tätigkeiten, die in der Gegenwart von den Staatskanzleien wahrgenommen werden, zu analysieren und dabei zu prüfen, ob sie überhaupt zu deren Aufgabengebiet gehören. Kriterien für diese Beurteilung sind das Staatsrecht und darüber hinaus die Erfordernisse des Regierens i n der heutigen pluralistischen Parteiendemokratie, also juristische wie politologische Gesichtspunkte. Erst nach Klärung der Funktionen der Staatskanzlei, auf denen der Schwerpunkt der unmittelbar folgenden Ausführungen liegt (Abschnitt A), kann auf Grundfragen ihrer Organisation eingegangen werden (Abschnitt B), denn ihre bestmögliche strukturelle Gestaltung hängt von den zu erfüllenden Aufgaben ab. A. Der Blick sei deshalb zunächst gerichtet auf die Tätigkeitssphären der β

Staatskanzleien:

Hennis a.a.O. S. 429. Eucken, Walter: Die Grundlagen der Nationalökonomie, 5. Aufl. Godesberg: Küpper, 1947, S. X I V . 7

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Franz Knöpfle

(1) Es liegt nahe, nach einer normativen staatsrechtlichen Grundlage Ausschau zu halten, die einen Anhalt und vielleicht sogar einen vollständigen Rahmen für die i n Betracht kommenden Aufgabenbereiche zu geben vermag. Das organisatorische Staatsrecht i m Grundgesetz und den Landesverfassungen enthält keine konkrete Bestimmung hierüber, mit Ausnahme des Art. 52 Satz 1 der Bayerischen Verfassung, die der Staatskanzlei Erwähnung tut: „ Z u r Unterstützung des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung i n ihren verfassungsmäßigen Aufgaben besteht eine Staatskanzlei." Damit hat diese Verfassung Sinn und Zweck der Staatskanzlei umschrieben 8 und mittelbar für die Fragen ihrer Ausgestaltung einen zentralen Beurteilungsgesichtspunkt gegeben. Wollte man nun systematisch weiter vorgehen, dann müßte man die verfassungsmäßigen Aufgaben des Ministerpräsidenten und der Regierung zusammenstellen, sodann eine A r t Technologie des Regierens entwickeln und dann erst könnte man einen Struktur- und Organisationsplan für die Staatskanzlei unter Berücksichtigung der Schwerpunkte der politischen Arbeit des jeweiligen Regierungschefs und Kabinetts entwerfen, um diese so mit einem „maßgeschneiderten" Hilfsapparat auszustatten. I n der Tat sieht sich, wer einen Organisations- und Geschäftsverteilungsplan für eine Staatskanzlei oder ein Ministerium zu entwerfen hat, der Sache nach mit der komplexen Aufgabe konfrontiert, incidenter ein Stück moderner Regierungslehre zu entwickeln. Zu einer solchen Stabsaufgabe kat exochen w i r d in der Regel nur ein Stab von i m Ministerialdienst erfahrenen Fachleuten, von denen jeder einzelne mit einem bestimmten Teilgebiet der „machinery of government" vertraut ist, in Zusammenarbeit mit der politischen Spitze befähigt sein. Das spezielle Thema dieser Tagung läßt es jedoch nicht zu, diesen noch unerschlossenen Pfad einer „Regierungslehre" zu betreten und von dort aus eine erschöpfende Beantwortung der Frage nach den Funktionen der Staatskanzlei und der Organisation, die sie zu ihrer optimalen Erfüllung befähigt, zu versuchen; es nötigt vielmehr zu der grundsätzlichen Beschränkung, von dem sicheren Boden der geltenden Prinzipien für die innere Organisation der Regierung aus die einer Staatskanzlei zukommenden und die ihr wesensmäßig fremden Aufgaben kritisch zu sichten. (2) Da die Landesverfassungen wie das Grundgesetz übereinstimmend ein Verfassungsorgan „Regierung" kennen, dessen Innenorganisation durch die Verbindung von Präsidial-, Ressort- und Kollegialprinzip cha8 Uber die Regelung i m Detail s. § 1 der Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung v o m 19.12.1956 (BayBS. I, S. 19), die Bestandteil der Geschäftsordnung der Staatsregierung ist (s. § 11 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Bayer. Staatsregierung vom 19.12.1956, Staatsanzeiger 1957, Nr. 1, S. 1).

Tätigkeitssphären u n d Organisationsstrukturen

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rakterisiert ist 9 , sind die Aufgaben der Staatskanzlei auch i n den Ländern, deren Verfassung über die Staatskanzlei und ihr Aufgabengebiet nichts aussagt, und für das i m Grundgesetz nicht erwähnte Bundeskanzleramt i m wesentlichen dieselben. Diese Organisationsstruktur verlangt, daß für die Erledigung der verschiedenen Fachaufgaben grundsätzlich von verantwortlichen Ministern geleitete selbständige Ressorts zu errichten sind. Für die Staatskanzlei verbleibt somit bei einer regierungso r g a n i s a t i o n s - k o n f o r m e n E i n r i c h t u n g die Funktion eines dem Regierungschef und der Gesamtregierung dienenden Stabes ohne eigene exe-

kutive Befugnisse. Ihr kommt grundsätzlich eine Verwaltungszuständigkeit (abgesehen von der Eigenverwaltung) und damit die Möglichkeit, nach außen i m eigenen Namen hoheitlich i n Erscheinung zu treten, nicht zu. Ob diese Organisation der Regierung den künftigen Anforderungen voll genügt, ist eine Frage, die eigener Prüfung bedürfte. I m folgenden w i r d stets von der verfassungsmäßigen Innenorganisation der Regierung de constitutione

lata

ausgegangen.

(3) Ebenso wie die politische Lenkung des Staates Hauptaufgabe des Regierungschefs und der Regierung ist, soll sich die Arbeit der Staatskanzlei — jedenfalls bei ihrer regierungsorganisations-konformen Ausg e s t a l t u n g — a u f d e r e n Unterstützung

auf dem Gebiet

des

politischen

Regierens konzentrieren, nicht auf gesetzesakzessorische Administration. Funktionell gesehen entsprechen ihr m i t h i n nicht das Reichskanzleramt des Reiches von 1871, das die zentrale Behörde der Reichsverwaltung war, sondern das Reichskanzleramt i n der Weimarer Zeit — die Weimarer Verfassung kannte schon die Richtlinienkompetenz — sowie i n bestimmter Beziehung das Reichspräsidialamt, soweit es nämlich den Reichspräsidenten i n seinen staatspolitischen Aufgaben zu unterstützen berufen war, noch mehr aber das i m besonderen auf die politische Führung zugeschnittene Exekutivamt des Präsidenten der Vereinigten Staaten 1 0 , und die bezeichnenderweise i n der Zeit des ersten Weltkrieges mit seinen Aufgabenmehrungen i n England und Frankreich geschaffenen 9 Gewisse Abweichungen enthalten die Verfassungen von Bremen (s. A r t . 118 Abs. 1 Satz 1) u n d Hamburg (s. A r t . 33 Abs. 1) insofern, als dort dem Regierungschef die Richtlinienkompetenz nicht zukommt, u n d die Verfassung von Berlin insofern, als nach ihrem A r t . 43 Abs. 2 der Regierende Bürgermeister die Richtlinien der P o l i t i k n u r i m Einvernehmen m i t dem Senat u n d m i t B i l l i g u n g des Abgeordnetenhauses bestimmen darf. 10 Vgl. Loewenstein, K a r l : Verfassungsrecht u n d Verfassungspraxis i n den Vereinigten Staaten. B e r l i n : Springer, 1959, S. 320 ff.; Morstein M a r x , F r i t z : Amerikanische Verwaltung. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 15. Berlin: Duncker & Humblot, 1963, S. 89 ff., 134 ff.

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Regierungssekretariate zur einheitlichen Ausrichtung der Regierungsarbeit 1 1 . (a) Bei der Darstellung dieser Funktion des Stabes des Regierungschefs bildet dessen Richtlinienkompetenz berechtigterweise meist den gedanklichen Ausgangspunkt. Ihre Bedeutung i n der Regierungspraxis und die Eignung der Staatskanzlei i n ihrer heutigen Ausgestaltung zur Ausarbeitung der grundsatzpolitischen Richtlinien und als „politischer Generalstab", in dem sich operative Planung und „taktische Koordination" 1 2 vereinigen, werden jedoch vielfach überbewertet: Der Regierungschef erscheint als der zentrale Planer und Koordinator, der mit Hilfe der Staatskanzlei langfristige Programme konzipiert und Grundsatzentscheidungen fällt, diese den Ministerien als Arbeitsgrundlage übermittelt und dann von hoher Warte aus ihre Ausführung nach A r t einer Kontrollinstanz überwacht. Die Arbeit der Staatskanzlei entspricht aber aus einer Reihe von Gründen nicht einem solchen Bild. Einmal sind — worauf Forsthoff hinweist — Richtlinien der Politik „für ein entideologisiertes staatliches Gemeinwesen nur sehr schwer bestimmb a r " 1 3 ; zum anderen verbleibt den Ländern auf den ihnen zur freien Gestaltung überlassenen Gebieten infolge der zunehmenden gemeinschaftlichen Planung und Koordinierung für „einsame Entschlüsse" nur ein beschränkter Raum. Schließlich hängt es von der jeweiligen politischen Konstellation ab, ob die reale „Macht" zur Bestimmung der politischen Maximen i n den Händen des nach der Verfassung hierzu formell berufenen Regierungschefs liegt. Diese hier nur angedeuteten Faktoren führen i m Ergebnis dazu, daß der politische Kurs meist vom Regierungschef, seinem Kabinett, seiner Fraktion, seiner Partei und den Koalitionspartnern gemeinsam festgelegt wird, wobei der Anteil der genannten Faktoren je nach den Umständen variieren kann. Aber selbst dann, wenn einem Regierungschef die Programmgebung und Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen gegenüber den politischen Kräften möglich sein sollte, dürften die Staatskanzleien in ihrer derzeitigen Ausgestaltung noch nicht voll i n der Lage sein, nach seinen Intentionen ein fundiertes langfristiges Regierungsprogramm auszuarbeiten. Die Kompliziertheit der modernen Industriegesellschaft stellt den Staat vor neuartige Aufgaben, die m i t einer einfachen politischen Willensentscheidung alten Stils nicht mehr zu lösen sind. Die heutige zum 11

Böckenförde a.a.O. S. 234 ff. Wildenmann, Rudolf: Macht u n d Konsens als Problem der Innen- und Außenpolitik. F r a n k f u r t u n d Bonn: Athenäum-Verlag, 1963, S. 153. 13 Forsthoff, Ernst: Rechtsstaat i m Wandel. Stuttgart: Kohlhammer, 1964, S. 204. 12

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„fachmännisch-rechenhaften tendierende Entwicklung" 1 4 verlangt die sachgerechte, die sachrichtige Entscheidung, und diese läßt sich vielfach nicht mehr ermitteln ohne ein Zusammenwirken von Experten der verschiedensten Fachgebiete. Regierungschef und Regierung können ihrer zur Erarbeitung exakter Grundlagen für eine zielstrebige Politik, für die Bildung von Schwerpunkten des politischen Gestaltens und die richtige Entscheidung über Prioritäten auf die Dauer nicht entraten. M i t anderen Worten: Die Staatskanzlei bedarf i n Zukunft einer mit Fachleuten verschiedener Richtungen besetzten Grundsatzabteilung, deren Angehörige nicht m i t Tagesarbeit überlastet sind, sondern sich i n Ruhe dem Studium der Verhältnisse auf allen Lebensbereichen widmen, um sodann die Möglichkeiten eines sinnvollen Eingreifens und Steuerns der Regierung aufzeigen zu können. Für die derzeit noch unzulängliche Ausstattung der Staatskanzlei zur Bewältigung dieser grundsatzpolitischen Planung 1 5 scheint symptomatisch zu sein, daß derartige Aufgaben vielfach außenstehenden Kräften, einzelnen Sachverständigen und in der Zusammensetzung sehr unterschiedlichen Gremien, seien sie ad hoc berufen oder institutionalisiert, anvertraut werden müssen. Da größere Projekte auf den meisten Sachgebieten mit erheblichen Kosten verbunden sind, scheint es weiter notwendig zu sein, der Staatskanzlei als dem Hilfsorgan des Regierungschefs bei der politischen G r u n d s a t z p l a n u n g die langfristige

zentrale

Budgetplanung

zu übertra-

gen, die aber, soweit sie heute überhaupt ausgeübt wird, bis jetzt noch i n die Domäne der Finanzminister fällt. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, daß bei Weichenstellungen grundsätzlicher A r t — hingewiesen sei auf den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen und die Errichtung neuer Universitäten — das Finanzministerium manchmal ein gewichtigeres Wort mitzusprechen hat als der zuständige Fachminister und der Regierungschef selbst. Ohne gleichzeitige budgetmäßige Vorausplanung erscheint die volle Ausschöpfung der Befugnis des Regierungschefs zur gesamtpolitischen Lenkung und die Aufstellung eines Schwerpunktprogrammes und einer Prioritätsordnung für die Regierungsarbeit kaum mehr möglich 16 . I n diesem Zusammenhang verdient erwähnt zu werden, daß die Stadt München i m Herbst 1966 i m Hinblick auf die mit den Olympischen Spielen i m Jahr 1972 verbundenen Anforderungen an 14 Forsthoff, Ernst: Strukturwandlungen der modernen Demokratie. Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft Berlin, Heft 15. 1964, S. 16. 15 Über die Elemente des Planens s. Bardet, P h i l i p p : Die Organisation der Planung. Gegenwartsfragen aus Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. 1. Stuttgart: Kohlhammer, 1965. 16 Vgl. Henle, W i l h e l m : „Zuweisung der finanziellen M i t t e l " , i n Verwaltung: Eine einführende Darstellung. Hrsg. von Fritz Morstein M a r x i n Verbindung m i t Erich Becker u n d Carl Hermann Ule. Berlin: Duncker & Humblot, 1965, S. 331 ff., 337 ff.: „Der Haushaltsplan als Regierungsinstrument."

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die Stadt ein außerhalb der Fachreferate stehendes, dem Oberbürgermeister unmittelbar unterstelltes, zentrales Investitionsplanungsamt geschaffen hat. I n zutreffender Sicht dieser Zusammenhänge hat Morstein M a r x die Meinung geäußert, daß „politische Programmformulierungen und Haushaltsplanung" i n der Bundesrepublik weder eng genug beisammen noch als Gesamtkomplex hoch genug i m organisatorischen A u f bau der Exekutive lägen, ein Sachverhalt, der erklärlich mache, „weshalb die viel beredete Richtlinienkompetenz des Kanzlers als Quelle der Programminitiative kaum hervorgetreten und i n der Tat insoweit zur Hauptsache ein Paradedegen geblieben" sei 17 . Ansätze i n Richtung auf exakte Analysen zu einer Fundierung der Richtlinien der langfristigen Politik lassen sich jedoch heute schon mehrfach feststellen. So besteht i m Staatsministerium von BadenWürttemberg ein außerhalb der Abteilungen stehendes Grundsatzreferat. I n der bayerischen Staatskanzlei wurde i m Jahr 1963 eine politische Abteilung zur Unterstützung des Ministerpräsidenten bei der Festlegung der Richtlinien i n der Politik errichtet, und i n Hamburg i m Jahr 1966 ein ursprünglich i n zwei Gruppen gegliederter Planungsstab, dessen eine Gruppe dem Leiter der Senatskanzlei und die andere dem Staatsrat für die Baubehörde unterstellt ist. Die hessische Staatskanzlei besitzt eine Abteilung „Forschung und Planung", der die Bearbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen für die langfristigen Planungen der Landesregierung obliegt, und i n der Staatskanzlei des Saarlandes gibt es eine Abteilung für Grundsatzangelegenheiten der Landespolitik. Bei all diesen Abteilungen und Referaten handelt es sich u m echte Stabseinrichtungen, die hauptsächlich m i t Aufgaben der zukunftsvertierten Planung betraut sind. Ihre Arbeit leidet aber heute noch darunter, daß die Dokumentation i m argen liegt. Soweit nicht auf die Materialien und die Hilfe der statistischen Ämter, der Verbände, der Pressearchive und der Ressorts zurückgegriffen werden kann, stößt die Beschaffung und Auswertung von Unterlagen auf Schwierigkeiten. Für die systematische Anwendung moderner Methoden (Enqueten, demoskopische Umfragen, Verwendung von Mikrofilmen zur Materialsammlung) fehlt es meist an den nötigen Mitteln. (b) I n demselben Maß, i n dem die auf die Richtlinienkompetenz stützbare Grundsatzplanung und die M i t w i r k u n g der Staatskanzleien bei i h r überschätzt werden, werden die quantitative wie auch die staatspolitische Bedeutung der hic et nunc-Aktionen, -Entscheidungen und -Dispositio17 Morstein M a r x , F r i t z : „Regierungsprogramm u n d Haushaltsplanung i n vergleichender Sicht", Politische Vierteljahresschrift, Jg. 6, 1965, S. 442 ff., 458.

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nen des Regierungschefs und des Kabinetts und die dadurch den Staatskanzleien erwachsenden Aufgaben unterschätzt. Eine Untersuchung der i n der politischen Praxis auf den Regierungschef zukommenden Aufgaben und damit incidenter der Tätigkeit der Staatskanzleien macht deutlich, daß trotz der Einsicht i n die Notwendigkeit einer operativen Grundlagenplanung jedenfalls heute noch die Kasuistik und die Befassung mit Einzelfragen einen breiten Raum einnimmt. Die Regierungsarbeit ist i n weiten Teilen heteronom i n dem Sinn, daß der jeweilige Gang der Ereignisse dem Regierungschef diktiert, mit welchen Fragen er sich zu befassen und auf welche Vorgänge er zu re-agieren hat. Neben die Grundsatzrichtlinie t r i t t die tagespolitische Richtlinie und die Befassung m i t dem Einzelfall, die überhaupt keinen Richtliniencharakter hat, aber gleichwohl von erheblicher politischer Relevanz sein kann. Entgegen der i m staatsrechtlichen Schrifttum vorherrschenden Auffassung gibt die Richtlinienkompetenz dem Regierungschef durchaus die Befugnis, den „hochpolitischen" Einzelfall an sich zu ziehen, den Ressortminister mit Weisungen zu versehen oder selbst eine Sachentscheidung zu treffen 1 8 . Ein Regierungschef, der sich darauf beschränkte, nur seine verfassungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen, würde die traditionellen Verhaltenserwartungen seiner politischen Freunde und breiter Bevölkerungskreise enttäuschen und hätte kaum eine Chance, ein zweites Mal ins A m t berufen zu werden. Die Öffentlichkeit und die den Regierungschef tragenden politischen Kräfte stellen sich ihn nicht nur als den großen Zukunftsplaner vor, sondern ebenso sehr als den „Landesvater", der sich der verschiedenen Anliegen und Kümmernisse auch nur einigermaßen artikulationsfähiger Gruppen annimmt. Dem ist auch bei der Ausstattung und Organisation der Staatskanzlei Rechnung zu tragen. Hierbei sind über die verfassungsmäßigen Aufgaben hinaus auch alle die Tätigkeiten des Regierungschefs, deren Wahrnehmung das bestehende politische „establishment" von ihm verlangt, mitzuberücksichtigen. Schon die Presse und die amtlichen Verlautbarungen zeigen, daß sich der Regierungschef — und damit auch die Staatskanzlei — häufig mit Einzelfragen zu befassen hat, die verfassungsrechtlich eigentlich nicht i n seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Wenn man — um Beispiele zu geben — die Kommuniqués der bayerischen Staatskanzlei der letzten Monate durchsieht, so finden sich darin folgende für publikationswürdig erachtete Begebenheiten: 18 s. hierzu die Abhandlung des Verfassers „ I n h a l t u n d Grenzen der »Richtlinien der Politik' des Regierungschefs", Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 80, 1965, S. 857 ff. u n d 925 ff.

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Der Ministerpräsident bespricht m i t dem Präsidenten des Deutschen N a t u r schutzrings e. V. den Plan, i m bayerischen W a l d einen Nationalpark zu schaffen ; Er weist V o r w ü r f e des Beamtenbundes zurück und begrüßt die vorgetragene föderalistische Haltung der Beamtenschaft; Er bittet den Bundesverteidigungsminister, den Flugbetrieb i n Neubiberg nicht durch Maschinen des Typs „Transall" zu erweitern; Er n i m m t am 67. Deutschen Wandertag teil; Er erörtert m i t verschiedenen Persönlichkeiten Vorschläge zur Vermeidung der Untertunnelung des Prinz-Carl-Palais i n München; Er bespricht m i t dem Bürgermeister einer möglicherweise betroffenen Gemeinde die Frage der Errichtung eines künftigen Flughafens i n München; Er teilt schließlich einem Abgeordneten mit, daß alles i n die Wege geleitet sei, u m das Dienstgebäude des Landesversorgungsamtes möglichst bald w i e der i n einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen. D i e staatspolitisch m e h r oder w e n i g e r bedeutsame Einzelfrage, die sich a l l e n f a l l s m i t t e l b a r i n e i n e n g r ö ß e r e n r i c h t u n g s p o l i t i s c h e n Z u s a m m e n h a n g e i n o r d n e n läßt, ist auch v o r h e r r s c h e n d b e i der Arbeit des Kabinetts. D i e T a g e s o r d n u n g s p u n k t e gehen i n i h r e r ganz ü b e r w i e g e n d e n M e h r z a h l z u r ü c k auf die V o r l a g e n der Ressorts, die v o n der S t a a t s k a n z lei unter rechtlichen u n d politischen Gesichtspunkten geprüft werden. Diese f e r t i g t eine „ V o r m e r k u n g " f ü r d e n Regierungschef, e i n kurzes E x posé m i t V o r s c h l ä g e n f ü r die z w e c k m ä ß i g e B e h a n d l u n g u n d d i e A b s t i m m u n g i m M i n i s t e r r a t , i n d e m d i e v o n d e n Ressorts ausgehenden Vorlagen v o n den zuständigen Kabinettsmitgliedern vertreten werden. D i e Fälle, daß der M i n i s t e r p r ä s i d e n t b e s t i m m t e P u n k t e v o n sich aus auf d i e T a g e s o r d n u n g des K a b i n e t t s setzt, b i l d e n die M i n d e r h e i t . A l l e r d i n g s ist z u berücksichtigen, daß r i c h t u n g s p o l i t i s c h e T h e m e n n i c h t selten außerh a l b der f o r m e l l e n T a g e s o r d n u n g z u r Sprache gebracht w e r d e n , so e t w a d e r I n h a l t der R e g i e r u n g s e r k l ä r u n g u n d die S c h w e r p u n k t e d e r E t a t r e d e n der e i n z e l n e n M i n i s t e r . I n s o f e r n ist das B i l d , das m a n ü b e r die Beratungsgegenstände des K a b i n e t t s a l l e i n aus d e n f o r m e l l e n Tageso r d n u n g e n g e w i n n e n k ö n n t e , n i c h t ganz z u t r e f f e n d . Die Untersuchung der A r b e i t des bayerischen Ministerrats i n den Jahren 1960 bis 1962 (Kabinett Dr. Ehard IV) ergibt folgendes B i l d : 1960 fanden 33, 1961 35 u n d 1962 27 Kabinettssitzungen statt. Rechnet man alle Bundesrats- und sonstigen Bundesangelegenheiten, m i t denen sich das Kabinett i n einer Sitzung befaßt, als einen P u n k t 1 9 , dann ergibt sich folgendes: 1960 w u r d e n 251 Tagesordnungspunkte, 1961 221 u n d 1962 19 Die Tagesordnung einer Bundesratssitzung umfaßt i n der Regel 30—70 einzelne Punkte. Würde man all diese Tagesordnungspunkte auch als gesonderte Punkte der Ministerratssitzung aufführen, so ergäbe sich eine Verschiebung der Relationen, die ein falsches B i l d v e r m i t t e l n würde, zumal zahlreiche Tagesordnungspunkte der Bundesratssitzungen i n den Ministerratssitzungen kursorisch behandelt zu werden pflegen.

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244 behandelt. A u f die folgenden acht Gruppen: Bundessachen (hauptsächlich Bundesratsangelegenheiten), Landesgesetze (Regierungsvorlagen), I n i t i a t i v gesetzentwürfe aus der M i t t e des Parlaments, landesrechtliche Verordnungen (nur Regierungsverordnungen, nicht Verordnungen der einzelnen Minister), Staatszuschüsse, Staatsbürgschaften, Personalsachen sowie Staatsverträge u n d Verwaltungsabkommen des Landes m i t dem Ausland, entfielen hiervon: 1960 70 %>, 1961 76 °/o u n d 1962 77 °/o aller Traktanden. Von diesen acht Gruppen ist zahlenmäßig am stärksten die Untergruppe „Personalsachen"; sie beläuft sich von sämtlichen Tagesordnungspunkten des Kabinetts 1960 auf 15 °/o, 1961 auf 19 °/o u n d 1962 auf 28 °/o. Dann folgen die Verordnungen, anschließend die Landesgesetze (Regierungsvorlagen). I m Regelfall haben diese keinen besonderen richtungspolitischen Inhalt, es sei denn, es handelt sich u m die Neuregelung ganzer Materien, wie etwa des Polizeiwesens, des Kommunalrechts oder des Schulwesens. Die E i n flußnahme des Regierungschefs auf den I n h a l t von Landesgesetzen und -Verordnungen ist i m allgemeinen nicht ausschlaggebend; die inhaltliche Gestaltung liegt beim federführenden Ressort, das Grundsätzliche w i r d bisweilen von Partei u n d F r a k t i o n vorgegeben. Auch bei den nicht unter diese acht Gruppen fallenden Punkten handelt es sich ganz überwiegend u m Einzelangelegenheiten m i t einem n u r losen Bezug zu Grundsatzrichtlinien. I m Jahr 1960 w a r es eigentlich n u r ein Punkt, der als Richtliniensache zu bezeichnen ist, nämlich das einmal behandelte Thema „Verwaltungsvereinfachung". Als staatspolitisch relevant wären zu nennen aus dem Jahr 1961 das Thema „Landessportplan" u n d aus dem Jahr 1962 das Thema „Schulentwicklungsplan". Die übrigen Tagesordnungspunkte umfassen Angelegenheiten der verschiedensten A r t und Bedeutung, die negativ das Eine gemeinsam haben, daß es sich nicht u m politische Grundsatzentscheidungen auf lange Sicht handelt. Einige Beispiele: Veranstaltung des Eucharistischen Weltkongresses, Verwendung des Geländes des ehemaligen Armeemuseums i n München, Trauersitzung anläßlich des Todes eines Ministerpräsidenten. Von diesen Gegenständen, deren Behandlung i m Kabinett von der sachlichen Substanz her gerechtfertigt sein mag, spannt sich ein weiter Bogen über m i n der wichtige, wie etwa „Betreuung der weiblichen Arbeitskräfte aus dem Ausland" (wohl eine Sache der beteiligten Ressorts), bis h i n zu Routineangelegenheiten, wie etwa zu dem P u n k t „Dienstbefreiung am Josephitag". (c) Z u r A u f g a b e der S t a a t s k a n z l e i als H i l f s i n s t r u m e n t der p o l i t i s c h e n F ü h r u n g g e h ö r t schließlich d i e Öffentlichkeitsarbeit i m w e i t e s t e n Sinne, d i e I n f o r m a t i o n d e r R e g i e r u n g u n d u m g e k e h r t d i e I n f o r m a t i o n der Ö f f e n t l i c h k e i t ü b e r d e r e n M a ß n a h m e n u n d A r b e i t . D i e Pressestelle, w e l c h e B e z e i c h n u n g sie auch f ü h r e n mag, g e h ö r t deshalb als w i c h t i g e r B e s t a n d t e i l des I n s t r u m e n t a r i u m s z u r U n t e r s t ü t z u n g b e i der p o l i t i s c h e n L e n k u n g i n die Staatskanzlei. D i e Ö f f e n t l i c h k e i t s a r b e i t d i e n t n i c h t n u r d e r wechselseitigen I n f o r m a t i o n u n d U n t e r r i c h t u n g v o n R e g i e r u n g u n d Ö f f e n t l i c h k e i t ; sie ist v i e l m e h r z u e i n e m m o d e r n e n M i t t e l d e r R e g i e r u n g s - u n d V e r w a l t u n g s t ä t i g k e i t selbst g e w o r d e n , i n d e m sie n ä m l i c h e i n s i c h t i g z u machen, z u ü b e r z e u g e n u n d d a d u r c h o b r i g k e i t l i c h e n Z w a n g überflüssig zu machen sucht20. 20

Vgl. Luhmann, Niklas: „Funktionen und Folgen formaler Organisation"

4 Speyer 34

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E i n Beispiel: I n Bayern ist die freiwillige Schluckimpfungsaktion gegen Poliomyelitis ein voller Erfolg geworden, nicht zuletzt deshalb, w e i l sie p u b l i zistisch sorgfältig vorbereitet wurde. Fotos des Innenministers m i t seiner Familie bei der Schluckimpfung w i r k t e n überzeugender als noch so geschickt redigierte, medizinisch exakte Merkblätter der Gesundheitsämter über die Ungefährlichkeit der Impfung. E i n e V e r k e n n u n g der p o l i t i s c h e n G e g e b e n h e i t e n w ü r d e es bedeuten, w e n n m a n i g n o r i e r t e , daß d i e Presseämter ü b e r die s k i z z i e r t e n A u f g a b e n staatspolitischer A r t h i n a u s auch das image des Regierungschefs u n d seines K a b i n e t t s a u f z u b a u e n u n d z u pflegen haben, u n m i t t e l b a r d u r c h eigene P u b l i k a t i o n e n u n d m i t t e l b a r d u r c h i h r e K o n t a k t e z u d e n Massenm e d i e n . E i n beachtlicher T e i l der „ A u f t r i t t e " des Regierungschefs i n der Ö f f e n t l i c h k e i t , insbesondere i m R u n d f u n k u n d v o r d e m Fernsehen, seiner I n t e r v i e w s , Reisen u n d B e s i c h t i g u n g e n h a t seine Ursache i n diesem m i t t e l b a r e n Z w a n g z u m I n - E r s c h e i n u n g - T r e t e n . D e r sachliche A n l a ß w i r d d a b e i h ä u f i g z u m w i l l k o m m e n e n „ A u f h ä n g e r " . A u c h diesen P u b l i z i t ä t s b e d ü r f n i s s e n des Regierungschefs als P a r t e i p o l i t i k e r , der i m p a r l a m e n t a r i s c h - d e m o k r a t i s c h e n S y s t e m m i t seiner P a r t e i w i e d e r u m i n d e n W a h l k a m p f ziehen m u ß , s o l l d i e S t a a t s k a n z l e i gerecht w e r d e n . (4) D i e m e i s t e n Befugnisse, die i n S t a a t e n m i t e i n e m eigenen Staatsoberh a u p t diesem z u k o m m e n — so das Recht z u r V e r t r e t u n g des Staates nach außen, z u r E r n e n n u n g d e r B e a m t e n , z u r A u s f e r t i g u n g u n d V e r k ü n d u n g der Gesetze u n d z u r B e g n a d i g u n g — l i e g e n nach d e n V e r f a s s u n g e n der L ä n d e r b e i m R e g i e r u n g s c h e f 2 1 . D e s h a l b h a t i h n d i e S t a a t s k a n z l e i auch (oben Anm. 3), S. 111 („Die richtige Ausfertigung der Entscheidung u n d ihre plausible M i t t e i l u n g verschmelzen ins Untrennbare.") u n d S. 220 ff. („Grenzstellen" für den Verkehr m i t Außenstehenden); s. auch Leisner, Walter: Öffentlichkeitsarbeit der Regierung i m Rechtsstaat. Dargestellt am Beispiel des Presse- u n d Informationsamtes der Bundesregierung. Berlin: Duncker & Humblot, 1966, S. 89 ff. („Informationsarbeit als vorbereitende u n d unterstützende Tätigkeit für die Regierungsarbeit i n Gesetzgebung, Verwaltung und Haushaltsfragen"). 21 Vgl. Uhlitz, Otto: „ Z u r Frage des Staatsoberhauptes i n den Ländern", Die Öffentliche Verwaltung, Jg. 19, 1966, S. 293 ff. — I n den letzten Jahren wurde i n steigendem Maße die Frage gestellt, w e r „der erste M a n n " i m Staate sei. Die Rolle des „Landesvaters" wurde dem Ministerpräsidenten v o m Parlamentspräsidenten streitig gemacht. Wie die Regierung, so gibt auch er E i n ladungen u n d Empfänge, u n d neben das Protokoll der Staatskanzleien t r i t t dasjenige der Landtagsämter. Auch i m juristischen Schrifttum (s. Uhlitz a.a.O. S. 298) stieß die Auffassung, daß die Spitze der Exekutive als „Träger der Staatsgewalt" anzusehen sei, auf K r i t i k : Bei der Kompetenz zur Vertretung des Staates nach außen handle es sich u m eine sachliche Aufgabe, aus der nicht das Recht zur Repräsentation des Landes bei festlichen Anlässen gefolgert werden könne. Der Stellung des Parlaments i n der parlamentarischen Demokratie entspreche es, auch bei der formellen Repräsentation des Staates dem Parlamentspräsidenten den ersten Platz vor dem Regierungschef einzuräumen, zumal seinem A m t e auch eine größere Integrationskraft innewohne, w e i l der Parlamentspräsident nicht n u r Exponent der Regierungsparteien sei, sondern v o m Vertrauen auch der Opposition u n d damit aller Bevölkerungsteile getragen werde.

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i n diesem Bereich „staatsoberhauptlicher Funktionen" zu unterstützen. I n den „heiligen Hallen" der Staatskanzlei, i n denen an der Repräsentation des Staatsganzen und seiner Dignität mitgearbeitet, i n denen dem Staat Glanz, Farbe und Anschaulichkeit gegeben wird, herrscht eine andere Haltung als i n den politischen Zentren, nämlich ein Geist der über dem politischen Geschehen stehenden Neutralität. Bei der Vorbereitung von Einladungen aus feierlichem Anlaß und bei der Ausübung des ius gratiarum i n der Gestalt von Ordens- oder Titelverleihungen w i r d sorgfältig darauf geachtet, daß alle gesellschaftlichen Gruppen und die Vertreter der Opposition i n angemessenem Verhältnis bedacht werden. Hier w i r d der sonst politisch streitbare Regierungschef zu einem über dem politischen Getriebe stehenden „Staatsoberhaupt", das auch den politischen Gegner als integrierenden Teil des von i h m zu repräsentierenden Staatsganzen behandelt. Die politische Neutralität und das Streben nach Proportionalität ist kennzeichnend für diesen Ausschnitt aus den staatsoberhauptlichen Tätigkeiten. Zu diesem staatsoberhauptlichen Aufgabenbereich der Staatskanzlei gehört auch ein Großteil des Verkehrs mit den ausländischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen sowie die Bearbeitung von Schirmherrschaften und der Glückwunsch-, Dank- und Beileidsbekundungen des Ministerpräsidenten. (5) Bei der Sichtung der möglichen Tätigkeitssphären der Staatskanzlei darf nicht außer Betracht bleiben, daß der Ministerpräsident i n aller Regel nicht nur Regierungschef ist, sondern eine Reihe weiterer Ämter i n der Öffentlichkeit wahrnimmt. Wenn er ζ. B. Präsident des Roten Kreuzes ist, Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, wenn er etwa noch Stimmkreisabgeordneter, wenn er gar Landesvorsitzender seiner Partei ist, dann braucht er eine A r t Generalsekretariat, das ihm nicht nur den notwendigerweise einheitlichen Terminkalender führt, sondern bei Erfüllung aller Aufgaben, die ihm seine verschiedenen Ämter auferlegen, behilflich ist. Es wäre lebensfremd anzunehmen, daß ein Regierungschef sich zwar zur Ausarbeitung seiner Regierungserklärung der Staatskanzlei bedient, ihrer aber zur Vorbereitung einer vielleicht politisch ebenso wichtigen, mittelbar dem Regierungsamt dienenden Stellungnahme gegenüber seiner Fraktion oder gegenüber dem Präsidium seiner Partei nicht bedürfte. Bisweilen dient es gerade der Regierungspolitik, daß der Ministerpräsident zunächst i n anderer Eigenschaft einen Vorstoß unternimmt. Hier beginnen die Grenzen zwischen dem, was er als Regierungschef und dem, was er als führender Politiker, was er als Abgeordneter, was er als Präsident dieser oder jener Vereinigung unternimmt, fließend zu werden. Wenn er sich auf ein gut arbeitendes Team i n seiner Staatskanzlei stützen kann, w i r d er geneigt sein, sich seiner vertrauenswürdigen Mitarbeiter bei allen seinen Aktivitäten zu be4·

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dienen, ja er w i r d ihnen vielleicht sogar die Überprüfung der Vorschläge und Stellungnahmen der jeweils nominell zuständigen Stellen übertragen. Die Geschäftsverteilungspläne fast aller Staatskanzleien sehen einen persönlichen Referenten des Regierungschefs vor, der meist aus dem allgemeinen Organisationsschema herausgenommen und dem Ministerpräsidenten unmittelbar unterstellt ist. I n der bayerischen Staatskanzlei bestand seit 1960, solange ein eigener politischer Staatssekretär i h r Leiter war, ein außerhalb der Abteilungen stehendes Präsidialbüro, bestehend aus den persönlichen Referenten des M i n i sterpräsidenten u n d des Staatssekretärs u n d einigen Mitarbeitern. Seiner Errichtung lag die vernünftige Vorstellung zugrunde, daß eine einheitliche L i n i e leichter gewahrt werden könne, w e n n sich Ministerpräsident u n d Leiter der Staatskanzlei, der zugleich Vorsitzender der Landtagsfraktion der Regierungspartei war, eines einheitlichen Büros statt zweier getrennter Sekretariate bedienen. Nicht selten werden nämlich Einladungen, Petitionen, E i n gaben, B i t t e n u m Termine u n d dergleichen sowohl an den Regierungschef persönlich w i e an den Leiter der Staatskanzlei gerichtet, Fälle, i n denen sich die einheitliche Unterrichtung beider u n d die Koordination von Anfang an als zweckmäßig erweist.

Die Kehrseite solcher independenten Büros m i t unmittelbarem „ Z u gang zum Machthaber", herausgelöst aus dem hierarchischen Behördenaufbau, ist die, daß sie ein Eigengewicht erlangen können, das den Rang der dort tätigen Beamten wesentlich übersteigt; dies beinahe zwangsläufig dann, wenn der Regierungschef die unmittelbare persönliche Kommunikation i m wesentlichen auf diese seine nächste Umgebung beschränkt, wenn sich Minister und politische Kräfte zur Herstellung ihrer Kontakte mit dem Regierungschef der persönlichen Sekretariate bedienen, weil sie hier schneller zum Ziel zu kommen glauben als auf dem offiziellen Weg über die Spitze der Staatskanzlei. So entwickeln sich solche Präsidialkabinette, wie sie auch die französische Praxis und die Organe der supranationalen Einrichtungen kennen, bisweilen zu einer „Staatskanzlei i n der Staatskanzlei", i n die der offizielle Leiter der Staatskanzlei keinen vollen Einblick hat. Die in dieser Hinsicht am straffsten durchorganisierte Staatskanzlei, deren Geschäftsverteilungsplan keine immediaten und exemten Sekretariate vorsieht, i n der die „Bearbeitung persönlicher Aufträge des Ministerpräsidenten sowie an ihn gerichteter Eingaben" unter der Ägide ihres Chefs i n seiner Eigenschaft als Hauptabteilungsleiter vorgenommen wird, ist die von RheinlandPfalz. Man könnte sie deshalb als unter ihrem Chef „ v o l l integriert" bezeichnen. (6) Zu den Diensten der Staatskanzlei für den Regierungschef kommt ihre Funktion als Hilfsorgan der Gesamtregierung. Da die Regierung als solche Beziehungen zu anderen Verfassungsorganen, zu den Kräften i m

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politischen und gesellschaftlichen Raum und nicht zuletzt zu den anderen Ländern und zum Bund zu pflegen hat, bedarf sie einer zentralen Stelle außerhalb der Ressorts, die sie als Verfassungsorgan i n diesem Aufgabenbereich unterstützt. Hierher gehören etwa die formelle Behandlung der an die Regierung als solche gerichteten Ersuchen der gesetzgebenden Körperschaften (ζ. B. die Weiterleitung an das zur sachlichen Bearbeitung zuständige Ressort und die Überwachung des Vollzugs) sowie die formellen Maßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen M i t w i r k u n g oder Vertretung der Regierung i n verfassungsgerichtlichen Verfahren und i m Bundesrat. (7) Entspricht der Richtlinienkompetenz die Funktion der Staatskanzlei als Stab zur politischen Führung, so dem Kollegialprinzip ihre Aufgabe als Sekretariat des Kabinetts und seines Vorsitzenden. I n diesen Aufgabenbereich fallen die formale Vorbereitung der Kabinettsitzungen, die Protokollführung und die Weiterleitung der vertraulichen Ministerratsprotokolle an die Ressorts sowie die ausreichende Information der Pressestelle über die Tätigkeit des Ministerrats, sofern nicht deren Leiter an den Kabinettsitzungen persönlich teilzunehmen berechtigt ist. Zu den Aufgaben der Staatskanzlei als Kabinettssekretariat könnte man noch rechnen die Unterstützung des Ministerpräsidenten in allen Fragen der formellen Leitung der Kabinettssitzungen. Seine Beratung in Fragen der inhaltlichen Behandlung der Tagesordnungspunkte gehört jedoch, wie schon oben erwähnt, zu ihren Aufgaben als Hilfsorgan zur Unterstützung des Regierungschefs bei der politischen Leitung der Staatsgeschäfte. (8) Eine wichtige Aufgabe ist die allgemeine Koordinierung der Ressorts. Die Staatskanzlei gilt als das große „Koordinationsamt" und als „unentbehrliche zentrale Kontakt- und Steuerstelle der Regierungsmaschinerie, w i l l diese nicht i n partikuläre ,Ressortregierungen' auseinanderfallen" 22 . So führt die Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung vom 19. Dezember 1956 (BayBS. I S. 90, GVB1. S. 434) i n ihrem § 1 Ziffer 9 „die Koordinierung der Tätigkeit der Ministerien insbesondere i n Bundesangelegenheiten, in der Landesgesetzgebung und in Verwaltungsangelegenheiten" als Funktion der Staatskanzlei an. Zu den Koordinierungsaufgaben gehört es auch, auf den Vollzug der Richtlinien des Regierungschefs und der Kabinettsbeschlüsse zu achten. Hier ist allerdings eine gewisse Zurückhaltung bei „Maßnahmen" angebracht. 22 Böckenförde a.a.O. (oben A n m . 1) S. 241. Über die „Gefahr des Auseinanderfallens der Regierungstätigkeit" infolge der außerordentlichen Fülle der Geschäfte s. auch Scheuner, Ulrich: „Das parlamentarische Regierungssystem i n der Bundesrepublik. Probleme u n d Entwicklungslinien", Die öffentliche Verwaltung, Jg. 10, 1957, S. 633 ff., 637.

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W i r d eine Nachlässigkeit oder ein Verstoß bemerkt, dann kann bei regierungsorganisations-adäquatem Handeln nur der Regierungschef selbst die notwendig werdende Intervention gegenüber dem Minister vornehmen. Die der Staatskanzlei obliegende Unterstützung des Ministerpräsidenten auf diesem Gebiet ist allerdings Ansatzstelle für ihre Entwicklung zu einer A r t „Oberministerium", zu einem — wie Böckenförde sagt 22 — Umschlagen der dienenden Funktion i n eine Beherrschungsfunktion. Indizien für ein grenzüberschreitendes Hineinwachsen i n den Ressortbereich können sein die Schaffung von Referaten i n Anlehnung an die Organisationspläne der einzelnen Ministerien und ein Überhandnehmen der unmittelbaren Kontakte der Staatskanzlei zu politischen und gesellschaftlichen Kräften i n Angelegenheiten der Ministerien. Hier taucht die bisweilen heikle Frage auf, ob u n d i n welchem Umfang der Regierungschef u n d die Referenten der Staatskanzlei i n Ressortsachen V o r sprachen gewähren u n d schriftliche Eingaben selbst bearbeiten sollen. Grundsätzlich sind Petenten an die zuständigen Ministerien u n d Unterbehörden zu verweisen.

Die Tendenz zur Umwandlung der Staatskanzlei i n eine supraministerielle Institution erhält einen Auftrieb durch die zunehmende Zusammenarbeit der Länder untereinander. Auf den Ministerpräsidentenkonferenzen ζ. B. werden bedeutsame Fragen von den Regierungschefs selbst behandelt, Fragen, die zum Teil an sich i n die Zuständigkeit eines oder mehrerer Ressorts gehören würden. Diesem Übergang der Sachbehandlung vom Minister auf den Regierungschef i m Außenverhältnis entspricht ein Übergang vom zuständigen Ministerialreferenten auf die Staatskanzlei. Zur Eigeninitiative w i r d diese insbesondere dann gedrängt, wenn der Regierungschef an der betreffenden Frage persönlich interessiert ist, wenn dessen Kontakt zum Ressortminister nicht eng ist und schließlich dann, wenn die zuständige Ministerialabteilung besondere Zurückhaltung an den Tag legt i n der Erwägung, hier habe der Ministerpräsident und damit die Staatskanzlei de facto ohnehin die Vorhand. Ein Remedium gegen ein Übergreifen der Staatskanzlei i n Ministerialzuständigkeiten und die mit einem solchen excès de pouvoir verbundene Gefahr einer Hypertrophie wäre eine verstärkte Heranziehung der Ministerien zu Leistungen unmittelbar für die Bedürfnisse des Regierungschefs, wozu später mehr zu sagen ist. Eine bemerkenswerte Bestimmung, die dem Aufbau eines eigenen Fachapparates in der Staatskanzlei entgegenzuwirken geeignet war, enthielt die Bayerische Verfassung von 1919 i n ihrem § 62 Abs. 3, demzufolge der Ministerpräsident das Recht hatte, i n allen Staatsangelegenheiten sich durch Beamte aller Ministerien und durch sonstige von i h m berufene Personen beraten zu

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lassen. Auf Grund dieser Verfassungsbestimmung konnte er jeden Beamten eines jeden Ressorts unmittelbar zum Bericht zu sich bestellen, ohne dadurch das Ressortprinzip zu verletzen. Selbstverständlich war es Dienstpflicht des Beamten, seinen Minister i n geeigneter Weise zu informieren. I m Gegensatz zur allgemeinen politischen Koordinierung steht die auf speziellen Sachgebieten. Diese ist Angelegenheit des jeweils federführenden Fachministers. So liegt die Koordinierung der Haushaltswünsche der Ressorts i n allen Ländern beim Finanzminister und — um einige weitere Beispiele zu nennen — i n Bayern die Koordinierung i n allen gesamtdeutschen Angelegenheiten beim Staatsminister für Bundesangelegenheiten 23 und i n Angelegenheiten der Landesplanung beim Wirtschaftsministerium (s. Art. 2 und 9 des Landesplanungsgesetzes vom 21. Dezember 1957, GVB1. S. 323). Sache des Regierungschefs und der Staatskanzlei ist es i n diesen Fällen allenfalls, dem federführenden und die übrigen Ressorts koordinierenden Fachminister grundlegende Richtlinien für die sachliche Arbeit zu geben. (9) Einer Regierungsorganisation, die den Ministerpräsidenten mit Hilfe des Instituts der Richtlinienkompetenz und des Ressortprinzips i n die Lage versetzen w i l l , die politische Gesamtleitung i n den Händen zu haben, ohne sich mit Verwaltungsangelegenheiten befassen zu müssen, läuft es zuwider, ihn und die zu seiner Unterstützung geschaffene Staatskanzlei mit ministeriellen Funktionen zu belasten. Trotzdem nehmen die einzelnen Staatskanzleien in unterschiedlichem Ausmaß Aufgaben wahr, die ihrer Natur nach i n ein Ressort gehörten. Davon ist auch die bayerische Staatskanzlei nicht ausgenommen, obwohl die Bayerische Verfassung i n ihrem A r t . 53 Satz 3 bestimmt, daß jede „Aufgabe der Staatsverwaltung" einem Geschäftsbereich zuzuteilen ist, und obwohl außer Zweifel steht, daß die Staatskanzlei i n diesem Sinne selbst nicht Geschäftsbereich ist 2 4 — ein Grundsatz, der sich aus den Prinzipien der Regierungsorganisation ableiten läßt und deshalb auch Verfassungen, die ihn nicht expressis verbis enthalten, als ungeschriebener verfassungsrechtlicher Satz immanent sein kann, wie schon oben bemerkt. Die vorherrschende Auffassung geht dahin, daß dem Regierungschef und der Staatskanzlei lediglich Verwaltungszuständigkeiten i m engen Sinn von Gesetzesvollziehungszuständigkeiten mit unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen nicht übertragen werden dürfen 2 5 . Auf ihrem Bo23

s. den unten S. 57 wiedergegebenen Aufgabenkatalog. Dies ergibt sich aus A r t . 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 Satz 1 u n d 52 Satz 2 BV. 25 s. Böckenförde a.a.O. S. 240 u n d Schweiger, K a r l , i n Nawiasky-LeusserGerner-Schweiger-Zacher: Die Verfassung des Freistaates Bayern. Systematischer Überblick u n d Handkommentar. München: C. H. Beck, 1964, A r t . 52 Rdnr. 2 u n d A r t . 53 Rdnr. 6. 24

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den erscheint etwa die Zuständigkeit des bayerischen Ministerpräsidenten zu organisatorischen Maßnahmen hinsichtlich Sitz, Bezirk und innerer Gliederung der Dienststrafkammern nach der bayerischen Dienststrafordnung i n seiner früheren Fassung angreifbar 26 , nicht dagegen die Eingliederung der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit i n die Staatskanzlei (s. Verordnung vom 11. November 1955, BayBS. I S. 18, in der Fassung der Verordnung vom 9. A p r i l 1964, GVB1. S. 82). Ausgehend vom Charakter der Staatskanzlei als Hilfsinstrument des Regierungschefs und der Regierung bei der politischen Lenkung des Staates ist demgegenüber jede Fachaufgabe, die nicht unmittelbar einen A k t der politischen Leitung des Staates oder die Wahrnehmung einer verfassungsrechtlichen Zuständigkeit darstellt, als ein Fremdkörper i n der Staatskanzlei zu erachten, als eine unnötige Belastung dieses Führungsinstruments mit regierungsfremden Angelegenheiten. Die von den Staatskanzleien bearbeiteten Ressort-Sachaufgaben lassen sich i n verschiedene Gruppen einteilen: (a) Bei der dauernden

Wahrnehmung

von Ressortaufgaben

in

apokry-

pher Form ist i n erster Linie zu denken an die wachsenden „Außenaufgaben" der Länder. Die dem Regierungschef verfassungsrechtlich obliegende Vertretung des Landes nach außen hat sich infolge der Verstärkung der Beziehungen der Länder untereinander und zum Bund, die i n einer Reihe gemeinsamer Einrichtungen der Länder (z. B. ständige Konferenzen und Kommissionen) und i m Grundgesetz nicht vorgesehener, gewissermaßen parakonstitutioneller Bund-Länder-Organe (z. B. Wissenschaftsrat und Deutscher Bildungsrat) ihren Niederschlag findet, zu einer Sachaufgabe verdichtet, die ein eigenes Ressort erfordert. Zu erwägen wäre, ein Außenministerium zu konstituieren, wie es in Bayern i n der Weimarer Zeit bestand, vielleicht zunächst nur als eine A r t Koordinationsministerium zur Pflege der Beziehungen zu den Hauptkontrahenten eines Landes, nämlich zum Bund und den übrigen Ländern. Hierbei würde es sich nicht u m eine Aufblähung des Regierungsapparates, sondern um eine regierungsorganisations-adäquate, nunmehr notwendige Umstrukturierung handeln. Die (freilich unvergleichlich umfangreicheren) auswärtigen Angelegenheiten des Bundes nimmt seit jeher nicht das Kanzleramt, sondern ein eigenes Ministerium wahr. Ein Ministerium für Bundes- oder Außenangelegenheiten könnte der Staatskanzlei weiter abnehmen einen Teil der Aufgaben, die sie bisher ohne Rücksicht auf einen politischen Gehalt zu erfüllen genötigt ist infolge der Berufung des Regierungschefs zur Vertretung des Staates nach außen und seiner staatsoberhauptlichen Funktionen, so z. B. Grenz29

s. Schweiger a.a.O. Art. 53 Rdnr. 6.

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angelegenheiten, das Beglaubigungswesen i m Verkehr mit dem Ausland, der Verkehr mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen i n allen Routinesachen und die Koordinierung und Federführung auf dem Gebiet staatlicher Ehrungen und Auszeichnungen. I n der Tat haben einige Länder schon heute eigene Minister für Bundesangelegenheiten berufen, ihnen die Aufgaben des Bevollmächtigten beim Bund übertragen und die zugehörigen Stäbe auch i n personeller Hinsicht aus den Staatskanzleien ausgegliedert. Beim Regierungswechsel i n Bayern i m Jahre 1962 wurde ein solcher Staatsminister für Bundesangelegenheiten bestellt, dem — selbstverständlich unter dem Vorbehalt der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs und der Kabinettszuständigkeit — folgende Aufgaben obliegen 27 : Vertretung der Interessen des Freistaates Bayern beim Bund, Pflege der Beziehungen zwischen der Bayer. Staatsregierung und der Bundesregierung zur Stärkung der Stellung Bayerns im föderativen Aufbau der Bundesrepublik, Einwirken auf die Gesetzgebung des Bundes, Stimmführung i m Bundesrat bei Abwesenheit des Ministerpräsidenten oder seines Stellvertreters, Berichterstattung an den Ministerpräsidenten über die von der Bundesregierung u n d v o m Bundestag gegenüber den Ländern verfolgte allgemeine Politik, Pflege der Verbindung zwischen der Bayer. Staatsregierung u n d den Abgeordneten des Bundestages, Federführung u n d Koordinierung i n allen den Freistaat Bayern betreffenden gesamtdeutschen Angelegenheiten, M i t w i r k u n g bei zwischenstaatlichen Angelegenheiten u n d Einrichtungen.

(b) Eine weitere Gruppe von Ressort-Sachaufgaben sind die vorbehaltenen Zuständigkeiten

in politischbesonder

s relevanten

Angelegenheiten.

Ein Musterbeispiel f ür die Aufgabenzuweisung unter politischen Gesichtspunkten bietet die Verordnung des bayerischen Gesamtministeriums vom 31. Mai 1933 (GVB1. S. 153), i n deren Abschnitt I I der Staatskanzlei u. a. zugewiesen wurden „das Theaterwesen vom Standpunkte der Volksaufklärung" unter Aufrechterhaltung der sonstigen Zuständigkeit der übrigen Ministerien, „die Angelegenheiten des Rundfunks und das Filmwesen, soweit nicht schulische Zwecke oder polizeiliche Angelegenheiten i n Betracht kommen", und der „Verkehr mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda". I n der Gegenwart haben sich zwar die Gegenstände geändert, nicht aber das Prinzip

des Vorbehalts

des staatspolitisch

Relevanten.

Eine

17 s. Beschluß der Bayer. Staatsregierung v o m 18. Dezember 1962 u n d Erlasse des Ministerpräsidenten v o m 8. Januar 1963 (StAnz. Nr. 2) u n d v o m 23. Februar 1965 (StAnz. Nr. 9).

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heute staats- und gesellschaftspolitisch gleichermaßen bedeutsame Aufgabe ist die Landesplanung und Raumordnung. Sie w i r d i n RheinlandPfalz und Schleswig-Holstein von den Staatskanzleien wahrgenommen. Hierher zu rechnen ist auch das gelegentlich i n seiner Zusammensetzung wechselnde „Konglomerat von Verwaltungsaufgaben" des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, wie etwa die Angelegenheiten des Jugendplanes, der Staatsbürgerlichen Bildungsstelle, des Rundfunks und des Fernsehens. M i t Recht konnte deshalb gesagt werden, die Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen trage „nicht nur den Charakter eines Führungsstabes, sondern auch Wesenszüge eines Ministeriums" 2 8 . (c) F e r n e r ist z u e r w ä h n e n d i e Zuständigkeit

legenheiten.

Häufig w i r d ein novum

in neu auftretenden

Ange-

zunächst v o n der Staatskanzlei i n

Obhut genommen, ehe es i n die Zuständigkeit eines Ressorts übergeht. Als Beispiele zu nennen wären etwa der Verkehr mit den Stationierungsstreitkräften und mit der Bundeswehr sowie der zivile Bevölkerungsschutz. Ein Großteil dieser Angelegenheiten w i r d heute von der inneren Verwaltung bearbeitet. (d) A l s letztes ein W o r t über die Zuständigkeit

der Staatskanzlei

aus

Eigeninteresse. Sie t r i t t nach außen kaum i n Erscheinung. Hierher rechnen insbesondere jene Fälle, in denen an sich i n die Zuständigkeiten eines Ministeriums fallende Eingaben aus besonderen Gründen i n der Staatskanzlei behandelt werden, sei es wegen der zentralen Bedeutung der Sache, sei es wegen des Ranges des Petenten oder wegen des Interesses, das etwa der Regierungschef oder der Leiter der Staatskanzlei an dem betreffenden Einzelfall, aus welchen Gründen auch immer, nimmt. (10) Einen Sonderfall der Wahrnehmung von Fachaufgaben stellt die d e r S t a a t s k a n z l e i a u f e r l e g t e Führung

der Dienstauf

sieht dar.

In Baden-Württemberg f ü h r t die Staatskanzlei die Dienstauf sieht über die Archi vverwaltung u n d die Geschäftsstelle des Landespersonalausschusses. In Bayern f ü h r t der Ministerpräsident die Dienstaufsicht über die M i t g l i e der des Landespersonalausschusses, dessen Geschäftsstelle der Staatskanzlei eingegliedert ist. E r ist weiter Einleitungsbehörde bei Dienststrafverfahren gegen den Präsidenten des obersten Rechnungshofs. Dagegen hat Bayern i n A r t . 4 des Gesetzes zur Ausführung der V e r w a l tungsgerichtsordnung v o m 28. November 1960 (GVB1. S. 266) i n Abweichung vom ursprünglichen E n t w u r f des Innenministeriums die Dienstaufsicht über den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs dem Innenminister übertragen. Die Auffassung, die Verwaltungsgerichtsbarkeit solle i m Hinblick darauf, daß i h r die Rechtskontrolle der gesamten V e r w a l t u n g obliege, der Dienstaufsicht des Regierungschefs unterstellt werden, konnte sich nicht durchsetzen gegen£8 Geller, Gregor, Kleinrahm, K u r t , u n d Fleck, Hans-Joachim: Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. Göttingen: Schwartz, 1963, A r t . 52 Anm. 6 b, S. 321 ff.

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über den auf A r t . 50 Abs. 1, 53 Satz 3 und 55 Ziffer 6 BV. gestützten verfassungsrechtlichen Bedenken des Ministerrats. In Niedersachsen n i m m t die Staatskanzlei die allgemeine Dienstaufsicht über die Verwaltungsgerichte w a h r (ohne Haushalts- u n d Personalangelegenheiten). Die Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen bearbeitet die Organisationsund Personalangelegenheiten des Verfassungsgerichtshofs, der Verwaltungsgerichte u n d die Personalangelegenheiten des Landesrechnungshofs. Der Geschäftsverteilungsplan der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz spricht ausdrücklich von der „Aufsicht über die Behörden des Geschäftsbereichs" u n d zählt hierzu die Aufsicht über die Verwaltungsgerichte, die Landesarchivverwaltung, das Statistische Landesamt u n d — hier mag n u n wegen des V e r waltungsabkommens zwischen B u n d u n d Ländern über die Führung der Hochschule ein F a l l sui generis vorliegen — über die Hochschule f ü r V e r w a l tungswissenschaften Speyer. Im Saarland ist der Staatskanzlei eingegliedert das Landesarchiv. Weiter ist dem Chef der Staatskanzlei unmittelbar unterstellt — u n d das wäre wegen des besonderen außenpolitischen Aspektes ein zweiter Sonderfall — die Saarabteilung der deutschen Botschaft i n Paris.

Bei derartigen dienstaufsichtlichen Aufgaben handelt es sich jedoch grundsätzlich um Verwaltungsfunktionen, von denen nach der Innenstruktur der Regierung gerade der Regierungschef entlastet sein soll. Besonderheiten weisen die Stadtstaaten auf. So kennt Bremen eine von einem Senatsdirektor geleitete, dem Präsidenten des Senats unmittelbar unterstellte Dienststelle der Senatskommission für das Personalwesen, die gleichgeordnet neben der Senatskanzlei steht.

(11) Bisweilen finden sich auch Ansätze für eine Zusammenfassung von Aufgaben,

die zentral

für

alle Ressorts

geleistet

werden,

i n d e r Staats-

kanzlei, und zwar ohne Rücksicht auf deren materiellen Zusammenhang mit der politischen Leitung des Staates. Zu nennen wären hier i n Nordrhein-Westfalen die „zentralen Dienste" i n der Staatskanzlei, die Zentral-Bibliothek der Landesregierung und der einheitliche Fahrdienst für alle Ministerien sowie i n Niedersachsen die Angliederung der zentralen Besoldungsstelle des Landes an die Staatskanzlei. So sehr eine solche Zentralisierung der Rationalisierung der Verwaltung dienen und i m Hinblick auf die Verwendung moderner technischer Einrichtungen — etwa automatischer Anlagen — ein Gebot der Stunde sein mag, so scheint die Staatskanzlei doch nicht der geeignete Ansiedlungsplatz für derartige Zentralstellen zu sein. Sie sollten i n regierungsorganisations-konformer Weise i n dem Geschäftsbereich errichtet werden, zu dem sie nach dem Schwerpunkt der Aufgabe gehören, so etwa zentrale Besoldungsstellen mit modernen Rechenmaschinen i m Bereich der Finanzverwaltung. Wenn wegen der technischen Entwicklung ein Trend zur Einrichtung zentraler Bearbeitungsstellen für mehrere oder alle Zweige der Staats-

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Verwaltung besteht, so wäre an deren Zusammenfassung i n besonderen Zentralämtern zu denken, wie sie etwa die Bundesbahn schon lange kennt. Ihrer Funktion nach würde es sich bei ihnen um einem Minister i u m zu unterstellende reine Verwaltungsdienststellen handeln. I n diesem Zusammenhang ist hinzuweisen auf die Errichtung eines Bundesverwaltungsamtes durch Gesetz v o m 28. Dezember 1959 (BGBl. I S. 829) als zentrale allgemeine Verwaltungsbehörde, nicht n u r f ü r Angelegenheiten aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministers (s. § 1 Abs. 2 u n d 3 u n d § 8).

(12) Die dienstaufsichtlichen Befugnisse und die anderen Sachzuständigkeiten der Staatskanzlei bilden den Grundstock für das „Hausgut" des Chefs der Staatskanzlei. Gemeint ist damit jenes Bündel von Angelegenheiten, das nicht i n unmittelbarem Zusammenhang mit den Funktionen des Regierungschefs steht und von dem deshalb kaum jemals etwas auf dessen Schreibtisch gelangt. Dieser Tätigkeitsbereich der Staatskanzlei macht ihren Leiter zum inoffiziellen Vorgesetzten der Amtsträger, die der Dienstaufsicht des Ministerpräsidenten unterstellt sind, und zu einem de facto-Ressortchef en miniature; dies besonders, wenn er noch zusätzliche Staatsämter i n seiner Person vereinigt. Auch der Umstand, daß die leitenden Beamtenpositionen i m Wege eines Ministerratsbeschlusses besetzt werden, daß also die Ernennungsvorschläge mit den Personalakten i n die Staatskanzlei gelangen, ist dazu angetan, deren Chef zur „grauen Eminenz" werden zu lassen. Nicht zu Unrecht bezeichnet Wildenmann den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes als „obersten Beamten des Bundes" 2 8 . Berücksichtigt man noch den „Zugang zum Machthaber", der dem Leiter der Staatskanzlei offensteht, dann w i r d es verständlich, daß dieser Posten die Möglichkeiten zu einer Machtakkumulation bietet, die selbst Regierungsmitgliedern Respekt einflößen kann. B. Diese Erwägungen leiten über zu der Frage nach der besten Organisationsstruktur

der

Staatskanzlei.

(1) Blicken w i r zunächst auf ihre herkömmliche hierarchische Spitze: Soll diese mit einem Beamten oder besser einem Politiker besetzt werden? I m Schrifttum w i r d die Auffassung vertreten, ein beamteter Chef des Bundeskanzleramtes dürfe nach seiner Stellung und Funktion nicht politischer Berater des Kanzlers werden — dasselbe gilt mutatis mutandis für den Leiter der Staatskanzlei —, weil i m konstitutionell-parlamentarischen Regierungssystem die politische Beratung des Regierungschefs " Wildenmann a.a.O. (oben A n m . 12) S. 151. Vgl. auch Ellwein, Thomas: Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 2. A u f l . K ö l n u n d Opladen: Westdeutscher Verlag, 1965, S. 279: „Das Bundeskanzleramt ist wichtiger u n d politisch entscheidender als die Mehrzahl der Ministerien."

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außerhalb des Parlaments nur i n Ausübung eines parlamentarisch verantwortlichen Amtes möglich sei. Deshalb müsse der Chef des Bundeskanzleramtes zum Minister ernannt und i n die Regierung aufgenommen werden, wenn er nicht nur administrativer, sondern auch politischer Gehilfe und Berater des Regierungschefs sein solle 30 . Ohne hier näher auf die rechtliche Problematik eingehen zu können, sei hierzu bemerkt: Sicherlich sollen die Minister politische Berater des Regierungschefs sein. Ein Chef der Staatskanzlei aber, der sich nur als weisungsgebundener Beamter und allenfalls als Ratgeber i n Verwaltungsfragen ohne Recht und Pflicht zu politischer Beratung des Regierungschefs fühlte, würde die Funktion der Staatskanzlei als Instrument zu dessen Unterstützung gerade bei der politischen Leitung verkennen. Der Entwicklung des beamteten Chefs der Staatskanzlei zum politischen Berater des Ministerpräsidenten steht das Staatsrecht nicht entgegen. Es enthält weder Rechtssätze noch ungeschriebene Verfassungsgrundsätze, aus denen auf die Rechts- oder Verfassungswidrigkeit beliebigen Ratholens von Verfassungsorganen (eine Ausnahme gilt für die Verfassungsgerichtsbarkeit i n förmlichen Verfahren) und die Berechtigung auch des parlamentarisch nicht verantwortlichen Amtsträgers zur Raterteilung in politicis zu schließen wäre. Die geltenden Verfassungen stellen allenthalben ab auf die Zuständigkeit zum Erlaß von Staatsakten. Sie stellen Erfordernisse formaler A r t für ihr staatsrechtlich wirksames Zustandekommen auf, befassen sich aber nicht mit der Vorformung des Willens der Organwalter und den hierbei wirksam werdenden Einflüssen, Rücksichtnahmen und indirekten Gewalten. Die Frage, ob an der Spitze der Staatskanzlei besser ein Berufsbeamter oder ein Politiker stehen soll, läßt sich wohl nur von der Bedürfnislage des Regierungschefs her beantworten. Ist dieser ein i n seiner Partei verwurzelter Politiker, besitzt sein Wort i n seiner Fraktion Gewicht, dann mag es für ihn das beste sein, wenn an der Spitze der Staatskanzlei ein Berufsbeamter steht, der deren sachkundige Leitung verbürgt. Der beamtete Chef der Staatskanzlei soll dem Regierungschef gewissermaßen ein ruhender Pol sein, ein gleichermaßen verwaltungskundiger wie politisch erfahrener Ratgeber, der i m Gegensatz zu den Kabinettsmitgliedern nicht Exponent einer bestimmten politischen Gruppe oder eines Flügels der Regierungspartei ist. Gerade weil ein beamteter Leiter der Staatskanzlei i m Regelfall keine politische Hausmacht hinter sich hat, weil der Regierungschef bei i h m nicht politisches Eigengewicht i n Rechnung zu stellen braucht, das ihn bei den Ministern vielleicht zu vorsichtiger Zurückhaltung nötigt, ist der i n diesem Sinne nicht engagierte 30

s. Böckenförde a.a.O. S. 188—191. Führungsgehilfen eigener A r t sind n u n mehr die parlamentarischen Staatssekretäre nach dem Bundesgesetz v o m 6. A p r i l 1967 (BGBl. I S. 396).

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Staatssekretär der ideale objektive Berater, bei dem die Loyalität gegenüber dem Regierungschef den Vorrang vor eigenpolitischen Ambitionen einnimmt. Hat der Regierungschef jedoch i n seiner Fraktion und Partei keine starke Stellung und bedarf er deshalb eines Bindegliedes zu den politischen Kräften, so mag es seine Arbeit, insbesondere die Koordination von Fraktion und Regierungsapparat, wesentlich erleichtern, wenn ihm etwa ein Politiker aus den eigenen Reihen als politischer Staatssekretär i n der Staatskanzlei zu Seite stehen kann. I n Bayern wurden beide Alternativen praktiziert: Ministerpräsident Dr. Seidel, der selbst Landesvorsitzender seiner Partei war, hat davon abgesehen, einen Politiker an die Spitze der Staatskanzlei zu stellen. Sein Nachfolger dagegen berief den Vorsitzenden der Landtagsfraktion der Regierungspartei sogleich bei seiner Amtsübernahme zum Leiter der Staatskanzlei.

Eine rechtliche Gestaltung, die den potentiellen Wünschen eines jeden Regierungschefs gerecht zu werden vermag, bietet die Bayerische Verfassung, die i n ihrem Art. 52 Satz 2 die Möglichkeit vorsieht, die Leitung der Staatskanzlei einem eigenen (also politischen) Staatssekretär zu übertragen. Ob der Regierungschef hiervon Gebrauch machen w i l l , liegt ganz bei ihm. I n Ländern, die die Institution eines politischen Staatssekretärs nicht kennen, müßte an die Stelle dieser Lösung die Möglichkeit treten, mit der Leitung der Staatskanzlei einen Minister zu betrauen. Der Umstand, daß der dem Kabinett angehörende Leiter der Staatskanzlei i n dieser Eigenschaft dem Regierungschef untergeordnet ist, daß er i h m aber als Regierungsmitglied i m Ministerrat gleichberechtigt gegenübersteht 3 1 , hat i n Bayern nicht zu Schwierigkeiten geführt.

(2) Wegen des erforderlichen engen Vertrauensverhältnisses zum Regierungschef stellt sich i n bezug auf die leitenden Beamten der Staatskanzlei und dessen nächste Mitarbeiter die Frage, ob sie primär „Diener des Staats" oder „Diener des Regimes" sind, ein „ebenso weitreichender wie delikater" Unterschied 32 ; und, wenn man richtigerweise die Staatsdienereigenschaft vorbehaltlos bejaht (vgl. § 35 BRRG), die weitere Frage, ob auf dem politischen Feld der Staatskanzlei die Qualifikation eines Beamten als loyal außer der Förderung der politischen Zielsetzungen des jeweiligen Regierungschefs i m dienstlichen Bereich ein besonderes Maß an Zurückhaltung bei politischer Betätigung i n anderer Richtung als Privatmann verlangt. Das Spannungsverhältnis zwischen staatsbürgerlichen Rechten und etwaigen dienstrechtlichen Beschränkungen i m Hin31

hin.

A u f dieses Problem weist zutreffend Böckenförde a.a.O. S. 242 A n m . 39

32 Morstein M a r x , F r i t z : Einführung i n die Bürokratie. Neuwied: Luchterhand, 1959, 9. Kapitel, S. 188 ff.

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blick auf eine politisch besonders exponierte Position, das i n unserem Zusammenhang nicht weiter verfolgt werden kann, kann für diesen Beamtenkreis spürbar werden. Auf jeden Fall kann eine Staatskanzlei ihren Aufgaben nur dann voll gerecht werden, wenn die „auf hochpolitischem Parkett" tätigen Beamten der jeweiligen Regierung — i m Rahmen des verfassungsmäßig und rechtlich Zulässigen — i n Loyalität dienen. Ihre persönliche Treue ist „institutionelles Produkt", das keine Rückschlüsse auf ihre eigene politische Überzeugung erlaubt 3 3 . Wenn ein derartiger Einsatz zu den dienstlichen Pflichten der leitenden Beamten der Staatskanzlei gehört, dann muß umgekehrt eine neue Regierung die Mitarbeiter der früheren als pflichtgetreue Staatsbeamte und nicht als „Handlanger der politischen Machthaber" und „Regimediener" 3 4 behandeln, die schleunigst „ i n die Wüste" zu schicken sind. Eine Einstellung, die dazu neigt, die Angehörigen des amtlichen Stabes einer abgelösten Regierung — soweit sie nicht als „Parteibuchbeamte" oder infolge irgendwelcher Patronage, sondern auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation i n ihre Position gelangt sind — als Exponenten des abgelösten Regimes „kaltzustellen", wäre mit den verfassungsrechtlich geschützten „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" (s. Art. 33 Abs. 5 GG) nicht zu vereinbaren. Sie wäre i m Ansatz eine Hinwendung zu dem einstigen System des „Heuerns und Feuerns" amerikanischer Provenienz und würde dazu führen, daß sich gerade tüchtige Beamte i m Interesse ihrer ungefährdeten beruflichen Laufbahn davor hüten müßten, i n die Nähe des politischen Bereichs zu geraten. Es bedarf keiner Begründung, daß die angedeuteten Entwicklungen für den Staat von großem Nachteil wären. Wenngleich ein gewisses Revirement i n der Staatskanzlei nach einem Regierungswechsel als normaler Vorgang i m demokratischen Staat hinzunehmen ist, und die Staatskanzlei sich so rasch als möglich wieder zu voller Leistungsfähigkeit zu re-integrieren hat, so sollten es die politischen Kräfte doch vermeiden, daß die an verantwortlichen Stellen stehenden Mitarbeiter i n der Staatskanzlei unter den „Bürden des ,Systemwechsels' " 3 5 zu leiden haben und daß dieser Wechsel zu einer „bedrückenden Atmosphäre" führt, die sich „für viele Beamte als eine erhebliche Nervenbelastung" erweist 3 6 . 88

Zutreffend Morstein M a r x a.a.O. (oben Anm. 32) S. 161. Morstein M a r x a.a.O. (oben Anm. 32) S. 196 ff. 85 Vgl. Morstein M a r x a.a.O. (oben Anm. 32) S. 198 ff. 86 Morstein M a r x a.a.O. (oben A n m . 32) S. 201 u n d Somers, Herman M.: „The Federal Bureaucracy and the Change of Administration", American Political Science Review, Bd. 48, 1954, S. 151 ff. 84

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(3) Zu erwägen ist weiter, ob der Staatskanzlei als Organ zur Beratung des Regierungschefs und der Regierung und zur Programmierung der politischen Grundlinien überhaupt eine behördenmäßige hierarchische Innenstruktur angemessen ist, ob es ihrem Wesen als Beratungsstab nicht besser entspräche, ihr eine kollegiale oder senatoriale Organisationsform zu geben. Zwar dürfte die bestmögliche Erledigung der Aufgaben der Staatskanzlei außer der eigentlichen politischen Beratung und Grundlagenerarbeitung durch den hierarchischen, behördenmäßigen Aufbau gewährleistet sein, weil dieser eine einheitliche Leitung und Aufgabenverteilung, die Würdigung der zu behandelnden Fragen unter verschiedenen Aspekten durch Beteiligung mehrerer Referenten und die amtsinterne Kontrolle durch den höherrangigen Vorgesetzten ermöglicht. Dennoch dürfte es der freien und schöpferischen Entfaltung der an der politischen Grundlinienbestimmung mitwirkenden Ratgeber, die auf ihrem Gebiet ja besonders qualifiziert sein sollen, förderlicher sein, wenn sie als Stab gleichrangiger Persönlichkeiten zusammenarbeiten können. Diese Form der Team-Arbeit findet sich heute schon vielfach i n naturwissenschaftlichen Forschungsinstituten 37 , bei denen die Qualifikation der Mitarbeiter und die Gleichwertigkeit der zu lösenden Teilaufgaben eine strikte Subordination unter einen Leiter untunlich erscheinen lassen. Die Staatskanzlei würde sich dann insoweit umwandeln i n eine A r t „Staatsrat". Dabei wäre es eine sekundäre Organisationsfrage, ob ein primus inter pares berufen werden soll, sei es durch Ernennung oder durch Selbstwahl, oder ob diese „Staatsräte" i m besten Sinn des Wortes dem Regierungschef und dem Kabinett als gleichrangige Einzelberater gegenüberstünden i n der Weise, daß das erforderliche Maß an Koordination durch regelmäßige Sitzungen oder eine von der Regierung oder vom Regierungschef zu erlassende oder zu genehmigende Geschäftsordnung geschaffen würde. Schon unter der gegenwärtigen hierarchischen Struktur der Staatskanzleien haben einzelne Spitzenkräfte der Sache nach eine einem solchen Modell ähnliche Position erlangt, die insbesondere darin ihren Ausdruck findet, daß sie unmittelbar dem Regierungschef Vortrag halten, und daß sich der Leiter der Staatskanzlei jeglichen Eingriffes i n ihren Aufgabenbereich zu enthalten pflegt. Der Organisationsplan einer so strukturierten Staatskanzlei würde sich annähern dem einer wissenschaftlichen Hochschule. Sie bedürfte eines leitenden Verwaltungsbeamten, der jedoch nicht den Status der eigentlichen Berater zu haben brauchte. I h m unterstünde der gesamte Verwaltungsapparat. Daneben gäbe es die eigentlichen Berater des Regie37 s. z. B. den Bericht über das Kernforschungszentrum CERN i n M e y r i n bei Genf von R. Jungk i n „Die Zeit", Nr. 42 v o m 14.10.1966, S. 32.

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rungschefs, denen je nach dem Umfang ihrer Aufgaben die erforderlichen wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter zuzuteilen wären. (4) Die vielseitigen und bisweilen schwierigen Aufgaben, mit denen sich die Staatskanzlei konfrontiert sieht, erfordern hochqualifizierte Kräfte. Für den auf juristischem Gebiet tätigen Mitarbeiter genügen ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht; bei der Vielgestaltigkeit der auftretenden Fragen sind weiter unerläßlich geistige Beweglichkeit und „politisches Denken". Die Referenten der Staatskanzlei sollen fähig sein, sich i n neue Aufgaben rasch einzuarbeiten, angeforderte Stellungnahmen und Exposés oft i n sehr kurzer Zeit auszuarbeiten und Unterlagen für Schreiben, Ansprachen und Reden des Regierungschefs möglichst i n einer solchen Form vorzulegen, die ihre Verwendung ohne Umarbeitungen gestattet. Die Beamten des höheren Dienstes werden deshalb meist nicht unmittelbar nach dem Examen eingestellt, sondern von anderen Ressorts oder Dienstherrn übernommen, nachdem sie sich dort bewährt und Verwaltungserfahrungen gesammelt haben. Die Personalauslese und die Berufung geeigneter Nachwuchskräfte ist eine wichtige Aufgabe des Leiters einer Staatskanzlei. Zu bedenken wäre, neben den Laufbahnbeamten nach Bedarf außenstehende Fachleute arbeiten zu lassen. Die Nutzbarmachung ihres Sachverstandes, die heute meist i n der Form der Erteilung von Gutachtensaufträgen geschieht, könnte institutionalisiert werden i n der Weise, daß Stellen oder bei nur vorübergehender Benötigung Globalansätze für eine temporäre Beschäftigung externer „eggheads" vorgesehen werden. Gewisse Ansätze zur Ausgestaltung der Staatskanzlei zu einer Plattform für verschiedene Beraterstäbe finden sich heute schon. Hinzuweisen wäre etwa auf § 6 Abs. 3 der Bekanntmachung über die Bildung der Bayerischen Staatlichen Kommission zur friedlichen Nutzung der Atomkraft vom 21. November 1955 (BayBS. I S. 23), wonach die Geschäfte dieser aus außenstehenden Fachleuten bestehenden Kommission von der Staatskanzlei geführt werden. I n ähnlicher Weise wurde i n der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz eine Geschäftsstelle für Verwaltungsvereinfachung eingerichtet, die der von der Landesregierung eingesetzten Sachverständigenkommission für die Verwaltungsvereinfachung zu Gebote stand 38 . Die Ausgestaltung der Staatskanzlei zu einer A r t Sammelgeschäftsstelle für verschiedene Beraterstäbe führt zwar zu einer Auflockerung ihrer Behördenstruktur und wegen der Autonomie der einzelnen Gre38 s. Schnur, Roman: „Verwaltungsvereinfachung i n Rheinland-Pfalz", Die Öffentliche Verwaltung, Jg. 18, 1965, S. 80 ff.

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mien des durchgehenden Weisungsrechts des Leiters, ermöglicht es aber der politischen Spitze, nach den wechselnden Bedürfnissen kurzfristig Fachgremien zu bilden. Der „zivile Generalstab" 39 w i r d dadurch elastischer und gewinnt an geistiger Potenz. Eine beachtliche Hilfe für Regierung und Regierungschef kann die Konsultation von je nach der zu lösenden Aufgabe auszuwählenden Fachkennern aus den verschiedenen Ressorts, aus der mittleren und unteren Verwaltungsebene und darüber hinaus aus dem ganzen Bereich des öffentlichen Lebens darstellen. Die Regierungsarbeit könnte noch fruchtbarer gestaltet werden, wenn Ministerpräsident, Kabinett und Staatskanzlei deren Erfahrungsschatz noch besser nutzen würden. Z u denken wäre an Arbeitstagungen z. B. mit den Ministerialdirektoren, mit den Regierungspräsidenten oder mit den Vertretern der Hochschulen. Ein bayerischer Ministerpräsident pflegte vor grundsätzlichen Entscheidungen i n dieser Weise unmittelbaren Kontakt mit Amtsträgern außerhalb der Staatskanzlei und der Ministerien aufzunehmen, um deren Meinung und Anregungen persönlich kennenzulernen. A u f diese Weise kann die Regierungsspitze erfahren, wie bestimmte Vorhaben aus einem anderen Blickwinkel beurteilt und welche Maßnahmen für wünschenswert gehalten werden. Durch solche Querverbindungen könnte das Fehlen eines eigenen Verwaltungsunterbaus der Staatskanzlei i n wirkungsvoller Weise ausgeglichen werden, ohne daß nennenswerte Kosten anfallen. Für derartige Kommunikationen, die nicht unbedingt der Institutionalisierung bedürfen, aber nur i m Einvernehmen mit den betroffenen Ressorts eingeleitet werden sollten, kann die Staatskanzlei den organisatorischen und geschäftsstellenmäßigen Rahmen bilden. (5) Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich ein Punkt, der bei dem Entwerfen von Organisations- und Geschäftsverteilungsplänen nur schwerlich gebührend berücksichtigt werden kann, der sich aber stark auf das innere Gefüge der Staatskanzlei und mittelbar auf ihre Leistungsfähigkeit (efficiency) auswirkt, nämlich das Bestehen informaler Rollen neben den formalen Strukturelementen. Dieses Phänomen, mit dem sich jeder i n einer Großorganisation Tätige konfrontiert sieht, ohne sich seiner vielleicht recht bewußt zu werden, hat i n Deutschland besonders Niklas Luhmann i n den Lichtkegel wissenschaftlicher Untersuchung gestellt 40 . Wenngleich formalisierte Führungsstellen mit zeitlich fortdauernder Besetzung, sachlich abgegrenzter Kompetenz und sozial eindeutig zugeordneten Untergebenen das Grundgerüst jeder hierarchischen Organi89 40

Böckenförde a.a.O. S. 236. L u h m a n n a.a.O. (oben Anm. 3).

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sation bilden und die Bürokratie durch eine solche Struktur definiert w i r d 4 1 , darf doch nicht die ständige Wirksamkeit informaler Elemente übersehen werden, die das Unzulängliche rein formal-organisatorischer Erwägungen ohne Berücksichtigung gruppen- und individualpsychologischer Faktoren offensichtlich werden läßt. Formale Organisationen bedienen sich etwa zur Bewältigung der Problematik der Korrelation von A m t und Fähigkeit einer Reihe von Fiktionen, so der Unterstellung, daß der jeweilige Amtsträger zur Ausfüllung seines Postens befähigt ist, der Fiktion gleicher Befähigung gleichrangiger Amtsträger und höherer Befähigung höherrangiger Amtsträger, obwohl selten eine Möglichkeit besteht, Fähigkeiten genau zu vergleichen. Zum Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen formeller Kompetenz und materieller Willensbildung und Sachentscheidung dient die Annahme, daß der Unterzeichner einer Entscheidung diese tatsächlich selbst getroffen hat. Ein Netz solcher Fiktionen, zu denen auch die gehört, daß die Personalwahl sich allein nach den Fähigkeiten richtet, stützt die formale Ordnung der Ämter 4 2 . Diese ist aber überlagert und durchdrungen von einem ständigen Wechselspiel zwischen formalen und informalen Rollen und Situationen 43 . Hierher gehören Erscheinungen wie die, daß der Regierungschef lieber mit dem Referenten als mit dessen Vorgesetzten eine Frage bespricht, daß er eine Angelegenheit zur Bearbeitung i n ein primär nicht zuständiges Referat leitet und daß der Leiter der Staatskanzlei den von der Hierarchie abgezeichneten Entwurf seinem Adlatus zur internen Nachprüfung i n die Hand gibt. Neben den „systemverliehenen Einfluß" t r i t t der persönliche und neben das „Systeminteresse" das persönliche, dem starke Motivationskräfte entspringen können 4 4 . Je stärker die Divergenz zwischen formalen und informalen Rollen ist, u m so weniger Aufschluß gibt der geschriebene Organisations- und Geschäftsverteilungsplan einer Staatskanzlei über die tatsächlichen Macht- und Arbeitsverhältnisse. Wollte man sich hierüber ein zutreffendes B i l d verschaffen, dann bedürfte es neben dem Studium der Geschäftsverteilungs- und Organisationspläne vor allem einer „Erforschung der pragmatischen Strukturen des wirklichen Verhaltens i m Wechselspiel zwischen formalen und informalen Situationen" 4 5 , jener Verhaltensordnungen, die bisher „ i m Schatten des Legitimitätsmonopols der formalen Organisation" standen 46 . Durch ihre Ein41

s. L u h m a n n a.a.O. S. 209. s. L u h m a n n a.a.O. S. 278 ff. 48 s. L u h m a n n a.a.O. S. 294. 44 L u h m a n n a.a.O. S. 129 ff. 45 L u h m a n n a.a.O. S. 295. 48 Luhmann, Niklas: „Der neue Chef", Verwaltungsarchiv, Bd. 53, 1962, S. 11 ff., 24. 48

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flüsse kann sich die wirkliche Ordnung gegenüber dem formalen Schaub i l d 4 7 beträchtlich verschieben, ja der formale hierarchische Behördenaufbau kann dadurch praktisch weitgehend aus den Angeln gehoben werden. Während die Kunst der Führung von Untergebenen seit Jahrhunderten diskutiert wird, so meint Luhmann zu Recht, „hat die Kunst, Vorgesetzte zu lenken, bisher wenig Beachtung gefunden, obwohl sie für die Stabilität eines sozialen Systems i n manchen Fällen die wichtigere sein kann". Diese Aufgabe ist nicht einfach, denn es gilt „die richtige Mischung von Respekt und Offenherzigkeit, von Bescheidenheit und selbstverständlicher Erfahrungssicherheit, von Angebot und Zurückhaltung zu finden", was um so heikler wird, „wenn es zugleich notwendig ist, den neuen Chef von unten anzulernen" 48 . Nicht zu übersehen sind schließlich „Irrationalitäten", die hervorbrechen können „ i n den Kämpfen über Zuständigkeit, i n der Störrigkeit des Spezialisten, i m Wettstreit um Vorrang" 4 9 und i n persönlichen Präferenzen und Animositäten, von denen aber auch politische Entscheidungen — trotz stabsmäßiger Vorbereitung — nicht immer frei sind. „Der Bedarf an nichtrationalen Entscheidungsgrundlagen" 50 , das Einfließen spekulativer Momente i n den Entscheidungsprozeß gewinnt mit zunehmender Nähe zur politischen Spitze an Bedeutung. Nicht selten verwirft ein Regierungschef rational fundierte Voten seiner Staatskanzlei und handelt nach seiner — nicht nachvollziehbaren — Intuition und seinem politischen „Fingerspitzengefühl", denn „die Gabe der politischen Führung ist etwas Unmessbares und rational nicht Erfassbares oder Herstellbares" 51 . III Alle Überlegungen über die bestmögliche Ausgestaltung einer Staatskanzlei litten unter einem Mangel, wenn die Persönlichkeit und Individualität des Regierungschefs, der ja sozusagen „Konsument" der „Produkte" der Staatskanzlei ist, außer Betracht bliebe; diese bietet nur an — die politische Spitze hat „ein freies Abnahmerecht" 5 2 . Die Arbeitsweise 47 s. L u h m a n n a.a.O. (oben Anm. 3) S. 112 („Die formale Organisation b i l det . . . die Schauseite der Organisation.") u n d S. 208 („Elementare Führung bleibt i m System diffus verstreut."). 48 L u h m a n n a.a.O. (oben A n m . 46) S. 11 u n d 22 ff. 49 Morstein M a r x a.a.O. (oben A n m . 32) S. 219. 50 Luhmann, Niklas: „Spontane Ordnungsbildung" i n Verwaltung (oben Anm. 16), S. 163 ff., 181 Anm. 6. 51 Loewenstein a.a.O. (oben Anm. 10) S. 335. " Morstein M a r x , F r i t z : „Staat, Politik, Öffentlichkeit", Zeitschrift für Politik, Bd. 12, 1965, S. 1 ff., 15.

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der Staatskanzlei ist weit mehr als die anderer Behörden, die einen einheitlichen Stoff nach generellen Normen und Anweisungen zu bearbeiten haben, wie etwa ein Lastenausgleichsamt oder ein Finanzamt, auf den jeweiligen Ministerpräsidenten zugeschnitten, weil das Verfassungsrecht und das politische System diesem einen weiten Raum für die Ausbildung eines Selbstverständnisses von seinem Amt und eines eigenen Regierungsstils lassen. Das „Verwaltungsprodukt", das die Staatskanzlei hervorbringt, ist nur zu einem kleinen Teil genormt — meist hat sie unter Würdigung der oft komplexen und subtilen politischen Konstellationen „individuelle Maßarbeit" zu leisten, sofern sie dem Regierungschef beim gubernare eine verläßliche Hilfe bieten will. Auch die i n zweckmäßiger Weise organisierte und mit besten Kräften besetzte Staatskanzlei vermag jedoch eine für das Gemeinwohl förderliche, fruchtbare Regierungspolitik nicht von sich aus zu gewährleisten: Die Direktiven, i n denen politische Entscheidungen ihren Ausdruck finden, müssen vom Regierungschef und den hinter ihm stehenden politischen Kräften ausgehen, mag es auch zur Aufgabe der Staatskanzlei gehören, hierfür Impulse zu geben. Beide sind einander i n einem korrespektiven Verhältnis zugeordnet. A m Regierungschef liegt es, von dem Hilfsinstrument Staatskanzlei den richtigen Gebrauch zu machen und ihr Potential an Arbeitskraft, Sachverstand, Erfahrungswissen und Arbeitsfreude zur Entfaltung zu bringen. Dazu gehört es, bei allen Mitarbeitern das Gefühl der Mitverantwortung zu stärken, ihnen Vertrauen entgegenzubringen, ihre Leistung nicht zu mißachten und „Leerlauf", der sich auf die Bereitschaft zu hingebungsvollem Einsatz negativ auswirkt, möglichst zu vermeiden. Die Leistung der Staatskanzlei ist die Resultante aus Organisation, Geschäftsverteilung, Leitung, Tüchtigkeit ihrer Angehörigen und des innerbehördlichen „Klimas", aber i n entscheidendem Maße auch der Persönlichkeit des Regierungschefs und seiner Fähigkeit, sich des zu seiner Unterstützung geschaffenen und bereitstehenden Führungsinstruments i n sinnvoller Weise zu bedienen.

Erprobte Arbeitsmethoden Von Fritz Duppré

Gliederung Standort und organisatorische Grundlagen der Staatskanzlei — Die Richtlinienkompetenz — Der Chef der Staatskanzlei — Die Staatskanzlei und ihre Aufgaben — Unterstützung des Ministerpräsidenten — Unterstützung der Landesregierung — I m Parlament — I n den Parlamentsausschüssen — I m Bundesrat u n d seinen Ausschüssen — I n den Fachministerkonferenzen — Stab oder Ressort? — Der Kernbestand der Aufgaben — Zusätzliche A u f gaben — Plädoyer für den Stab — Richtlinienkompetenz u n d Landesplanung — Die innere Organisation — Der organisatorische Schwerpunkt — Das P r i n zip der Durchgängigkeit — Keine Planungs- u n d Beratungsstäbe — Der persönliche Referent — Die Koordination innerhalb der Landesregierung — E n t lastung der Sitzungen — Die W i t t e r u n g der Situation — K o n t a k t m i t den Kabinettsmitgliedern — Das Telefon nicht scheuen — K o n t a k t m i t den K o l l e gen — Respektierung der Ressorthierarchie — Die Koordination innerhalb der Staatskanzlei — A u f dem laufenden sein — Das Gespür für das Wichtige — Direktiven erhalten u n d D i r e k t i v e n geben — Kommunikation und Information — Die Öffentlichkeitsarbeit — Die Landespressestelle — Landespressestelle u n d Pressereferenten der Ressorts — Kontrolle der Effizienz — Von der Repräsentation bis zur Konversation — Die Kontaktpflege — Die Repräsentation — Meine gesellschaftlichen Verpflichtungen 1965 — Das Berufsrisiko

Es ist eine alte Erfahrung: wenn man über sein eigenes Metier sprechen soll, dann hält man es — sofern man sich darin zurechtgefunden hat — für die selbstverständlichste Sache der Welt, die kaum der Rede wert ist. Jedenfalls stand ich in dieser unprätentiösen Mentalität dem mir gestellten Thema gegenüber, so daß ich angesichts des großen Waldes die einzelnen Bäume fast nicht mehr unterschieden hätte. Glücklicherweise blieb mir zwischen Auftrag und Ausführung einige Zeit, um mit Hilfe der Selbstkontrolle die alltägliche Arbeit unter die Lupe zu nehmen und zu einer Analyse zu kommen, die ich Ihnen heute darstellen möchte. Ich berichte also aus meinem Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, auf Grund meiner Erfahrung u n d aus meiner Sicht, die bei allem W i l l e n zur Objek-

tivität nicht frei von Trübungen sein könnte — was ich ohne weiteres einräume —, da gerade i m Bereich der politischen Aktion, i n den die Staatskanzlei als Hilfsorgan des Regierungschefs hineingestellt ist, persönliche Überzeugung, Temperament und Stil eine nicht geringe Rolle spielen. Andererseits zwingt aber K r i t i k von allen Seiten — ob berech-

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tigt oder unberechtigt, das stehe dahin — immer wieder dazu, Fehler und Fehldispositionen zu erkennen. Das soll ja schließlich — wenn ich recht sehe — Sinn und Zweck dieser verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung sein. I Für den Standort und die organisatorischen Grundlagen der Staatskanzlei ist bedeutsam, daß i n Rheinland-Pfalz der Ministerpräsident — genau so wie anderenorts i n unserer Bundesrepublik — die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür dem Landtag verantwortlich ist (Art. 104 Satz 1 der Landesverfassung). Auf die rechtliche Tragweite dieser zentralen Verfassungsnorm einzugehen, ist nicht meine eigentliche Aufgabe. Ich kann aber nicht gänzlich daran vorbeigehen. Sie wollen ja meinen eigenen Standort kennen. Die Richtlinienkompetenz. M i r scheint „sicher, daß der Verfassungsgeber dem Regierungschef mit dieser Richtlinienkompetenz ein seiner parlamentarischen Verantwortung entsprechendes Führungsmittel gegenüber seinen Kabinettskollegen an die Hand geben wollte, das sich nicht nur i m gesetzesfreien Raum, sondern auch de lege ferenda auswirken kann. Derartige Richtlinien mögen sich i n Regierungsprogrammen, ergänzenden Erklärungen oder Direktiven des Regierungschefs an die Mitglieder der Regierung finden. Wesentlich dabei ist, daß es sich um Richtlinien und nicht um Einzelentscheidungen handelt. Streit könnte darüber entstehen, ob eine vom Regierungschef einem einzelnen Minister abgeforderte Maßnahme sich innerhalb seiner zuvor gegebenen Richtlinien bewegt, insbesondere dann, wenn man für den Erlaß dieser Richtlinien noch besondere Formerfordernisse (schriftliche Festlegung, Kabinetts- oder Parlamentsprotokolle) i m Hinblick auf den normsetzenden Charakter dieser Direktiven für unvermeidlich halten sollte. Unbestritten ist, daß die Adressaten dieser vom Regierungschef zu bestimmenden Richtlinien der Politik die Minister und die Ministerien sind und daß sie keineswegs über den Bereich der Exekutive hinaus — etwa die Volksvertretung oder gar den einzelnen Staatsbürger — binden oder verpflichten 1 ." M i t dieser Rechtsauffassung stehe ich — soweit ich Praxis und Lehre übersehe — sicherlich nicht allein. I n welchem Umfang der Regierungschef diese Richtlinienkompetenz ausschöpft, wann und in welcher Dosierung er davon Gebrauch macht, hängt von seinem Βeurteilungsvermögen, seiner Führungskunst und seinem Regierungsstil ab. Danach hat 1 Vgl. meinen Beitrag „Politische Kontrolle", i n : Verwaltung. Eine einführende Darstellung, hrsg. von Morstein M a r x , Fritz i n Verbindung m i t Becker, Erich u n d Ule, Carl Hermann. B e r l i n : Duncker & Humblot, 1965, S. 410.

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sich sein Hilfsorgan, die Staatskanzlei, zu richten. Die Orientierungspunkte anderswo zu suchen, ist einfach unmöglich. Der Chef der Staatskanzlei. I n Rheinland-Pfalz ist organisationsrechtlich gesehen die Staatskanzlei eine oberste Landesbehörde. Der Chef der Staatskanzlei nimmt an den Sitzungen des Ministerrates mit beratender Stimme teil (§ 2 Abs. 2 der GO LReg vom 25. J u l i 1951, Beilage MinBl. 1951 Nr. 34). Ihm ist also nicht nur das Recht der Teilnahme — informations causa — an den Sitzungen des Ministerrates eingeräumt, sondern auch die Berechtigung — consilii causa —, sich zu den einzelnen Beratungsgegenständen zu Wort zu melden, gesichert. Das scheint m i r gegenüber anderen Geschäftsordnungen eine bemerkenswerte Heraushebung zu sein. Der Grund für diese bereits 1951 erlassene Geschäftsordnungsvorschrift w i r d wohl i n dem Bestreben zu sehen sein, die Koordinationserfahrung und überressortmäßige Sachstandskenntnis des Chefs der Staatskanzlei für die Beratungen der Landesregierung unmittelbar nutzbar zu machen. Durch die aktive Teilnahme werden sicherlich auch die anderen Aufgaben erleichtert, die — i n bezug auf die Kabinettsarbeit — in der Aufstellung der Tagesordnung (§ 26 Abs. 3 GO LReg), der Verantwortung für das Protokoll (§ 27 Abs. 1 GO LReg) und der Überwachung der Durchführung der Ministerratsbeschlüsse von grundsätzlicher und politischer Bedeutung bestehen (§ 28 Abs. 3 GO LReg). Zieht man noch in Betracht, daß i m Falle von Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Minister berühren, der Kabinettsentscheidung ein persönlicher Verständigungsversuch unter Beteiligung der Staatskanzlei voranzugehen hat (§ 25 Abs. 1 u. 2 GO LReg), dann erscheint die leichte protokollarische Anhebung des Chefs der Staatskanzlei auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt. War bisher auf Grund der besonderen Gegebenheiten i n unserem Lande von der Figur des Chefs der Staatskanzlei die Rede — die jeweilige Person unterliegt ohnehin der Zeitkritik —, so müssen w i r jetzt noch einen Blick auf Auftrag und Aufgabe der obersten Landesbehörde werfen. Die Staatskanzlei ist laut Geschäftsordnung zur Unterstützung des Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Landesoberhaupt und i n seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ministerrates sowie der Landesregierung bei der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben eingerichtet (§ 2 Abs. 1 GO LReg). Unterstützung

des Ministerpräsidenten.

I n den Verfassungsentwürfen

hatten einige Länder auch Staatsoberhäupter vorgesehen. I n der Hoffnung auf die weitere politische Entwicklung wurde diese Konstruktion jedoch verworfen und die Rolle des Staatspräsidenten m i t dem Amte des Regierungschefs verschmolzen; daß die Länder trotzdem der Staats-

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qualität nicht entbehren, ist mittlerweile gesicherter Bestand der Rechtsprechung unseres Verfassungsgerichtes. Dem Regierungschef fallen also die sogenannten Präsidial- und Repräsentationsbefugnisse zu, die i m wesentlichen i n der Ausübung des Gnadenrechts, der Verleihung staatlicher Anerkennung und Auszeichnung, der Ausfertigung und Verkündung der Gesetze und i n der Vertretung des Landes nach außen bestehen — einschließlich des Abschlusses von Verträgen mit auswärtigen Staaten i m Rahmen des Art. 33 Abs. 3 GG. Was die Bedeutung dieser Befugnisse betrifft, so lassen Sie sich gesagt sein, daß Gnaden- und Ordensangelegenheiten bei aller Differenziertheit keine Staatsgeschäfte sind, die mit der linken Hand besorgt werden können. Bei der Unterstützung des Ministerpräsidenten i n seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ministerrates w i r d die Staatskanzlei nicht nur Wichtiges vom Unwichtigen unterscheiden und mit Voten an die Hand gehen müssen. Sie soll vielmehr auch i n der Weise à jour sein, daß sie den Fahrplan des Regierungsprogrammes i m Auge behält, Vorlagen anregt und i m Falle voraussehbarer Meinungsverschiedenheiten für den Regierungschef Modelle, Vorschläge und Formen bereithält. Unterstützung

der Landesregierung.

B e i der U n t e r s t ü t z u n g der L a n -

desregierung i n der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben kommt es vor allen Dingen darauf an, gegenüber dem Parlament die Staatsleitungsfunktion zum Tragen zu bringen, die Initiativen nicht aus der Hand zu geben und auf die Einheitlichkeit der Meinungsäußerung bedacht zu sein. Das läßt sich relativ leicht bei den Tagesordnungen der öffentlichen Plenarsitzungen erreichen, wenn die Punkte regelmäßig vom Ministerrat behandelt, Tendenzen festgelegt und die Rollen verteilt werden. Schwieriger ist es schon bei der Vielzahl der Kleinen Anfragen, von denen man beispielsweise bei uns i n dieser Legislaturperiode bereits 529 zählt, weil sie zwar von der Staatskanzlei als Briefkasten der Landesregierung empfangen, aber an die Ressorts weitergeleitet und von diesen unmittelbar und in eigener Zuständigkeit — innerhalb der Richtlinien verantwortet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig — beantwortet werden. Verkennt die Staatskanzlei die politische Bedeutung, erfaßt sie nicht die zuständigen und mitbeteiligten Ressorts, übersieht sie aktuelle Zusammenhänge, versäumt sie Hinweise auf Parallelvorgänge und sorgt sie nicht für die fristgerechte Beantwortung, dann ist sie ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden. A n der Zuverlässigkeit des Apparates der Landesregierung sollte kein Zweifel aufkommen dürfen. Das hat nichts mit „Rechthaben" oder „Rechtbehalten" zu tun. Sehr schwierig ist zuweilen die Verfechtung der Regierungslinie i n den nichtöffentlichen Beratungen der Parlamentsausschüsse, insbesondere wenn die Ressortchefs oder ihre Vertreter nicht anwesend sind, so daß

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die Regierungsvorlagen von den Beamten vertreten werden. Ich habe keinen Zweifel daran, daß unsere Mitarbeiter ihr Bestes tun. Sie sind aber oft genug — sei es mangels Kenntnis der Zusammenhänge, sei es i m status minor gegenüber inquisitorischen Fragen — überfordert. Wie heikel dieses Thema ist, zeigt allein die Problematik um die aus dem Stande heraus geleistete „Formulierungshilfe", die es allein ermöglicht, von der Regierungsvorlage abweichende Auffassungen systemgerecht und rechtssicher i n das System einzubauen. Ich habe es so gehalten, daß die zuständigen Referenten der Staatskanzlei — wenn auch unter großem Zeitaufwand — an allen Sitzungen aller Parlamentsausschüsse teilnehmen mit dem Auftrage, ihre Kollegen aus den anderen Ressorts zu unterstützen, vielleicht selber zu intervenieren oder i n Eilfällen das Telefon zu benutzen, um großkalibrige Schützenhilfe anzufordern, i n jedem Falle aber sofort zu berichten. Hier muß man auf den Takt und die Erfahrung seiner Mitarbeiter vertrauen können. Wenn der Regierungschef oder die Regierungsmitglieder sich nicht mehr einschalten können, dann müssen sie wenigstens schnell und vollständig unterrichtet sein. Ein ganz besonders schwieriges Kapitel stellt die Harmonisierung und die Geltendmachung des einheitlichen Regierungswillens i m Bundesrat dar. Auch hier geht es am wenigsten um die Abstimmung i n den Plenarsitzungen, da bekanntlich nach Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG die Stimmen eines Landes nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder abgegeben werden können und die rechtzeitig anberaumten Kabinettssitzungen diese Willensbildung und Willensbekundung sicherstellen. Die Schwierigkeit liegt wiederum i n der Arbeit der Ausschüsse, die mit ihren Empfehlungen die Plenarsitzungen vorbereiten und zuweilen auch präjudizieren. Ich brauche Ihnen nicht darzustellen, wie die Praxis aussieht. Gewöhnlich tagen die Bundesratsausschüsse eine Woche vor dem Plenum. Bis heute ist es uns aus zeitlichen und aus technischen Gründen nicht gelungen, die Ausschußmitglieder i n aller Regel mit einer verbindlichen Weisung der Landesregierung zu versehen. Große Gesetzesvorhaben werfen zwar ihre Schatten voraus, aber i m Detail einer manchmal 60 Punkte umfassenden Tagesordnung pflegt der Teufel zu stecken. Mangels ausdrücklicher Weisung verhalten sich die Ausschußmitglieder, die meist Beamte mittlerer Ränge sind — daß es nur Oberregierungsräte seien, ist eine längst widerlegte Bosheit —, auf Verdacht oder sie salvieren sich mit einer manchmal recht unnützen und das Ergebnis entstellenden Stimmenthaltung. Denn nach § 15 Abs. 4 der GO BRat hat jedes Ausschußmitglied eine Stimme — völlig unabhängig davon, ob das von ihm vertretene Land i m Plenum 5, 4 oder 3 Stimmen i n die Waagschale werfen kann. So kommen dann Ausschuß-Empfehlungen zustande, die völlig inkongruent zu den Mehrheitsverhältnissen i m Plenum sind. Wie soll man diese Schwierigkeit aus der Welt schaffen? Das gelingt nur

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durch Konzentration und rechtzeitige Kontakte und m i t einigem Glück; denn der um Rat befragte Chef der Staatskanzlei w i r d — mangels Kabinettsentscheidung — seinen Rücken für die vorläufige Meinungsbildung hinhalten müssen. Abhilfe kann auf die Dauer nur durch eine angemessene Verlängerung der dem Bundesrat i n den A r t i k e l n 76 und 77 GG eingeräumten Fristen geschaffen werden. Ein weiteres damit sachlich verknüpftes Problem hätte ich fast außer Acht gelassen, wenn es nicht i m Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsarbeit auf der Berliner Ministerpräsidentenkonferenz i m Oktober 1966 virulent geworden wäre. Das ist die Tätigkeit der Fachministerkonferenzen; der ständigen Konferenz der Kultusminister, der Innenminister und so weiter — Sie verstehen schon, um was es geht. Diese ständigen Konferenzen erarbeiten nicht nur — i n höchst dankenswerter Weise — Musterentwürfe von Presse- und Wassergesetzen, sondern bereiten auch Entscheidungen politischer A r t von großer Tragweite vor. Das Hamburger Schulabkommen, das Abkommen über die Finanzierung neuer wissenschaftlicher Hochschulen, aber auch die Stellungnahme zu der gerade jetzt aktuellen Frage des Bundesanteils an der Einkommenund Körperschaftssteuer sind beredte Beispiele. Man verzeihe m i r meine Offenheit. Die Ministerpräsidenten besorgen alle miteinander, daß die A k t i v i t ä t und insbesondere die sehr intensive Publizität dieser Fachministerkonferenzen die gesamtpolitische Entscheidung vorwegnehmen oder maßgebend beeinflussen könnten. Vielleicht war es sogar i n diesem oder jenem Falle wirklich zutreffend. Was kann ein armer, vielbeschäftigter Chef der Staatskanzlei noch dafür tun, daß er rechtzeitig die Tendenzen der Fachministerkonferenzen ein- und auffängt? Er soll zumindest nicht unbeteiligt zuschauen, wenn i n diesen Konferenzen der Landesregierung die Entwicklung aus dem Ruder läuft. Ich kann berichten, daß die Loyalität meiner Kollegen und zuweilen auch deren Orientierungsbedürfnis durchweg mich und damit die politische Instanz rechtzeitig ins B i l d gesetzt haben. A n m i r lag es wiederum, Wichtiges und Unwichtiges zu unterscheiden und rechtzeitig den Kabinettsentscheidungsweg zu beschreiten, der durchweg bei allen Absprachen mit finanziellen Auswirkungen unvermeidbar ist. So viel ich weiß, ist dieses Spezialproblem des kooperativen Föderalismus nirgendwo in die Form geschäftsordnungsmäßiger Regelungen gepreßt. Ich plädiere für pragmatische Lösungen; der Perfektionismus w i r d sie ohneh i n nicht bewältigen. II Der Kernbestand der Aufgaben. Nach dieser Beschreibung des Funktionsbereiches der Staatskanzlei müßte sich eigentlich die Frage nach dem personellen Umfang und der zweckmäßigen Gliederung i m Hinblick

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auf die viel geforderte Effizienz stellen. Dabei möchte ich zwischen den Stadtstaaten — wegen derer eigenartigen Verzahnung zwischen Kommunal· und Staatsaufgaben — und den sogenannten Flächenstaaten i n der Bundesrepublik unterscheiden. Ich habe die Haushalts- und Stellenpläne der Staatskanzleien nicht analysiert. Gleichwohl gehe ich von dem Grundsatz aus, daß — völlig unabhängig von der Größenordnung der Bevölkerung und der Fläche des Landes — sich für alle Länder ein nicht ohne Schaden zu unterschreitendes M i n i m u m an Aufgaben innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches und i n der Teilhabe an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes ergibt. Bei aller Differenziertheit der historischen, geographischen und sozio-ökonomischen Daten, aus denen heraus der Föderalismus seine eigentliche Rechtfertigung erfährt, ist i m Hinblick auf die angestrebte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse der Kernbestand an Staatsaufgaben innerhalb aller Länder derselbe und ihr Interesse an der Gestaltung der bundespolitischen Entscheidungen das gleiche. Infolgedessen werden i n der bayerischen Staatskanzlei die Bundesratsangelegenheiten mit der gleichen Mühe und dem gleichen Zeitaufwand bearbeitet werden müssen wie in der Staatskanzlei unseres saarländischen Nachbarn. Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, daß der zentrale Apparat i n der Hand des Regierungschefs der Größe der gestellten Aufgabe entsprechen muß. Auf nichts anderes kommt es hier an. Zusätzliche Aufgaben. Da von Haushalts- und Stellenplänen der Staatskanzleien die Rede war, schließt sich konsequenterweise ein weiteres Problem an, das i n die Fragestellung einmündet, ob sich das Hilfsorgan des Regierungschefs auf seine Stabsrolle beschränken oder zusätzliche Aufgaben übernehmen, sozusagen zu einem Ressort mit Eigengewicht auswachsen solle 2 . Meine eigene Behörde, die Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz, liefert dafür wohl gegeignetes Anschauungsmaterial, da i m Einzelplan des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei sowohl 2

Ressortaufgaben der Staatskanzleien der Länder: 1. Rheinland-Pfalz: Landesplanung, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verfassungsgericht, Finanzgericht, Archivverwaltung, Statistisches Landesamt und die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. 2. Baden-Württemberg: Staatsgerichtshof, Kommission für Wirtschaftlichkeit i n der Verwaltung, Archivverwaltung. 3. Bayern: Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. 4. Hessen: Statistisches Landesamt. 5. Niedersachsen: Verwaltungsgerichtsbarkeit, Staatsarchive, Landeszentrale f ü r politische Bildung, Staatsgerichtshof. 6. Nordrhein-Westfalen : Grenzlandhilfe, Landesamt für Forschung, V e r w a l tungsgerichtsbarkeit. 7. Saarland: Landeszentrale für Heimatdienst, Landesarchiv. 8. Schleswig-Holstein: Landesplanung.

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die Landesplanung als inkorporierte Abteilung als auch die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit, die Landesarchivverwaltung, das Statistische Landesamt und last not least diese Hochschule für Verwaltungswissenschaften als sogenannte nachgeordnete Behörden untergebracht sind, wobei die ressortmäßige Unterstellung des letztgenannten Instituts — wie der heutige A u f t r i t t zeigt — immer wieder dafür sorgt, daß die Bande zwischen Wissenschaft und Praxis aufrecht erhalten bleiben. Aber damit ist über das Problem noch nichts Endgültiges ausgesagt. Bereits durch Landesgesetz vom 14. A p r i l 1950 (GVB1. S. 103) wurde die Dienstaufsicht über das Oberverwaltungsgericht dem Ministerpräsidenten übertragen, also zu einem Zeitpunkt, als sich die Gemüter noch nicht an der Konstruktion eines Rechtspflegeministeriums erhitzten und der Gesetzgeber ausschließlich bemüht war, die m i t Hilfe der Generalklausel zu neuem Leben erweckte Verwaltungsgerichtsbarkeit möglichst neutral — also nicht als Hausgerichtsbarkeit — zu etablieren. Das scheint mir — wenn ich die Statistik der anhängig gewesenen Verwaltungsprozesse ins Auge fasse — nicht die schlechteste Lösung zu sein. I m H i n und Her um dieses sogenannte Rechtspflege-Ministerium und zur eigenen Überraschung bescherte uns dann der Gesetzgeber i m Zusammenhang mit dem Ausführungsgesetz zur Finanzgerichtsordnung auch die Finanzgerichtsbarkeit, so daß ich deren Präsident als mein neuestes und hoffentlich letztes Haushaltskapitel begrüßen konnte. Daß m i r das Statistische Landesamt untersteht, hat wohl i n räumlichen und personellen Gegebenheiten der Gründungszeit des Landes seine Ursache. Die Staatsarchive preußischer und bayerischer Provenienz konnten sich wohl darauf berufen, daß der jeweilige Generaldirektor schon immer dem Gesamtministerium unterstanden habe. Und die Hochschule für Verwaltungswissenschaften ist m i r sehr ans Herz gewachsen, was jedoch zur Begründung der Ressortzugehörigkeit allein nicht ausreichen würde, so daß i d i vorsorglich auf ihren überregionalen Charakter und die unter den Fittichen der politischen Gesamtleitung überstandenen Fährnisse der Entwicklungsjahre hinweisen muß. Der Vollständigkeit halber muß ich noch darauf hinweisen, daß die Staatskanzlei i n Rheinland-Pfalz auch für alle Fragen der militärischen Infrastruktur einschließlich der Landbeschaffung für militärische Zwecke der Streitkräfte zuständig ist. Wegen des Sachzusammenhangs mag sich diese Aufgabe gut zur Raumordnung und Landesplanung fügen; sie hat jedoch — historisch gesehen — ihren Ursprung i n der Tatsache, daß der deutsche Verteidigungsbeitrag gerade unserem Lande bei seiner zentralen Lage besondere Leistungen i n bezug auf den Raum und seine Kräfte abverlangt. Die politische Führung sah sich auch angesichts der psychologischen Auswirkungen vor außerordentlich schwere Entschei-

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düngen gestellt, so daß sie sich entschloß, diese diffizile Aufgabe unmittelbar i m Griff zu behalten. Plädoyer für den Stab. Wenn Sie mich nun auf Herz und Nieren prüfen und mein persönliches Urteil zu der Frage „Staatskanzlei — Stab oder Ressort?" wissen wollen, so bekenne ich mich eindeutig zu dem Stabssystem. M i t einer gewissen Einschränkung, die ich noch darlegen werde. Gewiß hat mir die Ausübung der Aufsichtsbefugnis über das Statistische Landesamt nicht geringe Kenntnisse der Grundlagen dieser Wissenschaft und ihrer Praxis, des Zusammenspiels zwischen statistischem Dienst und den Bedarfsträgern und der finanziellen Auswirkungen verschafft, so daß ich m i r beispielsweise ein eigenes Urteil über die ζ. Z. aktuelle Erhebung der Agrarstruktur i m EWG-Rahmen zutraue. Ähnliches wäre über Pro-Kopf-Belastung der Verwaltungs- und Finanzrichter zu bemerken — ganz zu schweigen von dem liebenswerten Umgang mit dem Rektor dieser Hochschule, der m i r bedeutsame Einblicke nicht nur i n die Berufungspraxis, sondern auch in die Gesamtstruktur des Hochschulwesens verschafft hat. Trotzdem sehe ich meine eigentliche Aufgabe nicht i n der Verwaltung der mir anvertrauten 594 Stellen von Beamten, Richtern, Angestellten und Arbeitern, sondern i n dem Auftrag, dem Regierungschef immer ein aktionsfähiges Team zur Staatslenkung parat zu halten. I n diese Aufgabe beziehe ich aber — und ich sage es mit Nachdruck — die Landesplanung als Staatsaufgabe mit ein. Richtlinienkompetenz

und Landesplanung.

A l s es u m das Z u s t a n d e -

kommen des Bundesraumordnungsgesetzes vom 8. A p r i l 19653 ging, wurde gegen die i n § 2 des Gesetzentwurfs enthaltenen materiellen Raumordnungsgrundsätze, die ein verbindliches Leitbild für die Entwicklung festlegen sollen, eingewendet, daß sie i n Wahrheit allgemeine Richtlinien der Politik darstellen, die nach den Grundsätzen des gewaltenteilenden Rechtsstaates von den parlamentarisch verantwortlichen Regierungen zu formulieren und zu vertreten seien4. Entgegen der Auffassung des Bundesrates vertrat jedoch die Bundesregierung die Meinung, daß ihr Entwurf keine Richtlinien der Politik, sondern Richtlinien für den Landesgesetzgeber enthalte und diese zum Kernbestand der Rahmenkompetenz gehörten 5 . Diese Auffassung hat sich durchgesetzt. 3

BGBl. I S. 306. Bundesrats-Drucksache IV/1204, Anlage 2. 5 Vgl. meine Ausführungen: „Ziele der Raumordnung u n d Landesplanung: Eine Übersicht über die Planungsaufgaben", i n : Verfassungs- u n d V e r w a l tungsprobleme der Raumordnung u n d Landesplanung. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 27. B e r l i n : Duncker & Humblot, 1965, S. 13, letzter Absatz. 4

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Die Kontroverse macht jedoch deutlich, wie eng die nun ausgeschöpfte Rahmenkompetenz und die Ausfüllungsmöglichkeit der Länder i n legislatorischer und administrativer Hinsicht miteinander verzahnt sind. Daru m sollte auch de lege lata der Regierungschef die Zuständigkeit für Raumordnung und Landesplanung i n seiner Hand behalten, um das Landesentwicklungsprogramm mit seinen Akzenten zu versehen und die überregionale und überfachliche Koordination ungestört auszuüben. Es geht hier nicht um Machtpositionen, sondern um zweckmäßige Konstruktionen. Da die Infrastruktur von heute das Wirtschaftswachstum der Zukunft bestimmt, sollte die Richtlinien- und Koordinationsfunktion nicht zersplittert werden. Es erscheint jedenfalls nicht sinnvoll, daß sich neben der politischen Richtlinienkompetenz des Regierungschefs um das die übergreifende Raumordnungskompetenz ausübende Ressort ein weiterer Kristallisationspunkt der Landespolitik bildet. Offensichtlich hat aber die Entwicklung i n den Ländern der Bundesrepublik einen anderen Weg eingeschlagen. Während vor gut zehn Jahren die Aufgabe der obersten Landesplanungsbehörde noch überwiegend i n der Hand des Regierungschefs lag, ist sie — zuweilen i n erkennbarem Zusammenhang mit Regierungsneubildungen — i n das klassische Ministerium des Innern, teilweise aber auch i n Spezialressorts für Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten abgewandert. Nur i n Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz ist diese Kompetenz kraft Gesetzes dem Ministerpräsidenten verblieben. Ich halte das für die zweckmäßigste und sachgerechteste Lösung.

ΠΙ Ausgehend von der Stabsfunktion, die der Staatskanzlei innerhalb der Staatsorganisation zukommt, sind variantenreiche Formen ihrer inneren Gliederung denkbar, die sich jeweils i n den Organisations- und Geschäftsverteilungsplänen darstellen. Auf jeden Fall müssen sich derartige Schemata an der verfassungsmäßigen Aufgabe des Regierungschefs orientieren und sollen ihm ein Maximum an Operationsfreiheit gewährleisten. Der organisatorische Schwerpunkt. I m Mittelpunkt der Organisation und Geschäftsverteilung w i r d die Gesetzgebungs- und Rechtsabteilung stehen müssen, da sich die Richtlinienkompetenz bei der strengen Rechtsstaatlichkeit unseres Staats-Grundgesetzes häufig i n der Normsetzung oder i n der Normanwendung auswirkt. Fehlerfreie Handhabung versteht sich als ein nobile officium von selber, weil sie erst den notwendigen Fundus an Vertrauen i n Fähigkeit und Redlichkeit des Regimentes schafft.

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I n dieser Abteilung werden die staatsleitenden Direktiven und die I m pulse politischer A k t i v i t ä t mit der notwendigen Rechts- und durchweg auch Sachkenntnis und mit dem gebotenen Einfühlungsvermögen, das mit parteipolitischer Gesinnung nichts zu tun hat, auf die Transmissionsbänder der Gesetzgebung und Verwaltung gebracht, die über die Z w i schenstationen der Kabinettsberatung und Entscheidung i m Parlament oder — soweit es sich um nicht gesetzesakzessorische Maßnahmen handelt — über die Stufen der Zentral- und Mittelinstanz an der Außenfront der Landesverwaltung enden. I n der Staatskanzlei von RheinlandPfalz ist daher das gesamte Gesetzgebungsverfahren von der Kabinettsberatung bis zur Verkündung und das gesamte von der Staatsleitung angestoßene oder dirigierte Verwaltungsgeschehen i n der Gesetzgebungs- und Rechtsabteilung konzentriert, einschließlich der i m Rahmen dieser Tätigkeit anfallenden Agenda und des auch bei größter Sorgfalt nicht zu vermeidenden Justitiariatsgeschäfts. Das Prinzip der Durchgängigkeit. Dieser Betrieb der Transmission vollzieht sich innerhalb der Gesetzgebungs- und Rechtsabteilung auf permanent gesicherte Weise dadurch, daß jeder Referent für eine Anzahl überschaubarer und sachverwandter Ressorts zuständig ist, Kontakte mit seinen Couleur-Ministerien hält und Informationen gibt und erhält. Das „Kurzschließen" von Leitungen auf dieser Ebene erscheint mir unbedenklich, sogar notwendig. Unsere Geschäftsordnung hält es also m i t dem Grundsatz der Durchgängigkeit, d. h. Landes- und Bundesangelegenheiten gleicher Ressortprovenienz bleiben i n der Sachbearbeitung ein und desselben Referenten. Oder konkret ausgedrückt: Der Referent für die allgemeine und innere Verwaltung des Landes ist auch für Bundesund Bundesratsangelegenheiten auf diesem Sektor zuständig. Ich nenne das „das Prinzip der Durchgängigkeit" i m Gegensatz zu der Neigung, die Staatskanzlei oder die Gesetzgebungsabteilung selber auf zwei Säulen zu stellen, die ich glaube i n einigen Ländern wahrgenommen zu haben. Dort scheint man eine organisatorische Trennung der Wahrnehmung von landes- und bundespolitischen Aufgaben für zweckmäßig zu halten. Ich bin anderer Meinung: Je mehr die Koordination nach oben verlagert wird, umso schwieriger w i r d sie, weil sie einen noch mehr beschäftigten Mann trifft, der keine Zeit fürs Detail und erst recht nicht zur eigenhändigen Kooperation und Kompilation des angelieferten Materials hat. Darum plädiere ich für die Durchgängigkeit der Sachbehandlung gleicher Materien. Keine Planungs- und Beratungsstäbe. Es scheint langsam Mode zu werden, außerhalb der bestehenden Organisation und Geschäftsverteilung offen oder getarnt sogenannte Beratungs- und Planungsstäbe einzurichten, die entweder dem Leiter der Staatskanzlei oder gar dem Re6 Speyer 34

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gierungschef selber unterstellt und teilweise mit Daueraufgaben, teilweise mit Aufträgen sachlicher und zeitlicher Beschränkung versehen sind. Irgendwo werden sie an das bestehende System der Amtshierarchie aufgehängt und über diese Amtsträger der politischen Kontrolle unterworfen sein. Wenn ich einen Blick i n das mir zur Verfügung stehende Handbuch des Jahres 1962/1963 der U. S. Government Organization werfe 6 , dann zweifle ich, ob die deutsche Verwaltung diese Konstruktion unmittelbar aus der amerikanischen Administration oder über das wirtschaftliche Management bezogen haben könnte. Ich habe eine sehr dezidierte Meinung über derartige Einrichtungen und stehe kraft eigener Erfahrung auf dem Standpunkt, daß der Stabschef mit seiner ganzen Mannschaft fahren muß, daß es auf ihn ankommt, eine komplette Garnitur von Beamten zur Hand zu haben, die der Vielseitigkeit der Aufgabenstellung des Staatschefs gerecht wird. Es kann keinen Unterschied machen, ob es um Protokolle, Resumées, Exposés, Redeentwürfe oder Recherchen geht. Jeder Beamte muß i n seinem Wirkungsbereich der vielfältigen Form der Sachdarstellung gerecht werden. Er ist schließlich auf Grund seiner besonderen Eignung in die Zentrale berufen worden und muß Sinn und Gespür für die Rolle haben, die es bei aller Sachkenntnis i m konkreten Augenblick zu spielen gilt. Wenn das Zusammenspiel nicht klappt, dann deutet der Mißerfolg auf personelle oder organisatorische Mängel, die beseitigt werden müssen; sonst verfehlt die Staatskanzlei ihren Zweck. Der persönliche Referent. A n die Figur des persönlichen Referenten kann ich ganz unbefangen herangehen, da ich selber jahrelang diese Funktion ausgeübt habe. Persönliche Referenten sind nützliche und unentbehrliche Requisiten i n der Ausstattung des Regierungschefs, weil sie sich um das kümmern müssen, was nicht i n die Akten eingeht und dennoch in bezug auf Repräsentation und Reputation getan werden muß. I n dem Schaubild der Organisation pflegen sie — rechts oder links außen — i n einem besonderen Kasten zu erscheinen. Ich habe ein derartiges „Kastenprivileg" nie für mich i n Anspruch genommen, sondern mich ordnungsgemäß i n die Organisation des Hauses gefügt, so daß ich für die Bearbeitung der an den Ministerpräsidenten persönlich gerichteten Eingaben und für seine persönlichen Aufgaben zuständig blieb und dies — ohne allerdings ein Musterknabe gewesen zu sein, dafür ist die Verlockung jugendlicher Eitelkeit zu groß — i m Rahmen der Organisation abgewickelt. Besondere Adjutantenwege oder Abwege sollte es nicht geben. Der persönliche Referent w i r d seinem Ministerpräsidenten und seiner eigeβ

Office of the Federal Register, National Archives and Records Service, General Services Administration, Washington 25, D. C.

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nen Funktion den größten Gefallen erweisen, wenn er dafür sorgt, daß alles außerhalb der normalen Fächer anfallende Material schnellstens auf das Fließband des normalen Geschäftsverkehrs gerät. Ob er das bei dem geschäftsleitenden Beamten oder bei dem Chef der Staatskanzlei besorgt, hängt von der Wichtigkeit, Dringlichkeit und Schwierigkeit des einzelnen Falles ab. Dies zu beurteilen, macht seine eigentliche Qualität — die Wendigkeit — aus. IV Entlastung der Sitzungen. Erst dieser Tage sind wieder Vorschläge für die Entlastung der Kabinettsarbeit und für die Verringerung von Zahl und Dauer der Ministerratssitzungen gemacht worden mit dem Hinweis, daß Regierungschef und Regierungsmitglieder den Kopf für die eigentlichen Leitungsaufgaben frei haben müßten. Abgesehen von der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Verwaltungs-, Wirtschaftsund sonstigen Unterkabinetten oder Kabinettsausschüssen, die erst noch untersucht werden müßte, geht es wohl nicht an, ganze Sachgebiete aus der Regierungsarbeit herauszunehmen und zu delegieren. Schließlich ist die Teilhabe an den Regierungsgeschäften und der ständige Meinungsaustausch ein wesentliches Element für die Bindung und Festigung einer Regierungsmannschaft, wenn ihr von der Verwaltung gut i n die Hand gearbeitet wird. Daß Routinevorlagen und sogenannte Selbstgänger nicht auf den Kabinettstisch geraten, dafür läßt sich relativ leicht und ohne organisatorische Experimente mit Hilfe der geschäftsordnungsmäßig zulässigen schriftlichen oder stillschweigenden Zustimmungsverfahren sorgen, wenn der Chef der Staatskanzlei Blick und Erfahrung dafür besitzt. Die Witterung der Situation. I n meiner nahezu zehnjährigen Tätigkeit als Chef der Staatskanzlei habe ich die Erfahrung gemacht, daß die eigentliche Aufgabe erst dann beginnt, wenn es nicht u m Gesetzesvollzug, um Rechtsfragen und um die Anwendung von Richtlinien geht, sondern wenn sich das weite Feld nicht konkretisierter und formulierter Richtlinien auftut oder es sich gar um Kompetenzkonflikte handelt, die gewöhnlich auf Referentenebene zu flackern beginnen, bis es dann oben brennt, wenn nicht rechtzeitig gelöscht wird. Das w i r d sich schon erzielen lassen, wenn der Regierungschef erreichbar ist; oft genug ist er — auch i n seiner Eigenschaft als Parteimann — zwischen Bonn und anderswo unterwegs. Ob sich sein verfassungsmäßiger Vertreter — plötzlich an heiße Probleme herangeführt — zu Entscheidungen drängt, ist eine offene Frage. Man wollte mir einmal raten, die Nase nicht allzu weit i n die politische Zugluft zu strecken. Das war zwar gut gemeint i n bezug auf meinen 6*

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Gesundheitszustand, jedoch völlig unrealistisch i m Hinblick auf die Wahrnehmung meiner Aufgaben. Ich weiß sehr genau, daß mir eigene Politik insbesondere i n der verhaßten Form der Intrige nicht zusteht; aber ebenso habe ich erfahren, daß der Chef der Staatskanzlei nicht i m Glashaus lebt, sondern dem Winde der Staats-, Koalitions- und Parteipolitik von Amts wegen ausgesetzt ist — genau so wie der Ministerpräsident selber, dem er i n aller Loyalität dient. Der Ministerpräsident hat schließlich seinen Stabschef nicht dafür engagiert, daß er i h m ständig sagen muß, was zu tun und zu lassen sei, sondern auch dafür bestellt, daß i n seiner Abwesenheit so gehandelt wird, wie er es persönlich getan haben würde, wenn er anwesend gewesen wäre. Wie es der Stabschef besorgt, ist eine andere Sache. C'est le ton qui fait la musique! I n aller Kürze ein paar Regeln, die ich selber zu beherzigen bemüht bin. Kontakt mit den Kabinettsmitgliedern. I n allen politischen Fragen — gleichgültig, ob es um Information, Konsultation oder Adhortation geht — ist der unmittelbare Kontakt m i t den Kabinettsmitgliedern die sauberste und ersprießlichste Form der Zusammenarbeit. Umwege über persönliche Referenten und den Kollegen Staatssekretär führen selten zum Ziel, oft zu Mißverständnissen und zuweilen zur Verstimmung. Die Technik der Kunstgriffe und -kniffe über den zweiten und dritten Dienstweg sind ebenso bekannt wie suspekt. Ein Chef der Staatskanzlei sollte nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß er sich ausschließlich als loyaler Erfüllungsgehilfe seines Ministerpräsidenten und neutraler Generalsekretär der Gesamtregierung fühlt. Extratouren auf diesem Terrain der eigentlichen Politik haben noch nie etwas eingebracht. Je besser die Objektivität nach allen Seiten gesichert ist, umso mehr w i r d es dem Staatssekretär der Staatskanzlei gelingen, Komplikationen vorauszusehen, Friktionen i n Sach- und Personalfragen zu erkennen und den Regierungschef selber zur rechtzeitigen Abhilfe i n die Lage zu versetzen. Geht das einmal schief, dann bleibt nichts anderes übrig, als das Risiko der Desavouierung i n Kauf zu nehmen — und zwar ohne Leichenbittermiene. Das Telefon nicht scheuen. Der ganze Betrieb des steten Austausches von Geschäften und Meinungen läßt sich natürlich nicht i n ständigen Konferenzen und Besprechungen, noch weniger i m Schriftverkehr, sondern am ehesten über das Telefon besorgen. Telefongespräche befinden sich in einer eigenartigen Mittellage zwischen der Unterredung von Angesicht zu Angesicht und der geschriebenen Korrespondenz. Das Timbre der Telefongespräche — insbesondere zwischen Amtspersonen — hat einen eigenartigen Reiz und bietet die Möglichkeit zu temperiertem Gebrauch von Wort und Ton. Eine zögernd geäußerte Bitte braucht keine Verlegenheit und ein u n w i l l i g geschlossener Kompromiß keinen Ärger

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zu verursachen oder zumindest zu manifestieren. Überdies spart das Telefon Zeit, verkürzt den Geschäftsgang und macht so manches ungeschehen nach dem bekannten Grundsatz: Quod non est i n actis, non est i n mundo. Und damit ich es nicht vergesse: Es gibt schon Telefongespräche, die man aktenkundig machen muß. Kontakt mit den Kollegen. I n allen Verwaltungsangelegenheiten möchte ich mit meinen Kollegen auf gutem Fuße stehen. Der eine steht persönlich, der andere vom Ressort her näher; das ist nicht zu leugnen. Ich halte es mit der Maxime, daß alles, was politisch „astrein" ist, mit den Kollegen aus den Ministerien abgewickelt werden soll, damit der eigentlich politische Level von unnötiger Belastung frei bleibt. Die „Gewerkschaft der Staatssekretäre" mag unwidersprochenen Pressemeldungen zufolge irgendwo existieren; ich halte nichts davon. A u f unserer Etage haben w i r die Politik der Regierung — i n den Schranken von Gesetz und Recht, versteht sich — zu respektieren und speziell dafür zu sorgen, daß Verantwortung und Sachverstand i n engem Kontakt und i n einem guten Verhältnis bleiben. Dafür haben w i r uns das Nessushemd des „politischen Beamten" angezogen. Eine ständige Konferenz der Staatssekretäre existiert bei uns nicht. Die notwendige Koordinierung der Bundesratsarbeit — insbesondere die Vorbereitung der Kabinettsvoten — geschieht unter Federführung des Leiters der Gesetzgebungsabteilung der Staatskanzlei auf Referentenebene. Sie filtern die manchmal sechzig Punkte einer Bundesratssitzung auf sechs Beratungsgegenstände zurück. Meinungsverschiedenheiten werden zuvor zwischen den Staatssekretären i m persönlichen Kontakt beseitigt oder präzipiert dem Ministerrat zur Entscheidung unterbreitet. Respektierung der Ressorthierarchie. Das bekannte System der Überund Unterordnung gilt natürlich nur innerhalb des jeweiligen Geschäftsbereichs. M i t Hilfe der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten kann man nicht unmittelbar i n die Abteilungsleiter- oder Referentenebene anderer Ministerien hineinregieren, es sei denn, daß erkennbar Not am Manne ist. Selbst wenn ich — um ein Beispiel zu nennen — Augen- und Ohrenzeuge davon bin, daß ein Abteilungsleiter eines anderen Ministeriums verbindliche Kabinettsbeschlüsse falsch interpretiert, kann ich den Beamten nicht unmittelbar angehen, sondern muß mich an seinen Dienstvorgesetzten halten, der ihm auch i n aller Regel das Erforderliche bemerkt, wie das so i m Amtsdeutsch heißt. Umgekehrt würde auch ich mich energisch wehren, wenn — als zufälliges Beispiel herausgegriffen — die oberste Naturschutzbehörde meinem Referenten für die militärische Infrastruktur hinsichtlich der A b haltung von Manövern ins Papier hineindiktieren wollte. Wer Ordnung

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w i l l , muß die Ordnung der anderen respektieren; und darum sollte kein Dienstvorgesetzter dem Kollegen in seinem Geschäftsbereich „herumfummeln".

V Was die Koordination innerhalb der Staatskanzlei angeht, so gibt es erprobte Methoden des rationellen Geschäftsablaufs, die sicher innerhalb aller Bereiche der öffentlichen Verwaltung Geltung beanspruchen können. Auf diese möchte ich nicht näher eingehen, sondern lediglich einige Methoden, Techniken und Praktiken darstellen, die m i r speziell für das reibungslose Funktionieren einer Staatskanzlei typisch zu sein scheinen. Vielleicht stelle ich Ihnen dabei auch gewisse Ideale vor, die zu verwirklichen bei der bekannten menschlichen Unzulänglichkeit nicht immer gelingt, der schließlich auch ein Chef der Staatskanzlei unterworfen ist. Zudem bleibt zu berücksichtigen, daß „der Stil des Hauses" durch A r beitstempo und Arbeitsmethoden des Regierungschefs und durch den Konnex mit seinem ersten Mitarbeiter geprägt wird. Auf dem Laufenden sein. Auch ein Chef der Staatskanzlei ist weder kraft Amtes noch seiner natürlichen Ausstattung nach allwissend, allweise oder gar allgegenwärtig; und trotzdem sollte er ständig auf dem Laufenden sein. Wenn es auch unmöglich ist, die ganze Breite und Mannigfaltigkeit des Staats- und Verwaltungsgeschäftes ständig zu übersehen, so ist doch das mindeste, was i h m mit Fug und Recht abverlangt wird, das bekannte „Gewußt-wo". Wenn schon ihm nicht die Beurteilung subtiler Rechtsfragen ad hoc abverlangt werden kann, so ist die Kenntnis des Sachstandes unerläßlich. Das Hauptgeheimnis der Befähigung zur ständigen Präsenz i m Staats- und Verwaltungsgeschäft scheint mir in dem sorgfältigen und täglichen Studium des Posteingangs zu liegen. Ich verwende morgens — wenn der Arbeitstag noch nicht i m vollen Rhythmus läuft — und abends — wenn dieser Rhythmus schon abgeklungen ist — erheblich viel Zeit auf die Durchsicht der Post. Wer diese Postlektüre mit großer Regelmäßigkeit und einiger Intensität betreibt, ist von selber auf dem Laufenden. Es versteht sich von selber, daß sich das Interesse auf das Wichtigste konzentriert. M i t der Möglichkeit der ständigen Information auf Grund des Posteingangs verbindet sich jedoch zugleich die Möglichkeit, der Sachbearbeitung schon eine ganz bestimmte Richtung zu geben oder zumindest doch Hinweise für die Sachbehandlung anzubringen, insbesondere dann, wenn man sich dazu regelmäßiger Zeichen oder Kurzformeln zu bedienen pflegt. Sofern man sich i n einer Sache nicht schlüssig ist, bleibt die Möglichkeit, Vortrag oder Rücksprache anzuordnen. Nur in den seltensten

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Fällen dürfte es sich empfehlen, Schriftstücke zum nachträglichen Studium aus der Post zu nehmen; das bedeutet eine vermeidbare Verzögerung. A u f jeden Fall sollte an jedem Abend der Posteingang insgesamt vom Tisch kommen. Genau so halte ich es mit den Unterschriften. Das Gespür für das Wichtige. Bei der ständigen Zeit- und Terminnot, unter der alle Spitzenfunktionäre in Staat und Wirtschaft leiden, kommt es auf das Gespür für das Wichtige an. M i t einer natürlichen Begabung muß man herausfinden, was man selber bearbeiten oder selber entscheiden, zumindest beeinflussen oder gänzlich dem Geschäftsgang überantworten kann. Der Chef soll nicht alles selber machen. Trotzdem bin ich mir auch nicht zu schade, einzelne Vorgänge selber zu bearbeiten. Geht es um Briefe subtiler A r t an feinnervige Persönlichkeiten, deren Reaktionsvermögen man kennt, so schreibt man diese Briefe am besten selber, ohne Zeit auf Instruktion oder Korrektur eines Mitarbeiters zu verwenden. Auch lassen sich zuweilen die Ergebnisse vertraulicher Beratungen i m Ministerrat oder i n anderen Kreisen nur dann richtig und vollständig i n die Tat umsetzen, wenn man als Augen- und Ohrenzeuge ganz genau zu beurteilen vermag, welche Wirkung angestrebt wird. I n derartigen Fällen kann der Chef ruhig sein eigener Expedient sein. I m übrigen halte ich es seit den Tagen meiner militärischen Ausbildung mit der „Auftragstaktik" gegenüber allen meinen Mitarbeitern; ihnen Aufträge zu erteilen und gleichzeitig die notwendigen administrativen Mittel zur Verfügung zu stellen, ist wohl die Methode, die allenthalben Verantwortungsbewußtsein und Entscheidungsfreude fördert. Freilich darf der Mitarbeiter auch keinen Zweifel darin haben, daß der Chef sich — je nach Bedarf — hinter oder vor ihn stellt, sofern er sich nicht erkennbar in der Wahl der M i t t e l vergriffen haben sollte. I m übrigen trägt der persönliche Kontakt am besten dazu bei, daß die Mitarbeiter den Duktus und die Tongebung begreifen und selber übernehmen, wie ich es überhaupt anstrebe, tunlichst wöchentlich einmal mit jedem M i t arbeiter aus dem höheren Dienst persönlich zu sprechen. Direktiven

erhalten

und Direktiven

geben. I c h möchte n u n auch n i c h t

die Vorstellung nähren, als würden i n der Staatskanzlei Tag und Nacht Staatsgeschäfte von stets gleichbleibender Wichtigkeit betrieben. Gerade wenn der Stab des Regierungschefs auch für Analyse und Planung befähigt sein soll, so muß von seinen Mitarbeitern eine gewisse Neigung zu vielseitiger Bildung und Orientierung verlangt werden. Dafür muß Zeit und Möglichkeit zu geistiger Anregung und vertiefendem Studium bleiben. Ohne Übertreibung kann man wohl fordern, daß der Stab des Regierungschefs die Beurteilung der Lage — und die reicht von der Wissenschaft und Forschung bis zur modernen Strategie — immer präsent haben muß. Ein reger Austausch von Gedanken und Erfahrungen der M i t -

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arbeiter untereinander, das eigene Hinlenken auf neue Betätigungsfelder und die Chancen zur Förderung von Bildung und Ausbildung sollte sich der Chef stets angelegen sein lassen, wenn er vermeiden will, daß die geistige Haltung i n seinem Stab steril w i r d und die berufliche Betätigung sich i n Routine erschöpft. Den Angelpunkt des Alltagsgeschehens bilden die Direktiven, die der Chef von dem Ministerpräsidenten erhält und — sortiert und detailliert — an seine Mitarbeiter weitergibt. Der tägliche Vortrag des Staatssekretärs w i r d sich — schon wegen der häufigen Ortsabwesenheit des Ministerpräsidenten — nicht erreichen lassen. Umso mehr ist es notwendig, daß der Staatssekretär die zeitlichen Dispositionen langfristig übersieht, Aufträge rechtzeitig erteilt und Entscheidungen i m richtigen Augenblick herbeiführt. Nichts ist für den Stab abträglicher, als wenn er unter Zeitdruck arbeiten und nicht den ganzen Sachverstand und die notwendige Sorgfalt i n die Erledigung der Amtsgeschäfte investieren kann. Sie werden es wahrscheinlich selber erfahren haben: Wenn man glaubte, wegen der Eilbedürftigkeit über Mängel hinwegsehen zu können, war der Sache selber kein Dienst erwiesen. Schluderhaftigkeit nach Form und Inhalt sind dem Ansehen einer obersten Landesbehörde i n hohem Maße abträglich. Wochenpläne und Wochenbilanzen mögen ein nützliches Hilfsmittel sein. A u f jeden Fall muß jeder Alltag zielstrebig beginnen. Wer den Alltag mit seinen Geschäften auf sich zukommen läßt, ohne sie selber zu dirigieren, bleibt nicht Herr der Lage.

VI Die Öffentlichkeitsarbeit. Eines der heikelsten Kapitel stellt das Informationswesen in seiner Vielgestaltigkeit dar. Die Spannweite dieser Öffentlichkeitsarbeit reicht von der Werbung und Aufklärung über die Ziele der Landespolitik, über die aktuelle Information — wie beispielsweise Ministerratssitzungen und sonstige Kabinettsentscheidungen —, von der Richtigstellung bis zum Dementi, von den schon etwas unangenehmeren Bereichen presserechtlicher Konsequenzen ganz zu schweigen. Die Landespressestelle. Nun besteht bei der Staatskanzlei die Landespressestelle. „Sie hat" — so w i l l es die Geschäftsordnung — „die Aufgabe, die Politik der Landesregierung gegenüber Presse und Rundfunk zu vertreten und die Landesregierung über den Inhalt der inländischen und ausländischen Nachrichten zu unterrichten. Veröffentlichungen und Mitteilungen, die für die gesamte Presse sowie für den Rundfunk bestimmt sind, sind über die Landespressestelle zu leiten. Von mündlichen und schriftlichen Erklärungen des Ministers i n einzelnen Zeitungen soll die Landespressestelle unterrichtet werden. Der Minister regelt i n sei-

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nem Ressort die Verantwortlichkeit der Abgabe von Presseerklärungen" 7 . Geschäftsordnungsgemäß scheint alles bestens geregelt zu sein. Die Schwierigkeit beginnt aber schon in der Auswahl des richtigen Leiters dieser Pressestelle. M i t einer natürlichen Begabung und Ausbildung für die sogenannten „public relations" soll er die genaue Kenntnis der Staats- und Verwaltungsgeschäfte verbinden und i n der Lage sein, komplizierte Sachverhalte i n plausibler Weise darzustellen. Journalist oder Jurist, das ist hier die Frage. Soweit meine Erfahrung reicht, ist dieses Problem vielerorts virulent. Ein Patentrezept gibt es nicht; es gibt nur Persönlichkeiten, die der gestellten Aufgabe gerecht werden oder nicht. Wer den geeigneten Mann gefunden hat, kann sich wahrhaftig beglückwünschen. Ganz abgesehen davon, daß § 4 des Landespressegesetzes vom 14. Juni 19658 die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen, w i r d jede Landesregierung Wert auf ein gutes image und den richtigen „Verkauf" ihrer Angelegenheiten legen, um i m Fachjargon zu bleiben. Das ist leichter gesagt als getan. Pressekonferenzen zu veranstalten und Kommuniques herauszugeben, ist nur eine Seite der Arbeit; die sehr viel wichtigere besteht darin, die gesamte Amts- und Arbeitserfahrung — und nicht nur den Erfolg der Behörde — der Öffentlichkeitsarbeit über die Landespressestelle nutzbar zu machen und insbesondere Rede und Antwort zu stehen, wobei es zuweilen auf dem schmalen Grad zwischen Redlichkeit und Zweckmäßigkeit zu wandeln gilt. Derartige Ballanceakte bleiben mir meistens selber vorbehalten. Landespressestelle

und Pressereferenten

der Ressorts.

A u c h h a t es die

Landespressestelle schwer, den Ressortinteressen nicht nur zu dienen, sondern auch ihren speziellen Wünschen gerecht zu werden. Die Spärlichkeit der Belieferung mit Informationsmaterial aus den einzelnen Ministerien deutet nicht immer auf mangelnde Aktivität, sondern weit öfter auf die Rivalität, die zwischen dem Pressereferenten des Hauses und der Landespressestelle besteht. Macht sich dann i n Zeiten der Unergiebigkeit der Landespressechef selber auf den Weg der Informationsbeschaffung, dann stößt er oft i n argwöhnisch bewachte Gehege vor, in denen zu jagen sich der Pressereferent des Hauses zwar selber vorbehalten hat, jedoch mangels Zeit oder Geschicklichkeit ohne Erfolg geblieben ist. I m Zweifelsfalle ist dann die Landespressestelle der Sündenbock. Wenn dann noch bei gleichmäßiger Sach- und Personenbehandlung sich nicht das gleiche Ergebnis i n Zeitungen und Zeitschriften niederschlägt, dann w i r d zuweilen aus der Unkenntnis der verzweigten Infor7 8

§ 2 Abs. 4 GO LReg. GVB1. S. 107.

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mationswege dieses argwöhnisch und mißtrauisch verfolgte Ergebnis der Informationspolitik der Landespressestelle angelastet. A n dieser Stelle ist ein dickes Fell vonnöten. Kontrolle der Effizienz. Einer unserer älteren Staatsmänner hat mir einmal halb ernsthaft gesagt, daß er wenig Zeitung lese, umso mehr aber dafür sorge, daß seine Meinung darin stehe. Man kommt i n der Tat nicht daran vorbei, auch die Effizienz der eigenen Informationstätigkeit zu kontrollieren. Dann w i r d man feststellen, daß ein kürzeres oder rechtzeitig abgesetztes Kommuniqué mit größerem Erfolg abgedruckt worden wäre. Das ist nur ein Beispiel. A n Hand des Pressespiegels w i r d man die Pressearbeit kontrollieren und korrigieren können. Daß Zeitungslektüre zum Geschäft gehört, versteht sich von selbst. Aber auch hier gilt es Wichtig von Unwichtig zu scheiden. Ich beschränke die Morgenlektüre auf die allgemeine Information über das Tagesgeschehen. Eine große Zeitung und die Regionalblätter reichen dafür aus. Alles andere muß die Landespressestelle oder das Archiv i n Ausschnitten liefern, wenn man ihre Arbeit rechtzeitig auf die aktuellen Interessengebiete gelenkt hat.

VII Die Kontaktpflege. Zur eigentlichen Kontaktpflege scheint i n Ministerrats-, Landtags-, Bundesrats- und Ausschuß-Sitzungen eigentlich genügend Gelegenheit geboten. Bei aller Fähigkeit, auch auf diesem Terrain Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden, kommt die Tugend der Höflichkeit hinzu, die es zu respektieren gilt. So mancher gute Zeitgenosse überschätzt das Fassungs- und Erinnerungsvermögen eines vielgeplagten Behördenchefs, wenn er sich i m Vorübergehen nach dem Stand eines persönlichen Anliegens erkundigt. Das erfordert dann etwas Geduld. Kehrt man m i t einer Tasche voll Notizen nach Hause, dann sieht man schon daran, daß hinsichtlich der erhaltenen Aufträge eine Sitzung oder Konferenz ganz besonders ergiebig gewesen ist. Selbst wenn der Terminkalender noch so ausgefüllt ist, sollte man für Abgeordnete immer Zeit haben, weniger aus Taktik als vielmehr aus Takt, der dem gewählten Volksvertreter zusteht. Die Repräsentation. Welch physisches Leistungsvermögen die Kontaktpflege abverlangen kann, w i r d ganz besonders i m Zusammenhang mit der Repräsentation, d. h. der dienstlichen Verpflichtung deutlich. Hier kommt es zuweilen zu einer wirklichen Zerreißprobe zwischen repräsentativer Verpflichtung und dienstlicher Beanspruchung. M i r ist der Fall — er wurde vor Jahren i n der Zeitung abgehandelt, deswegen kann

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ich darüber reden — eines Kollegen bekannt, der auf den Konferenzen der Ministerpräsidenten als ein ausgezeichneter Jurist und ein geschickter Formulierer i n Erscheinung getreten war. Gerade deswegen wurde er in das A m t des Leiters einer Staatskanzlei berufen. Er hat aber nur wenige Monate diese Doppelbelastung von Arbeit und Repräsentation ausgehalten, von der ihn natürlich niemand befreien konnte. Er hat dann seine Beförderungsstelle aufgegeben und ist zur ruhigen Schreibtischarbeit zurückgekehrt. Reine Sachgerechtigkeit reicht i n dieser Charge nicht aus. Meine

gesellschaftlichen

Verpflichtungen

1965. I m v e r g a n g e n e n J a h r

— als ich noch nicht daran dachte, heute diesem Thema verpflichtet zu sein — habe ich aus reinem persönlichen Interesse alle Einladungen gesellschaftlicher Art, die mit meinem A m t zusammenhingen, sammeln, registrieren und mittlerweile auswerten lassen. M i r kam es darauf an, die Arbeitszeit und den Repräsentationsaufwand einander gegenüber zu stellen. Es ergab sich, daß ich bei einer Arbeitszeit von 252 Tagen i m Jahr insgesamt 362 Einladungen erhalten hatte. Davon entfielen auf Diensttage zwei Drittel und auf dienstfreie Tage ein Drittel. Wenn ich allen Einladungen nachgekommen wäre, dann wäre ein Zeitaufwand von 1979,25 Stunden oder 247,41 Tagen gegen 252 Arbeitstage erforderlich gewesen. Daß ich Ihnen diese Angaben machen kann, ist meinem früheren Interesse an dieser Frage zu verdanken. Die notwendigen Materialien stehen Ihnen zur Einsichtnahme zur Verfügung, wenn Ihnen der berechnete Zeitaufwand zu hoch erscheinen sollte. Unnötig zu sagen, daß ich nur einen Bruchteil dieser Verpflichtungen wahrgenommen habe, auch nur wahrnehmen konnte. Wo hätte ich angesichts der Vielzahl von Sitzungen und Besprechungen die Zeit hernehmen sollen, von der Belastung durch Büroarbeit ganz abgesehen?

VIII

Das Berufsrisiko. Sie dürften gespürt haben, daß ich mich meinem Beruf mit einer gewissen inneren Passion hingebe. Ich bin m i r auch bewußt, an einer Stelle zu stehen, die es wie kaum eine andere gestattet, das Funktionieren des Staatsapparates zu beobachten, teilzuhaben an Erfolg und Mißerfolg. Der Einsatz ist sicherlich groß. A u f die Geltung kommt es umso weniger an, je mehr man i m Laufe der Jahre mit der Arbeit verwachsen ist. A u f die Dauer rückt der Erfolg der Sache, der zu dienen man verpflichtet ist, ganz von selber vor persönliche Ambitionen. Trotzdem bleiben auch dem Stabschef i m zweiten Glied Stunden der Anfechtung nicht erspart.

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Fritz Duppré

Als i n jüngster Zeit i m Zusammenhang mit der zweckmäßigen Organisation eines großen Ressorts die starke Stellung des Staatssekretärs gerügt wurde, war ich nur über die Argumente erstaunt: M i t seiner genauen Aktenkenntnis und mit einem nahezu 16stündigen Arbeitstag verfüge er über eine ungeheure Präsenz! Meine Damen und Herren, dieser Mann hat seine Pflicht getan!

Ein anderes Beispiel: Niedersachsen Von Robert Mohrhoff Wir haben heute nachmittag tiefschürfende Ausführungen über Probleme gehört, die sich aus dem Aufgabenbereich der Staatskanzleien ergeben. Herr Professor Knöpfle hat dabei die Grundfragen entwickelt, die für die Organisation einer Staatskanzlei wesentlich sind. A n schließend haben w i r aus dem berufenen Munde von Herrn Staatssekretär Duppré Ausführungen über erprobte und bewährte Arbeitsmethoden i n den Staatskanzleien gehört. Lassen Sie mich die nun beginnende Aussprache damit einleiten, daß ich versuche, die beiden Themenkreise miteinander zu verbinden, indem ich jeweils von der systematischen Frage der Aufgabenstellung ausgehe und dann eine konkrete Lösung darlege. Wenn ich dabei auf die Organisation der Staatskanzlei i n Niedersachsen zurückgreife, so bitte ich dies nur als Beispiel aufzufassen, gewissermaßen um ein konkretes Organisationsschema, also eine Lösung unter mehreren möglichen, vorzuführen. Dabei w i r d es unerläßlich sein, den Aufgabenbereich der Staatskanzlei und ihre organisatorische Ausgestaltung i n Beziehung zum Gesamtbereich der Landesregierung zu setzen. Der Aufgabenbereich der Staatskanzlei hängt eng mit dem Aufbau der jeweiligen Landesregierung zusammen. Dem Aufbau der Landesregierungen i n der Bundesrepublik liegen durchweg Elemente des Ressortprinzips, des Kollegialprinzips und des Kanzlerprinzips zugrunde, die nur quantitativ mehr oder weniger unterschiedlich ausgebildet sind. Die Stadtstaaten darf ich dabei ausklammern. Für das praktische Funktionieren der Landesregierungen ist das Ressortprinzip von besonderer Bedeutung. I m Interesse einer ausreichenden Spezialisierung der Regierungsaufgaben ist der Regierungsbereich i n verschiedene Teilbereiche gegliedert: die Geschäftsbereiche der Ressorts. Innerhalb ihrer Geschäftsbereiche obliegt den Ministern die oberste Leitung des Landes. Sie üben sie vorbehaltlich der Zuständigkeiten des Kollegiums und des Ministerpräsidenten aus. I n diesen Grenzen sind die Ressorts selbständig und anderen Regierungsstellen nicht unterworfen. Sie bearbeiten ihre Aufgaben von der politischen Problemstellung bis zum formellen Akt. Auf legislatorischem Gebiet sind die Sammlung des Stoffes und die juristische Formgebung

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Robert Mohrhoff

bei ihnen zusammengefaßt. I n der engen organisatorischen Verbindung des Sachlich-Politischen und des Förmlichen i n den Ressorts liegt die Bedeutung des Ressortprinzips. Ich sage i n diesem Kreise nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, daß dieses Postulat nicht unbestritten ist. Eine andere Lösung, die ich allerdings nicht für sinnvoll halte, weil sie das Ressortprinzip verwässert, ist, etwa dem Justizministerium die Aufgabe einer zentralen Gesetzgebungsstelle der Landesregierung zuzuweisen. Auf diese Weise würde das Sachlich-Politische von der Formgebung getrennt werden, die Einheit von Inhalt und Form also aufgehoben werden. I n diese Rolle darf sich allerdings auch nicht die Staatskanzlei begeben. Von den eigentlichen Ressortaufgaben sind auch die Staatskanzleien nicht ausgeschlossen. Hier lassen sich allerdings Unterschiede i n den einzelnen Ländern am ehesten feststellen. Ich darf mich i n diesem Zusammenhang darauf beschränken, die wichtigsten Ressortaufgaben aufzuzählen, die i n Niedersachsen zum Geschäftsbereich der Staatskanzlei gehören: die Angelegenheiten des Staats- u n d Verfassungsrechts, einschließlich der Führung von Rechtsstreitigkeiten vor dem Bundesverfassungsgericht u n d dem Staatsgerichtshof ; die Dienstauf sieht über die Verwaltungsgerichte; die Angelegenheiten des Rundfunks; gesamtdeutsche Fragen; die zentralen Angelegenheiten der Archiv Verwaltung; die Angelegenheiten der Landeszentrale f ü r Politische B i l d u n g ; die Rechtsbereinigung.

I n der Wahrnehmung dieser Aufgaben unterscheidet sich die Staatskanzlei nicht von den Ministerien. Es erübrigt sich daher auch, hierzu weitere Ausführungen zu machen. Ich darf mich nun den beiden Zuständigkeitsbereichen zuwenden, aus denen die spezifischen Aufgaben der Staatskanzleien resultieren. Ich meine damit den Zuständigkeitsbereich des Kabinetts und den Zuständigkeitsbereich des Ministerpräsidenten. Hierbei sind Elemente des Kollegialprinzips und des Kanzlerprinzips verwendet. Diese beiden Zuständigkeitsbereiche sind i m A m t des Ministerpräsidenten dadurch verknüpft, daß der Ministerpräsident Vorsitzender und Geschäftsführer des Kabinetts ist und demnach i n besonderer Beziehung zu den Kabinettszuständigkeiten steht. I n seinem A m t sind demnach zusammengefaßt: die Mitgliedschaft und der Vorsitz im Kabinett; die Geschäftsführung des Kabinetts; die Bestimmung der Richtlinien der Politik; die Vertretung des Landes nach außen; sonstige Aufgaben des Ministerpräsidenten als Regierungschef.

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Der Apparat, der dem Ministerpräsidenten zur Erfüllung seiner A u f gaben zur Verfügung steht, ist die Staatskanzlei. Das Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten und seiner Staatskanzlei ist vergleichbar dem zwischen dem Ressortminister und seinem Ministerium. Staatskanzlei und Ministerium unterscheiden sich darin mithin nur i n ihrer Bezeichnung. M i t dieser Feststellung darf ich zugleich die Fragen beantworten, die Herr Professor Knöpf le auf warf: i n bezug auf die Leitung der Staatskanzlei — ob Beamter oder Politiker; i n bezug auf die organisatorische Grundform — ob hierarchisch aufgebaute Behörde oder kollegialer Beraterstab; und schließlich i n bezug auf die Besetzung — ob m i t Laufbahnbeamten oder verwaltungsexternen Fachleuten. Ich möchte aber meinen, daß diese Fragen einen besonderen Gegenstand der Aussprache bilden könnten. Ich darf wiederholen: Die Staatskanzlei hat — wie ein Ministerium i m Verhältnis zum Minister — die Aufgabe, den Ministerpräsidenten i n der Erfüllung seiner Verpflichtungen zu unterstützen. Der Aufgabenbereich der Staatskanzlei ist also insoweit von dem Aufgabenbereich des Ministerpräsidenten ebenso abhängig wie der Aufgabenbereich eines Ministeriums von dem des Ministers als Ressortchef. Auszugehen ist deshalb von dem Aufgabenbereich des Ministerpräsidenten. Die Tätigkeit der Staatskanzlei erstreckt sich damit praktisch auf den Kontakt mit den Ressorts i n Angelegenheiten von allgemein politischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung, i n allen Angelegenheiten, die für die Richtlinien der Politik, für die Leitung der Geschäfte des Kabinetts und für die mancherlei Beziehungen des Landes nach außen von Bedeutung sind; auf die Förderung der Willensbildung der Landesregierung, insbesondere durch Unterrichtung des Ministerpräsidenten über die Schwerpunkte der Ressorttätigkeit und durch Unterrichtung der Ressorts über Gesichtspunkte des Ministerpräsidenten, ferner verfahrenstechnisch durch Förderung der geschäftsordnungsmäßigen Zusammenarbeit aller Stellen der Landesregierung; auf die Förderung der Willensbildung i m Kabinett, wozu auch die Stellungnahmen zu den Gegenständen der Landtags- und der Bundesratsberatungen und zu den Gegenständen der Beratung i m Vermittlungsausschuß gehören. Ferner obliegt es der Staatskanzlei: die Beziehungen der Landesregierung zum Landtage zu unterhalten; die Beziehungen des Landes zum Bunde und zu den übrigen Ländern zu unterhalten; die Ausfertigung u n d Verkündung der Gesetze u n d der v o m Kabinett beschlossenen Verordnungen vorzubereiten;

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die Gnadenentscheidungen des Ministerpräsidenten vorzubereiten; die Angelegenheiten des Protokolls wahrzunehmen.

Wie sich aus alledem ergibt, berührt der Zuständigkeitsbereich der Staatskanzlei eben seiner Natur nach vielfach die Geschäftsbereiche der Ressorts. Seine konkrete Ausgestaltung ist daher von der verständnisvollen Zusammenarbeit mit den Ressorts abhängig. I n dieser Erkenntnis muß es sich die Staatskanzlei angelegen sein lassen, i n erster Linie als Berater und Helfer der Ressorts oder als Vermittler zwischen einzelnen Ressorts tätig zu werden. I m übrigen ist sie u m das technisch ordnungsmäßige Funktionieren der Willensbildung der Landesregierung bemüht. Die Intensität ihrer Einschaltung regelt sich nach den jeweiligen regierungspolitischen Erfordernissen. Sie hat, ihren Funktionen entsprechend, den umfassendsten Überblick über die Politik der Landesregierung, über die Technik des Zusammenwirkens der einzelnen Regierungsteile und über die Praxis der Regierungsführung, i n materieller und formeller Hinsicht. Der gesamte Auf gabenbestand der Staatskanzlei w i r d in Niedersachsen i n 6 Teilbereichen wahrgenommen. Eine Abteilungsgliederung besteht nicht. I n den 6 Teilbereichen werden wahrgenommen: i n einem Bereich die zentralen Archivangelegenheiten; i n einem zweiten Bereich die Angelegenheiten des Protokolls, ferner die V o r bereitung der Gnadenentscheidungen; i n einem dritten Bereich die Personalangelegenheiten für das Kabinett u n d den Ministerpräsidenten, ferner die Haushaltsangelegenheiten des Hauses; i n den 3 übrigen Bereichen die verbleibenden Aufgaben, also die Aufgaben, die sich aus der Zuständigkeit des Ministerpräsidenten ergeben, die Richtl i n i e n der P o l i t i k zu bestimmen und die Geschäftsführung und den Vorsitz i m Kabinett auszuüben, sowie die ressorteigenen Aufgaben der Staatskanzlei.

Die Staatskanzlei w i r d von einem Staatssekretär als politischem Beamten i m Sinne des Beamtenrechts geleitet. Den 6 Bereichen steht ein Ministerialdirigent vor. Bestandteil der Staatskanzlei ist ferner die Pressestelle der Landesregierung, der es obliegt, die Nachrichtenträger zu unterrichten und den Ministerpräsidenten und die Minister von den Nachrichten der Nachrichtenträger zu unterrichten. Sie untersteht dem Staatssekretär der Staatskanzlei unmittelbar. Damit bin ich fast am Ende meiner Ausführungen. Lassen Sie mich meinen Diskussionsbeitrag damit abschließen, daß ich zu der von Herrn Staatssekretär Duppré aufgeworfenen Frage Stellung nehme, nämlich, ob man bei der Organisation der Staatskanzlei die Wahrnehmung der Landes- und Bundesaufgaben i n verschiedene Hände legen soll oder nicht. Ich bin ebenfalls der Ansicht, daß entsprechend der Aufteilung der Sachbereiche der Landesregierung auf die einzelnen Ressorts auch

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die Aufgaben in der Staatskanzlei den einzelnen Referenten zuzuordnen sind, also für den Geschäftsbereich beispielsweise des Landwirtschaftsministeriums ist ein Referent zuständig, gleichgültig ob es sich um Bundes· oder Landesaufgaben handelt, und gleichgültig, ob es sich um die politischen Fragen des Inhalts einer Regelung oder um die dabei auftretenden Rechtsfragen handelt. Für diese Lösung sprechen zwei Gründe: Einmal w i r d der einheitliche Lebensbereich nicht auseinandergerissen, zum anderen können die persönlichen Kontakte zu dem betreffenden Ressort, ohne die ein fruchtbares Wirken der Staatskanzlei nicht denkbar ist, bei einer solchen Zuordnung besser genutzt werden.

Funktionale Bedürfnisse und institutionsgerechte Mittel Von Gerhard Kunze Die Staatskanzleien sind, wie es Herr Duppré zutreffend formuliert hat, i m wesentlichen ein Führungsinstrument der Staatsleitung. Die den Staatskanzleien obliegenden Hauptaufgaben lassen sich stichwortartig wie folgt umreißen: Information, Beratung, Koordination, Planung und Kontrolle. Die Maxime ihres Handelns ist die Wahrung der Einheit der Regierungspolitik. Die Blickrichtung ist das Ganze und nicht das Einzelne. Gegenüber den Ressortinteressen haben sie das Gesamtinteresse zum Tragen zu bringen. Der stets vorhandenen Gefahr des Auseinanderfallens und Zerfließens der Regierungstätigkeit haben sie mit Nachdruck entgegenzuwirken. Die Durchführung dieser Aufgaben w i r d von mancherlei Faktoren beeinflußt. Die wichtigsten dieser Gestaltungsfaktoren sind: der Führungsfaktor, der Organisationsfaktor und der politische Faktor. Da es die Hauptaufgabe der Staatskanzleien ist, den Regierungschef zu unterstützen, hängt deren Effektivität sehr wesentlich von der Person dieses Regierungschefs ab. Stärke oder Schwäche eines Regierungschefs beeinflussen nicht nur das politische Geschehen, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Apparates. Es kommt hinzu, daß Staatskanzleien als Instrumente der Staatsleitung nur dann wirksam werden können, wenn der Regierungschef mit einem solchen Instrument auch umgehen w i l l und kann. Der Gebrauch des Instrumentes kann sehr vielgestaltig sein. Die Skala reicht von der passiven Hinnahme routinemäßiger Büroprodukte bis zum höchst aktiven und souveränen Spiel auf der Klaviatur dieses Instruments. Mitbestimmend für die eine oder andere Verhaltensweise sind Erfahrung, Beruf und persönlicher Arbeitsstil. Entsprechendes gilt auch für den Chef der Staatskanzlei. Da seine Kontakte zum Apparat i n der Regel enger und sein Apparat-Wissen umfassender ist, ist er letzten Endes der für Leistungsfähigkeit und A n sehen der Staatskanzlei ausschlaggebende Faktor. Die Wirksamkeit dieses Faktors ist jedoch abhängig davon, daß der Chef der Staatskanzlei die Behörde über eine nicht zu kurze Zeitdauer leitet. Die über die durchschnittliche Amtsdauer von Staatskanzleichefs zur Verfügung stehenden Zahlen stimmen nicht sehr optimistisch. Während es in der 7*

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Kaiserzeit zehn Chefs der Reichskanzlei mit einer durchschnittlichen Amtszeit von 4 Jahren gab 1 , betrug die Amtszeit der zehn Reichskanzleichefs in der Weimarer Republik etwa 1 Jahr und 5 Monate 2 . Die durchschnittliche Amtsdauer der sieben Chefs der Senatskanzlei des Landes Berlin während der siebzehn Jahre ihres Bestehens beträgt etwa 2V2 Jahre. Zieht man jedoch die 5 Jahre ab, während es überhaupt keinen Chef der Senatskanzlei gab, so reduziert sich die Zahl auf etwa 1 Jahr und 8 Monate. Neben der Amtsdauer ist weiter von ausschlaggebender Bedeutung, daß der Chef der Staatskanzlei die Eigenschaften besitzt, die zur Erfüllung dieses Amtes notwendig sind. Da er die Schaltstelle zwischen Politik und Verwaltung zu bedienen hat, sollte er in beiden Bereichen zu Hause sein. Die dafür erforderlichen Eigenschaften sollten weiter auch i m richtigen Verhältnis zueinander stehen, d. h. der Chef der Staatskanzlei sollte mehr Verwaltungsmann als Mann der Politik sein. Da solche Voraussetzungen kaum häufig i n einer Person vereinigt sind, ist es nicht leicht, den richtigen Mann für das A m t zu finden. Hinzu kommt, daß es sich bei der Besetzung einer derartigen Führungsstelle um eine eminent politische Entscheidung handelt, die von politischen Faktoren der vielfältigsten A r t abhängig ist. Von gleicher Bedeutung wie der Führungsfaktor ist der Organisationsfaktor. Angesichts des großen Einflusses der Organisation auf den Führungserfolg gilt auch für die Staatskanzleien, daß falsche Organisation nicht nur einen Mehraufwand an Führungstätigkeit verursacht, sondern zu falscher Beratung und damit zu Fehlentscheidungen führt. Auf ein wichtiges Organisationsprinzip wurde zuvor bereits hingewiesen. Es liegt darin, daß die Staatskanzlei ein Führungsinstrument der Staatsleitung bleiben muß, und zugunsten dieser Hilfsfunktion bei der Staatsleitung etwaige Ressortaufgaben zurückzutreten haben. Dieser Auffassung ist i m vollen Umfange beizutreten. Verwaltungsaufgaben gehören nicht in eine Staatskanzlei. Sie lenken nur von der eigentlichen Aufgabe ab und zersplittern die Kräfte. Eine Häufung von Verwaltungsaufgaben macht den Apparat schwerfällig und hemmt ihn in der Erfüllung seiner spezifischen Aufgaben. Manchmal w i r d es so sein, daß derartige Verwaltungsaufgaben wegen ihres ursprünglich politischen Bezugs i n die Staatskanzlei übernommen wurden, daß ihr politischer Cha1 Z u r Geschichte des Reichskanzlerpalais und der Reichskanzlei, herausgegeben vom Staatssekretär der Reichskanzlei (Hermann Pünder): Festschrift zur Grundsteinlegung des neuen Dienstgebäudes der Reichskanzlei am 18. M a i 1928. Berlin: Zentralverlag, 1928, S. 37—49. 2 Vogel, Walter: „Die Organisation der amtlichen Presse- und Propagandap o l i t i k von den Anfängen unter Bismarck bis zum Beginn des Jahres 1933", Die Zeitungswissenschaft, Jg. 16, 1941, Nr. 8/9 (Tabelle S. 75).

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rakter aber i m Laufe der Zeit verloren gegangen ist. Daher ist es notwendig, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob vorhandene Verwaltungsaufgaben abgegeben werden können. Die mit einer Regierungsumbildung oder Regierungsneubildung i n der Regel verbundene Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche ist erfahrungsgemäß die beste Gelegenheit, derartigen Ballast abzustoßen. Es ist aber auch die Zeit, wo die Gefahr am größten ist, wiederum neuen Ballast an Bord zu nehmen. Für die Leistungsfähigkeit einer Organisation spielt neben anderen Faktoren die Zahl der in ihr Tätigen eine große Rolle. I n der Regel w i r d eine Organisation, auch wenn sie noch so gut gegliedert ist, um so schwerfälliger, je mehr Personal sie besitzt. Da eine Staatskanzlei ihre Aufgaben nur dann gut erfüllen kann, wenn sie beweglich und reaktionsschnell ist, empfiehlt es sich, den Personalbestand möglichst klein zu halten. Angesichts des jeder Bürokratie innewohnenden Expansionsdranges war und ist die Innehaltung dieses Grundsatzes nicht einfach. Die Reichskanzlei war jedoch i m Interesse der Erhöhung ihrer Schlagkraft — das sind die Worte des alten Chefs der Reichskanzlei, Pünder 3 , — ständig bemüht, mit möglichst wenig Personal auszukommen, wie einige Zahlen beweisen. Bei Gründung der Reichskanzlei i m Jahre 1878 waren 4 Beamte vorhanden, davon nur ein Beamter des höheren Dienstes. Beim Ausscheiden Bismarcks 12 Jahre später waren es 8 Beamte, davon 3 des höheren Dienstes, und zu Beginn des ersten Weltkrieges 20 Beamte, davon 9 des höheren Dienstes. 50 Jahre nach Gründung i m Jahre 1928 zählte die Reichskanzlei 35 Beamte, von denen 9 dem höheren Dienst angehörten 4 . Obwohl die Verwaltung unter dem Nationalsozialismus aufgebläht wurde, blieb die Zahl der Mitarbeiter der Reichskanzlei weiterhin klein; so betrug 1939/40 die Zahl der sachbearbeitenden Beamten des höheren Dienstes ebenfalls nur 9 5 . Die nach 1945 verstärkt einsetzende Entwicklung von der Ordnungszur Leistungsverwaltung brachte eine beträchtliche Personalvermehrung mit sich, die auch vor den Staatskanzleien nicht haltmachte. Es sei nur am Rande angemerkt, daß die Verwirklichung gewisser Vorstellungen zur Reformierung der Regierungstätigkeit, wie zum Beispiel die Schaffung eines „politischen Planungsstabes" oder die Schaffung einer „Clearing-Stelle Politik und Wissenschaft" 0 , auch wieder zu einer Personalvermehrung führen würde. 3 Pünder, Hermann: „Das Schaltwerk von P o l i t i k u n d V e r w a l t u n g i m Reich, i n der Bizone und i m Bund: Reichskanzlei B e r l i n — Direktorialkanzlei F r a n k furt — Bundeskanzleramt Bonn", Die öffentliche Verwaltung, Jg. 16, 1963, S. 2. 4 Z u r Geschichte des Reichskanzlerpalais und der Reichskanzlei a.a.O. (oben Anm. 1), S. 34, 62, 63. 5 Stutterheim, Hermann von: Die Reichskanzlei. Schriften zum Staatsaufbau, Teil I I , Nr. 45. B e r l i n : Junker u. Dünnhaupt, 1940, S. 38, 39. 6 Ulrich Lohmar i n „ V o r w ä r t s " v o m 7. September 1966.

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Gestatten Sie m i r zu Auftrag und Aufgabe der Staatskanzlei eine abschließende Bemerkung. Die Zuordnung der Staatskanzleien zur politischen Führungsspitze hat zur Folge, daß stärker als bei anderen staatlichen Institutionen personelle und organisatorische Veränderungen von politischen Faktoren der verschiedensten A r t beeinflußt sind, und daß Staatskanzleien stets i n besonderem Maße i m Blickpunkt des politischen und öffentlichen Interesses stehen. Typisch sind zum Beispiel die Vorgänge bei der Errichtung der Reichskanzlei 7 . Als Bismarck für den Haushalt 1878/79 die M i t t e l für einen Vortragenden Rat, einen expedierenden Sekretär, einen Kanzleisekretär und einen Kanzleidiener, also ganze 4 Kräfte anforderte, entwickelte sich bei der Beratung dieses Etats im Reichstag eine eingehende Debatte, i n der Bismarck gezwungen war, mehrfach persönlich einzugreifen. Dies war notwendig, weil die Befürchtung ausgesprochen wurde, daß die neu zu schaffende Reichskanzlei nicht nur den unmittelbaren Verkehr der Reichsbehörden mit dem Reichskanzler erschwere und deren Einfluß hemme, sondern daß vor allem durch die Reichskanzlei Einwirkungen auf die Leitung der Politik erfolgen würden, die sich der parlamentarischen Verantwortlichkeit entzögen. Damit war die Grundmelodie für alle K r i t i k e n an allen Staatskanzleien ein für allemal angestimmt. I n der Regel wiederholen sich solche oder ähnliche Angriffe auch i n neuerer Zeit. Dies geschieht ebenfalls meist i m Zusammenhang mit der Verabschiedung der Haushalte der Staatskanzleien. Häufig sind damit Angriffe gegen die Regierungschefs und deren Politik verbunden. Darin kommt zum Ausdruck, daß Führungsinstrumente stets auch Machtinstrumente sind und als solche Gegenstand und Ziel der politischen Auseinandersetzungen. Der Stellenwert der Staatskanzleien i m Bereiche des Politischen führt weiter auch dazu, daß Macht vor Organisation geht und daß — ein Wort Harold Nicolsons variierend — jeder Chef der Staatskanzlei die bürokratische Garderobe von seinem Vorgänger übernimmt und manchmal nur die Kragenweite ändern kann. Besonders wichtig sind die innere Organisation, d. h. der Schwerpunkt der Aufgaben innerhalb der Innenorganisation, die strukturelle Gliederung und die Planung. Es wurde schon zutreffend ausgeführt, daß der Schwerpunkt der inneren Organisation der Staatskanzleien grundsätzlich bei der die Richtlinien der Regierungspolitik transformierenden Gesetzgebungs- und Verwaltungsabteilung oder — wie sie auch genannt w i r d — bei der „Allgemeinen und politischen Abteilung" liegt. Dieser Feststellung ist grundsätzlich zuzustimmen. Doch möchte ich darauf hinweisen, daß sich daneben ein zweiter Schwerpunkt entwickelt hat: die Presse- und Informationsabteilung. 7 Zur Geschichte des Reichskanzlerpalais u n d der Reichskanzlei a.a.O. (oben Anm. 1), S. 34, 35.

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Die demokratische Staatsform bedarf zu ihrem Funktionieren des ständigen Konsenses zwischen Regierung und Regierten. Die von der Regierung getroffenen Entscheidungen müssen dem Bürger verständlich gemacht werden. Hinzu kommt der Grundtatbestand der Demokratie, daß nämlich die Regierung von eben diesem Bürger gewählt wird. Daß für die Wahlentscheidung die A r t und Weise der Informationspolitik ein wichtiger Faktor ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Schließlich genügt es nicht nur, gute Entscheidungen zu treffen, sondern es muß überdies bekannt gemacht werden, daß gute Entscheidungen tatsächlich getroffen worden sind und von wem. Ein weiterer Grund für die Bedeutung der Presse- und Informationsabteilung ist die konkrete politische Situation. Diese Situation kann es notwendig machen, den Kontakt zwischen Regierung und Regierten so eng wie nur irgend möglich zu gestalten, damit Appelle der Regierung an die Bevölkerung aufgenommen und befolgt werden. Dieselbe Situation kann es auch erforderlich machen, die Meinung des Auslandes zu mobilisieren. Ich denke hier an Berlin, wo es unbedingt notwendig ist, daß die Bevölkerung i n allen Dingen auf dem laufenden gehalten wird. Schließlich kommt die Bedeutung der Presse- und Informationsabteilung auch in der engen Zusammenarbeit zwischen Regierungschef und Pressechef zum Ausdruck. Diese enge Zusammenarbeit ist keine Erfindung unserer Zeit. So waren bei der seit 1925 regelmäßig jeden Tag stattfindenden und um 10.00 Uhr beginnenden Besprechung beim Reichskanzler — die sogenannte Morgenandacht — nicht nur der Chef der Reichskanzlei und der Leiter der Richtlinienabteilung anwesend, sondern selbstverständlich auch der Pressechef 8. Angesichts der Entwicklung von Rundfunk und Fernsehen hat die Bedeutung der Presse- und Informationsabteilung ständig zugenommen. Hinsichtlich ihrer strukturellen Gliederung ist die organisatorische Grundform der 12 Staatskanzleien die hierarchisch strukturierte Linienorganisation. Ihre Gliederungseinheiten sind Abteilungen, Unterabteilungen, Gruppen und Referate. Die Spannweite der Gliederungsstrukturen w i r d besonders deutlich, wenn man sich gegensätzliche Strukturen wie die folgenden vor Augen hält. Während eine Staatskanzlei überhaupt nur i n 6 Referate gegliedert ist, umfaßt eine andere 5 Abteilungen mit 21 Referaten und eine weitere 4 Abteilungen mit 25 Referaten. Bereits eine rein schematische und deshalb letztlich auch unbefriedigende, weil unvollkommene Übersicht und ein dementsprechender Vergleich zeigen die außerordentlich großen Unterschiede i n der Organisation der einzelnen Staatskanzleien auf. Er zeigt weiter auch, wie 8

Pünder a.a.O. (oben A n m . 3), S. 3.

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schwierig die verwaltungswissenschaftliche Arbeit in diesem Sektor ist. Dennoch wäre es eine interessante und nützliche Arbeit, einmal einen Mustergliederungsplan für Staatskanzleien zu entwerfen. Was i m Bereich der Kommunen möglich ist, sollte auch i m Bereich der Staatskanzleien möglich sein. Zur Planung ist zu sagen, daß sie i m staatlichen und politischen Raum eine immer größere Rolle spielt. Die durch Sachzwänge der verschiedensten A r t ausgelöste Notwendigkeit zur Planung hat sich bisher nur in einem Teil der Organisationsstruktur der Staatskanzleien niedergeschlagen. Ich darf hier Bezug nehmen auf die Ausführungen von Herrn Professor Knöpfle. I m Hinblick darauf, daß nur wenige Erkenntnisse über Organisation und Arbeitsweise dieser Planungselemente innerhalb der Staatskanzlei vorliegen, wäre es sicher nützlich, Näheres und vielleicht auch weitere Äußerungen dazu zu hören, ob es wirklich zum Aufgabenbereich einer Staatskanzlei gehört* die Raum- und Landesplanung einzubeziehen. Ich persönlich meine, daß dies ein so großer Aufgabenbereich ist, daß er den Rahmen der Staatskanzlei sprengt und es zweckmäßiger erscheint, diese Abteilung i n einem eigenem A m t zu organisieren. Einige der mit solchen Planungseinrichtungen verbundenen Probleme darf ich umreißen. Ein wichtiges Problem ist bereits angesprochen worden, nämlich der organisatorische Standort. Herr Duppré ist es, glaube ich, der die Meinung vertritt, daß es keine besonderen Planungs- und Beratungsstäbe außerhalb des Organisationsschemas geben sollte. Für diese Ansicht spricht i n der Tat u. a., daß eine Ausgliederung neue Koordinationsprobleme aufwirft, und ein derartiger Standpunkt überdies zu einer Planung i m luftleeren Raum führen kann. Diese Lage kann sich noch dann verschlechtern, wenn die Planer nicht der Bürokratie angehören und sich, was durchaus naheliegt, eine gegenseitige Frontstellung entwickelt. Allerdings möchte ich nicht so weit gehen, die Zugehörigkeit von Außenstehenden zu Planungseinheiten überhaupt abzulehnen. Wichtig erscheint m i r allerdings die Einbettung eines so zusammengesetzten Planungsstabes in den Gesamtapparat der Staatskanzlei. Dies kann dadurch sichergestellt werden, daß der Leiter des Stabes von der Staatskanzlei gestellt w i r d und er möglichst i n einer Leitungsfunktion tätig ist. Denkbar sind aber auch folgende organisatorische Lösungen des Planungsproblems, die ich zur Diskussion stellen möchte. Sie sind vielleicht als Übergang zu einer größeren Planungseinheit möglich. Die eine Variante könnte i n folgender Weise durchgeführt werden. Innerhalb einer Abteilung werden verwandte Referate zu einer Unterabteilung oder Gruppe zusammengefaßt. Deren Leiter fungiert als Planungsreferent. Diese Lösung hat den Vorteil, daß der Planer, da er Vorgesetzter seiner Fakten-Zulieferer ist, von diesen nicht „ausgehungert" werden

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kann. I m Gegenteil, er kann diesen ihm unterstellten Mitarbeitern Aufträge für die Planungsarbeit geben. Da Planung jedoch Zeit erfordert, ist es notwendig, daß ein solcher Unterabteilungs- oder Gruppenleiter selbst kein Referat leitet und sich bei Zeitdruck auf das Abzeichnen — unter Ausschluß der damit üblicherweise verbundenen Verantwortung — beschränken darf. Eine weitere Möglichkeit könnte es sein, Referenten i n Doppelfunktionen tätig werden zu lassen, d. h. als Linienreferent und Stabsreferent. Obwohl dies nicht unproblematisch ist, könnten derartige Referenten als Linienreferenten außerhalb der Staatskanzlei tätig sein und in ihrer Stabsfunktion einem Stab der Staatskanzlei angehören. Der Vorteil liegt darin, daß damit der in der gesamten Verwaltung vorhandene Sachverstand von Fall zu Fall für eine Planungsaufgabe über längere Zeit hin nutzbar gemacht werden kann. Notwendig ist aber auch hier die hauptamtliche Zugehörigkeit des Leiters dieser Stabsgruppe zur Staatskanzlei. Die Koordination innerhalb der Regierung ist eine der wichtigsten der eingangs erwähnten Hauptaufgaben der Staatskanzlei. Bei der Durchführung dieser Koordinationsaufgabe haben sich i n der Berliner Praxis folgende Arbeitsformen und Arbeitsweisen bewährt: Ständige Teilnahme von Angehörigen der Staatskanzlei, vor allem der V e r bindungsreferenten, an: Abteilungsleiterbesprechungen der Ministerien; Sitzungen der Parlamentsausschüsse; Sitzungen der Kabinettsausschüsse (Personalkommission, Senatsausschuß für Wirtschaft); Interministeriellen Ausschüssen (ζ. B. Referentenausschuß für E n t w i c k lungshilfe). B i l d u n g von besonderen Konferenzen u n d Arbeitsgruppen durch die Staatskanzlei und unter deren Vorsitz: Senatsdirektorenkonferenz ; Koordinationsbesprechungen der Arbeitsgruppe Werbung; Arbeitsgruppe Planung und Koordinierung des Ausstellungswesens.

Der Nutzen der Teilnahme an den erwähnten Besprechungen und Ausschußsitzungen liegt vor allem in der Information, und zwar sowohl i n der Information der Staatskanzlei — und damit des Regierungschefs — als auch i n der Information der Verwaltung durch die Staatskanzlei. Die Staatskanzlei ist in den genannten Gremien durch die Verbindungsreferenten vertreten, ausgenommen i n den Kabinettsausschüssen. Während an den Sitzungen des Senatsausschusses für Wirtschaft neben dem Regierungschef der ständige Verbindungsreferent teilnimmt, hat i n den Sitzungen der Personalkommission nur der Chef der Senatskanzlei Zutritt. Bei den von der Staatskanzlei selbst ins Leben gerufenen und unter ihrem Vorsitz tagenden Gremien ist der Hauptzweck die Koordination,

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daneben aber auch die Information, bei der Senatsdirektorenkonferenz weiter noch die Entlastung des Senats. I m einzelnen darf ich zu diesen Koordinationsinstrumenten noch folgende Hinweise geben. Die Senatsdirektorenkonferenz wurde Anfang 1959 zu dem Zweck gegründet, die Stellungnahmen des Landes Berlin für die Stimmabgabe i m Bundesrat vorzubereiten. Diese Aufgabenstellung wurde i m Oktober 1963 dahin erweitert, daß der Konferenz auch die Vorbereitung der Beschlußfassung über solche Vorlagen übertragen werden kann, über die kein Einvernehmen zwischen den beteiligten Senatsmitgliedern erzielt werden konnte, oder bei denen es sich i n der Senatssitzung herausgestellt hat, daß sie noch einer Klärung vor der abschließenden Beratung i m Senat bedürfen. Weiter wurde vorgesehen, unter dem ständigen Tagesordnungspunkt „Politische Informationen" die Senatsdirektoren über die laufenden, Berlin betreffenden politischen Fragen zu unterrichten. Vorsitzender der Konferenz ist der Chef der Senatskanzlei. Teilnehmer sind die Senatsdirektoren, die anderenorts den Staatssekretären entsprechenden höchsten politischen Beamten Berlins. Die Teilnahme von Referenten der Senatsverwaltungen ist nur in Ausnahmefällen möglich. I m großen und ganzen kann gesagt werden, daß sich diese Einrichtung durchaus bewährt hat. Selbstverständlich können von ihr keine Wunder erwartet werden. Für Angelegenheiten mit politischem Sprengstoff ist nach wie vor das Kabinett das kompetente Gremium. Das zweite Koordinationsinstrument sind die „Koordinierungsbesprechungen der Arbeitsgruppe Werbung". Diese sind von der Presse- und Informationsabteilung der Senatskanzlei ins Leben gerufen worden. Ihr Zweck besteht i n der Koordination aller bedeutsameren politisch-publizistischen Vorhaben des Landes Berlin. Den Vorsitz führt der Leiter des zuständigen Referats der Presse- und Informationsabteilung, der auch als „Zweiter Sprecher" des Senats fungiert. Die regelmäßigen Teilnehmer sind: die Pressereferenten der Senatsverwaltungen (diese sind zum Teil auch persönliche Referenten der betreffenden Senatoren), die Leiterin des Verkehrsamtes Berlins, Vertreter des Informationszentrums Berlin, der Leiter der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und einige Referenten der politischen Abteilung der Senatskanzlei. Zur Vermittlung eines konkreten Eindrucks dessen, was i n diesen Besprechungen erörtert wird, darf ich einige der Besprechungspunkte erwähnen: die Möglichkeit, Führungskräfte nach Berlin zu ziehen; neue Berlin-Slogans; Tee-Gespräche m i t den Senatoren; Presserundfahrten; Berlin und seine Alliierten; und Jahrestag der Gründung der freiwilligen Polizeireserve. Durch diese Besprechungen erfahren die Beteiligten von den Planungen i m gesamten Bereich der Berliner Verwaltung. Dadurch können Überschneidungen vermieden und Vorhaben aufeinander abgestimmt oder

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miteinander verschmolzen werden. Außerdem werden in der anregenden Atmosphäre dieser Besprechungen erstaunlich viele neue Vorschläge und Ideen produziert. Das dritte Koordinationsinstrument existiert i n der „Arbeitsgruppe Planung und Koordinierung des Ausstellungswesens". Ähnlich wie i n der vorgenannten Arbeitsgruppe sind hier Gegenstand und Aufgabe die Koordinierung der Ausstellungen und Messen i n Berlin und außerhalb Berlins. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die mit den vorerwähnten Koordinationsinstrumenten gemachten Erfahrungen i m allgemeinen gut sind. Notwendig sind allerdings neben einer klaren Aufgabenstellung ein Mindestmaß an Bürokratie (schriftliche Einladungen, schriftliche Tagesordnungen, schriftliche Protokolle) und die Überwachung der gefaßten Beschlüsse. Zum Abschluß einiges zu den Arbeitsmethoden innerhalb der Staatskanzlei, und zwar über Information und Vortrag. Eine Staatskanzlei, die ihren Aufgaben in vollem Umfange gerecht werden w i l l , muß ihre Mitarbeiter umfassend informieren. Diese Information darf sich nicht darauf beschränken, Beschlüsse, Protokolle und sonstige Papiere umlaufen zu lassen, sondern sie muß i m ständigen Gespräch erfolgen, sei es im Einzelgespräch oder i n Referentenbesprechungen. Umfassend heißt in diesem Falle: auch über die Dinge, die nicht aufgeschrieben zu werden pflegen, zum Beispiel über den Inhalt von Kabinettsdiskussionen über politische Angelegenheiten, die sich nur in den seltensten Fällen in Beschlüssen niederschlagen und über die allenfalls in Protokollen berichtet wird, daß über einen bestimmten Punkt gesprochen worden ist. Diese Information der Mitarbeiter ist nicht Selbstzweck. I m Gegenteil: Nur ein gut unterrichteter Staatskanzleireferent ist i n der Lage, die von ihm zu betreuenden Geschäftsbereiche auch nützlich zu beraten. Und nur ein gut informierter Referent der Staatskanzlei erhält die für die politische Führung notwendigen Informationen. Der Vortrag spielt in der Arbeit der Staatskanzlei eine wichtige Rolle. Die Ursachen hierfür liegen u. a. i n der Vielfalt der Aufgaben, in deren Charakter und in der Notwendigkeit, schnell zu arbeiten und dem Vorgesetzten Zeit zu sparen. Infolgedessen hat es sich um einen knappen und auf die für die Entscheidung wichtigsten Punkte konzentrierten Vortrag zu handeln. Das war schon der Stil der alten Reichskanzlei. So berichtet deren erster Chef, Christoph von Tiedemann, daß er Bismarck Vortrag gehalten und in einer Stunde 25 Punkte erledigt habe 9 . Von ihm wissen 9 Tiedemann, Christoph von: Aus sieben Jahrzehnten. Erinnerungen. Bd. I I . : Sechs Jahre Chef der Reichskanzlei unter dem Fürsten Bismarck. Leipzig: S. Hirzel, 1909, S. 92.

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Gerhard Kunze

w i r auch, daß Bismarck bei Vorträgen einen, wie er es nannte, „suszitierenden Extrakt" verlangte. I n diesem Zusammenhang heißt es i n Tiedemanns Erinnerungen: „Man gewöhnte sich allmählich daran, i m Lapidarstil zu sprechen, und ich habe schließlich über Gesetzentwürfe von mehr als 100 Paragraphen i n 10 Minuten referiert. Die Vorbereitung auf einen solchen Vortrag hatte freilich oft Stunden gekostet 10 ." Die Überbelastung der Chefs der Staatskanzleien ist eine alte Sache. Auch hier ist wiederum der erste Chef der Reichskanzlei der Kronzeuge für das Übermaß an Beanspruchung, der ein Chef der Staatskanzlei in der Regel ausgesetzt ist, und von dem Herr Duppré einen plastischen Eindruck vermittelt hat. Als Tiedemann nach sechsjähriger Amtszeit seine Stellung bei Bismarck aufgab, nannte er neben dem Wunsch nach unabhängiger Tätigkeit und nach selbständigem Handeln und Schaffen als hauptsächlichste Gründe die Rücksicht auf seine Gesundheit, Schlaflosigkeit und Entfremdung der Familie. Letzteres belegte er mit folgenden Zahlen: I m Jahre 1879 habe er 133mal bei Bismarck zu Mittag gespeist, und von Januar bis J u l i desselben Jahres sei er nur an zwei Abenden i n seiner Familie gewesen. Das B i l d wäre aber unvollständig, wenn man unterschlüge, daß Bismarck den Versetzungswunsch Tiedemanns erst einmal damit beantwortete, daß er aufbrauste und ihm in gereizten und heftigen Worten vorwarf, daß sein Denken und Trachten nur darauf gerichtet sei, ihn zu verlassen 11 . I n der Tat: Chef einer Staatskanzlei sein heißt, seinen Preis für die Teilhabe an der Machtausübung sofort bar und ohne Nachlaß zahlen zu müssen. Für dieses A m t gilt das Wort, das Talleyrand i n bezug auf den Außenminister geprägt hat: Man ist es 24 Stunden am Tag.

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Tiedemann a.a.O. (oben Anm. 9), S. 469. Tiedemann a.a.O. (oben Anm. 9), S. 419, 420.

Weitere Gesichtspunkte (Bericht) Von Alfons Noll

Die Frage des Verhältnisses zwischen der Staatskanzlei und den politisch verantwortlichen Ministern und die davon unabhängige zweite Frage der Einflußnahme der Staatskanzlei i m Hinblick auf Personalauswahl, -austausch und -einsatz erörterte Ministerialdirektor a. D. Wormit, Kurator der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin Dahlem. Wenn es eine entscheidende Verbesserung sei, daß die jetzige staatsrechtliche Konstruktion die Stärke der Stellung des Ministerpräsidenten hervorhebe, so könne die Staatskanzlei unter einem aktiven und mit dem gesamten Gefüge des Landeskabinetts vertrauten Chef großes Gewicht erlangen. Hierin liege eine Problematik, denn daraus vermöge sich für die politische Position der Minister i n der Regierung und i m Parlament eine Beeinträchtigung zu ergeben. Er teile nicht ganz die Meinung von Ministerialrat Mohrhoff, daß die Staatskanzlei und ihr Leiter sich insoweit i n einer vergleichbaren Position befänden wie in den Ministerien deren Staatssekretäre. Es sei deshalb eine Frage, ob man etwa so verfahren solle, daß man neue Sachgebiete, die man zunächst nicht recht unterzubringen wisse, vorerst durch die Staatskanzlei betraue, um dann vielleicht später eine Überführung in eine Ressortzuständigkeit vorzunehmen, oder ob man von vornherein diese Gebiete dem Ressort überantworte, das ihnen i m Räume am nächsten sei. Er möchte meinen, daß auch für die zweite Lösung manche triftigen Gründe sprächen. Es sei doch i n der praktischen Politik so, daß i n einzelnen Ressorts längere Phasen der politischen Flaute plötzlich i n Zeiten höchster politischer Brisanz und Aktualität umschlagen könnten. Es sei dem Kurator des Preußischen Kulturbesitzes ein historischer Hinweis verziehen: Als Bismarck gegangen war und nun knurrend von Friedrichsruh aus die Entwicklung i n Berlin weiterverfolgte, äußerte er einmal, die neuen politischen Männer seien Leute ohne Erfahrung; er fürchte, die Geheimräte würden das Heft in die Hand bekommen. Kurzum: das Licht solle hier nicht zum Nachteil wichtiger politischer Funktionen allein auf die Staatskanzlei fallen. Anders möchte der Sprecher allerdings zu einer zweiten Frage Stellung nehmen, der Frage der Personalauswahl, des Personalausgleichs und -austausche sowie der Bemühung, die Qualität und Weiträumigkeit

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Alfons N o l l

i n der geistigen und fachlichen Bildung unserer hohen Bürokratie — i m besten Sinne gemeint — zu erhalten oder wiederherzustellen. Er selbst habe das Glück gehabt, als Referendar und Assessor nacheinander i n Ostpreußen, in Schleswig-Holstein, i m Rheinland, i n der Mark Brandenburg, i n Schlesien und dann wieder i n Schleswig-Holstein zu arbeiten. Wenn heute gerade tüchtige junge Leute von den Ressorts mit Klauen und Zähnen festgehalten würden, bleibe offen, wie sehr der Standard der Verwaltung i m ganzen darunter leiden werde. Zu seinem eigenen Aufgabenbereich bemerkte der Sprecher, die Stiftung Preußischer K u l t u r besitz habe jetzt etwa 900 Mitarbeiter, von denen knapp 100 dem höheren Dienste sowohl als Wissenschaftler wie auch als Verwaltungsbeamte dienten. Bei der Suche nach qualifizierten Kräften erlebe man immer wieder, daß i m Gegensatz zu den reinen Wissenschaftlern, die heute noch i m allgemeinen eine Ausbildung durchlaufen hätten, die sie sowohl räumlich wie auch fachlich an verschiedene Stellen führe, das B i l d für den Mann der Verwaltung völlig anders geworden sei. Er könne den erforderlichen Weitblick nicht mehr mitbringen. Es wäre ein verdienstvolles und gewiß einer Staatskanzlei nicht geneidetes Beginnen, wenn es ihr möglich wäre, aus ihrer einzigartigen Schlüsselfunktion alles zu tun, um sowohl innerhalb der Ressorts wie auch von Ressort zu Ressort, zwischen Zentrale, Mittelinstanz und örtlicher Instanz einen Ausgleich herbeizuführen. Vielleicht sei es sogar möglich, i n kollegialer Zusammenarbeit von Land zu Land, zunächst vielleicht i n Einzelfällen, einen Austausch i m Interesse der gesamten Verwaltung durchzuführen, von dem nicht nur die Verwaltung, sondern auch das ganze politische Gefüge Nutzen haben werde. Professor Morstein Marx regte an, angesichts der fortgeschrittenen Stunde die Fülle der Gesichtspunkte in dem weiteren Verlauf der Tagung am geeigneten Platz wieder auf zugreif en. Er schlüge vor, jetzt zu einem vorläufigen Abschluß zu kommen und den beiden Hauptreferenten die Gelegenheit zu bieten, auf das einzugehen, was ihnen besonders wichtig zu sein schiene. Professor Knöpfle wandte sich zunächst dem Referat von Staatssekretär Duppré zu, i n dem ein sehr schöner Anschauungsunterricht dahin geboten worden sei, daß das Selbstverständnis eines Amtsträgers eine institutionenprägende Kraft besitze, ein Vorgang, der i n der Theorie noch zu wenig beachtet werde. Er möchte sich weiter Ministerialdirektor Wormit anschließen und der Meinung Morhoffs widersprechen. Das Verhältnis Ministerpräsident/Staatskanzlei sei dem Prinzip wie der Effizienz nach ein anderes als das zwischen Minister und Ministerialdirektor. Das zeige sich schon daran, daß der Ministerialdirektor immer „i. A." zeichne, bestenfalls, wenn kein Staatssekretär da sei, „i. V.". Er sei immer nur ein alter ego, während der Chef der Staatskanzlei selbst jemand sei,

Weitere Gesichtspunkte (Bericht)

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der tausend Dinge tue, von denen er seinem Regierungschef gar nichts sage, nichts sagen solle, um ihn nicht zu überlasten. Dagegen sei der Chef der Staatskanzlei niemals de jure Vertreter des Ministerpräsidenten. Was Prozeßführung vor dem Bundesverfassungsgericht anlange, übernehme es die Staatskanzlei höchstens, als Stabsarbeit ein bißchen zu feilen und ein bißchen verfassungsrechtlichen Esprit einfließen zu lassen. Es sei an dem Grundsatz festzuhalten, daß der Regierungschef und die Staatskanzlei kein sachverwaltendes, sachbearbeitendes Oberminister i u m seien. Auch Dienstaufsicht über die Verwaltungsgerichte habe mit der politischen Leitung des Staates grundsätzlich nichts zu tun. Was übrigens der Verwaltungsgerichtsbarkeit recht sei, sei der Finanzgerichtsbarkeit billig. Auf diese Weise käme man zu einem Sammelsurium von Ressortzuständigkeiten. Zur Problematik des Verhältnisses der Staatskanzlei zum Regierungschef dürfe nicht der Eindruck entstehen, als ob eine gut strukturierte, mit guten Leuten besetzte Staatskanzlei selbst eine wirkungsvolle Regierungspolitik betreiben könne. Dazu bedürfe es immer des Regierungschefs, des Konsumenten der Verwaltungsprodukte einer Staatskanzlei. Regierungschef und Staatskanzlei bildeten zusammen das Ganze, das nach außen politisch effizient werde. Eine Typologie der Regierungschefs zu versuchen, sei eine interessante Aufgabe. Es gäbe vielleicht den Amtsvorstandstyp, den Regierungschef, der die Bürozeit einhalte, die Post genau lese, mit dem Grünstift Rücksprachevermerke anbringe, Marginalien schreibe, jener Typ, der seine Mitarbeiter zum Vortrag kommen lasse. Diesem Weberschen Idealtyp stehe der Managertyp gegenüber, der seine Umgebung stets i n Atem halte, den man i m Hauseingang noch gerade für eine Unterschrift erwischen könne, von dem man zwischen Tür und Angel eine Weisung erbitte, über dessen Kommen und Gehen selbst das Vorzimmer meistens i m Dunkeln tappe, jener Typ des Politikerpräsidenten, dem jede A r t von Verwaltungsroutine verhaßt sei. Eine dritte Kategorie, die i n natura ebenfalls niemals rein vorkomme, sei der präsidiale Regierungschef, der immer seine Würde und Ruhe bewahre, nie gehetzt erscheine und sich frei wisse von einer ständigen Präsenzpflicht i m Amt, da er besser zu Hause nachdenken und notfalls auch fern vom Amtssitz die Zügel i n die Hand nehmen könne. Aufgabe der Staatskanzlei sei es, sich diesen verschiedenen Arten von Persönlichkeiten anzupassen und die Bürden des Systemwechsels leichter zu machen. Diesen Wechsel müsse die Staatskanzlei als normalen demokratischen Vorgang hinzunehmen lernen. Sie müsse sich so rasch als möglich wieder zu voller Leistungsfähigkeit integrieren und dem neuen Chef mit derselben Loyalität dienen wie dem alten. Dazu dürfe man die nähere rang-

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niederere Umgebung des Regierungschefs nicht zu de facto politischen Beamten degradieren, die damit rechnen müßten, bei einem Regimewechsel auf das hinterste Landratsamt versetzt zu werden. So gewinne man keine guten Leute für diese wichtige Staatsfunktion. Das Arbeitsergebnis der Staatskanzlei sei immer eine Resultante aus Organisation, Geschäftsverteilung, Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, innerbehördlichem Klima, der Persönlichkeit des Regierungschefs und seiner Einwirkung auf das zu seiner Unterstützung geschaffene, zu einer vorbehaltslos loyalen Hilfsleistung bereite Führungsinstrument Staatskanzlei. Staatssekretär Duppré griff drei Punkte auf: die Frage nach der Zugehörigkeit der Landesplanung, das Verhältnis des Chefs der Staatskanzlei zu den Ministern und die Personalauswahl. Staatssekretär Seeger säße i m Räume und werde dem Sprecher bestätigen, daß anfänglich i n der überwiegenden Anzahl der Staatskanzleien auch die Landesplanung untergebracht worden sei, und zwar einfach deswegen, weil diese Sache sehr eng mit der Richtlinienkompetenz zusammenhänge. Hier berührten sich i n der Tat i n Details viele Maßnahmen der praktischen Regierungspolitik mit planungsrechtlichen Vorstellungen und Maßnahmen. Aus diesem Grunde glaube er, daß man dem Ministerpräsidenten dieses Instrument in die Hand geben solle. Auch die Strukturpolitik, die heutzutage eine große Rolle spiele, lege den Schluß nahe, dort auch die Zuständigkeit für die Raumordnung und Landesplanung zu begründen, wo die Richtlinienkompetenz stecke. Wenn man sich materiell mit den Elementen eines Landesentwicklungsprogramms vertraut mache, komme man zu der Überzeugung, daß diese Lösung nicht die schlechteste sei. Was das Verhältnis des Staatssekretärs in der Staatskanzlei zu den Ressortministern angehe, sei dies das eigentliche Alltagsproblem der Arbeit. Wenn der Chef der Staatskanzlei an allen Ministerratssitzungen mit beratender Stimme teilnehme, erleichtere das den Alltagsumgang mit den Kabinettsmitgliedern. Es sei dabei am besten, daß man auf ein besonderes Problem offen zugehe und damit auf den Mann, der Dinge zu verhindern vermöge, die nicht i n das Konzept des Regierungschefs paßten. Zur Personalauswahl scheine Wormit auf die räumliche Enge der Länder hinweisen zu wollen. Aber wenn die Beteiligung von Landesbediensteten beim Bund nicht effektuiert werden könne, weil sich keine Landesbeamten für den Bundesdienst zur Verfügung stellten, lägen die Gründe ganz woanders, i m wesentlichen i m Besoldungsrecht. Wenn man einen Mann erst mit 45 Jahren zum Landrat mache und er i n die Besoldungsgruppe Β I I I komme, falle es ihm i m Traume nicht mehr ein, als Ministerialrat ins Ministerium zu gehen. Unter der Regelbeförderung

Weitere Gesichtspunkte (Bericht)

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habe es ein junger Regierungsrat gar nicht mehr nötig, auf die Wanderschaft zu gehen. Allerdings könne eine Staatskanzlei durch die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter etwa als Leiter akademischer Arbeitsgemeinschaften den Kontakt mit der Wissenschaft aufrechterhalten. Man müsse überdies i n der Lage sein, Umbesetzungen innerhalb des eigenen Hauses vorzunehmen, was sehr wichtig sei. Eine Staatskanzlei könne darüber hinaus auch Landräte und Regierungspräsidenten hervorbringen.

Dritter Teil

Verwertbare Erfahrungen und relevante Faktoren

Stabspraxis im Ausland : Gemeinsame Erfahrungen Von Fritz Morstein M a r x

Gliederung Industrielle Gesellschaft im Werden — Soziale Verdichtung u n d individuelle Isolierung — Moderne Verwaltung: Aufgabenwachstum und zunehmende funktionale Streuweite — Unabgestützte Verantwortung: Apparate gegen den Apparat — Auswirkungen auf die Verwaltungsleitung — Direktion: Uberspannung des Kommunikationsstrangs — Sachverstandslieferung: A u t a r k i e des Fachmanns — Öffentlichkeitsdienst: Die allzu ferne L i n i e — Neue Parole: Stärkung des Hauptes — Durchgängige Leistungssteigerung u n d laufende Arbeitsbewertung — Programmatische Bindung u n d Zusammenfassung — Bewußte Pflege der Beziehungen zum P u b l i k u m — Gegebenheiten: Die überlastete Hierarchie — Quellen der Erfahrung auf den Unterleitungsebenen — Unerbittlicher Druck der Tagesarbeit — I m Betrieb verfangene Perspektive — Erfordernis: Beweglich einsatzfähige Hilfe — Spezialisten der Verwaltungsmethodik — Rekognoszierung des Horizonts — Gesteigerte Präsenz der L e i tung: Spontane Koordinierung — Ermöglichtes Ziel: Integrierende Rahmenplanung — Prüfung von Gesetzgebungsvorhaben — Der Haushalt als Arbeitsplan — Projektion der Gesamtentwicklung — Institutionelle Effekte: Erhöhte Transparenz — Sichtbarwerden von Problemkomplexen — Gesamtschau u n d Rückstrahlung — Manifestation des Leitungsdenkens — Stab und Linie: Überwindung von Gegensätzen — Zugang zum Stab — Gemeinsame Arbeitsgruppen — Gewinn- u n d Verlustrechnung (für beide) — Die Schlüsselstellung der Leitung — Abriegelung durch Stab? — Rivalität zwischen Stabsstellen — Politische Übersetzungsräder — Zunehmendes Systemdenken — Vertraute Zusammenarbeitsformen — Periodische Generalkritik — Anhaltende Bereitschaft zur Modifikation.

I V o n den Staatskanzleien i n der Bundesrepublik zu vergleichbaren G e b i l d e n i n der R e g i e r u n g s p r a x i s anderer L ä n d e r ist e i n n a h e l i e g e n d e r S c h r i t t , aber zugleich e i n w e i t e r Weg. Das m i r zugewiesene T h e m a ist schon deshalb u n g e w ö h n l i c h b r e i t . Was f ü r die besonderen Z w e c k e unseres Tagungsgegenstands versucht w e r d e n soll, k a n n n i c h t eine G e s a m t d a r s t e l l u n g sein. E i n e solche D a r s t e l l u n g w ü r d e sich k a u m v o n einer umfassenden B e l e u c h t u n g der s t r u k t u r e l l e n M e r k m a l e der h e u t i g e n ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t u n g i n d e n verschiedenen T e i l e n der W e l t e n t f e r n e n d ü r f e n , auch w e n n v o r a l l e m auf d i e j e n i g e n O r g a n e a b z u s t e l l e n w ä r e , d i e sich m i t d e r p l a n e n d e n T ä t i g k e i t befassen u n d i n s o f e r n das i n s t i t u t i o n e l l e

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Denkvermögen der Verwaltung repräsentieren. Man könnte vielleicht auf genial gezeichnete Idealtypen ausweichen, um einen oft mißverstandenen Begriff Max Webers aufzugreifen. Aber unsere Vergleichsebene liegt tiefer, näher der Welt der Tatsachen. Wir müssen gerade bei einer Schilderung der planenden Organe danach trachten, uns aus dem Bereich der konkreten Verwaltungserfahrung zu unterrichten. Dem stehen erhebliche Schwierigkeiten entgegen. U m hier ein i m großen und ganzen verläßliches B i l d zu zeichnen, w i r d man weit i n die inneren Vorgänge einer Institution einzudringen haben. Solche Intimität entwickelt sich nicht auf der Grundlage von augenfälligen und leicht zu beschreibenden Sachverhalten. Die subtileren Dinge entziehen sich meist dem Auge der Umwelt und haben insofern ohnehin etwas Undurchsichtiges an sich. W i r haben dergleichen Beschreibungen von Verwaltungsinstitutionen aus der jüngsten Zeit jedenfalls i n deutscher Sprache sehr selten zu Gesicht bekommen, obwohl auf dem klassischen Fundament der preußischen Verwaltungsgeschichte weitergebaut werden könnte. Wie ließe sich tief genug i n die Arbeitssituation der zivilen Stabsarbeit in anderen Ländern hineinsehen? Ursprünglich hatten w i r uns bei der Planung dieser Tagung überlegt, ob es gelingen würde, berufene Repräsentanten einiger in Frage kommender Institutionen des Auslandes an unser Rednerpult zu zitieren. Es gibt natürlich nicht wenige wissenschaftlich interessierte Verwaltungsmänner in der westlichen Welt, die aufgrund eigener Erfahrung aus dem Leben planender Institutionen über die maßgeblichen Einzelheiten zu berichten vermögen. Bei einer Auswahl spielen jedoch zeitliche ebenso wie sprachliche Begrenzungen eine Rolle. Während ich ursprünglich gehofft hatte, mich i n diesen Tagen auf die Geschäftsführung beschränken zu können, ist am Ende doch die Aufgabe an mich herangekommen, eine Summierung der wichtigsten Punkte zum Thema zu versuchen. Eine summierende Darstellung w i r d selektiv vorzugehen haben. I m Vordergrund steht bei diesem Versuch der Zusammenhang mit der modernen Staatskanzlei, einer Konzeption von morgen. Wir halten Ausschau nach dem, was für die von neuen Aufgaben bedrängte Staatskanzlei relevant zu sein scheint. Dabei interessiert uns weniger das aus der Vergangenheit vertraute Modell der Kanzlei als einer Improvisation für die Bedürfnisse eines bestimmten Regierungschefs. Worauf es heute mehr und mehr ankommt, ist die Entwicklung eines geeigneten Instruments zur Bewältigung der nach oben steigenden Anforderungen auf den Gebieten der Programmformulierung, der Gesamtleitung und der Koordination i m Interesse sowohl der politischen Lenkung wie auch der Direktion des Verwaltungssystems. Dafür kann nur organisierte Stabsarbeit die Grundlage liefern.

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I n der Erörterung der Erfordernisse dieser i m Werden befindlichen Institution werden w i r vielleicht einerseits auf sachliche Unklarheiten stoßen. Außerdem könnten w i r andererseits auch zu künstlichen Gegensätzlichkeiten durch Unschärfe des Ausdrucks verführt werden. U m die Wahrscheinlichkeit zu vermindern, daß w i r uns über Worte streiten, seien einige Erläuterungen über den zivilen Stabsbegriff eingeschaltet. Viel ist über den Stabsbegriff geschrieben worden, vor allem i n den Vereinigten Staaten, wohin er aus der deutschen militärischen Praxis überführt wurde, um zunächst besonders für die großbetriebliche Sphäre aufgegriffen zu werden 1 . Stabsstellen sind als Quellen des besonderen Sachverstandes, als Lieferer abgewogener Information und als Organe der Entscheidungsvorbereitung typischerweise aus der unmittelbaren hierarchischen Vorgesetztenkette ausgeklammert. Sie haben keine eigene Weisungsgewalt gegenüber anderen Teilen des Verwaltungskörpers und sind in der Regel einer Zentrale der Weisungsgewalt zu deren Stärkung angegliedert. Auch über diese erläuternden Worte ist eine Auseinandersetzung möglich. Der Streit läßt sich nur zum Abschluß bringen, indem man schrittweise tiefer i n die Materie eindringt. Eine Summierung unterschiedlicher institutioneller Erfahrung kann für bestimmte Zwecke nützlich oder jedenfalls anregend sein. Sie birgt aber auch die Gefahr der Verzerrung in sich. Es ist die Aufgabe des wissenschaftlich tätigen Menschen, auf solche Verzerrungsmöglichkeiten von vornherein hinzuweisen. Summierung setzt ein Erfassen des Wesentlichen voraus, ein Herausgreifen gewisser Sachkomplexe und Probleme. Wer w i r d den Mut haben, sich das letzte Urteil darüber anzumaßen, welche Dinge nebeneinander zu legen sind, um eine Betrachtung im vergleichenden Sinne zu rechtfertigen? W i r kennen die gleichen Schwierigkeiten in der Rechtsvergleichung, obwohl dort der normative Ausgangspunkt die Möglichkeit fragwürdiger Grundlagen beträchtlich vermindert. Durch Lektüre würde man sich für die Materialsichtung sicherlich nicht allein beraten lassen wollen. Es ist ein großer Gewinn, wenn man lange genug innerhalb organisatorischer Gestaltungen der hier umrissenen A r t zu leben Gelegenheit hatte. Das geschieht selten. Es sollte häufiger möglich sein, Strukturen dieser A r t aus wissenschaftlichem Interesse systematisch von innen zu studieren. Dazu muß man entweder als Mitarbeiter ohne Vorbehalt assimiliert oder aber jedenfalls gewissermaßen als zeitweiser Adoptivsohn empfangen werden: Beide Formen der Vorarbeit 1 Vgl. Morstein M a r x , F r i t z : „ Z u m Ursprung des Stabsbegriffs i n den V e r einigten Staaten: Zuwanderung u n d Anpassung", Verwaltungsarchiv, Bd. 55, 1964, S. 97 ff.; für den Gesamtzusammenhang ders.: Amerikanische V e r w a l tung: Hauptgesichtspunkte u n d Probleme. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 15. Berlin: Duncker u n d Humblot, 1963.

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auf beträchtliche Zeit kommen i n meinen Ausführungen zum Anklang, zumal da eine genauere Dokumentation hier kaum sinnvoll zu sein scheint. II Es mag als erstes interessieren, daß ich als Beteiligter oder Beobachter i n Stabsorganen i n England und Frankreich ebenso wie in der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten als bedeutsamste Schlußfolgerung einen Punkt herausstellen würde: die zunehmende Vergleichbarkeit, wenn nicht Gleichheit der Aufgabengestaltung und der Arbeitsmethodik. Von diesem Satz läßt sich die freie Wirtschaft mit ihren Planungseinrichtungen nicht ausnehmen. Das mag dem Mann der öffentlichen Verwaltung in der deutschen Perspektive zunächst wenig einleuchten. Aber gerade i m privaten Bereich hat sich das methodisch zusammengetragene und sorgfältig ausgewertete Wissen seit langem als wichtigster Faktor für die Risikobegrenzung erwiesen. Vor allem der Großbetrieb sucht der Last des Risikos i n gleicher Weise gerecht zu werden, wie das für die öffentliche Verwaltung zur Begrenzung des Risikos von gravierenden Fehlentscheidungen unerläßlich geworden ist. W i r erkennen darin einen bisher kaum hinreichend gewürdigten inneren Zusammenhang, da beide Bereiche sich traditionell i m Schatten der liberalistischen Theorie weit voneinander abgesondert wähnen. Wenn es in der Bundesrepublik häufiger Berufsvereinigungen der A r t gäbe, wie sie beispielsweise i n den Vereinigten Staaten bestehen, etwa auf dem Gebiet des privaten und öffentlichen Personalwesens 2 , in denen Fachleute aus den verschiedenen Leitungsstrukturen periodisch zu Arbeitskonferenzen zusammenkämen, würden w i r die Gemeinsamkeit der Interessen und des Tätigkeitskreises sehr viel schneller belegen und weiterentwickeln können, als das jetzt der Fall ist. Immerhin ist nicht zu leugnen, daß sich auch i n der Bundesrepublik mancherlei Ansätze zur Stabsorganisation i n der Privatwirtschaft ebenso wie auf den drei Hauptebenen der politischen Verantwortung einschließlich der kommunalen Sphäre wahrnehmen lassen. Daraus erklärt sich, daß i m Rahmen des Forschungsinstituts unserer Hochschule ein Projekt über diese Entwicklung i n die Wege geleitet worden ist, an dem 2 Übrigens gibt es neuerdings eine Sektion Deutschland i n der amerikanischen Gesellschaft für Personalverwaltung, die ihre Mitgliedschaft i n der Privatwirtschaft ebenso wie i n der öffentlichen V e r w a l t u n g einschließlich des Militärwesens findet. Die erste Jahresversammlung der Sektion fand i m O k tober 1966 i n Berchtesgaden statt. Ich sprach dort über „The Base for Personnel Administration — A Comparative V i e w of Management". Die Deutsche Gesellschaft für Personalwesen widmet sich neuerdings überwiegend personalpsychologischen Aufgaben.

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auch der Bundesrechnungshof ein besonderes Interesse zu bekunden scheint. Das Vordringen der Stabsidee bei uns ist vielleicht etwas, was w i r miterleben, ohne es bislang näher beobachtet zu haben. Die Frage, die sich allerdings daraus ergibt, ist die nach der grundsätzlichen Relevanz des Stabsbegriffs für das deutsche Verwaltungssystem. Ist es ratsam, für den eigenen Hausgebrauch kurzerhand aufzugreifen, was unter einem anderen Himmel gediehen ist und dort sinnvoll sein mag? Ich selbst gehöre nicht zu den Missionaren i m Dienst der Verbreitung besonderer Organisationskonzepte, die dann als die unbestreitbar richtigen an den Mann gebracht werden. Ich glaube auch, daß Männer der praktischen Verwaltung ohnehin Bedenken gegen den Begriff des allein richtigen Organisationskonzepts haben würden. Zwar gibt es immer wieder modische Richtungen, die die Entwicklung beeinflussen mögen. Dem Wandel der Entwicklung sollte man natürlich aufgeschlossen wiewohl nicht unkritisch begegnen. Aber w i r wollen von vornherein voraussetzen, daß es ein Ding ist, zu Zwecken der Belehrung Wissenswertes bereitwillig zu absorbieren, und etwas ganz anderes, sich vorschnell vorgeblich fertigen Rezepten anzuvertrauen. Gerade i n der letzten Zeit ist dies Problem i n einem anderen Winkel akut geworden. Ich denke an den seltsamen und fast pathologisch anmutenden Rundlauf der Idee des Ombudsmanns, eines parlamentarisch erkorenen Beschwerdeprüfers aus dem skandinavischen Staatsleben, der über Nacht allen Ländern als Allheilmittel angezeigt wird. I n einer jüngst veröffentlichten Erörterung der Möglichkeiten dieses Modells, die ein kanadischer Kollege herausgegeben hat, bin ich persönlich zum Advokaten des Vorbehalts bestellt worden, um die Grenzen anzudeuten, die der Übernahme fremder Institutionen generell gesetzt sind 3 . Dabei betone ich nachdrücklich, daß es auf Verschiedenes ankomme. Als erstes habe man von einer präzisen empirischen Erfassung des Wesens und der Wirkungsweise der i n Frage stehenden Institution auszugehen. Weiterhin aber müsse man sich darüber Gedanken machen, ob die Institution der Sache nach in den Rahmen dessen hineinpaßt, was als zweckent3

Morstein M a r x , F r i t z : „The Importation of Foreign Institutions", i n Rowat, Donald C. (Hrsg.): The Ombudsman: Citizen's Defender. London: A l l e n and U n w i n , 1965, S. 255 ff. I n wichtigen Punkten zustimmend: Herlitz, Nils: „ R i k s dagens ombudsmän inför främmande fora", Svensk Juristtidning, Bd. 50, 1966, S. 171 ff. F ü r eine vorsichtige Bilanz nach eigener Augenscheinnahme siehe auch Gellhorn, Walter: „The Swedish Justitieombudsman", Yale L a w Journal, Bd. 75, 1965, S. 1 ff. Vgl. ferner Haller, Walter: Der Schwedische Justitieombudsman. Zürich: Polygraphischer Verlag, 1964. Ferner i m breiteren Rahmen: Gellhorn, Walter: Ombudsmen and Others sowie When Americans Complain, beide Cambridge, Mass.: H a r v a r d University Press, 1966; Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, hrsg. i n Verbindung m i t Franz Becker u n d Klaus K ö n i g von Carl Hermann Ule. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 31. Berlin: Duncker & Humblot, 1967.

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sprechend gegeben, organisch gewachsen oder sinnvoll gestaltet zugrundezulegen ist; und wenn ja, mit welchen Modifikationen. Das erfordert ebenfalls sorgliche Prüfung. Gewöhnlich w i r d die Tür nur zögernd geöffnet. Zwar ist die institutionelle Welt der Verwaltung nirgendwo vollends traditionsgebunden, auch wenn Tradition vielfach eine beträchtliche Rolle spielt. Aber die zeitgeprägte Formung der Ämterordnung zeigt meistens eine nicht zu unterschätzende Defensivkraft, die allein genügen mag, um das Gegebene zum System zu erheben und seine Zufälligkeiten als Erbgut zu erhalten. Das sollte auch bei der Würdigung der Verwertbarkeit des Stabsgedankens nicht übersehen werden. III Bereits eingangs ist auf einen beachtenswerten Zusammenhang hingewiesen worden. Ohne das steigende Bedürfnis nach planendem Zielstreben und ausgewogenem Einsatz der Energien der Verwaltung wäre die zunehmende Bedeutung der zivilen Stabsarbeit kaum zu verstehen. Natürlich verbirgt sich hinter der Vorstellung von der planenden Verwaltung ebenso wie hinter dem Stabsbegriff eine Vielzahl organisatorischer Möglichkeiten. Was w i r als erwünscht aufgreifen, wenn w i r auf die Druckpunkte unserer eigenen Umwelt schauen, muß das Ergebnis einer gründlichen Abwägung sein. Es kann sich niemals um eine automatische Übernahme einer anderswo bewährten Gestaltung handeln. Damit ist jedoch nicht das Schlußwort gesprochen. Geradeso wie i n der Fachliteratur in unmittelbarer Aussage über die Staatskanzlei unserer Tage beinahe überhaupt noch nichts zu finden ist, über die Dimensionen ihrer Aufgabe dagegen viel, drängt sich die Planungskomponente i n der wissenschaftlichen Auseinandersetzung allgemein so weit vor, daß man darin fast den letzten Maßstab für die Leistungsfähigkeit des modernen Verwaltungssystems erblicken könnte. Es ist insofern symptomatisch, daß eine neue Serie von Publikationen zur vergleichenden Verwaltungswissenschaft unter amerikanischen Auspizien die staatliche Gestaltungskraft aus der Lage der Planungskapazität in den verschiedenen Ländern einzuschätzen sucht 4 . I m Reigen der europäischen Staaten fällt dort der Bundesrepublik die Palme der „Nicht-Planung" zu 5 . Ganz der entgegengesetzten Seite ordnet diese 4 E i n zusammenhängender Bericht des Herausgebers liegt vor i n Gross, Bertram M.: „National Planning: Findings and Fallacies", Public A d m i n i s t r a tion Review, Bd. 25, 1965, S. 263 ff. 5 A r n d t , Hans-Joachim: West Germany: Politics of Non-Planning. National Planning Series, Bd. 8. Syracuse, N. Y.: Syracuse University Press, 1966.

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Schriftenreihe das heutige England zu, das England des Wilson-Kabinetts, das allerdings zeitlich nur nach den ersten Schritten beurteilt werden konnte 6 . Das Planungssystem der Arbeiterpartei schneidet dabei überraschend gut ab. I n sehr dunklen Farben ist dagegen die italienische Situation gemalt 7 . Der Nachdruck liegt dabei vornehmlich auf dem, was aus der Untersuchung als die Rückständigkeit der italienischen Verwaltung hervortritt. Ihr w i r d vorgehalten, daß sie zu unbeweglich, zu sehr in veralteten Vorstellungen eingefangen sei, um modernen Planungsanforderungen gerecht zu werden. Der Pessimismus mag in dem gleichen Maße übertrieben sein, wie sich auf der anderen Seite in der Schilderung der britischen Alternative eine gewisse Planungsgläubigkeit bekundet. Aber die kritische Note der Studie schwebt nicht über den Fakten, die i m Gegenteil die Grundlage liefern. Mehr noch sei angemerkt: Die Aufzählung der Schwächen des italienischen Verwaltungssystems würde in manchem auch für eine entsprechende Ausmalung des deutschen gelten dürfen. Dabei soll eins in keiner Weise unterschätzt werden: die außerordentliche Schwierigkeit der geistigen Umstellung überhaupt, die erforderlich ist, um die großen auf den Staatsapparat eindringenden Aufgabenkomplexe aufzufangen und geeigneten Stellen zuzuordnen. Wenn w i r dabei nach Erfahrungsgut Umschau halten, braucht allerdings in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Aufspaltung der Welt nach nationalen Bereichen weniger Hemmungen zu erwecken. Natürlich verbleibt, wie schon hervorgehoben, die Frage der praktischen Verwertbarkeit von allgemeinen „Lehren", auf die eine A n t wort nur durch verständige Würdigung i m Sinne einer objektiven Veranschlagung der maßgeblichen Faktoren zu gewinnen ist. Aber die Unzulänglichkeit hergebrachter Grenzziehung t r i t t bereits darin zutage, daß sich die vergleichende Betrachtungsweise heute zunehmend auf Parallelerscheinungen in der öffentlichen Verwaltung und in der privatbetrieblichen Verwaltung erstreckt. Was erklärt dies Maß der Gemeinsamkeit i n weiten Bereichen des Organisationslebens, trotz unverkennbarer Unterschiede sowohl in der letzten Zielsetzung wie auch in den äußerlichen Aspekten? Der Grund liegt auf der Hand. Die Impulse der Angleichung entspringen vornehmlich dem Werden der industriellen Gesellschaft selbst. Unter diesem Einfluß finden sich „Staat" und „Wirtschaft", vormals in der Regel als getrennte Phänomene behandelt, in einem und demβ Hagen, Everett E. u n d White, Stephanie F. T.: Great B r i t a i n : Quiet Revolution i n Planning. National Planning Series, Bd. 6. Syracuse, N. Y.: Syracuse University Press, 1966. 7 LaPalombara, Joseph: I t a l y : The Politics of Planning. National Planning Series, Bd. 7. Syracuse, N. Y.: Syracuse University Press, 1966.

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selben Boot. Das verallgemeinert zwangsläufig Schritt um Schritt die Daseinsordnung der Nationen. W i r dürfen uns nicht durch die Verschiedenheit der Verfassungssysteme täuschen lassen. I m Fortschreiten der industriellen Gesellschaft tauchen überall identische Probleme auf. Damit werden die Möglichkeiten einer vergleichenden Bestandsaufnahme besonders einladend. Ein wachsamer deutscher Beobachter sagte mir kürzlich, daß i n dieser Entwicklung die schicksalsmäßig vorne liegenden Länder gewissermaßen Signaldienst tun. Das gestatte den anderen eine interpretative Pause. Sie könnten aus dem, was sich anderenorts ereigne, ihre eigenen Schlüsse ziehen. Das gelte auch gerade für den Gang der Dinge und für die dadurch bestimmte Entfaltung der öffentlichen Verwaltung i n den Vereinigten Staaten. Diese Erwägung erinnert an die These eines der originellsten Köpfe unter den frühen amerikanischen Sozialwissenschaftlern, Thorstein Veblen, daß die bewußte Übernahme von Erfahrungsgut zu Verbesserungen führt. I n einem für viele längst vergessenen Buch aus dem ersten Weltkrieg über das kaiserliche Deutschland wies er darauf hin, wie sehr die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dadurch gehoben wurde, daß sie von der zweiten Phase des englischen Fabrikwesens unter Vermeidung der Fehlansätze der ersten Phase ausgehen und damit eine ganze Stufe überholter und deshalb belastender Investitionen überspringen konnte. Ähnlich liegt es mit der Erkundung der praktischen Bedeutung der Elektronik für wirtschaftliche und soziale wie gleichfalls für rein wissenschaftliche Zwecke. I n der Frontlinie haben die Amerikaner schon aufgrund ihrer industriellen Führungsstellung vielfach für die übrigen Teile der Welt Vorarbeit geleistet. Aus ihren Fortschritten und Fehlschlägen konnten andere Länder ohne eigenes Risiko lernen.

IV Die industrielle Gesellschaft i m Werden ist ein vereinigendes Element, das dem förderlichen Vergleich besonders weiten Raum gewährt. Was läßt sich i n Kürze über ihr Wesen sagen? Die Tagesliteratur ergeht sich dazu meist i n düsteren Prophezeiungen. I n die Ströme von Druckerschwärze mischen sich die Tränen von besorgten Kulturanthropologen, die den Menschen in eine ihn versklavende Massengesellschaft hineinstolpern sehen, ein graues Gefängnis der Individualität. I m Gegensatz zu denen, die darob i n Verzweiflung die Hände ringen, bietet die heutige Daseinsordnung ein ganz anderes Bild, wenn sie von unten betrachtet wird, etwa aus der Perspektive des Straßenbahnschaffners. Für ihn ist die markante Anhebung der gesellschaftlichen „Infrastruktur" etwas

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sehr Positives. I n der Tat macht der „Sozialstaat" als umfassendes Versicherungsinstitut die freie Wirtschaft unserer Tage erst auf Dauer möglich. Wie immer man über diese Dinge sprechen wollte, eins darf jedenfalls vorausgesetzt werden. W i r haben es hier mit einer A r t von universalem Vorgang der sozialen Verdichtung zu tun, i n dem der größte Teil der modernen Welt eingefangen ist. Die Menschheit verspürt ein Aneinandergedrängtwerden, eine Verringerung des Raumes, i n dem man sich ohne Rücksicht auf das Interesse anderer gehenlassen kann. Dem steht eine scharf gegenläufige Tendenz gegenüber: das Gefühl der individuellen Isolierung. Vielleicht ist das die Folge der Zerreibung von verbindenden Sozialideologien. Jedenfalls fehlt es auch als „staatsbürgerliche Religion" an einer allgemein vertretbaren Konzeption, die dem Einzelnen seinen Platz als Teilhaber i n der erheblich verdichteten Sozialsituation ausweist. Er ist hilflos, wenn er nicht auf dem Zahlungsweg seine eigenen Lebensnotwendigkeiten decken kann, obwohl er wie ich noch gelegentlich Quitten einkochen mag. Es sollte nicht erstaunen, daß der Wandel i n der Sozialstruktur die staatliche Ordnung an zahllosen Punkten berührt. Die Auswirkungen treffen vor allem die öffentliche Verwaltung. Was besonders ins Auge springt, ist das genugsam erörterte Aufgabenwachstum, ein Vorgang, der hinreichend bedeutsam bleibt, auch wenn w i r an den liebevollen Variationen eines Parkinson vorübergehen möchten. Das Aufgabenwachstum scheint letzten Endes aus dem Aufstieg der industriellen Gesellschaft selbst dirigiert zu werden. Obwohl es dabei natürlich ohne die Billigung der gesetzgebenden Gewalt nirgendwo abgeht, läßt sich doch nicht behaupten, daß das Gesamtergebnis je einer plebiszitären Entscheidung unterworfen worden sei, bei der jedermann nein oder ja sagen könnte. Allerdings: Wie wäre eine solche Generalentscheidung überhaupt erzielbar? Das Ansteigen der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung paart sich mit einem weiteren Faktor. Das ist die gleichzeitig zunehmende funktionale Streubreite der einzelnen Aufgaben. Das Charakteristische in der Verwaltungstätigkeit unserer Zeit ist eine wechselseitige Verflechtung von Aktionsbereichen, die wiederum durch das Maß der sozialen Verzahnung bedingt ist. Überall drängt sich dem Beobachter die gleiche Erkenntnis auf: Es gibt kaum mehr eine wesentliche öffentliche Aufgabe, die allein aus sich heraus oder nur auf der einen, der zweiten oder einer dritten der uns bekannten Ebenen der politischen Willensbildung in der Spannweite vom Nationalen zum Kommunalen wahrgenommen werden kann. Fast immer kommt es aus zwingenden Gründen zu einer funktionalen Aufteilung zwischen diesem Ressort und jenem Ressort. Das meist

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unwillige Zusammenrücken der Ressorts ist unerläßlich, auch wenn das Hineingestoßenwerden i n neue Zuständigkeiten von dem einzelnen Ressort i n der Regel trotz Erkenntnis der funktionalen Streubreite begrüßt wird. Sobald man diese funktionale Verflechtung in der Sphäre der Verwaltung i n den umfassenden politischen Rahmen überträgt, w i r d offensichtlich, wie sehr das unmodifizierte Ressortprinzip hinfällig geworden ist 8 . Nicht zum letzten i n der Demokratie sieht sich eine verantwortliche Staatsführung der Notwendigkeit gegenüber, ihre Verantwortung auf ein programmatisches Gesamtkonzept auszurichten. Das ist praktisch von größter Bedeutung. Die politische Lenkung kann es sich nicht leisten, auf dem Gletschergeröll der Ressortautonomie dahinzutänzeln oder von einzelnen losen Blöcken dahingetragen zu werden. Gibt es die Möglichkeit, i n angemessener Weise aus dem Gesichtspunkt der Gesamtverantwortlichkeit eine Entscheidungsgrundlage zu entwickeln, die die notwendige Elastizität hat, sodaß sie sich nicht als prozeduraler Selbstzweck verhärtet und am Ende unter Druck zerbricht? Ein Verlaß auf bloße Formalitäten und selbst auf Verfassungsklauseln wäre illusionär. Die zentrale Frage w i r d dann die nach der institutionellen Ermöglichung einer Gesamtverantwortung auf der politischen Ebene, insbesondere der Ebene entweder des Kabinetts oder eines persönlich verantwortlichen Regierungschefs. Wie kann angesichts der ständig wachsenden funktionalen Selbstgenügsamkeit i n der Vielheit der ressortmäßig konstituierten Apparate die Einheit der verantwortlichen Lenkung des Verwaltungskörpers selbst, des alle umfassenden Apparats gesichert werden? Man muß sich daran erinnern, daß i m Verlauf des vergangenen Jahrhunderts und bis i n das unsere hinein das Wachstum der organisatorischen Teile des Verwaltungssystems auf den verschiedenen politischen Ebenen keineswegs ausgeglichen war, wenn die Dinge statistisch analysiert werden. 8 I n einer früheren Zeit empfahl sich straffe Ressortabgrenzung gerade vornehmlich als ein Weg zur Verantwortung. Als ein Beispiel sei erwähnt, daß am Vorabend der m i t dem Jahre 1830 i n Sachsen begonnenen Reformen unter der Führung von Bernhard August von Lindenau einer der Besserer, E m i l von Uechtritz, i n seiner Denkschrift von 1829 dem diskretionären höfischen Machtspiel nachdrücklich entgegentrat. Als Gegenmittel forderte er „die Berufung von Fachleuten m i t scharf voneinander getrennten Aufgabenbereichen, so daß keiner außerhalb seines Ressorts Einfluß habe. I m Hofe sollten eine Menge unnützer und kostspieliger Stellen verschwinden, u m jährlich 25—30 000 Taler einzusparen, u n d ein Hausminister sollte die einheitliche Leitung übernehmen. Die Hofetikette sollte man von G r u n d auf erneuern und dabei die bisherigen vielen Dispense u n d Ausnahmen beseitigen und durch ein folgerechtes System ersetzen". Schmidt, Gerhard: Die Staatsreform i n Sachsen i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine Parallele zu den Steinschen Reformen i n Preußen. Weimar: Böhlaus Nachfolger, 1966, S. 318.

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Dabei brauchen w i r uns übrigens wiederum nicht auf die Bundesrepublik zu beschränken. Allenorts erkennt man sofort das gleiche: ein i m großen und ganzen stetes Erstarken der zum Verwaltungshandeln bestimmten Extremitäten, der Ressorts, begleitet von einer seltsamen Zurückhaltung in der Kräftigung des Hauptes zwecks Anpassung an die neuen Aufgaben. Wenn man das B i l d der heutigen Verwaltung in quantitativer Generalisierung zeichnet, sehen w i r einen Körper, der von der massiven Muskulatur der Glieder beherrscht zu sein scheint, während der unterentwickelte Kopf kaum i n Erscheinung tritt. Was sind die Wirkungen dieser frappanten Disproportionalität auf die Verwaltungsleitung? Auch hier bewegen w i r uns nicht i n einem völlig unerforschten Gelände. Einiges läßt sich darüber auch in Kürze sagen, wenngleich die Zusammenfassung aller zugehörigen Einzelheiten eine Monographie rechtfertigen würde. Beginnen w i r mit einer elementaren Einsicht: Die Oberleitung über ein verzweigtes Verwaltungssystem begegnet schon aus der Größenordnung ungeheuren Schwierigkeiten, sofern man sich nicht damit bescheidet, eine Direktion nur i m nominellen Sinne aufrecht zu erhalten. Daß rein formal eine Oberleitung vorgesehen ist, daß dahingehende Verantwortlichkeiten normativ aufgezeigt sind, gewährleistet selbstverständlich keine effektive Lenkung, für die ernstlich eine Verantwortlichkeit übernommen werden könnte. Effektive Lenkung setzt Information voraus, Kenntnis davon, wie die Dinge i n den verschiedenen Teilen des Apparats stehen, was weiterer Regelung bedarf, wo besondere Initiativen erforderlich sind. Auf sich selbst gestellt würde die Leitung bereits der Überlastung des Kommunikationsstranges nach oben erliegen. Vor allem werden die Trivialitäten das Bedeutsame überfluten. Ohne eine Aufnahmestelle als Vorschaltung und als Ordnungsinstrument ließe sich eine systematische Erfassung dessen, was für die Leitung wichtig ist, kaum sicherstellen. Ohne ein solches Instrument würde der Zufluß an Kommunikationen an das Zentrum viel zu verwirrend, viel zu sehr dem Zufall ausgesetzt, viel zu sehr Hemmungen, wenn nicht sogar Blockierungen unterworfen sein. Dies wäre ein Rezept für die Vereitelung einer verläßlichen Unterrichtung über die Gesamtsituation. Ebenso wichtig ist geplante Vorsorge für gezielte Kommunikation nach unten. Nicht minder dringlich für die Leitung ist fortlaufende Sachverstandslieferung, um ein Fundament für grundlegende Entscheidungen zu gewinnen. Mehr und mehr kommt es dazu, daß die fachliche Information der Behördenwelt aus der Berührung der Verwaltungsdienststellen mit den verschiedenen funktionalen Gruppierungen der Sozialstruktur konturiert wird. Das fördert eine Kombination von Gesichtspunkten, die für einzelne organisierte Teile der Öffentlichkeit typisch sind, mit langfristig

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geprägten Ressortinteressen. I m Ergebnis entsteht so eine von Einseitigkeiten keineswegs freie Berichterstattung an die Oberleitung. A l l dies ist durchaus nicht unbekannt. Es w i r d auch von amtlicher Seite als Gefahr gewürdigt. Erst unlängst hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium ein Gutachten zur Verbesserung des Zusammenwirkens staatlicher und nichtstaatlicher Kräfte erstattet, das sich ebenfalls dem Problem der behördlichen Urteilsgrundlage zuwendet. Es ist ein lehrreiches Dokument, das i m Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung sozusagen unter dem Strich zu stehen scheint 9 , aber besser i n jedem Ministerium ausgehängt sein könnte. Dort w i r d erklärt: „Zwischen der Regierung und den Interessenverbänden besteht ein ständiger Kontakt." Daraus ziehe die Regierung einen gewissen informatorischen Gewinn. Aber dem stehe ein Nachteil gegenüber: „Unter diesen Umständen sind die Informationen unvermeidlich von Interessenstandpunkten bestimmt und daher einseitig." Ein korrigierender Einfluß läßt sich kaum anders vorsehen als i n der Form einer besonderen Sachverstandsquelle als Hilfsorgan der Leitung. Hier zeigt sich bereits, daß in der mehr oder minder ständigen Fühlungnahme zwischen den Ressorts und den organisierten Interessen eine A r t von geistiger Koalition entstehen kann. Unabhängig davon aber führt die amtliche Beschäftigung mit den Problemen eines bestimmten Sachbereichs für den Ministerialreferenten zu einer begreiflichen Einengung seiner Perspektive. Die Welt drängt sich für ihn zunehmend i n seiner Funktion zusammen. Ein bestimmtes Segment dominiert sein Denken mit einem so unabweisbaren Anspruch auf Betreuung, daß es schon deshalb einer zusammenhängenden Behandlung durch Abstimmung mit anderen relevanten Sachverhalten entgleitet. Der Referent ist bereits, wie gestern hier ein Kenner sagte, manchmal soweit fragmentiert, daß er zwar für den sechsten Paragraphen der Novelle generell zuständig ist, aber die Einschaltung eines modifizierenden Absatzes einem spezieller qualifizierten Kollegen überlassen wird, da solche Sonderkenntnis nicht mehr i n der Reichweite seiner eigenen Kompetenz liegen mag. Je mehr die Referentenarbeit ressortmäßig orientiert ist, um so eher bleibt sie von vornherein der Parzellierung verfallen. Umso weniger leicht fügt sie sich daher i n eine programmatische Konzeption i m eigentlichen Sinne ein. Anstelle eines Gewebes gibt es ein Durcheinander von Fäden. Die Sachverstandslieferung an die Oberleitung gerät i n Abhängigkeit von der Autarkie des Fachmanns. Gerade die gegenteilige Ten9 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium: Gutachten zur Verbesserung des Zusammenwirkens staatlicher u n d nichtstaatlicher Kräfte, „ Z u r wirtschaftspolitischen Gesetzgebung". B u l l e t i n des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung v. 6. März 1965, Nr. 41, S. 330.

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denz wäre i m Interesse der zusammenfassenden Verantwortlichkeit zu fördern. Dieser aus dem nackten Ressortprinzip unvermeidliche Isolierungseffekt macht die Betonung breiter Öffentlichkeitsinteressen ohnehin fragwürdig. Die vorherrschende Verwaltungsstruktur ist insoweit programmfeindlich. Das ist keineswegs allein so i n der Bundesrepublik, aber hier besonders deutlich. Man könnte, abgestuft nach verschiedenen Graden, von einer eingebauten Diskrepanz reden, einer A r t von Feudalismus. Es bedarf einer Gegenorganisation, um darauf hinzuwirken, daß i n allen bestimmt umrissenen Bereichen die Dinge universal erfaßt und universal behandelt werden. Die Verbindung mit den größeren Gesichtspunkten darf nicht aus dem Blickfeld der Beteiligten verschwinden. Wenn sich das nicht von selbst versteht, zeigt sich als Konsequenz, daß die allgemeine Öffentlichkeit zur bloßen Floskel wird. Sie weicht der organisierten Gruppe, die mit dem Ministerium eine zu innige Beziehung entwickeln kann. Der Generalnenner der Öffentlichkeit verblaßt demgegenüber zu einer schattenhaften Angelegenheit. Bedenken w i r : Das Allgemeine hat i m Forum der Verwaltung kein unmittelbares Organ. Es hat keine eigene Stimme. Es kann sich i n zusammenhängender Weise gar nicht selbst begreifen. Es t r i t t mehr und mehr zurück, als eine vage und ferne Linie. Ohne programmatische Artikulierung w i r d es zu einer passiven Größe i n der Situation unserer Zeit.

V Aus der Erkenntnis dieser eminent praktischen Faktoren ist der A n stoß zur Erkundung dessen gekommen, was für unsere Arbeitstagung ein hauptsächliches Anliegen ist. I n Kürze: Wie kann man zu einer heilsamen A r t von Gegenwirkung gelangen? Dazu ist an erster Stelle zu vermerken, daß die Antwort auf diese Frage nicht i n der Verwirrung widersprüchlicher Beobachtungen untergeht. Man darf i m wesentlichen allgemein sprechen, ohne weitgehende Einschränkungen für jedes bestimmte Verwaltungssystem. Überwiegend ist die reformatorische Formel von der Erkenntnis ausgegangen, daß ein zusammenfassendes Eingehen auf die Interessen der Allgemeinheit und damit eine Übernahme der Verantwortung ihr gegenüber allein auf der höchsten Ebene der Verantwortlichkeit für die Gesamtheit des Verwaltungsgeschehens zu erzielen sei. Dementsprechend lautete die Parole dahin, daß i n erster Linie eine Stärkung des Hauptes der Verwaltung erreicht werden müsse. Dabei wurde vorausgesetzt, daß dies Haupt aus der verfassungspolitischen Konstellation als treuhänderischer Auftragsempfänger der A l l gemeinheit auftreten könne. 9

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Wenn man vom Haupt redet, geht es um das letzte Wort, dem eine Denkleistung Autorität verleihen muß. Die Stärkung der analytischen Kapazität und damit der echten Verantwortlichkeit des Hauptes hat man bei den Reformbemühungen i n Richtung auf mehrere Möglichkeiten angestrebt. A u f der einen Seite hat die Oberleitung die vielverzweigte Organisation der Verwaltung für sich zu gewinnen, was ein hohes Maß von Apparatkenntnis erfordert. Die Oberleitung muß sich nach innen und unten erklären können, um an allen maßgeblichen Punkten ein verständiges Aufgreifen ihrer Ziele zu ermöglichen. Sie muß bereit sein, zu diesem Zwecke ebenso wie zur Verwirklichung ihres Programms nach außen strukturelle Umgestaltungen i m Verwaltungsaufbau einzuleiten. Sie muß vor allem aus eigener Initiative i n positiver Weise auf das allgemeine Arbeitsklima i n allen seinen Aspekten einwirken. So w i r d sie nicht nur zu einer Leistungssteigerung, sondern auch zu einer Sicherung ihres Führungsanspruchs kommen. Sie w i r d ferner nach einer vertrauenerweckenden Bewertung dessen trachten, was i m Arbeitsverlauf der Behörden wirklich geschieht. A l l das erfordert leitungseigene Organe. Noch wichtiger ist die Programmformulierung selbst. Aus ihr entsteht die Bindung durch Sachbezüge. Nebeneinander laufende Dinge müssen miteinander so verzahnt werden, daß die mannigfaltigen amtlichen Tätigkeiten sich als einzelne Glieder zu einer Kette zusammenfügen. Nur für das, was so als geschlossenes Werk gelten kann, läßt sich auf Seiten der Regierung und der sie tragenden Parteikonstellation eine eigentliche politische Verantwortung übernehmen. Was letztlich ins Gewicht fällt, ist eben das gesamte Geschehen. Angesichts der oben erörterten Kombination von Aufgabenwachstum und zunehmender funktionaler Streubreite entwickelt sich die programmatische Bindung und Zusammenfassung zu einem der wesentlichsten Faktoren i n der Neuorientierung der öffentlichen Verwaltung. A l l e i n daraus ist es möglich, den Brückenschlag zu den Organen der politischen Willensbildung zu vollziehen. Nur unter der Disziplin des Programms läßt sich i n der anderen Richtung eine auf die Öffentlichkeit orientierte Verwaltungsleistung erwarten. Das ist die beste Grundlage für eine bewußte Pflege der Beziehungen zum Publikum. Es ist nicht ohne Interesse, daß diese Gesichtspunkte selbst unter der Last der Tagesgeschäfte auf der Führungsebene i n den modernen Verwaltungsgebilden Beachtung finden. Die informatorischen Bedürfnisse sind unerbittlich, wenn man sich die Frage stellt, ob die institutionelle Leistungskraft voll aktiviert ist, was wiederum das bewertende Urteil der Öffentlichkeit beeinflussen würde. Eine lehrreiche Verlautbarung über die Kausalzusammenhänge, die eine programmatische Sicht erzwingen, sei als Beispiel zitiert. Sie findet sich in einer kurzen offiziellen

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Ä u ß e r u n g aus d e m W i r k u n g s b e r e i c h einer I n s t i t u t i o n , a n die w i r v i e l leicht n i c h t ohne w e i t e r e s d e n k e n w ü r d e n : des E u r o p a r a t s . D e r G e n e r a l s e k r e t ä r e r ö r t e r t d o r t i m Z u s a m m e n h a n g m i t einer E n t s c h l i e ß u n g des M i n i s t e r k o m i t e e s , a u f welche Weise der R a t d e m E r f o r d e r n i s gerecht w e r d e n k ö n n t e , seine verschiedenen T ä t i g k e i t s k o m p l e x e i n e i n e m ausg e w o g e n e n P r o g r a m m zusammenzufassen 1 0 . Es h e i ß t d o r t : Zieht man ein solches Programm i n Erwägung, so k o m m t e i n e . . . überraschende Tatsache ans Tageslicht. Obwohl der Europarat seit fünfzehn Jahren besteht u n d sich i m Laufe der Zeit durch ein vielfältiges System von Sachverständigenausschüssen m i t einer großen Zahl verschiedener Gebiete befaßt hat, entwickelte man kein geeignetes Verfahren zur Aufstellung eines zusammenhängenden Arbeitsprogramms der einzelnen Organe des Europarats. Viele gute Ideen kamen aus dieser Versammlung, andere w u r d e n von den Regierungen vorgebracht, wiederum andere entstanden i n den Sachverständigenausschüssen oder schließlich aus der Konsultation m i t anderen internationalen Organisationen. Aber es bestand kein geeignetes Verfahren, w e l ches es gestattet hätte, einen neuen Vorschlag zur Arbeit des Europarats i m Ganzen i n Beziehung zu setzen oder aber das gesamte Arbeitsgebiet systematisch daraufhin zu prüfen, wo Mängel liegen u n d wo Fortschritte erzielt w e r den können. Es w a r i n der Tat schwierig für die Mitglieder dieser Versammlung, für Regierungsvertreter oder selbst für den Generalsekretär, ohne lange Erkundigungen i n verschiedenen Teilen des Hauses eine klare Vorstellung davon zu bekommen, was der Europarat auf einem bestimmten Gebiet t a t sächlich leistet. Keine internationale Organisation wie die unsere kann aber ohne ein solches Verfahren zu einer klaren Zielsetzung gelangen. Deshalb habe ich innerhalb des Sekretariats einen kleinen Planungsstab eingerichtet. Ist er zur Zeit noch bescheiden, so hat er doch schon wertvolle Ergebnisse erzielt. Dieser Planungsstab hat keine eigenständigen Befugnisse. Er ist Teil eines analytischen und kritischen Instrumentariums, das den Mitgliedern dieser Versammlung und den Regierungen zur Verfügung steht, w e n n sie sich über unsere Tätigkeit auf bestimmten Gebieten unterrichten oder neue Vorschläge i m Rahmen unserer übrigen Arbeitsgebiete prüfen u n d bewerten wollen. Ich selbst werde mich jedenfalls hierauf stützen, u m ein zusammenhängendes Programm für unsere Tätigkeit auf zwischenstaatlichem Gebiet aufzustellen; dieses Arbeitsprogramm w i r d sich über mehrere Jahre erstrecken u n d dem Ministerkomitee zur Annahme vorgeschlagen werden. T r o t z i h r e r K n a p p h e i t b i e t e t diese Skizze eine anschauliche D a r s t e l l u n g der F a k t o r e n u n d der E r w ä g u n g e n , die z u der S c h a f f u n g v o n besonderen O r g a n e n f ü h r t , v e r m ö g e derer d i e o f t vernachlässigten I n t e r essen der L e i t u n g a n I n f o r m a t i o n e n , K l a r s t e l l u n g v o n S a c h v e r h a l t e n u n d Durchdenken v o n Entscheidungsalternativen befriedigt werden können. 10 Die Europäische Zusammenarbeit. Neue Zielsetzung f ü r den Europarat. E r k l ä r u n g von Generalsekretär Peter Smithers vor der Beratenden Versammlung am 4. M a i 1965 gemäß Entschließung (57) 26 des Ministerkomitees (Übersetzung aus dem Englischen), S. 4. Ich verdanke den Hinweis darauf H e r r n Regierungsrat Dr. Georg Roth, Referent am Forschungsinstitut unserer Hochschule.

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Aber lassen sich Bedürfnisse solcher A r t nicht aus dem vorhandenen Apparat decken? Gibt es nicht i n jedem Apparat wertvolle Wissensquellen i n der Unterführerschaft, den Hauptabteilungsleitern, den Sektionschefs, hinunter bis zum letzten Vorgesetzten? Es ist sicher richtig, wie w i r alle aus praktischer Erfahrung wissen, daß i n hierarchisch geordneten Strukturen, in jedem Betrieb und jeder Behörde nützliche Erfahrungen und gute Einsichten ebenfalls auf den Unterleitungsebenen zusammenfließen. Auch wenn die Untergruppe sich völlig an ihre Funktionen verliert, werden i n ihr mannigfache Informationen greifbar, ganz zu schweigen von dem, was sich selbst aus rudimentären Bearbeitungsstatistiken herauslesen läßt. Weder die Weisheit noch das Informationsgut i n der mittleren Leitungsstruktur kann an der Spitze entbehrt werden. Man muß jedoch hinzusetzen, daß i n allen Organisationen die Vorgesetztenkette i n der Hierarchie i n der Hegel überlastet ist. Die vorhandene Erfahrung kann nicht leicht für Verwendung weiter oben mobilisiert werden. Der Tag verlangt zu viel. Es handelt sich schließlich um mehr, als i n der Leiterkonferenz nur ein gelegentliches Wort zu sprechen oder stöhnend einen periodisch fälligen Bericht fertigzustellen. Die verantwortliche Oberleitung benötigt eine gezielte Auseinandersetzung über akut werdende Probleme und muß sich auf eine laufende Bereitschaft dazu verlassen können. Schon der Druck der Tagesarbeit steht einer entsprechenden Entfaltung der Beratungsmöglichkeiten aus den einzelnen Funktionsbereichen der Organisation entgegen. Damit paart sich ein weiteres. Selbst der beste Kopf auf den Ebenen der Unterführung, wie gut er auch unterrichtet sei, denkt i n der Regel i n der Perspektive seines eigenen Arbeitskreises. Wenn er aus seinem Fenster blickt, eröffnet sich i h m kaum je die umfassende Blickweite, vor der die Oberleitung nie die Augen schließen darf, auch wenn sie es zu ihrer Seelenruhe vielleicht gern tun möchte. Ja, der Mann der Unterführung verteidigt gewöhnlich jedenfalls unbewußt die kosmische Eigenständigkeit seiner umgrenzten Welt, i n der er Herr sein möchte. Die umfassende Blickweite erweckt deshalb meist sogar seine Ungeduld. Sie würde ihn aus seiner Hochburg ziehen. Er mag zwar ein scharfer K r i t i k e r der Oberleitung sein. Dennoch ist es gewöhnlich K r i t i k aus seiner Ecke. Diese perspektivische Schwierigkeit zeigt sich auch i n anderer Weise. Überall i n der öffentlichen Verwaltung und nicht minder i m privatbetrieblichen Bereich ist ein unbehobener Mangel wahrzunehmen. Er w i r d deutlich i m Gespräch mit leitenden Persönlichkeiten, wenn die Frage berührt wird, woher sie zu ihrer Beratung in ihrer eigenen Sphäre Mitarbeiter nehmen können, die i n der Tat die Behörde oder den Betrieb insgesamt kennen. Die Schwierigkeit, Menschen zu finden, die wirklich über das Ganze genügend bescheid wissen, w i r d sich nur durch geeignete

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Maßnahmen vermindern lassen, wobei Orientierungsprogramme und Personalzirkulation von erster Bedeutung sind. Wer andererseits die Organisation i n ihrer Allgemeinheit zu sehen hat, muß über das Engere aufsteigen können. Er muß vor allem insoweit als „Königsmann" die Interessen der Oberleitung gegenüber dem eigenbezogenen Partikularismus zur Geltung bringen 1 1 . Das Partikuläre, so dürfte man sagen, ist schon als Folge der Arbeitsteilung die gegebene Naturkraft. Das Band des Zusammenhangs ist dagegen nur mit Mühewaltung zu flechten und mit Anstrengung am Platz zu halten.

VI Eine solche Kraftleistung läßt sich demnach aus den Gegebenheiten der unmodifizierten Hierarchie nicht erwarten. Das Gewicht dieser Erkenntnis erklärt, weshalb es zum Aufbau von Einrichtungen kommt, die robuste Hilfe versprechen. Wären sie rein stationär, so würde der A r m der Leitung nicht verlängert werden, abgesehen von dem ihrerseits unmittelbar empfangenen Gewinn. Anders wenn die Hilfe beweglich einsatzfähig gestaltet werden kann. Beweglich einsatzfähige Hilfe erfordert Organe, die so konzipiert sind, daß sie nach Bedarf überall i m Gesamtbereich der Organisation ihrem Zweck dienen. Damit entgeht der Zweck bereits der Lokalisierung und w i r d zum Agenten des umfassenden Interesses. Die zusätzlichen Organe bringen die Leitung schon als deren Augen und Ohren i n engere Verbindung mit der Vielheit von Teilbereichen der Organisation. Sie erhöhen die innere institutionelle Transparenz. Sie verstärken den Ausstrahlungseffekt der Leitung, indem sie deren Gesichtspunkte i n der Organisation an den verschiedensten Punkten verdeutlichen. Sie werden gleichzeitig insoweit zu Mittlern zwischen den unteren Ebenen und der Spitze, als sie Ideen, Bedenken und Vorschläge nach oben tragen, wenn anderenfalls der Absatz dort auf Hindernisse 11 Wenn der Apparat nicht einfach die Leitung dahintragen soll, bedarf es des s t r u k t u r e l l organisierten Leitungseinflusses, der stark genug sein muß, u m Trägheit, Eigenwilligkeit oder Widerstand i m Apparat zu überwinden. Das Vorhandensein dieses Problems läßt sich natürlich geschichtlich w e i t zurückverfolgen. E i n Beispiel: Nachdem schon u m die M i t t e des 16. Jahrhunderts ein persischer Herrscher sich bemüht hatte, die Macht der Stammesaristokratie i n der V e r w a l t u n g der Provinzen „durch Bevorzugung fremd völkischer Elemente zurückzudrängen", gelang der „entscheidende Schritt" erst später einem anderen. „Selbst durch einen revoltierenden Statthalter auf den Thron gehoben, hatte er es sich zum Ziel gesetzt, hinfort den Unabhängigkeitsgelüsten der Stammesaristokratie durch die Schaffung einer Truppe von Königsknappen (qullar) zu wehren". Röhrborn, Klaus-Michael: Provinzen u n d Zentralgewalt Persiens i m 16. u n d 17. Jahrhundert. Studien zur Sprache, Geschichte und K u l t u r des islamischen Orients, N. F. Bd. 2, B e r l i n : De Gruyter, 1966, S. 31.

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stoßen könnte. Sie stellen überdies unmittelbar zugängliche Arbeitskreise dar, denen die Leitung ihr wichtige Aufgaben zuweisen kann, vor allem i n der erforderlichen Konkretisierung von Aktionsvoraussetzungen. Die Leitung vermag dadurch eher der Gefahr zu begegnen, durch das Übermaß der ungeachtet mangelnder Entscheidungsreife nach oben steigenden Dinge überwältigt zu werden. Aus der Verbindung dieser Umstände entsteht die durch organisatorische Logik geförderte Tendenz, dergleichen Organe an das Haupt der Verwaltung selbst anzuschließen. I n ihrer auf die Interessen der Leitung gerichteten Orientierung w i r d auch die Erfüllung spezialisierter Aufgaben i m Sinne der umfassenden Verantwortlichkeit des Hauptes der Verwaltung zusammengefaßt. Diese Spezialaufgaben mögen i n der fortdauernden Analyse von organisatorischen und verfahrenstechnischen Problemen, i n der Haushaltsplanung und Ausgabenkontrolle, in der Prüfung von Gesetzgebungsvorhaben, i m Studium der wirtschaftlichen Entwicklung, i n der Programmbewertung oder i n der Koordination der Ressortarbeit bestehen. Hohe Qualität der Arbeitsleistung muß sich dabei für den Spezialisten mit ausgeprägtem Sinn für Gruppenarbeit und Weite des Horizonts verbinden. Die Leitung muß aus jedem der funktionalen Bereiche frühzeitig über Dinge hören, die erst aus Anzeichen sichtbar werden. Wie der damalige Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen als Fachmann bei der Eröffnung der Technischen Akademie Wuppertal i m Oktober 1965 sagte, der Schwerpunkt i n der Fortbildung von Führungskräften liege für die Zukunft darin, daß der Gesichtskreis „entscheidend erweitert" werde 1 2 . Es sollte sich von selbst verstehen, daß Stabsstellen auch i n den ihnen zugewiesenen Arbeitssphären ebensowenig eine ausschließliche Zuständigkeit i m monopolistischen Sinne ausüben, wie ihnen eine Weisungsgewalt aus eigenem Recht zukommt. Sie sind bestens Sammelpunkte des Sachverstands. Sie verbleiben i n einer wettbewerblichen Situation. Sie sind für die Leitung von stark gemindertem Wert, wenn sie sich i n der Organisation absondern. Ihre eigentliche Stärke liegt i n ihren Arbeitsbeziehungen, nach oben zur Oberleitung wie gleichfalls zu den Abteilungen, den Ressorts. Schon aus den Rekognoszierungsaspekten der Stabsarbeit ergeben sich Arbeitsbeziehungen zu den verschiedenen Teilen der Organisation. Kein Teil hat Anlaß, sich dabei zu einem passiven Element hinabdrängen zu lassen. I m Gegenteil: Es kommt häufig zu sachlichen und auch unsachlichen Auseinandersetzungen. Das fördert schöpferische 12 Festschrift der Technischen Akademie Wuppertal zur Eröffnung des E r weiterungsbaues am 7., 8. u n d 9. Oktober 1965. Die Fortbildung von Führungskräften für die Aufgaben i m letzten D r i t t e l des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von der Technischen Akademie e. V., Wuppertal, S. 28.

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Spannungen, auch wenn einmal die Funken fliegen. Reibungen können dazu beitragen, daß die Qualität der Arbeit sichergestellt wird. Eins aber ist offensichtlich. Für die Nutzbarmachung des Stabsgedankens bedarf es eines verständigen Bemannungsmodells. Für eine traditionalistische Betrachtungsweise könnte sich eine ausreichende Finanzierung vorgeblicher Luxusgegenstände schlechthin verbieten. Man braucht jedoch andererseits nicht i m großen Stil zu beginnen. Ein kleiner Anfang ermöglicht abwartende Bewertung. Worauf es ankommt, ist eine realistische Veranschlagung des Gewinns gegenüber den unzweifelhaft anfallenden Mehrkosten.

VII Eine mit der Oberleitung verbundene Stabsorganisation ist imstande, einen bedeutsamen Beitrag zur Festlegung des Arbeitsprogramms der Verwaltung zu machen. Das wichtigste Mittel zu seiner Fixierung ist der Haushaltsplan. Für dessen Vorbereitung bietet sich eine grundsätzliche Alternative an. Die zwei Möglichkeiten haben durchaus verschiedene Konsequenzen. Die erste Möglichkeit gründet sich auf ein überkommenes Rezept, das man das Bausteinkastenprinzip nennen könnte. Nach diesem Prinzip erwächst die Konzeption i m wesentlichen aus dem Wertbewußtsein der Grundeinheiten, konkreter der Ressorts. Jedes Ressort veranschlagt sich selbst, sozusagen. Die Addition w i r d dann wie ein übervoller Koffer mehr oder minder energisch zusammengepreßt, nachdem einige Dinge i n Eile herausgezerrt worden sind. Manchmal platzt der Koffer aber doch. Die Stein-bei-Stein-Zusammenfügung erhebt sich nicht selten über die Realitäten wie über die Bedürfnisse. Das Gesamtformat entsteht i m großen und ganzen kumulativ aus den Blöcken, die von den einzelnen Ressorts der Regierung geliefert werden. Die andere Möglichkeit ist die der Rahmenplanung, die eine zentrale Planungsgruppe voraussetzt. Deren Vorarbeit konzentriert sich zunächst auf die Ermittlung der Grundlagen für eine Rahmenkonzeption. Nach Beratung i m Kabinett kommt es alsdann wie i n der amerikanischen Bundespraxis zur Bekanntgabe des Rahmens i n der Form einer Leitzahl an jedes Ressort. Damit ist dem Ressort der Maximalumfang für seine Ausfüllung des Rahmens aufgrund einsichtiger Beachtung der Prioritätsordnung i n seinem Aufgabenbereich zugewiesen. Natürlich bedarf es auch bei der integrierenden Rahmenplanung der verständnisvollen M i t arbeit der Ressorts. Doch liegt die Initiative bei der Stabsorganisation des Regierungschefs und letztlich bei ihm selbst. Diese Initiative gibt den Ton für die Gemeinsamkeit der Arbeit, die an den offensichtlichen Notwen-

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digkeiten der Haushaltssituation nicht vorbeigehen kann. Ohne gründliche Stabsarbeit i m Vorwege, bevor die erste Ziffer i n dem einzelnen Ressort festgelegt wird, könnte nicht bereits klarstehen, wie sich die Gesamtplanung auf die Interessen der Ressorts auswirken w i r d 1 3 . Eine andere Hauptaufgabe des zentralen Stabsorgans sowohl i n europäischen Ländern wie auch i n den Vereinigten Staaten ist die Prüfung von Gesetzentwürfen. Die Prüfung bezieht sich vorwiegend nicht nur auf die Vertretbarkeit des Zwecks und die Tragbarkeit der Belastung, sondern auch auf die Vereinbarkeit der Vorlage mit den programmatischen Absichten der Regierung. Die Durchleuchtung von solchen Entwürfen seitens der Stabsstelle schließt in der Regel eine Beteiligung aller durch den jeweiligen Entwurf berührten Ressorts ein. Aus dieser A r t von vielfach wiederholter Konsultation i m Laufe der parlamentarischen Sitzungsperiode entsteht für die verschiedenen Ressorts stets erneut ein frisches B i l d des konkreter werdenden und sogar sich möglicherweise umgestaltenden Regierungsprogramms, das i m großen und ganzen durch den Haushalt bereits festgelegt ist. Sowohl bei der Prüfung der gesetzgeberischen Vorhaben wie ebenso bei der Vorbereitung des Haushaltsplans spielen die Erfordernisse der Koordination eine Hauptrolle. Das Bemühen, aus der Vielheit der I m pulse eine kohärente Einheitlichkeit der Gesamtlinie hervorzubringen, ist ein zentraler Faktor in der Entwicklung einer integrierenden Rahmenplanung. Nicht weniger wichtig ist die Verwendung der darin eingeschlossenen Prüfungsphasen für Zwecke der Stärkung der Leistungskraft des Verwaltungssystems. Ohne Zusicherung eines verläßlich und schnell auf Weisungen reagierenden Apparats w i r d Planung zur dekorativen Absicht jenseits aller Vollzugsmöglichkeiten. Die Haushaltsplanung ist also eine geeignete Grundlage dafür, daß im jährlichen Rhythmus nicht nur die finanziellen Bedürfnisse der Ressorts, sondern auch ihre Leistungen zur Sprache gebracht werden. Schwache Punkte i n der Arbeitsbewältigung der Ressorts können dabei identifiziert, auf ihre Ursachen zurückgeführt und für nähere Untersuchung vorgemerkt werden. I n gemeinsamer Arbeit von Mitgliedern aus dem Zentralstab und ausgewählten Kräften der Ressorts kann man diese Schwächen zu überwinden suchen. Die Arbeitsgruppen sehen es als ihr Ziel an, der verantwortlichen Leitung des jeweiligen Ministeriums durchführbare Empfehlungen zu unterbreiten, deren Werbungskraft i m sachlichen Gehalt liegen muß. Die formale Zwangslage der Annualität des Haushaltsplans bietet so gleichzeitig für jedes Ministerium selbst 13 Vgl. dazu Morstein M a r x , Fritz: „Regierungsprogramm und Haushaltsplanung i n vergleichender Sicht", Politische Vierteljahresschrift, Jg. 6, 1965, S. 442 ff.

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einen starken Antrieb zur kritischen Betrachtung der eigenen Arbeitssituation. Aus der Vielheit der Einblicke, die dem Stab durch die Vielgestaltigkeit der Arbeitskontakte mit der Behördenarbeit eröffnet werden, verdichtet sich das Bewußtsein dessen, was als das Erreichbare dem Gegebenen gegenübergestellt werden kann. Jedes Programm ist eine Projektion der gewollten Gesamtentwicklung. Daß gerade dem Haushaltsplan dabei in der öffentlichen Verwaltung eine ausschlaggebende Rolle zukommt, t r i t t bereits in der historischen Sicht zutage. Es genügt vielleicht, daran zu erinnern, daß der Aufstieg Brandenburgs aus einem territorialen Aggregat zu einem lenkbaren Hoheitskomplex vollzogen war, als 1689, ein Jahr nach dem Tod des Großen Kurfürsten, zum ersten Mal ein Staatshaushalt für alle seine Länder vorlag. Als Instrument der Planung unter zentraler Verantwortung ist der Haushaltsplan bis zum heutigen Tag Gegenstand ständiger Verfeinerung geblieben 14 . I n den Vereinigten Staaten w i r d besonderer Nachdruck auf eine A r beitsmethodologie gelegt, die Planung, Programmierung und Haushaltsformulierung systematisch zusammenfaßt 15 . Jüngst ist durch Memorandum des Präsidenten an alle Bundesbehördenleiter eine neue amtlich gestützte Ausbildungsmöglichkeit für besonders qualifizierte Beamte aus allen Bereichen der Verwaltung eröffnet worden, um ihnen diese Methodologie durch ein Jahr postuniversitären Studiums eigen zu machen. I n Zusammenarbeit mit dem Stab des Präsidenten haben sich sieben Universitäten die Aufgabe gestellt, entsprechende Lehrveranstaltungen dafür vorzusehen, darunter die Universitäten Chicago und Wisconsin, Harvard und Princeton. Das erste Jahreskontingent besteht aus 83 sorgfältig ausgesiebten Frauen und Männern, die aus 28 verschiedenen Behörden stammen 16 . Dem läßt sich als ähnlich zielstrebige staatseigene Fortbildungsschulung die Arbeit i m Training Center der britischen Treasury an die Seite stellen. Ein Nebeneffekt der Rahmenplanung darf i n diesem Zusammenhang unterstrichen werden. Wenn die verschiedenen Teile des Verwaltungssystems zueinander in eine unmittelbarere Beziehung gebracht werden, färbt das auch auf ihre Einstellung zu ihren eigenen Funktionen ab. Es führt zu einem Sichtbarwerden von Problemknäueln, in die verschiedene Ressorts gemeinsam verwickelt sind. M i t der Zeit kommt es dazu, daß die Augen der Referenten für das Ausfindigmachen solcher Problem14 E i n Beispiel: New Techniques of Budget Preparation and Management (Generalbericht). International Institute of Administrative Sciences, Brüssel, 1965. 15 Vgl. Novick, David (Hrsg.): Program Budgeting: Program Analysis and the Federal Budget. Cambridge, Mass.: H a r v a r d University Press, 1965. 16 Release, Office of the White House Press Secretary, v o m 13. J u l i 1966.

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knäuel zunehmend geschult sind. Auch der Vertreter eines Fachministeriums beugt sich, wiewohl vielleicht widerwillig, dem Gebot einer Gesamtschau, für die das Interessenspektrum der Verwaltung überall i m großen Zusammenhang erfaßt und akzeptiert werden muß. Die Rückstrahlung solcher Gesamtschau auf die Arbeit der Ressorts, akzentuiert durch die ständige Übermittlung des Leitungsdenkens i n den Tätigkeiten des Stabes, trägt nicht wenig zur Einheit der Verwaltung bei, auch wenn w i r diesen Begriff nur als eine dem Grade nach meßbare Approximation behandeln.

VIII Schon vorher war davon die Rede, daß organisatorische Gebilde aus ihrer Natur weder Eigenbewußtsein noch Einheit hervorbringen. Sie sind organisch Vielheiten. Einheit und Ausrichtung sind Erzeugnisse einer Anstrengung, die nie erlahmen darf, aber auch nie vollends auszureichen scheint. Leitung ist allein durch die Notwendigkeit dieser Anstrengung legitimiert. Dadurch t r i t t Leitung dem Apparat gegenüber. I m Gegenüber beider steht der Stab auf der Seite der Leitung. Kein Wunder, daß das Verhältnis von Stab und Apparat (oder Linie) ein viel erörtertes Thema ist. Hitze ist hier häufiger anzutreffen als Licht. Eins ist klar: I n einer solchen Rollenverteilung kann das Ideal nicht darin bestehen, Friedhofsstille zu erzielen. Jedem von uns w i r d es einleuchten, daß die organisatorisch verbürgte Unterschiedlichkeit der Motivation zu Reibungen mancher A r t führen muß, ja: sie geradezu provoziert. I n der Gegenüberstellung von Stab und Linie entwickelt sich zwischen beiden ein ständiger Wettstreit. Er lohnt sich jedoch, wenn er von den Grundregeln der Objektivität beherrscht ist und die Logik der Organisation nicht hinter sich läßt. Ein Kampf um die beste Lösung vermehrt die Argumente. Keines darf unbeachtet oder gar unterschlagen werden, wenn es darum geht, der Leitung durch verständige Entscheidungen Stärke zu verschaffen. Stabsarbeit folgt der Blickweise der Leitung. Schon das macht Selbstisolierung zur Funktionswidrigkeit 1 7 . Deshalb bedarf es bei der Ordnung 17 Diese fast selbstverständliche Aussage verbirgt ein Rattennest von Problemen, deren Charakter durch die Spannung von „ W a h r h e i t " u n d U t i l i t ä t , von Absatzfähigkeit und wissenschaftlicher Verantwortlichkeit umrissen ist. F ü r den „reinen Planer" sind derartige Alternativen noch bedrängender. Wie es i n einer amerikanischen Studie heißt, „ O n the one hand, we have seen, planners believe that they should present crucial alternatives for public choice; on the other, they feel that they court political failure by acknowledging uncertainty. They preach that a l l problems and solutions are interrelated,

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des Zugangs zum Stab der Vorsorge für eine gewisse Rotation. Einrücken i n die Staatskanzlei sollte also kein auf Ewigkeit unabänderliches Berufsgeschick sein. I n der inneren Struktur der meisten solcher Organe zeigt sich ein Kommen und Gehen. Das sollte zwar nicht durch unbefriedigende Arbeitsmöglichkeiten akzentuiert sein. Meistens w i r d der Umschlag des Personals i n der Tat i n gewisser Weise dirigiert, wobei auch auf bestimmte erwünschte Effekte abgestellt wird. Das Kommen und Gehen ergibt sich einmal durch normalen Altersabgang und Einrücken junger Kräfte von der Universität; für sie ist anschließend Dienst in „der Linie" die nächste geplante Phase. Zum anderen haben die i m weiteren Bereich der Verwaltungswelt unvermeidlich bekannt werdenden Qualitäten der einzelnen Stabsmitglieder eine Werbewirkung für sie selbst. Nicht selten möchten die Ministerien sie für den eigenen Bereich gewinnen. Solche Beförderungsangebote werden i m Stabsorgan, obwohl es unmittelbarer Leidträger ist, nicht automatisch abgedrosselt. Dann befindet sich der vormalige Stabsmann auf einer höheren Verantwortungsebene in dem einen oder anderen Ressort. Die so freiwerdenden Plätze i m Stab müssen zur Hauptsache durch Rückgriff auf vielversprechende Kandidaten aus den Behörden der „Linie" besetzt werden. Es läßt indes sich leicht erkennen, daß schon daraus für den Stab die typische K l u f t zwischen ihm und den Ministerien vermindert wird. U m eine hypothetische Situation zu schildern, wenn von einem M i t glied des Stabes allerhöchstens eine bestimmte A r t von delikater Information erbeten wird, die i m normalen Geschäftsgang nicht herbeizuzaubern ist, macht eins einen erheblichen Unterschied. Auf sich gestellt, würde der Stabsmann vor verschlossenen Türen bleiben. Anders wenn er i n der Lage ist, sich direkt an den Unterstaatssekretär des als Quelle der Information in Frage kommenden Ministeriums zu wenden, der vor kurzem noch sein Arbeitskollege i m Stabsorgan war. Damit besteht die Möglichkeit, i n intimer Aussprache an die Dinge heranzukommen, wobei beide Beteiligten als A x i o m voraussetzen dürfen, daß die Quelle nie identifiziert wird. Selbst der hohe politische Vorgesetzte w i r d dies Axiom aus praktischen Gründen achten wollen. Die Beziehung des Stabs zu den Ressorts (zur Linie) greift auch auf das Berufsethos des Stabsmanns über. Es gehört zu den ungeschriebenen Reand emphasize the virtues of honest comprehensiveness; yet they t h i n k that political success is possible only i f they t h i n k optimistically and ignore areas of intense controversy". Altshuler, A l a n : The City Planning Process: A Political Analysis. Ithaca, New Y o r k : Cornell University Press, 1965, S. 392. Stabsarbeit darf nicht von einer gewohnheitsmäßigen Überschätzung des Erreichbaren getragen sein. Dazu auch Sontheimer, K u r t : „Voraussage als Ziel u n d Problem moderner Sozialwissenschaft" i n : Universitätstage 1965, Freie U n i versität Berlin, Wissenschaft u n d Planung, S. 16 ff.

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geln, daß d i e Rosen d e r ö f f e n t l i c h e n A n e r k e n n u n g b e i Z u s a m m e n a r b e i t m i t d e n M i n i s t e r i e n i n d e r gleichen Weise diesen a l l e i n k r e d e n z t w e r d e n , w i e sich das b e i der e r f o l g r e i c h e n W a h r n e h m u n g d e r Interessen des R e gierungschefs d e m großen M a n n gegenüber v o n selbst v e r s t e h t . Das A r b e i t s v e r h ä l t n i s z u r L i n i e schützt d e n Stab gegen die Gefahr, i n der d i r e k t e n B e d i e n u n g des h o h e n Chefs a u f z u g e h e n u n d das G e d a n k e n g u t i n dieser S p h ä r e der L i n i e v ö l l i g v o r z u e n t h a l t e n 1 8 . Ebenso jedoch k a n n d i e O r i e n t i e r u n g des Stabs auf das A k t i o n s f e l d d e r v e r a n t w o r t l i c h e n O b e r l e i t u n g d e n S t a b s m a n n ü b e r d i e G e f a h r der E i n k a p s e l u n g i n seinem eigenen B e r u f s b e r e i c h h i n a u s f ü h r e n . E r h a t sich d e m b r e i t e r e n Z u s a m menhang zu verschreiben 19. D a m i t b e r ü h r e n w i r e r n e u t d i e Schlüsselstellung, d i e d e m H a u p t der V e r w a l t u n g i n d e r N u t z b a r m a c h u n g d e r Stabsidee selbst z u f ä l l t . Daß eine ständige S t a b s o r g a n i s a t i o n sich a u f d e n j e w e i l i g e n Regierungschef v o l l einspielen m u ß , ist e i n elementares E r f o r d e r n i s . E i n beträchtliches M a ß v o n F l e x i b i l i t ä t i n d e r A r b e i t s w e i s e w i r d aufseiten des Stabs, aber ebenso e i n gewisses V e r s t ä n d n i s f ü r b e r u f l i c h o r i e n t i e r t e M e t h o d i k a u f seiten des V e r w a l t u n g s h a u p t e s vorausgesetzt. Das b e d e u t e t jedenfalls, daß der Stab v o n sich aus einer A b r i e g e l u n g des V e r w a l t u n g s h a u p t e s d u r c h d e n Sachverstand des Stabs e n t g e g e n z u w i r k e n v e r p f l i c h t e t ist. Das b e d e u t e t aber auch, daß das V e r w a l t u n g s h a u p t d a v o n A b s t a n d n e h 18

M a n konnte jüngst zur deutschen Europapolitik lesen: „ . . . Die Abschirmung der Ministerialbürokratie vor außenpolitischen Alternativen (die ü b r i gens auch durch den 1963 eingesetzten Planungsstab i m Auswärtigen A m t keineswegs aufgehoben ist, da er ausschließlich für die Spitze der Behörde arbeitet) geht offenbar einher m i t der Überzeugung, daß die Grundlage der deutschen Europapolitik bereits gelegt wurde. Unter solchen Umständen aber besteht auch kein Bedürfnis nach wissenschaftlicher Grundlagenforschung auf diesem Gebiet." Zellentin, Gerda: „Wissenschaft u n d Europapolitik der B u n desregierung." Politische Viertel jahresschrift, Jg. 7, 1966, S. 188. 19 Auch hier gilt, was f ü r die Planung i m Bereich der Entwicklungshilfe w i e folgt ausgedrückt worden ist: „ . . . from the experience I have had, whether the economist works as a government adviser, or as a teacher, or as a research worker, he cannot afford not to look at his problems i n a much wider social and political context i f he wants to make sense i n the w o r k he is doing. Cooperation between the economist and the political and social scientist is essential for an economist w o r k i n g i n such a context even if his problems are as specialized as those of monetary and fiscal policy." Niculescu, Β. M. i n Hicks, U. K . u n d andere: Federalism and Economic G r o w t h i n Underdeveloped Countries: A Symposium. London: A l l e n & U n w i n , 1963, S. 109. Diese für Stabsarbeit typische assoziative Arbeitsweise sprengt das normale Unterordnungsverhältnis des Untergebenen unter den Vorgesetzten. Die rein tatsächliche „funktionale A u t o r i t ä t " erhebt sich über die normale „ A u t o r i t ä t der Position". Wechselseitige Konsultation w i r d zur Gewohnheit. E i n gleiches beobachtet man bei der V e r w a l t u n g von Forschungsvorhaben. „Dans l'exécution d u travail, la participation des chercheurs sera la plus active possible, comme elle l'aura été dans l'établissement des programmes." Pons, A l a i n : L ' A d m i nistration de la Recherche. Paris: Organisation de Coopération et de Développement Economiques, 1965, S. 14.

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men muß, aus seiner Stabsorganisation eine Funktionenanhäufung zu machen 20 . Rivalität zwischen Stabsstellen ist ein weiteres Problem. Sie kann zwei Formen nehmen: ein Gegeneinander des zentralen Stabs und der Stabsorgane i n den einzelnen Ministerien, die der Behördenleitung dienen; und mangelnde Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Hauptstäben. Man könnte es als praktische Schlußfolgerung bezeichnen, daß i n der Strukturierung des Stabssystems nach Möglichkeit trennende Polaritäten vermieden werden sollten. I n Frankreichs Fünfter Republik hat die Aktivierung einer eigenen Stabsorganisation für den Präsidenten Seite an Seite mit der des Premierministers zu naheliegenden Spannungen zwischen den Stabselementen geführt, die noch nicht ausgeglichen werden konnten 2 1 . Das mag für die Leitung des Staates zu einer Verdunkelung der Gesamtverantwortung Anlaß geben. Solche Rivalität zwischen Stabsstellen ist besonders wahrscheinlich, wenn beide ihre Mitglieder aus ganz verschiedenen Sphären rekrutieren. Ein gewisses Maß von spontaner Koordination läßt sich dagegen erwarten, wenn beide vornehmlich durch das Ethos der Pflicht motiviert sind. Das t r i f f t meistens für Stabsstellen zu, i n denen die Tagesarbeit i n erster Linie beruflich ausgebildeten Kräften der Verwaltung überlassen ist. Der dort beschäftigte Berufsbeamte muß allerdings einen feinen Sinn für die politischen Aspekte und Schattierungen der Aktionssphäre des Staatshauptes entwickeln. Das w i r d i h m erleichtert, wenn der Mann an der Spitze eine Gruppe persönlicher Berater beim Amtsantritt mitbringt, die mit ihm kommt und mit ihm geht. Das sind meist Männer, die sich aufgrund eines persönlichen Freundschafts- oder Loyalitätsverhältnisses vom Regierungschef zur zeitweiligen Mitarbeit gewinnen lassen. Sie entstammen entweder dem politischen oder dem beruflichen Leben, i n das 20 Diese Versuchung w i r d auch durch bloße organisatorische Bequemlichkeit vergrößert. E i n gutes Beispiel ist die Stabsorganisation, die i n der Nachkriegszeit allmählich u m den französischen Ministerpräsidenten herumgewachsen ist, einschließlich des eigentlichen Regierungssekretariats. Sie umfaßt die Délégation générale à la recherche scientifique et technique (seit 1958), den Administrateur délégué du gouvernement für Kernenergie (seit 1945), das Centre national d'études spatiales (seit 1961), die Délégation générale au district de la région de Paris (ebenfalls seit 1961) u n d die Délégation générale à l'aménagement du territoire für Regionalentwicklung (seit 1962). Vgl. dazu Ridley, F. u n d Blondel, J.: Public Administration i n France. London: Routledge & Kegan, 1964, S. 18, 75 ff. 21 Schon das äußerlich Sichtbare hat die Aufmerksamkeit von interessierten Beobachtern angezogen: „ . . . u n d e r General de Gaulle a real office has emerged, so large that i t can no longer be housed entirely w i t h i n the Elysée Palace." Ridley und Blondel, a.a.O. (Anm. 20) S. 8. Henry W. Ehrmann spricht von der „permanent tension that exists between the services of the Elysée, and between those of the Prime Minister and government departments". Buchbesprechung, American Political Science Review, Bd. 40, 1966, S. 437.

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sie i n der Regel i n absehbarer Zeit wieder zurücktreten möchten. Eine solche Stabsgruppe kann ein sehr wichtiges Übersetzungsrad sein, durch das die berufliche Arbeit der ständigen Elemente des Stabs für das Verwaltungshaupt umso gezielter angelegt und damit umso unmittelbarer abnehmbar wird. Die Institutionalisierung der analytischen Methode i n ihrer Anwendung auf eine dem Wandel i n hohem Maße ausgesetzte gesellschaftliche Umwelt erschöpft sich nicht in dem Schlag wort von der „Wissenschaft i n Politik und Verwaltung". Das Schlagwort selbst ist zu einem gewissen Grade irreführend, weil es überheblich ist 2 2 . Es kann jedoch kaum dem Zweifel unterliegen, daß die oben berührte Verbindung von Aufgabenwachstum i n der öffentlichen Sphäre und zunehmender funktionaler Streuweite der einzelnen Aufgaben ein unsegmentiertes Systemdenken i n der Verwaltungsplanung zum unerläßlichen Erfordernis macht. Das bedingt neue Formen der Zusammenarbeit, die ein Lernen unter ungeminderter Bereitschaft zum Weiterlernen ermöglichen. Nicht eine Verengung, sondern eine Erweiterung des Entscheidungsspielraums für das m i t der letzten Verantwortung belastete Verwaltungshaupt muß erstrebt werden. Alle denkbaren Alternativen müssen i m Vorwege ermittelt, die aus jeder Alternative fließenden Konsequenzen genau bestimmt, angenommene Zeitfolgen damit i n Verbindung gebracht, Aktionsmöglichkeiten mit voraussehbaren politischen Situationen verkoppelt und auf diese Weise strategische und taktische Leitgedanken entwickelt werden. Ein solches Systemdenken darf sich nicht festbeißen. Es muß eine periodische Generalkritik erlauben und als notwendigen Bestandteil i n sich schließen. Es muß sich für den Stab von selbst verstehen, der Dynamik des Wandels nach Kräften gerecht zu werden, um mit dem Gang der Ereignisse zu leben und nicht i n den Gegebenheiten von gestern steckenzubleiben.

22 Darüber gibt es eine breit fließende Literatur. Als Anknüpfungspunkt leistet Sontheimers Ubersicht (oben A n m . 17) vorzügliche Dienste. Umfassender (mit Literatur) Morkel, A r n d : P o l i t i k u n d Wissenschaft: Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Beratung i n der Politik. Hamburg: Wegner, 1967.

Bildung von Stabsstellen Von Hartwig Schlegelberger

Es ist gestern viel über das Funktionieren oder — besser gesagt — über die Funktion der Staatskanzleien gesprochen worden. Ich darf aus der praktischen Erfahrung eines Innenministers hierzu einiges bemerken. Da ich gestern leider nicht hier war, muß ich die Vorgeschichte meiner Überlegungen erzählen. Ich war gestern gerade dabei, i n meinem Lande überrollt zu werden. Ich hatte Gelegenheit, i m Fallex-Bunker darüber nachzudenken, was eigentlich Führung der Regierung bedeutet. Während die Zeitungen darüber berichten, wie sich der gemeinsame Ausschuß quält, Gesetze i n Kraft zu setzen, sehen w i r i n der Praxis einmal deutlich, wie hier das Gesetz an den Punkt kommt, wo es keine Kraft mehr hat, wo nämlich Führungsfunktionen der Regierung verlangt werden, die kein Gesetz ersetzen kann, es sei denn, daß es gewisse Bremsen einschaltet. Aber das Gesetz gibt nichts, was vorwärts führt. Aus dieser Erfahrung ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, darüber nachzudenken, wie eigentlich i n Zukunft regiert werden soll. Es ist eigenartig und scheint mir ein Phänomen der Zeit zu sein, daß wir, obwohl w i r doch gerade i n Deutschland den Begriff des Generalstabs entwickelt haben, die zwei Begriffe Stab und Plan i m Grunde nicht gebrauchen. Hier auf der Tagung spricht man zwar über Stab. Aber draußen i m Lande müssen Sie vorsichtig sein, wenn Sie das Wort „Stab" nennen. Es gehört zu den Begriffen, die Sie immer mit einem Kommentar versehen müssen, nämlich was Sie nicht darunter verstehen. Ähnlich ist es auch mit den Worten Planung und Plan. Das liegt daran, daß w i r offensichtlich an diese Begriffe ideologische Vorstellungen knüpfen und die Ideologie uns oft i n unserem Denken zum Verhängnis wird. Trotzdem ist uns allen, die w i r i n der Praxis bestimmte Probleme zu lösen haben, klar, daß w i r ohne diese beiden Begriffe nicht auskommen. W i r sprechen von den verschiedensten Raumordnungsplänen, Bildungsplänen, Notstandsplänen usw. W i r wissen auch, daß es ohne eine Stabsarbeit nicht funktioniert. Und nun präsentieren w i r auf einmal eine Lösung, die keine ist — ich darf das ganz hart sagen —, nämlich statt „planen" und statt „Stabsarbeit" sprechen w i r von „koordinieren". Ich halte dies für eine Gefahr.

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Sicherlich könnte keine Bundesbahn existieren, wenn sie nicht gute Weichenwärter hätte. Aber ich habe noch niemals eine Bundesbahn oder eine Eisenbahn überhaupt gesehen, die allein vom Weichenwärter lebt. Wenn w i r keine Lokomotive und keinen Lokomotivführer haben, der bestimmt, wohin und wie gefahren wird, kann es nicht funktionieren. Koordinieren ist selbstverständlich notwendig, damit es keine Zusammenstöße gibt. Aber Regieren besteht nicht darin, daß w i r uns nur darum kümmern, daß keine Zusammenstöße passieren. Das Koordinieren entwickelt einen Verwaltungsstil, der für alle, die regiert werden, Steine statt Brot gibt. Die Regierenden richten sich nämlich danach, einen Verwaltungs- oder Hoheitsakt so auszugestalten, daß nichts passiert — und zwar i m wahrsten Sinne des Wortes nichts passiert: weder dem, der den A k t erläßt, noch demjenigen, der dadurch begünstigt werden soll. Je mehr Unterschriften der Hoheitsakt hat, je mehr er also koordiniert ist, um so sicherer kann man sein, daß er i m Grunde genommen ein Neutrum ist, von dem man zum Schluß eigentlich garnicht weiß, was mit i h m anzufangen ist. Der Koordinierungseffekt besteht darin, den Regierungsakt so zurechtzufeilen, daß er vom Verwaltungsgericht bis zur Presse unanfechtbar wird. Darin sehe ich die Gefahr des Koordinierens, wenn das Koordinieren das Regieren ersetzt. Gestern ist offenbar als etwas Selbstverständliches gesagt worden, daß den Staatskanzleien die Funktion der Hilfe beim Regieren zukomme. Das, was die Staatskanzleien heute auszeichnet, ist, daß ihre Mitglieder eigentlich ein Wunder dadurch vollbringen, daß sie nicht alle an Herzinfarkt umkommen. Sie sollen etwas ersetzen, was w i r nicht haben. Sie gliedern nämlich die Sachaufgaben, die das Ressortprinzip vertikal aufspaltet, i n sich noch einmal um. Das Ressortprinzip kann auf Länderebene nicht funktionieren, so daß praktisch alles, was i n vielen M i n i sterien erarbeitet wird, noch einmal i n der Staatskanzlei umgepreßt werden muß, damit ein annehmbarer A k t herauskommt, der Entgleisungsgefahren von vornherein verhindert. Ich bin ein Anhänger der These, daß die Staatskanzlei oder besser gesagt der Ministerpräsident Führungsfunktionen haben soll und daß die Richtlinien mehr sind als nur schwache Linien. Sie sollen die Politik prägen. Das ist bei dem gegenwärtigen Zustand aber nicht möglich. Die erste Forderung, die zu erheben ist, um überhaupt wieder zu einer Regierungsführung zu gelangen, ist die nach einer Umstellung der Organisation. Das ist an sich auch möglich, wenn w i r uns von alten Vorbildern lösen und die Zusammenhänge wieder erkennen, die i m Ablauf der Verwaltung liegen. W i r müssen weiter erkennen, daß das Kabinett eine politische Führungsfunktion hat und eben nicht — ich bin selbst Ressortminister, deswegen darf ich das sagen — ein Verein von Lobbyisten ist, die mit- und gegeneinander etwas aufstellen, was sie Haus-

Bildung von Stabsstellen

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haltsplan nennen. Ein solcher Haushaltsplan ist nach meiner Meinung nichts anderes als ein Kostenvoranschlag oder eine Zusammenstellung von Rechnungen. M i t einem Plan, mit einer fixierten Idee hat das nicht mehr viel gemein. Was läßt sich auf diesem Gebiete tun? Meines Erachtens kommt es zunächst einmal darauf an, daß der Staat darüber nachdenkt, was er ist. Das unterscheidet i h n offensichtlich vom Menschen, der ja immerhin seine Berechtigung daher nimmt, daß er denkt, und daher sei — cogito, ergo sum. Der Staat hat eine ganz bestimmte Funktion zu erfüllen. Das berühmte Unbehagen, von dem w i r überall schon zuviel gehört haben, hängt damit zusammen, daß die Bevölkerung zu recht erkennt, daß sie heute nicht mehr geführt und auch nicht mehr regiert wird. Dieses Nachdenken des Staates über seine Funktion ist nur zu erreichen, wenn w i r ganz undogmatisch vorgehen. Dazu ist es notwendig, ein geeignetes Instrument zu schaffen, entweder i n der Staatskanzlei selbst oder i n dem Ministerium, dessen Aufgabe nicht darin besteht, Leistungen zu erbringen, sondern zu regieren, d. h. i n diesem Ministerium das zu tun, was ich innere Führung — also Innenministerium — nenne. Wir müssen eine Gruppe einsetzen, die darüber nachzudenken hat, welche Aufgaben gegeben sind, wozu die Regierung da ist, was eigentlich von ihr erwartet w i r d und wie man den Weg des Handelns am besten beschreitet. Eine solche Gruppe zu bilden ist ein sehr umständliches, schwieriges und dornenreiches Verfahren, weil es auf den größten Widerstand stößt, da es sehr viele Dinge i n Frage stellt. Und selbst in meinem eigenen Hause habe ich noch niemals so viel Energien gesehen, soviel gesammelte Konzentration von Energie, als i n dem Augenblick, als diese Planungsgruppe eingerichtet werden sollte. Es gibt ganz eigenartige Erscheinungen i n der Verwaltung, wenn man etwas unternehmen w i l l . Dann sammeln sich die Energien, und man findet auf einmal einen kolossalen Zusammenfluß von Geist, u m etwas zu verhindern, was an sich geistvoll wäre. Diese Planungsgruppe haben w i r bei uns i n Schleswig-Holstein seit kürzerer Zeit eingesetzt. Sie hat die Aufgabe, zu versuchen, bestimmte Grundlagen zu erstellen, von denen aus nun nicht all das erfüllt werden soll, was die pluralistische Gesellschaft an uns heranträgt, um es ihr sozusagen wiederzugeben. Sie soll vielmehr selbst bestimmte Trassen, politische Trassen schneiden und damit erreichen, daß die Politik wieder zu ihrem Recht kommt. Ich glaube, es hat keinen Sinn, sehr viel darüber nachzudenken, i n welcher Verbindung Politik und Verwaltung zueinander stehen. Die Politik w i r d durch den Verwaltungsakt für den Staatsbürger i n der 10 Speyer 34

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Regel sichtbar. Sie gehören zusammen. Die Frage ist nur, ob die Tagesarbeit die Politik bestimmt oder ob die Politik die Tagesarbeit bestimmt. Zur Zeit ist es so, daß w i r mühselig die Tagesarbeit erledigen und die Summe dieser Tagesarbeit Politik nennen. W i r brauchen ein Gremium, das w i r aus der Hektik des sich dauernd drehenden Rades herausnehmen, das den M u t hat, — ich darf sagen — äußerlich faul zu sein, einmal gegen Dienstzeiten, gegen Geschäftsordnungen anzugehen, das für sich i n Anspruch nehmen muß, nur zu denken, nachzudenken und alle Dinge kritisch zu betrachten. Man sollte, bevor man an Organisationsänderungen grundsätzlicher A r t herangeht, zunächst versuchen, solche Gruppen zu bilden, u m die Grundlagen erarbeiten und Erkenntnisse sammeln zu lassen. Erst später ist zu entscheiden, ob und zu welchen Organisationsänderungen man kommen muß. Man darf natürlich auch nicht glauben, dies sei ein Allheilmittel. Entscheidend ist, die richtigen Menschen für eine solche Stabsgruppenarbeit zu finden. Es müssen Menschen sein, die nicht nur geistig trainiert sind und wissenschaftlich denken können, sondern auch Vorstellungen von der Praxis haben. Wenn ich am Anfang sagte, daß ich eigentlich enttäuscht sei über die Wirkung der Notstandsgesetzgebung i n der Praxis, obwohl ich i m Prinzip — ich möchte, daß Sie mich richtig verstehen — ein Anhänger der Notstandsgesetzgebung bin, dann hängt das damit zusammen, daß ihre Verfasser offenbar wenig Ahnung hatten, wie das Leben i n der Wirklichkeit aussieht. Ich habe Angst, daß sich — und das ist ein Politikum ersten Ranges — die Regierung gleich welcher Schattierung immer mehr vom Volk entfernt, daß sie garnicht mehr weiß, wie das Leben ist, und zwar um so mehr, je weiter w i r i n der Verantwortung nach oben kommen. Ich komme aus dem kommunalen Bereich und weiß ungefähr, welche Sprache man da spricht. I n unserem Lande ist das natürlich noch eher der Fall. Bei größeren Ländern w i r d es schon schwieriger sein. Für den Bund befürchte ich, daß dort eine Bundesgarnitur aufwächst, die i m Grunde genommen zwar alles lehrbuchmäßig sehr gut macht, aber sich eben doch nicht mehr vorstellen kann, wie sich die Lehrbuchthese i n der Praxis auswirkt, obwohl die Beteiligten sicherlich geistig mindestens das gleiche Fundament besitzen wie i n anderen Funktionen Tätige. Eine praxisnahe Auswahl der Funktionsträger ist entscheidend. Des weiteren ist entscheidend — und damit möchte ich zunächst schließen —, daß eine solche Stabsarbeit nur dann Sinn hat, wenn sie als Voraussetzung für Führung gedacht ist, wenn sie nicht nur Philosophie und Analyse ist. Die wichtigsten Aufgaben des Staates bestehen nicht i n seinen Verteileraufgaben. Die Menschen wollen i n Not oder schwierigen Zeiten geführt werden. Es soll ihnen gesagt werden, wie sie sich verhalten

B i l d u n g von Stabsstellen

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sollen, nicht was ihnen i m einzelnen gegeben wird. Ich bin aufs tiefste darüber besorgt, daß i n dieser wichtigen Funktion der Staat sich zweier Helfer bedient, die jeder für sich wesentlich sind, aber i n seiner Hand zu Krücken und damit als helfende Institutionen zugleich fragwürdig werden. I n dem einen Fall versucht er, die wichtigsten Entscheidungen den Gerichten zuzuschieben. Ich darf nur an die berühmte Geschichte des Telefonabhörens erinnern. Für mich ist es unerträglich, daß diese wichtige Frage, obwohl sie etwas überspielt ist — es gibt nämlich noch viel schlimmeres als Telefonabhören, das muß ich Ihnen leider als Innenminister sagen —, einem Gericht übertragen werden soll. Welchen Sinn hat denn Politik überhaupt noch, wenn der politisch verantwortliche Minister nicht die Verantwortung trägt und sich dem Parlament stellt? I n dem anderen Falle gibt er Fragen, die für die nächste Generation wichtig sind, an die Wissenschaft weiter: Wie unser Raum geordnet werden soll? Wie w i r alle öffentlichen Funktionen aufeinander abstimmen, damit sie zu dem größtmöglichen Effekt führen? Wie die Persönlichkeit des Einzelnen erhalten bleiben, aber die Gemeinschaft ihrer Aufgabe gerecht werden kann? Man läßt Gutachten machen, sie mit mehreren wissenschaftlichen Siegeln versehen und glaubt nun, daß damit die Fragen gelöst seien. Ich finde dies geradezu herabwürdigend für die Wissenschaft, die andere Aufgaben hat und uns die Möglichkeiten eröffnet, komplexe Sachverhalte zu verstehen. Aber sie kann niemals den Staat der A u f gabe entheben, auf Grund des erarbeiteten Materials selbst darüber nachzudenken, wie er zu einem bestimmten Ziel hinführen soll. Wenn w i r zu Stabsorganisationen als Vorbereitern der Entscheidungen kommen und nicht vor allem den Willen zum Führen und zum Gestalten haben, dann erschöpfen w i r uns i m Organisatorischen, wie i n dem Wunderwort „koordinieren". Dann haben w i r vielleicht eine Staatsphilosophie und eine Wirtschaftsanalyse entwickelt und werden damit Bibliotheken füllen. Aber w i r werden nichts weiter zustandebringen. I m Grunde genommen liegt die Schwäche unseres Systems nicht i n der Verfassung, nicht i n der Geschäftsordnung; die letztere kann man nach allen Seiten überspringen, wenn es wirklich einmal nötig ist. Es kommt vielmehr darauf an, darüber klar zu werden, welche Aufgaben der Staat hat. Dazu sind w i r bisher nicht gekommen, weil w i r wie ein Wanderer sind, der sich gesagt hat: „Ich w i l l jetzt einmal wandern." Er ist gelaufen und gelaufen und gelaufen. Jetzt aber fällt i h m plötzlich ein: „ A u f welchen Berg wollte ich eigentlich gehen?" Darüber denken w i r gegenwärtig nach, und ich glaube, es w i r d allerhöchste Zeit, daß w i r darüber nachdenken, damit w i r nicht statt auf dem Berg i n einem Abgrund landen. 10·

Stabsorganisation und Haushaltsplanung Von Ernst-Wolfgang Böckenförde

Ich möchte mich auf das Rahmenthema des heutigen Morgens beschränken: die praktische Verwertbarkeit von Erfahrungen i m Ausland. Es würde mich zwar sehr reizen, auf die Organisation der Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzleramtes einzugehen. Aber ich w i l l m i r diese Askese bewußt auferlegen und möchte daher i m Hinblick auf die Probleme, die w i r gegenwärtig i n der Bundesrepublik haben, auf die institutionellen Erfahrungen hinweisen, die für uns von Bedeutung sind und die w i r aus der Organisation der Regierungsspitze i n den Vereinigten Staaten entnehmen können. Vorher vielleicht einige Hinweise zur geschichtlichen Entstehung und dem dadurch bestimmten rechtlichen „Ort" dieser Staatskanzleien oder Kabinettssekretariate. Der moderne Typ der Staatskanzleien, die Regierungsbüros und politische Arbeitsstellen sind und jetzt „Stäbe" werden sollen, kommt erst kurz vor und zum Teil sogar erst nach dem ersten Weltkrieg auf. Bis dahin erledigte man diese Aufgaben zumeist informell, ohne eigenen Apparat. Das Kabinettssekretariat i n England entstand bezeichnenderweise i m ersten Weltkrieg, als sich die Notwendigkeit ergab, die militärische und politische Leitung miteinander zu verknüpfen und zu koordinieren und alle Kräfte anzuspannen, die für die Kriegsführung notwendig waren. Dann hat der berühmte Haidane Report 1 von 1918 festgestellt, man solle dieses Sekretariat beibehalten, weil es so wichtige und unaufgebbare Funktionen habe. Ähnlich wurde in Frankreich die Présidence du Conseil als sous-secrétariat während des ersten Weltkrieges errichtet, kurz nachher wieder abgeschafft und dann etwa 1923 fest institutionalisiert 2 . I n den Vereinigten Staaten bestand — wie K a r l Loewenstein 3 berichtet — 1 Bericht des „Machinery of Government Committee", das 1918 eingesetzt wurde, u m die Regierungsorganisation i n Großbritannien auf Vereinheitlichungs- u n d Reformmöglichkeiten zu untersuchen. Näheres bei Mackenzie, W. J. M.: „The Structure of Central Administration" i n : L o r d Campion, Chester, D. N. u.a.: B r i t i s h Government since 1918. London: A l l e n & U n w i n , 1951, S. 56 ff. 2 Vgl. Hauriou, Maurice: Précis de droit constitutionnel, 2. Auflage. Paris: Sirey, 1929, S. 408. 3 Loewenstein, K a r l : Verfassungsrecht u n d Verfassungspraxis i n den V e r einigten Staaten. Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer, 1959, S. 320 ff.

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Ernst-Wolfgang Böckenförde

noch unter Theodore Roosevelt nur informell ein kleiner Stab, mehr eine Kanzlei i m alten Stil, wo Briefe ausgefertigt und Besprechungen anberaumt wurden. Die große und rapide Entwicklung setzte unter der NewDeal-Politik von Franklin Roosevelt — also nach 1933 — ein; sie führte unter der berühmten Reorganization Act von 1939 zu der Einrichtung des „Executive Office of the President". Die Grundlage für die Errichtung dieser Behörden und Sekretariate war also überall eine ungeheure Steigerung der Intensität und des Umf angs der Regierungstätigkeit und die Notwendigkeit, das gesamte staatliche Leben von der Regierung her irgendwie zu lenken, zu leiten, vielleicht auch i n gewisser Hinsicht zu planen. Deshalb kommt es nicht von ungefähr, daß diese Entwicklung i m und um den ersten Weltkrieg anfängt, als sich i n allen kriegführenden Staaten die Notwendigkeit ergab, alles auf ein bestimmtes Ziel hin auszurichten, zu koordinieren, und als die sogenannte „Selbstregierung der Gesellschaft" aufhörte. W i r sprechen immer sehr viel von der Trennung von Staat und Gesellschaft und der Autonomie der Gesellschaft i m 19. Jahrhundert; man kann hier, glaube ich, ganz konkret den Zeitpunkt angeben, an dem die Gesellschaft i n ihren verschiedenen Lebensbereichen i n staatliche Regie genommen wurde und genommen werden mußte. Hinzu kommt die Fortentwicklung der Staatsziele. Seitdem der Staat selbst verantwortlicher Träger und Garant des sozialen Fortschritts geworden ist und die Aufgabe der Daseinssicherung und Daseinsvorsorge übernommen hat, hat diese Tätigkeit noch einen neuen Aspekt und eine besondere Intensität erhalten. Heute ist alles das — möchte ich sagen — ungeheuer gesteigert, was um den ersten Weltkrieg herum begonnen hat und damals zuerst als Notwendigkeit i n Erscheinung getreten ist. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen nun zu der institutionellen Seite i n den Vereinigten Staaten. Ich bin mir bewußt, daß das Regierungssystem i n den Vereinigten Staaten ein anderes ist als bei uns, daß der Präsident eine andere Stellung hat als der Regierungschef i n den parlamentarischen Demokratien Europas. Aber ich möchte gleichwohl kurz darauf hinweisen, wie das dort funktioniert. Daran können w i r dann die Frage anknüpfen, ob es sinnvoll oder i n gewissen Bereichen vielleicht sogar notwendig ist, bei uns Entsprechendes einzurichten. Das „Executive Office of the President" als die oberste Planungs-, Leitungs- und Verteilungsbehörde für die gesamte Politik i n den Vereinigten Staaten gliedert sich selbst i n sechs selbständige Offices. Eines ist das sogenannte „White House Office", das man vielleicht m i t unserem Bundeskanzleramt vergleichen kann. Daneben aber gibt es — das ist vor allen Dingen wichtig — das Bureau of Budget, auf das ich noch eingehen möchte, den Council of Economic Advisors, ein Gremium von W i r t schaftsberatern, den National Security Council, den Verteidigungsrat,

Stabsorganisation u n d Haushaltsplanung

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und das Spionageabwehramt, dem Bundesnachrichtendienst vergleichbar. 1953 ist noch das Office of Defense Mobilization, also ein Mobilmachungsamt, hinzugekommen. Alle diese offices sind i m Executive Office of the President zusammengefaßt 4 . Daran sieht man schon, wieweit hier zentrale politische Aufgaben einen Planungsstab, eine vorbereitende Behörde gefunden haben. Die einzelnen offices — Behörden möchte ich sie nicht nennen, da sie so selbständig nicht sind — stehen unter „authority and command" des Präsidenten. Das Bureau of Budget wurde ebenfalls nach dem ersten Weltkrieg als eigene Institution geschaffen. Es wurde zunächst räumlich dem Schatzamt zugewiesen, aber dem Präsidenten unmittelbar unterstellt. 1939, bei der Reorganisation des Präsidentenbüros, hat man es aus dem Verband des Schatzamtes herausgenommen und direkt i n das Executive Office of the President überführt. Die Aufgabe des Bureau of Budget war zunächst die Aufstellung des jährlichen Budgets, das dem Kongreß zugeleitet wurde. Der Kongreß konnte verlangen und erwarten, einen Budgetvorschlag und auch finanzielle Programme vorgelegt zu bekommen, die von der Regierung geplant und von diesem Büro ausgearbeitet waren. Der Aufgabenkreis hat sich dann schnell erweitert. Es ist vielleicht nicht zufällig, daß gerade von dem Anknüpfungspunkt der Aufstellung des Budgets her diese Aufgabenerweiterung vonstatten gegangen ist. Das Bureau of Budget wurde nämlich daneben alsbald zu einem Stab für die Einrichtung des management und der Organisation i n den einzelnen Bereichen der Exekutive. Es hat die Befugnis, Vorschläge dafür auszuarbeiten und eine gewisse Aufsicht auszuüben. Man kann es heute auch als ein Organisationsplanungsamt bezeichnen. Schließlich ist i h m noch die Koordination der Statistik und die Aufsicht über die Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung der Verwaltung übertragen worden 5 . Die Befugnisse für das Budget beschränken sich nicht darauf, gewissermaßen als clearing-Stelle die Anforderungen der einzelnen Departments oder Ressorts zusammenzustellen und irgendwie i n ein einheitliches Gefüge zu bringen. Das Bureau of Budget hat vielmehr die Aufgabe „to assemble, to correlate, to revise, reduce or increase the estimates of the several departments or establishments" 6 und hat damit unter dem Präsidenten i m Grunde die entscheidende Funktion. Der Budgetvorschlag w i r d nach Maßgabe der politischen Entscheidungen des Präsidenten von diesem Büro, also innerhalb der Kanzlei des Präsidenten, aufge4 Dazu i m einzelnen Loewenstein a.a.O. S. 321 ff. u n d das U. S. Government Organization Manual 1961—62. Washington, D. C.: Government P r i n t i n g Office, 1962. 5 Vgl. die Angaben über Aufgaben u n d Funktionen des Bureau of Budget i m U. S. Government Organization M a n u a l 1961—62. • Ebendort.

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stellt, von hier aus w i r d über die Anforderungen der einzelnen Departments und ihre Rangfolge entschieden. Das ist mehr als nur eine A r t von Koordination. Gerade i m Zeichen des modernen Sozialstaats und seiner politischen Aufgaben ist dies von besonderer Bedeutung. Die politische Leitung besteht — wie uns die gegenwärtige Praxis zeigt — zu einem nicht geringen Teil in der Verteilung, i n der Zuteilung der Mittel. Bestimmung der Richtlinien der Politik heißt heute weitgehend Mittelverteilung, Mitteleinsatz und Aufstellung von Prioritäten i m Hinblick auf die Verfolgung und Durchführung bestimmter politischer Zielsetzungen und Programme. Diese A r t der Organisation der Budgetaufstellung und der Entscheidung über die finanziellen Prioritäten, wie sie i n den Vereinigten Staaten getroffen ist, gewinnt so i m Zeichen einer an Keynes orientierten W i r t schaftspolitik und Soziallenkung besondere Bedeutung. Demgegenüber habe ich den Eindruck, als ob die Organisation, wie sie bei uns überkommen ist, doch noch sehr dem 19. Jahrhundert verhaftet ist. Bei uns läuft die Aufstellung des Haushaltsplans zunächst über den Finanzminister. Dabei ist es so, daß — wie Herr Minister Schlegelberger sagte — bei dieser Aufstellung der Ausgaben der Finanzminister primär dafür verantwortlich ist, daß das Staatssäckel nicht zu sehr belastet und sparsam gewirtschaftet wird. Dieses Verfahren ist i n einer Zeit entstanden und hat dort seinen Sinn gehabt, wo der Einsatz von Mitteln und die Disposition über Steueraufkommen und Steuerverteilung nicht einen wesentlichen Teil der Politik selbst ausmachten, sondern mehr die technischen Voraussetzungen für die Politik schufen. I n der Weimarer Zeit hat man aus Gründen der Sparsamkeit gegenüber einem ausgabefreudigen Parlament den Finanzminister stark zu machen versucht, indem man ihm ein besonderes Einspruchsrecht zuerkannt hat 7 . Das hat dazu geführt, daß heute ein einzelner Ressortminister gleichsam über die sachliche Politik der Gesamtregierung und der einzelnen Ressorts mitentscheidet, und nicht nur über ihren Finanzbedarf, den sie als Grundlage brauchen, um verwalten zu können. Dadurch kommen w i r bei uns zu einer Zweigleisigkeit. Einmal stellt der Finanzminister das Budget auf. Er empfängt die einzelnen Ressortminister und sagt ihnen, was er ihnen geben kann oder nicht. Dann muß aber der so zusammengestellte Entwurf noch ins Kabinett, und zwar in 7

Grundlage u n d Ausgestaltung i n den §§ 20 und 21 der Reichshaushaltsordnung von 1922; von dort wurde 1924 die Regelung i n die Geschäftsordnung der Reichsregierung (§ 32) übernommen, von dort i n die GeschäftsO. der Bundesregierung § 26 I. Über die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorzugsstellung des Finanzministers auf Grund der gegebenen Rechtslage Böckenförde, Ernst-Wolf gang: Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung. Berlin: Duncker u n d Humblot, 1964, S. 182 ff.

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unser Großkabinett hinein. Dort muß über Prioritäten und Abstriche entschieden werden. Der Finanzminister selbst kann den Entwurf aufstellen, er kann aber nicht verbindlich über ihn entscheiden. Er t r i f f t vielleicht eine Vorentscheidung. I n zweiter Instanz muß dann das Kabinett entscheiden. Es ist aber sehr fraglich, wie weit es dann noch möglich ist, die verschiedenen Belange der Ressorts unter einen Hut zu bringen, ohne daß jede Entscheidung über Prioritäten sich in richtungslosen Kompromissen verläuft. Ist nicht eine Konzentration der Budgetaufstellung beim Regierungschef gerade i m Zeichen der heutigen staatlichen Aufgaben ein sehr wirksames — und vielleicht notwendiges — Mittel, damit er die Richtlinien der Politik auch praktisch bestimmen kann und das dazu erforderliche Instrumentarium selbst i n der Hand hat? Es wäre vielleicht zu überlegen, inwieweit man dazu kommen muß, daß die Ressortselbständigkeit — ich möchte das mehr als Frage an die Experten der Verwaltungspraxis aussprechen — gewissermaßen erst unterhalb des Budgets beginnt. M i t dem, was nach der politischen Gesamtentscheidung verfügbar ist, kann dann die Ressortselbständigkeit des einzelnen M i nisters einsetzen. Das zweite Problem, das die Organisation in den Vereinigten Staaten uns aufgibt, ist das des sogenannten Zivilen Generalstabs. Mackenzie 8 hat mit Recht darauf hingewiesen, daß heute jede politische Entscheidung eine „foundation of independent expert knowledge" braucht. Die heute notwendige Art, politisch zu führen und die Richtlinien der Politik zu bestimmen, macht es erforderlich, Materialinformationen zu haben, Pläne zu entwickeln, sich über langfristige Ziele klar zu sein und daraufhin dann Stufen vorzusehen. Man kann das nicht mehr von Fall zu Fall aus dem Augenblick heraus machen. Die moderne Gesellschaft verträgt es von ihrer funktionalen Sensibilität her nicht mehr, daß nicht von einer bestimmten Konzeption her, nicht nach einem vorbedachten Rahmen-Plan politisch gehandelt wird. Auch hier scheint mir vom Stil her die traditionelle Organisation — wenn ich das recht sehe — selbst i m Bundeskanzleramt doch mehr auf ein Kleinressort, also auf Verwaltung, statt auf einen Planungsstab hinauszulaufen. Verwaltung ist aber etwas spezifisch anderes als Planung und Stabsarbeit, als das Aufstellen und Durchdenken von Modellen und Alternativen. Ich habe mich gefreut zu erfahren, daß das amerikanische Stabssystem i m Grunde vom preußischen Generalstab übernommen ist. Ich glaube i n der Tat, daß hier die militärischen Arbeits- und Organisationsformen uns für den zivilen Bereich einige Hinweise geben können. Der Konflikt i m Bundesverteidigungsministerium i m Sommer 1966 hatte vielleicht 8

Mackenzie a. a. Ο. (s. oben Anm. 1), S. 80.

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nicht zuletzt auch darin seinen Grund, daß zwei verschiedene Arbeitsmethoden und Arbeitsweisen, die der Verwaltung und die des militärischen Stabs, hier aneinandergestoßen sind. Das Planen, das Durchspielen und Durchdenken von Modellen und Alternativen bis i n die Konsequenzen hinein, das Sammeln des Materials, von dem aus die Grundlagen für die politische Entscheidung bereitgestellt werden, sind etwas anderes als Verwaltungsarbeit. Man muß sich über die Konsequenzen eines bestimmten Handelns erst klar sein. Sonst hat man ein gutes Programm, hat aber nicht bedacht, was es i n dieser und jener Hinsicht für Auswirkungen hat, und sieht sich dann Situationen gegenüber, auf die man gar nicht eingerichtet ist. I n den Vereinigten Staaten ist der Versuch des zivilen Generalstabes auch gerade unter Präsident Kennedy besonders intensiv gemacht worden, indem das „White House Office" von i h m sehr stark mit Expert-knowledge-Beratern versehen worden ist 9 . Es wäre von daher die Frage zu stellen, ob nicht das Bundeskanzleramt — ich möchte m i r den Vergleich von Elefant und Arbeitspferd zu eigen machen — i n dieser Weise als wirklicher „Stab" aufgebaut werden muß. Ich kann nur unterstreichen, daß ein solcher Stab Zeit zum Denken haben muß, daß er Planspiele durchführen können muß. So können die Organisations« und Arbeitsformen des militärischen Bereichs — gerade des Generalstabs — i n der Tat Hinweise dafür geben, was heute auch für den zivilen Bereich notwendig ist. W i r brauchen den Zivilen Generalstab.

9 s. die Zusammenstellung i m U. S. Government Organization Manual (s. oben A n m . 4).

Ergänzende Erwägungen (Bericht) Von Alfons Noll

Professor Knöpfle gab als Diskussionsleiter zu bedenken, daß man das wertvollste an der Konzeption der Staatskanzlei aufgebe, wenn man zulasse, daß ihr nach wahllos wechselnden Aktualitäten die eine oder andere Sache angehängt werde. Dadurch würde der Ministerpräsident de facto zum Ressortminister. Das solle er aber gerade nicht sein; er solle frei bleiben zum Denken über das Ganze. Es sei Böckenförde beizustimmen, daß die Budgetabteilung à la longue aus dem Finanzministerium heraus- und i n die Staatskanzlei hineingenommen werden müsse. Die Frage, wieviel man für Kulturpolitik, Verteidigung usw. i m Jahr 1973, 1974 und 1975 ausgeben könne, sei von der Sache her nicht ausführende Verwaltung, sondern ein Essentiale der Regierungs- und Stabstätigkeit. Den Gedanken, die Staatskanzlei institutionell zu einer A r t Plattform für die Aufnahme externen Sachverstandes je nach den Gegebenheiten auszugestalten, sah Knöpfle auch für die deutschen Verhältnisse durchaus nicht als so theoretisch an, wie es auf den ersten Blick erscheinen möge. I n diesen Bereich fielen die Sonderbeauftragten des Kanzlers, die i n hochpolitischer Mission außerhalb der Regierungsorganisation mit der Durchführung bestimmter Aufgaben betraut würden. Das seien Erscheinungen der politischen Wirklichkeit, die zu systematisieren und i n unseren Regierungs- und Verwaltungsbau einzugliedern noch nicht versucht worden sei. I n dieser Richtung solle man aber wohl weiterschreiten, weil die Staatskanzlei personell nicht mit dem ganzen verfügbaren Sachverstand ausgestattet werden könne, vielmehr jeweils von Fall zu Fall Ergänzungen vorzunehmen seien. Professor Hennis, Hamburg, bezeichnete die Staatskanzlei als das markanteste Führungsinstrument, das sich die modernen Staaten zur Meisterung ihrer neuen Aufgaben seit dem ersten Weltkrieg zugelegt hätten. Er wandte sich gegen eine Bewertung, die der Bedeutung dieses Instruments nicht gerecht werde. Wenn man etwa den Ursachen der bei uns seit Jahren zu beobachtenden Kalamitäten durch „Entpolitisierung" der Verwaltung entgegentreten wolle, so glaube er nicht, daß Max Weber jemals so etwas gefordert habe. Weber habe vielmehr die politische, parlamentarisch verantwortliche Führung der Bürokratie gefor-

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dert. Sein Ziel sei die Abschaffung des alten Staatssekretärsystems gewesen. Nach 1945 sei sowohl i m Bund wie in den Ländern das Webersche Ziel der politisch verantwortlichen Führung der Bürokratie eben durch Politiker — und nicht mehr wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten durch Beamte — überall verwirklicht worden. Das sei ein großer verwaltungsgeschichtlicher Fortschritt. Gegen die naheliegende These, die Schwäche der gegenwärtigen Apparatur bei der Erfüllung wichtiger Aufgaben sei i n den Bestimmungen der normativen Verfassung begründet, wandte Hennis ein, daß unsere wie jede normative Verfassung immer nur Ämter einrichte, Anregungen gebe und Schranken setze. Die gegenwärtige Verfassungsordnung mit ihrer Kombination von Richtlinienkompetenz, Ressortkompetenz und Kollegialsystem unterscheide sich i m Kern nicht vom englischen System und weise alle Möglichkeiten auf, die die Engländer zur Stärkung ihres Regierungsapparats wahrnähmen. Die Staatspraxis und nicht die Verfassungsordnung erschwere die Lage i n der Bundesrepublik. Die mit Recht vorgebrachte K r i t i k , daß unsere Kabinette in viel zu starkem Maße eine Addition von Partikularitäten seien, rühre nur daher, daß die Minister eben 10 Jahre in demselben Ressort hockten. I n England bleibe laut entsprechenden Statistiken kein Minister i n der Regel viel länger als drei Jahre i m Ressort; dann komme er i n ein anderes Ressort, um sich nicht i n einem Ressort zu stark akklimatisieren zu können. Dieses Grundprinzip der Rotation der Minister verhindere, daß sie sich zu sehr mit den jeweils vorrangigen Interessen ihres Ressorts identifizierten; es ermögliche ihnen die immer notwendige politische Gesamtschau. Wenn auch das Fehlen von „Staatsministern" und parlamentarischen Staatssekretären i n Bonn erschwerend hinzukomme, so liege doch der Hauptgrund für die augenblickliche Lage in der Tradition des Denkens aus dem Ressort, aus dem eigenen „Haus". Der Minister verstehe sich eben hierzulande immer noch mehr als „Chef seines Hauses" statt als Mitglied des Kabinetts, von dem aus er i m Zusammenhang mit der Parteilinie sein Ressort zu führen habe. Wenn auch mit Recht darauf hingewiesen worden sei, daß i m Bundeskanzleramt die Planung klein geschrieben werde, so liege das nicht an der Verfassung, die einer Planung nicht entgegenstehe. Allerdings könne von einem Bundeskanzler, für den das Wort Planung ein Anathema sei, nicht erwartet werden, die organisationspolitischen Konsequenzen zu ziehen. Hennis wies sodann auf die Bedeutung der Kabinettsausschüsse als das eigentliche Koordinierungs-Instrument i m Bundeskanzleramt hin, die natürlich nur dann ein Instrument der Richtlinienpolitik sein könnten, wenn der Bundeskanzler selbst sie führe. Auch hier zeige sich, daß

Ergänzende Erwägungen (Bericht)

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die heutigen Probleme viel weniger ein Resultat verfassungsgeschichtlicher Vorgänge seien, als vielmehr auf eine mangelnde Führungspraxis zurückgeführt werden müßten. Der Schrei nach der starken Verfassung sei genau so steril wie der Schrei nach dem starken Mann. Das politische Problem sei immer die Verbindung von Dynamik einerseits und Festigkeit, Klugheit und Stärke andererseits gewesen. Unter modernen Bedingungen liege die Stärke des Regierungschefs meist i n seiner parteipolitischen Stellung i m parlamentarisch regierten Staat. Wenn er keine parteipolitisch starke Stellung habe, nützten alle organisationspolitischen Maßnahmen i m engeren Bereich der Staatskanzlei nichts. Professor Kafka, Graz, ergänzte die Erörterungen durch Gesichtspunkte aus der österreichischen Sicht und zog aufschlußreiche Vergleiche zwischen den Staatskanzleien i n Österreich und der Bundesrepublik. M i t dem Hinweis auf die völlig verschiedene Situation zwischen Bund und Ländern i n Österreich machte Kafka nur die Lage i m Bund zum Gegenstand seiner Ausführungen. Nach Art. 69 der Verfassung würden, soweit nicht der Bundespräsident in Frage komme, die obersten Ämter der Bundesverwaltung vom Bundeskanzler und den derzeit 11 Ressortministern geführt, die unter dem Vorsitz des Kanzlers die Bundesregierung bildeten. Das sei auch ziemlich alles, was über das Verhältnis des Bundeskanzlers zu seinen Ressortministern von Rechts wegen zu sagen sei, außer daß die Minister vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Kanzlers ernannt würden. Es sei i n Österreich herrschende Lehre, daß das strenge Ressortprinzip gelte, soweit nicht ausdrücklich durch Gesetz die Vollziehung der Gesetze dem Kollegium der Bundesregierung zugewiesen sei. Infolgedessen fehle es an einer „Richtlinienkompetenz", die schon dem Worte nach nicht vorkomme. Dies empfinde deshalb keiner als Mangel, weil ein starker Bundeskanzler diese Kompetenz nicht brauche und ein schwacher mit ihr nichts anzufangen wisse. Die Bundesregierung sei ferner dadurch charakterisiert, daß nach überwiegender Ansicht i n der Lehre, die er selbst allerdings für falsch halte, das Prinzip der Einstimmigkeit herrsche. Theoretisch könne also ein einziger Bundesminister eine kollegiale Beschlußfassung verhindern. Doch sei dies graue Theorie in Anbetracht der Möglichkeit, daß ein Bundesminister auf Vorschlag des Kanzlers vom Bundespräsidenten entlassen werden könne. Es sei also mehr oder weniger eine politische Machtfrage, ob diese Einstimmigkeit erzielt werde. Die Bundesregierung habe auch keine Geschäftsordnung. Die Rolle des Bundeskanzlers werde dadurch eingeengt. A n Apparaten stehe dem Bundeskanzler als einzige Staatskanzlei die sogenannte Präsidialsektion zur Verfügung, die unter anderem die Sitzungen des Ministerrats vorzubereiten habe. Darüber hinaus sei aber eine zweite Sektion von großer Bedeutung. Dies sei der sogenannte Ver-

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fassungsdienst. Der Verfassungsdienst als eine eigene Sektion sei jene Abteilung, die die Gesetzgebungswünsche der Ressorts auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfe und den Bundeskanzler entsprechend berate. Selten komme ein Gesetzesbeschluß oder eine Regierungsinitiative gegen das Gutachten des Verfassungsdienstes zustande, da immer die Gefahr bestehe, der Verfassungsgerichtshof werde dieses Gesetz aufheben. Als drittes Hilfsmittel nannte Kafka die Beamtenrechtssektion, mit der — und nicht nur mit dem Finanzministerium — die Dienstpostenpläne der einzelnen Ressorts abgesprochen werden müßten. Wenn also rechtlich die Position des Bundeskanzlers außerordentlich schwach erscheine, sei dies faktisch deswegen nicht der Fall, weil infolge des parlamentarischen Prinzips der Bundeskanzler sich letztlich als Chef seiner Partei durchsetze. Von dort aus erfolge auch vielfach die Koordination. I n der Zeit der verflossenen Koalition seien die Koordinationsfunktionen zum großen Teil außerhalb der Regierung, aus dem berühmten Koalitionsausschuß, den man später Arbeitsausschuß genannt habe, wahrgenommen worden. Das i n der Theorie geltende monokratische Prinzip i m Bereich der Ressorts habe aber mehrfache Durchbrechungen. Deren eine stelle die immer wachsende Zunahme der sogenannten „Im-Einvernehmen-Formel" i n den Exekutivermächtigungen dar. Das Bundesministerium für X sei danach verpflichtet, nur i m Einvernehmen m i t dem Bundesminister i u m für Y das betreffende Gesetz zu vollziehen. Wenn sich beide M i n i sterien nicht einigten, bleibe dem betroffenen Bürger die Möglichkeit der Versäumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, was jedoch etwa 3 Jahre dauere. Ein weiterer sich immer stärker durchsetzender Faktor, den man nicht nur negativ beurteilen dürfe, sei die Tendenz zu einer großen Zahl von Beiräten, die sich bei den Ministerien bildeten; der bekannteste sei die Lohn- und Preiskommission. Als dritte Durchbrechung des monokratischen Prinzips bezeichnete Kafka die Bildung von nicht weisungsgebundenen Kollegialbehörden mit gerichtsähnlichem Charakter, deren Entscheidungen nicht i m Instanzenzuge aufgehoben und auch nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden könnten. I n diesem Zusammenhang sei auch das Prinzip der Vernehmenslassung wie i m Schweizer Recht zu nennen, das i n Österreich, wenn auch nicht unter diesem Namen, weitgehend bei einfachen Gesetzen eingeführt sei. Danach müßten über einen Gesetz- oder einen Rechtsordnungsentwurf die Handelskammer, die Arbeiterkammer, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern usw. gehört werden. Kafka sah darin eine nicht nur negative Entwicklung, weil dadurch sehr viele Aufgaben hinunterwanderten zu den Sachverständigen, wodurch die politische Führung entlastet werde. Wenn dabei natürlich auch nicht geplant werde, so werde doch viel Kleinkram i n die Sachverständigen-

Ergänzende Erwägungen (Bericht)

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gremien der Verbände hinunterdelegiert. Ein geschickter Ministerialbeamter wisse schon, wie er die Vorgänge steuern könne. Das österreichische Beispiel bezeichnete Kafka abschließend als eine Bestätigung für die Richtigkeit der Ausführungen von Hennis. Denn Tugenden könnten eben nicht durch Institutionen ersetzt werden, wie auch umgekehrt Institutionen nicht durch Tugenden. Professor Knöpfle Schloß aus der deutschen Praxis den Hinweis an, daß die Geschäftsordnung zwar bei allen Referenten jahrelang griffbereit daliege, aber diese auch jahrelang keinen Blick i n die Geschäftsordnung zu werfen brauchten. Wenn das notwendig werde, sei die Sache meist schon hoffnungslos verfahren. Das österreichische Muster habe den Vorteil, daß es insoweit zu keiner Divergenz zwischen formaler und informaler Struktur komme. I m übrigen setze sich das Informelle i n der Praxis i m Regelfall durch. Zur Richtlinienkompetenz hielt Knöpfle die i m Schrifttum gelegentlich vertretene Auffassung, die Richtlinien seien Rechtssätze, die nach A r t von Rechtsnormen publiziert werden müßten, für völlig abwegig. Wie man auch die Richtlinien formal-juristisch deklarieren möge, i n praxi herrsche für sie größte Formfreiheit. Sie würden durch Telefongespräche, durch Bitten des Regierungschefs, durch die Formulierung eines Besprechungsergebnisses seitens des Regierungschefs und auf ähnlichen Wegen gegeben. Zur Klarstellung hob Knöpfle hervor, daß der österreichische Gesetzgebungsdienst nicht mit dem von Morstein Marx erwähnten A m t zur abwägenden Prüfung der Gesetzesplanung identisch sei, da sich dieser Gesetzgebungsdienst auf das rein Juristische beschränke und das staatsrechtliche Gewissen des Exekutivapparates sei, aber keinesfalls die Funktion eines leitungspolitischen, legislationspolitischen Führungsinstrumentes ausübe. I m Hinblick auf die fortgerückte Stunde empfahl Professor Knöpfle eine Fortsetzung der Diskussion am Nachmittag.

Das Bundeskanzleramt Von Günter Bachmann

Gliederung Einleitung — Prägung des Amtes durch den Kanzler — Entwicklung des Bundeskanzleramtes — Mangelnde Souveränität — Deutschlands Teilung u n d Bedrohung — Größere Befugnisse des Kanzlers nach dem Grundgesetz — Bundespressestelle — Geschäftsordnung — Verteilung der Schwerpunkte nach der Verfassung — Kanzlerprinzip — Ressortprinzip — Kollegialprinzip — Tätigkeit des Bundeskanzleramtes — Information als Voraussetzung für Richtlinienentscheidungen — Information u n d Richtlinienbestimmung i m Kabinett — Kabinettsausschußsitzungen — Interne Gespräche — Gespräche m i t Außenstehenden — öffentliche u n d geheime Information — Koordinierung der I n formation — Aufgabe der Referenten des Amtes — Beratung des Regierungschefs — Organisation des Bundeskanzleramtes — Drei Abteilungen — A b weichungen v o m Ressortprinzip — Notwendigkeit eines pyramidenförmigen Aufbaus — Problematik der „Büros" — Günstige Erfahrungen m i t Kanzlerbüro — Verhältnis: Kanzleramt/Presseamt/Nachrichtendienst — Planung im Bundeskanzleramt — Keine Trennung von Planungsreferat u n d Abteilungen — Planungsabteilung u n d Kontrollabteilung — Wechsel der wissenschaftlichen Berater nach Bedürfnis — Mögliche Gliederung des Amtes — Loyalität seiner Beamten — Der richtige M a n n am richtigen Platz W e n n ich I h n e n ü b e r das B u n d e s k a n z l e r a m t b e r i c h t e n soll, m u ß i c h z u B e g i n n u n t e r s t r e i c h e n , daß d e r H a u p t t e i l m e i n e r f ü n f z e h n j ä h r i g e n E r f a h r u n g e n i n diesem A m t aus der Ä r a A d e n a u e r s t a m m t . N a t ü r l i c h habe i c h auch die l e t z t e n 3 J a h r e — seit d e m A m t s a n t r i t t v o n Professor E r h a r d als B u n d e s k a n z l e r — m i t w a c h e n A u g e n i m B u n d e s k a n z l e r a m t erlebt. G l e i c h w o h l h ä t t e die besonderen A k z e n t e dieses j ü n g s t e n Z e i t abschnitts sicher e i n l a n g j ä h r i g e r , enger M i t a r b e i t e r E r h a r d s besser h e r a u s a r b e i t e n k ö n n e n . N u n , das A m t h a t m i c h b e s t i m m t , u n d i c h m u ß versuchen, der g e s t e l l t e n A u f g a b e gerecht z u w e r d e n * . * A m Tage vor dem für dies Referat nach dem Programm festgesetzten Term i n erhielt der Tagungsleiter ein Telegramm von H e r r n Bundesinnenminister Lücke, i n dem dieser mitteilte, Ministerialdirigent Bachmann werde bei der Fallex-Ubung dringend gebraucht. Das Telegramm sagte weiter: „ I c h wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es einrichten könnten, daß er seinen Vortrag erst am Freitag hält. Das Bundeskanzleramt w i r d Sie heute nachmittag anrufen, u m Ihre A n t w o r t zu erbitten." Leider ließ die für die Tagung festgelegte Themenfolge eine solche Umgestaltung nicht zu. E i n gewisser Ausgleich entstand dadurch, daß Bankdirektor Ministerialrat a. D. Dr. Dr. A d o l f H ü t t l i n seinem Referat sich vornehmlich der Situation i m B u n d zuwandte. I n der E r 11

Speyer 34

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Günter Bachmann

I Zur Entwicklung des Bundeskanzleramtes eine Vorbemerkung: A m 16. September 1949 wurde der erste Bundeskanzler — Konrad Adenauer — gewählt. Seine profunde administrative Erfahrung und die Hilfe des kenntnisreichen und erfahrenen Ministerialdirektors (späteren Staatssekretärs) Dr. Globke, dessen Verdienste hoffentlich eines Tages noch besondere Würdigung finden werden, haben den schnellen Aufbau des Bundeskanzleramtes erleichtert. Es lag nahe, bei der Organisation des Amtes an historische Vorbilder anzuknüpfen. Das ist auch geschehen, aber drei neue Tatsachen mußten berücksichtigt werden: (1) Deutschland war nicht souverän; (2) Deutschland war geteilt und von zwei sich zunehmend feindlich gegenüberstehenden Mächtegruppen besetzt; und (3) Das Grundgesetz gab und gibt dem Bundeskanzler eine stärkere Stellung, als sie der Reichskanzler gehabt hatte, wenn man von den temporären besatzungsrechtlichen Uberlagerungen absieht. Adenauer hat diese Gegebenheiten klar erkannt und seine Folgerungen auch i n organisatorischer Hinsicht daraus gezogen. I m Hinblick auf die mangelnde Souveränität wurde i m Bundeskanzleramt eine Verbindungsstelle

zur

Alliierten

Hohen

Kommission

eingerichtet. M a n h ä t t e

sich andere Lösungen vorstellen können, ζ. B. weitgehende Dezentralisierung der Kontakte zu den Besatzungsmächten, Distanzierung i n der Spitze und Übertragung des notwendigen technischen Kontaktapparates der Bundesregierung auf ein Bundesministerium. Ein kurzsichtiger, von überholten Ideen eingenommener Bundeskanzler hätte meinen können, er diene dem deutschen Volk und der Würde seiner Stellung am besten, wenn er i n dieser Weise auf Distanz gehe. Adenauer tat das nicht. Er legte größten Wert darauf, die Kontakte zu zentralisieren, zu kanalisieren, zu kontrollieren. Er nahm damit aber die schwere, manchmal bittere und demütigende Aufgabe persönlich auf sich, den Hohen Kommissaren zu berichten, sie zu bitten, von ihnen Lob und Tadel entgegenzunehmen, und er tat das mit Würde. Er war also doppelt verantwortlich, nämlich dem Bundestag und der Alliierten Hohen Kommission, aber er zog daraus auch doppelten Vorteil: Er konnte die Erfordernisse seiner Politik und die Verwobenheit deutscher und alliierter Interessen den Alliierten unmittelbar verdeutlichen und dabei auf den Druck der politischen Kräfte i n Deutschland hinweisen, dem die Bundesregierung ausgesetzt war. Umgekehrt konnte er seinem Kabinett und der Volksvertretung klarmachen, wie die Lage sich aus der Sicht des Petersbergs und des westlichen Auslandes ausnahm. Wartung, dadurch schneller zum Druck zu gelangen, hat H ü t t l sein Referat nach Fühlungnahme m i t dem Tagungsleiter i n einer Fachzeitschrift veröffentlicht. I n dieser F o r m ist es i n der Schrifttumsauswahl zitiert.

Das Bundeskanzleramt

163

Als i m März 1951 das Auswärtige A m t entstand, wurde die Verbindungsstelle aufgelöst; ihr Leiter, Professor Hallstein, wurde Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Die Leitung des Außenministeriums übernahm Adenauer selbst, bis ihm — nach Wiedergewinnung der Souveränität — am 8. Juni 1955 Heinrich von Brentano als Außenminister folgte. Auch dann widmete Adenauer aber der Außenpolitik noch seine besondere Aufmerksamkeit. Er schuf ein nur für auswärtige Angelegenheiten zuständiges Referat i m Bundeskanzleramt, das neben protokollarischen Aufgaben die Pflicht hatte, i h m alle wichtigen Berichte der deutschen Auslandsmissionen täglich vorzulegen. Das „Außenpolitische Büro" allerdings entstand erst 1959, also 4 Jahre später, aus einer personalwirtschaftlichen Zufallssituation. Z u Deutschlands

Teilung

und Bedrohung

müssen w i r uns k u r z an d i e

damalige Lage erinnern: 1948 Prager Putsch, 1948/49 Berliner Blockade, 1950 Beginn des Koreakrieges. Adenauers Programm lautete: engster Anschluß an den Westen, Schutz der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, Wiedergewinnung der Souveränität. Daraus folgte der deutsche Verteidigungsbeitrag und die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Organisatorische Konsequenzen waren: I m Einvernehmen m i t den Alliierten wurde i m J u l i 1950 i m Bundeskanzleramt eine „Zentrale für Heimatdienst" eingerichtet. Sie war gebildet aus einigen früheren Generalstabsoffizieren. Die Leitung hatte General a. D. Graf von Schwerin, der aus der britischen Besatzungszone kam. Ich erwähne das am Rande, weil der interne Kampf zwischen Briten und Amerikanern um Einfluß i n Deutschland auch damals eine Rolle spielte. M i t glied der Dienststelle war u. a. der heutige Oberbefehlshaber der NATOStreitkräfte Mitteleuropa, General Graf Kielmansegg. Er und einige andere Herren gingen bei Auflösung der „Zentrale für Heimatdienst" am 26. Oktober 1950 zu der i n demselben Augenblick errichteten „Dienststelle Blank" über. Offiziell führte diese von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Theodor Blank geleitete Dienststelle unter dem Briefkopf „Bundeskanzleramt" den seltsamen Zusatz: „Der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen". Räumlich war die Dienststelle nicht i m Bundeskanzleramt, sondern i n der Ermekeilkaserne untergebracht. Aus ihr entwickelte sich ein Organismus, der 5 Jahre später, i m Juni 1955, nach Wiedergewinnung der Souveränität, mit der Ernennung Blanks zum Minister die Bezeichnung „Verteidigungsministerium" annahm. Ebenso wie in der Außenpolitik hatte also Adenauer auch i n der Verteidigungspolitik bis Juni 1955 alle Fäden i n der Hand gehalten. U m sich auch danach auf diesem wichtigen Gebiet Einfluß zu sichern, schuf er den Bundesverteidigungsrat, der sich unter seinem Vorsitz schon i m Oktober 1955 konstituierte. I m Januar 1956 entstand dann ein eigenes, nur den u·

164

Günter Bachmann

Verteidigungsfragen und damit auch der Geschäftsführung des Bundesverteidigungsrates gewidmetes Referat i m Bundeskanzleramt. Weitere Schritte ergaben sich aus den größeren Befugnissen des Bundeskanzlers

nach dem Grundgesetz.

D e r P r ä s i d e n t des Rechnungshofs i m

Vereinigten Wirtschaftsgebiet hatte sich auf Veranlassung des Präsidiums des Parlamentarischen Rates am 1. März und am 3. Mai 1949 auch über die künftige Bundeskanzlei geäußert. Ferner wurden am 30. Juli 1949 „Empfehlungen des Organisations-Ausschusses der Ministerpräsidenten-Konferenz über den Aufbau der Bundesorgane" 1 fertiggestellt. Es wurden für die Bundeskanzlei eine Koordinierungsabteilung I mit 6 Referaten, ein Zentralbüro mit 3 Referaten (Personal-, Haushalts-, Rechnungswesen) und eine Abteilung I I mit 3 Referaten als Bundespressestelle und für die Aufgaben der „Staatsbürgerlichen Bildung" vorgeschlagen. Dem lag der Gedanke zugrunde, daß die Bundeskanzlei angesichts der starken Stellung des Bundeskanzlers nicht nur Referate zur mehr technischen Vorbereitung der Kabinettssitzungen haben solle, sondern echte Informations- und Koordinierungsreferate haben müsse. I n den genannten Empfehlungen vom 30. J u l i 1949 findet sich i n dem Abschnitt Bundespräsidialamt folgender Satz: „Der Bundespräsident kann sein hohes A m t nur ausüben, wenn er fortlaufend und erschöpfend über die deutsche Politik i m weitesten Sinne informiert bleibt." Wenn man statt „Bundespräsident" „Bundeskanzler" setzt, hat man genau das, was der Ausschuß sicher auch für den Bundeskanzler und den Aufbau seines Amtes zum Ausdruck bringen wollte, aber merkwürdigerweise nicht so klar gesagt hat. Aus der Bundespressestelle ist das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung geworden, dessen Chef seit 1958 nicht mehr dem Staatssekretär des Bundeskanzleramtes untersteht, sondern unmittelbar dem Bundeskanzler. Hierfür hatten sich bereits 1949 „einige Mitglieder des Organisations-Ausschusses" ausgesprochen „zwecks Sicherung der politischen Stellung des Chefs der Bundespressestelle". „Der Mehrheit des Ausschusses erschien es für diesen Zweck ausreichend, daß dem Leiter der Bundespressestelle das Recht des unmittelbaren Vortrags beim Bundeskanzler eingeräumt würde". Es ist noch zu erwähnen, daß schon i n den ersten Tagen des Bundeskanzleramtes die Bemühungen um Schaffung einer Geschäftsordnung der Bundesregierung begannen. Adenauer erkannte die Bedeutung des Vorgangs und nahm auf die Abfassung einzelner Bestimmungen nach1 Büro der Ministerpräsidenten des amerikanischen, britischen u n d französischen Besatzungsgebietes, Wiesbaden, Frankfurter Straße 2. Wiesbaden: Carl Ritter, 1949.

Das Bundeskanzleramt

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drücklich Einfluß. Böckenförde 2 weist mit Recht darauf hin, daß die Regierungsgeschäftsordnung der Sache nach ergänzendes Verfassungsrecht enthält. Er führt den interessanten neuen Begriff „Verfassungssatzung" für die Geschäftsordnung ein. Jedenfalls ist ihm darin zuzustimmen, daß die Geschäftsordnung der Bundesregierung größere Bedeutung hat, als i m allgemeinen angenommen wird. Es dauerte noch mehr als IV2 Jahre, bis die Geschäftsordnung am 11. Mai 1951 verkündet wurde 3 . Bei flüchtigem Hinsehen entspricht der heutige Text zunächst der Geschäftsordnung der Reichsregierung. Bei genauerem Zusehen aber t r i t t doch das B i l d des präsidierenden und lenkenden Kanzlers deutlicher hervor als i n der Weimarer Republik.

II Ich möchte jetzt ein paar Bemerkungen über das Kanzlerprinzip und sein Verhältnis zu dem Ressortprinzip und dem Kollegialprinzip machen. Es braucht für dieses Gremium nicht näher ausgeführt zu werden, daß der Bundeskanzler des Grundgesetzes sowohl dem Staatsoberhaupt als auch den Ministern gegenüber stärker ist als der Reichskanzler der Weimarer Verfassung. Daraus ergibt sich, daß trotz gleichen Wortlauts der einschlägigen Verfassungartikel die Richtlinienbefugnisse des Bundeskanzlers weiter gehen als die des Reichskanzlers. Es fehlt aber nicht an Stimmen, die sagen, die Kanzlerkompetenzen dürften nicht übertrieben werden. Grob gesprochen, zeichnen sich zwei Richtungen ab: die eine, die mehr formalisieren und generalisieren w i l l , und die andere, welche das Problem pragmatischer angeht. I m Ergebnis läuft die erste auf eine Einschränkung der Befugnisse des Kanzlers hinaus, während die zweite ihm freiere Hand gibt. Die restriktive Richtung geht so weit zu fordern, daß nur die zu Beginn einer Amtsperiode aufgestellten Leitgrundsätze politische Richtlinien i m Sinne des Art. 65 GG sein können oder sogar daß die Richtlinien i n einer A r t Kodex niedergelegt werden müssen. Diese Auffassung legt den Nachdruck auf das Wort „Richtlinien" und läßt den zweiten Bestandteil der Wortverbindung außer Betracht. Die Dynamik und Vielgestaltigkeit dessen, was man Politik nennt, kommt zu kurz. 2 Böckenförde, Ernst-Wolf gang: Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung. Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Duncker & Humblot, 1964, S. 119, 122/23.

3 Gemeinsames Ministerialblatt, Jg. 2, 1951, S. 137.

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Günter Bachmann

Nun von der Theorie zur Praxis: Keiner der beiden Kanzler ist jemals auf die Idee gekommen, seine politischen Richtlinien zu kodifizieren. Ja, noch mehr: Obwohl selbstverständlich der Kanzler als leitende Instanz der Politik der Bundesregierung immer unbestritten war und immer mehr oder weniger i n Erscheinung getreten ist, hat es eine formell als Richtlinie der Politik bezeichnete Äußerung des Regierungschefs i n den 17 Jahren der Bundesregierung nur sehr selten gegeben. Aber ein solches Etikett ist ja auch gar nicht nötig. Auch wenn es nicht aufgeklebt ist, sind bestimmte grundsätzliche Äußerungen des Kanzlers eben Richtlinien. Sie können i n der Regierungserklärung enthalten sein, die zwar vom Kabinett gebilligt ist, aber doch nicht notwendigerweise i n allen Einzelheiten, i n Briefen des Kanzlers an seine Minister, i n Gesprächen mit einzelnen Ministern oder mit allen Regierungsmitgliedern i m Kabinett. Ja, sogar öffentliche Erklärungen, die nicht vor dem Bundestag oder dem Bundesrat abgegeben werden, können m. E. unter gewissen Voraussetzungen Richtlinienentscheidungen enthalten. Das Ressortprinzip sagt, daß jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leitet. Den Geschäftsbereich legt nach § 9 GOBR 4 der Bundeskanzler fest. Das ist eine wichtige Fortentwicklung gegenüber Weimar 5 . Aber weiter heißt es dann i m § 9, daß das Kabinett, nicht der Bundeskanzler bei Überschneidungen das letzte Wort hat. Damit ist gesagt, daß der Bundeskanzler zwar entscheidet, daß aber die Ausdeutung seiner Entscheidung i n Zweifelsfällen nicht von ihm, sondern vom Kabinett vorgenommen wird. Anders geht es wohl nicht angesichts des Artikels 65 Satz 3 GG 6 , aber merkwürdig ist das schon. Ein Stück von der Interpretationsbefugnis des Kabinetts w i r d dann übrigens i m § 17 Absatz I I GOBR wieder zurückgenommen durch die ausdrückliche Hervorhebung, daß der Kanzler über Meinungsverschiedenheiten jeder Art, also auch solche, die die Ressortabgrenzung betreffen, zunächst allein mit den beteiligten Ministern sprechen kann. Adenauer hat 1956 in den Akten hierzu vermerkt: „Fällt unter den noch 4 § 9 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (Gemeinsames Ministerialblatt 1951, S. 137 ff.): „Der Geschäftsbereich der einzelnen Bundesminister w i r d i n den Grundzügen durch den Bundeskanzler festgestellt. Bei Überschneidungen u n d sich daraus ergebenden Meinungsverschiedenheiten z w i schen den einzelnen Bundesministern entscheidet die Bundesregierung durch Beschluß." 5 § 8 der Geschäftsordnung der Reichsregierung v o m 3. M a i 1924 (RMB1.1924, S. 173, berichtigt S. 236; abgeändert am 14. A p r i l 1926, RMB1. 1926 S. 119): „Der Geschäftsbereich der einzelnen Reichsminister w i r d , soweit erforderlich, durch Verordnung des Reichspräsidenten i n den Grundzügen festgelegt. Einzelne Änderungen i n dem Geschäftsbereiche können, wenn sie die Grundzüge nicht berühren, nach E i n w i l l i g u n g der beteiligten Reichsminister, andernfalls auf Beschluß der Reichsregierung v o m Reichskanzler festgesetzt werden." β A r t . 65 Satz 3 GG: „Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den B u n desministern entscheidet die Bundesregierung."

Das Bundeskanzleramt

167

genauer zu umschreibenden Aufgabenkreis des Bundeskanzlers und ist auch wohl selbstverständlich." I n der Tat: Die Bestimmung ist wohl nur als Gegengewicht zu dem nicht sehr glücklichen A r t i k e l 65 Satz 3 GG verständlich. Knöpfle 7 sagt sinngemäß, daß dem Kanzler i n reinen Ressortsachen keine Leitungs-, Weisungs- und Mitwirkungsbefugnisse zustehen, wenn sie sich nicht durch einen die Gesamtregierung tangierenden politischen Einschlag von den übrigen Sachen unterscheiden. Andererseits muß der Kanzler aber berechtigt sein, i n solchen Ressortsachen zu intervenieren, die sich durch

ihren

besonderen

politischen

Charakter

v o n den anderen

abheben. Damit ist zugleich gesagt, daß Richtlinienentscheidungen auch Einzelfälle betreffen können, umgekehrt, daß Entscheidungen von Einzelfällen nicht automatisch immer Ressortentscheidungen sind. Zum Kollegialprinzip ist mit Knöpfle zu sagen, daß das Kanzlerprinzip an der Schwelle des Kabinettssaales nicht sein Ende findet. Ausgenommen sind natürlich die Fälle, i n denen eine Entscheidung der Gesamtregierung von der Verfassung oder einem einfachen Gesetz verlangt wird. Sonst aber darf man die Richtlinienkompetenz nicht dadurch aushöhlen, daß man sie i m Ergebnis immer unter den Vorbehalt einer stillschweigenden oder ausdrücklichen Kabinettsbestätigung stellt. Die Praxis ist auch immer so gelaufen. Als Beispiele können die Entscheidung Adenauers über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion 19558 und noch deutlicher die Entscheidung Erhards über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel i m Jahre 1965 angeführt werden. Das Kabinett hatte stundenlang über die Nahostkrise beraten. Weitere Beratungen waren i n Aussicht genommen. Da entschied Bundeskanzler Erhard nach der Rückkehr des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Barzel aus den Vereinigten Staaten i n eigener Zuständigkeit. Der Grundgesetzkommentar von Maunz-Dürig sagt i n treffender Kürze: „Die Rangordnung ist also folgende: Richtlinien der Politik — qualifizierte Entscheidungen auf Grund von Sonderbefugnissen einzelner Bundesminister — Kollegialbeschlüsse des Bundeskabinetts — sonstige Entscheidungen eines Bundesministers 9 ."

7 Knöpfle, Franz: „ I n h a l t u n d Grenzen der R i c h t l i n i e n der Politik' des Regierungschefs", Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 80, 1965, S. 857 ff., 925 ff. 8 Vgl. Adenauer, Konrad: Erinnerungen, Bd. I I : 1953—1955. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1966. Adenauer f ü h r t auf S. 547, 549 u n d 551 a.a.O. zwar aus, daß die Zustimmung des Kabinetts nötig sein würde, aber i m p o l i tischen Sinne hat er die Entscheidung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen doch allein getroffen. • Maunz, Theodor u n d Dürig, Günter: Grundgesetz. Kommentar. München und B e r l i n : Beck, 1966, A r t . 65, Rd. Nr. 14.

Günter Bachmann

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III Daß die Richtlinienentscheidungen des Bundeskanzlers i n vielerlei Gestalt verlautbart werden, ist bereits gesagt worden. Wie aber kommen sie zustande? Weitere Fragen tauchen auf, die sich von der ersten und untereinander nicht scharf trennen lassen, nämlich: Wie setzt der Kanzler die Richtlinien durch? Wie koordiniert er die nach dem Ressortprinzip arbeitenden Ministerien? Wie führt er die Geschäfte der Gesamtregierung? Damit kommen w i r auch zur Tätigkeit des Bundeskanzleramtes. Der Kanzler muß, wenn er Richtlinien festlegen soll, Informationen haben. M i t I n t u i t i o n und Phantasie allein geht es nicht; die Informationen sind lebensnotwendig. Das ist die Richtung zum Kanzler hin. Dann entscheidet er und sorgt dafür, daß die Entscheidung bekannt und richtig interpretiert w i r d . Das ist die entgegengesetzte Richtung, vom Kanzler weg zu den Ressorts. Es handelt sich u m zwei gegenläufige Bewegungen, zwei Ströme, die ständig fließen müssen, wenn die Regierung „ i n Ordnung" sein soll. Was die Informationen, die Nachrichten betrifft, so ist das ohne weiteres klar. Aber auch i n bezug auf die Richtlinienentscheidungen, die Koordinierung und die Lenkung der Gesamtregierung ist es evident, wenn man sich noch einmal vorstellt, daß P o l i t i k etwas Dynamisches, ständig i n der Entwicklung Begriffenes ist. M i t einem m i l i t ä r i schen Terminus, der auch i m geheimen Nachrichtenwesen verwendet w i r d , könnte man die zwei Ströme zwar nicht ganz passend, aber i n der Überspitzung u m so deutlicher m i t „Befehlsweg" und „Meldeweg" bezeichnen. Je mehr man beide Wege formalisiert und erstarren läßt, u m so weniger Arbeit haben viele beteiligten Stellen, aber u m so wirkungsloser w i r d der ganze Betrieb. Diese Bemerkung bezieht sich nicht auf die organisatorische S t r u k t u r der Ämter, sondern auf ihre Arbeitsweise, die elastisch und einfallsreich sein muß. Richtlinienentscheidungen, so ist oben ausgeführt worden, kommen i n vielerlei Gestalt, d. h. der „Befehlsweg" hat viele Nebenwege. Umgekehrt ist zu sagen: Auch die Informationen kommen i n vielerlei Gestalt, auch der „Meldeweg" hat viele Nebenwege. A l l e Wege führen zu demselben Ziel: zur Information des Kanzlers oder umgekehrt zur Einheitlichkeit der Gesamtregierung, zur Schaffung eines Gesamtcharakters

der Politik

der Bundesregierung.

Daß aus den sich so

verschiedenartig fortbewegenden Gedanken h i n und her kein u n e n t w i r r barer Knäuel entsteht, dafür muß das Bundeskanzleramt vor allem sorgen, dabei muß es dem Kanzler helfen. Nach § 3 1 0 der Geschäftsordnung der Bundesregierung haben die Bundesminister 10

den Bundeskanzler

laufend

zu unterrichten.

Praktisch sind

§ 3 GOBR: „Der Bundeskanzler ist aus dem Geschäftsbereich der einzel-

Das Bundeskanzleramt

169

das s o w o h l m o n a t l i c h e S a m m e l b e r i c h t e , die das B u n d e s k a n z l e r a m t ausw e r t e t , als auch m ü n d l i c h e oder schriftliche Sonderberichte i n b e d e u t u n g s v o l l e n E i n z e l f ä l l e n . A u c h die §§ 1, 2 u n d 4 1 1 der G O B R e n t h a l t e n das Recht des B u n d e s k a n z l e r s auf I n f o r m a t i o n u n d die P f l i c h t d e r B u n desminister, i h n z u u n t e r r i c h t e n . Das Kabinett ist e i n w i c h t i g e r , w e n n n i c h t der w i c h t i g s t e O r t der I n f o r m a t i o n u n d der R i c h t l i n i e n b e s t i m m u n g . Es k o m m t h ä u f i g v o r — u n t e r A d e n a u e r w a r es die Regel — , daß z u B e g i n n der S i t z u n g d e r B u n d e s k a n z l e r a u ß e r h a l b der T a g e s o r d n u n g ü b e r die gesamtpolitische L a g e m i t b e s t i m m t e n S c h w e r p u n k t e n spricht. H i e r b e i u n d i n der anschließenden D e b a t t e w e r d e n beide Wege befahren. D i e S i t z u n g ist v o r b e r e i t e t d u r c h K a b i n e t t s v o r l a g e n der M i n i s t e r , z u denen die R e f e r e n t e n des B u n d e s k a n z l e r a m t e s i h r V o t u m abgegeben haben, d u r c h schriftliche u n d m ü n d liche V o r t r ä g e der Referenten, A b t e i l u n g s l e i t e r u n d des Chefs des B u n deskanzleramtes b e i m B u n d e s k a n z l e r . A n der S i t z u n g n i m m t gemäß § 23 G O B R 1 2 der Chef des B u n d e s k a n z l e r a m t e s t e i l , auch w e n n er n i c h t B u n d e s m i n i s t e r ist. A u c h e i n P r o t o k o l l f ü h r e r n i m m t gemäß § 27 G O B R 1 3 t e i l . Das ist einer d e r R e f e r e n t e n des B u n d e s k a n z l e r a m t e s , d i e sich i m Wechsel i n diese nen Bundesminister über Maßnahmen und Vorhaben zu unterrichten, die für die Bestimmung der Richtlinien der P o l i t i k und die Leitung der Geschäfte der Bundesregierung von Bedeutung sind." 11 § 1 GOBR: „(1) Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der inneren und äußeren Politik. Diese sind für die Bundesminister verbindlich u n d von ihnen i n ihrem Geschäftsbereich selbständig u n d unter eigener Verantwortung zu verwirklichen. I n Zweifelsfällen ist die Entscheidung des Bundeskanzlers einzuholen. (2) Der Bundeskanzler hat das Recht u n d die Pflicht, auf die Durchführung der Richtlinien zu achten." § 2 GOBR: „Neben der Bestimmung der Richtlinien der P o l i t i k hat der Bundeskanzler auch auf die Einheitlichkeit der Geschäftsführung i n der Bundesregierung hinzuwirken." § 4 GOBR: „ H ä l t ein Bundesminister eine Erweiterung oder Änderung der Richtlinien der P o l i t i k f ü r erforderlich, so hat er dem Bundeskanzler unter Angabe der Gründe hiervon M i t t e i l u n g zu machen u n d seine Entscheidung zu erbitten." 12 § 23 GOBR: „(1) A n den Sitzungen der Bundesregierung nehmen außer den Bundesministern u n d dem Staatssekretär des Bundeskanzleramtes regelmäßig teil: der Chef des Bundespräsidialamtes, der Bundespressechef, der Persönliche Referent des Bundeskanzlers, der Schriftführer." 13 § 27 GOBR: „(1) Über die Sitzungen der Bundesregierung w i r d eine Niederschrift aufgenommen, die von dem Schriftführer unterzeichnet w i r d . Eine Abschrift w i r d den Bundesministern umgehend zugesandt. Der Chef des Bundespräsidialamtes u n d der Bundespressechef erhalten nachrichtlich eine Abschrift der Niederschrift. (2) Die Niederschrift gilt als genehmigt, wenn die beteiligten Bundesminister nicht innerhalb drei Tagen nach ihrer Zustellung Einwendungen gegen den I n h a l t oder die Fassung erheben. (3) I n Zweifelsfällen ist die Angelegenheit nochmals der Bundesregierung zu unterbreiten."

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Günter Bachmann

Aufgabe teilen. Die Aufgabe des Protokollführers ist bedeutungsvoll, wie die Erfahrung zeigt. Er fertigt ja kein stenografisches Protokoll an, auch kein reines Ergebnisprotokoll, sondern ein sogenanntes Kurzprotokoll, dessen mehr oder weniger große Ausführlichkeit — i m ganzen oder zu einzelnen Punkten — weitgehend i n sein Ermessen gestellt ist. Von diesem Ermessen muß — oft zum Kummer des Protokollführers — ein um so weiterer Gebrauch gemacht werden, je weniger die Beschlüsse in der Sitzung formuliert werden, wie es § 25 GOBR 1 4 an sich verlangt. Der Protokollführer w i r d meistens alsbald nach Schluß der Sitzung von den Ressorts darauf angesprochen, wie das Ergebnis i n diesem oder jenem Punkt gewesen ist. Er muß hier abwägen, ob und was er mit Rücksicht auf den Geheimstempel, den seine Niederschrift tragen wird, und den politischen Takt sagen kann. Dabei muß er auf der anderen Seite natürlich ins Auge fassen, daß bestimmte Entscheidungen auch des Kabinetts wertlos sind, wenn sie nicht rechtzeitig den zuständigen Stellen bekannt werden und so als Grundlage für die weitere Arbeit dienen können. „Selbst 9 Durchschläge der Protokollabschrift sind mit Gold aufzuwiegen, wenn man dadurch erreicht, daß allen Beteiligten klar vor Augen gestellt wird, was vor sich ging und was sie ihrerseits später noch zu tun haben 15 ." Entsprechendes wie für die Kabinettssitzungen gilt auch für die Kabinettsausschußsitzungen, besonders wenn der Bundeskanzler den Vorsitz führt. Die Geschäftsführung aller Kabinettsausschüsse befindet sich beim Bundeskanzleramt. Aus Zeitmangel kann ich mich mit diesem interessanten Punkt nicht näher befassen. Ich verweise auf die Ausführungen von Peter Stratmann 1 6 . Wichtig sind Gespräche des Bundeskanzlers mit den Regierungsmitgliedern zu zweit, zu dritt oder i n größerem Kreis. Es ist eine gute Praxis, besonders von Bundeskanzler Erhard, zu solchen Gesprächen, auch wenn sie i n seinem Arbeitszimmer stattfinden, den Chef des Bundeskanzleramtes oder seinen Vertreter oder einen anderen Angehörigen des Bun14 § 25 GOBR: „Der Wortlaut der Beschlüsse der Bundesregierung w i r d von dem Vorsitzenden jeweils i m Anschluß an die mündliche Beratung eines Gegenstandes festgelegt." 15 Morstein M a r x , F r i t z : Einführung i n die Bürokratie. Eine vergleichende Untersuchung über das Beamtentum. Neuwied: Luchterhand, 1959, S. 25. 19 Peter Stratmann hat auf Anregung von Professor W i l h e l m Hennis interessante Ausführungen über die Kabinettsausschüsse der Bundesregierung gemächt. Sie dürften demnächst i m Druck erscheinen. Stratmann hat zur A n fertigung seiner Arbeit auch Erkundigungen i m Bundeskanzleramt eingezogen. Er arbeitet zur Zeit an einer Dissertation über das Problem der K a b i nettsreform, i n der vor allem auch der Bundesverteidigungsrat als ein besonders wichtiger Kabinettsausschuß der Bundesregierung ausführlich behandelt werden soll.

Das Bundeskanzleramt

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deskanzleramtes zuzuziehen. Das Bundeskanzleramt hat also meist die Möglichkeit, nach näheren Weisungen des Bundeskanzlers oder sonst nach Abwägung aller Umstände das Gespräch nicht nur vorzubereiten, sondern auch das Ergebnis amtsintern oder gegenüber den Ressorts auszuwerten. Gespräche mit Außenstehenden (außerhalb des Regierungsapparates) spielen i n unserer gewandelten Gesellschaft natürlich eine weit größere Rolle als vor Jahrzehnten. Der § 10 GOBR 1 7 ist aus der Geschäftsordnung der Reichsregierung übernommen und diente dort wahrscheinlich mehr dem Schutz des Reichskanzlers vor zudringlichen Bittstellern. Jetzt könnte der Paragraph leicht als Bremse für die Informationsmöglichkeiten des Bundeskanzlers verstanden werden. M i r ist bei einem Vortrag vor Studenten i n Berlin entgegengehalten worden, daß der Bundeskanzler ζ. B. bei einem Empfang des Bauernverbandspräsidenten oder anderer sogenannter Interessenvertreter gegen diese Bestimmung verstoße. Das kann unter den gewandelten Verhältnissen nicht akzeptiert werden. Adenauer hat schon 1950 hier Schwierigkeiten gesehen. Es ist ihm aber nur gelungen, die ursprüngliche Formulierung, daß der Bundeskanzler nur „ i n Ausnahmefällen" Außenstehende empfange, zu der jetzt gültigen Formel abzuschwächen „ i n besonderen Fällen". Das hat er auf dem ersten Entwurf mit eigener Hand vermerkt. Der antiquierte Ausdruck „Deputationen" ist ebenso geblieben wie die ganze m. E. etwas überholte Vorschrift. Der breite Strom der öffentlichen Informationen fließt dem Bundeskanzler vorwiegend über das Bundespresseamt zu, dem daneben „die laufende Erforschung der öffentlichen Meinung als Unterlage für die politische Arbeit der Bundesregierung" obliegt 1 8 . Hinzu kommen die geheimen Informationen des dem Bundesministerium des Innern unterstehenden Bundesamtes für Verfassungsschutz und des dem Bundeskanzleramt unterstehenden Bundesnachrichtendienstes. Was haben die Referenten (und cum grano salis auch die anderen höher oder tiefer stehenden Beamten des Hauses) neben ihren bereits skizzierten Aufgaben noch zu tun? Ihre Aufgabe ist es, gestützt auf ihre besonderen Informationen und ihre Sachkunde, auf ihrer Ebene für die Koordinierung, für das möglichst reibungslose Zusammenwirken der Res17 § 10 GOBR: „(1) Abordnungen (Deputationen) sollen i n der Regel n u r von dem federführenden Fachminister oder seinem Vertreter empfangen werden. Sie sind vorher u m Angabe des Verhandlungsgegenstandes zu ersuchen. E r scheint ein gemeinsamer Empfang angezeigt, so benachrichtigt der angegangene Bundesminister die außer i h m noch i n Frage kommenden Bundesminister. (2) Der Bundeskanzler empfängt Abordnungen n u r i n besonderen Fällen." 18 Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1966, Vorbemerkung zu Einzelplan 0403, S. 193.

172

Günter Bachmann

sorts zu sorgen oder, wenn die Einschaltung höherer Stellen angezeigt ist, das Erforderliche zu veranlassen. Sie müssen ferner — und häufig kann das Folgende von der Koordinierung praktisch nicht getrennt werden — dafür sorgen, daß die politischen Richtlinien des Bundeskanzlers auch bei der täglichen Kleinarbeit, wo sie leicht übersehen werden können, zur Geltung kommen. Ich möchte hier absichtlich nicht sehr konkret werden, aber so viel kann man doch sagen, daß es Entwürfe von Gesetzen, Verordnungen, Erklärungen aller Art, Entwürfe von Regierungsabkommen und Verhandlungsdirektiven gibt, i n denen i n irgendeinem unscheinbaren Abschnitt Grundfragen unserer Politik berührt werden. Es kann, um wahllos einige Beispiele zu nennen, gehen um die Grundzüge unserer Europapolitik bei der Beratung eines EWG-Problems auf Referentenebene in Brüssel; unseres Verhältnisses zu den Ostblockstaaten bei der Regelung einer Frage der Ostemigration; unserer Familienpolitik bei einer scheinbar untergeordneten Lohnsteuerfrage; unseres Verhältnisses zu Frankreich etwa i m Zusammenhang mit Fragen der militärischen Logistik; oder unserer gesamtdeutschen Politik i m Zusammenhang mit einem Sonderfall der Entwicklungshilfe oder der Förderung des Sportes. Paradebeispiele dafür, daß der Gesamtcharakter und damit die Richtlinien der Politik berührt werden, lassen sich natürlich immer wieder i n der Außenpolitik finden, wo Nuancen der Formulierung, Höflichkeitsgesten, Reden und Schweigen oft von ebenso großer Bedeutung sind wie eine auffällige Entscheidung. I n diesem Sinne ist ζ. B. auch die wiederholt erwähnte Friedensnote der Bundesregierung i m Bundeskanzleramt sorgfältig mitgeprüft worden. Es kommt immer wieder vor, daß ein Beamter eines Ministeriums Verbindung mit dem zuständigen Referenten des Bundeskanzleramtes aufnimmt, um zu hören, ob nach dessen Meinung dieses oder jenes i n die politische Landschaft paßt, oder um die Hilfe des Bundeskanzleramtes bei der Kooperation mit anderen Ressorts zu erbitten. Der Referent w i r d häufig aus eigener Sachkunde und Geschicklichkeit helfen können. Wenn er das nicht kann und wenn auch er die Sache für wichtig hält, kann er sie i m Bundeskanzleramt zunächst eine Stufe höher zum Abteilungsleiter bringen. Von dort kann die Sache bei genügendem Gewicht noch höher gehen, aber das Normale w i r d es sein, daß die Angelegenheit wie in zwei kommunizierenden Röhren sowohl im Ministerium wie i m Bundeskanzleramt hochsteigt, d. h. also: der Referent des Ministeriums muß sich gegebenenfalls darauf verlassen können, daß seine Information, seine Bitte um Auskunft oder Hilfe nicht dazu verwendet wird, seinen Minister mit einer Intervention des Bundeskanzlers i n einer Sache zu überraschen, die der Minister aus seinem Hause noch nicht erfahren hat.

Das Bundeskanzleramt

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Die Loyalitätspflicht des Beamten gegenüber seinem obersten Dienstvorgesetzten steht natürlich i m Ministerium und i m Bundeskanzleramt nicht i n Frage. Aber eines ist sicher: Die Querverbindungen 19 unter den Beamten sind unerläßlich. Ein Ressortchef, der von der Möglichkeit Gebrauch machen würde, alles auf seine Person zu konzentrieren und erst von dort weiterlaufen zu lassen, würde nicht nur die Bundesregierung i n einem Teilbereich stören, sondern auch die Arbeit seines eigenen Ressorts lahmlegen oder unfruchtbar machen. Es w i r d aus der obigen Darstellung bereits ersichtlich, daß der Beamte des Bundeskanzleramtes i n den Ministerien keineswegs etwa nur als lästiger Aufpasser angesehen wird. Er w i r d i m allgemeinen gern zu Ressortbesprechungen eingeladen, damit er dort seine Meinung kundtut oder auch nur als schweigender Beobachter dabeisitzt, wie auch umgekehrt den Einladungen zu Referenten- oder Ausschußsitzungen i m Bundeskanzleramt von den Ressorts gern Folge geleistet wird. Der Beamte des Bundeskanzleramtes wartet natürlich nicht nur auf den Anstoß von den Ressorts, sondern es gibt viele Dinge, die er selbst aufgreift. Hier ist seinem Ermessen ein gewisser Spielraum eingeräumt. Je nach dem, wie er ihn zu nutzen weiß, ist i n demselben Referat manchmal viel oder wenig zu tun. Es kommt auf die Umsicht, die Beweglichkeit und den Takt der agierenden Beamten an. Der Referent besucht ζ. B. Ausschußsitzungen des Bundestages und des Bundesrates, die ihm wichtig erscheinen; er lenkt die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten bis zum Bundeskanzler auf bestimmte Einzelfragen, die wichtig zu werden beginnen; er legt aus eigener Initiative oder auf Weisung Entwürfe für Kanzler- oder Staatssekretärschreiben vor; er informiert sich selbst, so gut er kann, auf seinem Fachgebiet, und zwar nicht nur fachlich, sondern (natürlich) auch politisch. Das Problem liegt auch hier i m rechten Maß. Da ein Referent i m Bundeskanzleramt (mit Ausnahme der Außenpolitik) stets für mehrere Geschäftsbereiche der Bundesregierung zuständig ist, muß er versuchen, nur das für ihn Wesentliche zu erfassen und nützliche Arbeit zu leisten, ohne seine Arbeitskraft i n wenigen Jahren zu ruinieren. Das gilt weitgehend natürlich auch für die anderen Beamten des Hauses. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Tätigkeit des Bundeskanzleramtes darin besteht, den Regierungschef zu informieren, wozu sich das A m t vorher selbst weitgehend informieren muß, sowie die Ressorts zu informieren und zu koordinieren (jeweils auf der entsprechenden Ebene); dem Regierungschef Hilfsdienste über die Information hinaus zu leisten, besonders i n Gestalt von vielerlei Entwürfen und Voten, aber auch in der selbständigen Erledigung bestimmter, weniger be19

Knöpfle a.a.O. (oben A n m . 7).

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d e u t e n d e r Sachen „ i m A u f t r a g e " des B u n d e s k a n z l e r s ; u n d das Sekret a r i a t der B u n d e s r e g i e r u n g d a r z u s t e l l e n , w o z u n e b e n d e n K a b i n e t t s u n d K a b i n e t t s a u s s c h u ß a n g e l e g e n h e i t e n auch die V e r b i n d u n g z u B u n d e s t a g u n d B u n d e s r a t z u rechnen ist, die z u m g r o ß e n T e i l ü b e r das B u n d e s kanzleramt läuft 20. I n f o r m a t i o n u n d w e i t e r e H i l f s d i e n s t e f ü r d e n Regierungschef lassen sich v o n d e r B e r a t u n g des Regierungschefs o f t n i c h t t r e n n e n . S e l b s t v e r s t ä n d l i c h m u ß m a n e r w a r t e n , daß i n gewissen F ä l l e n n e b e n der D a r s t e l l u n g des Sachverhalts d e m Regierungschef auch eine E m p f e h l u n g u n t e r b r e i t e t w i r d , w i e j e t z t z u v e r f a h r e n oder z u entscheiden sei. A u c h eine A b l ö s u n g des p o l i t i s c h e n H i n t e r g r u n d e s e i n e r Sache v o n i h r e m sonstigen Sachgehalt w i r d o f t u n m ö g l i c h , j a , n i c h t e i n m a l e r w ü n s c h t sein. I n s o f e r n k a n n i c h B ö c k e n f ö r d e 2 1 n i c h t z u s t i m m e n . B e i e i n e r s c h r i f t l i c h e n „ V o r l a g e " h a b e n d e r Chef des A m t e s u n d a l l e Zwischengeschaltet e n d i e M ö g l i c h k e i t , sie a n z u h a l t e n oder das l e t z t e W o r t z u i h r z u sagen, b e v o r sie a u f d e r S t u f e n l e i t e r des A m t e s d e n B u n d e s k a n z l e r erreicht. 20 § 6 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil, GGO I I (hrsg. v o m Bundesministerium des Innern. Bonn: K ö l l e n Verlag, 1960): „(1) Nach § 106 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilt der Präsident des Bundestages die Großen Anfragen dem Bundeskanzler m i t u n d fordert die Bundesregierung schriftlich zur Erklärung auf, ob u n d w a n n sie antworten werde. Das Bundeskanzleramt leitet die Großen Anfragen, wenn sie nicht wegen ihrer politischen Bedeutung vom Bundeskanzler oder seinem Stellvertreter beantwortet werden sollen, zur Beantwortung an das federführende M i n i s t e r i u m weiter oder teilt ihm, w i l l der Bundeskanzler selbst antworten, dies m i t u n d benachrichtigt den Präsidenten des Bundestages u n d die beteiligten Ministerien." § 7 Abs. 1: „(1) Kleine Anfragen nach § 110 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages übersendet der Präsident des Bundestages dem B u n deskanzler m i t besonderem Schreiben. Das Bundeskanzleramt gibt sie, wenn sie nicht wegen ihrer politischen Bedeutung v o m Bundeskanzler beantwortet werden sollen, an das federführende M i n i s t e r i u m weiter oder teilt ihm, w i l l der Bundeskanzler die Kleine Anfrage selbst beantworten, dies m i t u n d benachrichtigt den Präsidenten des Bundestages u n d die beteiligten Ministerien." § 9 Abs. 1: „(1) Die Anfragen für eine Fragestunde werden vom Präsidenten des Bundestages i n einer Drucksache zusammengefaßt u n d dem Bundeskanzler zugeleitet. Das Bundeskanzleramt gibt die einzelnen Anfragen, w e n n sie nicht wegen ihrer politischen Bedeutung vom Bundeskanzler oder seinem Stellvertreter beantwortet werden sollen, an das federführende M i n i s t e r i u m weiter oder teilt ihm, w i l l der Bundeskanzler selbst antworten, dies mit. Das Bundeskanzleramt teilt dem Direktor beim Bundestag mit, w e r die Fragen beantworten w i r d . " § 39 Abs. 1 u n d Abs. 2: „(1) Der Bundeskanzler leitet den Gesetzentwurf, den die Bundesregierung beschlossen hat, m i t Begründung dem Bundesrat nach A r t i k e l 76 Abs. 2 des Grundgesetzes zu. (2) Das Bundeskanzleramt unterrichtet davon die beteiligten Ministerien." § 42 Abs. 2: „(2) Die Stellungnahme des Bundesrates w i r d v o m Präsidenten dem Bundeskanzler u n d v o m Bundeskanzleramt dem federführenden M i n i sterium zugeleitet." 21 Böckenförde a.a.O. (oben Anm. 2), S. 190.

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Mündlich oder fernmündlich kann der Bundeskanzler natürlich mit jedem Amtsangehörigen auch allein Kontakt aufnehmen.

IV Wie sieht der Apparat aus, der die beschriebenen Aufgaben erfüllen soll? Das Bundeskanzleramt hat nach dem Haushaltsplan 1966 113 Planstellen für Beamte aller Gruppen bis zum Amtsboten hin und 77 Angestelltenstellen. A n der Spitze steht der „Staatssekretär des Bundeskanzleramtes", seit Mitte 1964 aus bekannten Gründen i n „Chef des Bundeskanzleramtes" umbenannt. Unter dem Chef des Bundeskanzleramtes stehen seit August 1966 drei Abteilungen mit je 1 Ministerialdirektor an der Spitze. Dazu kommt eine einzige Unterabteilung unter einem Ministerialdirigenten innerhalb der Abteilung I I I . Die Abteilung I befaßt sich mit der personellen und materiellen Bedarfsverwaltung des Hauses sowie mit Fragen der Justiz, der inneren Verwaltung, des Bundestages und des Bundesrates, der Außenpolitik, Gesamtdeutschlands und des Berlinbevollmächtigten. Die Abteilung I I hat sich mit Wirtschaft, Landwirtschaft, Finanzen, Sozialfragen, Post und Verkehr zu befassen. Die Abteilung I I I hat die Verbindung zum Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie alle Angelegenheiten des früheren Kanzlerbüros zu behandeln. Außerdem ist sie für Verteidigungsfragen zuständig, welcher Aufgabe die erwähnte Unterabteilung gewidmet ist. Schließlich werden i n der Abteilung I I I die Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes und der inneren Sicherheit bearbeitet. I m allgemeinen ist das Bundeskanzleramt nach dem Ressortprinzip gegliedert. Dieser Ausdruck bedeutet hier, daß jeweils 1 Referat des Bundeskanzleramtes für 1 oder mehrere Ressorts zuständig ist. Von diesem ursprünglich ziemlich streng durchgeführten Prinzip ist i m Laufe der Jahre notwendigerweise immer mehr abgewichen worden. Denn je mehr Ministerien entstanden und je komplizierter die Lebensverhältnisse wurden, um so mehr entstanden Grenzflächen (nicht nur Grenzlinien) zwischen den Ressorts, die der einheitlichen Betrachtung auch i m Bundeskanzleramt bedurften. A m meisten Ausnahmen finden sich heute i n der Abteilung I I I . So hat man i m Kanzleramt ζ. B. das Gebiet Verteidigung, das auf mehrere Ressorts verteilt ist, zusammengefaßt, leider aber nicht vollständig. Der Bundesminister der Verteidigung ist ja i m Gegensatz zu seinem Namen nicht für alle Verteidigungsfragen zuständig, sondern nur für die m i l i tärische Verteidigung, wobei Strategie und operative Planung, soweit sie i m Rahmen der NATO überhaupt noch eine eigenständige deutsche Materie sind, vom Auswärtigen A m t mitbearbeitet werden. Fragen der

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Zivilverteidigung, die ein wesentlicher Teil der Gesamtverteidigung ist, laufen i n den meisten Bundesressorts. Ähnliches gilt auch für Fragen der inneren Sicherheit, von denen praktisch jedes Bundesressort berührt ist. Genauere Ausführungen über die Gliederung der Referate möchte ich mir hier versagen, weil der Geschäftsverteilungsplan die Bezeichnung „VS-Nur für den Dienstgebrauch" trägt. Ich lege Ihnen hier nur eine Skizze vor, die unter Weglassung von Namen und weiteren Einzelheiten einen ungefähren Eindruck von der bisherigen Organisation des Amtes vermittelt.

Einige allgemeine Bemerkungen erscheinen mir zweckmäßig. Ein Amt, das die Aufgabe hat, andere Behörden zu koordinieren, muß zunächst einmal so gut wie möglich i n sich selbst koordiniert sein. Es muß — und das gilt nicht nur für das Bundeskanzleramt — möglichst pyramidenförmig, also auch mit seitlichen Verstrebungen, von unten nach oben

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aufgebaut sein, damit das, was an die politische Spitze gelangt, möglichst schon eine einigermaßen ausgewogene Darstellung der Auffassung aller Beteiligten i m A m t ist. Damit ist zugleich auf die Problematik der „Büros" hingewiesen, die eine Zeitlang außerhalb der Abteilungen i m Bundeskanzleramt bestanden haben und neuerdings beseitigt worden sind. Böckenförde 22 sagt, daß das Außenpolitische Büro, das Kanzlerbüro und das Planungsbüro „die Stellen zur Vorbereitung und Planung der ,hohen Politik 4 " seien, „während die beiden Abteilungen mit ihren Referaten für die Bereiche der ,einfachen' Politik zuständig sind". M i r erscheint die Unterscheidung zwischen hoher und einfacher Politik mindestens i n diesem Zusammenhang nicht brauchbar. Zudem sind die Büros für Außenpolitik und für Planung um die Jahreswende 1959/60 vorwiegend aus Gründen entstanden, die i n der Person ihrer ersten Leiter lagen. A u f die Planung komme ich noch. Was die Außenpolitik anlangt, so halte ich es zwar für notwendig, daß der Bundeskanzler ständig besonders schnell und intensiv informiert wird, aber das darf nicht sozusagen mit einer Rohrpostleitung des Auswärtigen Amtes geschehen, die unmittelbar auf dem Schreibtisch des Regierungschefs endet. Gerechterund vernünftigerweise müßte man nämlich sonst auch für alle anderen (mindestens großen) Ressorts gleiche Möglichkeiten schaffen. Daß das nicht geht, liegt auf der Hand. Die „Rohrpostleitung" birgt große Gefahren i n sich, die je nach der Persönlichkeit des Kanzlers und des Ministers wachsen oder schrumpfen. Die Gefahren werden um so größer, je mehr die Mitglieder der Büros an ihr Herkunftsressort gebunden sind, ζ. B. wegen ihrer speziellen Ausbildung, die ihnen nur die Möglichkeit läßt, eines Tages in ihren alten Geschäftsbereich zurückzukehren. Das t r i f f t vor allem für das Personal des Auswärtigen Amtes und das m i l i tärische Personal des Bundesverteidigungsministeriums zu. Dabei soll an der persönlichen Integrität der Bediensteten durchaus nicht gezweifelt werden. Aber es ergibt sich von selbst, daß sie sich i m Bundeskanzleramt sozusagen auf einsamer, stürmischer Höhe und ohne die Führung und Deckung durch einen Abteilungsleiter mehr als Vertreter ihres Herkunftsressorts denn als ehrliche Makler zwischen den Ressortstandpunkten empfinden. Auch für andere Behörden gilt folgendes: Die „Büros" als Sondereinrichtungen außerhalb des normalen Behördenaufbaus erfreuen sich an manchen Stellen zunehmender Beliebtheit. Sie können ein Zeichen des Mißtrauens der Spitze gegenüber dem Apparat sein, auf jeden Fall haben sie die Tendenz, sich als Barriere zwischen diese beiden zu schieben. Wenn die Spitze wechselt, so ist es verständlich, daß Korrekturen 22

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a.a.O. (oben Anm. 2), S. 239.

Speyer 34

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am Apparat vorgenommen werden. Diese können groß oder geringfügig sein; dagegen w i r d niemand etwas sagen. Ernste Bedenken aber müssen erhoben werden, wenn man den Apparat unverändert, aber mit Hilfe der Büros leer laufen läßt. Auch ein Virtuose kann auf einem total verstimmten Klavier nicht spielen. Auch ein politischer Meister kann mit einem schlecht organisierten und entmutigten Behördenapparat seine Kunst nicht zeigen. Wie gesagt: Intuition und Phantasie genügen nicht. Das hier Gesagte t r i f f t nicht auf die günstigen Erfahrungen zu, die 14 Jahre lang mit dem Kanzlerbüro gemacht worden sind. Es war praktisch nichts anderes als ein persönliches Referat des Bundeskanzlers, das überwiegend die schriftlichen Angelegenheiten bearbeitet hat, während der eigentliche „Persönliche Referent" mehr der technische Manager war, d. h. den Terminkalender zu führen, Reisen vorzubereiten und den Kanzler auf Reisen zu begleiten hatte. Der Leiter des Kanzlerbüros, den man ebensogut als ersten oder zweiten Persönlichen Referenten des Kanzlers bezeichnen könnte, hatte die Aufgabe, die mehr politischen Aufgaben zu behandeln, soweit sie den Kanzler persönlich betrafen. Solche Aufgaben ergaben sich u. a. auch aus dem Parteivorsitz Adenauers und dann Erhards. Wenn man die Tätigkeit eines Politikers grob i n die Verfolgung politischer Sachziele einerseits und die Schaffung einer persönlichen Machtbasis, verbunden m i t Taktik, andererseits einteilen will, so wäre der Leiter des Kanzlerbüros vielleicht als derjenige zu beschreiben, der für den zweiten Aufgabenkreis dem Bundeskanzler zur Hand zu gehen hat. Ein Wort sollte noch zu der Auffassung von Böckenförde 23 gesagt werden, daß Bundeskanzleramt, Bundespresseamt und Bundesnachrichtendienst i m gleichen Rang nebeneinander als nachgeordnete Behörden zu betrachten sind. Es gibt gute Gründe, mit denen das Bundeskanzleramt und auch das Bundespresseamt als oberste Bundesbehörden bezeichnet werden. Aus Zeitmangel kann ich das nicht näher ausführen. Der Bundesnachrichtendienst ist keine oberste Bundesbehörde. Ein Kabinettsbeschluß vom Jahre 1963 ist insofern ganz eindeutig 24 . Der Bundesnachrichtendienst ist dem Bundeskanzleramt nicht gleichgeordnet, sondern ihm unterstellt. Wenn man prüft, ob es zweckmäßig wäre, diesen Zustand zu ändern, muß man berücksichtigen, daß es politisch riskant wäre, den Bundesnachrichtendienst innerhalb der Exekutive nur der persönlichen Kontrolle des Bundeskanzlers zu unterstellen 25 , denn der 25

a.a.O. (oben Anm. 2), S. 238/239 u n d A n m . 24. Der Bundesnachrichtendienst ist nicht durch Gesetz, sondern auf G r u n d eines Kabinettsbeschlusses v o m 11. J u l i 1955 am 1. A p r i l 1956 ins Leben gerufen worden. 25 Vgl. hierzu auch Hennis, W i l h e l m : Richtlinienkompetenz u n d Regie24

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Bundeskanzler wäre bei seiner großen Inanspruchnahme kaum i n der Lage, sich mit Einzelheiten der Organisation und der Arbeit des Dienstes zu befassen. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ist kein Gegenbeispiel, weil es — abgesehen von dem ständigen parlamentarischen Interesse — i m vollen Licht der Öffentlichkeit arbeitet.

V Die Planung gewinnt zunehmende Bedeutung. Das i n ihr enthaltene starke wissenschaftliche Element hat sich die Bundesregierung schon seit langem nutzbar gemacht durch Beiräte, wissenschaftliche Gutachten usw. I n dieselbe Richtung, nur i m Sinne einer Intensivierung, zielt anscheinend der Vorschlag des SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Lohmar i n der Wochenzeitung „Die Zeit" 2 6 . Es ist aber auch schon versucht worden, die Planung i m Bundeskanzleramt organisatorisch auszubauen, so ζ. B. durch das erwähnte Planungsbüro, das bald wieder untergegangen ist, und jetzt durch das Referat für „politische Planung" i n der Abteilung I I I . Beide Versuche gehen offenbar von dem Gedanken aus, daß i n einem mehr oder weniger isoliert arbeitenden Referat „politisch" geplant und getrennt davon i n den Abteilungen „sachlich" gearbeitet werden könnte. Weder die gegenständliche noch die organisatorische Trennung i n dieser Form scheint m i r zweckmäßig zu sein. Demgegenüber verdient ein Vorschlag Beachtung, den der CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß am 12. J u l i 1965 i n einem Vortrag vor der Evangelischen Akademie i n Tutzing und i n der anschließenden Diskussion gemacht hat 2 7 . Strauß meinte, die zu Beginn der sechziger Jahre komplizierter gewordene technische und politische Situation bedürfe einer besonderen Umstellung der Führungsmethoden. Er schlug für das Bundeskanzleramt eine Planungsabteilung und daneben eine Kontrollabteilung vor, die dann wohl auch die Aufgabe der Koordinierung übernehmen sollte. Die Planungsabteilung sollte nach modernsten Methoden unter Heranziehung des wissenschaftlichen, politischen und administrativen Sachverstandes geführt werden, wobei nicht alle Mitwirkenden ständige Bedienstete des Bundeskanzleramtes sein sollten. rungstechnik. Recht u n d Staat i n Geschichte u n d Gegenwart, Heft 300/301. Tübingen: Mohr, 1964, S. 24: „Die Taten u n d Untaten der Geheimdienste sollten die Unschuld eines Regierungschefs nicht leichthin gefährden können." 26

„ P o l i t i k ohne Planung", „Die Zeit" v o m 3. Dezember 1965. „Die Welt", „Süddeutsche Zeitung", „Passauer Neue Presse", „ F r a n k f u r ter Rundschau", „Augsburger Allgemeine", „Stuttgarter Zeitung", „ F r a n k furter Neue Presse", „ F r a n k f u r t e r Allgemeine" u n d „Kölnische Rundschau", alle v o m 13. J u l i 1966; „Freie Presse Bielefeld" v o m 14. J u l i 1965. 27

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Dieser letzte Punkt erscheint m i r wichtig, weil er sich mit der bisherigen Praxis der Bundesregierung und dem Vorschlag von Lohmar berührt sowie der Tatsache Rechnung trägt, daß es aus vielerlei Gründen untunlich ist, hochqualifizierte und spezialisierte Wissenschaftler nur zu Planungsarbeiten fest i n das Bundeskanzleramt einzubauen. Ein fester, i n mehrere Planungsreferate gegliederter Kern müßte aber vorhanden sein, und er müßte ständigen Kontakt mit den „ K o n t r o l l " - oder Koordinierungsreferaten haben. Man könnte etwa die Gliederung des Amtes i n 2 Fachabteilungen wiederherstellen 28 und diesen beiden Koordinierungsabteilungen eine oder zwei Planungsabteilungen gegenüberstellen. Als Endziel müßte man wohl anstreben, je eine Koordinierungs- und Planungsabteilung unter einem Hauptabteilungsleiter zusammenzufassen, der für das engste Zusammenwirken von Praxis und Planung zu sorgen hätte. Wie immer man das Bundeskanzleramt organisiert, das personelle Moment w i r d stets eine außerordentlich wichtige Rolle spielen. Der Beamte muß den Weisungen seiner Vorgesetzten entsprechen und die politischen Entscheidungen loyal ausführen. Aber er hat auch die Pflicht, gegebenenfalls auf Schwierigkeiten und Fehler hinzuweisen. Je mehr er diese Pflicht versäumt, um so mehr begibt er sich i n die Stellung des Untertanen zurück, der er seit mindestens 20 Jahren entwachsen sein sollte. Das Verhältnis des Beamten (und Angestellten) zum Vorgesetzten, auch zum höchsten, ist nicht das des Untertanen, die Beziehungen müssen vielmehr von beiderseitiger Loyalität geprägt sein, nicht von opportunistischen Erwägungen i m Kampf u m eigene Macht. Das Bundeskanzleramt muß, wie bisher, bestrebt sein, charakterlich und fachlich gleich tüchtige Beamte zu gewinnen. Das ist bei der Personalknappheit und dem fehlenden Unterbau eine kaum lösbare Aufgabe. Dennoch w i r d von ihrer Lösung sehr viel abhängen, denn Organisationen und Strukturen, Titel und Würden nützen wenig, wenn nicht der richtige Mann am richtigen Platze steht.

28 I : Inneres, Auswärtiges, Verteidigung, Justiz, gesamtdeutsche Fragen; I I : Wirtschaft, Landwirtschaft, Finanzen, Soziales, Post, Verkehr.

Neue Sachzwänge und neuer Sachverstand Von Hans-Joachim A r n d t

Gliederung Einleitung — Aus der Sicht der Privatwirtschaft — Ziele des Privatunternehmens — Keine „allgemeine Verwaltungswissenschaft" — Berechtigung vergleichender Analyse — „Ressort Gesamtleitung" — Neue Bedürfnislagen — Dringlichkeit der Sachzwänge — Klassische Funktionen — Der alte Gemeinwohlbegriff — Alternative: Geld-Charakter der Maßnahmen — Einspannung i n die partikulären Interessen — Neues S achzwang system — Rolle der Besteuerung — Haushaltsaufgaben — Wandel der wissenschaftlichen M e i n u n gen — Einbruch der Wirtschaftspolitik — Der Staat als neues Subjekt — Die F u n k t i o n der Systemerhaltung — Altes Staatssubjekt u n d neues Staatssubj e k t — Keine ökonomisierung der P o l i t i k — Analyse der Funktionszusammenhänge — Die neue Stabsorganisation — Repräsentation der Interessen — Arbeitsteilige Wissensbildung — Rastersystem — Beispiele i n der P r i v a t wirtschaft — Doppelte Unterstellungen — Zusätzliche Arbeitsbelastung — Anwendung i m öffentlichen Bereich — Auswirkungen auf die Organisationspraxis — Rolle des Chefs — Drei Sach-Einspannungen — Herstellung der funktionellen Interdependenz — Rationale Ansteuerung von Systemzielen — Rolle der Staatskanzlei

Die bisherigen Vorträge und Beiträge haben einen guten Teil dessen, was Gegenstand meiner Ausführungen sein wird, schon berührt. Ich bin darüber nicht traurig. Abgesehen davon, daß es ein Indiz dafür ist, wie w i r hier langsam den Gegenstand einkreisen, spreche ich auch aus einer ganz anderen Sichtweise, als es bisher hier der Fall war, nämlich aus der Sicht der Privatwirtschaft.

Außerdem bemühe ich mich, eine andere

Methodik an den Gegenstand heranzutragen, eine Methodik, die ihrer Herkunft nach dazu führen muß, daß ich wesentlich abstrakter darstellen werde. Dabei habe ich die große Freude, an den Stellen, wo ich eigentlich längere Fußnoten zur Illustration anbringen müßte, auf bereits hier Gesagtes verweisen zu können. I Die Leitung eines großen Privatunternehmens verfolgt gänzlich andere Zwecke als die einer obersten Staatsbehörde. Dementsprechend dürfte der Vorsitz und die Richtliniensetzung eines Ministerpräsidenten i n einem Ministerrat niemals mit dem Vorsitz bei der Geschäftspolitik eines

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Konzernvorstands vergleichbar sein. Trotzdem w i r d heute nicht selten die Anwendung — wie man oft sagt — moderner Management-Methoden, die Übertragung dieser Methoden von der Privatwirtschaft auf die Staatsverwaltung empfohlen m i t dem Hinweis, es handle sich hier nicht u m die Vergleichbarkeit von politischem m i t kommerziellem Willen, sondern u m die Übertragung von Leistungstechniken. N u n hat m i r aber insbesondere der Vortrag von Staatssekretär Duppré gestern wieder einmal klargemacht, wie sehr eng verbunden i n Sichtweise, Typus und Handlungsart Leiter großer Behörden m i t Leitern großer Unternehmen sein können; denn was Duppré darstellte und w i e er es darstellte, hätte fast haargenau ebenso ein Unternehmensleiter sagen können. Trotzdem b i n ich nicht ein Anhänger der sich i n manchen westlichen Bereichen der Welt entwickelnden „Science of General Administration", die darauf abzielt, Verwaltungserfahrungen und Verwaltungstechniken schlechthin vom M i l i t ä r auf Staatsverwaltung, von Staatsverwaltung auf Privatwirtschaft, auf die Organisation von Gewerkschaften oder gar von Kirchen übertragbar zu machen. Ich glaube eher, daß es etwas wie „General Leadership" gibt, das allgemein übertragbar ist und auch dazu führt, daß ein Minister ein Unternehmensleitungsamt übernehmen, ein Unternehmensleiter Minister und ein General Unternehmensleiter werden kann. Aber da liegt es i n der Qualität der Person und nicht i n der Übertragbarkeit von Apparaten, die j a doch immer mehr sind als bloße Funktionsmechanismen. I m m e r h i n könnte aber der Versuch lohnen, eine vergleichende Analyse zwischen der Leitungsorganisation der Staatsverwaltung und der Leitungsorganisation eines hochorganisierten Privatindustrieunternehmens anzustellen, wenn auch nur, u m herauszufinden, was übertragbar ist und was nicht, und w a r u m das so ist. Ich stelle diesen Versuch hier an. Es ist dies auch meine einzige Legitimation, unter Ihnen zu sein; denn ich verfüge über keine eigene Erfahrung i n der Staatsverwaltung und schon gar nicht i n Staatskanzleien. Hingegen sehe ich mich auf dem Gebiet der Industrieorganisation auf einem etwas sichereren Terrain.

II Anlaß für einen solchen Vergleich ist heute durchaus gegeben. Denn w i r bemerken heute i n der Privatwirtschaft das Entstehen eines, wie es dort ausdrücklich genannt w i r d , neuen „Ressorts Gesamtleitung" neben oder oberhalb der klassischen Fachbereiche, der Abteilungen oder Vorstandsressorts. Dieses neue „Ressort Gesamtleitung" setzt sich zusammen aus den Stäben und den Personen der Leitung, also keinesfalls n u r aus den Stäben. Diese beiden Gruppen zusammen bilden (funktionell, nicht kompetenzmäßig gesehen) die Unternehmensspitze.

Neue Sachzwänge u n d neuer Sachverstand

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Die Rechtfertigung für das Entstehen eines neuen Organisationsressorts innerhalb der Unternehmen ist — wie oft gesagt w i r d — das Entstehen typisch leitungsspezifischer Sachgebiete und Sachzusammenhänge und das Auftauchen des damit verbundenen Sachverstandes. Ich würde es jedoch für sehr gefährlich halten, einfach an eine Darstellung der Lage in der Großwirtschaft heute anzuknüpfen. Bevor man die Übertragbarkeit der Lösungen, die i n der Privatwirtschaft gefunden wurden, untersucht, kommt es zuerst darauf an, zu prüfen, welche neu entstehenden oder bereits entstandenen Sachzusammenhänge denn die Einführung eines neuen Apparates i n der Staatsverwaltung rechtfertigen und notwendig machen könnten. Hierzu dürfen nicht nur amtsinterne Gründe maßgebend sein. Dann brauchten w i r hier garnicht lange darüber zu debattieren. Die Anforderungen müssen sich vielmehr von außen her geltend machen, und zwar müssen sie schlechthin Nova sein, die mit dem bestehenden Verwaltungsapparat nicht zu meistern sind. Bevor ich also auf die Lösungen, wie sie i m Privatunternehmen geboten erscheinen, eingehe, möchte ich — und das ist der abstrakte Teil meiner Darlegungen — versuchen, ganz deutlich zu machen, welche Bedürfnislage, die von außen an die Staatsverwaltung herantritt, es denn rechtfertigt, von einem Novum schlechthin zu sprechen, das nicht nur dazu führt, daß sich die Verwaltungsaufgaben quantitativ vervielfachen, sondern auch, daß sie qualitativ anders werden. Dieses auf der neuen Qualität der neuen Sachzusammenhänge ruhende Schwergewicht w i r d dazu führen, daß ich die bestehenden Sachzusammenhänge und deren organisatorische Lösung hier vernachlässigen muß. Ich bitte aber, daraus nicht zu entnehmen, daß ich sie, d. h. also die bisher bestehenden klassischen Verwaltungsfunktionen, geringschätze oder nicht kenne. Jede Reorganisation, jede Verwaltungsreform birgt Risiken i n sich, und wenn nur die Unruhe, die sie notwendigerweise mit sich bringt. Deshalb muß eine ihrer Voraussetzungen i m Grunde immer sein, daß neue Aufgaben gemeistert werden müssen, die mit dem klassischen Instrumentarium nicht mehr gemeistert werden können. Es ist entscheidend, daß es sich dabei um neue Sachaufgaben und Sachzwänge handeln muß, denen nur durch eine Reorganisation begegnet werden kann; denn wo Anforderungen nicht versachlicht werden können, kann die Antwort immer nur aus der Person stammen.

III

U m die neuen Sachzwänge m i t der notwendigen Klarheit darstellen zu können, gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen über die alten Sachzwänge, i n denen sich der Politiker immer befand und weiter be-

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findet. Damit soll die Abgrenzung gegenüber den neuen „Funktionen" deutlicher werden. Als erste sachbezogene Einspannung finden w i r die klassische, immer wieder geltend gemachte und durchaus noch immer gültige — wenn auch nicht mehr exklusiv gültige — Funktion der „hoheitlichen" Einzelaufgaben. Deren Regelung erfolgte und erfolgt i n der Organisationsform der legistischen Gewaltenteilung und gipfelt ζ. B. i m Organisationsstatut der Verfassung und der Konstruktion des Kabinetts, in Ressortprinzip und Richtliniensetzung durch den Ministerpräsidenten. Bei der Lösung dieser Sachaufgaben t r i t t der Politiker als Sachwalter eines Gemeinwohlbegriffes auf, der zuweilen zwar formalistisch als bloß ordnungspolitisch ausgelegt wurde, der aber auch durchaus material-inhaltliche Elemente aufweisen kann. Damit meine ich, daß die neue sogenannte „staatliche Daseinsvorsorge" m i t ihrem neuen Instrument der „Leistungsverwaltung" i m Grunde genommen durchaus noch zu den klassischen Staatsfunktionen gerechnet werden kann. Auch bei der Bestimmung und Durchsetzung der Leistungen i m Rahmen der Daseinsvorsorge handelt der Politiker als unabhängige Person aus seinem Gewissen, wie es Art. 38 Abs. 1 GG der Bundesrepublik in klassischer Manier formuliert. Zwar mögen sich oft die Durchsetzungsinstrumente ändern; so t r i t t an die Stelle von Gesetz und Verwaltungsakt die „Maßnahme" oder das „Maßnahmegesetz". Aber dadurch findet kein Übergang i n ein neues, dem Bürger und dem öffentlichen Bereich bisher gänzlich unbekannt gebliebenes SachzwangSystem statt. Die staatliche Apparatur gerät lediglich i n einen engeren Zusammenhang mit einem anderen, neben ihr schon seit langem bestehenden Funktionen-Netz, nämlich dem der Geldwirtschaft. Bisweilen setzt der Staat geradezu den Geldmechanismus statt des Verwaltungsapparates als Exekutivinstrument ein. I n solchen Fällen — so bei Subventionen und Steuerbegünstigungen, bei Prämien und Sonderleistungen, ja schließlich bei jeder monetären Alimentierung von Staatsleistungen über das Budget — ersetzt der GeldCharakter der „Maßnahme" den Allgemeinheitscharakter, der dem Gesetz sonst innewohnt: der „Einzelakt" bewahrt noch einen gewissen „Signaleffekt" und bewirkt keinen direkten Befehls-Zwang. Er funktioniert in einem gewohnten Sachzwang-System — nämlich dem monetären — unter der einen Voraussetzung, daß er — wie der nationalökonomische Fachterminus lautet — „marktkonform" ist. Die Tatsache, daß es der Staat ist, der über Fiskalmaßnahmen Geldsignale gibt, und nicht mehr ein freier Marktpartner, ist gegenüber der anderen Tatsache, daß der Sachzwang dem Instrumentarium des bisher mit dem Verfassungsstaat untrennbar verbunden gewesenen Marktmechanismus entstammt und

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somit ein gewohnter bleibt, irrelevant. Jedenfalls findet kein Übergang von einem Sachzwangsystem in ein gänzlich neues statt. Das w i r d deutlicher werden, wenn ich jetzt zu der zweiten Sacheinspannung des Politikers komme, die allerdings gewöhnlich nicht zu den klassischen Einspannungen gerechnet wird, die aber heute wohl nur noch wirklichkeitsferne Auffassungen aus dem Bereich der Politik ausklammern können. Es handelt sich hier um das Spiel der partikulären Einzelinteressen, i n die auch der Politiker eingespannt ist. Das Einzelinteresse ist in einem pluralistischen System ein i n der Politik durchaus legitimes Vehikel. Ein Staatsanteil an einer Marktwirtschaft von 40 v. H. zum Beispiel bedeutet eigentlich weniger, daß staatsverwaltungstechnische Zwänge i n den Markt hineinwirken, sondern vor allen Dingen, daß 40 v. H. der Marktvorgänge bei der Staatsverwaltung oder i m Parlament vor sich gehen. Weder Regierung noch Regierungschef können sich dieser Einspannung in die partikulären Sachzwänge des Wettbewerbs entziehen. Sie sind vielmehr i m Gegenteil direkt in sie selbst eingespannt, was beispielsweise aus der Tatsache hervorgeht, daß Regierung und Regierungschef zumindest einer partikulären Gruppe entstammen, mit deren Hilfe sie das A m t erreichen, und sich letzten Endes den Konsens mindestens dieser Gruppe weiter erhalten müssen.

IV Nun erleben w i r aber seit einigen Jahrzehnten das Auftauchen eines gänzlich anders gearteten Sachzwangsystems. Die klassische Staatsfigur, inklusive sogenannter Daseinsvorsorge, ist vom Standpunkt einer anderen Gesamtheit, eines anderen Totums, nämlich der Volkswirtschaft, doch nur ein Teil. Das drückt sich zum Beispiel darin aus, daß volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen meist dreiteilig aufgestellt werden: Privatwirtschaft, Außenhandel und Sektor Staatsanteil. Dieser Staatsanteil ist bei Aufrechterhaltung des üblichen geldwirtschaftlichen Systems letzthin ein Marktanteil. Politiker stehen also bei der Vertretung dieses „Marktanteils Staat" i m Wettbewerb mit allen anderen privaten Interessen und damit auch mit sich selbst qua partikuläre Interessenvertreter. Das Gesamtsystem interdependenter Interessen, von dem die klassische Staatsfigur nur ein Teil ist, kennt Funktionszusammenhänge besonderer Art, die meist probabilistischer Natur sind, die man zum Beispiel i n dem Begriff MakroÖkonomik zusammenfaßt. Entscheidend ist hier, daß es sich um ein Totum handelt, das größer als die klassische Staatsfigur ist. Zur Pflege dieser Funktionen — daß sie gepflegt werden müssen, hat sich inzwischen herausgestellt — bedarf es also eines Sub-

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jekts, das weder identisch sein darf m i t irgendeinem partiellen Privatinteressenten noch m i t der klassischen Staatsfigur, wie w i r sie kennen. Ein Beispiel dafür: Besteuerungsvorgänge haben einen entscheidend anderen funktionellen Charakter je nachdem, ob sie dazu dienen oder dafür gemeint sind, das klassische Staatsbudget m i t den klassischen Staatsleistungen formaler und materialer A r t zu alimentieren, oder aber ob sie dazu dienen, mit funktionellem Effekt das Gesamtsystem zu steuern, wie zum Beispiel bei der antizyklischen Konjunkturpolitik. Es ist doch etwas ganz anderes, ob ich Steuern einnehme, um sie für bereits bestehende oder neu geschaffene Aufgaben wieder auszugeben, oder aber ob ich Steuern einnehme mit dem dezidierten Ziel, sie i m Zentralbanksystem stillzulegen, wobei sie übrigens volkswirtschaftlich vernichtet werden, so daß also ihre Wiederausgabe nicht etwa nur ein Entsparakt ist, sondern ein Geldschöpfungsakt. Es ist also etwas ganz anderes, Steuern für notwendige Ausgaben zu erheben oder Geld einzuziehen, um damit funktionelle Effekte des Gesamtsystems hervorzurufen. I m übrigen ist es hier irrelevant, ob das die klassische Staatsfigur als Subjekt über die sogenannte „functional finance" tut, oder ob das die Zentralbank tut, auch wenn sie ausdrücklich von der Regierung weisungsunabhängig gestellt ist. Ein anderes Beispiel für diese entscheidende Änderung, die w i r hier erleben: Es besteht heute wohl weithin Einhelligkeit darüber, daß ein voll gedeckter ordentlicher Haushalt zwar i m Rahmen der klassischen Staatsfigur unproblematisch sein kann, daß er aber, wenn er zu groß oder konjunkturstörend ist, funktionell schädliche Effekte haben kann. Das ist eine Vorstellung, wie sie i n der klassischen Staatsfigur schlechthin nicht vorkam. Es bestehen Tendenzen, die Betreuung dieser neuen Sachzwänge staatsfernen Instanzen zuzuweisen, zum Beispiel einer ausdrücklich i m Gesetz weisungsunabhängig gesetzten Zentralbank oder gewissen Sachverständigengremien ohne Entscheidungsgewalt, die aber mittels ihres Gewichts in der öffentlichen Meinung wirken. Solche Tendenzen können meiner Ansicht nach bei der Lösung des hier anstehenden Problems nur aufschiebende Wirkung haben, und zwar nur i n Normallagen eines sich ohnehin selbst stabilisierenden Systems. Da es m i r darauf ankommt, daß die qualitative Neuheit der Aufgaben, die hier anstehen, klar wird, erlauben Sie mir, daß ich sozusagen i n einer tour d'horizon (oder tour de temps) durch die letzten 50 Jahre hindurch vier Zitate zu diesem Bereich bringe, an denen Sie gleichsam den Wandel deutlich ablesen können. I m Jahre 1912 schrieb L u d w i g von Mises: „Die Stellung des Staates auf dem Markte ist i n keiner Weise

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von der der anderen am Verkehr teilnehmenden Subjekte verschieden 1 ." Das ist also über 50 Jahre her. Aber noch i m Jahre 1952 konnten Sie von einem modernen Finanzwissenschaftler, Friedrich von Dungern, i n der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft lesen: „Die Wirtschaft ohne Subjekt heißt heute MakroÖkonomik, das Wirtschaften der einzelnen Subjekte aber MikroÖkonomik. Die Staatswirtschaft und der öffentliche Haushalt gehören dem letzteren Bereich an. Es handelt sich um das Wirtschaften eines Subjektes 2 ." Davon weicht ein Zitat aus dem Jahre 1947 krass ab, das ich allerdings gewissermaßen als advocatus diaboli ausgewählt habe. Es stammt von Abba P. Lerner, dem Mann, der den Begriff functional finance überhaupt geprägt hat. Ich übersetze es frei: „Wenn die Geldbeschaffung das einzige Problem ist, so kann der Staat alles Geld, das er braucht, durch Notendruck beschaffen . . . Steuern sind nicht als Geldbeschaffungsmittel wichtig, sondern als M i t t e l zum Beschneiden des privaten Verbrauchs... Der Umfang der Staatsschuld ist (solange sie sich i n Händen von Staatsbürgern befindet) fast völlig bedeutungslos außer für die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung 3 ." Es ist zuzugeben, daß dies eine sehr krasse, auf Keynes gegründete Meinung ist, die auch dazu geführt hat, daß solche A r t des Denkens lange i n Verruf geraten war. Aber i n der gemilderten Form der antizyklischen Konjunkturpolitik, die heute i m Gespräch ist, ist sie durchaus legitim. Franz Böhm schrieb vor 1933: „Die Gesetzmäßigkeiten dieses Systems [er meint dasselbe System, das ich auch meine] (sind) außerstaatliche, gleichsam naturgesetzliche Zwangsläufigkeiten..., da hier durch die Kraft eines menschlichen Triebes, des Ertragsstrebens,... der Automatismus eines Kampfverlaufes i n Gang gesetzt wird. Dieser Automatismus ist es, der es verhindert, daß die Ordnung der freien Verkehrswirtschaft als soziale Ordnung empfunden w i r d 4 . " Eine der neuesten und heute durchaus noch als gültig angesehenen Auffassungen ist die von MüllerArmack, der schließlich nicht nur ein Theoretiker war, sondern seine Auffassung auch durchgesetzt hat; sie stammt aus dem Jahre 1948, wo er die Marktwirtschaft als einen „variablen Rechnungs- und Signalapparat" bezeichnet, der „das Ziel des Wirtschaftens nicht von sich aus bestimmt, sondern als ein Datum hinnimmt" 5 . Der Begriff „Soziale 1 Mises, L u d w i g v. : Theorie des Geldes u n d der Umlaufmittel. München und Leipzig: Duncker & Humblot, 1912, S. 56. 2 Dungern, Friedrich v. : „Die drei Theorien v o m Staatshaushalt", Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 108, 1952, S. 460. 8 Lerner, Abba P.: The Economics of Control. Principles of Welfare Economics. New Y o r k : Macmillan Company, 1947, S. 307, 302. 4 Böhm, Franz: Wettbewerb u n d Monopolkampf. Berlin: Heymann, 1933, S. 369. 6 Müller- Armack, A l f r e d : Wirtschaftslenkung u n d Marktwirtschaft. H a m burg: Verlag für Wirtschaft u n d Sozialpolitik, 1948, S. 92.

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Marktwirtschaft", der von Müller-Armack in eben diesem Zusammenhang geprägt worden ist, meint nicht nur eine soziale Marktwirtschaft, i n der „sozial" die Bedeutung des 19. Jahrhunderts hat, nämlich der Fürsorge für Einkommensschwächere, sondern er meint ganz deutlich — und auch das ist nachzulesen — eine gesteuerte Marktwirtschaft 6 . Die klassischen Formulierungen, die den Staat als ein Subjekt bezeichnen, welches am Markt allen anderen Privatsubjekten gleichgesetzt ist, meinten zwar wahrscheinlich nur den Staat als Wirtschaft treibendes Subjekt, zum Beispiel als Fiskus. Aber sie wollten ihn i m Wirtschaftsbereich gerade auf diese Tätigkeit beschränken und bekamen ihn infolgedessen als Wirtschaftspolitik betreibendes Subjekt gar nicht in den Griff.

V Genau an dieser Stelle, i n der Vorstellung vom „Staat als Wirtschaftspolitik betreibendes Subjekt", treten aber alle die Begriffe auf, mit denen w i r heute operieren, wie Steuerung, Lenkung, Entwicklung, Wachstum und — auch sie gehört als ein Begriff dazu — Planung. Das sind alles Begriffe, die i m Grunde zur Richtlinienkompetenz des Regierungschefs gehören und aus ihr schlechthin nicht herausgelöst werden können. Sie gehören zur Richtlinienkompetenz aber keinesfalls i n dem Sinne, daß diese Richtlinien „ i n einem antiideologischen Zeitalter schwerer zu bestimmen seien". Die Richtlinien, um die es sich hier handelt, sind i m Grunde genommen Zielfunktionen von Systemen und sind daher gerade sehr genau zu bestimmen. Sie entstammen nicht einem völlig freien politischen Handlungsraum, wie der klassische Staat sie i n dem Richtlinienbegriff offenbart, sondern sie sind systematisch bestimmbar — es sei denn, man betrachtet dieses System als „Ideologie". Ich glaube aber nicht, daß Zielfunktionen wie zum Beispiel Vollbeschäftigung, stabile Währung, stabile Außenhandelsrelationen und — man könnte noch hinzufügen — stabile Konjunktur heute als „Richtlinien mit ideologischem Charakter" bezeichnet werden können. Sie bieten sich schlechthin objektiv aus dem System heraus an. Indem die Regierung die Regelung dieser Zielfunktionen i n den Griff nimmt, schlüpft sie gleichsam i n das Kleid eines anderen Subjekts, das vorher, noch vor etwa 20 Jahren, und auch bis heute nicht klar konzipiert war, das es schlechthin nicht gab. Dieses Subjekt muß womöglich auch gegen Partialinteressen handeln, aber nicht aus der klassischen Gemeinwohlvorstellung heraus, sondern zur Funktion der Systemerhaltung. Nehmen w i r ein Beispiel: Monetäre Fiskalpolitik — eigentlich auch 8

Ebenda, S. 90 ff. : Prinzipien einer gesteuerten Marktwirtschaft.

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Zentralbankpolitik, wenn w i r jetzt die Zentralbank den großen Staatsinstanzen hinzusetzen — muß zu gewissen Zeiten absichtsvoll wirtschaftliche Grenzexistenzen zur Aufrechterhaltung irgendeiner Zielfunktion des Systems zerstören, wie zum Beispiel für freie Wechselkurse oder Währungsstabilität oder Vollbeschäftigung oder stetiges Wachstum. Das ist eine Handlung, die i n dieser Schärfe klassische Staatsinstanzen nur i n Ausnahmezuständen zu vollziehen hatten, und bei der natürlich schwer zu erwarten steht, daß die Betroffenen, falls sie parlamentarisch überhaupt mitbeteiligt sein sollten, ihr auch noch zustimmen. So könnte man zum Beispiel den EWG-Vertrag etwas böswillig formulieren als einen Plan zur Reduzierung der deutschen Landwirtschaftsbetriebe von 1,7 Millionen auf 700 000. Es ist klar, daß bei dieser Formulierung dieser Plan niemals die Stimmen der Landwirtschaft bekommen hätte. Dieses neue Subjekt, das Systemsteuerungsfunktionen hat, muß aber auch notfalls gegen das alte klassische Staatssubjekt selbst handeln, wenn es zum Beispiel einen gedeckten Haushalt trotz Deckung reduzieren muß, weil er konjunkturgefährdende Wirkungen hat. Ich habe manchmal fast das Gefühl, daß die Systemerhaltung, die keinesfalls aus der Verfassung abzulesen ist, zuweilen als höherrangig angesehen w i r d als die Verfassungserhaltung. Als Beispiel sei angeführt, daß es zur Einführung des Stabilitätsgesetzes, eines typischen Gesetzes zur Systemerhaltung, einer Verfassungsänderung bedarf. Die Erfassung und Durchsetzung der neuen Systemziele gehen quer durch die klassischen Ressorts hindurch. Für die Zielfunktionen: Vollbeschäftigung, stabile Währung, ausgeglichene Zahlungsbilanz, Konjunkturstabilität usw. gibt es i m Grunde gar kein einzeln zuständiges klassisches Fachressort, nicht einmal i n dem Sinne, wie das Finanzministerium für die „Kosten aller Ressorts" federführend ist. Es sind schlechthin Funktionen, bei denen das Totum derartig deutlich i n Erscheinung tritt, daß es nur bei der Zentrale der Regierung verankert oder mindestens entschieden werden kann. Ich muß nun in Parenthese etwas hinzufügen, das dem Eindruck entgegenwirken soll, jemand ökonomisiere hier Politik. Es handelt sich hier nicht nur um Wirtschaftsfunktionen i m Sinne der klassischen Knappheitsökonomie. Unter dem Begriff Entwicklung — einer von denen, die i n unserem Zusammenhang immer wieder auftauchen — versteht man heute weit mehr als bloß Wirtschaftsentwicklung. Was sich da entwickelt, ist das Ganze der Gesellschaft. Infolgedessen bedarf es zur Erfassung dieser Vorgänge auch eines technischen Instruments, das nicht nur auf die Wirtschaft beschränkt bleibt. Systemanalyse und „System Management" sind Ausdrücke, die hier auftauchen. Eines der Werkzeuge, das oft Verwendung findet, „operations research", w i r d deshalb auch mannigfaltig ins Deutsche übersetzt: als „Unternehmensforschung",

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„Verfahrensforschung", „Entscheidungsforschung". Es t r i t t überall da auf, wo Massendaten zu komplexen Strukturen agglomeriert sind, d. h. sowohl i n der Technik und der Wirtschaft als auch beim Militär und der Außenpolitik. Abschließen möchte ich dieses Resümee der qualitativ neuen Sachzwänge mit dem Hinweis, daß „Sachzwang" hier auch Zwang zum Handeln bedeutet. Der Zwang zum Handeln ist gegeben, weil — wie man es vielleicht etwas verblümt ausdrücken könnte — seit dem Abgehen von der schlichten Goldwährung „das Dach oben offen ist" und durch menschliche Entscheidung ersetzt werden muß.

VI Der neue leitungsspezifische Sachverstand, der die Privatwirtschaft zur Bildung neuer Leitungsorganisationen drängt, besorgt genau die Erfassung und Analyse solcher als Probabilitätssystem sich darbietenden Funktionszusammenhänge und deren Steuerung, Entwicklung oder Planung. Die Privatwirtschaft ist dabei, aus dieser Erkenntnis die organisatorischen Konsequenzen zu ziehen. Sie sind keinesfalls einheitlich. Es scheint zwar manchmal als ob man glaube, den Stein der Weisen schon gefunden zu haben, etwa das vom Militär auf die Privatwirtschaft zu übertragende „Stabsprinzip". Das ist aber nur eine Lösung, und selbst zu dieser findet sich die Privatwirtschaft vielerorts nur durchaus widerwillig. Ist dieses Zögern aber erst überwunden, dann vollzieht sich allerdings der Einbau der neuen Instanzen, die die neuen Funktionen wahrnehmen, und der Umbau des Organisationsgeflechts, der damit zusammenhängt, dezidiert i n Kenntnis und Erkenntnis der neuen, von außen herantretenden Bedürfnislage. Was spielt sich nun i m einzelnen ab? Die Einsetzung von Stäben unmittelbar unterhalb der Geschäftsleitung ist nur ein Fall, den ich aber, weil er auf die anderen per analogiam w i r k t , etwas deutlicher darstellen möchte. Bei diesen Stäben handelt es sich um etwas ganz anderes als die auch früher i n der Wirtschaft bestehenden persönlichen Mitarbeiterstäbe des Leiters, die etwa zu vergleichen sind mit den persönlichen Referenten oder einem erweiterten Büro des Ministerpräsidenten oder der Minister, wie man sie heute auch noch finden kann und früher grundsätzlich hatte. Was hier stattfindet, ist i m Grunde genommen die Repräsentation der i n den Funktionsablauf der verwalteten oder geführten Institution hineinragenden Interessen bei der Spitze. Es handelt sich dabei sowohl um Interessen, die außerhalb der Institution oder der Einheit bestehen, als auch um solche, die als partikuläre, eventuelle Widerstandselemente i m Innern bestehen. Diese Repräsentation der Interessen vollzieht sich i n neutralisierter Form,

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nämlich i n der Form des Sachverstandes, sozusagen gemindert um das Element des Willensentscheides. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: Die Marktforschungsstelle i n einem Unternehmen vertritt, „repräsentiert" sozusagen die Meinungen der Kunden, und zwar aller Kunden: der renitenten, der freundlichen, der unbekümmerten. Alle muß sie getreu widerspiegeln; es kommt darauf an, ob sie das objektiv tut. Natürlich t r i t t der Wille der Kunden nicht innerhalb des Unternehmens i n Erscheinung. Es ist i m übrigen irrelevant, wo die so repräsentierende Figur des Fachmanns für Marktforschung selbst existentiell verortet ist, ob er also selbst ein renitenter oder ein freundlicher Kunde ist. Der Finanzfachmann andererseits vertritt das Interesse der Banken oder der sonstigen Geldgeber oder Kreditgeber; und zwar auch dies i n neutralisierter Form. Er „vert r i t t " gegenüber der Leitung die Haltung der Banken i n einer Valenz, die man gewöhnlich schlicht „Information" nennt; es ist aber wesentlich mehr, es enthält Rat und Einfluß. Ein drittes Beispiel: I n jeder Personalleitung gibt es Arbeitsrechts- und Gewerkschaftsexperten, die sozusagen die Arbeitnehmerseite i n neutralisierter Sachverständigenform repräsentieren und damit i n ganz anderer Form, als die Arbeitnehmer sowieso durch Mitbestimmungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz repräsentiert sind. Es ist i m übrigen eigentlich zweitrangig, i n welcher Form diese Repräsentanten organisatorisch verortet sind, ob sie zum Beispiel Mitglieder eines Stabes sind oder von außen herbeigezogene ad hoc-Gutachter. Entscheidend ist folgendes: Diese Repräsentation des i m Kleid des Sachverstandes sich zeigenden Interesses stellt sozusagen eine A r t Veto-Wissen dar, dessen sich die Leitung, wenn sie ihren eigenen Apparat nicht negieren w i l l , bedienen muß. Es ist ein Veto-Wissen, das bereits i m Prozeß der Entscheidungsv orb er eitung integriert werden muß. Das ist es, was man gewöhnlich mit „Planung" bezeichnet; die systematische Verbindung der möglichen, bekannt gewordenen Widerstände mit dem W i l len der Unternehmenseinheit. Was hier also stattfindet, ist etwas, das man als eine arbeitsteilige oder kollektive Wissensbildung i m Unterschied zur kollektiven Willensbildung bezeichnen könnte. Es ist natürlich kein Geheimnis, daß Stäbe sehr oft nicht auf der Ebene der Wissensbildung und des Veto-Wissens gehalten werden können. Sie üben schon durchaus und oft auch Willenseinflüsse aus. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Stabsprinzip i n verschiedenen Betrieben mehr und mehr abgelöst wurde durch eine andere Organisationsform, auf die ich weiter unten eingehen werde. Organisatorisch bedeuten Stäbe nichts anderes als das Hochziehen des Apparates zur Erfassung und Analyse der Systemfunktionen bis an die

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oberste Spitze und ihr Attachement direkt an diese Spitze. Dies führt verständlicherweise zu Schwierigkeiten bei der Einordnung der Stabsfunktionen in die hierarchische Linienorganisation, welche jedes Unternehmen ebenso wie das Prinzip der Gliederung i n Fachressorts durchaus kennt. Überträgt man diese Lösung auf die Staatsorganisation, so entspräche sie der — hier als einziger diskutierten — Bildung von Stäben unmittelbar i n der Nähe des Regierungschefs, nämlich i n der Staatskanzlei. Es dürften hierbei dieselben Schwierigkeiten bei der Koordination von Stäben mit der klassischen Verwaltung und ihrer Ressorteinteilung auftauchen wie i m Privatunternehmen. Eine weitere dieser Schwierigkeiten zeigt sich ζ. B. i n der Verdoppelung, ja gar Verdrei- und Vervierfachung von Personal i n der Gesamtinstitution. Koordination war schon immer zwischen den bestehenden klassischen Ressorts nötig; dies hat (in üblichen Vorstands-Stäben wie auch i n Kanzler- und Ministerpräsidenten-Ämtern) dazu geführt, daß für viele Fachaufgaben neben dem primär verantwortlichen Referenten i m Fachressort ein weiterer entsprechender Koordinator oder Informand i n der Zentrale existierte. Jetzt kommen noch die „Systemfunktionäre" neuer A r t hinzu, und auch diese wieder nicht selten zweistöckig: nämlich gleichzeitig i m Zentralstab und i n jedem Fachressort. Nicht selten w i r d ein Einzel-Fach-Ressort ausdrücklich mit Systemanalyse- oder Planungsaufgaben betraut, was das Entstehen von Zentralstäben für das gleiche Aufgabengebiet nicht ausschließt. I n der Bundesrepublik geschieht m. E. Ähnliches, nachdem Fachministerien Aufgaben zugewiesen wurden, die deutlich i n amtlichen Umbenennungen zum Ausdruck kommen: M i n i sterium für Arbeit „und Sozialordnung", für Wohnungswesen, Städtebau „und Raumordnung". VII Wegen dieser und anderer Kollisionen, die beim Halten eines unmittelbar der Unternehmensspitze attachierten Stabes aufgetreten sind, ist man i n der Privatwirtschaft seit einiger Zeit — auch hier sind die Amerikaner wieder führend gewesen — dazu übergegangen, ein ganz anderes System zu entwickeln. Dessen Darstellung übersteigt i m Grunde genommen das Thema dieser Tagung, denn es transzendiert das Stabssystem und überschreitet damit auch den engeren Raum der Staatskanzleien, wenn man diese als geeignete Stelle zur Verortung eines Stabes ansieht. Ich trage es aber trotzdem vor, und zwar nicht gleichsam interessehalber, sondern weil ich der Meinung bin, daß die Struktur der Staatskanzleien immer die Struktur des Kabinetts und der Geschäftsverteilung eines Kabinetts widerspiegelt und ohne Hinblick auf die Aufgaben der Fachressorts nicht verstanden werden kann. Von mehreren

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meiner Vorredner ist schon darauf hingewiesen worden, daß eine Analyse der Staatskanzlei nur nach vollzogener Analyse der Struktur der Geschäftsverteilung von Kabinett und Regierung überhaupt möglich ist. Ich trage es außerdem auch vor, weil ich zu bemerken glaube, daß diese Lösung, auf die ich jetzt komme, sich i n der Regierungsorganisation der Bundesrepublik schon abzeichnet. Die andere Lösung besteht darin, bestimmte Stabsfunktionen aus dem unmittelbaren Attachement an die Leitung zu lösen, sie formell mit Entscheidungsgewalt auszustatten — welche sie de facto i n sehr vielen Fällen als Stäbe auch schon hatten — und sie sozusagen quer durch die klassischen Ressorts hindurchzuschießen. Es entsteht daraus eine A r t Rastersystem, das i n der amerikanischen Organisationslehre als „matrix management" bezeichnet wird. Ich bringe einige Beispiele, aus denen zu ersehen ist, u m was es sich handelt. Das Gesamtunternehmen w i r d prinzipiell — zweckmäßigerweise nach Produktgruppen — spartenweise aufgegliedert. So entstehen ζ. B. i n einem Unternehmen der chemischen Industrie fünf Sparten: Pharmazeutika, Kunststoffe, Düngemittel und noch zwei andere — also fünf Teilunternehmen, die unter verantwortlicher Leitung je eines Teilunternehmensleiters operieren, der für die Gewinne dieser Sparte verantwortlich ist. Die Spartenleiter sind Vorstandsmitglieder — „Kabinettsmitglieder". Zusätzlich sind Querfunktionen eingerichtet oder auch frühere alte Ressorts i n Querfunktionen umgewandelt worden, zum Beispiel Personal, Technik, Finanzen, Planung usw. Diese wirken quer durch die fünf Spartensäulen hindurch und werden von einem Fachmann dieser Funktionen geleitet. Diese Fachleute haben auch Vorstandsrang — „Kabinettsrang". So kommt es, daß der Verkaufschef des Gesamtunternehmens ein Vorstandsmitglied ist — der Verantwortliche für allgemeine (koordinierte) Absatzpolitik und das Marketing als der Systemfunktions-Experte. Außerdem hat jeder Spartenleiter (von Pharmazeutika, Düngemitteln usw.) noch seinen eigenen Verkauf, der — und das ist eine notwendige Folge dieser Organisation — doppelt unterstellt ist. Er ist sowohl seinem Spartenleiter verantwortlich als auch seinem Funktionsvorgesetzten; beide haben Vorstandsrang. Dasselbe t r i f f t zu für die „Funktionen" Produktion, Entwicklung, Personal usw. Die Vorstände sind also sozusagen doppelt strukturiert, nämlich von „Querfunktionären" und Spartenleitern besetzt. A n den Kreuzungspunkten kommen grundsätzlich doppelte Unterstellungen vor. A n ihnen entstehen sehr wichtige Koordinationsstellen, die entfernt von der Unternehmensspitze sind und damit einen gewissen Zwang zur Selbstkoordination ausüben. Wo diese nicht ausreicht, ergibt sich eine starke Belastung der hinzuzuziehenden Vorgesetzten durch häufige Koordinations-Konferenzen. 13

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Ein entscheidendes Funktionsressort ist aus der Ausgestaltung dessen entstanden, was man früher als die klassische Buchhaltung bezeichnete. Aus dieser Buchhaltung erwuchs ein Mammutfunktionsressort, das rechenhafte Planung und Kontrolle quer durch alle Sparten hindurch i n den Griff nimmt. Das kann dazu führen, daß der Planungschef die Aufgaben des früheren Chefs des Rechnungswesens, oft auch des kaufmännischen Leiters mit den Aufgaben des früheren „Stabsmannes" für Planung bei sich mit Vorstandsrang kumuliert. Vor allem dann, wenn er mit elektronischer Datenverarbeitung und operations research seine Ergebnisse bekommt, kann es geschehen, daß er i n vielen Fällen schneller von Mängeln i n einem Ressort erfährt als der Ressortleiter selbst, weil er natürlich die Ergebnisse der ausgewerteten Operations-ResearchRechnung und der elektronischen Verarbeitung als erster i n die Hand nimmt und interpretiert. Das verursacht scharfe Kompetenzkonflikte. Allgemein aber kann man sagen, daß das System trotz zusätzlicher Arbeitsbelastung der an den Kreuzstellen Betroffenen funktioniert. Es gehen mehr und mehr Firmen dazu über. Dieses System entfernt praktisch den Stabsfunktionär von der unmittelbaren Unterstellung unter die Leitung und ordnet ihn mit Entscheidungsgewalt i n eine neue Form von Organisation ein. Ob sie i n der Staatsverwaltung etwas vollkommen undenkbares und unmögliches ist, das zu beurteilen bin ich nicht Kenner genug. M i r scheint jedoch, daß sich etwas ähnliches bereits anbahnt. Ist nicht zum Beispiel das Außenministerium längst ein Generalministerium für Kontrolle und Abstimmung aller Außenbeziehungen geworden, das quer durch alle möglichen Spartentätigkeiten hindurchwirkt, die wie Landwirtschaftsministerium, Entwicklungsministerium, Finanzministerium, Verteidigungsministerium auch außenpolitischen Effekt haben? Für die Länder gilt dasselbe von dem Bundesratsministerium, das man als „Außenministerium der Länder" bezeichnen könnte. Das Finanzministerium vereinigt heute praktisch als „Überministerium für Monetäres" Bankfunktionen, Planung und Kontrolle, während das Wirtschaftsministerium die realwirtschaftliche (nicht-monetäre) Systemanalyse und -Steuerung zu vollziehen bemüht ist. Sogar i n einzelnen Ministerien finden w i r dieses Rasterprinzip. Wenn der Ausdruck „Systems Management" ζ. B. i m Verteidigungsministerium jetzt auftaucht, so ist das ein Hinweis darauf. Es dürfte interessieren, daß zum Beispiel der amerikanische Verteidigungsminister McNamara als eine seiner ersten Aktionen bei der Amtsübernahme eine Unterstaatssekretärstelle für Systems Management geschaffen hat. Man kann natürlich fragen — und diese Frage ist schon aufgetaucht — was bei einer solchen Verdoppelung des Vorstands, d. h. des Kabinetts,

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infolge der Umbildung des Stabsprinzips zum Rasterprinzip denn die Aufgabe des Vorstandsvorsitzers, also des Ministerpräsidenten und seines Amtes bleibt. Viele Vorstandsvorsitzer, denen diese Frage gestellt wird, werden geneigt sein, darauf zu antworten: „Ich beschränke mich auf die Koordinierung, sehe zu, daß alles richtig läuft, und springe ein als Feuerwehr, wenn es einmal nötig ist." Aber ich bezweifle, ob das die neue Lage richtig begreift. Ihre Komplexität mag man den Äußerungen Winnackers entnehmen, der das Matrix Management der Farbwerke Hoechst als „primus inter pares" leitet 7 . Ich glaube eher, daß man hier vielleicht mit Luhmann antworten müßte: Der Vorstandsvorsitzende, auch der Ministerpräsident, leistet Autorität, indem er „Unsicherheit absorbiert" 8 , nämlich die aus Ungewißheit stammende Unsicherheit, die immer bei einem so komplizierten Gefüge i n den Ecken, Falten, Ritzen, Kreuzstellen und überall da auftaucht, wo schlechthin mit Sachlichkeit nichts zu machen ist. Allerdings würde ich dieser Definition ein Wort hinzufügen: er absorbiert Unsicherheit „erfolgreich".

VIII Damit bin ich praktisch am Ende des systematischen Teils meiner Ausführungen. Ich darf vielleicht noch einige Bemerkungen anfügen, die die Praxis der Organisation betreffen. Ich w i l l diese Bemerkungen einleiten mit einer Zusammenfassung dessen, was nach dem bisher von m i r Gesagten ein Ministerpräsident und dessen Staatskanzlei an Sacheinspannungen erfährt, verglichen mit dem Leiter einer PrivatwirtschaftsOrganisation. Die erste Sacheinspannung betrifft das „eigene Überleben": Er muß so handeln, daß er wiedergewählt wird, d. h. also Einspannung in das Wettbewerbssystem der Parteien. Dieselbe Einspannung erfährt auch jeder Vorstandsvorsitzer. Auch er möchte von der Hauptversammlung und den Aufsichtsräten bestätigt werden und letzten Endes auch von seinen Mitarbeitern — obwohl diese ihn formell nicht wählen können. Er braucht ihr Vertrauen, er muß etwa zur Mehrheit notwendige VetoGruppen gewinnen, um „Führung" schlechthin ausüben zu können usw. Die zweite Sacheinspannung konditioniert die eigentliche „Politik" des Chefs — i m Unternehmen: die Geschäftspolitik — unter Absehen von den personal- und parteitaktischen Hinsichten, die bei der ersten die 7 Winnacker, K . : „Wie löst man Führungsprobleme i n Großunternehmen?", Führungspraxis, Jg. 1964, Heft 4, S. 3—12. 8 Luhmann, Niklas: Funktionen u n d Folgen formaler Organisation. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 20. B e r l i n : Duncker & Humblot, 1964, S. 174 ff.

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Hauptrolle spielen. Hier kommt es auf die Abstimmung aller relevanten Außen-Interessen (und zwar der zustimmenden wie der opponierenden) m i t dem (auch partikulären) Unternehmens-Willen an; man könnte hier von einer „Pazifizierungs-Funktion" sprechen. Gesetze und Verträge sind das eigentliche Vehikel dieser Funktion. Drittens erfordert die Integration der Fachressorts innerhalb der eigenen Organisation deren Abstimmung und Ausrichtung mittels Richtliniensetzung, Ablaufvorschriften usw. Diese drei Sach-Einspannungen gehören i m Grunde genommen noch zur althergebrachten Funktion eines Regierungschefs i n einer parlamentarischen Demokratie und auch eines Unternehmenschefs. Exzellieren konnte er durch die besonders kunstvolle und wirksame Verbindung zwischen allen dreien, und zwar so, daß sein eigener Wille weder von den Sachzwängen zerrieben wurde noch die i h m entgegenstehenden zerstörte, also am besten so, daß er Wollen und Handeln sowohl der Binnenressorts seiner Organisation, als auch der ihn tragenden Kräfte, als auch aller betroffenen Außenstehenden seinem Willen dienstbar machte. Die nun hinzukommende vierte Sach-Einspannung ist gänzlich anderer Natur. Es müssen die drei bisher geschilderten Vektoren nicht mit einem vierten, sondern mit sich selbst i m Hinblick auf ihre funktionelle Interdependenz i n Einklang gebracht werden, also nicht i m Hinblick auf den Willen des handelnden Regierungs- oder Geschäfts-Subjekts. Dies ist nun ein Sachzwang, der auf den Leiter eines Privatunternehmens weit weniger ausgeprägt w i r k t als auf einen Regierungschef. Der individuelle Unternehmensleiter ist für das Funktionieren der Marktwirtschaft formell selbst nicht verantwortlich, er fühlt sich nicht verantwortlich und wäre damit auch überfordert, solange er keine marktmächtige Größe repräsentiert: sein Handeln ist insoweit, als das eines „Atoms am Markt", für das Gesamtsystem unerheblich. Anders ist dies jedoch mit dem Handeln der Staatsinstanzen i n ihrer Funktion als „Neues Subjekt", und dies unabhängig davon, ob Staatsinstanzen „Marktmächte" sind (ζ. B. über 40 v. H. der Marktvorgänge via Geldflüsse der öffentlichen Hände verfügen) oder nicht. Das Wesentliche der besonderen Aufgabe, wie sie heute auf die Staatsspitze zukommt, liegt weniger i n dem Auftauchen der neuen MakroSystem-Steuerungs-Funktionen an sich, als vielmehr in der Notwendigkeit, die altbekannten Sachzwänge mit den neuen zu verbinden, mit anderen Worten: Konjunktur- und Wachstumssteuerung, Entwicklungspolitik, Geldwert- und Währungspolitik, also schlicht „Planungsaufgaben" wahrzunehmen, trotzdem aber gleichzeitig den Charakter des Ganzen als eines Probabilitäts-Systems mit politischer und wirtschaftlicher Konkurrenz einerseits, einer ressortspezialisierten Fachverwaltung andererseits beizubehalten und zu bewahren.

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Diese „Ko-Organisation" ganz verschiedenartiger Sachzwänge hat bisher auch die Privatwirtschaft nicht vollbracht — ganz abgesehen davon, daß sie von ihr keineswegs mit der Schärfe gefordert wurde, wie das dem Staate gegenüber geschieht. Während der Staat letztlich das Funktionieren des Makro-Systems sicherstellen soll, erwartet kein Unternehmensleiter, daß seine oder seiner Mitarbeiter Planungen so quantitativ exakt auch realisiert werden wie sie aufgestellt wurden. Er vergißt nie, daß sie i m Konkurrenzkampf höchstens den Charakter von Strategien aufweisen können und nicht mehr. Immerhin gibt es vernünftige („rationale") und unvernünftige Strategien; mangelnde Organisation und Schulung des Stabs- (und Querfunktions-)Personals sind oft für letztere verantwortlich. Es geschieht nämlich nicht selten, daß die neuen „Stabs-Sachverständigen für Systemfunktionen" sich zu sehr exklusiv als Sachverständige für diesen Bereich fühlen und die Wirksamkeit dieses Bereichs überschätzen. Sie sind dann geneigt, die bereits vorhandenen klassischen Regelungsmechanismen — zum Beispiel die Willensbildung zwischen den Vorstands-Ressorts, i m Aufsichtsrat oder die Einwirkungen der Gewerkschaften — zu vernachlässigen. Ähnliches mag i m Staat mit den A b stimmungen in Parlament und Kabinett, m i t Personal- und Wahltaktik geschehen. Das führt dazu, daß Planungen und Analysen über die Köpfe der eigentlich Betroffenen hinweg erstellt werden, und daß Sachverständige Empfehlungen geben, die taktisch nur schwer oder gar nicht durchführbar sind. Methoden zur rationalen Ansteuerung von Systemzielen (und das nämlich ist „Planung") dürfen aber Widerstände, die entweder von außen ausgeübt werden oder innerhalb der eigenen Organisation auftauchen (ζ. B. seitens der Fachressorts oder -interessen), nicht einfach „hinwegplanen", selbst wenn sie ihnen vom ursprünglichen, rein funktionellen Plan-Netzwerk her gesehen als sachlich völlig ungerechtfertigt erscheinen mögen. Ein gewisser Fachmann-Snobismus macht sich gelegentlich bemerkbar, der Politik als die „Schwarze Kunst des Unsachlichen" verunglimpft. Vielleicht ist sie tatsächlich eine solche Kunst, dann aber nicht immer eine schwarze, die den Fachverstand verachtet oder knechtet, sondern eine solche, die noch da vernünftig handeln muß, wo der Fachverstand keine Hilfe mehr anbietet. Denn die Fachleute i n diesen Stäben dürfen es nicht bei bloßen Empfehlungen über Ziele belassen, deren Durchführung nicht mehr exakt „programmiert", sondern, als sozusagen dem Bereich der irrationalen Politik zugehörig, dem Politiker überlassen wird. I h r Werk ist nur gut, wenn Zielfunktion und Zielverwirklichung gleichermaßen exakt beschrieben und abgeleitet werden können. Das kann es aber nur, wenn die Fachleute alle möglichen Widerstände vorher analysiert und syste-

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matisch eingebaut haben. Wo schärfste Präzision vom Instrument her gefordert wird, ζ. B. bei Operations-Research-Analysen und elektronischer Datenverarbeitung, ist diese Bedingung längst jedem Fachmann für Verfahrens-Forschung bekannt. Hier erhalten w i r wiederum einen Hinweis darauf, daß eine „Planung" ganz besonderer A r t geleistet w i r d : nämlich eine Planung, die man vernünftigerweise als „rationale Strategie" bezeichnen müßte. Die eigentliche Aufgabe der „Systemfunktionäre" besteht i m Entwerfen solcher Strategien oder ihrer Alternativen. W i r d Planung so verstanden und vom Bereich der Unternehmenspolitik auf den der Staatspolitik ausgedehnt, so dürfte sie auch für wesentlich liberalistische K l i m a t a als erträglich gelten, selbst dann, wenn eine Strategie (wider Erwarten) einmal w i r k l i c h i h r Ziel exakt erreicht und sich somit ex post als „exekutierter Plan" herausstellt. Eine w i r k l i c h brauchbare und i n der Praxis verwertbare Systemanalyse jedenfalls w i r d von Fachleuten nur dann zu vollziehen sein, wenn entweder sie selbst „Inside"-Leute der jeweiligen beteiligten Gruppen und Organisationen sind, etwa einer Regierungsmannschaft oder eines Unternehmens, oder wenn ihnen „qua Team" Kenner der wirklichen Vorgänge und Personalia beigegeben sind. Hier hapert es auch i n Einzelunternehmen noch sehr. E i n Beispiel: Es genügt nicht, den Marketing-Experten m i t noch so brillanten und stromlinienförmigen Methoden eine Marktanalyse fertigen zu lassen, aus der sich präzise ergibt, welche Umsatzentwicklung bei konkreten Produkten zu erwarten ist. Damit sind noch keine Auftragsbücher gefüllt. Hinzukommen muß die Tageskenntnis des Einzelgeschäfts durch den Frontmann des Vertriebs, der die Dinge nicht immer genauso sieht — oft werden die beiden von der Unternehmensleitung gegeneinander ausgespielt —, der aber Kenntnisse hinzusteuert, die der i m Abstrakten operierende M a r k t forschungsmann nicht notwendig besitzt. Z u m Schluß möchte ich noch sagen, daß die organisatorische Einfassung dieser neuen Fachleute selbst wiederum ein strategisches Element i n sich birgt. Deshalb w i r d sie nie f i x und dauernd sein können. Die organisatorische Einordnung w i r d vielmehr je nach strategischer Lage variiert werden müssen. Für das erste In-die-Hand-Nehmen dieser Nova, die hier auftauchen, empfiehlt sich vielleicht das unmittelbare Attachement unterhalb des Regierungschefs. Bei einer Normalisierung der Lage kann es sich aber als zweckmäßig erweisen, gewisse Funktionen weiter weg zu delegieren und nur noch sorgsam beobachtend von der Ferne zu verfolgen. Es gibt kein zwingendes organisatorisches Gebot, daß es die Staatskanzlei zu sein habe, die die zentrale Strategie für die Gesamtheit selbst

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erstellt oder gar entwirft. Sie muß aber der Apparat sein, der die Integration aller angebotenen Strategien vollzieht und sie muß weiter der Qualifikation ihres Personals nach ein Apparat sein, der i n der Lage wäre, mindestens qualitativ, nicht quantitativ alles selbst zu können. Nur so besteht die Gewähr, daß dort Fachleute sitzen, die nicht nur verstehen, was die anderen machen, sondern auch K r i t i k üben können. Als solcher erst ist ein moderner zentraler Stab ein wertvolles Werkzeug für den Regierungschef und die Leitung der Staatskanzlei, deren Persönlichkeiten i m übrigen — davon hat mich der gestrige Tag wieder überzeugt — trotz allen Zwanges zur modernen Systematik und trotz aller Sachlichkeit die beherrschenden Elemente des strategischen Spiels bleiben. Das ist auch i n der Privatwirtschaft nicht anders.

Drei Hauptaufträge der Staatskanzlei Von Thomas Ellwein Wir haben i n den heutigen Referaten von unserem unmittelbaren Thema aus einen Zugang zu dem allgemeineren, organisatorischen Bezugssystem gefunden und sind auf die Aufgaben hingewiesen worden, die als „öffentliche" Aufgaben gestellt sind und auf die sich unsere institutionellen und funktionalen Erwägungen beziehen müssen. Nun sollte man wohl den Versuch machen, wieder auf die Staatskanzleien zurückzukommen, um von diesem Kernthema aus dann jeweils die verschiedenen Bezüge aufzugreifen. Wenn w i r das tun, dann — das wurde ebenfalls deutlich — geht es uns auch darum, von institutionell zentraler Stelle, eben von den Staatskanzleien her über das Wesen politischer Führung und über die Vorbedingungen politischer Führung nachzudenken. Natürlich erschließt der institutionelle Aspekt nur eine Seite des Themas. Es ist schon angeklungen, daß die besten Institutionen uns nicht gegen schlechte Politiker schützen, und daß umgekehrt gute Politiker auch mit schlechten Institutionen arbeiten können. Dieser Gedanke, so richtig er ist, darf aber nicht allein stehen bleiben. Selbstverständlich ist es immer notwendig, über die institutionellen Voraussetzungen eines Amtes zunächst unabhängig von der Person nachzudenken und zu versuchen, diese institutionellen Voraussetzungen so gut wie möglich zu gestalten. Ein weiterer Punkt scheint m i r nach den Beiträgen des heutigen Vormittags vorab dringlich. Es ist besorgt gefragt worden, und das klang auch in meinen Gesprächen mit Praktikern der Verwaltung an, ob nicht durch eine übermäßige Ausstattung der Staatskanzleien gewisse Barrieren zwischen dem Regierungschef und den Ressorts aufgerichtet w ü r den und eine A r t Überministerium geschaffen werde. So naheliegend angesichts des deutschen Ressortpartikularismus eine solche Vorstellung ist, so wenig t r i f f t sie doch unsere Vorstellungen. Was w i r hier besprechen, ist nicht Ausdruck des Mißtrauens politischer Führung gegenüber der Verwaltung, sondern etwas ganz anderes. Wir meinen i m wesentlichen, daß in den vergangenen Jahren zu wenig darüber nachgedacht worden ist, wie angesichts der ständig wachsenden und machtgewinnenden staatlichen Apparatur politische Führung überhaupt noch möglich ist. Wenn Herr Morstein Marx hier das Ethos des

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Stabes betont hat, der i m Gegensatz zu den stolz auf ihre Leistungen pochenden Ministerien i n der Anonymität verbleiben muß, dann meine ich, sollte man diesen Akzent besonders hervorheben. Nur wenn diese Anonymität und die personelle Bezogenheit auf den Regierungschef und auf seine spezifische politische Führungsfunktion vorausgesetzt sind, kann m. E. sinnvoll von der Staatskanzlei und dem, was sie zu leisten vermag, die Rede sein. Ich w i l l versuchen, i n meinen Bemerkungen die Aufgaben der Staatskanzlei über drei verschiedene, miteinander aber verzahnte Aspekte noch einmal kurz zusammenzufassen. Dabei mache ich zwischen dem Bundeskanzleramt und den Staatskanzleien der Länder keine prinzipiellen Unterschiede, sehe also nur quantitative, nicht aber qualitative Verschiedenheiten. Der erste Auftrag der Staatskanzlei, und zwar des Stabsteiles — w i r alle wissen, daß es i n der Staatskanzlei auch noch andere Funktionen gibt, von denen hier nicht die Rede ist — ist es, den Regierungschef und mit ihm zugleich die Regierung als ganzes zu informieren. Hierbei müssen w i r strikt unterscheiden zwischen der Information des Regierungschefs i n dem etwas neueren Sinne und der traditionellen Informationsarbeit, die die Presse- und Informationsämter der Staatskanzleien der Länder und die der Bundesregierung leisten. Auch dies gehört natürlich mit dazu. Die Presseämter haben regelmäßig einen zweifachen Auftrag. Einerseits sollen sie die Regierung über die verschiedenen, diese interessierenden Äußerungen i n der Öffentlichkeit unterrichten, und andererseits umgekehrt die Öffentlichkeit i n geeigneter Weise über das Tun der Regierung informieren. Die Bedeutung dieser Arbeit ist unbestritten oder w i r d heute jedenfalls nicht mehr bestritten. Die personelle Ausstattung ist dennoch i n den Bundesländern, wie w i r alle wissen, meist sehr bescheiden. Die Arbeit w i r d dort i m wesentlichen m i t Hilfe des guten persönlichen Kontaktes m i t den zahlenmäßig überschaubaren Journalisten geleistet. Das ist oft ungenügend. So läßt die Archivierung der Presseämter in Deutschland ganz sicher zu wünschen übrig. Die Archive sind zwar meistens vorhanden, aber nicht erschlossen. Über die Pressepolitik, über die Information der Öffentlichkeit w i l l ich kein Wort verlieren. Nur eins möchte ich ergänzen: Wenn der derzeitige Bundeskanzler i n der augenblicklichen Diskussion 1 so oft zum Sündenbock gemacht wird, dann ist das auch ein Ergebnis seiner eigenen Informationspolitik. Man kann — das beweist die Entwicklung i n der Bundesrepublik i n den letzten 12 Monaten — schlechterdings Politik nicht „verkaufen", wenn man ständig nur Einzelmeldungen an die 1

Oktober 1966 (vor B i l d u n g des Kabinetts Kiesinger).

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Öffentlichkeit bringt, aber nie angibt, i n welchem Rahmen diese Einzelheiten gesehen werden müssen. Anders ausgedrückt: wenn der Regierungschef kein Konzept hat oder zeigt, an dem gemessen werden kann, was sich beim Finanzministerium, Arbeitsministerium usw. tut, dann zerfließt eben alles, dann kommt dabei eine undurchdringliche Wirrnis heraus, mit der w i r es zur Zeit auch i n der öffentlichen Auseinandersetzung zu tun haben. Angesichts dieser Pressepolitik, die i m Grunde eben keine ist, ist die Journalistik i m weitesten Sinne überfordert. Dann kommt es zu dem Zustand, der uns beunruhigt. Der Informationsauftrag der Staatskanzlei muß aber noch i n ganz anderer Weise gesehen werden. Die Staatskanzlei muß nach Organisation und Auftrag i n der Lage sein, zunächst dem Regierungschef und dann dem Kabinett kontinuierlich, rasch und auch bewertend, d. h. also zum Beispiel unter Berücksichtigung von Prioritäten, einen Zugang zum Wissen, zum Planen, und auch zu vagen Gedanken innerhalb der Ministerien und Oberbehörden zu verschaffen. Warum das sein muß, beantwortet sich verhältnismäßig leicht. Man muß auf diese Weise einerseits den Führungsauftrag des Regierungschefs erleichtern oder sogar zum Teil erst ermöglichen und andererseits die Voraussetzung für eine Koordination — ich komme auf sie sogleich zurück — schaffen. Zu koordinieren sind sowohl der Regierungsapparat i m engeren Sinne als auch, wenn w i r an die Bundesländer denken, die Politik gegenüber dem Bund. Für die Länder ist es ζ. B. ein ganz dringliches Problem, daß oft die Ressortkonferenzen der einzelnen Minister die Politik bestimmen, nur weil die Koordination vorher nicht funktioniert hat. Kabinette und Regierungschefs stehen dann vor der vollendeten Tatsache irgendeines Beschlusses weit außerhalb dessen, was man eigentlich i m Land vorhatte. Dafür wäre eine ganze Reihe von praktischen Beispielen anzuführen. Der Informationsauftrag, von dem hier die Rede ist, geht i m übrigen über die bloße Koordination noch hinaus. Er ist auch Voraussetzung dafür, daß überhaupt politisch geplant werden kann. W i r wissen alle, daß in Ansätzen eine solche Information erfolgt. I n den Ländern sind es die Rechtsreferate, die relativ frühzeitig über legislatorische Vorhaben der einzelnen Ressorts informiert werden. Auch der ziemlich starke Anteil des Bundesbereichs an der Beschlußfassung der Länderkabinette hat mehr und mehr eine neue Informationstechnik erzwungen, die stark auf die Staatskanzleien der Ministerpräsidenten bezogen ist. Dennoch handelt es sich i n der Praxis nur um erste Ansätze. I n den Ländern erfolgt die wesentliche Information noch immer i m Kabinett. Das Kabinett i n den Ländern kann das zur Not auch leisten, zumal der Charakter der Länderministerien etwas — ich betone — etwas anders ist als der i m Bund.

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I m Bund erfolgt dagegen die Information über das, was i n den M i n i sterien geschieht, i m Augenblick wieder ganz unzureichend, während früher einmal die interne Information des Regierungschefs vorzüglich funktionierte. Das war in der Blütezeit von Staatssekretär Globke 2 . Betrachtet man aber die Dinge genauer, dann war es damals doch so, daß sich Globke durch eine sehr geschickte Personalpolitik auf der einen Seite und eine sehr geschickte Geschäftsverteilung i m eigenen Hause auf der anderen i m wesentlichen der informellen Möglichkeiten bedient hat, um zu erfahren, was i n den einzelnen Bundesministerien geschah. M i t den Quellen, die er sich so erschloß, unterrichtete er dann seinen Regierungschef. Das ist eine Möglichkeit. Gewiß ist daran nichts verfassungswidrig. Aber dies kann man gerade nicht institutionalisieren, daß der Staatssekretär i m Bundeskanzleramt m i t dem Personalchef und einigen anderen wichtigen Leuten i n wichtigen Ministerien gut genug zusammenspielt, um alles Wesentliche zu erfahren. Formal funktioniert die Information über das, was i n den Bundesministerien geschieht, bis heute nicht. Ich glaube, man kann das dezidiert so sagen. Was die Geschäftsordnungen der Bundesregierung und der Bundesministerien über die Informationspflicht bestimmen, ist i m Grunde recht vage. Jeder Referent kann ζ. B. hinterher sagen, er habe nicht gewußt, daß das, was er machte, politisch bedeutsam gewesen sei. Man kann diese Geschäftsordnungsregelung zu leicht umgehen. Ich möchte insgesamt die These vertreten, daß man i n den Staatskanzleien der Länder und i m Bundeskanzleramt i m allgemeinen nicht weiß, was die Ministerien wissen. Deshalb stellt sich die Aufgabe, das Wissen, Planen und Vorbereiten der Ministerien besser zu erschließen. Das ist keineswegs nur ein personelles, sondern auch ein Problem, welches in die ganze Berichts- und Registraturtechnik hineinreicht. Lassen Sie mich dazu aus meiner praktischen Erfahrung sagen: Wenn ich mich heute i n einem Land über bestimmte spezifische Regierungsprobleme unterrichten w i l l , gehe ich immer zuerst ins Finanzministerium, weil es ganz allgemein die mit Abstand am besten unterrichtete Regierungsstelle ist. Dort weiß man unter dem eigenen Gesichtspunkt wirklich darüber Bescheid, was i n den Ressorts vor sich geht. Die Haushaltsreferenten i n den Ministerien, die oft eine A r t Botschafter des Finanzministeriums sind, sind wiederum in den Ministerien oft besser über manches unterrichtet als das Ministerbüro. Den zweiten Auftrag der Staatskanzleien sehe ich — so ist das auch hier immer wieder zum Ausdruck gekommen — i n der Koordination. 2

Chef des Bundeskanzleramts unter Adenauer.

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Herr Minister Schlegelberger hat uns davor gewarnt, den Begriff der Koordination als eine A r t modernes Wunderwort zu gebrauchen. Ich meine aber, hier könnte sich insofern ein kleiner I r r t u m einschleichen, als die Koordination sich nicht nur auf das bezieht, was geschehen oder schon genügend weit vorbereitet ist, um nun koordiniert werden zu können. Koordination erfolgt selbstverständlich aufgrund eines Programms und einer Zuständigkeit dessen, der koordiniert. Sie setzt also die Führungszuständigkeit i m konkreten Fall und das Recht des Koordinators voraus, durch Weisungen und Eingriff i n Dinge, die geschehen, zu erreichen, daß sie eben i n seinem Sinne behandelt werden. Das sollte man mindestens unter politischer Koordination — und nur um eine solche kann es sich hier handeln — verstehen. Dann ist die Gefahr gebannt, daß man unter dem allgemeinen Schlagwort der „Koordination" den viel weiter reichenden Aufgaben der Voraussicht und der Planung ausweicht. Worum geht es also? Es geht darum — das braucht i n diesem Kreis nicht näher ausgeführt zu werden — Prioritäten festzulegen, alle Gesichtspunkte, die bei einer bestimmten Frage bedacht werden müssen, rechtzeitig zu bedenken, den engeren Ressortegoismus aufzusprengen und den Ehrgeiz der Referenten zu beherrschen. Das muß man sagen dürfen, auch wenn es manche Beamte ungern hören. Selbstverständlich kennen w i r alle das Problem des Mannes, der still an seinem Schreibtisch die Sache bis zum letzten I-Tüpfelchen fertig machen will, um sie dann als seine Leistung i n den Geschäftsgang zu geben. Dann ist es, wie w i r wissen, oft viel zu spät, um noch alle Gesichtspunkte wirklich zur Geltung zu bringen. Wer schreibt, hat recht, heißt es beim Skatspielen und beim Entwerfen von Gesetzestexten. Koordination in diesem Sinne funktioniert, wenn w i r sie bewerten wollen, wahrscheinlich i m Augenblick auf der sogenannten Landesebene noch etwas besser. Das hängt einfach damit zusammen, daß die Landesregierungen meistens relativ lange i m A m t sind und i n den kleineren Ländern eine A r t Familienbetrieb aufgemacht haben, i n dem man rasch in der Kabinettssitzung so manche Dinge wieder klären kann, die auf der unteren Ebene zu klären bis dahin nicht möglich war. Vielleicht hängt es auch damit zusammen — ich w i l l diese Frage hier nur andeuten —, daß auch die Zahl der i m engeren Sinn politischen Entscheidungen geringer ist. Wichtiger scheint m i r der persönliche Bekanntheitsgrad zu sein. Das alles soll hier nicht zur Debatte kommen, jedenfalls von mir nicht in die Debatte gebracht werden. Dennoch, so meine ich, ist die Koordination auf Landesebene ebenso wichtig wie auf der Bundesebene, und zwar nicht nur gegenüber dem Bund, sondern auch begrenzt auf die landeseigenen Aufgaben. Jeder, der sich mit den Problemen der Landesregierung etwas ausführlicher befaßt hat, kennt eine Fülle von Beispielen

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dafür, was mangelnde Koordination an Pannen bewirkt hat. Das wissen w i r auch aus jeder Stadt. Koordination setzt Information und Zuständigkeit voraus. Die Zuständigkeit zur Koordination steht dem Regierungschef zu. I n diesem Sinn ist die Staatskanzlei reiner Stab, reine Hilfseinrichtung. Sie ist eine Hilfseinrichtung — und ich möchte unterstreichen, was schon betont worden ist —, die nur funktionieren kann, wenn sie i n einem dezidierten Sinne als politische Behörde begriffen wird, d. h. wenn sie Geschäftsordnungsbedingungen hat, die von der normalen Verwaltung abweichen, wenn sie eigene Verfahrenstechniken entwickelt, wenn eine größere Beweglichkeit des einzelnen Referenten vorliegt und auch die Fluktuation i m Stab größer ist, als man das normalerweise i n der Verwaltung kennt, wenn es eigene Formen des Vorlage- und Berichtswesens gibt, wenn ein unmittelbarer, persönlicher Kontakt zum Regierungschef besteht, wenn zwischen i h m und seinen Beratern persönliches Vertrauen herrscht. Dies heißt dann natürlich, daß bei einem Regierungswechsel personell bei den Hauptberatern auch eine größere Änderung erfolgen muß 3 . Der Regierungschef ist i m übrigen ohnehin überfordert. Wenn die Stäbe nun zu groß werden, setzt das Material, das man i h m anliefert, wiederum eine neue Sichtung voraus. Die Stäbe müssen deshalb politisch so eng mit dem Regierungschef verbunden sein, daß sie bereits seine Sprache sprechen, i n seinen Kategorien i h m vortragen und ihn nicht mit einer Überfülle von Material drangsalieren. Sonst ist das alles sinnlos. Das Material muß ganz zweckbestimmt aufgearbeitet werden. Deswegen ist für diesen Koordinationsauftrag auch kein besonders großer Stab notwendig. Das Ziel einer besseren, wirkungsvolleren Koordinationshilfe für den Regierungschef muß jedenfalls sein, den derzeitigen Zustand zu überwinden, i n dem erfahrungsgemäß — wenn überhaupt — die wesentlichen Dinge oft unter Referenten- und Hilfsreferenten-Gesichtspunkten koordiniert werden. Koordination ist mehr und näher an die politische Führung hinzubringen: der Koordinationsauftrag der Politik ist sicherzustellen. Heute wird, so meine ich, die Politik oft viel zu spät ins Spiel gebracht. Die Entscheidungsalternativen werden viel zu früh und zu oft von Beamten ausgeklammert. Das zu sagen, bedeutet gewiß kein Mißtrauen gegenüber dem Beamten, sondern verweist lediglich auf die für mich bare Selbstverständlichkeit, daß man den Spielraum der Politik nur frei halten und vergrößern kann, wenn man i m Rahmen der Politik i m engeren Sinne auch wirklich die Entscheidungen t r i f f t und nicht nur billigt, was andere an anderer Stelle bereits entschieden haben. 3 Das würde die eigentliche institutionelle K o n t i n u i t ä t der Staatskanzlei nicht i n Frage zu stellen brauchen.

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Der dritte Auftrag, den ich sehe, ist der der Planung. Die Staatskanzlei muß das politische Zentrum für die gesamte Planung innerhalb der Regierung und der nachgeordneten Behörden sein. Über das Problem der Planung hier ausführlicher zu sprechen, ist m i r einerseits zeitlich nicht möglich, andererseits ist es auch nicht notwendig. W i r wissen alle, daß Planung allmählich zu einem Modewort wird, nachdem sie lange verdammt worden ist. Sicher ist, daß die Konsequenzen politischer Planung i n unserem Land noch relativ wenig durchdacht sind. Sicher ist auch, daß die verwaltungstechnischen Voraussetzungen und die sich ergebenden Probleme für die politische Führung ebenfalls zu wenig von den dazu Berufenen durchgespielt worden sind. Insofern kann es sich, wenn w i r über die Funktion der Staatskanzlei nachdenken, jetzt nur um ein paar Andeutungen handeln. Die Staatskanzlei muß zum ersten genau wissen, wo überhaupt i m weiterreichenden Sinne geplant wird. Das bezieht sich nicht nur auf die Ministerien und auf die staatlichen Oberbehörden, sondern gilt selbstverständlich auch i m Hinblick auf die planenden Stellen i n den Kommunalverbänden und den Kommunen. I m allgemeinen können w i r heute davon ausgehen, daß ζ. B. die bayerische Staatskanzlei von der spezifischen Stadtplanung der Stadt München oder der Stadt Nürnberg nichts weiß. Es gibt auch gar keinen sinnvollen Weg, sie darüber zu unterrichten. Bestenfalls ist das Kommunalreferat des bayerischen Innenministeriums darüber informiert. I m übrigen werden die Stadt München und die Stadt Nürnberg den Versuch machen, mit dem Bundesverkehrsminister und mit dem Minister, der i n Bayern für die Staatsstraßen zuständig ist, jeweils abzustimmen, wie ihre Stadtplanung mit der allgemeinen Verkehrsplanung des Landes oder des Bundes i n Einklang zu bringen ist. Das ist ein Zustand, der zwar halbwegs funktioniert, aber doch i m weiterreichenden Sinne eine wirklich zukunftsträchtige Verkehrsplanung kaum möglich macht. Die Staatskanzleien der Länder und erst recht das Bundeskanzleramt müssen — analog den Staatskanzleien anderer Staaten — darüber informiert sein, wo was und wie geplant wird, und was wenigstens i n etwa die Planziele sind. Ein solches Wissen reicht jedoch allein nicht aus. Die Staatskanzlei muß zweitens technisch i n der Lage sein, an der Planung i n gewissem Umfang teilzuhaben. Sie muß eine kritische Instanz gegenüber den verschiedenen Planungsinstanzen bilden, die es schon gibt und von denen es i n der Zukunft noch sehr viel mehr geben wird. Dabei handelt es sich um eine Fülle sehr verschiedener Planungen, die zu koordinieren sind und sich heute i n ihrer Intention noch oft gegenseitig widersprechen. Die Staatskanzlei muß daran beteiligt sein, weil etwa über das B i l d der Stadt von morgen nicht nur die Architekten, die Raumplaner oder sonstigen Fachleute sprechen dürfen, sondern es selbst-

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verständlich auch Sache der politischen Führung ist, sich an dem Entwurf solcher Zukunftsmodelle zu beteiligen, eigene Ziele zu benennen und der Bevölkerung verständlich zu machen, worum es eigentlich geht, wenn man jetzt dieser oder jener Planungsetappe den Vorrang gibt. Ich meine damit nicht, daß die Staatskanzlei selbst planen muß. Sie muß nur i n einem intimeren Sinne an Planungen, die der Verantwortung der Regierung unterliegen, beteiligt sein: zur Information des Regierungschefs, aber selbstverständlich auch in gewissem Umfang zur Information der Öffentlichkeit und nicht zuletzt ganz wesentlich als Regulierungsmechanismus gegenüber den einzelnen Planungsinstanzen. Diese Notwendigkeit braucht kaum begründet zu werden. Sie alle wissen aus Ihrer eigenen Praxis, welche Konsequenzen es hat, daß man bei uns Planungen macht, von denen der Nachbar keine Kenntnis nehmen will. Irgend ein größerer Kommunalverband — ich w i l l den Namen des Landes Nordrhein-Westfalen jetzt nicht i n den Mund nehmen — bereitet dann eine langfristige Planung vor, und die Regierung macht das gleiche noch einmal. Zwei Stellen nebeneinander: es soll schon mit unendlich vielen Problemen verbunden sein, bis die beiden miteinander auch nur telefonieren. Das alles darf nicht vorkommen. Hier ergibt sich eine innenpolitische Funktion der Staatskanzlei. Damit diese Funktion auch wahrgenommen werden kann, müssen drittens—darauf hat heute Minister Schlegelberger hingewiesen, und ich w i l l das noch einmal unterstreichen — die Leute, die das i n der Staatskanzlei machen, Zeit haben. W i r brauchen Zeit auch zum Planspiel. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Fallex-Manöver samt Notstand die einzigen ernstlichen Planspiele sind, die i n der Bundesrepublik auf Bundesebene bisher durchgeführt worden sind. W i r hätten viele andere und — wie ich politisch bewertend von meinem Standpunkt aus hinzufügen darf — viel dringendere Probleme als den Notstand. Für sie hätte man längst einmal Referenten, Abgeordnete usw. für einige Tage isolieren und damit beschäftigen müssen. Wir müssen die Zeit zum Planspiel auch i m zivilen Bereich gewinnen und dann die verschiedenen Möglichkeiten wirklich durchspielen. Die politische Führung muß aus dem heute doch i m allgemeinen herrschenden Dilemma herauskommen, immer nur unter dem Druck des hier und heute Notwendigen zu stehen. Sie braucht eine Einrichtung, die berufsmäßig „denkt" und deren Personalleistung nicht unbedingt nach der Produktivität i n irgendwelchen Verwaltungsarbeiten bemessen wird. Sie braucht diese Einrichtung auch, damit sie am Denken der anderen teilnehmen kann. So wichtig und notwendig Beratergremien außerhalb der engeren staatlichen Organisation auch sind, um die Arbeit dieser Beratergremien wirklich aufzunehmen, zu bewältigen und zu verarbeiten, muß eben doch innerhalb der staatlichen Apparatur die notwendige Voraussetzung geschaffen werden.

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Dieser Planungsauftrag, der begrenzt ist und nicht eine eigene Planung der Staatskanzlei bedeutet, soll viertens bewirken, daß die politische Führung die gesamte Planung i n den Griff bekommt. Die wesentlichen Planungsalternativen dürfen nicht zu weit unten, nicht zu nah vor Ort, sondern müssen i m Rahmen der größeren politischen Einheit entschieden werden. Es muß vermieden werden, daß nur noch eine Entscheidungsmöglichkeit, die die i m engeren Sinne mit der Planung Befaßten so gerne für die allein richtige erklären würden, i n die Entscheidungskanäle eingeschleust wird. Planung eröffnet i n Wahrheit erst den Entscheidungsspielraum. Herr Kaiser hat darauf hingewiesen, daß w i r durch Planung die Freiheit nicht verlieren, sondern sie tatsächlich erst gewinnen. Dieser Freiheitsgewinn muß ernstlich der Politik zugutekommen und darf nicht auf der Ebene der Verwaltung, die die Planung faktisch macht, versickern. Er muß ins politische Bewußtsein der Öffentlichkeit eindringen, damit nicht die Gefahr droht, daß sich solche Pläne nach eigener Gesetzlichkeit entwickeln und jeder so tut, als ob man ihnen gegenüber nichts machen könne, als ob ihnen gegenüber keine Freiheit, auch nicht die Freiheit des Änderns bestehe. Unabhängig von dem, was ich damit über die m. E. drei wichtigsten Aufträge der Staatskanzlei gesagt habe, w i l l ich noch einen Gedanken anschließen, der mich den ganzen Tag über bewegt hat. Ich glaube, i n diesem Räume besteht Einigkeit darüber, daß die politische Führung i n stärkerem Maße als bisher institutionell dazu instandgesetzt werden muß, wirklich ihrer Führungsfunktion nachzukommen. Das bedeutet — wie es bei jeder Regierungsinstitution der Fall ist — natürlich zur gleichen Zeit, daß die Opposition an dem dort angesammelten und verarbeiteten Wissen keinen unmittelbaren Anteil hat und neuerdings benachteiligt wird. Je besser w i r die Regierungsinstanz, die Regierung als ganzes ausstatten — daß w i r es tun müssen, ist nicht umstritten —, desto schwieriger w i r d es für die Opposition, ihrerseits nun mit einer halbwegs sachkundigen K r i t i k an den verarbeiteten Daten aufzuwarten und gegen die Konsequenzen etwas Sinnvolles einzuwenden. Ich w i l l auf dieses Problem nur hinweisen. Es ist ein i m Augenblick vielleicht besonders interessantes Problem von den vielen, die auftauchen, wenn w i r unser Augenmerk mehr, als das i n den letzten Jahren geschehen ist, auf die Funktionen der Exekutive und ihre Möglichkeiten lenken.

Die Staatskanzlei als architektonisches Projekt Von Udo Kollatz „Die Staatskanzlei symbolisiert die Spitze des Staates. Oben steht der Ministerpräsident, unter i h m wirken seine engsten Mitarbeiter und die Beamten, die die Verbindung zu Volk und Landesverwaltung herstellen." So formulierte ein deutscher Architekt, der sich an einem Wettbewerb für den Neubau der Staatskanzlei i n Wiesbaden beteiligt hatte, seine Vorstellung vom Gegenstand unserer Diskussion. Folgerichtig hatte er dem Ministerpräsidenten das Dachstübchen i n einem pyramidal konzipierten Bauwerk zugedacht. Die Preisrichter konnten die Logik dieser Konzeption nicht widerlegen. Gleichwohl fiel seine Arbeit durch. Jenseits aller Kuriosität können die bei Gelegenheit dieses Architektenwettbewerbs gewonnenen speziellen Einsichten und Erfahrungen für unsere Erörterungen unter verschiedenen Aspekten nützlich sein. Denn sie zeigen einmal, wie sich Außenstehende, i n diesem Falle Architekten, also Leute, die selbst weder i m politischen Leben stehen noch staatliche Funktionen bekleiden, eine Staatskanzlei vorstellen, wie sie die i n ihren Augen ideale Staatskanzlei gestalten wollen. Das muß uns schon deshalb interessieren, weil sich die allgemeine politische Meinungsforschung mit diesem Thema m. W. bislang nicht beschäftigt hat. Davon abgesehen pflegen sich ja auch staatsbürgerliche Erziehung und politische Erwachsenenbildung kaum über den anschaulicheren Bereich des Parlamentarismus und der personellen Spitzen der Exekutive hinauszuwagen. Daß es ein Bundespräsidialamt gibt, braucht der berühmte Mann von der Straße nicht zu wissen; das Bundeskanzleramt ist ihm allenfalls als „die Stelle, wo der Globke war", vielleicht auch noch i n Verbindung mit dem Namen Westrick und dessen bislang 1 vergeblich gesuchten Nachfolgern geläufig. Dazu ein anderes Beispiel: Wenn sich ζ. B. früher jemand nach meiner Tätigkeit erkundigte, konnte ich ihn mit der kurzen Antwort, ich sei beim Gericht oder i m Justizministerium, stets zufriedenstellen. Das m i r neuerdings auferlegte Geständnis aber, ich sei jetzt i n der Staatskanzlei, löst 1

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Udo Kollatz

erfahrungsgemäß längere Rückfragen aus, und selbst Kollegen aus den Fachministerien pflegen sich recht angelegentlich zu erkundigen, womit man sich dort wohl befasse. Kein Wunder also, daß sich auch i n architektonischen Versuchen über dieses Objekt zuweilen Sonderliches findet. Die Erfassung der ursprünglichen, oft recht naiven Vorstellungen der Einsender von Entwürfen ist aber nicht das einzige Ergebnis eines solchen Wettbewerbs. Die Fülle der Ideen und Anregungen, das Abschätzen hier und dort besonders gelungener Details läßt vor den Preisrichtern allmählich ein Idealbild einer Staatskanzlei erstehen, das dann seinerseits zum Maßstab der Bewertung wird. Und noch ein Drittes: Erst der konkrete Versuch auf dem Reißbrett oder am Modell zeigt, ob eine Konzeption real ist. Gottesglauben und Staatsgesinnung i n Bauwerken zu manifestieren, war früheren Epochen selbstverständlich. Wenn beides heute nicht mehr so recht gelingen will, liegt es wohl kaum an der Bautechnik, eher am fraglich gewordenen geistigen Inhalt. A n den äußeren Eindruck der Villa Hammerschmidt — die nachzubauen freilich Flucht i n die Vergangenheit, nicht Ausdruck gegenwärtiger Schöpfungskraft wäre — w i r d sich wahrscheinlich jeder Besucher Bonns, der einmal über die Koblenzer Straße gekommen ist, recht gut erinnern; die verschiedenen, auf dem Gelände des Bundeskanzleramtes angesiedelten Bauwerke regen dagegen weder die Phantasie an noch beeindrucken sie das Gemüt. Der Versuch, theoretische Vorstellungen in die Praxis umzusetzen, w i r k t bekanntlich ernüchternd. Wir alle wissen, daß Organisations- und Geschäftsverteilungspläne oft weniger nach den Erkenntnissen der Organisationslehre konzipiert werden, als nach der tatsächlichen Personalstruktur, den räumlichen und den personellen Möglichkeiten. Savigny hat zwar i n einem berühmten Wort die Juristen als „fungible Personen" definiert. Wer aber auch nur am Rande jemals mit Personalangelegenheiten befaßt war, weiß, daß diese Vorstellung illusionär ist. Amtsboten, Registratoren, Vorzimmerdamen und Amtsräte sind übrigens mindestens genausowenig fungibel wie Angehörige des höheren Dienstes. Welche Folgerungen ergeben sich daraus für unsere Diskussion? Wir können uns ernsthaft nur mit Vorschlägen beschäftigen, die sachlich und personell zu verwirklichen sind. Rationalität bei der Errichtung von Gebäuden der öffentlichen Verwaltung pflegt allerdings gemeinhin mit der Akribie verwechselt zu werden, die auf die Berechnung der nach dem Stande von vorgestern bemessenen Raumbedarfspläne verwandt wird. Kein Wunder also, daß sich auch i n der neuen Hülle sehr schnell wieder Kreislaufstörungen i m Behördenorganismus zeigen, zumal die kameralistische Buchführung or-

Die Staatskanzlei als architektonisches Projekt

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ganisatorische Fehldispositionen und Reibungsverluste kalkulatorisch nicht erfaßt. Gestatten Sie m i r daher, hier nur einige Sätze aufzustellen, deren Realitätsgrad durch kritische Diskussion zu prüfen bleibt. Die Staatskanzlei

als Sitz des Regierungschefs

und

Staatsoberhauptes

symbolisiert — und insoweit hatte der eingangs zitierte Architekt völlig recht — die Spitze des Staates. Das bedeutet: Der Ministerpräsident muß i n der Lage sein, i n und mit der Staatskanzlei die ihm zufallenden Aufgaben staatlicher Repräsentation zu bewältigen. Das führt uns zu dem gestern von Ministerpräsident Altmeier zuerst erwähnten Aufgabenkreis zurück, den w i r in unseren Verhandlungen vielleicht ein wenig vernachlässigt haben. Als Testfall mag die Frage gelten, welcher deutsche Ministerpräsident die Königin von England tatsächlich i n seinem Hause gelassen empfangen konnte oder guten Gewissens hätte empfangen können. Eine zweckmäßig angelegte Staatskanzlei darf dadurch zwar nicht überfordert, andererseits aber auch nicht zu einseitig auf diese doch recht seltenen Ereignisse ausgerichtet sein. Denn normalerweise ist die Staatskanzlei nicht der Ort für pompöse Auftritte, sondern — besser als eine Amtswohnung, abgelegene V i l l a oder gar Jagdhütte —die gegebene Stelle für höchst vertrauliche Besprechungen, wobei man berücksichtigen muß, daß das Bekanntwerden einer solchen Besprechung und des Teilnehmerkreises i n bestimmten Situationen den findigen Reporter Thema und selbst Resultat der Besprechung unschwer erraten läßt. Die Staatskanzlei

ist der Apparat

der Regierungsspitze.

D i e Staats-

kanzlei ist also nicht nur Sitz der Regierungsspitze, sondern zugleich Wirkungsstätte eines relativ kleinen, hochqualifizierten Stabes, der den Ministerpräsidenten bei der Führung seiner Geschäfte und in der Wahrnehmung seiner Richtlinienkompetenz unterstützt. Über die Formen und Methoden, mit denen dies möglich ist, ist hier schon vieles gesagt worden. Da ich einmal die Architektur berufen habe, w i l l ich sie auch weiter bemühen. Es ist bemerkenswert, daß fast alle Teilnehmer unseres Wettbewerbs in Wiesbaden i n dieser Beziehung äußerlich differenziert, d. h. staatliche Repräsentation und Verwaltung in verschiedenen Baukörpern untergebracht haben. Eine Lösung, die wohl allen Anwesenden durch den i m Volksmund früher als „Kronprinzenpalais" bezeichneten Anbau an der ehemaligen Gallwitz-Kaserne i n Duisdorf bei Bonn geläufig ist. Ich zitiere aus einer Baubeschreibung: „Die Funktionsgruppen sind durch die Baumassengliederung äußerlich ablesbar, unterstützt durch die Materialverwendung: Der Repräsentations- und Ministertrakt sind

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Udo Kollatz

i n Metallkonstruktionen, Glas und Sonnenlamellen gedacht, von einem breiten Reliefband aus Bronze verziert. Der Kanzleitrakt t r i t t als sachlicher Sichtbetonbau i n Erscheinung." Die Problematik geht tiefer, als der Gegensatz vom Reliefband aus Bronze zum sachlichen Sichtbetonbau vermuten läßt. Zunächst eine Vorfrage. Können w i r heute staatliche Repräsentation überhaupt positiv definieren, mit anderen Worten, sind Sonnenlamellen oder ein breites Reliefband Zeichen spezifisch staatlicher Repräsentation, die dieses Bauwerk von dem Sitz einer Konzernspitze, eines Filmproduzenten oder einer Werbeagentur unterscheiden? Ist es die hinter die Wandtäfelung im Kabinettsitzungssaal versenkbare Beleuchtungsanlage, die es dem Fernsehkameramann gestattet, jederzeit Aufnahmen auch ohne Mobilisierung eines kompletten Reportage-Teams zu machen? Oder entwickelt sich die an eine Datenbank gekoppelte Abrufanlage des allein uneingeschränkt informationsberechtigten Mannes an der Spitze zum Statussymbol der Zukunft? A n unserem Wettbewerb beteiligte sich übrigens auch ein Architekt, der alles, was das Herz nur wünschen konnte, i n seinen Entwurf einbezogen hatte: eine stille Wasserfläche, Innenhöfe mit Bäumen, eine gediegene Vorfahrt, grandiose Portale und Flure. Auf den ersten Blick bestechend, bei näherem Zusehen aber ein schwer zu begründendes Unbehagen erweckend, dem schließlich ein Preisrichter mit dem erlösenden Etikett „Das ist doch Heiratsschwindel" überzeugend Ausdruck verlieh. Wir sollten uns nicht in dem wohl vergeblichen Unterfangen verlieren, staatliche Würde und staatliche Repräsentation begrifflich fassen zu wollen. Ergiebiger erscheint mir der Versuch, einen kurzen Katalog der positiven oder negativen Qualitäten aufzustellen, die eine Staatskanzlei i m Hinblick auf die hier angesprochenen Funktionen von der baulichen Gestaltung her aufweisen sollte. Das ist zugleich die sicherste Methode, Traumgebilde à la Hollywood zu entlarven. Die vom Funktionellen her sauberste Lösung — gepaart mit gutem Geschmack — erzeugt durch die ihr innewohnende Logik eine eigene Würde und schafft damit zugleich i n der Regel auch eine brauchbare Kulisse der Repräsentation. Fangen w i r von außen an: Da die Staatskanzlei der Ort ist, i n dem die Sitzungen des Kabinetts stattfinden, muß sie Möglichkeiten des Zugangs und der Vorfahrt bieten, die ein anderes öffentliches oder privates Verwaltungsgebäude nicht aufzuweisen braucht. Sie muß nämlich darauf eingerichtet sein, daß ein gutes Dutzend Minister oder Staatssekretäre — alles vielbeschäftigte Leute, die mit ihrer Zeit geizen — praktisch i m gleichen Augenblick vorfahren wollen. Während der Sitzung soll das Äußere des Gebäudes nicht durch herumstehende Autos und wartende Kraftfahrer beeinträchtigt sein. Wenn die Mitglieder des Kabinetts wie-

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der aufbrechen, getrieben von der Begierde, soeben gefaßte Beschlüsse schnellstens zu verwirklichen, darf nicht ein B i l d entstehen, wie es vom Massenstart am Nürburgring geläufig ist. Weitläufigkeit und Aufgeschlossenheit, wie sie ζ. B. bei dem zitierten Besuch der englischen Königin gegeben sein müssen, leichte Zugangsmöglichkeiten für viele Personen — ich erinnere an die Situation der Kabinettsitzung — dürfen andererseits die Sicherheit nicht gefährden, die das Gebäude u. a. schon i m Hinblick auf den Schutz der dort tätigen Personen und die Vertraulichkeit ihrer Arbeitsmaterien gewährleisten muß. Auch eine grundsätzlich mehr der Vernunft und Integrität ihrer Mitarbeiter als den Vorschriften der VS-Anweisung vertrauende Landesregierung w i r d in der Staatskanzlei ein bedeutendes Quantum formell geheimer oder vertraulicher Unterlagen aufzubewahren haben. Ein weiterer Umstand, den der Architekt respektieren muß. Vertreter von Presse und Rundfunk sollen i m Hause aus- und eingehen, sich stets willkommen fühlen. Aber es muß die absolute Gewißheit bestehen, daß sie nicht „zufällig" dem Ministerpräsidenten oder einem Mitglied des Kabinetts über den Weg laufen können, wenn eine solche Begegnung nicht erwünscht ist. Dabei darf natürlich weder der einen noch der anderen Seite angesonnen werden, über die hintere Feuertreppe als letzten Fluchtweg zu retirieren. Veranstaltungen i m Bereich der staatlichen Repräsentation schließlich sollen den normalen Dienstbetrieb der Staatskanzlei nicht beeinträchtigen. Der Repräsentation wiederum wäre es abträglich, wenn sie sich unter den neugierigen Blicken der i m Verwaltungstrakt Tätigen vollzöge. Was hier als architektonisches Problem skizziert wurde, läßt sich wie folgt ins Organisatorische übersetzen: Die Staatskanzlei

muß

räumlich

und

funktionell

so beweglich

sein,

daß sie nicht nur i n zeitlicher Folge wechselnden Bedürfnissen genügen, sondern auch gleichzeitig konträren Zwecken dienen kann (ζ. B. dem Empfang eines Botschafters, einer Pressekonferenz, der Ausarbeitung eines Grundsatzprogramms und einer vertraulichen Ministerbesprechung), ohne daß die Erfüllung einer dieser Aufgaben durch die gleichzeitige Wahrnehmung der anderen beeinträchtigt w i r d und ohne daß bei den Gästen und Besuchern der Eindruck entsteht, sie würden jeweils unter Bewachung von einer geschlossenen Station in die andere weitergereicht. Das bei uns in Wiesbaden für einen Neubau i n Aussicht genommene Grundstück hat mit seiner ausgeprägten Hanglage i n der Schleife einer Serpentine die hier geschilderten Schwierigkeiten noch akzentuiert. Nur einem Entwurf ist es wirklich gelungen, eine optimale Synthese des an sich Unvereinbaren zu schaffen. Die gefundene Lösung ist ebenso simpel

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Udo Kollatz

wie überzeugend. Das ganze Gebäude wurde direkt an den Hang gelehnt. Der Verwaltungsapparat wurde i n die unteren Stockwerke verwiesen, Ministerpräsident, Kabinett und Repräsentation i m oberen Teil des Gebäudes mit einer besonderen Zufahrt von der Rückseite des Hügels her untergebracht. Vom Hause hat man Ausblick über die Stadt. Das Gefälle des Hanges aber verwehrt den Einblick von außen. Eine Blickverbindung vom verwaltungsmäßig genutzten zum repräsentativen Teil des Hauses ist genauso wenig möglich wie der Blick von der Repräsentation i n den Verwaltungsbereich. Trotzdem ist das Gebäude eine geschlossene, verhältnismäßig leicht zu kontrollierende Einheit, ohne daß man es durch Umfassungsmauern noch besonders abschirmen müßte. Ich w i l l das Modell hier nicht weiter erläutern. Interessenten steht es nachher zur Verfügung 2 . Der spezifische Dualismus zwischen Weltoffenheit und Abgeschlossenheit, der bisher nur als Moment der baulichen Gestaltung erörtert wurde, w i r d übrigens auch beim Funktionieren des Apparates selbst zum Problem. Ich erinnere mich noch deutlich des besonderen Tonfalls, i n dem m i r vor Jahren i n Bonn ein Ministerialrat, i n dessen Referat ich tätig war, eines Tages sagte: „ I n dem Verfahren hat vorhin Ministerialdirektor X vom Bundeskanzleramt angerufen." Fast derselbe, gleichermaßen Vorsicht gebietende wie Aufmerksamkeit heischende Unterton begegnete mir später i n den Ressorts der Hessischen Landesregierung i n Formulierungen wie etwa: „Dafür interessiert sich die Staatskanzlei." Hier versteckt sich ein bei der abstrakten Deduktion von Funktionen oft vernachlässigtes psychologisches Problem. Die Staatskanzlei muß eine Fülle von Informationen aufnehmen und verarbeiten. Ob und wieweit sich diese Informationen i n institutionellen Netzen fangen, w i l l ich hier nicht erörtern. Aufmerksam machen aber möchte ich auf die besonderen Effekte, die dann entstehen, wenn einer der Informationsfischer der Staatskanzlei seine Angel gezielt auswirft. Eine von ihm unbefangen gestellte Frage kann die Phantasie der Befragten ungemein anregen. Das gilt übrigens in noch stärkerem Maße für Meinungsäußerungen vonseiten der Staatskanzlei. Wenn die Auswirkungen dieses psychologischen Faktors schon i n einer relativ kleinen, fast familiären Landesregierung wie der hessischen zu spüren sind, werden sie sich um so mehr bemerkbar machen, je größer und politisch differenzierter eine Regierung ist. Eine Situation, i n der man sich einerseits auf Moses und die Propheten, i n concreto etwa auf Altmeister Köttgen, Forsthoff oder die Schriftenreihe dieser Hochschule i n Speyer beruft, während auf der anderen 2

Es wurde auf der Tagung gezeigt.

Die Staatskanzlei als architektonisches Projekt

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Seite lediglich auf eine wirkliche oder vermeintliche Meinungsäußerung der Staatskanzlei verwiesen wird, bietet nicht unbedingt den besten Nährboden für die konsequente Austragung sachlicher Gegensätze, die „gute" Entscheidungen erst ermöglicht. Herr Duppré hat gestern von den Versuchungen eines Chefs der Staatskanzlei gesprochen. Auch der kleine Medizinmann kann aber das Totem der großen Götzen für den unedlen Zweck eigener Beschwörung mißbrauchen. W i l l man also unkontrollierte Sekundärwirkungen der Informationsbeschaffung und -Verwertung einer Staatskanzlei unterbinden, muß man die Informationsmöglichkeiten der Regierungsspitze in einer Form institutionalisieren, die die jeweils aktuellen Interessen von außen vorzeitig nicht erkennen läßt.

Auch diesen Satz stelle ich zur Diskussion. Wenn man ihn nämlich akzeptiert, w i r d er meiner Ansicht nach zu einer wichtigen Maxime bei der Lösung der sich gerade jetzt allenthalben abzeichnenden Umstellungen. Worum geht es? Patzig 3 hat kürzlich i n verfassungsrechtlichen Betrachtungen zum Entwurf eines Stabilisierungsgesetzes die Frage aufgeworfen, ob die bei der Anwendung eines solchen Gesetzes erforderlichen Entscheidungen — wenn man dieses Gesetz überhaupt anwenden sollte — nicht i n die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers fielen. Für den Bund w i l l ich die Frage nicht beantworten. Bezieht man sie dagegen auf die Länder, gibt es nur eine Antwort: Auf Grund der jüngsten Entwicklung berühren die Vorlagen der Bundesregierung zum Bundeshaushalt, zur Finanzreform und zur Lösung konjunktureller Probleme so unmittelbar die Substanz der Länder wie der Landespolitik, daß die Ministerpräsidenten die Erörterung dieser Fragen durchweg unmittelbar beeinflussen und bestimmen müssen. Gewiß, w i r leben nicht i n Brasilien. Immerhin erzählte m i r kürzlich ein südamerikaerfahrener Freund von einem Gespräch mit einem dortigen Politiker, der zunächst konstatiert hätte, es sei unmöglich, dieses Land zu Grunde zu richten, dann aber — und insoweit muß ich einen Vorredner ergänzen — versonnen hinzugesetzt habe: „Vielleicht schaffen w i r es doch." Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Frage jetzt gelegentlich auch manchen unserer erfolgsgewohnten Politiker beschleicht. Der Zwang für die Ministerpräsidenten, bestimmte Fragen unmittelbar zu beeinflussen und zu bestimmen, verschärft sich, wenn der Bund 3 Patzig, Werner: „Verfassungrechtliche Betrachtungen zum E n t w u r f eines Stabilisierungsgesetzes' Deutsches Verwaltungsblatt. Jg. 81, 1966, S. 672 ff., 677.

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bewußt mehrgleisig fährt, z. B. einen Komplex aus dem Bereich der Finanzreform in verschiedenen Varianten gleichzeitig auf der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister in die Diskussion bringt. Unter solchen Umständen nicht nur die Geschlossenheit einer Landesregierung zu wahren, ohne die Kompetenzen der Fachressorts zu beeinträchtigen, sondern deren vielfältige Verbindungen und Informationen der Regierungsspitze unmittelbar nutzbar zu machen, w i r d eine zusätzliche bedeutsame Aufgabe der Staatskanzleien in nächster Zukunft sein. Neue Probleme stellen sich auch i m landespolitischen Bereich. Da die knapper gewordene finanzielle Decke die Bildung paralleler Schwerpunkte kaum noch gestattet, liegt i n der Setzung von Prioritäten heute praktisch ein fast vollständiger Verzicht auf jegliche Förderung sonstiger Bereiche. Deshalb kann insoweit letztlich nur der Träger der Richtlinienkompetenz entscheiden. Der Träger der Richtlinienkompetenz, der Ministerpräsident also, wäre jedoch schlecht beraten, wenn er diese Koordinierungsaufgabe unmittelbar übernähme. Er sähe sich sofort i n einen intensiven Kleinkrieg verwickelt, der eine Erosion seiner Autorität zur Folge hätte. Auch die Staatskanzlei ist aber meiner Ansicht nach nicht der geeignete Apparat, der z. B. die Regionalisierung von Investitionsprogrammen mit finanzplanerischen Überlegungen koordinieren könnte. Denn der Regierungschef wäre dann durch Vorentscheidungen „seines Hauses" festgelegt, müßte sie unter Umständen rechtfertigen, wäre also Partei im Streit der Meinungen und nicht mehr die von allen gleichermaßen anerkannte oberste Instanz. Zweckmäßiger ist es deshalb, die unmittelbaren Interessenkonflikte zunächst in besonderen Arbeitskreisen oder Ausschüssen zum Austrag zu bringen. Ich bin sehr dankbar, daß Arndt bereits auf den Zwang zur Selbstkoordination unterhalb der Staatskanzlei hingewiesen hat. I n diesen Koordinierungsinstrumenten muß natürlich auch die Staatskanzlei vertreten sein, schon um dem Regierungschef rechtzeitige, eigenständige Informationen über sich abzeichnende Tendenzen zu vermitteln. Dann kann der Chef den Zeitpunkt wählen, i n dem ein Eingreifen mit leichter Hand der Entwicklung die gewünschte Richtung gibt. Ihm diese Freiheit zu sichern und zu erhalten, w i r d der Staatskanzlei nur gelingen, wenn die dort Tätigen politisches Einfühlungsvermögen und psychologisches Geschick mit dem selbstverständlich vorauszusetzenden fachlichen Können verbinden. Damit schließt sich der Kreis unserer Betrachtung, denn w i r kommen jetzt wieder zurück auf die menschlichen, die personellen Probleme des Apparates Staatskanzlei.

Die Staatskanzlei als architektonisches Projekt

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Ich kann für Hessen nicht mit eindrucksvollen Zahlen über spätere Regierungspräsidenten und Landräte aufwarten. Bei uns war die Entwicklung in dieser Beziehung wesentlich ruhiger. Trotzdem verdient dieser Punkt Aufmerksamkeit. Ein beachtlicher Teil der Staatssekretäre der Bundesregierung ist aus dem Bundeskanzleramt hervorgegangen. Nach welchen Gesichtspunkten aber wurden diese Männer vorher i n das Bundeskanzleramt berufen? Nach welchen Maßstäben und aus welchem Reservoir rekrutiert sich heute das eigentliche Personal der Staatskanzleien? Dominiert der Zufall — selbst wenn man ihn nach einem Bonmot unseres verehrten Altbundespräsidenten Heuss als „CV" schreibt — oder gibt es institutionelle Faktoren, die eine sachgemäße Personalauslese wenigstens wahrscheinlich machen? Ich hoffe, daß unsere gemeinsamen Überlegungen uns Rüstzeug auch zur organisatorischen und institutionellen Bewältigung mancher Probleme liefern werden, die ich hier nur andeuten konnte. Lassen Sie mich das Skizzierte zusammenfassen i n einem Satz, mit dem die Urheber des schließlich siegreichen Entwurfs ihr Werk in unseren Wettbewerb sandten: „Der Neubau der Staatskanzlei hat folgende Aufgabe zu erfüllen: Er soll nicht nur würdevolle Hülle, sondern gut funktionierender Apparat eines relativ kleinen Stabes sein, dessen vielfältigen Aufgaben und Pflichten er gerecht werden muß."

Verlauf der Aussprache (Bericht) Von Alfons Noll

Professor Knöpfle unterstrich zu Beginn der Diskussion, daß die Staatskanzleien und das Bundeskanzleramt sich i m wesentlichen i n quantitativer Hinsicht unterschieden. Auch bei den Ländern gehe es um innenpolitisch heiße Eisen erster Ordnung, wie die Frage: Bekenntnisschule/Gemeinschaftsschule zeige. Es dürfe auch nicht vergessen werden, daß die Länder die Kommunalgesetzgebung i n eigener Regie durchführen müßten. Da der Regierungschef das Land nach außen vertrete, führe die Außenvertretungsklausel dazu, daß i n dem Augenblick, i n dem irgendeine Ressortsache mit anderen Ländern behandelt werde, die Tendenz bestehe, den Regierungschef einzuschalten. Die Verfassungswirklichkeit sei auf diesem Weg i n der Ministerpräsidentenkonferenz konsequent vorangeschritten. Der Übergang einer Sachzuständigkeit vom Ressortminister zum Ministerpräsidenten, sobald es sich um das Außenverhältnis des Landes handele, habe zum Beispiel den Übergang von der Kommunalabteilung des Innenministeriums auf einen Referenten der Staatskanzlei zur Folge. Je mehr der Regierungschef, der zur Ministerpräsidentenkonferenz fahre, selbst Interesse an der Sache habe, um so größer werde der materielle Beitrag der Staatskanzlei i n den Punkten, die sich quer über alle Ressort erstreckten. Koordinierung der Ressorts erfolge jedoch auch i n den Ministerkonferenzen. Ein einheitliches Melderecht, ein übereinstimmendes Baurecht, ein weitgehend übereinstimmendes Landeswasserrecht seien darauf zurückzuführen, daß die zuständige Fachministerkonferenz einen Musterentwurf ausgearbeitet habe, der die Grundlage für die Länderarbeit sei. Zu den Ausführungen von Arndt vertrat Professor Knöpfle die Ansicht, daß bei einem Industriebetrieb das Ziel einfacher und klarer sei. Das Resultat der Arbeit eines ganzen Jahres lasse sich i n wenigen Ziffern niederlegen. I n solch einem Betrieb könne man eher intensiv durchrationalisieren. A n Stelle des während der Tagung i m Fallex-Bunker festgehaltenen Ministerialdirigenten Dr. Bachmann griff Oberregierungsrat Bebermeyer, Bundeskanzleramt, einige Fragen zur Arbeitsweise dieses Amtes auf. Bebermeyer schickte voraus, daß das Bundeskanzleramt keine res-

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sortähnlichen Funktionen habe und i n seiner Größenordnung ziffernmäßig etwa i n der Mitte der Staatskanzleien liege, mit insgesamt rund 180 Bediensteten. Die Geschichte des Bundeskanzleramtes lasse sich i n drei Entwicklungsstufen sehen. I n der Gründungsphase habe sich der erste Bundeskanzler intensiv eines primär außenpolitisch orientierten Stabes für seine Arbeit bedient. Als die Außenpolitik sich i m Auswärtigen A m t habe abspielen können, sei diese Stabsfunktion erloschen. Die zweite Stufe habe einen Umschlag fast ins andere Extrem gebracht, i n ein A m t mit fast ausschließlichen Koordinationsaufgaben. Die Initiativen hätten sich aus den Ressorts heraus entwickeln sollen. Erst dann hätte der Verzahnungs- und Mitbeteiligungsprozeß zwischen den davon betroffenen Ressorts und dem Bundeskanzleramt einsetzen sollen mit dem Ziel, auf dem Wege der Koordination von unten aus den Ressorts heraus nach oben die Dinge zur Kabinettsreife zu bringen. Nach dem Kanzlerwechsel 1963 seien gewisse Reformen schrittweise vollzogen werden; sie ständen noch nicht am Ende. Diese Änderungen sah Bebermeyer als einen Versuch an, den Wandlungen unserer sich zur Industriegesellschaft entwickelnden sozialen Umwelt besser gerecht zu werden. Dem von Oberregierungsrat Bebermeyer angegebenen Personalstand des Bundeskanzleramtes stellte Professor Knöpfle die ungewertete Zahl der Amtsangehörigen der Staatskanzleien i n den Ländern gegenüber. Sie lägen wie folgt: Saarland und Rheinland-Pfalz: je etwa 60 Amtsangehörige, Schleswig-Holstein: 89, Hessen: 101, Niedersachsen: 107, Baden-Württemberg: 127, Bayern: 131 und Nordrhein-Westfalen: 195 (nicht mitgerechnet die Mitarbeiter des Ministers für Bundesangelegenheiten und die etwa 270 Amtsangehörigen des neu geschaffenen Landesamtes für Forschung). Hoch lägen auch die Zahlen i n den Stadtstaaten, obwohl ein Vergleich nur schlecht möglich sei, weil hier ebenfalls kommunale Aufgaben zu erfüllen seien; so habe der Berliner Senat etwa 250 Amtsangehörige, ohne die Angestellten der Landeszentrale für politische Bildung. Leitender Ministerialrat Dr. Guilleaume, Schleswig-Holsteinisches Innenministerium, knüpfte an das Referat von Arndt die Frage an, inwieweit ein moderner Industriebetrieb mit der öffentlichen Verwaltung vergleichbar sei. Der moderne Industriebetrieb habe sich so entwickelt, daß er heute nicht mehr nur mit Erzeugung und Absatz zu tun habe, sondern ein komplexes Gebilde darstelle, das i n seiner Leitung vielfältige Fragen sozialer, personeller A r t usw. bearbeiten müsse. Der Industriebetrieb sei heute nicht nur am Markt, sondern auch an der w i r t schaftlichen Lenkung des Staates orientiert, die er voraussehen müsse. Arndt habe es verstanden, die Problematik einer Leitungsorganisation als rationale Strategie darzulegen, i n deren Mittelpunkt er die Abstimmung von Sachzwängen sähe.

Verlauf der Aussprache (Bericht)

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Den Grund für die vielen Versuche zur Verwaltungsreform und ihr Scheitern sah Guilleaume in der Tatsache, daß man es i n der öffentlichen Verwaltung noch nicht verstanden habe, die Sachzwänge herauszuarbeiten; nur Sachzwänge könnten den Politiker überzeugen. Eine der Aufgaben von Stäben liege darin, Sachzwänge aufzuzeigen, Schwierigkeiten darzulegen und M i t t e l zur Überwindung aufzuzeigen. Das allein könne zu einer Verwaltungsreform führen. Praktische Erfolge seien bereits auf dem politisch uninteressanteren Gebiet der Verwaltungsvereinfachung zu verzeichnen. Die dort aufgezeigten Sachzwänge würden als vorhanden akzeptiert, so daß auch der Finanzminister Mittel zur Verfügung stelle, um diesen Sachzwängen gerecht zu werden. Deshalb sei es für die Verwaltung notwendig, den Blick auf die Wirtschaft zu richten und die dort gemachten Erfahrungen in ihre Betrachtungen einzubeziehen. Ministerialdirigent Rombach, Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen, stellte zu der für sein Land von Professor Knöpfle angegebenen Zahl der Amtsangehörigen der Staatskanzlei klar, daß dabei die Einbeziehung des gesamten Fahrdienstes der Landesregierung mit Dutzenden von Fahrern usw. zu berücksichtigen sei. Wenn er diese von der genannten Zahl abziehe, so käme er auf knapp 15 Beamte des höheren Dienstes und etwa noch einmal knapp die gleiche Zahl von Beamten des gehobenen Dienstes und Sachbearbeitern i m Angestelltenverhältnis. Rombach ging auf die große Schwierigkeit ein, das zu verwirklichen, was hier in Anregungen erstanden sei. Die Schwierigkeit sei der Tatsache zuzuschreiben, daß der politischen Führung eine umfassende Planung und Koordinierung schon deshalb verdächtig erscheinen könne, weil ein Politiker und Ressortchef eines „Hauses" doch vor der Notwendigkeit stehe, sich selbst in seiner politischen Arbeit zu profilieren. Wenn er glaube, i h m werde durch umfassende Planung praktisch die L u f t weggenommen, biete er Widerstand, da seine Partei auch mit dem, was er i n seinem Ressort geleistet habe, einen Wahlkampf gewinnen müsse und er wiedergewählt werden wolle. Bei der Antwort auf die Frage, i n welchem Umfange eine Staatskanzlei i n der Lage sei, Planungsaufgaben wahrzunehmen, sei man noch am Anfang. Rombach warnte davor, so zu tun, als ob alles gleichsam nur zu Papier gebracht werden müsse und dann mit der Ausführung begonnen werden könne, ohne daß Widerstände zu erwarten seien. Zu den Zahlenangaben über das Bundeskanzleramt erinnerte Ministerialrat von Dreising, Bundesministerium des Innern, daran, daß dem Bundeskanzler außer dem Bundeskanzleramt noch das Bundespresseund Informationsamt unterstehe, das früher Teil des Bundeskanzleramtes gewesen sei und das einen erheblichen Personalstand aufweise. Dies verdiene deswegen Erwähnung, weil bei den Staatskanzleien die

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Landespresseämter meistens unter dem Gesamtpersonal zu finden seien, ζ. B. bei der Staatskanzlei Niedersachsen, wie er aus seiner eigenen früheren Tätigkeit dort wisse. Bei der Forderung nach Ausbau der Planungstätigkeiten sei zu bedenken, daß bei voller Anerkenntnis der Bedürfnisse nach vermehrter Planungsarbeit in den Staatskanzleien und dem Bundeskanzleramt die oft sehr wesentlichen Entscheidungen i m Parlament nicht außer acht gelassen werden dürften. Der Bundesfinanzminister möge seinen Bundeshaushaltsplan aufstellen, so gut er wolle: das letzte Wort habe der Bundestag. Professor Böckenförde, Heidelberg, erklärte, daß die politischen Aufgaben, die sich i m Bund stellten, qualitativ andere als in den Ländern seien, wie sich aus unserem Sozialstaat und seinen Verteilungsaufgaben ergebe, die beim Bundeshaushalt und nicht bei den Länderhaushalten konzentriert seien. Der gesamte außenpolitische Bereich sei ebenfalls Bundes- und nicht Länderangelegenheit. Daraus ergäben sich für die Stabsaufgaben, die Koordinierungsaufgaben und die Setzung von Prioritäten i m Bundeskanzleramt besondere Notwendigkeiten. Zwar gehe es formal hier wie i n den Staatskanzleien um Bereitstellung von Entscheidungsunterlagen, um Information, um Kontakt- und Sekretariatsfunktionen i m Hinblick auf das Kabinett. Der Unterschied liege aber i m Inhalt dessen, was i m Bund geschehe. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob i n den Ländern die Politik noch dem 19. Jahrhundert und seinen Aufgaben eher verwandt sei als den Aufgaben, die sich heute i m Bund stellten, wo der Staat als Garant des sozialen Fortschritts tätig werde und innerhalb des funktionalen Systems der Industriegesellschaft bestimmte unabweisbare Regulierungsfunktionen wahrnehme. Ministerialdirigent Rombach nahm zur Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz aus der Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen Stellung. Die Staatskanzlei nehme dort für die i n der Ministerpräsidentenkonferenz zur Sprache kommenden Angelegenheiten keine eigene Zuständigkeit i n Anspruch. Sie beschaffe sich die erforderlichen Unterlagen von den beteiligten Ressorts, werte sie aus und frage gegebenenfalls zurück. Der Ministerpräsident selbst sehe sie durch und entscheide, ob sie seinen Vorstellungen entsprächen oder nicht. I n Angelegenheiten, die die Ministerpräsidentenkonferenzen von Konferenz zu Konferenz beschäftigten — wie die Fragen des Rundfunk- und Fernsehrechts, der Anteile an den Kosten für den Deutschlandfunk usw. —, sei i n der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen inzwischen allerdings eine eigene Hauszuständigkeit begründet. Aus bayerischer Sicht fügte Professor Knöpfle hinzu, daß sich die Dinge dort i m wesentlichen ebenso wie i n Nordrhein-Westfalen verhielten.

Verlauf der Aussprache (Bericht)

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Professor Hennis, Hamburg, nannte die Ministerpräsidentenkonferenzen nur ein Teilstück der Koordinationsformen zwischen Bund und Ländern, die sich in den letzten 20 Jahren herausgebildet hätten. Er hielt die Fachministerkonferenzen materiell für wichtiger. Koordination könne von zwei Seiten kommen und sei immer auch ein Versuch, auf die Richtungsbestimmung Einfluß zu nehmen. I n diesem Zusammenhang seien die von den Ländern gut entwickelten Koordinationsformen zu nennen, vor allem die für die Präsenz der Länder i n Bonn so effektiven Ländervertretungen und die Vorbesprechungen i m Bundesrat, die ein wichtiges Instrument der Länder zur Beeinflussung der Bundespolitik geworden seien. Der Bund habe demgegenüber nichts Vergleichbares entwickelt. Verfassungsrechtlich sei er i n einer viel besseren Situation, da er als Koordinationsinstrument den Bundesratsminister habe, der sich jedenfalls als solches bezeichne, wenn er auch den Fachministerien der Länder und seinen Ressortkollegen i m Bund i n dieser Funktion weitgehend unbekannt sei und ihren Weg nicht kreuze. Die i h m obliegende Koordination sei eigentlich die einzige politische Aufgabe, die dieser Minister habe. Die Vertretung der Bundesregierung i m Ältestenrat des Bundestages dagegen gehöre eigentlich nicht i n die Hand des Bundesratsministers, sondern müsse — wie das früher auch der Fall gewesen sei — dem Chef der Staatskanzlei obliegen, der mit viel größerer Kompetenz die Wünsche des Bundeskanzlers i m Hinblick auf die zeitliche Planung der Parlamentsarbeit vertreten könne als der Bundesratsminister. Als ein weiteres Koordinationsinstrument, von dem der Bund auch nie systematisch, sondern immer nur von Fall zu Fall Gebrauch gemacht habe — Bundeskanzler Erhard habe es allerdings intensiviert —, nannte Hennis die Besprechungen mit den Ministerpräsidenten. Diese Besprechungen sollten nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung stattfinden. Der maßgebliche Paragraph sei i m übrigen i m Wortlaut aus der Geschäftsordnung der Weimarer Zeit übernommen worden. Wie damals schon sei er jedoch auch heute fast ohne nachhaltige Wirkung. Wenn gelegentlich die Ministerpräsidenten bei irgendeiner Frage am Portepee hätten gefaßt werden müssen, habe der Bundeskanzler sie eingeladen. Der Bund habe dieses Instrument nie richtig benutzt, obwohl er über die riesigen Möglichkeiten der Fondsverwaltung verfüge, mit deren Hilfe er Gelder mit Auflagen an die Länder geben könne. Trotz großer Möglichkeiten für eine wirkliche Koordinierung der Länderpolitik seitens des Bundes habe dieser sie, insbesondere i n der Ära Adenauer, nicht wahrgenommen, weil der ganze Bereich den damaligen Bundeskanzler nie sonderlich interessiert habe. Professor Knöpfle fügte dem hinzu, daß es müßig wäre, heute eine Geschichte des Bundesrats zu schreiben, ohne der Vorbesprechung am 15

Speyer 34

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Dienstagmorgen von 9.15 Uhr bis 9.50 Uhr zu gedenken, bei denen die Punkte, i n denen die Kabinette sich nicht einig seien, auf höchster Ebene abgeklärt würden. Davon stehe nichts i n den Akten. Die Entscheidung werde dort i m wahrsten Sinne ausgehandelt und koordiniert. I m Plenum des Bundesratssaals gehe es dann lediglich um den formalen Vollzug einer vorher bereits getroffenen politischen Willensentscheidung. I m Kampf um die Zeitpriorität, der i n der Praxis eine außerordentliche Rolle spielt, sah Knöpfle eine Hauptdomäne der Richtlinienkompetenz. Wenn die Legislaturperiode zu Ende gehe, tauche außerhalb der offiziellen Ministerratstagesordnung die Frage auf, was i m Parlament noch durchgebracht werden solle. Alle Ressorts müßten dann die dringendsten Gesetzentwürfe benennen. Danach werde außerhalb der Tagesordnung i m Kabinett oder inoffiziell i n einer Besprechung des Regierungschefs mit den Ministern entschieden, was tatsächlich vordringlich sei. I n Bayern gehe nicht der Chef der Staatskanzlei, sondern der Ministerpräsident persönlich i n den Ältestenrat und bitte, die ausgewählten Gesetzentwürfe noch zu behandeln. Obwohl rein verfassungstheoretisch ein Unding, sei das „timing" i n der Praxis als eine Prioritätenabwägung auf zeitlichem Gebiet ebenso wichtig wie die Prioritätenabwägung auf finanziellem Gebiet. Ministerialdirigent Professor Henle, Bayer. Staatsministerium für A r beit und Soziale Fürsorge, sah den Unterschied zwischen dem Bundeskanzleramt und den Staatskanzleien eher i n der Quantität als i n der Qualität, da hier wie dort die Koordinationsaufgabe i m Vordergrund stehe. Gegenüber dem von Morstein Marx gezeichneten B i l d eines Ichthyosauriers m i t gewaltigen Extremitäten und einem viel zu kleinen Kopf unterstrich Henle die Überlegenheit eines Tausendfüßlers, dessen 1000 Füße von einem Kopf aus dirigiert würden. M i t Blick auf die in den Vordergrund getretenen Planungsaufgaben pflichtete Henle den Ausführungen von Rombach bei, daß man sich erst am Anfang befinde. Diese Planungsaufgaben dürften nicht zu groß geschrieben werden, solange man sich von der Planung und ihrem Effekt nicht allzuviel versprechen könne. Wenn auch der kleine Kopf des Ichthyosauriers nicht für die Koordination der Füße ausreiche, glaube er doch, daß er ausreichend sei für das, was an Planungsmöglichkeiten heute gegeben sei. Professor Knöpfle verwies auf die Tatsache, daß die Anzahl der generell bedeutsamen politischen Entscheidungen geringer sei, als man annehmen möchte. Regierungsdirektor Lange, Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, nahm die Koordination der Länder untereinander und gegenüber dem Bund durch Ministerkonferenzen zum Anlaß, vor dem Eindruck zu warnen, als hätten diese Ministerkonferenzen, die i n ihren Fachgebieten sehr gut

Verlauf der Aussprache (Bericht)

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zusammenarbeiteten, Koordinationsmaßnahmen aus dem Gesichtspunkt und dem Interesse der Ministerpräsidenten und ihrer Staatskanzleien überflüssig gemacht. Die Fachministerkonferenzen verstünden sich weitgehend als Interessenvertretungen gegenüber anderen Fachministerkonferenzen. So werde die Bauministerkonferenz beispielsweise i n Dingen wie Wohnungsbau und dem Städtebauförderungsgesetz ausgesprochen als Interessenvertretung sowohl gegenüber dem allgemeinen Länderinteresse wie der Finanzministerkonferenz tätig. Je spezifischer, je technischer die Fachministerkonferenzen orientiert seien, um so weniger neigten sie dazu, das allgemeine Interesse der Länder i n ihre Beratungen einzubeziehen. Daher müßte — was, soweit er sehe, bisher noch nicht geschehen sei — gerade die Tätigkeit der Fachministerkonferenzen i n die Überlegungen der Regierungschefs eingebettet werden. Die Fachministerkonferenzen stünden zur Konferenz der Ministerpräsidenten keineswegs i m Verhältnis der Kabinette zum Regierungschef. A u f ihnen würde i m Gegenteil rein spezifischen Fachgesichtspunkten ohne oder sogar bewußt gegen die koordinierenden Bestrebungen i n den Länderregierungen der Vorrang gegeben. Bankdirektor Dr. Dr. Hüttl, Deutsche Bundesbank, drückte seine Freude über die Diskussion aus. Es gebe nichts Mißlicheres als Tagungen, die ohne Saft und Kraft verliefen. Er sei jedoch von der Diskussion aus einem methodologischen Grunde nicht gänzlich befriedigt. Es bestehe Grund zu der Frage, ob es zwischen dem Bundeskanzleramt und den Staatskanzleien der Länder einen prinzipiellen Unterschied gebe. Er glaube, daß es sich um wesentliche Unterschiede handele. Selbstverständlich könne man darüber streiten, wo Umschläge von Quantität i n Qualität stattfänden. Tatsächlich handele es sich um die Frage der Qualität der Aufgaben des Bundeskanzleramtes gegenüber den Aufgaben der Staatskanzleien der Länder. Nach Arndt gehe es heute darum, die Integration der klassischen Staatsfunktionen m i t den neuen Staatsfunktionen durchzuführen. Hier liege der Schlüssel für die Beantwortung dieser Frage. Die Integration der klassischen Staatsfunktionen mit den neuen Staatsfunktionen zeige sich beim Bunde viel sichtbarer als bei den Ländern. Wenn gesagt worden sei, daß die Länder eigentlich i n ihrer Verwaltung noch die Charakteristik des 19. Jahrhunderts zeigten, sei dies eine überspitzte Formulierung. Aber sie weise auf die bedeutsamen qualitativen Unterschiede zwischen der Bundesverwaltung und den Verwaltungen der Länder hin. Die Bundesverwaltung sei i m Grunde, wenn man vom Verteidigungsressort absehe, eine große Gesetzgebungsverwaltung. Die Landesverwaltungen seien hingegen, wenn man von dem sehr kleinen Bereich der Landesgesetzgebung absehe, ausführende Verwaltungen. Man erkenne die Dinge sehr deutlich wenn man ein Landesministerium mit einem Bundesministerium vergleiche. Was tue das Justizministe15»

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r i u m eines Landes? Es sei i m Grunde genommen die Personalstelle für die Beamten der Justiz; daneben werde i m geringen Umfang Gesetzgebungstätigkeit wahrgenommen. I m Vergleich dazu habe das Gesetzgebungsministerium des Bundes große Aufgaben, wie ζ. B. Strafrechtsreform, Aktienreform usw. Ebenso lägen die Dinge bei den Sozialministerien der Länder, die die Aufsicht über die Versorgungsämter und über die gerichtlichen Versorgungsangelegenheiten ausübten. Beim Bund habe das Sozialministerium eine grundlegend andere und viel bedeutendere Aufgabe. Als Freund des Föderalismus und als Bayer möchte er nicht die Stellung der Länder abwerten. Aber man müsse, wenn man die Zukunft gestalten wolle, die erwähnten Unterschiede erkennen, sie ins K a l k ü l ziehen, und daraus die entsprechenden Schlußfolgerungen ziehen. Das Bundeskanzleramt solle 20 Bundesministerien koordinieren, wofür es verschiedene Lösungsmöglichkeiten gebe. Man könne die 20 Bundesministerien beispielsweise auf 10 Ministerien verringern; dann könne man mit einem Bundeskanzleramt gegenwärtiger Prägung gut zurechtkommen. Für 20 Hessorts aber genüge ein Bundeskanzleramt nicht, das i n Form der Staatskanzleien der Länder organisiert sei. Für die Aufgaben der Zukunft müsse ein Bundeskanzleramt ganz anders aussehen als das jetzige. Zur Integration der klassischen Staatsfunktionen mit den neuen Staatsfunktionen verwies H ü t t l auf das Beispiel der gegenwärtigen Restriktionspolitik der Bundesbank. Angesichts der Möglichkeiten, die künftig die Bundesregierung mit dem neuen Stabilisierungsgesetz haben werde, kämen Staatsfunktionen ins Spiel, die bisher nicht ausgeübt worden seien, von denen w i r uns bisher gar nichts hätten träumen lassen. Bei der Restriktionspolitik der Bundesbank gehe es doch darum, daß Betriebe auf der Grenze der Lebensfähigkeit nicht willkürlich, sondern bewußt und gezielt ausgeschieden würden, um den Markt wieder gesund werden zu lassen. Für solche Dinge gebe es i n der deutschen Staatsgeschichte kein Beispiel. Dort lägen die großen Probleme der künftigen Staatsgestaltung. Diese Aufgaben könnten nicht mit dem Ressortprinzip, wie w i r es derzeit anwendeten, und mit der Organisation des Kanzleramtes, wie sie derzeit bestehe, erfüllt werden. Professor Knöpfle erinnerte daran, daß die legislative Arbeit, die die Staatskanzleien berühre, gerade aus der Bundesgesetzgebung stamme. Die Befassung des Bundesrats bedeute, daß jedes zuständige Landesministerium mit der Sache befaßt werde. Die besten Juristen würden dafür herangezogen, i n der Staatskanzlei wie i n den Ressorts. I n unendlich vielen Besprechungen der Ausschüsse des Bundesrats und der Unterausschüsse werde die ganze Gesetzgebungsarbeit des Bundes von Länderseite mitvollzogen. Denn jedes Bundesgesetz finde seinen Widerhall

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i n den Ländern, i m zuständigen Landesministerium und i n der Koordinationssitzung, in der vor jeder Bundesratssitzung sämtliche Landesressorts die ganze Tagesordnung mit 60, 70 oder 80 Punkten durchsprächen. Was hier nicht geklärt werde, beschäftige oft noch stundenlang das Landeskabinett. Dann erst werde i m Bundesrat abgestimmt. I n einem Schlußwort nahm Arndt zu zwei Punkten Stellung, die i n der Diskussion zu seinem Referat angeschnitten worden waren. Wenn darauf hingewiesen worden sei, bei Wirtschaftsbetrieben seien letzten Endes die entscheidenden Kriterien quantifizierbar, lasse sich sagen, daß man diese Vorstellung i n der Tat heute oft noch i n Einzelunternehmen antreffe. I n der deutschen Industrie sei ein heftiger Kampf der Unternehmenschefs über die Frage entbrannt, auf welches Ziel hin sie eigentlich wirtschafteten, was der Zweck ihres Unternehmens sei. Wenn ein Unternehmenschef ein neues Unternehmen übernehme, könne er sich natürlich ganz gut mit herkömmlichen Mitteln über die derzeitige kommerzielle Lage des Unternehmens informieren. Dazu gehörten auch die quantifizierten Angaben der Planung für das Unternehmen und die quantifizierten Daten des Marktes und der Volkswirtschaft. Ein geschickter Bilanzleser, der auch zwischen den Zeilen zu lesen vermöge, komme etwa zu der Überzeugung, daß das Unternehmen gut dastehe. Wenn er dann aber nicht weitere Informationen einhole, die nicht quantifiziert seien, könne es ihm passieren, daß in einem halben Jahr das Unternehmen illiquide sei, wenn er nämlich Berichte über bevorstehende Regierungsmaßnahmen übersehen habe, die seine Branche unter ganz andere Bedingungen stellten, oder wenn er vergessen habe, sich zu vergewissern, ob nicht i n zwei Monaten ein gravierender Streik i n seiner Industrie drohe usw. Die Übertragbarkeit der Systemanalysen, mit denen große Unternehmen gesteuert würden, auf Staatsverwaltungen hielt Arndt i n den Bereichen durchaus für gegeben, über deren neue Bedürfnislagen er gesprochen habe. Dies seien nicht die klassischen Bereiche, i n denen es hauptsächlich um Ordnungsfunktionen ginge, die weniger leicht quantifizierbar seien und i n denen personale Beziehungen zwischen Regierung und Bürger eine große Rolle spielten. Die neuen Bedürfnislagen aber, in denen er den Schwerpunkt sehe, seien mindestens genauso quantifizierbar wie i m Einzelunternehmen. Quantifizierbare Daten, die eine Regierung bedenken müsse, wenn sie ihre Zielfunktionen regeln und steuern wolle, seien: Arbeitslosenzahl, Wachstumsziffern, Defizite und Überschüsse der Handels- und Dienstleistungsbilanz, Defizite und Überschüsse der Haushalte, Sparquoten, Verbrauchsquoten, Investitionsquoten, wirksame Geldmenge, Auftragsbestände, Konkurse. I n diesem Sinne gelte der Bundesbankbericht auch i m Ausland als eine der besten Darstellungen der quantifizierbaren Staatslage. Das seien Daten, nach

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denen der Gesamtkomplex gesteuert werde oder gesteuert werden könne. Daß sie zum Teil falsch sein und bewußt gefälscht sein könnten, treffe auch auf Einzelunternehmen zu. Es sei eben die Kunst des Leiters, das zu erkennen. I n einem zweiten Punkt ging A r n d t auf die teils aus pragmatischen, teils aus prinzipiellen Gründen erhobenen Einwände und Bedenken gegen eine Forcierung dessen ein, was häufig als „Planung" bezeichnet werde, wofür er jedoch den Ausdruck „rationale Strategie" empfohlen habe. Politik sei schon immer Gestaltung der Zukunft gewesen. Die Zukunft lasse sich heute aber i n entscheidenden Bereichen ohne rationale Strategie garnicht mehr gestalten, weil man darauf angewiesen sei, die Sachzwänge vorher zu erfassen und zu analysieren. Tue man das nicht, so komme die Zukunft nicht einfach wie früher als etwas Unerwartetes i n Erscheinung, sondern könne das Gegenwärtige schlechthin zerstören. Planung oder rationale Strategie zielten i n ihrem Kern auf das Ideal der Narrensicherheit, der Reibungslosigkeit. Das Entscheidende an der Kunst der rationalen Strategie sei es, möglichste Reibungslosigkeit, möglichste Narrensicherheit zu gewinnen, ohne eine dünne Null, sondern um eine fette Eins zu produzieren.

Vierter Teil

Tendenzen, Erfordernisse und Entwicklungsmöglichkeiten

Ausblicke vom Standpunkt des Staatsrechts Von Joseph H. Kaiser

Gliederung Einleitung — Notwendigkeit neuer Formen — Verfassung, Organisation und Funktionszuweisung — Vergleich m i t Privatunternehmen — Rechtsvergleichung — Wandel von Regierung u n d V e r w a l t u n g — Komplexe Situation — Wandel des Regierungsstils — Forderung nach A k t i o n — Neue Integrationsinstrumente — Rolle der Planung — Handlungsmodelle — Gemeinschaftsaufgaben — Vorrang der Exekutive — Verstärkung der E x e k u t i v f u n k t i o n — Sachbezogene Steuerung — Pluralismus unabhängiger Steuerungspositionen — Quelle der autonomen A u t o r i t ä t — Sachverständigenrat für gesamtwirtschaftliche Entwicklung — Wirtschaftsforschungsinstitute — Staatskanzlei und unabhängige Beratung — Besondere Beratungsgruppen (task forces) — I n i t i a t i v e der Staatskanzlei — Beispiele: Besoldungs- u n d Energiepolitik — Planungsverfahren — Sachkenntnis u n d Entscheidungsprozeß — Beispiel der britischen Treasury — Sachverstandsquellen außerhalb der Exekutive — Aspekte des Entscheidungsprozesses — Kreis der Beteiligten — Imagepflege? — Entscheidung vor der Öffentlichkeit — Spezialorgane — Krisenkontrolle — Theorie u n d Praxis

Ein Regierungsbereich, der an sich berufen ist, i m Schatten der Regierenden zu verharren, ist hier i n das milde Licht der Speyerer Herbsttage gestellt worden. Die Einrichtung der Staatskanzleien hat vor unseren Augen deutliche Umrisse gewonnen, und es mag gut sein festzustellen, daß das Speyerer Herbstlicht niemals indiskret war. Es hat sogar auf das Bundeskanzleramt noch den matten Glanz des gestrigen Abendlichts geworfen, obwohl ich als ganz Außenstehender erwartet hatte, w i r würden hier — wenn ich offen sein darf — den Verschleiß, wenn nicht gar die Desintegration dieses wichtigen und ganz unverzichtbaren Führungsinstrumentes laut beklagen müssen. Aber ist es eine Übertreibung, wenn ich hier die Erwartung ausspreche, spätere Zeiten würden retrospektiv i n dem heutigen B i l d der Staatskanzleien vielleicht doch einige Züge eines ancien régime entdecken? A l l e Achtung vor der großen

persönlichen Leistung, die uneigennützig und aufreibend i n diesen Ä m t e r n investiert w i r d . A b e r die Ergänzung durch neuere Formen

des Re-

gierens erscheint mir ein zwingendes Gebot. Ich möchte zunächst einige G e s i c h t s p u n k t e systematisch kurz nennen.

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Joseph H. Kaiser

I Was zunächst die Verfassungsaspekte angeht, so kann ich mich sehr kurz fassen. Das Grundgesetz hindert nicht, daß das, was hier für notwendig gehalten wird, eingerichtet wird, wie es andererseits zuläßt, daß das Notwendige bisher nicht i n vollem Umfang geschehen ist. Herr Hennis hat zu diesem Aspekt gestern deutlich ausgesprochen, was dazu zu sagen ist. Sodann sollte man die Aspekte der Organisation und der Funktionszuweisung nicht überschätzen. Das ergibt sich auch aus den hier möglichen Vergleichen mit den entsprechenden Funktionen i n den Privatunternehmen. Auch ich messe diesem Vergleich zwischen den Staatskanzleien und den entsprechenden Funktionen i n der privaten Wirtschaft einen hohen Erkenntniswert zu. Man mag dem zwar entgegenhalten, daß es der Politik nichts nütze, wenn man sie mit wirtschaftlichen Funktionen vergleiche. Aber wenn aus einem solchen Vergleich ein Vorwurf abzuleiten wäre, dann müßte doch wohl gefragt werden, ob nicht eine Verwechslung zwischen Politik und Wirtschaft viel stärker dadurch längst erfolgt ist, daß die politischen Parteien und insbesondere ihre Wahlkampf

Strategen

sich e i n i g e r M e t h o d e n kapitalistischer

Werbung

bedienen. Schließlich möchte ich m i r zueigen machen, was Arndt gestern über die Frage der organisatorischen Einordnung der Aufgaben von Staatskanzleien i m Regierungsapparat gesagt hat. Es ist wesentlich, zu erkennen, daß je nach der strategischen Lage die Einordnung variiert werden muß. Es gibt kein Gebot, daß bestimmte Aufgaben nur durch die Staatskanzleien erfüllt werden könnten. Es ist durchaus möglich, daß die gegebenen Aufgaben auch durch andere Einrichtungen erfüllt werden. Das ergibt sich nicht nur aus einem Vergleich m i t den Privatunternehmen, sondern ebensosehr aus der Rechtsv ergleichung. Unter rechtsvergleichenden Aspekten haben w i r in den letzten beiden Tagen Wesentliches von Morstein Marx und auch von Böckenförde gehört. Ich möchte dem hier nur noch weniges hinzufügen, um aus dem Ganzen ebenfalls schließen zu können, daß man die organisatorischen Aspekte nicht überschätzen soll. Einige der von den Staatskanzleien ausgeübten Koordinierungsfunktiònen können auch von Ministerien oder anderen selbständigen Einrichtungen wahrgenommen werden. Es wäre die Frage, ob nicht i n der Bundesrepublik längst solche Köordinierungsfunktiönen auch durch das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium erfüllt werden. Einige ausländische Beispiele sind geeignet, dies zu verdeutlichen. Ich nenne hier als die vornehmste dieser Einrichtungen die britische Treasury und werde nachher noch ein Beispiel aus dem Erfah-

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rungsbereich der britischen Treasury vortragen. I n Frankreich sehen wir, daß seinerzeit das Finanzministerium unter Giscard d'Estaing und gegenwärtig das Wirtschaftsministerium unter Debré solche Aufgaben wahrnimmt. Sie sind ihnen zugefallen, weil diese Ministerien i n gewisser Hinsicht den Charakter von Superministerien haben. Wollte man i n einer größeren Breite, als sie mir i n diesem Kurzreferat gestattet ist, eine systematische Darstellung versuchen, so würde als Ausgangspunkt der Wandel von Regierung und Verwaltung unter verschiedenen Aspekten dienen können. Ich möchte diese Aspekte wenigstens aufzählen, um dann nur einige Bemerkungen dazu zu machen.

Π Zunächst ist es der Wandel von Regierung und Verwaltung unter dem Aspekt der Konfrontation mit komplexen Situationen, die vielerlei Variables in einem Zustand wechselseitiger Abhängigkeit umfassen. Diese Gegebenheit fordert eher die simultane als die sukzessive Beherrschung eines außerordentlichen Informationsmaterials. Zu diesem Zweck bedarf es selbstverständlich organisatorischer Vorkehrungen. Es bedarf darüber hinaus eines i n vieler Hinsicht radikal anderen Regierungsstils, als w i r ihn gegenwärtig wahrnehmen. Zu dieser Feststellung werde ich sogleich zurückkehren. Als weiterer Aspekt ist die sich aufzwingende Notwendigkeit und die demokratische Forderung nach Aktion zu nennen. Hierzu möchte ich etwas mehr ins Detail gehen. I n einer Krise, einer krisenähnlichen Situation oder einer Lage, die auch nur durch die Furcht vor einer Krise oder vor einer wirtschaftlichen Rezession bestimmt wird, ist Handeln nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern — wie w i r i m letzten Jahr auf das deutlichste erfahren haben — ebenfalls eine Forderung des demokratischen Souveräns, der sich der Notwendigkeit eines durch die Lage und durch die Entwicklungstrends bestimmten Handelns der öffentlichen Gewalt bewußt wird. Die seit mehr als Jahresfrist i n völliger Einmütigkeit von allen politischen Richtungen erhobene Forderung nach Orientierung und zweckrationalem Handeln der Regierung gibt der Verfassungsentwicklung in der Bundesrepublik neue Impulse. Ich sehe i n diesem Phänomen eine verfassungsrechtliche Erscheinung, die sich dadurch auswirkt, daß sie die Verfassungsentwicklung i n eine bestimmte Richtung treibt 1 . Diese Lage läßt sich exakt beschreiben. 1 Vgl. dazu Kaiser, Joseph H.: „Der Plan als ein I n s t i t u t des Rechtsstaats u n d der Marktwirtschaft", i n : Planung I I : Begriff u n d I n s t i t u t des Plans. Baden-Baden: Nomos, 1966, S. 12.

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I n der Nachkriegszeit, so hat Forsthoff 2 ausgeführt, hat sich die Gesellschaft wesentlich aus eigener Kraft reintegriert und stabilisiert. Gegenwärtig aber reichen die von den Marktmechanismen und — ist es erlaubt zu sagen? — auch die von den parteipolitischen Entscheidungen, wie überhaupt von den Entscheidungen der übrigen politischen Faktoren, Verbände usw. ausgehenden Stabilisierungseffekte nicht mehr aus, um die Gewißheit expandierenden Wohlstandes zu verschaffen. Das lehrt auch die schmerzende Restriktionspolitik der Bundesbank, die imstande ist, zwar Wirtschaft und Konsumenten, nicht jedoch die öffentliche Ausgabenwirtschaft von Bund, Ländern und Gemeinden, von der wesentliche Störungsfaktoren ausgehen, zu disziplinieren. Die parteipolitischen Repräsentanten, deren Beschlüsse eine ausschlaggebende Ursache dafür sind, sind insofern also scheinbar souveräner als der demokratische Souverän. Darum ist es erlaubt zu fragen: Wer diszipliniert ein ausgabenfreudiges Parlament? Darin sehe ich Funktionen von Einrichtungen wie möglicherweise der Staatskanzleien als der Hilfsinstrumente für die Richtlinienpolitik der Regierungschefs. Wenn hier fast i n jeder Äußerung von der Planung als einer Notwendigkeit und von der tatsächlichen Erarbeitung von Plänen durch diese Instanzen gesprochen worden ist, dann liegt sogar folgende Erwägung nahe: Wäre es nicht für jene Äußerungsform politischer Macht, die jedenfalls durch die Einwirkung der Bundesbank nicht diszipliniert wird, obwohl sie — wie alle Welt weiß — einer solchen Disziplinierung doch ganz offensichtlich bedarf, die heute notwendige und mögliche Fortbildung des Rechtsstaats, wenn man i n Gestalt eines Handlungsmodells, das dann „Plan" oder wie auch immer genannt werden kann, ein Modell für das Handeln auch der über die Staatsausgaben beschließenden Gremien entwickeln würde? Ich glaube, es hat mit der Aufgabe der Staatskanzleien unmittelbar etwas zu tun, wenn man i n diesem Zusammenhang einräumt, daß natürlich der Regierung durch ein solches Handlungsmodell bestimmte Handlungskompetenzen zugewiesen würden. Ich erinnere mich an Äußerungen von Professor Schiller anläßlich der Tagung des Vereins für Sozialpolitik i n Hannover. Schiller erklärte auf eine Reihe von Fragen, die ihm von anderen Nationalökonomen gestellt wurden, mit aller Deutlichkeit, solche Handlungsmodelle zu entwerfen sei i n der Tat Aufgabe der Exekutive. I n jener großen Tagung i n Hannover ist auch der Begriff nicht nur der rationalen Wirtschaftspolitik, sondern auch der Planung zur herrschenden Terminologie — jedenfalls unter den Nationalökonomen — geworden. ' Forsthoff, Ernst: „Die Bundesrepublik Deutschland. Umrisse einer Realanalyse", Merkur, Deutsche Zeitschrift f ü r Europäisches Denken, Jg. 14, 1960, Heft 151, S. 807 ff.

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Immerhin ist hier hinzuzufügen, daß durch eine Verstärkung der Exekutivfunktionen, wie sie sich möglicherweise durch die wirtschaftliche Lage oder aber auch durch außenpolitische Gegebenheiten aufdrängen, besondere, möglicherweise sogar neuartige Verfassungsprobleme geschaffen werden. Ich möchte vor der Äußerung zu solchen neuartigen Verfassungsproblemen nicht zurückweichen. Selbstverständlich stellt sich hier das bundesstaatliche Problem. Ich meine, es sei von hohem verfassungsrechtlichen Interesse, daß i n dem Gutachten zur Finanzreform, das der Tröger-Ausschuß 3 erstattet hat, unter der Ziffer 158 dazu bemerkenswerte Ausführungen gemacht worden sind. Es ist dort nämlich festgestellt worden, daß der Rang von Gemeinschaftsaufgaben durch Gesetz festzustellen sei, und daß auf der Grundlage eines solchen Gesetzes Bundesregierung und Bundesrat durch übereinstimmende Beschlüsse Pläne und Richtlinien aufstellen. Es heißt hier wörtlich: „Diese Aufgabe gehört zum Bereich der Exekutive." Sie steht deshalb für den Bund der Bundesregierung, für die Länder dem Bundesrat zu, der damit eine neue, i m Grundgesetz bisher nicht vorgesehene Funktion erhält. Er beschließt dabei, wie allgemein, mit Stimmenmehrheit. Hier handelt es sich also um die Erfüllung von Aufgaben, von denen w i r i n diesen Tagen gesagt haben, daß sie i n den Bereich der Staatskanzleien fallen. Aber nachdem hier gestern mit vollberechtigter Ausführlichkeit über die Rolle der Staatskanzleien i m Hinblick auf die Tätigkeit des Bundesrates gesprochen worden ist, liegt mir daran, mit aller Deutlichkeit zu sagen, daß, falls die Reformvorschläge des Tröger-Ausschusses realisiert werden — ich persönlich würde darin einen großen Vorzug sehen —, aus dem Bundesrat ein neuartiges Exekutivinstrument werden wird. Vom Bundesrat würde dann die jedenfalls von diesem Ausgangspunkt für erforderlich gehaltene Verstärkung der Exekutivfunktion mitgetragen werden. Diese vom Tröger-Ausschuß vorgeschlagene Lösung paßt ganz i n das System unserer föderalistischen Verfassung — auch unter zahlreichen anderen Gesichtspunkten und insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle solcher neuartiger Exekutivfunktionen. I n diesem Zusammenhang möchte ich nur i n Parenthese bemerken, daß auf der letzten Tagung der internationalen Akademie für Rechtsvergleichung i m August 1966 in Uppsala eines der Themen „Der Vorrang der Exekutive" lautete. Dieses Thema ist nicht von deutschen Beteiligten ausgewählt worden. Der belgische Generalberichterstatter, Ganshof van der Meersch, hat m i r sein Bedauern darüber ausgedrückt, daß es zu diesem Thema keinen deutschen Landesbericht gegeben hat. M i r scheint, 3 Kommission für die Finanzreform: Gutachten über die Finanzreform i n der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart: Kohlhammer, 1966.

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i n der wissenschaftlichen Erforschung der Exekutivfunktion haben w i r i n der Bundesrepublik einiges nachzuholen, wenn w i r auch nur den A n schluß an den Stand der wissenschaftlichen Arbeit i m Ausland gewinnen wollen. Ich fasse also dahingehend zusammen, daß w i r i n der deutschen öffentlichen Meinung — wie ich meine — nicht den Ruf nach dem starken Mann wahrnehmen, aber wohl den Ruf nach der auch i n der Demokratie erforderlichen Führung und nach einer Verstärkung der Exekutivfunktion. Es ist dabei von Interesse, zu sehen, daß von Experten wie den Persönlichkeiten des Tröger-Ausschusses diese Verstärkung der Exekutivfunktion ebenfalls begründet worden ist. Wenn man mit einiger Systematik die Ausgangspunkte für eine Darstellung unseres Themas zusammenstellen wollte, würde man sicher auch die effektive Handlungsschwäche der Regierungen i n Bund und Ländern erwähnen müssen. Ich bin zwar der Meinung, daß bei der Behandlung unseres Themas sich nicht ein unterschwelliges Unbehagen über eine gegenwärtige Situation Ausdruck verschaffen sollte. Die staatsrechtliche Behandlung dieses Themas kann aber sicherlich niemals ganz von der konkreten Verfassungslage absehen. Auch unter diesem Gesichtspunkt glaubte ich, solche Bemerkungen machen zu sollen.

ΙΠ Ein weiterer wesentlicher Punkt ist das Erfordernis sachbezogener Steuerung wirtschaftlicher und sozialer Abläufe. Ich könnte hier auf die gegebenen Strukturwandlungen hinweisen, die sich i n der Bundesrepublik wie auch sonst vollziehen. Es genügt hier völlig, auf die Lage des Ruhrgebietes hinzuweisen, um evident zu machen, daß die Steuerung durch die Automatismen des Marktes ganz offensichtlich nicht ausgereicht hat, um die erforderlichen Anpassungen herbeizuführen. I n diesem Zusammenhang möchte ich einige Bemerkungen machen ü b e r d e n Pluralismus

unabhängiger

Steuerungspositionen

u n d deren

öffentlichrechtliche Relevanz. Wir haben es i n der Bundesrepublik nicht nur mit regierungsimmanenten Steuerungsinstanzen zu tun, sondern es gibt daneben eine ganze Anzahl anderer Steuerungspositionen, auf die wenigstens beispielsweise i n aller gebotenen Kürze hinzuweisen ist. Es ist auffällig und von hohem verfassungsrechtlichen Interesse, daß unter diesen Steuerungspositionen i m letzten Jahr die unabhängig gestellten ein besonderes Ansehen erlangt haben. Ich meine damit den Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und auch die schon genannte Kommission für die Finanzreform, den Tröger-Ausschuß. Was der Sachverständigenrat leistet, steht i n einer gewissen Kon-

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kurrenz zu der Arbeit der Staatskanzleien, weil i n seinen Gutachten gewisse Handlungsmodelle sichtbar werden, auch wenn der Sachverständigenrat sich aller Empfehlungen zu enthalten hat. Wenn w i r darin also auch nicht — wie das Gesetz es ausdrückt — „Empfehlungen" für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen finden, muß man doch sagen, daß die Logik der darin festgestellten Tatsachen für sich selbst spricht. Die dort aufgewiesenen Abläufe, die dort ausgesprochenen Prognosen sprechen für sich selbst und sind von der Öffentlichkeit auch verstanden worden. Die große Welle der Akklamation, mit der das Gutachten des Sachverständigenrates für 1965/66 aufgenommen wurde, hat den Sachverständigenrat auf die Höhe einer Autorität getragen, für die es kein anderes aktuelles Beispiel gibt. Gegenüber den Positionen der Macht, wie sie sich auch in den Staatskanzleien manifestiert, ist i m Sachverständigenrat eine autonome Autorität i n die Verfassungswirklichkeit eingetreten. Was ist die Quelle dieser Autorität? Ich sehe sie i n seiner Unabhängigkeit von den Bindungen der Parteipolitik und der bürokratischen Hierarchie. Seine Autorität liegt offensichtlich weiter i n den der Wirtschaftspolitik der Regierungen eine Richtung weisenden Konsequenzen seiner Untersuchungen. Man würde diese Erscheinung nicht richtig beurteilen, wenn man i n ihr nur eine gewisse diffuse Malaise erblicken wollte, die sich darin ausspricht. Ich neige zu der Feststellung, daß die Sachverständigen binnen eines Jahres sich zu einer A r t tribuni plebis unserer Demokratie entwickelt haben, weil sie, i n Ansätzen jedenfalls, Alternativen zu einer Politik entwickelt haben, die wenigstens zu einem Teil i n den Augen der Öffentlichkeit durch Wahlgeschenke diskreditiert war. Der Rat hat i n der Verfassungswirklichkeit immerhin eine Stellung, die die Frage nahelegt, ob die öffentliche Zustimmung ihm nicht auch für den Fall Legitimität verschaffen würde, wenn er deutlicher sprechen würde, als das Gesetz ihm erlaubt. Das ist keine willkommene Perspektive, wie ich nachdrücklich unterstreichen möchte. Aber es ist das Recht eines Staatsrechtlers, und ich meine, es sei seine Pflicht, zu analysieren, was sich ihm an solchen Phänomenen nun einmal unausweichlich bietet. Die Realitäten, auf die ich hingewiesen habe, nötigen zu solchen Erwägungen. Die von m i r angedeutete mögliche Entwicklung ist auch folgerichtig, wenn die durch die Verfassung an sich zum Handeln berufenen Organe ihrer Funktion nicht i n dem Maße nachkommen, wie es die Gegebenheiten verlangen. Wenn die Zeit es erlaubte, hätte ich noch auf andere solcher Steuerungspositionen hingewiesen, insbesondere auf die Wirtschaftsforschungsinstitute, die unabhängig gestellt sind, obwohl für sie i m Bundeshaushalt erhebliche Beträge ausgewiesen sind. Sie stellen, z. B. durch die Technik der Trenderforschung, wie sie das Ifo-Institut durchführt, den

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unternehmerischen Entscheidungen außerordentliche Mengen an Daten zur Verfügung. V o n jenen Instituten w i r d damit eine Aufgabe erfüllt, die anderswo durch staatliche Orientierungen geleistet w i r d .

IV Ich möchte i n diesem Rahmen noch die Frage anschneiden, ob nicht, verglichen m i t den hier bisher sichtbar gewordenen Strukturen der Staatskanzleien, noch weitere institutionelle und organisatorische A n forderungen gestellt werden müssen. Es hat mich ein wenig überrascht, daß bisher noch nicht von dem Kennedy-Modell ausdrücklich die Rede gewesen ist. Wie die KennedyAdministration schon zu Lebzeiten des Präsidenten von Sorensen 4 dargestellt worden ist, u. a. an Hand der Erfahrungen der Kuba-Krise, und wie inzwischen eine größere L i t e r a t u r das erhellt hat, zeigt sich, daß bestimmte Neuerungen, die durch den Präsidenten i m White House Office vorgenommen waren, auch als Anregungen für die Ausgestaltung der Staatskanzleien genommen werden könnten. Ich weise hier namentlich auf die Möglichkeit hin, jeweils eine „task force " zur Bewältigung bestimmter Aufgaben einzurichten. Eine solche task force sollte sich, u m eine bestimmte Aufgabe zu lösen, aus dafür besonders geeigneten Persönlichkeiten zusammensetzen, gleichgültig, ob solche innerhalb der A d ministration zu finden wären oder ob sie von außerhalb beigezogen werden müßten. M a n sollte auch Außenstehende — etwa Professoren — frei beiziehen, sollte diese Außenstehenden dann aber auch aus ihrer Pflicht entlassen, sobald die jeweilige Aufgabe erfüllt ist. E i n gewisser turnover i n der Inanspruchnahme solcher Persönlichkeiten würde sich je nach den spezifischen Qualifikationen gewiß empfehlen. Es ist i n den letzten Tagen schon angeklungen, daß die Staatskanzleien u. U. zur Erfüllung von Aufgaben einspringen müßten, wenn diese von den Fachministerien nicht erfüllt würden, obwohl sie möglicherweise i n deren Zuständigkeitsbereich lägen. U m nicht zu abstrakt zu sein, möchte ich das an zwei Beispielen erläutern. Das eine ist die Besoldungspolitik i n der Bundesrepublik. Es ist i n diesen Tagen auch schon gesagt worden, daß der an sich wünschenswerte Austausch von Beamten zwischen Bundes- und Länderverwaltungen oder mindestens doch innerhalb dieser Verwaltungen wesentlich erschwert w i r d durch die gegenwärtigen Umstände der Besoldungspolitik, 4 Sorensen, Theodore C.: Decision-Making i n the White House. The Olive Branch or the Arrows. New Y o r k : Columbia University Press, 1964; ders.: Kennedy. München: Piper, 1966; Tanzer, Lester (Hrsg.): Die Männer u m K e n nedy. Stuttgart: Goverts, 1963.

Ausblicke v o m Standpunkt des Staatsrechts

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durch die Regelbeförderung, usw. Ich habe vor einigen Monaten i n anderem Zusammenhang auf die Auswüchse, auf den Wildwuchs, der sich hier gezeigt hat, deutlich hingewiesen 5 , obwohl ich weiß, wie umstritten eine solche Äußerung ist. Hier hätte m. E. eine naheliegende Aufgabe des Bundeskanzleramtes, wenn nicht des Bundesinnenministeriums gelegen, eine gewisse Einheitlichkeit der Besoldungspolitik zu gewährleisten, die unbedingt notwendig ist, wenn man elementare Voraussetzungen für das gesunde Wachsen eines öffentlichen Dienstes i m Bundesstaat erreichen w i l l . Solche Aufgaben zu erfüllen, ist an sich Sache der jeweiligen Fachministerien; aber wenn sie dort nicht gelöst werden, dann, meine ich, hat die Staatskanzlei einzuspringen, um etwa durch eine task force oder sonstwie solche Probleme anzufassen. Ich nenne ein weiteres Beispiel, um zu verdeutlichen, worum es sich handelt: die Energiepolitik i n der Bundesrepublik. Auch hier wäre es natürlich Sache eines Fachressorts, des Bundeswirtschaftsministeriums, gewesen, eine konsequente, widerspruchsfreie Energiepolitik zu konzipieren und durchzusetzen. Davon konnte lange Zeit keine Rede sein. Man hat teilweise unter dem Vorwand des Wartens auf europäische Lösungen das versäumt, was längst hätte geschehen müssen. Aber alle Welt weiß seit langem, daß auch die EWG, daß auch die Montanunion gegenwärtig außerstande sind, eine konsequente europäische Energiepolitik durchzusetzen. Wenn sich erweist, daß ein Fachressort eine solche auf den Nägeln brennende Aufgabe nicht erfüllt, dann ist es Aufgabe der Staatskanzlei, sich als A m t des Regierungschefs damit zu befassen, damit dieser selber mit Hilfe der Richtlinienkompetenz eingreifen kann. Aber was ist anstelle solcher Möglichkeiten geschehen? Da bemerken w i r Selbstbeschränkungsabkommen — eine A r t contrats économiques , wie die Franzosen diese Kategorie nennen —, die zwischen der Mineralölindustrie und dem Bundeswirtschaftsministerium getroffen worden sind. Niemand weiß da recht, wer nun die Vertragspartner sind. Sind das Verträge unter den Mineralölimporteuren, unter den Auspizien des Bundesministeriums für Wirtschaft abgeschlossen, oder sind das Verträge zwischen Ministerium und Verband? Was ist die juristische Natur dieses Vertrages? Kann er durchgesetzt werden? A l l das sind Probleme, die auf die Eigenart dieser Aushilfen hinweisen, von denen die Fachleute obendrein noch sagen, daß sie nicht einmal ihr wirtschaftspolitisches Ziel erreichen. 5 „Erscheinungen u n d Folgen von Planung u n d Planlosigkeit i n Regierung u n d Verwaltung". Vortrag auf der 8. beamtenpolitischen Arbeitstagung des D B B v o m 13. bis 15. Januar 1966 auf Bühler Höhe, i n : Beamte stellen sich der Zukunft. Schriftenreihe des Deutschen Beamtenbundes, Heft 40. Bad Godesberg: Deutscher Beamtenverlag, 1966, S. 63 ff., 71.

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V Diese Darstellung wäre nicht vollständig, wenn ich nicht noch etwas über das Planungsverfahren, über die Arbeits- und Verfahrensweise der Staatskanzleien bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sagen würde. I m Verfahren bewährt sich die Kunst, die Aufgaben der Staatskanzleien zu erfüllen, und i m Verfahren bewährt sich außerdem der Rechtsstaat. Die Notwendigkeit u n d Bedeutung der Verfahrensfrage könnte man darstellen an solchen Komplexen wie Starfighter i n der Bundesrepublik u n d Mirage i n der Schweiz. Beide Beispiele scheinen m i r darauf hinzudeuten, daß die Fehler w o h l weniger i n der institutionellen Gliederung der betreffenden Ä m t e r gesehen werden müssen. Dieser Aspekt ist allerdings i n der Bundesrepublik besonders heftig diskutiert worden. Institutionelle Verbesserungen mögen angebracht gewesen sein; dazu möchte ich mich nicht äußern. Aber es hat den Anschein, daß die größeren Probleme i m Bereich der Verfahrensweisen, i n der A r b e i t dieser Ä m t e r lagen. M a n weiß, daß beide Waffensysteme, Starfighter und Mirage , nach dem Prinzip fly and buy angekauft wurden. W e i l man sich aber über die strategische Konzeption und die Position dieser Waffensysteme i n dieser Konzeption nicht völlig i m klaren w a r und man sowohl i n der Bundesrepublik wie i n der Schweiz diese Systeme unter ganz verschiedenen Aspekten einsatzfähig machen wollte, baute man weitere Apparate h i n ein usw. Nach allem, was aus der Presse bekannt geworden ist, würde ich die sich hier stellenden Probleme weit eher als Verfahrens- denn als institutionelle Probleme ansprechen. Es ist offenbar nicht leicht, zu gewährleisten, daß die wesentlichen Gesichtspunkte und die wesentlichen Instanzen rechtzeitig i n den Entscheidungsprozeß eingeführt werden. Das f ü h r t uns auf die allgemeine Frage des decision-making process, die sich i n allen Bereichen stellt. Verfahrensgesichtspunkte seien an einem ausländischen Beispiel exemplifiziert: an der britischen Treasury. I n i h r werden Aufgaben w a h r genommen, die i n der Diskussion hier häufig den Staatskanzleien zugewiesen wurden, ζ. B. die Prüfung von Gesetzgebungsvorhaben, die hier u. a. von Morstein M a r x als eine Aufgabe der Kabinettssekretariate dargestellt worden ist. Die Treasury umfaßt den sogenannten Parliamentary Counsel β, ein A m t , das zu einer Zeit, als ich Gelegenheit hatte, darin durch Gespräche und Aktenlektüre Einblick zu nehmen, etwa eineinhalb Dutzend Angehörige umfaßte. Die dort bearbeiteten Gesetzentwürfe werden i n der Regel von einem senior und einem junior member des Parliamentary Counsel durch alle Instanzen hindurch bis zur Verkün6 s. (Lord) Bridges, Edward: The Treasury. London: A l l e n & Unwin, 1964, S. 186,193.

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dung begleitet. Man sieht, daß es i m Verfahren und organisatorisch nicht sehr umfangreicher Aushilfen bedarf, um solche Aufgaben zu erfüllen. Es erscheint mir notwendig, daß i n das Verfahren der Willensbildung i n der Exekutive weit mehr Gesichtspunkte, weit mehr Daten eingeführt werden, als es bisher der Fall ist. Es sollte selbstverständlich sein, daß i n die Entscheidung eines Ministers das i n seinem Hause verfügbare relevante Informationsmaterial eingeht und daß ähnliche Entscheidungen des Regierungschefs oder des Kabinetts auf den i n der Exekutive des betreffenden Landes vorhandenen einschlägigen Daten fußen. Damit noch nicht genug: Ich verdanke Herrn Vizepräsidenten Bretschneider den Gesichtspunkt, daß es auch außerhalb der Exekutive eine Reihe von Instanzen gibt, die über wesentliches Material verfügen, wie zum Beispiel die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Bundesbank und Zentralbanken und auch das Bundeskartellamt. Deren Wissen und Erfahrung sollten ebenfalls noch mehr als gegenwärtig in den politischen Entscheidungsprozeß eingeführt werden können. VI I n diesem Zusammenhang erlaube ich mir aber die Frage und die Anregung zur Besinnung darüber, wie nun wirklich bei uns der Entscheidungsprozeß gepflegt wird. M i t der Bitte, m i r die Deutlichkeit zu verzeihen, möchte ich fragen: Wie w i r d eine Entscheidung des Ministers, wie eine Entscheidung eines Regierungschefs tatsächlich vorbereitet? Wer ist anwesend, wenn der Minister eine Entscheidung fällt? Vermutlich sein persönlicher Referent, i n sehr vielen Fällen wohl auch der Pressereferent. Was ist die Funktion dieser Einrichtungen, die man mitunter i n Öffentlichkeitsarbeit I und I I gliedert, wobei es sich i m einen Falle um die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Arbeit des Hauses und i m anderen um die Pflege des Image des Ministers handelt? Damit komme ich zu der Frage, was ist die Rolle der Imagepjlege i n den Staatskanzleien? Es scheint so zu sein — aber ich betone, daß ich als Außenstehender nicht über die Informationen wie die Praktiker i n diesem Räume verfüge —, daß bei den Entscheidungen, denen die Staatskanzleien zu dienen haben, und vergleichsweise auch bei den Entscheidungen i n den Ministerien, die Referenten für Öffentlichkeitsarbeit nicht selten eine bedeutende Rolle spielen. Man könnte darin ein demokratisch besonders begrüßenswertes Element sehen, weil die Entscheidung sozusagen mit dem Blick auf die Öffentlichkeit getroffen wird, vor der oder vor deren parlamentarischen Repräsentanten jede politische Entscheidung verantwortet werden muß. Aber w i r d nicht doch u. U. die Frage, ob ein Minister zu einem Problem gute oder böse Miene machen soll, danach entschieden, 16*

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ob die böse oder gute Miene i n sein Image paßt? Und ist andererseits nicht dann und wann das Element der Unsachlichkeit, das dadurch möglicherweise hineinströmt, der Öffentlichkeit jedenfalls instinktiv soweit bewußt geworden, daß man Einrichtungen wie dem Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, der davon unabhängig ist, in einem Maße applaudiert, daß man gar nicht umhin kann, darin ein verfassungsrechtlich relevantes Phänomen zu sehen? Wie groß — wenn dieses B i l d erlaubt ist — ist i n den Staatskanzleien der Frisiersalon zur Pflege des Image? Ist es nicht u. U. so, daß die Düfte der Kosmetik bis i n die letzten Amtsstuben der Staatskanzleien hineindringen? Wie groß ist die Zahl der politischen Coiffeure, die zur Pflege des Image angestellt sind? Notorisch ist die ausgezeichnete Aufstiegschance politischer Coiffeure, und die Parlamente bewilligen die dafür erforderlichen Stellen. VII Abschließend möchte ich ein weiteres Aufgabengebiet der Staatskanzleien jedenfalls kurz erwähnen. W i r kennen als amerikanischen Import den Begriff des crisis management. Der Begriff ist i m militärischen Bereich entstanden. Er umfaßt alles, was erforderlich ist, u m eine volle Krise zu vermeiden. Selbstverständlich ist Krisenkontrolle auch eine Aufgabe, die sich i m wirtschaftlichen Bereich stellt. Sie zählt zu den Aufgaben der Staatskanzleien oder von besonderen Räten (Konjunkturrat, Council of Economic Advisers). A n solchen Einrichtungen hat es zu lange i n Bonn gefehlt. Ich bin darauf gefaßt, daß m i r auf manches, was ich gesagt habe, entgegnet werden wird, das mag i n der Theorie alles richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. Dieser Gemeinspruch ist schon von Kant erwogen worden i n seinen Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. Kant hat viel Scharfsinn darauf verwandt, zu beweisen, daß dieser Satz nicht richtig sein könne, da eine Theorie nicht richtig sei, wenn sie sich i n der Praxis als falsch erweisen würde. Niemand wäre glücklicher als ich, wenn das, was hier als Ansatzpunkte einer theoretischen Erwägung vorgetragen wurde, nunmehr von der praktischen Erfahrung her korrigiert werden könnte.

Urteilskriterien vom Standpunkt des politischen Systems Von Rudolf Wildenmann

Gliederung Einleitung — Fachliche Beratung der P o l i t i k — Breite des Themas — Entwicklung von politisch-systematischen Kriterien — Mangelnde Tatsachenkenntnis i n der Bundesrepublik — Bessere Materialausstattung i m Ausland — Betonung des Bundeskanzleramts — Moderne politische Funktionsbedingungen — Eine neue Staatsausprägung — Drei große Aufgabengruppen — Z u erfüllende Hauptbedingungen — Vollständigkeit, Verläßlichkeit und Gewichtung der Information — Gefahr des Dezisionismus — Vielschichtigkeit der Industriegesellschaft — Amerikanische Planungsgruppen — Mangelndes I n formationssystem i m Verteidigungsministerium — Personelle Aspekte — Sachliche Aspekte — Keine eigentliche politische Statistik — Z a h l der M i n i sterien — Mangel an politischem Personal — Artikulierfähigkeit — Als Personalfrage — Als institutionelle Frage — Beispiele unzulänglicher A r t i k u l a tion — Vorbereitung der Artikulationsfähigkeit — Handlungsspielraum: Erhaltung und Ausweitung — Beispiele aus der Bundesrepublik — Wechselnde Situationen — Begrenzung durch Gegebenheiten — Rolle des Bundesrats — Methoden zur Konfliktsausräumung — Personelle Kontinuität — Übertragung der institutionellen Kenntnis — Differenzierung von politischen u n d V e r waltungsaufgaben — Fonds des Bundeskanzleramts — Einflußmöglichkeiten des Staatssekretärs — Elastizität — Zusammenhang m i t K o n t i n u i t ä t — Schwerfälligkeit des konstruktiven Mißtrauensvotums — Regeneration von Parteien — Transparenz der Willensbildung — A u s w i r k u n g der Vertraulichkeit — P o l i t i k und Strategie — Informationsbedürfnis der Bevölkerung — Erfüllung der Führungsfunktion Lassen Sie m i c h zu B e g i n n — da m a n m i c h gelegentlich, so auch h i e r , als „ B e r a t e r des B u n d e s k a n z l e r a m t s " bezeichnet h a t — a u f e i n T h e m a h i n w e i s e n , das i n der deutschen Ö f f e n t l i c h k e i t n i c h t m i t der g e w ü n s c h t e n K l a r h e i t gesehen w i r d : d i e B e r a t u n g v o n P o l i t i k e r n . W e n n ζ. B . d i e S P D die F r a g e k l ä r e n möchte, ob das g e g e n w ä r t i g e W a h l s y s t e m f u n k t i o n a l unserer D e m o k r a t i e angemessen sei oder n i c h t — e i n b e m e r k e n s w e r t e r F o r t s c h r i t t i m D e n k e n der S P D — , H e r r W e h n e r eine K o m m i s s i o n u n t e r L e i t u n g v o n H o r s t E h m k e einsetzt u n d diese sich a n m i c h w e n d e t , w e i l ich m i c h auf diesem G e b i e t b e t ä t i g t habe, ob ich die Ergebnisse m e i n e r U n t e r s u c h u n g e n z u r V e r f ü g u n g s t e l l e n k ö n n t e , d a n n liest m a n spät e r i n der „ S ü d d e u t s c h e n Z e i t u n g " , daß Professor W i l d e n m a n n n u n m e h r B e r a t e r d e r S P D g e w o r d e n sei. Dasselbe passiert, w e n n e i n H a u s w i e das

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Bundeskanzleramt, wie Morstein Marx so schön sagte, „bespiegelt" w i r d 1 und dabei mein Name genannt wird. Es handelt sich i m Grunde um genau dieselbe Rolle. Ich habe immer auf dem Standpunkt gestanden, daß es Sache der Könige sei zu regieren und Sache der Philosophen zu beraten. Leider versteht das offenbar unsere Öffentlichkeit nicht. Ich wäre deswegen sehr dankbar, wenn es gelänge, diese Irrtümer einmal auszuräumen. Als einer der letzten Redner bin ich i n einer schwierigen Situation. Es war mir klar, daß i n einer Versammlung wie dieser, wo soviel praktische Erfahrung und theoretische Kenntnis zum Thema der Staatskanzleien zusammenkommt, nicht bloß die Technologie solcher Ämter behandelt, sondern auch der ganze weite Rahmen des Themas umspannt wird. So muß ich mich fragen, besonders nach dem Referat von Herrn Kollegen Kaiser, was m i r noch an systematischer Ordnung oder an Beurteilungstendenzen verbleibt. Ich habe versucht, dieses Problem dadurch zu lösen, daß ich gewisse Kriterien entwickeln möchte, mit denen w i r zur Beurteilung der Vielzahl praktischer Phänomene besser ausgestattet sind. I Die Entwicklung von politisch-systematischen Kriterien leidet, was die Bundesrepublik angeht, allgemein an der oft beklagten mangelnden Tatsachenkenntnis. Wenn man ins Ausland sieht, etwa nach England oder den Vereinigten Staaten, so bietet bereits ein Buch wie das von Max Beioff über die neuen Dimensionen der Außenpolitik 2 eine reichhaltige Fülle von Einsichten über die Adaption des gesamten englischen Regierungssystems an die neuen Aufgaben, die auf die Regierung kraft Anspruchs der Bevölkerung zugekommen sind, etwa auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik. Man erkennt, wie hier die traditionelle Form der Kabinettsregierung weiterentwickelt wird, wie die Kabinettsmaschinerie mehr und mehr die Methoden der Grundlagenbeschaffung für die W i l lensbildung ausbildet, wie die verschiedenartigsten Wege versucht werden, um zu einem System zu kommen, wie das Ganze schließlich balanciert w i r d von der Figur des jeweiligen i m Vordergrund stehenden Ministers. Das System sieht anders aus, wenn Sir Stafford Cripps Schatzkanzler ist und die Budgetplanung leitet, als wenn ein Nachfolger hereinkommt, der eine wesentlich schwächere politische Gestalt ist. Die 1 Bericht über das Bundeskanzleramt, Der Spiegel, Jg. 20, 1966, Nr. 24, S. 32 ff., 42 ff. 2 Beioff, M a x : Neue Dimensionen der Außenpolitik. England, die N A T O und Europa. K ö l n : Verlag für Wissenschaft u n d Politik, 1961.

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Gewichte werden anders balanciert, aber immer w i r d die Aufgabe i m Sinne der englischen Zielsetzung i n der Politik angegangen. Wir haben ebenfalls sehr viel mehr Literatur über das System der amerikanischen politischen Willensbildung, von romanhaften Veröffentlichungen wie dem Buch von Allen Drury „Advise and Consent" 3 bis zu solchen Darstellungen wie die von Sorensen 4. Auf dieser Tagung haben w i r sehr viel über die Staatskanzleien erfahren. W i r haben über einen Sachverhalt relativ wenig gehört: über das Kanzleramt und die Bundesregierung. Bei der Entwicklung von Kategorien zur Beurteilung des hier zu erörternden Fragenkreises werde ich deshalb versuchen, einige Erfahrungen, die ich i n den letzten 10 oder 15 Jahren i n Bonn mit der Geschäftsgestaltung der Regierung gemacht habe, einfließen zu lassen.

II Ich glaube, w i r können davon ausgehen, daß i n gewissem Sinne, sogar ohne Unterschied, ob es sich um die Kanzlei eines Landes oder um die Kanzlei des Bundes handelt, der Träger des von der Kanzlei bedienten Amtes selbst eine ganz neuartige Aufgabe gegenüber früheren Regierungschefs erhalten hat. I m Verständnis dieser Aufgabe bin ich nicht der Auffassung, daß etwa der heutige Sozialfürsorge-Staat i n den Kategorien des 19. Jahrhunderts begriffen werden könnte. Ich werde belegen, weshalb das anders ist, daß es sich um eine neue Qualität handelt, die nicht einfach aus der sozialpolitischen Aufgabe an sich verstanden werden kann, sondern daß das Neuartige wesentlich mit dem zusammenhängt, was man als die Verhaltenserwartungen bezeichnen kann, die die Bevölkerung heute an die Träger des höchsten Amtes stellt. Die neue Dimension der Entscheidungen, die auf den Träger eines solchen Amtes eindrängen, diese neue Aufgabe verlangt i m Grunde genommen auch nach der ihr gemäßen Organisation — so jedenfalls, wenn die organisationssoziologischen Einsichten richtig sind, daß eine Organisation auf eine Aufgabe hin zugeordnet werden sollte und nicht die Aufgabe auf die bestehende Organisation. I n diesen Aufgaben lassen sich der Kategorie nach drei große Gruppen unterscheiden: (1) Die auf der Tagung oft angesprochene politische Planung, oder besser gesagt: die Konzeption von Politik — um die Schwierigkeit zu vermeiden, die der Planungsbegriff immer m i t sich bringt, da er einmal 3

D r u r y , A l l e n : Advise and Consent. London: Collins, 1960. Sorensen, Theodore C.: Decision M a k i n g i n the White House. The Olive Branch or the Arrows. New Y o r k : Columbia University Press, 1964. 4

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i m Sinne des Entwurfs einer Konzeption, zum anderen i m Sinne einer verbindlichen, ja sogar einer rechtsverbindlichen Richtlinie, deren Einhaltung erzwungen werden kann, verstanden wird. (2) Davon läßt sich abtrennen, obwohl beides ineinander übergeht, die politische Entscheidung, die Entscheidung selber — i m Kabinett, i n der Regierung, i n den Ämtern. (3) Die Kontrolle der Ausführung einer solchen Entscheidung, die i n diesem Zusammenhang etwas zurückgetreten ist, die aber mindestens ebenso wichtig ist, wenn das A m t und der Regierungschef, der dieses A m t leitet, i n der Lage sein sollen, ihre Aufgaben v o l l zu erfüllen. Diese drei großen Aufgabengruppen setzen Bedingungen voraus — und das ist es, worauf ich heute den Nachdruck legen möchte —, Bedingungen, die erfüllt sein müssen. Ich w i l l sie zunächst einmal nennen und dann i m einzelnen erörtern. Die erste Bedingung, so scheint mir, ist eine größtmögliche Vollständigkeit und Verläßlichkeit sowie die Gewichtung der Information — Information hier i m umfassenden Sinne verstanden. Die zweite ist die Artikulierfähigkeit des Amtes hinsichtlich seiner eigenen Intentionen, seines eigenen politischen Willens. Das ist auch nicht selbstverständlich und hängt wiederum von einer Reihe von Dingen ab. Die dritte Bedingung, die i n mehreren Bereichen auch während dieser Tagung angesprochen worden ist, ist der Handlungsspielraum, den ein solches A m t hat, ein Handlungsspielraum einmal gegenüber der Bevölkerung, der es ermöglicht, daß seine Politik in einem bestimmten Sinne — ich darf es einmal so formulieren — „abgenommen" wird, und zum anderen ein Handlungsspielraum gegenüber der Verwaltung, auf Grund dessen der Mann an der Spitze des Amtes auch den Gehorsam seiner Diener erwarten darf. Gerade diese spezifische Gehorsamserwartung ist ebenfalls gar nicht selbstverständlich. Richard Neustadt hat i n seinem Buch über „Presidential Power" 5 mit Vehemenz darauf hingewiesen. Das zeigte sich zum Beispiel i n folgendem. Als Eisenhower das A m t übernahm, sagte Truman: „Poor Ike, when he comes in, he w i l l say: do this, and he w i l l say: do that, and nothing w i l l happen." Es w i r d also der arme General, der nun kommt und zu befehlen gewohnt ist, dieses und jenes anordnen, und nichts w i r d geschehen. Er w i r d sich wundern, weil i n dieser Vielzahl von Behörden der Administration und der willensbildenden Gremien i m Kongreß die Durchsetzung eines präsidialen Willens sehr schwierig und der Handlungsspielraum eines solchen Präsidenten oft äußerst eng ist. 5

Neustadt, Richard E.: Presidential Power: The Politics of Leadership. New Y o r k : Wiley, 1960.

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Das gilt allgemein auch gegenüber der Verwaltung, und es gilt insbesondere, was die Bundesrepublik und das Kanzleramt anbelangt, gegenüber den Ländern, deren starke Position verfassungsrechtlich verankert und i n der Staatspraxis weiter ausgebildet worden ist. Weitere Bedingungen sind eine gewisse personale Kontinuität innerhalb des Amtes und die Stärke — Herr Hennis hat hier schon davon gesprochen — der dieses A m t tragenden Partei, ihre Elastizität und Wandlungsfähigkeit. Last but not least ein Gesichtspunkt, der bei einer Tagung, auf der die Ämter selber i m Mittelpunkt stehen, zurückgetreten ist: die Transparenz dessen, was i n einem solchen A m t geschieht, damit die Verantwortlichkeit gewährleistet ist. Gerade das veranlaßt mich, darauf hinzuweisen, daß w i r dieses ganze Problem auch i m Zusammenhang mit der parlamentarischen Willensbildung sehen müssen, nachdem sich nun einmal das Grundgesetz zu einer solchen parlamentarischen Kabinettsregierung entschlossen hat und auch auf diesem Gebiete daher eine Reihe von Vorkehrungen, Überlegungen und Kriterien entwickelt werden müssen. Ich w i l l das nicht weiter erörtern, aber man muß es doch sehen: die Transparenz, die notwendig ist, damit Verantwortlichkeit gewährleistet ist.

III Nun zu der ersten Bedingung, dem Erfordernis einer größtmöglichen Vollständigkeit, Verläßlichkeit und Gewichtung der Information. Diesen Gesichtspunkt zu betonen, ist schon deshalb wichtig, weil eben häufig nicht bloß rein gefühlsmäßig der Ruf nach dem starken Mann ertönt, sondern geglaubt wird, auch heute noch könne ein Staat von einer starken Persönlichkeit allein regiert werden, einer Persönlichkeit, die nicht nur i m Besitz der jeweils nötigen politischen Klugheit ist, sondern auch die taktische Geschicklichkeit besitzt, diese Klugheit umzusetzen, die sich daher ihrer parlamentarischen oder parteipolitischen Stärke sicher weiß. Dies ist ein Gesichtspunkt, der gewissen sozialen Attitüden gerade i n der deutschen Bevölkerung sehr entgegenkommt. Er entspricht einmal dem von Lipset nachgewiesenen — wie er es nennt — „workingclass authoritarianism" und damit einer Vorstellung, die sich aus ganz anderen Gründen etwa in den Schichten, die man den Mittelstand nennt, sehr lange gehalten hat und auch heute noch durchaus ernsthaft gesehen werden muß. Dieser Gesichtspunkt kommt auch der Tradition des Dezisionismus entgegen. Ich darf sie daran erinnern, daß erst kürzlich i n der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Aufsatz eines Professors für Politische Wissenschaft zu lesen war, i n dem dieser Dezisionismus sich

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i n aller Deutlichkeit i n manchen „Reform"-Vorschlägen niedergeschlagen hat 6 . Das deutet darauf hin, daß hier eine starke „Empfänglichkeit" besteht. W i r wissen jedoch, daß auch eine „starke Persönlichkeit" nicht i n der Lage ist, die Probleme des Regierens von heute zu lösen. Auch ist dieser Ansatzpunkt i m Grunde genommen für eine Systemanalyse — wie ich es einmal nennen w i l l — recht untauglich, da es sich dabei u m sozialsyndromatische Erwartungen handelt, die das Verständnis eher verbauen als erhellen. I m Gegenteil muß man sagen, daß die Vielschichtigkeit der Industriegesellschaft einer Systematisierung der Information bedarf. A l l e Versuche der Informationsbewältigung, die man auf sehr pragmatische Weise etwa i n England oder auch i n den Vereinigten Staaten gemacht hat, laufen auf eine Systematisierung der I n formation hinaus. Dies erfordert einen besonderen arbeitsteiligen Prozeß, über dessen einzelne technologische Formen man sich i n den jeweils gegebenen Situationen durchaus unterhalten kann. Aber das Grundproblem bleibt die Systematisierung der Information. Ich w i l l dies an zwei Beispielen darzustellen versuchen. Kaiser hat auf die Planungsgruppen hingewiesen. Die Essenz dieser Planungsgruppen besteht i n den Vereinigten Staaten i n der Ideenfreiheit, so etwa auf dem Gebiet der Innenpolitik. Dort werden sie von einem Berater Johnsons geleitet. Da läßt man zunächst alle Personen, die auf einem Gebiet Sachverstand aufgewiesen haben, etwa durch eigene Arbeiten oder Gutachten, i n einem größeren Kreis zusammenkommen, ohne Beeinflussung durch die Administration. Man sagt: „We don't w a n t to put the dead hand of Government upon them." Sie sollen als erstes gemeinsam „denken". Das kann man zwar übertreiben. Es gibt da die verschiedensten Formen des „Rituals" und dergleichen mehr Exzesse. Aber i m Grunde genommen ist es gut, sich zu sagen, daß die Administration n u r bereichert werden kann, wenn andere Ideen an sie herantragen, ohne daß daraus gleich verbindliche P o l i t i k gemacht w i r d . Erst dann erfolgt i n einem zweiten Gang die Umsetzung solcher Ideen, die Anpassung an die realen Gegebenheiten, die Formulierung der Politik. A m weitesten gediehen ist diese Methode sicherlich auf dem Gebiete der amerikanischen Verteidigungspolitik, was etwa einem Minister wie McNamara i n seinen Verhandlungen m i t seinem deutschen Kollegen von Hassel eine unendliche Überlegenheit i n der Information verlieh. Es ist v o r h i n erwähnt worden, daß etwa bei den Starfighter-Ereignissen in diesem Ministerium sich generell das Problem der Stabilität der parteipolitischen Willensbildung stellt. Es ist aber nicht n u r eine Frage des aktuellen Verlaufes der Willensbildung, sondern auch eine Organisaβ Schnur, Roman: „Der Holzweg des geringsten Widerstandes", Frankfurter Allgemeine Zeitung v o m 11. Oktober 1966, Nr. 236, S. 13/14.

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tionsfrage. Es ließ sich schon i m Jahre 1962 auf Grund der unlösbar erscheinenden institutionellen Probleme dieses Amtes die Prognose wagen, daß Herr von Hassel früher oder später scheitern werde, weil er nicht gleichzeitig den Stahlhelm aufhaben, Verteidigungspolitik treiben, die Beschaffungspolitik überwachen und daneben Disziplinarvorgesetzter und vieles andere mehr sein kann 7 . Es sind dies Aufgaben, die nur dann lösbar sind, wenn die Institutionen des Amtes für die Informationsverarbeitung anders strukturiert sind. Man ist um diese Frage immer herumgegangen, man kann ruhig sagen, wie die Katze um den heißen Brei. Es ist aber auch eine Frage der Unterstützung. Hans Speier, der die Rand Corporation als den wissenschaftlichen A r m der amerikanischen Luftwaffe maßgeblich aufgebaut hat, verlangte vom Verteidigungsministerium, als ihm dieser Auftrag erteilt wurde: „Gebt uns 10 Jahre Zeit; erst dann können w i r nützlich sein." I n der Bundesrepublik besteht bislang i n dieser Hinsicht nichts, mit Ausnahme eines Instituts für Operational Research i n Trier, das erst in der Entwicklung und noch nicht sehr leistungsfähig ist, und einem Institut i n München, das an chronischem Personalmangel leidet. Die verteidigungspolitische Willensbildung des Ministeriums besteht vielmehr darin, daß „ein Ministerialdirigent aus der militärischen Abteilung sie formuliert" — ich darf hier einen ehemaligen Staatssekretär dieses Hauses zitieren — und daß die Gewichtung von Informationen auf Relevanz und Bedeutung gar nicht möglich ist und es infolgedessen auch nicht zu einer informierten Willensbildung kommt, eben weil das Informationswesen nicht genügend ausgebaut ist. Es gibt viele Beispiele i n den Ministerien der Bundesrepublik dafür, wie hier die Dinge sozusagen quer liegen, weil das Informationswesen nicht systematisiert worden ist. Generell hat dies zwei Aspekte: einen personellen und einen sachlichen Aspekt. Der personelle Aspekt besteht darin — gestatten Sie mir hier ein polemisches Wort —, daß es, glaube ich, auf die Dauer nicht genügt, für den höheren Dienst i n den Ministerien sich so ausschließlich, wie das bislang noch geschieht, auf die Ausbildung des Juristen zu verlassen. Bei aller Hochachtung vor dem großen Leistungsvermögen unserer juristischen Ausbildung würde ich doch meinen, daß etwa i n gewissen Aufgaben des Auswärtigen Amtes oder auch des Kanzleramtes oder auch anderer Ressorts diese Ausbildung allein nicht genügt, sondern w i r uns viel mehr bemühen müssen, die Denkweisen und die Methoden aus anderen Wissenschaftszweigen für die Regierung von innen her nutzbar zu machen, u m zu einem sinnvoll ausbalancierten System zu kommen. Das ist ein ganz generelles Problem. 7 So schon i n meiner Vorlesung i m Wintersemester 1962/63 über P o l i t i k und Strategie, Köln.

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A u f die Regierung — ich möchte es hier schon anschneiden — kommt ζ. B. unausweichlich die Frage der Beschaffung von Datenverarbeitungsanlagen zu, wenn sie Informationen wirklich gewichten und sofort synchron präsent haben w i l l und nicht i n einer zeitlichen Sukzession, nicht zu spät, nicht nach den Entscheidungen. Es muß hierfür Fachleute geben, die mit diesen Methoden fertig werden. Ich glaube auch, daß i m Hinblick auf die einzelnen Sachgebiete eine zu große Differenz besteht. A u f dem Gebiete der Wirtschaft verfügen alle Regierungen heute über sehr viel ausgewogenere und gewichtetere Informationen als auf anderen Gebieten des politischen Lebens, etwa i n der Sozialpolitik. Ich darf daran erinnern, daß w i r mit Ausnahme der reinen Wiedergabe von Wahlergebnissen oder den relativ noch beschränkten repräsentativen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bei Bundestagswahlen keine eigentliche politische Statistik besitzen. Es macht eine unendliche Mühe — und w i r sitzen schon seit drei oder vier Jahren daran —, diese Statistik zusammenzustellen und sie mit den vorhandenen Sozialdaten zu korrelieren, u m den Parameter der sozialen und politischen Entwicklung überhaupt besser verstehen zu können und nicht bloß an den äußeren Erscheinungen hängen zu bleiben. Das ist eine Aufgabe, die i m Statistischen Bundesamt aus Mangel an Mitteln bisher nicht geleistet werden konnte. Es besteht eine große Differenz nicht nur i n dem Umfang, sondern i n der A r t und i n der Güte der Informationen, die verfügbar sind und die eine Formulierung des politischen Willens i m Sinne einer größeren Rationalisierung, wie es A r n d t gestern gesagt hat, ermöglichen würden. Die Systematisierung der Information hat den sachlichen Aspekt, sich mehr der technischen Hilfsmittel zu bedienen, die heute verfügbar sind. Sie hat den sachlichen Aspekt, i n den verschiedensten Ministerien — ich möchte das nach meinen Erfahrungen vorschlagen — strikte zwischen Stab und Linie zu trennen. Ich weiß nicht, ob der technologische Vorschlag, den A r n d t gestern machte (Matrixorganisation), ohne weiteres durchführbar ist. Ich bin eher für ein pragmatisches Vorgehen und eine Entscheidung von Fall zu Fall i n den einzelnen Ministerien, wenn nur die eigentliche Aufgabe richtig gesehen wird, nämlich die Systematisierung der Information, die Auswertung all dessen, was auf ein solches Ministerium zukommt. I n jedem Ministerium und vor allen Dingen i n den Kanzlerämtern und den Regierungsämtern muß eine solche Trennung von Stab und Linie vorgenommen werden. Das gilt besonders für die ganz großen Ministerien. I n diesem Zusammenhang sei eine kleine Bemerkung zu verschiedenen Gedanken angefügt, die während der Tagung aufgekommen sind. Ich

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bin durchaus nicht der Meinung, daß w i r das Problem durch eine K ü r zung der Zahl der Ministerien lösen. Sicherlich, so wie Adenauer das Problem seiner Koalitionsregierungen gelöst hat, geht es nicht. Ich erinnere mich noch an die Zeit von 1953 mit den Sonderministerien und dem Wasserkraft-Ministerium. Diese sind heute ganz verschwunden. Das Kanzleramt funktionierte unter seiner Ägide keineswegs sehr viel besser als heute, was ich glaube beweisen zu können. Adenauer hat jedenfalls dieses Problem seiner Koalitionsregierung auf eine sehr opportunistische Weise gelöst, und die Residuen sind bis heute geblieben. So geht es sicherlich nicht. Woran es i n dieser Republik krankt, ist nicht der Mangel an administrativem, sondern der Mangel an politischem Personal. Die Entwicklung der Staatsaufgaben erfordert politische Erfahrung. Wenn etwas die jetzige Struktur unserer Bundesregierung von der englischen unterscheidet, dann ist es die bei uns geringere Zahl des politischen Personals i m Vergleich zu der hohen Zahl des politischen Personals i n jeder englischen Regierung, die etwa mit 80 Personen angesetzt werden kann. I n der Regel macht dies ein gutes Fünftel, wenn nicht gar ein Viertel der jeweiligen Fraktion aus, so daß hier eine A r t von Übungsplatz besteht, auf dem sich junge Begabungen bewähren können, indem sie i m Austauschprozeß i n den verschiedensten Ministerien zeigen können, zu welchen politischen Leistungen sie i m Sinne der Krisenfestigkeit und Entscheidungsfähigkeit geeignet sind. Diese Stufung ist i n einem Kabinett möglich. Für die gesamte Kabinettstruktur — ich habe das immer gesagt und sehe keine Veranlassung, davon abzugehen — sollte diese A r t Stufenaufbau möglich sein, der ein kleineres Kabinett als die eigentlich politische zentrale Leitung i n einer größeren Regierung mit „Staatsministern" ermöglicht. Allerdings steht dem die Verfassungsbestimmung über die Minister entgegen. Hier wäre eine Änderung des Grundgesetzes vielleicht durchaus zu erwägen und sorgsam abzuwägen. M i t den negativen Urteilen, wie sie jetzt aus dem Innenministerium zu diesem Problem wieder zu hören sind, ist es jedenfalls sicherlich nicht getan, da damit die eigentlichen Probleme einer Systematisierung der Information und der Entscheidungsfindung i n der Regierung verkannt werden. Die Lösung der Probleme ist auf die hier aufgezeigte Weise sehr viel besser anzustreben.

IV Das zweite Kriterium, die Artikulierfähigkeit, ist zunächst eine Personalfrage, die nicht mein Gegenstand ist. Die Personalfrage geht dahin, ob der jeweilige Regierungschef selbst i n der Lage ist, sich zu artikulieren und das zu sagen, was er i m politischen Sinne sagen möchte. Das

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muß dem Prozeß der politischen Meinungsbildung überlassen bleiben. Diese Personalfrage ist gewiß nicht unwichtig. Das K r i t e r i u m hat aber auch einen systematischen Aspekt, nämlich durch welche A r t von Ämtern sich ein solcher Regierungschef jeweils nach außen hin artikuliert. Dieser institutionelle Aspekt muß auf dem Hintergrund der grundlegenden Tatsachen gesehen werden, daß eine außerordentlich große Schwierigkeit besteht, überhaupt den öffentlichen Willen zu artikulieren. Ein Kollege von mir i n Mannheim hat eine relat i v umfangreiche Untersuchung über die öffentlichen Betriebe unternommen. Er ist Betriebswirt, sehr an Organisationsstudien interessiert und ist Mitarbeiter an unserem Sozialwissenschaftlichen Institut, weil w i r auf seine entscheidungstheoretischen Arbeiten großen Wert legen. Er meinte, das große Problem an der ganzen Untersuchung sei eigentlich gewesen, überhaupt festzustellen, wer denn i n diesen Betrieben den öffentlichen Willen artikuliert. Sind es die jeweiligen Bürgermeister oder wer ist es sonst? Wie kommen sie dazu zu sagen: „Das ist nun der Wille der Allgemeinheit". Diese Artikulation, diese Deutung bestimmt die Strukturierung einer jeweiligen Situation. Wir haben Beispiele aus der Geschichte des Kanzleramtes unter Adenauer, i n dem diese Artikulation sehr wenig gelungen ist. Nehmen w i r den Fall 1961: den Bau der Mauer. Sicherlich stand das A m t — nach meinen Informationen — unter der heftigen Pression amerikanischer Stellen, die eine sehr viel weitergehende sowjetische oder ostzonale Politik erwartet hatten. Die Annahmen der Planung, die Security Planung, sei es aus Gründen der „Dialektik" oder aus solchen der Realität, gingen jedenfalls sehr viel weiter. Infolgedessen wurde versucht, den Regierungschef an „spontanen" Äußerungen zu hindern, um die Situation nicht zu verschärfen: die Angst vor der Eskalation i n ZentralEuropa. Das ist sicherlich ein Faktum, das man beachten muß. Dennoch bot es i n den Augen der Bevölkerung, die i n diesem Moment bis zu 60 oder 70 v. H. die Wahrscheinlichkeit eines Krieges i n allernächster Zeit bejahte — wie w i r wenigstens aus gewissen Tendenzuntersuchungen wissen —, ein gewiß erbärmliches Schauspiel, als der Regierungschef sich vor dem Fernsehen lediglich zu den Äußerungen verstand, daß die Situation ernst sei, aber kein Grund zur Panik bestehe, als er das dreimal wiederholte, und als dann Herr von Brentano, der damalige Außenminister, seinem Bundeskanzler Recht gab, daß die Situation ernst sei und kein Grund zur Panik vorliege. Hier war der Regierungschef nicht i n der Lage, die Situation zu deuten, zu strukturieren, Führung auszuüben, während diese Aufgabe von der auf eine solche Eventualität besser vorbereiteten Sozialdemokratischen Partei, vor allem durch Brandt eher wahrgenommen wurde. Es war nicht das häufige Erscheinen Brandts i m Fernsehen, das i h m dort eine

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größere Popularität verschaffte, sondern es war die auf Vorbereitung beruhende Fähigkeit, die Situation so zu deuten, daß eine gewisse Beruhigung der Bevölkerung eintrat, die das Unbestimmbare, Drohende beiseite schieben konnte. So kam es, daß sich die drohende Wolke sozusagen auflöste i n ein Verständnis der Situation, was dann auch sehr rasch zu einem teilweisen Absinken der Kriegsfurcht geführt hat. Das läßt sich mit gewissen Methoden nachweisen. Ich habe dieses Beispiel genommen, weil es die für die Bevölkerung sehr zentrale Sicherheitsmotivation i n wirtschaftlicher wie i n politischer Hinsicht berührt. Sie ist heute der wesentliche Maßstab des politischen Verhaltens, an dem sich zu orientieren jeder Politiker eigentlich gezwungen ist. So erfordert es die rasche Handlungsfähigkeit, die Führung, die Artikulationsfähigkeit des Amtes und seines Trägers. Diese muß vorbereitet sein durch entsprechend geschultes Personal und durch sachliche Methoden. Es zeigt sich, daß die Kriterien, die ich hier darzustellen versuche, i n sich zusammenhängen. Sie tragen zum Teil widersprüchliche Zielmomente i n sich, aber es ist wichtiger, daß sie zum Teil sich auch gegenseitig verstärken.

V Was den Handlungsspielraum angeht, das dritte Kriterium, das w i r hier erwähnen sollten, so seien wiederum einige praktische Beispiele vorangestellt. Der Handlungsspielraum des Kanzleramtes etwa i n der Zeit bis 1957 stellt sich ganz anders dar als der Handlungsspielraum von 1959 bis 1963. Der Handlungsspielraum w i r d stark begrenzt durch das, was man die plebiszitäre Komponente i n den Wahlentscheidungen zu nennen gewohnt ist. Adenauer konnte auf dem Höhepunkt zwischen 1953 und 1957 die Fraktionsvorsitzenden nach Paris rufen, um von ihnen praktisch noch auf dem Flugplatz i n Paris zu verlangen, daß sie das Saarabkommen, das er mit Mendès-France geschlossen hatte, ratifizierten. Das veranlaßte den Karikaturisten der „Deutschen Zeitung" zu folgender Karikatur: da sieht man Adenauer, hinter ihm Herrn Hallstein tief gebeugt, einen Papageienkäfig fragend, i n dem die drei Fraktionsvorsitzenden sitzen; am Ende des Flugplatzes ist auch noch Herr Ollenhauer als Spatz zu sehen. Adenauer sagt: „Dat machen w i r jetzt immer so, dann können die zu Hause keinen Unfug anrichten." Diese Handlungsweise wäre i h m i m Jahre 1960 nicht mehr abgenommen worden, weil sein Handlungsspielraum infolge der Präsidialkrise sehr viel enger wurde: durch einen Mangel an Information.

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Ich kenne das Gespräch zwischen ihm und einem Gewährsmann, bevor er seine Kandidatur zurückzog. Dieser war einen Tag später bei mir. Er war noch ganz entsetzt und berichtete: „Er hat mich also kommen lassen, um die mögliche Reaktion der Auslandspresse auf diesen Schritt zu testen, und ich habe i h m dann gesagt: ,Herr Bundeskanzler, das können Sie doch dem deutschen Volke nicht antun, so können Sie doch nicht mit der Verfassung umspringen!', worauf Herr Adenauer antwortete: ,Ach wissen Se, dat habn die Leute i n drei Wochen wieder verjessen.' " Die „Leute" haben es nicht vergessen. Die Wahl des Bundespräsidenten, die vorher ein von der Bevölkerung kaum bemerkter A k t war, wurde nach der Präsidialkrise für über 80 v. H. ein hochpolitischer A k t . Nicht die einzelnen Erscheinungen, sicherlich nicht das genaue Vorgehen, das ja nicht einmal allen der engsten Vertrauten bekannt war, aber Adenauers allgemeines Verhalten angesichts der Bedeutung einer solchen Wahl haben ihm seinen Handlungsspielraum eingeengt. Es handelte sich also um eine wechselnde Situation, wie man ja auch i m Falle von Ludwig Erhard sehen kann. Es wurde hier die „Bespiegelung" zitiert. I n einem der A r t i k e l steht der sicherlich richtige Satz, daß i m Jahre 1963/64 Kanzler Erhard vom Parlament alles abgenommen worden wäre, insbesondere nach seiner programmatischen Rede von 1963, nach der Amtsübernahme, einschließlich einer generellen Umkrempelung des Kanzleramtes. Nach der Krise i n Nordrhein-Westfalen, nach dem Verlust der Wahl galt dagegen die Devise: „Der Sieg hat viele Väter, die Niederlage ist ein Waisenkind", und das galt i n diesem Falle für Erhard auch innerhalb seiner eigenen Partei. Hier ist der Handlungsspielraum außerordentlich beengt worden. Dasselbe gilt i n gewissem Sinne für den möglichen Kanzler der SPD, dessen Kandidatur stets darunter gelitten hat, daß sein Handlungsspielraum gegenüber der Bevölkerung immer außerordentlich schmal war aus Gründen, die ich hier nicht weiter analysieren möchte. Es soll nur als Hinweis auf unser K r i terium dienen, das w i r beachten müssen, und zwar gerade für eine Demokratie, wie es die heutige ist, belastet mit Aspekten, die für die weitere Entwicklung des demokratischen Verständnisses als sehr gefährlich anzusehen sind. Was den Handlungsspielraum gegenüber der Verwaltung betrifft, so wissen alle Verwaltungsbeamten, wie man den Willen des „regierenden Hauptes" gelegentlich zu umgehen pflegt, wenn es der eigene Sachverstand „gebietet". Hier verlangt das Handeln des Trägers des Amtes, wie auch seiner engsten Mitarbeiter, nicht Popularität, sondern Sachverstand, Anerkennung, Reputation, Respekt. Ich finde es auch ganz gut so, daß eine nicht juristische, sondern i m Verfahren liegende Grenze gegenüber dem Träger eines Amtes vorhanden ist, daß Reputation verlangt wird, damit er sich durchsetzen kann.

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Das ist auch ein großes Problem i n den Vereinigten Staaten. I m Ja 1 ire 1962 befand sich mein Freund E r w i n Scheuch i n Harvard. Er schrieb mir einen langen Brief über seine Beobachtungen zur Administration Kennedy und meinte: „Es ist eine gewisse Tragik, daß der Mann, der jetzt i m Augenblick, wie mir scheint, zwar die größte Popularität besitzt, eine größere Popularität, als sie vielleicht selbst Roosevelt besessen hat, ein Präsident ist, der sich weder gegenüber der Administration noch gegenüber dem Kongreß durchsetzen kann." Ich habe i h m dann zurückgeschrieben: „Wie ich die Geschichte des US-Präsidialamtes kenne, ist eine solche Situation schon häufiger eingetreten, es ist eine Frage des strukturellen Aufbaus." Das gilt auch für die Bundesrepublik i n ihrem Verhältnis zu den Ländern. Die Durchsetzung hängt eben nicht nur davon ab, daß der Träger des Amtes Reputation besitzt, sondern er muß auch die Möglichkeit zum Handeln besitzen. Unser Grundgesetz hat i m Föderalismus, systematisch gesehen, eine große und notwendige Bremse eingebaut, die aber auch gefährliche Aspekte hat: Herr Kiesinger hat, als er früher i n Bonn war, i m Jahre 1957/58 immer von der großen Aufgabe der Bundesrepublik gesprochen, die Politik der Länder mit der des Bundes zu „harmonisieren". Nachdem Herr Kiesinger nach Stuttgart gegangen war, ist der Gesichtspunkt der Harmonisierung vielleicht allenfalls noch vor zwei Jahren relevant gewesen. Zumindest ist er heute sicherlich nicht mehr so relevant, wie er damals war. Dann ist der Gesichtspunkt der Eigenständigkeit und des Durchsetzungsvermögens einer vielleicht berechtigten Politik i n Stuttgart sehr viel stärker hervorgetreten. Der Bundesrat hat bei aller seiner sachlichen Leistung, bei aller Überwachung, durch seine strukturelle Stellung eine ungemein große Möglichkeit der Obstruktion. Er kann verhindern. Er regiert mit, indem er verhindert. Und dasselbe gilt auch aus anderen verfassungsstrukturellen Gründen für den amerikanischen Präsidenten, was w i r i m Hinblick auf die Aufgaben, von denen w i r ausgegangen sind, durchaus nicht aus dem Gesicht verlieren sollen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Länder eine Vielzahl von Methoden entwickelt haben, um die Koordination, die Ausrichtung der Politik i m Bundesrat zwischen ihnen zu ermöglichen, Streitfälle und Konflikte möglichst auszuräumen. Es gibt auch solche Methoden seitens der Bundesregierung. Es haben sich dafür bestimmte Verfahrensweisen eingebürgert. Man muß sie vielleicht alle einmal i m Hinblick darauf prüfen, inwieweit sie die eigentliche Aufgabe erfüllen, nämlich Konflikte zwischen Bund und Landesregierungen i n einem möglichst frühzeitigen Stadium ausräumen zu können, damit die Führungsfunktion erhalten bleibt. Es kann also keine Rede davon sein, diesen Handlungsspielraum etwa aufzugeben. 17

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Was i m Verhältnis zur Beamtenschaft gilt, nämlich der Gesichtspunkt der Reputation, gilt natürlich auch i m Verhältnis zu den Ländern. Man muß begründete Argumente vorbringen, aber es gibt Interessenspositionen, die unter Umständen Konflikte schaffen und die Führung i m Bund schwächen. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Frage der Finanzzuweisung zur Aufgabenerfüllung des Bundes, früher des Reiches, seit 1870 immer ein großes Problem gewesen. Der Konflikt ist bei dem starken Gewicht der Länder und dem als Föderalismus bezeichneten Partikularismus fast immer zu Ungunsten des Reiches ausgegangen. Das hat zu allen möglichen, auch zu sehr wenig verfassungstauglichen Maßnahmen geführt, um dann den Finanzbedarf des Reiches zu decken. Irgendwo scheinen hier auch jetzt große Konflikte zu liegen, die man ausräumen müßte.

VI

Das K r i t e r i u m der personellen Kontinuität w i r f t i m Grunde ein Doppelproblem auf. Einerseits verlangen w i r zu Recht, daß Wechsel i m Bundeskanzleramt möglich sein soll; andererseits sollte man daran denken, daß eine Regierung auch i n der Lage sein müßte, einen „body of doctrine" zu entwickeln, eine Substanz des politischen Denkens, die sich lange erhält, nicht unveränderbar ist, aber trotzdem sich allen Ministerien mitteilt, Erfahrungsregeln setzt, Einsichten bietet, so daß man unter Umständen, wie es Beioff formuliert hat, auch mit außenpolitischen Problemen auf sehr lange Zeit „leben" kann. Das Doppelproblem liegt darin, daß die Austauschbarkeit der politischen Führung und die Kontinuität der administrativen Beratung gewährleistet sein müssen. W i r müssen also dazu übergehen, i n diesen Ämtern noch deutlicher zu trennen zwischen den politischen Aufgaben eines solchen Amtes und den administrativen, exekutiven. Die permanenten Staatssekretäre eines englischen Ministeriums werden eben nicht ausgewechselt, wenn die Regierung wechselt. Jeder hereinkommende Minister ist i m Gegenteil froh, daß er einen Repräsentanten seines Ministeriums vorfindet, der i h m nunmehr mit seinem Sachverstand zur Verfügung steht und i h m den „body of doctrine" mitteilt. Andererseits gewährleistet die Austauschbarkeit innerhalb einer Regierung wie die Austauschbarkeit zwischen verschiedenen Regierungen, daß Neuerungen i n einem Ministerium möglich sind. Bei uns in der Bundesrepublik ist meinem Eindruck nach diese Vermischung zwischen administrativen und politischen Aufgaben i n den Spitzenämtern sehr weit gediehen aus Gründen, die wohl mit dem Mangel an parlamentarischen Staatssekretären zusammenhängen und aus der ungestuften, flächen-

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artigen Struktur der Regierung. Sie erlaubt es nicht, zwischen wesentlicheren und unwesentlicheren politischen Aufgaben zu differenzieren. Bei einer anderen Strukturierung ließe sich auch das politische Personal vergrößern — angesichts der Probleme, die eine Regierung immer zu meistern hat, eine nicht unwesentliche Sache. Ich glaube, daß man einiges einfach durch Staatspraxis tun kann, indem man diese Trennung i n politische Staatssekretäre und i n administrative Staatssekretäre zur Gewohnheit werden läßt. Eines der Probleme, das meiner Beobachtung zufolge Kanzler Erhard hatte, war, daß er i n ein A m t eintrat, so wie Kennedy 1961 i n ein A m t eintrat, das er gar nicht kannte und das ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte. Eine der wesentlichsten Möglichkeiten des früheren Staatssekretärs i n diesem A m t war die Verfügungsgewalt über den Fonds des Kanzleramtes. I n der Zwischenzeit scheint sie auf das Presseamt übergegangen zu sein, was die Artikulierfähigkeit des Trägers des Amtes sicherlich nicht erhöht hat. Die Möglichkeit der indirekten, informellen Beschlußfassung, die oft Herrn Globke zugeschrieben wurde und die auch sicherlich vorhanden war, bestand i n zwei Dingen. Er hat Beförderungen und Karrieren versprechen können, und er hat vor allen Dingen über die Geldmittel des Amtes verfügt. Politik, wenn sie durchgesetzt werden soll, erfordert zum Teil eben Geldmittel. Die Frage ist, wie die M i t t e l kontrolliert werden. Der Nachfolger aber ist in ein A m t gekommen, das er nicht kannte, i n dem niemand war, der ihm sagen konnte, welches die Verfahrensregeln waren. Einige der Beamten waren vielmehr i m Gegenteil noch immer zu einer informellen Kooperation mit dem vorhergehenden Träger des Amtes bereit, so daß die Politik des neuen Trägers des Amtes oft schon durch informelle Kontakte konterkariert werden konnte, bevor sie i m Ansatz entwickelt war. Das ist ein systematisches Problem. I n der amerikanischen Präsidialdemokratie — es ist nicht nur unser Problem, sondern ein generelles Problem — stellt es sich infolge des erzwungenen Wechsels nach der zweiten Amtsperiode ebenfalls von neuem, und man hat auch dort verschiedene Wege versucht, es zu überwinden.

VII Die Elastizität als das fünfte Kriterium, von dem ich zu Anfang sprach, hängt mit der Kontinuität zusammen, ist sozusagen deren Kehrseite. Sie kann durch die größere Gewährleistung des politischen Wechsels i n der Bundesrepublik eher erreicht werden als durch bloße Anpassungsfähigkeit. Dies ist ein Punkt, der von vielen schon gesehen worden ist. Aber i n aller Deutlichkeit und von den Ursachen her würde ich doch meinen, daß 17*

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Rudolf Wildenmann

eine der Schwächen unserer Verfassung die mangelnde Chance des Machtwechsels ist. Sie prägt sich überall aus, bis hin etwa zu der sehr mangelhaft ausgeformten Verantwortlichkeit der Minister, die w i r aus guten Gründen i m Grundgesetz nicht wie i n der Weimarer Republik direkt dem Parlament verantwortlich gemacht haben, für die w i r aber noch keine Sanktionsmittel entwickelt haben, u m die Verantwortlichkeit herzustellen. Herr Hennis hat darauf hingewiesen, daß das Instrument des konstruktiven Mißtrauensvotums ein viel zu großes Hackbeil ist, um diese Verantwortlichkeit, die weit feinere Sanktionsmittel erfordert, zu gewährleisten. Das heißt, daß w i r i m Grunde genommen eine sehr starre Regierungsstruktur haben. Es ist keinesfalls eine selbstverständliche Gewohnheit oder feste Praxis von führenden Politikern, daß sie, wenn sie eine Wahl verloren haben (sich aber mathematisch eine Chance von nur gerade noch einem Sitz ausrechnen läßt), daraus die Konsequenzen ziehen. Die englische Konservative Regierung hat i m Jahre 1923 die Konsequenzen gezogen und ging aus dem Amte, als sie zwar noch immer stärkste Partei war, aber die Wahl und die Mehrheit verloren hatte, worauf die damals gespaltene Opposition von Liberalen und Labour Party ins A m t zog. Das ist bei uns keinesfalls selbstverständliche Praxis, keine ungeschriebene Regel. W i r haben uns darauf „geeinigt", daß die stärkste Partei die Regierung bildet (ein Grundsatz, der sehr „ad l i b i t u m " gehandhabt wird). Hier muß, glaube ich, einiges geschehen. Es ist nicht nur eine Frage der Institution oder einer Änderung des Wahlgesetzes, sondern sicherlich auch eine Frage des Verständnisses der Politik durch unsere führenden Politiker und der Sanktionsmöglichkeiten, die die Bevölkerung gegenüber deren Verhaltensweisen hat. Und darin liegt das Problem: Die Elastizität, die Anpassung an neue Situationen, an den gesellschaftlichen Wandel kann nicht genügend schnell, nicht genügend sicher, nicht genügend informiert erfolgen. Auch die Regeneration einer Partei wie die der CDU w i r d dann zu einem Problem, weil sich bislang — ich darf es vielleicht einmal ein wenig scharf formulieren — noch keine Partei wirklich hat reformieren können, solange sie i n der Regierung war.

VIII Der letzte Punkt, mit dem ich abschließen möchte, ist die Transparenz der Willensbildung. Ich sagte vorhin schon, daß die Abgeschiedenheit einer Beratung allein i m A m t unter Umständen insofern sehr problematisch werden kann, als sie den Träger des Amtes und damit den Staat

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zu sehr von der Realität entfernt. Vor allen Dingen sollte man bei aller technologischen Überlegung nicht vergessen, daß die Beurteilung des Handelns der Politiker durch die Bevölkerung eine der Grundbedingungen der Demokratie ist. Infolgedessen muß die Transparenz dessen, was i n diesen Ämtern geschieht, größer sein, bei aller Wahrung der Vertraulichkeit der Entscheidungen, als das heute der Fall ist. Die Einstellung, die w i r hier noch vorfinden, ist zum Teil horrend untauglich. Ich erinnere an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „SpiegelFrage". Ich w i l l nicht zu der Entscheidung Stellung nehmen, nur zu einer bestimmten Passage in diesem Urteil, wo sinngemäß gesagt wird, daß es ja gar nicht notwendig sei, daß die Bevölkerung über die verteidigungspolitischen Dinge besonders gut informiert zu sein habe. Was steht hier eigentlich? Hier steht, daß die Bevölkerung nicht informiert zu sein brauche in Fragen, die Krieg oder Frieden betreffen, sondern daß der Rat der Experten alleine genügt. Ich verkenne keinesfalls, daß die strategische Planung und das ganze Verhältnis von Politik und Strategie ein ungemein kompliziertes Gebilde ist, das wirklich eine sehr intensive Bemühung verlangt und ihrer bedarf. Ich verkenne auch keinesfalls, daß etwa die Vorbereitung solcher Planungen mit einer größtmöglichen Geheimhaltung vor sich gehen muß. Aber es ist gleichzeitig ein Paradoxon der heutigen Situation, daß man, wenn gewisse Dinge vorbereitet und geplant sind, sie mit Trompeten hinausposaunen muß, damit der Gegenspieler über sie Bescheid weiß. Es ist infolgedessen i m Interesse gerade der strategischen Politik, wie sie heute betrieben wird, daß der Informationsgrad der Bevölkerung sehr viel höher liegt, als er augenblicklich zu liegen scheint. Die Informationsdifferenz zwischen den wenigen Informierten und der großen Masse der Uninformierten muß überwunden werden, vor allem auf entscheidend wichtigen politischen Gebieten. Aber abgesehen von der Beurteilungsfrage, von dieser Führungsfrage, halte ich es für ein Grunderfordernis eines demokratischen Aufbaus, daß w i r aus Gründen der Anforderungen an die Regierenden mehr dazu übergehen müssen, die Führungsfunktionen durch entsprechende Parameter der Entscheidung zu stärken, vor allem aufgrund der Anforderungen, die von der Bevölkerung an die Regierung herangetragen werden. Auch die Bevölkerung muß durch entsprechende Kriterien, die w i r schaffen, i n der W i l lensbildung ausgebildet werden. W i r haben darauf zu sehen, daß nicht eine zu große Bildungsdifferenz (im Sinne von Robert Michels) zwischen den Trägern dieser Ämter und denjenigen besteht, die regiert werden, eine Bildungsdifferenz, die es auf die Dauer problematisch erscheinen läßt, ob w i r überhaupt noch von einem Zustand der Demokratie reden dürfen oder ob w i r vielmehr von einem der Mandarinokratie zu sprechen hätten.

Erwägungen vom Standpunkt der Regierungspraxis Von Hans Wolfgang Rombach

Gliederung Einleitung — Allgemeine Vorbemerkung — Hinweise auf Behandlung des Themas — Verfassungs- und organisationsrechtliche Hinweise — Verfassungsrechtliche Stellung des Regierungschefs — Auswirkungen seiner Stellung auf die Länder — Richtlinienkompetenz — Geschäftsleitungsfunktion — Bedeutung von Geschäftsordnungen — Kritische Würdigung der Rechtslage — Z u ständigkeit des Regierungschefs i n der Regierungspraxis — Unzulängliche Inanspruchnahme der Richtlinienkompetenz — Regierungserklärungen u n d Richtlinienkompetenz — Politische Bedeutung der Geschäftsleitungsfunktion — Verwaltungspraxis der Staatskanzlei — Koordinierungsschwerpunkt i m Rechtsbereich — Selbständigkeit der Ressorts — Schwierigkeiten bei K o ordinierungs- u n d Planungsvorhaben — Andere interministerielle K o o r d i nierungsmethoden — Stand der Auseinandersetzungen — Notwendigkeit übergeordneter Koordinierung u n d Planung — A u s w i r k u n g des Haushalts, der Stabilisierung und der Finanzreform — Streit über Zuständigkeit für K o ordinierung u n d Planung — Minimalprogramm der Koordinierung — Erfordernis größerer Information — Beschaffung und Auswertung von außen k o m mender Information — Vermeidung von Doppelarbeit — Zusammenarbeit m i t dem Statistischen Landesamt — Informationen aus dem Bereich der Landesverwaltung — A k t i v i e r u n g der Richtlinienkompetenz — Kabinettsarbeit i n landespolitisch wichtigen Fragen — Geschäftsführung für die Kabinettsausschüsse — Programm für langfristige Planung — Verbindung m i t Wissenschaft u n d Wirtschaft — Ständige Fühlungnahme m i t Regierungschef — Zusammenarbeit der Referate i n Planungsangelegenheiten — Zusammenarbeit m i t der Pressestelle — K o n t a k t m i t Journalisten — Zusammenarbeit m i t den Ressorts — Hilfe der Wissenschaft — K o n t a k t m i t Regierungsparteien u n d Fraktionen — Beobachtung der Opposition — Finanzplanung — Finanzplanung u n d a l l gemeine Regierungsplanung — Staatskanzlei u n d Finanzminister — I n h a l t u n d Grenzen einer Finanzplanung — Verfahrensfragen — Technisch-organisatorische Methoden für Planungsaufgaben — Entlastung von Regierungschef und Staatssekretär — A u s w a h l der Mitarbeiter — Schlußbemerkung — Planung und Demokratie

I Der letzte Referent dieser Tagung — zumal, wenn er den Abschluß einer rhetorischen Troika zu bilden hat —, schleppt zwei Traumata von wahrhaft Freudscher Größe mit sich auf das Rednerpult: die Furcht, es

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werde ihm aus Dutzenden von Augenpaaren der stumme Vorwurf „Quousque t a n d e m . . . abutere patientia nostra" entgegenblitzen, und die Sorge, bei jedem seiner Argumente den stillen Seufzer zu hören: „Wie oft soll ich m i r das noch anhören?" So war ich schon nahe daran, dies Referat kurzerhand auf einen Diskussionsbeitrag zu reduzieren; aber auch daran wurde ich nach der hier erneut gewonnenen Erfahrung wieder irre, wie leicht Diskussionsbeiträge die Gestalt von Referaten annehmen können. So bin ich denn voller Skrupel zu meinem Auftrag zurückgekehrt, ein Referat zu halten, allerdings nicht ohne mein Manuskript soweit wie möglich zusammenzustreichen und zugleich den Versuch zu machen, für mich wichtige Erkenntnisse aus den vorangehenden Ausführungen mitzuverwenden. Das heutige Teilthema der Tagung umfaßt, deutlich erkennbar, 3 Bereiche: Tendenzen, Erfordernisse und Entwicklungsmöglichkeiten. Während zu den beiden letzteren aus der Sicht der Verwaltung relativ leicht Vorstellungen zu formulieren waren, erwies sich die Überlegung, aus der Regierungspraxis der Länder künftige Tendenzen abzuleiten, als praktisch undurchführbar. Den Versuch, dieser Frage durch eine schriftliche Fühlungnahme mit den Staatskanzleien i m einzelnen nachzugehen, habe ich nicht unternommen, weil er nach meiner sicheren Überzeugung als eine unerwünschte Einmischung i n deren „gouvernementale Intimsphäre" aufgefaßt und zurückgewiesen worden wäre. Wenn es u m die Offenlegung des Arbeitsstils und der Arbeitsmethoden oder gar um eine kritische Auseinandersetzung mit beiden geht, sind Behörden erfahrungsgemäß sehr empfindlich. Das hat sich auch aus der Zurückhaltung der Vertreter der Staatskanzleien i n den bisherigen Diskussionen ergeben, einer Zurückhaltung, aus der auch Professor Knöpfle die Vertreter dieser Behörden i n diesem Saal nicht hat herauslocken können. Abgesehen davon wäre es aber auch von der Sache her ein untauglicher Versuch gewesen, etwa durch die Versendung eines Fragebogens Material über Tendenzen einer Zukunftsentwicklung der Staatskanzleien zu gewinnen. Die Auskünfte hätten schon deshalb lückenhaft bleiben müssen, weil man eine Vielzahl der hier benötigten Erkenntnisse nicht durch solche Befragungen, sondern nur durch eine länger andauernde Beobachtung oder unmittelbare dienstliche Berührung gewinnen kann. Ich habe mich daher darauf beschränkt, meine eigenen Erfahrungen i n einer mehr als achtjährigen Tätigkeit i n der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen an die Stelle nicht beschaffbaren Materials zu diesen Fragen zu setzen, und mich i m übrigen auf Einzelinformation gestützt, die ich durch Gespräche mit Kollegen aus anderen Staatskanzleien erhalten konnte. Endlich möchte ich aber auch annehmen, daß der Umfang dessen, was sich in der praktischen Regierungsarbeit der Staatskanzleien heute an zu-

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kunftsträchtigen Tendenzen zeigt, keinesfalls überschätzt werden sollte. Wenn diese Tagung eines bewiesen hat, dann die Tatsache, wieweit die Wissenschaft bei der Erkundung der Probleme einer langfristigen Koordinierung und Planung von Regierungsaufgaben der Praxis vorausgeeilt ist. Angesichts dessen stehe ich vor der unbefriedigenden Aufgabe, die Erörterung des Tagungsgegenstandes aus den Höhen wissenschaftlicher Zielvorstellungen wieder i n die Tiefen praktischer Unzulänglichkeiten und Rückständigkeiten zurückführen zu müssen.

II Jede Behandlung des Themas aus der Sicht der Ministerialpraxis muß mit der Feststellung beginnen, daß alle Erwägungen über Tendenzen, Erfordernisse und Entwicklungsmöglichkeiten der Staatskanzlei nur auf dem Boden des geltenden Verfassungsrechtes möglich sind; alles andere müßte aus dieser Sicht das Zeichen einer — wenn auch vielleicht interessanten — politischen Spekulation tragen. Da die Staatskanzlei die Behörde des Ministerpräsidenten ist, ergeben sich die rechtlichen und sachlichen Möglichkeiten und Grenzen ihrer Tätigkeit aus der verfassungsrechtlichen Stellung des Ministerpräsidenten und den aus ihr folgenden Funktionen, also aus seinem Recht zur Bestimmung der Richtlinien der Politik und der Verantwortung für diese Richtlinien sowie aus der Befugnis, die Geschäfte der Landesregierung zu leiten. I n diesem Zusammenhang ist m i t Blick auf die verfassungsrechtliche Situation hier schon so oft auf das „magische Dreieck" von Kanzlerprinzip, Kollegialprinzip und Ressortprinzip hingewiesen worden, daß ich mir weitere Ausführungen dazu ersparen, mich vielmehr auf die Feststellung beschränken kann, daß i m deutschen Verfassungsrecht das Ressortprinzip und — mit einigen Einschränkungen — auch das Kollegialprinzip erheblich stärker ausgeprägt und ausgebaut sind als das Kanzlerprinzip. Sieht man von der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs ab, so werden praktisch alle wichtigen landespolitischen Entscheidungen entweder dem Kabinett oder dem jeweils zuständigen M i n i ster in eigener Verantwortung zugeteilt. Was die Befugnis des Ministerpräsidenten zur Leitung der Geschäfte der Landesregierung betrifft, so w i r d i n der verfassungsrechtlichen Literatur diese Befugnis bekanntlich mehr unter formalen als unter sachlichen Gesichtspunkten gewürdigt. Ziemlich einhellig ist die Auffassung, daß der Regierungschef das Recht der Geschäftsleitung jedenfalls nicht benutzen kann, um Befugnisse i n Anspruch zu nehmen, die i h m nicht ausdrücklich durch die Verfassung oder durch die Geschäftsordnung der Landesregierung zugeteilt worden sind. Auch dort, wo dem Regierungschef darüber hinaus das Recht eingeräumt wird, auf die Einheitlichkeit

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dieser Geschäftsführung hinzuwirken, w i r d überwiegend die Auffassung vertreten, daß sich diese Funktion nicht in Einzelweisungen konkretisieren darf. Damit der Regierungschef von seiner Richtlinienkompetenz sachgerecht Gebrauch machen kann, sehen die Verfassungen oder Geschäftsordnungen i m allgemeinen vor, daß der Regierungschef von den Ressorts über Vorgänge zu unterrichten ist, die für die Ausübung seiner Richtlinienkompetenz von Bedeutung sind. Auch diese Vorschriften sind i m allgemeinen aber so gefaßt, daß sie eher einschränkend als ausdehnend interpretiert werden müssen. I n diesem Zusammenhang ist eine Vorschrift der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (§ 75) von gewissem Hintergrundinteresse. Sie besagt, daß der Ministerpräsident von den Ressorts „über die Vorbereitung von Gesetzentwürfen und von sonstigen Maßnahmen, die damit zusammenhängen, zu unterrichten ist, wenn sie für die Bestimmung der politischen Richtlinien oder für die Leitung der Geschäfte der Landesregierung von Bedeutung sind". Diese Vorschrift statuiert zwar eine gewisse laufende Unterrichtungspflicht der Ressorts gegenüber dem Ministerpräsidenten, schränkt sie aber zugleich sachlich sehr erheblich ein. Wichtiger als dieser Hinweis ist jedoch die Feststellung, daß die Ressorts dem Ministerpräsidenten eine derart eingeschränkte Informationsmöglichkeit ohne Bedenken zugemutet haben und daß die Staatskanzlei selbst eine solche Vorschrift, die i m Entwurf nicht von ihr erarbeitet war, als ausreichend hingenommen hat.

III Bei dieser verfassungsrechtlichen Eingrenzung der Funktionen des Regierungschefs — und damit auch der Staatskanzlei als seiner Behörde — ist es jedoch nicht geblieben; vielmehr kann wohl aus der Sicht der Staatspraxis i n den Ländern i m allgemeinen die These gewagt werden, daß alle Vorschriften über die Funktionen des Regierungschefs stets einschränkend, d. h. zu Ungunsten des Kanzlerprinzips und zu Gunsten des Ressort- und Kollegialprinzips ausgelegt worden sind. Inwieweit die Regierungschefs diese verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Begrenzung selbst durchbrochen haben, läßt sich nur mit Blick auf die Handhabung ihrer Richtlinienkompetenz untersuchen. Gerade diese Untersuchung stößt aber auf große Schwierigkeiten. Entgegen der i n der verfassungsrechtlichen Literatur gelegentlich vertretenen Auffassung, daß Richtlinien der Politik i m allgemeinen, schon um ihrer Bestimmtheit und Durchführbarkeit willen, i n die Form schrift-

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licher Weisungen des Regierungschefs an den oder die zuständigen Minister gekleidet werden sollten, läßt sich feststellen, daß die Regierungschefs von ihrer Richtlinienkompetenz i n der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle in der Form mündlicher Weisungen Gebrauch gemacht haben. Welche Bedeutung solche mündlichen und internen Weisungen für die Koordinierung der Regierungspolitik in wichtigen Fällen gehabt haben, ist außerordentlich schwer abzuschätzen. Sicherlich w i r d man davon ausgehen können, daß sie i m Einzelfall große Bedeutung gehabt haben, etwa bei der Gestaltung eines Landeshaushaltes oder bei der Durchsetzung gewisser politischer Einzelziele, die ein Regierungschef verfolgte. Aber ebenso sicher w i r d die Annahme berechtigt sein, daß die Inanspruchnahme der Richtlinienkompetenz i n solchen Fällen zumeist nicht mit Blick auf eine kontinuierliche und langfristig planende Koordination erfolgt ist, sondern punktuell zur Durchsetzung bestimmter aktueller politischer Ziele. Die Bedeutung der Inanspruchnahme der Richtlinienkompetenz sollte demgegenüber leichter abzuschätzen sein, soweit solche Richtlinien schriftlich vorliegen. Aber auch hier w i r d es nach meiner Erfahrung kaum möglich sein, zuverlässige Auskünfte über Art, Umfang, Zielrichtung und politisches Gewicht solcher schriftlich erteilten Richtlinien der Politik zu geben, zumal bei ihnen nach aller Erfahrung die Grenze zu versteckten Einzelweisungen, die ein Ressortminister — aus was immer für Gründen — entgegengenommen hat, schwer abzustecken ist. Daher ist insgesamt die Feststellung erlaubt, daß die Richtlinienkompetenz in ihrer vollen Bedeutung für die Regierungspolitik und insbesondere für eine langfristige und zielbewußte Koordination und Planung landespolitischer Aufgaben bisher kaum ausgeschöpft, möglicherweise sogar garnicht erkannt worden ist. Es verstärkt sich vielmehr der Eindruck, daß die Richtlinienkompetenz i n der Staatspraxis der meisten Länder nicht als ein normales Steuerungsmittel der Politik angesehen wurde, sondern als eine A r t verfassungsrechtliche „Notbremse" für bestimmte, besonders ungewöhnliche und dringende, auf andere Weise nicht oder nicht schnell genug durch den Regierungschef beeinflußbare Einzelfälle. I n diesem Zusammenhang erscheint die Frage nicht ohne Bedeutung, inwieweit die Regierungserklärungen der Regierungschefs zu Beginn ihrer Amtsperiode als ein sachlich und politisch bedeutungsvoller Sonderfall der Ausübung der Richtlinienkompetenz angesehen werden können. Unstreitig enthalten diese Regierungserklärungen wichtigste Äußerungen eines Regierungschefs über die Gestaltung der Landespolitik innerhalb eines bestimmten Zeitraumes; aus ihnen ist abzulesen, welchen politischen Aufgaben der Regierungschef in seiner Amtszeit besonderen Wert und politischen Vorrang einzuräumen gewillt ist. Aber abgesehen

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von den rechtlichen Bedenken gegen eine Gleichsetzung von Regierungserklärung und Ausübung der Richtlinienkompetenz kann auch sachlich durchaus fraglich sein, ob diese Regierungserklärungen Richtliniencharakter besitzen und Richtlinienwirkung auslösen können. Sie sind i m allgemeinen so weit und allgemein gefaßt, daß sie auch inhaltlich nicht den Anforderungen entsprechen, die man an eine Richtlinie der Politik stellen muß; denn diese Richtlinien müssen ja so gefaßt sein, daß ihre Adressaten zumindest unmißverständlich aus ihnen entnehmen können, was der Regierungschef konkret w i l l ; und überdies muß die Durchführung dieser Richtlinien auch kontrollierbar sein. Gegenüber der Inanspruchnahme der Richtlinienkompetenz fällt das verfassungsmäßige Recht des Regierungschefs zur Leitung der Geschäfte der Landesregierung nicht wesentlich ins Gewicht. Sicherlich kann der Regierungschef i n dieser Funktion durch das Mittel der Überredung und der formlosen internen Abstimmung manches zur Erreichung seiner politischen Ziele tun. Jedoch ist nicht verkennbar, daß er dabei immer auf eine seinen Vorstellungen günstige Mehrheitsentscheidung seines Kabinetts angewiesen ist. Ist das Kabinett nicht bereit, seinen Vorstellungen oder Wünschen zu folgen, so kann der Regierungschef nur entweder die Angelegenheit zurückstellen oder sich überstimmen lassen; andernfalls muß er doch von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. "!

IV Diese Tatbestände und Entwicklungen haben, wenn man die Staatspraxis in den deutschen Ländern betrachtet, die Arbeit der Staatskanzleien als Behörden der Ministerpräsidenten weitgehend geprägt. Das Schwergewicht ihrer koordinierenden Tätigkeit zwischen den Ressorts hat lange Zeit i m rechtlichen Bereich gelegen, i n dem die Staatskanzleien Gesetzgebungs- und Verordnungsvorhaben der Ressorts auf ihre rechtliche Unbedenklichkeit überprüften oder Verwaltungsmaßnahmen der Ministerien, soweit sie ihnen vor ihrem Erlaß überhaupt zur Kenntnis kamen, i n erster Linie unter rechtlichen, äußerstenfalls noch unter Haushaltsgesichtspunkten, überprüften. Eine zusammengefaßte, nach klaren, vom Regierungschef festgelegten Grundsätzen gehandhabte und nach bestimmten Zielen ausgerichtete Beobachtung und Koordinierung aller landespolitisch bedeutsamen Maßnahmen ist — das darf man wohl allgemein feststellen — bisher zumindest die Ausnahme gewesen. Selbst eine ständige Kontrolle der Staatskanzleien über die Durchführung der vom Regierungschef gegebenen Richtlinien der Politik ist nicht immer festzustellen; vor allem

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aber ist sicherlich nur ganz selten der Versuch gemacht worden, die Auswirkungen bereits verkündeter Richtlinien der Politik auf die gesamten landespolitischen Aufgaben zu beobachten und dem Regierungschef etwa Änderungen oder Ergänzungen seiner Richtlinien zu empfehlen. Der Versuch, den Staatskanzleien ganz generell eine ressortunabhängige, koordinierende und vorausplanende Funktion aus der Richtlinienkompetenz oder der Geschäftsleitungsfunktion des Ministerpräsidenten einzuräumen, ist nach meiner — allerdings nicht lückenlosen — Kenntnis praktisch nie unternommen worden. Angesichts dessen hat sich i n der Staatspraxis der Länder eine außerordentlich große Selbständigkeit der Ressorts ergeben. Immer wieder war und ist zu beobachten, daß die Ressorts wichtige landespolitische Maßnahmen dem Ministerpräsidenten vor ihrer Verkündung nicht oder zumindest nicht rechtzeitig mitteilen. Inwieweit darüber hinaus etwa Vorschriften i n den Geschäftsordnungen, nach denen der Landesregierung „alle Angelegenheiten von allgemeinpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung zu unterbreiten sind" (§ 9 der Geschäftsordnung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen), mit Blick auf eine langfristige Koordinierung und Planung bedeutsam geworden sind, müßte Gegenstand einer besonderen Untersuchung sein. Man w i r d jedoch sagen können, daß auch dort, wo solche Bestimmungen i m wesentlichen loyal befolgt worden sind, ihre W i r k samkeit begrenzt geblieben ist, weil das Kabinett auch in diesen Fällen immer nur mit Einzelfragen konfrontiert wurde, ohne die Möglichkeit zu haben, diese i n ihrer sachlichen, finanziellen und politischen Bedeutung für die gesamte Landespolitik voll zu übersehen. Hier werden daher auch die großen sachlichen und politischen Schwierigkeiten jeder Staatskanzlei bei ihrem Bemühen erkennbar, auf wichtige landespolitische Aufgaben planend oder koordinierend Einfluß zu nehmen. I m allgemeinen erfährt sie von wichtigen Vorgängen zu wenig und zu spät. Vor allem aber stoßen ihre Bemühungen sehr bald an das verfassungsrechtlich verbürgte Ressortprinzip, das jedem Minister einen deutlichen rechtlichen, politischen und sachlichen Vorrang gegenüber jedem Koordinierungsbemühen der Staatskanzlei einräumt. Immer dann, wenn sie diese Funktion i n Angelegenheiten von auch nur einiger Bedeutung wahrnehmen w i l l , ist sie bisher zumeist auf die Hilfe des Regierungschefs selbst angewiesen, auf seine Bereitschaft, die jeweils beteiligten Kabinettskollegen dazu zu bringen, eine Koordinierung dieser Aufgabe durch die Staatskanzlei zuzulassen. Abgesehen davon haben sich i n der Praxis der Regierungsarbeit aber auch zwischenzeitlich andere Methoden entwickelt, die bislang häufig an die Stelle einer Koordinierung durch die Staatskanzlei treten. Die Ministerialverwaltungen haben seit geraumer Zeit versucht, der Ver-

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flechtung der öffentlichen Aufgaben verwaltungsmäßig auf den herkömmlichen Grundlagen der inneren Kabinettverfassung gerecht zu werden. Sie bedienen sich dabei vor allem zweier Mittel, einer Verstärkung der interministeriellen Abstimmung durch Referentenbesprechungen und der Schaffung mehr oder weniger ständiger interministerieller Ausschüsse und Arbeitsgruppen. Dazu ist kritisch zu bemerken, daß i n beiden Fällen bisher in der Mehrzahl entweder die Koordinierung rechtlicher Erwägungen oder das Aushandeln von Ressortinteressen i m „do ut des"-Verfahren i m Vordergrund der Bemühungen stand. Darüber hinaus ist gegen diese Formen der Koordinierung aber auch grundsätzlich einzuwenden, daß durch sie wichtige Vorentscheidungen i n die bürokratische Ebene verlagert werden, die eigentlich eines Impulses von Seiten der Regierung oder des Regierungschefs bedurft hätten. Zum anderen aber sind diese Koordinierungsmethoden auch m i t dem Mangel behaftet, daß die Ausschußvorschläge i n ihrer Entstehung und i n ihren Hintergründen für die Regierung und den Regierungschef oft nicht leicht durchschaubar sind. Nicht zuletzt aber hat sich gezeigt, daß diese Form der interministeriellen Abstimmung dort unbrauchbar ist, wo es sich u m wirklich politisch bedeutungsvolle Sachfragen handelt. Die interministeriellen Referentengremien haben sich i n solchen Fällen meist auf die Feststellung beschränkt, daß sie zu diesen Problemen wegen ihres vorwiegend politischen Gehalts nicht Stellung nehmen könnten. Oder sie haben sogar Lösungsvorschläge unter Verkennung dieser Probleme gemacht. Daneben haben sich aber noch zwei weitere Methoden der Koordinierung von politisch größerem Gewicht herausgebildet: (a) die Einsetzung von Sonderbeauftragten, die dem Regierungschef oder einem Minister unmittelbar unterstellt wurden, und (b) die Einsetzung von Staatssekretärsausschüssen, denen — je nach Inhalt und Umfang der gestellten Aufgabe — alle oder mehrere Staatssekretäre unter dem Vorsitz des Chefs der Staatskanzlei angehörten. Was die Einsetzung von Sonderbeauftragten betrifft, so ergeben sich meist schon bei der Abgrenzung des Sonderauftrages Schwierigkeiten, weil es i m allgemeinen schwer möglich ist, i m voraus alle Probleme zu übersehen, die den einem Sonderbeauftragten zu erteilenden Auftrag berühren. I n der Praxis führt aber auch erfahrungsgemäß der Mangel an eigener Verwaltungs- und Finanzzuständigkeit des Sonderbeauftragten zu Schwierigkeiten. Hinzu kommt eine weitere Komplizierung des Verwaltungsaufbaues, die vor allem zu Lasten der Außenstehenden geht. Nicht zuletzt führen solche Sonderaufträge oft zu Reibungen mit den „an sich" zuständigen Ressorts, die meist dann auch noch über die Mittel verfügen, die der Sonderbeauftragte benötigt, um erfolgreich arbeiten zu können.

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Bei der Einsetzung von Staatssekretärsausschüssen hat sich gezeigt, daß diese Koordinierungsform i m Hinblick auf die allgemeine dienstliche Belastung der Staatssekretäre als der leitenden Beamten ihrer Ressorts nur i n begrenztem Umfange möglich ist. Dies gilt vor allem auch für die dadurch entstehende Belastung des Chefs der Staatskanzlei mit immer neuen einzelnen Koordinierungsaufträgen. Überdies hat sich die Übung eingebürgert, daß die Beratungen solcher Staatssekretärsausschüsse durch die Ministerialbürokratie in den Ressorts vorbereitet werden oder daß diese sogar von den Staatssekretärsausschüssen Einzelaufträge erhält. Vor allem aber hat auch diese Methode bisher zumeist nur zu einer punktuellen Koordination bei Einzelfragen geführt; erst i n den letzten Jahren ist die Methode für die Zwecke einer langfristigen Planung und Koordinierung hin und wieder nutzbar gemacht worden. V Dieser durch die verfassungsrechtliche Lage und die Staatspraxis i n den Ländern geprägte Zustand t r i f f t nicht nur auf die wissenschaftlichen Erörterungen über eine zeitgerechte Regierungs- und Verwaltungsplanung. Er t r i f f t auch auf die wachsende Erkenntnis, daß die heutigen Notwendigkeiten der Regierungspolitik über die herkömmlichen staatsrechtlichen Betrachtungsweisen und Regierungstechniken hinweggegangen sind. Zugleich wächst auch die Erkenntnis, daß heute ein Ministerium keine in sich abgeschlossene und politisch „autarke" Verwaltungseinheit mehr ist; denn es w i r d immer offenkundiger, daß bei den großen regierungspolitischen Aufgaben kein Ressort ohne die M i t w i r k u n g anderer Ressorts mehr auskommt. Daß die Diskussion über diese Frage zurzeit auch die Regierungen und Verwaltungen stärker erfaßt, mag nicht zuletzt durch die Verschlechterung der Haushaltslage in Bund und Ländern sowie durch die Bemühungen des Bundes um ein Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität bedingt sein. Dieser Gesetzentwurf sieht u. a. eine langfristige Finanzplanung für die Haushaltswirtschaft des Bundes vor, in der Umfang und Zusammensetzung der öffentlichen Ausgaben und ihrer Deckungsmöglichkeiten für eine bestimmte Anzahl von Jahren i m voraus dargestellt und mit dem gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögen i n Einklang gebracht werden sollen. Da die gleiche Pflicht auch für die Länder entstehen wird, ergibt sich auch für sie die Aufgabe, eine solche langfristige Planungsarbeit nun ernstlich ins Auge zu fassen und die dafür erforderlichen organisatorischen und technischen Voraussetzungen zu schaffen. Sollte es überdies zur Verwirklichung der Vorstellungen kommen, welche die Sachverständigenkommission der Bundesregierung für die

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Finanzreform i n ihrem Gutachten ausgearbeitet hat, vor allem zur Schaffung sogenannter Gemeinschaftsaufgaben, so w i r d sich der Zwang zur Koordinierung und langfristigen Planung für die Länder nicht nur verstärken. Es w i r d sogar zu einer koordinierten Gesamtplanung von Bund und Ländern kommen müssen. Kann daher insgesamt wohl davon ausgegangen werden, daß die Erkenntnis der Notwendigkeit langfristiger und zielstrebiger Koordinierungs- und Planungsmaßnahmen für eine zeitgerechte Regierungspolitik wächst, so ist, insbesondere i m politischen Bereich, nach wie vor streitig, wer innerhalb der Regierung für diese Koordinierung und Planung zuständig sein soll. Einerseits w i r d die Auffassung vertreten, eine solche Koordinierung und Planung könne nur durch den Regierungschef und seine Behörde vorgenommen werden. Andererseits w i r d die Meinung verfochten, alle diese Koordinierungs- und Planungsmaßnahmen ließen sich auch mit den herkömmlichen Mitteln der inneren Kabinettverfassung, insbesondere des Kollegialprinzips durchführen. Andere wiederum vertreten die Auffassung, auch für solche Koordinierungs- und Planungsaufgaben sei das M i t t e l interministerieller Abstimmung zwischen den unmittelbar beteiligten Ressorts völlig ausreichend. Die Auffassung, daß für diese langfristige Koordinierungs- und Planungsarbeit die Behörde des Regierungschefs, die Staatskanzlei, besonders geeignet ist, ist von Professor Knöpfle i n seinem Aufsatz „Inhalt und Grenzen der Richtlinien der Politik des Regierungschefs" 1 aus verfassungsrechtlicher Sicht eingehend dargelegt und begründet worden. Ergänzend dazu scheint mir hier nur der Hinweis wichtig, daß sich die Staatskanzlei für diese Koordinierungs- und Planungsarbeit vor allem auch deshalb empfiehlt, weil sie ressort- und interessenneutral ist, während jedes Ministerium gewisse „Hausinteressen" verficht und durchzusetzen versucht. Abgesehen davon ergeben sich aber, und gerade auch bei politisch bedeutsamen Fragen, erfahrungsgemäß Schwierigkeiten, wenn diese zwischen den beteiligten Ressorts koordiniert werden sollen, weil i n solchen Fällen ein Ressort i m allgemeinen nicht bereit ist, dem anderen nachzugeben oder dessen Entscheidungsbefugnis anzuerkennen. Die Entscheidung solcher Fragen w i r d daher auch schon jetzt gelegentlich der Staatskanzlei als einer A r t von „unabhängigen Stelle" anheimgegeben, allerdings meistens i n einem Zeitpunkt, i n dem ihre eigenen Vermittlungs- und Koordinierungsmöglichkeiten sachlich sehr begrenzt sind. I n diesem Zusammenhang möchte ich allerdings i m Hinblick auf vorhergehenden Erörterungen auch davor warnen, die Bedeutung Koordinierungsarbeit der Staatskanzlei bei der Vorbereitung von setzentwürfen zu überschätzen. Es ist allgemein bekannt, daß die 1

Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 80, 1965, S. 857—862 u n d 925—930.

die der GeGe-

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setzgebungsarbeit i n den Ländern nach Inhalt und Umfang immer stärker zurückgeht; was hier zu t u n ist, betrifft — zumindest zurzeit — einen relativ bescheidenen Bereich der Regierungsarbeit i n den Ländern. Die M i t w i r k u n g an der Bundesgesetzgebung ist zurzeit viel gewichtiger als die Koordinierung i m landeseigenen Gesetzgebungsbereich. Das Schwergewicht des Regierungshandelns hat sich i n den Ländern i n den administrativen Bereich verschoben; gerade dies aber bedeutet, daß die Koordinierung wichtiger landespolitischer Aufgaben durch die Staatskanzlei als ressort- und interessenneutrale Behörde besonderes Gewicht erhalten hat.

VI Für die weiteren Ausführungen soll unterstellt werden, daß die Notwendigkeit, eine auf die landespolitisch bedeutsamen Aufgaben konzentrierte, planmäßige, zielstrebige und langfristige Koordinierungsarbeit zu leisten, anerkannt ist, und zugleich Einmütigkeit darüber besteht, daß diese Arbeit am besten von den Staatskanzleien als den Behörden der Regierungschefs geleistet werden kann. Dann ergeben sich mehrere grundsätzliche Erwägungen hinsichtlich der Durchführung solcher Aufgaben und der für sie erforderlichen sachlichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen. Angesichts der Tatsache, daß die Überlegungen i n den Ländern zur Frage einer langfristigen Koordinierung wichtiger Regierungsaufgaben noch i n den Anfängen stecken, möchte ich mich statt auf große und umfassende Pläne auf ein praktisch-pragmatisches Minimalprogramm konzentrieren, mit dem zunächst einmal die wichtigsten Voraussetzungen für eine solche koordinierende Tätigkeit der Staatskanzlei geschaffen werden können — und zwar selbst auf die Gefahr hin, daß sich dieses Programm i m Hinblick auf die Beiträge aus dem wissenschaftlichen Bereich i n dieser Tagung als eine K u r m i t recht harmlosen „homöopathischen" Mitteln ausnimmt, wo stärkere Eingriffe erforderlich sein könnten. Hier scheint mir an erster Stelle die Erkenntnis von Bedeutung, daß jede koordinierende und planende Tätigkeit durch die Staatskanzleien ein erheblich umfangreicheres Informationswissen voraussetzt, als es ihnen heute gemeinhin zur Verfügung steht. Koordination bedingt Information. Ohne sie ist eine koordinierende Tätigkeit schlechterdings unmöglich. Damit ergibt sich die Frage, wie sich die Staatskanzleien diese für ihre Koordinierungs- und Planungsarbeit notwendigen Informationen beschaffen können. Nach meinem Dafürhalten w i r d das nicht möglich sein ohne die Schaffung einer besonderen Informations- und Dokumentationsstelle, die alle für die planenden und koordinierenden Funktionen der Staatskanzlei wichtigen Daten und Fakten besitzt oder sie sich zu18

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mindest kurzfristig verschaffen kann und dieses Dokumentationsmaterial laufend auf dem neuesten Stand hält. Zu denken ist hier zunächst an die planungs- und koordinierungsrelevanten Informationen, die der Staatskanzlei von außen zugehen, d. h. an die deutsche und ausländische Presse, an die periodischen Druckschriften, an die Fachpresse, vor allem wirtschaftlicher und sozialer Zielrichtung, nicht zuletzt aber auch an die juristische und wirtschaftswissenschaftliche Literatur, soweit sie für diese Aufgaben von Bedeutung ist. Hier w i r d das für alle Behörden heute so schwierige Problem der Auswertung und Aufbereitung des Informationsmaterials offenkundig. Es w i r d darauf ankommen, ein System zu entwickeln, das die Informations· und Dokumentationsstelle i n den Stand setzt, Wichtiges von Unwichtigem schnell zu trennen und ihre eigenen Unterlagen so leicht zugänglich und überprüfbar wie möglich zu halten. I n Zusammenhang damit steht die Notwendigkeit der Vermeidung von Doppelarbeit — und zwar einmal i m Verhältnis zu den anderen Ministerien, zum anderen zum Statistischen Landesamt. Sicherlich kann es nicht Sinn der i n der Staatskanzlei zu schaffenden Informations- und Dokumentationsstelle sein, ein überdimensioniertes Dokumentationszentrum zu errichten. Die Stelle sollte sich vielmehr der Informationsunterlagen anderer Häuser jederzeit schnell und wirkungsvoll bedienen können, zumal insbesondere die Finanz-, Wirtschafts- und Planungsressorts heute oft schon über eigene volkswirtschaftliche und statistische Referate verfügen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Informations- und Dokumentationsstelle der Staatskanzlei und dem Statistischen Landesamt ist besonders wichtig, weil das Statistische Landesamt über die größte Menge an statistischen Informationsmaterial verfügt, wenn dieses Material wahrscheinlich auch i n vielen Fällen unter wesentlich anderen Gesichtspunkten ermittelt worden ist als denjenigen, die für die Staatskanzlei und ihre Koordinierungs- und Planungsarbeit interessant sind. Hier w i r d es darauf ankommen, i m Statistischen Landesamt eine A r t „Kopfstelle" zu bilden, die i n ständiger, unmittelbarer und nicht durch Dienstund Fachaufsichtsprobleme behinderter Fühlungnahme mit der Staatskanzlei stehen kann und i n der Lage ist, kurzfristig festzustellen, ob bestimmtes Informationsmaterial für die Staatskanzlei beim Statistischen Landesamt zur Verfügung steht oder unter bestimmten Gesichtspunkten ausgewertet werden kann, welche die Staatskanzlei beschäftigen. I m übrigen w i r d die Zusammenarbeit m i t dem Statistischen Landesamt für die Staatskanzlei auch deshalb von besonderer Bedeutung sein, weil das Statistische Landesamt über die technischen Einrichtungen verfügt, die zur Auswertung und Aufbereitung größerer Mengen von Informationsmaterial notwendig sind.

Erwägungen vom Standpunkt der Regierungspraxis

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Für die Staatskanzlei sind aber nicht nur die von außen kommenden Informationen wichtig; fast noch wichtiger sind die Informationen aus den Ministerien und ihren nachgeordneten Behörden und Dienststellen. Das bedeutet zunächst, daß der Informations- und Dokumentationsstelle der Staatskanzlei alle Publikationen der Landesregierung und der Landesbehörden zugehen müssen, damit die Staatskanzlei auf diese Weise so früh wie möglich alle Pläne und Erwägungen der Ressorts kennenlernt. Darüber hinaus aber scheint es auch notwendig, eine ständige Information der Staatskanzlei über alle landespolitisch bedeutsamen Fragen, mit denen sich die Ressorts befassen, noch auf direktem Wege sicherzustellen. Unter dem Gesichtspunkt der Richtlinienkompetenz und der Geschäftsleitungsbefugnis des Ministerpräsidenten erscheint es unerläßlich, daß die Ressorts ihn rechtzeitig über alle landespolitisch bedeutsamen Probleme unterrichten. Dabei sind für die Unterrichtung des Regierungschefs durch die Ressorts grundsätzlich zwei Formen denkbar: eine Berichterstattung von bedeutsamem Fall zu Fall, oder eine regelmäßige, periodische Berichterstattung. Ich bin m i r der Gefahr einer periodischen Berichterstattung durchaus bewußt; sie könnte nach kurzer Zeit zu einem inhaltlosen Formalismus erstarren und nur noch hinsichtlich der Sachverhalte interessant sein, die i n den Berichten mittels einer besonderen Kunst des Weglassens nicht erwähnt werden. Die Erfahrungen des Bundeskanzleramtes, dem die Bundesressorts solche periodischen Berichte vorlegen, lassen jedoch immerhin die Möglichkeit erkennen, eine solche Berichtstätigkeit seitens der Staatskanzlei zu steuern und damit ihre Qualität zu erhalten oder zu heben. Auch Erfahrungen großer Industrie- und Wirtschaftsbetriebe könnten hierzu ausgewertet werden. Überdies dürften solche periodischen Berichte auch die positive Auswirkung haben, daß die Ressorts selbst, i n denen ja heute noch weitgehend die Behandlung von Einzelfragen vorherrscht, in regelmäßigen Zeitabständen gezwungen werden, sich über die großen regierungspolitischen Probleme ihres Geschäftsbereiches und deren jeweiligen Stand klar zu werden. Auf dem Boden der derzeitigen verfassungsrechtlichen Vorschriften über die innere Kabinettverfassung ist das wichtigste und wirkungsvollste Instrument des Ministerpräsidenten zur Koordinierung und Planung der Landespolitik seine Richtlinienkompetenz. Der Erfolg jeder Koordinierung muß daher vom wirkungsvollen Einsatz dieses Mittels abhängen. Das kann i m Hinblick auf das vorher Gesagte nur bedeuten, daß die Inanspruchnahme der Richtlinienkompetenz als normales Steuerungsmittel der Landespolitik wesentlich stärker als bisher genutzt werden müßte. Konkret hätte das etwa folgende Konsequenzen: 18*

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(a) Unmittelbar nach der Regierungserklärung zu Beginn seiner Amtszeit faßt der Ministerpräsident alle die Punkte seiner Regierungserklärung zusammen, die er zu Richtlinien der Politik erklären w i l l , und gibt sie den Ressorts schriftlich als solche bekannt mit der Aufforderung, ihm Vorschläge zur Durchführung dieser Richtlinien der Politik zu unterbreiten und i h m über ihre Maßnahmen zur Durchsetzung der Richtlinien regelmäßig zu berichten. (b) Die Staatskanzlei erhält den Auftrag, die Verwirklichung der Richtlinien der Politik i n den Ressorts ständig zu beobachten und dem Ministerpräsidenten zu berichten, soweit sich aus der weiteren Entwicklung der Regierungsarbeit die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer Änderung oder Erweiterung erteilter Richtlinien der Politik ergibt. Zugleich w i r d die Staatskanzlei beauftragt, das gesamte Regierungsund Verwaltungshandeln der obersten Landesbehörden daraufhin zu überprüfen, ob sich i m Laufe der Entwicklung die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit ergibt, i n weiteren Bereichen Richtlinien der Politik zu erlassen. (c) Der Ministerpräsident verpflichtet die Ressorts generell, ihn bei unterschiedlichen Auffassungen über die Durchführung seiner Richtlinien der Politik sowie sonstiger wichtiger landespolitischer Maßnahmen möglichst frühzeitig zu unterrichten, damit die Staatskanzlei als seine Behörde sich notfalls zur Vermeidung von Schwierigkeiten und Fehlleistungen vermittelnd einschalten kann. (d) Alle Veröffentlichungen der obersten Landesbehörden müssen über die beim Ministerpräsidenten bestehende Landespresse- und Informationsstelle erfolgen. Diese Stelle ist auch über den Inhalt geplanter Rundfunk- und Fernsehinterviews so frühzeitig zu informieren, daß die Staatskanzlei den Ministerpräsidenten notfalls auf Widersprüche i n diesen öffentlichen Erklärungen mit den Richtlinien seiner Politik hinweisen kann. Für eine wirkungsvolle, zielstrebige und langfristige Koordinierung und Planung der Landespolitik wäre es darüber hinaus von großem Nutzen, wenn sich die Landesregierungen selbst häufiger als bisher mit Grundsatzfragen befassen würden. Nach aller Erfahrung muß gesagt werden, daß die Kabinettsitzungen i n den Ländern zum weit überwiegenden Teil zwar mit sehr zeitraubenden Tagesordnungen gefüllt sind, daß das politische Gewicht der Beratungspunkte jedoch nur zu einem geringen Teil von weittragender landespolitischer Bedeutung ist. Angesichts der Fülle von Detailfragen bleibt dann wenig Zeit und Neigung, sich größeren landespolitischen Problemen zuzuwenden und sie i n allen wichtigen Einzelheiten durchzudiskutieren. Das gelegentlich praktizierte Verfahren, daß Mitglieder der Landesregierung landespolitisch bedeut-

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same Probleme i m Kabinett nur mündlich oder gar außerhalb der Tagesordnung vortragen, hat wiederholt dazu geführt, daß das Kabinett mangels gründlicher Vorbereitung solcher Beratungspunkte konkrete Ergebnisse nicht erzielen und nur beschließen konnte, von dem Bericht des Ministers „Kenntnis zu nehmen". I m besten Falle wurden über begrenzte Teilaspekte der Probleme Beschlüsse gefaßt, die dann nach einiger Zeit wieder geändert, ergänzt oder aufgehoben werden mußten. Angesichts dessen erscheint die Überlegung gerechtfertigt, ob die Kabinette sich nicht alle zwei Monate einmal zu einer Sitzung ohne die übliche Tagesordnung zusammenfinden sollten. Statt dessen sollten in dieser Kabinettsitzung erörtert werden: (a) die periodischen Berichte von je zwei oder drei Ressorts über landespolitisch bedeutsame Entwicklungen i n ihrem Bereich; (b) ein Bericht des Finanzministers über die Finanzlage des Landes; (c) ein Bericht des Beauftragten des Landes bei der Bundesregierung über aktuelle und wichtige Fragen des BundLänder-Verhältnisses sowie über Gesetzesvorhaben des Bundes mit erheblichen Auswirkungen auf die Landespolitik. Auf diese Weise könnte die Möglichkeit geschaffen werden, daß sich jedes Kabinett etwa zweimal pro Jahr mit landespolitisch bedeutsamen Fragen jedes Ressorts beschäftigt, daß alle Minister i n jedem zweiten Monat über die Finanzsituation des Landes unterrichtet werden, und daß sie außerdem über die Entwicklung der Beziehungen zum Bund und den Fortgang der Bundesgesetzgebung auf dem laufenden gehalten werden. Die Beratungspunkte i n diesen Sonderkabinettsitzungen müßten durch schriftliche Berichte vorbereitet werden, für die notfalls ein bestimmtes technisch-formales Verfahren entwickelt werden müßte, damit sie für die Kabinettberatungen möglichst ergiebig sind. Denn nur auf der Grundlage solcher vorbereitender schriftlicher Vorlagen ist eine erfolgreiche Erörterung i m Kabinett möglich. Da die Staatskanzlei nicht nur Behörde des Ministerpräsidenten, sondern mit Blick auf die technische Vorbereitung und Durchführung der Kabinettsitzungen auch die Behörde der ganzen Landesregierung ist, muß diese Funktion sich auch auf die vom Kabinett etwa gebildeten Ministerausschüsse erstrecken. Nur so ist gewährleistet, daß der Ministerpräsident auch über die Beratungen dieser Ausschüsse ständig auf dem laufenden gehalten werden kann.

VII

Hinsichtlich der Probleme einer langfristigen Planung von Regierungsaufgaben durch die Staatskanzlei ist zunächst auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

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(a) Die sachlichen, organisatorischen, technischen und personellen Voraussetzungen einer solchen Tätigkeit sind i m Bereich der Länder, soweit mir bekannt, bisher noch wenig durchdacht. Es erscheint dringend erforderlich, daß sich die Länder über die Erfahrungen vergewissern, die i n anderen europäischen Ländern und i n den Vereinigten Staaten, bei den Behörden der Europäischen Organisationen und nicht zuletzt i m Bereich der Wirtschaft mit Planungsabteilungen gemacht worden sind. (b) Angesichts des derzeitigen Standes der Dinge w i r d sich die Planungsarbeit der Staatskanzleien auf lange Zeit wahrscheinlich am besten etwa i n der Form der task forces oder des crisis management nach amerikanischem Vorbild vollziehen. Das bedeutet, daß gewisse für die Landespolitik der Zukunft besonders wichtige Probleme i n die Planungsarbeit der Staatskanzlei aufgenommen und nach ihrer Analysierung und Auswertung für die Richtlinienpolitik des Regierungschefs wieder i n die Obhut der jeweils zuständigen Ressorts entlassen werden. Dabei sollte gerade i n diesem Zusammenhang generell darauf geachtet werden, daß die notwendigen Planungsarbeiten i n den Ressorts durch die Planungsfunktionen der Staatskanzlei grundsätzlich nicht eingeengt werden und daß darüber hinaus Planungsaufgaben, die einer Betreuung durch die Staatskanzlei nicht mehr bedürfen, von dieser Behörde abgegeben werden. Die Staatskanzlei sollte sich jeder unnötigen eigenen Planungstätigkeit enthalten und sich i n erster Linie auf die Anregung von Ressortplanungen und deren Koordinierung beschränken. Unter Beachtung dieser allgemeinen Erwägungen sind schon jetzt einige Gesichtspunkte aufzuzeigen, welche für die Durchführung einer langfristigen Regierungsplanung von Wichtigkeit sind, wobei ich mich auch hier — wie bei den Überlegungen zur langfristigen Koordinierung — bewußt auf ein Minimalprogramm beschränke. Langfristige Regierungsplanung setzt zunächst voraus, daß die damit Betrauten wissen, welchen politischen Problemen der Regierungschef selbst für die Zukunft besondere Bedeutung beimißt. Dabei genügt es nicht, sich diese Kenntnis aus gelegentlichen und sporadischen Bemerkungen des Regierungschefs, etwa i n der Öffentlichkeit oder bei der Entscheidung von Einzelfällen, zu verschaffen. Es müßte vielmehr die Möglichkeit bestehen, daß zwischen dem Regierungschef und den für diese Aufgabe eingesetzten Beamten ein regelmäßiger Gedankenaustausch erfolgt, damit die großen Linien einer solchen Planungsarbeit festgelegt und immer wieder ergänzt oder geändert werden können. Die Arbeit der Staatskanzlei selbst müßte — und zwar gerade auch i n den Referaten, die nicht unmittelbar mit Planungsaufgaben zu tun haben — stärker als bisher darauf ausgerichtet werden, der Planungsabteilung alle planungsrelevanten Erkenntnisse zukommen zu lassen, die sich aus der Arbeit der anderen Referate ergeben.

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Besonders wichtig für den Erfolg einer langfristigen Regierungsplanung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der dafür zuständigen Abteilung der Staatskanzlei und der Presse- und Informationsstelle der Landesregierung. Die i n diesem Zusammenhang so aktuelle Problematik der Informationspolitik der Länderregierungen muß hier außer Betracht bleiben. Soviel ist jedoch sicher: Die Arbeit der Presse- und Informationsstelle einer Landesregierung darf sich i n Zukunft nicht darauf beschränken, allgemein gute Beziehungen zur Presse und zu den Journalisten zu pflegen und sich i m übrigen auf die Veröffentlichungen von Regierungsmitteilungen zu beschränken. Vielmehr gewinnt der Bereich der Auswertung aller eingehenden Presseinformationen mit Blick auf die langfristigen Planungsaufgaben der Staatskanzlei besondere Bedeutung. Das gilt auch für Form, Inhalt und Zeitpunkt der Veröffentlichungen der obersten Landesbehörden. Eine generelle Beteiligung der mit langfristigen Planungsaufgaben betrauten Abteilung der Staatskanzlei an der Vorbereitung solcher Veröffentlichungen, aber auch an der gesamten Informationsarbeit der Landesregierung, soweit sie Fragen von besonderer landespolitischer Bedeutung betrifft, erscheint erwägenswert. Unabhängig davon w i r d aber auch zu prüfen sein, wie eine Zusammenarbeit zwischen der für langfristige Planungsaufgaben zuständigen Abteilung der Staatskanzlei und einem Kreis dafür ausgewählter erfahrener Journalisten erreicht werden kann. Es würde i n diesem Zusammenhang sicherlich für die Staatskanzlei von besonderer Bedeutung sein, wenn sich ihre Beamten von Zeit zu Zeit mit einem kleinen Kreis von Journalisten aus Presse, Rundfunk und Fernsehen treffen und mit ihnen in einen Gedankenaustausch über langfristige landespolitische Aufgaben eintreten könnten. Dabei wäre es nicht nur wichtig, zu erfahren, wie sich bestimmte landespolitische Probleme aus der Sicht der Öffentlichkeit darstellen, sondern auch, wie die Öffentlichkeit zu bestimmten landespolitischen Maßnahmen steht. Der Kreis dieser Journalisten müßte selbstverständlich sorgfältig bestimmt werden. Voraussetzung wäre i n jedem Falle eine berufsmäßige ständige Berührung mit landespolitischen Problemen und Interesse für sie. Abgesehen davon sollte es sich aber dann nicht nur um Redakteure der Ressorts „Landespolitik" i n den großen Tages- und Wochenzeitungen handeln, sondern auch u m Wirtschafts- und Lokalredakteure, die sich über die Vorstellungen der Wirtschaft und die Wünsche und Sorgen des Bürgers i n Stadt und Land ein B i l d machen können. Es bedarf kaum der Begründung, daß die Staatskanzlei eine langfristige Regierungsplanung nicht gewissermaßen i n einem „gläsernen Turm" betreiben kann, d. h. ohne ständigen Kontakt mit den anderen Ressorts. Sie w i r d bei dieser Aufgabe m i t den Ressorts Verbindung halten und sich m i t ihnen austauschen müssen, zumal ja auch die Ressorts

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selbst mit Blick auf ihre zukünftige Arbeit stärker als bisher eine sachgerechte Ressortplanung werden betreiben müssen. Würde es an dieser Zusammenarbeit fehlen, so käme die Staatskanzlei in die Gefahr, sich mit Fragen zu befassen, die möglicherweise zur gleichen Zeit vom Fachressort unter ganz anderen Gesichtspunkten und mit ganz anderen Ergebnissen geprüft werden. Eine solche Doppelarbeit kann nicht Sinn der Sache sein. Sicherlich w i r d es zunächst nicht ohne Schwierigkeiten möglich sein, zu einer Zusammenarbeit mit den Ressorts zu gelangen und den stark entwickelten Ressortegoismus zu überwinden. Immerhin müßte den Ressorts klarzumachen sein, daß es auch i n ihrem eigenen Interesse besser ist, i n Fragen der Regierungsplanung mit der Staatskanzlei zusammenzuarbeiten, als unter dem Eindruck zu leben, daß i n der Staatskanzlei eine A r t „Geheimplanung" betrieben wird, mit deren Ergebnissen die Ressorts eines Tages unerwartet konfrontiert werden könnten. Es müßte daher auch überlegt werden, ob nicht beim Chef der Staatskanzlei entweder ein ständiger interministerieller Planungsstab für die Aufgaben der langfristigen Regierungsplanung oder für bestimmte Aufgaben ad hoc zusammengestellte Arbeitsgruppen geschaffen werden sollten, die je nach Notwendigkeit zu gemeinsamer Erörterung zusammentreten und dem Kabinett Gutachten oder Vorschläge unterbreiten. Dabei müßten solche Gremien so zusammengesetzt sein, daß ihnen mit den jeweils zur Erörterung stehenden Problemen vertraute, erfahrene und zu einem objektiven und ressortunabhängigen Urteil fähige Beamte angehören. Darüber hinaus wäre aber auch zu prüfen, i n welcher Form sich die Landesregierungen für die Aufgabe der langfristigen Regierungsplanung der Hilfe der Wissenschaft bedienen können. Während sich diese Kontakte beim Bund bekanntlich in der Form wissenschaftlicher Beiräte vollziehen, ist i m Bereich der Länder die Schaffung solcher Gremien bisher — soweit bekannt — nie ins Auge gefaßt worden. Abgesehen davon ist jedoch auch zu erwägen, für bestimmte Aufgaben wissenschaftliche Arbeitsteams m i t fest umrissenen Aufgaben zu bilden. Und endlich sollte der Gedanke geprüft werden, ob sich die Staatskanzlei für die Durchführung langfristiger Planungsaufgaben nicht auch i m Einzelfall der Hilfe von erfahrenen Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft bedienen sollte, die eine zeitlang in der Behörde selbst mitarbeiten. Darüber hinaus ist aber auch eine langfristige Regierungsplanung nicht möglich, ohne daß die mit dieser Aufgabe Betrauten Kontakt mit den politischen Kräften haben, welche die Regierung tragen. Ohne Kenntnis darüber, was die Regierungsparteien und ihre Parlamentsfraktionen wollen, kann eine von der Verwaltung getragene Regierungsplanung

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nicht sachgerecht ausgeübt werden. Notwendig wären daher Erwägungen, wie den i n der Staatskanzlei mit solchen Aufgaben Betrauten die Möglichkeit verschafft werden kann, die Vorstellungen und Wünsche der Regierungsparteien und Fraktionen kennenzulernen. Daß i n diesem Zusammenhang auch eine kontinuierliche Beobachtung der Politik der Opposition unerläßlich ist, ergibt sich aus der Natur der Sache.

VIII Daß innerhalb einer langfristigen Regierungsplanung die Finanzplanung von besonderer Bedeutung ist, braucht wohl kaum begründet zu werden. Eine vorausschauende Finanz- und Haushaltsplanung ist ein wesentlicher und unverzichtbarer Teil jeder langfristigen Regierungsplanung. Hier ergeben sich jedoch rechtliche und sachliche Schwierigkeiten beträchtlichen Umfanges mit den Finanzressorts, die aus ihrer Sicht verständlicherweise die Auffassung vertreten, daß eine solche Finanz- und Haushaltsplanung nur von ihnen durchgeführt werden könne. I n rechtlicher Hinsicht w i r d dabei zumeist auf die i n den Verfassungen oder in der Reichshaushaltsordnung niedergelegten Vorschriften verwiesen, die den Finanzministern das alleinige Recht zur Aufstellung und Durchführung des Haushaltsplanes geben. I n sachlicher Hinsicht w i r d auf den unlösbaren Zusammenhang zwischen der Haushaltsgestaltung und einer vorausschauenden Finanz- und Haushaltsplanung hingewiesen. Nicht zuletzt spricht bei diesen Erwägungen aber auch die bekannte Neigung der Finanzressorts mit, sich nicht in ihre Karten blicken zu lassen. Von diesen Argumenten geht sicherlich das rechtliche eindeutig fehl. Die in den Landesverfassungen und den Vorschriften der Reichshaushaltsordnung festgelegten Zuständigkeiten des Finanzministers zur Aufstellung und Durchführung des jährlichen Haushaltsplanes unterscheiden sich ersichtlich von einer vorausschauenden Finanz- und Haushaltsplanung. Daher werden die rechtlich garantierten Zuständigkeiten des Finanzministers durch eine vorausschauende Haushalts- und Finanzplanung i n der Staatskanzlei nicht berührt. Aber auch i n sachlicher Hinsicht scheinen mir keine durchgreifenden Argumente gegen eine solche vorausschauende Finanz- und Haushaltsplanung durch die Behörde des Ministerpräsidenten zu bestehen. Ziel dieser vorausschauenden Haushalts- und Finanzplanung ist es bekanntlich, die großen landespolitischen Aufgaben auf die Entwicklung der Landesfinanzen abzustimmen und damit den allgemeinen Überlegungen

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und Planungen für die künftige Regierungsarbeit reale finanzwirtschaftliche Grundlagen zu geben. Eine solche vorausschauende Haushalts- und Finanzplanung erstreckt und beschränkt sich deshalb darauf, die voraussichtliche Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben über längere Zeiträume hinaus abzuschätzen, nach den dabei ermittelten Ergebnissen die Realisierbarkeit der durch die Regierungsplanung ermittelten politischen Zukunftsaufgaben abzuwägen und die voraussichtlich verfügbaren Haushaltsmittel nach der politischen Wertigkeit der Aufgaben i n der Sicht des Regierungschefs i m großen zu verteilen. Die Tätigkeit verlangt zwar eine ständige Zusammenarbeit zwischen Staatskanzlei und Finanzressort, berührt aber die Rechte des Finanzministers zur jährlichen Haushaltsaufstellung nicht unmittelbar. Abgesehen davon, daß die finanzstatistischen Unterlagen, die für eine vorausschauende Finanz- und Haushaltsplanung benötigt werden, relat i v begrenzt sind und jedenfalls nicht ständig den Kontakt mit allen Abteilungen des Finanzressorts und deren Sachkunde erfordern, spricht für die Durchführung einer solchen vorausschauenden Finanz- und Haushaltsplanung durch die Staatskanzlei aber auch, daß sie nicht ohne Festlegung von Prioritäten durch den Regierungschef durchzuführen ist. Gerade hier ist der ständige Kontakt mit dem Regierungschef unerläßlich. Nicht zuletzt würde eine vorausschauende Finanz- und Haushaltsplanung durch den Finanzminister erfahrungsgemäß leicht i n Ressortschwierigkeiten geraten, weil er schon bei der Aufstellung und Durchführung des jährlichen Haushaltes als „Gegenspieler" der übrigen Ressorts empfunden wird. Letztlich w i r d es jedoch eine politische Frage sein, i n welcher Form und insbesondere durch welche oberste Landesbehörde die vorausschauende Finanz- und Haushaltsplanung durchgeführt werden soll. So verlockend sich die Konzeption eines Landes-„Bureau of the Budget" beim Ministerpräsidenten aus der Sicht der Staatskanzleien ausnehmen kann: man sollte die realpolitischen Möglichkeiten der Verwirklichung eines solchen Gedankens dennoch nicht überschätzen.

IX

Geht man davon aus, daß es höchstwahrscheinlich bisher noch keine allgemeine Verfahrenstechnik für eine langfristige Koordinierungs- und Planungsarbeit der Staatskanzleien gibt, so kann auch nicht überraschen, daß nicht nur die Staatskanzleien selbst, sondern auch die gesamten Ministerialverwaltungen die Praxis einer solchen koordinierenden Tätigkeit noch nicht beherrschen. Einmal fehlt es ersichtlich nicht nur ganz allgemein am verwaltungspolitischen Gespür für die Bedeutung dieser

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Aufgaben. Noch bedeutungsvoller ist, daß die Ministerialverwaltungen sich i n keiner Weise darüber klar sind, was von ihnen selbst i n einem rein technischen Sinne bei der Bewältigung dieser Aufgabe gefordert wird. Hier zeigen sich vor allem die Folgen der Tatsache, daß, bedingt durch die rechtsförmige Entwicklung der öffentlichen Verwaltung i n den letzten 20 Jahren, auch i n den Ministerien das Denken i n Einzelfällen und Einzelproblemen vorherrschend geworden ist. Endlich aber fehlt es noch sehr weitgehend an einem verwaltungstechnischen Instrumentarium, m i t dessen Hilfe die ständige Zusammenarbeit zwischen Staatskanzlei und Ministerien i m Koordinierungs- und Planungsbereich zweckmäßig und sachgerecht gestaltet werden kann. Aus der Sicht der Staatskanzlei selbst w i r d es darauf ankommen, die Koordinierungs- und Planungsfunktionen so zu organisieren, daß es dabei nicht zu einer untragbaren Belastung des Regierungschefs und des Staatssekretärs kommt. Dazu muß man sich vergegenwärtigen, daß ein Regierungschef i n einem deutschen Land i m allgemeinen 5 wichtige politische Funktionen zugleich ausüben muß, nämlich die des Staatschefs, des Regierungschefs, des Ressortchefs, des Politikers — oft i n der Form des Parteivorsitzenden — und endlich des Abgeordneten. Die Summe der Belastungen aus diesen 5 verschiedenen Ämtern ist so enorm, daß die Bewältigung der dort geforderten Leistungen sachlich und zeitlich oft genug der Quadratur des Kreises gleichkommt. Trotzdem muß es möglich gemacht werden, daß zwischen dem Regierungschef und den in seiner Behörde mit Planungs- und Koordinierungsaufgaben betrauten Beamten ein regelmäßiger Meinungs- und Gedankenaustausch stattfinden kann. Aber auch i m Verhältnis zum Staatssekretär der Staatskanzlei muß die Arbeit der Planungs- und Koordinierungsabteilung sachlich und technisch so gestaltet werden, daß bei aller Wahrung des ständigen und notwendigen Kontaktes keine Überlastung des Staatssekretärs eintritt. Hier steht i m Vordergrund zurzeit die Notwendigkeit, ihn vor der Betrauung mit ständig neuen Einzelaufträgen zu bewahren, die oft genug neben der Leitung der Dienstgeschäfte der Staatskanzlei, der ständigen Beratung des Ministerpräsidenten sowie der Koordinierung zwischen den Staatssekretären der übrigen Ressorts kaum noch zu bewältigen sind. Nicht zuletzt aber w i r d bei der Auswahl der Bediensteten, die i n einer solchen Koordinierungs- und Planungsabteilung arbeiten sollen, mit größter Sorgfalt zu Werke gegangen werden müssen. Die Referenten einer solchen Abteilung müssen nicht nur überdurchschnittliche Kenntnisse des öffentlichen Rechtes besitzen; sie müssen nicht nur über eine umfassende Verwaltungs-, insbesondere Ministerialerfahrung verfügen; und sie sollten auch nicht nur einigermaßen gleichmäßig aus den für die Koordinierungs- und Planungsaufgaben besonders wichtigen Res-

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sorts herangezogen werden, um ihre sachlichen Erfahrungen i n diesen Ressorts und ihre personellen Beziehungen zu ihnen nutzen zu können. Ebenso wichtig ist, daß die Beamten das nötige Gespür für das Verhältnis von Politik und Verwaltung i n einer Regierung besitzen, daß sie über die Fähigkeit verfügen, mit den Kollegen i n anderen Ressorts umzugehen und Reibungsverluste bei diesem dienstlichen Verkehr nach Möglichkeit auszuschalten. Daß sie endlich die Fähigkeit besitzen müssen, i n flexibler Anwendung ihres Auftrages sich ständig neuen Situationen anzupassen und die Grenzen ihrer dienstlichen Funktionen stets ebenso i m Auge zu behalten wie deren Möglichkeiten, versteht sich am Rande. I n diesem Zusammenhang ist aus der Praxis noch ein Wort zu der Forderung zu sagen, daß die Bediensteten der Staatskanzlei, die sich mit langfristigen Koordinierungs- und Planungsaufgaben befassen, i m Wege einer periodischen „Personalfluktuation" ausgewechselt werden sollten, wobei mir der hier schon geäußerte Gedanke wichtig scheint, daß durch eine solche Fluktuation der Kern des „Stabes" und damit seine Funktionsfähigkeit nicht geschmälert werden darf. Grundsätzlich ist dieser Fluktuationsgedanke sicherlich zu bejahen. Angesichts der personalpolitischen Situation, insbesondere der geringen Neigung der Ressorts, qualifizierte Beamte — und gerade für diese Aufgabe — an die Staatskanzlei abzugeben, w i r d solchen Bemühungen um eine Fluktuation in der Praxis eine deutliche Grenze gesetzt sein.

X Erfordernisse und Entwicklungsmöglichkeiten der Staatskanzleien hinsichtlich der künftigen Gestaltung ihrer Aufgaben sind damit einigermaßen absteckbar, wenn auch i m einzelnen sicherlich noch nicht ausreichend durchdacht. Daß i m Rahmen dieser Erfordernisse und Entwicklungsmöglichkeiten die langfristige Regierungsplanung und Koordination das zentrale Problem darstellt, und daß sich an diesem Problem die künftige Stellung der Staatskanzlei i m politischen und administrativen Gefüge der Länder entscheiden w i r d : diese Feststellung erfordert keine Prophetengabe. I m Ministerialverwaltungsbereich bedarf es zur Verwirklichung dieser Ziele bestimmter Entscheidungen verfahrenstechnischer und organisatorischer Art, die nicht mit besonderen Schwierigkeiten und Risiken belastet sind. Es bedarf weiterhin einer Überwindung des Ressortegoismus — eine Aufgabe, welche die Ministerialverwaltung als ganzes durch den Appell an die Einsicht i n das Notwendige lösen kann und muß. Die eigentliche Schwierigkeit liegt i m politischen Bereich. Die Beauftragung der Staatskanzleien m i t langfristigen Aufgaben der Koordinierung

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und Planung der Regierungsarbeit stört das überkommene politische Balance-System zwischen Regierungschef und Ministern — mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen, insbesondere i n einer Koalitionsregierung. Die Bürokratie sollte die Bedeutung dieses Vorganges nicht gering schätzen; denn schließlich müssen i n einer Parteien-Demokratie die politischen Parteien ihre Wahlkämpfe auch mit den Leistungen bestreiten, die ihre Minister als Regierungsmitglieder i n ihrem eigenen Ressort erbracht haben. Daß sich daraus für jedes Kabinettmitglied der Zwang zur eigenen vorweisbaren Leistung ergibt, versteht sich von selbst. Aber noch ein Weiteres kommt hinzu. Professor Schelsky hat vor einigen Jahren i n einem Vortrag über „den Menschen i n der wissenschaftlichen Zivilisation" 2 ein B i l d der wissenschaftlichen Zivilisation und ihrer Auswirkungen auf den modernen Staat und seine Techniken der Herrschaftsausübung entworfen. Er hat dabei von der „fiktiven Entscheidungstätigkeit der Politiker i m technischen Staat" gesprochen, i n dem „die politischen Entscheidungen der Staatsführung nach wissenschaftlich kontrollierten Sachgesetzlichkeiten fallen", i n dem „die Regierung ein Organ der Verwaltung von Sachnotwendigkeiten w i r d " , weil „der technische Staat, ohne antidemokratisch zu sein, der Demokratie ihre Substanz entzieht". Niemand — am allerwenigsten die Bürokratie — sollte sich daher wundern, wenn der Politiker i n Planungs- und Koordinierungsbestrebungen der Bürokratie auch einen Aspekt der Gefahr jenes technischen Staates sieht, der nach Schelsky „der Demokratie ihre Substanz entzieht". Die Bürokratie aber ist Teil der Demokratie. Sie sollte daher nie aus dem Auge verlieren, daß sie auch dort, wo sie von Notwendigkeiten der sachgerechten Koordination und Planung auf lange Frist spricht, die Demokratie und ihre Institutionen zu respektieren und zu schützen hat. Gerade i n dieser Sicht könnte vielleicht ein „Weniger" an Planung auch einmal ein „Mehr" an Demokratie sein. Ich schließe mit einer Zusammenfassung. (1) Die Arbeit der Staatskanzleien ist Spiegelbild der verfassungsrechtlichen Stellung des Regierungschefs, dessen Funktionen gegenüber der Regierung als Kollegium und der Ressortzuständigkeit des einzelnen Ministers i n der Regierungspraxis deutlich zurücktreten. (2) Die Möglichkeiten des Regierungschefs, diese Begrenzung durch eine intensive und auf langfristige Koordinierungsgesichtspunkte aus2 Schelsky, H e l m u t : Der Mensch i n der wissenschaftlichen Zivilisation. A r beitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Geisteswissenschaften, Heft 96. K ö l n u. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1961.

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gerichtete Inanspruchnahme seiner Richtlinienkompetenz als normales Steuerungsmittel der Landespolitik zu durchbrechen, sind bislang, soweit nachprüfbar, entweder nicht oder nur geringfügig genutzt worden. (3) Die Koordinierungsarbeit der Staatskanzleien hat bisher sehr wesentlich i m rechtlichen Bereich gelegen. I n dem infolge der Abnahme der Gesetzgebungstätigkeit für die Landespolitik besonders wichtigen administrativen Bereich ist es dagegen i m allgemeinen noch zu keiner befriedigenden langfristigen Koordinierung oder gar Planung gekommen. Die Bemühungen der Staatskanzleien stoßen hier nicht nur auf überkommene, allerdings in ihrer sachlichen und politischen W i r k samkeit begrenzte interministerielle Koordinierungseinrichtungen und -bemühungen; auch ganz allgemein begegnet der Versuch der Staatskanzleien, Aufgaben der langfristigen Koordinierung und Planung innerhalb der Landesregierung durchzuführen, schnell den sachlichen und politischen Grenzen des verfassungsrechtlich verbürgten Ressortprinzips. (4) Wenn auch die Erkenntnis wächst, daß eine übergeordnete Koordinierung und Planung von politisch bedeutsamen Aufgaben innerhalb der Landesregierung unerläßlich ist, und durch das Stabilisierungsgesetz i m Bereich der Finanzplanung sogar i n Kürze erzwungen werden wird, so ist der Streit, wer innerhalb einer Landesregierung für diese Koordinierungs· und Planungsaufgaben zuständig sein sollte, bisher nicht entschieden — vor allem nicht zugunsten des Regierungschefs und der Staatskanzlei als seiner Behörde. (5) Die Übernahme größerer Koordinierungsfunktionen durch die Staatskanzlei w i r d i m einzelnen voraussetzen: (a) die Beschaffung eines umfassenden Informationswissens; (b) besondere sachliche, organisatorische und technische Möglichkeiten zur Beschaffung und Auswertung des von außen kommenden Informationsmaterials bei Vermeidung von Doppelarbeit durch enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Referaten der Ressorts und insbesondere m i t dem Statistischen Landesamt; (c) die verbesserte Beschaffung von Informationen aus dem Bereich der Landesverwaltung, insbesondere der obersten Landesbehörden, etwa durch Einführung einer periodischen Berichterstattungspflicht gegenüber dem Regierungschef; (d) eine Aktivierung der Richtlinienkompetenz als Steuerungsmittel einer koordinierenden und planenden Politik; (e) eine Aktivierung der Arbeit des Kabinetts i n landespolitisch wichtigen Fragen. (6) Die sachlichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen für eine mittel- und langfristige Regierungsplanung müssen i n den meisten Staatskanzleien erst noch geschaffen werden. Dabei ist vor allem eine bessere Auswertung der Erfahrungen der Wissenschaft und Forschung für die Regierungsarbeit unerläßlich.

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(7) Darüber hinaus verlangt eine mittel- und langfristige Regierungsplanung: (a) eine regelmäßige Fühlungnahme zwischen Regierungschef und Staatskanzlei i n allen dazu gehörenden Fragen; (b) eine verstärkte Zusammenarbeit aller Referate der Staatskanzlei; (c) eine bessere Zusammenarbeit mit der Landespressestelle, vor allem bei der Beschaffung und Auswertung von Informationsmaterial; (d) Kontakte mit der Presse; (e) eine verstärkte und planmäßige, zugleich aber behutsame Zusammenarbeit m i t den Ressorts, die nach Möglichkeit i n die Planungsarbeit der Staatskanzlei mit einbezogen werden sollten; (f) die Hilfe der Wissenschaft, bei der verschiedene Formen der Zusammenarbeit denkbar sind; (g) einen regelmäßigen Kontakt zwischen der Staatskanzlei und den Regierungsparteien und -fraktionen bei gleichzeitiger Beobachtung der Oppositionspolitik. (8) Die vorausschauende Finanzplanung muß Teil der mittel- oder langfristigen Regierungsplanung sein. Sie ist mit der jährlichen Aufstellung und Durchführung des Haushaltsplanes nicht identisch, so daß sich für sie nicht ohne weiteres aus dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhanges die Zuständigkeit der Finanzressorts ergibt. Für eine Federführung i n dieser Frage durch die Staatskanzlei spricht, daß eine derartige Planung ohne die Festlegung von politischen Prioritäten durch den Regierungschef nicht möglich ist. (9) Zur Durchführung mittel- und langfristiger Koordinierungs- und Planungsaufgaben bedarf die Ministerialverwaltung insgesamt eines besseren Verständnisses für die landespolitische Bedeutung dieser Aufgabe. Darüber hinaus w i r d auch weitgehend noch das organisatorische und technische Instrumentarium für diese Aufgabe entwickelt werden müssen. (10) Ein wichtiges Ziel dieser noch zu erarbeitenden Techniken muß die Entlastung des Regierungschefs und des Staatssekretärs der Staatskanzlei sein. (11) Die Auswahl der Mitarbeiter der Staatskanzlei für langfristige Koordinierungs- und Planungsaufgaben ist mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen, wobei die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter mit Blick auf die besonderen Aufgaben einer Koordinierungs- und Planungsbehörde eingehend zu prüfen ist.

Zur Kunst des Regierens Von Wilhelm Hennis

Ausgangspunkt unserer Diskussion war, daß der Aufgabenzuwachs des modernen Staates, die unendlich vielen Hände, die er sich zugelegt hat, in allen modernen Industriestaaten zur Entwicklung eines obersten dirigierenden und koordinierenden Leitungsinstruments geführt hat. Verfassungsrechtlich hat das i m Grundgesetz seinen Niederschlag i n der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gefunden. Ob eine solche Kompetenz nun aber i n den Verfassungen steht oder nicht, faktisch ist den Spitzen der Regierung überall eine solche dirigierende und koordinierende Kompetenz zugewachsen. Böckenförde hat angezeigt, wie aus den gleichen Motivationen, die zur Stärkung der Richtlinienkompetenz führten, sich der Ausbau der Staatskanzleien als Hilfsinstrument des mit der Richtlinienkompetenz beauftragten Kabinettschefs erklärt. Die Bedeutung der Richtlinienkompetenz versteht man meines Erachtens nicht, wenn man nur auf den einen ominösen Satz der Verfassung starrt. Nehmen Sie das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Ob die Verfassung dem Ministerpräsidenten nun die Richtlinienkompetenz gibt oder nicht, ist ziemlich belanglos, denn die Hilfskompetenzen, die ihm i n der Verfassung und i n der Geschäftsordnung der Landesregierung gegeben sind, reichen für ihn voll aus, um seiner Leitungsaufgabe gerecht zu werden. Er hat das Recht zur Auswahl der Minister; nur wenn er Kabinettskollegen findet, die bereit sind, mit i h m zusammenzuarbeiten, ist ein Regierungschef imstande, der Politik wirklich eine Richtung zu geben. I m Bund hat der Kanzler das außerordentlich wichtige Recht, die Ressortgrenzen zu verschieben. Jedem Regierungschef steht weiter ein Informationsanspruch zu. I m Informationsanspruch steckt praktisch ein Evokationsrecht. Vor allem dadurch, daß man auf fortlaufender Information besteht, kann man sich die Hand freihalten, um jederzeit einzugreifen. Von allergrößter Bedeutung für die faktische Absicherung der Richtlinienkompetenz ist es auch, daß heute i n allen demokratisch regierten Staaten die Wahlen faktisch i m Namen des Regierungschefs ausgefochten werden. I m Bund sind jedenfalls seit 1953 alle Wahlen plebiszitäre Kanzlerwahlen gewesen. Als außerordentliche Hilfskompetenz i m parlamentarischen System kommt noch die Stellung hinzu, die die Regie19

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rungschefs i n der Regel, wenn auch nicht immer, i n ihren Parteien haben. Ich glaube, die Schwierigkeiten i n Nordrhein-Westfalen sind zum Teil darin begründet, daß die CDU i n diesem Land keinen mit den Landesgrenzen zusammenfallenden Landesverband hat. Soviel ich weiß, ist Ministerpräsident Meyers auch nicht Vorsitzender eines Bezirks. Wenn Herr K ü h n i n Nordrhein-Westfalen einmal Ministerpräsident werden sollte 1 , so hat er durch den Aufbau eines Landesverbandes auf Kosten der Parteibezirke gute Vorarbeit geleistet. Wenn man die Position des Regierungschefs verfassungsrechtlich stärken will, kann man die Richtlinienkompetenz selbst i n keiner Weise verstärken, es sei denn, man geht von der parlamentarischen Kabinettsregierung zum Präsidialsystem über. Vielmehr muß man die Hilfskompetenzen, die diskreten potestates indirectas stärken. Wildenmann hat mit Recht auf die Bedeutung des Geldes und die Überführung wichtiger Etatposten aus dem Etat des Bundeskanzleramts i n den Etat des Presseund Informationsamts hingewiesen. Das hat natürlich die Position des Kanzleichefs geschwächt. Wichtiger als die Verfügung über das Geld ist aber die Verfügung über die Patronage. Die konstitutionelle Schwäche der deutschen Regierungschefs ist zu einem guten Teil darin begründet, daß ihr Patronagepotential so ungemein klein ist. Es ist bekannt, daß die außerordentliche Stellung des englischen Premierministers nicht zuletzt auf seinem großen Patronagepotential beruht. Die deutschen Regierungschefs könnten ihren Spielraum i n diesem wichtigen Bereich zumindest dadurch ein wenig vergrößern, daß sie ihre Regierungen häufiger umbilden. I n der Bundesrepublik w i r d die Rotation i n Ministerämtern als Betriebsunfall, aber nicht als normale Prozedur innerhalb des parlamentarischen Systems verstanden. I n diesem Zusammenhang sollte auch die jetzt so intensiv diskutierte Möglichkeit der Schaffung parlamentarischer Staatssekretärsstellen mit i n die Erörterung einbezogen werden. Der Bundeskanzler sollte es ganz klarmachen, daß es keine parlamentarischen Staatssekretäre geben wird, denen er nicht das Plazet gegeben hat. Auch die Personalpolitik der Beamten muß i n diesem Zusammenhang gesehen werden. Daß die Innenministerien bei uns die Personalministerien sind, ist historisch begründet. Ich frage mich, ob das den heutigen Anforderungen koordinierter Politik noch ganz entspricht. Ich weise darauf hin, daß i n England der Chef des Kabinettssekretariats — etatmäßig w i r d er i m Schatzamt geführt — i n aller Regel auch der Chef des Civil Service ist. Der Chef des Kanzleramtes steht also an der Spitze der Beamtenpyramide. Informell hat Staatssekretär Globke wohl i n vieler 1

Die Arbeitstagung fand i m Oktober 1966 statt.

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Hinsicht eine ähnliche Position gehabt. Aber i n England ist das formalisiert, und das scheint mir außerordentlich wichtig zu sein. Es besteht wohl Einigkeit darüber, daß die Staatskanzleien nicht dadurch gestärkt werden können, daß man mehr Kompetenzen ressortmäßiger A r t i n sie hineinholt. Man würde sie mit Sicherheit dadurch nur schwächen. Es versteht sich, daß auch i n den Staatskanzleien von den verwaltungsmäßigen Methoden der Delegation und Ausgliederung Gebrauch gemacht werden muß. Wenn sich das Kabinett durch Kabinettsausschüsse entlasten kann, so kann man auch die Staatskanzleien unter Umständen dadurch entlasten, daß man die Referate nicht mehr auf die einzelnen Ressorts, sondern gleich auf die Kabinettsausschüsse hin ausrichtet. Das i n der öffentlichen Diskussion unserer Regierungsprobleme so oft angeführte Argument, ein Kabinett von 20 Mitgliedern sei zur Beratung unfähig, verliert an Gewicht, wenn man konsequent von Kabinettsausschüssen Gebrauch macht. Alle Fragen, die i n den jeweiligen Ausschußbereich hineinfallen, sollten — gestützt durch die Autorität des Kanzlers — möglichst nur i m Ausschuß verhandelt werden und tunlichst gar nicht erst ins Kabinett hineinkommen. Nach dem Grundgesetz und der Geschäftsordnung der Bundesregierung kann sie selbstverständlich jeder Bundesminister auf die Tagesordnung des Kabinetts bringen. Der Sinn eines Ausschusses besteht aber natürlich darin, daß er die extensive Behandlung i m Plenum möglichst erübrigt. Die Autorität des Bundeskanzlers und die technische Leistungsfähigkeit seines Amtes erweisen sich nicht zuletzt darin, ob die Kabinettsausschüsse die ihnen zugedachte Entlastungsaufgabe wirklich erfüllen. Wo es sich als unumgänglich erweist, den Staatskanzleien neue Aufgaben zu übertragen, muß, genau wie i n der Organisation der Ressorts, auf Delegation und Ausgliederung zurückgegriffen werden. Das dem Bundeskanzleramt zwar unterstehende, aber i n der Nähe von München untergebrachte Institut der Stiftung „Wissenschaft und Politik" ist ein Beispiel für die Anwendung dieser Prinzipien. Wenn es sich auch i n der Bundesrepublik als immer unabweisbarer erweist, die Staatskanzleien mit größeren Planungsaufgaben zu betrauen, so sollte man erwägen, ob man nicht auch hier von der einzigartigen deutschen Technik der Delegation an Oberbehörden Gebrauch machen könnte. Arnold Brecht 2 hat i n seinen vergleichenden Untersuchungen immer wieder festgestellt, daß die große Überlegenheit dieser Form der deutschen Ministerialorganisation etwa gegenüber der amerikanischen es bis heute erlaubt, die M i n i 2 Brecht, A r n o l d und Glaser, Comstock: The A r t u n d Technique of A d m i n i stration i n German Ministries. Cambridge, Mass.: H a r v a r d University Press, 1940.

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sterien vergleichsweise klein zu halten. Die Oberbehörden (Bundesämter) sind i m Idealfall i n ihrem Ministerium nur durch einen Referenten repräsentiert, über den alle von den Ministerien ausgehenden Anregungen laufen müssen. Vornehmster Adressat der Arbeit der Staatskanzleien sind die Ressorts. Obwohl i n unserem politischen System selbstverständlich der Großteil der politischen Initiative seinen Ursprung i n einem Ministerialressort haben wird, bedarf jeder Ansatz, um weiterverfolgt werden zu können, des Plazets des Kanzlers und seines Amtes. Die Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien und der Geschäftsordnung der Bundesregierung über die Öffentlichkeitsarbeit der Ressorts haben den Sinn, jede politische Initiative i m Einklang mit der Richtlinienkompetenz zu halten. Man kann daher nicht über eine Verbesserung der Arbeit der Staatskanzleien sprechen, ohne zugleich die Fähigkeit der Ressorts, eine aufgrund allgemeiner Gesichtspunkte konzipierte Politik aufzunehmen, mit i n die Überlegung einzubeziehen. Solange die Ressorts, wie es doch bei uns noch allzusehr der Fall ist, i n enger Begrenzung nur ihre Ressortfragen sehen, w i r d jede Staatskanzlei bei der Bemühung u m Integration und Koordination der Gesamtpolitik überfordert sein. Das w i r f t das sehr aktuelle Problem der Ministerbüros auf. So wenig ein moderner Regierungschef noch ohne eine Staatskanzlei arbeiten kann, kann der Chef eines großen Ressorts sich für die Integration seines Ressorts i n die Kabinettspolitik noch einzig auf die normalen Abteilungen des Ministeriums verlassen. Wenn die Politik des Ressorts Stück einer übergeordneten Kabinettspolitik ist, so muß er einen Apparat haben, der i h m hilft, die Politik seines Hauses i n das größere Ganze einzuordnen. Nicht immer zur Freude seiner Kabinettskollegen hat Minister Strauß i m Verteidigungsressort offenbar sehr sicher mit einem solchen Ministerbüro gearbeitet. Die Tatsache, daß er über die Probleme anderer Ressorts immer sehr gut informiert war, hat i h m freilich nicht nur Freunde gemacht. Auch Minister Schröder hat offenbar i m Auswärtigen A m t mit einem solchen Ministerbüro gearbeitet, anscheinend allerdings vor allem, um das große A m t wirklich i n der Hand zu behalten. Bundeskanzler Erhard hat ebenfalls i m Wirtschaftsministerium mit einem kleinen Stab gearbeitet. Wenn ich richtig orientiert bin, so hat allerdings nur Strauß sein Büro dazu gebraucht, um sich gewissermaßen eine allgemeine Antenne zu verschaffen, die ihn über die Gesamtpolitik des Kabinetts auf dem laufenden hielt. Die ältere politische Literatur forderte die Sicherung von Klugheit und Stärke an der Spitze der politischen Pyramide. Die notwendige prudentia w i r d sich der moderne Regierungschef durch eine Verbesserung

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seiner Informationsstellen, durch wissenschaftliche Beratung usw. zu verschaffen suchen. Was die Sicherung seiner Macht anbelangt, so liegt die Stärke eines Regierungschefs i n der modernen Parteiendemokratie wesentlich i n der Position, die er i n seiner eigenen Partei einnimmt. Rombach hat darauf hingewiesen, daß eine wichtige Aufgabe der Staatskanzlei darin besteht, die Beziehungen zur Fraktion und zu den die Regierung tragenden Parteien herzustellen und auch die Opposition zu beobachten. Vielleicht ist es erlaubt, ein einfaches B i l d anzuführen: Wenn heute ein moderner Innenausstatter eine Küche entwirft, so kann er das nicht mehr tun, ohne sich von einem Arbeitspsychologen beraten zu lassen, der ihm sagt, wie man die Küche anlegen muß, damit die Hausfrau so wenig Schritte wie möglich t u n muß. Das gleiche Problem stellt sich auch für einen Regierungschef, der seine Arbeit so einrichten muß, daß er gegen seinen Willen möglichst wenig Anlaß hat, seinen Schreibtisch, an dem er vor allem Akten lesen soll, zu verlassen. Es w i r d verläßlich berichtet, daß Bundeskanzler Adenauer i n den langen Jahren seiner Amtszeit als Kanzler und Vorsitzender der CDU nicht ein einziges Mal genötigt war, das Bonner Parteibüro i n der Nasse-Straße zu besuchen. Er hatte dafür gesorgt, daß die wichtigen Parteiprobleme auch i m Palais Schaumburg auf seinen Tisch kamen. Man w i r d allerdings fragen müssen, ob die wichtige Aufgabe der Koordination von Kanzlei und Regierungspartei noch — sofern man an unserem älteren Beamtenbild festhalten w i l l — von Beamten erfüllt werden kann. Ich glaube, daß sich hier die eigentliche Aufgabe zwar nicht für einen parlamentarischen Staatssekretär, aber für einen parlamentarischen Privatsekretär eröffnen sollte. Der parlamentarische Staatssekretär könnte bei uns daran scheitern, daß unsere Abgeordneten offenbar schwer zu bestimmen sein werden, Arbeiten ehrenamtlich oder für einen geringen Sold zu übernehmen, die zwar politisch von größtem Gewicht sein können, aber i n der Besoldungsordnung für feste Gehälter schwer unterzubringen sind. Wenn w i r das parlamentarische Regierungssystem bei uns wirklich festigen wollen, so werden w i r meines Erachtens i n der Zukunft kaum darum herumkommen, die wichtige Aufgabe der Koordination von Regierung und Mehrheitsfraktion i n die Hand eines Kabinettsministers zu legen. Daß der Leader of the House dem Kabinett angehört, ist in England selbstverständlich. Seine Aufgabe besteht darin, das timing der gesamten Planung zwischen Kabinett und Parlament zu koordinieren. Diese Aufgabe w i r d bekanntlich bei uns vom Bundesratsminister i m Ältestenrat wahrgenommen. Es ist i m Grunde ein groteskes Relikt des Konstitutionalismus, daß bei uns der Ältestenrat noch genauso arbeitet,

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als ob w i r keine parlamentarische Regierung hätten. Hatschek 3 hat großartig geschildert, wie sich der alte Seniorenkonvent des Reichstages aus der Unfähigkeit der Reichsregierung bildete, einen Einfluß auf das Parlament auszuüben. Damit die Arbeit des Reichstags überhaupt i n Gang kam, mußten sich einige Parlamentarier, die bereit waren, der Regierung auf dem Gebiet der Gesetzgebung zu helfen, zusammentun. Das war der Ursprung des Seniorenkonvents, des Vorläufers unseres Ältestenrats. I m parlamentarischen Regierungssystem hätte die Koordination von Regierungs- und Parlamentsarbeit längst von Seiten der Regierung i n die Hand genommen werden müssen. Keine Organisation, keine noch so klug ausgedachte Regierungstechnik kann ohne eine gewisse menschliche Ambiance auskommen, ohne die informelle Bereitschaft zu loyaler, ich würde sogar sagen: zu freundschaftlicher Zusammenarbeit. Ich habe den Eindruck, daß viele unserer gegenwärtigen Schwierigkeiten hier zu suchen sind. Wer einmal i n einer amerikanischen Behörde oder i n einer amerikanischen Universität gelebt hat, weiß, wie leicht und informell sich dort der Kontakt ergibt. I n England sind es die „Treasury Boys", die die schnelle und reibungslose Beziehung zwischen dem Kabinettssekretariat und den Ressorts garantieren. Ob man es nun sympathisch findet oder nicht, das Funktionieren unserer älteren Verwaltung beruhte nicht zuletzt auf dem unsichtbaren Netz der Korporationsfreundschaften. Man braucht nur englische Politiker- oder Beamten-Memoiren mit deutschen zu vergleichen, um darauf gestoßen zu werden, welche Bedeutung der Freundschaft für den Erfolg politischer Arbeit i n England beigemessen wird. Auch i n den für den verwaltungswissenschaftlich Interessierten so außerordentlich instruktiven Romanen von C. P. Snow, die ja zumeist auf den Corridors of Power spielen 4 , ist es die freundschaftliche Verbundenheit, die Gemeinsamkeit des Clublebens, die für das reibungslose, schnelle Abwickeln der Geschäfte zu sorgen hat. Bei uns gibt es demgegenüber wenige informelle Hilfen, dagegen viele Hindernisse. Es ist hier mehrfach darauf hingewiesen worden, daß es Staatssekretär Globke souverän verstanden hat, die notwendigen informellen Kontakte herzustellen, und daß die schwächere Hand seines Nachfolgers doch wohl daran liegt, daß er es nicht verstanden hat, diese informellen Kontakte auf sich umzustöpseln, wenn man es so sagen darf. Die politische Wissenschaft arbeitet i n den letzten Jahren zunehmend mit dem Begriff der „politischen K u l t u r " . Ich glaube, man sollte diesen Fragen einmal genauer nachgehen. 3 Hatschek, Julius: Das Pariamensrecht des Deutschen Reiches. B e r l i n u n d Leipzig: Göschen, 1915, S. 175 ff. 4 Dazu auch: Snow, C. P.: P o l i t i k hinter verschlossenen Türen. Wissenschaft u n d Staatsführung, 2. Aufl. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1962.

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Ein Letztes schließlich: Wie immer man das Kanzleramt aufbaut, die parlamentarische Verantwortlichkeit muß gewahrt bleiben. Man sollte darin kein zu großes Problem sehen. Wenn w i r ein parlamentarisches Regierungssystem wollen, i n dem die politische Spitze mit einer klaren Richtlinienkompetenz ausgestattet ist, i n der das Kabinett mehr ist als eine bloße Addition der Ressorts, so muß sich ein Ressortminister eben immer seiner Kabinettsverantwortung bewußt sein. Verantwortung für die Partikularität seines Ressorts und für das Ganze des Kabinetts sind i n seiner Person untrennbar verbunden. Das kann zu Konflikten führen. Sie müssen dann eben so oder so ausgetragen werden. I n der politischen Wissenschaft und auch i n der Staatsrechtslehre ist i n den letzten Jahren eine bemerkenswerte Tendenzänderung zu verzeichnen. Ich möchte das schöne Buch von Böckenförde über die „Organisationsgewalt der Bundesregierung" als Wendemarke bezeichnen. Zunehmend beginnen die Probleme einer Regierungs- und Verwaltungslehre i n den Vordergrund des Interesses zu rücken. Das geschieht nicht zuletzt aus Bedürfnissen der Lehre. Wir leben i n einem mehr und mehr unideologischen Zeitalter, das andererseits trotzdem dem Staat immer größere Aufgaben und Verantwortungen aufbürdet. Wenn i n Deutschland allzu wehleidig darüber geklagt wird, daß es so wenig Staatsbewußtsein gäbe, so kann man es meines Erachtens am besten wiederherstellen, indem man klarmacht, welche Aufgaben der moderne Staat zu erfüllen hat und wie unentbehrlich seine Leistungen sind, indem man aber auch Verständnis dafür schafft, mit welchem Instrumentarium allein er seine Aufgaben erfüllen kann. Der Universitätslehrer w i r d nie prätendieren können, über den wirklichen Ablauf des Regierens mehr zu wissen als ein Duppré oder Rombach. Aber einiges müssen w i r eben wissen, damit w i r unserer Lehraufgabe gerecht werden können. So darf ich zum Schluß die Bitte äußern, daß w i r nach dieser so außerordentlich lehrreichen Tagung i n der Zukunft zu einem noch viel stärkeren Austausch von Wissenschaft und Praxis kommen mögen. Warum sollte i n Deutschland nicht möglich sein, was i n England und Amerika gang und gäbe ist, daß erfahrene Praktiker Lehraufträge für Regierungsund Verwaltungslehre übernehmen. Damit w i r unsere eigenen Erfahrungen machen können, könnte es vielleicht auch uns Lehrenden ermöglicht werden, einmal für einige Monate, sei es nun i n den Bundesrechnungshof, ein Ministerium oder gar in das Heiligtum des Bundeskanzleramtes einzutreten. Auszulernen ist da sicher nie.

Aspekte des Organisationsgefüges Von E m i l Guilleaume

Zum Anfang meines Diskussionsbeitrags möchte ich zunächst die Feststellung der Referenten wiederholen, daß der Exekutive i n wachsendem Maße die Aufgabe obliegt, die dynamische Entwicklung der Lebensverhältnisse durch eine fortlaufende Um- und Neugestaltung auf allen Gebieten des Gemeinwesens einzufangen. Hierzu dienen als Instrumentarium: Maßnahmegesetze, Investitions- und Wirtschaftspläne und die Staatshaushalte. Dies ist eine politische Funktion des Staates, wobei Politik als Gestaltungsauftrag verstanden wird. Sie findet jedoch i m traditionellen Organisationsgefüge keinen hinreichenden strukturellen Ausdruck. Bisher, d. h. i m 19. Jahrhundert und bis zu einem gewissen Grad auch noch i n der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, trat diese Aufgabenstellung noch nicht so sehr i n den Vordergrund, daß sie eines besonderen Apparates bedurft hätte. Das die politische Funktion kennzeichnende dynamische Verhalten wurde vorwiegend nur von den Inhabern staatlicher Spitzenstellungen erwartet. Sie waren als Träger der politischen Funktion Anreger von Um- und Neugestaltungen des öffentlichen Lebens: Landräte, Oberbürgermeister, Regierungspräsidenten, leitende Ministerialbeamte, Minister. Für sie genügte zur hinreichenden Wahrnehmung der politischen Funktion die gelegentliche Heranziehung des Sachverstandes der traditionellen staatlichen Organisation, um die notwendig erscheinenden Neugestaltungen erarbeiten zu lassen. Für eine kontinuierliche Bearbeitung der politischen Aufgaben durch einen besonderen Organisationsapparat bestand noch kein Bedürfnis. Das ergibt sich deutlich aus der Entstehungsgeschichte und der Organisation der Staatskanzleien, wie sie uns hier dargelegt worden ist. Bei der Frage der Einfügung neuer Organisationseinheiten i n das Organisationsgefüge von Regierung und Verwaltungsführung geht es u m eine andere Frage als etwa diejenige der Erleichterung von Arbeitsvorgängen des Regierungschefs oder eines anderen Entscheidenden. Es handelt sich vielmehr um die Frage, ob das traditionelle Organisationsgefüge von Regierung und Verwaltungsführung den Anforderungen, die heute an den Staat gestellt werden, gerecht zu werden vermag. Die Un-

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Sicherheit, die auf diesem Gebiete herrscht, zeigt sich u. a. auch darin, daß man unkonventionelle Beratungsgruppen bildet. Wenn ich i n Veröffentlichungen auf die Möglichkeit hingewiesen habe, das Kabinett i n ein politisches und ein Verwaltungskabinett zu gliedern, so nicht, um Politik und Verwaltung zu trennen — sie lassen sich m. E. gar nicht trennen. Der noch immer vertretene Dualismus von Politik und Verwaltung ist eine späte Fernwirkung vormärzlichen Denkens. Es ging mir vielmehr bei dem Vorschlag einer Gliederung des Kabinetts darum, dazu beizutragen, für den permanenten Gestaltungsauftrag des modernen Staates eine geeignete Organisationsform zu finden. Bei der Betrachtung der Aufgaben der Ministerialinstanz — so wie sie heute liegen — lassen sich von der Sache her vier Bereiche unterscheiden: (1) politisch-planerische Aufgaben einschließlich der Organisations- und Verwaltungsplanung; (2) Gesetzgebungsarbeit; (3) die Klarstellung von Grundsatzfragen; und (4) die Erledigung von Verwaltungs- oder Fachfragen. Für die Klarstellung von Grundsatzfragen und Erledigung von Verwaltungs- oder Fachfragen ist das überkommene Organisationsgefüge angelegt und erledigt diesen Aufgabenbereich auch heute noch i n zufriedenstellender Weise. Für die Gesetzgebungsarbeit ist dies schon fraglich. Auf diesem Gebiet zeigt sich bereits das Ungenügen der herrschenden Organisationsform i n der bereits erwähnten Heranziehung von zahlreichen Beiräten. Für den politisch-planerischen Aufgabenbereich einschließlich der Organisations- und Verwaltungsplanung sind bisher keine besonderen Organisationseinheiten gebildet worden. Die bisher stattfindende Vermischung exekutiver und politischplanerischer Aufgaben hat den Nachteil, daß die erforderliche Zeit für eine politisch-planerische Tätigkeit nicht gegeben ist. Die exekutiven Grundsatzfragen und Einzelfälle bestimmen in ihrer anfallenden Fülle die Tätigkeit, und personelle Begabungen können für die eine oder andere Aufgabenstellung nicht genügend berücksichtigt werden. Es fragt sich nun, an welcher Stelle des Organisationsgefüges der Regierung und Verwaltungsführung neue Organisationseinheiten eingefügt werden sollen. Erste Voraussetzung ist, daß politisch-planerische Aufgaben i n einem größeren Ausmaß anfallen, d. h. überall dort, wo sich die Notwendigkeit der Institutionalisierung der bisher von den politischen Spitzenkräften i n Regierung und Verwaltungsführung wahrgenommenen Aufgabenbereiche aufdrängt. I m Zusammenhang mit der Thematik unserer Tagung ist zu fragen, ob die Staatskanzleien hierfür den Ansatzpunkt zu bilden haben. Sie erscheinen insofern als gegebene Ansatzpunkte, als der Regierungschef Inhaber der Richtlinienkompetenz ist.

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Man w i r d aber noch weiter gehen müssen und eine solche Stabsarbeit nicht nur für die Staatskanzleien als notwendig anerkennen müssen. Ein gleiches gilt überall dort, wo Neu- und Umgestaltungen des öffentlichen Lebens aus dem dynamischen Zwang der modernen Lebensverhältnisse heraus kontinuierlich bearbeitet werden müssen. Das trifft u. a. auch für die innere Verwaltung zu. Herr Rombach hat mit Nachdruck auf das Problem des Ressortprinzips hingewiesen. Sollte daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, daß sich i m Länderbereich, zumindest i n den kleinen Ländern, eine Stabsabteilung nur i n der Staatskanzlei verwenden läßt? Ein Blick i n die geltenden Länderverfassungen w i r d zeigen, daß sich für eine Stabsabteilung i n der Staatskanzlei dieselben Schwierigkeiten wie für die Ressorts ergeben, da auch für sie die Ressortgrenzen unüberschreitbar bleiben. Zwar weist der Ministerpräsident den Ministern die Richtlinien der Politik, aber diese Richtlinien vermögen keine Zuständigkeitsbefugnisse zwischen den Ressorts abzuändern. Wenn man sich der Notwendigkeit der Errichtung neuartiger Organisationseinheiten nicht verschließen will, w i r d es daher auf die Dauer nicht zu umgehen sein, das derzeitige Organisationsgefüge von Regierung und Verwaltungsführung zu überprüfen. Die politisch-planerischen und die gesetzgeberischen Aufgaben werden i n stabsähnlichen Abteilungen zu konzentrieren und die exekutiven Aufgaben der obersten Staatsbehörden, soweit sie gleichlaufend sind, durch Zusammenfassung zu vereinfachen sein. Dies w i r d bei konsequentem Durchdenken zu einer Zusammenfassung von Ressorts führen und der politischen Führung Organisationseinheiten zur Verfügung stellen, die auf die Erarbeitung von Gestaltungsfragen zugeschnitten sind. Ich möchte meine Ausführungen i n einigen Thesen zusammenfassen: (1) Die Arbeitsmethode des herrschenden Organisationsgefüges geht i m Grundsatz vom Einzelfall aus und ist darauf abgestellt, den Einzelfall mit Sachverstand und Rechtskenntnis i m Rahmen der gegebenen Ordnung zu erledigen. (2) Die Aufgabe von Grundsatzreferaten ist es, die bestehende Rechtslage zu interpretieren und Ausnahmefälle dem Rechts- und Verwaltungsgefüge einzugliedern. (3) Politisch-planerische Aufgabe ist es, Neugestaltungen tatsächlicher oder rechtlicher A r t vorzubereiten und entscheidungsreif zu machen. (4) Politisch-planerische Aufgaben wurden auch schon bisher von M i nisterialreferaten wahrgenommen, ohne daß dieser Aufgabenbereich besonders institutionalisiert worden ist.

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(5) Die Vermischung von exekutiver und politisch-planerischer Tätigkeit behindert beide Bereiche und läßt personelle Begabungen unberücksichtigt. (6) Organisationsgrundsatz sollte es sein, jede Aufgabe der ihr gemäßen Organisationseinheit zuzuteilen; daraus ist zu folgern, daß für die politisch-planerische Aufgabenstellung besondere Organisationseinheiten geschaffen werden müssen. (7) Planungsarbeit ist sowohl von der exekutiven Aufgabenstellung wie von der Koordinierung der Verwaltungszweige zu trennen. (8) Planungsstäbe sind dem Organisationsgefüge von Regierung und Verwaltungsführung dort einzugliedern, wo das Bedürfnis nach einer organisatorischen Institutionalisierung der politischen Funktion besteht, d. h. des permanenten Gestaltungsauftrages des modernen Staates. (9) Eine solche Institutionalisierung w i r d zwangsläufig eine Überprüfung des bestehenden Organisationsgefüges von Regierung und Verwaltungsführung mit sich bringen und dazu beitragen, die Unbeweglichkeit des falsch verstandenen Ressortprinzips abzubauen.

Abschließende Diskussion (Bericht) Von Alfons Noll

Professor Knöpfle knüpfte zu Beginn der Aussprache an den Beitrag von Professor Hennis an und hob die Bedeutung des ständigen Konnexes mit der politischen Spitze i m Hinblick auf alle Organisationsfragen hervor. Wenn kritisiert werde, die Staatskanzlei sei zu wenig i n der Lage zu koordinieren, so müsse gefragt werden, ob das daran liege, daß der Regierungschef einen zu schwachen Kontakt mit seinen Kabinettsmitgliedern habe. Ein Regierungschef würde vielleicht auch zögern, dem ergrauten Ressortminister, der unter Umständen lange Zeit Parteivorsitzender gewesen sei, Hinweise zu geben. Zu der Frage eines parlamentarischen und politischen Sekretärs für den Regierungschef sei bisher noch wenig gesagt worden. Diese Institution gebe es in der Sache bereits, wenn auch nicht i n der Form, so derart, daß ein jüngerer Nachwuchspolitiker i n der Staatskanzlei schon nach dem Assessorexamen eine Position bekäme. So werde unten eine effektive Querverbindung zu der Partei hergestellt. Weil die Genese der Staatskanzleien auf der Tagung nicht angeschnitten worden sei, gab Knöpfle einen kurzen Abriß über die geschichtliche Entwicklung i n Bayern. Kurfürst K a r l Albrecht habe i m Jahr 1726 eine geheime Konferenz aus der Mitte des schon Jahrzehnte bestehenden Geheimen Rates als des monarchischen Regierungsinstruments gebildet. Die geheime Konferenz habe i m Laufe der folgenden Jahrzehnte den Geheimen Rat verdrängt. Die „Geheime Conferenz" sei dann i m Jahr 1799 nach dem Realprinzip umgegliedert worden, wodurch i n Bayern das Ressortprinzip entstanden sei. Das Realsystem sei 1806 institutionalisiert worden und das ganze 19. Jahrhundert über i n Kraft geblieben. Die Formationsverordnung von 1825 habe festgelegt, daß der Minister des Königl. Hauses und des Äußeren als primus inter pares den Vorsitz i m Kabinett führe. Diese Regelung sei dann beim Wechsel von der Monarchie zur Demokratie aus der alten i n die neue Verfassung von 1919 übergegangen. Die Frage, seit wann es eine bayerische Staatskanzlei gebe, müsse etwas beschämend dahin beantwortet werden: seit 1933. Damals sei durch ein vom Gesamtministerium erlassenes Gesetz, das seinerseits auf das

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Reichsgesetz zur Gleichschaltung der Länder gestützt worden sei, die Staatskanzlei Zug um Zug mit der Auflösung des Außenministeriums gegründet worden. Als Hauptgeschäftsaufgaben seien vorgesehen gewesen: Kontakt und Verkehr mit dem Reichsstatthalter und — bezeichnend für das Gespür des damaligen Regimes für politische Relevanz — Verkehr mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das Pressewesen aus dem Aspekt der Volksaufklärung, Funk- und Filmwesen und eine Zeitlang das ganze Luftverkehrswesen, das damals etwa die gleiche Rolle wie heute die Landesplanung gespielt habe. Formell sei die Verfassung i n Kraft geblieben. Der Ministerpräsident habe weiterhin residiert. Von einer Richtlinienkompetenz sei jedoch nichts bekannt gewesen. Die Landesverfassungen der Weimarer Zeit seien dazu sehr zwiespältig. I n einigen sei zwar ein Ansatz zur Richtlinienkompetenz zu finden. Die Mehrzahl (Baden, Bayern und die süddeutschen Länder) hätten dagegen nur das primus inter pares-Prinzip gekannt. Aus diesem System heraus sei dann 1945 das Kabinett Schäffer an die Arbeit gegangen. Die erste Kabinettssitzung habe am 7. J u l i 1945 stattgefunden. I n der zweiten Kabinettssitzung vom 13. J u l i sei die Staatskanzlei schon als existent vorausgesetzt worden. Sie habe damals bereits die Vorbereitungen für die Sitzungen getroffen, i n personell neuer Besetzung und i m damals für sie ausgesuchten Gebäude i n der Prinzregentenstraße, das ehemals Dienstsitz des Preußischen Gesandten i n Bayern gewesen sei. Dort residiere die Staatskanzlei heute noch. Staatssekretär Dr. Geib, Schleswig-Holsteinisches Finanzministerium, betonte die starke Position des Regierungschefs, dem das konstruktive Mißtrauensvotum mit auf den Weg gegeben worden sei und der letztlich der einzige verantwortliche Partner des Parlaments sei. Das habe i n Bund und Ländern zu einer gegenüber der Weimarer Republik großen Stärkung seines Instrumentes, der Staatskanzlei, geführt. Bei gleicher Ausgangsbasis hätten sich i m Bund und i n den Ländern die Dinge jedoch verschiedenartig entwickelt, sodaß das Regierungssystem etwa i n Nordrhein-Westfalen und i n Schleswig-Holstein unterschiedlich funktioniere und wiederum vom bayerischen System verschieden sei, das den parlamentarischen Staatssekretär und daneben den verantwortlichen Leiter der Ressorts, den Ministerialdirektor kenne, der dort die Stellung eines beamteten Staatssekretärs wahrnehme. I n Schleswig-Holstein träfen zwar Minister und Staatssekretäre — oft begleitet von ihrem zuständigen Abteilungsleiter, gelegentlich sogar von einem Referenten — regelmäßig i n der Kabinettsitzung zusammen. Aber nur ganz gelegentlich, i n hochpolitischen Fragen, zögen sich die Minister mit dem Ministerpräsidenten zu sogenannten intimen Beratungen des Ministerrats zurück, was äußerstenfalls alle ein oder zwei Monate einmal geschehe. I n Nordrhein-Westfalen sei das dagegen anders. Dort seien

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die Minister mit einem Beamten zur Protokollführung unter sich. Die Unterschiede hätten sich auch für die Staatskanzlei, die Möglichkeit ihrer praktischen Arbeit und die Information von unten nach oben und umgekehrt ausgewirkt. Geib wandte sich sodann der besonderen Koordinierungsfunktion des Ministerpräsidenten zu. Diese Funktion werde i m Kabinett durch zwei Hessorts ergänzt: das Finanzministerium, das einen weitgehenden Überblick über die Aufgaben aller Ressorts, insbesondere i n den wesentlichen Fragen des Haushalts habe, und den Innenminister, der i n Organisationsund Personalfragen, aber auch i n anderen Bereichen eine stark koordinierende Rolle i m Kabinett spielen könne und solle. Eine Überführung der mittelfristigen Finanzplanung i n die Staatskanzlei als das Ressort des Ministerpräsidenten lehnte Geib ab, da der Regierungschef damit überfordert werde. Er müsse sich dann einen Apparat aufbauen, der in etwa dem der Haushaltsabteilungen i m Finanzministerium entspreche, das i n Schleswig-Holstein auch bereit sei, dem Ministerpräsidenten das notwendige Material so aufzubereiten, daß er es für seine eigenen politischen Dispositionen verwenden könne. Dies funktioniere schon deswegen, weil die Erkenntnis sehr stark sei, daß das Finanzministerium seinerseits mit dem Setzen der politischen Akzente überfordert sei. Insofern wäre es begrüßenswert, wenn jemand i m politischen Raum dem Finanzministerium die Verantwortung für die Schwerpunktsetzung mehr abnehmen würde, als das bisher der Fall gewesen sei. Geib wies dabei auf den i n Schleswig-Holstein seit einigen Jahren unternommenen Versuch hin, den Ressorts durch den Ministerpräsidenten unter enger M i t w i r k u n g des Finanzministeriums Finanzblöcke zuzuweisen, innerhalb deren die Ressortminister i n eigener Verantwortung ihre finanziellen Vorstellungen zu einem gewissen Teil selbständig realisieren dürften. Ob sich das bewähren werde, könne erst die Zukunft zeigen. Was die besondere Funktion der Bundesregierung und des Bundesrats nach dem Tröger-Gutachten für die Durchführung der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben angehe, so stimmte Geib Professor Kaiser insoweit zu, als dieser darin ein Novum sah, das exerziert werden solle. Doch sei damit keine spezifische Aufgabe für die Staatskanzlei gesetzt worden. Der Bundesrat, der hier eine neue Aufgabe erhalte, bestehe nicht nur aus den Ministerpräsidenten, sondern aus Kabinettsmitgliedern, die i m Bundesrat eine einheitliche Meinung bilden und die Stimme einheitlich abgeben müßten. Dessen nehme sich i n der Tat weitgehend der Ministerpräsident an. Es könne nach vorheriger Kabinettsberatung jedoch ebenso auch ein anderes Kabinettsmitglied i m Bundesrat i n Erscheinung treten und die einheitliche Stimme abgeben. Als das zentrale Problem bezeichnete Geib die Frage, welche spezifischen Aufgaben i m heutigen Staat die Ministerpräsidenten und der

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Bundeskanzler und damit auch ihre Kanzleien hätten. Die Antwort könne eigentlich nur lauten: „Sie sollen regieren." Das bedeute, daß sie dem Staat Führung geben und die widerstrebenden Interessen, die bei dem leider allzu stark verankerten Ressortprinzip sehr offenkundig zutage träten, koordinieren sollten. I m Konzert der Kräfte könne der Regierungschef sich dieser besonderen Aufgabe nicht entziehen. A u f Grund der Erfahrungen i m eigenen Land und aus der Beobachtung der anderen Länder sah Geib gute Ansätze für die Erfüllung der Führungs-, Planungs- und Koordinierungsaufgaben durch den Regierungschef und seine Staatskanzlei. Diesen Aufgaben könne er i m heutigen Verfassungsleben eher nachkommen, solange er sich genügend Handlungsfreiheit schaffe und bewahre. Dabei seien die Koalitionsabsprachen eines der größten Hemmnisse für die Handlungsmöglichkeiten eines Regierungschefs. Ein entschlossener Regierungschef sei jedoch i n der Lage, eine echte Führungsfunktion wahrzunehmen, und zwar mehr, als die Verfassung dies ausspreche. Adenauer habe i n seinen guten Zeiten davon Gebrauch gemacht und eine Kanzlerdemokratie entwickelt, die zwar mit dem Verfassungstext nicht ganz konform gegangen sei, die aber durchaus brauchbare Ergebnisse gebracht habe. Was hier als das Kennedy-Modell bezeichnet worden sei, wie auch die Bildung von bestimmten Planungsgruppen nannte Geib eine gar nicht so neuartige Regierungsweise. Auch i n der Vergangenheit habe es so etwas i n Form des Geheimen Kabinettsrates gegeben. Schon das Tabakskollegium sei vom preußischen König zur Institution der persönlichen Beratung gemacht worden; daraus habe sich der Geheime Kabinettsrat neben dem an sich für die Führungsfunktion verantwortlichen Gremium i n Preußen, dem Generaldirektorium, weiterentwickelt. Das Generaldirektorium habe sich aus Ressortministern, Planungs- und Spezialistengruppen vielfältiger A r t zusammengesetzt. Freiherr vom Stein habe in seiner Nassauischen Denkschrift die Schwierigkeiten mit dem Geheimen Kabinettsrat, der das Ohr des Königs gehabt habe, und dem Generaldirektorium beschrieben. Die zusammenfassende Konzeption des Freiherrn vom Stein habe nicht nur auf Einheit in der Verwaltung, sondern auch auf Einheit der Regierung abgezielt, d. h. eine Einheit der politischen Führung von oben. Vom Stein habe verlangt, daß nicht nur in den Kreisen, i n den Regierungen und auf den sonstigen Verwaltungsstufen alle Verwaltung i n einer Hand zusammengefaßt, sondern auch, daß i n der zentralen Funktion, i n der von ihm gebildeten Regierung mit den fünf klassischen Ressorts, ein Mann eingesetzt werde, der die Fäden i n der Hand habe und wirklich dem König verantwortlich als Staatskanzler den ganzen Apparat leiten könne.

Abschließende Diskussion (Bericht)

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Wenn auch diese Konstruktion i n Preußen nicht lange funktioniert habe, so habe doch Bismarck daran angeknüpft, der nur seine Stellvertreter gehabt habe, die später Staatssekretäre und Ressortleiter geworden seien, aber immer der zentralen Figur des Kanzlers unterstanden hätten und weisungsgebunden gewesen seien. Geib sah eine optimale Lösung darin, dem jeweiligen Regierungschef eine i n der Verfassung verankerte größere Verantwortung zuzuteilen, die zu einer stärkeren Koordinierungsmöglichkeit über die Staatskanzleien führen könne. Denn es sei notwendig, die Führungs- und Koordinierungsfunktionen des Regierungschefs und seines dafür zuständigen Apparates nachhaltig zu stärken. Professor Knöpfle griff die Frage nach der Umgebung des Regierungschefs und dem Zugang zu i h m auf und wandte sich gegen die Vorstellung, eine Beratung i n nicht formell dem Parlament verantwortlicher Weise sei verfassungsrechtlich bedenklich. Was verfassungsrechtlich für die Dezision gelte, könne nicht auf den Vorraum der Willensbildung ausgedehnt werden. Entscheidend sei allein, daß der zuständige Kompetenzinhaber, wenn er handele, auch die parlamentarische Verantwortlichkeit trage. Regierungsdirektor Dr. Dr. Kollatz, Hessische Staatskanzlei, kam auf die Ausführungen von Rombach zurück, i n denen dieser die Möglichkeit erörtert habe, ein Ressortchef könne politische Programmpunkte verkünden, mit denen die Staatskanzlei zuvor nicht befaßt gewesen sei. Kollatz wies darauf hin, daß die Zahl der Fraktionssitzungen ständig zunehme und zuweilen sogar schon die Zahl der Kabinettssitzungen übersteige. Dabei müsse man überlegen, welches Schicksal einen Ressortminister ereile, der ein politisches Postulat verkünde, ohne es mit der Fraktion vorher besprochen zu haben. I n den Fraktionssitzungen seien aber auch die Regierungschefs und die anderen Minister zugegen. Dann sei zu vermuten, daß die interne politische Koordinierung auch i n den Fraktions- und Koalitionsausschüssen erfolge. Eine weitere Frage sei, wer i n die Fraktionssitzungen gehe, wenn der Ministerpräsident verhindert sei. Gehe für den Ministerpräsdenten der nicht der Fraktion angehörende Chef der Staatskanzlei oder ein anderer Minister oder der persönliche Referent oder gar ein andere Beamter, vielleicht ein Abteilungsleiter oder Referent der Staatskanzlei? Die Tatsache, daß sich jeder Regierungschef m i t dem Vorsitzenden seiner Fraktion treffe, daß Minister und Abgeordnete i n Sitzungen des Fraktionsvorstandes und in Fraktionen zusammenkämen, sei unbestreitbar. Dem von Wildenmann erwähnten Fall, daß die Regierungsmitglieder die Fraktion am Mittwoch davon unterrichteten, was das Kabinett am Montag zuvor beschlossen habe, könne der Fall gegenübergestellt werden, daß die Fraktion am Mittwoch vorbespreche, was das Kabinett am näch20

Speyer 34

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Alfons N o l l

sten Montag beschließen solle. Dies könne allein schon Einblicke i n Entscheidungsmechanismen vermitteln. Staatssekretär Dr. Geib maß der Zusammenarbeit zwischen Kabinettsmitgliedern und Fraktion eine immense Bedeutung bei. Die Teilnahme des zuständigen Ministers an den Fraktionssitzungen sei für das, was die Fraktion beschließen werde, überaus wichtig. Staatssekretäre seien i n der Regel nur dann dabei, wenn der zuständige Minister selbst hingehe und seinen engsten Mitarbeiter mitzunehmen pflege. Dies funktioniere gut, wenn Minister und Staatssekretär der gleichen Partei angehörten. Schwierigkeiten ergäben sich nur i n einer Koalitionsregierung, wenn Minister und Staatssekretär jeweils der anderen Koalitionspartei angehörten. Dann könne der Minister den Staatssekretär meist nicht i n seine Fraktionssitzungen mitnehmen. Aber auch der Staatssekretär werde dann nicht mehr zu den Sitzungen seiner eigenen Fraktion gebeten, da die Fraktion den Staatssekretär nicht allein ohne seinen Minister an den Sitzungen teilnehmen lassen könne. I n einem solchen Falle bliebe eine Fraktion ohne lebendigen Kontakt mit einem unter Umständen wesentlichen Bereich. Die Teilnahme des Ministers an den Sitzungen seiner Fraktion sei i n jedem Falle ein wesentliches Moment der politischen Willensbildung, neben der Willensbildung innerhalb der Staatskanzlei und innerhalb des Kabinetts; denn dort würden die Weichen gestellt für die Parlamentsarbeit, der die Regierung Rechnung tragen müsse. Professor Knöpfle hielt die Frage, i n welcher Weise die Staatskanzlei die Opposition informiere, für ebenso wichtig. Es gehöre zum guten politischen Stil und zur Anerkennung der Funktion der Opposition, daß sie richtig informiert werde. Die bayerische Staatsregierung habe sich wiederholt mit dieser Frage befaßt und sei zu der Meinung gekommen, daß die Oppositionsfraktionen die Möglichkeit haben sollten, sich durch Ministerialexperten, unter Umständen sogar durch den Ministerialdirektor oder den Staatssekretär selbst, unterrichten zu lassen, wenn eine entsprechende Anfrage an das Ressort gerichtet werde. Dagegen sei es als unerwünscht angesehen worden, daß Ministerialbeamte sozusagen privat i n die Fraktion gingen und dort Vorträge über Dinge hielten, die vielleicht das Kabinett noch gar nicht behandelt habe. Professor Fuß, Wirtschaftshochschule Mannheim, hielt es für erwünscht, präziser ins Auge zu fassen, welche verfassungsrechtlichen Möglichkeiten für die Entwicklung der Tätigkeit der Staatskanzlei gegeben seien. Postulate für die Konzipierung einer Politik, die Funktion der Koordination und schließlich die Beschaffung der Information müßten auf die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten bezogen werden. Hier müsse zwischen den verschiedenen Regierungsstrukturen i n der Bundesrepublik differenziert werden. Bei den Flächenstaaten sah Fuß verfassungsrechtliche Ansatzpunkte dafür, daß der Ministerpräsident sich eine

Abschließende Diskussion (Bericht)

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starke Staatskanzlei schaffe, die i n der Lage sei, die drei Funktionen des Konzipierens, des Koordinierens und des Informierens effektiv wahrzunehmen. Schwieriger erscheine i h m dies vom Verfassungsrecht her bei den Stadtstaaten. Auch i m Bund scheine ihm eine starke Staatskanzlei nicht so eindeutig, da dort die Koordination statt durch die Staatskanzlei durch das Medium des Kabinetts erfolgen solle. Wenn es i n der Verfassungswirklichkeit unter Umständen anders aussähe, so erachte er das für legitim. Das beruhe dann aber auf der Autorität des Bundeskanzlers oder des Ministerpräsidenten, ohne daß beide auch eine entsprechende Potestas besäßen. Aus diesem Grunde glaube er, daß ausländische Vorbilder nur i n bedingter Weise für unsere Verhältnisse fruchtbar gemacht werden könnten. Auf Einladung von Professor Knöpfle übernahm sodann der Tagungsleiter das Schlußwort.

Schlußwort des Tagungsleiters Ein Schlußwort soll kurz sein. Es muß indes an erster Stelle ein Wort des Dankes an alle sein, die durch ihre Leistungen dieser Tagung Gehalt gegeben haben: als Referenten und als Diskussionsteilnehmer, aber ebenso als Anwesende, als Zuhörer; und weiter auch als Beteiligte an der Planung und an der Abwicklung, einschließlich der i n den Kulissen verbliebenen Mitarbeiter unseres Hauses. Magnifizenz Ryffel hat durch seine nachhaltige Unterstützung, mein Kollege Knöpfle durch seine ungewöhnliche Sachkenntnis, unser executive officer, Amtsrat Schweinstetter, durch seine erprobte allwaltende Vorsorge, mein wissenschaftlicher Assistent Assessor Alfons Noll durch unermüdliche Adjutantenwachsamkeit und Gabriele Hofmann durch verläßliche Wahrnehmung der Geschäfte des Tagungsbüros zum guten Verlauf entscheidend beigetragen. Ich weiß, daß ich i n dieser besonderen Dankesbekundung für Sie alle spreche. Ich möchte des weiteren hoffen, daß w i r uns später mit einer gewissen Genugtuung des jetzt beendeten ersten Ausflugs i n ein bisher kaum besuchtes Gelände erinnern werden, wenn seine Bedeutung für unsere moderne Daseinsordnung insgesamt und für unsere Erkenntnis der institutionellen Notwendigkeiten wissenschaftliches Gemeingut geworden sein wird, wie das schon jetzt mit Sicherheit vorausgesagt werden kann, wenn w i r nicht an unserer Zeit schlechthin zu scheitern bereit sind. Was läßt sich am Schluß i n wenigen Worten noch zur Sache sagen? Eine Zusammenfassung aller Gesichtspunkte wäre eine Unmöglichkeit. W i r haben gemeinsam erkannt, was als anfänglicher Gedankenblitz der Idee der Tagung zugrunde lag, daß nämlich unser Thema zu einem Knotenpunkt i n der öffentlichen Ordnung führt, wenngleich auch der Zusammenhang bislang weitgehend i m Dunkel verblieben war. Die erste Belichtung dieses Knotenpunktes ließe sich bereits als eine Leistung bezeichnen. Dafür hat die Tagung i n produktiver Weise eine Grundlage geschaffen. Hier hat sich erneut erwiesen, daß aus der Paarung von praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Klarstellung Ergebnisse hervorgehen, die uns weiterbringen. Aus den Erörterungen würde ich generell zunächst einen wichtigen Schluß ziehen. I m deutschen öffentlichen Bewußtsein beginnt sich offensichtlich trotz begreiflichen Zögerns schrittweise eine verständige A n -

310

Schlußwort des Tagungsleiters

erkennung der substantiellen Rangstellung der Exekutive anzukündigen. Diese neue Tendenz, wenn w i r darin eine realistische Würdigung der Methodik des Verwaltens als Zivilisationsfaktor der industriellen Gesellschaft einbeziehen, w i r d sich zweifellos aus der Bedürfnislage unserer Zeit vertiefen. Das läßt sich i n keiner Weise, wie mit Recht i n den Erörterungen der Tagung wiederholt ausgedrückt, als ein Ruf nach dem starken Mann deuten. Nicht nach dem starken Mann haben w i r Anlaß uns zu sehnen, sondern nach hinreichender Stärke der Institutionen, vermöge derer w i r uns unserer gemeinsamen Angelegenheiten annehmen. Das erfordert eine durch Information getragene und insofern durch Urteil gestützte Gesamtheit, deren Willen i n den Organen der öffentlichen Entscheidung angemessen Ausdruck finden würde. Eine weitere Schlußfolgerung, die sich i m Laufe der Tagung verdichtete, hat mit der strukturellen Figur der Staatskanzlei zu tun. W i r haben gesehen, daß man die heutige Staatskanzlei nicht als organisationstheoretisches Fertigfabrikat anzusprechen vermag. Was sie heute noch ist, als gegenwärtige Phase ihrer Anpassung an die Struktur der Exekutivspitze und die dort bislang vorwiegenden Arbeitsgewohnheiten, w i r d sie morgen nicht mehr sein dürfen. Die Erfordernisse und damit die Arbeitskonzeption selbst befinden sich bereits i n einem durchgreifenden Wandel. Die Konsequenzen werden ohne Verzögerung erfaßt werden müssen, damit einem entsprechenden Um- und Ausbau Raum gewährt werden kann. Nicht allein darauf kommt es jedoch an. Neben der Stärkung der Staatskanzlei bedarf es auch einer Einbettung dieses Gebildes i n ein umfassendes Bezugssystem. Dies Bezugssystem beschränkt sich nicht auf die Exekutive. Es muß i n seiner Natur politischer A r t sein, wenn auch politisch i n erster Linie i n der aristotelischen Perspektive, i m Sinne all dessen, was die Allgemeinheit berührt. W i r haben weitgehende Einigkeit darüber erzielt, daß die Aktionsfähigkeit der Demokratie auf Informationsströme und Urteilsbildung angewiesen ist. Aus der Information und ihrer sachkundigen Verarbeitung entstehen Zielbegriffe als vorrangige politische Produkte. Nicht die Fülle der Informationen als solche ist entscheidend, sondern das, was vermöge der Information geliefert werden soll: ein fundiertes Wissen, eine Kristallisierung von A k tionsalternativen, unter denen eine vertretbare Wahl getroffen werden kann. Die systematische Grundlegung des Wissens und seine Mehrung sind wichtige Aufgaben der Wissenschaft selbst, die auch dem öffentlichen Geschehen verpflichtet bleibt und stärker zum Dienst herangezogen werden sollte. Struktur, w i r wissen es, ist nicht alles. Aber w i r wollen uns stärker daran erinnern, daß Verwaltungsstruktur oft sehr erhebliche Auswir-

Schlußwort des Tagungsleiters

kungen hat. Sie mag i n maßgeblicher Weise die Gestaltung von funktionellen Beziehungen beeinflussen. Sie mag Hindernisse errichten, wie sie auch Möglichkeiten eröffnen kann. Das Strukturelle i n der Konzeption der Staatskanzlei darf daher keineswegs völlig i n den Hintergrund treten, ohne je zur Zwangsjacke werden zu dürfen. Trotzdem haben unsere Erörterungen deutlich gemacht, daß der Geist der Institution unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Was gerade i n der Staatskanzlei von ganz besonderer Bedeutung erscheint, ist die Dienstperspektive, die Hervorhebung des Institutionellen vor dem Persönlichen. Das schließt vieles ein: die Bereitschaft, der politischen Lenkung konstruktiv voranzudenken, die Implikationen ihrer Ziele zu erfassen, für die Erreichung dieser Ziele Initiativen vorzuschlagen und ähnliche Ansätze mehr. Verläßlichkeit ist ein anderer Aspekt, die Wahrung einer Vertrauensbeziehung, zu deren Fortdauer jeder der Beteiligten einen Beitrag zu liefern hat. Dies ist ein Vertrauen, das dem Mann der Staatskanzlei nicht ohne weiteres schon durch seine räumliche Zugehörigkeit zukommt. Weil die Staatskanzlei dort ihren Standort hat, wo sich Politik und Verwaltung überschneiden, bestimmt sich das Maß ihres Erfolges aus dem, was sie in beiden Richtungen leistet. Wer i n der Staatskanzlei arbeitet, kann nicht umhin, seinen politischen Orientierungssinn zu schärfen. Er muß lernen, worauf es dem Regierungschef ankommt, welche Situationen dessen Handelnsspielraum vergrößern oder beengen, welche Möglichkeiten verschiedene Situationen in sich bergen. Nicht minder wichtig ist aber die Kenntnis der Verwaltung. Das umschließt einerseits ein sicheres Urteil über die Tragfähigkeit des Apparats, über das praktisch Erreichbare, über Hindernisse wie über deren Umschiffung, andererseits eine nüchterne Einschätzung der Bereitschaft der einzelnen Ressorts, auf die Wünsche des Regierungschefs einzugehen, ohne daß es einer Kraftprobe bedarf. Viel hängt dabei von der persönlichen Autorität, von dem menschlichen Format des Mannes aus der Staatskanzlei ab, der nichts so schonend behandeln w i r d als die Amtsautorität des Regierungschefs selbst. Wenn w i r von der Staatskanzlei als einem Instrument der politischen Leitung sprechen, sollte die politische Leitung allerdings nicht als Selbstzweck mißverstanden werden. Dienst an der politischen Leitung darf nicht zur gedankenlosen Parteilichkeit absinken. Führungsinstrumente erhalten ihren Wert letztlich aus dem, was heutzutage von der politischen Leitung erwartet werden muß, von ihrer durch die Problematik der industriellen Gesellschaft bedingten Rolle. Das sollte uns vor der leichtfertigen Auffassung schützen, daß es sich bei dem erweiterten Aufgabenkreis der Staatskanzlei schließlich nur um

312

Schlußwort des Tagungsleiters

eine einseitige Verteilung der politischen Macht handele. Ich bekenne, daß es mir schwer fällt, den Begriff der Macht i n unserer pluralistischen Gesellschaft unterzubringen, obwohl diese Schwierigkeit offenbar nicht allerorts empfunden wird. I n der Demokratie kann sich Macht nur als Mandat aus der Gesamtheit legitimieren. Natürlich ist i n Wahrnehmung eines solchen Mandats der Aufbau, die Erhaltung und die mögliche Erweiterung einer soliden Aktionsgrundlage unerläßlich. Für das Ergebnis solcher Bemühungen sollte aber der Machtbegriff nicht beansprucht werden, zumal da Macht jenseits eines aus der Gesamtheit erteilten Mandats sich in das theoretische Gefüge der Demokratie nicht einfügen ließe. Die verstärkte Staatskanzlei gewinnt ihre Rechtfertigung also daraus, daß durch sie die politische Leitung für die Erfüllung ihrer wesenseigenen Aufgabe besser befähigt wird. Politische Leitung ist nicht Luxus, sondern M i t t e l zur Geltendmachung der Interessen der Allgemeinheit. So verknüpft sich unser Thema, das zunächst vornehmlich organisatorischer Natur zu sein scheint, letzten Endes mit der Qualität der politischen Ordnung, mit ihrer Beständigkeit, mit ihrer Gesundheit und mit ihrer Wirkungskraft. Darin berührt sich das Thema mit der Kardinalfrage der Arbeitsfähigkeit der freien Gesellschaft, der Demokratie.

Anhang

Die Planungsfunktion in der Hamburgischen Senatskanzlei Von Ulrich Becker Die gesellschaftspolitischen Daten für die Wirtschaftsregion Hamburg sind in ständiger Bewegung. Wirtschaftsräume trennen oder integrieren sich; die Infrastruktur muß auf den verschiedensten Gebieten an die sich rapide fortentwickelnden Ansprüche der modernen Industriegesellschaft angepaßt werden. Hand i n Hand mit diesem evolutionären Prozeß wachsen die Ansprüche auf Vorleistungen oder Leistungen des Staates. Diese Tatsachen verlangen es, auch die Methoden der administrativen Planung und Vorbereitung von exekutiven und legislativen Maßnahmen den veränderten Umständen anzupassen, um eine umfassende oder integrierte Planung zu sichern. Die gesellschaftspolitischen Planungsaufgaben stellen sich nicht nur i n rein fachlichen Sektoren zur Lösung, sondern bedingen sich gegenseitig und sind über die Ressortgrenzen hinweg eng miteinander verflochten. Sie müssen deshalb auch i n Teilbereichen als Teil eines Ganzen erkannt und durchdacht werden. Je weitreichender die Maßnahmen gesellschaftspolitisch sind, je mehr Behörden beteiligt sind, je weniger sich aus der Aufgabenstellung die Federführung einer Behörde nach dem Ressort bestimmen läßt, je weiter die Maßnahmen in die Zukunft zielen, je komplexer ihre Natur und je größer das Risiko ist, desto notwendiger erscheint es, ihre Vorbereitung von einer ressortfreien Stelle aus zu beobachten, zu koordinieren oder auch zu veranlassen. Das gleiche gilt für die Planung umfangreicher Einzelprojekte, an denen eine größere Anzahl von Behörden maßgeblich mitwirkten und bei denen besonders der vorhandene finanzielle Spielraum an sich und i m Hinblick auf andere Projekte abgewogen werden muß. Eine weitere Notwendigkeit zur inneren hamburgischen Koordinierung ergibt sich aus der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. Sie wächst i n dem Maße, wie eine regionale, über die Grenzen Hamburgs hinausgehende kooperative Wirtschaftspolitik angestrebt und verwirklicht wird. Bei der Regionalplanung handelt es sich insbesondere um die Wahrnehmung der Angelegenheiten des i m Jahre 1955 gegründeten Landesplanungsrates Hamburg/Schleswig-Holstein und der seit 1958 bestehenden gemeinsamen Landesplanungsarbeit Hamburg/Niedersachsen.

Ulrich Becker

316 Zielsetzung

und Koordinierung

als Regierungsmethoden.

D i e gestellte

Aufgabe der Koordinierung ist nicht neu. Sie ist klugen Staatsmännern auch schon bewußt gewesen, als das Wort „Planung" noch nicht so oft wie heute benutzt wurde 1 . Das Wachstum der Staatstätigkeit hat — etwa gegenüber der klassischen Ressorteinteilung — eine immer stärkere Ressortspezialisierung besonders i n der „inneren Politik" ausgelöst. Jeder Spezialisierung wohnt aber ein Zwang zur Koordinierung inne. I n dem Maße wie dieser Zwang mit den wachsenden und verfeinerten Aufgaben zunimmt, bietet es sich an, die permanente Aufgabe der Koordinierung nicht nur pragmatisch, sondern auch methodisch zu lösen. Die enge Verflechtung der Aufgaben in einem modernen hochzivilisierten Staat, zu der noch die starke inter- und supranationale Verknüpfung kommt, läßt eine an der Vergangenheit orientierte, nur pragmatische Politik für die Gegenwart nicht mehr zu, sondern fordert zu Zielsetzungen für eine weitere Zukunft heraus, damit verhindert wird, daß die Aktivitäten der produktiven Menschen und der Einsatz von Gütern fehlgeleitet werden. Bisherige

Methoden

und Institutionen.

I n der h a m b u r g i s c h e n V e r w a l -

tung fehlt es auch bisher nicht an einem methodischen und institutionellen Instrumentarium für Planungs- und Koordinierungsaufgaben, besonders wenn man davon ausgeht, daß Planung und Organisation auf den gleichen Komponenten fußen, nämlich der Wahl der Ziele und des Kommunikationssystems für die Entscheidungen und ihren Vollzug sowie der Überzeugung von der Möglichkeit und der Notwendigkeit, die Ungewißheit der Zukunft zu meistern 2 . Planungs- und Stabsaufgaben werden in Grundsatzabteilungen der Behörden wahrgenommen; häufig lassen die Bezeichnungen den Charakter dieser Tätigkeiten nicht einmal erkennen, zumal den Leitungsfunktionen aller Organisationsstufen eine Planungsfunktion innewohnt. Aus der Praxis heraus haben sich die bekannten Instrumente der Federführung und der interbehördlichen Ausschüsse entwickelt. Für die überlagernden Aufgaben der Organisation und des Personalwesens in der hamburgischen Verwaltung bestehen bei dem Senat, der kollegialen Regierungs- und Verwaltungsspitze, unter der Leitung des Präsidenten des Senats, des Ersten Bürgermeisters, das Organisationsamt und das Personalamt. Ergänzung

des Systems

durch

einen

allgemeinen

Planungsstab.

Dies

System ist nun vor eineinhalb Jahren dadurch ergänzt worden, daß die 1 Friedrich d. Gr. schreibt 1752 i n seinem Politischen Testament: „ B e i dem innigen Zusammenhang zwischen Finanzen, innerer Verwaltung, äußerer P o l i t i k u n d Heerwesen ist es unmöglich, einen dieser Zweige ohne Rücksicht auf die anderen zu verhandeln." 2 Bardet, P h i l i p p : Die Organisation der Planung. Stuttgart: Kohlhammer, 1965, S.6 u n d 11.

Die Planungsfunktion i n der Hamburgischen Senatskanzlei

317

planerischen und koordinierenden Aufgaben des Präsidenten des Senats durch einen Beschluß des Senats betont wurden und gleichzeitig bei der Senatskanzlei ein Arbeitsstab für Planung gebildet wurde. I n diesen Stab wurde ein kleiner Stab für Regionalplanung unter einem Staatsrat 3 übernommen, der schon vorher bestanden hatte. Der Arbeitsstab ist nunmehr i n Gesamtplanung und Regionalplanung je unter der Verantwortung eines Staatsrats gegliedert. Es soll weiteren Erfahrungen vorbehalten bleiben, ob diese Aufteilung aufrechterhalten wird. Zunächst kam es darauf an, eine reibungslose Übernahme zu ermöglichen und die Kontinuität von der Sachkenntnis und der Erfahrung her sicherzustellen. Der Teilstab für Gesamtplanung besteht aus drei Wirtschaftswissenschaftlern und einem Juristen. Die Ausstattung ist—gemessen an der Aufgabe — bescheiden. Sie läßt sich daraus erklären, daß der Planungsstab beim Präsidenten des Senats lediglich als Teil des gesamten Planungssystems der hamburgischen Verwaltung anzusehen ist. Sie ist aber auch dadurch bestimmt worden, daß es schwierig ist, eine größere Anzahl qualifizierter und erfahrener Kräfte aus anderen Bereichen herauszulösen. Arbeitsweise des Planungsstabes. Die koordinierende Arbeit des Planungsstabes vollzieht sich schon nach dem Einsetzungsbeschluß über behördliche Koordinierungskonferenzen, gleichgültig ob die Initiative dafür beim Präsidenten des Senats oder den Senatoren (Leitern) der interessierten Ressorts liegt. Die kollegiale Form der Regierungs- und Verwaltungsspitze, des Senats, und auch die Gemeinsamkeit der Staatsräte als Berater des Senats begünstigen die Zusammenarbeit des Planungsstabes mit den Ressorts. Seine Verbindung mit den Senatsämtern, insbesondere dem Organisationsamt und dem Personalamt, ist schon dadurch sichergestellt, daß sämtliche Senatsämter dem Ersten Bürgermeister unterstellt sind. I m Verhältnis der Stabskräfte zu den Behörden zielt die gewählte Organisationsform darauf ab, den Kontakt mit den Behörden und zwischen den Behörden zu systematisieren. Sie w i l l nicht etwa die Verantwortung und Initiative der Behörden vermindern, sondern sie i m Gegenteil i m Gesamtrahmen der Staatsaufgaben und aus deren Gesamtschau heraus angemessen zur Geltung kommen lassen. Die Verbindung der Tätigkeit des Planungsstabes mit der Koordinierungsarbeit der Behörden ist eine Lösung, bei der vermieden wird, daß sich aus der Stabsorganisation eine „Superbehörde" entwickelt oder die Verantwortung der Fachbehörden auf sie verlagert wird. Auf der ande3 Staatsräte haben eine ähnliche Stellung wie Staatssekretäre; sie sind gleichzeitig Berater des Senats als Kollegium.

Ulrich Becker

318

ren Seite aber kommen in einer koordinierten Arbeit der Behörden die übergeordneten Gesichtspunkte und der Gesamtrahmen der Staatsaufgaben mit ihren Dringlichkeiten und Möglichkeiten zur Geltung; dabei werden auch Rationalisierungseffekte i n der Planungsarbeit zu erzielen sein. Der Planungsstab w i r d also nicht als eine i n sich geschlossene Einheit angesehen. Um die offene Arbeitsweise des Stabes bei der Senatskanzlei zu betonen, hat der Senat ausdrücklich beschlossen, daß „ i n beratender Eigenschaft auch Persönlichkeiten hinzugezogen werden, die nicht der Verwaltung angehören". Beschaffung der Planungsdaten. Der dem Planungsstab zugedachten Funktion und der sich daraus ergebenden Arbeitsweise entspricht es, daß er nicht etwa eine „Datenbank" unterhält, sondern sich die erforderlichen Informationen von allen vorhandenen Einrichtungen einschließlich der Ressorts beschafft. Eine dafür prädestinierte Stelle ist das Statistische Landesamt. Es erscheint i m übrigen utopisch, den Versuch zu machen, alle für eine Regierung erforderlichen Daten an einer Stelle zusammenzufassen, fortzuschreiben und auch noch auszuwerten; daran ändert auch nichts, daß für die Datenverarbeitung Computer zur Verfügung stehen. I n der Zukunft w i r d es allerdings leistungsfähigere Informationssysteme geben müssen als heute. Es genügt aber, wenn vom Planungsstab Initiativen ausgehen, vorhandene Daten zu sortieren und umzuordnen. Manche Datenserien werden hinzukommen müssen, um einen genügenden Überblick zu verschaffen und komplexe Entscheidungen zu ermöglichen. Bei der Arbeit der Gesamtplanung w i r d sich auch herausstellen können, welche der bisher mühsam beschafften Daten eigentlich irrelevant sind. M i t ähnlicher Vorsicht sollten Überlegungen betrachtet werden, bei Planungsstäben auch Forschungsinstitute einzurichten; i n Hamburg ist nicht daran gedacht. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich von kompetenten Stellen beschaffen. Datenbank und eigene Forschung würden einen so großen Apparat erfordern, daß allein schon seine Steuerung und Verwaltung eine eigenständige Aufgabe wäre. Auch mit der Eigengesetzlichkeit solcher Apparate müßte gerechnet werden. Jedenfalls würde das die Unmittelbarkeit der Planer i m Hinblick auf den „Chefplaner" infrage stellen, wenn nicht gar beseitigen. Bisherige

Tätigkeit

des Planungsstabes.

N i e m a n d i n der h a m b u r g i -

schen Verwaltung hat erwartet, daß die Bildung des Gesamtplanungsstabes bei der Senatskanzlei Wunder wirken würde oder könnte. Das ist nicht zu erwarten, weil die Struktur der hamburgischen Verwaltung und insbesondere ihrer Führungsorganisation ohnehin ständig den veränderten Verhältnissen angepaßt wird. Es ist dem gebildeten Stab nicht

Die Planungsfunktion i n der Hamburgischen Senatskanzlei

319

immanent, daß er spektakuläre Pläne vorlegt; seine Arbeit vollzieht sich i m Stillen, von der Öffentlichkeit nicht bemerkt, meistens sogar für die beteiligten Ressorts unauffällig, weil die Planung und Koordinierung das Ergebnis gemeinsamer Beratungen ist. Sicherlich mußten zunächst Vorbehalte abgebaut und manch ein Verdacht beseitigt werden. Wo gibt es das aber nicht, wenn eine neue A k t i v i t ä t entfaltet wird? Der Planungsstab führt sich um so leichter ein, als er i n der Lage ist, den Ressorts auch Informationen zu vermitteln, die ihnen aus ihrer Arbeit nicht zugänglich sind. Der Erfolg der Arbeit ist nicht nur von dem persönlichen Geschick und der Qualifikation der Stabskräfte, sondern vor allem auch von der Persönlichkeit derjenigen abhängig, die sich eines solchen Stabes bedienen, und von ihrer Fähigkeit, eine weite Vorschau i n die Zukunft mit einem gesunden Pragmatismus für die Gegenwart zu verbinden. Planungsstab

und Veränderung

der Verwaltungsstruktur.

Die Orga-

nisation für Fragen der Gesamtplanung und der Regionalplanung war eine der ersten Maßnahmen, die sich aus den beim Senat unter dem Stichwort „Verwaltungsreform" zur Änderung der hamburgischen Verwaltungsstruktur vor zwei Jahren geführten Beratungen ergeben haben. Sie ist auch das Korrelat dafür, daß der Senat sich durch Verlagerung von Aufgaben auf die Ressorts entlastet. I m Zusammenhang damit stehen Überlegungen zur Einteilung der Ressorts und ihrer inneren Gliederung, die darauf abzielen, die Führung zu erleichtern und zu stärken, verwandte Aufgaben zusammenzufassen und Unterschiede i n der Größe der Ressorts abzugleichen. Da die Führungsorganisation und der Arbeitsablauf sich i m Vollzug gegenseitig bedingen, sind auch Fragen des Instanzenzuges, der Verteilung der Entscheidungsbefugnisse und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung einbezogen worden. Schließlich w i r d auch das Verhältnis des Staatsbürgers zur Verwaltung berührt. Als Ergebnis der Untersuchungen und Beratungen war besonders interessant, daß die verschiedenen Reformmaßnahmen gegenseitig voneinander abhängig sind; nahezu jede Veränderung erfordert eine Gegenbewegung, damit das Gleichgewicht und die Einheit des Gesamtorganismus erhalten bleiben. Die Einrichtung des Planungsstabes begegnet sich mit Planungsstäben der Ressorts und — damit wieder i m Zusammenhang — einer stärkeren Trennung der Leitungs- von den Ausführungsfunktionen. Vielleicht gerade, weil die Möglichkeiten nicht dramatisch verkündet worden, sondern als Leitlinien in die hamburgische Verwaltung eingegangen sind, konnten die Überlegungen inzwischen zu einem großen Teil bereits verwirklicht werden. Selbst dann, wenn die Vorschläge stark modifiziert wurden, geschah das doch nach den erarbeiteten Grundsätzen.

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Ulrich Becker

Nur i n den Zusammenhängen der gesamten hamburgischen Verwaltung läßt sich die Funktion des Planungsstabes bei dem Präsidenten des Senats sehen. Sie bekommt bei der i n Hamburg seit einigen Jahren geübten mittelfristigen Investitions- und Finanzplanung besondere Bedeutung. Auch die hamburgische Finanzbehörde hat sich traditionell der Aufgabe unterzogen, Prioritäten für die Erfüllung der Aufgaben der Fachressorts zu setzen, einerseits mangels ressortfreier Einrichtungen und andererseits weil die Finanzbehörde auf Grund der eigentlichen Aufgabenstellung gegenüber den anderen Ressorts eine Übersicht über das Ganze hat. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich die hierin liegende disponierende planerische Zuständigkeit verschieben kann. Für Hamburg wäre das vom Prinzip her nichts Neues, weil auch die Organisation und das Personalwesen nicht ressortgebunden sind. Verstärkung

des funktionalen

Prinzips.

P l a n u n g als R e g i e r u n g s m e -

thode ist nicht etwa eine neue Erfindung. Jeder Aufbauplan großer Städte ist dafür Beweis; Richtlinien aller A r t liegt planerisches Denken zugrunde. Wenn heute das Wort „Planung" i n aller Munde ist, läßt sich das damit erklären, daß der Bedarf an Planung noch nie so groß gewesen ist wie heute, aber auch damit, daß es inzwischen ein Planungsvokabular gibt. Den Nutzen der Planung haben die Menschen schon vor Jahrtausenden erkannt. Der zunehmende Planungsbedarf i n unserer modernen Welt zwingt aber dazu, die bisherigen Formen für die Planung zu überdenken. Die hamburgische Regierung und Verwaltung war — erklärlich aus dem stadtstaatlichen Charakter mit der besonders engen Verflechtung der kommunalen Aufgaben — schon bisher nicht rein nach dem Ressortprinzip gegliedert. I n der Bildung des Planungsstabes bei dem Präsidenten des Senats zeigt sich eine weitere Wandlung von der Aufteilung nach den Ressorts in Richtung auf eine funktionale überlagernde Gliederung.

Schrifttumsauswahl Zusammengestellt von Alfons Noll

Arndt, Hans-Joachim: P o l i t i k u n d Sachverstand i m Kreditwährungswesen. Die verfassungsstaatlichen Gewalten und die F u n k t i o n von Zentralbanken. Berlin: Duncker & Humblot, 1963. — West Germany. Politics of Non-Planning. National Planning Series, Bd. 8. Syracuse, N. Y.: Syracuse University Press, 1966. Bardet, P h i l i p p : Die Organisation der Planung. Stuttgart: Kohlhammer, 1965. Beckerath, E r w i n von: „Der Einfluß der Wirtschaftstheorie auf die Wirtschaftsp o l i t i k " , i n : Logik der Sozialwissenschaften, hrsg. von Ernst Topitsch. Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 6. 2. A u f l . K ö l n u n d Berlin: Kiepenheuer & Witsch, 1965, S. 497 ff. Beioff, M a x : Neue Dimensionen der Außenpolitik. England, die N A T O und Europa. K ö l n : Verlag f. Wissenschaft u n d Politik, 1961. Böckenförde, Ernst-Wolf gang: Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung. Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Duncker & Humblot, 1964. Boesler, F e l i x : „ Z u r Theorie und Praxis regionaler Raumordnungspläne". Raumforschung und Raumordnung, Jg. 24, 1966, S. 145 ff. Brecht, A r n o l d u n d Comstock Glaser: The A r t and Technique of A d m i n i s t r a tion i n German Ministries. Cambridge, Mass.: H a r v a r d University Press, 1940. Bridges, L o r d Edward: The Treasury. Whitehall Series No. 12. London: A l l e n & U n w i n , 1964. Chester, D. N.: „Development of the Cabinet 1914—1949", i n : L o r d Campion, D. N. Chester u. a.: B r i t i s h Government since 1918. London: A l l e n & U n w i n , 1957. Czempiel, Ernst-Otto u n d Ekkehart Krippendorff: „Der Beitrag der Wissenschaft zur Formulierung der amerikanischen Außenpolitik". Politische V i e r teljahresschrift, Jg. 6, 1965, S. 465 ff. Daalder, Hans: Cabinet Reform i n Britain, 1914—1963. Stanford: University Press, 1963. Dagtoglou, Prodromos: Der Private i n der V e r w a l t u n g als Fachmann und Interessen Vertreter. Die Rechtsproblematik. Heidelberg: Winter, 1964. Drucker, Peter F.: Praxis des Management. E i n Leitfaden für die FührungsAufgaben i n der modernen Wirtschaft. 4. Aufl. Düsseldorf: Econ, 1964. Duppré, 21

Fritz: „Politische Kontrolle", i n : V e r w a l t u n g (siehe unten), S. 388 ff.

Speyer 34

322

Schrifttumsauswahl

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Schrifttumsauswahl

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324

Schrifttumsauswahl

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prospective".

Stato

Sociale

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Schrifttumsauswahl Morrison, 1956.

Herbert: Regierung und Parlament i n England. München: Beck,

Morsey, Rudolf: Die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck 1867—1890. Neue Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 3. Münster: Aschendorff, 1957. — „Bismarck und die Reichsverwaltung". Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 80, 1965, S. 257 ff. Morstein Marx, Fritz: „Regierungsprogramm u n d Haushaltsplanung i n vergleichender Sicht". Politische Viertel jahresschrift, Jg. 6, 1965, S. 442 ff. — „ Z u m Ursprung des Stabsbegriffs i n den Vereinigten Staaten: Zuwanderung u n d Anpassung". Verwaltungsarchiv, Bd. 55, 1964, S. 97 ff. — „Das Executive Office des Präsidenten der USA", i n : V e r w a l t u n g i m modernen Staat. Staat u n d Wirtschaft. Berliner Beamtentage 1965. Berlin: Senator für Inneres, 1966, S. 140 ff. — „The Bureau of the Budget: Its Evolution and Present Role". American Political Science Review, Bd. 39, 1945, S. 653 ff., 869 ff. — Amerikanische Verwaltung. Hauptgesichtspunkte u n d Probleme. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 15. Berlin: Duncker & Humblot, 1963. — Das Dilemma des Verwaltungsmannes. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 26. Berlin: Duncker & Humblot, 1965. Müller, K a r l Valentin: Der Manager i n der Sowjetzone. Eine empirische U n tersuchung zur Soziologie der wirtschaftlichen u n d militärischen F ü h rungsschicht i n Mitteldeutschland. Schriftenreihe des Instituts für E m p i rische Soziologie, Bd. 2. K ö l n u n d Opladen: Westdeutscher Verlag, 1962. Münch, Fritz: Die Bundesregierung. F r a n k f u r t / M . : Metzner, 1954. Neustadt, Richard E.: Presidential Power. The Politics of Leadership. New York, London: Wiley, 1960. New Techniques of Budget Preparation and Management (Generalbericht). International Institute of Administrative Sciences, Brüssel, 1965. Niemeier, Hans-Gerhart und Gottfried Müller: tungsaufgabe. Hannover: Jänecke, 1964.

Raumplanung als V e r w a l -

Novick, David (Hrsg.) : Program Budgeting. Program Analysis and the Federal Budget. Cambridge, Mass.: H a r v a r d University Press, 1965. Nußbaumer, Adolf: „Wirtschaftliche Aspekte der Planung". Zeitschrift für Politik, Jg. 13, 1966, S. 162 ff. Patzig, Werner: „Verfassungsrechtliche Betrachtungen zum E n t w u r f eines Stabilisierungsgesetzes". Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 81, 1966, S. 672 ff. Pentzlin, Heinz: Der M a n n an der Spitze. Unternehmer i m Zeitalter der Elektronik. Oldenburg u n d Hamburg: Stalling, 1964. Poetzsch-Heffter, Fritz: „Organisation und Geschäftsformen der Reichsregierung", i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. von Anschütz u n d Thoma, Bd. I. Tübingen: Mohr, 1930, S. 511 ff. Pöschl, Ernst: Raum und Raumordnung. Berlin: Duncker & Humblot, 1965. Pons, A l a i n : L'administration de la Recherche. Paris: Organisation de Coopération et de Développement Economiques, 1965. Pünder, Hermann: „Das Schaltwerk von Politik u n d V e r w a l t u n g i m Reich, i n der Bizone und i m Bund. Reichskanzlei B e r l i n — Direktoralkanzlei F r a n k -

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Schrifttumsauswahl

furt — Bundeskanzleramt Bonn". Die öffentliche Verwaltung, Jg. 16, 1963, S. 1 ff. Pünder, Hermann: P o l i t i k i n der Reichskanzlei. Aufzeichnungen aus den Jahren 1929—1932. Hrsg. von Th. Vogelsang. Schriftenreihe der Vierteljahreshef te für Zeitgeschichte, Nr. 3. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1961. — (Hrsg.): Z u r Geschichte des Reichskanzlerpalais u n d der Reichskanzlei. Festschrift zur Grundsteinlegung des neuen Dienstgebäudes. Berlin: Zentralverlag, 1928. Reinöhl, Fritz: Geschichte der K . u. K . Kabinettskanzlei. Ergänzungsband V I I der Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs. Wien: Berger, 1963. Ronneb erger, Franz: „Verwaltungshandeln i n der entwickelten Industriegesellschaft". Der Staat, Bd. 2, 1963, S. 129 ff. Sachverstand und Verantwortung i n der öffentlichen Verwaltung, Vorträge u n d Diskussionsbeiträge des 34. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 30. Berlin: Duncker & Humblot, 1966. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen E n t w i c k lung: Jahresgutachten 1964/65, „Stabiles Geld — stetiges Wachstum". 2. Aufl., 1964; Jahresgutachten 1965/66, „Stabilisierung ohne Stagnation". 2. Aufl., 1965; u n d „Expansion u n d Stabilität", 1966, Stuttgart: K o h l hammer. Sampson, A n t h o n y : Wer regiert England? Anatomie einer Führungsschicht. München: Piper, 1963. Sänger, Gisela: Die F u n k t i o n amtlicher Pressestellen i n der demokratischen Staatsordnung, dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. F r a n k f u r t / M a i n und Berlin: Metzner, 1966. Scheuner, Ulrich: „Verfassungsrechtliche Probleme einer zentralen staatlichen Planung", i n : Kaiser, Joseph H. (Hrsg.), Planung I, S. 67 ff. Baden-Baden: Nomos, 1965. Schmidt, Gerhard: Die Staatsreform i n Sachsen i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine Parallele zu den Steinschen Reformen i n Preußen. Weimar: Böhlaus Nachfolger, 1966. Schneider, Franz: „Kabinettsreform u n d Machtverteilung i n England". Zeitschrift für Politik, Jg. 12, 1965, S. 40 ff. Schneider, Hans: „Planification als normatives Informationssystem u n d als Koordinationsprinzip". Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 120, 1964, S. 329 ff. Schnippenkötter, S.: „Planung i n der Außenpolitik", i n : Aus der Schule der Diplomatie, Festschrift für Peter Pfeiffer. Düsseldorf: Econ, 1965, S. 161 ff. Schnur, Roman: Strategie und T a k t i k bei Verwaltungsreformen. P o l i t i k und Verwaltung, Heft 2. Baden-Baden: Nomos, 1966. — „Der Holzweg des geringsten Widerstandes". Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Okt. 1966, Nr. 236, S. 13/14. Senghaas, Dieter: „ K y b e r n e t i k u n d Politikwissenschaft". Politische Vierteljahresschrift, Jg. 7, 1966, S. 252 ff. Snow, C. P.: Politik hinter verschlossenen Türen. Wissenschaft u n d Staatsführung. 2. Aufl. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1962.

Schrifttumsauswahl Sontheimer, K u r t : „Voraussage als Ziel u n d Problem moderner Sozialwissenwissenschaft", i n : Wissenschaft u n d Planung. Universitätstage 1965, Freie Universität Berlin, 1965, S. 16 ff. Sorensen , Theodore C.: Decision M a k i n g i n the White House. The Olive Branch or the Arrows. New Y o r k : Columbia University Press, 1964. Spiegel: Bericht über das Bundeskanzleramt. Der Spiegel, Jg. 20, 1966, Nr. 24, S. 32 ff., 42 ff. Staat u n d Wirtschaft i m nationalen u n d übernationalen Recht, Vorträge und Diskussionsbeiträge des 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 22. Berlin: Duncker & Humblot, 1964. Städteerneuerung und Eigentumsordnung, Vorträge u n d Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule f ü r Verwaltungswissenschaften Speyer 1963. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 21. Berlin: Duncker & Humblot, 1964. Staerkle, Robert: Stabsstellen i n der industriellen Unternehmung. Haupt, 1961.

Bern:

Stammer , Otto: „Der Politikwissenschaftler als Berater der politischen Praxis", i n : Wissenschaft und Praxis. Festschrift zum zwanzigjährigen Bestehen des Westdeutschen Verlages 1967. K ö l n u n d Opladen: Westdeutscher Verlag, 1967, S. 35 ff. Steinbuch, K a r l : Die informierte Gesellschaft. Geschichte und Z u k u n f t der Nachrichtentechnik. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1966. Stellvertretung i m Oberbefehl, Referate und Diskussionsbeiträge einer A r beitstagung der Hochschule für Politische Wissenschaften München. M ü n chen: Universis-Verlag, 1966. Stutterheim, Hermann von: Die Reichskanzlei. Schriften zum Staatsaufbau, Teil I I , Nr. 45. Berlin: Junker & Dünnhaupt, 1940. Tenbruck, Friedrich H.: „Raumordnung". Zeitschrift für Politik, Jg. 13, 1966, S. 113 ff. Thieme, Werner: Verwaltungslehre. B e r l i n und K ö l n : Heymann, 1967. Tiedemann, Christoph von: Aus sieben Jahrzehnten. Erinnerungen. Zweiter Band: Sechs Jahre Chef der Reichskanzlei unter dem Fürsten Bismarck. Leipzig: Hirzel, 1909. Tretner, Carl-Heinz: Langfristige Planung von Staatsausgaben. Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten (Köln), Heft 32. Berlin: Duncker & H u m blot, 1965. Uhlitz, Otto: „ Z u r Frage des Staatsoberhauptes i n den Ländern". Die öffentliche Verwaltung, Jg. 19, 1966, S. 293 ff. Urwick, L y n d a l l F.: Grundlagen und Methoden der Unternehmensführung. Essen: Girardet, 1961. U. S. Bureau of the Budget: Measuring Productivity of Federal Government Organizations. A Research Report w i t h Case Studies. Washington, D. C., 1964. in't Veld, Joris: „Hebung der Verwaltungsleistung", i n : Verwaltung (s. unten), S. 354 ff.

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Schrifttumsauswahl

Verfassungs- und Verwaltungsprobleme der Raumordnung u n d Landesplanung, Vorträge und Diskussionsbeiträge des 33. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 27. Berlin: Duncker & Humblot, 1965. Verwaltung: Eine einführende Darstellung, i n Verbindung m i t Erich Becker und Carl Hermann Ule hrsg. von Fritz Morstein Marx. Berlin: Duncker & Humblot, 1965. Vickers, Geoffrey: The A r t of Judgement: A Study of Policy Making. London: Chapman & Hall, 1965. Waterston, A l b e r t : „ A d m i n i s t r a t i v e Obstacles to Planning". Economia L a tinoamericana (Pan American Union), Bd. 1, 1964, S. 308 ff. Webb, James E., V o r w o r t zu Robert L. Rosholt: A n Administrative History of N A S A , 1958—1963. Washington, D. C.: National Aeronautics and Space Administration, 1966. Weber, H e l m u t : Die Planung i n der Unternehmung. Nürnberger A b h a n d l u n gen zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Heft 19. Berlin: D u n cker & Humblot, 1963. Wiesner, Jerome Β.: Where Science and Politics Meet. New York, Toronto u n d London: M c G r a w - H i l l , 1965. Wildenmann, Rudolf: Macht und Konsens als Problem der Innen- und Außenpolitik. F r a n k f u r t u n d Bonn: Athenäum Verlag, 1963. Willeke, Eduard: „ Z u r Konstituierung der Vierten Gewalt". Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 119, 1963, S. 639 ff. Wissenschaft, Regierung und Information. Weinberg-Bericht, Deutsche Gesellschaft für Dokumentation. Frankfurt, 1964. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium: Gutachten zur Verbesserung des Zusammenwirkens staatlicher und nichtstaatlicher Kräfte, „ Z u r wirtschaftspolitischen Gesetzgebung". B u l l e t i n des Presseu n d Informationsamtes der Bundesregierung v. 6. März 1965, Nr. 41, S. 330. Zellentin, Gerda: „Wissenschaft u n d Europapolitik der Bundesregierung". Politische Vierteljahresschrift, Jg. 7, 1966, S. 178 ff.

Personen- und Sachverzeichnis Adenauer, Konrad, 161 ff., 225, 253 ff., 293; zit. 166—167 Ältestenrat, 225, 293—294 Akademie für Rechtsvergleichung, Internationale, 237—238 Allgemeininteresse, Zersplitterung, 124 ff. —, s. auch Regierungsprogramm A l l i i e r t e Hohe Kommission, 162 ff. Altmeier, Peter, 13 Altshuler, Alan, zit. 138 A n m . 17 Amerika s. Vereinigte Staaten „Arbeitsgruppe Werbung" (Berlin), 106—107 Architektur, 211 ff. Atomkraft, 65 Aufbau, s. Staatskanzlei, Organisation Aufgabenbreite, 125—126 Aufgaben Vermehrung, 21 ff., 117 ff. Aufgabenwandel, 181 ff., 247 ff. Aufgabenzuweisung, 109 —, s. auch Gemeinschaftsaufgaben; Staatskanzlei, Aufgaben „ A u f t r a g s t a k t i k " , 87—88 Ausländische Erfahrung, 117 ff., 149 ff., 233 ff. Außenministerium (Länder), 56 ff., 194, 302 Außenpolitik, 246, 254—255 Außenpolitisches Büro, 163 Ausstellungswesen (Berlin), 107 Auswärtiges A m t , 140 A n m . 18, 163, 222, 292 Autorität, 32 — des Sachverstands, 149 ff., 233 ff., 238 ff. Baden, 302 Baden-Württemberg, 46, 58, 77 Anm. 2 Bagehot, Walter, zit. 41 „Bausteinkastenprinzip" (Planung), 135

Bayern, 25 ff., 52, 58—59, 77 Anm. 2, 207, 224, 301 ff. Beamte, juristische, 28, 31—32, 35, 65, 228—229, 251—252 Beamtenernennung, 20, 50 Beamtengesetz (Bayern), 27 Beamtenrechtsrahmengesetz, 62 Beamtenrechtssektion (Österreich), 158 „Befehlsweg", 168 Begnadigung, s. Gnadenrecht Beioff, Max, 246, 258 Berichterstattung, 273 ff. Berlin, 99 ff. Besoldungspolitik, 240 ff. Betriebsorganisation, 119 ff., 233 ff. Bewertungskriterien, 245 ff. Bismarck, Otto von, 22, 101—102, 107 ff., 304; zit. 29 Blank, Theodor, 163 Blondel, J., zit. 141 Anm. 21 „Body of doctrine", 258 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, 174, 178, 295; zit. 53—54, 66, 165, 177 Böhm, Franz, zit. 187 Brandenburg, 137 Brandt, Regierender Bürgermeister, 254—255 Brecht, Arnold, 291 Bremen, 59 Brentano, Heinrich von, 163, 254 Bretschneider, Vizepräsident des B u n desrechnungshofs, 243 Budget-Büro (Amerika), 150 ff., 233 ff. Budgetplanung, s. Finanzplanung; Haushaltsplanung Bundesangelegenheiten, Staatsminister, 57, 96—97 —, s. auch Bundesrat Bundesbahn, 60 Bundesbank, 228, 243 Bundeskanzler, 46, 156—157, 161 ff.

330

Personen- und Sachverzeichnis

Bundeskanzleramt, 22, 43, 56, 154, 156—157, 161 ff., 207, 211—212, 219, 221 ff., 228, 241, 245 ff. —, Organisationsplan, 176 —, Vergleich m i t Staatskanzlei, 227 ff. Bundeskartellamt, 243 Bundesministerien, Zahl, 228 Bundesnachrichtendienst, 178—179 Bundespräsidialamt, 43,164, 211 Bundesrat, 20, 26, 27—28, 31, 48—49, 55 ff., 75 ff., 79, 85, 90, 194, 225 ff., 228—229, 237, 257—258, 277, 303 Bundesrechnungshof, 121 Bundesstaatliches Problem, 237—238 s. auch Föderalismus; Bundesrat Bundestag, 57 s. auch Parlament Bundesverfassungsgericht, 31—32,

111,261

Bundesverteidigungsministerium, 153—154, 163 Bundesverteidigungsrat, 163—164 Bundesverwaltungsamt, 60 Bundeswehr, 58 Bundes wirtschaf tsministerium, 128, 241 Chicago, Universität, 137 Council of Economic Advisers rika), 150, 244 Cripps, Sir Stafford, 246 Crisis management, 244, 273

(Ame-

Datenbank, 318 Datenbeschaffung, 318 —, s. auch E l e k t r o n i k ; Information Debré, Michel, 235 Dekorationen, s. Orden Demokratie und Information, 9 ff., 27, 102 ff., 21 I f f . , 260 ff. — und Verwaltung, 309 ff. Demoskopische Umfragen, 46 Deutsche Gesellschaft für Personalwesen, 120 Anm. 2 Deutscher Bildungsrat, 56 Dienstaufsicht, 27, 58—59 Dienstperspektive, 311 Dienststrafkammern (Bayern), 56 Dokumentation, 46 —, s. auch Information Dokumentationsstelle, 273 ff. Dungern, Friedrich von, zit. 187

Duppré, Fritz, 13 Durchgängigkeitsprinzip, 81 Drury, Allen, 247 Ehmke, Horst, 245 Ehrmann, Henry W., zit. 141 Anm. 21 Eingaben, 58 Eisenhower, Präsident, 248 Elastizität, 259 ff. Elektronik, 124,198, 252, 318 Ellwein, Thomas, zit. 60 Anm. 29 Energiepolitik, 241 England, 43, 120, 123, 137, 149 ff., 156, 163, 234 ff., 246 ff., 253,258 ff., 289 ff. Entwicklungstendenzen, 231 ff. Erhard, L u d w i g , 161, 167, 170, 178, 225, 256, 259, 292 Eucken, Walter, zit. 41 Europäische Verteidigungsgemeinschaft, 163 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 22, 79,172,189, 241 Europarat, 22,131 Executive Office (Amerika), 150 ff., 233 ff., 240 ff. Exekutive, Rolle der, 233 ff., 309 ff. —, Stärkung, 21,129 ff. —, s. auch Leitung Fachmann-Snobismus, 197 Fachministerkonferenzen, s. K o n ferenzen Fernsehinterviews, 276 Finanzielle Disposition, s. Fondsverwaltung Finanzminister, 45 ff., 152—153, 218, 223, 281 ff., 303 Finanzplanung, 236 ff., 281 ff., 303, 315 ff. Föderalismus, 257 —, s. auch Bundesrat, Bundesstaatliches Problem Fondsverwaltung, 259, 290 Forsthoff, Ernst, zit. 44—45, 216, 236 Fraktion, 245 ff., 305 ff. Frankreich, 43, 52, 120, 141—142, 149 ff., 235 Friedrich der Große, zit. 316 Anm. 1 Führung, politische, 9 ff., 19 ff., 25 ff., 31 ff., 33 ff., 99 ff. —, Erfordernisse, 231 ff. —, s. auch L e i t u n g

Personen- und Sachverzeichnis Funktionale Verflechtung, s. A u f gabenbreite Geheimer Rat (Bayern), 301 „Geheimplanung", 280 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, 174 A n m . 20 Gemeinsame Geschäftsordnung (Nordrhein-Westfalen), zit. 266 Gemeinschaftsaufgaben, 271 ff. Generaldirektorium, 304 Generalsekretär, Europarat, zit. 131 Generalstab, s. Planung Gesamtdeutsche Angelegenheiten, 57 Gesamtkonzeption, s. Leitung; Planung Geschäftsordnung der Bundesregierung, 164 ff. — der Landesregierung (Bayern), 42 Anm. 8; zit. 25—26, 53 — der Landesregierung (NordrheinWestfalen), 269 — der Landesregierung (RheinlandPfalz), zit. 20, 73 Gesellschaft für Personalverwaltung (Amerika), 120 Anm. 2 —, industrielle, s. Industrielle Gesellschaft Gesellschaftliche Verpflichtungen, 91 Gesetzes verkündung, 20, 26, 31, 50 Gesetzgebung, s. Parlament Giscard d'Estaing, 235 Globke, Staatssekretär, 162, 204, 211, 259, 290—291, 294 Gnadenrecht, 20, 26, 27, 50, 74 „Graue Eminenz", 60 Großer Hessenplan, 32 Großer Kurfürst, 137 Grundgesetz, 21, 76, 164, 165 ff., 184, 234, 253, 260 Grundsatzabteilung, 45 Gutachtenbeschaffung, 146—147 Haidane Report, 149 Hallstein, Professor, 163, 215 Hamburg, 46, 59, 315 ff. Handelnsspielraum, 255 ff. Harvard, Universität, 137 Hassel, von, Bundesverteidigungsminister, 251 Hatschek, Julius, 294

Haushaltsplanung, 45 ff., 136 ff., 149 ff., 281 ff., 303, 315 ff. —, s. auch Finanzplanung Hennis, Wilhelm, zit. 40—41 Hessen, 31 ff., 46, 77 Anm. 2, 211 ff. Hessenplan, s. Großer Hessenplan Hessentag, 32 Heuss, Theodor, 219 Hitler-Regime, 21,101 Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 19, 29, 59, 78, 79, 120—121, 216 Ideologie, 188 Ifo-Institut, 239—240 Image-Pflege, 243 ff. „Im-Einvernehmen-Formel" (Österreich), 158—159 Individuelle Isolierung, 125 Industrielle Gesellschaft, 9 ff., 33 ff., 44 ff., 117 ff. Informale Rollen, 66 ff. Information, 88 ff., 202 ff., 245 ff., 273 ff., 219, 310 ff. — u n d Demokratie, 9 ff., 27, 102 ff., 211 ff., 260 ff. — u n d Verbände, 128 Informationsabteilung, s. Presseämter Informationsarbeit (Bayern), 26 Informationsfluß, 124 ff. Innenministerium, 145 I n s t i t u t der Stiftung „Wissenschaft und P o l i t i k " , 291 Investitionsplanungsamt, München, 45—46 Investitionsprogramme, 32 ff., 44 ff. —, s. auch Regierungsprogramm Isolierungseffekt, s. Ressortprinzip Italien, 123 Juristische Beamte, 28, 31—32, 35, 65, 228—229, 251—252 Kabinett, 19 ff., 25 ff., 48 ff., 52 ff., 74—75, 83 ff., 276 ff. —, Ausschüsse, 156—157,170, 291 —, Sitzung, 305 ff. Kant, 244 Kanzlerprinzip, 93—94, 165 ff., 265 ff. K a r l Albrecht, Kurfürst, 301 Kennedy, John F., 154, 240 ff., 257, 259,304

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Personen- und Sachverzeichnis

Keynes, John M., 152,187 Kielmansegg, General, 163 Kiesinger, Ministerpräsident, 257 „Königsknappen", 133 Anm. 11 Köttgen, Arnold, 216 Kollegialprinzip, 42 ff., 53, 165 ff., 265 ff. Konferenzen, 56, 75—76, 218, 221, 225 ff. — der Senatsdirektoren, 106 — der Staatssekretäre, 85, 269 ff. K o n j u n k t u r p o l i t i k , 186 ff. —, s. auch Regierungsprogramm K o n j u n k t u r rat, 244 Kontaktpflege, 83 ff., 90 ff. Kontinuität, 258 ff. Koordination, 13 ff., 19 ff., 21 ff., 33 ff., 53 ff., 86 ff., 105 ff., 171 ff., 192 ff., 204 ff., 225, 228, 263 ff., 273 ff., 315 ff. —, Vorbehalte gegenüber, 143 ff. Kriterien, der Bewertung, 245 ff. K ü h n , Ministerpräsident, 290 K u l t u r p o l i t i k , 57 Landesarchiv, 59, 78, 94 Landespersonalausschuß (Bayern), 27, 58 Landesplanung, s. Raumplanung Landesplanungsrat Hamburg/Schleswig-Holstein, 315 Landespressegesetz (RheinlandPfalz), 89 Landespressestelle, s. Presseämter Landesregierung, 19 ff., 25 ff., 52 ff., 74—75 —, s. auch Kabinett Landessportplan (Bayern), 49 Leader of the House (England), 293 Legislative, s. Parlament Leisner, Walter, zit. 49 Anm. 20 Leitung, 19 ff., 25 ff., 31 ff., 33 ff., 43 ff., 132—133 —, s. auch Führung Lerner, Abba P., zit. 187 Lindenau, Bernhard August von, 126 Anm. 8 Lipset, Professor, 249 Loewenstein, K a r l , 149—150; zit. 68 Lohmar, Ulrich, 179—180 Luhmann, Niklas, zit. 49 Anm. 20, 67—68,195

Mackenzie, W. J. M., zit. 153 MakroÖkonomik, 185 ff. —, s. auch Regierungsprogramm Mandarinokratie, 261 „ M a r k t a n t e i l Staat", 185 ff., 196 Marktforschungsstelle, 191,198 Marktwirtschaft, soziale, 186 ff. „Matrix management", 193, 252 Mauer, Bau der, 254 McNamara, Robert, 194, 250 Meersch, Ganshof van der, zit. 237— 238 „Meldeweg", 168 Mendès-France, 255 Meyers, Ministerpräsident, 290 Michels, Robert, 261 Militärische Praxis, 119 Minister, Rotation, 156 Ministerbüro, 292 Ministerialpraxis, s. Regierungspraxis Ministerkonferenzen, s. Konferenzen Ministerpräsident, 17 ff., 25 ff., 31 ff., 156—157 —, s. auch K a b i n e t t ; Richtlinien Ministerpräsidentenkonferenz, 76,218, 225 Mirage, 242 ff. Mises, L u d w i g von, zit. 186—187 Mode und Organisation, 121 Montanunion, 22, 241 „Morgenandacht", 103 Morstein M a r x , Fritz, 13, 14, 62—63; zit. 40, 46, 68,170,201—202, 245—246 Müller-Armack, Alfred, zit. 187—188 München, 45—46, 49, 207 Nassauische Denkschrift, 304 National Security Council (Amerika), 150 Neustadt, Richard, 248 „Nicht-Planung", 122 Niculescu, B. M., zit. 140 Anm. 19 Niedersachsen, 59, 77 A n m . 2, 93 ff., 224, 315 Nordrhein-Westfalen, 58—59, 77 A n m . 2, 134, 208, 223—224, 256, 263 ff., 289 ff., 302 ff. Nürnberg, 207 öffentliche Betriebe, 254

Personen- und Sachverzeichnis Öffentlichkeitsarbeit, 49 ff., 278 ff. —, s. auch Information Ölwirtschaft, 241 Österreich, 157 ff. Ombudsmann, 121 Operations research , 189—190, 194, 198, 251 Opposition, 209, 288, 305 Orden, 20, 26, 27, 31, 51, 74 Organisation, s. Staatskanzlei, Organisation Organisationsamt (Hamburg), 317 Parlament, 245 ff. —, Ausschüsse, 22 — und Regierung, 20 ff., 31, 74 ff., 256 ff., 289 ff. Parlamentarische Staatssekretäre, 61 Anm. 30, 258—259, 293 ff. Parlamentarischer Privatsekretär, 293 Parliamentary Counsel (England), 242—243 Partei, 245 ff., 305 ff. —, s. auch Parlament „Parteibuchbeamte", 63 Patzig, Werner, 217 Persien, 133 Anm. 11 Persönlicher Referent, 52, 82—83 Personalbestand, Staatskanzlei, 222 ff. Personalsachen, 20, 49—50, 240 ff., 158 Petitionen, s. Eingaben Planung, 33 ff., 44 ff., 104 ff., 122 ff., 129 ff., 137 ff., 143, 149 ff., 179 ff., 207 ff., 271 ff., 277 ff., 315 ff. —, „reine", 138 Anm. 17 —, Verfahren, 241 ff. —, s. auch Information; „NichtPlanung" ; Rahmenplanung Planungsgruppe, Schleswig-Holstein, 145 ff. Planungsstab (Hamburg), 316 ff. Pluralismus, 9 ff. —, s. auch Industrielle Gesellschaft Poliomyelitis, 50 Politik, s. Führung, Richtlinien Politische Aspekte, 245 ff. Politische Bildungsarbeit (Bayern), 27, 56 Politisches Personal, 253, 290 ff. Pons, Alain, zit. 140 Anm. 19 Postlektüre, 86—87

Präsident (Amerika), s. Executive Office Präsident des Senats (Hamburg), 315 ff. Präsidialprinzip, 42 ff. Präsidialsektion (Österreich), 157 Presseämter, 49 ff., 88 ff., 102 ff., 164, 179, 202 ff., 223, 273 —, s. auch Information Pressedienst (Bayern), 26 Pressekonferenz, 89 Pressereferenten, 89—90 Pressespiegel, 90 Presse- und Informationsamt, 164, 179, 223 Preußischer Kulturbesitz, Stiftung, 110 Princeton, Universität, 137 Prioritäten, s. Haushaltsplanung Privatwirtschaft, 181 ff., 229—230 —, s. auch Betriebsorganisation Programmatische Konzeption, 124 ff. —, s. auch Regierungsprogramm Programmformulierung, 130 ff. „Public Relations", s. Information Pünder, Hermann, 101 Quantifizierbarkeit, 229—230 Rahmenplanung, 135 ff., 149 ff. Rand Corporation, 251 Rasterprinzip, 193 ff. Rationalisierung, 59, 65 Raumplanung, 21, 31 ff., 33 ff., 58, 79 ff., 112 Rechnungshöfe, 243 Rechtliche Aspekte, 268 ff., 306—307 Rechtsvergleichung, 119, 233 ff. Referentenebene, 22 Regierungschef, s. Ministerpräsident Regierungspraxis, 263 ff., 289 ff., 304 —, s. auch Kabinett Regierungsprogramm, 44, 46 ff., 124 ff., 265 ff., 277 ff. —, s. auch Leitung, Richtlinien Regierungssekretariate, s. Sekretariate „Regimediener", 63 Reichskanzlei, 43,100 ff. Ressort „Gesamtleitung", 182 ff.

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Personen- und Sachverzeichnis

Ressortprinzip, 42 ff., 53 ff., 66, 85— 86, 112, 125 ff., 144—145, 165 ff., 172—173, 201 ff., 265 ff., 299, 305 —, s. auch Leitung; Regierungsprogramm Revirement, 63, 206 Rheinland-Pfalz, 19 ff., 52, 58—59, 65, 72 ff., 77 A n m . 2, 80 ff. Richtlinien der Politik, 21 ff., 25 ff., 31 ff., 44 ff., 72 ff., 159, 165 ff., 188 ff., 217 ff., 236 ff., 265 ff. Ridley, F., zit. 141 Anm. 21 Röhrborn, Klaus-Michael, zit. 133 Anm. 11 Roosevelt, F r a n k l i n D., 150, 257 Roosevelt, Theodore, 150 Rundfunk, s. Information Saarabkommen, 255 Saarabteilung (Paris), 59 Saarland, 46, 59, 77 Anm. 2 Sachsen, 126 Anm. 8 Sachverständigenrat für gesamtwirtschaftliche Entwicklung, 238 ff. Sachverstand, A u t o r i t ä t des, 238 ff. — und Sachzwang, 181 ff., 233 ff. Sachverstandslieferung, s. Stabsgedanke Sachzwänge, neue, 185 ff. Sanktionsmittel, 259 ff. Savigny, zit. 212 Schäffer, Kabinett (Bayern), 302 Schelsky, Helmut, zit. 285 Scheuch, E r w i n , zit. 257 Schiller, Bundeswirtschaftsminister, 236 Schleswig-Holstein, 58, 77 Anm. 2, 80, 145, 302 ff., 315 Schröder, Außenminister, 292 Schulentwicklungsplan (Bayern), 49 Schweiz, 242 Schwerin, General von, 163 Sekretariate, 43 ff., 149 ff. Senatsdirektorenkonferenz (Berlin), 106 Senatskanzlei (Berlin), 99 ff. Senatskanzlei (Hamburg), 315 ff. Seniorenkonvent, 294 Sicherheitsmotivation, 254—255 Snow, C. P., 294 Sonderbeauftragte, 155, 270 ff.

Sonderbüros, 177—178 Sonderministerien, 253 Sorensen, Theodore C., 240, 247 Sozialstaat, 21 ff., 124 ff. —, s. auch Industrielle Gesellschaft Spartenteilung, 193 ff. Speier, Hans, 251 Staatsanteil, an Marktwirtschaft, 185 Staatsaufgaben, klassische, 183 ff. —, s. auch A u f gaben wandel Staatskanzlei, Arbeitsweisen, 37 ff., 71 ff., 80 ff., 102 ff., 263 ff. —, Architektur, 211 ff. —, Aufgaben, 25 ff., 39 ff., 93 ff., 201 ff. — Ausbildungsstätte, 110, 112—113 —, Beraterstäbe, 65—66, 81—82, 104 ff. —, Chef, 60 ff., 73 ff., 99—100 —, innere Koordination, 86 ff. —, „integrierte", 52 —, Leitungsperspektive, 19 ff. —, Modernisierung, 9 ff., 13 ff., 310 —, Organisation, 37 ff., 52, 60 ff., 93 ff., 99 ff., 282 ff., 297 ff., 310 ff. —, Personalauslese, 23, 28—29, 35, 65 ff., 109 ff., 139—140, 146, 282 ff. —, Personalbestand, 101, 222 —, Repräsentation, 211 ff. —, Ressortaufgaben, 77 Anm. 2, 94, 99 ff. —, Sonderstäbe, 65—66, 81—82, 104 ff. —, „Staatsrat", 64—65 —, Übergewichtung, 109 — und Dienstaufsicht, 27, 58—59 — und Einzelfragen, 29, 47 ff. — und Generalsekretariat, 51 ff. — und Grundsatzabteilung, 45 — und Regierungschef, 17 ff., 25 ff., 31 ff., 33 ff., 99 ff., 111 ff., 118 ff. —, Vergleich m i t Bundeskanzleramt, 227 ff. Staatsmann, 10—11 —, s. auch Ministerpräsident „Staatsminister", 253 „Staatsoberhauptliche Funktionen", 50 ff., 56—57 Staatsrechtliche Aspekte, 233 ff. Staatssekretärausschüsse, 269 ff. Staatssekretäre, parlamentarische, 61 A n m . 30, 258—259, 293 ff. —, permanente, 258 ff. Stab für Regionalplanung (Hamburg), 317

Personen- und Sachverzeichnis Stabsgedanke, 79 ff., 117 ff., 143 ff., 149 ff., 190 ff., 245 ff., 282 ff., 297 ff. Stabsstellen, Bildung von, 143 ff. Starfighter, 242 ff., 250—251 Statistisches Bundesamt, 252 Statistisches Landesamt, 59, 78—79, 274 Stein, Freiherr vom, 304 Strauß, Franz-Josef, 179, 292 „Systems Management", 194 Systemwechsel, s. Leitung Tabaks-Kollegium, 304 Talleyrand, 108 Task force , 240 ff., 278 Tiedemann, Christoph von, zit. 107— 108 Titel, 20, 51 Totalitäres Regime, s. Hitler-Regime Treasury (England), 137, 234 ff., 246— 247, 294 Trenderforschung, 238 ff. Tröger-Ausschuß, 237 ff., 303 Truman, Präsident, zit. 248 Uechtritz, E m i l von, 126 Anm. 8 Uhlitz, Otto, zit. 50 Anm. 21 Unternehmensspitze, 182 ff. Urteilskriterien, 245 ff. Veblen, Thorstein, 124 Verbände, 28 —, (Österreich), 158—159 —, s. auch Information Verein für Sozialpolitik, 236 Vereinigte Staaten, 43, 63, 82, 117 ff., 137 ff., 149 ff., 163, 246 ff., 257 ff., 289 ff. Verfahrenstechnik, 281 ff. Verfassung (Bayern), zit. 25, 42, 54, 55, 62 Verfassungsdienst (Österreich), 157— 158 Verfassungsrecht, s. Staatsrechtliche Aspekte

Vergleichbarkeit, 120 ff., 181 ff., 234 ff. Verteidigungsministerium (Amerika), 194 Verwaltung, Rolle der, 309 ff. Verwaltungsaufgaben, s. Aufgabenvermehrung Verwaltungsgerichte, 58—59, 78, 94 Verwaltungskabinett, 298 ff. Verwaltungsreform, s. Rationalisierung Verwaltungsvereinfachung (Bayern), 49 Verwaltungswissenschaft, 9 ff., 13 ff., 39 ff., 117 ff. Veto-Wissen, 191 Vorrangordnung, s. Haushaltsplanung Vorsprachen, 54 Wahlreform, 245—246 Wahlstatistik, 252 Wasserkraftministerium, 253 Weber, Max, 155—156 Wehner, Herbert, 245 Weimarer Verfassung, 21, 35, 43, 56, 100—101, 152, 165 ff., 225, 260, 302 Westrick, Bundesminister, 211 Wildenmann, Rudolf, 245; zit. 44, 60 Wirtschaftsforschungsinstitute, 239— 240 Wirtschaftspolitik, 181 ff., 233 ff. —, s. auch Regierungsprogramm Wisconsin, Universität, 137 Wissenschaft, Rolle der, 280 ff., 295 —, s. auch Verwaltungswissenschaft Wissenschaftlicher Beirat beim B u n deswirtschaftsministerium, zit. 128 Wissenschaftsrat, 56 Wuppertal, Technische Akademie, 134 Zeitungslektüre, 90 Zellentin, Gerda, zit. 140 Anm. 18 „Zentrale für Heimatdienst", 163 Z i v i l e r Generalstab, s. Planung