Die Verwaltungsausbildung der Juristen: Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 21. bis 23. Oktober 1964 [1 ed.] 9783428415793, 9783428015795

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Die Verwaltungsausbildung der Juristen: Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 21. bis 23. Oktober 1964 [1 ed.]
 9783428415793, 9783428015795

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 25

Die Verwaltungsausbildung der Juristen Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 21. bis 23. Oktober 1964

Duncker & Humblot · Berlin

Die Verwaltungsausbildung der Juristen

S c h r i f t e n r e i h e der Hochschule Speyer Band 25

Die Verwaltungsausbildung der Juristen Vortrüge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschafitlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 21. bis 23. Oktober 1964

DUN OKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1965 Duncker & Humblot. Berlin Gedruckt 1965 bei Albert Sayffaerth, Berlin 61 Printed In Germany

Vorwort Die Neuordnung der Juristenausbildung ist hochaktuell, seitdem ihre Kürzung i n der Öffentlichkeit diskutiert wird. Eine Intensivierung der Verwaltungsausbildung ist aus vielen Gründen für alle jungen Juristen unerläßlich. I n Fortsetzung der als Band 17 der Schriftenreihe vorgelegten Veröffentlichung w i l l diese Publikation Einsichten vermitteln und Wege aufzeigen, die den Bedürfnissen praktischer Berufsausbildung i m Bereich der Verwaltung entsprechen. Sie enthält die Referate und das Ergebnis der Aussprache der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 21. bis 23. Oktober 1964 über die „Verwaltungsausbildung der Juristen". Sie erstrebt i m Hinblick auf den Beruf eine Neugestaltung und eine bessere W i r k samkeit der Juristenausbildung i n der Verwaltung, und zwar i m Vorbereitungsdienst und bei der Prüfung. Der Teilnehmerkreis der Arbeitstagung hat sich aus berufserfahrenen Praktikern des höheren Verwaltungsdienstes, insbesondere aus zahlreichen, m i t der Verwaltungsausbildung der Referendare betrauten Beamten, aus Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie aus einer Gruppe von jungen Juristen (Referendaren und Assessoren) zusammengesetzt. Die Hochschule Speyer hat vor diesem Forum Gelegenheit zur Erörterung von bewährten Grundlagen und zahlreichen Erneuerungsbestrebungen i n der Verwaltungsausbildung gegeben, die durch diese Veröffentlichung—zusammen m i t anderen Anregungen und Stellungnahmen — bei der bevorstehenden Reform Berücksichtigung finden sollten. Die Ergebnisse sind i n einem Schlußwort zusammengefaßt worden, das die Zustimmung der Teilnehmer gefunden hat. Die Unterzeichneten haben sich i n die Vorbereitung des Arbeitsprogramms und die Leitung der Arbeitstagung geteilt. Die Redaktion dieses Bandes der Schriftenreihe hat Regierungsrat Dr. Elmar Breuckmann, Referent am Forschungsinstitut der Hochschule Speyer, besorgt. Speyer, den 15. Februar 1965 Erich Becker

Carl Hermann Ule

Inhalt Professor Dr. Dr. Erich Becker, Speyer: Zum Gesamtthema: Einklang zwischen Vorbereitung, Befähigung und Beruf

Erster

Beratungsgegenstand

„Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst" Präsident Dr. Willi

des

Niedersächsischen

Thiele,

Braunschweig:

Verwaltungsbezirks

Bräünsdiweig

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst

v -

Ministerialdirigent Gotthard

Brunner,

Bayerisches Staatsministerium

des Innern, München: Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst

Zweiter

Beratungsgegenstand

„Verwaltung und Verwaltungsrecht in der zweiten Staatsprüfung" Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen Dr. Wilhelm

Pötter, Münster:

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der zweiten juristischen Staatsprüfung Regierungsvizepräsident Dr. Wilhelm

Panz, Regierung von Oberbayern,

München: Verwaltung und Verwaltungsrecht in der Zweiten Staatsprüfung . . . .

8

Inhalt Dritter

Beratungsgegenstand

„Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung in Verwaltung, Justiz und Wirtschaft" Begierungsvizepräsident Otto Neuffer,

Regierungspräsidium Nordwürt-

temberg, Stuttgart: Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für den Juristen in der Verwaltung

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Vortragender Legationsrat I. Klasse Dr. Alexander

Lane, Auswärtiges

Amt, Bonn: Die Ausbildung des Juristen für den Internationalen Dienst Oberlandesgerichtspräsident

Wilhelm

101

Reinheimer , Oberlandesgericht

Zweibrücken, Zweibrücken: Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für die Justiz

119

Oberregierungsrat a. D. Direktor Hans A. Wieacker , Unternehmensverband Ruhrbergbau, Essen: Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung in der Wirtschaft

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Regierungsrat Dr. Elmar Breuckmann t Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Speyer: Bericht über die Diskussionsbeiträge zu den Vorträgen über „Die Verwaltungsausbildung der Juristen"

147

Professor Dr. Carl Hermann Ule, Speyer: Schlußwort

167

Zum Gesamtthema: Einklang zwischen Vorbereitung, Befähigung und Beruf Von Erich Becker

I n Fortsetzung unserer Erörterungen von 1962 über die „Probleme der juristischen Ausbildung i n der Verwaltung" wollen w i r uns i n diesem Jahre m i t der „Verwaltungsausbildung der Juristen" befassen. Es soll uns dabei vorwiegend die Effektivität der praktischen Verwaltungsausbildung beschäftigen, die sowohl juristischer als auch nicht-juristischer A r t ist. Dabei w i r d sicher die „Andersartigkeit" der Verwaltung gegenüber der richterlichen Funktion eine Rolle spielen, worauf schon das Freiburger Juristengutachten über „Die Ausbildung der deutschen Juristen" (1960, S. 224, 392 ff.) aufmerksam gemacht hat. Bei dem Versuch einer Ergänzung unserer früheren Diskussion gedenken w i r dankbar der großen Bemühungen der Kommissionen der Justizminister-, Innenminister- und Fakultätenkonferenz sowie der Referendare. Unter den gutachtlichen Stellungnahmen kommt sowohl der Denkschrift von Staatssekretär a. D. Dr. Loschelder für die Innenministerkonferenz als auch dem sonstigen Fachschrifttum besondere Beachtung zu. Bei den Überlegungen zur Vorbereitung dieser verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung hat u. a. die Frage eine Rolle gespielt, ob im Hinblick auf die Verwaltung ein Einklang zwischen Vorbereitung, Befähigung und Beruf besteht, oder ob dieser Einklang erst noch herzu stellen ist. W i r haben uns bisher meistens entweder m i t den Fragen der Ausbildung oder der Prüfung oder des Berufes befaßt, ohne den Zusammenhang immer hinreichend zu berücksichtigen. So w i l l z. B. eine westdeutsche Großstadt einen Juristen als Stadtassessor einstellen. Interessenten — „möglichst m i t Prädikatexamen und öffentlich-rechtlichen Kenntnissen"—sollen sich melden. Diese Stadt hat vermutlich die Erfahrung gemacht, daß es auch Juristen m i t Prädikatexamen ohne besondere öffentlich-rechtliche Kenntnisse gibt. I n den Ausbildungsrichtlinien für die Verwaltungsstation w i r d oft nicht nur eine Einführung i n die Praxis des öffentlichen Rechts, sondern auch eine Beschäftigung m i t wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen, k u l turellen und technischen Problemen der Aufgabenerfüllung vorgeschrieben. Es gibt aber keine Prüfungsordnung, die eine solche Kenntnis der

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Erich Becker

außerrechtlichen Verwaltungsprobleme miteinbezieht. A l l e Prüfungsordnungen sind allein auf das öffentliche Recht abgestellt, soweit nicht hierbei noch beachtliche Eingrenzungen vorgenommen werden. Es fragt sich, worauf der Vorbereitungsdienst eigentlich gerichtet ist. Soll sich der Referendar auf die Prüfung oder auf den Beruf vorbereiten? Das w i r d nämlich interessant, sobald die Anforderungen zwischen beiden erheblich divergieren. N. m. M. zielt der Vorbereitungsdienst auf die allgemeinen Voraussetzungen für die Berufsausübung ab; i n der Prüfung w i r d dann festgestellt, ob dieses Ziel erreicht ist. Der Referendar dürfte aber i n der Regel den Vorbereitungsdienst als Vorbereitung auf die Prüfung auffassen. Er erstrebt die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst; was danach kommt, interessiert i h n oft erst i n zweiter Linie, weil dies nicht selten von dem Ergebnis der Prüfung abhängt. So kommt es, daß eine den Richtlinien voll entsprechende Ausbildung zwar dem Berufsbild angepaßt sein kann, i n der Prüfung aber z. T. unberücksichtigt bleibt, wenn sie nach der Prüfungsordnung auf geringe Anforderungen i m öffentlichen Recht beschränkt bleibt und vorschriftgemäß Schwerpunkte der Verwaltungspraxis außerachtläßt. Hierzu gehört die Frage, wie die Verwaltungsausbildimg i n der Praxis ausgestaltet ist b?w. ausgestaltet werden soll, womit w i r uns gesondert beschäftigen wollen. Die Klagen über die mangelnde Wirksamkeit der Verwaltungsausbildung sind weit verbreitet; sollte dies nicht sowohl an der oft richtlinienwidrigen Handhabung als auch an dem fehlenden Einklang mit der Prüfung liegen? Es muß also entschieden werden, ob der Vorbereitungsdienst i n der Verwaltungsstation den Prüfungsanforderungen angepaßt werden muß, oder ob die Prüfung den Anforderungen von Ausbildung und Beruf zu folgen hat. Einen Hinweis gibt vielleicht die Doppelbefähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst. Das Freiburger Gutachten (S. 343) w i l l sich künftig auf die Befähigung zum Richteramt beschränken und die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst i n Zukunft unerwähnt lassen. Der Referendar „soll die Fähigkeit dartun, Aufgaben der Rechtspraxis selbständig sachgemäß zu lösen". Diese Auffassung folgt konsequent aus der bisherigen Ausgestaltung der Prüfung, i n deren öffentlichrechtlichem Teil hauptsächlich Verwaltungsstreitsachen stehen. Es liegt m i r völlig fern, die Prüfung i m öffentlichen Recht irgendwie beschränken zu wollen; sie muß m. E. sogar noch intensiviert werden. Es fragt sich nur, ob nicht noch etwas dazukommen muß, u m dem Wesen der öffentlichen Verwaltung zu entsprechen, das m i t dem Staatsrecht und dem allgemeinen Verwaltungsrecht allein nicht zu erfassen ist. Es kommt m. E. auf die materiellen, organisatorischen und funktionellen

Einklang zwischen Vorbereitung* Befähigung und Beruf

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Grundlagen der Verwaltung insgesamt an. Man sage nicht, dies sei i n der praktischen Verwirklichung unmöglich. Wenn man m i t der Einheitsausbildung und Einheitsprüfung Ernst machen w i l l , dann kann man bei der großen Zahl der Prüfungsleistungen auch den Belangen der Verwaltung Rechnung tragen. Aber ist denn der Inhalt der Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst damals und heute identisch? Das Wort ist w o h l übernommen worden, ohne zugleich seinen Inhalt zum Prüfungsmaßstab zu machen. Dabei ist man vermutlich von der Überlegung ausgegangen, daß die Zweite juristische Staatsprüfung eine juristische Prüfung sei und daher nicht-juristische Prüfungsgegenstände nicht kenne. Dazu kommt noch die Vorstellung, daß der Verwaltungsjurist i m Rechtsstaat dazu berufen sei, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung zu wahren. Das ist zwar nicht unrichtig, aber darin erschöpft sich seine berufliche Tätigkeit nicht. Er hat nicht nur nach den Forderungen des Rechtsstaates, sondern auch nach den Staatszielbestimmungen des demokratischen und sozialen Bundesstaates und des Kulturstaates zu verwalten; er nimmt sowohl an der Eingriffsverwaltung als auch an der Leistungsverwaltung teil. Er spricht nicht aus, was rechtens ist, sondern bewirkt durch Sicherung und Förderung des Gemeinwohls, was dem Rechte entspricht. Er muß auch nichtgesetzesakzessorisch beim Aufgabenvollzug tätig werden und zwar sozialgestaltend und ohne Verletzung des Rechts. Die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst kann nicht auf den rechtsschutzfähigen Teil der Verwaltungstätigkeit beschränkt werden, sondern bezieht sich auf die gesamte Verwaltungsfunktion. Es stellt eine Verzerrung der Verwaltung dar, wenn sie auf das hoheitliche K r i t e r i u m begrenzt und m i t Vorrang auf ihre potentielle Fehlerhaftigkeit beschränkt wird. Ihre konstruktive Leistung durch rechtmäßige Erfüllung öffentlicher Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit bleibt dabei völlig außer Betracht. M i t der Ausdehnung der Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst auf alle, die die Befähigung zum Richteramt erwerben, ist man nicht etwa zur Doppelausbildung und Doppelprüfung übergegangen wie i n Bayern; vielmehr hat eine Verkümmerung nach Umfang und Inhalt stattgefunden, die i n einem Rechts-, Sozial- und Kulturstaat bedenklich ist. I n den Prüfungsordnungen sind aus der veränderten Verfassungslage nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen worden. Die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst ist nicht nur für die öffentliche Verwaltung und die Rechtsprechung, sondern auch für die Verwaltungstätigkeit der Richter von größter Bedeutung, wie z. B. Personalauslese, Organisationsfragen, Haushaltswirtschaft, Aufsichtsführung u. a. m. zeigen. Die geringen Leistungen i m Staats- und Verwaltungsrecht und die Nichtberücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Verwaltungsprobleme planender, gestaltender und ordnender A r t machen das Prinzip

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Erich Becker

unserer i n der ganzen Welt einzigartigen Einheitsausbildung und Einheitsprüfung nicht gerade problemlos. Dabei kommt es nicht nur auf die Zeitdauer der Verwaltungsausbildung und nicht nur auf die hinreichende Berücksichtigung des öffentlichen Rechts an, sondern auch auf eine den Staatszielbestimmungen und den Erfordernissen des Dienstes entsprechende Ausbildung sowie auf die Frage, ob die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst ebenso den Anforderungen des Berufes entspricht, wie dies bei der Befähigung zum Richteramt der Fall ist. Woran liegt es denn, daß die Befähigung der Assessoren ergänzungsbedürftig ist? Es liegt nicht so sehr an der Qualität, obwohl man gern gerade die besten Assessoren für den öffentlichen Dienst gewinnen möchte. Es liegt auch nicht allein an der beträchtlichen Ausbreitung der vielseitigen Rechts- und Verwaltungsfragen, die eine Konzentration auf das Wesentliche erschwert. Vielleicht liegt dies aber z. T. auch an dem mangelnden Zusammenhang zwischen Ausbildung, Prüfung und Beruf. Es fragt sich, ob der berufliche Befähigungsnachweis neben den Voraussetzungen der persönlichen Eignung und der fachlichen Leistung wirklich ausreicht, um den Zugang zu jedem öffentlichen A m t zu eröffnen. Es gibt offensichtlich einen Nachholbedarf, der auch bei Assessoren m i t Prädikatexamen zugrundegelegt wird. A u f diese Weise ergibt sich dann meist nach 2 Jahren Nachausbildung eine nachträgliche Bestätigung des Befähigungsnachweises durch die Praxis. Hieran schließen sich dann Erfahrungen und Fortbildungen auf speziellen Arbeitsgebieten an. Die Frage nach dem Einklang zwischen Vorbereitung, Befähigung und Beruf muß also i n die Forderung nach Übereinstimmung der Ziele einmünden. Schon w i r d die Zahl der Referendare, die vor der Großen Staatsprüfung den Repetitor aufsuchten, auf ca. 90 °/o geschätzt. Seit langem beschränkt sich die Verwaltungsausbildung vielfach höchstens noch auf Gelegenheit zur Information. Es fehlt oft an der notwendigen A n strengung i m öffentlichen Recht und an dem unerläßlichen Einblick in die Verwaltungsau/gaben, die Verwaltungsorgranisation und das vielseitige Verwaltungshandeln. Erfreulicherweise gibt es Fälle, die bestätigen, daß eine solche Ausbildung möglich ist. Sowohl bei der Beschäftigung i n den Verwaltungsbehörden als auch bei der Ausbildung i n den Arbeitsgemeinschaften zeigen sich i n letzter Zeit gelegentlich beachtliche Verbesserungen des Vorbereitungsdienstes. Unter der Disharmonie von Ausbildung, Prüfung und Beruf leiden unsere Referendare sowie die Assessoren vor der Übertragung eines öffentlichen Amtes. Es gereicht auch dem Volke zum Nachteil, falls die Besetzung der Ämter nicht rechtzeitig und nicht angemessen erfolgt. Es führt schließlich zur Staatsverdrossenheit, wenn die sachgemäße Verwaltungsausbildung nicht immer gewährleistet ist, wenn es i n der Prüfung nicht auf die i n der Ausbildung, sondern auf die beim Repetitor

Einklang zwischen Vorbereitung, Befähigung und Beruf

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erworbenen Kenntnisse ankommt, wenn der Staat nur als potentieller Rechtsbrecher i n Betracht gezogen wird, und wenn der Assessor den A n forderungen des Berufes nur mühsam nach 8—9jähriger Vorbereitung und 2jähriger Nachausbildung entspridit. Unter diesen Gesichtspunkten sehe ich die Forderung nach einem Einklang zwischen Vorbereitimg, Befähigung und Beruf.

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst Von W i l l i Thiele

1. Die Ausführungen, die Staatssekretär Löschelder vor einigen Jahren zu dem Thema „Ausbildung und Fortbildung der Beamten i n der allgemeinen und inneren Verwaltung" machte und zu denen ich als Korreferent sprach, begann er m i t der Feststellung, daß die Fülle der Betrachtungen. die aus dem geradezu unübersehbaren Material herzuleiten wäre, sich schlechterdings nicht i n eine knappe Stunde einspannen lasse. M i t dieser Feststellung möchte ich meine heutigen Darlegungen ebenfalls nicht nur beginnen, sondern sie unterstreichen dürfen. Ich befinde mich allerdings insoweit i n einer glücklichen Lage, als das m i r gestellte Thema auf die Fragen beschränkt worden ist, die die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst betreffen. Da sich das Korreferat zu meinen Ausführungen m i t den i n Süddeutschland gewonnenen Erfahrungen beschäftigen wird, habe ich m i r eine weitere Eingrenzung erlaubt, indem ich nur auf die i m norddeutschen Raum bestehenden Verhältnisse einzugehen gedenke. A n dieser Stelle danke ich noch einmal den Herren der benachbarten Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen, die m i r m i t Auskünften über günstige und ungünstige Erfahrungen, die i n ihren Ländern gesammelt werden konnten, und m i t Zahlenmaterial i n bereitwilliger und liebenswürdiger Weise geholfen haben, einen Blick über die Zäune des eigenen Landes hinaus t u n zu können. 2. Für die Betrachtung meines Themas ist es nützlich, sich i n die E r innerung zurückzurufen, welcher Zeitraum für die Ausbildung i n der Verwaltung i m Rahmen des Vorbereitungsdienstes vorgesehen ist. I n Schleswig-Holstein sind d e r Verwaltung sechs Monate vorbehalten. Die Verwaltungsstation soll m i t Rücksicht darauf, daß das Land Schleswig-Holstein keine staatliche Mittelinstanz besitzt, vornehmlich bei Kreisen und Gemeinden abgeleistet werden. Der Referendar kann sich außerdem bei der für alle Referendare vorgesehenen, also obligatorischen, Wahlstelle für die Verwaltung entscheiden. Er besucht dann gegebenenfalls drei Monate lang die Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer und hat für die Ausbildung i n der Kommunalver-

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Willi Thiele

waltung neun Monate zur Verfügung. 5 %> der Referendare entscheiden sich für diese verlängerte Verwaltungsausbildung. I n Hamburg und Bremen sind ebenfalls sechs Monate für die Verwaltungsstation vorgesehen. Auch Hamburg und Bremen kennen die — obligatorische — Wahlstelle, die i n Hamburg sechs Monate und i n Bremen vier Monate dauert. Entscheidet sich der Referendar für die Verwaltung, so können die für die Verwaltungsstation grundsätzlich vorgesehenen sechs Monate auf diese Weise verlängert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Besuch der Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer i n der Wahlstation zu erfolgen hat. Es entscheiden sich auch i n diesen Ländern nur relativ wenige Referendare für die Verwaltung, weil ihnen i n der Wirtschaft bis zu 400 D M monatlich gezahlt werden. I n Bremen kommt — auf Grund der historischen Entwicklung — die Verwaltung als regelmäßige Ausbildungsstation ohnehin erst seit einiger Zeit i n Betracht. I n Hamburg w i r d der Referendar bei den Senatsämtern, den Fachbehörden, den Bezirksämtern und bei einigen Bundesbehörden beschäftigt. Weil die Praxis dahin geht, den Referendar die gesamte Verwaltungsstation an einer Behprde absolvieren zu lassen und eine Aufteilung dieser Zeit für eine Tätigkeit bei zwei oder mehreren Behörden als unzweckmäßig angesehen wird, ist folgendes Ergebnis festzustellen: Referendare, die den Fachbehörden, d. h. den Ministerien zugewiesen werden, lernen die Verwaltung primär als Staatsverwaltung kennen. Die bei den Bezirksämtern ausgebildeten Referendare werden dagegen mehr durch die Verwaltung unter kommunalen Aspekten geformt. I n Bremen, das i n Abweichimg von Hamburg und auch von Berlin keine Bezirksämter kennt, kann der Referendar grundsätzlich nur bei staatlichen Behörden eingesetzt werden. Kommunale Erfahrungen werden aber dennoch vermittelt werden können, w e i l i n den Stadtstaaten die staatlichen und kommunalen Fragen eng miteinander verwoben sind. Immerhin w i r d die Unterschiedlichkeit der Ausbildungsmöglichkeiten deutlich. Während i n Schleswig-Holstein lediglich Kreise und Gemeinden, also kommunale Behörden, als Ausbildungsstellen i n Betracht kommen, stehen i n Bremen nur staatliche Behörden zur Verfügung. Während i n Hamburg ein gewisses „Entweder—oder" möglich ist, wird, was noch darzulegen ist, i n Niedersachsen der Referendar sowohl einer Regierung als auch der Kommunalverwaltung zugewiesen. Bremen teilt — ausgenommen sind nur der Senator für Finanzen einschließlich OFD, Finanzämter, Steuerämter und der Magistrat Bremerhaven, wo die Referendare jeweils sechs Monate verbringen — i m Gegensatz zu Hamburg die zur Verfügung stehenden sechs Monate auf, und zwar i n der Weise, daß der Referendar wenigstens an 2 Behörden

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst

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tätig gewesen sein soll, z. B. 4 Monate beim Senator für Inneres und 2 Monate beim Senator für das Bildungswesen. I n Niedersachsen ist der Abschnitt „Verwaltung" von vornherein auf zwölf Monate festgesetzt. I n der Regel w i r d der Referendar ohne Wahlstelle sechs Monate bei einer Regierung und sechs Monate i n der Kommunalverwaltung ausgebildet. Für die Ableistung des Vorbereitungsdienstes stehen 8 Bezirksregierungen, 58 Kreisverwaltungen, 11 kreisfreie Städte und 30 kreisangehörige Städte und Landgemeinden zur Verfügung. Der Referendar kann um Uberweisung an eine Wahlstelle, die nicht obligatorisch ist, nachsuchen. Die Überweisimg soll i n der Regel nicht länger als drei Monate dauern. Entscheidet sich der Referendar für diesen Weg, so verkürzt sich die Ausbildung bei der Verwaltung entsprechend. Er w i r d i n diesem Falle vier Monate einer Regierung und fünf Monate der Kommunalverwaltung zugewiesen. Von der Möglichkeit, sich für die Wahlstelle zu entscheiden, machen i n Niedersachsen fast alle Referendare Gebrauch. Etwa 10 °/o entscheiden sich für die Kommunalverwaltung. Nach Angaben der Regierung i n Hannover, bei der ständig ca. einhundert Referendare ihre Verwaltungsstation absolvieren, entscheiden sich 5 °/o für die Justiz als Wahlstelle, ca. 15 °/o für die Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt, die Mehrzahl jedoch ebenfalls für Versicherungen, Sparkassen, Wirtschaftsunternehmen usw., w e i l hier nicht unerhebliche Beträge (350,— D M pro Monat) zusätzlich verdient werden können. Bedauerlich ist es — und das gilt auch für die i n SchleswigHolstein gemachten Erfahrungen —, das sei i n diesem Zusammenhang einmal betont, daß eine angestrebte Beschäftigung bei internationalen Behörden i n fast allen Fällen erfolglos bleibt, w e i l die Wartezeiten zu lang seien und eigentlich nur persönliche Beziehungen („Doktorvater") zum gewünschten Ziele führen würden. 3. Selbst dann, wenn man zu diesen der Verwaltungsausbildung vorbehaltenen Zeiträumen jeweils einige — meist vier — Monate für die Ausbildung bei den Verwaltungsgerichten hinzurechnet und die Möglichkeit einbezieht, daß eine gewisse Anzahl von Referendaren ein Semester an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer verbringen kann, so w i r d bei einer Dauer des Vorbereitungsdienstes von dreieinhalb Jahren kaum behauptet werden können, daß diese Regelungen speziell auf die Ausbildung zum Verwaltungsjuristen zugeschnitten sind. Es ist oft genug hervorgehoben worden, daß die Verwaltung i n den letzten Jahrzehnten tiefgreifenden Wandlungen unterworfen worden ist. Die Verwaltung zeichnet sich heute durch ihr besonderes Verhältnis zur Sozialordnung aus. Die Behörden müssen dem Bürger m i t Rat und Tat zur Seite stehen. W i r alle sind ständig auf die Leistungen der Ver2

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waltung angewiesen. „Die Berührung des Einzelnen m i t dem Staate", so hat es Ernst Forsthoff formuliert, „aktualisiert sich nicht mehr i n Einzelakten, wie einer gelegentlichen Polizeiverfügung oder einer einmaligen Erlaubniserteilung. Sie ist ein Dauerzustand." Die i n Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg enstandene Massenverwaltung nimmt sich auch i n besonderem Maße der Bedürfnisse ganzer Gruppen an. Sie muß sich m i t den Sozialfaktoren arrangieren. Hinzu kommt, daß die Gerichtsbarkeiten zu juristischer Filigranarbeit zwingen und die Ermessensräume ständig eingeengt werden. Die Verwaltung ist ausgeweitet und steht insbesondere i m Bereich der gestaltenden Verwaltung vor Strukturen, die noch nicht zur Ruhe gekommen sind. Die Verwaltung — und das gilt sowohl für die Staats- als auch für die Kommunaiverwaltung — ist vielschichtiger und komplizierter geworden und verlangt vom Verwaltungsbeamten ein großes Maß an Erfahrung, Wissen und Können. Der Vorbereitung auf diesen Aufgabenbereich dient — vom Studium, wo die justitiellen Fächer noch sehr i m Vordergrund stehen und dem öffentlichen Recht der i h m gebührende Platz noch nicht eingeräumt ist, einmal abgesehen — ein Zeitraum von durchschnittlich sechs bis neun Monaten i m Rahmen der dreieinhalb Jahre, die für die Referendarausbildung zur Verfügung stehen. 4. Dennoch w i r d gegenüber der Forderung, die Ausbildung i n der Verwaltung zu verlängern, der Einwand erhoben, die Zahl der der Verwaltung schon jetzt zugewiesenen Referendare sei so groß, daß eine sinnvolle Ausbildung m i t Rücksicht auf die geringe Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbilder nicht möglich sei. Deshalb könne höchstens eine Verkürzung der Verwaltungsstation zu einer Intensivierung der Ausbildung i n diesem Stadium führen. Es ist richtig, daß bei der Verwaltung tatsächlich eine beachtliche Zahl von Referendaren beschäftigt wird. I n Niedersachsen sind am 1. J u l i 1964 bei den Regierungen 123 und bei der Kommunalverwaltung 144, insgesamt 267 Referendare tätig gewesen. I n diesen Zahlen sind nicht die Referendare enthalten, die den Verwaltungsgerichten und den Wahlstationen zugeteilt sind, i n dieser Zeit i n Niedersachsen aber ebenfalls von den Ausbildungsleitern der Regierungen betreut werden. Beschäftigt werden können i n Niedersachsen bei der Verwaltung (Regierungen, Kreisverwaltung, Gemeinden) rd. 280 Referendare. In Schleswig-Holstein waren am 1. Juli 1964 zugeteilt: Landkreisen Kreisfreien Städten Städten und Landgemeinden . .

30 19 . 29* "78

Zur Verfügung stehen: 34 Landkreise 23 kreisfreie Städte 67 Städte u. Landgemeinden ~124

* 22 bei kreisang. Städten und 7 bei Landgemeinden

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst

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I n Hamburg hat sich am 20. J u l i 1964 die Situation wie folgt dargestellt: Zur Verfügung stehende Ausbildungsplätze Senatsämter Fachbehörden Bezirksämter (einschließlich Ortsämter) . . . OFD Hamburg (als nachgeordnete Behörde des Finanzsenators) Bundesbehörden (Bundesbahn- und Bundespostdirektion, Wasser- und Schiffahrtsdirektion) Landeskirchenamt

_ . Zugeteilt s

12 48 35

14 26 12

22

18

13 1

13 1

131

84

I n Bremen standen (Stand: 1. J u l i 1964) bei den Senatsverwaltungen 46 Plätze zur Verfügung. Hinzu kommen 2 Plätze beim Magistrat Bremerhaven und 1 Platz bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Bremen. Von diesen 49 Plätzen wurden am Stichtag 18 durch Referendare i n Anspruch genommen. Aus dieser Gegenüberstellung w i r d ersichtlich, daß rein rechnerisch ein Vergleich der bei der Verwaltung beschäftigten Referendare und der zur Verfügung stehenden Ausbildungsstellen zu keinerlei Bedenken A n laß gibt. I n der Praxis sehen die Dinge, das soll nicht verschwiegen werden, jedenfalls i n Niedersachsen anders aus. Sind bei einer Regierung z. B. einige Dezernentenstellen unbesetzt — und das ist angesichts der angespannten Personallage i m gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes keine Ausnahmeerscheinung mehr —, so fehlen Ausbilder. Das führt zwangsläufig zu einer Überlastung der übrigen Ausbilder, die dann auch beim besten Willen nicht mehr i n der Lage sind, sich i n ausreichendem Maße m i t den ihnen zugewiesenen Referendaren zu befassen. 5. Da die Referendare i n Niedersachsen fast alle von der Wahlstation Gebrauch machen, bleiben für die Ausbildung bei der Regierung vier Monate übrig. Es w i r d nun so verfahren, daß der Referendar i n diesen vier Monaten 2 Dezernaten zugewiesen wird. Nicht alle Dezernate sind erfahrungsgemäß für die Ausbildung geeignet, und auch manche Dezernenten müssen als Ausbilder unberücksichtigt bleiben. I n den i n Betracht kommenden Dezernaten werden deshalb durchschnittlich zwei Referendare beschäftigt, i n größeren Dezernaten drei bis vier Referendare. Dem Dezernenten sind außerdem jeweils noch zwei oder drei 2*

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Inspektoren-Anwärter zugeteilt, so daß von einem Beamten, der ein oder zwei Dezernate wahrzunehmen hat, fünf und mehr i n der Ausbildung stehende junge Menschen betreut werden wollen. Das ist eine Aufgabe, die i m Grunde die Ausbilder überfordert. Denn der Ausbilder soll sich — das schreiben die vom Minister des Innern erlassenen Richtlinien für die Ausbildung der Referendare i n der allgemeinen Verwaltung vor und das sollte i m Interesse einer guten Ausbildung auch praktiziert werden — i n allen geeigneten Fällen Vortrag halten lassen. Gutachten sollen vorgelegt und — ebenso wie Entwürfe — eingehend m i t dem Referendar erörtert werden. I n Hamburg und Bremen liegen die Verhältnisse insoweit günstiger. Einem Ausbilder ist jeweils nur ein Referendar zugeteilt. Von den Referendaren w i r d vielfach die zwei Monate dauernde Zuweisung an ein Dezernat kritisiert. Diese Zeit sei zu kurz, u m einen wirklichen Einblick zu erhalten. Der Fortgang oder gar der Abschluß einer bearbeiteten Sache werde nicht erlebt. Wenn der Dezernent auf Dienstreise oder i n Urlaub sei, lerne man i h n vielleicht gerade noch kennen. Hier werden richtige und unzutreffende Gesichtspunkte miteinander vermengt. Sicherlich kann es sich ereignen, daß es i n Urlaubszeiten oder aus anderen Gründen zu einem nur unzureichenden Gespräch zwischen Ausbilder und Referendar kommt. Daß der Referendar Vorgänge häufig nur i n einer bestimmten Phase erlebt, liegt am Wesen der Verwaltung. Das verkennt der justitiell geprägte Referendar. Die langfristige Planung der Absiedlung eines Wirtschaftsunternehmens ist etwas völlig anderes als die Lösung eines Falles, der m i t Hilfe der Schlüssigkeitsprüfung angegangen und zu Ende geführt wird. I n diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Gefühl des Unbehagens aufmerksam machen, das generell bei Referendaren i m Hinblick auf die Verwaltung zu beobachten ist. Dieses Unbehagen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß der Referendar mit recht unvollständigen Kenntnissen des öffentlichen Rechts i n die Verwaltung kommt. Außerdem haben die Referendare von der Verwaltung keine rechte Vorstellung. Sie sehen i n der Verwaltung eine A r t verschlechterter Justiz. Während ihrer Ausbildung schauen sie dann i n einige Bereiche der Verwaltung hinein. Sie können sie aber nicht so einfangen oder abstecken, wie sie das vom bürgerlichen Recht her gewohnt sind, wo sie, wie es ein Ausbildungsleiter einmal plastisch formulierte, ihre x Bände Staudinger usw. zur Verfügung haben. Dem m i t Asphaltstraßen und Hinweisschildern versehenen Gebiet der Justiz steht so die nicht markierte Verwaltung m i t Untiefen und Moorlöchern gegenüber, vor denen dem Referendar gelegentlich sogar noch dann schaudert, wenn er die Verwaltungsstation beendet und diesen Abschnitt der Ausbildung längst verlassen hat. Vielfach ist es i h m nicht gelungen, einen Blick für die Besonderheiten der

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst

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Verwaltung zu bekommen. Aus dieser Situation heraus entzündet sich aber dann letzten Endes die K r i t i k und wendet sich Themen zu, die i m Grunde gar nicht gemeint sind. Bei der Fülle der einzuweisenden Referendare müssen auch Dezernate mit herangezogen werden, die zwar nicht zu den gänzlich ungeeigneten zu zählen, die aber so geartet sind, daß dem hier tätigen Referendar manche wichtigen Bereiche verschlossen bleiben. Das ist sicherlich mißlich und kann schwerlich jenes notwendige Kennenlernen der Eigenart der Verwaltung in zufriedenstellender Weise bewirken, gelegentlich nicht einmal wirkungsvoll fördern. Andererseits würde die Zuweisung der Referendare an jeweils nur ein Dezernat zu einer Verstopfung führen, die nicht zu verantwortende Unzuträglichkeiten zur Folge hätte. Schließlich darf noch darauf hingewiesen werden, daß die Justiz Zuweisungen von zwei Wochen beim großen Amtsgericht vornimmt, ja, daß sogar Zuweisungen von acht Tagen (Vormundschaftsrichter) bekannt geworden sind. 6. Die Frage der Auswahl und des Einsatzes der Ausbilder wird immer wieder auf Schwierigkeiten stoßen. Man sollte dieses Anliegen der richtigen Auswahl nicht zu gering einschätzen und sich vor jeder Routine oder einem schablonemäßigen Ablauf hüten. Die Abteilungsleiter und die Dezernenten einer Regierung sollten immer erneut darauf aufmerksam gemacht werden, welche Bedeutung die praktische Ausbildung der Referendare in der Verwaltungsstation z. B. für die Frage hat, ob sich der Assessor für den E i n t r i t t i n die Verwaltung entscheidet oder ob er das nicht tut, weil er m i t Unbehagen an seine Ausbildungszeit i n der Verwaltung zurückdenkt. Bereits i n diesem Stadium werden personalpolitische und personalwirtschaftliche Weichenstellungen von spürbaren Ausmaßen vorgenommen. Diese Zusammenhänge bestehen und werden, das darf ich aus der Erfahrung einer Reihe von Jahren sagen, gerade i n der Verwaltung weit weniger erkannt, als das z. B. bei der Justiz der Fall ist. Es gehört m. E. zum Aufgabenbereich des Präsidenten einer Regierung, sich auch diesen Fragen zu widmen. Sie sollten Gelegenheit nehmen, ihren Dezernenten die dargelegten Zusammenhänge aufzuzeigen, und dafür Sorge tragen, daß geeignete Dezernenten als Ausbilder zur Verfügung stehen. Die Referendare sollten möglichst zu Beginn und zum Abschluß ihrer Ausbildungszeit von den Präsidenten zu einem Gespräch empfangen werden. I n Niedersachsen ist empfohlen worden, besonders geeignete Referendare einem Abteilungsleiter bei der Regierung zur Mitarbeit beizugeben. I n der Praxis sind diese Empfehlungen bei den Abteilungsleitern auf wenig Gegenliebe gestoßen. Das ist bedauerlich, w e i l hier ein Weg eröffnet werden könnte, der zur Entlastung der Dezernenten beitragen

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und einer Reihe von Referendaren gute Einblicke vermitteln könnte. Daß diese Empfehlungen kein unzumutbares Ansinnen darstellen, zeigt das Beispiel eines Regierungspräsidenten, der sich selbst i n der Weise äußerst wirkungsvoll i n die Ausbildung eingeschaltet hat, daß er ständig einen Referendar zur unmittelbaren Beschäftigung bei sich eingeteilt hat. Der Referendar hat seinen Arbeitsplatz i m Vorzimmer des Präsidenten, nimmt an Besprechungen — soweit diese dazu geeignet sind — teil, begleitet den Präsidenten auf Dienstreisen i m Bezirk und bereitet bestimmte Geschäfte vor. Sicherlich werden so geförderte Referendare damit einen guten und umfassenden Eindruck von der Verwaltungstätigkeit i n der Mittelinstanz erhalten, der auch auf die anderen Referendare weiterwirken wird. 7. I n der Kommunalverwaltung halten sich i n Niedersachsen die Referendare mit Wahlstelle fünf Monate auf. A u f eine Kreisverwaltung entfallen i m Schnitt zwei bis drei Referendare. Das gilt auch für die Mehrzahl der kreisfreien und für die selbständigen Städte. Nach den Richtlinien soll der Referendar die wesentlichen Aufgaben einer Kommunalbehörde sowohl i m eigenen als auch i m übertragenen Wirkungskreis gründlich kennenlernen. Der Referendar soll, so heißt es i n den Richtlinien wörtlich, bei den Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden vor allem unter unmittelbarer Anleitung und Aufsicht des Hauptverwaltungsbeamten arbeiten, um dessen Aufgaben innerhalb der Behörde, das Zusammenwirken m i t anderen Institutionen und die vielfältigen fachlichen Verflechtungen kennen und verstehen zu lernen. Und ferner ist ausdrücklich festgelegt, daß eine lediglich informatorische Unterweisung i n den einzelnen Abteilungen oder eine Verwendung als Justitiar unzulässig ist. Es muß zugegeben werden, daß i n einer Reihe von Fällen leider nicht entsprechend diesen Empfehlungen verfahren wird. Sicherlich gibt es z. B. Oberkreisdirektoren — und ihre Zahl wächst —, die sich persönlich u m die Referendare kümmern, sie nicht durch die einzelnen Abteilungen schicken, sondern sie i n der Zentrale bei sich behalten und ihnen von hier aus einen Überblick über das Zusammenwirken aller Kräfte geben. Aber immer wieder werden Klagen laut, daß Referendare ausschließlich auf Beamte des gehobenen Dienstes angewiesen sind, daß sie z. B. i n das Sozialamt oder i n das Steueramt einer Stadt gesetzt und ihnen liegengebliebene Sachen zugeschrieben werden, die später nicht m i t ihnen besprochen werden. Es ist auch bedauerlich, daß Referendaren immer wieder die Teilnahme auch an solchen Ausschußsitzungen verwehrt wird, die keine Tagesordnungspunkte aufweisen, die einen solchen Ausschluß rechtfertigen würden. Es ist das böse und unheilvolle, aber auch aufschlußreiche Wort geprägt worden, daß der Referendar schließlich kein Spion sei!

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Auch hier sollten sich die Regierungspräsidenten einschalten, u m m i t den Hauptverwaltungsbeamten diese Probleme freimütig zu erörtern, damit gemeinsam Wege gefunden werden, die zur Abstellung der hier zweifellos noch vorhandenen Mängel führen. Diesem Zwecke dienen ja auch die von verschiedenen Innenministern bereits erlassenen Richtlinien, aus denen vorhin zitiert wurde. I n Schleswig-Holstein werden den Kreisverwaltungen je zwei Referendare, den Städten, Landgemeinden und einigen Ämtern je ein Referendar zugewiesen. Bei den kreisfreien Städten ist die Größe der Verwaltung auschlaggebend, so werden i n K i e l und Lübeck je acht, i n Flensburg vier und i n Neumünster drei Referendare beschäftigt. E i n Wechsel — etwa zwischen einer Kreisverwaltung und einer Stadt — findet innerhalb der sechs oder neun Monate Verwaltungsstation grundsätzlich nicht statt. Dadurch soll eine Zersplitterung vermieden werden. I n diesem Zusammenhang w i r d die Meinung vertreten, daß die gelegentlich geforderte „Vielseitigkeit" der Ausbildung nicht darin bestehen könne, daß zu viele Einzelabschnitte zu einer i m Grunde oberflächlichen Information führen. Wie unterschiedlich diese Frage beurteilt wird, geht aus der eingangs erwähnten Tatsache hervor, daß i n Hamburg — wie i n Schleswig-Holstein — darauf bestanden wird, daß die zur Verfügung stehenden sechs Monate lediglich bei einer Behörde verbracht werden, deren verschiedene Abteilungen usw. i n Anspruch genommen werden, während i n Bremen eine Aufteilung auf 4 und 2 Monate bei verschiedenen Behörden praktiziert wird. Obwohl auch i n Schleswig-Holstein i n einem Runderlaß des Innenministers zum Ausdruck gebracht worden ist, daß eine Beschäftigung m i t Aufgaben des Justitiariats weder i m Interesse der Verwaltung liege noch den speziellen Zielen des Verwaltungsabschnittes der Referendarausbildung diene, die Ausbildung i n der Verwaltung vielmehr i n erster Linie ein B i l d des Verwaltungsgeschehens vermitteln solle, stimmt die Praxis hiermit nicht immer überein. I n den Städten bestand hier häufig die Neigung, die Referendare i m Rechtsamt einzusetzen. Der Referendar soll aber ein D r i t t e l der Ausbildungszeit i m Ordnungsamt beschäftigt werden, ein D r i t t e l i m Wohlfahrts- und Jugendamt und das restliche D r i t t e l i n der Kämmerei und i n den kommunalen Betrieben. I n manchen Kreisverwaltungen werden dem Referendar liegengebliebene Sachen m i t dem Auftrag zugeschrieben, sich den Rechtsfragen des jeweiligen Falles zu widmen, der von den Angehörigen des gehobenen Dienstes keiner Klärung zugeführt werden konnte. So unterbleibt das — notwendige — Gespräch zwischen Landrat und Referendar. Daß aber nach dem verordneten Schema verfahren wird, ist hier deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil i n Schleswig-Holstein allein durch die Beschäftigung i m Bereich der Kommunalverwaltungen ein Überblick über die

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Aufgaben und die Arbeitsmethoden der Verwaltung vermittelt werden muß. Die Frage der Teilnahme an Ausschußsitzungen w i r d i n SchleswigHolstein für die kleinen Kommunen positiv beantwortet. Der Bürgermeister nimmt i n der Regel den Referendar gern m i t i n die Sitzungen. I n großen Kreisverwaltungen werden die Referendare häufig nur am Rande an Ausschußsitzungen beteiligt. Es soll vorkommen, daß der Referendar während der Zeit, die er bei der Kreisverwaltung zu verbringen hat. den Landrat nicht ein einziges Mal sieht. Das wäre sicherlich nicht der richtige Weg, u m — wie es i n dem bereits erwähnten Runderlaß des Innenministers von Schleswig-Holstein über die Ausbildung der Referendare bei Kreisen und Gemeinden während ihrer Verwaltungsstation heißt—das Interesse des Referendars für die vielseitige Arbeit i m öffentlichen Dienst zu wecken. Manche Referendare bemängeln, daß ihnen i m Rahmen der Ausbildung bei der Verwaltung kaum Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen würden. Sie würden gern Verantwortung tragen, erhielten dazu aber keine Gelegenheit. Bei den Regierungen i n Niedersachsen ist vorgesehen, geeignete Referendare m i t der Vertretung eines Dezernenten zu beauftragen. Der praktischen Durchführung steht gelegentlich als Hinderungsgrund entgegen, daß für ein Dezernat nur zwei Monate zur Verfügung stehen und i n dieser Zeit eine gewisse Einarbeitung erfolgen, auch die Eignung des Referendars für diese Verwendung festgestellt werden muß. Es kann ferner z. B. für einen aus Krankheitsgründen längere Zeit abwesenden Gemeindedirektor ein Referendar m i t der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt und auf diese Weise echt i n die Verwaltung eingebaut werden. U m dem gelegentlich erhobenen Vorwurf, die Ausbildung sei nicht intensiv genug, entgegenzuwirken, w i r d auch i n den Kommunalverwaltungen i n Schleswig-Holstein i n geeigneten Fällen der Referendar z. B. zum Vertreter des Bürgermeisters von kleineren Gemeinden bestellt. Eine Vertretung des Landrats erfolgt nicht. I n den von der Baubehörde von Hamburg herausgegebenen, recht ausführlichen und geradezu vorbildlichen Richtlinien für die Ausbildung von Referendaren ist vorgesehen, jedem Referendar die Teilnahme an einer Sitzung der Bürgerschaft zu ermöglichen. Wenn Gesetzentwürfe aus der Baubehörde behandelt werden, soll der Referendar vorher die Unterlagen einsehen und sich erforderlichenfalls von dem zuständigen Rechtsreferenten i n die Problematik einführen lassen. Ferner soll der Referendar an mindestens einer Sitzung des Landesplanungsausschusses und an einer Verhandlung über Planungseinwände m i t den Betroffenen teilnehmen. Auch soll der Referendar an einer Sitzung der Baudeputation teilnehmen. Nehmen Referendare an Sitzungen der Deputationen,

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der Bezirksversammlungen oder der Ortsausschüsse des Ortsamtes teil — und das ist regelmäßig der Fall —, so kommen sie allerdings nicht zur Protokollführung, gelegentlich jedoch als Substitut zum Vortrag. Eine Vertretung des Leiters eines Ortsamtes durch einen Referendar findet nicht statt. Beispiele der genannten A r t zeigen, wie ein Referendar m i t Verantwortung betraut und wie i h m das Verständnis für die Aufgaben und damit für das Wesen der Verwaltung erschlossen werden kann. Vielleicht sollten diese Bemühungen noch intensiviert werden. Gerade die Gemeindeverwaltungen bieten die Möglichkeit, i h n m i t dem Verwaltungsgeschehen unserer Zeit besonders vertraut zu machen. Hier kann er recht eindringlich die sog. Leistungsverwaltung erleben und hat außerdem Gelegenheit, durch die unmittelbare Fühlungnahme m i t den Bürgern wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen nachzugehen. Stellt doch gerade die kommunale Verwaltung i n ihrer Verbindung von Spezialisierung und Universalität des Aufgabenbereichs eine recht glückliche Verwaltungsform i n der modernen Gesellschaft dar. Dem Referendar sollten die charakteristischen Geschäfte vorgeführt werden. I h m sollte weder der Zugang zu den Eingängen verwehrt noch sollte ihm, sobald er entsprechende Erfahrung erworben hat, die Bearbeitung besonders instruktiver Vorgänge vorenthalten werden. Bei Sitzungen des Gemeinderates oder des Kreistages sollte ihm, wann immer das möglich ist, das Protokollieren übertragen werden. Aber auch Vorlagen dürften wenigstens gelegentlich einmal Referendaren zur Vertretung anvertraut werden. Ob es sich empfiehlt, dem i n der Kommunalverwaltung tätigen Referendar neben dem Unterhaltszuschuß noch einen weiteren Geldbetrag zu gewähren, w i r d unterschiedlich beurteilt. Schleswig-Holstein kennt eine solche Übung nicht, i n Niedersachsen werden zwar nicht i n allen Landkreisen, aber i n einer Vielzahl unterschiedliche Beträge—zwischen 75,— D M und 150,— D M pro Monat — gezahlt. Wenn schon solche Zahlungen geleistet werden, die vielleicht i n dem einen oder anderen Falle in dem Referendar das Gefühl auslösen können, den betreffenden Gemeinden nun besonders verpflichtet zu sein, so sollten die Gemeinden sich zu einem gleichhohen Betrag bereitfinden. I m anderen Falle besteht die Gefahr, daß die Referendare, die ohnehin schon aus den verschiedensten persönlichen Motiven die Zuweisung zu einem bestimmten Kreise betreiben, auch noch — und warscheinlich i n recht starkem Maße — das Moment des Verdienens i n den Kreis ihrer Überlegungen einbeziehen. I n Hamburg w i r d z. T. eine Beschäftigungsvergütung gezahlt, die gelegentlich zu der — irrigen — Vorstellung des Erwerbs einer A n w a r t schaft auf spätere Übernahme i n die Verwaltung geführt haben soll.

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8. Bei der Gestaltung der Ausbildung i n der Verwaltungsstation hat sich i n Niedersachsen die Arbeitsgemeinschaft als ein wichtiges Instrument bei den Bemühungen erwiesen, den Referendar i n die Verwaltung einzuführen. Oberregierungsrat Less, der langjährige und erfahrene Ausbildungsleiter der Regierung Hannover, hat hierzu an dieser Stelle i m Jahre 1962 Feststellungen getroffen, die ich wegen ihrer bleibenden Bedeutung auszugsweise wiederholen darf: I n den Arbeitsgemeinschaften „muß insbesondere versucht werden, den Wissensstand des Referendars über die Verwaltung als solche, das Wissen vom Sein und Funktionieren der Verwaltung mehr als bisher zu steigern. Nur auf diese Weise werden w i r i n der Lage sein, den Referendar davon abzuhalten, sich zwei oder drei Dutzend verwaltungsrechtlicher Grundbegriffe anzueignen und nun überzeugt zu sein, daß er damit »verwalten 4 könne." I m Rahmen dieser Arbeitsgemeinschaft, die bei jeder Regierung — m i t Ausnahme von Hannover und Hildesheim, wo besondere Regelungen gelten — dreißig bis fünfzig Referendare umfaßt und ausschließlich von dem Ausbildungsleiter, der gleichzeitig als Dezernent oder Abteilungsleiter i n den Dienstbetrieb eingespannt ist, betreut wird, erhalten die Referendare wöchentlich einmal einen zweieinhalb- bis dreieinhalbstündigen Unterricht. Ein gewisser Nachteil ist hier zu verzeichnen: Abgesehen von der intensiven Vorbereitung, der sich der Ausbildungsleiter zu unterziehen hat, steht er — pädagogisch gesehen — vor den Schwierigkeiten, die i m Prinzip m i t denen einer einklassigen Volksschule zu vergleichen sind. Denn aus der Arbeitsgemeinschaft scheiden laufend Referendare aus, und neue kommen ständig hinzu. A n jedem Unterrichtstag w i r d ein umgrenztes Thema, wie z. B. die Kommunalverfassung, Polizeirecht, Aufbau der Landesverwaltung sowie der europäischen Organisationen und ähnliche Gebiete behandelt. A l l e sechs Wochen, i n einigen Bezirken alle Vierteljahre, w i r d eine Klausur geschrieben. Bei der Mehrzahl der Regierungen w i r d außerdem von jedem Referendar eine Hausarbeit verlangt. Es werden ferner, vom Ausbildungsleiter geplant, unter seiner Leitung stehende Ausbildungsfahrten durchgeführt, i n jedem Jahre mehrere kleinere und eine große. Während die kleineren i n den Regierungsbezirk hinausführen, etwa um Deichbauten zu besichtigen, gehen die großen nach Berlin oder i n das Ausland. Ende vorigen Jahres fuhren z. B. die dem Verwaltungsbezirk Oldenburg zugewiesenen Referendare nach Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. I n dem Erfahrungsbericht eines Referendars, der an dieser Fahrt teilgenommen hat, heißt es: „Bei der diesjährigen Ausbildungsfahrt nach Belgien und Holland kam der Besichtigung der Häfen von Antwerpen und Rotterdam zentrale Bedeutung zu. Da alle Teilnehmer schon infolge der Küstenlage unseres Verwaltungsbezirks und durch die vielfältigen Erörterungen wasser-

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und hafenrechtlicher Probleme i n der Arbeitsgemeinschaft diesem Fragenkomplex besonders aufgeschlossen gegenüberstanden, haben die Besuche i n beiden Häfen auch über ihren aktuellen Informationscharakter hinaus einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen." Insbesondere der Herstellung persönlicher Kontakte und der Schaffung einer persönlichen Atmosphäre i n der Verwaltung dienen Tagungen, die i n der Weise gestaltet werden, daß der Arbeitsgemeinschaftsleiter sich mit den von i h m betreuten Referendaren etwa eine Woche in die Stille zurückzieht, Ausbilder und Referendare gemeinsam i n einer abseits des Verkehrs gelegenen Unterkunft wohnen und hier nicht i n erster Linie fachliche, sondern den privaten Bereich betreffende Gespräche führen, um sich kennen und verstehen zu lernen. Eine Tagung dieser A r t w i r d gelegentlich auch i n der Weise gestaltet, daß für mehrere Tage ein Institut für politische Bildung aufgesucht und dort, nachdem von berufenen Kennern der Materie Referate gehalten sind, diskutiert wird. Für die leitenden Beamten der Regierung bietet sich hier eine gute Gelegenheit zur Unterhaltung m i t den Referendaren, die ungezwungen sein und sich i n dem Sinne bewähren soll, daß ein echtes Vertrauensverhältnis entsteht. So können die Referendare auch erfahren, wie ein Verwaltungsbeamter zu den Anforderungen der modernen Gesellschaft steht, welche Rolle dem Beamtentum i m heutigen Staat zukommt, und dem Referendar w i r d vielleicht auch bewußt werden, daß er gelegentlich i n alten Vorurteilen befangen ist, und daß die Verwaltungswirklichkeit anders aussieht, als sie i h m vorschwebt. Lernt der Referendar durch diesen unmittelbaren Kontakt fähige, verantwortungsfreudige und hilfsbereite Beamte und profilierte Spitzenkräfte kennen und schätzen, so w i r d das nachhaltig dazu beitragen, den Beruf des Verwaltungsbeamten für junge Menschen anziehend zu machen. I n Hamburg werden seit dem Jahre 1963 während der Verwaltungsstation für alle i n der Verwaltungsstation tätigen Referendare zweimal i m Jahre sog. Studienwochen zur Ergänzung und Vertiefung der Ausbildung durchgeführt. Die Teilnahme ist Dienst. Eine Woche lang werden die Referendare unterrichtet, sie hören Vorträge z. B. über die Verkehrsplanung i n Hamburg, über die besonderen Probleme des Hamburger Hafens, über die Struktur der Hamburger Wirtschaft und über ihre Probleme i m Zeichen der EWG, führen Bereisungen i n die Bezirksämter durch und versammeln sich täglich zum gemeinsamen Mittagessen. Als Vortragende stellen sich leitende Herren der Verwaltung zur Verfügung. Veranstaltungen dieser A r t fördern die Referendare nicht nur i n der Ausbildung, ihnen dürfte auch ein nicht zu unterschätzender Werbungscharakter beizumessen sein. Kehren w i r zu den Verhältnissen i n Niedersachsen zurück. Neben den bereits erwähnten Aufgaben hat der Ausbildungsleiter über jeden

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Referendar eine — möglichst gründliche — Beurteilung abzugeben und alle Anträge, Gesuche usw. der Referendare zu bearbeiten. Wenn sich ein Ausbildungsleiter intensiv diesen Aufgaben widmen würde, so wären seine Arbeitstage ausgefüllt. Er hat aber, wie bereits erwähnt, noch seine Dezernatsgeschäfte zu erledigen, die sich z. T. sogar auf zwei Dezernate erstrecken. Deshalb w i r d immer wieder die Forderung erhoben, bei jeder Regierung einen Beamten des höheren Dienstes ausschließlich m i t der Referendarausbildung zu beauftragen. Dem steht augenblicklich i n Niedersachsen die Personallage entgegen. Es bereitet schon Schwierigkeiten, Ausbildungsleiter dezernatsmäßig so zu entlasten, daß sie sich ihrer Aufgabe als Betreuer der Referendare i n größerem Umfang widmen können. Da es sich bei den i n Betracht kommenden Beamten i n der Regel um besonders qualifizierte handelt, verzichten die Präsidenten verständlicherweise nicht gern darauf, diese Herren als Leiter wichtiger Dezernate einzusetzen. Die Einrichtung des hauptamtlichen Ausbildungsleiters begegnet ferner einem grundsätzlichen Bedenken: Es besteht die Gefahr, daß die Verbindung zur Praxis verloren geht. W i r d der hauptamtliche Ausbildungsleiter geschaffen, so sollte eine zeitliche Begrenzung festgesetzt werden. Nach vier bis sechs Jahren müßte ein Wechsel erfolgen, wenn nicht der auf diesem Wege gezeugte Verwaltungsstudienrat als unerwünschtes K i n d das Licht der Welt erblicken soll. Die Entlastung eines Ausbildungsleiters sollte nicht i n der Weise erfolgen, daß der Beamte ein sog. zweitrangiges Dezernat m i t der Folge erhält, daß er nun etwas neben dem eigentlichen Verwaltungsgeschehen steht und aus diesem Grunde etwa Nachteile bei der Beförderung erleidet. Befürchtungen dieser A r t sind bekannt geworden. Wie kann aber ein junger Beamter, der mit Befürchtungen dieser A r t — ob sie zu Recht bestehen, ist hierbei von sekundärer Bedeutung — erfüllt ist, bei Referendaren Verständnis oder gar Begeisterung für den Dienst i n der Verwaltung wecken? Auch sehen ja die Referendare, wie belastet ein Ausbildungsleiter ist, und daß er trotzdem nicht immer entsprechend seiner Leistung befördert werden kann. Das trägt auch nicht dazu bei, den Beruf des Regierungsrates an einer Regierung attraktiv erscheinen zu lassen. Der Staat sollte es sich auch angelegen sein lassen, die Frage der Honorierung des Ausbildungsleiters etwas großzügiger zu handhaben, als das bislang geschieht. I n Niedersachsen erhalten die Ausbildungsleiter für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung von fünfzig D M pro Monat und je Unterrichtsstunde fünf DM, ein Betrag, der sicherlich zu gering bemessen ist, wenn man sich Umfang und Schwierigkeitsgrad der hier zu leistenden Arbeit vergegenwärtigt. Schon wesentlich günstiger ist die i n Hamburg getroffene Lösung. Für die Verwaltungsstation stehen vier Arbeitsgemeinschaften zur Verfügung, die

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jeweils nur fünfundzwanzig Teilnehmer umfassen. Träger dieser A r beitsgemeinschaften ist nicht der Ausbildungsleiter, der sich i n Hamburg übrigens nicht u m den Nachwuchs des mittleren oder des gehobenen Dienstes kümmern muß. Diese vier Arbeitsgemeinschaften i n Hamburg, die so programmiert sind, daß das Prinzip einer einklassigen Volksschule vermieden wird, haben eigene Leiter: Eine Arbeitsgemeinschaft w i r d von einem Richter des Oberverwaltungsgerichts gestaltet, die zweite von einem Lehrer der Verwaltungsschule und die dritte und vierte durch je einen Oberregierungsrat. Jeder von ihnen erhält für die Doppelstunde dreißig DM, also je Arbeitsgemeinschaft fünfundvierzig DM. I n Schleswig-Holstein werden von der Verwaltung keine Arbeitsgemeinschaften veranstaltet. Die Referendare sind hier ausschließlich auf die von der Justiz durchgeführten Arbeitsgemeinschaften angewiesen, i n denen 14tägig öffentliches Recht behandelt wird. I n Bremen nehmen sie während ihrer Zugehörigkeit zur Verwaltung an Arbeitsgemeinschaften der Verwaltungsgerichtsbarkeit teil. I n Schleswig-Holstein und i n Bremen werden Studienfahrten für Referendare nur von der Justiz durchgeführt, nicht aber durch die Verwaltung. 9. Mehr als eine rein technische Bedeutung kommt der Frage zu, ob die Referendare Dienststunden einhalten sollen. I n Niedersachsen ist i n Dienstbesprechungen m i t den Ausbildungsleitern festgelegt worden, daß die Referendare mindestens von 9 bis 13 Uhr i n der Behörde anwesend sein sollen. I n den zitierten Richtlinien der Baubehörde von Hamburg ist eine Belehrungspflicht über das Einhalten der Dienstzeit vorgesehen. Die Praxis ist i m übrigen unterschiedlich, und die Meinungen über die richtige Lösung sind geteilt. I n Schleswig-Holstein ist auf die örtliche Handhabung durch den Ausbildungsleiter abgestellt. Überlegungen, eine Verschärfung eintreten zu lassen, sind i m Gange. Bremen hat ebenfalls keine festen Dienststunden für Referendare angeordnet. Die Referendare sollen aber die normalen Dienstzeiten einhalten. Die Ubersicht zeigt, wie uneinheitlich und tastend auf diesem Gebiet verfahren w i r d und wie schwer es offensichtlich ist, zu überzeugenden Lösungen zu kommen. So wichtig es ist, daß der Referendar während seiner Verwaltungsausbildung kontinuierlich i n der Verwaltung mitarbeitet und diese Zeit nicht dazu benutzt, um Nebenbeschäftigungen nachzugehen — der Vorw u r f des sog. Leerlaufs i n der Verwaltungsstation w i r d nämlich gelegentlich auch erhoben, um einer Nebenbeschäftigung nachgehen zu können! —, so sehr sollte jedes stumpfe Binden an Dienststunden vermieden werden- Maßnahmen dieser A r t können leicht eine abschrek-

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kende Wirkung haben, zumal die Justiz keine Dienststunden i n diesem Sinne kennt. 10. Ein Problem, das einer besonderen Betrachtung bedarf, ist die sog. Wahlstelle . Immer wieder ist ein Bemühen feststellbar, der Zeit für die Verwaltungsausbildung nicht nur diejenige zuschlagen zu wollen, die für ein allgemeines oder besonderes Verwaltungsgericht vorgesehen ist, sondern i h r auch die Wahlstelle hinzuzurechnen. Wer so verfährt, verkennt die wesentlichen Unterschiede, die zwischen der Ausbildung bei den Verwaltungsgerichten und bei den Verwaltungsbehörden bestehen. Noch bedeutungsvoller scheint m i r die Tatsache zu sein, daß die Referendare sich bei der Entscheidung für die Wahlstelle von Motiven leiten lassen, die nicht i m Interesse der Ausbildung i n der Verwaltung liegen, vielfach überhaupt nicht auf die Ausbildung bezogen sind. Es kommt vielen Referendaren darauf an, während der Wahlstelle möglichst viel Geld zu verdienen. Deshalb werden Versicherungsgesellschaften, Banken, Sparkassen, Industrieunternehmen ausgewählt, und aus diesem Grunde w i r d die Tätigkeit i m Anwaltsbüro bevorzugt, während sich nur sehr wenige Referendare für die Justiz oder die Verwaltung entscheiden. Sämtliche Ausbildungsleiter i n Niedersachsen haben sich uneingeschränkt für die Abschaffung der Wahlstelle ausgesprochen. Auch i n Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein t r i f f t diese Einrichtung bei den für die Ausbildung der Referendare Verantwortlichen auf Skepsis und K r i t i k . Andererseits würde die Streichung der Wahlstelle für viele Referendare den Besuch der Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer unmöglich machen. Das wäre m. E. bedauerlich. Vielleicht können aber Wege gefunden werden, die die Einrichtung der Wahlstelle i n der jetzigen Form grundlegend verändern und eine wenig sachbezogene Tätigkeit während mehrerer Monate der Ausbildungszeit, die aus vielen Gründen abgekürzt werden müßte, unmöglich machen. Eine solche Lösung sollte die Möglichkeit des Besuchs der Hochschule für Verwaltungswissenschaften nicht ausschließen, aber den Aufenthalt i n Speyer nur solchen Referendaren ermöglichen, von denen sich m i t einiger Sicherheit annehmen läßt, daß sie die hier gebotenen Ausbildungsmöglichkeiten auszuschöpfen willens und i n der Lage sind. 11. Abschließend seien noch einige Bemerkungen zu der Frage gestattet, aus welchen Gründen sich relativ wenige Referendare entschließen können, i n der Arbeit i n der Verwaltung ihre Lebensaufgabe zu erblicken. I m Bericht eines niedersächsischen Regierungspräsidenten vom J u l i dieses Jahres heißt es hierzu u. a.: „Interesse und Neigung der Referendare zu einer späteren Tätigkeit i n der Verwaltung sind nach wie vor gering, obwohl die meisten Referendare ihre Verwaltungsausbildung aufgeschlossen und eifrig betreiben."

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Ich hatte zu Beginn meiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß der Referendar i n die Verwaltungsstation eintritt, ohne i m öffentlichrechtlichen Bereich genügend vorbereitet zu sein, und daß i h m auf diesem Sektor ein geschlossenes System, wie es das BGB bereit hält und vermittelt, nicht m i t auf den Weg gegeben wird. Das schafft Unsicherheit, die ihn mit einem gewissen Unbehagen die Tätigkeit i n der Verwaltungsstation aufnehmen läßt. Es kommen aber noch andere Faktoren hinzu, die die Atmosphäre m i t — um i m Bilde zu bleiben, darf ich es so formulieren — Gewitterstörungen versehen. Z u nennen sind hier bezüglich der Referendare, die sich für eine Tätigkeit i m staatlichen Bereich entschließen, die Besoldung und die Beförderungsmöglichkeiten, die nach den Aussagen der Ausbildungsleiter von den Referendaren genau beobachtet und ausgiebig diskutiert werden. Das ist ein Sachverhalt, den wir, ob er uns gefällt oder nicht, zur Kenntnis nehmen müssen. Die Referendare haben es registriert, daß i n der Justiz die Besoldungsgruppe A 14 automatisch erreicht w i r d und daß die Beförderungschancen sehr verbessert worden sind, i n der Verwaltung aber noch heute Beamte als Regierungsräte pensioniert werden und insbesondere i n der staatlichen Mittelinstanz auch für Beamte, die viele Jahre lang getreulich ihre Pflicht erfüllt haben, der Oberregierungsrat die letzte erreichbare Stufe darstellt. I n diesem Zusammenhang w i r d von den Referendaren auch von einer sog. Politisierung der Verwaltung gesprochen. Gemeint sind damit Personalentscheidungen, die unter dem Aspekt der Ämterpatronage getroffen würden. Solche Entscheidungen gibt es zweifellos, sie waren früheren Zeiten nicht fremd und werden auch i n der Zukunft zu verzeichnen sein, übrigens — und das w i r d weithin und geflissentlich übersehen — nicht nur i n der Verwaltung. Ohne das vielschichtige Problem der Ämterpatronage aufrollen zu wollen, darf ich mich i n diesem Rahmen vielleicht auf zwei Bemerkungen beschränken: Die Verwaltung sollte hier möglichst wenig Angriffsflächen bieten. Die Referendare aber sollten sich vor Verallgemeinerungen hüten und gelegentliche Vorkommnisse dieser A r t nicht zum Anlaß nehmen, hieraus Gesetzmäßigkeiten ableiten und die These aufstellen zu wollen, daß Vorkommnisse dieser A r t typisch für die Verwaltung seien. Diesen Sachverhalt richtig zu erkennen und den Referendaren ein vollständiges B i l d zu vermitteln, gehört zu den Aufgaben der Arbeitsgemeinschafts- und Ausbildungsleiter, die dieser Aufgabe allerdings nur dann gewachsen sein dürften, wenn sie davon ausgehen können, daß sie selbst zeitgerechte und wirkungsvolle Förderung erfahren werden. Die richterliche Tätigkeit w i r d von einer Reihe von Referendaren wohl auch deshalb bevorzugt, weil der — unrichtige — Eindruck besteht, daß die Tätigkeit i n der Staatsverwaltung — die Kommunalver-

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waltung w i r d insoweit ausgenommen — zu geringe Vollmachten beinhalte und ein selbständiges Tätigwerden unter Übernahme eigener Verantwortung mehr oder weniger ausschließe. N u n muß allerdings dem Referendar deutlich werden, daß die richterliche Tätigkeit (einschließlich der Unabhängigkeit des Richters) sich i m K e r n und dem Wesen nach von der eines Verwaltungsbeamten unterscheidet. Schlagworte wie „Verwaltung ist keine Juristerei" sind abwegig und verraten lediglich Unkenntnis. Wer nach Veranlagung und Neigung mehr oder ausschließlich justitieller Tätigkeit den Vorzug gibt, w i r d sich i n der öffentlichen Verwaltung letztlich nie wohl fühlen und sollte sich auch gar nicht der Gestaltung der der Verwaltung obliegenden Aufgaben widmen. Das ist ein i m Grunde unkomplizierter Sachverhalt, der aber erkannt und dem Referendar deutlich gemacht werden muß. Viele Referendare versagen sich heute bekanntlich einer späteren Übernahme i n den Staatsdienst schlechthin. Ihrer Uninteressiertheit am staatlichen Geschehen pflegen sie auch i n der Verwaltungsstation Ausdruck zu verleihen. Darin dokumentieren sich die Folgen bestimmter Entwicklungstendenzen, die unsere Gesellschaft kennzeichnen. Die pluralistische Gesellschaft nagt nun einmal an der Substanz des Staatlichen. Das äußert sich auf vielen Gebieten und i n mancherlei Formen. Dem Referendar w i r d dadurch der Entschluß, i n den Staatsdienst einzutreten, nicht leichter gemacht. Darum sollte es sich nicht nur der Staat angelegen sein lassen, sondern auch und gerade der Bürger, der sich heute m i t so vielen Anliegen an die Verwaltung wendet und immer wieder ihre Hilfe und Betreuung erwartet und angesichts des komplizierten Lebens i n der Massengesellschaft auch i n Anspruch nehmen muß, dem Verwaltungsbeamten i n ideeller und materieller Hinsicht nicht zu enge Grenzen zu ziehen. Nur dann w i r d dieser Beruf die für den Nachwuchs notwendige A t t r a k t i v i t ä t aufbringen können. Fehlt es hieran, werden die Bürger über kurz oder lang die Folgen einer personell unzureichend besetzten Staatsapparatur zu spüren bekommen und dann wahrscheinlich i n unangenehmerWeise überrascht und erschrocken sein. Zusammenfassend möchte ich sagen, daß angesichts der steigenden Bedeutung des öffentlichen Rechts der Ausbildung i n der Verwaltungsstation besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Es besteht die Notwendigkeit, daß die Juristen, gleichgültig, welchen Beruf sie später ergreifen, mit dem Verwaltungshandeln i n ausreichendem Maße vertraut gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist, daß der Vorbereitungsdienst — und das gilt ganz besonders für die Verwaltungsstation — nicht nur oder überwiegend nach dem Leitbild des Richters ausgerichtet wird, sondern daß daneben das des Verwaltungsjuristen gesetzt wird. Das muß auch i n den Prüfungen Niederschlag finden, weil erfahrungsgemäß nur die Sparten intensiv durchgearbeitet werden, die

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Gegenstand der Prüfungen sind. Die Verwaltung w i r d weiter daran zu arbeiten haben, die Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst zu verbessern und zu intensivieren. Sie hat m i t Hindernissen und Schwierigkeiten zu rechnen, denen die Justiz nicht oder nicht i m gleichen Umfang ausgesetzt ist. Wenn es i n einem Lande keine staatliche M i t t e l instanz gibt, ist dem Referendar nur sehr schwer das Wesen der Staatsverwaltung nahe zu bringen. Wenn ein Stadtstaat einen Teil der Referendare für die Dauer der gesamten Verwaltungsstation der Oberfinanzdirektion und dem Finanzamt zuweisen muß, so bleiben diesen Referendaren zwangsläufig die Aufgaben der Ordnungs-und Polizeiverwaltung, der Wirtschaftsförderung, der Gewerbeaufsicht, des Bauwesens, der Jugendpflege und Sozialhilfe usw. verschlossen. Die Ausbildung an den Gerichten i n Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen ist i m Hinblick auf den materiellen Gehalt und die Verfahrensweise, aber auch bezüglich der Methode i m wesentlich einheitlich und ohne spürbare Differenzierungen. Diese vorgegebenen Nachteile, mit denen die Verwaltung sich auseinanderzusetzen hat, muß sie zu überwinden oder wenigstens teilweise abzubauen versuchen. Wesentliche Schritte i n dieser Richtung bedeuten die Schaffung von Arbeitsgemeinschaften, die von Verwaltungsbeamten gesteuert und betreut werden, das Einsetzen geeigneter Ausbildungsleiter, die Durchführung von Seminaren und Studienwochen und die Veranstaltung von Besichtigungen und Reisen. Behandelt werden sollen Probleme und Fragen der Verwaltung, besichtigt werden sollen Projekte der Verwaltung, Planung und Durchführung müssen i n den Händen leitender Verwaltungsbeamter liegen. U m gewisse Grenzen, die durch die Natur etwa eines Stadtstaates gesetzt sind, zu überspringen, könnte m. E. auch erwogen werden, den Ausbildungsdienst teilweise überregional zu gestalten und benachbarte Länder heranzuziehen, um einen Einblick i n gewisse Bereiche zu ermöglichen, die dem jeweiligen Lande nicht zur Verfügung stehen. Überlassen w i r nicht anderen Stellen diese Sorgen, sondern arbeiten w i r i n unserer Eigenschaft als Verwaltungsbeamte und Lehrer des öffentlichen Rechts unablässig und zielstrebig an der Verbesserung des Vorbereitungsdienstes und i m besonderen an der Verfeinerung der Ausgestaltung der Verwaltungsstation. Das w i r d sicherlich Konsequenzen haben, einmal i n der Richtung, daß der uns anvertraute Referendar i n zunehmendem Maße die Verwaltung kennen und damit schätzen lernt. Bemühungen dieser A r t können aber auch wesentlich dazu beitragen, den Typ des Verwaltungsbeamten zu schaffen, der den Anforderungen, die die heutige Zeit an ihn stellt, gerecht w i r d und dem dann auch der Platz i m Staat und i n der Gesellschaft eingeräumt werden kann, der i h m gebührt.

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Thesen 1. Angesichts der steigenden Bedeutung des öffentlichen Hechts sind bei der Ausbildung von Referendaren in der Verwaltung verstärkte Anstrengungen erforderlich. 2. Die Ausbildung in der Verwaltung muß dem durch Studium und vorangegangenen Vorbereitungsdienst justitiell geprägten Referendar den Blick für die andersartigen Aufgaben der Verwaltung öffnen und ihn mit der praktischen Arbeitsweise der Verwaltung und ihren Rechtsgrundlagen vertraut machen. 3. Der Referendar ist in Bereichen auszubüden, in denen er die gestaltende Tätigkeit der Verwaltung kennenlernt. Er darf nicht mit abgeschlossenen Fällen, als Justitiar oder in nur begutachtender Funktion beschäftigt werden. 4. Stärker als bei der Justizausbildung mit ihrem materiell und i m Verfahren vorgezeichneten, für den Referendar überschaubaren Rahmen bedarf der junge Jurist in der Verwaltungsausbildung der Anleitung, Führung und Förderung durch den ausbüdenden Beamten und des Gesprächs mit ihm. 5. Nach kurzer Einführung ist dem Referendar durch Einbeziehung in den Arbeitsablauf der ausbildenden Stelle das Gefühl zu vermitteln, nicht bloßes Ausbildungsobjekt zu sein, sondern verantwortlich an der Erledigung von Verwaltungsgeschäften mitzuwirken. U m den Sinn für Verantwortung zu wecken, sind dem Referendar in weitestmöglichem Umfang Aufgaben zur selbständigen Erledigung zu übertragen. I n geeigneten Fällen ist er für bestimmte Sachbereiche als Vertreter einzusetzen. 6. Die Bemühungen um eine lebendige Gestaltung der Referendarausbildung durch Veranstalten von Seminaren, Büdungs- und Studienwochen sowie durch Besichtigungen und Ausbildungsfahrten sind zu verstärken. 7. Der Ausbildung muß der ihr zukommende Rang auch innerhalb der Behörden gewährt werden. Die Behördenleiter und ihre Vertreter sollten sich persönlich der Ausbildung annehmen, sie durch Unterstützimg der ausbildenden Beamten fördern und, soweit möglich, selbst an der Ausbüdung von Referendaren mitwirken. 8. Zuweisungen von Referendaren müssen sich i m Rahmen der Ausbildungsmöglichkeiten halten. Neben der Eignung der ausbildenden Stelle ist besonderer Wert auf die Qualifikation des Ausbilders zu legen, der regelmäßig Beamter des höheren Dienstes sein soll. 9. Die Ausbildung innerhalb einer Behörde ist auf wenige Ausbildungsstellen (Dezernate, Abteilungen) zu konzentrieren. Zuweisungen für eine kürzere Dauer als zwei Monate sollten nicht vorgenommen werden. 10. Z u Ausbildungsleitern sind besonders befähigte Verwaltungsbeamte des höheren Dienstes für einen mehrjährigen Zeitraum zu bestellen, die in ihrem Hauptamt entsprechend zu entlasten sind. Der mit der Ausbildung verbundene Aufwand sollte auch finanziell angemessen berücksichtigt werden. Beamte, die sich in der Ausbüdung bewährt haben, sind zu fördern.

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst Von Gotthard Brunner

Gliederung A. 1. Schärfer werdende Konkurrenzlage der Verwaltung bei der Gewinnung des Nachwuchses, Altersstruktur 2. Folgerung: Wir müssen den Vorbereitungsdienst in der Verwaltung so gestalten, daß der junge Jurist einen Anreiz erhält, später in die Verwaltung einzutreten. B. Wege zur Erreichung dieses Zieles 1. Grundsatzfragen a) Kürzung des Vorbereitungsdienstes, Streitfrage über das Ausmaß der Verkürzung, Verhältnisse von Justiz und Verwaltung innerhalb des Gesamtrahmens. b) Intensivierung des Vorbereitungsdienstes. c) Erweiterung der Zielsetzung des Vorbereitungsdienstes, tungsjuristische Vorbildung allein genügt nicht mehr. Blick nach Frankreich, ENA.

Verwal-

2. Folgerung: Die rein verwaltungsjuristische Ausbildung muß, ohne sie zu vernachlässigen, durch eine verwaltungswirtschaftliche ergänzt werden. a) Begriff der verwaltungswirtschaftlichen Ausbildung, Ausgangspunkt: die aktuellen Probleme der heutigen Verwaltung. b) Mittel, um den jungen Juristen auf die Lösung solcher Aufgaben im Rahmen des Vorbereitungsdienstes vorzubereiten. Ausbildung i m Geld- und Kreditwesen, in der öffentlichen Finanzwirtschaft und in den Grundzügen der Buchführung und Bilanzierung. c) Methoden dieser Ausbildung: Praktische Erfahrung mit den Steuerrechtskursen, verwaltungswirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft, keine obligatorische Wirtschaftsstation, jedoch Wahlstation in Wirtschaftsbetrieben. Ablehnung des Wirtschaftsreferendariats. Erfahrungen in NRW. 3*

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C. Gestaltung des Vorbereitungsdienstes im einzelnen: 1. Ausbildungsbehörden a) untere Verwaltungsstufe — Landratsamt oder kreisfreie Gemeinde b) Mittelstufe — Regierung c) Verwaltungsgerichte. 2. Arbeitsgemeinschaften, Klausurenkurse. 3. Personalprobleme Auswahl der geeigneten Arbeitsgemeinschaftsleiter und Ausbildungsbeamten Kontrolle der Ausbildung durch einen Ministerialbeauftragten Directeur de Stage).

(vgl.

D. Vom Vorbereitungsdienst in der Verwaltung kann nicht erwartet werden, daß der künftige Verwaltungsbeamte schon fertig ist, daher: a) Fortbildung auf breiter Grundlage durch verwaltungswissenschaftliche Kurse in verschiedenen Stufen. b) Spezialfortbildung der künftigen administrativen Führungsschicht.

Als w i r vor einigen Jahrzehnten mit dem Studium an der Universität begannen, wurden w i r davor gewarnt, das juristische Studium zu ergreifen, weil der Beruf der Juristen überfüllt sei. Inzwischen sind w i r alle mehr oder minder gut untergekommen. Unlängst hatte ich Gelegenheit, eine Anzahl von Assessoren, die gerade die Große Staatsprüfung abgelegt hatten, zu befragen, wie es denn ihnen beim Übertritt zur Hochschule ergangen sei. Übereinstimmend erklärten sie, daß ihnen dringend davor abgeraten worden sei, das hoffnungslos überfüllte j u r i stische Studium zu ergreifen. Einer guten Eingebung folgend haben sie sich aber an diesen Ratschlag nicht gehalten. Heute haben w i r nicht zu viel, sondern zu wenig tüchtige junge Juristen. Das Wettrennen um die brauchbaren Assessoren ist seit Jahren i n vollem Gange. Ganz unmerklich hat sich das Blatt gewendet. Gute Assessoren müssen sich nicht mehr bewerben, sie werden umworben. Jeder, der das Examen auch nur mit leidlichem Erfolg bestanden hat, kommt unter. Das volkswirtschaftliche Gesetz von Angebot und Nachfrage, nach dem sich der Preis bestimmt, gilt leider auch i n der Personalwirtschaft. Dabei ist es weniger die nachlassende Nachfrage für den öffentlichen Dienst, sondern das steigende Angebot der Verwaltung, das den Preis, i n diesem Fall die Qualitätsanforderungen, drückt. Wer den Altersaufbau i n Justiz und Verwaltung kennt, weiß, was uns i n den nächsten fünf bis sieben Jahren bevorsteht. Wenn ich das an einem Beispiel aus meinem eigenen Bereich, der bayerischen inneren

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Verwaltung, erläutern darf, so sieht das folgendermaßen aus: Einem Neuzugang von 51 Assessoren i m Jahre 1963 stand ein Altersabgang von nur 6 Beamten durch Ruhestandsversetzung gegenüber. Es ist unschwer zu erkennen, wie es uns ergehen wird, wenn die Altersabgänge auf das Fünffache und höher ansteigen werden. Die Gutachterkommission der Innenminister zur Frage der Juristenausbildung hat i n dankenswerter Weise eine umfassende statistische Erhebung i n der Bundesrepublik über den Altersaufbau der i m öffentlichen Dienst tätigen Juristen durchführen lassen. Das überraschende Ergebnis war, daß 46 °/o dieser Juristen älter als 50 Jahre sind. Unter diesen Umständen muß sich die Wettbewerbslage noch weiter zuspitzen; die Justiz w i r d der schärfste Konkurrent der Verwaltung bei der Gewinnung des juristischen Nachwuchses bleiben Vom Staatsganzen her gesehen ist ihre Aufgabe ebenso wichtig wie die der Verwaltung. Sie kann den gleichen Anspruch erheben, sich i n den Kuchen zu teilen, einen Kuchen allerdings, der die Neigung hat, nicht größer, sondern kleiner zu werden. M i t Fortdauer der wirtschaftlichen Vollbeschäftigung t r i t t das Versorgungs- und Sicherheitsdenken unter den jungen Menschen mehr und mehr i n den Hintergrund. Die günstigeren Entwicklungsmöglichkeiten i n der Privatwirtschaft locken stärker als je zuvor. Wie soll sich nun die Verwaltung i n dieser scharfen Wettbewerbslage durchsetzen. M i t einer besseren Besoldung w i r d sie nicht locken können; ein Ausbruchversuch aus dem Besoldungsgefüge hätte i n Anbetracht der sogleich einsetzenden Forderungen von anderer Seite keine Chance. Wir werden uns damit zufrieden geben müssen, den klaren Besoldungsvorsprung, den die Justiz m i t der Neuordnung der Richterbesoldung erzielen konnte, durch Verbesserungen des Stellenschlüssels einigermaßen wieder eingeholt zu haben. I n unserer betont materiell ausgerichteten Wohlstandsgesellschaft ist auch mit dem Ansehen, das der Berufsstand der höheren Verwaltungsbeamten in der Öffentlichkeit einst beanspruchen konnte, nicht mehr viel zu gewinnen. I n anderen europäischen Ländern spielt das Ansehen der Verwaltungsbeamten, die Franzosen nennen es Prestige, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dort wurde das Prestige der leitenden Verwaltungsbeamten systematisch gehoben und gestärkt. Wenn Sie beispielsweise den Einflußbereich und die gesellschaftliche Stellung eines französischen oder auch eines italienischen Präfekten m i t der Stellung vergleichen, die ein deutscher Regierungspräsident einnimmt, so w i r d der Unterschied augenfällig. I n Deutschland ist man einen anderen Weg gegangen. Nach der Mißachtung, die dem Beamtentum i m Dritten Reich entgegengebracht wurde, ist nach dem Krieg der Beamtenstand, vor allem auch der der Verwaltungsbeamten, gründlich unterminiert worden. Diese Zielsetzung entsprach gewissen Vorstellungen der Besät-

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zungsmächte, die i n der deutschen Beamtenschaft einen Hort der Reaktion und einen Wegbereiter des Nationalsozialismus zu erkennen glaubten. Diese Beeinflussung der öffentlichen Meinung gegen das Beamtentum hätte damals nicht so nachhaltig gewirkt, wenn sie nicht auch von deutscher Seite willfährig unterstützt worden wäre. Nachwirkungen dieser Kampagne sind auch jetzt noch spürbar. I m allgemeinen kommt es bei uns i n Deutschland gut an, sich über die Beamten, insbesondere über die bösen Ministerialbeamten auszulassen. Die Journalisten wissen das genau und verkneifen es sich nur ungern, der Ministerialbürokratie bei passender Gelegenheit eines auszuwischen. Dabei spielt die Frage, i n wieweit diese mitunter forcierte K r i t i k i n Presse, Funk und Fernsehen die Beamten selbst trifft, eine untergeordnete Rolle. Bedeutsamer ist, wie junge Leute, die vor ihrer Berufswahl stehen, darauf reagieren. Psychologisch ist es verständlich, daß sich niemand gern einem Berufsstand zuwendet, der m i t Vorliebe i n das Kreuzfeuer der öffentlichen K r i t i k gezogen w i r d und gute Dienste als Sündenbock leistet, ohne sich überhaupt dagegen zu wehren. Bei alledem dürfen w i r von Glück sagen, daß sich die junge Juristengeneration hiervon nicht allzusehr beeindrucken läßt und einer Tätigkeit i n der öffentlichen Verwaltung nicht ablehnend gegenübersteht. Unser Ziel muß daher sein, diese Bereitwilligkeit zu fördern und zu unterstützen. W i r müssen die unverkennbar positiven Aspekte, die die Verwaltung i n vielfältiger A r t bietet, den Referendaren aufzeigen. Dam i t sind w i r bei einem Kernproblem des Vorbereitungsdienstes. Gelingt es, das Interesse der Referendare an der Verwaltung während des Vorbereitungsdienstes zu wecken, so ist das weitaus wirksamer als alle anderen Werbemethoden. Ein Referendar, der während seines Vorbereitungsdienstes schlechte Eindrücke von der Verwaltung gewinnt, w i r d sich nach abgelegtem Examen kaum dazu entschließen, dorthin zu gehen. W i r d er aber richtig angesprochen und zeigt man i h m die Wirkungsund Gestaltungsmöglichkeiten, die einem guten Verwaltungsbeamten an die Hand gegeben sind, so w i r d das nicht ohne Eindruck auf seine Einstellung zur Verwaltung bleiben. Bevor w i r uns näher m i t den Mitteln befassen, die diesem Ziel dienlich sein können, sind vorweg einige Grundsatzfragen anzusprechen. Es darf unterstellt werden, daß sowohl der Bund wie auch die Innenminister und Justizminister der Länder an der Eiriheitsausbildung der deutschen Juristen festhalten werden, das heißt also an einer einheitlichen Ausbildung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst. Die Gründe, die hierfür sprechen, sind sowohl i n der Freiburger Denkschrift über „Die Ausbildung der deutschen Juristen" wie auch i n der Denkschrift der Gutachterkommission der Innenminister behandelt. Einheitsausbildung bedeutet, daß der Vorbereitungsdienst keine rein justitielle

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Ausbildung m i t angehängter Visite i n der Verwaltung sein kann, sondern eine echte doppelt gezielte Ausbildung gewährleisten muß, die auch der Verwaltung das zukommen läßt, was sie unter den heutigen Umständen beanspruchen kann. Das Kommissionsgutachten der Innenminister hat zu bemerkenswerten Erkenntnissen über die Größenordnung innerhalb der deutschen Juristen geführt. Danach sind i n der Bundesrepublik gezählt worden ca. 19 200 Rechtsanwälte, 15 800 Verwaltungsbeamte und 13 800 Richter und Staatsanwälte. Bei dieser A u f zählung sind die rund 1000 Verwaltungs- und Finanzrichter i n W i r k lichkeit der Verwaltung zuzuschlagen, da sie von der Funktion her gesehen dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnen sind. Sonach ergeben sich 39 °/o Rechtsanwälte, 34 °/o Verwaltungsbeamte und 26 °/o Richter und Staatsanwälte. Unberücksichtigt sind die zahlenmäßig kaum erfaßbaren Juristen i n Industrie und Wirtschaft. Dieses eindrucksvolle Zahlenverhältnis läßt erkennen, welches Gewicht der große Bereich der öffentlichen Verwaltung i n der Bundesrepublik heute erlangt hat. Es berechtigt uns aber keineswegs, einer Vorrangigkeit der Verwaltungsausbildung vor der Justizausbildung das Wort zu reden. W i r haben uns darüber i m klaren zu sein, daß eine solide Justizausbildung Vorbedingung und Grundlage für eine erfolgversprechende Ausbildung i n der Verwaltung ist. Die intensive Beschäftigung m i t dem Zivilrecht und auch mit dem Strafrecht formt den Juristen schlechthin, schärft seine Denk- und Subsumtionsfähigkeit und vermittelt i h m die Fähigkeit zur Abstraktion Fast möchte ich sagen, daß das Studium des Zivilrechts innerhalb der Rechtswissenschaft eine ähnliche Funktion zu erfüllen hat, wie das Studium der lateinischen Sprache an der höheren Schule. Kein Verwaltungsjurist kommt ohne eine gründliche zivilistische und strafrechtliche Schulung aus. Daraus folgt, daß die Justiz auf jeden F a l l i n der Lage bleiben muß, i m Rahmen der Referendarausbildung dieser juristischen Bildungsaufgabe gerecht zu werden. A u f der anderen Seite fordert die Verwaltung i h r Recht, i n der Ausbildung nicht nur als A n hängsel behandelt zu werden. Übereinstimmung herrscht darüber, daß dreieinhalb Jahre Vorbereitungsdienst zu viel sind. Auch die Innenminister haben diese Auffassung durch einen auf ihrer letzten Konferenz gefaßten Beschluß bekräftigt. Die Referendare werden nach allgemeiner Auffassung zu alt, bis sie ihre Berufsausbildung abschließen können, auch i m Vergleich zu den Juristen i m Ausland. Das Gutachten der Innenministerkommission geht von der Vorstellung aus, daß die Referendare bis zur Ablegung der Großen Staatsprüfung i m Durchschnitt 30 Jahre alt werden. Ich halte diese Annahme für zu hoch gegriffen, da sie m i t den statistischen Unterlagen, die m i r zugänglich sind, nicht ganz übereinstimmt. Von den 428 Referendaren, die i n Bayern i m Jahre 1963 die Große Staatsprüfung

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abgelegt haben, waren 6 °/o 26 Jahre, 26 °/o 27 Jahre, 33 °/o 28 Jahre und 18 °/o 29 Jahre alt. Nur 7 °/o waren 30 Jahre alt. Das deckt sich mit meinen eigenen Beobachtungen. Bei den 97 Assessoren, die w i r i n den Jahren 1963 und 1964 i n die innere Verwaltung eingestellt haben, lag der Altersschwerpunkt bei 28 Jahren. Theoretisch müßte ein Referendar, der das A b i t u r m i t 19 Jahren ablegt, nach weiteren 7V2 Jahren, die er für Studium, Referendarausbildung einschließlich Prüfungsverfahren benötigt, die Große Staatsprüfung m i t 26 Jahren ablegen können. Das entspricht einer Gesamtausbildungsdauer, wie sie zu unserer Zeit üblich gewesen war. Wie die vorgenannten Zahlen erweisen, klaffen aber Theorie und Wirklichkeit auseinander. I n unsere Überlegungen müssen w i r auch den abzuleistenden Wehrdienst von 18 Monaten einbeziehen, so daß schon die theoretische untere Grenze der Ausbildungszeit bei einem Alter von 28 Jahren liegen wird. Zum Thema Wehrdienst ist allerdings eine Anmerkung veranlaßt. Eine recht hohe Zahl der Abiturienten wünscht, vom Wehrdienst zurückgestellt zu werden und versucht, dieses Ziel teilweise m i t vorgeschützten gesundheitlichen Mängeln zu erreichen. Die fehlende Bereitschaft, den Wehrdienst abzuleisten, scheint bei unserer jungen Generation i n einem recht bedenklichen Ausmaß verbreitet zu sein, sehr i m Gegensatz zu den Verhältnissen i n anderen Ländern. So gilt zum Beispiel bei den Schülern der Ecole Nationale d'Administration i n Paris die Ableistung des Wehrdienstes als eine Selbstverständlichkeit. Nach meiner persönlichen Auffassung ist die Ableistung des Wehrdienstes und die Ausbildung zum Reserveoffizier für einen höheren Verwaltungsbeamten nicht von Schaden. Wie sehr i m übrigen die Forderung nach einer Kürzung und Straffung des Vorbereitungsdienstes berechtigt ist, w i r d indirekt durch Beobachtungen über das Ausmaß der Nebenbeschäftigungen, denen die Referendare nachgehen, bestätigt. Wenn auch die Verhältnisse örtlich verschieden sein mögen, so kann doch gesagt werden, daß der Vorbereitungsdienst dem Referendar regelmäßig so viel freien Spielraum läßt, daß er ohne Schwierigkeiten einer Nebenbeschäftigung nachgehen kann, wenn er diese anstrebt. Nach einer Schätzung, die nach dem Urteil erfahrener Ausbildungsleiter nicht als übertrieben gilt, gehen i n München mindestens 50 °/o aller Referendare irgendeiner Nebenbeschäftigung nach, sei es bei einem Anwalt, einem Versicherungsunternehmen oder bei einer ähnlichen Einrichtung. Geteilte Meinungen bestehen über das Ausmaß der vertretbaren Verkürzung des Vorbereitungsdienstes. Es ist kein Geheimnis, daß die Mehrheit der Bundesländer für eine Kürzung des Vorbereitungsdienstes um ein Jahr eintritt, während eine — allerdings beachtliche — Minderheit nur eine Kürzung um ein halbes Jahr für vertretbar hält.

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Die Innenministerkonferenz hat zur Frage des Ausmaßes der Kürzung noch nicht Stellung genommen. A u f der Seite der Justiz liegt eine Meinungsäußerung der Unterkommission der Justizminister vor, die als Norm einen Vorbereitungsdienst von 30 Monaten vorsieht und den Ländern die Möglichkeit der Verlängerung u m 6 Monate einräumt, eine Lösung, mit der den beiden divergierenden Auffassungen Rechnung getragen wäre. Die Beurteilung dieser Streitfrage hängt wesentlich davon ab, wie weit es die Justiz vertreten zu können glaubt, ihren Mindestanspruch herabzusetzen. Wenn bei einer vorgeschlagenen Gesamtdauer von 30 Monaten Vorbereitungsdienst der Verwaltung nur 8 Monate eingeräumt werden sollen, so widerspricht das der Forderung der Innenminister, innerhalb des Vorbereitungsdienstes ein Verhältnis von mindestens 1:2 zwischen Verwaltung und Justiz herzustellen. Der Gedanke der Einheitsausbildung schließt ein, daß alle i n dieser Einheit zusammengefaßten Zweige ausbildungsmäßig voll zum Tragen kommen. Ein Ausbildungsverfahren, das die Justiz zeitlich allzu sehr i n den Vordergrund rückt, trägt nicht mehr den Charakter einer Einheitsausbildung. Auch andere Gesichtspunkte sprechen dafür, den Vorbereitungsdienst nicht um ein volles Jahr zu verkürzen. Wie ich schon eingangs dargelegt habe, hängt der Erfolg unserer Bemühungen, aus dem personellen Engpaß einigermaßen herauszukommen, wesentlich davon ab, inwieweit es uns gelingt, dem Referendar während des Vorbereitungsdienstes hinlänglichen Einblick i n die Verwaltung zu geben, i n der Kreisstufe, i n der Mittelstufe und auch beim Verwaltungsgericht. W i r d der Vorbereitungsdienst i n der Verwaltung zu sehr zusammengedrängt, so werden w i r dieses Ziel schwerlich erreichen können. Dabei räume ich ohne weiteres ein, daß es i n den Ländern m i t vollkommunalisierter Kreisstufe schwierig ist, einen sachgemäßen Ausbildungsgang bei den Landratsämtern zu gewährleisten und zu überwachen. Das sollte aber doch nicht dazu führen, den Ländern, die hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gestaltung der Ausbildung bei den Landratsämtern besitzen, die Möglichkeit abzuschneiden, den heranwachsenden Juristen eine wirklichkeitsnahe Verwaltungsausbildung zu vermitteln. Eine gewisse Rolle spielt auch der optische Gesichtspunkt, daß gerade i n einer Zeit, i n der andere Berufszweige ihre Ausbildung — sei es zu Recht oder zu Unrecht — verlängern, die Ausbildung der Juristen um ein ganzes Jahr verkürzt wird. Es ist zu überlegen, ob w i r m i t dieser Kürzung des Ausbildungsgangs bei den Studenten nicht noch mehr A n ziehungskraft auslösen. Unter den Rechtsstudenten gibt es ohnehin nicht wenige, die mangels ausgeprägter Neigung aus reiner Verlegenheit und

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Unschlüssigkeit heraus das Rechtsstudium ergriffen haben. Sollen w i r die Zahl dieser Verlegenheitsstudenten noch vergrößern? Mag nun die Auseinandersetzung über die Dauer des Vorbereitungsdienstes so oder so enden, eines ist auf jeden Fall dringend zu wünschen, daß die Entscheidung über die Kürzung des Vorbereitungsdienstes und die Änderung des Deutschen Richtergesetzes noch i n dieser Legislaturperiode des Bundestages fällt. Überlegungen, die zu einer Reform der Verwaltungsausbildung führen sollen, müssen ihren Ausgangspunkt bei den festgestellten Fehlern und Mängeln nehmen, die dem Vorbereitungsdienst gegenwärtig anhaften. Die Verkürzung der Gesamtausbildungszeit w i r d zwangsläufig zu einer Intensivierung der Ausbildung führen, wobei w i r zugeben müssen, daß der Vorbereitungsdienst i n der Verwaltung diese Intensivierung wesentlich mehr nötig hat, als der i n der Justiz, wenngleich auch dort manches zu verbessern übrig bleibt. Ich denke beispielsweise an die immer wieder vorgebrachten Klagen über nutzlose Zeitvergeudung beim Grundbuchamt oder beim Registergericht. Kurzstationen von ein oder zwei Monaten sind weitgehend wertlos, sie können i m F a l l einer Verkürzung des Vorbereitungsdienstes geopfert werden. Es ist nicht gesagt, daß bei einer zeitlichen Straffung die Qualität der verwaltungsjuristischen Ausbildung i m herkömmlichen Sinn leiden müßte, es verbleibt selbst dann noch genügend Spielraum, die Zielsetzung des Vorbereitungsdienstes i n der Verwaltung zu verbreitern. W i r sind von früher her ziemlich einseitig auf eine ausschließlich verwaltungsjuristische Ausbildung festgelegt. M i t verwaltungsjuristischen Fähigkeiten allein kommt der Verwaltungsbeamte von heute nicht mehr zurecht. Die Aufgaben der Verwaltung sind über die der reinen Eingriffsverwaltung weit hinausgewachsen. Sehen w i r uns doch die aktuellen Schwerpunkte der Verwaltung einmal an. Was zählt hier: der Wohnungsbau, die Baulanderschließung und die Bauplanung, der Straßenbau und die Kanalisation, die Wasser- und die Energieversorgung, der Bau von Schulen aller A r t , der Bau von Krankenhäusern, die Errichtung von Sportanlagen und dergleichen. Das sind die Dinge, die heute auf den Nägeln brennen. Fragen w i r uns, was ein junger Verwaltungsbeamter von seiner Referendarausbildung her mitbringt, u m diesen Aufgaben der gestaltenden Verwaltung, die mit wirtschaftlichen Fragen aufs engste verflochten sind, gerecht zu werden, so müssen w i r zugeben, daß er insoweit unzureichend vorbereitet ist. Der junge Jurist bringt zwar die Folgerichtigkeit des Denkens, die Fähigkeit, wesentliches von weniger wesentlichem und unwesentlichem zu unterscheiden, und die Sicherheit i n rechtlichen Fragen mit. Er ist aber unvorbereitet auf wirtschaftliche Dinge. Ich darf das kurz an einem Beispiel deutlich machen. Der Landrat ist Vor-

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sitzender des Verwaltungsrates seiner Kreissparkasse. Er hat, sofern er Jurist ist, zwar hinlängliche Kenntnisse i m Wechselrecht und i m Aktienrecht. Das reicht aber nicht annähernd aus, um die Verantwortung für Entscheidungen von wirtschaftlicher Tragweite bei seiner Sparkasse, die ja heute eine Bank ist, zu übernehmen. Die Beispiele lassen sich vermehren. Denken Sie an einen Gemeindefinanzreferenten bei der Regierung, der einen Bürgermeister darüber beraten soll, für welches von mehreren Finanzierungsangeboten er sich bei einem größeren kommunalen Bauvorhaben entscheiden soll. Er kann das nicht, wenn er die gebotenen Konditionen des Kredits nicht abzuschätzen versteht. W i r tun auch wenig, dem Verwaltungsbeamten an die Hand zu gehen und überlassen es ihm, sich als Autodidakt die erforderlichen wirtschaftlichen Kenntnisse i m Laufe der Zeit anzueignen. Unser System hat demnach augenfällige Mängel. A u f der Suche nach besseren Wegen ist es nützlich, den Blick auch über unsere Grenzen hinaus zu richten. Bei den i m Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstandenen Institutionen ist es offenkundig geworden, daß Frankreich über sehr versierte, wirtschaftlich ausgezeichnet vorgebildete Verwaltungsbeamte verfügt. Die älteren unter diesen Verwaltungsbeamten sind noch aus den Grand Corps hervorgegangen. Die jüngeren haben die Ecole Nationale d'Administration in Paris durchlaufen. Diese ist unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg entstanden und hat den Charakter einer ausgesprochenen Auslese-Schule, in der Verwaltungsbeamte für leitende Stellen aller A r t herangebildet werden. Die Aufnahmeprüfungen für diese Schule sind äußerst streng, überwiegend sind es die Absolventen des „Institut d'Etudes Politiques", denen es gelingt, i n diese Schule der Besten aufgenommen zu werden. Die Ausbildung ist ebenso intensiv wie hart. Sie w i r d zum Teil auch i n der sogenannten Stage, dem Außendienst bei den Präfekturen durchgeführt. Das Interessante an dieser Schule sind die Lehrpläne. Sie unterscheiden sich deutlich von den unseren. Zwar gibt es i n dieser Schule rein verwaltungsjuristische Lehrgänge, daneben aber auch solche über wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten, über Buchführung und Bilanzwesen, über die Führung und Leitung von Unternehmungen, über soziale Angelegenheiten und über internationale Beziehungen. Besonderes Gewicht w i r d auf die Erlernung von mindestens zwei Fremdsprachen gelegt. Selbstverständlich ist diese Schule auf französische Verhältnisse zugeschnitten. Sie läßt sich daher nicht kopieren und könnte auf deutsche Verhältnisse nicht übertragen werden. Die Ausgangsvoraussetzungen sind zu verschieden. Dessen ungeachtet ist es aber nützlich, sich mit den Zielsetzungen dieser Schule und ihren Methoden zu befassen. Schließlich hat der Erfolg den Franzosen recht gegeben. Sie

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haben heute ein vielseitig ausgebildetes leitendes Beamtenkorps, das seine Bewährungsprobe vor allem i n den zwischenstaatlichen Einrichtungen überzeugend bestanden hat. Wenn es i n Frankreich möglich ist, den höheren Verwaltungsbeamten eine gründliche wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung angedeihen zu lassen, so ist nicht einzusehen, weshalb dieses Ziel nicht auch bei uns erreichbar sein soll. W i r stehen demnach vor einer Entscheidung, die an die Grundsätze unserer bisherigen Vorstellungen rührt. Aus zahlreichen Gesprächen mit höheren Verwaltungsbeamten, m i t Landräten und m i t Vertretern der öffentlichen Kreditwirtschaft habe ich die Überzeugung gewonnen, daß w i r den M u t haben sollten, umzudenken und ohne zu zögern die Folgerungen aus unseren Erkenntnissen zu ziehen. Das bedeutet, daß künftig neben die rein verwaltungsrechtliche die verwaltungswirtschaftliche Ausbildung der Referendare treten muß. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Problem, das nur die höheren Verwaltungsbeamten angeht, es betrifft i n gleicher Weise die künftigen Anwälte und Notare. Auch für die Richter und Staatsanwälte ist es nicht von Schaden, wenn ihnen wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse mit auf den Weg gegeben werden. Ich möchte diesen Vorschlag nicht i n dem Sinn mißverstanden wissen, daß darunter etwa die verwaltungsjuristische Ausbildung der Referendare leiden soll. Sie muß und kann ungeschmälert fortgeführt werden. Wenn etwas unter der stärkeren Auslastung des Vorbereitungsdienstes leidet, dann ist es die Nebenbeschäftigung der Referendare. Der Begriff der verwaltungswirtschaftlichen Ausbildung bedarf einer Präsizierung. Ich möchte darunter die Lehre von den wirtschaftlichen Tatbeständen und Zusammenhängen verstehen, die einen unmittelbaren Bezug zu den heute aktuellen Verwaltungsaufgaben haben. Das bedeutet, daß die Ausbildung m i t Schwerpunkt auf die Geld- und K r e d i t w i r t schaft auf der einen und auf die öffentliche Finanzwirtschaft i n Staat und Kommunen auf der anderen Seite gerichtet werden muß. Das gesamte Gebiet der Volkswirtschaft und der Wirtschaftswissenschaften mit einzubeziehen, wäre wohl zu viel. Wenn w i r etwas unternehmen, so soll das nicht an der Oberfläche haften bleiben, sondern gründlich geschehen. A l l e i n der Rahmen des Geld- und Kreditwesens ist so weit gespannt, daß er einen breiten Raum i m Ausbildungsprogramm einnehmen wird. Als Themen kommen u. a. i n Betracht: der Geldmarkt und der Kapitalmarkt, der Aktienmarkt und der Rentenmarkt, die Funktion und Organisation der Börse, das öffentliche und private Anleihewesen, der Bankkredit, die öffentlichen und privaten Banken, insbesondere die Stellung der Hypothekenbanken, der Sparkassen und der RaiffeisenKreditgenossenschaften. Buchführung und Bilanzkunde können i m Rahmen einer Referendar-Arbeitsgemeinschaft nur i n den Grundzügen und Ansatzpunkten behandelt werden, so wünschenswert und nützlich eine

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nähere Beschäftigung mit dieser Materie für manchen, der später damit i n Berührung kommen wird, auch sein mag. Nun höre ich bereits einen Einwand, wozu dieser ganze Aufwand, weshalb stellt die Verwaltung nicht perfekte Wirtschaftswissenschaftler ein, die die Materie viel besser beherrschen als die Juristen. Die A n t wort lautet: Deshalb nicht, weil der Aufgabenbereich eines höheren Verwaltungsbeamten so komplex ist, daß eine ausschließlich wirtschaftswissenschaftliche Vorbildung nicht genügt. Die rechtlichen und w i r t schaftlichen Probleme sind i n der Verwaltung heute so sehr ineinander verzahnt, daß es entweder nicht möglich ist, oder höchst umständlich wäre, sie voneinander zu lösen. Wenn sie etwa den Bau einer Pipeline betrachten, so sind hier technische, wirtschaftliche, öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Fragen eng miteinander verkoppelt. Ist es nun ein Zufall, wenn hier der Verwaltungsjurist und nicht der Volkswirt die Federführung i n der schwierigen Frage des Aushandelns der Trasse übertragen erhält? Doch wohl nicht; denn er ist es, der die divergierenden Wünsche von Technikern, Wirtschaftlern und betroffenen Anliegern auf eine Linie bringen muß. Gewiß gibt es i n der Verwaltung Dienstposten, auf denen rein wirtschaftswissenschaftlich vorgebildete Kräfte verwendet werden müssen, so bei den statistischen Landesämtern, bei bestimmten Referaten der Wirtschaftsabteilungen der Regierungen oder i n der Landesplanung. Aber diese Dienstposten sind gemessen an der Vielzahl der anderen mit mehr oder minder starkem verwaltungsjuristischem Einschlag zahlenmäßig stark i n der Minderheit. Auch wenn man den Versuch unternehmen wollte, Wirtschaftswissenschaftler einer juristischen Kurzausbildung zu unterziehen, wäre das nicht sinnvoll, denn mit Halbjuristen ist uns i m höheren Verwaltungsdienst wenig geholfen. Dazu gehen die Anforderungen, die unser ausgeprägtes rechtsstaatliches System an den Verwaltungsbeamten stellt, zu weit. A m Rande möchte ich auf die nicht gerade ermutigenden Erfahrungen verweisen, die i n Nordrhein-Westfalen mit dem sogenannten Wirtschaftsreferendariat gemacht worden sind. Und nun zur Methode der verwaltungswirtschaftlichen Ausbildung. W i r haben hier eine gute Vorlage i n den Steuerrechtskursen und Klausuren, die beispielsweise i n Bayern zweimal i m Jahr vor jeder Großen Staatsprüfung mit je 25 Doppelstunden durchgeführt werden. Daß bei dieser steuerrechtlichen Ausbildung tatsächlich etwas herauskommt, beweisen die Bekundungen der Prüfer i n der großen Staatsprüfung, die sich immer wieder davon beeindruckt zeigen, welches Maß von steuerrechtlichen Kenntnissen die Referendare i m schriftlichen und i m mündlichen Teil der Prüfung erbringen. Es liegt daher nahe, i n gleicher Weise eine wirtschaftswissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft einzuführen, die parallel zu den verwaltungsjuristischen Arbeitsgemeinschaften

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läuft. Selbstredend müssen die verwaltungswirtschaftlichen Gebiete i n der Großen Staatsprüfung schriftlich und mündlich geprüft werden; denn was nicht geprüft wird, w i r d auch nicht gelernt. Das entspricht einer alten Erfahrung. Bei der Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes i m einzelnen können w i r auf bewährte Einrichtungen zurückgreifen, auf die Ausbildung i n der unteren Verwaltungsstufe bei den Landratsämtern und kreisfreien Gemeinden, i n der Mittelstufe bei der Regierung und beim Verwaltungsgericht. Es sind immer wieder Stimmen zu hören, die behaupten, eine ordnungsgemäße Ausbildung der Rechtsreferendare i n der Verwaltung sei überhaupt nicht möglich, die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden böte gar keine Grundlage, den Referendaren etwas Nützliches beizubringen. Ich möchte mich anheischig machen, solchen Skeptikern schlagend das Gegenteil zu beweisen und sie m i t den Ausbildungsmethoden bei zahlreichen bayerischen Landratsämtern zu konfrontieren. Die Ausbildung beim Landratsamt ist deshalb so schwierig, w e i l der Referendar neu i n die Verwaltung kommt und i m öffentlichen Recht nur das m i t bringt, was er auf der Universität gelernt hat, und das ist i n der Regel nicht sehr viel, i m besonderen Verwaltungsrecht sogar herzlich wenig. Vor allem fehlt i h m jede praktische Anschauung von der Arbeit i n der Verwaltung. Ein i n der Ausbildung von Referendaren erfolgreicher juristischer Staatsbeamter beim Landratsamt hat m i r folgende Ausbildungsmethode geschildert: Erste Stufe: Der Referendar erhält eine Anzahl abgeschlossener Akten mit, deren Studium nur dazu dienen soll, sich erst einmal einzulesen. Zweite Stufe: Der Referendar erhält laufende Akten und dazu einen abgeschlossenen Fall, m i t einer Musterlösung, die etwas Ähnliches betrifft, aber m i t dem laufenden Verfahren nicht völlig identisch ist. Dritte Stufe: Der Referendar bekommt laufende Akten ohne Musterfall und fertigt einen Entscheidungsentwurf. Er erhält dann von der ergehenden Entscheidung einen Abdruck und kann vergleichen, was er richtig und was er falsch gemacht hat. I m Gespräch m i t dem ausbildenden Beamten hat er Gelegenheit, etwaige Zweifelsfragen zu klären. Vierte Stufe: Sobald der Referendar m i t dem Verwaltungsgeschehen einigermaßen vertraut ist, w i r d er zu Verhandlungen und Aussprachen m i t Bürgermeistern und m i t Antragstellern aus dem Kreis der Bevölkerung herangezogen. I n diesen Rahmen gehört auch die Teilnahme an Bürgermeisterversammlungen, Tagfahrten, Gründungsversammlungen von Zweckverbänden und dergleichen.

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Die qualitative und didaktische Eignung des ausbildenden Beamten spielt eine entscheidende Rolle. Nach unseren Wahrnehmungen eignen sich vor allem die jüngeren juristischen Staatsbeamten der Landratsämter, deren Eindrücke aus ihrer eigenen Ausbildungszeit noch nicht verblaßt sind, am besten für die Referendarausbildung. Aus meiner eigenen Erfahrung als Personalreferent kann ich bezeugen, wie sehr es auf die A r t und Weise dieser Ausbildung beim Landratsamt ankommt. Gelangt der Referendar bei der unteren Verwaltungsbehörde i n die richtigen Hände, so ist es nicht schwer, bei i h m das Interesse, j a oft sogar die Begeisterung für die Tätigkeit i n der Verwaltung zu wecken. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, daß den ausbildenden Beamten nicht zu viele Referendare gleichzeitig zugewiesen werden. Eine Zahl von 5 bis 6 Referendaren ist schon das äußerste, was einem Referenten neben seiner laufenden täglichen Arbeit zugemutet werden kann. Ein heikles Thema ist die Ausbildung bei den Kommunalbehörden. Der Referendar hat die Wahl, ob er zu einem Landratsamt oder zu einer kreisfreien Stadt gehen w i l l . Ich habe Gelegenheit, Jahr für Jahr mehr als 100 Assessoren, die sich bei uns nach der Staatsprüfung vorstellen, über ihre Eindrücke i n den Ausbildungstationen der Verwaltung zu befragen. Leider muß ich bekennen, daß ich sehr viele negative Urteile über die Referendarausbildung bei den Kommunen zu hören bekomme. Entscheidend ist die Einstellung des Oberbürgermeisters, der die nötigen Direktiven zu geben hat, und die Aufgeschlossenheit der Stadtrechtsräte. I n dem Fall einer Großstadt konnten w i r die erfreuliche Wahrnehmung machen, daß sich m i t dem Amtsantritt eines neuen Oberbürgermeisters die Situation i n der Referendarausbildung bei dieser Stadt entscheidend gebessert hat. Es dürfte notwendig sein, auf die kommunalen Spitzenverbände einzuwirken, um hier eine allgemeine Besserung des Ausbildungsstandes bei den Kommunalbehörden zu erreichen. Die Ausbildung bei den Regierungen ist vor allem i n den sogenannten Ballungsräumen ein Problem. W i r haben i n Bayern einen solchen Schwerpunkt i m Regierungsbezirk Oberbayern. Zeitweise befinden sich allein bei der Regierung mehr als 100 Referendare i n der Ausbildung. I n Betracht kommen nur die sogenannten Schwerpunktreferate, wie Gemeinde und Gemeindefinanz, Bauwesen, öffentliche Sicherheit und Ordnung, Wasserrecht und Wasserwirtschaft, Staatsangehörigkeit, Gewerbe, Verkehr, Sozialhilfe, juristisches Schulreferat, Fiskalreferat, vor allem wegen der Beziehung zum Tarifrecht, und das juristische Gesundheitsreferat. Es wäre sinnlos, einen Referendar i n ein Spezialreferat, etwa Lastenausgleich oder Kriegsopferfürsorge zu stecken. I n der Auswahl der Referenten besteht leider ein geringer Spielraum. Nicht jeder Referent hat genügend Geschick, sein Wissen einem Referendar i n geeig-

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neter Weise zu vermitteln. A u f jeden Fall sollte aber darauf geachtet werden, daß die guten Referendare, die man nach dem Ergebnis der ersten Staatsprüfung und den Ausbildungsgutachten der Justiz und der Landratsämter kennt, den besonders geeigneten Referenten zugewiesen werden. Eine Lanze möchte ich für die Ausbildung der Referendare bei den Verwaltungsgerichten brechen. Bei der Vorstellung hören w i r von den Assessoren immer wieder den Wunsch, i n die Verwaltungsgerichtsbarkeit einzutreten. Manchen Referendaren liegt die richterliche Tätigkeit mehr als die des Verwaltungsbeamten. Sie haben eine gewisse Scheu, sich der Justiz zuzuwenden, da ihnen die Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft und beim Strafgericht nicht erstrebenswert erscheint. Deshalb möchten sie i n der Verwaltungsgerichtsbarkeit tätig sein. Einige Jahre später, wenn sie als Assessoren und Regierungsräte beim Landratsamt gearbeitet und die Entfaltungsmöglichkeiten des Verwaltungsbeamten i n der Unterstufe verspürt haben, ändern sich die Ansichten teilweise wieder. Dafür kommen aber andere, die es zum richterlichen Dienst hinzieht. Der Verwaltung fällt i n der Heranbildung des Nachwuchses für den verwaltungsrichterlichen Dienst eine eminent wichtige Aufgabe zu. Sie selbst hat das größte Interesse daran, daß nur befähigte Kräfte i n die Verwaltungsgerichtsbarkeit überführt werden. Denn ein schlechter Verwaltungsrichter kann der Verwaltung viel mehr Kummer bereiten als ein guter. Entscheidend ist, daß jeder, der über die Verwaltung zu Gericht sitzen w i l l , diese zunächst aus eigener Anschauung durch eine mehrjährige Tätigkeit i n der aktiven Verwaltung kennengelernt hat. Abraten möchte ich von einer obligatorischen Wirtschaftsstation. Die i m Rahmen der Wahlstation zur Ausbildung zugelassenen wirtschaftlichen Einrichtungen sind vielfältig und unterschiedlich. Einwirkungsmöglichkeiten der Ausbildungsbehörde auf den Gang der Ausbildung bestehen kaum. Die Ausbildung bei wirtschaftlichen Einrichtungen sollte daher nicht zwingend vorgeschrieben werden. Hat allerdings ein Referendar den Wunsch, i n einem bestimmten Wirtschaftsbetrieb tätig zu sein, so soll i h m das nicht verwehrt werden, vorausgesetzt, daß die Tätigkeit dort einen wirklichen Ausbildungserfolg erwarten läßt. Die Methode der Ausbildung beruht gewissermaßen auf zwei Säulen. Die eine ist die eben besprochene Einzelausbildung, die andere die Ausbildung i n der Arbeitsgemeinschaft. Arbeitsgemeinschaften sind einzurichten i n der Kreisstufe, bei der Regierung und beim Verwaltungsgericht. Daneben laufen Sonderkurse i m Steuerrecht und i m Arbeitsrecht. Als Neuerung t r i t t die verwaltungswirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft hinzu, die sich wegen des Umfangs der zu behandelnden Materie zweckmäßigerweise auf die ganze Dauer des Vorbereitungsdienstes i n der Verwaltung w i r d erstrecken müssen.

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst

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Der Ausbildungserfolg i n einer Arbeitsgemeinschaft ist umso nachhaltiger, je geringer die Zahl der dort zusammengefaßten Referendare ist. Zum Vergleich darf ich anführen, daß bei der E N A die Richtlinie gilt, nicht mehr als 11 Hörer i n einer Arbeitsgemeinschaft zusammenzufassen. A n solche Idealvorstellungen können w i r uns selbstverständlich nicht halten. W i r dürfen schon zufrieden sein, wenn eine Arbeitsgemeinschaft nicht mehr als 25 Referendare umfaßt. Hat eine Arbeitsgemeinschaft, wie es leider vorkommt, 50 oder gar 100 Referendare, so w i r d jedes fruchtbare Lehrgespräch zwischen Ausbildungsleiter und Referendar i m Keime erstickt. W i r müssen uns nach dem richten, Was i m einzelnen Fall zu verwirklichen ist und i m übrigen beharrlich versuchen, die Zahl der Arbeitsgemeinschaften mehr und mehr zu erhöhen. Das ist i n erster Linie ein Personalproblem, auf das ich noch zu sprechen komme Neben der regulären Arbeitsgemeinschaft empfiehlt es sich, einen eigenen Klausurenkurs einzurichten, der dem Referendar Gelegenheit geben soll, sich vor allem i n der Examenstechnik zu üben. Die Teilnahme an diesem Klausurenkurs ist freiwillig. Es wäre wenig sinnvoll, daran uninteressierte Referendare zur Teilnahme zu zwingen. Nach den Bekundungen der Ausbildungsleiter lassen etwa zwei Fünftel der Referendare die Ausbildung über sich ergehen, sie t u n nur das, was unbedingt notwendig ist, u m ein Zeugnis über die Ausbildungsstation zu erhalten. Die Zahl von zwei Fünfteln mag erschreckend hoch klingen, w i r müssen aber bedenken, daß der A n t e i l der Ungeeigneten unter den Rechtsstudierenden — wie ich schon eingangs ausgeführt habe — doch recht hoch ist. Der Erfolg jeder Ausbildung hängt nicht nur vom Referendar ab, von seiner inneren Bereitschaft etwas zu lernen und w i r k l i c h zu arbeiten, sondern mindestens i n gleicher Weise von der Person des ausbildenden Beamten. Unter unseren Lehrern gibt es viele m i t guten beruflichen Kentnissen, nicht alle aber sind auch gute Pädagogen. Lehrgeschick ist nur i n sehr begrenztem Umfang erlernbar. Wem es nicht gegeben ist, dem h i l f t selbst der beste Wille und das redlichste Bemühen nicht weiter. Bei den Lehrern i n der Verwaltung ist es nicht anders. Nur ein Bruchteil der fachlich befähigten Verwaltungsbeamten hat hinreichend didaktisches Geschick, u m m i t Erfolg als Ausbildungsleiter w i r k e n zu können. Wer die undankbare Aufgabe hat, Ausbildungsleiter ausfindig zu machen, w i r d m i r bestätigen müssen, welch mühselige Arbeit das ist. Mißerfolge und Fehlgriffe sind unvermeidbar. Mitunter müssen die Stellen der Ausbildungsleiter zwei- oder dreimal umbesetzt werden, bis einer gefunden ist, der bei den Referendaren Resonanz findet. Ist dann der richtige Mann endlich gefunden, so mag es vorkommen, daß er 4

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wegbefördert oder zum Landrat gewählt wird, worauf die Prozedur von neuem beginnen kann. Die Justiz hat es hier etwas leichter als die Verwaltung. Das Personalvolumen an Richtern ist größer, die Auswahlmöglichkeit breiter. I n der Verwaltung liegt der Schwerpunkt der Ausbildung bei der inneren Verwaltung, deren Personalvolumen ungleich geringer ist als das der Justiz. Da die Aufgabe eines Ausbildungsleiters neben Geschick und Können auch viel Mühe erfordert, ist es psychologisch richtig, für die Übernahme einer Arbeitsgemeinschaft einen materiellen Anreiz zu bieten. W i r d ein Ausbildungsleiter hauptamtlich beschäftigt, so ist die Ausbildung seine ordentliche Dienstaufgabe. Es kann Schwierigkeiten m i t der Rechnungsprüfung geben, wenn i h m eine Sonderentschädigung gewährt wird. Behält er dagegen ein begrenztes Referat, so hat das den Vorteil, daß er i n laufender Berührung m i t der täglichen Verwaltungspraxis bleibt; außerdem ist es möglich, i h m eine Sonderentschädigung für die Leitung einer Arbeitsgemeinschaft zu gewähren. Für gerechtfertigt halte ich es, Ausbildungsleiter, die sich besonders bewährt haben, außer der Reihe bevorzugt zu befördern und damit die erbrachte Leistung anzuerkennen. Auch der Schulung der Ausbildungsleiter und dem Erfahrungsaustausch untereinander sollte Augenmerk geschenkt werden. Es ist daher ratsam, die Ausbildungsleiter ein- oder mehrmals i m Jahre zu einer Aussprache und zur Berichterstattung zusammenzurufen. Die Ausbildungsreferenten i n den Ministerien laufen Gefahr, wirklichkeitsfremde Anordnungen zu treffen, wenn sie nicht ständigen Kontakt m i t den Ausbildungsleitern halten. Ein anderes Problem ist die Kontrolle der Ausbildung durch das M i n i sterium. Die nachgeordneten Behörden verspüren i m allgemeinen nicht das Bedürfnis, Fehlerquellen und Mängel, die i n ihrem Bereich i n der Referendarausbildung auftreten, dem Ministerium von sich aus zu berichten. Der Ausbildungsreferent des Ministeriums stößt erst auf Umwegen auf solche Fehlerquellen. Es wäre deshalb eine Überlegung wert, ob es nicht zweckdienlich ist, einen Beauftragten des Ministeriums zu bestellen, der m i t entsprechenden Vollmachten ausgestattet die Aufgabe hat, die Ausbildungsmethoden bei den zahlreichen Ausbildungsstationen i m Lande zu überwachen. Ich bin auf diesen Gedanken gekommen, weil es i n Frankreich innerhalb der ENA einen Directeur de Stage gibt, dem die Aufgabe zufällt, die Zuweisung der Schüler auf die einzelnen Präfekturen zu regeln und deren Ausbildung dort fortlaufend zu überwachen. W i r dürfen uns vom Vorbereitungsdienst, sei er auch noch so perfekt organisiert, nicht zuviel erwarten. Wie schon der Name besagt, bereitet

Die Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst

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er nur vor auf eine spätere selbständige berufliche Tätigkeit. Es können daher nicht mehr als Grundlagen geschaffen werden. M i t dem abgelegten Examen, das die Befähigung für das Richteramt und für den höheren Verwaltungsdienst erweisen soll, ist der Assessor kein fertiger Richter oder Verwaltungsbeamter. Aus dieser Erkenntnis heraus betreiben verschiedene Länder schon seit Jahren systematisch die Fortbildung der jungen Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes. I n meinem eigenen Bereich geschieht das i n mehrstufigen Lehrgängen von je einer Woche, die jährlich zweimal abgehalten werden. Dabei ist das Ziel der Fortbildung nicht auf aktuelle verwaltungsjuristische Fragen beschränkt, die jungen Verwaltungsbeamten sollen vor allem an die technischen Gebiete herangeführt werden, mit denen sie i n laufende Berührung kommen, so zum Beispiel Ortsplanung und Baugestaltung, Straßenbau, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, öffentlicher Gesundheitsdienst und dergleichen. Daneben bleibt auch noch Zeit, sich m i t kulturellen Themen oder m i t der Staats- und Verwaltungsgeschichte zu beschäftigen. Getrennt von diesen Fortbildungsmaßnahmen, die den gesamten Nachwuchs des höheren Dienstes erfassen, sollten w i r uns dazu entschließen, an eine spezielle Fortbildung der künftigen administrativen Führungsschicht heranzugehen. Dabei könnten Gedanken aufgegriffen werden, wie sie bei der E N A verwirklicht worden sind. Dieses Thema ist aber so vielschichtig und interessant, daß es nahezu einen eigenen Vortrag ausfüllen würde.

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der zweiten juristischen Staatsprüfung Von Wilhelm Pötter

I. Das Thema meines Referats dürfte eingebettet sein i n die seit Jahren geführte Diskussion um die zweckmäßigste Ausbildung des jungen Juristen. Die Probleme der Ausbildung insbesondere auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts bis zum Examen sind hierbei recht ausgiebig erörtert worden. Auch diese Tagung dient wiederum zu einem großen Teil diesem Anliegen. Weniger zahlreich sind die Meinungsäußerungen über das Examen selbst. Meistens sind sie ziemlich unverbindlich, jedenfalls m. E. nicht hinreichend konkret genug, u m vom Examen aus eine sichere Schau auf die uns hier interessierenden Fragen, insbesondere also die Frage der Ausbildung i m öffentlichen Recht, zu gewinnen. Das Examensergebnis selbst gibt hierüber keine zuverlässige Auskunft, da die gesamten Leistungen des Prüflings bekanntlich i n einer Note zusammengefaßt werden. Das gleiche gilt von den Leistungen des Kandidaten i n der mündlichen Prüfung, die jedenfalls i n einer Reihe von Ländern i n einer Sammelnote bewertet werden. I n diesen Ländern ist lediglich die Note über die Klausurarbeit i m öffentlichen Recht, die später i m Prüfungsprotokoll erscheint, eine Aussage über die Leistungen des Kandidaten auf diesem Gebiet. Diese Basis ist aber zu schmal, als daß hieraus ein sicheres U r t e i l über die Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts gewonnen werden könnte. Ich fasse deshalb meine A u f gabe so auf, daß ich zunächst versuchen w i l l , Ihnen einige von m i r den Prüflingen vorgelegte Fälle auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts vorzutragen, aus denen ich den Leistungsstand abzuleiten versuche, u m alsdann von hier aus Stellung zu denjenigen Problemen der Ausbildung und der Prüfung zu nehmen, die m i r die wesentlichsten zu sein scheinen. Dabei darf ich die Probleme der Ausbildung vor einem solch sachverständigen Zuhörerkreis, wie er hier versammelt ist, i m allgemeinen als bekannt voraussetzen, so daß ich mich auf eine abschließende Stellungnahme beschränken kann, ohne die Einzelheiten der Problematik zu erörtern. Schon aus zeitlichen Gründen ist m i r ein anderes Vorgehen nicht möglich.

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Wilhelm Pötter

IL A. Das Leistungs-

und Prüfungsniveau

im Examen

1. I m November 1952 legte ich den Kandidaten folgenden F a l l vor: Erster Fall: Der Antrag des A. auf Genehmigung des Ausschanks alkoholfreier Getränke ist durch den Beschlußausschuß zurückgewiesen worden, weil dieser ein Bedürfnis verneinte. A. machte demgegenüber geltend, der Grundsatz der Gewerbefreiheit (Art. 12 GG) habe die Bedürfnisprüfung beseitigt. Der Beklagte machte geltend, § 20 des Gaststättengesetzes, der die Bedürfnisprüfung vorsehe, sei geltendes Recht. Außerdem sei A. unzuverlässig, da er i n der Vergangenheit bereits ohne Erlaubnis alkoholische Getränke verabreicht habe. Es fehle i h m deshalb die Zuverlässigkeit i m Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 Gastst.Ges. Der Fall löste i n diesem Zeitpunkt (November 1952) einen Schock aus, obwohl ich die Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen des Gaststättengesetzes selbstverständlich nicht verlangte, sondern diese feststellen ließ. Ich darf bemerken, daß zu dieser Zeit die Grundzüge des Staatsund Verwaltungsrechts nach den einschlägigen Bestimmungen des Landesgesetzes über die juristischen Staatsprüfungen vom 28. A p r i l 1950 zum Prüfungsstoff gehörten. M i t einiger Hilfe gelang es, die Unterschiede zwischen Berufswahl und Berufsausübung herauszustellen, den Begriff der Bedürfnisprüfung rechtssystematisch einzuordnen unter Berücksichtigung seiner Bedeutung für den Fall, daß es sich um Ausgabe alkoholfreier Getränke handelte. Über das Nachschieben des Grundes der mangelnden Zuverlässigkeit konnte jedoch prozessual wie sachlich kaum etwas erarbeitet werden. Das Ergebnis war daher i n keiner Weise zufriedenstellend. Nun noch einige Fälle aus den letzten drei Jahren: Zweiter

Fäll:

E i n Polizeibeamter erleidet durch eine ungeschickte Bewegung beim Dienstsport einen Bandscheibenschaden. Das ärztliche Gutachten stellte fest, daß der Beamte eine Veranlagung für Schäden dieser A r t hatte. Zu entscheiden war die Frage, ob ein Dienstunfall vorlag. Prüfungsgebiet sollte hier neben den prozessualen Fragen des Rechtsweges die Kausalitätslehre i m öffentlichen Recht sein, selbstverständlich unter Heranziehung der Kausalitätslehren aus den übrigen Disziplinen,

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der 2. juristischen Staatsprüfung

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dem Zivilrecht, Straf recht und Sozialrecht, Als ausreichende Leistung hätte ich die formale Beherrschung dieser Theorien angesehen und mich vielleicht mit besser qualifizierten Kandidaten über die rechtstheoretische Bedeutung der verschiedenen Kausalitätstheorien unterhalten. Das Ergebnis war überraschend gut. Der Kandidat, ein Wiederholer der Prüfung, jedoch mit längerer Ausbildung i n der Verwaltung gemäß der Regelung i n Nordrhein-Westfalen, erkannte sofort, daß es auf die Kausalität ankam und entschied sich auch für das öffentliche Recht für die Theorie der wesentlichen Bedingung. Der Versuch, m i t i h m i n die vergleichende Rechtsbetrachtung einzutreten, mißlang jedoch. Dritter

Fall:

Eine amtsangehörige Gemeinde i n Nordrhein-Westfalen hatte beschlossen, einen hauptamtlichen Bautechniker einzustellen. Nach § 60 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ist die Einrichtung hauptamtlicher Stellen i n der allgemeinen Verwaltung der amtsangehörigen Gemeinden nur m i t Genehmigung der Aufsichtsbehörde gestattet. Der Oberkreisdirektor versagte diese Genehmigung. Die Gemeinde beabsichtigt zu klagen. Es sollte erörtert werden 1. die Zulässigkeit des Rechtsweges vor den Verwaltungsgerichten und die A r t der Klage (Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage). 2. materiell-rechtlich die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung besteht. Dies war zu beurteilen nach dem Wesen der Genehmigung, ob hierin nur der Vorbehalt oder Ausdruck der Rechtskontrolle zu erblicken ist oder es sich hierbei um ein Mitwirkungsrecht des Staates, um ein sogenanntes Kondominium, handelt. Wenn dies erkannt war, war zu prüfen, ob aus diesem Kondominium ein Anspruch der Gemeinde auf Erteilung der Genehmigung hergeleitet werden kann, insbesondere vielleicht aus dem Gesichtspunkt eines „gemeindefreundlichen Verhaltens", das i n Parallele zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Begriff der Bundestreue entwickelt werden konnte. Die Erörterung dieses Falles führte nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Obschon eine Hilfe i n der Form gegeben wurde, daß andere Vorschriften als § 60 Abs. 2 der Gemeindeordnung für die Entscheidung nicht zur Verfügung ständen und die Entscheidung selbst aus den allgemeinen Lehren des Gemeindeverfassungs- und Verwaltungsrechts hergeleitet werden müsse, wurden wesentliche Beiträge der Kandidaten zum Problem nicht geleistet. Verständnis war lediglich für die einleitenden Fragen nach dem Wesen des Amtsverbandes und seinem Sinn und Zweck vorhanden. Auch erkannten die Referendare, daß es sich u m eine

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Verpflichtungsklage handeln müsse. Für die Entscheidung selbst brachten sie aber wenig mit. Vierter

Fall:

Das Land N E W w i r f t , veranlaßt durch einen Bericht des Landesrechnungshofs, einem Landkreis vor, zur Verfügung gestellte Wohnungsbauförderungsmittel bestimmungswidrig verwendet zu haben. Es verlangt Erstattung dieser Beträge. Der Kreis lehnt das ab, weil er die bestimmungswidrige Verwendung, zumindest ein Verschulden, bestreitet. Das Land hält darauf die Beträge durch Verrechnung m i t Schlüsselzuweisungen ein. Die Gemeinde klagt nunmehr vor dem Verwaltungsgericht auf Zahlung dieser einbehaltenen Beträge. A n Hand dieses Falles sollten erörtert werden 1. allgemeine Grundzüge des Haushaltsrechts, insbesondere des Haushaltsrechts der Gemeinden, 2. prozessuale Fragen der Zuständigkeit, insbesondere i m Hinblick auf die durch das Land erklärte Verrechnung, 3. das Rechtsverhältnis zwischen Land und Landkreis bei der Vergabe der Wohnungsbaumittel (Bereicherung, öffentlich-rechtliche Erstattung, Auftragsangelegenheit, öffentlich-rechtlicher Vertrag) und die Haftungsmaßstäbe aus dem angenommenen Verhältnis, 4. schließlich die Frage der Aufrechnung i m öffentlichen Recht, insbesondere welche Frage zunächst zu prüfen ist, die Zulässigkeit der Aufrechnung oder das Bestehen der Gegenforderung, m i t der aufgerechnet wird. Wenngleich dieser Fall rechtliche Schwierigkeiten bot und Hilfen bei der Prüfung von vornherein unerläßlich waren, so war das Ergebnis gleichwohl entmutigend. Die einleitenden Fragen über die Stellung des Rechnungshofs i m Organisationsgefüge der Landesverwaltung, seine Aufgaben und seine Arbeitsweise konnten noch erarbeitet werden. Es war aber bereits nicht mehr möglich, eine Darstellung des Haushaltswesens i m Lande und i n den Gemeinden i n groben Zügen zu erhalten. Daß gleichzeitig m i t dem Haushaltsgesetz ein Gesetz über den Finanzausgleich zwischen dem Land und den Gemeinden bei der Haushaltsberatung eingebracht wird, war völlig unbekannt. Nachdem dies festgestellt war, suchte ich den Begriff der Schlüsselzuweisung herauszuarbeiten, insbesondere festzuhalten, daß es sich hierbei u m zweckgebundene M i t t e l zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben der Gemeinden handelt. A u f diese tatsächliche Feststellung kam es u m so mehr an, weil hierin der Ansatzpunkt für die Entscheidung lag, ob eine Aufrechnung gegen Ansprüche auf Schlüsselzuweisungen zulässig ist. Die Kandidaten

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haben, wie sich später ergab, diesen besonderen Gesichtspunkt nicht festgehalten. Zur materiell-rechtlichen Frage, welches Rechtsverhältnis zwischen dem Land und den Landkreisen hinsichtlich der Wohnungsbaugelder vorlag, waren nennenswerte Ergebnisse nicht zu gewinnen. Die weitere Frage, nach welchen Grundsätzen die Gemeinden schließlich haften, kam deshalb nicht mehr zum Tragen. Ich könnte Prüfungsfälle dieser A r t i n beliebiger Zahl vortragen. Sie würden aber nur das bestätigen, was ich bereits m i t diesen vier Fällen dargelegt zu haben glaube, daß nämlich die Leistungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts i n der zweiten juristischen Staatsprüfung nicht ausreichen. Ich bin m i r natürlich darüber klar, daß i n diesem Kreise sehr wohl Bedenken gegen die Tauglichkeit der Fälle als Examensstoff wie auch gegenüber den Anforderungen, die aus diesen Fällen sichtbar werden, erhoben werden können. Sie würden gewiß zum Teil entfallen, wenn die Zweifler an der mündlichen Prüfung teilgenommen hätten. Die genannten Fälle erhalten ihre entscheidende Ausprägung naturgemäß durch den Prüfer. Wie er den Fall vorträgt, wie er die zu behandelnden Rechtsfragen unterteilt, wie er die Zwischenergebnisse festhält, wie er Korrekturen gegenüber abwegigen Gedankengängen anbringt, alles dies und vieles andere mehr sind sehr bestimmende Faktoren für den Schwierigkeitsgrad der mündlichen Prüfung. Faktoren, die sich naturgemäß einer theoretischen Darstellung i m weiten Umfang entziehen. Sie mindern oder steigern selbstverständlich die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles, jedoch möchte ich mich klar zu meiner A u f fassung bekennen, daß ich die Anforderungen, die i n den genannten Fällen liegen, für angemessen und vertretbar, nach gehöriger Ausbildung auch für erfüllbar halte. B. Ich komme nunmehr zu Folgerungen aus diesem Sachverhalt. a) Sie werden festgestellt haben, daß ich Fragen und Probleme der Verwaltungslehre nicht geprüft habe, vielmehr Verwaltungsorganisation und das praktische Verwaltungshandeln lediglich als Vorfragen gelegentlich behandelt habe. Ich möchte mich auch ausdrücklich zu diesem Grundsatz bekennen, obwohl ich weiß, daß insoweit naturgemäß erhebliche Vorbehalte bestehen. Ich w i l l versuchen, meine Auffassung zu begründen. 1. Die Lehre von der Verwaltung ist nach meinem Dafürhalten noch nicht hinreichend ausgebildet, u m als Lehr- und Lernstoff für das Examen geeignet zu sein. Ich habe, u m meine Meinung zu überprüfen, i n der Vorbereitung zu diesem Referat die Vorträge und Diskussionsbeiträge der Arbeitstagung aus dem Jahre 1962 nachgelesen — Bd. 17 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer — und m i r angemerkt, was je-

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weils unter Verwaltungslehre verstanden wurde. Professor Mayer hat als Gegenstand einer Vorlesung „Verwaltungslehre" bezeichnet: Funktion der Verwaltung i n Staat und Gesellschaft, Verwaltungsaufbau und Verwaltungsorganisation, Verwaltungsaufgaben, Verwaltungsmittel, Verwaltungsverfahren und Verwaltungskontrolle i m weitesten Sinne (a.a.O. S.34).Less hat dies dahin ergänzt, daß er es vor allem als Aufgabe einer Verwaltungslehre angesehen hat, den Referendaren die arbeitsmethodischen Stufen klarzumachen und diese i n ein konstruktiv beherrschtes System zu bringen (a.a.O. S. 84/85). I m übrigen sieht er als Themen der Verwaltungslehre an: Geschichte und Verwaltung, Organisation und Verwaltung, Verwaltung und Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung u.a. (a.a.O. S. 95). Professor Ule wünscht vor allem die Soziologie und die Psychologie i n die Wissenschaft von der Verwaltung einzubeziehen m i t der gewiß zutreffenden Begründung, daß erst durch die Einbeziehung dieser für die Wirksamkeit der Verwaltung wesentlichen Tatsachen und Zusammenhänge sich die Einseitigkeit der nur juristischen Betrachtungsweise, die das Wesen der früheren Verwaltungsrechtswissenschaft bestimmt habe, überwinden lasse (a.a.O. S. 125). Selbstverständlich ist vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus gegen diese Argumentation nichts einzuwenden. Aber es sollte m. E. beachtet werden, daß damit zwar das Handwerkszeug für die Kunst der Verwaltung vermittelt wird, was gewiß sehr nützlich ist. Die Kunst der Verwaltung selbst aber bedarf noch eines schöpferischen Vorgangs. Dieser Vorgang kann, wie Bachof es treffend formuliert hat (a.a.O. S. 45), nicht gelehrt werden. Diese Verwaltungskunst kann man nach Meinung Bachofs nur durch Anschauung lernen, wobei allerdings die Frage bleibt, zu welchem Zeitpunkt, ob vor oder nach dem Abschluß der Ausbildung, diese Kunst erlernt werden soll. 2. So schwierig hiernach bereits die Probleme der Verwaltungslehre und der Verwaltungskunst sind, noch schwieriger werden sie unter prüfungstechnischen Gesichtspunkten. Die zweite juristische Prüfung ist am praktischen Fall ausgerichtet. Von diesem aus werden die Probleme entwickelt. Diese Methode ist auch so bewährt, insbesondere nach der Ausbildung ausgerichtet und ihr angemessen, daß sie keinesfalls abgeschafft werden sollte. Der Prüfungspraktiker weiß, daß es ungut ist, einen F a l l zu geben, an dem mehr als drei Personen beteiligt sind. Wenn ich versuchen würde, gegen Ende der mündlichen Prüfung ein Planspiel aufzuziehen, wie es sich nach den Ausführungen eines Sprechers i m Jahre 1962 i n den Arbeitsgemeinschaften bewährt hat, so würde ich damit nach meiner Überzeugung und nach meinen Erfahrungen restlos scheitern. Dem Vorsitzenden, der stets zuletzt prüfen sollte, verbleibt erfahrungsgemäß für die Prüfung von sechs Kandidaten etwa eine Stunde. Diese Zeit ist zu kostbar, als daß sie m i t einem Planspiel,

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das i n der Anlage und Erfassung des Sachverhalts längere Zeit erfordert, vertan werden darf. I m übrigen sollte aber auch nicht vergessen werden — hierauf ist i n der Arbeitstagung 1962 ebenfalls bereits hingewiesen worden —, daß die modernen Probleme der Verwaltung generelle Bedeutung haben, sich über große Räume erstrecken und daher nicht an dem Geschehen eines Einzelfalles i n einem Stadt- oder Landkreis abgehandelt werden können. Der moderne Staat steht vor der Aufgabe, die Verwaltung, wie sie uns aus der Frühzeit der Industrialisierung überliefert ist, den heutigen Verhältnissen anzupassen. Das nötigt uns zwangsläufig zu großräumigem Denken. Die Daseinsvorsorge i m Einzelfall ist nur möglich, wenn an zentraler Stelle die Weichen richtig gestellt sind. So wichtig die Kleinarbeit i n der Verwaltung ist, die modernen Probleme der Verwaltung werden dort nicht gelöst. Wenn ich die Verwaltungswissenschaft i n den Griff bekommen w i l l , darf ich an diesen grundsätzlichen Fragen nicht vorübergehen, auch nicht i n der Prüfung. Probleme allgemeiner A r t , die für die Politik, insbesondere die Verwaltungspolitik, i n den grundsätzlichen Fragen maßgeblich sind, lassen sich aber nicht prüfen. 3. Ein überaus wichtiger Gesichtspunkt scheint m i r aber schließlich der folgende zu sein: Z u keiner Zeit ist wohl die Auffassung vertreten worden, daß m i t dem Zeitpunkt des Examens das Lernen aufhört. Heute ist auch die Erkenntnis allgemein, daß es zwar richtig ist, alles Lernbare dem jungen Menschen anzubieten, aber nicht verlangt werden kann, daß der junge Mensch beim Abschluß seiner Ausbildung alles Lernbare beherrscht. Ob w i r es billigen oder nicht, w i r sind gezwungen, uns m i t einer Sockelausbildung zu begnügen. Soweit ich es übersehe, ist das heute allgemeine Auffassung. Das Unbehagen i n dieser Frage besteht nur deshalb, w e i l es schwer ist zu entscheiden, was i n diesen Sockel hineingehört. Für das öffentliche Recht ist diese Entscheidung m. E. verhältnismäßig leicht. Angesichts der Bedeutung, die das Staatsrecht seit einigen Jahrzehnten und insbesondere seit 1945 gewonnen hat, gebührt i h m der erste Rang. Nicht nur für das öffentliche Recht i m übrigen, auch für das gesamte Z i v i l - und Strafrecht — ich erinnere an das bekannte L ü t h - U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts — hat das Staatsrecht solche überragende Bedeutung gewonnen, daß es unbestreitbar i n die Grundausbildung des Juristen gehört. Welche Folgerungen aus dieser Erkenntnis für die Ausbildung zu ziehen sind, darf ich in anderem Zusammenhang behandeln. Neben dem Staatsrecht sollte aber das Verwaltungsrecht i n gleicher Weise berücksichtigt werden. Eine gründliche Ausbildung i m Verwaltungsrecht ist insbesondere angesichts des Umstands, daß w i r noch keine Kodifikation des allgemeinen Teiles des Verwaltungsrechts haben, von grundsätzlicher Bedeutung. Neben Staatsrecht und Verwaltungsrecht

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kann aber das öffentliche Recht die Berücksichtigung weiterer Disziplinen billigerweise nicht verlangen. Das würde den bisher üblichen Umfang des Prüfungsvorgangs sprengen, würde aber nach meiner Überzeugung, was weit wichtiger ist, auch die Kandidaten überfordern. Wenn schließlich davon ausgegangen wird, was Staatssekretär Dr. Loschelder i m Jahre 1956 bei den Beratungen über die Spaltung der Ausbildung i n unserem Lande als unverzichtbare Notwendigkeit bezeichnete, daß nämlich das zweite juristische Examen eine einheitliche Berechtigung für alle Disziplinen juristischer Tätigkeit verleihen müsse, dann müssen w i r uns damit abfinden, daß das öffentliche Recht über Staatsrecht und Verwaltungsrecht hinaus i m Examen grundsätzlich keine Berücksichtigung finden kann. 4. Freilich braucht das nicht der Weisheit letzter Schluß zu sein. Vielmehr sollte uns diese Feststellung anregen, neue Formen der Beurteilung von Leistungen zu entwickeln, die ja nicht unbedingt i m schriftlichen oder mündlichen Teil des Examens nachgewiesen zu werden brauchen. I m Prüfungsamt für das Land Nordrhein-Westfalen sind schon immer Formulartabellen i m Gebrauch gewesen, i n die jeder Prüfer bei der Durchsicht der Stagenzeugnisse die Noten einzutragen pflegt, um auf diese Weise mit einem Blick die Gesamtleistungen überschauen zu können. I n die offizielle Niederschrift über die Prüfung werden die Noten der Arbeitsgemeinschaftsleiter eingetragen mitsamt dem Vorstellungsprädikat. Gewiß haben die Stagenzeugnisse unterschiedlichen Wert. Jeder Prüfer weiß, daß z. B. die Noten der Anwälte und Notare i n der Regel u m eine oder zwei Stufen zu hoch liegen. Andererseits pflege ich dem Zeugnis beispielsweise der hiesigen Hochschule besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, w e i l sie sich erfahrungsgemäß m i t den Leistungen der Referendare auch i n der Prüfung meistens decken, m i r i m übrigen auch von den Besuchern dieser Hochschule immer wieder bestätigt wird, für wie wertvoll sie die Zeit hier halten. Nichts steht i m Wege, diese Ergebnisse der Vorbereitungszeit bei der Entscheidung über die Prüfung zu berücksichtigen. Bei meiner Bekanntgabe der Entscheidung fehlt niemals der Satz, ob und i n welcher Weise die Ergebnisse der Vorbereitungszeit herangezogen werden konnten. Es sollte Übung werden, das i n Zukunft i n verstärktem Maße zu tun. Ich würde es auch i n anderer Hinsicht begrüßen, wenn die Starrheit der Prüfung etwas aufgelockert würde, wofür allerdings die Mitarbeit der Kandidaten erforderlich wäre. Fast i n jeder Prüfungsordnung w i r d ein Satz wie der des § 3 Abs. 3 des Ausbildungsgesetzes für NordrheinWestfalen stehen, der lautet, daß der besonderen Interessenrichtung des Bewerbers bei der Prüfung Rechnung getragen werden soll. Dieser Satz ist bisher überhaupt nicht aktiviert worden, wobei die Gründe gewiß sowohl bei den Kandidaten wie auch bei den Prüfern liegen. Es müßten

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M i t t e l und Wege gefunden werden, diese Bestimmung zum Leben zu erwecken. Dies wäre doch nur eine unabweisbare Folgerung aus dem Grundsatz, daß nicht alle Gebiete beherrscht werden können, diese Hegel des Normalfalls aber gewiß nicht immer gültig zu sein braucht. Warum sollte dem Kandidaten nicht gestattet oder sogar nahegelegt werden, einen individuellen Weg zur Erreichung des Zieles zu gehen? Wenn dieser Gedanke m i t Maß und Ziel verfolgt wird, wäre ein sicheres M i t t e l gegeben, der Verkümmerung bestimmter Wissensgebiete entgegenzuwirken. A u f diese Weise könnte dem Satz, daß nicht gelernt wird, was nicht geprüft wird, wenigstens i n den Fällen entgegengetreten werden, wo die intellektuellen Fähigkeiten gegeben sind, sich abseits der großen Heerstraße die erforderliche Bildung zu vermitteln. A u f diese Überlegungen habe ich meine Auffassung gestützt, daß die Prüfung i n dem zweiten Staatsexamen auf Staatsrecht und Verwaltungsrecht beschränkt werden sollte. b) Was aber kann nun geschehen, u m den objektiven Befund, daß die Leistungen i m öffentlichen Hecht zur Zeit noch nicht genügen, zu verbessern? M. E. bedarf es dazu eines korrespondierenden Zusammenwirkens sowohl von der Prüfung wie aber auch von der Ausbildung her. Von der Prüfungsseite her dürfen die Anforderungen, auch wenn ihnen heute noch nicht v o l l entsprochen wird, nicht gesenkt werden. Die A n forderungen i n der schriftlichen und mündlichen Prüfung werden i m Lande bekannt. Der geübte Ausbilder — leider müssen hierzu auch die Repetitoren gezählt werden — erkennt bald aus den gestellten A u f gaben das Niveau und richtet danach seine Arbeit aus. Wichtiger aber ist die Mitarbeit der Ausbilder während der Vorbereitungszeit. Nun kennen w i r alle die Klagen, die über Mängel der Ausbildung vor allem i n der Verwaltungsstation vorgetragen werden. U m auch hier etwas konkretes Material zu gewinnen, habe ich die neun zur Zeit am Oberverwaltungsgericht beschäftigten Referendare u m einen schriftlichen Bericht über ihre Ausbildung i n der Verwaltung gebeten, die i n Nordrhein-Westfalen bei der Kreisverwaltung erfolgt. Diesen Berichten entnehme ich folgendes: Die Referendare werden während der sechs Monate i m allgemeinen drei Ämtern i n der Kreis Verwaltung für jeweils zwei Monate zugeteilt. Lediglich i n einem Landkreis wurde der Referendar sieben Ämtern i n unterschiedlicher Dauer zugewiesen. Dies empfand der Referendar als einen Vorteil. Neben dieser formalen Zuteilung an die Ämter erhielten die Referendare Einblick i n die Gesamtorganisation durch einen einleitenden Vortrag oder auch durch Einzelvorträge der Amtsleiter. Als Themen dieser Vorträge hat ein Referendar angegeben:

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Gemeindeverfassung, Kommunalfinanzwesen, Aufgaben der Ordnungsverwaltung, kulturelle Aufgaben und Einrichtungen der Stadt, soziale Aufgaben und Einrichtungen der Stadt, kommunale Baulasten, ziviler Bevölkerungsschutz — Wohnungswesen, Stadtwerke als kommunale Betriebe. Die praktische Ausbildung oblag i n der Regel den jeweiligen Dezernenten, d. h. den Beamten des gehobenen Dienstes. I n der Hauptsache wurden A k t e n zur Anfertigung von Rechtsgutachten ausgehändigt. Die Ausbildung durch Beamte des gehobenen Dienstes wurde i n der Regel nicht als befriedigend angesehen. M i t wenigen Ausnahmen geht durch alle Berichte der Referendare die Klage, daß sie m i t der praktischen Verwaltung zu wenig i n Berührung kamen. Soweit die Referendare sich zur Dauer der Verwaltungsstation von 6 Monaten äußern, sind sie der Ansicht, daß die Ausbildungszeit wohl verkürzt werden kann und der derzeitige Ausbildungserfolg auch i n kürzerer Zeit erzielt werden kann. Selbst der Referendar, der sieben Ämtern eines Landkreises zugewiesen war und der sich hierbei als „ausgezeichnet" ausgebildet ansieht, vertrat die Ansicht, daß die Station gekürzt werden könne, ohne daß es für die Ausbildung nachteilig sein würde. Ich werde Ihnen am besten den Eindruck aus diesen Berichten der Referendare vermitteln, wenn ich drei abschließende Zusammenfassungen aus den Berichten der Referendare wörtlich wiedergebe. „Zusammenfassend möchte ich sagen, daß nach meinen Erfahrungen in der Kommunalverwaltungsstation zwar die Gefahr besteht, sich oberflächlichjuristisch zu verzetteln, wenn man allem folgt, was an rechtlichen Fragen von allen Seiten herangetragen wird, daß aber — bei entsprechendem Interesse — durchaus die Möglichkeit besteht, Organisation und Atmosphäre einer Verwaltung und insbesondere das vielfältige Verwaltungshandeln kennenzulernen. Die Zeit von 6 Monaten halte ich dafür ausreichend und auch notwendig. Länger sollte sie m. E. aber nicht sein, weil man durch das aktive Mitwirken in der Verwaltung — insbesondere bei der hierfür notwendigen Einhaltung einer gewissen Dienstzeit — wenig Gelegenheit findet, sich der übrigen theoretischen Ausbildung ausreichend zu widmen. 44 „Die Ausbildung erfolgte fast ausschließlich bei Angehörigen der Oberinspektors- bzw. Amtmannsebene. Ob die Ausbüdung zum Volljuristen bei diesen Personengruppen am besten sichergestellt ist, erscheint mir zweifelhaft. M i t Ausnahme der Abteilung für Kulturpflege wurde bei anderen Abteilungen erwartet, daß man täglich erschien und eine gewisse Zeit — teils unter Kontrolle, teils unbeaufsichtigt — ,absaß'. Das Studium der täglichen Eingänge füllte weder diese Zeit aus, noch vermittelte es m. E. einen wirksamen Einblick in den wirklichen Ablauf der Verwaltung. Denn da man zu dem betreffenden Schriftstück weder die Vorgänge oder vergleichbare andere Fälle zur Hand hatte, noch das weitere Schicksal der Angelegenheit verfolgen konnte, noch Gelegenheit bekam, die Sache selbst zu erledigen oder zumindest eine Antwort zu entwerfen, blieben die Dinge weitgehend abstrakt und damit

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auch größtenteils uninteressant. Eine Intensivierung der Referendarausbildung wäre hier m. E. dadurch zu erreichen, daß man den Referendar bei der betreffenden Behörde nicht als Zuschauer behandelte — ich stieß immer wieder auf die Wendung, als Referendar sei man ,ja nur zur Information 4 da —, sondern ihn bei gewissen Aufgaben aktiv mitarbeiten ließe." „Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Ausbildung nur dort zufriedenstellend war, wo geeignete und um die Ausbildung der Referendare sich bemühende Kräfte vorhanden waren. Sie sind unter den Beamten des gehobenen Dienstes nicht regelmäßig anzutreffen. Dazu kommt, daß die Referendare während neun Stunden am Tag nicht ausreichend und gewinnbringend beschäftigt werden konnten. Bloßes Studium der Akten und der Gesetzestexte ist auf die Dauer unergiebig. Große Ämter wie die der Stadt E. bringen Nachteile für die Referendarausbildung mit sich, da sie zu umfangreich und unübersichtlich für kurze Ausbildungsabsdinitte sind. Abschließend muß darauf hingewiesen werden, daß die Bestimmungen des § 27 Abs. 2 der Juristenausbildungsordnung weitgehend nicht beachtet worden sind. Ich habe lediglich einmal an einer Sitzung des Sozialausschusses teilnehmen können, und das auch nur als passiver Zuhörer."

Nach allem ist die Feststellung gewonnen, daß die immer wieder vorgetragenen Klagen i m wesentlichen berechtigt sind und die Aufrufe zur Verbesserung der Ausbildung an der harten Wirklichkeit bisher gescheitert sind. Da sich i n absehbarer Zeit die Verhältnisse, die diese Mängel bedingen, nicht ändern werden, w i r d insoweit nur m i t sehr viel Zähigkeit und Mühe eine intensivere Ausbildung zu gewährleisten sein. Bessere Ansatzmöglichkeiten für eine Intensivierung der Ausbildung sehe ich i n den Arbeitsgemeinschaften. Seit Anfang 1963 habe ich einen genaueren Einblick i n die Arbeit der Arbeitsgemeinschaftsleiter gewonnen, weil aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit i n Nordrhein-Westfalen von diesem Zeitpunkt ab i n stärkerem Maße Richter als Arbeitsgemeinschaftsleiter herangezogen werden. K r a f t einer Vereinbarung m i t den zuständigen Regierungspräsidenten werden die Arbeitsgemeinschaften etwa je zur Hälfte von Beamten der Verwaltung und von Verwaltungsrichtern besetzt. Nach etwa halbjähriger Erfahrung hat eine Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaftsleiter Ende Juni 1963 stattgefunden, zu der ich auch die Arbeitsgemeinschaftsleiter aus der Verwaltung eingeladen hatte. Ich durchbreche zwar das Gesetz der Steigerung, das man i m Vortrag einhalten sollte, wenn ich den nachhaltigsten Eindruck aus dieser Aussprache zunächst anführe: Er bestand darin, daß die Arbeitsgemeinschaften m i t jungen, tüchtigen, von ihrer Aufgabe begeisterten Juristen besetzt waren. Dabei standen sich die Ausbilder aus der Verwaltung einerseits und aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits i n nichts nach. Die Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums für den Vorbereitungsdienst der Referendare i n der Verwaltung geben den Arbeitsgemeinschaftsleitern hinreichende Richtlinien an die Hand, lassen andererseits der Initiative des einzelnen genügend Raum. Diese Aussprache ergab ferner, daß die Arbeitsmethoden der Arbeitsgemein-

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schaftsleiter i m Lande durchaus verschieden sind, wobei nicht einmal der Wunsch entstand, sie zu vereinheitlichen und über einen Leisten zu schlagen. I m Regierungsbezirk K ö l n bestehen z. B. sechs Arbeitsgemeinschaften, die m i t drei Verwaltungsbeamten und drei Verwaltungsrichtern besetzt sind. Jeder Referendar gehört für 5 Monate der Arbeitsgemeinschaft eines Verwaltungsbeamten und für weitere 5 Monate der Arbeitsgemeinschaft eines Verwaltungsrichters an. Der Arbeitsstoff ist i n der Weise geteilt, daß i n der von dem Verwaltungsbeamten geleiteten Arbeitsgemeinschaft das Organisations- und Verfassungsrecht und die Verfassungsgerichtsbarkeit, das Gemeindeverfassungs- und Verwaltungsrecht sowie das Haushaltsrecht behandelt werden. I n den Arbeitsgemeinschaften der Verwaltungsrichter werden die Verwaltungsgerichtsordnung und allgemeines Verwaltungsrecht, insbesondere Ordnungsbehördenrecht, Baurecht, Gewerbe- und Schulrecht sowie der A u f bau öffentlich-rechtlicher Hausarbeiten und Klausuren behandelt. Als Lehrmethode w i r d vom praktischen F a l l ausgegangen. I n j eder Arbeitsgemeinschaft werden drei Klausuren, insgesamt also 6 Klausuren geschrieben, die eingehend besprochen werden. Bei den Verwaltungsgerichten hat der Referendar außerdem zwei Relationen zu schreiben und wöchentlich eine Arbeit zu fertigen. I n anderen Regierungsbezirken, so i m Bezirk Düsseldorf, bleiben die Referendare für 6 Monate i n derselben Arbeitsgemeinschaft, die insgesamt je zur Hälfte von Verwaltungsbeamten und Richtern geleitet wird. I n den Arbeitsgemeinschaften der Verwaltungsbeamten w i r d ebenfalls i n der Regel vom Einzelfall ausgegangen. Jedoch w i r d dieser F a l l als Eingangstor für die Erörterung bestimmter Verwaltungsgebiete benutzt. Dabei w i r d ein Überblick über das ganze Stoffgebiet gegeben. Ergänzend werden Kollegen zu Vorträgen aus ihren Sachbereichen herangezogen. Die hiernach recht erheblichen Unterschiede i n der Gestaltung der Arbeitsgemeinschaften w u r den m i t solch überzeugender K r a f t vorgetragen, daß es nicht gelang, eine einheitliche Auffassung über die bessere Methode herbeizuführen, ich selbst auch nicht gewillt war, der einen oder anderen Methode den Vorzug zu geben. Es erwies sich erneut die Binsenwahrheit, daß der Wert der Arbeitsgemeinschaft von dem Wert des Arbeitsgemeinschaftsleiters abhängig ist und die Arbeitsmethode nur nachrangige Bedeutung hat. Jedenfalls b i n ich der Auffassung, daß die Arbeitsgemeinschaften mit der jetzt vorhandenen Besetzung ihren Zweck v o l l erfüllen, der nach den vorzüglichen Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums darin besteht, i n Anknüpfung an die praktische Verwaltungsausbildung die Kenntnisse der Referendare i n den wesentlichen Gebieten des öffentlichen Rechts zu vertiefen und zu ergänzen sowie die Referendare mit den Aufgaben der Verwaltung, ihrer Organisation, der Form ihres

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Tätigwerdens und der Stellung der Verwaltung i n Staat und Gesellschaft vertraut zu machen sowie sie i m Aufbau von schriftlichen Arbeiten und Vortragsfällen zu schulen. Ich bin der Meinung, daß hiernach bei den Arbeitsgemeinschaften eine Aufwärtsentwicklung eingesetzt hat, die bald auch auf die Ausbildung i n der Verwaltungsstation selbst Auswirkungen haben wird. Wenn dazu noch die genannte zähe Mühe der für die Ausbildung Verantwortlichen tritt, insbesondere i n den Führungsstellen, dürften w i r uns doch dem uns vorschwebenden Idealbild von der Ausbildung i n der Verwaltung erheblich nähern.

m. I m letzten Abschnitt möchte ich mich m i t einigen Reformgedanken befassen, und zwar zunächst auf dem Gebiet des Vorbereitungsdienstes, der ja, wie ich bereits erwähnte, von meinem Thema nicht zu trennen ist. A. Ich trete für eine Verkürzung des Zeitraums ein, der auf das Studium und den Vorbereitungsdienst entfällt. Ich pflichte der Auffassung bei, wie sie beispielsweise von Dichgans i n seiner bekannten Stellungnahme vertreten wird. Wenn ich nicht bereits auf Grund allgemeiner Überlegungen zu dieser Auffassung gekommen wäre, dann hätten mich hierzu die sehr lehrreichen Lebensschicksale veranlassen müssen, die m i r mehrmals i n den Referendaren der zweiten Staatsprüfung gegenübergetreten sind. A l l z u oft waren sie i m K e r n verpfuscht, w e i l bereits Entscheidungen gefallen waren, die richtigerweise nach Abschluß der Ausbildung getroffen werden. Ich b i n daher der Auffassung, daß m i t einer bestimmten Zeit, die etwa bei 28 Jahren liegen sollte, die Ausbildung abgeschlossen sein muß. Ob die Kürzung auf Kosten des Studiums oder der Vorbereitungszeit erfolgt, ist eine Frage, die ich hier ausklammern muß. Wenn die Vorbereitungszeit gekürzt w i r d — man spricht bekanntlich von einer Kürzung auf 2 1 /* Jahre —, dann muß die Vorbereitungszeit i n der Verwaltung ebenfalls gekürzt werden. Das würde, wie ich bereits ausgeführt habe, keine Beeinträchtigung der Qualität bedeuten. Überhaupt halte ich ein Feilschen u m einen Monat mehr oder weniger Ausbildung i n der einen oder anderen Station für unfruchtbar. Die gesamte Energie sollte auf die Intensivierung der Ausbildung gerichtet werden. Auch bei einer Kürzung bleibt m. E. noch gewährleistet, was Quaritsch als wesentliches Erfordernis auf der Arbeitstagung 1962 hier m i t Recht gefordert und formuliert hat, daß bei aller Beschränkung des Prüfungsstoffs für Referendare mehr als das kleine öffentlich-rechtliche Einmal5

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eins übrigbleiben muß. Ohne den sicheren Besitz der elementaren Grundsätze des Staats- und Verwaltungsrechts kann heute weder der Richter noch der Anwalt, weder der Verwaltungsbeamte noch der W i r t schaftsjurist seine Aufgabe v o l l erfüllen. A l l e Rechtsgebiete sind von den Grundsätzen des Staats- und Verwaltungsrechts durchsetzt, wie andererseits von diesen Rechtsgebieten her auch solche, die nicht unmittelbar Lehr- und Lernstoff sind, transparent werden. B. I m Prüfungsvorgang i m Lande Nordrhein-Westfalen hat die außerordentliche Entwicklung des öffentlichen Rechts seit dem Kriege m. E. keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Durch die Verordnung des Zentraljustizamtes für die britische Zone vom 29. September 1948 — VOB1 br. Z. 1948 S. 299 — ist zwar eine vierte Klausur, und zwar als öffentlich-rechtliche Klausur, eingeführt worden. Der Zeitpunkt, zu dem diese Vorschrift i n K r a f t trat, blieb aber der weiteren Bestimmimg des Präsidenten des Zentraljustizamtes überlassen. Von dieser i n das nordrhein-westfälische Recht übernommenen Ermächtigung — A r t . I V des Gesetzes über die Errichtung eines Landesjustizprüfungsamtes pp vom 28. A p r i l 1950 — GVB1 N W 1950 S. 77 ff. — ist m i t Wirkung vom 1. A p r i l 1957 Gebrauch gemacht worden. Von diesem Zeitpunkt ab w i r d eine öffentlich-rechtliche Klausur geschrieben. Dies geschah i m Zusammenhang m i t der Neuregelung i m Jahre 1956 für die Prüfung solcher Referendare, die sich für die längere Ausbildung i n der Verwaltung entschieden hatten. Die Referendare m i t längerer Ausbildung i n der Verwaltung schrieben eine praktische Hausarbeit i m öffentlichen Recht, wenn sie nicht ausdrücklich eine Hausarbeit aus dem Zivilrecht wünschten. Ferner schrieben sie statt einer Klausur i m öffentlichen Recht deren zwei. Diese gespaltene Ausbildung hat nach anfänglichen Erfolgen bekanntlich jede praktische Bedeutung verloren. Die außerordentliche Entwicklung des öffentlichen Rechts seit dem Kriege hat demnach i n den Prüfungsbestimmungen lediglich i n der Einführung der öffentlichrechtlichen Klausur i m Jahre 1957, i m übrigen aber keinen Niederschlag gefunden. Das läßt sich, wie ich meine, m i t guten Gründen nicht rechtfertigen. Es gibt m. E. zwei Möglichkeiten, u m die Prüfung an die Wirklichkeit heranzuführen. Einmal kann dies bei der praktischen Hausarbeit geschehen. M. E. sollte den Referendaren die Wahl gelassen werden, ob sie eine Hausarbeit aus dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht wünschen. Aktenstücke aus dem Gebiet des öffentlichen Rechts stehen aus dem Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit wie aber auch der anderen Gerichtsbarkeiten hinreichend zur Verfügung. Diese Neuregelung wäre angesichts der Vorschrift des § 39 Abs. 1 der Justizausbildungsordnung Nordrhein-Westfalen nach entsprechender Änderung dieser Bestimmung möglich.

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A n den Klausurarbeiten sollte m. E. nichts geändert werden. Daß eine Klausurarbeit i m bürgerlichen Recht und i m Strafrecht unentbehrlich ist, bedarf keiner Begründung. Z u erörtern wäre, ob statt der Klausurarbeit aus den sog. Nebengesetzen, dem Prozeßrecht, Konkursrecht oder Grundbuchrecht, eine weitere zweite Klausurarbeit dem öffentlichen Recht zu entnehmen wäre. Ich möchte hierfür nicht eintreten i m H i n blick auf die Änderung, die ich zur mündlichen Prüfung vorschlagen möchte. Für die mündliche Prüfung ist eine Aufteilung der Prüfungsfächer i n den Prüfungsvorschriften nicht vorgesehen. Es ist i n NRW feststehende Praxis, daß ein Prüfer BGB, ein zweiter Prüfer Strafrecht und Strafprozeß und der dritte Prüfer die sogenannten Nebengesetze und öffentliches Recht prüft. Dieser letztere beginnt üblicherweise m i t den Nebengesetzen. Es ist verständlich, daß die Prüfung auf diesen Gebieten meistens mehr Zeit i n Anspruch nimmt, als der Prüfer vorgesehen hat, so daß für die Prüfung i m öffentlichen Recht dann nur noch der kleinere Bruchteil einer Stunde zur Verfügung steht. Das scheint m i r unvertretbar. Ich möchte deshalb vorschlagen, daß der dritte Prüfer nur öffentliches Recht prüft. Damit würde das öffentliche Recht m. E. zu einem wesentlichen Teil das i h m zukommende Gewicht i n der Prüfung erhalten, Die sog. Nebengesetze werden nicht unangemessen zurückgedrängt, weil ihnen die dritte Klausur vorbehalten bleibt, außerdem diese Nebengesetze sehr wohl i n die Prüfung zum bürgerlichen Recht und auch zum Strafrecht einbezogen werden können. A n Hand eines Betrugsfalles läßt sich z. B. das Wertpapierrecht prüfen. Diese Regelung, daß der dritte Prüfer nur öffentliches Recht prüft, kann auch eingeführt werden, ohne daß eine Änderung der Vorschriften erfolgt, da zum mündlichen Teil der Prüfung Bindungen nicht vorliegen. Ich bin m i r bewußt, daß hiermit das praktische Problem verbunden ist, die geeigneten Prüfer zu finden. Geeignete Öffentlich-Rechtler zu finden, w i r d nicht schwierig sein, jedoch müssen diese die weitere Fähigkeit haben, die schriftlichen Arbeiten aus dem Z i v i l - oder Strafrecht zu zensieren. Denn die Durchsicht der Arbeiten muß selbstverständlich gleichmäßig verteilt werden. Das hierin liegende Hindernis ist m. E. nicht so groß, daß es nicht überwunden werden kann. IV. Es w i r d m i r möglicherweise angesichts dieser Vorschläge entgegengehalten werden: Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus. Ich möchte dieser Auffassung widersprechen. Gewiß w i r d die Durchführung meiner Vorschläge die Prüfung nicht i n ihrem K e r n verändern. Das darf aber auch nicht der Fall sein. Für die Ablegung der juristischen Prüfung ist 5*

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d i e K o n t i n u i t ä t m . E. e i n wesentliches E l e m e n t , d i e g e w a h r t w e r d e n m u ß , solange u n d s o w e i t n i c h t offensichtliche D i s k r e p a n z e n m i t d e r W i r k l i c h k e i t v o r l i e g e n . Selbst w e n n solche D i s k r e p a n z e n i n d i e Erschein u n g t r e t e n , s o l l t e d i e A n p a s s i m g sehr v o r s i c h t i g u n d n o t f a l l s auch i n S t u f e n erfolgen. Das i s t n o t w e n d i g aus d e r Sicht d e r K a n d i d a t e n , d i e t ä g l i c h d u r c h d i e H a n d d e r P r ü f e r gehen. D a n n aber auch i m H i n b l i c k a u f eine g u t e staatliche O r d n u n g . D i e m i t d e r P e r s o n a l v e r w a l t u n g i m ö f f e n t l i c h e n L e b e n b e f a ß t e n B e a m t e n u n d R i c h t e r k e n n e n sehr w o h l d i e P r a x i s der P r ü f u n g s ä m t e r . Es m ü ß t e eine u n g u t e V e r w i r r u n g e i n t r e t e n , w e n n plötzlich durch allzu starke Veränderungen i n der Prüfungspraxis E r g e b n i s s e entstehen, d i e m i t d e n f r ü h e r e n n i c h t v e r g l e i c h b a r sind. D i e V e r a n t w o r t u n g d e r P r ü f e r i s t groß, n i c h t n u r i m H i n b l i c k a u f das Schicksal des K a n d i d a t e n , s o n d e r n auch i m H i n b l i c k a u f d i e V e r a n t w o r t u n g v o r d e m Staat. V o n d e n A u s b i l d e r n u n d P r ü f e r n h ä n g t es w e s e n t l i c h ab, ob d e m S t a a t g u t e r N a c h w u c h s z u r V e r f ü g u n g g e s t e l l t w i r d . W e r aber V e r a n t w o r t u n g t r ä g t , s o l l t e Ä n d e r u n g e n a n b e w ä h r t e m A l t e n nur behutsam vornehmen.

Thesen 1. Der Leistungsstand der Referendare i m öffentlichen Recht in der zweiten Staatsprüfung hat sich zwar gebessert, erreicht aber auch heute noch nicht den notwendigen Stand. 2. I m Zuge der unvermeidbaren Beschränkung des Prüfungsstoffs erscheint es angebracht, die Prüfung im öffentlichen Recht auf Staatsrecht und Verwaltungsrecht zu beschränken. Verwaltungslehre und praktisches Verwaltungshandeln empfehlen sich nicht als Prüfungsfach. 3. Als Ausgleich sollten Verwaltungslehre und Verwaltungshandeln in der Verwaltungsstation und den Arbeitsgemeinschaften im öffentlichen Recht besonders intensiv behandelt werden. Durch betonte Berücksichtigung der Zeugnisse über die Ausbildung in diesen Disziplinen bei der Gesamtbewertung des Leistungsstandes in der zweiten Staatsprüfung sollte von der Prüfung her die Wirksamkeit der Ausbildung gefördert werden. 4. Die zweite Staatsprüfung sollte dadurch aufgelockert werden, daß den Referendaren Gelegenheit gegeben wird, ihre Kenntnisse auf besonderen A r beitsgebieten unter Beweis zu stellen. 5. Eine Verlängerung der Ausbildung in der Verwaltung (einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit) ist nicht erforderlich. Bei einer Kürzung der gesamten Vorbereitungszeit ist eine entsprechende Kürzung der Verwaltungsstation vertretbar. 6. Die wachsende Bedeutung des öffentlichen Rechts muß ihren Ausdruck in der Prüfung finden, soweit das bisher nicht geschehen ist. Für das Land Nordrhein-Westfalen empfiehlt sich ein Wahlrecht des Kandidaten für die Hausarbeit (Zivilrecht oder öffentliches Recht). Ferner sollte ein Prüfer in der mündlichen Prüfung nur öffentliches Recht prüfen.

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der Zweiten Staatsprüfung Von Wilhelm Panz

Die Zweite juristische Staatsprüfung soll feststellen, ob dem Referendar nach seinen fachlichen und allgemeinen Kenntnissen, seinem praktischen Geschick und dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit die Fähigkeit zum Richteramt und zum höheren Dienst i n der Verwaltung zuzusprechen ist. I n dieser oder ähnlicher Weise bestimmen die meisten Prüfungsordnungen den Sinn der Staatsprüfung. Die Zweite Staatsprüfung ist also der Übergang von der Vorbereitung zur praktischen juristischen Berufsausübung. Sie klärt nicht nur abschließend die j u r i stischen Fähigkeiten des Referendars, sie bietet auch die letzte Gelegenheit, die spezifische Berufseignung des Kandidaten festzustellen, zusammen m i t den Ergebnissen aus der Vorbereitungszeit, aber noch bedeutsamer und wirklichkeitsnäher. Die Ergebnisse, besser gesagt, die Erkenntnisse der Staatsprüfung sind die wichtigsten Unterlagen und Hilfsmittel der Anstellungsbehörden bei der Beurteilung der zum öffentlichen Dienst heranstehenden Assessoren. Es bedarf daher keines weiteren Wortes über die Wichtigkeit der Zweiten Staatsprüfung und alles dessen, was damit zusammenhängt. Wenn ich mich i m folgenden dem m i r aufgetragenen Thema zuwende, so darf ich zunächst einmal u m Nachsicht bitten, wenn ich Sie m i t zahlreichen Einzelheiten behelligen muß; denn m. E. gibt es hinsichtlich der Staatsprüfung nichts Nebensächliches und nichts Selbstverständliches. Z u m zweiten kann ich mich nicht streng auf die Staatsprüfung im öffentlichen Recht beschränken; es gibt sehr viele allgemein gültige Dinge und Fragen, die dem Justizteil und dem Verwaltungsteil absolut gemeinsam sind, aber auf jeden Fall erörtert werden müssen. Eine weitere Abgrenzung: Es sind i n letzter Zeit zahlreiche Denkschriften ergangen, die zum Teil bereits allgemein bekannt sind, wie die sog. Freiburger Denkschrift; auf sie w i r d selbstverständlich eingegangen. Die an die Justizminister- und die Innenministerkonferenz ergangenen Denkschriften sind m i r offiziell noch nicht bekannt. Es ist m. E. wohl besser, wenn man die anstehenden Probleme frei erörtert, einfach Gedanken zu einer zweckmäßigen Gestaltung der großen Staats-

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Prüfung und hier m i t besonderer Berücksichtigung des öffentlichen Hechts bringt.

I. Grundlegende Gedanken A n den Satz, daß die Staatsprüfung den Übergang von der Vorbereitung zur praktischen Berufsausübung darstellt, darf ich einige, wie m i r scheint, notwendige grundsätzliche Betrachtungen anschließen. Hierbei möchte ich mich auch auf Gedanken und Tatsachen stützen, die i n der ersten verwaltungswissenschaftlichen Tagung über Ausbildungsfragen i n Speyer i m Jahre 1962 erarbeitet wurden. 1. Die Staatsprüfung ist Abschluß der Ausbildung, der Vorbereitung i m besonderen. Es ist daher zwingend, daß sich Vorbereitung und Prüfung engstens entsprechen und verbinden, und nicht nur aus dem i n der letzten Tagung immer wieder vorgebrachten Grund, daß, was nicht geprüft werde, auch nicht bearbeitet werde. Staatssekretär Loschelder hat hier (Schriftenreihe Nr. 17 S. 186) geradezu von einer Rückstrahlung vom Examen auf den Vorbereitungsdienst gesprochen. Nur das kann vom Kandidaten i n der Prüfung gefordert werden, was er, selbstverständlich i m ganzen gesehen, i m Vorbereitungsdienst irgendwie erlebt hat. Keinesfalls soll und darf i h m der Examensstoff gewissermaßen vorgekaut werden; aber es muß i h m Gelegenheit gegeben sein, durch Anschauung, Anregung und Studium das kennenzulernen und zu erfassen, was i h n dann als Prüfungsstoff erwartet. Selbstverständlich können Dauer und Intensität des Vorbereitungsdienstes nicht ohne Folgen für die Gestaltung der Staatsprüfung sein. Andererseits müssen die unabdingbaren Forderungen der Praxis über die Prüfung auf die Ausbildung zurückwirken. Die grundsätzlichen Erörterungen über den Vorbereitungsdienst können bei der Besprechung der Staatsprüfung nicht völlig außer Acht gelassen werden und aus diesem gleichen Grund muß bei konkreten Vorschlägen über die Gestaltung des Vorbereitungsdienstes auch zu grundsätzlichen Fragen der Prüfung Stellung genommen werden. 2. Einheitsausbildung

und Einheitsprüfung :

I m Einleitungsvortrag zu der bereits erwähnten verwaltungswissenschaftlichen Tagung i n Speyer 1962 hat Professor Franz Mayer das B i l d einer ganzheitlichen juristischen Ausbildung beschworen, die nicht zu einem bestimmten juristischen Beruf erziehen soll (Schriftenreihe Band 17 S. 20). Nicht zum künftigen Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, aktiven Verwaltungsbeamten, Verwaltungsrichter soll der Referendar herangebildet werden, sondern zum Juristen, der das geltende Recht i n seinem wesentlichen Inhalt übersieht und anzuwenden versteht.

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der

iten Staatsprüfung

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Die Verflechtung der einzelnen juristischen Teilgebiete untereinander ist gerade heute so groß geworden, daß auch aus praktischen Gründen die Einheitsausbildung völlig problemlos sein sollte. Daher muß die Einheitsausbildung auch zur Einheitsprüfung führen, oder, praktisch gesehen, die als Ziel gesehene Einheitsprüfung zieht die Einheitsausbildung nach sich. U n d von dem oben kurz gezeichneten oder angedeuteten Berufsbild des Juristen her muß die Ausbildung und die Prüfung bestimmt werden. 3. Damit hängt eine weitere grundsätzliche Forderung engstens zusammen: Die i m wesentlichen paritätisch zwischen Justiz und Verwaltung (schlagwortartig ausgedrückt) gestaltete Prüfung. Es ist nicht zu bestreiten, daß die Referendare bei E i n t r i t t i n den Vorbereitungsdienst erfahrungsgemäß i m öffentlichen Recht viel weniger mitbringen als i m bürgerlichen und Strafrecht. Das ist beileibe kein V o r w u r f gegen die Hochschulausbildung. Der angehende Student t r i t t zunächst dem gewaltigen Bau des bürgerlichen Rechts gegenüber, dazu t r i t t das Z i v i l prozeßrecht, dann das Strafrecht, alles Rechtsgebiete, die i n langer traditionsreicher Rechtsprechung und wissenschaftlicher Forschung ins einzelne ausgearbeitet sind. Vom öffentlichen Recht kommt dann selbstverständlich das Verfassungsrecht des Bundes und des Landes dazu, das für sich erhöhte Bedeutung beanspruchen kann. Zu einer eingehenden Erfassung des allgemeinen Verwaltungsrechts reicht dann meist die Zeit nicht mehr, vom besonderen Verwaltungsrecht ganz zu schweigen. So hat der Vorbereitungsdienst viel nachzuholen und diese Nachholung bedarf ihrer Zeit. Dieses Anliegen muß als v o l l berechtigt angesehen werden; man kann nicht von einer unangemessenen Verschulung des Vorbereitungsdienstes sprechen. Dieser berechtigten Forderung des öffentlichen Rechts muß die Staatsprüfung praktische Geltung verschaffen. 4. Die Staatsprüfung muß den Vorbereitungsdienst wirklich und endgültig abschließen. F ü r eine Fortsetzung der Ausbildung nach der Prüfung i n irgendeiner Form, also Unterweisung fern von der unmittelbaren praktischen beruflichen Tätigkeit, also für die sog. postassessorale Ausbildung, bleibt m. E. keine Zeit. Selbstverständlich soll damit nichts gegen die Fortbildung der geprüften Juristen gesagt werden, die heute ja geradezu dem Beamten zur Pflicht gemacht ist. I h r dient z. B. die zentrale Fortbildung der Assessoren unter Leitung eines erfahrenen Verwaltungsbeamten, wie es mancherorts (z.B. bei den Regierungen) gehandhabt wird. Für Spezialgebiete, wie die Steuer- und Sozialverwaltung, ist selbstverständlich eine Sonderausbildung der Assessoren notwendig.

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I L Der Aufbau der Staatsprüfung 1. Wenn ich mich nunmehr dem wichtigen Abschnitt über den Aufbau der Staatsprüfung zuwende, so wäre hier zunächst ein Überblick über die grundlegenden Prüfungsbestimmungen der Bundesländer zu geben; er kann aber ganz knapp sein, da sich nach den Normsetzungen der Länder i n den letzten Jahren i n der Hauptsache drei Typen entwickelt haben: a) Der süddeutsche Typ (Baden-Württemberg und Bayern), der gekennzeichnet ist durch eine größere Anzahl von Klausuren (Baden-Württemberg 9, davon 2 aus dem öffentlichen Recht; Bayern 14, halb und halb zwischen Justiz und Verwaltung geteilt), keine Hausarbeit; mündliche Prüfung (bei Baden-Württemberg einschließlich des Aktenvortrags 5 Noten i m Verhältnis 4:1 Justiz und Verwaltung, Bayern 4 Noten, halb und halb). b) Nordrhein-Westfalen: Hier fertigen Referendare m i t längerer Ausbildung i n der Verwaltung von 4 Klausurarbeiten 2 aus dem Staatsund Verwaltungsrecht, sonst ist das Verhältnis 3:1; ferner eine Hausarbeit für Referendare m i t längerer Vorbereitung i n der Verwaltung aus dem Staats- und Verwaltungsrecht, mündliche Prüfung einschließlich Aktenvortrag, der bei Referendaren m i t längerer Vorbereitungszeit i n der Verwaltung wiederum öffentlich-rechtlichen I n halt haben kann. c) I m übrigen Bundesgebiet gleichfalls eine geringere Zahl von K l a u suren (4—5), davon eine aus dem öffentlichlichen Recht, Hausarbeit und mündliche Prüfung m i t Aktenvortrag, ohne Möglichkeit der stärkeren Berücksichtigung des öffentlichen Rechts. 2. Ausgestaltung

der Staatsprüfung

vom Zweck her:

Was ist nun de lege ferenda von der Prüfung zu fordern? Wie muß die Prüfung aufgebaut werden, damit sie ihren Zweck erfüllt, also: Feststellung der Rechtskenntnisse des Kandidaten, insbesondere seiner Fähigkeit zur materiell richtigen Entscheidung von Rechtsfällen i n knapper Zeit, wobei auf das Aufspüren der Rechtsprobleme und die Behandlung des Wesentlichen, unter Weglassung alles Unwesentlichen, besonderer Wert zu legen ist; ferner Darstellung des Gefundenen i n logischem Aufbau i n übersichtlicher Form i n Schrift und Wort, schließlich Vermittlung eines lebendigen Eindrucks von der Person des Kandidaten. Aus diesen Forderungen ergibt sich folgende grundsätzliche W ü r digung der verschiedenen Prüfungsarten und -möglichkeiten. 3. Die schriftliche

Prüfung

(Aufsichtsarbeiten):

Die schriftliche Prüfung i n der Form der Aufsichtsarbeiten (Klausuren) ist die klassische Form der Prüfung und von jeher das Rückgrat der

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der

iten Staatsprüfung

Kandidatenbeurteilung. Sie enthält eine Reihe von unbestreitbaren Vorzügen: Der Prüfling w i r d zur raschen Erarbeitung und knappen Darstellung seiner Rechtsauffassung gezwungen, seine Entschlußfreudigkeit und Darstellungsgabe werden erprobt. Das Ergebnis steht ein für alle M a l fest und hat sozusagen dokumentarischen Wert. Der Eindruck ist unbestechlich und kann nicht verwischt werden, wie z. B. bei der mündlichen Prüfung, bei der das später gesprochene Wort leicht das frühere verdrängt. Die Beurteilung der schriftlichen Leistung kann i n aller Ruhe geschehen und zwar für alle Prüflinge durch einen und denselben Beurteiler (bzw. durch ein und dieselbe Kommission), denen, weil sie alle Arbeiten sehen, ein vortrefflicher Vergleichsmaßstab zu Gebote stehen. Jeder Kandidat bearbeitet den gleichen F a l l und w i r d von einem und demselben Prüfer (Kollegium) beurteilt, das gibt eine Gleichheit der Chancen, wie sie keine andere Prüfungsart aufweist. Diesen Vorzügen stehen natürlich auch Schwächen gegenüber, ohne freilich überwiegen zu können. Die Klausurarbeit begünstigt den raschen, federgewandten, wenn vielleicht auch etwas oberflächlichen Arbeiter gegenüber dem langsamen, aber gründlicheren. Die Klausur hat überhaupt etwas Wirklichkeitsfremdes: K e i n noch so hervorragender Richter oder Verwaltungsbeamter w i r d sich selbstverständlich zur Bearbeitung eines immerhin schwierigen Falles (von besonderen Eilfällen abgesehen) für einige Stunden an den Schreibtisch zwingen. Doch trifft dies alle Prüflinge gleich und ist i n der Beurteilung zu berücksichtigen. Ein sehr erfahrener Prüfer hat m i r einmal mitgeteilt, er bearbeite zu Beginn seiner Prüfungstätigkeit erst einmal die Aufgabe i n der vorgeschriebenen Zeit selbst, ohne Beachtung der etwa beigegebenen Lösungsskizze, u m beurteilen zu können, was von den Kandidaten wirklich billigerweise verlangt werden könne. A u f diese Weise könne übrigens auch festgestellt werden, wenn eine Arbeit einmal wirklich überschwer wäre. Ein weiterer Nachteil ist die Gefahr des Abirrens, desVerrennens i n falsche Gedankengänge und des Festhaltens an ihnen; hier gibt es keine Möglichkeit der Führung wie bei der mündlichen Prüfung, wo oft ein kleiner Hinweis auf ein offensichtliches Versehen den Prüfling auf die rechte Bahn zurückbringt. Doch wie schon erwähnt, überwiegen ohne Zweifel die Vorzüge der schriftlichen Prüfung diese Nachteile. 4. Die mündliche

Prüfung:

Sie vermittelt einen unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit des Prüflings, seinem Auftreten, der Sicherheit seines Wissens, seiner mündlichen Darstellungsgabe; sie gibt Gelegenheit, Tiefe und Breite des Wissens und des Verständnisses des Prüflings festzustellen. Der Kan-

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didat kann vom Prüfer geführt werden. Guten Kandidaten kann durch qualifizierte Fragen Gelegenheit gegeben werden, eine Spitzennote zu erwerben. So sind Korrekturen des schriftlichen Ergebnisses möglich. Freilich ist die Chancengleichheit nicht ebenso gegeben wie bei den Aufsichtsarbeiten, vor allem weil es w o h l nicht möglich sein wird, alle Kandidaten von einer Kommission prüfen zu lassen. E i n weiterer Nachteil ist der Einfluß der bekannten Prüfungsnervosität. Gewisse Zufälle können nicht ausgeschaltet werden. I m ganzen aber kann gesagt werden, daß die mündliche Prüfung unentbehrlich ist. 5. Praktische Hausarbeit und Aktenvortrag: Außer Baden-Württemberg und Bayern sehen alle Prüfungsordnungen neben den Klausurarbeiten eine praktische häusliche Arbeit aufgrund eines Aktenstücks vor, zu fertigen i n der Hegel binnen 4 Wochen. Außer Bayern fordern ferner alle Prüfungsordnungen einen Aktenvortrag als Teil der mündlichen Prüfung m i t kurzfristiger Vorbereitung. Beide Prüfungseinrichtungen, vor allem aber der Aktenvortrag, haben ohne Zweifel etwas sehr Einleuchtendes. Die Hausarbeit ist wirklichkeitsnäher als die Klausurarbeit, w e i l sie sich der Arbeitsweise des Praktikers annähert. Sie erhärtet die Fähigkeit des Kandidaten, binnen einer gewissen Frist einen umfangreichen, rechtlich schwierigen Fall entscheidungsreif zu bearbeiten. Der Aktenvortrag verlangt die Fähigkeit, den Aktenvorgang binnen weniger Tage i n tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durchzuarbeiten, sich eine begründete juristische Meinung zu bilden und diese i n geordneter Form i n freier Rede zu vertreten. Man w i r d freilich sagen können, daß diese Forderungen auch durch die mündliche Prüfung, wenn sie zweckmäßig gestaltet wird, i n etwa erfüllt werden können. Die Hauptbedenken gegen die beiden Prüfungseinrichtungen liegen aber auf praktischem Gebiet: Es w i r d bei unserer herkömmlich großen Zahl von Kandidaten kaum möglich sein, jedem eine der Schwierigkeit nach gleichartige Hausarbeit oder ein entsprechendes Aktenstück für den mündlichen Vortrag zuzuteilen. I n Bayern haben w i r doch jährlich zweimal je rund 200 Kandidaten oder mehr zu prüfen! Dieser Gesichtspunkt ist i n der Tagung von 1962 wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, vor allem i m Diskussionsbeitrag von Vizepräsident Dr. Fricke (S. 42). Vor allem w i r d dies i m öffentlichen Recht kaum möglich sein, oder doch nur dort, wo, wie i n Nordrhein-Westfalen, nur ein Teil der Prüflinge einen öffentlichrechtlichen F a l l bearbeitet. Das gleiche gilt für den Aktenvortrag. Ich habe bereits vorgetragen, daß m. E. grundsätzlich am Prinzip der ungefähren Parität festgehalten werden soll; demnach wäre es bei Einführung der Hausarbeit und des Aktenvortrages erforderlich, daß auch eine öffentlichrechtliche Haus-

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arbeit und ein öffentlichrechtlicher Aktenvortrag eingeführt würde, oder vielleicht wahlweise. Jedenfalls wäre mit einer großen Zahl von Arbeiten zu rechnen. Ein und denselben Fall öfter zu geben oder immer wieder (nach mehr oder weniger langen Zwischenräumen), scheidet wohl von selbst aus. Auch dürfen die Fälle nicht zu aktuell sein, aus verständlichen Gründen. Es besteht ferner wohl auch die ständige Gefahr des Zusammenarbeitens und der gegenseitigen Hilfe; dies w i r d sich m i t allen Versicherungen nicht vermeiden lassen. Schließlich ist, vor allem bei der Hausarbeit, erfahrungsgemäß damit zu rechnen, daß manche Arbeiten uferlos ins Theoretische abirren und vieles darbieten, was nur am Rande zur Sache gehört. Schon bei den Klausurarbeiten m i t ihrer starken zeitlichen Beschränkung zeigt sich immer wieder dieser Fehler des Theoretisierens, vor allem am Anfang! Das Hauptbedenken gegen die hier behandelten beiden Prüfungsfiguren scheint m i r schließlich zu sein, daß von einer Chancengleichheit, die doch eine Hauptforderung i m Prüfungswesen sein soll, keine Rede mehr sein kann. Es wäre interessant, i n der Aussprache Näheres über die praktischen Erfahrungen zu hören, die i n anderen Ländern m i t der Hausarbeit und dem Aktenvortrag gemacht wurden. Aus meiner Sicht und meinen Erfahrungen als Prüfer heraus möchte ich jedenfalls zu dem Ergebnis kommen, daß die Zweite Staatsprüfung aus schriftlicher Prüfung i n der Form der Aufsichtsarbeiten und mündlicher Prüfung und nur aus diesen Prüfungsformen bestehen soll. n i . Verwaltung und Verwaltungsrecht in der schriftlichen Prüfung 1. Der Prüfungsstoff: Als Gegenstand der Prüfung kommen neben dem Verfassungsrecht die wichtigsten Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts i n Betracht. Keinesfalls soll und kann alles, was heute die Verwaltungsbehörden und -gerichte beschäftigt, Gegenstand der Prüfung sein. Bei dem durch die reich fließende Gesetzgebung gewaltig angewachsenen Corpus des öffentlichen Rechts, von dem sehr vieles ausgesprochenes „Notrecht" ist, muß hier eine weise Mäßigung geübt werden. Es kommt j a nicht darauf an, daß der Kandidat „alles weiß". Selbstverständlich muß er die wichtigsten Rechtsgebiete und deren Hauptgesetze beherrschen und hier die maßgebenden Lehrmeinungen und oberstrichterlichen Entscheidungen kennen. Einem durchgebildeten Juristen kann es ja nicht schwerfallen, Neben- und Randgebiete des Rechts i m Bedarfsfall rasch zu übersehen und sich i n eine unbekannte Rechtsmaterie einzufinden; es ist daher gar nicht erforderlich, die Kandidaten und die Prüfung m i t Nebengebieten zu belasten. So kommen als Prüfungsgebiete des Verwaltungs-

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rechts vor allem i n Frage: Gemeinderecht (einschließlich Straßenrecht) und das Recht der Gemeindeverbände, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Polizei- und Sicherheitsrecht, Grundzüge des Rechts des öffentlichen Dienstes, Bau- und Siedlungsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Gewerbe-, Wasser- und Enteignungsrecht sowie Volksschulrecht, also i m wesentlichen die klassischen Verwaltungsgebiete. Nicht eignen sich Randgebiete, wie Verkehrsrecht, Jagdrecht, Gesundheitsrecht, ganz zu schweigen vom Versorgungs- und Lastenausgleichsrecht. Vom Steuerund Arbeitsrecht w i r d später noch zu sprechen sein. Selbstverständlich spielt wohl i n den meisten schriftlichen Arbeiten das allgemeine Verwaltungsrecht eine Rolle, dazu i n zahlreichen Fällen nebenbei auch das Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozeßrecht. 2. Der Prüfungsauftrag: Mindestens ebenso wichtig wie die Bestimmung des Prüfungsstoffes ist die Frage, welche Leistung vom Kandidaten konkret verlangt werden soll, i n welcher Form er also sein Wissen und seine juristischen Fähigkeiten zeigen soll. Auszugehen ist hier wiederum von der i n den Prüfungsordnungen zum Ausdruck gekommenen Zielsetzung für die große Staatsprüfung; doch wird, wie oben bereits erwähnt, u. a. neben dem Erweis der juristischen Kenntnisse und Fähigkeiten auf das praktische Geschick des Kandidaten i n der Erledigung der Geschäfte besonderer Wert gelegt. Der schriftliche Teil der Prüfung soll vor allem dartun, wie der Referendar sein juristisches Wissen auf einen konkreten Fall anwenden kann, wie er i h n anpackt, wie er i n kurzer Zeit eine richtige und brauchbare, jedenfalls vertretbare Lösung findet und wie er die gewonnene Entscheidung i n aller gebotenen Kürze zu begründen vermag. I m Vordergrund muß hier die praktische Rechtsanwendung stehen. Grundsätzlich ausgeschlossen sein soll jede A r t von Theorie. Es kommt auch i n allen Prüfungsordnungen zum Ausdruck, daß praktische Fälle zu bearbeiten sind. N u n ist freilich, und damit kommen w i r zu einem sehr wichtigen Punkt, für die Verwaltung der Begriff Praxis anders zu sehen als für die Justiz. Hier handelt es sich, wenn man von der freiwilligen Gerichtsbarkeit absieht, ausschließlich um vor den Gerichten abzuhandelnde, von ihnen zu entscheidende Streitfälle (schlagwortartig ausgedrückt): Der Richter i n der Person des Kandidaten soll entscheiden, was i n einem Streitfall rechtens ist, und zwar i n der Regel i n der Form des Urteils. Der Begriff des praktischen Falles in der Verwaltung ist wesentlich weiter zu fassen . Hier steht nicht i m Vordergrund das Urteil, sondern das Verwaltungshandeln , nicht der streitig gewordene und nun durch Urteil zu entscheidende Fall, sondern die nichtprozessuale, rechtsgestal -

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tende Tätigkeit Auszugehen ist von der Tätigkeit der das Verwaltungsrecht anwendenden Behörden aller A r t , von den Gemeindebehörden über die Kreis- bis zu den höheren Verwaltungsbehörden. Es kann keinen Zweifel geben, das Verwaltungsrecht i n seiner Fülle w i r d von diesen Behörden praktiziert. Hier pulst das volle Leben der aktiven Verwaltung und des Verwaltungsrechts. Demgegenüber n i m m t die streitentscheidende Tätigkeit der Verwaltungsgerichte, so ungemein wichtig sie selbstverständlich ist, einen weit geringeren Umfang ein. Sie ist, wenn man so sagen darf, i n keiner Weise typisch für die Anwendung des Verwaltungsrechts i m ganzen, anders als bei der Justiz. Und dies soll sich i n der Staatsprüfung bei der Aufgabenstellung i m Verwaltungsrecht widerspiegeln. M i t anderen Worten und konkret ausgedrückt: Die Aufgaben i m Verwaltungsrecht sind hauptsächlich dem Bereich der Rechtsgestaltung zu entnehmen und nicht dem streitentscheidenden Bescheid, der Welt des Verwaltungsprozesses. Der Kandidat soll i n der Regel nicht lediglich darüber zu urteilen haben, was eine Behörde vorher verfügt oder gestaltet hat, sondern vorzüglich selbst rechtsgestaltend tätig sein. Wenn ich von gestaltenden A k t e n spreche, so möchte ich nicht mißverstanden werden: Die Prüfung i n der Verwaltung muß sich selbstverständlich ausschließlich m i t Rechtshandlungen befassen; denn die Rechtskenntnisse und ihre Anwendung sollen geprüft werden. Jede Aufgabe muß selbstverständlich i n eine reine Rechtsentscheidung ausmünden; würde sie, wie es bei Akten der Verwaltungsbehörden vielfach geschieht, auf eine Ermessensentscheidung hinauslaufen, so wäre sie falsch gestellt. Und auch für das, was man Verwaltungskunst nennen kann, ist hier, jedenfalls i n der schriftlichen Prüfung i m Verwaltungsrecht, kein Raum, auch nicht für die Verwaltungskunde. Es gibt aber eine Überfülle von Rechtsfragen und Rechtsentscheidungen auf dem Gebiet der aktiven Verwaltung. So kann und soll die schriftliche Prüfung — unter strikter Beschränkung auf das Juristische — z.B. verlangen: Abfassung von Verwaltungsbescheiden, wie Bau-, Gewerbe-, wasserrechtlichen Bescheiden, Bescheiden über Errichtung oder Aufhebung von Volksschulen, Planfeststellungsbescheide, um nur einige besonders wichtige Beispiele zu nennen, aber auch Abfassung von Widerspruchsbescheiden, die ja auch noch zum Verwaltungsbereich gehören, ferner Erstattung von Rechtsgutachten, wie sie zur Beurteilung von i n der Praxis vorkommenden Rechtsfragen und zur Vorbereitung von Beschlüssen und Entschließungen von Kollegial- und Einzelbehörden sehr häufig sind. Gerade die Gutachtensform gibt Gelegenheit, die Lösung aller i n der Aufgabe irgendwie angeschnittenen Rechtsfragen zu verlangen und dadurch das Rechtswissen des Kandidaten besonders wirksam auf seine Breite und Tiefe zu prüfen. Die reine Urteilsform soll demgegenüber zurücktreten und die Ausnahme bilden, nicht nur aus

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den oben dargelegten grundsätzlichen Erwägungen, sondern auch aus dem praktischen Grund, weil sich ein Urteil strikt auf das für die Findung und Begründung der Entscheidung Notwendige zu beschränken hat. Erst recht sollen reine Fragen des Prozeßrechts eine mehr untergeordnete Rolle spielen und, wenn überhaupt, nur nebenher zur Lösimg gestellt werden. 3. Wie sieht es nun mit der Verwirklichung in der Praxis aus?

dieser Forderungen

M i r stehen hier nur Zahlen aus Bayern zur Verfügung; immerhin scheint es m i r nicht unwichtig, daß diesen Dingen auch einmal m i t Hilfe einer Statistik zu Leibe gegangen w i r d und so darf ich Ihre Nachsicht erbitten, wenn ich einige wenige, aber kennzeichnende Zahlen vor Ihnen ausbreite. Zunächst zum Prüfungsstoff: I n den 24 Prüfungen, die seit unserer Ausbildungs- und Prüfungsordnung von 1952 abgehalten worden sind, wurden gestellt: aus dem Staatsrecht

10 Aufgaben

aus dem Gemeinderecht

31 Aufgaben

aus dem Gewerberecht

24 Aufgaben

aus dem Baurecht

14 Aufgaben

aus dem Polizeirecht

12 Aufgaben

aus dem Beamtenrecht

14 Aufgaben

aus dem Wasserrecht

9 Aufgaben

aus dem Schulrecht

6 Aufgaben

aus dem Steuerrecht

24 Aufgaben

aus dem Sozialversicherungsrecht

6 Aufgaben

(seit 1957 nicht mehr Prüfungsgegenstand) aus dem Arbeitsrecht

18 Aufgaben

Reine verfahrensrechtliche Aufgaben wurden nicht gestellt. Dazu kommt noch die allgemeine Aufgabe, die regelmäßig die erste Aufgabe der I I . (Verwaltungs-) Abteilung der Staatsprüfung darstellt; hierüber w i r d später noch zu sprechen sein. Aus dieser Aufstellung ergibt sich eine i m wesentlichen recht gute Streuung über das ganze Gebiet des Verwaltungsrechts. Naturgemäß wurden i n den genannten Arbeiten nicht nur wie selbstverständlich das allgemeine Verwaltungsrecht, sondern jeweils verwandte Rechtsgebiete berührt, wie Enteignungsrecht, Staatskirchenrecht und Staatsangehörigkeitsrecht, so daß abgesehen von dem etwas abseits liegenden Sozialhilferecht alle wesentlichen Rechtsgebiete (und nur solche!) erfaßt wurden. Dies hat sich, so weit man sehen kann, auch auf die Breite der Vorbereitung der Refe-

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rendare günstig ausgewirkt. So konnte festgestellt werden, daß sich, seitdem einige Male kurz nacheinander Fälle aus dem Volksschulrecht zu lösen waren, das Interesse an diesem täglich wichtiger werdenden Rechtsgebiet merklich erhöht hat! Was wurde nun i n diesen Aufgaben vom Kandidaten konkret verlangt? Zu fertigen war i n nicht ganz der Hälfte der Aufgaben ein Gutachten (ohne Sachbericht), also eine materielle (nicht formelle) Lösung eines praktischen Falles aus der Verwaltung unter Einschluß aller einschlägigen Rechtsfragen, i m übrigen eine förmliche Entscheidung und zwar entweder ein Urteil, ein Beschluß (Bescheid) oder eine Entschließung; von diesen Entscheidungen waren wieder höchstens die Hälfte Urteile. Man kann sagen, daß i n jedem Prüfungstermin von den 7 A u f gaben i m Verwaltungsteil höchstens eine Urteilsaufgabe gewesen ist, dabei spielten die verfahrensrechtlichen Probleme eine durchaus untergeordnete Rolle. Gutachtensaufgaben enthielten überhaupt fast keine verfahrensrechtlichen Fragen. Ich glaube sagen zu können, daß auch dieses Ergebnis durchaus den oben erhobenen Forderungen entspricht. I m Vordergrund steht die Verwaltungswirklichkeit, das materielle Verwaltungsrecht, wie es bei den Verwaltungsbehörden täglich anzuwenden ist; der Verwaltungsprozeß ist i n der Staatsprüfung auf eine mehr dienende Rolle beschränkt. 4. Die Zahl der Klausuren: Hier ergeben sich wieder erhebliche Unterschiede. Die meisten Prüfungsordnungen lassen, wie oben schon besprochen, (neben der Hausarbeit) etwa 4 Klausuren schreiben, von denen eine der Verwaltung entnommen wird. Über die modifizierte Handhabung i n Nordrhein-Westfalen ist gleichfalls schon gesprochen. Bayern läßt 7 Klausuren i n jeder Abteilung schreiben, das ist der extremste Fall, davon eine Doppelaufgabe zu je 8 Stunden m i t entsprechendem Umfang. Z u beachten ist hierbei, daß sich unter den 7 Aufsichtsarbeiten des öffentlichrechtlichen A b schnitts eine sog. allgemeine Aufgabe, eine aus dem Steuerrecht und eine aus dem Arbeitsrecht befindet, so daß auf das klassische Verwaltungsrecht 3 einfache (5-stündige) Klausuren und 1 Doppelarbeit (8 Stunden) fallen. Die Zahl der Klausuren ist ein grundsätzliches Thema, zu dem man sicher verschiedene Meinungen m i t guten Gründen vertreten kann. Man kann sagen, es sei, u m die Fähigkeiten und Kenntnisse eines Kandidaten zu erforschen, nicht erforderlich, i h m Arbeiten aus verschiedenen Gebieten des bürgerlichen, des Strafrechts, des öffentlichen Rechts abzuverlangen. Wer i n 2 oder 3 Arbeiten Gutes leistet, w i r d w o h l auch i n den anderen nicht wesentlich abfallen. Auch die Frage der gesundheitlichen, vor allem Nervenbelastung spielt hier eine Rolle. Die andere

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Meinung — und ich halte sie für die begründetere! — geht dahin: Der Kandidat soll zeigen, daß er die wesentlichsten und wichtigsten Teilgebiete des geltenden Rechts (also i n unserem Falle des Staats- und Verwaltungsrechts) beherrscht und m i t i h m umgehen kann. Dies kann nur durch eine Mehrzahl von Klausuren geschehen, wobei dann tatsächlich verschiedene Rechtsgebiete erfaßt werden. Aber auch die Entscheidung über den Kandidaten w i r d auf eine breitere Grundlage gestellt. W i r d i m Verwaltungsrecht nur eine Aufgabe gestellt, so ist es durchaus möglich, daß ein nicht gleichmäßig ausgebildeter Kandidat einen Treffer macht, ein i m allgemeinen gut unterrichteter, m i t einem Teilgebiet aber weniger vertrauter, einen Hereinfall erlebt. Durch eine Mehrzahl von Aufsichtsarbeiten werden solche Zufälle weithin ausgeschaltet. Die Betrachtimg der Notenreihen vieler Prüflinge zeigt, daß diese Kurve durchaus nicht gleichmäßig verläuft, auch nicht bei guten Leuten. Es finden sich immer Höhepunkte und Versager. Die Gesichtspunkte der Eingewöhnung i n die Prüfungsatmosphäre, der jeweiligen gesundheitlichen Disposition und ähnliche Faktoren dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Bei einer großen Zahl von Arbeiten verändert ein einmaliger „Unfall" das Gesamtbild nicht oder nicht wesentlich, ebensowenig ein Zufallstreffer (z. B. bei Spezialkenntnissen oder zufälliger Vertrautheit m i t einem Prüfungsfall aus der Praxis), ebensowenig aber auch (und auch damit ist zu rechnen) die Fehlbeurteilung durch einen Prüfer. Alles i n allem kann gesagt werden, daß die schriftliche Prüfung m i t vielen Klausuren ein zuverlässigeres B i l d gibt oder geben kann, als m i t wenigen oder gar nur m i t einer. Gesundheitliche Gründe können m. E. nicht zu Recht ins Feld geführt werden. Es ist nicht verkehrt, wenn die Prüfung eine zeitweilige starke Beanspruchung zeitigt, wie sie bei jeder Berufsausübung immer wieder vorkommen kann. Erfahrungsgemäß weicht das durch eine größere Zahl von Klausuren ausgewogene Ergebnis der schriftlichen Prüfung nicht grundsätzlich von dem der mündlichen Prüfung ab, wenn freilich auch die Verschiedenheit der Veranlagung und Temperamente zu berücksichtigen ist, worüber noch zu sprechen sein wird. Auch die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung i m Justizteil und i m Verwaltungsteil weichen übrigens nicht auffallend voneinander ab. 5. Die Sonderaufgaben der Staatsprüfung:

im verwaltungsrechtlichen

Teil

Bei Behandlung des Problems der Zahl der Klausuren, wie es eben unter Hinweis auf die derzeitige bayerische Regelung aufgezeigt wurde, muß berücksichtigt werden, daß sich die Verwaltung die steuerrechtliche, die arbeitsrechtliche und die sogenannte allgemeine Arbeit anrechnen lassen muß. Es ist daher nützlich, einiges Grundsätzliche über

Verwaltung und Verwaltungsrecht in der

iten Staatsprüfung

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diese, wie ich sehe, i m Wesentlichen nur i n Bayern vorkommenden Typen zu sagen. a) Die steuerrechtliche Arbeit gehört ihrem Wesen nach zu den öffentlichrechtlichen Arbeiten. Kenntnisse i m Steuerrecht, wenn auch nicht Spezialkenntnisse, gehören heute zur juristischen Allgemeinbildung. Die durch die regelmäßige Stellung einer Arbeit aus dem Steuerrecht (allgemeines Steuerrecht und Grundzüge des Rechts der wichtigsten Steuerarten) veranlaßte, mehr oder weniger intensive Befassung m i t Steuerrecht erweitert die Berufsmöglichkeiten, aber auch den allgemeinen Gesichtskreis der Verwaltungsjuristen. Das Arbeitsrecht ist inhaltlich sowohl der Justiz als auch der Verwaltung zuzurechnen. M i t i h m müssen heute die meisten Verwaltungsjuristen vertraut sein. Hier kommen i n Frage die einschlägigen Bestimmungen des BGB, HGB, der Gewerbeordnung, ferner das Recht der Arbeitsgerichtsbarkeit, das Tarifvertrags-, Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzrecht. b) Ein besonderes Kapitel ist die allgemeine Arbeit, wie sie i n Bayern seit der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorgeschrieben ist; das Freiburger Gutachten hat (S. 131 unter a) offenbar diese A r beit i m Auge, wenn es von rechtstheoretischen Aufgaben spricht, die nicht zum Gegenstand der Staatsprüfung gemacht werden dürften. Ich halte grundsätzliche Bedenken gegen sie nicht für gerechtfertigt. Selbstverständlich w i r d sie auch bei uns viel angefochten, nicht nur von den Kandidaten, die i h r den bezeichnenden Scherznamen „Märchenklausur" gegeben haben, sondern auch von den Prüfern. Die Last, eine solche allgemeine Arbeit zu beurteilen, ist fast ebenso groß, wie sie zu schreiben. Die systematische Vorbereitung auf sie ist schwierig, wenn nicht überhaupt unmöglich. Ein Erfolg i n dieser Klausur setzt zwingend ein ständiges Vertrautsein m i t den wichtigsten aktuellen Problemen i n Staat, Gesetzgebung und Wirtschaft voraus. Eine solche Vertrautheit kann man aber auch von jungen Leuten, die über kurz oder lang berufen sind, Stellen des höheren Dienstes i n unserem Staat einzunehmen, m i t Fug erwarten. Insofern liegt i n der Forderung, ein allgemeines Thema zu bearbeiten, bestimmt nichts Unbilliges. Es handelt sich auch nicht um eine rechtstheoretische Arbeit i m Sinne des Freiburger Gutachtens. Diese A r beit entspricht der Forderung der meisten Prüfungsordnungen, die eine Beurteilung auch der allgemeinen Kenntnisse des Referendars vorsehen. Sie ist gerade besonders wichtig für die ergänzende Beurteilung des Kandidaten und seines Gesichtskreises, seines Interesses an den die Öffentlichkeit bewegenden Fragen und seiner Darstellungskraft. Für die allgemeine Arbeit werden i n Bayern i n jeder Prüfung drei Themen zur Auswahl vorgeschlagen. Ich darf Ihnen ganz kurz einige Themen der letzten Jahre bekanntgeben: 6

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1962III: 1. Was spricht für und was spricht gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland? 2. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. 3. Gedanken zur kommunalen Finanzreform.

1693/1: 1. Deutschland und Frankreich — geschichtliche und aktuelle Betrachtungen zum Verhältnis beider Nationen auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. 2. Die Pressefreiheit und ihre Grenzen. 3. Die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Interzonenhandels und seine Problematik.

1964/1: 1. Ideen und Ziele des politischen Liberalismus i m Deutschland des 19. Jahrhunderts und ihre Bedeutung für den modernen Verfassungsstaat. 2. Was halten Sie von dem Plan, den Volksvertretungen oder ihren Fraktionen einen besonderen Fachbeamtenstab zu ihrer Beratung beizuordnen? 3. Welche wirtschafts- und sozialpolitischen Gründe sprechen für und welche gegen den bäuerlichen Familienbetrieb als regelmäßige landwirtschaftliche Produktionseinheit?

Ich glaube, diese Themen sprechen für sich. Sie scheinen m i r so gestaltet, daß jeder gebildete, die Probleme der Zeit beobachtende junge Jurist wenigstens eines i n der Auswahl m i t Erfolg bearbeiten kann. Die allgemeine Arbeit zwingt zur Befassung mit den Problemen der Zeit und w i l l den eng auf sein Fachgebiet beschränkten „Nurjuristen" ausschalten, den w i r heute i n keinem juristischen Beruf, am wenigsten aber i n der öffentlichen Verwaltung brauchen können. c) Nun ist nicht zu leugnen, daß die wirtschaftlichen Fragen aller A r t , wie sie i m staatlichen und zwischenstaatlichen Bereich eine immer größere Holle spielen, auch für die Verwaltung immer wichtiger werden. Es erscheint daher dringend — w i r haben gestern davon gehört und ich darf mich daher auf die Ausführungen von Herrn Ministerialdirigenten Brunner beziehen — die jungen Verwaltungsjuristen i n diesen Materien, die ihnen i m täglichen Leben immer wieder begegnen, zu schulen und i n der Staatsprüfung i h r Wissen hierüber zu prüfen. So muß m. E. künftig die allgemeine Aufgabe unter Verzicht auf Fragen des politischen Wissens ausschließlich auf Fragen der öffentlichen Finanzwirtschaft und verwandte Gebiete ausgerichtet werden. Ein weiteres Thema einer Aufsichtsarbeit soll Geld-und Kreditwesen einschließlich Grundzüge der Buchführung und Bilanzkunde, allenfalls i m Wechsel m i t Steuerrecht und Arbeitsrecht, sein. Aus dem

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Verwaltungsrecht — das scheint m i r wichtig — sollen auf jeden F a l l weiterhin 4 Klausuren geschrieben werden.

I V . Die mündliche Prüfung Sie ist eine wichtige, ja unentbehrliche Ergänzung der schriftlichen Prüfung. Sie kann und soll das präsente Wissen des Kandidaten zeigen, aber auch Gelegenheit zur Auseinandersetzung m i t schwierigeren Verständnisfragen geben. Sie gibt Aufschluß auch über die Reaktionsfähigkeit des Prüflings und seine Fähigkeit zu geordneter freier Rede. Das Gewicht der mündlichen Prüfung gegenüber der schriftlichen ist i n den meisten Prüfungsordnungen nicht genau festgelegt. Dieses Gewicht soll nicht zu schwach sein. Wenn auch i m allgemeinen, wie oben bemerkt, die schriftliche Prüfung durch die mündliche i m großen und ganzen bestätigt wird, so sind doch Korrekturen möglich und an der Tagesordnung, die der Verfeinerung des Prüfungsergebnisses dienen. Diese Möglichkeit darf nicht durch ein zu geringes Gewicht der mündlichen Prüfung genommen werden. Andererseits muß das Übergewicht der schriftlichen Prüfung m i t ihrer Chancengleichheit erhalten bleiben. Ich halte ein Verhältnis von etwa 16 schriftlichen zu 4 mündlichen Noten, also 4:1, i m wesentlichen für angemessen. Die Aufgabenstellung i n der mündlichen Prüfung ist selbstverständlich eine wesentlich andere als i n der schriftlichen, das gilt i n besonderem Maße für die mündliche Prüfung aus dem Verwaltungsrecht. Hier steht als Prüfungsstoff neben dem Staatsrecht das ganze allgemeine und besondere Verwaltungsrecht zur Verfügung, wobei Randgebiete selbstverständlich tunlichst auszuschalten sind; daneben kann — und soll! — aber auch die Verwaltungslehre zu Worte kommen. Wenn es ein besonderer Vorzug der mündlichen Prüfung ist, daß persönliche Wesenszüge des Kandidaten mehr zutage treten, so gehört hierzu auch die Möglichkeit, i n etwa auch Einblick i n sein Verwaltungsgeschick zu nehmen. Hier w i r d es sich vielfach zeigen, ob der Referendar eine ordentliche Ausbildung bei der Kreisverwaltungsbehörde und der Regierung genossen, bzw. diese auch ausgenützt hat. Ich konnte bei der letzten mündlichen Prüfung hier einige interessante Beobachtungen machen, als ich einen kleinen Fall gab, an dessen Ausgangspunkt ein an einen Oberbürgermeister gerichteter Brief stand; nicht alle Kandidaten wußten, wie ein die Gemeinde betreffendes Schreiben zu adressieren ist und nach welchen Gesichtspunkten die Behandlung dieses Schreibens i m Schoß der Gemeindeverwaltung zu geschehen hat! Und wer gar Fragen über den Aufbau unserer Behördenorganisation und das Zusammenwirken der verschiedenen Behörden und Gewalten i m Staate stellt, kann unter Umständen blaue Wunder erleben. 6«

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Zu prüfen sind selbstverständlich nur tatbestandlich einfach gelagerte Fälle, daneben i m allgemeinen keine theoretischen Probleme. M i t Nachdruck möchte ich auch hier die Forderung vertreten, daß auch i n der mündlichen Prüfung (und gerade hier w i r d es besonders möglich sein!) aus dem vollen Leben der aktiven Verwaltung geschöpft wird. Abseits liegende spitzfindige Fragen des materiellen wie besonders auch des Prozeßrechts dürfen i n der mündlichen Prüfung keinen Platz beanspruchen. Allerdings muß ich sagen, daß ich als Prüfer oder Vorsitzender solche Fälle noch nie erlebt habe, weder von Prüfern der aktiven Verwaltung noch von solchen der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Verständnisfragen müssen Vorrang vor reinen Wissensfragen haben. Was die Einteilung der mündlichen Prüfung betrifft, so w i r d auch hier an der Forderung der (grundsätzlichen und größtmöglichen) Parität festgehalten, wobei wiederum i n der Verwaltungshälfte (am besten wiederum abwechslungsweise) Steuerrecht, Arbeitsrecht und Wirtschaftsverwaltungslehre zu Worte kommen. Über die Zahl der gleichzeitig zu prüfenden Kandidaten und die Prüfungszeit besteht i n den verschiedenen Prüfungsordnungen i m wesentlichen Einigkeit. 5 Kandidaten i n rund 5 Stunden sollte die Regel sein; die Fünf zahl der Prüflinge sollte grundsätzlich nicht überschritten werden, weil sonst entweder die Prüfungszeit für den einzelnen zu kurz oder insgesamt zu lang und damit unzumutbar würde; sie sollte i n der Regel aber auch nicht unterschritten werden. Je weniger Kandidaten es sind, umso eher geht der Charakter der Prüfung als Prüfungsgespräch verloren, vor allem wenn es sich um ein weniger gutes Team handelt. Die Länder, die den Aktenvortrag nicht haben, verwenden die sonst auf diesen Vortrag (im allgemeinen bis zu einer Viertelstunde je Prüfling) treffende Zeit für die allgemeine mündliche Prüfung. Gesundheitliche Bedenken gegen eine fünfstündige Prüfungsdauer können nach meinen Erfahrungen keinesfalls ins Feld geführt werden, vor allem nachdem inzwischen ja die Kriegsteilnehmer i m wesentlichen durchgeprüft sind. Von besonderer Bedeutung ist die Vorbesprechung des Vorsitzenden mit jedem einzelnen Kandidaten unmittelbar vor der Prüfung. Hier kann bei aller Kürze der Zeit viel gewonnen werden. Es kann vor allem viel geschehen, um eine menschliche Verbindung zwischen den Prüfern und den Kandidaten herzustellen, Nervosität zu nehmen und den Prüfern ein besseres B i l d von den Prüflingen zu bieten, wobei besondere Verhältnisse wie Gesundheit, besondere Schicksale, Besonderheiten i m Studiengang sowie besondere außerberufliche Neigungen und Kenntnisse klargelegt werden können. Das Ganze soll dann seinen Niederschlag i n einer kurzen Besprechung unter den Prüfern vor Beginn der mündlichen Prüfung finden.

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V. Zusammensetzung der Prüfungskommissionen Die Zusammensetzung der verschiedenen Prüfungskommissionen und -ausschüsse, und zwar vor allem derer, welche die Aufgaben auszuwählen, wie auch derer, die über die Bewertung der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen zu befinden haben, ist entscheidend für den m i t der Prüfung angestrebten Erfolg. Es ist eine Binsenwahrheit, daß hier m i t äußerster Umsicht zu verfahren ist. Nach der hier vertretenen Konzeption soll die Besetzung paritätisch sein, so w i r d es jedenfalls i n Bayern gehandhabt. Der Vorsitz w i r d abwechselnd von Prüfern der Justiz und der Verwaltung geführt. Besonders wichtig ist die Auswahl für die mündliche Prüfung: Hier ist nicht nur juristisches Wissen und berufliche Erfahrung, sondern auch Menschenkenntnis und menschliches Verständnis zu verlangen, aber auch die Kunst der Fragestellung und die Kunst, ein Prüfungsgespräch zu führen; diese Kunst ist nicht allgemein verbreitet! Da es sich um eine praktische Prüfung handelt, ist wohl unstreitig, daß ausschließlich Praktiker des Rechts hier tätig werden sollen. Hauptamtliche Mitglieder der Prüfungskommissionen scheinen m i r jedenfalls für solche Länder nicht erforderlich zu sein, die ein Prüfungsamt haben. Was die von m i r besonders zu berücksichtigende Verwaltungsprüfung anlangt, so kommen als Prüfer, soweit nicht die Leiter von Prüfungsämtern selbst prüfen, aktive Beamte der zentralen und der höheren Verwaltungsbehörden i n Betracht, die hauptamtlich dauernd m i t Prüfungsgebieten befaßt sind, nicht zu vergessen aktive Richter der höheren Verwaltungsgerichte und Mitglieder der Staatsanwaltschaften bei diesen, wie sie bei uns seit langem als hochgeschätzte Prüfer wirken, schließlich auch qualifizierte Juristen aus dem Bereich der Selbstverwaltung, wie Landräte m i t entsprechender Erfahrung und höhere Beamte großer Städte. Das Hauptgewicht muß auf der lebendigen und ständigen Verbindung m i t der juristischen Verwaltungspraxis liegen.

VI. Die Feststellung der Ergebnisse Sie w i r d bei der schriftlichen Prüfung am besten durch eine kleine Kommission von Prüfern vorgenommen, und zwar so, daß jede Arbeit von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Prüfern beurteilt wird. Es erscheint m i r von besonderer Bedeutung, die w i r k l i c h völlig getrennte Beurteilung durch beide Beurteiler sicherzustellen. Bei Meinungsverschiedenheiten hätte ein 3. Prüfer den Stichentscheid zu geben. Ein wirkliches Anliegen der Prüflinge ist es sicher, daß das Prüfungsverfahren nach Möglichkeit abgekürzt w i r d ; hier könnte viel Zeit gespart werden.

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Vereinzelt ist streitig geworden, ob es notwendig ist, Kandidaten m i t besonders schlechten Leistungen i n der schriftlichen Prüfung von der mündlichen Prüfung überhaupt auszuschließen. Ich möchte eine solche Bestimmung bejahen, schon u m die mündliche Prüfung von aussichtslosen Fällen zu befreien und die Kommissionen zu Gunsten der guten oder wenigstens durchschnittlichen und ausreichenden Prüflinge zu entlasten. Die Noten der mündlichen Prüfung werden selbstverständlich von der Prüfungskommission an Ort und Stelle, also sofort nach Beendigung der Prüfung, beschlußmäßig festgesetzt. Vereinzelt ist der Gedanke aufgetaucht, die mündlichen Prüfer vor der Prüfung nicht mehr m i t den Ergebnissen der schriftlichen Prüfung der einzelnen Kandidaten bekanntzumachen, damit auch nicht der Schein einer gewissen Voreingenommenheit nach der einen wie nach der anderen Seite erweckt werden kann. M i r erscheint die Bekanntgabe unbedenklich, vielleicht sogar geboten, w e i l der mündliche Prüfer zweckmäßigerweise die Stärken und Schwächen der Prüflinge kennt und seine Fragen danach einrichtet. Den Verdacht einer gewissen Voreingenommenheit habe ich noch nie bestätigt gefunden; vielmehr ist schon manches schriftliche Ergebnis unter dem positiven oder negativen Eindruck der mündlichen Prüfung modifiziert worden. Die einzelnen Ergebnisse der schriftlichen und mündlichen Prüfung werden zweckmäßig durch Ziffern ausgedrückt, deren jede einer bestimmten, i n Worten auszudrückenden Wertung entspricht; das sich aus allen Bewertungen errechnende Gesamtergebnis durch eine dieser Wertungen, wenigstens bei den besseren Ergebnissen, also etwa von befriedigend aufwärts. Bei der Bedeutung, die heute noch auch und gerade i n der Wirtschaft den „Prädikaten" beigemessen wird, muß diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wichtig ist die Zahl der Abstufungen, d.h. Wertungen. Die Prüfungsordnungen haben, soweit ich sehe, bereits jetzt alle 7 Notenstufen; hieran sollte festgehalten werden. Diese Zahl ermöglicht eine A r t Feinsortierung der Qualität, sofern sich die Prüfer entschließen, auch von den extremen Wertungen nach Möglichkeit mutig Gebrauch zu machen (1, 2, 6, 7). Außerdem ergibt sich bei 7 Wertungen die Feststellung einer Mittelqualität (4); das wäre bei dem Sechsstufensystem, wie w i r es bei den Volks- und höheren Schulen zur Zeit, so viel ich weiß, bundeseinheitlich haben, nicht der Fall; es ist aber i n der Praxis unentbehrlich. I n der Bezeichnung der Notenstufen, den Wertungen, sind kleine Unterschiede gegeben, z.B. für die erste Note teils „sehr gut", teils „hervorragend" bzw. „ausgezeichnet". M. E. brauchen w i r eine Notenstufe, die eine ganz herausragende Arbeit kennzeichnen kann. Es han-

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delt sich hauptsächlich weiter um die Frage, ob für die 3. Note „gut" statt „vollbefriedigend" und für die 2. Note „sehr gut" statt „gut" genommen werden soll. Bei der oben bereits erwähnten Bedeutung der Prädikate sollte man sich über diese Bezeichnungen einigen, was sicher keine besonderen Schwierigkeiten bereiten kann.

V I I . Zusammenfassung Die am Anfang betonte enge Verbindung zwischen Ausbildung und Prüfung macht eine enge Zusammenarbeit zwischen Ausbildern und Prüfern erforderlich, wenn auch eine Personalunion aus naheliegenden Gründen nicht möglich ist. Diese Zusammenarbeit soll durch wiederholte gemeinsame Beratungen gefestigt werden. Für die Anstellungsbehörde dient als Ergänzung der Prüfungsnote i m besonderen das Zeugnis über die Ausbildungszeit, vor allem über die praktische Bewährung und Persönlichkeit des Kandidaten. Wenn diese Zusammenarbeit reibungslos ist, so w i r d nach menschlichem Ermessen gewährleistet, daß unter möglichster Ausschaltung von Fehlerquellen und Fehlbeurteilungen der Ungeeignete ausgeschieden, der Tüchtige ermittelt und gefördert wird. So w i r d das Ziel erreicht, welches als A und O einer verantwortungsbewußten Personalpolitik gelten muß und dem alles unterzuordnen ist: Den richtigen Mann auf den richtigen Platz!

Leitsätze 1. Die Staatsprüfung muß so gestaltet werden, daß sie in ihrem Ergebnis den allseitig ausgebildeten Juristen erweist. 2. Es soll grundsätzliche Parität in der Staatsprüfung zwischen Justiz und Verwaltung bestehen. 3. Die Staatsprüfung soll aus schriftlicher (Aufsichtsarbeiten) und mündlicher Prüfung bestehen; auf Hausarbeit und Aktenvortrag soll wegen der praktischen Schwierigkeiten verzichtet werden. 4. Der Prüfungsstoff soll sich inhaltlich auf die Kerngebiete des öffentlichen Rechts beschränken; Gegenstand der schriftlichen Aufsichtsarbeiten sollen ganz vorwiegend Fragen der nichtstreitigen (rechtsgestaltenden) Verwaltungspraxis sein; reine Verwaltungsstreitprobleme sollen zurücktreten; Entsprechendes gilt auch für die mündliche Prüfung. 5. Eine größere Zahl von Klausuren gibt ein ausgewogeneres Bild vom Können der Kandidaten als eine geringe Zahl. 6. Neben den reinen Fallklausuren sollen künftig im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Teüs der Staatsprüfung Arbeiten gefertigt werden, die aus dem Bereich der öffentlichen Finanzwirtschaft, aus dem Geld- und

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Wilhelm P Kreditwesen und verwandten, mit den heutigen Aufgaben der Verwaltung in Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Materien zu entnehmen sind.

7. Für die Bewertung der einzelnen Prüfungsarbeiten sind 7 Notenstufen zu verwenden; für die Gesamtbewertungen der Prüfungsleistungen in der Form von Prädikaten sind nach Möglichkeit einheitliche Bezeichnungen zu wählen.

Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für den Juristen in der Verwaltung Von Otto Neuffer Der Referendar bringt für die Ausbildungszeit von der Universität her eine Menge an Kenntnissen i m Staats- und Verwaltungsrecht mit. Durch Lösen von Fällen hat er i n der Regel auch eine gewisse Übung i m Umgang mit den Rechtsinstituten der Verwaltung erlangt. Bei dem Gewicht des verwaltungsrechtlichen Faches i m Studium ist anzunehmen, daß er theoretische Kenntnisse auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts i n gleichem Umfang erworben hat wie auf den übrigen Rechtsgebieten, also etwa dem des bürgerlichen Rechts und des Strafrechts. A m Tage X, also im Zeitpunkt des Beginns der Vorbereitung und Ausbildung als Referendar, ist er i n wissenschaftlicher Beziehung auch für das Rechtsgebiet der Verwaltung genügend gerüstet. Früher schloß sich hier die Vorbereitungszeit für die Zweite Staatsprüfung an, die i m wesentlichen praktische Erfahrungen i m gerichtlichen Verfahren vermittelte. Von der Verwaltung war nichts oder kaum etwas zu lernen. Ich habe während meiner Vorbereitungszeit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mich zwei Monate lang bei einem Landratsamt zu betätigen, wo m i r als einzigem Referendar wirklich alles gezeigt wurde: die Kommunalverwaltung, die Polizeiverwaltung, das Bauwesen, das Jugend- und Fürsorgeamt, Kreistag, Kreisrat, Kreissparkasse und — neben vielem anderen — sogar auch das Versicherungsamt. Ich muß aber gestehen, daß m i r dieser Aufenthalt vom Wesen der Verwaltung und dem Berufsbild des Verwaltungsbeamten nur eine einfache Ahnung vermittelt hat. Diese praktische Tätigkeit war zu kurz u m von Wert zu sein. Eine besondere Förderung für ein Ausbildungsziel war damit kaum zu erreichen, auch wenn man schon früh den Beruf des Verwaltungsbeamten angestrebt und damit bereits eine innere Einstellung zu diesem Beruf mitgebracht hatte. Die große Staatsprüfung war damals ganz auf die Bedürfnisse der Justiz abgestellt. I n der Ausbildung hat der Gerichtsreferendar i m wesentlichen genau die Tätigkeit kennen gelernt, die er später als Richter wahrzunehmen hatte. Der Assessor wurde so ausgebildet, daß er von einem Tag auf den anderen die Tätigkeit eines Richters übernehmen und ausüben konnte.

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Der Gerichtsassessor, der die Verwaltungslaufbahn eingeschlagen hatte, mußte dagegen weitgehend von vorne anfangen. A u f dem Landratsamt wurde er recht unvermittelt m i t der Vielfalt der Verwaltungstätigkeiten konfrontiert. Er mußte sehen, wie er durchkam. Wie es sich gezeigt hatte, war dieses Ausbildungssystem durchaus praktikabel. Ich glaube auch, daß die Verwaltung der Länder, die dieses System hatten (z. B. Württemberg), ohne weiteres einen Vergleich m i t der Verwaltung anderer Länder aushalten konnte. Es hat bestimmt der Verwaltung nicht geschadet, daß der Rechtmäßigkeitsprüfung einer Verwaltungstätigkeit genau so viel, oder fast noch mehr Bedeutung zugemessen wurde als den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, die sich aus der Erfahrung ergeben. Eine gute Rechtsausbildung war auch deshalb sehr angebracht, w e i l i n unserem Land bereits u m diese Zeit die Generalklausel auf dem Gebiet der Verwaltungsgerichtsbarkeit galt. Darüber hinaus muß man ganz allgemein das juristische Denken auch für die Verwaltung als ein unschätzbares Hilfsmittel für den Verwaltungsbeamten ansehen. Dieses Denken ist ja eine Methodik, die ohne Rücksicht auf einen bestimmten Sachverhalt zur Beurteilung der verschiedensten Tätigkeiten des menschlichen Lebens erfolgreich angewendet werden kann. Auch der Verwaltungsjurist muß wie der Gerichtsjurist i n der Lage sein, einen Sachverhalt rasch zu erkennen und sich unter Weglassung des Überflüssigen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Insoweit besteht i m Prinzip kein Gegensatz zwischen beiden. A u f weitem Gebiet ist die Tätigkeit des Verwaltungsjuristen gar nicht so sehr von der richterlichen Tätigkeit verschieden. Aber der Richter w i r d nur auf A n regung von außen tätig. Die Unterlagen für seine Entscheidungen werden i h m durch die Prozeßparteien oder die Staatsanwaltschaft unterbreitet. Von der freiwilligen Gerichtsbarkeit w i l l ich hier absehen, die ja i m Grunde nichts anderes ist als Verwaltungstätigkeit durch Gerichtsorgane. Ein Gericht arbeitet nach dem alten Grundsatz: „Da m i h i factum, dabo t i b i jus". I m Gegensatz hierzu w i r d der Verwaltungsmann schon vor dem Richter tätig. Er muß vorher wissen, was er w i l l . Er arbeitet vom Ergebnis aus, das er erstrebt. Er setzt bereits Fakten, Sachverhalte, die aber nachher ebenfalls rechtliche Folgen m i t sich bringen. Auch der Verwaltungsbeamte darf sich nicht ausschließlich auf Zweckmäßigkeitserwägungen verlassen, er muß sich schon von vornherein darüber i m klaren sein, daß seine Verwaltungshandlungen m i t dem geltenden Recht i n Einklang stehen müssen. Für die Verwaltung ist ein F a l l durch eine Entscheidung noch nicht abgeschlossen, wie dies bei Gerichtsurteilen der Fall ist; sie muß häufig noch einer rechtlichen Nachprüfung durch die Gerichte standhalten können.

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Wenn sonach die beiden Tätigkeiten ein gleiches Denken nur unter verschiedener Blickrichtung darstellen, so könnte dies zu der Auffassung führen, daß eine besondere praktische Ausbildung für die Verwaltung nicht notwendig sei, daß vielmehr die juristische Ausbildung auch für den Verwaltungsdienst v o l l ausreiche. Die Ausbildung i n j u ristischen Denkkategorien und Rechtsmaterien würde danach auch für den Verwaltungsbeamten genügen, zumal die einzelnen Materien des Verwaltungsrechts zu vielseitig sind, als daß i n der kurzen Ausbildungszeit solide Kenntnisse vermittelt werden können. Die eigentlichen Eigenschaften des Verwaltungsbeamten: Wagemut, Energie, Aktivität, Weitblick, Einfallsreichtum sind ohnedies kaum lehrbar. Wozu also eine besondere Ausbildung für die Verwaltung? Ganz folgerichtig ist aus diesen Überlegungen auch schon der Schluß gezogen worden, daß für die künftigen Verwaltungsbeamten eine besondere Ausbildung für die Verwaltung nicht notwendig sei, daß vielmehr i n erster Linie die Juristen einer Ausbildung i n der Verwaltung bedürftig seien, die später nicht i n die Verwaltung, sondern i n die Justiz oder i n die freie Wirtschaft gehen wollen. Gerade für diese Gruppen stellt der Vorbereitungsdienst die vielleicht einzige Möglichkeit dar, i n die Praxis der Verwaltung einen Einblick und damit Verständnis für die Organisation und A u f gaben der Verwaltung zu gewinnen. Dagegen w i r d der Assessor, der i n die Verwaltung geht, zwangsläufig früher oder später sich die Verwaltungskenntnisse angeeignet haben. Man hat ihn einfach i n das große Meer der Verwaltung hineingeworfen und angenommen, daß er sich m i t dem Schwimmgürtel seiner juristischen Kenntnisse zunächst über Wasser halten, dann allmählich schwimmen kann, bis er schließlich selbst i n der Lage ist, den Ton anzugeben. Dieses Ergebnis kann allerdings nicht befriedigen. Die praktische Berufsausbildung des Verwaltungsjuristen würde sich damit i n einer H i n sicht sehr von dem des Gerichtsjuristen unterscheiden. Der Gerichtsjurist kann nämlich nach der Großen Staatsprüfung sofort m i t einer Richter- oder Anwaltstätigkeit beginnen, ohne viel dazulernen zu müssen, als höchstens eine gewisse Routine. F ü r den Verwaltungsbeamten beginnt aber nun erst recht wieder ein neues Lernen und Einarbeiten i n fremde Materien. Dieses immer wieder Neueinarbeiten und Neuorientieren bleibt dem Verwaltungsbeamten allerdings auch i n seiner späteren Tätigkeit kaum erspart. Schon bei größeren Landratsämtern w i r d dem Verwaltungsjuristen ein recht großes Arbeitsgebiet zugewiesen, das aber auf einen Teil der gesamten Tätigkeit des Amtes beschränkt sein kann. Das gleiche gilt bei den mittleren und zentralen Behörden, bei denen die Verwaltungsgebiete auf zahlreiche Fachreferenten oder Dezernenten aufgeteilt sind, und bei denen die Vorgänge i n den anderen Referaten kaum zur Kenntnis gelangen. Bei den unteren Behörden oder

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Gemeinden haben die juristischen Verwaltungsbeamten noch einigermaßen eine Übersicht über den Stoff, bei den höheren Instanzen sind für den einzelnen Dezernenten oder Referenten schon spezielle und subtile Kenntnisse erforderlich (der hier angeblich herrschende Perfektionismus ist ja schon sprichwörtlich). Diese Kenntnisse muß man sich i n jeder Stellung neu erwerben. Sie sind anders i m Bauwesen, i m Gesundheitswesen, bei der Staatsangehörigkeit, i m Verfassungsrecht, i m Kommunalwesen, bei der Polizei usw. Der Verwaltungsbeamte soll gerade vielseitig verwendbar sein, soll sich also nach kurzer Einarbeitung auch i m neuen Gebiet zurechtfinden. Es ist ja allgemein nicht w ü n schenswert, daß ein Verwaltungsbeamter zu lange auf dem gleichen Referat sitzen bleibt und stets dieselbe Materie bearbeitet. Solche Verwaltungsleute sind dann gute Spezialisten, denen leicht der Blick über das Ganze der Verwaltung verlorengeht und die nicht mehr dem Idealtyp des überall verwendbaren Verwaltungsbeamten entsprechen. U m dieser Gefahr zu entgehen, sollte dem Referendar i n der Ausbildungszeit die Möglichkeit gegeben werden, einen Überblick über die Verwaltung und das Wesen der Verwaltungstätigkeit zu erlangen. Deshalb möchte ich einer Ausbildung des Referendars auf dem Gebiet der Verwaltung auch für den künftigen Verwaltungsbeamten eine erhebliche Bedeutung beimessen. Hier erhebt sich sofort die Frage: Gibt es für den künftigen Verwaltungsbeamten überhaupt eine ausreichende, förderliche Ausbildung auf der Verwaltungsstation oder ist es besser für ihn, wie auch schon behauptet wurde, er bleibt i n dieser Zeit zu Hause und liest Lehrbücher oder Entscheidungen. Die Justizausbildungsordnung i n Baden-Württemberg sagt lakonisch: „Der Vorbereitungsdienst hat das Ziel, den Gerichtsreferendar m i t den Aufgaben der Rechtspflege und der Verwaltung vertraut zu machen". Rechtspflege und Verwaltung sind einander i n dieser Bestimmung dem Wortsinn nach gleichgestellt. Scheinbar w i r d damit für beide Sparten das gleiche Ziel angestrebt. Die Intensität und der Umfang der Ausbildung müßten danach auf beiden Gebieten gleichmäßig sein. Auch der künftige Verwaltungsbeamte müßte also m i t der Verwaltungstätigkeit so vertraut sein, daß er wie der Richter nach der Prüfung ohne weiteres m i t seiner Arbeit beginnen könnte. Das Vertrautwerden muß jedoch der Natur der beiden Gebiete nach unterschiedlich behandelt werden. Denn aus dem Examen geht ein fertiger Richter hervor, während der Verwaltungsbeamte noch weiterhin der Ausbildung bedarf. Man w i r d sich überlegen müssen, auf welchen Gebieten und i n welchem Umfang die Ausbildung für den künftigen Verwaltungsbeamten besonders wichtig ist. Über die Dauer des notwendigen Vorbereitungsdienstes auf der Verwaltungsstation kann man verschiedener Meinung sein. Zuviel w i r d es

Die Bedeutung der Verwaltungsausbildng für den Verwaltungsuristen

i n keinem Falle werden. Allerdings müßten sich die ausbildenden Behörden bemühen, die Ausbildung i n der Verwaltungsstation attraktiv zu gestalten. Leider ist es gerade diese Station, die bei den Heferendaren am wenigsten geschätzt ist und von der sie am wenigsten Förderung zu haben glauben. Hier ist es notwendig, die Ausbildung w i r k lich zu leiten und den Referendar auf die Besonderheiten der Verwaltung aufmerksam zu machen. Man darf i h n nicht seinem Schicksal und einigen Aktenbergen überlassen. Diese Einführung vor allem i n das Verfahren i n der Verwaltung ist ganz besonders notwendig, w e i l die gerichtlichen Handlungen aus den Prozeßordnungen ersichtlich sind und erlernt werden können. E i n Gericht kann gar nicht außerhalb der Verfahrensvorschriften tätig werden. I n der Verwaltung gibt es das bekanntlich nicht. Neu erscheint dem auszubildenden Referendar auch der monokratische Aufbau der Behörde, i n der alles auf den Behördenleiter ausgerichtet ist, der für die Tätigkeit seiner Behörde die letzte Verantwortung trägt. Hierher gehört auch der innere Aufbau der Behörde und ihre Zuständigkeit. Der künftige Verwaltungsbeamte soll auch jetzt schon wissen, welche Stellung seine Behörde i m Behördenaufbau des Landes einnimmt. Er sollte kennen lernen das Verhältnis der allgemeinen Verwaltungsbehörden zu den Sonderbehörden, Zuständigkeit der Ministerien und der Regierungspräsidien u. a. Der Dienstbetrieb innerhalb der Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich anders als beim Gericht, wo die einzelnen Richter, Kammern oder Senate jeweils unabhängig voneinander arbeiten. I n der Verwaltung sind die Aufgaben auf Verwaltungsbeamte verschiedener Laufbahnen aufgeteilt, die eng miteinander zusammenarbeiten. Verwaltungsarbeit ist i n der Regel ein teamwork. Erst wenn man diese Dinge dem Referendar näherbringt, erlangt er ein richtiges Verständnis für die formelle Seite der Verwaltungstätigkeit. Z u den Formalien i m Dienst bei einer Verwaltungsbehörde gehört auch die Kenntnis des Geschäftsgangs i n einer Behörde. Gerade das Fehlen von Kenntnissen über die formale Behandlung der A k t e n und den Aktenlauf bei einer Verwaltungsbehörde kann den Neuling bei seiner ersten Tätigkeit i n erhebliche Verlegenheit bringen. Er weiß ja oft nicht einmal, wie er ein Aktenstück wieder von seinem Schreibtisch bringen soll. Die Tätigkeit bei einer Behörde setzt gleichzeitig gewisse staats- und verwaltungsrechtliche Grundkenntnisse voraus. Alles Handeln auf dem Verwaltungsgebiet muß i n erster Linie verfassungsgemäß sein. Verfassungsrechtliche Kenntnisse w i r d er sich aber weitgehend i m Selbststudium erwerben müssen; anhand von Einzelfällen, die i h m zur Bearbei-

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tung übergeben werden, w i r d er nur bruchstückweise i n dieses Rechtsgebiet eingeführt werden. Für die verwaltungsrechtliche Tätigkeit bringt der Referendar vom Studium her Kenntnisse des allgemeinen Verwaltungsrechts m i t ; Begriffe wie Verwaltungsakt, Gemeingebrauch, öffentliche Anstalt usw. dürften i h m geläufig sein. Sie sind sozusagen das Handwerkszeug, das er sich auf der Hochschule theoretisch angeeignet hat und dessen Handhabung er nun i n der Praxis kennenlernen muß. Allerdings ist es unmöglich, den Referendar gleichmäßig i n alle Gebiete des materiellen Verwaltungsrechts einzuführen. Die maßgebenden Ausbildungsvorschriften nehmen hier eine Schwerpunktbildung vor. Danach sollen bei der Ausbildung besonders behandelt werden: das Beamtenrecht, das Kommunalrecht, das Gewerberecht, das Gesundheitswesen, das Polizei- und Verkehrsrecht, das Bau- und Wasserrecht, grundsätzliche Rechtsfragen aus dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Jagdrecht) sowie das Fürsorge-, Jugend- und Sozialrecht. Diese Rechtsgebiete gehören zu den Gebieten des klassischen Verwaltungsrechts. I m Examen können natürlich keine erschöpfenden Kenntnisse aus diesen Rechtsgebieten, etwa so wie sie den Spezialisten i n den Zentralbehörden zur Verfügung stehen, verlangt werden. Der künftige Verwaltungsbeamte muß aber wenigstens die grundlegenden Probleme dieser Gebiete kennen und einige Fälle i n der Praxis durchgearbeitet haben. Er muß z. B. wissen, womit sich das Wasserrecht befaßt, m i t welchen Dingen das Gewerberecht, das Baurecht zu t u n hat. Die Grundlagen des Polizeirechts muß er kennen. I n die Einzelheiten w i r d er sich später auf Grund seiner juristischen Schulung rasch einarbeiten können. Gerade auf dem Gebiet des klassischen Verwaltungsrechts unterscheidet sich die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde i m Prinzip kaum von der eines Richters. Auch hier w i r d über Anträge entschieden wie dort über Klagen. Auch hier ist die Rechtsgrundlage der erhobenen Ansprüche, z. B. auf eine Gastwirtschaftskonzession, zu prüfen. Für freie Ermessensentscheidungen ist heute auf dem Gebiet des klassichen Verwaltungsrechts verhältnismäßig wenig Raum. Allerdings t r i t t hier, i m Gegensatz etwa zum Zivilrecht, die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe i n den Vordergrund. A n die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums gehen die Gerichte jedoch nur zögernd heran, öffentliche und private Interessen müssen gegeneinander abgewogen werden. Der künftige Verwaltungsbeamte soll i n der Ausbildungszeit gerade für diese Interessenlage Verständnis erwerben. Allerdings sind die Handlungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Verwaltung auch aus weiteren Ursachen stark eingeschränkt. Z u m Teil neigt der Gesetzgeber dazu, nicht nur Normen zu setzen und die Aus-

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führung der Verwaltung zu überlassen. Er geht oft selbst so i n Einzelheiten ein, gibt Definitionen seiner Begriffe, verlangt ein bestimmtes Verhalten und greift damit so i n die Verwaltung ein, daß kein großer Beurteilungs- oder Ermessensspielraum mehr übrig bleibt. Auch außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens kümmert sich das Parlament ausgiebig u m die Verwaltung. Man braucht nur die Bundestags- und Landtagsdrucksachen durchzublättern und man stößt auf eine Menge von Anträgen und Anfragen i n Verwaltungsangelegenheiten, die ein bestimmtes Verhalten von der Verwaltung erwarten. Dazu kommen langatmige Erlasse der vorgesetzten Behörden, die sich m i t perfektionistischer Akribie bemühen, für jeden denkbaren Einzelfall Richtlinien und Weisungen zu geben. Leider hat es sich schon seit langer Zeit i n der Verwaltung eingebürgert, daß an die Ausführung von Gesetzen erst gegangen wird, wenn entsprechende Ausführungserlasse vorliegen. Bei der Bearbeitung von Fällen auf diesem Gebiet der Verwaltung w i r d der Referendar deshalb methodisch nicht viel mehr lernen als bei Gericht. Auch hier hat er seine Tatbestände, auf die er das Gesetz anwendet. Aber immerhin lernt er Gebiete kennen und verstehen, die einen großen Teil der Verwaltung ausmachen. Für sehr wünschenswert möchte ich es ansehen, wenn dem Referendar auch eine Übersicht-Information über die Wirkungen der Kriegsund Nachkriegsfolgen i n der Verwaltung und ihre verwaltungsmäßige Bearbeitung gegeben werden könnte. Es handelt sich hier freilich u m sehr viele ähnliche und gleichförmige Sachverhalte. Es wäre sicherlich nicht zu empfehlen, etwa einen Referendar sechs Monate lang Flüchtlingsausweise ausstellen zu lassen. Dennoch sollte er sein Interesse auch auf diese Materien m i t ihren einschneidenden Auswirkungen auf unser heutiges Wirtschaftsleben richten. Hierher gehören Gebiete wie das Flüchtlingswesen, die Wohnungsbewirtschaftung, Lastenausgleich, Besatzungs- und Bundeswehrschäden, Abbau der Wohnungsbewirtschaftung, Wohnungsbaufinanzierung, Kriegsgefangenenfürsorge, Häftlingshilfe. Ohne diese Institutionen läßt sich der heutige Aufbau der W i r t schaft gar nicht denken. Diese Tätigkeiten eignen sich aber kaum dazu, gelehrt oder geprüft zu werden. Sie werden daher bei der Ausbildung immer mehr oder weniger zu kurz kommen. Dies gilt auch für das Handeln des Verwaltungsbeamten, das i h n vom Justizbeamten unterscheidet, nämlich die gestaltende, schöpferische Tätigkeit. Die Verwaltung w i r d hier regelmäßig nicht auf Antrag tätig, sondern auf eigenen Entschluß. Sie ist auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet. Sie arbeitet gewissermaßen vom Ergebnis her. Hierzu bedarf es, wie schon erwähnt, gewisser persönlicher Eigenschaften wie I n i tiative, Erfindungsgeist, Tatkraft, Zielstrebigkeit, die als Charaktereigenschaften bei dem künftigen Verwaltungsbeamten schon i n der A n -

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läge vorhanden sein sollten. Diese Eigenschaften können nicht gelehrt werden. Diese schöpferische Tätigkeit setzt eine selbstverantwortliche Tätigkeit voraus, die ein Referendar i n der Regel gerade nicht ausführen kann. Der Verwaltungsbeamte ist hier das, was man heutzutage einen Manager nennt. Seine vielseitige Tätigkeit spielt sich i m Vorfeld der rechtlichen Betrachtungen ab. Er setzt die Tatbestände, er muß alle Gesichtspunkte abwägen und nach Durchführung der Planung die Übereinstimmung m i t dem Recht prüfen. Einen rechtsfreien Raum gibt es bekanntlich nicht mehr. So w i r d etwa der Bürgermeister oder Landrat bei der Planung eines Schulbaues die ganzen finanziellen Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit der Gemeinde, etwaige Zuschüsse, die Größe der Schule, Grundstücksfragen, die Bevölkerungsbewegung berücksichtigen, ferner die Frage gemeinsamer Schulen m i t anderen Schulträgern, die Lage der Schule innerhalb der Gemeinde, Ausstattung der Schule, z. B. m i t Lehrschwimmbecken und dergleichen. Die Gewöhnung, erst nachträglich über einen abgeschlossenen Sachverhalt zu urteilen, kann es schwer machen, selbst etwas Neues zu schaffen. Ich glaube nicht, daß die Eignimg zum Verwaltungsbeamten bei richtiger Veranlagung durch das stärkere Gewicht der juristischen Komponente i n der Vorbereitungszeit verlorengeht. Das Beispiel m i t dem Schulbau zeigt, wie ungemein komplex die Verhältnisse i n der Verwaltung sind und daß hier die Überlegungen der Zweckmäßigkeit sehr i m Vordergrund stehen, die scheinbar weniger schwierige Überlegungen sind als die rein rechtliche Prüfung. Gerade an solchen Verfahren sollte der Referendar eine Vorstellung vom Wesen der Verwaltungstätigkeit erlangen. Was i n der Verwaltung geschehen kann, also besonders i n der gewährenden Verwaltung, der Daseinsvorsorge, kann auch dem Referendar gezeigt werden, z. B. Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern, K i n dergärten, Rathäusern, Schwimmbädern, Sportplätzen, Ansiedlung von Industriebetrieben usw. Es geht hier aber nicht u m das Was, sondern u m das Wie. Wie man das macht. Gerade hierfür reicht i n der Regel die normale Ausbildung i m Vorbereitungsdienst nicht aus. Dem Referendar sollten die Einzelfälle vorgeführt werden, aber damit ist nicht viel gewonnen. Denn jeder F a l l ist anders. Zunächst einmal muß die Verwaltungsbehörde die örtlichen Verhältnisse genau kennen. Land und Leute zeigen Verschiedenheiten — i n unseren Gebieten trotz oder vielleicht sogar wegen des Bevölkerungszuwachses durch Flüchtlinge und Vertriebene — schon auf wenige K i l o meter Entfernung. Häufig spielen Imponderabilien eine Rolle, z. B. A n i mositäten, die bis auf die Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses — beispielsweise bei der Zusammenlegung von Landratsämtern oder große-

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ren Verwaltungsbezirken — zurückgehen. Aber nicht nur Stammes- und Volkseigentümlichkeiten, auch die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung müssen berücksichtigt werden. Bäuerliche und industrielle Gebiete zeigen erhebliche Unterschiede, obwohl es auch heute nicht mehr so ist, daß die Landbevölkerung neuzeitlichen Ideen ablehnend gegenübersteht. Schon i n der Ausbildungszeit sollte das eigenartige Beharrungsvermögen der Verwaltung gezeigt werden, das ganz i m Gegensatz zu der sie sonst auszeichnenden Dynamik steht ( „ w i r haben das immer so gemacht." „Wo kämen w i r da hin."). Auch dem Stolz und der Empfindlichkeit von Gemeinden oder anderen Behörden muß häufig Rechnung getragen werden. Z. B. ist es heute erfahrungsgemäß leichter, ein Krankenhaus m i t 300 Betten zu bauen, als etwa eine Gemeinde dazu zu bringen, ihr Gemeindekrankenhaus m i t 30 Betten, das heutigen gesundheitlichen Anforderungen kaum mehr entspricht, aufzugeben und sich an ein großes Krankenhaus anzuschließen. Neben den schon genannten Eigenschaften muß der Verwaltungsbeamte ein gutes Fingerspitzengefühl und, trotz Energie und A k t i v i t ä t , eine gewisse Kompromißbereitschaft zeigen. Außer seinen juristischen Kenntnissen braucht er eine umfassende Allgemeinbildung. Er muß Kenntnisse besitzen volkswirtschaftlicher und soziologischer A r t , aus dem Finanzwesen, er muß sich i n der Arbeitsmarktlage auskennen und auch über die soziale und historische Entwicklung, über die geographischen und klimatischen Verhältnisse des Landes und seines speziellen Tätigkeitsgebietes Bescheid wissen. Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz sind wichtige Gebiete. Er muß Verständnis zeigen für die Bedürfnisse aller Bewohner. Ein gutes Anschauungsmittel bietet die Bauleitplanung einer Gemeinde, die beileibe nicht bloß eine technische Leistung darstellt, sondern eine Gesamtschau aller Verhältnisse einer Gemeinde und der Bedürfnisse ihrer Bevölkerung auch für die Zukunft verlangt. Um von alledem etwas mitzubekommen, muß der Referendar auf der Verwaltungsstation intensiv mitarbeiten. Der Referendar muß selbst sich bemühen, die Verhältnisse und die Wirklichkeiten zu erkennen. A u f der Verwaltungsstation darf der Referendar nicht ständig am Schreibtisch sitzen. Er sollte zu Besprechungen zugezogen werden, an Verhandlungen von Kreistag, Kreisrat und Gemeinderat teilnehmen. Es soll auch, wie die Anordnung von Baden-Württemberg sagt, das Verständnis der Gerichtsreferendare für volkswirtschaftliche und technische Belange durch Besichtigung von kaufmännischen und industriellen Unternehmen sowie von großen Betrieben der Landwirtschaft vermittelt werden. Auch muß er sich m i t Haushaltsplänen, Bebauungsplänen und sonstigen grundlegenden Beschlüssen für die künftige Entwicklung einer Gemeinde befassen. 7

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Gerade i n diesem Ausbildungsteil kann der künftige Verwaltungsbeamte einen wesentlichen und wichtigen Eindruck von der Tätigkeit der Verwaltung erlangen. Er erhält einen Einblick i n die Schwierigkeiten der vielfältigen Vorgänge i n der Verwaltung und der oft langwierigen Vorarbeiten, die für ein Vorhaben notwendig sind. Jedenfalls ist es sehr wertvoll, daß er hier schon eine Übersicht über die Verwaltung i m eigentlichen Sinne und ihre Aufgaben erhält und auf was es hier ankommt. Er hat damit wenigstens einen Begriff der Verwaltung und Verständnis für ihre besonders geartete Tätigkeit erlangt. Er w i r d bei seiner Übernahme i n die Verwaltung sich leichter auf die Erfordernisse einstellen, wenn er die grundsätzlichen Unterschiede zum Justizdienst i n der Praxis gesehen hat. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß m i t der bestehenden Ausbildung diese Idealziele kaum erreicht werden können. Sie w i r d auch kaum verbessert werden können, denn die notwendigen gewünschten Eigenschaften und Kenntnisse, die ein Verwaltungsbeamter braucht, können i n der Ausbildung nur annähernd vermittelt werden. Hinzu kommt, daß sie i m Examen keinen Prüfungsgegenstand darstellen können. Daher ist verständlich, daß der Referendar weitgehend nur an verwaltungsrechtlichen Fällen Interesse hat und zwar an solchen, wie sie in der Prüfung üblich sind. Schließlich helfen ihm, wie es immer wieder vorkommt, seine guten Kenntnisse aus der Verwaltung nichts, wenn er i n der Prüfung eine Note erlangt, m i t der er keine Aussichten hat, i n die Verwaltung übernommen zu werden. Diese bedauerliche, aber verständliche Einstellung zum Examen führt dazu, daß die Referendare die Ausbildung beim Verwaltungsgericht der bei der Verwaltungsbehörde vorziehen, denn dort w i r d das geboten, was i n der Großen Staatsprüfung verlangt wird. Z. B. sind deshalb auch die Vorlagearbeiten beim Verwaltungsgericht besonders beliebt. Die Bad.-Württ. A n ordnung hat deshalb bestimmt, daß auf die Verwaltungsgerichte nicht mehr als V4 aller Vorlagearbeiten entfallen dürfen. Zusammenfassend ist zu sagen, daß eine Ausbildung i n der Vorbereitungszeit auf dem Gebiet der Verwaltung für den Juristen i n der Verwaltung nicht entbehrt werden kann. Man muß sich dabei nur i m klaren sein, daß sie der Natur der Sache nach nicht so gründlich und so umfassend sein kann wie für die Gerichtsbarkeit. Es erscheint aber unerläßlich, daß auch die künftigen Justiz Juristen m i t den Berufen des Verwaltungsbeamten vertraut gemacht werden, indem sie die wichtigsten Verwaltungstätigkeiten näher kennen lernen, sich m i t den einzelnen Gebieten informatorisch beschäftigen, und daß ihnen auch das eigentliche schöpferische Handeln i n der Verwaltung mindestens gezeigt wird. Daß diese Ausbildung keinen vollkommenen Verwaltungsmann hervorbringt, daß er auch nach seiner Ausbildung an sich arbeiten muß,

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scheint m i r u n v e r m e i d b a r u n d z u m u t b a r z u sein. E i n e S p e z i a l a u s b i l d u n g f ü r V e r w a l t u n g s b e a m t e m ö c h t e i c h ablehnen, gerade w e i l d i e j u ristische Seite der A u s b i l d u n g d i e G r u n d l a g e f ü r das f r e i e V e r w a l t u n g s h a n d e l n d a r s t e l l t . V e r w a l t u n g s b e a m t e r i m e i g e n t l i c h e n S i n n z u sein, i s t ü b e r w i e g e n d eine P e r s ö n l i c h k e i t s f r a g e . F ü r d i e A u s b i l d u n g d e r P e r s ö n l i c h k e i t k ö n n e n aber i n d e r V o r b e r e i t u n g s z e i t n u r H i l f e n gegeben w e r d e n , u n d d a z u g i b t a u c h h i e r d i e bestehende A u s b i l d u n g s o r d n u n g eine ausreichende G r u n d l a g e , w o b e i m a n ü b e r E i n z e l h e i t e n noch v e r schiedener M e i n u n g sein k a n n . Gerade der k ü n f t i g e V e r w a l t u n g s j u r i s t d a r f n i c h t n u r f ü r die Schule l e r n e n , s o n d e r n f ü r s L e b e n . Gerade f ü r i h n g i l t i n ganz b e s o n d e r e m M a ß e das a l t e W o r t aus d e m C o r p u s J u r i s : j u r i s p r u d e n t i a est scientia / o m n i u m / r e r u m / h u m a n a r u m a t q u e divinarum.

Leitsätze 1. Der Student der Rechtswissenschaft bringt auch aus dem Gebiet der Verwaltung genügende theoretische Kenntnisse für den Vorbereitungsdienst mit. 2. Diese Kenntnisse bedürfen der Ergänzung durch praktische Erfahrungen. 3. Eine reine juristische Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst ist ebenso abzulehnen wie eine Sonderausbildung für diese Tätigkeit. 4. Auch für den künftigen Verwaltungsbeamten ist eine praktische Ausbildung in den juristischen Fächern unerläßlich, da im Rechtsstaat auch in der Verwaltung Rechtsfragen jeder Art auftreten können. 5. Ferner muß der Referendar praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des klassischen Verwaltungsrechts (Polizei-, Kommunal-, Wasser-, Bau-, Straßen», Gewerberecht usw.) erwerben, um für seine künftige Tätigkeit vorbereitet zu sein. 6. Z u einem vollständigen Bild der Verwaltung gehören auch Erfahrungen auf dem Gebiet der gewährenden Verwaltung, insbesondere der Maßnahmen zur Behebung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen, z. B. Lastenausgleich, Flüchtlingswesen, Wohnungsbewirtschaftung, Wohnungsbauförderung, Besatzungsschäden. 7. Die besondere Tätigkeit der Verwaltung auf schöpferischem und gestaltendem Gebiet — Der Verwaltungsbeamte als Manager — liegt auf vorrechtlichem Gebiet. Hier werden Tatbestände nach teleologischen Gesichtspunkten gestaltet, die letztlich wieder einer rechtlichen Beurteilung standhalten müssen. 8. Diese Tätigkeit (Nr. 7) setzt ein breites Allgemeinwissen sowie Kenntnisse und Erfahrungen auf wirtschaftlichen, soziologischen, finanziellen, politischen, historischen, landes- und ortskundlichen Gebieten voraus. Sie verlangt ferner Initiative, Erfindungsgeist, Aktivität, also persönliche Eigenschaften. Diese eigentliche Verwaltungstätigkeit ist nicht lehrbar und damit auch nicht prüfbar. Hierüber kann nur eine äußere Anschauung vermittelt werden. 7*

Die Ausbildung des Juristen für den Internationalen Dienst Von Alexander Lane, Bonn

I. Seitdem die Fortschritte der Technik beginnen, Raum und Zeit zu überwinden und der zunehmende Bevölkerungsdruck i n immer stärkerem Maße alle Völker zur gemeinsamen A k t i o n zwingt, u m ihre Lebensprobleme zu lösen, stehen w i r mitten i m Prozeß einer weitgehenden Internationalisierung aller Bereiche menschlichen Lebens. Keine Verwaltung kann an dieser Tatsache achtlos vorbeigehen. Mochte noch vor einem halben Jahrhundert das Finanz- oder Bauressort oder eine Kommunalverwaltung ungestört i h r Eigendasein i m nationalen Bereich führen können. Heute kann niemand mehr ohne Kenntnis der Erfahrungen des Auslands und ohne den Kontakt m i t den entsprechenden ausländischen Einrichtungen auskommen. I n der Pflege der Beziehungen zu anderen Völkern, die früher traditionell ausschließlich dem diplomatischen und konsularischen Dienst oblag, ist seit einigen Jahrzehnten eine bedeutende Wandlung eingetreten. I n immer größerer Zahl bilden sich internationale und supranationale Organisationen, die das Gesicht der internationalen Beziehungen bestimmen. Z u r Erfüllung ihrer Aufgaben unterhalten diese Organisationen ständige Verwaltungskörper m i t internationalen Bediensteten und internationalen Beamten. F ü r die Tätigkeit dieser Personen bei und für die internationalen Organisationen hat sich die zusammenfassende Bezeichnung „Internationaler Dienst" eingebürgert. Diese Bezeichnung ist neu und bedarf einer Erklärung. „Internationaler Dienst" ist die auf die Dauer berechnete, ständige Beschäftigung für einen internationalen Dienstherren m i t internationalen Aufgaben. Diese allgemeine Definition bedarf einer zweifachen Präzisierung, und zwar sowohl nach der Seite des Dienstherrn als auch nach der Seite des Bediensteten hin. Zunächst ist die Person des Internationalen Dienstherrn näher zu umreißen. Die rechtliche Ausgestaltung der zwischenstaatlichen Zusammenschlüsse ist i n der Praxis nahezu unübersehbar. Immerhin können

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w i r einige wichtige Unterscheidungen treffen. Zunächst einmal die Unterscheidung i n Regierungsorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen — Governmental and Non-Governmental Organizations. Die Regierungsorganisationen sind solche Organisationen, denen Regierungen oder Staaten als Mitglieder angehören, die also offizielle, amtliche Organisationen sind. A l l e übrigen sind nur zusammenfassend zu bezeichnen als Nicht-Regierungsorganisationen. Zu ihnen gehören große Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz, die Lionsgesellschaft, Rotary-Club und die verschiedensten Fachverbände auf allen Gebieten des menschlichen Zusammenlebens. Das Verhältnis der Zahl der Regierungsorganisationen zu den Nicht-Regierungsorganisationen beträgt etwa 1 :10. W i r haben unter den Regierungsorganisationen, die uns i m Rahmen dieses Referats zu beschäftigen haben, zu unterscheiden die sogenannten internationalen und die supranationalen Organisationen, wobei supranational bedeuten soll, daß bei diesen Organisationen die Mitgliedstaaten gewisse Souveränitätsrechte zugunsten des internationalen Organismus aufgegeben haben, und daß dieser internationale Organismus i n der Lage ist, i m Rahmen der i h m zugewiesenen Befugnisse unmittelbar in den nationalen Bereich einzugreifen. Bei den sonstigen internationalen Organisationen ist das nicht der Fall. Ein Beispiel für die supranationalen Organisationen: die europäischen Gemeinschaften, ein Beispiel für die übrigen: die Vereinten Nationen und ihre Sonder Organisationen. Einer Klärung bedarf ferner der Begriff des „internationalen Beamten". Wenn man die Dienstordnungen, die Personalstatuten der verschiedenen Organisationen durchsieht, ist man zunächst v e r w i r r t von der Fülle der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten des Dienstverhältnisses zwischen den Bediensteten und dem Dienstherrn. U m das richtig zu verstehen, müssen w i r uns i m internationalen Bereich zunächst einmal freimachen von der Vorstellung, wie sie uns aufgrund unserer Gesetzgebung und Tradition naheliegt, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes sich unterscheiden i n Beamte, Angestellte und Arbeiter. I m internationalen Bereich besteht eine solche Unterscheidung nicht. A l l e i n die Europäischen Gemeinschaften haben eine Rechtsgestaltung, die unseren Vorstellungen von der statutarischen Stellung des Beamten mehr entgegenkommt. Die Rechtsverhältnisse der Bediensteten bei den Vereinten Nationen und allen anderen internationalen Organisationen sind vom Vertragssystem beherrscht. Aus den vielen Typen von Bediensteten i m internationalen Dienst ragt ein Begriff hervor. Das ist der internationale Beamte, verstanden als ein ständiger Bediensteter, der seine Lebensaufgabe i n den Dienst der internationalen Sache gestellt hat, der sich aufgrund des Personal-

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statuts verpflichtet hat, seine gesamte Arbeitskraft dem internationalen Dienstherrn zu widmen, und der auch m i t gewissen Privilegien, Ruhebezügen und sonstigen Vorteilen ausgestattet ist. Also der T y p eines Bediensteten, der etwa unseren Vorstellungen von einem Berufsbeamten auf Lebenszeit entspricht. Die Geschichte des internationalen Beamten ist verhältnismäßig kurz und jung. Sie ist zurückzuverfolgen bis i n die Anfänge des 19. Jahrhunderts. W i r haben i n der Entwicklung dieses Begriffes des internationalen Beamten drei Perioden zu unterscheiden. Die erste Periode, die von etwa 1815, dem Gründungsdatum der ältesten, noch heute bestehenden internationalen Organisation, nämlich der „Zentralkommission für die Rheinschiffahrt", bis zum Ende des Ersten Weltkrieges reicht, die zweite Periode von der Gründung des Völkerbundes (1919) bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und die dritte Entwicklungsperiode seit der Gründung der Vereinten Nationen (1945). I m Laufe des 19. Jahrhunderts haben sich seit den 60iger Jahren die ersten wirklich großen internationalen Organisationen vor allem auf dem Gebiet des Verkehrs und der Wirtschaft gebildet. Hier sind insbesondere zu nennen die Internationale Telegraphen-Union (1865), die Internationale Post-Union (1874), die Internationale Union für die Beförderung von Gütern mit der Eisenbahn (1890), das Brüsseler Büro für die Publikation von Zolltarifen (1890), das Internationale L a n d w i r t schaftsinstitut i n Rom (1905). Für den internationalen Schutz an U r heberrechten von Werken der Literatur und Tonkunst sowie für den gewerblichen Rechtsschutz wurde bekanntlich das Berner Büro gegründet (1886) und als internationale Gerichtsinstanz entstand 1899 der Internationale Schiedsgerichtshof i n Den Haag. Die Gründung des gemäß A r t . 1—26 des Versailler Vertrages vom 28. J u l i 1919 geschaffenen Völkerbundes leitete eine neue Entwicklung und einen Aufschwung der Bemühungen ein, Menschheitsprobleme auf weltweiter Basis gemeinsam zu lösen. Der Völkerbund bedurfte zur Erfüllung seiner Aufgaben ständiger Einrichtungen. Als solche wurde das Völkerbunds-Sekretariat i n Genf eingerichtet. Dieses Sekretariat, dem ein Generalsekretär m i t mehreren Stellvertretern vorstand, bildete sich allmählich zu einem großen internationalen Verwaltungskörper aus, der zuletzt (im Jahre 1930) 800 Bedienstete aus 50 verschiedenen Ländern umfaßte. Gleichzeitig m i t dem Völkerbund wurde durch Teil X I I des Versailler Vertrages das Internationale Arbeitsamt i n Genf gegründet. Seitdem sind zahlreiche weitere, auch heute noch bestehende Organisationen geschaffen worden, darunter: 1921 der ständige Internationale Gerichtshof i m Haag, die Internationale Fernmelde-Union (1925), das Internationale Büro für Erziehungsfragen (1925), das Internationale I n -

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stitut für die Vereinheitlichung des Privatrechts i n Rom (1926) und die Bank für internationalen Zahlungsausgleich i n Basel (1930). Nach Errichtung der Vereinten Nationen i m Juni 1945 i n San Francisco hat geradezu ein Gründungsfieber eingesetzt. Die Zahl der Organisationen, die seit 1945 i n diesen fast 20 Jahren entstanden sind, ist größer als die Gesamtzahl aller internationalen Organisationen i n den vergangenen 130 Jahren vorher. Nach den Angaben des Handbuchs für die Internationalen Organisationen der Union der Associations Internationales i n Brüssel, das periodisch herausgegeben w i r d und das statistische Daten über die internationalen Organisationen enthält, haben w i r heute etwa 140 ständige amtliche Regierungsorganisationen und etwa das 10- bis llfache an Nicht-Regierungsorganisationen. W i r haben also z.Zt. global gerechnet etwa 1800 weltweite, regionale, örtliche Organisationen verschiedenster A r t und verschiedenster Größe zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der bei den internationalen Regierungsorganisationen Beschäftigten ist auf etwa 24 000 zu beziffern. Es handelt sich hierbei u m Schätzungen des Verbandes der internationalen Organisationen, die i m wesentlichen auf den Angaben der Haushaltspläne der internationalen Verwaltungen beruhen. Aufgaben und Status des internationalen Beamten haben sich i m Laufe der Entwicklung mehrfach gewandelt. I n der ersten Periode von 1815 bis 1919 waren die internationalen Organisationen, soweit sie über ständige Büros verfügten, i m allgemeinen nach dem örtlichen Recht des Landes konstituiert, i n dem sich i h r Sitz befand, und hatten dort meist den Status einer gemeinnützigen Einrichtung. Die Bediensteten waren i n der Regel vom Gastland gestellt oder waren von den Regierungen ihrer Heimatländer besoldet und zur Tätigkeit bei der Organisation abgeordnet. Erst das Sekretariat des Völkerbundes i n Genf bildete allmählich den Typ des internationalen Berufsbeamten heraus, der ein ständiges Dienstverhältnis m i t einem internationalen Stab hatte. Die eigentliche Entwicklung des Berufstyps der internationalen Beamten — d e s fonctionnaire international, international civil servant — haben erst die letzten beiden Jahrzehnte seit der Gründung der Vereinten Nationen gebracht. Die nach dem ersten Weltkrieg und vor allem nach 1945 gegründeten internationalen Organisationen sind i n der überwiegenden Zahl Fachverbände. Nach dem gegenwärtigen Stand sind die internationalen Regierungsorganisationen i n ihren sachlichen Aufgaben etwa wie folgt aufzugliedern. Nur ganz wenige, aber deswegen nicht weniger wichtige Organisationen, wie das Generalsekretariat der Vereinten Nationen, die Organisation des Nordatlantik-Vertrages (NATO), die Westeuropäische Union (WEU), der Europarat und das Europäische Par-

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lament haben allgemeine und überwiegend politische Ziele. Sehr viel größer ist die Zahl der Organisationen auf dem Gebiet der Wirtschaft, des Handels und des Zollwesens. Hier sind es i n erster Linie die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, die Specialised Agencies, wie das General Agreement of Tariffs and Trade (GATT), das A m t für technische Hilfe der Vereinten Nationen, der Technical Assistance Board (TAB), der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC), regionale Zusammenschlüsse i n europäischen Bereichen, wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl u n d die Europäische Atomgemeinschaft. Weiterhin die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und eine Fülle anderer, kleinerer, dennoch wirtschaftlich wichtiger Organisationen, wie z. B. der Internationale Zuckerrat, der Internationale Weizenrat, die Internationale Studiengruppe für Gummi, Europäische Forstkommission usw. A u f dem Gebiete des Verkehrswesens sind die Internationale Z i v i l Luftfahrt-Organisation zu nennen (ICAO), der Weltpostverein, die I n ternationale Fernmelde-Union, die alle drei Sonderorganisationen der Vereinten Nationen sind. Weitere Organisationen sind tätig auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, der wissenschaftlichen Forschung, der Technik, des Gesundheitswesens, des Erziehungswesens, des Arbeitsund Sozialwesens und schließlich des Rechtswesens.

rr. Sehen w i r uns nun die Aufgaben und die Befugnisse des internationalen Beamten einmal näher an. Zunächst müssen w i r uns fragen: Gibt es eine besondere Befähigung für den internationalen Dienst? Wie ich schon sagte, sind die internationalen Organisationen i n erster Linie Fachorganisationen und der Dienst eine fachliche Laufbahn, die drei Gruppen umfaßt: Die erste, umfangreichste Gruppe ist die Gruppe der Fachleute auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, der angewandten Wissenschaften, der Medizin und der Technik. Die zweite Gruppe umfaßt die Wirtschaftler und die dritte die Vertreter der Geistes- und Sozialwissenschaften einschließlich des Rechtswesens und der K u l t u r . Schon diese allgemeine Aufgliederung der zahlreichen Wege, die zum internationalen Dienst führen, macht klar, daß keine Rede davon sein kann, daß die Juristen einen besonders markanten Anteil an dieser internationalen Verwaltung haben können. Die juristischen Fachkenntnisse sind i m allgemeinen verhältnismäßig wenig gefragt, wenn man von den Funktionen der eigentlichen Rechtsberater, der Rechtssachver-

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ständigen und der Richter an internationalen Gerichtshöfen oder Schiedsstellen absieht. Für die Verwaltungslaufbahn, die es i m Rahmen des internationalen Dienstes natürlich auch gibt, sind juristische Kenntnisse i m allgemeinen nicht Voraussetzung. Sie sind sicherlich nützlich, aber w i r müssen bedenken, daß z. B. i m angelsächsischen Bereich die Eigenschaft des Juristen durchaus keine Eigenschaft ist, die unbedingt zum Verwaltungsdienst befähigt. Die Praxis des britischen Foreign Office geht sogar dahin, daß man nur höchst ungern i n den britischen auswärtigen Dienst voll ausgebildete Juristen hineinnimmt. I n diesem Zusammenhang bedarf das Verfahren der Einstellung den internationalen Dienst einer näheren Erörterung.

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Die internationalen Organisationen stellen ihr Personal grundsätzlich selbst ein. Die Mitgliedstaaten haben insoweit kein Vorschlagsrecht. I n der Praxis ist das „recruitment" nicht einheitlich. Die Kandidaten des internationalen Dienstes stammen nur zum Teil aus den internationalen Verwaltungen der Mitgliedstaaten. Der andere Teil kommt aus der Wirtschaft und der Wissenschaft. Die internationalen Organisationen wenden sich wohl i n diesem oder jenem Fall an eine nationale Regierung, um irgend jemand für einen frei werdenden Posten zu finden, sonst wenden sie sich an private oder öffentliche Arbeitsvermittlungsstellen, sie annoncieren i n den Zeitungen. Sie sind aber auch frei, jeden sonstigen Bewerber einzustellen, der die geforderten Bedingungen erfüllt. I n den Personalordnungen der internationalen Organisationen ist es ausdrücklich festgelegt, so bei den Vereinten Nationen insbesondere, daß die Posten nach einer angemessenen geographischen Aufteilung vergeben werden sollen. Das ist ein Problem, an dem alle internationalen Organisationen dauernd herumlaborieren, und das wahrscheinlich nie befriedigend zu lösen sein wird. Eine erhebliche Bedeutung hinsichtlich der Eignung für den internationalen Dienst kommt neben den fachlichen den sprachlichen Kenntnissen zu. Da sich fast jede internationale Organisation aus Angehörigen verschiedener Muttersprache zusammensetzt, ist es natürlich, daß die Sprachenfrage i m internationalen Dienst eine große Rolle spielt. W i r t schaftliche, technische und administrative Gründe machen es i m allgemeinen unmöglich, alle Sprachen der beteiligten Nationen zu Arbeitsund Verhandlungssprachen zu bestimmen. Man hat sich daher i n jeder Organisation auf wenige Sprachen geeinigt, und zwar nicht mehr als fünf. So haben die Vereinten Nationen fünf Amtssprachen — Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch —, die Europäische W i r t schaftsgemeinschaft und EGKS vier — Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch —, der Europarat zwei — Englisch und Französisch —, die Internationale Postunion eine — Französisch. I n diesem offiziellen Sprachen erscheinen die amtlichen Veröffentlichungen und werden die

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Verhandlungen geführt. I n der täglichen Arbeit des internationalen Beamten ist die Sprachenfrage insofern schwieriger, als der internationale Beamte i n seinen Besprechungen, Telefonaten, Aufzeichnungen, Vermerken und der amtlichen Korrespondenz nicht gut vielsprachig arbeiten kann. I n der Praxis herrscht die Tendenz vor, sich auf Englisch und Französisch zu beschränken. Meistens w i r d von diesen beiden Sprachen dann auch noch eine besonders bevorzugt. So ist i m Bereich der Vereinten Nationen, beim Generalsekretariat und auch bei den Sonderorganisationen das Englische die vorherrschende Sprache, während i n der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und auch i n der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl das Französische durchaus überwiegt. Für die internationalen Beamten, die eine andere Muttersprache haben als Englisch und Französisch, ergibt sich daraus die Folgerung, daß sie gezwungen sind, sich diese Sprachen als Fremdsprachen anzueignen. Das Maß der Fremdsprachenkenntnisse, das dabei verlangt wird, ist nicht gering. Es genügt nicht, daß er i n diesen beiden Sprachen oder i n einer dieser Sprachen grammatisch und syntaktisch die Allgemeinsprache beherrscht. Er muß i n der Lage sein, Arbeitspapiere und Schriftstücke aller A r t zu verfassen und zu redigieren sowie dienstliche Verhandlungen jeder A r t zu führen und daher auch i n hervorragendem Maße die Fremdsprache beherrschen. Die Fremdsprachenkenntnisse des internationalen Beamten sind viel weitgehender, als sie vom Diplomaten verlangt werden, für den es ausreichen mag, sich i n der internationalen politischen Terminologie auszukennen. Gerade i n diesem Punkte liegt außerhalb des englischen und französischen Sprachbereichs eine der Hauptschwierigkeiten, geeignete Beamte für den internationalen Dienst zu gewinnen. I n diesem Zusammenhang möchte ich auch ein kurzes Wort sagen über die internationalen Beamten, die rein sprachliche Funktionen auszuüben haben. Es ist selbstverständlich, daß eine Organisation oder Behörde, deren Amtstätigkeit sich i n verschiedenen Sprachen abwickelt, nicht auf ständige Sprachmittler verzichten kann, die Dolmetsch- und Ubersetzungsaufgaben wahrnehmen. Alle großen internationalen Organisationen verfügen daher über einen ausgedehnten Sprachendienst, so vor allem das Generalsekretariat der Vereinten Nationen i n New York. Auch die Angehörigen dieser Sprachendienste sind echte internationale Beamte, deren ausschließliche Aufgabe es allerdings ist, i n sprachlicher Hinsicht tätig zu sein. Darunter befinden sich i m übrigen eine Reihe von hochqualifizierten Juristen für die juristische Fachterminologie. Dies ist umso nützlicher, als die Arbeit dieser Sprachendienste es mit sich bringt, daß viele juristische Texte zur Grundlage der Übersetzung gemacht werden müssen, die von Verfassern i n der Fremdsprache gemacht wurden, z. B. von einem Italiener w i r d ein französi-

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scher Text gemacht, der einer Berichtigung bedarf. Hier erwachsen dem juristisch geschulten internationalen Beamten sehr bedeutungsvolle Aufgaben. Neben den fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen, die ich kurz streifte, ist noch eine Reihe von weiteren Momenten für die Eignung für den internationalen Dienst von Bedeutung. So müssen w i r uns vergegenwärtigen, daß der künftige internationale Berufsbeamte m i t seinem E i n t r i t t i n den internationalen Dienst eine gewisse Herauslösung aus seinem bisherigen nationalen dienstlichen und gesellschaftlichen Bereich hinnehmen muß, ebenso w i e eine gewisse Lockerung seiner Beziehungen zur Heimat. Daher erfordert meist der Entschluß zu dieser Berufswahl ein hohes Maß an Idealismus, verbunden m i t dem Wunsch, Opfer zu bringen, u m übernationalen Menschheitsaufgaben zu dienen. Keine internationale Organisation verlangt von ihren Beamten, daß sie ihre nationalen Eigenarten aufgeben. I m Gegenteil: Der langjährige Präsident des Internationalen Arbeitsamts, Sir Thomas, hat einmal öffentlich präzisiert, daß die internationalen Organisationen geradezu verlangen, daß ihre Mitglieder ihre nationalen Eigenschaften und vor allen Dingen ihre Kenntnisse aus dem nationalen Bereich pflegen, dam i t die internationale Organisation i n der Lage ist, vernünftige Entscheidungen zu fällen. Bedeutungsvoll ist ferner, daß der Bewerber über Anpassungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen verfügt. Es ist zu berücksichtigen, daß der internationale Beamte ja dauernd m i t Kollegen, m i t Vorgesetzten, m i t Untergebenen zu t u n hat, die verschiedenen Nationalitäten angehören und demzufolge auch verschiedene Mentalität haben. Wesentlich ist weiterhin ein klarer Blick für die internationalen Zusammenhänge, der internationale Beamte muß i n der Lage sein, i n einem Maßstab zu denken, der über den nationalen Bereich hinausgeht. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß der internationale Dienst besondere Anforderungen an die Arbeitstechnik stellt. Die A r t , wie Aufzeichnungen, wie Vermerke gemacht werden, ist i m internationalen Dienst anders. Auch bedarf die Methode der Führung internationaler Verhandlungen und Konferenzen besonderen Studiums. Ich möchte i n diesem Zusammenhang auf einen Unterschied zwischen dem Beruf des internationalen Beamten und dem des Angehörigen des auswärtigen Dienstes hinweisen. Der Beruf des Diplomaten unterscheidet sich von dem Beruf des internationalen Beamten i n einer Reihe von wesentlichen Punkten. Während der Diplomat sein Land bei einer ausländischen Regierung vertritt, ist der internationale Beamte niemandes Vertreter. Er hat keine nationalen Interessen wahrzunehmen, sondern ausschließlich

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den Zielen seines internationalen Dienstherrn zu dienen. Dies ist i n der Satzung der Vereinten Nationen sowie i n zahlreichen Personalordnungen niedergelegt, die den internationalen Beamten ausdrücklich untersagen, Weisungen irgendeiner A r t von ihrer Regierung oder einer sonstigen Stelle ihres Heimatlandes entgegenzunehmen. I m Dienst hat der Diplomat i n seiner Behörde nur m i t den Angehörigen seines eigenen Volkes zu tun. Angehörige seines Gastlandes und anderer Nationen sind für i h n Gesprächs- und Verhandlungspartner, während der internationale Beamte Angehörige aller möglicher fremder Nationen als Kollegen, Vorgesetzte, Mitarbeiter und Untergebene hat. Der Diplomat ist i n der Regel politischer Beamter und meist „allround man", ohne eine besondere Spezialisierung, während der internationale Beamte grundsätzlich Fachbeamter ist. Nach der Natur des Dienstes muß der Diplomat häufig reisen und ist den damit verbundenen Erschwernissen des Wohnsitzwechsels ausgesetzt. Dies ist i m internationalen Dienst nicht i n dem Maße der Fall. Der internationale Beamte ist meist seßhaft, wenn auch die Tätigkeit zahlreiche Dienstreisen m i t sich bringen mag. M i t diesem allgemeinen B i l d der Ziele und Aufgaben des internationalen Dienstes ist auch gleichzeitig der Rahmen abgesteckt, i n dem sich die Ausbildung von Anwärtern für diesen Dienst zu bewegen hat. Wie soeben erwähnt, können w i r feststellen, daß der internationale Dienst dem Juristen einmal die Möglichkeit bietet, i m Rahmen von Verwaltungsaufgaben und sodann als Rechtsberater und Rechtsexperte bei internationalen Verwaltungen oder als Richter an internationalen Gerichten oder Spruchbehörden tätig zu werden.

HL Nach diesen allgemeinen Feststellungen müßten w i r uns nun fragen, wie unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten eine Ausbildung der Anwärter für den internationalen Dienst geschehen könnte. Zunächst darf ich vorausschicken, daß Maßnahmen der internationalen Organisationen selbst für die Ausbildung ihres Nachwuchses bisher noch nicht bekannt geworden sind. Lediglich das Generalsekretariat der Vereinten Nationen plant eine Schule für den internationalen Dienst, die i n New York errichtet werden soll. Die Ausbildung für die Anwärter des internationalen Dienstes ist ausschließlich den Mitgliedstaaten selbst überlassen. Von ihrer Entscheidung hängt es ab, i n welchem Maße sie die bei ihnen übliche nationale Ausbildung durch weitere Elemente ergänzen wollen, u m den Erfordernissen i m internationalen Dienst gerecht zu werden. Hier sind nun manche Staaten i n einer etwas glücklicheren Lage wie w i r , insbesondere jene, die, wie etwa Frankreich i n seiner ficole Nationale d'Administration, eine zentrale Bildungsstätte

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haben, i n der durch entsprechende Ergänzung der Studien und des Ausbildungsplanes auf verhältnismäßig einfachem Wege den Erfordernissen des internationalen Dienstes Rechnung getragen werden kann. Alle Staaten, i n denen Englisch und Französisch gesprochen wird, haben uns gegenüber den großen Vorteil, daß sie sich bei ihrer Ausbildung nicht m i t zusätzlicher Zeit abmühen müssen, u m den Kandidaten die erforderlichen Sprachkenntnisse beizubringen. I n Deutschland verfügen wir, wie Sie wissen, weder über eine zentrale Ausbildungsstätte für den Beamtennachwuchs noch über spezielle Ausbildungs- und Lehreinrichtungen für den internationalen Dienst. W i r haben bei dieser Situation zwei Alternativen. Die eine, daß w i r uns überlegen, etwas völlig Neues zu schaffen, was unserem bisherigen B i l dungssystem fremd ist. Das würde bedingen, daß eine solche Institution wahrscheinlich sehr viele Jahre benötigen würde, u m überhaupt zu entstehen, und noch weitere Jahre, bis die ersten praktischen Ergebnisse festgestellt werden können. Ich glaube, daß diese Alternative aus unseren Betrachtungen völlig ausscheiden sollte und daß w i r uns vielmehr der zweiten Alternative zuwenden sollten, nämlich der, wie w i r unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse und des gegebenen Ausbildungsganges weitere zusätzliche Möglichkeiten schaffen können, um dem Bedürfnis nach Ausbildung von Anwärtern für den internationalen Dienst entgegenzukommen. I n Erkenntnis dieser Tatsache und aus der Erwägung heraus, daß der Bedarf an geeignetem Nachwuchs für die Tätigkeit i m internationalen Dienst auch i n Zukunft i m Interesse einer angemessenen deutschen Beteiligung an den zwischenstaatlichen Gremien bestehen wird, hat die Innenministerkonferenz und das Bundesministerium des Innern i n Ausführung eines entsprechenden Auftrages des Deutschen Bundestages einen besonderen Sachverständigenausschuß unter Leitung von Staatssekretär a.D. Loschelder eingesetzt, um Vorschläge zur Verbesserung der Ausbildung deutscher Beamter zum Zwecke ihrer Verwendung bei internationalen Institutionen auszuarbeiten. Dieses Gremium — i m folgenden kurz Loschelder-Kommission genannt —, dem Vertreter der beteiligten Bundesressorts, der Landesregierungen, der Wissenschaft und der internationalen Organisationen angehörten, hat als Ergebnis seiner Untersuchungen eine Reihe von Vorschlägen i n einem ausführlichen Gutachten niedergelegt, dessen Veröffentlichung vorgesehen ist. I n diesem Gutachten kommt die Loschelder-Kommission i m wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: Die am traditionellen Berufsbild des Rechtsanwalts und des Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes orientierte Ausbildung i n Deutschland kann den besonderen Gesichtspunkten, die bei der Tätigkeit i m internationalen Dienst hervortreten, nicht i n ausreichender Weise Rech-

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nung tragen. Dies legt den Gedanken nahe, den Ausbildungsgang des deutschen Verwaltungsbeamten, insbesondere die Juristenausbildung, i m Hinblick auf diese Erfordernisse erneut zu durchdenken und i m Rahmen des derzeitigen Ausbildungsschemas Vorschläge zu prüfen, die relativ schnell verwirklicht werden können und die sich deshalb schon bald auf den Leistungsstand der deutschen Beamten für die internationalen Aufgaben auswirken sollten. Die Mehrzahl der i n der Verwaltung internationaler Institutionen tätigen deutschen Angehörigen des öffentlichen Dienstes hat eine rechtswissenschaftliche oder wirtschaftswissenschaftliche Vorbildung. Das Loschelder-Gutachten befaßt sich zunächst m i t dem Ausbildungsgang des Juristen und seinen einzelnen Phasen: der Schulbildung, dem Studium, der Vorbereitungszeit und der „postassessoralen" Zeit und prüft, inwieweit i n diesem Rahmen etwas zur Ausbildung i m internationalen Dienst beigetragen werden kann. Zunächst zur Schulbildung. Gerade für das Problem der Vertiefung der Kontakte m i t dem Ausland und die Verbesserung der Sprachkenntnisse ist unsere Jugend besonders aufgeschlossen. I m Rahmen der Schulbildung sollte daher vor allem einer besseren sprachlichen Ausbildung der Weg geebnet werden. Viele der heute über Sprachschwierigkeiten klagenden Beamten haben 9 Jahre die Schule besucht und sind viele Jahre lang drei bis fünf Stunden wöchentlich i n einer i m internationalen Verkehr gebräuchlichen Fremdsprache unterrichtet worden, ohne daß sie i n der Lage wären, den Erfordernissen der fremdsprachlichen Praxis zu genügen. Wenn also die Sprachausbildung i n der höheren Schule für die Zwecke des praktischen Lebens nicht ausreichend ist, so liegt dies sicherlich zum Teil daran, daß die Schulen i n einer Zeit intensiver Annäherung und Verflechtung der Staaten noch immer zu stark an einer rein schöngeistig-literaturgeschichtlichen Orientierung des Sprachunterrichts festhalten und sich erst langsam von diesem Leitbild zu entfernen beginnen. Es muß auch mehr als bisher die Möglichkeit genutzt werden, i m Rahmen des Sprach-, Geschichts- und Erdkundeunterrichts i n die Eigenarten der an den internationalen Organisationen beteiligten Staaten einzuführen sowie i n der Gegenwartskunde die A u f gaben der Organisationen und internationalen Institutionen i n einer auf das Verständnisniveau der Schule abgestimmten Weise darzustellen. Schließlich sollte durch Förderung des Schüleraustausches sowie Auslandsfahrten der Gesichtskreis der jungen Menschen geweitet und i m Umgang m i t Angehörigen fremder Staaten frühzeitig Weltoffenheit, Kontaktfähigkeit und Einfühlungsvermögen anerzogen und gefordert werden. Das Studium bietet uns eine etwas andere Situation. Der während des juristischen wie auch während des wirtschaftswissenschaftlichen Stu-

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diums zu bewältigende Lehrstoff befindet sich bekanntlich i n einer ständigen Ausweitung, deren Anforderungen der Studierende einfach nicht gewachsen ist. So kommt es, daß die Wahl der Lehrveranstaltungen vielfach nicht i m Hinblick auf das getroffen wird, was für seine Bildung nützlich ist, sondern danach, was die Repetitoren für examensrelevant halten. Die Fragen der juristischen Ausbildung sind daher eng verbunden m i t einer Konzentration des Stoffes. Die Große Gutachterkommission für Fragen der juristischen Ausbildung hat sich bemüht, dieser Forderung nachzukommen, hat es aber für notwendig erachtet, Fragen der Wirtschaft und Soziologie, der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft sowie Soziologie i n den Studienplan miteinzubeziehen. Für den internationalen Bereich sind diese Voraussetzungen von größter Nützlichkeit. Aber auch i n rechtlichen Disziplinen trägt der Plan der Großen Gutachterkommission für die juristische Ausbildung i n seiner derzeitigen Fassung den Anliegen der Ausbildung für den internationalen Dienst Rechnung. Hier kommt i m Hinblick auf die internationale Verwaltung vor allem dem Völkerrecht, dem internationalen Privatrecht, dem internationalen Verwaltungsrecht und dem internationalen Organisationsrecht größte Bedeutung zu. Für die Erfassimg der rechtlichen Zusammenhänge i n der internationalen Verwaltung kommt es nicht so sehr auf die überkommenen Lehren des Völkerrechts an. Wichtiger ist vielmehr hier, das sich neubildende Völkerrecht und Organisationsrecht und auch das neue internationale Verwaltungsrecht zu studieren, das nicht identisch ist m i t dem internationalen Kollisionsverwaltungsrecht. Erfreulicherweise haben sich zahlreiche Rechtsfakultäten der deutschen Universitäten und Hochschulen zum Teil diesen neuen Rechtsgebieten bereits i n sehr dankenswerter Weise zugewandt und führen Lehrveranstaltungen mit Themen aus diesem internationalen Verwaltungsbereich durch. Für die rechtsdogmatische Durchdringung dieser Rechtsgebiete erscheint es mehr noch als bei anderen Rechtsdisziplinen notwendig, eine Verbindung zur Praxis herzustellen. Es wäre insbesondere wünschenswert, daß die Kultusverwaltungen der Länder geeigneten Beamten der internationalen Organisationen i n stärkerer Weise als bisher Lehr- und Forschungsaufträge erteilen und damit ihnen Gelegenheit geben, an der dogmatischen Darstellung des internationalen Verwaltungsrechtes m i t zuwirken. A l l e m i t der Reform der juristischen Ausbildung befaßten Sachverständigen sind sich aber darüber klar, daß hier der Versuch, den Lehrstoff zu ändern, nur Erfolg verspricht, wenn diese Änderung auch i n der Gestaltung des Examens einen entsprechenden Niederschlag findet. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß es den Studenten an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten möglich sein sollte, auf freiwilliger

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Grundlage zwei oder mehrere Semester an ausländischen Universitäten zu studieren, was nicht nur der sprachlichen, sondern auch der sachlichen und allgemeinen menschlichen Ausbildung zugute käme. Ein gewisses Problem ist die Anrechnung dieser Semester, und da sollte es möglich sein, i n vertretbarem Maße diese Semester auf das Studium anzurechnen. Während des Vorbereitungsdienstes sehen w i r uns der Frage gegenüber, daß er nicht verlängert werden sollte und daß die Tendenzen zur Abkürzung des Vorbereitungsdienstes durch die Zunahme neuer A u f gaben nicht zusätzlich behindert werden. Daraus wäre nur der Schluß zu ziehen, daß zusätzliche Ausbildungsstationen, die sich m i t dem internationalen Dienst befassen, nicht i n Erwägung gezogen werden können. Als einziges wäre zu prüfen, ob der Austausch einer der bestehenden, im Plan eingesetzten Ausbildungsstationen gegen eine Ausbildung bei internationalen Behörden vorzunehmen ist. Für diesen Zweck scheiden von vornherein alle Ausbildungsstationen, die i m Rahmen der Justiz geleistet werden, wegen der sehr verschiedenen Zwecke und des Inhalts des Dienstes bei den internationalen Behörden völlig aus. Es käme lediglich ein Austausch der Verwaltungsstation i n Betracht. Aber auch da gibt es gewisse Bedenken. Zwar ist die Wahl einer mehrmonatigen Tätigkeit bei einer internationalen Behörde als Ausbildungsstation sehr beliebt. Einzelne Organisationen, wie die Europäische Kommission für Menschenrechte, sind i n dieser Beziehung auch recht großzügig; sie hat beispielsweise i n diesem Jahr allein 14 Referendare zu einer Ausbildung angenommen. Auch die Ausbildung bei französischen Rechtsanwälten oder sonstigen ausländischen Rechtsanwälten w i r d erfreulicherweise von den Landesjustiz ver waltungen gefördert. Ferner müssen hier die Ausbildungsmöglichkeiten bei der École Nationale d'Administration i n Paris und bei den Präfekturen i n Frankreich genannt werden. Alle diese Dinge sind recht erfreulich und zeigen, daß gerade i n Kreisen der Auszubildenden das Interesse an diesen Tätigkeiten sehr groß ist. Demgegenüber steht jedoch folgendes: Wenn der junge Beamte i n den internationalen Dienst tritt, dann w i r d von i h m erwartet oder vorausgesetzt, daß er auf die Frage, wie macht man denn das bei Euch zu Hause, befriedigende A n t w o r t geben kann. Das kann er nicht, wenn er nicht gewisse Erfahrungen i n der nationalen Verwaltung hat. Deswegen vertritt auch die Loschelder-Kommission die Auffassung, daß man eine bedenkenlose Ersetzung der inländischen Verwaltungsstation durch eine Beschäftigung i m internationalen Dienst nicht ohne weiteres befürworten sollte. Es sollte vielmehr begünstigt werden, daß der Referendar aus freien Stücken einen zusätzlichen Urlaub, gegebenenfalls unter Fortzahlung seines Unterhaltszuschusses, erhält, um ihm die Möglichkeit zu geben, i m internationalen Dienst eine kurze Zeit informatorisch tätig 8

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zu werden. Aber das bedingt natürlich eine gewisse Verlängerung der Ausbildungszeit, die man obligatorisch auf keinen Fall einführen könnte. Es gibt erfreulicherweise i n der neuesten Zeit eine Reihe von Instituten bei uns und auch i m europäischen Ausland, die sich m i t der Ausbildung von jungen Akademikern befassen, die ihre Studien bereits abgeschlossen haben. Insbesondere gehören dazu Referendare, aber auch Wirtschaftswissenschaftler, die ein Europastudium absolvieren können. Als Institut, das für diese Richtung typisch ist, möchte ich das Europäische Forschungsinstitut an der Universität Saarbrücken nennen, wo zahlreiche Referendare sowohl ihre Verwaltungsstation abdienen als auch bei Gewährung eines zusätzlichen Urlaubs promovieren können. Die Kombination dieser beiden Zwecke erscheint recht glücklich und die Ergebnisse, die gerade bei dem Europäischen Forschungsinstitut erzielt wurden, sowie die wissenschaftlichen Arbeiten, die dort entstanden, sind ermutigend. Man sollte sich überlegen, ob derartige Europäische Forschungsinstitute nicht auch noch an anderen Stellen i m Bundesgebiet errichtet werden sollten. Ähnliche Institute i m Ausland bestehen i n Luxemburg (Internationale Universität), i n Brügge (Europäisches Institut), i n Turin, i n Nancy und i n Nizza. Es scheint eine gewisse K o n j u n k t u r auf diesem Gebiet zu bestehen. Diese kurze Übersicht der Stationen des Ausbildungsweges zeigt, daß wesentliche Fortschritte durch einen weiteren Ausbau oder eine zusätzliche Hineinbringung neuer Ausbildungsthemen i n den Lauf der Ausbildung nicht zu erzielen sind. Daher verlagert sich das Schwergewicht des Ausbildungsbemühens für den internationalen Dienst notwendigerweise i n die Jahre nach dem Assessorexamen. Der Ansatz für diese Ausbildungsmaßnahmen hat drei besonders günstige Aspekte. Zunächst können sich diese Maßnahmen konkret an einen Kreis von Beamten und Angestellten wenden, die sich endgültig für die Verwaltung entschieden haben. Des weiteren ist es möglich, aus diesem Kreis eine echte Auswahl zu treffen, die auf die besondere Eignung gerade für Tätigkeiten bei internationalen Organisationen abstellt. Zuletzt kann diese zusätzliche Ausbildung schon auf einer hinreichend langen Zeit praktischer Tätigkeit i n der Verwaltung selbst aufbauen und aus dieser Sicht zu weit besseren Ergebnissen führen als jede andere A r t der Ausbildung. Dabei drängt sich allgemein von selbst auf, daß eine solche Ausbildung i n zwei Abschnitten erfolgen sollte. Einmal ist es die theoretische Schulung, aufbauend auf den während des Studiums erworbenen Kenntnissen i m internationalen Organisations- und Verwaltungsrecht und den wirtschaftswissenschaftlichen Fächern, und zum andern müßte den Beamten Gelegenheit gegeben werden, die theoretischen Kenntnisse auch durch eine praktische Tätigkeit i m Bereich der internationalen Verwaltung anzuwenden, u m sich m i t den Besonderheiten dieser Verwaltung

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vertraut zu machen. Für die theoretische Ausbildung i m Rahmen dieser Ausbildung würde i n Betracht kommen eine zusätzliche Ausbildung i n Geschichtsfragen (z.B. neuere politische Geschichte Europas, das Ost/ West-Verhältnis, Geschichte der internationalen Organisationen, W i r t schaftsgeschichte der europäischen Länder), der Bereich der Politik (politische Systeme, Stellung Deutschlands i n der Welt unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Teilung, aktuelle Probleme der Weltpolitik), aus dem Gebiet der Wirtschaft: Theorie des wirtschaftlichen Kreislaufes, Einkommensbildung, Geld- und Kredittheorie, Preistheorie, Nachfragefunktionen und verschiedenes andere mehr. Die praktische Ausbildung sollte, abgesehen von einer allgemeinen Orientierung i m internationalen Dienst, sich insbesondere m i t der A r beitstechnik der internationalen Verwaltung beschäftigen, wie z. B. der Vorbereitung von Sitzungen, Konferenzen, Protokollierung von Besprechungsergebnissen, Entwurf von Berichten und dergleichen. I m Mittelpunkt dieser Ausbildung soll nach dem Vorschlag der Loschelder-Kommission eine Ausbildungsstätte stehen, die für die Zwecke der theoretischen Unterweisung der Anwärter i m Auswärtigen A m t gebildet wird. Diese Lösung bietet sich aus einer Reihe von Gründen an. Das Auswärtige A m t verfügt über eine lange Erfahrung i n der Ausbildung von Beamten für den diplomatischen und konsularischen Dienst und über entsprechende Einrichtungen i m Rahmen seiner Ausbildungsabteilung. Die theoretische Ausbildung i n der neu zu schaffenden Ausbildungsstätte für den internationalen Dienst soll den Lehrgangsteilnehmern den Lehrstoff i n der Form von Arbeitsgemeinschaften nahebringen. Zentralstelle für die Ausbildung soll das Bundesminister i u m des Innern sein, dem es i n enger Zusammenarbeit m i t dem Auswärtigen A m t obliegt, die Verbindung zu den i n Betracht kommenden internationalen Organisationen sowie den beteiligten Bundes- und Landesressorts zu pflegen. I n diesem Zusammenhang entsteht natürlich die Frage, was m i t solchen Kandidaten geschieht, die auf diese Weise ausgebildet sind. Welchen Anspruch haben sie, i m internationalen Bereich verwendet zu werden. Hierzu ist folgendes zu bemerken. Die Mitgliederregierungen haben kein Besetzungsrecht für die Vakanzen i m internationalen Dienst. Nach unseren Erfahrungen, die w i r m i t der Beschäftigung von jungen Praktikanten bei europäischen Gemeinschaften und beim Europarat gemacht haben, nehmen aber die internationalen Organisationen gerade die jungen Leute gern auf, die bei ihnen eine Zeit lang tätig gewesen sind. Darüber hinaus ist die Ausbildung i n internationalen Fragen auch für den nationalen Bereich von Bedeutung. Denn es gibt zahlreiche Stellen bei den Länder- und bei den Bundesministerien, die sich m i t den internationalen Fragen befassen. Auch für diese „Kopf-

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stellen" i m Inland, die eine wesentliche Holle bei der internationalen Zusammenarbeit spielen, brauchen w i r einen Nachwuchs. Und dies ist ebenfalls eins der Ziele dieser Ausbildung. Zum Schluß noch einige kurze Worte über das uns sehr am Herzen liegende Sprachproblem. Wie schon verschiedentlich hervorgehoben, ist die Sprachausbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein wichtiges Anliegen, und für uns Deutsche ebenso wie für alle Völker, die Englisch und Französisch nicht als Muttersprache sprechen, ein schwer zu lösendes Problem. Die praktische Tätigkeit bei internationalen Organisationen gibt wohl eine weitere Vertiefung der Sprachkenntnisse und der Fachkenntnisse. Aber es w i r d weiterer Maßnahmen bedürfen, u m das Maß an Fremdsprachenkenntnissen zu erweitern und Gelerntes zu erhalten. Dabei ist das Problem ein sehr viel weiter gestecktes als der Zweck der Ausbildung des eigentlichen Nachwuchses an internationalen Beamten beinhaltet. Denn die internationalen Kontakte finden ja auf ganz breiter Basis, von der Bundesregierung bis zur kleinsten Kommunalbehörde, ständig statt, und i n allen diesen Ebenen brauchen w i r Sprachkenner, u m den Erfordernissen der internationalen Kontakte gerecht zu werden. Die Bundesverwaltung hat daher bereits seit Jahren verschiedene Bemühungen eingeleitet, u m ihren Beamten die Aus- und Fortbildung i n Fremdsprachen zu erleichtern. So gewährt der Bund jährlich auf Antrag Beihilfen zur Spracherlernung, ferner werden bei einzelnen Ministerien Sprachkurse durchgeführt, darunter ein interministerieller Kursus beim Auswärtigen Amt, der speziell auf die Bedürfnisse der internationalen Verwaltung abgestellt ist. Von besonderer Bedeutung erscheinen i n diesem Zusammenhang ferner die Bestrebungen, eine Zentralstelle zu schaffen, die sich m i t der Erteilung von Fremdsprachenunterricht für alle Angehörigen der öffentlichen Verwaltung befaßt und durch geeignete Präsenz- und Fernkurse eine dauerhafte Förderung und Erhaltung fremdsprachlicher Kenntnisse für eine Großzahl der Angehörigen i n der deutschen öffentlichen Verwaltung sicherstellt. Die baldige Verwirklichung der vorstehend geschilderten Vorschläge w i r d den deutschen Juristen wie auch den anderen Angehörigen der öffentlichen Verwaltung neue berufliche Möglichkeiten erschließen, und sie w i r d den angemessenen deutschen Anteil i n der internationalen Verwaltung durch gut ausgebildete Beamte stärken und damit zu einer Verbesserung der friedlichen Beziehungen zwischen den Völkern beitragen. Leitsätze 1. Unter Internationalem Dienst ist der Dienst bei ständigen Verwaltungskörpern internationaler und übernationaler Organisationen zu verstehen.

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2. Aufgaben und Technik des Internationalen Dienstes unterscheiden sich in wesentlichen Punkten vom nationalen Verwaltungsdienst. 3. I m Internationalen Dienst sind überwiegend Fachbeamte, insbesondere Volkswirtschaftler, Naturwissenschaftler, Vertreter der wissenschaftlichen Forschung, der Medizin und der Technik, als ständige Beamte oder Fachberater beschäftigt. Der Anteil von Juristen ist verhältnismäßig gering und beschränkt sich im wesentlichen auf die Funktionen der Rechtsberater und Richter bei internationalen Gerichten und Spruchbehörden sowie verschiedene administrative Funktionen. 4. Die Ausbildung des Juristen im nationalen Bereich berücksichtigt die Erfordernisse für den Internationalen Dienst nicht in ausreichendem Maße. Es ist wünschenswert, daß die Ausbildung in folgender Richtung ergänzt wird: a) Während der Schulausbildung: Intensivierung des Sprachunterrichts in Richtung auf das Beherrschen der Umgangssprache; Vertrautwerden mit den Eigenarten der an internationalen Organisationen beteiligten Staaten im Rahmen des Sprach-, Geschichts- und Erdkundeunterrichts sowie Förderung der Weltoffenheit, Kontaktfähigkeit und des Einfühlungsvermögens durch Schüleraustausch und Auslandsfahrten. b) Während des Studiums: Einige Universitäten haben bereits ein besonderes Vorlesungsprogramm für Fragen aus dem Bereich der Tätigkeit internationaler Organisationen eingeleitet. Folgende Gebiete sollten im Rahmen des Studienplans der Juristen einen festen Platz erhalten: Neben dem Völkerrecht und dem internationalen Privatrecht das internationale Verwaltungs- und Organisationsrecht sowie Weltwirtschaftsfragen. Besondere Bedeutung kommt der Veranstaltung von Übungen auf dem Gebiet des internationalen Organisations- und Verwaltungsrechts zu. Schließlich sollten zwei oder mehr Semester an ausländischen Universitäten studiert werden, um die fachlichen und sprachlichen Kenntnisse zu erweitern. c) Während des Vorbereitungsdienstes: Soweit es die knapp bemessene Vorbereitungszeit gestattet, sollte eine mehrmonatige Ausbildung bei Behörden der internationalen Verwaltung oder anderen internationalen Stellen, wie etwa bei einer internationalen Industrie- und Handelskammer oder ausländischen Behörden sowie ausländischen Anwälten, erfolgen. Praktische Erfahrungen in dieser Beziehung sind bereits mit positivem Ergebnis gemacht worden. Eine gute Vorbereitung auf die Tätigkeit im internationalen Verwaltungsbereich ist auch die Beschäftigung als Assisent bei wissenschaftlichen Instituten, die sich den Problemen des internationalen Organisations- und Verwaltungsrechts widmen. d) Ausbildung nach dem Assessorexamen: Hier wäre eine besondere beim Auswärtigen Amt zu bildende Ausbildungsstätte zur theoretischen Schulung erforderlich, die durch eine praktische Ausbildung im Bereich der internationalen Verwaltung ergänzt würde. 5. Besonderer Wert bei der Ausbildung der Juristen für den Internationalen Dienst ist noch auf eine sprachliche Ausbildung zu legen, die es dem künftigen Internationalen Beamten ermöglicht, in fremder Sprache, insbesondere Englisch und Französisch, seinen Dienst zu versehen.

Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für die Justiz Von Wilhelm Reinheimer

Die ständig zunehmende Ausweitung und Aufgliederung der rechtlichen Ordnung schließt es aus, daß der Jurist sämtliche Sparten seines Fachs gleichermaßen zu beherrschen vermag. Die Entwicklung drängt — leider — zum Spezialistentum, und es kostet den Einzelnen schon Mühe, sich auch nur i m Rahmen seines engeren Fachgebiets über das geltende Recht und über die einschlägige Rechtsprechung auf dem laufenden zu halten. Die Spezialisierung gilt i n der Praxis nicht nur i m Verhältnis der ordentlichen zu den besonderen Gerichtsbarkeiten und den sonstigen juristischen Laufbahnen, sondern äußert ihre Wirkungen bis zu einem gewissen Grad schon i m Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit selbst: Soll ein Richter, der jahrelang i n Zivilsachen tätig war, zur Strafrechtspflege überwechseln, so w i r d er erst eine gewisse Anlaufzeit benötigen, ehe er sich i n seinem neuen Wirkungskreis sicher fühlt. Noch mehr gilt dies wohl für den langjährigen Strafrichter oder Staatsanwalt, der sich i n die Zivilrechtspflege einarbeiten soll. Die hierbei auftretenden Schwierigkeiten lassen sich jedoch i n aller Regel binnen kurzem überwinden, da der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit i n den Hauptdisziplinen seines Fachs, dem Zivil-, Straf- und Prozeßrecht, eine langjährige theoretische und praktische Ausbildung genossen hat und auf die hierbei gewonnenen Grundkenntnisse und Erfahrungen zurückgreifen kann. I m übrigen wäre ein Spezialistentum i n dem Sinne, daß der Z i v i l - oder Strafrichter seinen fachlichen Gesichtskreis gerade auf das Teilgebiet der ordentlichen Justiz, das seinen speziellen Dienstbereich ausmacht, beschränken könnte, m i t den Anforderungen der Rechtspflege schlechthin unvereinbar: hat doch der Zivilrichter immer wieder u. a. über strafrechtliche, der Strafrichter über zivilrechtliche Vorfragen m i t zuentscheiden. Der Richter soll, j a muß innerhalb der Justiz beliebig auswechselbar bleiben. I n wesentlich stärkerem Maße aber macht sich die Vielfalt und das Ineinandergreifen der verschiedenen Rechtsmaterien für den Praktiker i m Verhältnis des täglichen Rechtsstoffs der ordentlichen Gerichtsbarkeit

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zu den sonstigen Bereichen der Rechtsordnung erschwerend geltend. Der Zivilrichter, aber auch der Strafrichter, hat häufig Vorgänge zu beurteilen, die das Gebiet der inneren Verwaltung betreffen, Fragen des öffentlichen Rechts, insbesondere des Verwaltungsrechts zu entscheiden. Hier genügt es nicht, daß der Richter die einschlägige verwaltungsrechtliche Fachliteratur zur Hand nimmt, um sich auf diese Weise das Material zu beschaffen, das er für seine Rechtsfindung benötigt. Auch hierzu gehört eine praktische Erfahrung, mindestens eine gewisse A n schauung. Überdies ist die Welt der Justiz eine andere als die der Verwaltung, und dieser strukturelle Unterschied kann nicht allein theoretisch erfaßt werden. Sieht man von gewissen Gebieten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ab, i n denen die Aufgaben des Richters denen eines Verwaltungsbeamten ähnlich sind, so ist die Arbeitsweise und Grundeinstellung des Richters i n ihrem Kernbereich subsumtiv, kontemplativ und statisch. Demgemäß sind typische Kennzeichen der Verwaltungstätigkeit, die weithin nur zum geringen Teil Gesetzesvollzug ist, aktives Handeln und schöpferisches Planen und Gestalten auf den weiten Gebieten des öffentlichen Lebens. U m m i t den an i h n herantretenden verwaltungsrechtlichen Problemen fertig zu werden, bedarf der Justizjurist selbstverständlich zunächst eines gediegenen Wissensfundaments auf dem Gebiet des öffentlichen, speziell des Verwaltungsrechts. Damit ist es aber nicht getan. Er muß für die richtige Würdigung der zu seiner Beurteilung stehenden Vorgänge aus der Verwaltung eine gewisse Erfahrung i n der Tätigkeit des Verwaltungsbeamten und möglichst sogar ein gewisses Einfühlungsvermögen besitzen. Darüber kann er aber nur verfügen, wenn er irgendwann während seiner Ausbildungszeit durch eine Tätigkeit bei Verwaltungsbehörden aus unmittelbarer Anschauung erfahren hat, welche Gesichtspunkte bei der Entscheidung dieser dem Gebiet der Verwaltung zugehörigen Fragen von Bedeutung sind und wie das Verwaltungsgeschehen verfahrensmäßig abläuft. Schon diese wenigen Hinweise machen klar, daß die Justiz auf eine gute Verwaltungsausbildung ihrer Richter nicht verzichten kann. Diese Kenntnis hatte sich i n einigen Teilen Deutschlands schon sehr frühzeitig Bahn gebrochen. Sie war sicherlich auch ein Grund für die Einführung der sog. „Einheitsausbildung" der Justizreferendare. Bereits i n der Bayerischen Ausbildungsordnung des Jahres 1830 war der Vorbereitungsdienst i n eine Justiz- und eine Administrativpraxis — von je einjähriger Dauer — aufgegliedert, und an diesem Grundsatz der Einheitsausbildung für sämtliche juristischeil Berufszweige hat Bayern auch in der Folgezeit festgehalten. Demgegenüber sahen die einschlägigen preußischen Vorschriften eine getrennte Ausbildung für Justizjuristen und Verwaltungsjuristen vor. Der Deutsche Juristentag des Jahres 1900 erhob darauf einstimmig die Forderung, angesichts der zahlreichen Be-

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rührungspunkte zwischen Justiz und Verwaltung die Justizreferendare i m ganzen Deutschen Reich während eines Teils ihres Vorbereitungsdienstes bei einer Behörde der inneren Verwaltung zu beschäftigen. Preußen verschloß sich allerdings auch i n der Folgezeit diesen Reformvorschlägen. Ebenso sahen die während des NS-Regimes erlassenen reichsrechtlichen Ausbildungsvorschriften noch eine Sonderausbildung für den Justizdienst und den höheren Verwaltungsdienst vor. Nach dem Zusammenbruch knüpften die Länder zunächst an diese Regelung an. Inzwischen aber haben sämtliche Länder der Bundesrepublik die einheitliche Ausbildung übernommen. Soweit die verschiedenen Zweige der Gerichtsbarkeit i n Betracht kommen, ist zudem diese Ausbildung durch das Richtergesetz bundesrechtlich festgelegt. Der gegenwärtige Rechtszustand kann — von der Erörterung der einzelnen Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes w i l l ich hier absehen — nach meiner Meinung nur begrüßt werden. Er allein trägt der Entwicklung der einschlägigen Verhältnisse i n der gebotenen Weise Rechnung. Die Verwaltung als eine der wichtigsten Erscheinungsformen staatlicher Betätigung ist seit der Jahrhundertwende i n ständigem Vordringen begriffen und i n Lebensbereiche eingedrungen, die der klassischen Eingriffsverwaltung verschlossen waren. Der Mensch der modernen Massen- und Industriegesellschaft ist i n eine wachsende Abhängigkeit von der Verwaltung geraten. Die Deckung der elementarsten Lebensbedürfnisse — die Versorgung m i t Licht und Wasser, die Sicherstellung der Wohnung, die Abwehr der Folgen von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Invalidität, die Teilnahme am allgemeinen Verkehr — muß durch die öffentliche Daseinsvorsorge gewährleistet werden, die — wie das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen hat — zu den Fundamenten unserer sozialen Ordnung gehört. Aber auch darüber hinaus gewinnt die planende, ordnende und gestaltende Tätigkeit der Verwaltung i n allen Bereichen unseres sozialen Lebens immer mehr an Gewicht. Nicht nur der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, nicht nur gelegentliche Eingriffe i n den i m übrigen automatisch funktionierenden Ablauf des bürgerlichen Lebens, sondern auch Planung und Führung i m Dienst der Sozial-, Wirtschafts- und K u l t u r p o l i t i k geben der Verwaltung des modernen Wohlfahrts- und Sozialstaates das Gepräge. Die Folge hiervon ist — u m eine Formulierung des Bundesgerichtshofs zu gebrauchen —, „eine immer stärker werdende Erfassung unseres Lebens durch öffentliche Rechtsgestaltungen und eine immer intensiver werdende Durchdringung privatrechtlicher Beziehungen durch das öffentliche Recht". Umso notwendiger ist für den heutigen Justizjuristen eine möglichst umfassende und vertiefte Ausbildung i m öffentlichen Recht, insbesondere i m Verwaltungsrecht, und die künftige Entwicklung w i r d dieses Erfordernis nur noch unterstreichen.

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I m Rahmen der Erörterungen zu dem unerschöpflichen Thema „Reform der juristischen Ausbildung" regen sich immer wieder Stimmen, die an der Verwaltungsausbildung K r i t i k üben. Sie wenden sich jedoch i n aller Regel nicht gegen die Eingliederung eines Verwaltungsabschnitts i n den Ausbildungsgang des Justizjuristen, also gegen die Institution als solche, sondern bemängelt i m wesentlichen einen „Leerlauf" der Verwaltungsausbildung. So hat sich z.B. Erdsiek erst vor kurzem i n einer Abhandlung über den Stand der juristischen Ausbildungsreform erneut m i t diesem Problem befaßt und die einschlägigen Klagen der Referendare als „allgemein und i m K e r n sicherlich berechtigt" bezeichnet. Hierzu möchte ich meiner Meinung dahin Ausdruck geben, daß ein Leerlauf der Ausbildung durchaus nicht typisch für den Verwaltungsabschnitt zu sein braucht und etwa nur i n diesem Teilstück der Ausbildung vorkommen könnte. Auch i n einzelnen Stationen des Justizsektors hat es zuweilen schon einen Leerlauf gegeben und w i r d es einen solchen h i n und wieder auch künftig geben. Für beide Teile der Ausbildung g i l t : Nicht immer stehen geeignete Ausbilder zur Verfügung. Manchmal sind sie auch durch Dienstgeschäfte so sehr i n Anspruch genommen, daß sie selbst bei bestem Willen nicht i n der Lage sind, die ihnen anvertrauten Referendare i n der nötigen Weise anzuleiten und zu fördern. Hier kann Abhilfe geschaffen werden, wenn die zuständigen Stellen dafür Sorge tragen, daß die Ausbildung des juristischen Nachwuchses tunlichst nur solchen Kräften übertragen wird, die die erforderliche Eignung hierfür besitzen, und die sonstige dienstliche Belastung dem Ausbilder genügend Zeit läßt, u m sich dem i h m zugewiesenen Referendar m i t der gebotenen Gründlichkeit widmen zu können. Dann werden auch die Klagen über einen Leerlauf der Verwaltungsausbildung nachlassen und verstummen. I m übrigen: Keine menschliche Institution funktioniert schlechthin vollkommen. M i r scheint wesentlich, daß die erwähnte K r i t i k durchweg Mängel betrifft, die sich weitgehend beheben lassen und daher m. E. keinen Anlaß bieten, die Notwendigkeit der Verwaltungsausbildung für den Justizjuristen irgendwie i n Zweifel zu ziehen. Wie der Verwaltungsabschnitt i n den gesamten Vorbereitungsdienst einzugliedern ist, welche Dauer i m Verhältnis zu den übrigen Ausbildungsteilen er haben soll, ferner wie die Verwaltungsausbildung i m einzelnen zu gestalten ist, damit sie ihren Zweck optimal erfüllt, das sind Fragen, die den Rahmen unseres Themas überschreiten. Dennoch glaube ich i n einer Richtung hierzu Stellung nehmen zu sollen. I n einem i m Vorjahr erschienenen Aufsatz „Die Verwaltungsstation i n der Referendarausbildung" äußert sich Thieme wie folgt: „Wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, daß der Justizjurist Kenntnisse i m öffentlichen Recht besitzen muß, w e i l es i m Z i v i l - und Strafprozeß als Vor- oder

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Hauptfrage eine Rolle spielt, so ist jedenfalls die Verwaltungsstation nicht dazu da, das insoweit notwendige Rüstzeug zu liefern". Wäre dem so, so müßte allen Ernstes bezweifelt werden, ob der Justizjurist der praktischen Verwaltungsausbildung bedarf. Die Auffassung von Thieme w i r d aber m. E. dem Wesen der Verwaltungsausbildung nicht gerecht. Gewiß ist die Verwaltungsstation i n der Einheitsausbildung der Referendare nicht i n erster Linie für die späteren Justizjuristen gedacht. Sie ist aber auch und gerade für diese von besonderer Bedeutung. Denn nur dadurch, daß der Referendar das Verwaltungsgeschehen i n seiner Vielgestaltigkeit selbst unmittelbar, wenn auch nur für gewisse Zeit, erlebt, w i r d er i n die Lage versetzt, später einmal als Richter die einschlägigen Vorgänge i n etwa richtig zu sehen und zu würdigen. Die verwaltungsrechtlichen Kenntnisse, die dem Studenten auf der Universität vermittelt werden, würden diese praktische Anschauung, zu der sich überdies dem Justizjuristen später i m allgemeinen keine Gelegenheit mehr bietet, sicherlich nicht ersetzen können. Umso dankenswerter wäre es deswegen natürlich, wenn bei der Auswahl des Ausbildungsstoffes, m i t dem der Referendar i n der Verwaltungsstation befaßt wird, gerade diejenigen Materien besonders intensiv berücksichtigt werden könnten, die vornehmlich auch für die Gerichtsbarkeit eine Rolle spielen. M i t der Notwendigkeit der Verwaltungsausbildung für die Justiz ist über ihre Bedeutung i m Grunde bereits das Wesentlichste gesagt. Und doch kann ein derartig allgemein gehaltener Hinweis kaum genügen, diese Bedeutung plastisch und überzeugend darzutun. Hierzu bedarf es vielmehr der Anführung einiger Beispiele. Ich betrachte es i n diesem Zusammenhang hier nicht als meine Aufgabe, die Masse der Vorschriften, nach denen der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit i n die Lage kommen kann, materielle Verwaltungsgerichtsbarkeit auszuüben, i m einzelnen aufzuzählen, so eindrucksvoll eine derartige Übersicht an sich auch sein mag. Wesentlich eindringlicher läßt sich der Wert der Verwaltungsausbildung für den Richter der ordentlichen Justiz m. E. anhand einiger Fälle aus der Praxis vor Augen führen. Bei der Auswahl brauchte ich keine Fachliteratur zu Hilfe zu nehmen, konnte vielmehr mühelos aus der laufenden Rechtsprechung und dem Verwaltungssektor meines Gerichts einschlägiges Material heranziehen, alles Probleme, die i n gleicher Weise auch die Untergerichte beschäftigen könnten, also Fälle, die dem Justizjuristen tagtäglich unterlaufen können. Zunächst folgender Fall: Eine 70jährige Rentnersehefrau kam an einem Dezembertag vor dem Haupteingang eines Landgerichtsgebäudes infolge Glatteises zu Fall. Sie erlitt eine doppelte Fraktur des rechten Armes und mußte ins Kran-

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kenhaus eingeliefert werden. Die Allgemeine Ortskrankenkasse, bei der sie pflichtversichert ist, erhob nun Schadensersatzansprüche gegen das Land Rheinland-Pfalz m i t der Begründung, der Bürgersteig sei nicht gestreut gewesen. — Hier war zunächst schon zweifelhaft, ob für das i n Frage kommende Stadtgebiet überhaupt gültige Vorschriften erlassen sind, auf die sich eine Streupflicht der Straßenanlieger stützen ließ. Der Oberbürgermeister der Stadt hatte zwar aufgrund gewisser Bestimmungen des rheinland-pfälzischen Polizeiverwaltungsgesetzes 1956 eine „Ortspolizeiverordnung" erlassen, w o r i n die Streupflicht auf die Straßenanlieger abgewälzt war. I m Januar 1960 beschloß jedoch der Stadtrat auf Grund des § 21 der Gemeindeordnung eine „Satzung" gleichen Inhalts, deren Wirksamkeit bis 30. A p r i l 1963 befristet war. Es bedurfte daher der Prüfung, ob durch die Satzung nicht die frühere ortspolizeiliche Verordnung hinfällig wurde und insbesondere auch nicht m i t dem Außerkrafttreten der Satzung automatisch wieder auflebte, — eine Frage, die man wohl i m Sinne eines endgültigen Außerkrafttretens der ortspolizeilichen Vorschrift entscheiden konnte, da der Satzung zumindest gleicher Rang wie der ortspolizeilichen Vorschrift zukommt und nicht angenommen werden kann, daß die beiden Vorschriften, die dieselbe Materie regeln, gleichzeitig nebeneinander Geltung haben sollten. Wollte man aber den Fortbestand der ortspolizeilichen Vorschrift bejahen, so wäre sie für ungültig zu erachten, da die Bestimmungen des Polizeiverwaltungsgesetzes, auf die sich die ortspolizeiliche Vorschrift stützte, keine Ermächtigung der Gemeinde enthalten, die Streupflicht auf die Anlieger abzuwälzen. Es kam also höchstens eine gewohnheitsrechtliche Normsetzungsbefugnis der Gemeinde i n Betracht, die aber wiederum — wenn sie bestanden haben sollte — spätestens m i t dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes weggefallen wäre. Denn dieses Gesetz gestattet den Gemeinden eine Abwälzung der Streupflicht auf die Anlieger nur durch Satzung und hebt das entgegenstehende oder gleichlautende Recht, worunter auch Gewohnheitsrecht zu verstehen ist, ausdrücklich auf. Als Anspruchsgrundlage verblieb somit höchstens ein materielles Gewohnheitsrecht des Inhalts, daß die Anlieger bei Glatteis zu streuen haben. Eine solche Rechtsgrundlage wäre auch nicht durch das Landesstraßengesetz aufgehoben worden, da dieses ausdrücklich Ausnahmen von der grundsätzlichen Reinigungspflicht der Gemeinden insoweit zuläßt, als „Verpflichtungen Dritter auf Grund anderer Vorschriften oder auf Grund von Vereinbarungen bestehen", eine andere Vorschrift i m Sinne des Gesetzes aber auch eine solche gewohnheitsrechtlicher Natur sein kann. Sie werden m i r einräumen, daß nur ein i m verwaltungsrechtlichen Denken versierter Richter i n der Lage ist, die zahlreichen und schwierigen Probleme, die allein dieser eine Fall bietet, sachgerecht zu lösen.

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Ein Zivilsenat meines Gerichts hatte sich m i t folgendem Sachverhalt zu befassen, der verwaltungsrechtliche Fragen wieder ganz anderer A r t auf warf: I m Räume Zweibrücken wurde eine Landstraße I. Ordnung i n den Jahren 1959/60 ausgebaut und dabei entlang dem Anwesen einer Schuhfabrik u m 5 bis 20 cm angehoben. Infolgedessen konnte das Wasser auf dem bis dahin zur Straße abfallenden Fabrikhof nicht mehr i n die Straßenrinne ablaufen. Vielmehr war der Inhaber der Schuhfabrik genötigt, seinen Fabrikhof höher zu legen, um dadurch die Entwässerung seines Grundstücks wieder zu ermöglichen. — Er verlangte nun vom Land Rheinland-Pfalz Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen, da i h m durch die Veränderung der Straße ein Sonderopfer auferlegt worden und das Land unter dem Gesichtspunkt der Enteignung entschädigungspflichtig sei. Das beklagte Land vertrat die Ansicht: Die Straßenanlieger hätten solche, den Gemeingebrauch einschränkende Maßnahmen hinzunehmen, die notwendig seien, um die Straße den Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen. Die Entwässerung von Privatgrundstücken sei zudem nicht Angelegenheit des Straßenbaus, sondern der Baupolizei. Soweit sie auf die Straße erfolge, liege eine Sondernutzung vor. Die hierfür anfallenden Kosten habe nach den Bestimmungen des Landesstraßengesetzes der Erlaubnisnehmer zu tragen. Zumindest fehle es an einer erheblichen Beeinträchtigung, was Voraussetzung eines Entschädigungsanspruches sei; auch müsse sich die K l ä gerin die ihr durch den Straßenausbau zustatten gekommenen Vorteile anrechnen lassen. — Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht sah i n der Höherlegung der Straße einen enteignungsgleichen Eingriff i n das Grundeigentum des Klägers, wobei es sich auf die einschlägigen wasserrechtlichen Bestimmungen stützte. U. a. hob es hervor: Die untere Wasserbehörde könne zwar aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Verkehrs, eine künstliche Veränderung des Zu- und Abflusses anordnen. Eine derartige Anordnung oder Genehmigung sei aber nicht ergangen. Die allgemeine Anordnung der Höherlegung der Straße durch die Straßenverwaltung ersetze die von anderen Behörden zu treffende wasserrechtliche Anordnung nicht. A u f die Erheblichkeit der Beeinträchtigung komme es nicht an, da es sich um einen rechtswidrigen Eingriff handle. Aber nicht nur die Zivilrichter, sondern auch der Strafrichter muß in der Lage sein, sich i n staats- oder verwaltungsrechtlichen Fragen zurechtzufinden. So war erst kürzlich der Strafsenat meines Gerichts m i t folgendem interessanten Problem befaßt: I n einer kleineren Stadt hatte der Geschäftsführer einer Bar weibliches Bedienungspersonal außer durch den üblichen Bedienungszuschlag von 10 °/o auch durch eine erhebliche Beteiligung am Umsatz der Ge-

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tränke entlohnt, zu denen die Gäste die weibliche Bedienung einluden. Vor dem Strafrichter hatte sich nun der Geschäftsführer wegen Übertretung nach dem Gaststättengesetz zu verantworten, da er den Bestimmungen über die A r t der Entlohnung des weiblichen Bedienungspersonals zuwidergehandelt habe, die auf Grund des § 17 des Gaststättengesetzes i n einer vom Minister für Wirtschaft und Verkehr erlassenen Landesverordnung vom 7. März 1963 des näheren festgelegt waren. Der Strafsenat hat die Ansicht vertreten, daß diese vom Fachminister erlassene Landesverordnung als Rechtsverordnung nichtig sei, da sie nach A r t . 80 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. A r t . 129 Abs. 1 GG von der Landesregierung hätte erlassen werden müssen. Die Zuständigkeitsregelung des A r t . 80 GG gelte auch für vorkonstitutionelles Recht, worunter das Gaststättengesetz falle. Die Vorschrift des A r t . 129 Abs. 1 GG, wonach eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen, die i n den als Bundesrecht fortgeltenden Rechtsvorschriften enthalten sei, auf die nunmehr sachlich zuständige Stelle übergehe, bringe i n keiner Weise zum Ausdruck, daß die Verordnungsbefugnis des einzelnen Landesministers als oberster Landesbehörde, wie sie i n der Zeit vor dem erstmaligen Zusammentritt des Bundestages bestanden habe, auch i n der Folgezeit i n Geltung geblieben sei. Eine solche Auslegung widerspreche auch allgemeinen Grundsätzen, da die Bestimmung des Ermächtigungsträgers wesentlicher Bestandteil der Ermächtigungsnorm sei und diese ohne eine derartige Bestimmung der gebotenen Vollständigkeit entbehre. Vielmehr bezwecke die Regelung des A r t . 129 Abs. 1 GG, diejenigen Ermächtigungsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten würden, abschließend zu ändern und an das neue Verfassungsrecht des Bundes anzugleichen. Für eine solche Änderung sei allein der Bundesgesetzgeber zuständig gewesen. Die Nichtigkeit der fraglichen Landesverordnung könne aber nicht zum Freispruch des Täters führen. Vielmehr habe sie zur Folge, daß auch die i n ihr enthaltene Bestimmimg über die A u f hebung der die gleiche Materie regelnden bayerischen Landesverordnung vom 12. 9.1931 nichtig sei und die Strafbarkeit des Täters daher unter Berücksichtigung dieser Vorschrift erneut geprüft werden müsse. Der Senat hat dementsprechend das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des Senats hat Widerspruch gefunden. Unser Thema bietet keinen Anlaß, zu dem Meinungsstreit kritisch Stellung zu nehmen. Ich habe es aber für angezeigt gehalten, gerade auch diesen F a l l aufzugreifen, da er besonders deutlich macht, welch hohen Anforderungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts an den Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit herantreten können. Wie die angeführten Beispiele zeigen, hat der Justizrichter nicht nur inzidenter über verwaltungsrechtliche Vorfragen zu entscheiden. Viel-

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mehr kann der Streitgegenstand des Prozesses selbst verwaltungsrechtlicher Natur sein. Erhebliches Gewicht kommt i n diesem Zusammenhang vor allem auch den Amtshaftungsklagen zu, i n welchen der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit häufig über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Verwaltungsbehörden zu befinden hat. A n den Strafrichter treten Probleme der gleichen'Art hauptsächlich als Vorfrage bei der Entscheidung über den staatlichen Strafanspruch heran, so etwa i n den Fällen des Widerstands gegen die Staatsgewalt die Frage, ob sich der Polizeibeamte, der eine Festnahme vorgenommen hatte, hierbei i m Rahmen pflichtgemäßen Ermessens gehalten hat, oder i n Fällen der schweren passiven Bestechung die Frage, ob z. B. der Beamte eines Wohnungsamtes das Geldgeschenk eines Wohnungsuchenden i n Beziehung auf eine Wohnungszuteilung annahm, die sich als eine Verletzung seiner Dienstpflicht darstellt. Von größerem praktischen Gewicht ist das Ineinandergreifen von Verwaltungsrecht und Strafrechtspflege i m weiteren Sinne auch i m Bußgeldverfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. I n diesen Sachen hat sich der Strafrichter hauptsächlich m i t Bußgeldbescheiden der Landratsämter, etwa wegen Bauübertretungen, Verstößen gegen die Bestimmungen über die Weinlese oder über öffentlich-rechtliche Pflichten des einzelnen nach den Wahlgesetzen, u. a. aber auch m i t Bußgeldbescheiden der Bezirksregierung i n ihrer Eigenschaft als mittlere Preisbehörde zu befassen. Eine Sondergruppe des verwaltungsgerichtlichen Prozesses bilden die der ordentlichen Justiz zugewiesenen Verfahren zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit solcher Justizverwaltungsakte, die einzelne Angelegenheiten auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege regeln. Bekanntlich haben Fälle dieser A r t gerade i n letzter Zeit die Rechtsprechung wiederholt beschäftigt. — Besondere Schwierigkeiten können schließlich noch die Grenzfälle zwischen den Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den übrigen Zweigen der Gerichtsbarkeit, vor allem der Verwaltungsgerichtsbarkeit, bereiten, also die Frage: Gehört die Sache vor die ordentlichen Gerichte oder ist ein anderer Rechtsweg zu beschreiten. Die Lösung der hierbei auftauchenden Probleme w i r d dem Justizrichter nur möglich sein, wenn er über eine gründliche Schulung i m verwaltungsrechtlichen Denken verfügt und die besondere Struktur der i n Betracht kommenden Rechtsbereiche gleichermaßen zu überblicken vermag. Lassen Sie mich zur Veranschaulichung auch hierzu noch ein Beispiel anführen. Es handelt sich um ein Verfahren, das gleichfalls bei einem Zivilsenat meines Gerichts geschwebt hat: Die Klägerin war als Eigentümerin von Weinbergen Beteiligte einer sogenannten „Aufbaugemeinschaft", einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die aufgrund des Landesgesetzes über den Wiederaufbau reb-

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lausverseuchter Weingebiete — Weinbergaufbaugesetz — für das Gebiet einer pfälzischen Weinbaugemeinde durch Beschluß des zuständigen Landrats errichtet worden war. Die Aufbaugemeinschaft forderte die Klägerin auf, 1080 Pfropfreben zu entfernen. Die Klägerin kam dieser Anordnung nach, nachdem sie sich zunächst vergeblich dagegen gewehrt hatte. Nunmehr forderte sie i m Klageweg von der Aufbaugemeinschaft Entschädigung mit der Begründung: Die i h r zugemutete Entfernung der Reben bedeute für sie einen außerordentlichen Verlust, der weit über das Opfer hinausgehe, das die übrigen Winzer i m Zusammenhang m i t der Umstellung von wurzelechten Reben auf Pfropfreben hätten erbringen müssen. Da sie ihre Weinberge schon vor Jahren von wurzelechten Reben auf Pfropfreben umgestellt habe, sei die ihr gegenüber angeordnete Entfernung der — reblausfesten — Reben nach dem Zweck des Weinbergaufbaugesetzes nicht gerechtfertigt gewesen. Die Aufbaugemeinschaft machte als Beklagte geltend: Die Sache gehöre vor das Verwaltungsgericht, da die der Klägerin auferlegte, zur Vorbereitung der Flurbereinigung gebotene Entfernung der Pfropfreben eine Beitragsforderung i m Rahmen des Aufbauverfahrens bedeute und demnach einen Entschädigungsanspruch nach Enteignungsgrundsätzen nicht auslösen könne. Der Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat i m Berufungsverfahren die Ansicht vertreten: Die Sache gehöre vor das Verwaltungsgericht, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher A r t handle, die eine nach den Bestimmungen des Weinbergaufbaugesetzes zu beurteilende „Beitragsleistung" und einen ebenfalls nach diesen Bestimmungen zu beurteilenden Geldausgleich zum Gegenstand habe. Entscheidend komme es allein darauf an, ob die Anordnung der Beklagten den Grundsatz der Gleichbehandlung wahre. Da eine besondere Vorschrift, die für derartige Streitigkeiten den ordentlichen Rechtsweg vorsehe, nicht bestehe, ergebe sich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts aus der Regelbestimmung des § 40 der Verwaltungsgerichtsordnung. — Der Bundesgerichtshof, der i m Revisionsverfahren m i t dieser Sache befaßt wurde, vertrat demgegenüber die Ansicht: Der erhobene Anspruch stelle sich als ein solcher aus enteignungsgleichem Eingriff dar, so daß der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Die Klägerin halte i n erster Linie das Handeln der Beklagten ihr gegenüber für rechtswidrig, und zwar deshalb, weil die Beklagte sie ungleich gegenüber anderen Weinbergbesitzern behandelt habe, ferner weil die Entfernung ihrer Pfropfreben nicht durch den Zweck des Weinbergaufbaugesetzes gerechtfertigt sei und weil das entschädigungslose Entfernen von Pfropfreben keinesfalls zulässig sei. Habe die Beklagte rechtswidrig gehandelt, so stehe damit als das dem enteignungsgleichen Eingriff Eigentümliche fest, daß das der Klägerin auferlegte Opfer jenseits der allgemeinen Opfergrenze liege, also ein Sonderopfer darstelle, das entsprechend dem Gebot der Gleichbehandlung zu ent-

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schädigen sei. Die Auferlegung eines solchen Sonderopfers lasse sich daher weder auf eine Beitragspilicht stützen noch liege sie i m Rahmen der sozialen Bindung des Eigentums. Für ein solches Opfer müsse vielmehr die Beklagte als Begünstigte die Klägerin entschädigen, da sie sich durch den Eingriff ihrer besonderen Aufgabe i m Rahmen des Weinbergaufbaus habe entledigen wollen. Auch hier bedarf es — i m Rahmen dieser Erörterungen—keiner Stellungnahme, welcher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist. Wesentlich kam es m i r allein darauf an, aufzuzeigen, welch subtile Erwägungen verwaltungsrechtlicher A r t der Justizrichter anstellen muß, um die oft sehr verborgene Grenze zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erkennen und herauszuarbeiten. Nicht zuletzt t r i t t das erhebliche Gewicht, das dem Verwaltungsrecht i n der ordentlichen Gerichtsbarkeit zukommt, i n der Rechtsprechung des B G H zutage, die eine Fülle wichtigster öffentlich-rechtlicher Leitsätze und Erörterungen aufweist. Ich erinnere nur an die Entscheidungen, die zur Frage der Rechtmäßigkeit, Rechtswirksamkeit oder Nichtigkeit eines Verwaltungsakts Stellung nehmen oder sich darüber aussprechen, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt von der erlassenden Behörde widerrufen werden kann, ob eine Behörde berechtigt ist, später entstandene Tatsachen nachzuschieben, u m einem fehlerhaften Verwaltungsakt Rechtswirksamkeit zu verschaffen, ob die Feststellung eines Fluchtlinienplanes ein Verwaltungsakt oder ein A k t der Ortsgesetzgebung ist, welche Grenzen die Polizei bei ihren Maßnahmen zu beachten hat oder welche Grundsätze bei der Beurteilung von Ermessensentscheidungen maßgebend sind. Die Verwaltungsausbildung hat für den Justizrichter noch insofern besondere Bedeutung, als nicht alle Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur i n der Rechtsprechung tätig sind, sondern — wie hauptsächlich die Vorstände der Gerichtsbehörden — auch Verwaltungsaufgaben zu erfüllen haben. Da sich diese Verrichtungen nur durch die A r t der Dienstgeschäfte, nicht aber der Struktur nach von der Tätigkeit der allgemeinen Verwaltung unterscheiden, w i r d der Richter diesen Pflichtenkreis umso sachgerechter bewältigen können, je gründlicher die Verwaltungsausbildung gewesen ist, die er i m Vorbereitungsdienst erhalten hat. Erst recht gilt dies dann, wenn ein Richter i n die ministerielle Laufbahn überwechselt und nunmehr ausschließlich m i t Verwaltungsaufgaben betraut ist. Bekanntlich pflegt das Justizministerium seinen Personalbedarf weitgehend gerade aus der Richterschaft zu decken. Aber auch andere Ministerien machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Schließlich ist i n diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, daß 9

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Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit schon wiederholt i n die verwaltungsgerichtliche Laufbahn übernommen worden sind. Die bisherigen Ausführungen behandelten die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für die Justiz i m wesentlichen aus der Sicht des Richters, und dieser Frage kam naturgemäß auch das Hauptgewicht zu, w i r d doch die Justiz i n ihrem Kernbereich, der Rechtsprechung, durch die Richterschaft verkörpert. I n gleichem Maße wie die Richter bedürfen selbstverständlich aber auch die Staatsanwälte der praktischen Verwaltungserfahrung, zumal sie regelmäßig, schon ehe der Richter überhaupt m i t der Sache befaßt w i r d — i m Ermittlungsverfahren — die gleichen rechtlichen Erwägungen anzustellen haben wie dieser. Hinzu kommt die Möglichkeit eines Wechsels zwischen staatsanwaltschaftlicher und richterlicher Laufbahn. Z u den Organen der Rechtspflege zählen ferner die Rechtsanwälte und die Notare. Es bedarf i n diesem Kreis keiner näheren Darlegung, daß an sie i n ihrem beruflichen Wirken häufig verwaltungsrechtliche Fragen herantreten und daß daher auch für diese Laufbahnen eine gediegene Verwaltungsausbildung unerläßlich ist. Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für die Justiz wäre aber nicht erschöpfend gewürdigt, wenn dabei lediglich auf das verwaltungsrechtliche Aufgabengebiet abgestellt würde, das der Justizjurist i n der Rechtsprechung oder i n seinem sonstigen Pflichtenkreis zu bewältigen hat. Dieses unmittelbare praktische Bedürfnis ist nicht der einzige maßgebliche Gesichtspunkt. Vielmehr kommt die Verwaltungsausbildung dem Justizjuristen mittelbar i n seinem gesamten beruflichen Wirken zustatten, dem Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit daher auch insoweit, als sich seine Rechtsprechung auf dem engeren Fachgebiet des Z i v i l - und Strafrechts bewegt. Denn die Tätigkeit bei den Verwaltungsbehörden vermittelt dem künftigen Justizjuristen unmittelbar Einblicke i n Lebensvorgänge, wie er sie sonst nicht oder doch nicht ohne weiteres gewinnen könnte, und weitet damit seinen Gesichtskreis. Gerade der Richter bedarf aber solcher Grundlagen der Lebens- und Menschenkenntnis i n besonderem Maße. Nur wenn er dieses Erfordernis i n seiner Person erfüllt, besteht die Gewähr für eine lebensnahe und gedeihliche Rechtspflege. Gestatten Sie mir, daß ich i n diesem Zusammenhang neben der Bedeutung der praktischen Verwaltungsausbildung auch die Bedeutung der zusätzlichen Ausbildung hervorhebe, die die Veranstalterin dieser Tagung, die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, dem jungen Juristen bietet. Für die Referendare des Landes RheinlandPfalz ist der Besuch der Hochschule für die Dauer eines Semesters i n den Vorbeitungsdienst obligatorisch eingebaut, und zwar i n der Weise,

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daß der Referendar erst dann zur Hochschule kommt, wenn er bereits einen Teil des Vorbereitungsdienstes bei den Verwaltungsbehörden abgeleistet hat. Die bis dahin gewonnene praktische Anschauung erfährt nun von der theoretischen Seite her eine Festigung und Vertiefung. Setzt der Referendar nach Beendigung des Semesters seine Tätigkeit bei den Verwaltungsbehörden fort, so verfügt er nun für die weitere Verwaltungsausbildung über eine Grundlage, wie sie gediegener nicht sein könnte — selbstverständlich vorausgesetzt, daß er von den i h m an der Hochschule gebotenen Möglichkeiten auch i n entsprechender Weise Gebrauch macht. Der Wert dieser ergänzenden theoretischen Schulung ist umso höher zu veranschlagen, als der Lehrstoff sich nicht nur auf die Kernbereiche des Staats- und Verwaltungsrechts beschränkt, sondern auch die immer wichtiger werdenden Gebiete des internationalen Rechts, vor allem des Europarechts und der Rechtsvergleichung, erfaßt. Darüber hinaus bietet die Hochschule dem Referendar Gelegenheit, seine Wissensgrundlagen auch über sein Fachgebiet hinaus zu pflegen und zu erweitern, so etwa auf dem Gebiet der Geschichte, der Politik, der Soziologie oder auf dem Gebiet der Fremdsprachen, deren Beherrschung für den Juristen von wachsender Bedeutung ist. Lassen Sie es mich hier nochmals aussprechen, daß es gerade für den Richter — das gilt für den Justizrichter ebenso wie für den Richter jeder anderen Gerichtsbarkeit — nicht genügen kann, nur i n seinem Fachgebiet Bescheid zu wissen. Ein Richter darf nicht nur Jurist sein, wenn er ein guter Richter sein w i l l . Er muß auch andere geistige Interessen haben und pflegen und vor allem auch auf eine möglichst umfassende Allgemeinbildung bedacht sein. Nur so gewinnt er die Weite des Blicks, die i h m eine Einfühlung i n die i h m unterbreiteten Lebensverhältnisse und eine sachgerechte Beurteilung ermöglicht. Diese Fähigkeit ist für eine gute Rechtsprechung mindestens genauso wichtig wie die Fähigkeit zu logisch geordneten juristischen Konstruktionen. Ich habe zuweilen den Eindruck, daß manche jungen Juristen dazu neigen, diesen Teil ihrer beruflichen Vorbereitung zu vernachlässigen, und daß sie glauben, m i t dem bloßen Fachwissen sei es getan. Umso mehr ist es zu begrüßen, daß sie hier an der Hochschule auf diese allgemeinen Grundlagen, die das Berufsbild des Richters und darüber hinaus des Juristen ganz wesentlich bestimmen, noch einmal hingewiesen werden und die Möglichkeit erhalten, Versäumtes nachzuholen. Als ich an die Vorarbeiten zu dem heutigen Referat heranging, war es selbstverständlich eines meiner ersten Anliegen, einschlägiges Schriftt u m zu sammeln und zu sichten. Ich mußte mich aber bald davon überzeugen, daß es ein Schrifttum, das sich speziell mit unserem Thema befaßt, kaum gibt. Wohl finden sich Abhandlungen i n reicher Fülle zur Frage „Einheitsausbildung oder getrennte Ausbildung für Justiz- und

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Verwaltungsjuristen". Sie beschränken sich jedoch i m wesentlichen darauf, die Verwaltungsausbildung für die Justizjuristen entweder als notwendig oder als zweckmäßig oder als entbehrlich zu bezeichnen, ohne aber über die Anführung allgemeiner Gesichtspunkte und über allgemeine Redewendungen hinauszugelangen. Als ich meine Durchsicht auf das Schrifttum des vergangenen Jahrhunderts erstreckte, fand ich i n den Beständen des Bayerischen Staatsarchivs eine i m Jahre 1897 erschienene Schrift m i t dem Titel „ Z u r Reform der juristischen Vorbildung nach Erlaß des bürgerlichen Gesetzbuches". Verfasser ist ein Bankdirektor Dr. Petri aus Straßburg. Lassen Sie mich zum Abschluß die Gedanken, die i n dieser Schrift vor nunmehr rund 70 Jahren niedergelegt worden sind, wenigstens auszugsweise wiedergeben. Sie verdienen es, da sie die Entwicklung der Dinge m i t bemerkenswerter Klarheit vorausgesehen haben und einen historisch interessanten Beitrag zu unserem Thema bieten. Der Verfasser sagt zur Gestaltung des Vorbereitungsdienstes: „Die A r t der Beschäftigung anlangend, ist das z. B. i n Bayern, Sachsen, Baden und Hessen bestehende System zu empfehlen, wonach der Referendar die Vorbereitungszeit teils bei den Gerichten und einem Rechtsanwalt, teils bei einer Verwaltungsbehörde zuzubringen hat, i m Gegensatz zu dem preußischen Regulativ, welches für die Kandidaten, die sich dem höheren Justizdienste, der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat widmen wollen, die Beschäftigung bei einer Verwaltungsbehörde nicht vorschreibt. Diese Beschäftigung ist aber gerade für die späteren Richter und Rechtsanwälte von besonderem Wert; zwar w i r d mancher unter ihnen sich mit geringerem Interesse ihr hingeben, w e i l er eben nicht die Verwaltungskarriere, sondern die richterliche Karriere einzuschlagen gedenkt; andere hingegen werden sich durch ihre Tätigkeit bei den Verwaltungsbehörden besonders angeregt fühlen und alle, auch die weniger fleißigen, werden einen Einblick gewinnen i n den Geschäftsgang und die Einrichtungen der Verwaltung sowie i n die A r t der Behandlung der zu deren Bereich gehörigen Angelegenheiten. Daß der Jurist auch das Verwaltungsrecht kennen muß, w i r d allgemein anerkannt, was schon daraus hervorgeht, daß überall i n Deutschland, soweit m i r bekannt, die Kandidaten beim zweiten Examen i n diesem Fach geprüft werden; nur konsequent ist es also, daß ihnen auch Gelegenheit gegeben wird, sich m i t Verwaltungssachen zu befassen; mehr noch vielleicht als beim Privatrecht ist beim Verwaltungsrecht die praktische Übung eine unerläßliche Ergänzung des theoretischen Studiums; denn i n Verwaltungssachen sind die Entscheidungen eher nach den besonderen Umständen jedes einzelnen Falles als nach dem Buchstaben irgend eines Gesetzes zu treffen und die Juristen, wenn sie Dinge behandeln, die zur Verwaltung gehören, sind nur allzusehr geneigt, auf dieselben die rein privatrechtlichen Begriffe mit einer gewissen Einsei-

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tigkeit zur Anwendung zu bringen. Namentlich für den künftigen Rechtsanwalt bietet die Beschäftigung bei der Verwaltung ein erhebliches Interesse, da der Rechtsanwalt häufig i n die Lage kommt, auch i n Verwaltungssachen Ratschläge zu erteilen und vor den Verwaltungsgerichten als Parteivertreter zu erscheinen. Zu diesen pädagogischen Gründen ist noch ein weiterer Grund für die Einführung bzw. Beibehaltung der Verwaltungsstage geltend zu machen: I n den verschiedenen Bundesstaaten, mit Ausnahme von Preußen, ist es nämlich nicht wohl angängig, zwei verschiedene Prüfungsordnungen für die Befähigung zum höheren Justizdienst und zur Rechtsanwaltschaft einerseits und für die Befähigung zu einem Amte der inneren Verwaltung andererseits zu erlassen; es müssen vielmehr, m i t Rücksicht auf die verhältnismäßig beschränkte Zahl der i n Betracht kommenden Stellen, einheitliche Regeln für beide Laufbahnen aufgestellt werden, damit den Kandidaten die Möglichkeit des späteren Übertritts von einem Dienste zum anderen erhalten bleibe; . . Das, was der Verfasser damals ausgesprochen hat, gilt heute unverändert, ja i n verstärktem Maße fort. Der Justizjurist hat öffentlichrechtliche Prozesse zu entscheiden, öffentlich-rechtliche Fragen sind sehr häufig für den Justizjuristen i n Z i v i l - und Strafsachen wichtige Vorfragen. Die Zulässigkeit des Rechtswegs kann ohne tiefere Kenntnis des öffentlichen Rechts nicht korrekt entschieden werden. Die praktische Ausbildung des Justizjuristen i n der Verwaltung ist ferner unerläßlich, um ihm den erforderlichen Weitblick zu verschaffen. Ich möchte sagen: Die Notwendigkeit der Eingliederung des Verwaltungsabschnittes i n den Ausbildungsgang des Justizjuristen ist inzwischen so evident geworden, daß hierin ein Problem überhaupt nicht mehr zu erblicken ist. Sie versteht sich gleichsam von selbst. Ich habe daher auch meine Hauptaufgabe i m wesentlichen darin erblickt, anhand von Beispielen aus der Praxis die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für den Justizjuristen nochmals zu unterstreichen und zu veranschaulichen. Thesen 1. Die Verwaltungsausbildung ist für den Justizjuristen unerläßlich. Der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit benötigt sie in erster Linie aus zwei Gründen: a) Die Fälle, in denen er mit verwaltungsrechtlichen Fragen befaßt wird, haben eine erhebliche praktische Bedeutung (Entscheidung der der Justiz zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, Entscheidungen über verwaltungsrechtliche Vorfragen und über die Zulässigkeit des Rechtswegs); b) Die erforderliche Einsicht in das Wesen der Verwaltung und die besondere Struktur des Verwaltungsverfahrens kann nur durch unmittelbare Anschauung vermittelt werden.

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Wilhelm R e i n h e e r Die Verwaltungsausbildung dient aber zugleich der Erweiterung des Gesichtskreises der Richter und kommt daher mittelbar auch der Rechtsprechimg im ganzen zustatten. Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für die Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Notare.

2. Die Kritik an der Verwaltungsausbildung der Gerichtsreferendare betrifft behebbare Mängel und berührt somit nicht die Notwendigkeit der Institution als solcher. 3. Die praktische Verwaltungsausbildung erfährt durch den Einbau einer theoretischen Schulung, wie sie die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer bietet, eine wertvolle Ergänzung und Vertiefung.

Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung in der Wirtschaft Von Hans A. Wieacker

I. Ich möchte zunächst einige Vormerkungen machen. Nicht jeder Verwaltungsausbildung des Juristen w i r d i n der W i r t schaft Bedeutung beizumessen sein. W i r haben eine sehr vielfältige Handhabung der Verwaltungsausbildung auf dieser Tagung kennengelernt bis zu der bayerischen echten Doppelausbildung. Natürlich w i r d es bei der Beantwortung der Frage nach der Bedeutung sehr darauf ankommen, was für eine Verwaltungsausbildung der Jurist erfahren hat. Es ist nicht die Aufgabe meines Themas, über diese selbst zu sprechen, und ich beschränke mich darauf zu unterstellen, daß es eine gute Verwaltungsausbildung gewesen ist, auf die der Jurist i n der W i r t schaft zurückblicken kann. Keinen Zweifel möchte ich darüber lassen, daß der Durchlauf jenes Referendars, den Herr Präsident Pötter i n seinem Bericht erwähnte, bei fünf Beamten des gehobenen Dienstes i n einer Amtsverwaltung innerhalb von fünf Monaten i n keiner Weise als solche gute Verwaltungsausbildung angesehen werden kann. Ein informatives Herumsitzen bei einigen Sachbearbeitern ist keine Verwaltungsausbildung. Es gibt wirklich ganz andere Möglichkeiten. Der Referendar sollte einem Verwaltungschef zugewiesen werden, der bereit ist, den jungen Mann als seinen Assistenten, oder wie Sie ihn nennen wollen, echt zu allen Dingen heranzuziehen. Dann w i r d i h m von dem Geist und Wesen der Verwaltung etwas zuteil. Welche Schwierigkeiten es für die um die Ausbildung Bemühten bedeutet, solche Chefs zu finden, darüber wollen w i r uns keine Illusionen machen. Es gibt sie aber. Weiter möchte ich vorweg klarstellen, warum ich i n folgendem gelegentlich das scheußliche Wort Staatsapparatur gebrauche. Ich w i l l damit daran erinnern, daß nicht i n der inneren Verwaltung, sondern i n allen Funktionen des Staates Verwaltung betrieben wird. I I . Wer sich u m die Verwaltungsausbildung der Juristen bemüht und ihre Bedeutung i n der Wirtschaft kennenlernen w i l l , w i r d sich zunächst über die Zahl der Juristen Rechenschaft ablegen, die i n der Wirtschaft tätig sind. Aber offenbar sind einigermaßen brauchbar aufbereitete, umfassende statistische Unterlagen nicht vorhanden. Ich muß mich des-

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halb auf eine Schätzung beschränken, die, wenn auch durch Gegenkontrollen überprüft und korrigiert, natürlich nur m i t allen Vorbehalten vorgenommen werden kann. Ich komme zu einer Mindestzahl von 12 000 Juristen, die i n der privaten Wirtschaft tätig sind. Es mögen aber auch wesentlich mehr sein, vielleicht bis zum Doppelten. Zum Vergleich: Die Zahl der Richter beläuft sich demgegenüber auf etwa 12 000, die der freien Anwälte unter den zugelassenen, also nach Abzug der Syndikusanwälte, etwa auf 14—15 000. Wenn Sie also die absolute und relative Größenordnung der i n der Wirtschaft tätigen Juristen ansehen, erscheint es durchaus gerechtfertigt, daß Sie bei den Überlegungen über die Verwaltungsausbildung des Juristen die Frage einbeziehen, wieweit sie für die Wirtschaft Bedeutung hat. Nicht übersehen werden kann aber, auch i m Rahmen dieses Themas, die Bedeutung, die dem Vorhandensein eines verwaltungsnah ausgebildeten Juristen i n der Apparatur des Staates für die W i r t schaft zukommt. Ich hoffe, daß dieses i m Laufe meiner Ausführungen noch verdeutlicht werden kann. I I I . Nun muß ich Sie zunächst enttäuschen. F ü r einen Angehörigen unternehmerischer Wirtschaft ist es nicht selbstverständlich, daß die Frage nach der Bedeutung der Verwaltungsausbildung des Juristen in der Wirtschaft aufgeworfen oder gar bejaht wird. Die wirtschaftlich unternehmerische Tätigkeit ist alles andere als Verwaltung. Sie richtet sich nach eigenen dynamischen Gesetzen. Gewinnstreben ist ihr legitimes Anliegen, und hohe Risiken werden hierbei eingegangen. Die Leistungen der Ingenieure, Chemiker, Physiker und des Kaufmannes, also von Spezialisten — i n ihrem Fach können sie Allround-Leute sein —, sind i n aller Regel die Grundlage für den Erfolg des Unternehmens auf dem Markt. Wenn ein Unternehmen verwaltet wird, ist das Ende meist nicht mehr fern. Wo Verträge, Rechtsverhältnisse, schwierige Wettbewerbsfragen und internationales Privatrecht i n den Unternehmungen laufend eine Rolle spielen, sind auch Juristen Spezialisten des Unternehmens. Sie haben die Voraussetzungen zu erfüllen, die ein guter Jurist zu erfüllen hat, und Herr Oberlandesgerichtspräsident Reinheimer hat uns ja vorhin sehr deutlich gemacht, wie eben der Jurist überhaupt auch Kenntnisse über die Verwaltung i m weitesten Sinne nicht entbehren kann. Sprechen Sie indes i n der Wirtschaft von Verwaltung, fühlt sich der Betriebswirt angesprochen; denn Verwaltung i m Denken eines Unternehmens ist identisch m i t Unternehmens- oder Betriebsorganisation. Dies ist inzwischen eindeutig die Domäne der Betriebswirte geworden. Wo die Personalverwaltung i n Händen von Juristen liegt, sind es spezialisierte Arbeits- und Sozialrechtler, nicht „Verwaltung" i n unserem Sinne.

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Aber es muß auch gesagt werden, daß seit eh und je die Aufsichtsräte großer Gesellschaften gefunden haben, daß sie unter ihren gewerblichen Gesichtspunkten gut bedient sind, wenn sie Verwaltungsleute von Format i n ihre Vorstände oder an die Spitze des Unternehmens berufen haben. Das ist auch heute — nach Aufhören des „Juristenmonopols" — noch so, und die Finger meiner Hände reichen nicht aus, um diese Fälle aufzuzählen, von denen Ihnen viele, wenn ich sie Ihnen namentlich vorführen würde, geläufig sein würden. Oft sind es Verwaltungsjuristen, meist aus dem Bereich der Wirtschaftsverwaltung. Und nicht wenige selbständige Unternehmer legen Wert auf ihre juristische Vorbildung. Wir wollen diese Fälle aber nicht unserer Untersuchung hier zugrundelegen, denn Spitzenpositionen sind auch i n der Wirtschaft überaus selten. Und eben nur ein kleiner Teil dieser Spitzenpositionen ist von Juristen besetzt. Gleichwohl meine ich, ist die verwaltungsnahe Ausbildung des Juristen für die Wirtschaft mehr denn je von Bedeutung. IV. Die sich überstürzenden Ereignisse der zweiten technischen Revolution, der auf kürzeste Zeitspanne zusammengedrängte Übergang zur modernen Industriegesellschaft, hat Probleme aufgeworfen, die fortgesetzte Wechselbeziehungen zwischen der Wirtschaft und dem öffentlichen Verwaltungsapparat zur Folge haben. Zwar ziert den freiheitlich gesonnenen Mann der Wirtschaft die Devise: So wenig Staat wie möglich. Er hat seinen „Erhard" wohl studiert. Ich meine natürlich das Buch, das der Herr Bundeskanzler als Wirtschaftsminister geschrieben hat. Die Realität unseres fortschrittsgläubigen Lebens ist aber durchaus anders, und jedermann sieht die Notwendigkeit weitgehender staatlicher, öffentlicher Betätigung auch ein, wenn er m i t konkreten Problemen konfrontiert wird. Der Fortschritt bedeutet eben nichts, wenn die Hebung des Lebensstandards und ein verbessertes Sozialniveau mit der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen erkauft werden. Es bietet keine Rechtfertigung dafür, die Dinge treiben zu lassen, wenn der Mensch als das anpassungsfähigste Lebewesen sich auch in verkehrtesten Umweltverhältnissen eingerichtet hat. Die moderne Industriegesellschaft steht ständig vor dem Problem, daß die durch den Forschritt erzielten positiven Ergebnisse nicht durch die negativen Auswirkungen ins Gegenteil verkehrt werden. Die ordnende Hand des Staates kann nicht entbehrt werden. Die öffentlich regulierte Lebenssphäre greift daher auf Kosten der privaten immer weiter um sich. Freilich sei hier nicht verschwiegen, daß der nach Perfektion drängende Ressortgeist des Spezialisten i n dem öffentlichen Verwaltungsapparat auch zu viel unnötiger Betätigung öffentlicher A m b i tionen geführt hat.

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Als Folge dieser Entwicklung begegnet sich der öffentliche Bereich immer häufiger mit der Wirtschaft, dem Träger der industriellen Expansion. Die Wirtschaft muß sich i h m als Partner stellen oder i n eigener Initiative an i h n herantreten. A n dieser Nahtstelle zwischen Behörden und Wirtschaft ist der Jurist m i t einer guten Verwaltungsausbildung die gegebene Führungskraft des Unternehmens und von der Ausbildung her jedenfalls dem Justizjuristen einwandfrei überlegen. Die Beweise des Gegenteils auf Grund der persönlichen Tüchtigkeit ändern ja an dieser grundsätzlichen Erkenntnis nichts. Ist es doch überhaupt erstaunlich, i n welch hohem Grad die Zusammenführung und der Ausgleich der verschiedensten öffentlichen Ressortgesichtspunkte, die früher die besondere Aufgabe der inneren Verwaltung war, heute vom privaten Bereich her wahrgenommen werden müssen. Ich darf Ihnen das aus meinem eigenen Wirkungskreis verdeutlichen: Wenn Sie Bergbau treiben wollen, müssen Sie den Schacht dort abteufen, wo die Kohle oder das Mineral ansteht. Sie können sich kein erschlossenes Gelände aussuchen, wo die notwendige Infrastruktur vorhanden ist; gegenüber den sonst eintretenden Schwierigkeiten ist es sogar optimal, wenn Sie das Bergwerk m i t seinen vielfältigen Aufbereitungs- und Veredelungsanlagen, wie es i m Bergbau heißt, „auf der grünen Wiese" zu errichten haben. Für die Belegschaft, die bei modernen Anlagen selten unter 10 000 Mann liegt, m i t Familienangehörigen knapp 25 000 Menschen, ist eine Stadt zu bauen m i t den Diensten von 40—50 000 Einwohnern. Sie muß stehen, wenn das Bergwerk i n die volle Produktion geht. Sie müssen Verkehrswege, Straßen, Eisenbahnen, oft auch Stichkanäle und Häfen selbst bauen. Kulturelle Einrichtungen sind zu schaffen. Das geschieht alles ganz oder zum Teil i n eigener Regie. Ein beträchtlicher Teil der Straßen i n den Städten des Ruhrgebiets, oft sind sie längst große Durchgangsstraßen geworden, sind heute noch Privatstraßen des Ruhrbergbaus, die zu seinem großen Leidwesen auch von i h m unterhalten werden müssen. Es gehört zu den Routineaufgaben von Juristen bei den Bergwerksunternehmungen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und die Übernahme der Straßen durch Städte oder sonstige Straßenbauträger zu erreichen. Immer w i r d dabei verlangt, daß der Bergbau zuvor die Straßen dem heutigen Verkehr usw. entsprechend zu eigenen Lasten ausgebaut hat. Für jeden einzelnen Teilbereich eines solchen Projektes gibt es nicht eine, sondern viele teilzuständige Behörden, von denen keine die eindeutige Federführung praktizieren kann. Selbst auf ihren ureigensten Gebieten sind für die Gemeinden und die Kreise wegen Mitkompetenz einer großen Zahl von Spezialbehörden keine abschließenden Zuständigkeiten vorhanden. Den m i t der Planung und Durchführung eines solchen industriellen Bauvorhabens Beauftragten liegt es also nicht nur

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ob, wie es bei einem wirtschaftlichen Vorhaben normal ist, die Wünsche der Spezialisten innerhalb des Unternehmens zu koordinieren. Er muß sich, wenn das Projekt weiterkommen soll — meistens muß schnell gehandelt werden — auch bemühen, die oft heterogenen Ressortwünsche der öffentlichen Seite von sich aus zusammenzuführen und zum Ausgleich zu bringen. Es ist genau das, was i n einer wirklichen Verwaltungsausbildung zu lernen ist. Charakteristisch ist, daß die Hilfe für diese Aufgaben auf der öffentlichen Seite i n erster Linie beim Oberkreisdirektor und dem Regierungspräsidenten, den klassischen Bereichen der allgemeinen und inneren Verwaltung, zu finden ist, d. h. dort, wo vertiefte Verwaltungsausbildung vorausgesetzt werden kann. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist nicht etwa einmaliger Natur — natürlich w i r d nicht jedes Jahr ein Schacht abgeteuft, bis zur A u f nahme der vollen Produktion kann es 10 Jahre und mehr dauern —; sie spinnen sich vielmehr fort, denn Bergwerke und ihre Infrastruktur sind erst fertig, wenn die Stillegung des Bergwerks bevorsteht. Dann aber häufen sich die Verwaltungsprobleme erst recht. Wie bedeutsam ist es, daß die i n der Wirtschaft m i t diesen Fragen befaßten Juristen i n ihrer Ausbildung Verwaltungskunst kennengelernt haben. Z u r Bewältigung solcher Aufgaben sind i n letzter Zeit neue, offenbar sehr erfolgreiche Wege beschritten worden. Bei der Errichtung einer neuen Schachtanlage i m Nordosten des Ruhrgebiets ist eine Entwicklungsgesellschaft zusammen m i t dem Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, dem Kreis und dem A m t gebildet worden, i n deren Beirat u. a. die hauptbeteiligten Behörden versammelt sind. Für unser Thema ist interessant, daß der leitende Jurist der betreffenden Bergwerksgesellschaft neben seinen umfangreichen sonstigen Aufgaben als Geschäftsführer der Gesellschaft gemeinsam mit einem Städtebauer tätig ist. Er übt praktisch die Tätigkeit eines leitenden Verwaltungsmannes m i t i m öffentlichen Apparat nicht mehr vorhandener allumfassender Bezogenheit aus. Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung des Juristen i n der Wirtschaft w i r d hier ganz offenbar. Umgekehrt, das muß auch bemerkt werden, ist offensichtlich das gute Funktionieren von Planung und Durchführung i n der Entwicklungsgesellschaft auch dadurch bedingt, daß der den Vorsitz i m Beirat führende Staatssekretär ein erfahrener Verwaltungsjurist ist. Nun, der Bergbau mag ein besonders sinnfälliges Beispiel für verwaltungsmäßige Aufgaben, die den Unternehmen i n der Wirtschaft erwachsen, bieten. Aber mutatis mutandis gilt das für alle Unternehmen, die große Einwirkungen auf den Lebensraum ausüben, i n dem sie sich befinden. Das typische Beispiel ist das Volkswagenwerk und die Volkswagenstadt Wolfsburg. Denken Sie auch an den Aufbau der Siemenswerke i n Erlangen m i t den dazugehörigen Verkehrsanlagen, Wohn-

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bereichen, Erholungsanlagen, kulturellen Einrichtungen. Die Siemenswerke haben hier nicht nur ihre M i t t e l eingesetzt, sondern auch i n der Gestaltung einen außerordentlichen Einfluß ausüben können — natürlich i m engsten Zusammenwirken m i t der Stadt. Erlangen ist dadurch zu einer famosen Stadt geworden, was m i r bei früheren Besuchen von Erlangen nicht ohne weiteres aufgegangen war — eine hervorragende Leistung auch i n städtebaulicher Hinsicht, die ohne die entsprechende Einstellung und Fähigkeit des industriellen Unternehmens auf dem Gebiet der Verwaltung ganz sicher nicht zustande gekommen wäre. Die Initiative lag hier bei dem wirtschaftlichen Unternehmen, bei Siemens. U m so verdienstvoller aber ist es, daß Erlangen die Bemühungen von Siemens für sich aktivierte, eine nicht minder erstklassige Verwaltungsleistung seitens der öffentlichen Hand. Oft erfahren w i r j a leider aus reinem Prestigebedürfnis genau das Gegenteil. Denken Sie weiter an den überstürzten Bau von drei Erdöl-Raffinerien i m Raum Ingolstadt, bisher noch ein Gegenbeispiel getreu dem amerikanischen Unternehmensprinzip, sich i n Dinge vor dem Fabriktor nicht einzumischen. Die expansive Wirtschaft w i r d sich ständig m i t so vielen Verwaltungsproblemen aus dem öffentlichen Bereich konfrontiert sehen, daß dem M i t w i r k e n der i n der allgemeinen Verwaltung ausgebildeten Juristen größte Bedeutung zukommt. Aber auch i n Dingen des schlichten Alltags wäre es sehr nützlich, wenn mehr Kenntnis von der Verwaltung innerhalb der wirtschaftlichen Unternehmen — das gleiche gilt auch von den Behörden — vorhanden wäre. Es gibt kein bedeutenderes Unternehmen, wo nicht z. B. Fragen des Bauleitplans, des Gebietsentwicklungsplans und des Landesentwicklungsprogramms von fast schicksalhafter Bedeutung sind. Das muß man sich klarmachen. Davon können die Existenz eines Unternehmens, seine Entwicklungsmöglichkeiten und alles andere abhängen. Welcher große Aufwand an Bemühungen w i r d oft vertan, w e i l die Zielrichtung der Anstrengung infolge mangelnder Kenntnis dieser Verwaltungszusammenhänge falsch angesetzt wird. M i nister und Politiker werden bemüht, wo die sauberen Kenntnisse über die Wege der öffentlichen Verwaltung schneller und sicherer zum Ziel geführt hätten. Der m i t der Verwaltung vertraute Jurist i n der W i r t schaft ist berufen, mancher Fehlleistung i n dieser Richtung Abhilfe zu tun. V. Ich komme jetzt zu einem Bereich, den ich für unser Thema für außerordentlich wichtig halte. Viele öffentliche Aufgaben werden durch Körperschaften auf der Grundlage der Selbstverwaltung ausgeübt. Die Wirtschaft hat i n den Organen dieser Selbstverwaltung mitzuwirken. Ich denke hierbei nicht an die Wirtschaftsselbstverwaltung. Die oft zu

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verzeichnende mangelnde Fähigkeit der ehrenamtlichen Organmitglieder, und ich sage ganz offen, insbesondere aus der unternehmerischen Wirtschaft, i n Kategorien der Verwaltung zu denken, stellt das Institut der Selbstverwaltung geradezu i n Frage. Dies gilt nicht so sehr für die klassische Selbstverwaltung bei den Gebietskörperschaften, die auf Tradition und Bürgersinn rechnen können. Aber i n den neuen Selbstverwaltungskörperschaften, i n den Organen z. B. der sozialen Körperschaften der Rentenversicherung, der Krankenversicherung, der Beruf sgenossenschaften und der Arbeitsverwaltung (Bundesanstalt für A r beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung); auch i n den Zweckverbänden, die nicht auf ein historisches Wachsen zurückblicken können, etwa den Landesplanungsgemeinschaften, den verschiedensten Beiräten m i t oder ohne verantwortliche Kompetenz ergibt sich immer wieder das beunruhigende Bild, daß die i n die Organe entsandten namhaften Repräsentanten aus der Wirtschaft — ich meine unzweifelhaft i n ihrer unternehmerischen Tätigkeit sehr tüchtige Persönlichkeiten und solche von hohem allgemeinen Niveau — nicht sonderlich viel dazu beitragen, u m die Selbstverwaltung i n den sie angehenden wesentlichen Problemen zu fruchtbarer Tätigkeit zu entwickeln. Die Denkungsart und Arbeitsweise des Unternehmers i n der Wirtschaft ist gegenüber der der Beamten der Körperschaft zu andersartig, und i n dem i h m nicht geläufigen parlamentsähnlichen Getriebe ist es für ihn schwierig, die A n satzpunkte für seinen Beitrag wirksam zu gestalten. Dabei hätte er sehr wohl Wesentliches zu sagen, aber der Dolmetscher, der verschiedene Sprachen und Denkarten miteinander verbindet, der ist nicht da. Aber auch bei vorher bekundeten lebhaften Interessen und bestem Willen für das Ehrenamt w i r d seine M i t w i r k u n g dann oft bloße Repräsentation. Umgekehrt gibt es aber auch Fälle, wo das Organmitglied den Bereich, i n dem es m i t Passion m i t w i r k t , überdimensioniert und zu der gleichen Monomanie neigt, wie manche hauptamtlichen Ressortspezialisten dieser Körperschaften; ein nicht minderer Verstoß gegen den Sinn der Einschaltung der Selbstverwaltungsorgane. So droht Selbstverwaltung gar nicht so selten i n formale Unfruchtbarkeit abzusinken und ihres Sinnes beraubt zu werden. Gründe dafür liegen zutage. Den Beteiligten sowohl i m öffentlichen Dienst als auch i n den Ehrenämtern fehlt das, was Verwaltungsausbildung bewirken sollte. Sie können m i t dem ihnen gegebenen Instrument der Selbstverwaltung, einem guten Instrument nach meiner Auffassung, nichts anfangen. Die Beamten der Körperschaft verfügen vielfach nicht über eine ursprüngliche Verwaltungsausbildung. Wo sie gleichwohl die Gabe und den Willen haben, ihre Sachprobleme nicht i n ressortbefangener, sondern i n allgemeinverständlicher Form, natürlich ohne Einbuße an Präzision, an die Selbstverwaltung heranzutragen; wo sie den Standpunkt

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des öffentlichen Interesses, d. h. die übergeordneten Gesichtspunkte des Staatswohls deutlich machen und die Organmitglieder zu eigener Überlegung aus ihrer Sicht anregen, gelingt es noch einigermaßen, das Spannungsverhältnis zwischen Staatsbürger und behördlichem Apparat fruchtbar zu machen. Verwaltungskönnen wenigstens auf der einen Seite lockert also die drohende Sterilität auf. Aber wie oft ist das der Fall. Wenn w i r i n der Wirtschaft über i n der Verwaltung ausgebildete Kräfte verfügten, die i n den Unternehmen einen Begriff von dem Geist, den rechtlichen Grundlagen und dem Funktionieren der Verwaltung vermitteln, ließe sich die — ich möchte doch wohl sagen — Krise der Selbstverwaltung abwenden. Das vielfach nur formale Funktionieren der Selbstverwaltungsorgane halte ich für eine bedenkliche Gefährdung dieses i n der Bundesrepublik angewandten sicher guten Prinzips, öffentliche A u f gaben Selbstverwaltungskörperschaften zuzuweisen. Ich brauche wohl nicht anzudeuten, was die Unfruchtbarkeit der Selbstverwaltung an weiteren Folgen auf sich haben kann. Vielleicht sollte man es aber gar nicht so tragisch nehmen, wenn man sich an die hübsche Anekdote erinnert, die Jacob Uexküll, der Umweltphilosoph, i n seinem Buch „Nie geschaute Welten" erzählt hat. Offenbar hat Selbstverwaltung nie wesentlich anders funktioniert, und zwar auch i n einer sehr elitebewußten Gesellschaft. Ein Onkel oder Großonkel dieses baltischen Barons war Hauptmann der estländischen Ritterschaft. Er liebäugelte mit einem prächtigen Fuchs für den kleinen Marstall des Ritterschaftshauptmanns. Es war ganz sonnenklar, daß die A n schaffung eines weiteren Gauls von der Ritterschaft abgelehnt würde. Stattdessen fand er einen Anlaß, i n der Ritterschaftsversammlung die Frage aufzuwerfen, ob, wenn ein neues Pferd benötigt werden würde, ein Rappe oder ein Schimmel zu kaufen sei. Schon ereiferten sich die Mitglieder der Ritterschaft. Sie wollten keinen Rappen, sie wollten keinen Schimmel, sie wollten einen Fuchs. Der Beschluß war gefaßt, ohne daß es der versammelten Ritterschaft bewußt geworden ist. Also immer schon: Über die Nebensachen w i r d eifrig beraten, während die beschlußbedürftige Hauptsache nicht zur Entscheidung gebracht w i r d und gar zu leicht einfach als Prämisse hingenommen wird. VI. Besonders bedeutsam ist die Verwaltungsausbildung des Juristen für den ganzen Bereich der wirtschaftlichen Verbände. Die m i r vorgeschriebene Zeit erlaubt es nicht, daß ich Ihnen die Arbeitsstruktur dieser Verbände, die i m übrigen eine große Spannweite hat, hier darlege. I n den bedeutendsten von ihnen gibt es, i n extrem verkleinertem Maßstab, eine oft hochqualifizierte Spiegelstruktur zum Staatsappparat — wohlgemerkt i n extrem verkleinertem Maßstab. Auch die Geschäfts-

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führungen der Verbände bestehen weitgehend aus Spezialisten. Aber da bei den Verbänden einmal das eine, dann das andere Problem i n den Vordergrund t r i t t und es wegen der notwendigen zahlenmäßigen Beschränkung ihres Apparates unmöglich ist, für jedes auftretende Problem von vornherein Sachbearbeiter bereitzustellen, weisen sie i m allgemeinen eine beträchtliche Flexibilität auf. Teamarbeit ist nötig, und der Jurist m i t guter Verwaltungsausbildung w i r d besondere Voraussetzungen hierfür mitbringen. Für die Beurteilung der Tätigkeit der Verbände, deren Einfluß oft kritisiert wird, ist es wesentlich zu erkennen, daß sie notwendiger Bestandteil der die Bundesrepublik beherrschenden pluralistischen Gesellschaftsordnung sind. Fraenkel/Berlin hat erst kürzlich auf dem J u r i stentag uns das Wesen der pluralistischen Gesellschaftsordnung quasi i n Reinkultur vorgeführt; er kommt zu dem Ergebnis, daß die Gruppen, i n die das Staatsvolk sich gliedert, zum Versuch der Durchsetzung ihrer Interessen berufen sind. Ich hoffe nur, daß sich die Gruppen nicht hierdurch ermutigt fühlen, auf dem robusten Wege, auf dem schon manche sich befinden, weiter m i t wachsender Unbekümmertheit fortzufahren. Ich teile auch nicht den freundlichen Optimismus von Fraenkel, daß i m Ausgleich der widerstreitenden Interessen der verschiedenen Gruppen sich jeweils die Lösung zum allgemeinen Besten, zum Besten des Staates ergäbe. Ist die Aufgabe des Interessenausgleichs allein nicht für eine wirksame politische Staatsführung, auf die auch eine Demokratie durchaus nicht verzichten kann, eine etwas magere Grundlage? Jedenfalls aber erfordert — darin ist Fraenkel zu folgen — die pluralistische Gesellschaftsstruktur das Vorhandensein von organisierten Gruppen; die wirtschaftlichen Verbände machen unter ihnen nur einen kleinen Teil aus. Hierauf beruht die Legitimation der Tätigkeit der Verbände auch i n ihren verschiedenen Bezügen zu Gesetzgebung und Verwaltung des Staates. Wer unsere Verfassungswirklichkeit bejaht, kann deshalb die Geltendmachung der Interessen der Verbände nicht als unzulässig beklagen. Z u beklagen ist hingegen, daß für die Einflußnahme der Verbände und aller anderen Gruppen keine allgemein gültigen Grundsätze gelten, ohne die unsere pluralistische Gesellschaftsordnung nach meiner Auffassung Schaden nehmen wird. Einmal muß aller Wahrnehmung der Gruppeninteressen das Bewußtsein zugrundeliegen, daß die Gruppen unausweichlich aufeinander angewiesen sind und daher gegenseitig Rücksicht nehmen müssen. Es muß ferner die Einsicht walten, daß es übergeordnete Erfordernisse des Staates gibt, die auch dann von den Gruppen respektiert werden müssen, wenn sie mit einem Gruppeninteresse nicht i n Übereinstimmung zu bringen sind. Es muß weiter gefordert werden, daß die Verbände bei ihren Bemühungen um Durchsetzung ihrer Interessen nicht Tatbestand und

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Tendenz mischen. Es ist ganz und gar unzulässig, die Tatbestände tendenziös zu gruppieren oder gar Sachverhalte, die der Wahrnehmung des eigenen Interesses nicht förderlich sind, zu unterdrücken oder zu vernebeln. Wahrheitstreue und Aufrichtigkeit sind u m so wichtiger, als die Verbände vielfach diejenigen sind, die die umfassenden tatsächlichen Auskünfte geben können, die der Staat für seine gesetzgeberischen oder Verwaltungsmaßnahmen benötigt. Das unablässige Bemühen aller Verantwortlichen sollte darauf gerichtet sein, diesen Grundsätzen zum Zuge zu verhelfen. Eine allgemeine Atmosphäre muß geschaffen werden, i n der sich eine unredliche Gruppierimg von Tatbeständen von selbst unmöglich macht. Ich halte die Durchsetzung der Moral auf diesem Gebiet für den entscheidenden Punkt dafür, ob unsere pluralistische Verfassungswirklichkeit Bestand haben kann. Damit kein Mißverständnis entsteht, dies geht alle Gruppen an, und ich bin durchaus nicht der Meinung, daß die Verbände der Wirtschaft etwa i n besonderem Maße Anlaß zu diesen Ausführungen bieten. Vielfach ist das Gegenteil der Fall. M i t Sorge muß man die Ausbreitung der beanstandeten Mentalität bis i n den Staatsapparat hinein beobachten. W i r haben ja gerade gestern in der Zeitung ein Beispiel dafür gelesen, wie eine haushaltswirtschaftlich zwingende Maßnahme nun plötzlich nicht mehr als so dringlich anzusehen ist (Telephongebührenerhöhung). Auch die Vertretung von Ressortinteressen gegenüber Parlamenten und Selbstverwaltungsorganen muß sich von strenger Sachlichkeit leiten lassen, soll Demokratie funktionieren. U m nun wieder auf meinen Juristen m i t Verwaltungsausbildung zurückzukommen: Ich meine, daß der Jurist, der verwaltungsmäßig sauber nach klassischen Prinzipien ausgebildet ist, noch am ehesten die Gewähr dafür bietet, daß bei der Wahrnehmung der Gruppeninteressen Maßstäblichkeit und Einordnungsbewußtsein und Rücksicht auf das gemeine Wohl walten. Mein Optimismus beruht darauf, daß ich immer feststellen konnte, daß dort, wo i n Verbänden — von Niveau natürlich — Juristen m i t wirklicher Verwaltungserfahrung an maßgeblicher Stelle sitzen, ungleich stärker die Bereitschaft i n Erscheinung tritt, sich i n übergeordnete Notwendigkeiten einzuordnen als dort, wo bei den Juristen eine mehr anwaltliche Einstellung herrscht. V I I . Meine sehr verehrten Anwesenden! Nicht minder bedeutsam wie die Verwaltungsausbildung des Juristen, der i n der Wirtschaft tätig ist, ist aber für die Wirtschaft auch das Vorhandensein von verwaltungsmäßig gut ausgebildeten Juristen i n der öffentlichen Verwaltung. A n manchen Stellen meines Referats ist dies schon angeklungen, z.B. i m Zusammenhang mit meinen Überlegungen über das Funktionieren der

Die Bedeutung der Verwaltungsausbildung in der Wirtschaft

Selbstverwaltung. Es ist gar nicht zu verkennen, daß die zunehmende Aufsplitterung jeder öffentlichen Tätigkeit i n unzählige Fachressorts di$ Wirtschaft vor Probleme stellt, die sich ständig gegenseitig stoßen. Denn die Anpassung der Ressortspezialisten an die allgemeine Mentalität des Gruppenegoismus geht nicht selten soweit, daß auch sie nur ihre speziellen ressortmäßigen Gesichtspunkte sehen, die Maßstäblichkeit und den Blick auf das allgemeine öffentliche Interesse oder, wie es i n der klassischen Sprache heißt, auf das gemeine Wohl verlieren. Ich gebe zu, daß das vielleicht manchmal aus glatter Notwehr geschieht, aber einer der Gründe liegt auch darin, daß die Schlüsselstellungen nicht mehr von erfahrenen Verwaltungsjuristen eingenommen werden. Sie sind verdrängt, weil ihr image i m Bewußtsein der Gesellschaft kaum noch vorhanden ist. Das ist meiner Meinung nach einer der entscheidenden Punkte: der „lästige" Jurist — Sie kennen den Aufsatz von Forsthoff. Die wenigen, die kraft Gabe oder Ausbildung noch als umfassende Verwaltungsjuristen allein i m weiten Feld der alles überwuchernden Fachressorts tätig sind, können die F l u t nicht aufhalten. W i r empfinden es i n der Wirtschaft als einen Glücksfall, wenn sie wenigstens i n dem ihnen noch zugänglichen Wirkungsbereich die klassischen Prizipien der Verwaltung noch anzuwenden i n der Lage sind. Unbeschadet dessen halte ich den Einsatz hochqualifizierter Fachkräfte, der Spezialisten — das möchte ich betonen — für ganz unerläßlich. Aber es genügt nicht, daß ein Verwaltungsjurist zur Hand ist, der die Verwaltungsrechtslage abschirmt, ohne die A k t i o n irgendwie m i t zu beeinflussen. Dieser Jurist w i r d zwangsläufig dadurch auch zu einem Spezialisten gemacht, dem die Möglichkeit zur Betätigung seiner Verwaltungskunst gar nicht gegeben wird. Geben Sie daher dem jungen Juristen die Ansatzpunkte für die historischen, soziologischen, w i r t schaftlichen, bevölkerungsstrukturellen Bezüge, damit er das Rüstzeug zur Ausübung wirklicher Verwaltungskunst bekommt, ohne dem perfektionistischen Drang, dem jeder Spezialist ausgesetzt ist, zu unterliegen. Nur so werden w i r dem Parkinsonschen Gesetz Einhalt gebieten. Weniger die Technik der Verwaltungsausbildung scheint m i r so wichtig zu sein, so sehr ihre Ausgestaltung für die Erreichung des Ziels bedeutsam ist. Das Entscheidende ist der Geist, der durch eine gute Verwaltungsausbildung vermittelt werden kann. Der staatliche Vorbereitungsdienst gilt für alle Juristen, ob sie später i m Staat, i m öffentlichen Dienst, i n der Anwaltschaft oder i n der Wirtschaft tätig sind, i n gleichem Maße. Es ist deshalb auch vom Standpunkt der Wirtschaft aus nötig, daß Sie nicht resignieren i m Bemühen u m eine gute Verwaltungsausbildung. Spannen Sie ihre Ansprüche an die Berufsausübung des Verwaltungsjuristen hoch. Ich habe keine Standesinteressen hierbei i m Auge, sie mögen i n Standesorganisationen behandelt werden, die leider 10 Speyer 25

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Hans A. Wieacker

nur gar zu oft von Standesehre sprechen, wenn sie höchst handfeste materielle Interessen meinen. Aber wer wünscht, daß der Sinn für Maßstäblichkeit, der Blick auf die wahren Bedürfnisse der Gesellschaft, auf die Einordnungsnotwendigkeit und staatspolitische Staatsführung erhalten bleibt — eigentlich möchte ich sagen, wiederhergestellt w i r d —, der bemühe sich darum, daß die Wesensart des Verwaltungsjuristen, sein image, wieder i n das Bewußtsein der Allgemeinheit rückt.

Bericht über die Diskussionsbeiträge zu den Vorträgen über „Die Verwaltungsausbiidung der Juristen 44 Von Elmar Breuckmann

I. Die Aussprache zu dem ersten Beratungsgegenstand „Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst" wurde m i t dem Vorschlag von Verwaltungsgerichtspräsident Professor Buri (Sigmaringen) eingeleitet, man solle sich bei der Diskussion nicht m i t den Auswirkungen, die die geplante Reform der Juristenausbildung haben könne, beschäftigen, sondern die Frage, was unter den vom Gesetzgeber vorgegebenen Verhältnissen erreicht werden könnte, i n den Vordergrund stellen. Es zeigte sich jedoch, daß die geplante erhebliche Verkürzung des Vorbereitungsdienstes eine Reihe von neuen Problemen zur Folge hat, die sich nicht ausklammern lassen. Die Bedenken, die Ministerialdirigent Brunner (München) gegen eine Kürzung des Vorbereitungsdienstes u m ein volles Jahr geäußert hatte, wurden von verschiedenen Diskussionsrednern bestätigt. Ministerialdirigent Hofmann (Mainz) stellte auf die Fülle des Stoffes ab, m i t der der Referendar während der praktischen Ausbildung vertraut gemacht werden müsse. Zudem sei dies die Zeit, i n der der junge Jurist wesentlich geprägt werde. Professor Dr. Ule (Speyer) erinnerte daran, daß früher die reine Justizausbildung drei Jahre und vor dem ersten Weltkrieg sogar vier Jahre gedauert habe. Er meinte, man solle überlegen, ob man das m i t der Reform angestrebte Ziel, junge Menschen früher i n die Verantwortung zu bringen, nicht dadurch erreichen könne, daß man nach drei Grundschuljahren den Zugang zu den höheren Schulen ermögliche. Immerhin war man sich darüber einig, daß eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes zu erwarten sei, zumal der Präsident des Landes justizprüf ungsamtes Kohleiß (Stuttgart) nachweisen konnte, daß i n Baden-Württemberg heute das Durchschnittsalter der Assessoren 28,8 Jahre betrage, obwohl nur wenige Militärdienst geleistet hätten. Nachteile bei einer Verkürzung des Vorbereitungsdienstes könnten nur dadurch ausgeglichen werden, daß man die Verwaltungsausbildung erheblich intensiviere, das war die Meinimg zahlreicher Dis10«

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kussionsredner. Anregungen und Vorschläge zu diesem Gesamtkomplex bezogen sich auf die Auswahl der Verwaltungsbehörden, bei denen Referendare ausgebildet werden können, die A r t ihrer Unterweisung, die Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften und die Obliegenheiten der Arbeitsgemeinschafts- und Ausbildungsleiter sowie des Ministeriums. Verwaltungsgerichtsrat Dr. Westerath (Gelsenkirchen) vertrat die Auffassung, die gegenwärtige Juristenausbildung leide darunter, daß man versuche, zuviel Stoff zu vermitteln. Ähnlich wie man bei den höheren Schulen zu einer Schwerpunktbildung i n den Oberstufen gekommen sei, so müsse man auch bei der Referendarausbildung zu einer gewissen Spezialisierung kommen. Er schlug vor, für alle Referendare eine Grundausbildung von 6 Monaten einzurichten, bei der nach einer kurzen Einführungszeit bei einem kleinen Amtsgericht und bei einer kleinen Gemeinde der Schwerpunkt bei der Zivilkammer des Landgerichts liegen müsse. Sodann solle man eine Dreigliederung vornehmen. Einen Zweig solle man der Ziviljustiz und freiwilligen Gerichtsbarkeit widmen, wobei man auch auf die Ausbildung beim Zivilsenat des Oberlandesgerichts nicht zu verzichten brauche. Bei dem strafjustiziellen Zweig solle der Referendar bei Strafkammern, der Staatsanwaltschaft, i m Strafvollzug und bei der Polizei ausgebildet werden. Einen dritten Zweig solle man der Verwaltung widmen und dabei den Referendar bei kommunalen und staatlichen Behörden und bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit einschließlich des Oberverwaltungsgerichts unterweisen. Unabhängig davon, welchen Zweig ein Referendar gewählt habe, die Befähigung zum Richteramt und höheren Verwaltungsdienst solle jeweils bei der zweiten juristischen Staatsprüfung erteilt werden, führte Westerath aus. Dieser Vorschlag wurde erheblich k r i t i siert. So führte Regierungspräsident a. D. Dr. Mang (München) aus, die Gesetzgebung habe zwar auf fast allen Gebieten eine beachtliche Ausweitung erfahren, immerhin müsse man daran festhalten, daß ein Jurist, der die Befähigung zum Richteramt und höheren Verwaltungsdienst habe, auf jedem Platz seiner Aufgabe gerecht werde, als Richter, Notar, Rechtsanwalt, Verwaltungsbeamter oder Syndikus. Verwaltungsgerichtsrat Dr. Stich (Neustadt) warf ein, daß i n der Praxis ein Wechsel zwischen Justiz und Verwaltung gar nicht so selten sei. Es sei deshalb nicht möglich, die Referendarausbildung nach dem ersten oder ersten halben Jahr der Ausbildung aufzusplittern. Auch müsse man auf die Assessoren Rücksicht nehmen. Oftmals würde deren Berufswahl unter dem Gesichtspunkt getroffen, wo sie anfangen könnten. Beachtlichen Widerhall fand demgegenüber der Gedanke von Oberregierungsrat Lenz (Berlin), man könne auch i n einer relativ kurzen Zeit eine fundierte Ausbildung erreichen. Er begründete dies aufgrund der Erfahrungen, die i n den letzten Jahren i n Berlin gemacht worden seien,

Bericht über die Diskussionsbeiträge zu den Vorträgen

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folgendermaßen: Ziel der Verwaltungsausbildung müsse zunächst sein, den Referendar mit allen Aufgaben der Selbstverwaltungskörperschaft und des Staates vertraut zu machen. Wolle man das i n der Praxis erreichen, dann benötige man dazu etwa drei Jahre. Diese Zeit habe früher den Regierungsreferendaren zur Verfügung gestanden. Man habe gute Erfahrungen m i t einem Einführungslehrgang von drei Wochen gemacht. Dabei würden den Referendaren i n etwa zweistündigen Referaten die Aufgaben und die Organisation der einzelnen kommunalen und staatlichen Behörden nahegebracht. Der bei dieser Gelegenheit vermittelte Stoff eigne sich zudem auch gut für die mündliche Prüfung. Bei der Ausbildung bei den Verwaltungsbehörden müsse man beachten, daß man den jungen Juristen bei den Dienststellen, die vorwiegend damit befaßt seien, Sachverhalte unter vorgegebene Normen zu subsumieren, nicht viel Neues bieten könne. Sie müßten vielmehr dort eingesetzt werden, wo noch echt verwaltet werde, gleichgültig, ob i n staatlichen oder kommunalen Behörden. Es mache schon einige Mühe, entsprechende geeignete Ausbilder zu finden, aber man könne wohl kaum von einem unlösbaren Problem sprechen. Schließlich habe man sich i n Berlin auch zum Ziel gesetzt, dem jungen Juristen i m öffentlichen Recht die gleiche Sicherheit zu verleihen, die er i m Zivilrecht verspüre. Dies sei Sache der zwölfmonatigen Arbeitsgemeinschaft. Insoweit sei noch viel zu tun; ein beachtlicher Fortschritt könne dann erreicht werden, wenn ein pädagogisch richtiges Ausbildungsprogramm entwickelt sei, mit dem anhand von etwa 40 ausgewählten Fällen die Referendare m i t den aktuellen Problemen vertraut gemacht werden könnten. I n dem Zusammenhang warf Regierungsassessor Heimann (Berlin) das Problem auf, daß eine sehr große Zahl von Referendaren i n der Verwaltung ausgebildet werden müsse. Immer wieder verweise man i n Deutschland auf das Beispiel der Ecole Nationale d'Administration, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, daß es dort um die Ausbildung von etwa 50 Spitzenkräften i m Jahr gehe, während die Ausbildung i n Deutschland auf den Durchschnitt ausgerichtet sei. Oftmals handele es sich um soviel Referendare, daß die Verwaltung deren Ausbildung einfach nicht verkraften könne. Ule wandte ein, die Justiz habe i n der Zeit, i n der es nur eine Justizausbildung gegeben habe, immer eine große Zahl von Juristen ausgebildet, die nachher nicht Richter oder Staatsanwälte geworden seien. Die Verwaltung solle nicht nur an die vergangenen Zeiten denken, i n der sie eine kleine Zahl von interessierten Regierungsreferendaren ausgebildet habe, sondern sie müsse i n Rechnung stellen, daß es bei zukünftigen Gesprächspartnern, beispielsweise Rechtsanwälten oder Syndici, sehr darauf ankomme, daß diese m i t den spezifischen Problemen der öffentlichen Verwaltung vertraut seien. Kohleiß meinte, man solle nicht zu stark m i t dem Problem der Zahl

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operieren, w e i l schon heute ein erheblicher Rückgang sichtbar werde und auch i n den nächsten 5 Jahren diese Tendenz erhalten bliebe. Als ein sehr viel wichtigeres Problem bezeichnete er die „Entballung der Ausbildung", die gleichermaßen der Justiz und der Verwaltung zugute kommen könnte. Dem Phänomen, daß die Referendare hauptsächlich i n den Groß- und Universitätsstädten tätig seien, müsse man m i t allen M i t t e l n entgegenwirken. Er griff hierbei die Überlegung von Ule auf, der darauf verwiesen hatte, daß bei einer Verkürzung der Ausbildung erhebliche M i t t e l eingespart würden. Diese könnte man verwenden, u m den Referendaren, die aus den Großstädten an die Plätze abgeordnet würden, an denen eine bessere Ausbildung gewährleistet sei, erhöhte Unterhaltszuschüsse oder Trennungsentschädigungen zu zahlen. I n dem Zusammenhang wurde eingehend erörtert, ob die geplante Intensivierung der Verwaltungsausbildung nicht verlange, daß die Referendare die Dienststunden einhielten. Hierfür trat u. a. Westerath ein. I m Verlauf der Diskussion setzte sich jedoch die Auffassung durch, daß eine formale Regelung nur dann gutgeheißen werden könne, wenn eine sinnvolle Beschäftigung während der Dienstzeit gewährleistet sei (Ule, Stich). Mang wies darauf hin, daß man dem Referendar auch genügend Zeit für das Selbststudium lassen müsse. Schließlich hätten auch die höheren Verwaltungsbeamten, denen der Referendar zugewiesen werde — eine Beschäftigung bei Beamten des gehobenen Dienstes wurde allgemein abgelehnt —, normalerweise i n ihrem Dezernat oder Referat sehr viel zu tun, so daß sie sich unmittelbar den jungen Kollegen nur an zwei oder drei Vormittagen i n der Woche widmen könnten. Es müsse auch darauf geachtet werden, daß bei Dienstfahrten, Dienstbesprechungen u. ä. eine praktische Anschauung von der Verwaltung vermittelt werde. Mang lehnte i m Gegensatz zu Kohleiß eine selbstverantwortliche Tätigkeit der Referendare weitgehend ab. Bei der Erörterung der Ziele der Verwaltungsausbildung ließ sich feststellen, daß eine lediglich öffentlich-rechtliche Unterweisung nicht als ausreichend angesehen wurde. Allgemein wurde gerügt, daß die wirtschaftlichen Kenntnisse der jungen Juristen nicht befriedigten. Lenz meinte, i n der Schul- und Studienzeit Versäumtes könne j a nicht vollkommen während des Vorbereitungsdienstes nachgeholt werden. Landrat Dr. Pestenhofer (Dachau) stellte fest, daß die Referendare aus dem Studium für die Ausbildung i n der Verwaltung erheblich weniger mitbringen würden als für die Tätigkeit an den Zivilgerichten. Insbesondere fehle es an einem Überblick über die Zusammenhänge zwischen Recht und Wirtschaft. Die Problematik der wirtschaftlichen Betätigung der Selbstverwaltungskörperschaften, der öffentliche Haushalt und Organisationsfragen müßten den Referendaren nahegebracht werden, u m sie m i t den gestaltenden Aufgaben des Verwaltungsjuristen ver-

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traut zu machen, sagte er und ließ dabei erkennen, daß hierbei den Arbeitsgemeinschaften die Aufgabe zukomme, eine Einführung und Hinweise hinsichtlich der ganzen Zusammenhänge zu geben. Stich führte den Gedanken weiter und forderte eine verwaltungswissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft, i n der bewährte Verwaltungsbeamte des höheren Dienstes, die zugleich über gewisse pädagogische Fähigkeiten verfügen müßten, Probleme der Stadtplanung, der Erschließung, des Straßen-, Kanal- und Schulbaus, der Verkehrs- und Versorgungsbetriebe und Fragen der kommunalen Finanzen — u m einige Beispiele zu nennen—vortragen sollten, zumal es sich hierbei u m Fragen handele, die auch für den künftigen Richter und Rechtsanwalt von großem Interesse seien. Er machte der Justiz den Vorwurf, spezielle Materien, wie beispielsweise das Konkursrecht, während der Ausbildung und auch i n der zweiten Staatsprüfung zu stark zu betonen. Damit veranlasse sie die Referendare — auch die, die sehr an der Verwaltung interessiert seien —, sich über Gebühr m i t justiziellen Fragen zu beschäftigen. Oberregierungsrat Dr. Scheerbarth (Düsseldorf) führte aus, ebenso wie es möglich sei, Wirtschaftsreferendare m i t juristischen Problemen vertraut zu machen, so müsse es auch gelingen, junge Juristen an w i r t schaftliche Fragen heranzuführen. Hinzu komme, daß der spätere höhere Verwaltungsbeamte sich ja nicht nur durch spezifisch juristische Kenntnisse, sondern auch durch Verhandlungstalent, Beweglichkeit i n der Reaktion, politisches Fingerspitzengefühl und durch ein sicheres A u f treten auszeichnen müsse. Entsprechende natürliche Anlagen könnten dadurch erheblich gefördert werden, daß man Planspiele veranstalte oder i n einer Arbeitsgemeinschaft ad hoc ein Korreferat ausgebe. Er hob hervor, daß die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer insoweit gute Lehrerfolge verzeichnen könne. Da die Diskussion recht deutlich gezeigt hatte, daß den Arbeitsgemeinschaften ein erhebliches Gewicht bei der Verwaltungsausbildung zukommt, sahen sich verschiedene Arbeitsgemeinschaftsleiter veranlaßt, über ihre Erfahrungen zu berichten und aus ihrer Sicht weitere Reform Vorschläge zu machen. Verwaltungsgerichtsrat Krückhans (Köln) sagte, daß teilweise i n Nordrhein-Westfalen Arbeitsgemeinschaften m i t 30 bis 40 Referendaren bestanden hätten. Bei einer derartig großen Zahl sei es nicht mehr möglich, i n ein persönliches Gespräch zu kommen, selbst wenn großes Interesse vorhanden gewesen sei. Mehr als 20 Teilnehmer, so meinte er, dürfe eine Arbeitsgemeinschaft nicht umfassen. I n der Arbeitsgemeinschaft müsse man öffentlich-rechtliche Probleme und typische Verwaltungsfragen besprechen. Dies könne am besten dadurch erreicht werden, daß man die Verwaltungsarbeitsgemeinschaft, an der die Referendare etwa auf die Dauer eines Jahres teilnehmen müßten, je zur Hälfte durch einen höheren Verwaltungs-

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beamten und einen Verwaltungsrichter leiten lasse. Regierungsrat Matzker (Münster/Westf.) trat dem Vorschlag m i t folgender Begründung entgegen: Jeder Arbeitsgemeinschaftsleiter müsse bestrebt sein, m i t den Referendaren i n einen persönlichen Kontakt zu kommen. Das sei jedoch nur möglich, wenn er für einen längeren Zeitraum m i t den jungen Kollegen zusammenarbeite. Dann komme es zu persönlichen Gesprächen m i t dem Ausbildungsleiter. Diese seien dringend erforderlich, u m den jungen Kollegen eine zutreffende Vorstellung von dem Berufsbild des höheren Verwaltungsbeamten zu vermitteln. Ebenso wie Krückhans stellte Matzker fest, daß die öffentlich-rechtlichen Kenntnisse, die die Referendare an der Universität erworben hätten, wenig erfreulich seien. Wie könne er die Rechtsgrundlagen der Verwaltung, Verwaltungslehre, Organisationsprobleme, Fragen des Aufbaus öffentlich-rechtlicher Arbeiten beispielsweise besprechen, wenn es den Referendaren an den einfachsten Grundbegriffen des Verwaltungsrechts fehle? Dem öffentlichen Recht, so schlug er vor, müsse während des Studiums mehr Bedeutung zukommen, was sich am besten dadurch realisieren lasse, daß i n der ersten Staatsprüfung fundierte Kenntnisse von den Referendaren verlangt würden. Mang sagte, er würde es begrüßen, wenn schon an der Universität Verwaltungslehre i m Sinne einer Verwaltungskunde gelehrt und stärkeres Gewicht auf das besondere Verwaltungsrecht gelegt würde. Dieses finde vor allem dann bei den Studenten Interesse, wenn sie während der Ferienpraxis einen Einblick i n die vielfältigen Aufgaben der Verwaltung erhalten könnten und sie z. B. m i t dem Bauleitplan oder dem Haushaltsplan vertraut gemacht würden. Man war sich allgemein darüber klar, daß die Unterweisung i n den Arbeitsgemeinschaften erheblich darunter leidet, daß ständig neue Referendare i n sie eintreten und dauernd Abgänge erfolgen. Vom „System Taubenschlag" wurde gesprochen. Die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, verglich man mit denen einer einklassigen Volksschule. Der von Krückhans gemachte und von Matzker unterstützte Vorschlag, die Arbeitsgemeinschaft jeweils an zwei oder drei Terminen i m Jahr zu beginnen und dann m i t einem geschlossenen Kreis von Referendaren über den Zeitraum von einem Jahr durchzuführen, fand beim A u d i torium hörbare Zustimmung, zumal Ule die Ansicht vertrat, daß auch die Justiz dem Gedanken der festen Termine und damit einem geord^ neten Plan der Vorbereitung i n den Arbeitsgemeinschaften nähertreten sollte. Er legte dabei auch Gewicht auf das Problem, wann der Referendar seinen Jahresurlaub nehmen könne. Eine straffe und systematische Ausbildung, so sagte er, werde gefährdet, wenn diese durch den Urlaub einzelner Referendare oder des Ausbildungsleiters unterbrochen werde, und er forderte, die Urlaubszeit festzulegen.

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Die sehr eingehende Diskussion um eine Neuorientierung der Arbeitsgemeinschaften rief auch kritische Stimmen auf den Plan. Rechtsreferendar Dr. Fleck (München) und einige andere Diskussionsredner wiesen auf die Gefahr der Verschulung des Vorbereitungsdienstes hin, und Oberregierungsrat Dr. Less (Hannover) sagte unter Hinweis auf seine langjährige Praxis als Ausbildungs- und Arbeitsgemeinschaftsleiter, daß diese Gefahr ernst zu nehmen sei, wenn man bei der Arbeitsgemeinschaft zu stark mit theoretisch-wissenschaftlichen Methoden operiere. Man dürfe auch nicht zuviel Material anbieten, welches schon so weitgehend verarbeitet sei, daß der Referendar es sich nur einzuprägen brauche. Das selbständige Arbeiten müsse i m Vordergrund stehen, welches am besten anhand von Fällen geübt werden könne. Er wies nochmals darauf hin, daß i n den Arbeitsgemeinschaften eine Reihe von Klausuren geschrieben werden müßten und führte die Gedanken von Kohl eiß fort, der sich i m Gegensatz zum Referat von Brunner dafür ausgesprochen hatte, daß die Klausuren obligatorisch sein müßten. Kohleiß hatte es damit begründet, daß es gerade i m Interesse der schwachen und weniger begabten Referendare liege, wenn auf sie ein gewisser Zwang ausgeübt werde, sich gründlich auf die zweite Staatsprüfung vorzubereiten. Teilweise wurde Klage darüber geführt, daß die Arbeitsgemeinschaftsleiter noch nicht in der Weise von anderen Dienstgeschäften entlastet seien, die es ihnen gestatte, sich m i t der nötigen Intensität den vielseitigen Pflichten zu widmen. Die Tatsache, daß i n Nordrhein-Westfalen seit einiger Zeit bei den Regierungspräsidenten hauptamtliche Arbeitsgemeinschafts- und Ausbildungsleiter eingesetzt sind, wurde als ein nachahmenswertes Beispiel empfunden. Einigkeit bestand auch darüber, daß man mit diesen Aufgaben jüngere, besonders qualifizierte Regierungsräte, Oberregierungsräte oder Verwaltungsrichter auf eine absehbare Zeit betrauen solle, und daß man diese Tätigkeit bei Beförderungen entsprechend honorieren müsse. Allgemein wurde von den Ausbildungsleitern beanstandet, daß z. Zt. noch sehr wenig für Ausbildungszwecke geeignete Literatur vorhanden sei. Dafür, so meinte Matzker, müßten ebenso wie für die gewünschten und dringend erforderlichen Ausbildungsfahrten mehr Haushaltsmittel bereit gestellt werden. A n dieser Stelle muß nochmals an die von Ule erhobene Forderung, alle Einsparungen, die die Verkürzung der Referendarzeit zur Folge habe, der Ausbildung zugute kommen zu lassen, erinnert werden. Hinweise auf die Verwaltungsausbildung i n Frankreich griff Hof mann auf, um darzulegen, daß auch seitens der Innenministerien Anstrengungen gemacht werden müßten, u m die Verwaltungsausbildung zu intensivieren. Er berichtete, daß ein Beamter i m Ministerium des Innern des Landes Rheinland-Pfalz zum Sonderreferenten für das Ausbildungs-

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wesen bestellt worden sei und man daran denke, eine Ausbildungsabteilung auszubauen. Diese müsse dafür sorgen, daß aus der Fülle der von den Verwaltungsgerichten und -behörden vorgelegten Akten die herausgesucht und entsprechend bearbeitet würden, die sich für K l a u suren, Aktenvorträge und Hausarbeiten eigneten. Z. Zt. sei der Sonderreferent bei den achtwöchigen Lehrgängen i n Ehrenbreitstein, zu denen alle Referendare des Landes vor der Großen Staatsprüfung abgeordnet würden, zusammen m i t zwei Herren der Justiz als Lehrgangsleiter eingesetzt. I n der lehrgangsfreien Zeit übe er eine Funktion aus, die m i t der des directeur de stage der ENA vergleichbar sei. Er führe Gespräche m i t Arbeitsgemeinschaftsleitern, Behördenleitern und den Referendaren, u m auf Mängel hinzuweisen und die Ausbildung zu koordinieren und zu verbessern. Lenz und Heimann wiesen darauf hin, daß ähnliche Anstrengungen i n Berlin gemacht werden. I m Rahmen des ersten Beratungsgegenstandes „Ausgestaltung der Verwaltungsausbildung i m Vorbereitungsdienst" wurde schließlich auch noch die Frage erörtert, ob die Wahlstation, für die sich Brunner eingesetzt hatte, beibehalten werden solle. Heimann meinte, die Wahlstation gerate i n dem Tauziehen zwischen Justiz und Verwaltung leicht i n Gefahr, verloren zu gehen. Schon wegen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, die auf keinen F a l l aus der Referendarausbildung ausgeklammert werden dürfe, müsse sie beibehalten werden, und die Referendare, die später i n die Verwaltung eintreten wollten, sollten von der Möglichkeit, dort ein Semester zu studieren, Gebrauch machen, selbst wenn andere Ausbildungsstationen gekürzt werden müßten. Ähnlich äußerte sich Matzker, der gleichzeitig dafür eintrat, die Referendare erst nach oder am Ende der Verwaltungsausbildung nach Speyer abzuordnen. Dem Umstand, daß die Referendare teilweise während der Wahlstation Geld verdienen, wollte Heimann dann kein Gewicht beimessen, wenn sie sich gleichzeitig bemühen, etwas zu lernen. Fleck meinte aus der Sicht des Referendars, man solle die Möglichkeit zum Nebenverdienst, der oftmals dazu diene, die Doktorarbeit zu finanzieren, nicht allzu sehr beschränken. Vielmehr solle man bemüht sein, solche Stellen zu vermitteln, i n denen gleichzeitig viel gelernt werden könne. Ule faßte die Diskussion zu diesem Punkt m i t der Bemerkung zusammen, daß es sicherlich Nebentätigkeiten gebe, die von der Ausbildung her erwünscht sein könnten. Entschieden müsse man dagegen eintreten, wenn die Nebentätigkeit rein u m des Erwerbs w i l l e n erfolge. IL Bei dem folgenden Beratungsgegenstand „Verwaltung und Verwaltungsrecht i n der zweiten Staatsprüfung" wurde ebenso wie bei der

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Diskussion zum ersten Themenkreis auf die enge Verbindung, die zwischen Ausbildung und Prüfung besteht, hingewiesen. Insoweit war es verständlich, daß auch einige Probleme der Ausbildung m i t erörtert wurden. I n erster Linie wurde jedoch über den Stoff und die Methoden der Prüfung gesprochen, wobei weitgehend auf den Ergebnissen der Aussprache vom Vortag aufgebaut werden konnte. Nachdem die beiden Referenten Gedanken zur Auswirkung der geplanten Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf die Große Staatsprüfung vorgetragen hatten, kam dieser Problematik auch i n der Aussprache eine erhebliche Bedeutung zu. Dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts und Verfassungsgerichtshofs Dr. Pötter (Münster/ Westf.), der die Auffassung vertreten hatte, daß die Prüfung auf Staatsund Verwaltungsrecht begrenzt und Fragen des praktischen Verwaltungshandelns ausgeklammert werden sollten — der Referent kam zu dem Schluß, daß dies i n einer sechsmonatigen Ausbildungsstation erlernt werden könne —, trat Professor Dr. Mayer (Speyer) m i t Entschiedenheit entgegen. Er führte aus: F ü r eine echte Reformdiskussion fehle es an einer Grundlage, wenn i n einem Teil der Bundesrepublik das Verhältnis von 2 : 1 einen beachtlichen Fortschritt für die Verwaltung bedeute, während i n Bayern, wo eine Einheitsausbildung i m Sinne einer Doppelausbildung bestehe, die Verwaltung wesentlich benachteiligt werde, wenn man versuchen würde, die verschiedenen Ausbildungssysteme auf einer mittleren Linie anzugleichen. Mayer stellte fest, daß an jungen Juristen auch heute noch kein Mangel sei, was fehle, seien qualifizierte Juristen. M i t eindringlichen Worten warnte er deshalb davor, die Anforderungen an Ausbildung und Prüfung herabzuschrauben, denn je kürzer ein Ausbildungsgang sei, desto eher werde er erfahrungsgemäß als Verlegenheitsstudium gewählt. Wenn man die Anforderungen i n der zweiten Staatsprüfung herabschraube — und wenn Pötter die Auffassung vertreten habe, daß man die Grundbegriffe des öffentlichen Rechts i n sechs Monaten erlernen könne, dann komme das darauf hinaus — so argumentierte der Diskussionsredner, dann erweise man auch den jungen Kollegen dadurch keinen guten Dienst. Sie müßten schließlich doch m i t der Juristengeneration, die unter den schwierigen und harten Bedingungen der Nachkriegszeit ihre Berufsausbildung erhalten hätten und eingestellt worden seien, konkurrieren. Referendar Haun (Berlin) sagte dazu, daß es dem Bundesreferendarverband, der für eine Kürzung auf 2V2 Jahre eintrete, nicht darauf ankomme, die Forderungen, die an die Ausbildung und Prüfung gestellt würden, zu verringern. Ganz i m Gegenteil, man verspreche sich von der geplanten Intensivierung, über die man ja schon i m einzelnen diskutiert habe, sogar eine erhebliche Steigerung des Niveaus. Auch Ministerialdirigent Hof mann (Mainz) wandte sich gegen die Auffassung von Mayer.

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Er argumentierte folgendermaßen: Der süddeutsche Ausbildungs- und Prüfungsmodus und die Systeme, die i m wesentlichen durch das Justizprüfungsamt des Reiches vorgezeichnet worden seien, könne man kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Entscheidend sei vielmehr, daß i n den einzelnen Ländern Anstrengungen gemacht würden, u m die Belange der Verwaltung und des öffentlichen Rechts stärker zu berücksichtigen. Rheinland-Pfalz habe insoweit schon beachtliche Fortschritte erzielen können. Die zuständigen Herren i m Innenministerium hätten einen ausgezeichneten Kontakt zum Justizprüfungsamt, das man doch wohl besser „Prüfungsamt für Juristen" nennen solle, der Optik wegen. Schon heute sei bei den Aktenvorträgen das Verhältnis 2 : 1 , ein Verhältnis, von dem auch die Gutachterkommission der Innenministerkonferenz ausgegangen sei. Leider habe man bisher nur wenige gute Aktenstücke finden können, die als öffentlich-rechtliche Hausarbeit geeignet seien. Wenn man jedoch auch Gutachten ausgebe, wie das verschiedentlich i n der Diskussion vorgeschlagen worden sei, dann verfüge man bald über mehr Material. Bei den Klausuren sei das Verhältnis 3 : 1 , und bei allem Verständnis dafür, daß die Grenze zwischen dem öffentlichen Recht und dem Justizrecht fließend sei, man müsse zu einem Verhältnis von 3 : 2 — auch i n der mündlichen Prüfung — kommen. Der Präsident des Landesjustizprüfungsamts Kohleiß (Stuttgart) beanstandete, daß die von Pötter überreichte Zusammenstellung über die Prüfungsbestimmungen zum Anteil des öffentlichen Rechts an der zweiten juristischen Staatsprüfung für Baden-Württemberg nicht ganz zutreffend wiedergegeben worden sei. Das Verhältnis sei nicht immer 4 : 1 , oft komme man auf eine Relation von 3 : 1 . Dies gelte insbesondere dann, wenn der Kandidat einen Aktenvortrag aus dem öffentlichen Recht erhalten habe. Kohleiß wies darauf hin, daß i n Baden-Württemberg dem Prüfungsprotokoll eine erhebliche Bedeutung zukomme und führte i m einzelnen folgendes aus: Die Prüfungsgesamtnote werde aus den neun Leistungen der schriftlichen und den fünf Leistungen der mündlichen Prüfung zunächst mathematisch errechnet. Des öfteren mache der Prüfungsausschuß von der Möglichkeit Gebrauch, diese Note zu heben oder zu senken. Anhand des Prüfungsprotokolls, das sämtliche Leistungen sichtbar mache, sei die Einstellungsbehörde i n Verbindung mit dem den Akten beigefügten Vorstellungsbericht i n der Lage, sich ein genaues B i l d von dem Bewerber zu machen. Vor allem könne sie auf diese Weise feststellen, ob ein Assessor für die Verwaltung geeignet sei. Zum Prüfungsstoff erklärte Kohleiß, daß man i n den letzten Jahren sehr u m eine zweckmäßige Prüfung i m öffentlichen Recht bemüht gewesen sei. I n der Prüfungspraxis bestehe kein echter Gegensatz zwischen „Verwaltung" einerseits und „öffentlichem Recht" andererseits.

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Zu dem festen Bestand, so führte er aus, gehörten Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Grundzüge des Beamten-, Kommunal-, Gewerbeund Polizeirechts und gelegentlich auch des Steuerrechts. A n neueren Gesetzen, wie beispielsweise dem Bundesbaugesetz, prüfe man die Fähigkeit, verwaltungsrechtlich zu denken. Keinesfalls, so betonte er, w ü r den bei der Prüfung Fragen vernachlässigt, m i t denen die Kandidaten ihre Fähigkeit, Initiative zu entwickeln und Lebenssachverhalte zu gestalten, unter Beweis stellen könnten. Als Beispiel nannte er die Fragen, ob und wann ein Landkreis ein eigenes Krankenhaus bauen solle, wie ein Schulbau finanziert werde und Probleme eines Wasserzweckverbandes. Elemente einer Verwaltungslehre, so stellte Kohleiß abschließend fest, i m Sinne der vom Zweitreferenten, Regierungsvizepräsident Dr. Panz (München), gebrauchten Definition, seien auch heute schon Prüfungsgegenstand. Gegen einzelne Ausführungen Pötters nahm auch Oberregierungsrat Schleberger (Düsseldorf) Stellung. Er knüpfte i n seinem Diskussionsbeitrag an die Tatsache an, daß m i t der zweiten juristischen Staatsprüfung die Befähigung zum Richteramt und höheren Verwaltungsdienst verliehen werde. I n der Prüfung, so folgerte er, müsse also auch festgestellt werden, ob der Assessor einen solchen Fundus an Wissen und Kenntnissen besitze, daß er i n der Verwaltung eingesetzt werden könne. Der Diskussionsredner ließ seine Anerkennung gegenüber dem Ausbildungs- und Prüfungssystem i n Bayern recht deutlich sichtbar werden. Er meinte, bei der Erörterung des ersten Beratungsgegenstandes sei doch ziemlich klar geworden, daß man der Vermittlung von praktischen Verwaltungskenntnissen mehr Raum geben wolle und auch könne, deshalb solle man diesen Fragen i n der Prüfung ein größeres Gewicht einräumen, denn es sei nun einmal so, daß die Referendare sich m i t mehr Eifer mit den Problemen beschäftigen, die „prüfungswesentlich" seien. Schleberger bemängelte, daß Prüfungskommissionen zum Teil nur m i t Herren besetzt seien, die weder über hinreichende Erfahrung i n der Verwaltungspraxis noch über gründliche Kenntnisse i m öffentlichen Recht verfügen würden. Ltd. Regierungsdirektor Scharnberg (Hamburg) meinte demgegenüber, man könne heute doch wohl davon ausgehen, daß je ein Verwaltungspraktiker oder Verwaltungsrichter Mitglied der Prüfungskommission sei. Er kritisierte, daß die Anforderungen i m öffentlichen Recht in der Prüfung i m Vergleich zu den anderen Fächern recht harmlos seien. Wenn ein Kandidat eine komplizierte Hypothekenpfändung nicht richtig würdige, dann w i r k e sich dies i n der Prüfung erheblich nachteiliger aus, als wenn er z. B. noch niemals etwas von unzulässiger Mischverwaltung gehört habe. Scharnberg glaubte eine Erklärung dafür zu haben, daß sich nur eine geringe Zahl von Kandidaten — auch

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die, die besonders an der Verwaltung interessiert seien —, für öffentlich-rechtliche Hausarbeiten und Vorträge entschließen könnten. Bei den Heferendaren sei, so berichtete er — offensichtlich nicht ganz zu Unrecht — der Eindruck vorhanden, daß man die Kandidaten, die überdurchschnittliche Leistungen i m öffentlichen Recht gezeigt hätten, i n den justiziellen Fächern besonders streng prüfe. Dies sei die Folge davon, daß die Justiz glaube, die besten Kandidaten der Richtertätigkeit zuführen zu müssen und die Assessoren, die mehr Interesse an der Verwaltung zeigten, als weniger qualifiziert ansehe. Der Diskussionsredner stellte deshalb die Forderung auf, den Leistungen i m öffentlichen Recht mehr Gewicht beizulegen. Scharnberg wies darauf hin, daß es für die öffentlich-rechtlichen Prüfer eine erhebliche Belastung bedeute, zivilrechtliche Hausarbeiten als Erstvotant beurteilen zu müssen. Hiervon, so meinte er, solle man sie entlasten. Bei der weiteren Diskussion darüber, ob man bei der Prüfung ein größeres Gewicht auf öffentlich-rechtliche Fälle oder Fragen der Verwaltungspraxis legen solle, wurden verschiedene wichtige Gesichtspunkte vorgetragen. Regierungsassessor Heimann (Berlin) machte darauf aufmerksam, daß zwischen der Tätigkeit des Richters und der des höheren Verwaltungsbeamten ein wesentlicher Unterschied bestehe. Man werde diesem nicht gerecht, wenn man nur das Verwaltungsrecht stärker bei der Prüfung berücksichtige. Dabei könne der Kandidat nur unter Beweis stellen, ob er einen Einzelfall retrospektiv analytisch richt i g rechtlich beurteile. Der Umstand, daß der Verwaltungsbeamte regelmäßig seine Tätigkeit i n einem Zusammenhang m i t zahlreichen anderen Aufgaben der Verwaltung sehen müsse, mache es erforderlich, den Referendar i n Ausbildung und Prüfung m i t Fragen der Verwaltungslehre zu konfrontieren. Heimann schlug vor, je eine Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht und für Verwaltungslehre durchzuführen. Dabei machte er allerdings auch darauf aufmerksam, daß man mehr Lehrmaterial zur Verfügung stellen müsse, u m ernsthaft Fragen der Verwaltungslehre diskutieren zu können. Mayer wies darauf hin, daß man i n Deutschland nicht über ein geschlossenes System der Verwaltungslehre verfüge und auch i n Zukunft nicht verfügen werde. Er kritisierte deshalb den einstimmigen Beschluß der Gutachterkommission der I n nenministerkonferenz, die sich dafür ausgesprochen hat, Verwaltungslehre als Hauptfach ins Studium und als Prüfungsfach i n die erste Staatsprüfung einzubauen. Er schlug vor, von „Verwaltungskunde" zu sprechen. Es komme darauf an, den angehenden Volljuristen klarzumachen, auf welche Weise Verwaltungsaufgaben erfüllt würden und wie man als höherer Verwaltungsbeamter zu denken und zu handeln habe. Wenn man insoweit die Prüfung verändere, so meinte der Diskussionsredner abschließend, dann schaffe man auch das erforderliche

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Gegengewicht gegenüber den Repetitoren. Vorher hatte schon Referendar Jost (Gummersbach) darauf hingewiesen, daß heute etwa 90 °/o aller Referendare vor den beiden Staatsexamen einen Repetitor besuchen würden. Dies führte auch er darauf zurück, daß man i n den Prüfungen ein zu großes Gewicht auf die Entscheidung von Fällen lege. Regierungspräsident a. D. Dr. Mang (München) leitete seinen Diskussionsbeitrag m i t der Bemerkung ein, daß alle Teilnehmer der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung von der Notwendigkeit, die Verwaltungsausbildung zu intensivieren, überzeugt seien. Dies setze voraus, daß den Belangen der Verwaltung auch i n der Prüfung ein wesentliches Gewicht eingeräumt werden müsse: nur wenn man, wie das i n Bayern geschehe, i n der mündlichen und schriftlichen Prüfung beachtliche öffentlich-rechtliche und verwaltungspraktische Kenntnisse von den Referendaren verlange, werde man den Bedürfnissen der Verwaltung gerecht. Bei der mündlichen Prüfung, so führte er abschließend aus, solle man eine Wissensprüfung vermeiden und stärker auf das Verständnis der Kandidaten abstellen. Hofmann griff das Wort „Verständnisprüfung" auf und bemerkte, das solle nicht heißen, die Referendare seien nicht gezwungen hart und intensiv zu arbeiten. A u f fundierte Grundkenntnisse könne man nicht verzichten, deshalb müsse die Ausbildung auch auf den besonderen Teil des Verwaltungsrechts ausgedehnt werden. Regierungsassessor Fittschen (Speyer) sagte, die Referendare würden sich oft zu Unrecht darüber beklagen, daß sie i n der Verwaltungsstation nicht genügend lernen könnten. Weitgehend hänge es doch davon ab, ob der junge Jurist gewillt sei, die i h m gebotenen Möglichkeiten ernsthaft zu nutzen. Fittschen führte aus: Man könne wohl davon ausgehen, daß die meisten Referendare nur dann die Verwaltungsstation ernsthaft nutzen würden, wenn sie damit rechnen müßten, eine Hausarbeit oder einen Aktenvortrag aus dem Bereich der Verwaltung zu bearbeiten. Hierbei könne man auch den E n t w u r f von typischen Verwaltungsentscheidungen, z. B. Ermessensentscheidungen i n Abwägung kommunalpolitischer Fragen usw., verlangen. Dabei könne und müsse der Kandidat zeigen, daß er alle entscheidenden Gesichtspunkte berücksichtigt habe. Als ein weiteres Beispiel nannte Fittschen den E n t w u r f einer Marktordnung. Einzelne Diskussionsredner meinten dazu, daß dies doch eine vielleicht zu spezielle Prüfungsaufgabe sei. Schließlich wurde i n der Aussprache über das Verhältnis von zweiter Staatsprüfung zu den i n einigen Ländern üblichen Vorstellungsterminen gesprochen. Scharnberg führte aus, daß sich i n Hamburg die Einrichtung des Vorstellungstermins sehr bewährt habe. Dabei könne man die für die Arbeit i n der Verwaltung wichtigen persönlichen Qualitäten, z. B. Kontaktfähigkeit, Verhandlungsgeschick, Auftreten kennenlernen.

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Verwaltungsgerichtspräsident Professor Buri (Sigmaringen) erinnerte an den Fall des Bundesbahnassessors, der sein Assessorexamen m i t der Note „gut" abgelegt hatte und während der Probezeit entlassen wurde (vgl. BVerwGE Bd. 15, S. 39 ff.). Dieser Fall, so führte er aus, mache die große Divergenz deutlich zwischen dem, was i n der Verwaltung verlangt und dem, was geprüft werde. Professor Dr. Ule (Speyer) warnte davor, die Möglichkeiten der Verwaltungsprüfung zu überschätzen: Die „dritte Staatsprüfung", die i n den norddeutschen Ländern üblich sei, müsse man wohl beibehalten. Der beachtliche Personalaufwand, der m i t ihr verbunden sei, lasse sich nicht auf das Assessorexamen übertragen. A n dieser Stelle wäre es interessant gewesen zu erfahren, warum man i m süddeutschen Kaum bisher von einem ausgedehnten Vorstellungstermin absehen konnte und wie man dort sich von den besonderen Fähigkeiten der höheren Verwaltungsbeamten überzeugt.

m. Auch an die vier Referate zum Thema „Bedeutung der Verwaltungsausbildung i n Verwaltung, Justiz und Wirtschaft" schloß sich eine lebhafte und fruchtbare Aussprache an. Hierbei wurde zunächst über die allgemeinen Ziele und darüber, was i n der Verwaltungsausbildung erlernbar sei, diskutiert. Obermagistratsrat Scheffler (Kiel) schloß sich den Ausführungen des Referenten, Regierungsvizepräsident Neuffer (Stuttgart), an, der festgestellt hatte, daß der Referendar vieles, was der höhere Verwaltungsbeamte i n der Praxis benötige, während der Ausbildung nicht lernen könne. I n seinem Bemühen, das Optimum aufzuzeigen, nahm er wie folgt Stellung: Während der Verwaltungsausbildung solle man dem jungen Kollegen einen möglichst umfassenden Einblick i n die kommunale Grundstückspolitik, die für die Städte von immer größerer Bedeutung sei, geben. Man müsse i h m klarmachen, daß er die Verwaltungsprobleme nicht aus der juristischen Sicht, sondern als Helfer und M i t gestalter des Städtebauers, des Tiefbautechnikers, des Amtsarztes, des Schlachthofdirektors, des Leiters der Versorgungsbetriebe, des Theaterintendanten usw. sehen müsse. Deshalb sei es dringend erforderlich, den Referendar schon während der Ausbildung m i t den speziellen Problemen vertraut zu machen, was am zweckmäßigsten dadurch geschehe, daß man die leitenden Fachbeamten m i t den Referendaren diskutieren lasse. Er habe als Ausbildungsleiter die Erfahrung gemacht, daß auch diese Beamten an derartigen Gesprächen interessiert seien, da sie hiervon für ihre Arbeit profitieren könnten. Man müsse den zukünftigen höheren Verwaltungsbeamten auch zeigen, wie wichtig und erfolgreich eine gute Zusammenarbeit m i t der Presse sei.

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Regierungsrat Dr. Breuckmann (Speyer) leitete seinen Diskussionsbeitrag m i t dem Gedanken ein, daß es bei der Referendarausbildung nicht nur darauf ankomme, was man lernen könne. Eine weitere wichtige Funktion der Ausbildung sei die, die angehenden Volljuristen m i t den vielfältigen Tätigkeitsbereichen der Praxis vertraut zu machen. Dieses Ziel, so meinte er, müßten die Ausbilder stets m i t vor Augen haben, denn damit werde bei einer ausgeglichenen Personallage garantiert, daß die Assessoren bei ihrer Berufswahl persönliche Fähigkeiten und Neigungen bewußt i n ihre Überlegungen mit einbeziehen. Für die Verwaltung ergebe sich daraus die Notwendigkeit, die jungen Kollegen möglichst eng m i t den Verhältnissen der Praxis vertraut zu machen. Das geschehe am zweckmäßigsten dadurch, daß man sie einem erfahrenen höheren Verwaltungsbeamten beiordne, dem sie bei seiner täglichen Arbeit „über die Schulter schauen" könnten. Rechtsanwalt Dr. Redeker (Bonn) argumentierte aus der Sicht seines Berufsstandes folgendermaßen: Man könne bei zahlreichen Diskussionsbeiträgen feststellen, daß eigentlich die Antinomie zwischen Gesamtschau und Spezialisierung angesprochen werde. Darum gehe es i n vielen Wissenschaftsgebieten, beispielsweise auch i n der Medizin. Die Verbände der Anwaltschaft hätten sich für eine gewisse Spezialisierung ausgesprochen. Wenn man bei der Juristenausbildung an dieser Gesamtschau festhalten wolle — diesen Weg zeige das Richtergesetz auf —, dann sei bei der Ausbildung eine gewisse Bescheidung möglich. Es sei nicht zu erreichen, daß alles das i n der Ausbildung gelehrt werde, was nachher i n der Praxis erforderlich sei. Man müsse sich m i t einer Sockelausbildung, auf der nachher eine Spezialisierung aufbauen könne, zufrieden geben. Damit sei zumindest eine Verständigung der Juristen i n den verschiedenen Positionen sichergestellt. Professor Dr. Mayer (Speyer) bestärkte diese Ausführungen teilweise: Man müsse um der Unabhängigkeit vom Politischen w i l l e n den einheitlichen Juristenstand aufrechterhalten. Das preußische Regierungsreferendariat sei ein Typ der Ausbildung, der Geschichte gemacht habe, er gehöre jedoch der Vergangenheit an. Wenn der Vertreter der Anwaltschaft gesagt habe, daß der Sockel erhalten bleiben müsse, dann bedeute das, daß man über das Berufsbild des Juristen nicht reden könne. Man müsse also erörtern, welche Leistungen man von einem Assessor verlange, und da müsse man berücksichtigen, daß dieser kurz nach der Prüfung als Richter, Verwaltungsbeamter oder Rechtsanwalt tätig sein könne. Mayer forderte deshalb m i t Nachdruck, daß der gegenwärtige Leistungs- und Prüfungsstand i n jedem Fall gehalten werden müsse. Ltd. Regierungsdirektor Scharnberg (Hamburg) wies auf die Gefahren hin, denen die Einheitslaufbahn i m Hinblick auf die geplante Ver11 Speyer 26

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kürzung der Ausbildungszeit ausgesetzt sei. Wenn die Interessen der Justiz zu stark i n den Vordergrund treten würden, dann setze sich der höhere Verwaltungsdienst i n zunehmendem Maße aus Nichtjuristen, aus Aufstiegsbeamten, Außenseitern und anderen Akademikern zusammen. Wenn diese noch so tüchtig seien, so fehle es ihnen doch oft an der gewissen Variationsbreite, auf die die Verwaltung i m Endeffekt nicht verzichten könne. Anknüpfend an das Referat von Vortr. Legationsrat I. K l . Dr. Lane (Bonn) wurden einige Probleme besprochen, die sich daraus ergeben, daß höhere Verwaltungsbeamte bei internationalen und supranationalen Behörden tätig sind. Regierungsassessor Heimann und Referendar Haun (beide Berlin) traten dafür ein, die umstrittene Wahlstation beizubehalten, u m dadurch interessierten Referendaren die Möglichkeit zu erhalten, einen Einblick i n die besonderen Verhältnisse dieser Behörden zu bekommen. Professor Dr. Bülck (Speyer) dankte dem Referenten dafür, daß er versucht habe, den i n der Verwaltung noch immer tief verwurzelten Gegensatz von äußerer und innerer Verwaltung zu überbrücken. Er fügte hinzu: Typisch für die neuere Entwicklung sei die Verflechtung der inneren und internationalen Verwaltung auf dem gesamten Gebiet des sozialen und ökonomischen Lebens. Ganz offenbar handele es sich hierbei um die zukünftige Organisationsform der modernen Gesellschaft. Die Auffassung des Referenten, daß die Juristen i n diesen Bereichen weitgehend nicht mehr eingesetzt werden könnten und auf Bewerber anderer Disziplinen zurückgegriffen werden müsse, könne er noch nicht unbedingt teilen. Jedenfalls sei zutreffend, daß bei der abstrakt positivistischen Ausrichtung der Juristenausbildung der sozialökonomische Sachbezug weitgehend verloren gegangen sei. Die Verflechtung von innerer und internationaler Verwaltung habe eine sehr starke Auswirkung auf die nationalen Verwaltungsdienste. I n der Verkehrs», Sozial-, Arbeits- und Landwirtschaftsverwaltung und i n allen Bereichen der Wirtschaftsverwaltung sei jedenfalls auf der Ministerialebene nicht mehr ohne gründliche Kenntnisse der internationalen und supranationalen Verwaltung und ihrer Rechtsordnungen auszukommen. Auch die innere Verwaltung sei z. B. auf dem Gebiete des Fremdenrechts und des Planungsrechts i n zunehmendem Maße gezwungen, sich auf diese neue Entwicklung einzustellen. Es sei jedoch kaum möglich, während des Vorbereitungsdienstes fundierte Kenntnisse zu vermitteln, sondern das müsse man einer Sonderausbildung nach dem Assessorexamen vorbehalten. Oberregierungsrat a. D. Direktor Wieacker (Essen) stimmte der A u f fassung des Referenten, daß man das Schwergewicht auf die Fortbildung legen solle, ebenfalls zu. Ergänzend wies er noch auf folgendes hin:

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Bei den internationalen und supranationalen Beamten lege man bewußt besonderen Wert darauf, daß sie Verbindungen zu ihrem Land hätten und i m Ausgleich m i t Beamten aus anderen nationalen Bereichen Entscheidungen zustande kommen könnten. Deshalb komme es sehr darauf an, welche Personen dort tätig seien. U m ein Potential von möglichen deutschen Bewerbern bereits innerhalb der deutschen Behörden zu gewinnen, sollte man jungen qualifizierten Beamten i m Rahmen ihrer Beamtenlaufbahn einen Auftrag i m Ausland geben, der ihnen die Gelegenheit gäbe, wirkliche Vertrautheit mit den internationalen Gemeinschaftsorganisationen zu gewinnen. Seien solche Beamte aber einmal i n den Dienst supranationaler Behörden eingetreten, so müßten sie — wie ihre Kollegen aus anderen Ländern — i m Heimatstaat weiter gefördert werden. A u f diese Weise würde sichergestellt, daß einerseits überhaupt qualifizierte Kräfte eine aussichtsreiche Position i m Inland aufgäben und andererseits die gleichen Beamten nach einer Reihe von Jahren bereit seien, mit ihren Erfahrungen i n den innerdeutschen Dienst zurückzukehren, ohne i n Stellung und Einkommen einen Rückschritt hinnehmen zu müssen. Wieacker verstand es, m i t einigen Beispielen aus seiner Zusammenarbeit m i t supranationalen Behörden auf die besondere A k tualität der von i h m vertretenen Thesen hinzuweisen. Professor Dr. Ule (Speyer) leitete m i t der Bemerkung, Referat und Diskussionsbeiträge hätten sehr deutlich gezeigt, welcher Bedarf an qualifizierten Beamten bei den internationalen Behörden bestehe, zu dem Diskussionsbeitrag von Lane über, der i n der A r t eines Schlußwortes auf die i h m gestellten Fragen antwortete. A u f die Frage von Oberregierungsrat Lenz (Berlin), ob die Zahl der zu besetzenden Stellen eine Sonderausbildung rechtfertige, sagte Lane: Man müsse zunächst daran denken, daß eine große Zahl von Beamten i n den nationalen Verwaltungen m i t den von i h m angesprochenen Sonderproblemen vertraut sein müßte. Das sei ein sehr wichtiges Problem der Fortbildung. Wie hoch der Bedarf sei, um i n den nächsten Jahren die Stellen bei den internationalen und supranationalen Behörden besetzen zu können, diese Frage lasse sich nicht beantworten. Entscheidend sei, daß die Bundesrepublik angemessen vertreten sei. Hierbei komme es nicht darauf an, wieviel deutsche Staatsangehörige beschäftigt seien, vielmehr sei entscheidend, daß auch die wichtigen Dienstposten nach dem Länderproporz besetzt würden. Leider müsse auch er bestätigen, daß andere Nationen sehr viel geschickter seien, wenn es darum gehe, Staatsangehörige i n internationale Organisationen zu lancieren. Teilweise seien sie jedoch auch sprachlich und dadurch, daß die Institutionen ihrem Heimatrecht nachgebildet seien, i m Vorteil. Ii*

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Wieacker habe m i t dem Hinweis auf die Verbindung der nationalen Interessen mit den internationalen Aufgaben ein sehr schwieriges Problem angeschnitten. Oftmals führe ein Kompromiß zwischen den nationalen und internationalen Interessen zu einer zweckmäßigen Entscheidung. Die internationalen Organisationen seien aber auch manchmal gehalten, Entscheidungen gegen ein Mitgliedsland zu fällen. Sehr gefährlich sei es, wenn Stellen m i t Damen und Herren besetzt würden, die zwar formell deutsche Staatsbürger seien, jedoch weder über persönliche Bindungen verfügten noch m i t den Verhältnissen i n Deutschland vertraut seien. Oftmals würden die Fähigkeiten dieser „internationalen Globetrotter" sich darin erschöpfen, daß sie über die entsprechenden guten Beziehungen verfügen. Bei der Diskussion um die Bedeutung der Verwaltungsausbildung für die Wirtschaft wurde vor allem über die Fragen beraten, ob während der Referendarausbildung i n einem größeren Umfang wirtschaftliche Kenntnisse vermittelt werden könnten und ob, gegebenenfalls i n welcher Ausgestaltung, man an der Wahlstation, i n der die Referendare bei Wirtschaftsunternehmen tätig sein könnten, festhalten solle. Ministerialdirigent Wolff (Bonn) setzte sich für eine spezialisierte Weiterbildung i m Anschluß an das Assessorexamen ein. Er verwies darauf, daß die beim Bundeswirtschaftsministerium eingestellten Assessoren erst nach einer zweijährigen Einführungszeit eingesetzt würden. I n zahlreichen anderen Fachverwaltungen sei es ähnlich. Dies sei deshalb erforderlich, weil es heute nicht mehr üblich sei, daß der Assessor selbst, beispielsweise dadurch, daß er verschiedene juristische Tätigkeiten zu Beginn seiner Laufbahn ausübe, für seine Fortbildung sorge. Die Entwicklung, daß alle Verwaltungen nach der Einstellung noch eine praktische Unterweisung anschließen würden, sei nicht mehr aufzuhalten. Die notwendige Folge sei dann, daß für die Referendarausbildung und für die Prüfung ein schmalerer Rahmen übrig bleibe, meinte er. Nachdem Haun ebenfalls die Meinung vertreten hatte, nach dem Assessorexamen müßten qualifizierte Assessoren die Möglichkeit zu einer Spezialausbildung haben, sah sich Mayer veranlaßt, zu widersprechen: Nach deutscher Beamtentradition liege eindeutig fest, was ein Jurist, der die Befähigung zum Richteramt und höheren Verwaltungsdienst habe, können und wissen müsse. Es gehe nicht an, diese Befähigung zu erteilen und dann noch weiter auszubilden. Alles, was hinter der zweiten juristischen Staatsprüfung liege, sei sachlich niemals Ausbildung, sondern allenfalls Fortbildung. Deren Nutzeffekt sei wesentlich geringer, weil das Stimulans der Prüfung fehle. Der Versuch, das alte preußische Regierungsreferendariat i n Form getrennter Assessorenlaufbahnen wieder einzuführen, sei politisch völlig untragbar, erklärte der Diskussionsredner m i t Nachdruck.

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Haun legte die Auffassung des Bundesreferendarverbandes zur Wahlstation dar. Dieser sei der Meinung, daß die Wahlstation i n einer A r t Wirtschaftsstation fortgeführt werden solle. Der Verband wünsche, so führte er weiter aus, daß die Referendare wählen könnten, ob sie bei einer internationalen Behörde, bei einem Wirtschaftsverband, bei einem Unternehmen, einer Behörde oder Körperschaft, die speziell m i t Fragen der Wirtschaftsverwaltung betraut sei, oder bei einem ausländischen A n w a l t m i t vorwiegend wirtschaftlicher Praxis tätig werden wollten. Sein optimistisches B i l d über die den jungen Juristen i n dieser Station gebotenen Möglichkeiten wurde durch Scharnberg erheblich abgeschwächt. Er legte folgendes dar: Es bestehe doch wohl Einigkeit darüber, daß man die Wahlstation noch genauer präzisieren müsse. Er trete für die Ausbildung an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, bei der EWG und i n öffentlichen Betrieben ein. Bei einem privaten Unternehmen solle der Referendar nur dann tätig sein dürfen, wenn er tatsächlich an den wirtschaftlichen und betrieblichen Dispositionen teilnehme. Oftmals, wenn nicht sogar regelmäßig, würden die Referendare — auch i n der Zukunft — dort ihre Wahlstation ableisten, wo sie einen guten Nebenverdienst erhalten würden, selbst dann, wenn sie i n der Mahnabteilung z. B. eingesetzt würden. Hierauf führe er auch zurück, daß einige Referendare nicht von besseren Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen würden, meinte der Diskussionsredner am Ende der Aussprache zum Gesamtthema.

Schlußwort Von Carl Hermann Ule

Erlauben Sie mir, daß ich nun den Auftrag zu erfüllen versuche, ein Schlußwort zu sprechen. Dieses Schlußwort, meine sehr verehrten Herren, kann nicht den Sinn haben, lediglich das uns allen Gemeinsame hier herauszuarbeiten, weil ja die Verhandlungen der zweieinhalb Tage offensichtlich ergeben haben, daß i n gewissen Fragen erhebliche Meinugsverschiedenheiten bestehen. Es hat auch keinen Sinn, irgendwelche Formeln zu finden, die so weit gefaßt sind, daß die Divergenzen durch solche leeren Formeln überdeckt werden. Man soll die Dinge so darstellen, wie sie wirklich sind, und ich darf das, was Herr Direktor Wieacker vorhin gesagt hat, daß es doch i n erster Linie darauf ankomme, einen Tatbestand richtig zu erfassen, auch für mein Schlußwort i n Anspruch nehmen. A u f der anderen Seite ist jede Zusammenfassung nach einer solchen Tagung i n irgendeiner Weise subjektiv. Wenn ein anderer von uns hier stehen würde, dann würde dieses Schlußwort wohl ein anderes Gesicht tragen als das, was ich Ihnen zu geben imstande bin. Das hängt jedoch ganz gewiß von den Vorstellungen ab, m i t denen der Einzelne i n diese Tagung hineingegangen ist, von den Tendenzen, die er verfolgen möchte und die sich sicherlich auch i n gewissen Schlußfolgerungen aussprechen werden, so daß ich nun das, was ich jetzt vorzutragen habe, nicht als Ihre Meinung vortragen kann, sondern nur als meine persönliche Auffassung, der jeder zustimmen oder die er ablehnen mag und von der man allenfalls sagen kann, daß sie die Stimmung der Versammlung oder einer Mehrheit i n dieser Versamlung i m wesentlichen wiedergibt. Wenn Sie unser Programm, meine Herren, zur Hand nehmen, dann sehen Sie, daß von Anfang an nur von einem Schlußwort die Rede war, und w e i l hinsichtlich meiner am ersten Tage gegebenen Anregung, ob w i r nicht vielleicht zu gewissen Empfehlungen kommen könnten, Mißverständnisse aufgetreten sind, möchte ich das i n diesem Augenblick ausdrücklich klarstellen. Die Hochschule hat, als sie die Tagung veranstaltete, nicht die Absicht gehabt, hier zu irgendwelchen Empfehlungen zu kommen. Diese A n regung ist ihr von außen gegeben worden. W i r haben diese Anregung aufgegriffen und sie Ihnen unterbreitet, w e i l w i r annahmen, daß viel-

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leicht die Möglichkeit zu solchen Empfehlungen gegeben sein könnte. Ich habe nach dem Gang der Verhandlungen gestern und vorgestern Zweifel bekommen, ob das möglich sei, und kann Ihnen deshalb, wie ich schon erwähnte, nur das vortragen, was meine eigene persönliche Meinung ist über das, was man als das Ergebnis unserer Tagung festhalten kann. Lassen Sie mich m i t der Dauer des Vorbereitungsdienstes beginnen. Der Vorbereitungsdienst für die Justiz und die Verwaltung war vor 1914 sehr viel länger. Ich habe darauf hingewiesen: vier Jahre. Bei den Herren, die i n Preußen Regierungsreferendare waren, ist es meist auch nicht unter vier Jahren abgegangen, weil sie damals erst einmal den Justizsockel durchlaufen mußten, bis sie als Regierungsreferendare angenommen wurden. Also der Vorbereitungsdienst dauerte damals trotz einer getrennten Ausbildung schon dreieinhalb oder vier Jahre. Ich glaube, dahinter steckt das alte Ideal der Humboldtzeit, die Vorstellung nämlich, daß jeder, der i n den Vorbereitungsdienst eintritt, genauso wie jeder, der auf die Universität geht, selbst dafür verantwortlich ist, was er aus dieser Zeit herauszuholen vermag. Ich glaube, Arbeitsgemeinschaften i m Vorbereitungsdienst hat es vor 1914 nicht gegeben. Diese — gestatten Sie das Wort, obwohl ich weiß, daß ich jetzt übertreibe — Verschulung der Universität und des Vorbereitungsdienstes ist ja nicht etwa zufällig, sondern hängt doch offensichtlich damit zusammen, daß die freie Bildsamkeit, die allein von dem einzelnen selbst gelenkt wird, nicht mehr vorhanden ist. Das ist eine Vorgegebenheit, möchte ich meinen, von der w i r bei allen unseren Überlegungen ausgehen müssen, die auch schon praktisch sehr wirksam geworden ist i m Universitätsbetrieb. Ich darf noch einmal zurückkommen auf die Tatsache, daß jetzt eine juristische Fakultät i n der Bundesrepublik sogar Pflichtvorlesungen i n dem Sinne durchführt, daß die Anwesenheit überwacht wird. Das hat doch wohl m i t akademischer Freiheit i m überkommenen Sinne nicht mehr viel zu tun, und die Vorstellung, man müsse jeden einzelnen Studenten und jeden einzelnen Referendar gewissermaßen von der Wiege bis zur Bahre i n der Hand haben und irgendwie leiten und lenken, w e i l er sich selbst nicht leiten und lenken kann, ist doch eine Voraussetzung aller dieser Überlegungen. Darüber wäre noch sehr viel zu sagen, was jetzt und hier nicht möglich ist. Aber ich meine, i n der Situation, i n der w i r stehen — und darauf muß ich einen Augenblick noch zurückkommen —, spielt diese Vorgegebenheit eine maßgebliche, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle. Die Tatsache, daß w i r nach zwei Jahren wieder über Ausbildungsfragen reden, nachdem w i r das 1962 schon einmal getan haben, ist ja nicht nur aus der Lust nach einer Wiederholung zu erklären, sondern doch aus der Tatsache, daß eine neue Situation offenbar an uns

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herangetreten ist, m i t der w i r uns auseinandersetzen müssen, und diese Situation ist eben die Tatsache, daß die Vorschläge über die Neugestaltung des Vorbereitungsdienstes i n ein entscheidendes Stadium getreten sind, durch die Arbeiten der Husserl-Kommission und der beiden Sachverständigenkommissionen, die von den Innenministerien eingesetzt worden sind. Auch das ist eine Vorgegebenheit, und ich habe nicht die Absicht, hier zu dieser Frage der zeitlichen Begrenzung des Vorbereitungsdienstes i n einer, ich möchte sagen, zahlenmäßig fixierten Weise Stellung zu nehmen. Aber die Tatsache, daß es zu einer Verkürzung des Vorbereitungsdienstes kommen wird, ist ja wohl nicht zu leugnen; ob es nun drei oder zweieinhalb Jahre werden, das lasse ich einmal völlig offen. Jedenfalls zwingt uns diese Situation zu der Überlegung, ob w i r nun i n diesem Schwebezustand zwischen akademischer Freiheit und einem straffen Schulbetrieb, i n dem w i r uns gegenwärtig befinden, gewisse Anstöße oder Tendenzen verfolgen sollten, die doch wohl stärker i n der Richtung einer weiteren Lenkung des Referendars liegen müßten. Ich glaube, daß das, was hier unter dem Stichwort,Intensivierung des Vorbereitungsdienstes' gesagt worden ist, ohne eine erheblich stärkere Erfassung, wenn ich einmal so sagen darf, der Referendare gar nicht abgeht. Es ist eben von Herrn Scharnberg gesagt worden: So zweifelsfrei ist das m i t dem allgemeinen Bekenntnis zur Einheitsausbildung doch nun auch nicht. Einheitsausbildung, ja!, aber nur unter gewissen Voraussetzungen. Nun, ich würde sagen, wenn ich nicht den Standpunkt der Verwaltung, sondern einen allgemeineren Standpunkt einzunehmen versuche — und ich glaube, das ist auch der Standpunkt, den eine überwiegende Mehrheit i n diesem Kreise eingenommen hat — an der Einheitsausbildung für Justiz und Verwaltung ist festzuhalten. Das wäre der erste Satz, den ich hier i n meinen Bemerkungen festgehalten habe, und ich würde sagen, nach den Erfordernissen dieser Einheitsausbildung ist dann die Dauer des Vorbereitungsdienstes zu bestimmen. Aber die Erörterungen gerade am gestrigen Tage haben auch gezeigt, daß diese Dauer des Vorbereitungsdienstes wahrscheinlich nicht ausreicht, um allen Anforderungen der Praxis an die Ausbildung zu entsprechen. Deshalb möchte ich hinzufügen, daß dieses Erfordernis nicht ausschließt, daß nach Abschluß der Einheitsausbildung eine Fortbildung und für bestimmte Sonderverwaltungen, wie w i r das heute i m Bereich etwa der Finanzverwaltung oder der Postverwaltung oder der Eisenbahnverwaltung schon haben, eine weitere Ausbildung erfolgt. Ich kann nicht ganz den Standpunkt teilen, daß man nach dem Assessorexamen gewissermaßen nicht mehr von Ausbildung sprechen dürfte. Ich möchte meinen, für die besonderen Zwecke solcher Sonderverwaltungen ist es doch

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wohl gerechtfertigt, das K i n d beim rechten Namen zu nennen und zu sagen: Das ist eben eine weitere Ausbildung, weil — und ich glaube, insofern hatte Herr Rechtsanwalt Dr. Redeker vollkommen recht — diesen Wünschen innerhalb einer verkürzten Ausbildungszeit von vornherein gar nicht Rechnung getragen werden kann. Ich würde als eine zweite These hier den Satz aufstellen, daß Vorbereitungsdienst und zweite juristische Staatsprüfung nach den Anforderungen zu gestalten sind, die sich aus der Aufgabe der öffentlichen Verwaltung i m Industriestaat der Gegenwart für den höheren Verwaltungsbeamten ergeben. Das ist vielleicht eine sehr vage gefaßte Formel, aber doch eine Formel, mit der ich auch all das gern aufnehmen möchte, was gestern von Herrn Vortragenden Legationsrat Dr. Lane und Herrn Professor Bülck i n der Diskussion gesagt worden ist, also die Öffnung des Vorbereitungsdienstes gegenüber den Anforderungen der modernen Industriegesellschaft und ihren internationalen Verflechtungen. Ich glaube, dafür müssen w i r den Vorbereitungsdienst öffnen, und das soll mit dieser Formel, die i n meinem Leitsatz Nr. 2 niedergelegt ist, erfaßt werden. Es ist dann ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, glaube ich, dieser Tagung ausgesprochen worden, i n dem Einleitungsvortrag von Herrn Professor Becker, nämlich, daß eine Konsonanz zwischen Vorbereitung, Prüfung und Beruf hergestellt werden muß. Dabei gehen w i r alle, meine Herren, davon aus, daß die Prüfungsanforderungen durch ein bestimmtes Berufsbild bestimmt sind. Dieses Leitbild der Juristen, i m allgemeinen, des Verwaltungsjuristen, des Anwalts, des Richters i m besonderen, ist wiederholt angeklungen. Es sind doch offensichtliche Mißverständnisse, wenn einmal i n der Diskussion bemerkt worden ist, daß diese Prüfungsanforderungen gar keinen Zusamenhang m i t dem hätten, was nachher i n der Praxis verlangt würde. Natürlich soll sich doch das, was i n der Prüfung verlangt wird, von dem her bestimmen, was das Berufsbild dieses betreffenden Berufes darstellt, so daß es eigentlich nur darauf ankommt, die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die Anforderungen der Prüfung i n Übereinstimmung zu bringen, und ich würde sagen, daß i n der Prüfung deswegen nichts wesentliches unberücksichtigt bleiben darf, wenn hier eine gute Konsonanz hergestellt werden soll, was i m Vorbereitungsdienst Gegenstand der Ausbildung gewesen ist. Damit komme ich zu einer Frage, die allerdings i m Kreise der Redner und Diskussionsredner kontrovers ist, der Frage, i n welchem Umfang für die Verwaltung das herangezogen werden darf, auch i n der Prüfung, was nicht eigentlich Verwaltungsrecht ist. Ich habe das i n meiner These 3 i m dritten Satz so zu formulieren versucht: Z u dem, was i n der Prüfung auch berücksichtigt werden muß, was nicht unberücksichtigt

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bleiben darf, gehören Fragen der Verwaltungsorganisation, der Verwaltungsaufgaben, des Verwaltungsverfahrens, der gestaltenden Verwaltung und des Verwaltungsermessens. Das ist sicherlich nur ein Teil dessen, was unter dem Begriff der Verwaltungslehre verstanden werden kann; aber ich würde es gewissermaßen als einen ersten Schritt i n dieser Richtung betrachten. Und, meine Herren, nach meinen Erfahrungen, die ich als Prüfer i n der zweiten juristischen Staatsprüfung gemacht habe, muß ich bemerken, daß es doch geradezu erschreckend ist, wie wenig Anschauung manche Kandidaten von dem haben, was die Verwaltung i n Wirklichkeit darstellt, obwohl sie monatelang i n der Verwaltung gewesen sind. Daß jemand, der monatelang i n der Verwaltung als Referendar gewesen ist, eine Vorstellung von der Stellung gerade dieser Behörde hat, bei der er tätig war, i m Rahmen der gesamten Verwaltungsorganisation des betreffenden Landes, das ist doch nun eigentlich das Mindestmaß dessen, was man an Anforderungen i n dieser H i n sicht stellen kann. Ich würde auch nicht die Auffassung teilen, die i m Laufe der Diskussion vertreten worden ist, daß i n der zweiten juristischen Staatsprüfung nicht auch Aufgaben oder Fragen gestellt werden dürfen, die sich etwa m i t den Problemen der gestaltenden Verwaltung oder mit der Handhabung des Verwaltungsermessens beschäftigen. Ich könnte m i r sehr wohl denken, daß sogar Klausurarbeiten gegeben werden, i n denen der betreffende Bearbeiter zeigen kann, ob er i n der Lage ist, das Verwaltungsermessen richtig zu handhaben. Das ist gestern, glaube ich, auch einmal ganz eindrucksvoll vorgetragen worden, und w i r sollten uns hüten vor einer gewissen Überheblichkeit des „ N u r juristen", daß diese Erwägungen weniger wichtig oder weniger bedeutend wären. I n der Praxis spielen sie jedenfalls bei allen Ermessensentscheidungen die entscheidende Rolle, und die Rechtsfragen des Ermessens stehen dann doch nur am Rande. Als vierten Punkt möchte ich sagen, daß eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes, wobei ich die Zeitdauer hier ganz außer Betracht lasse, nur unter Wahrung des vorstehend umschriebenen Ausbildungszieles möglich ist, und insoweit bin ich m i t meinem Kollegen Mayer völlig einig. Wir können das Ausbildungsziel, das w i r bisher gehabt haben und das ich i n den drei ersten Thesen festzulegen versucht habe, nicht aufgeben. W i r müssen es erhalten, und w i r müssen deshalb, wenn w i r den Vorbereitungsdienst verkürzen, den Versuch machen, das gleiche zu erreichen, was bisher i m Rahmen der längeren Ausbildung möglich war, und das w i r d nur möglich sein durch eine erhebliche Intensivierung. I n der Nr. 5 meiner Leitsätze habe ich dann den Versuch gemacht, noch einmal zusammenzufassen, was alles an Gedanken vorgetragen ist i m Laufe der Referate und der Aussprache. Ich würde meinen, daß ich

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die wichtigsten erfaßt habe, wahrscheinlich sind sie aber ergänzungsfähig. Ich nenne die folgenden: a) Weniger aber besonders prägende Ausbildungsstationen i n Justiz und Verwaltung. Es kommt hier ganz gewiß nicht auf die Vielheit an, sondern auf bestimmte Ausbildungsstationen von prägender Kraft. Man kann zwar darüber streiten, ob es sinnvoll ist, Amtsgericht und Landgericht oder Landgericht und Oberlandesgericht, aber wahrscheinlich genügt eine dieser Stationen, um nur dieses Beispiel zu bilden. b) Mehr Anschaulichkeit durch Heranziehung zu Sitzungen der kommunalen Vertretungen und Ausschüsse, zu dienstlichen Besprechungen, Besichtigungen, Ortsterminen usw. Das spielt nicht nur für die Verwaltung, meine Herren, sondern auch für die Justiz eine Holle. Wenn ein Referendar deshalb nicht m i t genommen werden darf auf einen Lokaltermin, w e i l man keine Reisekosten bezahlen kann, dann ist das sicherlich i m Interesse der Ausbildung dieses Referendars eine Fehlentscheidung unter der Voraussetzung, daß die Teilnahme an dem Ortstermin dienstlich für ihn nützlich gewesen wäre. W i r haben ja i m Laufe dieser Tagung so viele Klagen darüber gehört, daß die Referendare gerade von Sitzungen kommunaler Vertretungen und Ausschüsse, von dienstlichen Besprechungen, von Besichtigungen ferngehalten werden, daß es m i r wünschenswert erscheint, diese Forderung m i t einer gewissen Prägnanz auszusprechen. c) Soviel Selbständigkeit und Verantwortlichkeit wie möglich, vor allem am Schluß eines Ausbildungsabschnitts. Ich habe davon abgesehen, dafür Beispiele zu geben. Es sind solche Beispiele gegeben worden: Vertretung etwa von Bürgermeistern, auch die Vertretung etwa der Behörde i n einem Prozeß, der vor einem Gericht geführt w i r d u. dgl. m. Ich kann nicht dem zustimmen, was gesagt worden ist, daß man doch während der ganzen Referendarzeit gewissermaßen immer nur informatorisch zu den Gerichten und Behörden kommt. Wenn man über 25 Jahre alt ist, hat man auch den Wunsch, verantwortlich tätig zu werden. Ich meine, das sollte man unterstützen, und ich finde, i n jedem Ausbildungsabschnitt und bei jeder A r t der Ausbildung überhaupt sollte man dafür sorgen, daß dieses Gefühl der Selbständigkeit und Verantwortlichkeit so viel wie möglich gestärkt wird. d) Mehr Arbeitsgemeinschaften m i t weniger Teilnehmern, deren Zahl 25 nicht übersteigen sollte. Das entspricht wohl der Auffassung, die die Versammlung neulich schon zu dieser Frage geäußert hat.

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e) Festzusammengesetzte Arbeitsgemeinschaften mit festem Ausbildungsplan. Ich habe darüber noch verschiedene persönliche Gespräche m i t Herren aus dem Teilnehmerkreis gehabt. Einige haben m i r mit aller Deutlichkeit erklärt, daß es überhaupt das A und O einer sinnvollen Ausbildung i n Arbeitsgemeinschaften ist, wenn w i r erreichen, daß die Arbeitsgemeinschaften an einem bestimmten Termin beginnen und nicht wie gewissermaßen ein Omnibus, bei dem an jeder Haltestelle ein neuer zusteigen und ein anderer aussteigen kann, sich durch die Zeit bewegen. Wie weit das technisch durchführbar ist, vermag ich i m Augenblick nicht zu beurteilen. Jedenfalls hat es — wie m i r gesagt worden ist — i n Nordrhein-Westfalen zwei Jahre funktioniert. Es kann nur funktionieren, wenn Justiz und Verwaltung hier zusammenwirken. Aber das sollte ja doch möglich sein. f) Mehr Klausuren i n den Arbeitsgemeinschaften und keine besonderen Klausurenkurse. Ich möchte sagen, man sollte die Klausuren einbauen i n dieses Programm der Arbeitsgemeinschaften, wo sie dann auch von der Sache her ihren Platz sinnvoll erhalten. Gegen Klausurenkurse, die lediglich fakultativ sind, hat man sich m i t Recht ausgesprochen. Ich würde auch bloße Klausurenkurse für weniger zweckmäßig halten als die Verstärkung der Klausuren i n den Arbeitsgemeinschaften. g) A k t i v e Mitarbeit aller Referendare i n den Arbeitsgemeinschaften durch wirklichkeitsnahe Planspiele. Wir alle wissen, wie schwer es ist, alle Referendare zu aktiver M i t arbeit heranzuziehen. Dem kann sicherlich begegnet werden durch geschickt ausgewählte Planspiele, die jeden Teilnehmer dieser A r beitsgemeinschaft zu einer aktiven Mitarbeit zwingen. h) Und als letzter Punkt i n diesem Zusammenhang, den ich sehr vorsichtig formuliert habe, aber eben ist er auch wieder angeklungen: Zurückdrängung der Nebentätigkeit. Ich w i l l damit nicht sagen, daß man Nebentätigkeit uneingeschränkt verbieten sollte. Es gibt so viele Fälle, i n denen eine sinnvolle Nebentätigkeit angebracht erscheint. Aber die Nebentätigkeit nur u m des wirtschaftlichen Erwerbs willen sollte doch i m Rahmen des Möglichen i n den Hintergrund gedrängt werden, wenn w i r i n der verkürzten Ausbildungszeit ihr Ziel erreichen wollen Meine 6. These lautet, daß für die Ausbildung i n der Verwaltung mindestens ein Drittel des Vorbereitungsdienstes zur Verfügung stehen muß. Dabei gehe ich davon aus, daß w i r entweder auf drei Jahre oder auf zweieinhalb Jahre kommen und daß selbst i m Rahmen einer Ausbildungszeit von zweieinhalb Jahren eine Ausbildungszeit i n der

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Verwaltung, die unter 12 Monate liegt, kaum i n der Lage sein wird, ihr Ziel zu erreichen. Ich würde auch dafür plädieren, daß die Verwaltungsausbildung i n der Mitte der gesamten Ausbildung liegt, was wohl den gegenwärtigen Gegebenheiten entspricht. Und soweit für eine Wahlstation Zeit zur Verfügung steht — das ist eine Frage, die man nicht entscheiden kann, ohne zu wissen, wie lang überhaupt der Vorbereitungsdienst sein wird, denn je kürzer die Gesamtdauer des Vorbereitungsdienstes sein wird, umso mehr w i r d es Schwierigkeiten machen, noch für eine Wahlstation Zeit zur Verfügung zu stellen —, sollte sie i n der Mitte der Verwaltungsausbildung liegen und beschränkt sein auf bestimmte Stellen. Man kann es, glaube ich, nicht dem einzelnen Referendar völlig überlassen, wo er hingeht, sondern man muß gewissermaßen eine geschlossene Aufzählung von Möglichkeiten bieten, wobei sicherlich die Tätigkeit bei Wir tschaf tsver waltungsbehörden, bei W i r t schaftsverbänden und ähnlichen Einrichtungen i n diesen Katalog aufgenommen werden muß. Aber daß nun ganz frei und dann meist nach kommerziellen Gesichtspunkten und nicht nach Ausbildungsgesichtspunkten eine bestimmte Stelle gewählt werden darf, das sollte m. E. i m Rahmen einer solchen verkürzten Ausbildung ausgeschlossen sein. Es sind auch Klagen darüber geführt worden, daß die Dauer der Ausbildung i n den einzelnen Dezernaten der Verwaltung zu kurz ist, daß der Betreffende dann wirklich nur zu einer flüchtigen Information, aber nicht zu einem Einblick i n die Aufgaben und die Arbeitsweise des betreffenden Dezernates gelangen kann. Deshalb möchte ich meinen, daß die Ausbildung i n den einzelnen Dezernaten der Verwaltung nicht unter einem Monat betragen darf. Herr Präsident Dr. Thiele hatte sogar von zwei Monaten gesprochen, das würde i n der gleichen Linie liegen. Ein Punkt, der, wie ich meine, von sehr großer Bedeutung ist, ist dann der Punkt, über den viel gesprochen und auch geklagt worden ist: Wer soll die praktische Ausbildung i n der Verwaltung i n der Hand haben? Kann man sie ganz Beamten des gehobenen Dienstes anvertrauen? Kann man die Referendare zum Justitiar schicken? Dagegen haben sich Stimmen erhoben. Ich würde vorschlagen, daß die praktische Ausbildung i n der Verwaltung von einem Juristen geleitet werden muß, und zwar nicht von dem Justitiar, sondern von einem Juristen, der i n einem Dezernat mit eigenen Verwaltungsaufgaben steht, was die Ausbildung beim Kämmerer, der ja kein Jurist zu sein braucht, und die Anleitung durch Beamte des gehobenen Dienstes nicht ausschließen sollte. Ich halte es durchaus für nützlich, daß die von einem gehobenen Beamten geleiteten Ämter i n den Gemeindeverwaltungen auch für Ausbildungszwecke zur Verfügung stehen und die Anleitung i n diesen Ämtern dann von den Beamten des gehobenen Dienstes erfolgt. Aber

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ich möchte sehr nachdrücklich das unterstreichen, was eben Herr Direktor Wieacker gesagt hat: Die Verantwortung dafür muß i n der Hand eines Juristen liegen, der diesen Referendar gewissermaßen an die Hand nimmt und auch i n der Hand behält, wenn er sich i n einem solchen A m t zur weiteren Ausbildung befindet. Kein Verwaltungsbeamter oder Verwaltungsrichter — eine Forderung, die vor allem hier aus den Kreisen der Arbeitsgemeinschaftsleiter und Ausbildungsleiter erhoben worden ist — sollte ständig ausschließlich für Ausbildungszwecke verwendet werden. Die Gründe, die dafür vorgetragen worden sind, sind so überzeugend, daß man dem nichts hinzuzufügen braucht. Ich würde nur eine geringe Einschränkung machen. Eine vorübergehende ausschließliche Ausbildungstätigkeit kann unter besonderen Umständen geboten sein. Man könnte etwa einmal dazu genötigt sein, ganz neue Wege zu gehen, den Versuch machen, die Ausbildung, die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaften zu reformieren, und das wäre unter Umständen nur möglich, wenn man jemanden hauptamtlich m i t dieser Tätigkeit betraut. Besonderen Leistungen der Ausbildungs- und der Arbeitsgemeinschaftsleiter sollte durch Beförderungen Rechnung getragen werden. Solange die Ausbildungsangelegenheit als gewissermaßen ein Nebengleis betrachtet wird, das gefährlich ist, beschritten zu werden, können nicht die Erfolge erzielt werden, die w i r uns wünschen. Ein Punkt, den ich neulich bereits angesprochen habe: Einsparung an Unterhaltszuschüssen, die entstehen würden, wenn w i r von dreieinhalb Jahren auf drei oder auf zweieinhalb Jahre Ausbildungszeit kommen, sind für Zwecke der Ausbildung zu verwenden, insbesondere für die Ausstattung der Büchereien m i t Ausbildungsliteratur, für Dienstreisen von Referendaren, für Trennungsentschädigung etwa, wenn man den Versuch macht, die Ballungszentren zu entzerren und die Referendare auch an Orte zu schicken, wo sie unter Umständen getrennt von ihrer Familie leben und wohnen müssen, für eine Vermehrung der Zahl der Arbeitsgemeinschaftsleiter und eine angemessene Berücksichtigung ihrer besonderen Leistung. Das sind die Bemerkungen, die ich für den Vorbereitungsdienst zu machen hätte, und ich wende mich nun i n dem zweiten Teil dieser A n regungen der zweiten juristischen Staatsprüfung zu. Z u der umstrittenen Frage, wie man die zweite juristische Staatsprüfung gestalten soll, ob mit Hausarbeit oder ohne Hausarbeit, mit einem Aktenvortrag oder ohne Aktenvortrag, w i l l ich hier nicht Stellung nehmen. Ich habe neulich schon betont, das sind Fragen, die sich einer Diskussion weitgehend entziehen, weil die Tradition bestimmter Länder eine so ausschlaggebende Rolle spielt, daß es sinnlos ist, darüber zu strei-

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ten. Ich gehe deshalb von dieser Lage aus und sage, daß i n den Ländern m i t einer Hausarbeit, also i m wesentlichen i m norddeutschen Raum, jede vierte Hausarbeit und jeder vierte Aktenvortrag sowie von jeweils vier Klausurarbeiten eine i n den Ländern ohne Hausarbeit mindestens ein D r i t t e l aller schriftlichen Arbeiten aus der Verwaltung und dem sie bestimmenden öffentlichen Recht zu geben sind. Wobei ich für die Verwaltung diese Formulierung deshalb gewählt habe, weil ich eben auch die Einbeziehung von Themen vorschlagen möchte, die nicht verwaltungsrechtliche Themen sind. Ich darf dazu ein Beispiel geben aus meiner Prüfungspraxis i n Niedersachsen vor etwa 15 Jahren, als es dort noch eine Prüfung für den höheren Verwaltungsdienst gab. Ich habe, glaube ich, i m Jahre 1950 oder 1951 einmal für einen gut vorgeschlagenen Kandidaten als Hausarbeit das Thema „Der Verwaltungsstaat" gegeben. Der betreffende Kandidat hat eine ausgezeichnete Hausarbeit geliefert, ich glaube, ich habe sie damals m i t „sehr gut" beurteilt, wenn nicht noch besser. Er war übrigens auf dieser Tagung als Regierungsdirektor unter uns. Man kann also solche Themen geben. Die Prüfungsordnung ließ das damals zu. Es brauchten also keine praktischen Fälle zu sein, sondern man konnte auch theoretische Arbeiten geben. Das ist i n den preußischen Prüfungen für Regierungsreferendare immer so gewesen, und es gibt sicherlich viele Themen aus dem Bereich der Verwaltung, die nicht nur i n der Lösung von Rechtsfragen bestehen. Was ich unter öffentlichem Recht hier verstanden wissen möchte, habe ich dann i n dem Abs. 2 dieser These 13 näher zu umschreiben versucht: Verfassungsrecht, allgemeines Verwaltungsrecht, einschließlich Verwaltungsprozeßrecht, das hier hart disqualifiziert worden ist durch Herrn Vizepräsidenten Neuffer, vielleicht zu verstehen aus der besonderen Tradition des württembergischen Staates, — ich würde dem nicht beipflichten; denn i n einem Staat m i t verwaltungsgerichtlicher Generalklausel spielt diese Frage heute eine so maßgebliche Rolle, daß sie von der Prüfung oder dem Vorbereitungsdienst nicht vernachlässigt werden kann — und die wichtigsten Gebiete des besonderen Verwaltungsrecht, wobei man über einzelne Gebiete sicherlich streiten kann: Beamtenrecht, Kommunalrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Sozialverwaltungsrecht, Steuerrecht. Ein Punkt, den ich für wichtig halte. Er steht i m Zusammenhang m i t dieser eben behandelten Frage: Die Arbeiten aus der Verwaltung und dem sie bestimmenden öffentlichen Recht sollten nicht nur zu gerichtlichen Entscheidungen führen, wie w i r das i m allgemeinen aus dem Z i v i l - und Strafrecht — da spielt allerdings auch der Entwurf einer Anklage oder einer Einstellungsverfügung eine Rolle — kennen, sondern auch zu Gutachten, Entschließungen und Bescheiden und zu Rechtsvorschriften, Satzungen und Verordnungen von Verwaltungs-

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behörden. Herr Rechtsanwalt Dr. Redeker hat eben m i t großer Leidenschaft gesagt, das ist unzumutbar, daß man i m Assessorexamen den Entwurf etwa einer Satzung oder einer Verordnung verlangt. Nun, das Beispiel, das gestern hier gewählt ist m i t der Marktordnung, war vielleicht nicht sehr glücklich. Aber ich habe Erfahrungen darüber sogar i n den Verwaltungsakademien gemacht, daß etwa der Entwurf einer verhältnismäßig einfachen Polizeiverordnung i n einer Klausur i n zwei Stunden bewältigt werden kann, mehr oder weniger gut. Ich kann m i r nicht vorstellen, daß jemand, der durch eine Verwaltungsausbildung von 9 Monaten oder einem Jahr gegangen ist und der doch i n dieser Zeit Satzungen bei den Gemeinden und Polizeiverordnungen gesehen haben muß und vielleicht, wenn er richtig ausgebildet worden ist, dazu angeleitet worden ist, welche zu entwerfen, nicht i n der Lage sein sollte, das i n der Staatsprüfung auch zu leisten. Jedenfalls müßten wir, wenn w i r das Ziel, nicht nur Rechtskenntnisse zu prüfen, sondern auch zu prüfen, ob der Betreffende von den Gestaltungsmöglichkeiten der Verwaltung etwas gelernt hat, i n der Prüfung i n irgendeiner Form festzustellen versuchen, ob er diese Gestaltungsmöglichkeiten beherrscht oder doch jedenfalls i n gewisser Weise anzuwenden weiß; und darum müssen w i r unter allen Umständen vom verwaltungsgerichtlichen Urteil herunter. Daß jede Klausur i n ein verwaltungsgerichtliches Urteil ausmündet oder daß man Aktenfälle für die Hausarbeit sucht, die nun auch wieder zu einem verwaltungsgerichtlichen Urteil führen sollen, scheint m i r eine solche Verengung des Blickfeldes zu sein, daß sie bei einer wirklichen Einbeziehung der Verwaltung i n den Prüfungsstoff nicht gebilligt werden kann. Das Gegenteil ist allerdings nur zu erreichen, wenn man i n den Prüfungsämtern für die zweite juristische Staatsprüfung auch Verwaltungsbeamte oder Verwaltungsrichter hauptamtlich m i t der Sammlung und A u f bereitung des Prüfungsstoffes tätig werden läßt. Ich habe den Eindruck, daß hier ein wichtiger praktischer Punkt liegt. W i r haben so oft K l a gen gehört i m Laufe der letzten Jahre: Ja, w i r würden ja so gern öffentlich-rechtliche Klausuren oder öffentlich-rechtliche Hausarbeiten — die alte Terminologie, die ich hier verwenden darf — nehmen, w i r haben bloß keine. Ich glaube aber, daß i n der Verwaltung so viel Stoff auch für sinnvolle Hausarbeiten steckt; man muß bloß danach suchen, und ich glaube nicht, daß man bisher i m ausreichenden Maße danach gesucht hat. Das ist allerdings nur möglich, wenn i n den Prüfungsämtern auch Leute sitzen, die von dieser Seite her den Dingen besonders nahe sind, die sich also auch unter dem Gesichtspunkt der Verwaltung vorstellen können, wo ein Fall wohl behandelt worden sein kann, i n A k t e n etwa einer Verwaltungsbehörde, nicht nur eines Verwaltungsgerichts, der für Prüfungszwecke aktiviert werden kann. I n der Justiz, auch i n der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sind w i r ja seit Jahrzehnten gewohnt, 12 Speyer 29

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daß die A k t e n ausgezeichnet werden für Prüfungszwecke. Das gibt es eben i n der Verwaltung nicht. Vielleicht kann man daran denken, das i n der Verwaltung einzuführen. Wenn von dem Grundsatz ausgegangen wird, der i n den Diskussionen der letzten Jahre offenbar zu einem unbestrittenen Bestandteil der Reformbestrebungen geworden ist, daß das Verhältnis zwischen Verwaltung und Justiz etwa oder mindestens — u m der bayerischen Lage gerecht zu werden — 1 : 2 sein müßte, dann muß auch i n der Besetzung der Prüfungskommissionen daraus die entsprechende Folgerung gezogen werden. Nun ist, wie w i r gehört haben, die Besetzung der Prüfungskommissionen i n den einzelnen Ländern verschieden. Es gibt also nicht überall die gleiche Besetzung. Ich habe deshalb i n dem Punkt 16 gesagt: Die Prüfungskommissionen sollten sich aus zwei oder drei Angehörigen der Justiz und aus einem Angehörigen der Verwaltung zusammensetzen, je nachdem, ob sie aus drei oder aus vier Mitgliedern bestehen, wobei ich Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Professoren des bürgerlichen Rechts oder des Strafrechts als Angehörige der Justiz ansehen möchte und als Angehörige der Verwaltung: Verwaltungsbeamte, Verwaltungsrichter und Professoren des öffentlichen Rechts. Es sollte mindestens jede vierte Prüfung von einem Angehörigen der Verwaltung als Vorsitzendem geleitet werden. Diese Vorschläge stehen hier alle i n einem Zusammenhang. Wenn w i r erreichen wollen, daß die Ausbildung i n der Verwaltung auch vom Referendar her ernst genommen wird, wobei ich m i r vollkommen darüber klar bin, daß es mindestens ebenso wichtig ist, daß sie von der Verwaltung ernst genommen wird, dann muß i n der Prüfung den Kenntnissen und Erfahrungen aus der Verwaltung und den Kenntnissen i m Verwaltungsrecht der gebührende Raum gegeben werden, und das kann nur i n der Form geschehen, daß jeder Kandidat der zweiten juristischen Staatsprüfung damit rechnen muß, zu einem beträchtlichen Teil der Prüfung aus der Verwaltung und aus dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht geprüft zu werden. Darum die Vorschläge einer festen Regelung für die Hausarbeiten, für die Klausuren und für die Aktenvorträge. Wenn man das nicht macht, wenn man etwa i n die Wahl des Prüflings stellt, ob er sich eine Hausarbeit aus dem bürgerlichen Recht, aus dem Strafrecht oder aus dem öffentlichen Recht geben läßt, dann werden w i r — davon bin ich fest überzeugt — an den gegenwärtigen Verhältnissen nichts ändern. Hier muß einmal ganz entschieden gezeigt werden, daß diesen Fächern i m Rahmen der Gesamtprüfung eine maßgebliche Bedeutung zukommt und daß kann nicht anders geschehen als dadurch, daß eben bei den Prüfungsarbeiten und auch bei der Besetzung der Prüfungskommission die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

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Eine wichtige Frage zum Schluß noch, eine Frage, die ich selbst nicht habe entscheiden können, weil sie auch i n dieser Versammlung kaum diskutiert worden ist. Herr Ministerialdirigent Brunner hat den Gedanken ausgesprochen, den sicherlich höchst wichtigen und i n irgendeiner Weise zu verwirklichenden Gedanken, daß der Mangel an Kenntnissen wirtschaftlicher Zusammenhänge i m Rahmen des Vorbereitungsdienstes beseitigt werden müßte. Dabei ist er offensichtlich davon ausgegangen, daß von der Universität her diese Kenntnisse nicht i n ausreichendem Maße mitgebracht werden und daß auf diesem Gebiet ein ganz besonderer Nachholbedarf besteht. Er hat von verwaltungswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften gesprochen. Ich glaube, zu dieser Frage kann man abschließend noch nicht Stellung nehmen. Zunächst einmal sollte man sich bei der Reform des Universitätsstudiums sehr eingehend damit beschäftigen. Der Zustand, den w i r jetzt erreicht haben — das ist so oft gesagt worden, daß man sich kaum tr?iut, es noch einmal auszusprechen —, ist ja weit zurückgefallen hinter die Erfordernisse, die etwa vor 40 Jahren i n dieser Richtung gestellt wurden, obwohl sicherlich die Bedeutung dieser wirtschaftlichen Zusammenhänge immer größer geworden ist. Die erste Frage ist also, ob die Universität hier etwas leisten kann, was sie offensichtlich bisher nicht geleistet hat. Wenn das nicht zu erreichen ist, dann muß man dieser Frage der Einrichtung solcher zusätzlichen verwaltungswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften näher treten. Aber ich möchte m i r doch die Empfehlung erlauben, daß die Einrichtung solcher Arbeitsgemeinschaften davon abhängig gemacht werden muß, ob die Heranziehung geeigneter Lehrkräfte für die theoretische Unterweisung i n jedem Regierungsbezirk auch sichergestellt werden kann; denn nichts würde ich für fehlerhafter halten, als daß man solche Arbeitsgemeinschaften einrichtete, sie aber dann praktisch an der Unzulänglichkeit der Lehrkräfte scheitern würden. Meine sehr geehrten Herren, ich habe Ihre Zeit, glaube ich, über Gebühr für dieses Schlußwort i n Anspruch genommen. So stellt sich m i r aufgrund dieser Tagung die gegenwärtige Lage der Ausbildung, des Vorbereitungsdienstes insbesondere und der Prüfungen dar. Ich weiß nicht, wieweit Sie selbst zu ähnlichen oder zu anderen Urteilen gelangt sind. Es ist nur der Versuch einer solchen Zusammenstellung, und ich glaube, daß mehr als ein solcher Versuch i n diesem Zeitpunkt auch nicht möglich war. Thesen 1. A n der Einheitsausbildung für Justiz und Verwaltung ist festzuhalten. Nach ihren Erfordernissen ist die Dauer des Vorbereitungsdienstes zu bestimmen. Das schließt nicht aus, daß nach Abschluß der Einheitsausbildung eine Fortbildung und für bestimmte Sonderverwaltungen eine weitere Ausbildung erfolgt. 12*

Carl Hermann Ule 2. Vorbereitungsdienst und Zweite juristische Staatsprüfung sind nach den Anforderungen zu gestalten, die sich aus der Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Industriestaat der Gegenwart für den höheren Verwaltungsbeamten ergeben. 3. Die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die Anforderungen in der Prüfung müssen übereinstimmen. I n der Prüfung darf nichts Wesentliches unberücksichtigt bleiben, was im Vorbereitungsdienst Gegenstand der Ausbildung gewesen ist. Dies gilt insbesondere von Fragen der Verwaltungsorganisation, der Verwaltungsaufgaben, des Verwaltungsverfahrens, der gestaltenden Verwaltung und des Verwaltungsermessens. 4. Eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes ist bei Wahrung des vorstehend umschriebenen Ausbildungszieles nur möglich, wenn die Ausbildung erheblich intensiviert wird. 5. Zur Intensivierung sind insbesondere erforderlich: a) weniger, aber besonders prägende Ausbildungsstationen in Justiz und Verwaltung, b) mehr Anschaulichkeit durch Heranziehung zu Sitzungen der kommunalen Vertretungen und Ausschüsse, zu dienstlichen Besprechungen, Besichtigungen, Ortsterminen usw., c) soviel Selbständigkeit und Verantwortlichkeit wie möglich, vor allem am Schluß eines Ausbildungsabschnitts, d) mehr Arbeitsgemeinschaften mit weniger Teilnehmern, deren Zahl 25 nicht übersteigen sollte, e) fest zusammengesetzte Arbeitsgemeinschaften mit festem Ausbildungsplan, f) mehr Klausuren in den Arbeitsgemeinschaften (keine besonderen Klausurenkurse), g) aktive Mitarbeit aller Referendare in den Arbeitsgemeinschaften durch wirklichkeitsnahe Planspiele, h) Zurückdrängung der Nebentätigkeit. 6. Für die Ausbildung in der Verwaltung muß mindestens ein Drittel des Vorbereitungsdienstes zur Verfügung stehen. 7. Die Verwaltungsausbildung muß in der Mitte der gesamten Ausbildung liegen. 8. Soweit für eine Wahlstation Zeit zur Verfügung steht, muß sie in der Mitte der Verwaltungsausbildung liegen und auf bestimmte Stellen beschränkt sein. 9. Die Ausbildung in den einzelnen Dezernaten der Verwaltung darf nicht unter einem Monat betragen. 10. Auch die praktische Ausbildung in der Verwaltung muß von einem Juristen geleitet werden, jedoch nicht von dem Justitiar. Das schließt die Ausbüdung beim Kämmerer und die Anleitung durch Beamte des gehobenen Dienstes nicht aus. 11. Kein Verwaltungsbeamter oder Verwaltungsrichter sollte ständig ausschließlich für Ausbildungszwecke verwendet werden. Eine vorübergehende ausschließliche Ausbildungstätigkeit kann jedoch unter besonderen Umständen geboten sein. Besonderen Leistungen der Ausbildungsoder Arbeitsgemeinschafsleiter sollte durch Beförderungen Rechnung getragen werden.

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12. Einsparungen an Unterhaltszuschüssen durch Verkürzung der Ausbildung sind für Zwecke der Ausbildung zu verwenden, insbesondere a) für die Ausstattung der Büchereien mit Ausbildungsliteratur, b) für Dienstreisen von Referendaren und für Trennungsentschädigungen, c) für eine Vermehrung der Zahl der Arbeitsgemeinschaftsleiter und eine angemessene Berücksichtigung ihrer besonderen Leistungen. 13. I n der einheitlichen Zweiten juristischen Staatsprüfung für Justiz und Verwaltung sind a) in den Ländern mit Hausarbeit jede 4. Hausarbeit und jeder 4. Aktenvortrag sowie von jeweils 4 Klausurarbeiten eine, b) in den Ländern ohne Hausarbeit mindestens ein Drittel aller schriftlichen Arbeiten aus der Verwaltung und dem sie bestimmenden öffentlichen Recht zu geben. Unter öffentlichem Recht ist hier zu verstehen Verfassungsrecht, allgemeines Verwaltungsrecht (einschließlich Verwaltungsprozeßrecht) und die wichtigsten Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts, vor allem Beamtenrecht, Kommunalrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, Baurecht, W i r t schaftsverwaltungsrecht, Sozialverwaltungsrecht, Steuerrecht. 14. Die Arbeiten aus der Verwaltung und dem sie bestimmenden öffentlichen Recht sollten nicht nur zu gerichtlichen Entscheidungen führen, sondern auch zu Gutachten, Entschließungen, Bescheiden und Rechtsvorschriften (Satzungen, Verordnungen) von Verwaltungsbehörden. 15. I n den Prüfungsämtern für die Zweite juristische Staatsprüfung sollte auch ein Verwaltungsbeamter oder Verwaltungsrichter hauptamtlich zur Sammlung und Aufbereitung des Prüfungsstoffes tätig sein. 16. Die Prüfungskommissionen der Zweiten juristischen Staatsprüfung haben sich aus 2 oder 3 Angehörigen der Justiz (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Professor des bürgerlichen Rechts oder des Strafrechts) und aus einem Angehörigen der Verwaltung (Verwaltungsbeamter, Verwaltungsrichter, Professor des öffentlichen Rechts) zusammenzusetzen. 17. Mindestens jede 4. Prüfung sollte von einem Angehörigen der Verwaltung als Vorsitzendem geleitet werden. 18. Noch zu prüfen wäre, wie die notwendigen Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge im Rahmen des Vorbereitungsdienstes zu vermitteln sind, solange die Referendare nicht genügende theoretische Kenntnisse auf diesem Gebiet von der Universität mitbringen. Die Einrichtung zusätzlicher verwaltungswissenschaftlicher Arbeitsgemeinschaften sollte davon abhängig gemacht werden, ob die Heranziehung geeigneter Lehrkräfte für die theoretische Unterweisung in jedem Regierungsbezirk sichergestellt werden kann.