Öffentliche Angelegenheiten – interdisziplinär betrachtet: Forschungssymposium zu Ehren von Klaus König [1 ed.] 9783428549542, 9783428149544

Öffentliche Angelegenheiten, d.h. das Gemeinwesen betreffende Aufgaben und Fragen, sind zentraler Gegenstand des Regieru

145 16 2MB

German Pages 143 Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Öffentliche Angelegenheiten – interdisziplinär betrachtet: Forschungssymposium zu Ehren von Klaus König [1 ed.]
 9783428549542, 9783428149544

Citation preview

Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Band 230

Öffentliche Angelegenheiten – interdisziplinär betrachtet Forschungssymposium zu Ehren von Klaus König Herausgegeben von

Karl-Peter Sommermann

Duncker & Humblot · Berlin

KARL-PETER SOMMERMANN (Hrsg.)

Öffentliche Angelegenheiten – interdisziplinär betrachtet

Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Band 230

Öffentliche Angelegenheiten – interdisziplinär betrachtet Forschungssymposium zu Ehren von Klaus König

Herausgegeben von Karl-Peter Sommermann

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2197-2842 ISBN 978-3-428-14954-4 (Print) ISBN 978-3-428-54954-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84954-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort „Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft“ lautet der Titel der Habilitationsschrift von Klaus König, die im Jahr 1970 in der vorliegenden Schriftenreihe als Band 46 erschienen ist. Es ist Programm, dass der Autor den Singular und nicht etwa den Plural „Verwaltungswissenschaften“ verwendet, wie es im Namen der Hochschule der Fall ist, an der er 30 Jahre den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft und Öffentliches Recht innehatte. Von Anfang an und auch in der Zeit nach seiner Emeritierung im Jahr 2002, in der unter anderem die Grundlagenwerke „Moderne öffentliche Verwaltung“ (2008) und „Operative Regierung“ (2015) entstanden sind, prägte und prägt Klaus König maßgeblich die wissenschaftlichen Profile der Hochschule (heute: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) und des mit ihr verbundenen Forschungsinstituts (heute: Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung); beide Einrichtungen hat er in entscheidenden Etappen als Rektor bzw. Geschäftsführender Direktor geleitet. Die Verwaltungswissenschaft versteht Klaus König nicht als einen durch „wissenschaftlichen Monismus“ gekennzeichneten Zugang zum Untersuchungsgegenstand Öffentliche Verwaltung, sondern als eine auf interdisziplinärer Forschung aufbauende Integrationswissenschaft. Die komplexe Wirklichkeit von Regierung und Verwaltung, so seine Überzeugung, lässt sich nicht in punktuellen Erkenntnissen der Einzeldisziplinen erfassen, sondern bedarf einer theoretisch übergreifenden Behandlung, einer Zusammenführung der Erkenntnisse unterschiedlicher Fachwissenschaften. Ein derartiger Zugang auf einer Metaebene setzt freilich ein Grundverständnis der verschiedenen Fachdisziplinen voraus und stellt damit besondere Anforderungen an den Verwaltungswissenschaftler. Nur wenige Wissenschaftler sind effektiv in der Lage, Wissen und Erkenntnisse der Rechtswissenschaft, der Ökonomie, der Politikwissenschaft, der Soziologie, der Psychologie und der Geschichtswissenschaft, um nur die für den Untersuchungsgegenstand wichtigsten Disziplinen zu nennen, hinreichend zu integrieren; meist wird der Prozess nur im interdisziplinären Diskurs mehrerer Wissenschaftler gelingen. Klaus König, der unter dem Dach des Forschungsinstituts in diesem Sinne produktive interdisziplinäre Arbeitskreise initiiert und geleitet hat (dokumentiert in den Bänden „Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert“, 2002, „Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts“, 2008, „Grundmuster der Verwaltungskultur“, 2014), zählt zu den wenigen, die dieser Integrationsaufgabe immer wieder auch in der eigenen Forschung gerecht geworden sind. Vor einem Methodensynkretismus hat ihn dabei nicht zuletzt sein institutionalistischer Ansatz und die Verinnerlichung von Grundannahmen systemtheoretischen Denkens mit einer klaren Differenzierung von Kommunikationscodes bewahrt, vor metatheoretischer Abgehobenheit die Einsicht, dass es „für die integrative Verwaltungswissenschaft

6

Vorwort

keine Theoriegewissheit gibt“. Seine Fähigkeit, in unübersichtlichen, komplexen Gebilden zielsicher tragende Strukturen und Prozesse zu identifizieren, ist Grundlage seiner scharfsinnigen Analysen. Diese sind dabei durchaus empirisch „geerdet“; teilnehmende Beobachtung stand häufig am Beginn des Erkenntnisprozesses, wie seine Reflexion über seine Zeit als Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, als Richter im Nebenamt am Oberverwaltungsgericht oder als Berater ausländischer Regierungen und internationaler Organisationen zeigt. Nachdem sich anlässlich der Emeritierung von Klaus König ein Forschungssymposium mit der theoretischen Ortsbestimmung der Verwaltungswissenschaft(en) befasst hatte (dokumentiert in Band 159 dieser Schriftenreihe unter dem Titel „Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft“, 2003), nahm das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung den 80. Geburtstag von Klaus König (21. April 2014) zum Anlass, zu seinen Ehren am 2. Mai 2014 ein Symposium zum Thema „Öffentliche Angelegenheiten – interdisziplinär betrachtet“ abzuhalten. Der vorliegende Band enthält neben der schriftlichen Fassung von Vorträgen der Veranstaltung – darunter ein Beitrag von Klaus König selbst mit Aussagen zu seinem Wissenschaftsverständnis – zwei weitere Beiträge, die Kollegen ihm gewidmet haben. Der im Titel der Veranstaltung und des vorliegenden Bandes verwendete Begriff „Öffentliche Angelegenheiten“ wurde dabei nicht einengend im Sinne eines strategischen Kommunikationsmanagements im Dreieck von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft verstanden, erst recht nicht als Kennzeichnung von Unternehmenskommunikation in public affairs. Es geht vielmehr um das, was die Speyerer Lehre und Forschung im Kern ausmacht: Überlegungen zu Angelegenheiten des Gemeinwesens. Die im Dialog zwischen Staat und Gesellschaft identifizierten Handlungsbedarfe und in demokratischen Prozessen zu treffenden Entscheidungen betreffen nicht zuletzt institutionelle Fragen, wie sie im Zentrum der Festschrift für Klaus König zu seinem 70. Geburtstag („Institutionenwandel in Regierung und Verwaltung“, 2004) standen. Allen Autoren und Symposiumsteilnehmern sei an dieser Stelle für ihre wertvollen Beiträge zu einem interdisziplinären Gespräch gedankt, das zugunsten der Spontaneität der Diskussion im vorliegenden Band nicht festgehalten ist. Als Freunde und Wegbegleiter von Klaus König haben sie ihm, der die freundschaftliche wissenschaftliche Debatte so schätzt, eine große Freude bereitet. Auf weitere Gelegenheiten zum Ideenaustausch mit Klaus König freuen sich alle. Schließlich sei all denen gedankt, die bei der Organisation des Symposiums mitgewirkt haben, insbesondere Frau Queenie Griebner, die auch bei der redaktionellen Bearbeitung des vorliegenden Bandes tatkräftig Unterstützung geleistet hat. Speyer, im März 2016

Karl-Peter Sommermann

Inhaltsverzeichnis Hans Peter Bull Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente und seiner Kompensation durch Wissenschaft und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Nicolai Dose Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen. Die Bundesländer im Wettbewerb und die Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Hermann Hill Öffentliche Angelegenheiten im Wandel: Neue Herausforderungen für Regieren und Verwalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

Klaus König Regierungslehre in Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Karl-Peter Sommermann Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft . . . .

71

Christian Theobald Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit. Zur Frage nach der „richtigen“ Anzahl der Netzbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

Joachim Wieland Reform des Finanzausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Verzeichnis der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente und seiner Kompensation durch Wissenschaft und Öffentlichkeit* Hans Peter Bull Die Parlamente haben, so scheint es, in den letzten Jahrzehnten stark an Ansehen verloren. Große Teile der Medien und der politischen Wissenschaft vermitteln den Eindruck, dass die Bürger den Volksvertretungen zunehmend mit Misstrauen begegnen und ihren Entscheidungen einen immer geringeren Grad an Legitimität zubilligen. Die parlamentarismuskritische Stimmung kommt vor allem in den Forderungen nach weitgehender direkt-demokratischer Partizipation, aber auch in themenbezogenen Aktionen außerparlamentarischer Oppositionsgruppen und -initiativen zum Ausdruck. Die Angesprochenen – die Parlamente und ihre Mitglieder – widersprechen nur selten der angeblichen Volksmeinung; sie reagieren vielmehr mit verschiedenen Versuchen, den Kritikern entgegenzukommen oder ihnen zumindest den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das kann angebracht sein – die Praxis der parlamentarischen Demokratie ist ja keineswegs frei von Fehlern und bedarf stets der kritischen Begleitung einer wachen Öffentlichkeit, der Medien und der Wissenschaft. Es kann aber auch sein, dass das andauernde Politiker-Bashing zu unentschiedenen, im schlechten Sinne kompromisshaften Beschlüssen und schließlich sogar zur Resignation und partiellen Selbstaufgabe der Parlamente führt. Auch wenn Akzeptanz- und Ansehensmangel nicht mit Mangel an Legitimität der Entscheidungen gleichgesetzt werden darf – denn die Legitimität erwächst aus der Verfassung, nicht aus der aktuellen Zustimmung der Bürger –, so schwächt doch die ständige Konfrontation von „Politik“ und „Volk“ die Legitimationskraft der Parlamente, also ihre Fähigkeit, politische Entscheidungen als rechtlich verbindliche Gestaltung des sozialen Lebens gegenüber denen, die davon betroffen sind, zu rechtfertigen. Auf lange Sicht gerät eben diese Fähigkeit des Gemeinwesens in Gefahr, einen als gerecht empfundenen Rahmen für das friedliche und freiheitliche Zusammenleben der Menschen zu schaffen und zu erhalten.

* Es handelt sich um die überarbeitete, teils gekürzte und teils ergänzte Fassung eines Artikels, der in DÖV 2014, 897 ff. veröffentlicht worden ist. Ich freue mich, diese Neufassung dem verehrten Jubilar Klaus König widmen zu können, der dem Thema durch seine Beteiligung an unserer Arbeitsgruppe zur Modernisierung des Bundesamtes für Strahlenschutz (mit Jörg Kuhbier; Bericht Salzgitter 2006) nahegekommen ist.

10

Hans Peter Bull

Zu den Ansätzen, wieder eine höhere Legitimität von Gesetzgebung und Planung zu erzielen, gehören vor allem die Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise und eine intensive Beteiligung der Öffentlichkeit. Insbesondere naturwissenschaftlicher Sachverstand wird heute in zahlreichen Verwaltungszweigen herangezogen, und die Anhörung der Öffentlichkeit ist vielfach ausdrücklich vorgeschrieben, so dass bei allen größeren Infrastrukturplanungen die Umweltverbände und bisweilen auch Bürgerinitiativen eine wichtige Rolle spielen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben ist inzwischen nach der Aarhus-Konvention für die Unterzeichnerstaaten verbindlich. Für das Jahrhundertvorhaben, ein Endlager für hochradioaktive Abfallstoffe zu bestimmen und zu bauen, hat der Gesetzgeber ein Entscheidungsverfahren festgelegt, das ganz wesentlich durch die Beteiligung der Wissenschaft wie durch organisierte Mitwirkung der interessierten Öffentlichkeit geprägt sein soll. Das Standortauswahlgesetz vom 23. Juli 20131 (StandAG) schreibt vor, dass die Suche nach einem Endlager-Standort in einem „wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren“ betrieben wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StandAG). Es lohnt, dieses bisher singuläre Verfahren genauer zu untersuchen und nach den Chancen und Risiken zu fragen, die damit verbunden sind. Dazu soll zuerst erörtert werden, welches Verständnis vom Verhältnis der Wissenschaft zur Politik der Gesetzgeber zugrunde gelegt hat (I.). Sodann wird die Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung behandelt (II.), und es werden erste Erfahrungen mit der dem eigentlichen Suchverfahren vorgeschalteten pluralistisch zusammengesetzten Kommission referiert (III.). Gegen neuerdings zu beobachtende Forderungen, der Öffentlichkeit eine Vetoposition einzuräumen, wird die Notwendigkeit der politischen Letztentscheidung betont (IV.). Am Schluss wird eine Antwort auf die Frage nach der Legitimationskraft von Wissenschaft und Öffentlichkeit versucht (V.).

I. Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik, das dem Konzept des StandAG zugrunde liegt, hat nur noch wenig mit bisher praktizierten Formen von Politikberatung2 zu tun. Es ist gesetzlich stärker durchnormiert, und es enthält checks and balances, die für die Ergebnisse des Entscheidungsprozesses ein möglichst hohes Akzeptanzniveau begründen sollen. Ob dieses Konzept aber im Ergebnis die Rationa1

BGBl I S. 2553. Dazu umfassend Andreas Voßkuhle, Sachverständige Beratung des Staates, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. Heidelberg 2005, § 43; aus politikwissenschaftlicher Sicht: Hellmut Wollmann, Politikberatung, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.), Lexikon der Politikwissenschaft, 4. Aufl. München 2010, Bd. 2, 747 ff. Vgl. auch Bull, Regieren mit beamteter und nichtbeamteter Expertise, in: Werner Jann/Klaus König (Hrsg.), Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Tübingen 2008, S. 205 – 230. 2

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

11

lität und Akzeptabilität der zu treffenden politischen Entscheidungen wirklich erhöhen wird, ist zweifelhaft. 1. Herrschaft der Experten oder Vereinnahmung der Wissenschaft für die Politik? Dass Politik und Verwaltung in verschiedenen Zusammenhängen auf Erkenntnisse der Wissenschaft zurückgreifen müssen, ist bekannt; insbesondere die Gesetzgebung ist in vielfältiger Weise auf die Wissenschaft angewiesen. Die Wissenschaft ist aber anderen Zielen verpflichtet als die Politik. Sie will Wahrheit erforschen und muss auf diesem Wege immer wieder vermeintlich feststehende Erkenntnisse falsifizieren. Sie lebt vom ständigen Zweifel und kennt kein Ende der Suche. Die Politik muss demgegenüber Entscheidungen produzieren und sich dabei notwendigerweise bei der Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen auf das Maß an Erkenntnissen beschränken, das mit angemessenem Aufwand und in vertretbaren Fristen verfügbar wird. Der Prozess der wissenschaftlichen Untermauerung politischer Entscheidungen muss daher so gestaltet werden, dass beide Seiten ihre Funktion erfüllen können: Die Wissenschaft soll ihre Erkenntnisse unverfälscht und überprüfbar einbringen, die Praxis soll sie so sorgfältig wie nur möglich prüfen und – wenn sie überzeugend erscheinen – berücksichtigen. Dies geschieht bei vielen Materien täglich, ohne dass es besonders thematisiert würde: In den Ministerien und Oberbehörden werden Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zur Kenntnis genommen, mit anderen Erkenntnissen verglichen und auf ihre Zuverlässigkeit überprüft.3 Die Parlamente verschaffen sich solche Erkenntnisse durch Sachverständigenanhörungen, Aufträge an die Wissenschaftlichen Dienste und durch Nutzung anderer Quellen, wie sie auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Behörden vergeben Gutachtenaufträge und veranstalten interne Beratungen mit Wissenschaftlern oder sie ziehen systematisch veröffentlichte Erkenntnisse heran. Kontroversen zwischen Experten sind jederzeit bei allen Materien möglich. Wissenschaftliche Schulen, Meinungsgruppen und Interessenvertretungen streiten über die Richtigkeit umfassender Theorien, einzelner Erkenntnisse oder methodischer Grundlagen.4 Bei der Vorbereitung der Gesetzestexte werden bestimmte wissenschaftliche Annahmen zugrunde gelegt, andere werden verworfen; dies geschieht in den verschiedenen Abschnitten des Gesetzgebungsprozesses – manchmal intensiv, manchmal eher beiläufig.

3 Zur Fundierung von Politik durch „Wissen“ vgl. Klaus König, Operative Regierung, 2015, S. 124 ff. 4 Peter Weingart spricht in seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem „Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft“ (Die Stunde der Wahrheit?, Weilerswist 2001, S. 159 ff.) von der „Inflationierung wissenschaftlicher Expertise“ und der „Vergeblichkeit ihrer Kontrolle“; dabei bezieht er sich ausdrücklich auf die Kernenergieforschung (S. 158).

12

Hans Peter Bull

Mit dem Konzept des StandAG will der Gesetzgeber aber eine wesentlich höhere Stufe der Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft erreichen. Die Wissenschaft soll zu der schließlich zu treffenden Entscheidung hinführen und sie inhaltlich entscheidend beeinflussen. Damit sind die Probleme aufgeworfen, die seit langem unter Stichworten wie „Verwissenschaftlichung der Politik“, „Technokratie“ oder „Herrschaft der Experten“,5 aus anderer Perspektive als Gebot der „Wertfreiheit“ des wissenschaftlichen Urteils6 diskutiert werden. Max Webers „strikte Trennung zwischen den Funktionen des Sachverständigen und des Politikers“7 bereitet nach Habermas einem irrationalen Dezisionismus den Boden; da dieser als unbefriedigend empfunden werde, wolle man heute „die dezisionistische Bestimmung des Verhältnisses von Fachwissen und politischer Praxis zugunsten eines technokratischen Modells preisgeben“.8 Habermas selbst propagiert ein pragmatistisches Modell; er plädiert dafür, auch die bisher rationaler Erörterung unzugänglichen Fragen „diszipliniert“, also wissenschaftlich zu untersuchen: „Anstelle einer strikten Trennung zwischen den Funktionen des Sachverständigen und des Politikers tritt im pragmatistischen Modell gerade ein kritisches Wechselverhältnis, das eine ideologisch gestützte Ausübung von Herrschaft nicht etwa nur einer unzulässigen Legitimationsbasis entkleidet, sondern im ganzen der wissenschaftlich angeleiteten Diskussion zugänglich macht und dadurch substanziell verändert. Weder ist der Fachmann, wie es im technokratischen Modell vorgestellt wird, souverän geworden gegenüber den Politikern, die faktisch dem Sachzwang unterworfen sind und nur noch fiktiv entscheiden; noch behalten diese, wie das dezisionistische Modell unterstellt, außerhalb der zwingend rationalisierten Bereiche der Praxis ein Reservat, in dem praktische Fragen nach wie vor durch Willensakte entschieden werden müssen.“9

Liest man vor diesem Hintergrund das StandAG, so könnte man meinen, das Habermas’sche pragmatistische Modell habe dem Gesetzgeber als Grundmuster gedient. Jedenfalls will das Gesetz die geforderte „wechselseitige Kommunikation“ zwischen den wissenschaftlichen Experten und den die Entscheidung fällenden Instanzen herbeiführen und enthält dafür verbindliche Gebote und sogar Termine. „Autoritäre“ Entscheidungen der Politik sind bei Einhaltung dieses Verfahrens ganz unmöglich, und die Technokratiegefahr10 – entsprechende Vorstellungen sind insbesondere bei Naturwissenschaftlern und Technikern nicht ganz selten – ist dadurch gebannt, dass die Macht der Experten auf verschiedene Beteiligte aufgespalten und 5 Grundlegend: Jürgen Habermas, Verwissenschaftlichte Politik und öffentliche Meinung, in: ders., Technik und Wissenschaft als „Ideologie“, Frankfurt/Main 1968, S. 120 6 Max Weber, Wissenschaft als Beruf, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 3. Aufl. Tübingen 1968, S. 582 ff.; dazu Hans Albert/Ernst Topitsch (Hrsg.), Werturteilsstreit, Darmstadt 1971. 7 Formulierung von Habermas (Fn. 5), S. 121). 8 Habermas (Fn. 5), S. 122) unter Berufung auf Jacques Ellul und Helmut Schelsky. 9 Habermas (Fn. 5), S. 126 f. Hervorhebungen im Original. 10 Dazu etwa Manfred Kuhn, Herrschaft der Experten. An den Grenzen der Demokratie, Würzburg 1961.

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

13

schon dadurch geschwächt ist. Doch die Vorstellung der Legitimation von Politik durch „Wissenschaft“ wird so, genau genommen, gerade in Zweifel gezogen. 2. Die Unabhängigkeit der Wissenschaft und die Wahrheit der Erkenntnisse Die Wissenschaft soll unabhängig sein, d. h. ihre Feststellungen und Empfehlungen aus den eigenen Kreisen heraus erarbeiten, ohne Einfluss von Personen, Gruppen oder Institutionen, die ein eigenes Interesse an den Ergebnissen haben.11 Die Wissenschaftler sollen vollkommen „interesselos“ im Bemühen um „Wahrheit“ an die Arbeit gehen und ihre subjektiven Bewertungen ganz ausschalten – das ist der Sinn der „Wert(urteils)freiheit“ oder „Wertneutralität“ im Sinne Webers.12 Die Ideale wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit und Interesselosigkeit werden in der Praxis der wissenschaftlichen Politikberatung nicht durchgehalten; vielleicht ist ihre vollständige Beachtung überhaupt nicht durchhaltbar und nicht einmal wünschbar. Die entsprechende „asketische“ Haltung ist schon bei den Angehörigen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen nicht immer vorzufinden, wenn sie auch im günstigsten Fall durch akademische Sozialisation und Sorge um die eigene Reputation gefördert wird. Falls aber Unabhängigkeit als Garantie von Eigensinn und Kompromisslosigkeit verstanden würde, wäre sie ungeeignet, den Prozess der Einigung auf politische Entscheidungen zu unterstützen. Die Ergebnisse sorgfältiger wissenschaftlicher Forschung, die unter idealen Bedingungen zustande kommen, werden „wahr“ sein – so hofft man. Aber tatsächlich wird auf die Wahrheit wissenschaftlicher Erkenntnisse immer weniger vertraut. Streitthemen werden selten durch überzeugende Forschungsergebnisse erledigt; der Streit lebt vielmehr weiter, weil immer häufiger zu jedem Gutachten ein Gegengutachten präsentiert wird. Die subjektive Wahrhaftigkeit der Forscher kann dabei in der Regel nicht in Frage gestellt werden, aber objektiv ist die Lage nach der Wissenschaftsbeteiligung nicht klarer als vorher. 3. Die Stufung des Erkundungsprozesses Der vom StandAG vorgezeichnete Entscheidungsprozess ist darauf angelegt, dass die Ergebnisse auf jeder Stufe zunächst wieder in Frage gestellt werden. Die Zustän11 Die Gesetzesbegründung erwähnt allerdings nur die Unabhängigkeit „vom Vorhabenträger“: Die „Stellen zur Festlegung der Auswahlkriterien/Sicherheitsanforderungen und Prüfinstanzen“ sollen nicht nach den Interessen derer entscheiden, die das Endlager zu betreiben haben (BT-Drs. 17/13471, S. 15). Die Objektivität und Unparteilichkeit des Auswahlverfahrens ist aber nicht nur durch die Sichtweise eines „Vorhabenträgers“ gefährdet; der Anspruch auf Unabhängigkeit der Wissenschaft richtet sich auch gegen andere Beteiligte und gegen die eigenen Vor-Urteile der Wissenschaftler selbst. 12 Näheres dazu bei Horst Dreier, Max Webers Postulat der Wertfreiheit in der Wissenschaft und die Politik, in: ders./Dietmar Willoweit, Wissenschaft und Politik, Stuttgart 2010, S. 35 ff.

14

Hans Peter Bull

digkeit ist nämlich auf mehrere Stellen verteilt, so dass die Zwischenentscheidungen und die letztlich zu treffende Standortentscheidung nicht allein auf den wissenschaftlichen Positionen und administrativen Verhaltensmustern einer einzigen Behörde beruhen werden. Beteiligt sind an dem Standortauswahlverfahren i. e.S. (§§ 12 – 20 StandAG) das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) – im Gesetz als „Vorhabenträger“ bezeichnet – und ein neu zu errichtendes Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE) sowie das Bundesumweltministerium.13 Dieses Verfahren ist im Gesetz in acht Stufen aufgeteilt, wobei zunächst jeweils die Zuständigkeit zwischen BfS und BfE wechselt (§§ 13 – 20), und zwar: (1) Ermittlung in Betracht kommender Standortregionen und Auswahl für übertägige Erkundung (BfS, § 13); (2) Entscheidung über übertägige Erkundung (BfE, § 14); auf dieser Stufe sollen durch Gesetz die „ungünstigen Gebiete“ ausgeschlossen und die übertägig zu erkundenden Standorte bestimmt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 5); (3) Festlegung von standortbezogenen Erkundungsprogrammen und Prüfkriterien (BfS und BfE, § 15); (4) Übertägige Erkundung und Vorschlag für untertägige Erkundung (BfS , § 16); (5) Auswahl für untertägige Erkundung (BfE, § 17); hier ist die gesetzliche Abschichtung der Frage vorgesehen, welche Standorte für die untertägige Erkundung ausgewählt und ausgewiesen werden sollen (§ 17 Abs. 2 Satz 5). Dies soll bis Ende 2023 erfolgt sein (§ 17 Abs. 5); (6) Vertiefte geologische Erkundung (BfS, § 18); (7) Abschließender Standortvergleich und Standortvorschlag (BfE, § 19); (8) Standortentscheidung (BMUB, Bundesregierung, Deutscher Bundestag, § 20).

Das zuständige Ministerium und der Deutsche Bundestag sollen sich mit den Zwischenergebnissen erst befassen, wenn sie von einer anderen als der sie erarbeitenden Stelle überprüft worden sind. In diesem Sinne soll das BfE das Standortauswahlverfahren „regulieren“ (§ 7). Das BfS soll Vorschläge erarbeiten, das BfE auf dieser Grundlage Festlegungen treffen und seinerseits dem BMUB Entscheidungsvorschläge unterbreiten (§§ 6/7). Das BfE soll die Vorschläge des BfS „überprüfen“ (§§ 14 Abs. 1 und 17 Abs. 1); sie werden dann im BMUB – nach Stellungnahme der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften und der Eigentümer (§ 14 Abs. 3) – zu einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages und des Bundesrats verarbeitet (§§ 14 Abs. 2 und 17 Abs. 2). Unter dem Aspekt der Wissenschaftsethik ist es durchaus angemessen, die Suche nach der wissenschaftlichen „Wahrheit“ nicht nur einer Stelle zu überlassen, sondern mehrere Institutionen daran zu beteiligen und immer wieder neue Überprüfung und Aktualisierung zuzulassen. Dem Ziel, in absehbarer Zeit zu einer verbindlichen Entscheidung zu kommen, wird damit freilich nicht gedient. Die gesetzliche Prozess13

Jetzt Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

15

struktur kann dazu führen, dass die Auseinandersetzungen über die Zwischenschritte des Auswahlprozesses auf jeder Stufe neu beginnen. Eine neue Behörde, die zur Aufsicht über eine andere Behörde eingerichtet wird, will sich möglicherweise dadurch profilieren, dass sie von den Einschätzungen der zu beaufsichtigenden Behörde abweicht. Im günstigsten Fall wird der Prozess durch die neue Überprüfungsinstanz verlängert, im ungünstigsten eskaliert der Streit zwischen den beteiligten Stellen, noch bevor die politisch Verantwortlichen in die Lage kommen, eine Entscheidung zu treffen. Nach der Konzeption des StandAG sollen allerdings besonders wichtige Zwischenergebnisse durch Gesetz abgeschichtet und damit außer Streit gestellt werden, nämlich die Entscheidungsgrundlagen sowie die Bestimmung übertägiger und untertägiger Erkundungsgebiete (§§ 4 Abs. 5, 14 Abs. 2 Satz 5, 17 Abs. 2 Satz 5; dasselbe gilt für die abschließende Festlegung eines Endlagerstandortes, § 20 Abs. 2 Satz 1). Insbesondere die Festlegung der Entscheidungsgrundlagen vor Beginn des Auswahlverfahrens sei um der „Glaubwürdigkeit“ des gesamten Verfahrens willen „zwingend notwendig“.14 Man hofft wohl darauf, die Öffentlichkeit in kleinen Schritten zu überzeugen, sozusagen ein Akzeptanzkonto langsam und nicht in einem einmaligen Kraftakt zu füllen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die späteren Erkundungsergebnisse neue Überlegungen zu den vorangegangenen Festlegungen auslösen, insbesondere dass sie die bisher zugrunde gelegten Kriterien wieder in Frage stellen oder modifizieren, und die angesammelten „Kreditpunkte“ sogleich wieder verloren gehen. Auch die Erfahrungen mit der Planung des Stuttgarter Hauptbahnhofs („Stuttgart 21“) sprechen insofern für eine skeptische Einschätzung. Die Doppelstruktur wäre nicht nötig gewesen, wenn man auf die Erfahrungen, das Leistungsvermögen und die Unparteilichkeit des BfS vertraut hätte.15 Es gab und gibt keinerlei Anlass anzunehmen, dass die Vorschläge des BfS zu den verschiedenen Punkten des Entscheidungsprozesses einseitig, unzureichend fundiert oder gar parteiisch ausfallen werden; somit bestand auch kein ausreichender Grund, die verbindliche Festsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen – etwa die über- oder untertägige Erkundung bestimmter Gebiete oder die Aufstellung von Sicherheitsprogrammen – durch eine andere Behörde vornehmen zu lassen.16 Inkompatibilität zwischen den beiden Behörden kann nur bei der konkreten Planung und Errichtung eines Endlagers entstehen; denn dieses Vorhaben bedarf der externen Aufsicht. Bis dahin werden aber noch Jahrzehnte vergehen. Der Gesetzgeber wollte einen „doppelten Boden“ in sein Gesetzesgebäude einziehen, weil er der Reaktion der Gegenseite – der in Initiativen und Verbänden organisierten Öffentlichkeit der Kernkraftgegner verschiedener Ausprägung – entgegenkommen wollte. Mit dieser Vorabreaktion auf denkbare Kritik an 14

Amtl. Begründung (Fn. 11), S. 15. So auch Andreas Troge (Präsident a.D. des Umweltbundesamtes), Geldprassen fürs Endlager, in: ZEIT-online (www.zeit.de) v. 9. 5. 2014. 16 Zu dem Einwand, die Errichtung einer besonderen Behörde zur Beaufsichtigung des „Vorhabenträgers“ sei aus europarechtlichen Gründen geboten gewesen, vgl. meine hier weggelassenen Ausführungen in DÖV 2014, 897 (905 f.). 15

16

Hans Peter Bull

künftigen Forschungsergebnissen und Handlungsvorschlägen ist er über das Ziel hinausgeschossen. Wer möglichem Misstrauen allzu beflissen vorbeugen will, begibt sich in Gefahr, immer neue Befangenheitsbedenken zu provozieren.

II. Die Funktionen der Öffentlichkeitsbeteiligung 1. Mitsprache und Sachverstand Die wissenschaftliche Untersuchung der relevanten Fragen soll durch Beteiligung der Öffentlichkeit auf jeder Stufe des Suchverfahrens ergänzt werden. Dadurch wird zunächst einmal verhindert, dass die Behörden und „offiziellen“ Experten hinter verschlossenen Türen „kungeln“. Das Standortauswahlverfahren wird daher in § 1 des Gesetzes nicht nur als „wissenschaftsbasiert“ bezeichnet; es soll auch „transparent“ sein. Das bedeutet aber stets auch, dass das Gewicht der von Wissenschaftlern entwickelten Vorschläge relativiert wird. Bürgerinitiativen, Interessen- und Nachbarschaftsgruppen haben gerade auf den Gebieten der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes und damit zusammenhängender Probleme im Laufe der Zeit großen Sachverstand angesammelt und sind vielfach in der Lage, Experten argumentativ wirkungsvoll zu widersprechen und Alternativen vorzutragen. Sie können dadurch bei manchen Streitfragen durchaus ein Gegengewicht zu den „offiziellen“ Experten bilden. Unvermeidlich und zu Recht bringen sie aber auch eigene Interessen, Betroffenheit und Ängste zum Ausdruck, die von den wissenschaftlichen Fachvertretern nicht ohne weiteres geteilt werden; gerade auch deswegen sollen sie beteiligt sein. Das gilt insbesondere für die Beteiligung regionaler und örtlicher Gruppen oder für die von Grundstückseigentümern: Wenn sie einen Sinn haben soll, dann gerade den, die Interessen dieser Gruppen zu artikulieren. 2. Objektiver und subjektiver Nutzen von Öffentlichkeitsbeteiligung Die Öffentlichkeitsbeteiligung dient aber nicht nur dem Schutz individueller subjektiver Rechte und Interessen. Sie ist objektiv nützlich, weil sie Beteiligten wie Unbeteiligten die Möglichkeit verschafft, sich von der Rechtmäßigkeit und sonstigen Korrektheit des Verfahrens zu überzeugen und damit die Chancen von Akzeptanz erhöht. Unter dem Aspekt der Legitimation staatlichen Handelns bedeutet dies, dass nicht nur die Ergebnisse das Staatshandeln rechtfertigen können, sondern auch eine „prozedurale Legitimation“ möglich ist und dass eine „praktische Konkordanz von Legitimation durch Ergebnis und Verfahren“ angestrebt werden soll.17 Denkt man an die heftigen Turbulenzen, die bei den Stuttgarter Bahnhofsplanungen aufge17 Arndt Schmehl, „Mitsprache 21“ als Lehre aus „Stuttgart 21“? Zu den rechtspolitischen Folgen veränderter Legitimitätsbedingungen, in: Veith Mehde/Ulrich Ramsauer/Margrit Seckelmann (Hrsg.), Staat, Verwaltung, Information. Festschrift für H. P. Bull, Berlin 2011, S. 347 ff. (355). S.a. Klaus König, Moderne öffentliche Verwaltung, 2008, S. 451 ff.

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

17

kommen sind, weil sich ein relevanter Teil der örtlichen und regionalen Bevölkerung übergangen fühlte, so wird man diesen Aspekt für besonders wichtig halten. Die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Standortsuche sind offensichtlich unter dem Eindruck der Stuttgarter Vertrauenskrise so ausgefallen, wie sie ausgefallen sind. Teils dürfte die Hoffnung auf Befriedung der zu erwartenden Konflikte durch frühzeitige und umfassende Einbindung möglichst vieler Interessenten und potentieller Opponenten geherrscht haben, teils vielleicht auch die Erwartung, dass die Kontrahenten in langfristigen Diskussionen müde würden. Demgegenüber meint Wiegand, dass die umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung rechtlich „nahezu vollständig bedeutungslos“ sein wird; er spricht von einem „juristischen Popanz“.18 Richtig ist, dass eine Verletzung der Öffentlichkeitspflichten „im Verfahren der Standortauswahl an keiner Stelle gerügt werden“ kann. Betroffene haben insofern keine Vetopositionen.19 Speziell in den ersten Phasen des Standortsuchverfahrens werden keine konkret-individuellen Entscheidungen gefällt. Etwa übergangene Anhörungsberechtigte sind auf die Anfechtung der Bundesgesetze angewiesen, die als Abschluss der jeweiligen Verfahrensabschnitte ergehen (§§ 14 Abs. 2 Satz 5, 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. Satz 1). Aber auch Verfassungsbeschwerden gegen diese Gesetze können letztlich nicht bewirken, dass gerade die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Nichtigerklärung der abschließenden Standortentscheidung führt; denn der einzelne Beschwerdeführer ist nicht befugt, die Rechte der Öffentlichkeit wahrzunehmen (vgl. § 90 Abs. 1 BVerfGG).20 Gesetzgeber und Verwaltung wären grundsätzlich frei darin, die Ergebnisse der diversen Anhörungen, Versammlungen und Befragungen zu ignorieren; es besteht keine rechtliche Bindung an vorangegangene Diskussionsergebnisse. Für das Standortsuchverfahren kann insofern nichts anderes gelten als für die Planfeststellungsverfahren über große Investitionsvorhaben. Inhaltlich entscheidungsleitend können nur die materiell-rechtlichen Vorgaben und die Überzeugung der Entscheider von den tatsächlichen Annahmen und Prognosen sein. Die Behörden und die gesetzgebenden 18

Marc André Wiegand, Konsens durch Verfahren? NVwZ 2014, 830 ff. Schmehl (Fn. 17), S. 356 (für die Planfeststellung von Großvorhaben). 20 Allerdings muss das nationale Verwaltungs-Verfahrensrecht nach Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 10a der ihr folgenden UVP-Richtlinie der EU (85/337/EWG v. 27. 6. 1985 i. d. F. der Richtlinie 2003/35/EG v. 26. 5. 2003) unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsschutz auch gegen Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung einräumen, und zwar auch für klagebefugte „Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit“. Die genaue Reichweite dieser Bindung des nationalen Prozessgesetzgebers ist umstritten; s. dazu Sabine Schlacke, ZUR 2013, 195 m.w.N.; Monika Böhm, UPR 2014, 201 ff. Für die Verfassungsbeschwerde könnte ein Vorrang des nationalen Rechts gelten. Der EUGH tendiert zu einer Ausweitung des Rechtsschutzes, vgl. U. v. 15. 10. 2009, Rs. C-263/08 (schwedischer Umweltschutzverband; Stromleitungstunnel); U. v. 9. 3. 2011, Rs. C-115/09 (slowakischer Umweltschutzverein; Schutz des slowakischen Braunbärs) sowie U. v. 7. 11. 2013, Rs. C-72/12 (Altrip). 19

18

Hans Peter Bull

Körperschaften müssen sich an den Gesetzen orientieren (einschließlich der in dem jeweils vorangegangenen Verfahrensabschnitt ergangenen gesetzlichen Abschichtungsbeschlüsse), und sie müssen die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zugrunde legen, so wie sie sie einschätzen, und die verschiedenen Elemente gegeneinander abwägen. Entscheidungsleitend können nur materielle Grundsätze sein, nicht Verfahrensregeln. Selbst die Regel, dass die Mehrheit entscheidet, kann nicht in einem Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung gelten, das ohne Rücksicht auf die Repräsentativität der Beteiligung durchgeführt wird – ganz abgesehen davon, dass mit einer solchen „dezisionistischen“ Mehrheitsentscheidung die Grundlegung der Entscheidung durch wissenschaftliche Erkenntnisse desavouiert würde. Gleichwohl wären alle Beteiligten schlecht beraten, wenn sie die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung herabspielten. Politik und Verwaltung sollen die Ergebnisse dieser Beteiligung „berücksichtigen“ (§ 9 Abs. 1 Satz 4). Das bedeutet: sie genau zur Kenntnis nehmen, ausführlich dokumentieren, gewichten, unter- und gegeneinander abwägen und in den jeweiligen Entscheidungsgründen erwähnen. Nicht geboten ist die „Beachtung“ der Öffentlichkeits-Forderungen21 – sie wäre auch aller Voraussicht nach gar nicht möglich; denn die abschließenden Ergebnisse werden höchstwahrscheinlich kontrovers ausfallen. Die einen werden die beabsichtigte Entscheidung begrüßen, andere, stärker Betroffene werden sie umso heftiger bekämpfen. Soweit die Öffentlichkeitsbeteiligung aber zu konsentierten Feststellungen und Forderungen führt, wird sie politisch großes Gewicht haben; den administrativen und politischen Instanzen wird es dann schwer fallen, ihre Entscheidung auf andere Gründe zu stützen. Den Verfechtern intensiver Bürgerbeteiligung kommt es übrigens gar nicht allein auf die Ergebnisse an. Jedenfalls ein Teil der Verfechter direkt-demokratischer Beteiligung sieht schon in der Mitsprache und Diskussion einen Wert und eine Bedingung für den endlichen Erfolg des Suchverfahrens. Die subjektive Interessen- und Rechtsschutzperspektive ist angesichts dieser weiteren Funktionen der Öffentlichkeit zu eng.22 3. Die vorgeschaltete pluralistische Kommission Vor das „eigentliche“ Auswahlverfahren hat der Gesetzgeber eine Prüfphase gestellt, in der wichtige Weichenstellungen von einer besonders eingerichteten „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ vorgenommen werden (§ 1 Abs. 2). Diese „pluralistisch“ und föderalistisch zusammengesetzte Kommission soll wesentliche Entscheidungsgrundlagen für das eigentliche Standortauswahlverfahren treffen. Auf der Grundlage ihres Berichts soll der Bundestag wichtige Entscheidungsgrundlagen als Gesetz verabschieden (§ 4 Abs. 5). Auch diese Kommission ist auf Wissenschaftlichkeit und Öffentlichkeit als Legitimationsbeschaffer aus-

21 22

Vgl. die Terminologie des Raumordnungsgesetzes: § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG. Schmehl (Fn. 17), S. 359.

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

19

gerichtet; die damit angestoßenen Konflikte zeigen sich schon in diesem „Vorverfahren“ der Standortsuche, und zwar in besonders deutlicher Weise. a) Zusammensetzung und Aufgaben der Kommission Mitglieder der Kommission sind nach § 3 Abs. 1 StandAG neben einem oder einer Vorsitzenden23 „acht Vertreterinnen oder Vertreter aus der Wissenschaft“ und je zwei „Vertreterinnen oder Vertreter“ von Umweltverbänden und Religionsgemeinschaften, „aus der Wirtschaft“ und „der Gewerkschaften“. Dazu kommen acht nicht stimmberechtigte Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie acht Mitglieder von Landesregierungen, ebenfalls ohne Stimmrecht (§ 3 Abs. 5 Satz 4). Die Kommission soll einen Bericht vorlegen, „in dem sie die für das Auswahlverfahren relevanten Grundsatzfragen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle untersucht und bewertet, sowie Vorschläge für die Entscheidungsgrundlagen nach § 4 und eine entsprechende Handlungsempfehlung für den Bundestag und den Bundesrat erarbeitet“ (§ 3 Abs. 2 und Abs. 5 StandAG).

Die heikelste Frage ist die, „ob anstelle einer unverzüglichen Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen andere Möglichkeiten für eine geordnete Entsorgung dieser Abfälle wissenschaftlich untersucht und bis zum Abschluss der Untersuchungen die Abfälle in oberirdischen Zwischenlagern aufbewahrt werden sollen“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 1). Wird sie bejaht, müssen alle weiteren Fragen allenfalls noch hilfsweise erörtert werden. Es ist freilich kaum zu erwarten, dass es in diesem Punkt eine schnelle Einigung geben wird. Daher wird die Kommission nicht umhin kommen, auch Vorschläge für die „Entscheidungsgrundlagen“ zu erarbeiten, die in § 4 Abs. 2 Nr. 2 so umfassend wie nur denkbar formuliert sind: „allgemeine Sicherheitsanforderungen an die Lagerung, geowissenschaftliche, wasserwirtschaftliche und raumplanerische Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen im Hinblick auf die Eignung geologischer Formationen für die Endlagerung sowie wirtsgesteinsspezifische Ausschluss- und Auswahlkriterien für die möglichen Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin sowie wirtsgesteinsunabhängige Abwägungskriterien und die Methodik für die durchzuführenden vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen“.

Hinzu kommen „Kriterien einer möglichen Fehlerkorrektur“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 3) und „Anforderungen an die Organisation und das Verfahren des Auswahlprozesses und für die Prüfung von Alternativen“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 4) sowie „Anforderungen an die Beteiligung und Information der Öffentlichkeit sowie zur Sicherstellung der Transparenz“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 5). u. a. sollen auch „gesellschaftspolitische“ Fragen erörtert werden (§ 4 Abs. 2 a.E.).24 23

Tatsächlich hat man sich nach einem Streit über den Vorsitz darauf geeinigt, zwei gleichberechtigte Vorsitzende einzusetzen. 24 Eine wichtige Frage an die Kommission wird auch sein, wie mit den vorhandenen schwach- und mittelradioaktiven Abfällen umgegangen werden soll, die nicht in dem Endla-

20

Hans Peter Bull

Das ist ein Programm, an dem eine Vielzahl von Naturwissenschaftlern, Technikern, Organisationsexperten, aber auch Sozialwissenschaftlern viele Jahre lang arbeiten könnte – die Kommission soll das bis zum 30. Juni 2016 leisten. Sollte jedoch die „Grundsätze-Kommission“ all ihre Aufgaben – fristgerecht oder verspätet – so erfüllen, dass die politische Öffentlichkeit die Vorschläge akzeptiert, könnte der weitere Prozess relativ konfliktfrei ablaufen. Die Kommission soll darüber hinaus auch das StandAG selbst bewerten und für den Fall, dass sie Regelungen des Gesetzes für nicht angemessen hält, einen Alternativvorschlag unterbreiten (§ 3 Abs. 3). Das Gesetz soll also schon vor seiner praktischen Anwendung „evaluiert“ werden;25 seine Umsetzung steht unter Prüfungsvorbehalt – eine wahrhaft revolutionäre Neuerung! Damit sind die Gesetzesverfasser weit über das Gebot einer „permanenten Nachprüfungs- und Nachbesserungspflicht“ hinausgegangen, das von Rechtsprechung und Literatur in den letzten Jahren deutlich ausgebaut worden ist, das sich aber als schwer erfüllbar erwiesen hat.26 b) Arbeitsweise der Kommission Die Kommission soll mit „Forschungseinrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie“ zusammenarbeiten; sie „kann“ „wissenschaftliche Erkenntnisse der zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden heranziehen“ sowie „Sachverständige anhören und externe wissenschaftliche Gutachten beauftragen“ (§ 4 Abs. 3). Aus § 11 Abs. 1 folgt, dass die jeweils zuständigen obersten Landesbehörden und die kommunalen Spitzenverbände „bei der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen nach § 4 Abs. 2 Nummer 2“ durch die Kommission zu beteiligen sind. Eine Einbeziehung des BfS oder von Forschungseinrichtungen im Geschäftsbereich des BMUB in die Beratungen der Kommission ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Der Kommission ist aber in § 4 Abs. 3 Satz 3 StandAG erlaubt, außerhalb der bezeichneten Forschungseinrichtungen tätige Sachverständige anzuhören und Gutachten von ihnen zu erbitten; das wird auch so praktiziert. Nur in der Gesetzesbegründung erwähnt ist, dass auch eine inhaltliche Bindung der Kommission besteht: Die Bundesrepublik ist dem „Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die ger Konrad gelagert werden können, vgl. dazu die Ausführungen des Präsidenten des BfS in der Sachverständigen-Anhörung des Bundestags-Umweltausschusses am 10. 6. 2013. 25 Die Begründung spricht davon, dass das Gesetz „auf der Grundlage der Empfehlungen der Kommission evaluiert und gegebenenfalls geändert“ werde (Fn. 11, S. 14). Unklar ist, wer diese Evaluation durchführen soll, die den Beginn des eigentlichen Standortauswahlverfahrens weiter hinausschieben wird. 26 Ausführlich dazu Hans-Joachim Pabst, Selbst und fremd auferlegte Beobachtungspflichten des Gesetzgebers, ZG 2012, 386 ff. (401).

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

21

Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ (Joint Convention) beigetreten; darin sind Vorgaben festgeschrieben, die auf den Sicherheitsstandards der Internationalen Atomenergie-Organisation beruhen.27 Daneben und mit großem Nachdruck ist die Kommission gehalten, auch die Öffentlichkeit zu „beteiligen“ (§ 5 Abs. 3 i.V.m. §§ 9 und 10). Bei der Erarbeitung der oben erwähnten „Entscheidungsgrundlagen“ nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 sind auch „die jeweils zuständigen obersten Landesbehörden und die kommunalen Spitzenverbände“ zu beteiligen (§ 11 Abs. 1). Das Zeitfenster für die eigenen Erörterungen der Kommission wird damit noch schmaler, als es ohnehin schon ist. c) Das strukturelle Grundproblem der Kommission Ebenso wie die beteiligten Ämter und Institute und ihre Mitarbeiter soll die dem Standortauswahlverfahren vorgeschaltete Kommission nach dem Grundkonzept des Gesetzes unabhängig sein – unabhängig von den politischen Entscheidungsträgern und ebenso von den Behörden und Institutionen, die sich bisher wissenschaftlich mit den zu behandelnden Fragen befasst haben. Einflüsse aus anderen Bereichen als der „reinen“ Wissenschaft sollen ausgeschlossen sein. Das ist aber unmöglich. Die Zusammensetzung der Kommission führt vielmehr zwangsläufig dazu, dass zumindest Wirtschaft und Gewerkschaften sowie die Fraktionen des Deutschen Bundestages und die Landesregierungen ihre jeweiligen Ideen und Interessen einbringen. Selbst die Umweltverbände sind nicht vollkommen „unabhängig“; sie setzen sich zwar für das Gemeinwohl ein, dieses wird aber auch geprägt durch die (Meinungen und) Interessen ihrer Mitglieder. Dass die Kommission nicht nur den Auftrag hat, unabhängig Wissenschaft zu betreiben bzw. die Ergebnisse der Wissenschaft zusammenzustellen und zu bewerten, ergibt sich auch aus dem Gebot der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 5 Abs. 3. Durch die dortige Verweisung auf §§ 9 und 10 sind theoretisch sogar Bürgerversammlungen, Bürgerdialoge und Internetkommunikation mit der Möglichkeit von Stellungnahmen „der Öffentlichkeit“ vorgeschrieben, und zwar schon während der Kommissionsberatungen.28 Auch die Länder und die kommunalen Spitzenverbände sollen, wie erwähnt, mitreden. Die Kommission soll also die Konflikte, die in der Gesellschaft bestehen, in ihren eigenen Reihen widerspiegeln und frühzeitig in einen Diskurs mit solchen Personen und Gruppen eintreten, die nicht schon in der Kommission oder durch die Parlaments- und Regierungsvertreter repräsentiert sind. Die wissenschaftliche Beratung der Politik ist hier in den Entscheidungsprozess der Kommission hinein vorverlagert. 27 Amtliche Begründung (Fn. 11), S. 14. Weitere Regelwerke, die die Kommission „zu berücksichtigen“ hat, sind in der Begründung auf S. 20/21 aufgeführt. 28 Bürgerversammlungen können aber erst dann durchgeführt werden, wenn ein örtlicher Bezug der in Betracht kommenden Planung feststeht – das ist in der Kommissions-Phase kaum denkbar.

22

Hans Peter Bull

Die vorgeschaltete Kommission soll den Konsens oder die Entscheidung einer großen Mehrheit (zwei Drittel, vgl. § 3 Abs. 5 Satz 1) vorwegnehmen, die Politik also entlasten. Der Gesetzgeber setzt hier wohl voraus, dass sich in den Ergebnissen der eher direkt-demokratischen Kommission repräsentativ die Meinung der Bevölkerung widerspiegelt. Auch dieser Weg in die Öffentlichkeit entspricht dem pragmatistischen Modell von Habermas: „Eine erfolgreiche Umsetzung technischer und strategischer Empfehlungen in die Praxis“ ist „auf die Vermittlung der politischen Öffentlichkeit angewiesen“.29 Das Gesetz geht hier aber neue Wege, indem es die Beteiligung der Öffentlichkeit früher als jemals zuvor beginnen lässt, nämlich schon während der Beratungen der Berater. d) Die ersten Erfahrungen mit der Kommission Die Kommission hat nach einigen Querelen um die Mitgliederauswahl und den Vorsitz ihre Arbeit im Frühjahr 2014 aufgenommen, aber angesichts der enormen inhaltlichen Probleme ihres Auftrags wird sie die ihr gesetzte Frist (bis Mitte 2016, § 3 Abs. 5) kaum einhalten können. Es erweist sich als überaus schwierig, die weit auseinanderliegenden Standpunkte ihrer Mitglieder einander anzunähern.30 Dabei ist weniger über wissenschaftliche Streitfragen diskutiert worden als vielmehr über Rechtspositionen – etwa die Reichweite des grundgesetzlich gebotenen Rechtsschutzes gegen Zwischenentscheidungen und gegen die Letztentscheidung über einen Endlagerstandort – und noch heftiger über die Art und Weise der Beteiligung der Öffentlichkeit an dem gesamten Verfahren und ihren Einfluss auf die Entscheidungen. Die „Öffentlichkeit“ stellt sich in den Verhandlungen der Kommission vor allem in Gestalt der interessierten Natur- und Umweltschutzverbände dar. Über eine bloße Anhörung und die Gelegenheit zu Stellungnahmen hinaus verstehen diese Verbände unter Öffentlichkeitsbeteiligung letztlich Vetorechte. Sie fordern, dass die staatlichen Entscheidungen nicht gegen sie bzw. die von ihnen vertretenen Personen und Gruppen und darüber hinaus nicht gegen die Bevölkerung in den (eventuell) betroffenen Regionen getroffen werden dürfen.31 Die Kommission wird von einem Teil derer, die sich nach der Konzeption des Gesetzes beteiligen können, boykottiert. So haben die Umweltverbände Greenpeace e.V. und „ausgestrahlt e.V.“ sowie die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. ihre Teilnahme an einer öffentlichen Sachverständigenanhörung der Kommission mit der Begründung abgesagt, sie hätten kein Vertrauen in die Bereitschaft der Kommission, ihre Argumente aufzunehmen. Man sei „nicht bereit, als Sta29

Habermas (Fn. 5), S. 129; s.a. S. 137 ff. Siehe dazu Bauchmüller, Am Gorleben-Graben, Süddeutsche Zeitung v. 3. 3. 2015; ders., Experiment Konsens, in: Süddeutsche Zeitung v. 4. 3. 2015. 31 Die folgenden Absätze bis unten 4. sind Auszüge aus meinem Artikel „Was ist ,die Öffentlichkeit‘ und welche Befugnisse soll sie haben?“ in DVBl 2015, 593, 595 f. 30

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

23

tisten Bürgerbeteiligung für einen Prozess vorzugaukeln, dessen Ergebnis – trotz aller wohlmeinenden Anstrengungen von einzelnen in der Kommission – durch die falschen Rahmenbedingungen bereits vorgezeichnet“ sei. „Der untaugliche Versuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung zu dieser schwierigen Frage kann nur scheitern oder auf Kosten von Rationalität und Demokratie durchgesetzt werden“.32 Im Grunde wollten die Verbände, dass die Lösung – ein umfassender Konsens zumindest über das Suchverfahren – bereits bei Beginn der geregelten Beratungen vorliege. Die Fragen, die aus ihrer Sicht entscheidend sind, sollten bereits im Vorfeld der Standortsuche erörtert werden. Greenpeace hat im November 2012 ein „Konzept für einen verantwortbaren Umgang mit radioaktiven Abfällen“ vorgestellt, dessen Kernaussage war: „Es bedarf einer breiten gesellschaftlichen Debatte und Verständigung über die bloße parlamentarische Befassung hinaus vor der Verabschiedung eines Suchverfahrens per Gesetz“. Diese Forderung habe in der Politik keinen Widerhall gefunden. Das ist freilich nicht verwunderlich. Unbestritten ist zwar, dass die verschiedenen Organisationen der Umweltbewegung sich mit großem Sachverstand und nachhaltigem Engagement um die Abwehr von Eingriffen in die Natur und die Bewahrung der natürlichen Ressourcen verdient gemacht haben. Die jüngere Gesetzgebung zum Umweltschutz i.w.S. und die vielfältigen Ansätze seiner Realisierung sind ohne die Einwirkung der zivilgesellschaftlichen Gruppen gar nicht denkbar. In manchen Zusammenhängen sind die Umweltverbände den Fachbehörden und den politischen Instanzen sogar überlegen. Sie decken aber nicht das gesamte Spektrum der beteiligten Interessen und Meinungen ab und können keinen Vorrang gegenüber anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen verlangen. Es ist auch verständlich, wenn sie nach vielen harten Auseinandersetzungen und immer wieder auftretenden Rückschlägen den staatlichen Organen häufig mit Misstrauen begegnen. Aber wenn dieses Misstrauen zur Gewohnheit wird und auch dann durchschlägt, wenn der Staat – wie beim StandAG – gerade einen neuen Anfang versucht, wäre es auch für die Umweltverbände an der Zeit, neu über ihre Strategie nachzudenken. Die Verfassungsrechtslage ist ohnehin eindeutig: Öffentlichkeitsbeteiligung bedeutet eben nicht, dass Betroffene und Verbände ein Vetorecht besitzen. Der demokratische Staat muss die Forderung ablehnen, dass sein Parlament „nicht gegen das Votum einer betroffenen Region“ entscheiden dürfe.33 Die staatlichen Entscheidungen müssen sich auf den Willen des (ganzen) Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden, und dieser Zurechnungszusammenhang wird vor 32 Schreiben der drei genannten Verbände an die Vorsitzenden der Endlagerkommission, Ursula Heinen-Esser und Michael Müller, vom 28. 10. 2014. Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat an der Anhörung teilgenommen, aber inhaltlich dieselben Positionen wie die anderen Verbände vorgetragen (Kurzvortrag Dr. Helmut Röscheisen, Kommissions-Drucksache 54). 33 So aber Röscheisen (Fn. 32) in seiner Äußerung vor der Kommission (S. 3). Vgl. dazu nochmals meinen Artikel in DVBl 2015 (Fn. 31), S. 596 f.

24

Hans Peter Bull

allem durch die Wahl des Parlaments und die von diesem beschlossenen Gesetze hergestellt.34 Wenn für eine staatliche Entscheidung die Beteiligung der Öffentlichkeit geboten ist, dann sollen die in ihren Rechten berührten Personen und Gruppen und die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisationen ihre Meinungen ungehindert äußern und ihre Interessen nachdrücklich vertreten können. Diese Positionen sollen in dem Sinne „berücksichtigt“ werden, dass sie in die Abwägungen eingestellt und angemessen gewichtet werden – nicht mehr und nicht weniger. Richtig angelegte Öffentlichkeitsbeteiligung kann dazu beitragen, dass die Entscheidungen „besser“ werden – und damit auch die Chance, dass sie sogar von denen akzeptiert werden, die dadurch Nachteile erleiden. Aber die Verantwortung für die staatliche Entscheidung bleibt bei den gewählten Vertretern des ganzen Volkes, und die Mitwirkung der Öffentlichkeit darf nicht dazu führen, dass der Staat entscheidungsunfähig wird.35 Gerade die epochale Aufgabe der Atommüll-Endlagerung wird ohne oder gegen den Staat nicht bewältigt werden. 4. Das zusätzliche „Begleitgremium“ Von der Endlager-Kommission nach § 3, die eine zentrale Rolle zu spielen hat, ist das „pluralistisch zusammengesetzte gesellschaftliche nationale Begleitgremium zur gemeinwohlorientierten Begleitung des Prozesses der Standortauswahl“ zu unterscheiden (§ 8). Seine Ausgestaltung und seine Funktion sind im Gesetz nicht weiter festgelegt. Die Beratungsergebnisse sind zu veröffentlichen, abweichende Voten sind zu dokumentieren. Die Mitglieder haben das Recht auf Akteneinsicht bei den beteiligten Bundesämtern. Das Begleitgremium wird erst nach Abschluss der Arbeit der Kommission und der Evaluierung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 eingerichtet werden. Ob es sich in der Öffentlichkeit neben den Akteuren auf Seiten der Politik und der Verwaltung bemerkbar machen kann, ist ungewiss. Auffallen wird dieses Gremium wohl nur dann, wenn es Entscheidungen anderer Beteiligter skandalisiert oder zumindest scharfe Kritik äußert, nicht aber wenn es – was ja immerhin möglich ist – den Zwischenergebnissen zustimmt.

34 Voßkuhle, Sachverständige Beratung des Staates (Fn. 2), HStR Bd. III, § 43, Rn. 58 mit Hinweisen auf die Rspr. des BVerfG und die weitere Lit.; zuvor schon ders., Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 266 ff. (271 f.). 35 S.a. die grundsätzlichen Ausführungen bei Ekkehard Hofmann, Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsrecht nach dem Planungsvereinheitlichungsgesetz, in: Härtel (Hrsg.), Nachhaltigkeit, Energiewende, Klimawandel, Welternährung, 2014, S. 284 ff., insbes. 315 ff.

Zum Ansehens- und Legitimationsverlust der Parlamente

25

III. Der Vorbehalt der politisch-administrativen Entscheidung Wissenschaftliche Erkenntnisse verwandeln sich nicht automatisch oder zwangsläufig in politische Entscheidungen. Politik und Verwaltung müssen vielmehr stets eine eigene Bewertung der wissenschaftlichen Aussagen vornehmen.36 Auch bestens fundierte oder einhellige Expertenmeinungen können nicht einfach „übernommen“ werden; stets ist eine Umsetzung in eine handhabbare Norm erforderlich. Das ist selbst dann nötig, wenn die Äußerungen aus der Wissenschaft übereinstimmen. Würden Behörden, Ministerien und Parlamente wissenschaftliche Erkenntnisse unbesehen übernehmen, könnten sie ihre Pflicht zu gemeinwohlgerechter Entscheidung nicht erfüllen. Dasselbe gilt, wie schon ausgeführt (oben II. 3. d)), für die Mitwirkung der Öffentlichkeit: Ein noch so umfassend durchgeführtes Beteiligungsverfahren produziert nicht zwangsläufig einen Entscheidungsvorschlag, der für die zuständigen staatlichen Instanzen rechtlich oder auch nur politisch verbindlich wäre. Das StandAG erweckt den Eindruck, als werde sich die notwendige Entscheidung schließlich von selbst aus den logisch aufeinander aufbauenden einzelnen Schritten ergeben. Das ist eine ziemlich unrealistische Vorstellung von der Lösung eines hochumstrittenen Problems. Es wäre zwar verständlich, wenn die Politik die harte Entscheidung – die auf jeden Fall zu Lasten eines Teils der Bevölkerung ausfallen wird – hinauszögern wollte. Aber wenn man die Entscheidung überhaupt will und nicht insgeheim auf Ausweichlösungen wie die übertägige dauerhafte „Zwischen“lagerung setzt, sollte sie nicht übermäßig lange hinausgeschoben werden. Obwohl § 4 Abs. 5 StandAG so formuliert ist, als sei die „1 zu 1“-Übernahme der Kommissionsergebnisse durch den Deutschen Bundestag vorgeschrieben, können auch die Empfehlungen der Kommission für den Gesetzgeber rechtlich nicht bindend sein.37 Sie werden aber politisch großes Gewicht haben. Falls sie in wesentlichen Punkten nicht befolgt würden, wäre das ganze zugrunde liegende Konzept gefährdet: Die Politik will sich ja gerade zurückhalten, will die Lösung der hochumstrittenen Fragen bis zu einem gewissen Grade der Gesellschaft überlassen.

IV. Fazit Das Gesetz ist zwar nicht der ganz große Wurf, als der es gedacht war, und angesichts des vorgesehenen Verfahrens könnte ein misstrauischer Kommentator meinen, die politisch Verantwortlichen wollten die Entscheidung über das nationale Endlager 36 Vgl. a. die Hinweise auf den notwendigen eigenen Beitrag der Verwaltung zur Legitimationssicherung bei König, Moderne öffentliche Verwaltung (Fn. 17), S. 452 ff. 37 Das haben Ulrich Smeddinck und Sebastian Willmann ausführlich begründet, vgl. ihren Aufsatz: Die Kommissionsempfehlung nach § 4 Abs. 5 Standortauswahlgesetz, in: EurUP 2014, S. 102 – 111. Selbst wenn die Kommissionsbeschlüsse bindend wären, könnte der Gesetzgeber § 4 Abs. 5 StandAG ändern und ihnen damit die Grundlage entziehen. 38 Vgl. die amtliche Begründung (Drs. 17/13471) zu A. I. 1., S. 14.

26

Hans Peter Bull

auf administrative und gesellschaftliche Instanzen verschieben oder zumindest lange hinausschieben. Aber dass dieses Gesetz einen „Neustart“ der bis dahin festgefahrenen Debatte bewirkt hat, ist unbestreitbar. Es strebt einen „nationalen Konsens“ über die schicksalhafte Problematik der Endlagerung des Atomabfalls an38 und bietet einen Rahmen gerade für die Mitberatung der zivilgesellschaftlichen Verbände und von Vertretern der Wissenschaft. Zunächst in der Kommission, die alle Grundsatzfragen behandeln soll, und anschließend auf den verschiedenen Stufen des administrativen Auswahl- und Untersuchungsprozesses ist die Teilnahme der Öffentlichkeit vorgeschrieben. Wer Zweifel hegt, ob diese pluralistische und ergebnisoffene Vorgehensweise wirklich von allen gewollt ist, die das Gesetz auf den Weg gebracht haben, sollte seine Skepsis zunächst zurückstellen, um den ohnehin schwierigen Prozess nicht noch weiter zu belasten. Im Streitfall wäre der Gesetzgeber auf seine erklärten Absichten zu verweisen. Es liegt im eigenen Interesse aller Beteiligter, die Absichtserklärungen ernst zu nehmen – es sei denn, man wolle das Unternehmen Endlagersuche von vornherein zum Scheitern bringen. Was schließlich die Legitimationswirkung der Beteiligung von Wissenschaft und Öffentlichkeit angeht, so fällt die Bewertung zwiespältig aus. Gewiss sind die Chancen gut, dass die Akzeptanz der zu treffenden Entscheidungen infolge der Öffnung des Verfahrens zur Zivilgesellschaft und zur unabhängigen Wissenschaft hin steigen wird. Aber sicher ist das nicht, und damit ist auch offen, ob Wissenschaft und Öffentlichkeit wirklich in relevantem Maße demokratische Legitimation verschaffen können oder ob es nicht eher darauf ankäme, das Vertrauen in die auf das Gemeinwohl verpflichteten Verfassungsorgane und ihre politischen Träger zu stärken. Das Parlament sollte sich seiner zentralen Rolle bewusst sein; die Abgeordneten sollten in der täglichen Entscheidungspraxis selbstbewusst um das Vertrauen werben, das ihnen die Wählerinnen und Wähler pauschal schon eingeräumt haben. Engagierte Forscher und Verbände müssen zu Wort kommen, aber sie haben nicht das letzte Wort.

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen Die Bundesländer im Wettbewerb und die Beamten* Nicolai Dose

I. Einleitung Mit der im Sommer 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform I erfuhr der bereits früher eingeleitete Wandel von einem kooperativen Föderalismus hin zu einem stärker von Wettbewerb geprägten Trennföderalismus besondere Schubkraft.1 Denn die Föderalismusreform sollte „demokratie- und effizienzhinderliche Verflechtungen zwischen Bund und Ländern abbauen und wieder klarere Verantwortlichkeiten schaffen und so die föderalen Elemente der Solidarität und der Kooperation einerseits und des Wettbewerbs andererseits neu ausbalancieren“.2 Auch wenn die kooperativen Elemente des deutschen Föderalismus nach wie vor starke Wirkungskraft besitzen – man denke beispielsweise an die zwar abgeschwächte, aber dennoch substantielle Beteiligung des Bundesrates als Vertretungsorgan der Landesregierungen an der Gesetzgebung des Bundes –, so wurde die Eigenständigkeit der Länder doch u. a. durch zusätzliche originäre Gesetzgebungskompetenzen gestärkt.3 Im betrachteten Zusammenhang interessieren vor allem die Gesetzgebungskompetenzen zur Regelung von Laufbahnen, Besoldung und Versorgung der jeweiligen Landes- und Kommunalbeamten, die mit der Normierung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG explizit aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz herausgelöst wurden. Dieser Bereich fällt seit dem 1. September 2006 in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dem mit der Föderalismusreform I gestärkten Trennföderalismus ist die ökonomische Theorie des Föderalismus hinterlegt. Auch wenn der Begriff des Wettbe* Die Abhandlung entstand im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projektes „Föderalismusreformen und die Beamten“, Projektnummer 2014 – 738 – 4. 1 Siehe Häberle, S. 46. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 7. 3. 2006, BT-Drucksache 16/813, S. 7. 3 Dabei hatten sich einige Ministerpräsidenten ursprünglich sogar eine sehr viel weitergehende und klarere Trennung der Gesetzgebungskompetenzen vorgestellt (Scharpf (2006), S. 10). Für die Vorgeschichte siehe Margedant.

28

Nicolai Dose

werbsföderalismus in der Wahrnehmung von Scharpf als „Unwort“ in den Debatten der Föderalismuskommission weitgehend gemieden wurde, so herrschte in der Kommission doch Einvernehmen, dass es Ziel sein müsse, eine „möglichst klare Trennung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern“ zu erreichen.4 Benz berichtet, dass Begriffe wie „Wettbewerbsföderalismus“, „Solidarischer Föderalismus“ oder „(innovativer) Gestaltungsföderalismus“ als Schlagworte Eingang in die Debatte der Kommission fanden,5 jedoch ohne dass ihre Bedeutung ausgearbeitet oder „näher expliziert“ wurde.6 Gleichwohl habe sich im Laufe der Beratungen als „implizite Leitlinie der Kommissionsarbeit“ „das Konzept der Entflechtung von Kompetenzen und Finanzen“ herauskristallisiert.7 Da auf Initiative der finanzschwächeren Bundesländer die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen für Steuern auf die Bundesländer von vorn herein als Verhandlungsgegenstand ausgeschlossen war8, lässt sich schwerlich argumentieren, dass alle Bundesländer der ökonomischen Theorie des Föderalismus als Leitkonzept für die Reform folgten. Zumindest die wohlhabenderen Bundesländer hatten sich jedoch schon vorher inhaltlich im ökonomischen Arsenal bedient, um ihre Verfassungsklage des Jahres 1998 gegen den horizontalen Finanzausgleich zu begründen.9 Auch in einem Teil der wissenschaftlichen Debatte fanden die entsprechenden Überlegungen zunehmende Aufmerksamkeit.10 War die ökonomische Theorie des Föderalismus also ein Stück weit präskriptive Anleitung für die strukturellen Prägungen der Föderalismusreform I,11 scheint es durchaus lohnend, erstere mit ihren Annahmen und Argumentationsmustern, aber auch mit ihren Wirkungsvoraussetzungen etwas genauer in den Blick zu nehmen. Denn auch wenn man vor dem Begriff des Wettbewerbs zwischen den Bundesländern zurückschreckt, so schafft doch eine stärkere Trennung von Bund und Ländern eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerb. Erhalten die Länder zusätzliche eigene Gesetzgebungskompetenzen, können sie diese auch unterschiedlich wahrnehmen, was dann zu einer Wettbewerbssituation zwischen den Ländern führen kann. Offen ist jedoch, wie weit dieser Wettbewerb empirisch geht. Eine Antwort auf die damit verbundene Frage hängt davon ab, ob die Länder über ausreichenden finanziellen Spielraum verfügen, um tatsächlich in einen Wettbewerb eintreten zu können. Damit ist die erste im Folgenden näher zu behandelnde Forschungsfrage umrissen. Wie noch zu zeigen sein wird, geht die ökonomische Theorie des Föderalismus davon aus, dass der Wettbewerb zu einer höheren Effizienz bei der Erstellung öffent4

Scharpf (2005), S. 8. Siehe auch Lorig, in: Koch et al., S. 184. 6 Benz (2005), S. 208. 7 Benz (2005), S. 208. 8 Scharpf (2005), S. 8. 9 Schatz et al., S. 13; siehe m.w.N. Scharpf (2005), S. 7. 10 Morath (Hrsg.); Bach/Borck; Hausner; Hüther/Hafemann, in: Härtel. 11 So auch Kropp, S. 47.

5

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

29

licher Leistungen führe.12 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Bürger über eine reale Exit-Option verfügen, mit anderen Worten, sie müssen dasjenige Bundesland ohne weiteres verlassen können, das ihnen nicht mehr die öffentlichen Leistungen in der gewünschten Quantität und Qualität und zu den gewünschten Preisen anbietet.13 Entsprechendes muss auch für Beamte angesichts unterschiedlicher Bedingungen wie beispielsweise die Höhe ihrer Besoldung gelten. Eine zweite Forschungsfrage ist zweigeteilt: Erstens, bestehen reale Anreize für Beamte für einen Wechsel zu einem Dienstherrn in einem anderen Bundesland? Zweitens, wäre solch ein Wechsel ohne weiteres möglich? Bevor die genannten Forschungsfragen beantwortet werden können, sind die grundlegenden Überlegungen der ökonomischen Theorie des Föderalismus zu skizzieren.

II. Ökonomische Theorie des Föderalismus Die ökonomische Theorie des Föderalismus startet mit der Ausgangsüberlegung, dass Bürger14 nicht nur durch ihre Wahlentscheidung, sondern auch durch Wanderungen von einer Gebietskörperschaft in eine andere ihre Präferenzen realisieren können sollten.15 Tiebout macht sogar geltend, dass eine Orientierung am typischen Wähler unbefriedigend sei, solange Wähler nicht ihre Zahlungsbereitschaft für öffentliche Güter offen legen würden.16 Auch sei ein Wettbewerb zwischen Gliedstaaten zentraler Motor für Effizienz und Innovation.17 Wettbewerb führe zu einem differenzierten Angebot an öffentlichen Leistungen, das sich in besonderer Weise an den Wünschen der Bürger orientiere. Da die Bürger als Abnehmer öffentlicher Leistungen zwischen den verschiedenen Anbietern dieser öffentlichen Leistungen wählen könnten, müssten sich die Anbieter, also die Länder, um ständig verbesserte Lösungen bemühen. Es entstünde nicht nur ein Qualitätswettbewerb, sondern auch einer um das am meisten präferierte Bündel an öffentlichen Leistungen. Denn würden die Länder nicht den Vorstellungen der Bürger entsprechen, könnten diese in dasjenige Land umziehen, in dem das präferierte Leistungsbündel in der gewünschten Qualität und im gewünschten Umfang zum besten Preis angeboten werde.18 Wettbewerb steigere also

12

Siehe Oates, S. 12 f. Vgl. Oates, S. 12. 14 Auch wenn nicht explizit auf Beamte Bezug genommen wird, so gilt es festzuhalten, dass auch sie Bürger sind, und die angestellten Überlegungen folglich auch für sie zu gelten haben. Die weiter unten skizzierte Optimierungsdynamik dürfte sich ohne mobile öffentlich Bedienstete kaum einstellen, weil ansonsten den Verbesserungen der öffentlichen Leistungen keine entsprechende Steuerquote gegenüber stehen würde. 15 Darstellend Benz (2002), in: Benz/Lehmbruch, S. 15. 16 Tiebout, S. 417 f. 17 Siehe Heine, S. 477 f.; Bach/Borck, S. 345. 18 Tiebout, S. 418. 13

30

Nicolai Dose

sowohl die Effizienz der Leistungserbringung als auch deren Qualität19 und begrenze letztendlich auch die Höhe der Steuern.20 Allerdings konzedieren die Vertreter der ökonomischen Theorie des Föderalismus, dass sich auch ein sehr unterschiedliches Leistungsangebot in den verschiedenen Gliedstaaten entwickeln könne,21 was zumindest in Deutschland nicht der Tradition der gleichwertigen Lebensverhältnisse des Art. 72 Abs. 2 GG entspricht.22 Auch kann sich infolge des interregionalen Wettbewerbs eine ineffizient niedrige Besteuerung einstellen, mit anderen Worten, bei einer höheren Besteuerung wären öffentliche Leistungen in einem Umfang finanzierbar, der einen wohlfahrtsoptimalen Umfang aufweisen würde.23 Die postulierte Steigerung der Qualität und der Effizienz bei der Erbringung öffentlicher Leistungen hängt jedoch von der Erfüllung einer ganzen Reihe von recht anspruchsvollen Annahmen ab,24 die man auch als Wirkungsvoraussetzungen interpretieren kann: Erstens, die Bürger müssten vollständig mobil sein, um in dasjenige Bundesland umziehen zu können, das ihren Präferenzen am besten entspricht. Zweitens, die Bürger müssten über vollständige Information über die Steuer- und Abgabehöhe sowie die angebotenen öffentlichen Leistungen in den verschiedenen Bundesländern verfügen. Drittens, die unterschiedlich ausgeprägten Möglichkeiten, Beschäftigung zu finden, bleiben unberücksichtigt. Es wird also davon ausgegangen, dass die Wahl des Wohnorts ausschließlich auf der Basis der Qualität, der Menge und der Kosten von öffentlichen Leistungen getroffen wird. Viertens wird angenommen, dass Bundesländer darum bemüht sind, weitere Bürger zu attrahieren, um auf diese Weise beispielsweise die Durchschnittskosten des Angebots an öffentlichen Leistungen zu senken. Fünftens, es gibt keine externen Effekte. Diese bereits von Tiebout genannte Annahme lässt sich unter Rückgriff auf Überlegungen von Olson zur fiskalischen Äquivalenz weiter differenzieren.25 Nach diesen Vorstellungen ist eine räumliche Kongruenz von der Befugnis zur Entscheidung über materielle Politik mit der Entscheidung über die Finanzierung und mit dem Wirkungsraum der öffentlichen Leistungen erforderlich, um unerwünschte Beeinträchtigungen der allokati-

19

Siehe referierend Kropp, S. 44. Siehe Brennan/Buchanan, S. 183 f. 21 Hausner, S. 59. 22 Siehe Sturm, 2005, S. 201 sowie grundsätzlicher Benz (2002), in: Benz/Lehmbruch, S. 36. Bis zur Verabschiedung des 42. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. 10. 1994 (BGBl 1, 3146) war in Art. 72 Abs. 2 GG sogar noch stärker von einheitlichen Lebensverhältnissen die Rede (Ipsen, S. 2801). In der Tendenz zeigt sich also in der Tat eine Abschwächung der entsprechenden Tradition. 23 Siehe Oates, S. 143; Wilson, S. 296 ff.; Hüther/Hafemann, in: Härtel, S. 343. Einfluss auf die erreichbare Höhe der Besteuerung der Regionen im Wettbewerb hat dabei offensichtlich die Art der Besteuerung (siehe Zodrow/Mieszkowski, S. 356 ff.). 24 Tiebout, S. 419. 25 Olson, S. 483; siehe auch Oates, S. 13; Kirsch, in: Dreißig, S. 12. 20

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

31

ven Effizienz auszuschließen.26 Denn bei positiven externen Effekten ist mit einer Unterproduktion und bei negativen externen Effekten ist mit einer Überproduktion der jeweiligen öffentlichen Leistung zu rechnen. Sechstens, die Gliedstaaten müssen überhaupt in der Lage sein, den Wettbewerb aufzunehmen.27 Bevor im Folgenden näher untersucht werden soll, ob alle Länder überhaupt in der Lage sind, in den – für das Konzept zentralen – Wettbewerb einzutreten und ob die angenommene Mobilität der Bürger tatsächlich gegeben ist, sollen zumindest einige der weiteren Annahmen kursorisch kommentiert werden. So dürfte die Annahme der vollständigen Information über Qualität und Umfang der angebotenen öffentlichen Leistungen in einem Bundesland kaum gegeben sein. Zwar dürfte die entsprechende, einer allokativen Effizienz entgegenstehende Unkenntnis prinzipiell behebbar sein, allerdings dürften die Informationskosten in Abhängigkeit von Qualität und Umfang der zu beschaffenden Information nicht gering ausfallen. Abgesehen von einer ganzen Reihe prinzipieller Einwände,28 ist in Deutschland ganz offensichtlich auch empirisch eine Kongruenz von Entscheidungsraum, Finanzierungsraum und Wirkungsraum nicht gegeben. Hier ist vor allem auf die bis auf wenige Ausnahmen fehlende Steuerhoheit der Bundesländer zu verweisen. Alle wesentlichen Steuerarten unterliegen nach Art. 106 GG der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, und selbstverständlich führen gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes zu Ausgaben der Länder.

III. Sind alle Bundesländer hinreichend leistungsfähig, um im Wettbewerb miteinander bestehen zu können? Wie nicht anders zu erwarten, muss davon ausgegangen werden, dass nicht alle deutschen Bundesländer aktuell hinreichend leistungsfähig sind, um in einen fairen Wettbewerb miteinander eintreten zu können. Ohne dass hier Raum ist, um die Ursachen für die regionalen Disparitäten näher zu untersuchen, verweisen bereits zwei grobe Indikatoren auf die sehr unterschiedlich ausgeprägte finanzielle Leistungsfähigkeit und folglich auch Möglichkeit der Bundesländer, um miteinander in einen Leistungswettbewerb eintreten zu können. Zieht man die Fähigkeit eines Landes heran, sich die notwendigen Finanzmittel für die Aufgabenwahrnehmung zu beschaffen, eignet sich die Steuerkraft je Einwohner recht gut als Indikator.

26

Beim Auftreten von economies oder diseconomies of scale könnte es allerdings sinnvoll sein, sich stärker an den Produktionskosten zu orientieren und zu versuchen, die externen Effekte durch Zahlungen auszugleichen (siehe Olson, S. 485 ff.). 27 Benz (2002), in: Benz/Lehmbruch, S. 36 f. 28 Siehe m.w.N. Kirsch, in: Dreißig, S. 13.

32

Nicolai Dose

Thüringen Sachsen Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt Brandenburg Saarland Niedersachsen Bremen Berlin Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Nordrhein-Wes"alen Baden-Wür!emberg Hessen Bayern Hamburg

53,3 53,8 54,1 54,1 65,8 79,4 87,9 88,0 91,8 93,8 95,6 99,3 116,8 121,6 128,3 147,6

Angaben in Prozent zum Bundesdurchschnitt 2013 Quelle: Thüringer Finanzministerium, S. 13

Abbildung 1: Finanzkraft der Länder im Vergleich

Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, liegt die Steuerkraft der Länder Hamburg, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg über dem Durchschnitt, Nordrhein-Westfalen repräsentiert nahezu den Durchschnitt. Alle anderen Länder weisen eine unterdurchschnittliche Steuerkraft auf, wobei die ostdeutschen Länder Sachsen, MecklenburgVorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt nur knapp über der 50-Prozent-Marke liegen. Die Steuerkraft umfasst dabei die Einnahmen der Länder aus den Landessteuern und aus den Gemeinschaftssteuern, allerdings ohne die Anteile der Länder an der Umsatzsteuer. Die Steuerkraft ist Basis des Finanzausgleichs und als solche nicht unumstritten.29 Die entsprechende Debatte muss hier jedoch nicht vertieft werden, weil es an dieser Stelle lediglich darum geht, die äußert unterschiedlichen Möglichkeiten der Bundesländer zu verdeutlichen, in einen Wettbewerb einzutreten. Dennoch ist noch darauf hinzuweisen, dass die Stadtstaaten für die Berechnung des horizontalen Länderfinanzausgleichs eine die ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Besonderheiten berücksichtigende – und gleichfalls umstrittene – Einwohnerwertung von 135 Prozent erfahren.30 Sie müsste eingearbeitet werden, wollte man konkret mit den Angaben aus Abbildung 1 arbeiten: Die Finanzkraft von Hamburg, Bremen und Berlin würde sich verschlechtern, würde man den besonderen Finanzbedarf dieser Länder berücksichtigen, wobei Hamburg immer noch eine überdurchschnittliche Finanzkraft aufweisen würde. 29 30

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.), S. 10. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.), S. 13.

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

33

Aber nicht nur die aktuelle Finanzkraft bestimmt die Möglichkeiten eines Landes im Wettbewerb mit anderen Ländern, sondern auch die Verschuldungslasten. Die Wirkung der Verschuldung lässt sich recht gut durch die Zins-Steuer-Quote abbilden. Mit ihr wird das Verhältnis der Aufwendungen für Zinsen zu den Einnahmen aus Steuern erfasst. Sie erteilt Auskunft über den Teil der öffentlichen Einnahmen, der für Zinszahlungen aufgewendet werden muss und folglich nicht mehr für öffentliche Leistungen zur Verfügung steht. Ist die Quote besonders hoch, signalisiert dies deutlich eingeschränkten Handlungsspielraum der jeweiligen Regierung. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, bildet Bremen mit einer Zins-Steuer-Quote von 19 Prozent das Schlusslicht. Die unterdurchschnittliche Finanzkraft Bremens wird also nochmals durch einen Anteil von 19 Prozent der Steuereinnahmen reduziert, der für Zinszahlungen aufgebracht werden muss. Auch das Saarland wendet mit 17,5 Prozent der Steuereinnahmen einen substantiellen Teil seiner Steuereinnahmen für Zinszahlungen auf. 20,00% 18,00% 16,00% 14,00% 12,00% 10,00% 8,00% 6,00% 4,00% 2,00% 0,00%

Quelle: Stabilitätsrat (Hrsg.)

Abbildung 2: Zins-Steuer-Quote 2014

Mit einer Quote von 2,5 und 2,7 Prozent nehmen die Freistaaten Bayern und Sachsen die Spitzenplätze ein. Beide Länder müssen nur einen geringen Anteil ihrer Steuereinnahmen für Zinslasten ausgeben. Folglich weisen insbesondere diese beiden Länder den notwendigen Spielraum für eine gestalterische Politik auf. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass nicht alle Länder in der Lage sein dürften, im Wettbewerb zu bestehen. Es ist zu befürchten, dass sich die regionalen Disparitäten weiter verschärfen werden. Einige Länder werden in ein hohes Niveau

34

Nicolai Dose

öffentlicher Leistungen investieren können, andere Länder werden hierzu nicht in der Lage sein. Vor dem Hintergrund einer teilweise substantiellen Verschuldung dürfte vor allem die Schuldenbremse erheblichen Druck auf insbesondere die Länder mit ausgeprägt defizitären Haushalten ausüben.31 Deshalb dürften diese Bundesländer kaum eine Chance im Wettbewerb der Bundesländer haben.

IV. Gibt es einen Wanderungsdruck? Bevor der Frage nach den Möglichkeiten zu einer die Grenzen der Bundesländer überschreitenden Mobilität nachgegangen werden kann, soll zunächst das aktuelle Ausmaß an Wanderungsdruck untersucht werden. Dabei wird hier davon ausgegangen, dass dieser insbesondere durch eine unterschiedliche Höhe der Besoldung32 sowie durch eine unterschiedliche Verbeamtungspraxis ausgelöst wird. Tatsächlich stellt sich die Höhe der Besoldung in den verschiedenen Bundesländern mittlerweile recht unterschiedlich dar, wobei die Schere insbesondere im höheren Dienst besonders stark auseinander klafft. In den unteren Besoldungsgruppen entscheiden einzelne Landesregierungen wie beispielsweise die Landesregierung und im Anschluss die Parlamentsmehrheit von Nordrhein-Westfalen bei der Übertragung der Tarifabschlüsse auf den Beamtenbereich noch nach Maßgabe sozialer Erwägungen, die für den höheren Dienst weniger ausgeprägt Berücksichtigung finden.33 So erhielten die nordrhein-westfälischen Beamten ursprünglich in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 ab Januar 2013 eine Erhöhung ihrer Bezüge um 2,65 Prozent und ab Januar 2014 eine Erhöhung um 2,95 Prozent. Für die Besoldungsgruppen A11 und A 12 war zu den genannten Stichtagen jeweils eine Erhöhung um 1,0 Prozent vorgesehen. Ab Besoldungsgruppe A 13 aufwärts sah das Besoldungsanpassungsgesetz keine Erhöhungen der Besoldung und der Versorgung vor.34 Die Landesregierung argumentierte konkreter in der Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfes, dass die unteren Besoldungsgruppen stärker von den allgemeinen Preissteigerungen betroffen seien als die übrigen Besoldungsgruppen.35 Die nicht einheitliche Übertragung des Tarifabschlusses auf den Beamtenbereich begründete die Landesregierung mit dem durch die Schuldenbremse ausgelösten Spardruck. Da der Anteil der Personalausgaben am 31

Dies sind insbesondere Bremen mit einem strukturellen Finanzierungssaldo von -999 Euro je Einwohner im Jahr 2014 und das Saarland mit einem strukturellen Finanzierungssaldo von -632 Euro je Einwohner (siehe Stabilitätsrat (Hrsg.), 2014). 32 Siehe Sjaastad, S. 83; Falch; m.w.N. Buch et al., S. 10, 13. 33 Entwurf eines Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2013 (LT-Drs. 16/2880), S. 2. 34 § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juli 2013. Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.) Ausgabe 2013 Nr. 26 vom 26. 7. 2013, S. 481 bis 494. 35 Gesetzentwurf zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014, S. 14.

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

35

Landeshaushalt 40 Prozent betragen würde, könne dieser bei einer Überprüfung der Ausgabensituation nicht ausgeklammert werden.36 Ohne dass der Prozess hier für jedes Bundesland ausführlich dargestellt werden kann, lässt sich das Ergebnis der gestaffelten und je nach Bundesland unterschiedlich weit gehenden Erhöhung durch einen Vergleich der Bezüge in den verschiedenen Bundesländern differenziert nach Besoldungsgruppen darlegen. Die mittlerweile recht großen Unterschiede verdeutlichen, dass einige Bundesländer schon seit Jahren die Tarifabschlüsse eher zurückhaltend auf den Beamtenbereich übertragen haben. In Abbildung 3 wird die aufgehende Schere für die Besoldungsgruppe A 9 dargestellt. Berlin Hessen Brandenburg Schleswig-Holstein Niedersachsen Sachsen-Anhalt Rheinland-Pfalz Mi!elwert Saarland Sachsen Nordrhein-Wes"alen Baden-Wür!emberg Bremen Mecklenburg-… Thüringen Hamburg Bayern

34.784,97 € 34.821,96 € 36.090,67 € 36.639,89 € 36.728,73 € 36.874,62 € 36.880,20 € 36.946,13 € 36.967,18 € 37.123,31 € 37.137,12 € 37.268,78 € 37.275,62 € 37.427,73 € 37.714,97 € 37.768,44 € 39.633,89 €

Quelle: DGB Bundesvorstand, S. 15

Abbildung 3: A 9-Jahresbruttobesoldung 2014, Endstufe inklusive aller Zulagen bei Umrechnung auf eine 40-Stunden-Woche im Vergleich der Bundesländer

Es wird deutlich, dass die Länder Berlin und Hessen die Schlusslichter bilden. Insgesamt besolden sieben Bundesländer unterdurchschnittlich und neun Länder überdurchschnittlich, wobei die meisten Länder sich im Bereich von 36.000 bis in den oberen Bereich von 37.000 Euro bewegen. Eindeutig am besten besoldet der Freistaat Bayern mit Bezügen für A 9 im Umfang von 39.633,89 Euro. Die Differenz zum am schlechtesten besoldenden Bundesland Berlin beträgt damit über 5.000 Euro. Noch deutlicher werden die zunehmenden regionalen Disparitäten bei der Besoldungshöhe, wenn sozialpolitische Erwägungen keinen oder kaum noch einen Einfluss entwickeln, 36

Gesetzentwurf zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014, S. 2.

36

Nicolai Dose

wie dies für die Besoldungsgruppe A 13 der Fall sein dürfte. In Abbildung 4 wurde das Land NRW sowohl mit den Zahlen für die Besoldungshöhe vor und nach der durch den Landesverfassungsgerichtshof37 erzwungenen Besoldungserhöhung abgebildet. Wie deutlich wird, befand sich die Besoldungshöhe im Land Nordrhein-Westfalen zunächst klar unterhalb des Mittelwerts. Nach der gerichtlich veranlassten Besoldungserhöhung liegt NRW nun knapp über dem Mittelwert, der allerdings durch die doppelte Berücksichtigung der nordrhein-westfälischen Daten leicht verzerrt ist. Allerdings sind die neuen Zahlen für Nordrhein-Westfalen hier überhöht dargestellt. Der Wert wurde nämlich so berechnet, als ob die in den letzten vier Monaten geltende Besoldungserhöhung bereits das ganze Jahr über wirksam gewesen wäre. Tatsächlich erhielten die nach A 13 besoldeten Beamten lediglich 55.094,08 Euro und würden damit erneut unter dem Mittelwert liegen. Falls es zu keiner weiteren Besoldungserhöhung kommen sollte, gilt der angegebene Wert also erst vollständig für das Jahr 2015. Um dem Zeitpunkt der Besoldungserhöhung nicht zu viel Gewicht zu geben, wurde hier mit dem überhöhten Wert gearbeitet. Außer NRW liegen sieben weitere Länder unterhalb des Mittelwerts, acht darüber (wiederum ohne NRW). Klarer Spitzenreiter ist mit einer jährlichen Bruttobesoldung in Höhe von 60.064,44 Euro erneut der Freistaat Bayern. Damit wird in Bayern ca. 7.150 Euro besser besoldet als in Berlin; das entspricht einer Besoldungserhöhung um 13,5 Prozent, die ein nach A 13 besoldeter Beamter durch einen Umzug von Berlin nach Bayern erreichen würde. Allein auf der Basis der unterschiedlichen Besoldungshöhe dürfte der Freistaat Bayern ein sehr viel attraktiverer Arbeitgeber sein als der Stadtstaat Berlin. Zusammen mit der sehr zurückhaltenden Verbeamtungspraxis38 in Berlin insbesondere im Lehramtsbereich dürfte ein substantieller Abwanderungsdruck aus Berlin heraus bestehen. Auch ein Wechsel von Berlin nach Hamburg würde eine Besoldungserhöhung von ca. 3.700 Euro nach sich ziehen. Was hier weitgehend im Verhältnis von Berlin und Bayern thematisiert wird, gilt im Prinzip auch im Verhältnis von Bayern zu anderen Bundesländern, wobei im Vergleich zu diesen die Besoldungsunterschiede weniger deutlich ausfallen. Und tatsächlich litt insbesondere das Land Berlin unter dem drohenden und tatsächlichen Wegzug angestellter, schlecht bezahlter Lehrer. Auch die nicht selten, beispielsweise in Hessen und Nordrhein-Westfalen geübte Praxis, dass bei angestellten Lehrern zu Beginn der Sommerferien der Zeitvertrag auslief und sie anschließend mit einem neuen Zeitvertrag ausgestattet zum neuen Schuljahresbeginn wieder eingestellt wurden,39 sie also in der Zwischenzeit der Obhut der Arbeitsagentur überlassen blieben, trägt nicht zu Attraktivität des jeweiligen Landes bei.

37 Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01. 07. 2014 – VerfGH 21/13. 38 Siehe Schmoll, S. 2. 39 Budras/Astheimer, S. C1.

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

Berlin Hessen Bremen Nordrhein-Wes"alen Schleswig-Holstein Brandenburg Rheinland-Pfalz Saarland Mi!elwert Nordrhein-Wes"alen NEU Baden-Wür!emberg Niedersachsen Sachsen-Anhalt Sachsen Thüringen Mecklenburg-Vorpommern Hamburg Bayern

37

52.912,57 € 53.351,55 € 53.603,16 € 53.655,61 € 54.099,79 € 54.914,97 € 55.461,36 € 55.473,08 € 55.561,78 € 55.879,44 € 55.950,87 € 56.024,39 € 56.086,44 € 56.493,09 € 56.639,53 € 56.926,84 € 57.013,08 € 60.064,44 €

Quelle: DGB Bundesvorstand, S. 15, oeffentlicher-dienst.info

Abbildung 4: A 13-Jahresbruttobesoldung 2014, Endstufe inklusive aller Zulagen bei Umrechnung auf eine 40-Stunden-Woche im Vergleich der Bundesländer; für NRW vor und nach (NEU) der gerichtlich erzwungenen Besoldungserhöhung; NRW NEU unter der Annahme der Wirksamkeit der Erhöhung ab 09.2014 für das gesamte Jahr 2014

Seit die Gestaltung des Laufbahnrechts für ihre eigenen Beamten und die auf dem jeweiligen Landesgebiet tätigen Kommunalbeamten in die gesetzgeberische Kompetenz der Länder fällt, kann das Laufbahnrecht unterschiedlich attraktiv ausgestaltet werden. So dürfte eine Verringerung der Zahl der Laufbahngruppen eine vertikale Flexibilisierung ermöglichen. Kombiniert mit einem Qualifizierungskonzept, das Weiterqualifizierung mit dem Ziel der Beförderung auch über Qualifikationsebenen hinweg fördert, können entsprechende Maßnahmen attraktivitätssteigernd wirken. Die prinzipielle Voraussetzung für eine größtmögliche Flexibilität haben die Bundesländer Bayern und Rheinland-Pfalz durch die Reduzierung der vormals vier Laufbahngruppen auf nur noch eine einzige geschaffen. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass an die Stelle der Laufbahngruppen Einstiegsämter getreten sind, in die neu ernannte Beamte je nach vorhandener Vorbildung eingruppiert werden.40 Pechstein bezeichnet die Reform mit Blick auf die bayerischen Vorschriften auch 40

Art. 5 und Art. 7 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen, (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) vom 5. August 2010, GVBl 2010, S. 410, 571 und §§ 14 und 15 Landesbeamtengesetz (LBG) des Landes Rheinland-Pfalz vom 20. Oktober 2010 RP LBG, zuletzt geändert durch § 7 des Gesetzes vom 08. 07. 2014 (GVBl. S. 107).

38

Nicolai Dose

als „alte[n] Wein in neuen Schläuchen“, wobei ihm nicht an einer weitergehenden Abschaffung des Laufbahngruppenprinzips, sondern eher an seiner Beibehaltung gelegen ist.41 Als Bruch mit der Tradition muss allerdings die weitgehende Abschaffung der Verzahnungsämter (A 6, A 9 und A 13) gesehen werden.42 Dies bedeutet eine wesentliche Erleichterung, denn nun müssen die End- bzw. Eingangsämter nicht mehr doppelt durchlaufen werden.43 Die vom bayerischen Finanzministerium befragten Ressorts unterstreichen in ihren Antworten die positive Wirkung auf die Beförderungswartezeit der Beamtinnen und Beamten, die sich deutlich „verkürzt habe“.44 Dabei werden die Vorteile weiter gereicht, denn durch den Wegfall der Verzahnungsämter werden die Ämter schneller frei, womit Beförderungen nach erfolgreichem Abschluss der modularen Qualifizierung früher möglich werden. Zur Finanzierung dieser und anderer Maßnahmen wurden in den Doppelhaushalten 2009/2010 bis 2013/2014 insgesamt knapp 34.000 zusätzliche Stellenhebungen bzw. zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten eingestellt.45 Hervorzuheben ist schließlich das bereits angesprochene bayerische Weiterbildungskonzept, das eine modulare Qualifizierung mit dem Ziel der Beförderung ermöglicht46 und das an Stelle der bislang bekannten Verwendungsaufstiege tritt.47 Weniger weit sind die Norddeutschen Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen gegangen, die in ihrem weitgehend einheitlichen Dienstrecht auf zwei Laufbahngruppen reduziert haben.48 Berlin und Sachsen-Anhalt haben mittlerweile auch auf zwei Laufbahnen reduziert. Einen wiederum anderen Weg haben Baden-Württemberg und Hessen mit einer Reduzierung auf drei Laufbahngruppen gewählt. Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und das Saarland sind bei den traditionellen vier Laufbahngruppen geblieben.49 Allerdings plant Nordrhein-Westfalen eine Reduzierung auf zwei Laufbahngruppen und hat auch bereits eine modulare Qualifizierung eingeführt.50

41

Pechstein, S. 28; siehe auch Lorig, in: Koch et al., S. 197. Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, S. 2; anders Baßlsperger, S. 400. Im Polizeibereich müssen die Verzahnungsämter (Stand: 2013) noch doppelt durchlaufen werden (siehe Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, S. 11, 61). 43 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, S. 2. 44 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, S. 10. 45 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, 2013, S. 105. 46 Verordnung zur Durchführung der modularen Qualifizierung (Modulare Qualifizierungsverordnung – ModQV) vom 14. Oktober 2011, GVBl 2011, S. 538. 47 Lorig, in: Koch et al., S. 197; Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, S. 2, 10. 48 Seeck/Rieger, S. 4 f. 49 Eine Übersicht m.w.N. gibt Wolfes, S. 44. 50 Verordnung über den Aufstieg durch Qualifizierung in die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes im Lande Nordrhein-Westfalen (Qualifizierungsverordnung – QualiVO hD allg Verw) vom 4. November 2014, GV. NRW 2014 Nr. 34 vom 19. 11. 2014, S. 729 – 740. 42

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

39

Zusammenfassend kann also davon ausgegangen werden, dass ein gewisser Wanderungsdruck in die besser bezahlenden, umfassender verbeamtenden und mit einem attraktiven Laufbahnrecht ausgestatteten Bundesländer besteht. Tatsächlich verdeutlichen Überlegungen beispielsweise des sächsischen Kultusministeriums zu prüfen, ob Lehrer, die aus Bayern zuziehen würden, ihren Beamtenstatuts behalten könnten,51 wie sehr die Länder, die als weniger attraktive Arbeitgeber bzw. Dienstherrn gelten, unter Druck geraten. Genau dieses Verhalten wäre ja durchaus im Sinne der ökonomischen Theorie des Föderalismus: Je nach Leistung des jeweiligen Bundeslandes entscheiden sich die Bürger für oder gegen einen Wegzug.52 Allerdings verweist gerade dieses Beispiel bereits darauf, dass es möglicherweise Hürden gibt, welche die Mobilität der Beamten begrenzen. Wie weit diese reichen, soll im folgenden Abschnitt untersucht werden, jedoch nicht bevor das theoretische Argument nochmals vertieft wurde.

V. Ist eine hinreichende, die Grenzen von Bundesländern überschreitende Mobilität von Beamten möglich? Einleitend sind hier zunächst einige theoretische Überlegungen zu skizzieren, bevor eine stärker empirisch gesättigte Betrachtung angestellt werden soll. Es soll etwas ausführlicher die These Tiebouts behandelt werden, durch interkollektive Wanderungen – also im betrachteten Fall von einem Bundesland in ein anderes –, würde sich ein Optimum der Kollektivgüterherstellung im Föderalismus einstellen.53 Der Landesgrenzen überschreitenden Wanderung kommt in Tiebouts Modell eine wichtige Funktion zu: Sie ersetzt den Markttest, den ein privates Gut zu bestehen hat: Wird es zum angebotenen Preis gekauft oder nicht? Es wird also davon ausgegangen, dass jeder Ort – in diesem Fall jedes Bundesland – genau dasjenige Einnahme- und Ausgabemuster aufweist, das den Präferenzen der Bewohner am besten entspricht. Dieser Zustand ist jedoch – wie ausgeführt – nur durch ein hinreichendes Maß an Mobilität möglich.54 Dieser Ansatz unterscheidet sich grundsätzlich von intrakollektiven Auseinandersetzungen um das gewünschte Kollektivgüterangebot, d. h. es wird nicht nach politischen Mehrheiten innerhalb eines Bundeslandes gesucht, um die eigenen Präferenzen zu realisieren, wie dies den landläufigen Vorstellungen von Politik entsprechen würde. Durch die Wanderung der Bürger würden sogar die intrakollektiven Interessenauseinandersetzungen an Schärfe verlieren, weil die Kollektive im Zuge der Wanderungen an Homogenität gewinnen würden.55 Auch wenn Tiebout konzediert, dass es institutionelle Rigiditäten zu berücksichtigen gelte, sieht er ihre Wirkung auf eine geringfügige Verfehlung des Optimums be51

Siehe Schmoll, S. 2. Siehe Abschnitt B. 53 Siehe Tiebout, S. 419 ff. 54 Tiebout, S. 420. 55 Kirsch, in: Dreißig, S. 17. 52

40

Nicolai Dose

grenzt.56 Richtigerweise hebt er hierbei insbesondere auf die Kosten ab, die durch einen Umzug von einem Bundesland in ein anderes anfallen. Je höher diese ausfallen, desto stärker würde ceteris paribus das Ziel der optimalen Ressourcenallokation verfehlt. Insgesamt scheint er diese Mobilitätskosten jedoch zu unterschätzen: Er vergleicht sie mit den Kosten, die einem durch Fahrten zu verschiedenen Geschäften entstehen würden.57 Geht man von gegebenen Mobilitätskosten aus, dürfte es nur dann zu einem Umzug kommen, wenn die geschätzten Mobilitätskosten unterhalb der erwarteten Bezügeerhöhungen liegen.58 Denn Mobilität muss sich trotz eines möglicherweise gegebenen substantiellen Wanderungsdrucks nicht einstellen, wenn die betreffende Person beispielsweise stark im jeweiligen sozialen Umfeld verankert ist59 oder wenn Beharrungskräfte entwickelnde Faktoren wie beispielsweise eigenes Wohneigentum gegeben sind. Umgekehrt kann er sich verstärken, wenn ein Umzug gleichzeitig persönlichen und räumlichen Präferenzen entgegenkommt. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn passionierte Skifahrer anstreben ins Voralpengebiet zu ziehen, wo sie dann zusätzlich noch höhere Bezüge realisieren können. Zu berücksichtigen wären allerdings im betrachteten Beispielsfall auch die höheren Lebenshaltungskosten in oberbayerischen Urlaubsregionen. Regionale Präferenzen können aber auch Beharrungskräfte entfalten, wenn jemand entscheiden sollte, trotz des niedrigeren Einkommens in Berlin zu bleiben, weil das kulturelle Angebot der Stadt besonders geschätzt wird.60 Darüber hinaus dürfte der Wanderungsdruck mit zunehmendem Alter der jeweiligen Kohorten abnehmen, und zwar als zusätzlicher, eigenständiger Faktor, der allerdings mit der Stärke der Verankerung im sozialen Umfeld korrelieren dürfte.61 Mobilitätsfördernd wirken ein – im Vergleich zur Ursprungsregion – hohes Qualifikationsniveau der jeweiligen Personen, ein niedriges Kriminalitätsniveau, geringe Umweltverschmutzung und eine gute Ausstattung mit öffentlicher Infrastruktur (Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Ärzte usw.) in der Zuwanderungsregion.62 Zusätzlich zu diesen Erklärungsfaktoren von Wanderungsbewegungen sind, will man die räumliche Mobilität von Beamten erfassen, dienstrechtliche Hemmnisse und unterschiedliche Qualifikationsanforderungen in den verschiedenen Bundesländern zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist ein Dienstherrenwechsel nicht ohne weiteres möglich, wobei es zwei klassische Möglichkeiten zu unterschieden gilt. Erstens kann ein wechselwilliger Beamter nach einer erfolgreichen Bewerbung auf eine Stelle bei einem anderen Dienstherrn eine Versetzung zum neuen Dienstherrn nach § 15 Abs. 1 BeamtStG beantragen. Für die Versetzung ist nach § 15 Abs. 3 BeamtStG das 56

Tiebout, S. 424. Tiebout, S. 422. 58 Buch et al., S. 10. 59 Sjaastad, S. 85 spricht von „,psychic‘ cost“. 60 Vgl. Sjaastad, S. 86. 61 Sjaastad, S. 89; Buch et al., 2011, S. 11. 62 Buch et al., S. 10. 57

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

41

Einverständnis sowohl des aufnehmenden als auch des abgebenden Dienstherrn erforderlich. Während bei einer erfolgreichen Bewerbung für ein neues Amt das Einverständnis der neuen Behörde vorausgesetzt werden kann, ist dieses beim abgebenden Dienstherrn nicht ohne weiteres anzunehmen. Grundsätzlich handelt es sich hier um eine Ermessensentscheidung, in die auch dienstliche Gründe einbezogen werden.63 Probleme bei der Wiederbesetzung des Dienstpostens sind wichtiger Gegenstand dieser Ermessensentscheidung; sie können letztendlich zu einer ablehnenden Entscheidung beitragen.64 Im Lehramtsbereich ist durch Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. 05. 2001 vereinbart, dass einer Bewerbung in einem anderen Bundesland eine Freigabeerklärung der aktuellen Dienststelle beizulegen ist. Dabei verpflichten sich die Bundesländer diese Freigabeerklärung „so großzügig wie möglich unter Beachtung dienstlicher Interessen zu erteilen“.65 Die Länder sind übereingekommen, diese Erklärung nicht später als zwei Jahre nach der Erstantragstellung zu erteilen. Daneben gibt es im Lehramtsbereich auch noch ein staatlich organisiertes Tauschverfahren.66 Interessanterweise wird der sowohl beim Verfahren nach Freigabeerklärung als auch beim Tauschverfahren relevante Aspekt der schwierigen Wiederbesetzung eines freiwerdenden Amts kaum im Schrifttum behandelt, in der Praxis spielt er jedoch ausweislich zahlreicher Wechselbörsen eine wichtige Rolle. Auf diesen online zugängigen Tauschbörsen67 suchen wechselwillige Beamte nach anderen Beamten, die anstreben, zu dem abgegebenen Dienstherrn zu wechseln. Weisen diese potentiellen Wechsler aus anderen Bundesländern eine gleichwertige Qualifikation auf, entfällt das Argument, dass sich der Dienstposten nach Weggang des Beamten nicht mehr adäquat besetzen ließe. Neben dieser Suche nach Funktionszwillingen besteht – zumindest prinzipiell – die Möglichkeit, die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis eines Landes zu beantragen und anschließend die Neuernennung in dem Wunsch-Bundesland anzustreben. Dieser Weg ist aber durchaus risikoreich, weil nicht sichergestellt ist, dass es zu der gewünschten Neuernennung kommt. Auch besteht eine Absprache zwischen den Bundesländern, Polizisten, die erfolgreich eine Entlassung aus dem Landesdienst betrieben haben, ein Jahr lang nicht mehr in einem anderen Bundesland zum Beamten zu ernennen. Wechselwillige Beamte müssten also dieses eine Jahr beispielsweise durch eine Tätigkeit bei Wachdiensten überbrücken.68 63

Lenders, § 15 Rn. 355, 364. Schnellenbach, § 4 Rn 11. 65 Ziff. 1.2 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 10. 05. 2011, Übernahme von Lehrkräften aus anderen Ländern. 66 Ziff. 2 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 10. 05. 2011, Übernahme von Lehrkräften aus anderen Ländern. 67 Siehe etwa www.jobtausch-beamte.de/; www.dipot.de/?p=24&board=27; www.beamtentalk.de/stellentausch-f9.html (abgerufen am 02. 03. 2015). 68 Expertengespräch 03/2014. 64

42

Nicolai Dose

Die für die Argumente der Vertreter der ökonomischen Theorie des Föderalismus grundlegend wichtige Mobilität der Akteure ist jedoch nicht nur aufgrund alter Hemmnisse beschränkt, sondern nun nach Einführung des neuen Laufbahnrechts auch wegen deren unterschiedlicher Ausprägungen in den Bundesländern. Dabei geht es nicht einmal so sehr um die variierende Zahl an Laufbahngruppen im Bundesländervergleich, sondern um die unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen, die mit den Besoldungsgruppen verknüpft sind.69 Offen ist beispielsweise, ob Maßnahmen der modularen Qualifizierung nach Art. 20 Abs. 1 LlbG,70 die in Bayern zur Beförderung in Ämter der nächsthöheren Qualifikationsebene befähigen, auch in anderen Bundesländern anerkannt werden. So regelt etwa die nordrhein-westfälische Qualifizierungsverordnung71 in § 6 die Anerkennung von gleichwertigen Fortbildungsmaßnahmen: Bis zu 50 Prozent der Gesamtdauer der modularen Qualifizierung können angerechnet werden. Auch ist offen, ob eine bereits vollzogene Beförderung, die auf einer modularen Qualifizierung beruht, in einem anderen Bundesland Bestand hätte. Stellt Baßlsperger bereits für Bayern fest, dass es innerhalb des Freistaats „keine einheitlichen Grundlagen für alle dem Anwendungsbereich des LlbG unterliegenden Beamten“ gibt,72 gilt dies in noch stärkerem Maße in der Gesamtbetrachtung aller Bundesländer.73 Abgesehen von den nun unterschiedlich ausfallenden gesetzlichen Regelungen ist die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen weithin unklar, was eine die Grenzen von Bundesländern überschreitende Versetzung möglicherweise bereits an den überbordenden Informationskosten scheitern lässt.74 Aber selbst wenn man die Mobilitätskosten mit Null ansetzt, stellt sich entgegen der grundlegenden These von Tiebout kein Allokationsoptimum ein. Denn wie Forte überzeugend argumentiert,75 blieben erstens die durch die Wanderungsbewegungen ausgelösten externen Effekte unberücksichtigt, was Auswirkungen habe auf die Gebiete, die Zuwanderung erfahren. Zweitens sei nicht hinreichend bedacht, dass in den Gebieten, die unter der Abwanderung leiden, wegen gegebener Unteilbarkeiten mit einem niedrigen Angebot und relativ höheren Preisen öffentlich bereitgestellter Güter zu rechnen sei. Wenn man den ersten Aspekt der externen Effekte nochmals aufgreift, kann das Gegenargument noch etwas ausführlicher ausbuchstabiert werden. Ihm liegt die Überlegung zugrunde, dass eine Zuwanderung in eine ursprünglich attraktive Region in Abwesenheit von Mobilitätskosten solange anhält, wie aus Sicht der zuwandernden Privaten der Nutzen aus den dort angebotenen Leistungen die Kosten übersteigt, die beispielsweise aus der zunehmenden Überfüllung resultieren. 69

Vgl. Schnellenbach, § 1 Rn. 8. Siehe auch Baßlsperger, S. 401. 71 Verordnung über den Aufstieg durch Qualifizierung in die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes im Lande Nordrhein-Westfalen (Qualifizierungsverordnung – QualiVO hD allg Verw) vom 4. November 2014. 72 Baßlsperger, S. 401, Hervorh. weggelassen. 73 Siehe Lorse, S. 121. 74 Siehe Dose, S. 492. 75 Forte, in: Kirsch, S. 96 f. 70

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

43

Dabei werden aber lediglich die Kosten eingestellt, die den zuwandernden Privaten aus beispielsweise Verkehrsstaus, überfüllten Innenstädten, hohen Mieten76 usw. entstehen. Nicht berücksichtigt werden die Auswirkungen der massiven Urbanisierungseffekte auf die anderen Bewohner. Die Entscheidungen werden also nicht unter Berücksichtigung aller anfallenden Kosten gefällt. Dies führt zu einem Versiegen der Zuwanderung deutlich nachdem sich zeitweise eine Situation eingestellt hat, in der ein Gleichgewicht der Kosten und Nutzen aller Beteiligter besteht. Die Zuwanderungsdynamik wird also erst gebrochen, wenn sich bereits ein substantielles Maß an allokativer Ineffizienz eingestellt hat.77 Forte urteilt: „Der Marktmechanismus führt in diesen Fällen zu suboptimalen Ergebnissen“.78 Der zweite angesprochene Aspekt des niedrigen Angebots bei relativ hohen Preisen trifft für diejenigen Regionen zu, die durch Abwanderung gekennzeichnet sind. Weist die Produktion öffentlicher Güter wie beispielsweise der Leistungen des Personennahverkehrs hohe Fixkosten und relativ niedrige variable Kosten auf, führt ein durch Wegzug induzierter Rückgang der Nachfrage zu steigenden Durchschnittskosten. Wenn hierauf fast zwangsläufig mit Gebührenerhöhungen reagiert wird, fällt die Nachfrage weiter, was einen weiteren Anstieg der Durchschnittskosten zur Folge hat. Insgesamt kommt es wegen der gegebenen Unteilbarkeiten bei substantieller Abwanderung zu einer suboptimalen Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen.79 Ähnliche Überlegungen gelten für andere netzgebundene Infrastrukturen, wie beispielsweise die Wasserversorgung und das Abwassersystem. Auch hier müssen die relativ hohen Fixkosten von einer wegen Wegzügen zahlenmäßig schrumpfenden Gemeinschaft getragen werden, was bei angestrebter Kostendeckung zwangsläufig zu höheren Gebühren führt.80 Wie die empirische Betrachtung bei einem Fokus auf die Möglichkeiten von Beamten, ungehindert von einem Bundesland in ein anderes zu wechseln, verdeutlicht, ist die für die ökonomische Theorie des Föderalismus grundlegende unbeschränkte Mobilität zwischen föderalen Gliedstaaten in der Realität Deutschlands nicht gegeben. Auch zusätzliche, sowohl die Kosten der Mobilität als auch die der Herstellung öffentlicher Leistungen in den Blick nehmende, stärker theorieorientierte Analysen verdeutlichen, dass Mobilität gerade nicht zwangsläufig zu einer höheren Effizienz führt, sondern im Gegenteil zu einer suboptimalen Ressourcenallokation beitragen kann. 76 Bei hohen Mieten handelt es sich nicht um (technologische) externe Effekte, die nach landläufiger Auffassung zu internalisieren wären (siehe Fritsch, S. 81). Gleichwohl sind sie nach einem weiten Verständnis von externen Effekten, wie von Buchanan/Tullock (S. 63 f.) verwendet und an anderer Stelle als Präferenz- bzw. Frustrationskosten bezeichnet (vgl. Biehl, in: Schneider/Wessels, S. 99 f.; Hausner, S. 56), einzubeziehen. 77 Forte, in: Kirsch, S. 94 ff. 78 Forte, in: Kirsch, S. 97. 79 Forte, in: Kirsch, S. 98. 80 Siehe Koziol, S. 72 ff. und 77 ff.; Bock/Reimann, S. 154.

44

Nicolai Dose

VI. Zusammenfassung, Fazit und Ausblick Der Schritt in den Trennföderalismus, der mit der Föderalismusreform I gegangen wurde und der u. a. in den Bereichen Besoldung und Versorgung von Beamten sowie im Bereich des Laufbahnrechts einen Wettbewerb zwischen den Bundesländern ermöglichte, beruht ein Stück weit auf der theoretischen Basis der ökonomischen Theorie des Föderalismus. Ihr zufolge trägt der Wettbewerb zwischen Gliedstaaten eines Föderalstaats zu einer effizienten Bereitstellung öffentlicher Leistungen im von der jeweiligen Bevölkerung gewünschten Umfang und in der präferierten Qualität bei. Damit sich dieser Zustand einstellen kann, muss jedoch eine ganze Reihe von Annahmen erfüllt sein. So müssen die Bürger mobil sein, um in diejenige Region umziehen zu können, in der das gewünschte Bündel an öffentlichen Leistungen zur präferierten Steuerhöhe angeboten wird. Mit einem Wegzug würden die Bürger des jeweiligen Gliedstaates dessen Regierung signalisieren, dass sie nicht mit dem angebotenen Preis-Leistungs-Verhältnis einverstanden sind. Dies würde Anlass sein, sich um Effizienzsteigerungen und Leistungsverbesserungen zu bemühen. Die Möglichkeit zur räumlichen Mobilität muss auch für Beamte gelten, die sich bei der Wahl des Bundeslandes nach der Logik der ökonomischen Theorie des Föderalismus u. a. an der Höhe der Besoldung und an der Attraktivität des Laufbahnrechts ausrichten dürften. Für beide Bereiche lassen sich teils substantielle Unterschiede zwischen den Bundesländern ausmachen, so dass anzunehmen ist, dass ein merklicher Anreiz für eine die Grenzen eines Bundeslandes überschreitende Mobilität besteht. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass diese Mobilität nicht ohne weiteres möglich ist, sondern sie vielmehr durch zahlreiche institutionelle Vorgaben substantiell behindert ist. Auch sprechen theoretisch angeleitete Überlegungen gegen das Postulat der ökonomischen Theorie des Föderalismus, dass Mobilität über Grenzen hinweg eine Steigerung der allokativen Effizienz bewirke. Schließlich wird argumentiert, dass zumindest die deutschen Bundesländer finanziell so unterschiedlich aufgestellt sind, dass kaum ein fairer Wettbewerb unter ihnen möglich wäre. Trotz der die Mobilität der Beamten hemmenden institutionellen und persönlichen Faktoren ist davon auszugehen, dass diese insbesondere bei Berufsanfängern und jungen Beamten weniger stark greifen. Sie verfügen beispielsweise noch über keine Immobilie, die sie am Ursprungsort bleiben lässt. Auch werden sie kaum an Maßnahmen der modularen Qualifizierung teilgenommen haben, die sie wegen möglicherweise fehlender Anerkennung in anderen Bundesländern an das eigene Bundesland binden. Folglich werden sie ceteris paribus eher bereit und willens sein, in das Bundesland zu wechseln, das ihnen die attraktivste Beschäftigung bietet. Eine bislang offene Frage ist, ob die mobilen und qualifizierten Beamten, mittelbis langfristig in die Bundesländer mit hoher Besoldung und attraktivem Laufbahnrecht ziehen. Weiter wird zu erforschen sein, ob besonders die qualifizierten Beamten und die mit gesuchten Qualifikationen – falls die Annahmen über die Wanderungsbewegungen richtig sind – in einigen wenigen Bundesländern zu finden sein wer-

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

45

den.81 Falls dies so eintreten sollte, wird sich die Leistungsfähigkeit der Länderverwaltungen weiter auseinander entwickeln. Es wird also zu untersuchen sein, ob der Trenn- und Wettbewerbsföderalismus unter den gegebenen Bedingungen die schon jetzt vorfindbaren regionalen Disparitäten weiter verschärfen wird. Erste Hinweise hierauf gibt es bereits: In Bremen, dessen Schüler in PISA-Vergleichstests für das Fach Mathematik am schlechtesten abgeschnitten haben, unterrichten zu 36 Prozent fachfremde Lehrer Mathematik; in Sachsen, dem Land mit den am besten abschneidenden Schülern, sind es nur drei Prozent.82

81

Siehe auch Frank/Heinicke, S. 39. Pisa-Spitzenreiter: Das Geheimnis von Asiens Mathe-Genies, Spiegel-Online vom 03. 12. 2013, abgerufen am 09. 03. 2015; Mathe und Naturwissenschaften: Leistungsgefälle zwischen Schülern in Ost und West in gravierend, Spiegel-Online vom 11. 10. 2013, abgerufen am 09. 03. 2015. 82

46

Nicolai Dose

Literatur Bach, Stefan/Borck, Rainald: Föderalismusreform aus ökonomischer Sicht, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Band 72, Heft 3, 2003, S. 345 – 348. Baßlsperger, Maximilian: Zur Evaluation des bayerischen Leistungslaufbahngesetzes, in: Zeitschrift für Beamtenrecht, 60. Band, Heft 12, 2012, S. 397 – 403. Bayerisches Staatsministerium der Finanzen: Bericht des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zur Evaluation des Neuen Dienstrechts, o.O. (München), 2013. Benz, Arthur: Themen, Probleme und Perspektiven der vergleichenden Föderalismusforschung, in: Arthur Benz/Gerhard Lehmbruch (Hrsg.), Föderalismus. Analysen in entwicklungsgeschichtlicher und vergleichender Perspektive, PVS-Sonderheft 32/2001, Wiesbaden, 2002, S. 9 – 50. Benz, Arthur: Kein Ausweg aus der Politikverflechtung? Warum die Bundesstaatskommission scheiterte, aber nicht scheitern musste, in: Politische Vierteljahresschrift, 46. Jhrg., Heft 2, 2005, S. 204 – 214. Biehl, Dieter: Zur ökonomischen Theorie des Föderalismus: Grundelemente und ihre Anwendung auf die EU-Finanzen, in: Heinrich Schneider/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Föderale Union – Europas Zukunft? Analysen, Kontroversen, Perspektiven, München, 1994, S. 99 – 122. Bock, Stephanie/Reimann, Bettina: Kleiner und feiner? Schrumpfung und Umbau der Städte, in: Der Bürger im Staat, 57. Jhrg., Heft 3, 2007, S. 152 – 158. Brennan, Geoffrey/Buchanan, James M.: The Power to Tax. Analytical foundations of a fiscal constitution, Cambridge u. a., 1980. Buch, Tanja/Hamann, Silke/Meier, Henning/Niebuhr, Annekatrin/Peters, Cornelius/Puckelwald, Johannes: Analyse der Berücksichtigung eines Wanderungsindikators im Rahmen der Abgrenzung des GRW-Fördergebiets: Gutachten für die Gemeinschaftsaufgabe ,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, 2011. Buchanan, James M./Tullock, Gordon: The Calculus of Consent. Logical Foundations of Constitutional Democracy, Ann Arbor, Don Mills, 1971. Budras, Corinna/Astheimer, Sven: Arbeitslos in den Sommerferien, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 119 vom 25./26. Mai 2013, 2013, C 1. DGB Bundesvorstand: Besoldungsreport 2014. Darlegung der Entwicklung der Einkommen der Beamtinnen und Beamten und Bewertung der Besoldungspolitik von Bund und Ländern, DGB diskurs, 2014. Dose, Nicolai: Modernisierung der staatlichen Ordnung auf dem Rücken der Beschäftigten?, in: Der Personalrat, Heft 12/2013, 2013, S. 490 – 493. Falch, Torberg: Decentralized Public Sector Wage Determination: Wage Curve and Wage Comparison for Norwegian Teachers in the Pre-WW2 Period, in: Labour: Review of Labour Economics and Industrial Relations, Vol. 15, No. 3, 2001, S. 343 – 369. Forte, Francesco: Binnenwanderung als Problem der Wohlfahrtsökonomik, in: Guy Kirsch (Hrsg.), Föderalismus, Stuttgart/New York, 1977, S. 90 – 108.

Ökonomische Theorie des Föderalismus und die Föderalismusreformen

47

Frank, Götz/Heinicke, Thomas: Die Auswirkungen der Föderalismusreform auf das öffentliche Dienstrecht – das neue Spannungsfeld von Solidarität, Kooperation und Wettbewerb zwischen den Ländern, in: Zeitschrift für Beamtenrecht, Heft 1/2, 2009, S. 34 – 39. Fritsch, Michael: Marktversagen und Wirtschaftspolitik, München, 2011. Häberle, Peter: Föderalismus-Modelle im kulturellen Verfassungsvergleich, in: Zeitschrift für öffentliches Recht, 62. Band, 2007, S. 39 – 59. Hausner, Heinz: Die Ökonomische Theorie des Föderalismus, in: Wirtschaftsdienst, 85, 1, 2005, S. 55 – 60. Heine, Klaus: Kompetitiver Föderalismus auch für das öffentliche Gut „Recht“?, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 72, 3, 2003, S. 472 – 484. Hüther, Michael/Hafemann, Klaus Öffentliche Güter, Wettbewerb, Kompetenzverteilung – ökonomische Analysen zum Föderalismus, in: Ines Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt, Berlin/Heidelberg, 2012, S. 333 – 358. Ipsen, Jörn: Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nach der Föderalismusnovelle, in: Neue Juristische Wochenschrift, 59. Jhrg., Heft 39, 2006, S. 2801 – 2806. Kirsch, Guy: Föderalismus – Die Wahl zwischen intrakollektiver Konsenssuche und interkollektiver Auseinandersetzung, in: Wilhelmine Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, Berlin, 1978, S. 9 – 43. Koziol, Matthias: Folgen des demographischen Wandels für die kommunale Infrastruktur, in: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 43. Jhrg., Band I, 2004, S. 69 – 83. Kropp, Sabine: Kooperativer Föderalismus und Politikverflechtung, Wiesbaden, 2010. Lenders, Dirk: Beamtenstatusgesetz. Kommentar zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern, Siegburg, 2012. Lorig, Wolfgang H.: Das Laufbahnwesen nach der Föderalismusreform – Auf dem Weg zu größerer Flexibilisierung und erhöhter Disponierbarkeit?, in: Rainer Koch/Peter Conrad/Wolfgang H. Lorig (Hrsg.), New Public Sector. Öffentlicher Dienst als Motor der Staats- und Verwaltungsmodernisierung, 2. Auflage, Wiesbaden, 2011, S. 181 – 211. Lorse, Jürgen: Neues Dienstrecht in Bayern, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, Heft 4, 2010, S. 119 – 121. Margedant, Udo: Die Föderalismusdiskussion in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B29 – 30/2003, 2003, S. 6 – 13. Morath, Konrad (Hrsg.): Reform des Föderalismus. Beiträge zu einer gemeinsamen Tagung von Frankfurter Institut – Stiftung Marktwirtschaft und Politik und Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bad Homburg, 1999. Oates, Wallace E.: Fiscal Federalism, New York, Chicago, San Francisco und Atlanta, 1972. Olson, Mancur C.: The Principle of „Fiscal Equivalence“: The Division of Responsibilities Among Different Levels of Government, in: American Economic Review, Vol. 59, 1969, S. 479 – 487.

48

Nicolai Dose

Pechstein, Matthias: Die verfassungsrechtliche Stellung des höheren Dienstes vor dem Hintergrund der angekündigten Reform des Laufbahnrechts in Bayern, in: Zeitschrift für Beamtenrecht, Heft 1 – 2, 2009, S. 20 – 33. Scharpf, Fritz W.: Recht und Politik in der Reform des deutschen Föderalismus. Max-PlanckInstitut für Gesellschaftsforschung, Working Paper 05/6, Köln, 2005. – Föderalismusreform: Weshalb wurde so wenig erreicht?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 50/2006, 2006, S. 6 – 11. Schatz, Heribert/ Ooyen, Robert Chr. van/Werthes, Sascha: Wettbewerbsföderalismus. Aufstieg und Fall eines politischen Streitbegriffes, Baden-Baden, 2000. Schmoll, Heike: Lehrer auf gepackten Koffern. Trotz Unterrichtsausfall bleiben Nachwuchskräfte ohne festen Job, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 4 vom 29. Januar 2012, S. 2. Schnellenbach, Helmut: Beamtenrecht in der Praxis, 7. Auflage, München, 2011. Seeck, Erich/Rieger, Reinhard: Neues Laufbahnrecht der Norddeutschen Küstenländer, in: Recht im Amt, Heft 1, 2011, S. 1 – 9. Sjaastad, Larry A.: The Costs and Returns of Human Migration, in: Journal of Political Economy, Vol. 70, No. 5, 1962, S. 80 – 93. Stabilitätsrat (Hrsg.): Kennziffern zur aktuellen Haushaltslage und zur Finanzplanung im Stabilitätsrat (Berichtsjahr 2014), Beratungsunterlagen zur 10. Sitzung des Stabilitätsrates am 15. Dezember 2014, Tagesordnungspunkt 2, 2014. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.): BIP statt Steuerkraft als Ausgleichsmaß im Länderfinanzausgleich, Stuttgart, 2013. Sturm, Roland: Föderalismusreform: Kein Erkenntnisproblem, warum aber ein Gestaltungsund Entscheidungsproblem?, in: Politische Vierteljahresschrift, 46. Jhrg., Heft 2, 2005, S. 195 – 203. Thüringer Finanzministerium (Hrsg.): Auf den Punkt gebracht. Finanzpolitische Perspektiven heute und morgen. Der Länderfinanzausgleich, Erfurt, 2014. Tiebout, Charles M.: A Pure Theory of Local Expenditures, in: Journal of Political Economy, Vol. 64, No. 5, 1956, S. 416 – 424. Wilson, John D.: A Theory of Interregional Tax Competition, in: Journal of Urban Economics, Vol. 19, No. 3, 1986, S. 296 – 315. Wolfes, Felix: Das öffentliche Dienstrecht der deutschen Bundesländer im Jahr 2014. Eine Clusteranalyse des Besoldungs-, Versorgungs-, Laufbahn- und Personalvertretungsrechts der Länder der Bundesrepublik Deutschland nach der Föderalismusreform I, Masterarbeit an der NRW School of Governance, Duisburg, 2014. Zodrow, George R./Mieszkowski, Peter: Pigou, Tiebout, Property Taxation, and the Underprovision of Local Public Goods, in: Journal of Urban Economics, Vol. 19, No. 3, 1986, S. 356 – 370.

Öffentliche Angelegenheiten im Wandel: Neue Herausforderungen für Regieren und Verwalten Hermann Hill

I. Einführung Was sind öffentliche Angelegenheiten? Was unterscheidet sie von privaten Angelegenheiten? Wie hat sich ihre Entstehung verändert? Und wie gehen staatliche Organe mit diesen öffentlichen Angelegenheiten um? Vor allem mit Letzterem hat sich Klaus König in seinen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten zum Regieren und Verwalten immer wieder beschäftigt.1 Angesichts der komplexen und umfassenden Themenstellung kann dabei der folgende Beitrag nur in groben Strichen ein paar vorläufige Schlaglichter setzen, die zum weiteren Gespräch mit dem Jubilar anregen sollen. Das Thema der „öffentlichen Angelegenheiten“, das aus „res publica“ abgeleitet werden kann, wird üblicherweise eher unter dem Begriff des „öffentlichen Interesses“2 bzw. des „Gemeinwohls“3 behandelt. So wurde etwa „Good Governance“ als „Qualität der Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Gruppen in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse“ bezeichnet.4 Verbindungen bestehen auch zum Begriff der „öffentlichen Aufgaben“.5 Ein anderer Zugang erschließt sich von den Begriffen der „Öffentlichkeit“6 bzw. der „öffentlichen Meinung“.7 Die Abgrenzungen dieser Begriffe sind nicht nur umstritten, sondern auch im Rahmen dieses Überblicks nicht zu leisten. 1 Vgl. nur Klaus König, Moderne öffentliche Verwaltung, 2008; ders., Operative Regierung, 2015; Werner Jann/Klaus König (Hrsg.), Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2008. 2 Peter Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 2. Aufl. 2006. 3 Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71. 4 Hermann Hill, Über Binnenmodernisierung zu Good Governance, VOP 12/2000, 9 (11). 5 Dazu Klaus König, Moderne öffentliche Verwaltung, S. 183 ff. 6 Vgl. etwa Hartmut Wessler/Eike M. Rinke, Öffentlichkeit, in: Steffen Mau/Nadine M. Schöneck (Hrsg.), Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands, Band 2, 3. Aufl. 2013, S. 637 ff. 7 Michael Kloepfer, Öffentliche Meinung, Massenmedien, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 42.

50

Hermann Hill

Es handelt sich um Themenbereiche, die im Schnittfeld von Staat und Gesellschaft liegen und ständigem Wandel unterliegen. Galt lange Zeit noch als Orientierung, dass das öffentliche Interesse durch die zuständigen Organe in rechtsstaatlichdemokratischen Verfahren bestimmt wird,8 die öffentliche Meinung sich dagegen vor allem im gesellschaftlich-politischen Raum (auf der Basis der grundrechtlichen Freiheitsrechte) bildet,9 werden Staat und Gesellschaft zunehmend in gemeinsamer Verantwortung bei der Bearbeitung der öffentlichen Angelegenheiten im Sinne des Gemeinwohls gesehen.10 Die Entwicklung der öffentlichen Angelegenheiten im Netz schafft dabei, wie zu zeigen sein wird, neue Herausforderungen. Es liegt nahe, in diesem Zusammenhang noch einen kurzen Blick auf den amerikanischen Begriff der „Public Affairs“ zu werfen.11 In der deutschsprachigen Literatur wird „Public Affairs“ sehr unterschiedlich gefasst und teilweise synonym mit den Begriffen Public Relations und Lobbying verwendet.12 Im gleichnamigen Handlexikon wird „Public Affairs“ als „das strategische Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ verstanden. Public Affairs organisiere die externen Beziehungen einer Organisation, vor allem zu Parlamenten, Regierungen, Behörden sowie Verbänden und Institutionen sowie zur Gesellschaft selbst. Es gehe dabei vor allem um die Vermittlung von Unternehmens-, Mitarbeiter- und Mitgliederinteressen im politischen Kontext.13 Im vorliegenden Beitrag soll es um den Umgang mit öffentlichen Angelegenheiten durch staatliche Organe sowie die Zivilgesellschaft gehen. Dabei werden unter öffentlichen Angelegenheiten solche Themen verstanden, die eine wichtige Bedeutung für das Gemeinwohl bzw. einen größeren Teil der Bevölkerung haben und in der Öffentlichkeit eine Aufmerksamkeit erfahren, die ihre Bearbeitung als notwendig erscheinen lässt.

II. Öffentliche Angelegenheiten im Netz In den Berichten der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages wird an verschiedenen Stellen14 in Anlehnung an Jürgen Habermas15 auf einen neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit hingewiesen. 8

Dazu Regina Viotto, Das öffentliche Interesse, 2009, S. 26 ff. Dazu Kloepfer (Fn. 7), § 42 Rdn. 23. 10 Vgl. etwa Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft 2000, S. 408 ff. 11 Bei Nicholas Henry, Public Administration and Public Affairs, 12. Aufl. 2013 sucht man dazu vergeblich eine Definition. Ebenso wird der ähnliche Begriff der “International Affairs” offensichtlich ebenso vorausgesetzt. 12 Ulrike Röttger, u. a., Grundlagen der Public Relations , 2. Aufl. 2014, S. 203. 13 Marco Althaus, u. a. (Hrsg.), Handlexikon Public Affairs, 2005, S. 262; vgl. auch Peter Radunski, Public Affairs als Politikberatung, in: Svenja Falk, u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, 2006, S. 315 ff. 14 Deutscher Bundestag, Siebter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“- Demokratie und Staat, BT-Drs. 17/12290 vom 6. 2. 2013, S. 91 ff.; 9

Öffentliche Angelegenheiten im Wandel

51

Traditionell sei Journalismus eine Vermittlungsleistung gewesen und Medien erfüllten in Bezug auf die allgemeine Öffentlichkeit eine Filterfunktion. Das Internet habe hier eine bedeutende Veränderung bewirkt. Bürgerinnen und Bürger, die bisher vor allem Empfänger medialer Botschaften gewesen seien, seien in die Lage versetzt worden, selbst als Urheber solcher Botschaften in der Öffentlichkeit aufzutreten. Damit ginge einher, dass es möglich wurde, die Botschaften der Massenmedien kritisch zu hinterfragen, Fakten zu ergänzen, Widerspruch zu artikulieren.16 Neben die durch klassische Medien verfassten Öffentlichkeiten („Medienöffentlichkeiten“) träten „Gegenöffentlichkeiten“, die auf der kommunikativen Partizipation des Einzelnen und anderer Akteure beruhten und welche die Bedeutung und Machtfülle der klassischen Medien relativierten.17 Die Entwicklung vom „User“ zum „Producer“ von Informationen, die allgemein als Charakteristikum des sog. Web 2.0 gesehen wird,18 hat aber vor allem dazu geführt, dass jede(r) Einzelne oder Gruppen eigene und neue informatorische Initiativen ergreifen und Themen lancieren können, die wiederum sog. „Follower“ zur Nachahmung und Verstärkung bewegen, was mit „Schwarmintelligenz“ in Verbindung gebracht wird, aber auch zum „shitstorm“ werden kann. Nach der Theorie des „Long Tail“, nach der auch in der analogen Welt unbedeutsame Aspekte im Internet Bedeutung erlangen, kann auf diese Weise auch ein Einzelfall große mediale Aufmerksamkeit gewinnen.19 Weiterhin wird in den Berichten der Enquete-Kommission auf neue Formationen von Öffentlichkeit hingewiesen, etwa eine sog. „Suchmaschinenöffentlichkeit“ oder auf sog. „personalisierte Öffentlichkeiten“, die sich dadurch bildeten, dass über sog. „Freunde“, mit denen man sich in sozialen Netzwerken verbindet, Communities entstehen, innerhalb derer Informationen ausgetauscht werden.20 Kritisch wird dabei gesehen, dass sog. „Filter Bubbles“ oder „Echo Chambers“ entstehen21 im Unterschied zu einer allgemeinen Öffentlichkeit, wie sie durch klassische Medien hergestellt wird.22 Dreizehnter Zwischenbericht Kultur, Medien und Öffentlichkeit, BT-Drs. 17/12542 vom 19. 3. 2013, S. 51 ff. 15 Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990. 16 Dreizehnter Zwischenbericht, BT-Drs. 17/12542, S. 52. 17 Siebter Zwischenbericht, BT-Drs. 17/12290, S. 13. 18 Hermann Hill, Die Vermessung des virtuellen Raums – eine Zwischenbilanz, in: ders./ Utz Schliesky (Hrsg.), Die Vermessung des virtuellen Raums, 2012, S. 345 ( 361). 19 Chris Anderson, The Long Tail, 2008; Hermann Hill, Die Veränderung juristischer Arbeit durch neue Medien, in: Hagen Hof/Peter Götz von Olenhusen (Hrsg.), Rechtsgestaltung – Rechtskritik – Konkurrenz von Rechtsordnungen…, 2012, S. 334 (339). 20 Dreizehnter Zwischenbericht, BT-Drs. 12/542, S. 54 f. 21 Vgl. Marco Dohle, u. a. Politische Kommunikation in der Online-Welt. Dimensionen des strukturellen Wandels politischer Kommunikation, ZfP 2014, 414 (424) unter Hinweis auf die Arbeiten von Eli Pariser und Cass R. Sunstein.

52

Hermann Hill

Gerade soziale Netzwerke haben dazu geführt, dass nicht nur Datenschützer ein „Ende der Privatsphäre“23 befürchten und alle Informationen mehr oder weniger „öffentlich“ sind, auch wenn die Nutzer teilweise versuchen, ihre „Profile“ nur bestimmten Mitgliedern der Community zugänglich zu machen. Manche Autoren raten schon, sich neue Strategien für ein „Post-Privacy“-Zeitalter zurecht zu legen.24 Jedenfalls hat sich die Abgrenzung von privaten und öffentlichen Sphären im Zuge der technischen Entwicklung beträchtlich verschoben.25 Mit dem Aufkommen einer „Netzöffentlichkeit“ sind weitere Phänomene verbunden, wie die zunehmende Datenflut und die Forderung nach Transparenz von Regierungs- und Verwaltungshandeln sowie die Vernetzung zuvor unverbundener Akteure und Teilbereiche und die Ablösung der Informationsverarbeitung von festen Orten oder Zeiten.26 Dies hat auch Folgen für die politische Kommunikation in der Online-Welt.27 Gleichzeitig schafft das Internet neue Möglichkeiten zum „digitalen Ehrenamt“ und zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an staatlichen Willensbildungsund Entscheidungsprozessen sowie an der Ausübung von Verwaltungstätigkeiten. Die Formen, die inzwischen dazu entwickelt wurden, sind äußerst vielfältig. Sie reichen von Bürgerhaushalten und Beteiligungen an der Stadtentwicklung über Mängelmeldungen bis hin zu Innovationsprozessen zur Verstärkung staatlicher Expertise.28 Vor diesem Hintergrund arbeiten auch Regierungen und Verwaltungen daran, integrierte Kommunikationsstrategien für die klassische und die Netzöffentlichkeit zu entwickeln, in sozialen Medien präsent zu sein bzw. zumindest die Entwicklung entsprechender Themen in diesen Medien zu beobachten, um sich frühzeitig auf neue

22

Vgl. noch Dreizehnter Zwischenbericht, BT-Drs. 17/12542, S. 52. Peter Schaar, Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft, 2009. 24 Christian Heller, Post-Privacy. Prima leben ohne Privatsphäre, 2011; Michael Seemann, Das Neue Spiel. Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust, 2014. 25 Dreizehnter Zwischenbericht, BT-Drs. 12/542, S. 53; Hermann Hill, Neubestimmung der Privatheit – Auf dem Weg zu „Neuer Sozialität“, in: Hermann Hill/Utz Schliesky (Hrsg.), Die Neubestimmung der Privatheit, 2014. 26 Hermann Hill, Wandel von Verwaltungskultur und Kompetenzen im digitalen Zeitalter, DVBl 2014, 85. 27 Dohle, u. a. (Fn. 21); Hermann Hill, Wandel von Staatskommunikation und Staatskultur durch digitale Medien, in: Edwin Czerwick (Hrsg.), Politische Kommunikation in der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, Festschrift für Ulrich Sarcinelli, 2013, S. 67 ff. 28 Guter Überblick auf www.citizensourcing.de; vgl. noch Hermann Hill, Wandel von Verwaltungskultur und Kompetenzen durch Öffnung für gesellschaftliche Innovation, Die Verwaltung 2014, 435. 23

Öffentliche Angelegenheiten im Wandel

53

Agenden vorzubereiten.29 „Framing“,30 „Monitoring“ und „Kollaboration“ werden dabei zu Komponenten einer ganzheitlichen Strategieentwicklung. Als Beispiel kann der gerade abgeschlossene Review-Prozess des Auswärtigen Amtes dienen, in dem das Amt einen Dialog mit den wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Stakeholdern unter Einschluss der Zivilgesellschaft sowie anschließend mit den eigenen Mitarbeitern führte, um seine Politik zu hinterfragen und im Austausch zu verbessern.31

III. Öffnung der Organisation und Einbeziehung von Externen Unter dem Leitgedanken des „Open Government“32 versuchen zunehmend Regierungen und Verwaltungen, ihre Organisation zu öffnen und erweiterte Perspektiven bei der Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten zu gewinnen, um die öffentliche Wertschöpfung (Public Value) zu erhöhen. Insbesondere die Offenlegung von Daten (Open Data) soll nicht nur eine bessere Kontrolle der Verwaltung, sondern auch soziale, politische und wirtschaftliche Innovationen ermöglichen. Die Öffnung der Organisation und die (informationelle) Einbeziehung von Externen treffen sich darüber hinaus mit verschiedenen Erkenntnissen der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Die sog. neoliberalistische Organisationstheorie betont, dass das Verhalten einer Organisation sehr stark vom Kontext und den Erwartungen der Stakeholder abhänge.33 James F. Moore hat auf die Bedeutung des unternehmerischen Ökosystems für den Erfolg des Unternehmens verwiesen.34 Mark Granovetter hat schließlich mit dem Gedanken der „embeddedness“ darauf aufmerksam gemacht, dass wirtschaftliches Handeln sehr häufig nicht allein dem Diktum des Marktes und des Preises folge, sondern durch den sozialen Kontext und insbesondere

29 Vgl. etwa die Beispiele in Hermann Hill (Hrsg.), Informationelle Staatlichkeit, 2012 sowie in Hill (Hrsg.), E-Transformation, 2014. 30 Frank Marcinkowski (Hrsg.), Framing als politischer Prozess. Beiträge zum Deutungskampf in der politischen Kommunikation, 2014. 31 Vgl. Review 2014 – Die Schlussfolgerungen, www. auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/ Review2014/Ueberblick/Text_node.html. 32 Hermann Hill, Open Government als Form der Bürgerbeteiligung, in: Kurt Beck/Jan Ziekow (Hrsg.), Mehr Bürgerbeteiligung wagen, 2011, S. 57 ff.; Matthias Stürmer/Adrian Ritz, Public Governance durch Open Government, in: Jahrbuch der Schweizerischen Verwaltungswissenschaften 2014, S. 125 ff.; Bernd W. Wirtz/Daniel Schmitt, Open Government: Konzeption und Gestaltung im gesellschaftlichen Diskurs, Verwaltung & Management 2015, 46. 33 Peter Walgenbach/Renate Meyer, Neoinstitutionalistische Organisationstheorie, 2008, S. 17. 34 James F. Moore, Wie Unternehmen in Lebensgemeinschaften prosperieren, Harvard Business manager 1/1994, 33; ders., Das Ende des Wettbewerbs. Führung und Strategie im Zeitalter unternehmerischer Ökosysteme, 1998.

54

Hermann Hill

durch soziale Beziehungen geprägt werde. Eine wesentliche Möglichkeit, diese Beziehungen zu operationalisieren, biete das Netzwerkkonzept.35 Diese Gedanken werden neuerdings am Institut für Systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen wieder aufgegriffen. Strukturen und Produktentwicklung durch effiziente Prozesssteuerung griffen in einem dynamischen Umfeld zu kurz. Der Begriff „Embeddedness“ betone die Einbettung der Wertschöpfung in den sozialen, politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext der Organisation, ebenso wie die Ausgestaltung nachhaltiger und tragfähiger sozialer Beziehungen im Innern und zum relevanten Umfeld. Wertschöpfung finde nämlich nicht in autarken Unternehmen durch deren ebenso autarken Entscheidungsträger statt. Vielmehr erfolge sie in der Interaktion mit realen, zeitlich bestimmten Kontextgegebenheiten.36 Soweit man diese Gedanken auch auf staatliche Organisationen und ihre Beziehungen zu Bürgerinnen und Bürgern sowie sonstigen Stakeholdern37 überträgt, führt dies zu einer Erweiterung des Staatshandelns bei der Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten im Sinne eines „horizontalen Regierens“38 und zu einem neuen integrativen Politik- und Verwaltungsstil.39

IV. Neue Strategien bei der Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten Öffentliche Angelegenheiten reifen, bedingt durch die Echtzeit-Kommunikation und Verstärkungswirkung neuer Medien, in immer schnelleren Issue-Zyklen heran, überlagern sich oder werden von neuen Themen oder Sichtweisen überholt und abgelöst. Diese Dynamik birgt viele Chancen und Überraschungen für die politische Gestaltung, aber auch Risiken. Um solche Turbulenzen frühzeitig zu erkennen, vorbereitet und handlungsfähig zu sein, benötigen Politik und Verwaltung eine „institutionelle Achtsamkeit“,40 verbunden mit neuen Kompetenzen der Analyse und Deu35 So Betina Hollstein, Soziale Netzwerke, in: Mau/Schöneck (Fn. 6), S. 745 (752) unter Hinweis auf den Aufsatz von Marc Granovetter „Economic action and social structure: the problem of embeddedness“ aus 1985. 36 Ralf-Eckhard Türke/Kuno Schedler, Embeddedness verändert die Sicht auf die Organisation, in: Institut für Systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen, Embeddedness, IMPacts, Ausgabe 08, Dezember 2014, S. 13 ff. 37 Vgl. noch Maximilian Rapp, u. a., Open Political Innovation: Ein neuer Ansatz des Stakeholdermanagements, in: Berner Fachhochschule, E-Government-Institut (Hrsg.), eGovPräsenz, 2/2013, S. 60 ff. 38 Hermann Hill (Fn. 27), S. 79. 39 Hermann Hill, Integrierendes Staatshandeln – Brauchen wir einen neuen Politik- und Verwaltungsstil?, in: Utz Schliesky, u. a. (Hrsg.), Die Freiheit des Menschen in Kommune, Staat und Europa, Festschrift für Edzard Schmidt-Jortzig, 2011, S. 365 ff. 40 Hermann Hill, Zukunftsfähige Verwaltungen – Handlungsanleitung für Morgen, in: ders. (Hrsg.), Entwerfen und Gestalten, 2012, S. 103 (113).

Öffentliche Angelegenheiten im Wandel

55

tung.41 Um Krisen und Katastrophen besser überstehen und vielleicht sogar gestärkt daraus hervorgehen zu können, bedarf es der Beschäftigung und des Einübens von Resilienz-Faktoren,42 die eine Widerstands- und Anpassungsfähigkeit bei Turbulenzen ermöglichen. In dieser Welt können zunehmend Probleme nicht vollständig, sofort oder allein von einer zentralen Instanz gelöst werden. Lineare Planung und hierarchische Entscheidung im Sinne eines „Scientific Management“ versagen. In den Umwelt- und Naturwissenschaften wird zu Methoden einer „Adaptive Governance“ geraten. Während das „Scientific Management“ von stabilen Beziehungen und einem unzweideutigen, aber bruchstückhaften Wissen in geschlossenen Systemen ausgehe, beziehe sich „Adaptive Governance“ auf offene Systeme mit kontingentem und unvollständigem Wissen, bei dem Überraschungen unvermeidlich seien. Im ersten Fall gehe es um Einzelziele, die effizient realisiert werden sollen, beim zweiten seien viele Ziele zu integrieren, sie hingen von Urteilen im jeweiligen Kontext ab und unterlägen einem Wandel. Die Entscheidungsfindung verlaufe im ersten Fall „top down“ durch eine zentrale Autorität, im zweiten erfolge die Integration verschiedener Politiken „bottom up“ bei geteilter Autorität und Kontrolle. Beim ersten Muster seien nur die Experten qualifiziert, gute Managementpläne zu entwickeln und umzusetzen, beim zweiten könne jede Person oder Gruppe mit einem signifikanten Interesse partizipieren, gemeinschaftsbasierte Initiativen könnten die Begrenzungen der Bürokratie kompensieren.43 Bei vielen der aktuellen Schwerpunktthemen im Bereich der öffentlichen Angelegenheiten handelt es sich um sog. „wicked issues“,44 deren Komplexität nicht mit herkömmlichen Methoden, insbesondere der Reduktion von Komplexität mit Steuerungsindikatoren bearbeitet werden kann. So hat beispielsweise schon vor einigen Jahren ein Versuch in Baden-Württemberg gezeigt, dass die Balanced Scorecard für die politische Umsetzung eines Regierungsprogramms wenig geeignet ist.45 Komplexe Zusammenhänge erfordern andere Vorgehensweisen und Verfahrensarrangements. Nach Snowden/Boone ist viel mehr interaktive Kommunikation nötig als in jedem anderen Kontext, etwa indem Teilnehmer von Großgruppensitzungen 41 Hermann Hill, Aus Daten Sinn machen: Analyse- und Deutungskompetenzen in der Datenflut, DÖV 2014, 213. 42 Arjen Boin/Michael J. G. van Eeten, The resilient organization, Public Management Review 2013, 429; Uwe Bargstedt, u. a. (Hrsg.), Resilienz in Organisationen stärken, 2014. 43 Ronald D. Brunner/Toddi A. Steelman, Beyond Scientific Management, in: Brunner et al (eds.), Adaptive Governance. Integrating Science, Policy and Decision Making, 2005, S. 1 (33 f.); vgl. schon Hermann Hill, Verwaltungsverfahren bei unerwarteten und ungewissen Ereignissen und Entwicklungen, in: ders., u. a. (Hrsg.), 35 Jahre Verwaltungsverfahrensgesetz – Bilanz und Perspektiven, 2011, S. 333 (340). 44 Valerie A. Brown et al (eds.), Tackling wicked problems. 2010. 45 Max Munding, Balanced Scorecard als Steuerungsinstrument für die öffentliche Verwaltung?, in: Hermann Hill (Hrsg.), Aufgabenkritik, Privatisierung und Neue Verwaltungssteuerung, 2004, S. 19 ff.

56

Hermann Hill

sich mit zahlreichen Lösungsansätzen beschäftigen, Dissens und Vielfalt gefördert wird oder Attraktoren geschaffen werden, indem Anreize und „Versuchsballons“ gestartet werden, um zu sehen, ob diese auf Resonanz bei Dritten stoßen.46 Komplexe Zusammenhänge können auch nicht nach einem Masterplan bearbeitet werden, der bis zu seiner Fertigstellung angesichts der geschilderten Dynamik der Entwicklungen in der Informationsgesellschaft schon wieder überholt ist und zudem häufig von einer zentralen Instanz ohne Einbeziehung und Abstimmung mit dem Wissen und der Mitwirkung der Betroffenen und Stakeholder erfolgt. Möglicherweise kann daher in der Politik- und Verwaltungsentwicklung auf Methoden zurückgegriffen werden, die im Bereich des agilen Projektmanagements47 entwickelt worden sind, nämlich mit kurzen Entwicklungsschritten und Feedbackschleifen funktionierende Zwischenversionen zu erarbeiten und diese iterativ und kooperativ weiterzuentwickeln. Ein ähnlich pragmatisches Vorgehen wird beim sog. Design Thinking48 empfohlen, bei dem nach einem Versuch des Verstehens und Hineinfühlens in die Situation und die Interessen der Betroffenen ein erster Prototyp entwickelt, getestet und weiterentwickelt wird. Regierungen und Verwaltungen wollen mit ihren Initiativen zur Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten eine beabsichtigte, demokratisch legitimierte und rechtsstaatlich gereifte Wirkung49 erzielen. Der Instrumentenkanon ist dazu sehr vielfältig. Neuerdings wird im Rahmen der Umsetzung des Programmbereichs „Wirksam Regieren“ der Koalitionsvereinbarung der deutschen Bundesregierung auf Erkenntnisse der modernen Verhaltenswissenschaft Bezug genommen. Dabei geht es insbesondere um sog. Anstöße („Nudges“),50 die durch Voreinstellungen („default rules“) ein bestimmtes Verhalten nahelegen, aber nicht erzwingen („choice architecture“).51 Die Maßnahmen werden teilweise mit spielerischen Elementen unterlegt (sog. „Gamification“),52 die den Anreiz zu dem erwünschten Verhalten erhöhen sollen. Obwohl dem Bürger immer noch eine Wahl verbleibt, wird 46 David J. Snowden/Mary E. Boone, Entscheiden in chaotischen Zeiten, Harvard Business manager 12/2007, S. 28 (38). 47 Hermann Hill, Prozessflexibilisierung und adaptive Prozessentwicklung, DÖV 2012, 249 (253); Brian Wernham, Agile Project Management for Government, 2012. 48 Hasso Plattner, u. a. Design thinking, 2009; Dark Horse Innovation, Thank God it‘s Monday!, 2014 S. 40 ff. 49 Zum wirkungsorientierten Verwaltungshandeln in der Schweiz vgl. Theo Haldemann, u. a. Neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung, Jahrbuch der Schweizerischen Verwaltungswissenschaften 2014, S. 111 ff. 50 Richard H. Thaler/Cass R. Sunstein, Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009; Ulrich Smeddinck, Der Nudge-Ansatz – eine Möglichkeit, wirksam zu regieren?, ZRP 2014, 245. 51 Sunstein, Simpler: The Future of Government, 2013; Dongjae Jung, “Smart” Government Discourse through a Behavioral Economic Lens, Public Administration Review 2014, 676. 52 Hill (Fn. 25), S. 263.

Öffentliche Angelegenheiten im Wandel

57

darin teilweise eine gewisse Manipulation gesehen, so dass die rechtliche und ethische Bewertung dieser Maßnahmen sich noch in der Diskussion befindet. Die modernen Informationstechniken, die ungeheure Vielzahl anfallender Daten, neben der menschlichen Kommunikation durch das Internet der Dinge, ihre Vernetzung, Auswertung und Folgenanordnung auf der Basis von Algorithmen schaffen schließlich Herausforderungen für Regieren und Verwalten, die bisher nur ansatzweise erkannt und noch kaum in politischer, rechtlicher und ethischer Hinsicht erörtert sind. „Die Kraft versammelter und in Echtzeit verknüpfter Daten“, verbunden mit entsprechenden Anfragen an das System, mache Komplexität in Echtzeit prozessierbar und zwar ohne, dass wir etwas davon mitbekommen.53 Vor allem aber sind entsprechende „datentechnische“ Lösungen (sog. algorithmic regulation“)54 für öffentliche Angelegenheiten, wie etwa Verkehr, Umgang mit Energie oder Gesundheit, nicht nach geltenden Maßstäben demokratisch und rechtsstaatlich legitimiert, sondern folgen, da sie zudem von privaten Konzernen vorgegeben werden, kommerziellen oder machtpolitischen Interessen. Darin liegt eine Herausforderung für die Rolle des Staates und der Politik.55 Die provozierende Frage „Brauchen wir noch Gesetze, wenn Rechner herrschen?“56 bedarf dringend der wissenschaftlichen und politischen Erörterung.

V. Organisatorische Innovationen Die abschließende Frage bleibt: Wie müssen Regierungen und Verwaltungen aufgestellt sein, um die neuen Herausforderungen besser wahrzunehmen und zu bewältigen? Beziehungsweise: Welche neuen Organisationsformen müssen sie entwickeln, um die Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten angesichts der neuen technischen und kommunikativen Möglichkeiten zu befördern? In einer arbeitsteiligen Organisation gibt es viele Fenster und Schnittstellen zur Außenwelt, deren Erkenntnisse der Zusammenführung bedürfen. Nicht ausgeschlossen ist indes, dass Spuren, die nicht eindeutig einem Bereich zugeordnet werden können, durch das Raster fallen oder man umgekehrt „vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht“. Auch Stabsstellen oder klassische Controlling-Einheiten helfen nur bedingt weiter, wenn es um ein „Whole of Government“57 geht.

53

Seemann (Fn. 24), S. 89, 91. Tim O’Reilly, Open Data and Algorithmic Regulation, in: Brett Goldstein/Lauren Dyson (eds.), Beyond Transparency, 2013, S. 289 ff. 55 Niklas Maak, Auflösung der Politik, FAZ vom 5. Februar 2015, S. 11. 56 Adrian Lobe, Brauchen wir noch Gesetze, wenn Rechner herrschen?, FAZ vom 7. Januar 2015, S. 13. 57 Philip Marcel Karré et al, Whole of Government in Theory and Practice: an Explanatory Account of how Australian and Dutch Government Deal with Wicked Problems in an inte54

58

Hermann Hill

Flexible interne Organisationsformen, interne und externe Mobilität, die Nutzung von Diversität in der Belegschaft oder auch eine sog. „repräsentative Bürokratie“58, die versucht, die Außenwelt auch intern abzubilden, stellen weitere Mechanismen im geltenden System dar. Hinzu kommt die Möglichkeit, mit internen sozialen Netzwerken ein aktuelles Wissensaustauschsystem zu schaffen. Letzteres bedarf allerdings einiger organisatorischer und kultureller Voraussetzungen.59 Damit verbunden sollte die Organisation nach außen weitere Sensoren entwickeln, um als atmendes und austauschfähiges System zu wirken. Auch dies hat indes trotz aller Bemühungen um Transparenz rechtliche und politische Grenzen.60 Als Organisationsform der Zukunft werden zunehmend Plattformen wie in der privaten Internetwirtschaft vorgeschlagen. Diese stellen eine „Infrastruktur für vielfältige Interaktionen wie Geschäfte und Meinungsbildung der Plattformnutzer“61 dar. Ob der Staat selbst eine Plattform für die Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten darstellt oder diese nur zur Verfügung stellt, wird im Anschluss an Tim O’Reillys „Government as a platform“62 diskutiert.63 Jedenfalls soll sich neuerdings der nationale IT-Gipfel, der bisher in Form von Arbeitsgruppen organisiert war, auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auch in Form von Plattformen organisieren. Dadurch sollen sich Politik, Hersteller und Anwender von IT sowie gesellschaftliche Gruppen auf Augenhöhe begegnen und offenere und flexible Diskussionsformen mit wechselnden Beteiligten ermöglicht werden.64 Ein weiterer Aspekt des „Plattform-Business“, wie es etwa von Google und Amazon praktiziert wird, ist nach Robert Fieten folgender: Wer den Zugang zu den Kunden habe und täglich mehr über diese erfahre, habe gegenüber reinen auf das Produkt fokussierten Unternehmen einen unschätzbaren Vorteil: Er könne auf der Basis dieses Informationsvorsprungs traditionelle Unternehmen aushebeln und sie schlussendlich in die nachgeordnete Rolle von Zulieferern seiner Plattform drängen. grated Way, in: Menno Fenger/Victor Bekkers (eds.), Beyond Fragmentation and Interconnectivity, 2012, S. 97 ff. 58 Patrick von Maravic et al (eds.), Representative Bureaucracy in Action, 2013. 59 Saskia Fritzsche, Virtuelle Vernetzung für die digitale Verwaltung, in: Hermann Hill (Hrsg.), E-Transformation, 2014, S. 9 ff. 60 Kritischer Überblick bei Göttrik Wewer, Open Government, Staat und Demokratie, 2014. 61 Robert Fieten, Einblicke in Google, FAZ vom 7. April 2015, S. 18; vgl. noch Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (Hrsg.), Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?, 2014, S. 56. 62 O’Reilly, Government as a Platform, in: Daniel Lathrop/Laurel Ruma (eds.), Open Government, 2010, S. 11 ff. 63 Hermann Hill (Fn. 18), S. 360; ders., Selbstverwaltung neu denken, NordÖR 2011, 469 (471); Margrit Seckelmann/Christian Bauer, Mehr Netzbeteiligung wagen, Verwaltung & Management 2012, 81 (83). 64 http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/I/infopapier-neuausrichtung-it-gipfel-digitale-agenda,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf.

Öffentliche Angelegenheiten im Wandel

59

Diese Entwicklung sei für die klassischen Produkthersteller, die nach alter Väter Sitte via Einbahnstraße nicht in offenen, sondern in monolithischen, geschlossenen Netzwerken mit ihren Geschäftspartnern kommunizierten, brandgefährlich.65 Die Plattform wird somit gewissermaßen als neuer qualitativer Sprung zum klassischen Netzwerk verstanden, bei der dem Betreiber nicht nur Informationen rund um das Produkt, sondern auch neue, ganz andere Aspekte von sonstigen Interessenten oder Kommunikationspartnern vermittelt werden. An anderer Stelle heißt es dazu, ein Kennzeichen von Plattformen sei es, dass auf ihrer Grundlage durch die immer wieder vollzogenen Iterationen Neues entstehe. Der Schritt der Iteration führe oft zu „Emergenzphänomenen“, worunter die spontane Hervorbringung von Strukturen infolge des Zusammenspiels darunter liegender Elemente verstanden werde.66 Versucht man, trotz der für klassisches staatliches Denken neuen Begriffe und Sichtweisen, diese Einsichten auf die Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten im Informationszeitalter zu übertragen, so kommt man zum Schluss, dass es in Zukunft nicht nur darum gehen kann, gesellschaftliche Konflikte zu schlichten, Probleme zu „lösen“, Regelungen zu schaffen oder staatliche Leistungen auszuliefern, sondern eher vorläufig und probeweise zu handeln, staatliche Organisationen zu öffnen und zu flexibilisieren und in vielfältigen Dialogen auf offenen Plattformen das Gemeinwohl ständig weiter zu entwickeln. Dazu ist es erforderlich, dass sich Regierungen und Verwaltungen neu aufstellen und vor allem entsprechende neue Kompetenzen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickeln. Auch die politische und persönliche Führung bedarf neuer Ansätze im Sinne eines „Open Leadership“.67 Der neue Strukturwandel der Öffentlichkeit erfordert daher auch neue Konzepte bei Regierungen und Verwaltungen für den Umgang mit öffentlichen Angelegenheiten.

65

Fieten (Fn. 61). Seemann (Fn. 24), S. 111; vgl. noch Alan Brown et al, Digitizing Government, 2014, S. 240 ff. 67 Charlene Li, Open Leadership. How Social Technology can transform the way you lead, 2010; Hill (Fn. 27), S. 78 ff. 66

Regierungslehre in Speyer Klaus König

I. Regierung und Operativität In Speyer habe ich über viele Jahre Ausbildungs- und Weiterbildungsveranstaltungen zur Regierungslehre durchgeführt. Die Berufsorientierung meines Auditoriums – sei es, dass es kurz vor der Berufsaufnahme stand, sei es, dass es bereits berufstätig war – hat es mit sich gebracht, dass die Regierung nicht nur als Gegenstand von Verfassung, Politik, Finanzen, sondern auch als Arbeitsplatz perzipiert wurde. Das entsprach den Erkenntnissen und den Erfahrungen, die ich als abgeordneter Beamter in einer Staatskanzlei, als Richter im Nebenamt an einem Oberverwaltungsgericht, als politischer Beamter im Bundeskanzleramt und weiter in der wissenschaftlichen Beratung und in der praktischen Gremienarbeit gesammelt habe. Entsprechend rückte die Regierung im arbeitenden Staat, die „machinery of government“, Regierungsapparate und Regierungsgeschäfte in den Fokus der Lehrgespräche. Das heißt nicht, dass das Umfeld der Regierung ausgeblendet wird. Das bedeutet auch nicht, dass Staatsrechtslehre oder Politische Wissenschaft überboten werden sollen. Vielmehr geht es um das Komplement einer verwaltungswissenschaftlichen Perspektive. In den Vereinigten Staaten von Amerika würde man von einem „professional school approach“ sprechen. Ich versuche, die damit implizierten Selbstbeschränkungen durch die Bezeichnung „Operative Regierung“ kenntlich zu machen. Charakterisieren kann man dies im Blick auf die Konzernpraxis mit dem „Chief Operating Officer“ im Vorstand. Als entsprechende Symbolfiguren in öffentlichen Angelegenheiten sind unschwer der Chef des Bundeskanzleramtes oder die Chefs der Staatskanzleien zu identifizieren. Ist mit der operativen Regierung das Erkenntnisinteresse bestimmt, muss man sich zuerst von der Regierung einen Begriff machen. In der Tradition der deutschen Staatslehre und Staatsrechtslehre unterscheidet man zwischen einem organisatorischen und einem funktionalen Regierungsbegriff. Organisatorisch kann man etwa bei der Definition der Bundesregierung im Grundgesetz anknüpfen. Im Methodenwandel der Staatstheorie entwickelte sich dann ein Regierungsbegriff im funktionalen Sinne, der bei den Leistungen der Staatsleitung anknüpft. Dieser Begriff beschränkt sich nicht auf die Exekutive, sondern bezieht auch die Legislative im

62

Klaus König

Sinne einer Staatsleitung „zur gesamten Hand“ mit ein. Man könnte insoweit auch an die Verfassungsgerichtsbarkeit als „Nebenregierung“ denken. Wendet man sich von der Staatsrechtslehre der Politischen Wissenschaft als der anderen Basiswissenschaft der Regierungslehre zu, so hat deren Regierungsbegriff sein Herkommen in der Verselbstständigung dieser Disziplin nach 1945. Er ist an das angloamerikanische Verständnis von „government“ angelehnt, und zwar zunächst im Sinne der Summe aller politisch-autoritativen Institutionen, insbesondere von Exekutive und Legislative. Dann kam es aber zu Ausweitungen, die Parteien, Bürgerbewegungen, Interessenorganisationen, Medien und anderes einschließen, also zu einem Begriff, der sich auf alle Institutionen bezieht, die an der politischen Willensbildung und an dem politischen Entscheidungsprozess beteiligt sind. Der Arbeitsplatz der operativen Regierung ist die Exekutive. Insofern ist an eine organisatorische Begriffstradition anzuknüpfen. Freilich geht es dann nicht nur um Bundeskanzler, Bundesminister, Ministerkollegium, sondern auch um das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien, die Kabinettsorganisation, um oberste Bundesbehörden. Die von der Staatsrechtslehre und der Politischen Wissenschaft mit einbezogenen Institutionen von Parlament bis zu den intermedialen Verbänden bleiben nicht beiseite. Aber sie interessieren nicht für sich, sondern nur in den Interdependenzen mit dem Spitzenbereich der Exekutive. Führt man an dieser Stelle als weiteren Leitbegriff den des politischen Managements ein, dann wird einsichtig, um was es geht, nämlich um Planen, Organisieren, Rekrutieren, Koordinieren, Budgetieren usw. in einem spezifischen Regierungsbereich.

II. Gestaltung und Formgebung Um die Komplexität des Gegenstandes der operativen Regierung verständlich zu machen, pflege ich auf den Kabinettsvermerk hinzuweisen. Dieser enthält wie auch sonst Entscheidungen oder Entscheidungsvorschläge in der Moderne Aussagen zum Sachverhalt und zu Bewertungen, freilich angesichts begrenzten Umfangs oft in Verschränkungen. Bei Bewertungen steht an erster Stelle die Sachpolitik, also das umweltpolitische, wissenschaftspolitische, verkehrspolitische usw. Regierungsvorhaben. Des Weiteren ist die machtpolitische Lage zu würdigen. Der Status eines Beamten schließt es nicht aus, die politischen Konstellationen im Kabinett, in der Koalition, im Parlament, im Bundesrat usw. zu beurteilen. Die legalistische Staats- und Regierungskultur in Deutschland bringt es mit sich, dass die juristischen Bewertungen in Kabinettsvermerken hochbelastbar sind. Selbst wenn der zeichnende Referatsleiter Altphilologe ist, ist das Juristische systemisch abgesichert. Allerdings empfiehlt es sich nicht, von Rechtsbedenken zu sprechen. Exekutivpolitiker mögen Bedenkenträger nicht. Besser ist es, auf verfassungsrechtliche Risiken hinzuweisen. Diese Sprache liegt ihnen angesichts der impliziten Politik der Verfassungsrechtsprechung näher.

Regierungslehre in Speyer

63

Spätestens seit den Zeiten der Globalsteuerung werden volkswirtschaftliche Größen in Kabinettsvermerken angemessen berücksichtigt. Wie weit freilich über Beschäftigung, Investitionen, Preise usw. vertieft gesprochen wird, hängt von dem ökonomischen Interesse des jeweiligen Adressaten ab. Dem gegenüber fallen betriebswirtschaftliche Bewertungen nach wie vor ab. Zwar sind die Zeiten von „Kosten: keine“ bei Gesetzgebungsvorhaben vorbei. Aber Kosten, Leistungen, Nutzen erweisen sich nach wie vor als schwierig einzuschätzen. Sonst bedürfte es nicht eines Normenkontrollrates. Von der Regierungslehre vermutet man hiernach nicht, dass sie Sachpolitiken wie Bildungspolitik oder Familienpolitik für sich vorstellt oder Machtpolitik, Rechtspolitik, Finanzpolitik als je selbstständige Themen behandelt. Vielmehr wird der eigene wissenschaftliche Standort erwartet. Die Komplexität der Regierungsgeschäfte schließt dabei aus, die operative Regierung in ein bipolares Schema von Gegenstand und Methode zu fassen. Erkenntnisziele, Vorverständnis, Fragehorizont usw. sind wissenschaftsrelevante Größen, an denen man nicht vorbeigehen kann. Der Begriff des Designs gehört heute zum allgemeinen Sprachgebrauch und ist insbesondere auch auf Forschungsprojekte ausgedehnt worden. Entsprechend bedarf die Lehre von der operativen Regierung der Gestaltung und Formgebung. Insofern stellt sich wie bei Gebrauchsgegenständen zuerst die Nutzerfrage, wem man dienlich sein soll, also an wen sich die Lehre richtet. Es macht einen Unterschied, ob man eine „Liberal arts“ – Klasse zum Bildungsgegenstand „Regierung“ unterrichtet oder ob man vor Hörern steht, die eine weitere Professionalisierung in öffentlichen Angelegenheiten suchen. Im letzteren Falle geht es darum, Orientierungswissen zu Arbeit und Beruf zu vermitteln, das im Erkenntnisinteresse an der operativen Regierung generiert worden ist. Das geht nicht ohne einen gewissen Pragmatismus, in dem wissenschaftliche Aussagen auch als Muster praktischer Nutzanwendung, als Know-how verstanden werden. Wissenschaft ist nicht nur szientistische Selbstreferenz, sondern Wahrheitssuche, die sich in ihren praktischen Konsequenzen, in ihrer „power to work“ wissenschaftlicher Bewährung stellt. Ein pragmatisches Vorverständnis und dann eigene praktische Erfahrungen können freilich zu einem gewissen Subjektivismus führen. Für die Wissenschaft bietet sich hier ein gründliches Literaturstudium als Korrekturinstanz an. Zu studieren sind also Staatsrechtslehre und Politische Wissenschaft als Basiswissenschaften der Regierungslehre, letztere mit Übergängen zur Zeitgeschichte, weiter Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre des öffentlichen Sektors zusammen mit Managementlehren, Soziologie als Wertewissenschaft und als Organisationsdisziplin. Offen bleibt aus mehreren Gründen die Nutzung der Psychologie. Zum einen ist zu fragen, ob psychisch-persönliche Dispositionen überhaupt zu der hier intendierten Regierungslehre gehören. Weiter müsste man die konzeptionelle Vermischung von Führungs- und Managementlehren auflösen. Und schließlich steht man vor dem Problem, dass sich die deutsche Psychologie wenig für Regierende zu interessieren scheint. Man muss sich schon der US-amerikanischen Literatur etwa zur Präsident-

64

Klaus König

schaft zuwenden, wenn man ein fachlich fundiertes Psychogramm von Exekutivpolitikern finden will.

III. Vergleiche und Theorien Im Studium der regierungsrelevanten Literatur gibt es zwei Kapitel von besonderer Attraktivität, nämlich die vergleichende Regierungslehre und die großen Theorien: Diskurstheorien, Public Choice-Schule, Systemtheorie usw. Der Vergleich von Regierungen kann unter verschiedenen Prämissen durchgeführt werden: zum Ersten, um sich abzugrenzen, zum Zweiten, um Gemeinsames zu finden, zum Dritten, um sich selbst besser zu verstehen. Für die Orientierung an Arbeit und Beruf ist die staatliche Sphäre nach wie vor prägend. Abgrenzungen sind in Zeiten der Globalisierung und der Europäischen Integration nicht mehr so dienlich. Internationale und supernationale Institutionen sichern Gemeinsamkeiten indessen nur begrenzt. Besonders in der Krise zeigt sich, dass es zuerst die nationalstaatliche Ebene ist, die den gesellschaftlichen Wohlstand zu sichern hat. Unter diesem Vorzeichen geht es um das bessere Verstehen der eigenen Regierung, wenn Vergleiche beigezogen werden. Der Fragehorizont im operativen Geschäft wird ausgeweitet, wenn eine andere Welt zu Wort kommt. Das entspricht auch der Erfahrung, die ich im Arbeitskreis „Centres of Government“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gesammelt habe. Mein wissenschaftliches Interesse an Regierungszentralen im Vergleich ist von Fritz Morstein Marx angeregt worden, der neben seinem akademischen Leben auch im Exekutiv-Amt des amerikanischen Präsidenten tätig gewesen war. Es sind die großen Theorien, von denen man zuerst erhofft, den vorfindlichen Wissenschafts- und Methodenpluralismus zu überwinden. Zu den Prüfungszufälligkeiten meines Studiums der Rechts- und Staatswissenschaften gehört es, dass ich sowohl zur Methodenlehre der Rechtswissenschaft wie zur Theoriegeschichte der Volkswirtschaftslehre examiniert worden bin. Das hat mich zum Relativisten in der Einschätzung der Fruchtbarkeit von wissenschaftlichen Schulen gemacht. Meine Nachbarschaft zu Niklas Luhmann im Speyerer Forschungsinstitut ist indessen nicht ohne Bewunderung seiner Systemtheorie geblieben. Sein Konzept der Systemrationalität stützt viele meiner Aussagen. Aber der autopoietische Luhmann mit der selbstreferentiellen Gleichsetzung von System und generalisiertem Kommunikationsmedium hilft in der Regierungslehre nicht weiter. Regierende von Ministerialreferenten an kommunizieren nun einmal gleichermaßen mit Recht, Macht, Geld, usw. Sie als gespaltene Rollenträger zu konzipieren, die dann über Hilfsinstrumente wie strukturelle Koppelung, Kontextsteuerung usw. wieder zusammengesetzt werden, führt zu einem Konstruktivismus jenseits der Anschaulichkeit von Regierungsgeschäften. Hiernach ist es die Geschlossenheit der großen Theorien von der Reinen Rechtslehre bis zur Public Choice-Theorie, die sich für die Lehre von der operativen Regierung als dysfunktional erweist. Innerhalb des jeweiligen Lehrgebäudes wiederum vom Stufenbau der Rechtsordnung bis zu ökonomischen Regelwerken vermitteln

Regierungslehre in Speyer

65

sie aber fruchtbare Einsichten. Das lässt sich an der ökonomischen Theorie der Bürokratie belegen. Die „heroische“ Annahme dieser Theorie ist es, dass der individuelle Bürokrat ein Homo oeconomicus ist, der eben nicht dem Allgemeinwohl dient, sondern Eigennutz verfolgt, freilich kein Gewinnziel hat, aber die Maximierung seines Budgets einschließlich der Personalstellen anstrebt, da von deren Höhe Prestige, Machtfülle und auch Einkommen abhängig sind. Diese Grundannahme ist durch empirische Untersuchungen des Haushaltsgebarens von Spitzenbeamten widerlegt. Es gibt durchaus den „Budget minimizing“-Bürokraten. Im weiteren Ausbau dieses Theoriegebäudes kommt es dann aber zu durchaus für die Regierungslehre relevanten Konzepten. Zum Beispiel wird es unternommen, den Einfluss der Ministerialbürokratie auf das Regierungshandeln durch die Überprüfung der Informationsasymmetrien zwischen Politikern und Beamten zu klären. Die Informationsverluste zwischen beiden Sphären und die einschlägigen Kontrollstrukturen lassen sich ermitteln, kritische Momente bürokratischer Selbstreferenz bei der Festlegung der Tagesordnung oder bei einem „bürokratischen Drift“ der Implementation lassen sich diskutieren. Die Bürokratietheoretiker selbst mögen die Möglichkeiten des Ministerialdienstes in Parlamentarismus und Parteiendemokratie überschätzen. Aber die Fragestellungen sind offen genug, um sie empirisch zu beantworten. Anders ist es, wenn das Verhältnis von Exekutivpolitik und Bürokratie in ein Principal-Agent-Modell eingeschlossen ist. Informations- und Steuerungskanäle verlaufen eben nicht nur in der Hierarchie des Ressorts, sondern auch in den interministeriellen Beziehungen, in Kabinettsabstimmungen, in Koalitionsgesprächen und nicht zuletzt in der Kommunikation der Fachbeamten mit den Fachpolitikern im Arbeitsparlament. Will man der Komplexität der Regierung Rechnung tragen, ist man auf die Offenheit einschlägiger Fragestellungen angewiesen.

IV. Institutionalismus und Systemik Die Institutionenökonomie orientiert sich an einem sozialen Moment, das auch für meine Aussagen zu Verwaltungswissenschaft und Regierungslehre ausschlaggebend ist: der Institution. Die existentiellen Bedrohungen des Institutionenverlusts habe ich in Kriegs- und Nachkriegszeit früh erfahren. Reflektiert habe ich diese aber erst, als ich vor über 50 Jahren als Referendar in Speyer an einem Seminar von Arnold Gehlen teilgenommen habe. Institutionen waren hiernach für mich soziale Gebilde und Regelwerke, die man in ihrer Beschaffenheit wissenschaftlich untersuchen kann. Man kann sie auch gestalten und entwickeln. So war das „institution building“ in meinen Augen der Kernbereich der internationalen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, an der ich mich über viele Jahre beteiligt habe. Persönlich berührt hat mich aber besonders eine nationale Aufgabe, nämlich die Mitwirkung beim Aufbau der Staatskanzleien in den neuen Bundesländern.

66

Klaus König

Der Institutionalismus hat nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in den Sozialwissenschaften Auftrieb erfahren. Man spricht heute auch von einem Neoinstitutionalismus. In Deutschland ist insbesondere eine Schule des akteurszentrierten Institutionalismus einflussreich geworden. Sie stellt die Handelnden in den Kontext für sie relevanter Institutionen ein. Diese Schule hat sich auf dem Felde der Erforschung von Sachpolitiken – Policies – von der Genese bis zur Implementation als fruchtbar erwiesen. Ob das auch für die Analyse komplexer sozialer Gebilde zutrifft, mag man bezweifeln. Denn jeder Akteur in Politik und Verwaltung handelt in einer beschränkten Arena und erreicht entsprechend nur ein Teil des Institutionengefüges. Selbst der Chef des Bundeskanzleramtes agiert in begrenzten Spielräumen und erreicht in seinem Handeln nicht das gesamte Regelwerk des Regierens. Mir scheint deswegen für eine Lehre von der operativen Regierung ein systemischer Institutionalismus angemessener, der es unternimmt, das Institutionengefüge der Regierung in seiner Zusammenstellung, in seiner politisch-administrativen Ordnung des Regierens – Polity – zu erfassen. Damit ist keine „reine“ Lehre gemeint. Wo die Regierung selbst in Bewegung gerät, geraten auch Akteure ins Blickfeld. Wie zum Regierungsbegriff das politische Management als weitere Leitkategorie eingeführt worden ist, so ist zum Institutionalismus in der Regierung als weiterer Leitbegriff der der exekutiven Governance einzubeziehen. Governance meint sodann nicht die Kommunikation, das Verhalten, das Handeln individueller oder kollektiver Akteure des Regierens, der Herrschenden und Beherrschten. Es geht vielmehr um das Institutionengefüge, die stabilen, relativ dauerhaften, tatsächlichen und wiederholt gelebten Muster sozialen Verhaltens, wie sie auch das Regieren prägen. Institutionen sind die Bausteine des Governance-Ansatzes. Sie sind nicht nur Normen, Spielregeln, Regulative, sondern auch soziale Gebilde, Organisationen, Einrichtungen: Ministerien genauso wie Ministergesetze. Institutionen erstarren nicht in normativ-rationalen Ansprüchen. Sie bestehen nur soweit, wie sie in ihrem allgemeinen Charakter wirklich maßgeblich sind. Institutionen sind nicht an Formalitäten gebunden. Auch das informale Kommunikationsmuster nicht angeordneter, nicht geplanter, nicht festgeschriebener Handlungszusammenhänge, die informale Welt zwischen Organisationsplänen, Dienstanweisungen, Statushierarchien einerseits und Individualitäten und Motivationen von Personen und Gruppen andererseits kann sich institutionell verdichten.

V. Person und Institution Die Unterscheidung zwischen Informalität und Personalität bedarf einer Verdeutlichung. Wenn ein Bundeskanzler bestimmte Regierungsgeschäfte wegen innerparteilicher Schwierigkeiten einem ihm nahestehenden Parlamentarischen Staatssekretär eines Ressorts wegen dessen Position in der Kanzlerpartei anvertraut, kann man von persönlichen Beziehungen sprechen. Wenn hiernach ein Referatsleiter des Bundeskanzleramtes seinem Abteilungsleiter vorschlägt, eben diesem Parlamentari-

Regierungslehre in Speyer

67

schen Staatssekretär eine schwierige Angelegenheit zu übergeben, und zwar mit der Begründung, dass jener doch solche Geschäfte für den Kanzler durchzuführen pflegt, dann ist der Schritt von der Person zur Institution getan. Es geht um eine Regelmäßigkeit von Amt zu Amt, freilich ohne Berücksichtigung von Zuständigkeiten und in hohem Maße informal. Die Differenzierung von Person und Institution ist auch für den Führungsbegriff in Regierungsangelegenheiten maßgeblich. Der Managementbegriff ist eine institutionell-funktionale Kategorie. Man spricht von der Leitungsebene eines Ministeriums ohne Blick auf die Persönlichkeit des Ministers im Amt. Der Managementbegriff wird dem Leitungsbegriff nur deswegen vorgezogen, weil er sich als griffiger erwiesen hat und internationale Anschlussfähigkeiten zeigt. Die Regierungslehre verwendet nach einer Zeit der Abstinenz heute den Führungsbegriff immer mehr. Die Unterscheidung zwischen Management bzw. Leitung und Führung macht nur Sinn, wenn man letzteres Konzept mit einem Persönlichkeitsmoment versieht. Führung findet man so auch in personenbezogenen Erzählungen genannt, mit denen auf Prinzipielles hingewiesen werden soll. Vielfach kommt es aber auch zu einer unbedachten Vermischung beider Begriffe. Die Lehre von der operativen Regierung ist eine Institutionenlehre. Das Persönliche ist für sich nicht ihre Sache. Anders kann es sein, wenn Interdependenzen zwischen Person und Institution in Frage stehen. So wird angesichts der Übermacht und der Technizität moderner Regierungsapparate gefragt: „Do ministers matter?“, „Do ministers make a difference?“. Hier muss auch der Institutionalist darauf verweisen, dass die persönliche Handschrift eines Ministers alsbald zu spüren ist. Es macht einen Unterschied, ob er politischer Generalist oder ein Experte in seinem Ressort ist, ob er Regierungserfahrung hat oder sich in der Adaption an das Ministerium schwertut, ob er sich vom Systemvertrauen oder vom Misstrauen gegenüber der Ministerialbürokratie leiten lässt usw. Solche Probleme treffen auch die institutionelle Seite der Regierungsgeschäfte.

VI. Anschauungsmaterial und Systemrationalität Der systemische Institutionalismus führt mich zu einer Methode, die an die idealtypische Arbeitsweise Max Webers angelehnt ist. Es geht einerseits nicht um ein präskriptiv-rationales Modell richtiger Regierung. Vielmehr sind die konzeptuellen Zusammenhänge aus der historischen Wirklichkeit herauszuarbeiten. Andererseits handelt es sich nicht um deskriptiv-empirische Aussagen zur situativen Wirklichkeit einer Regierung in Raum und Zeit. Nicht die gesamte Erfahrungswelt soll abgedeckt werden. Vielmehr ist auf Grundzüge des Regierens zu achten, wie sie sich aus den stabilen, relativ dauerhaften Handlungsregelmäßigkeiten und Gleichförmigkeiten ergeben.

68

Klaus König

Mit einer solchen Methode kann man die konsistenten Funktionszusammenhänge ergründen. Der Institutionalismus setzt wie die Institutionenökonomie auf die Zweck-Mittel-Rationalität des Handelnden ab. Man muss keine richterliche Erfahrung haben um zu erkennen, wie sehr das öffentliche Leben von vernünftigen Konditionen abhängt. Die Subsumtionsrationalität des Wenn-Dann-Schemas ist nicht eine „barrier of rationality“, sondern eine weitere Handlungsrationalität. Das ist die Seite der Akteure. Es gibt aber auch die Seite der Regelwerke, sozialen Gebilde, Institutionen und ihrer Sinn- und Funktionszusammenhänge. Hier kann man in der modernen Regierung von Systemrationalität sprechen. Es sind mithin für die Lehre von der operativen Regierung zwei wissenschaftliche Leistungen zu erbringen: die Erforschung des Anschauungsmaterials zum Regieren und die Entschlüsselung der Systemrationalität von Handlungsregelmäßigkeiten und Gleichförmigkeiten des Regierens. Dabei geht es nicht um eine einfache Welt des Seins einerseits und des Sollens andererseits. Es gilt, die Faktizität des Normativen wie auch die Normativität des Faktischen zu beobachten. Ein Regierungschef ist bemüht, die Absprachen des Koalitionsvertrages breit in seine Regierungserklärung aufzunehmen. Angesichts seines Zeithaushalts bleibt freilich vieles ungesagt und wird so zunächst nicht in die gouvernementale Normativität eines Regierungsprogramms umgesetzt. Für den Ministerialbeamten sind Koalitionsvereinbarungen seines Zuständigkeitsbereichs politische Fakten. Er wird diese zur Normvorgabe seiner gouvernementalen Arbeitsagenda transferieren. Zur Regierungswirklichkeit kann man auf ein vielfältiges Material zurückgreifen. In der Regierungslehre zwischen Politischer Wissenschaft und Zeitgeschichte gibt es eine Vielzahl von Einzelbeobachtungen, in denen man das Prinzipielle vermutet, also zum Beispiel von einer bestimmten Kanzlerpersönlichkeit zur Kanzlerdemokratie kommt. Neben dem narrativen Moment verfügt man über eine Fülle von Statistiken, die die Auswertung erhobener sozialer Daten ermöglichen. Besonders hervorzuheben sind hier die Studien zu politischen und administrativen Eliten. Auch durch Hypothesen angeleitete empirische Forschungen gibt es für Teilbereiche, etwa zur Verteilung von Ministerien in Koalitionsregierungen. Neben anderen mehr kommt der Dokumentenanalyse erfahrungswissenschaftliche Kraft zu, wobei interne Papiere der Regierung besonders aufschlussreich sind. Ich stütze mich bei der Erfassung der Regierungswirklichkeit auch auf teilnehmende Beobachtung, wie sie die praktische Regierungstätigkeit ermöglicht, wenn man nach dem Druck der Tagesgeschäfte in später Abendstunde jene Distanz gewinnt, die wissenschaftliche Reflexion nun einmal braucht. Meine Erfahrung mit der „revolving door“ des US-amerikanischen Regierungssystems, mit dem Wechsel zwischen gouvernementalen und nichtgouvernementalen Positionen, insbesondere in der dortigen National Academy for Public Administration haben mich davon überzeugt, dass solche Einblicke in die Arkana der Macht für die Regierungslehre besonders fruchtbar sind. Übrigens kamen die beiden Counterparts im Weißen Haus, die ich kennengelernt habe, nämlich im Amt des „Assistant to the president for domestic

Regierungslehre in Speyer

69

policy“, aus der akademischen Welt und kehrten in diese zurück, der eine als Professor nach Harvard, der andere als Direktor einer präsidentiellen Gedächtnisbibliothek. Freilich bedürfen Erfahrungen aus der teilnehmenden Beobachtung einer Vergewisserung. Insbesondere mit Zeitabläufen sind Nachfragen erforderlich. Regierungen zeichnen sich zwar in ihrer Operativität durch beachtliche Konstanten aus. Die Ministerialbürokratie sichert nicht zuletzt Kontinuität und Stabilität von Regierungsgeschäften. Aber auch sie ist der Dynamik des sozialen Wandels ausgesetzt. Insoweit ist es nützlich, über alte Kommunikationskanäle zu verfügen, mit denen man sich über den Stand der Dinge informieren kann. Praktische Erfahrung erleichtert auch das Entschlüsseln von Handlungsregelmäßigkeiten und Gleichförmigkeiten des Regierens in ihrer Systemrationalität. Man versteht das gouvernementale Institutionsgefüge besser, wenn man sich ihm nicht von einzelnen Erkenntnisschritten, sondern von einem breit erfahrenen Deutungsrahmen nähern kann. Eine Regierungspraxis, die selbst von einer wissenschaftlichen Zivilisation geprägt ist, kann hier hilfreich sein. Freilich kann man auch zuviel Verständnis für die Lasten der Regierungsgeschäfte entwickeln. Hier hilft jene kritische Sichtweise, die zu den Grundlagen wissenschaftlicher Reflexion gehört. Der skizzierte Weg methodologischer Gestaltungen und Formgebungen führt zu den Themen einer Lehre von der operativen Regierung, mithin zum Regierungssystem, zu den Regierungsfunktionen, zur Regierungsbildung, zum Regierungsprogramm, zur Regierungsorganisation, zum Regierungsprozess, zum Regierungspersonal. Eine Heuristik ist insoweit intendiert, die die interdisziplinären Möglichkeiten eines offenen Wissenschafts- und Methodenpluralismus nutzt, um zu den klassischen Fragen der Herrschaftsausübung, nämlich nach Macht, Recht, Geld komplementär Regieren als Arbeit und Beruf hinzuzufügen. Entsprechend sollen die im allgemeinen Hochschulbereich absolvierten Grundstudien durch eine professionell orientierte Wissenschaftsvermittlung in öffentlichen Angelegenheiten ergänzt und damit der Mehrwert einer Ausbildung und Weiterbildung in Speyer gestärkt werden.

Literatur vom Verfasser König, Klaus (Hrsg.): Koordination und integrierte Planung in den Staatskanzleien, Berlin 1976. – Staatskanzleien – Funktionen und Organisation, Opladen 1993. – Verwaltete Regierung – Studien zur Regierungslehre, Köln u. a. 2002. – Moderne öffentliche Verwaltung, Berlin 2008. – Operative Regierung, Tübingen 2015. König, Klaus/Jann, Werner (Hrsg.): Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Tübingen 2008.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft Karl-Peter Sommermann Sieht man die Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte zum öffentlichen Recht durch, so ist eine stetige Zunahme an Publikationen unverkennbar, die den nationalen Rechtsrahmen überschreitende Themen und Analysen zum Gegenstand haben1. Leicht lässt sich feststellen, dass insbesondere der Einfluss des sich ausdehnenden Europarechts dazu Anlass gegeben hat. Doch reichen die Themen weiter. Die Rechtswissenschaft und nicht zuletzt die Wissenschaft vom öffentlichen Recht beginnt sich aus der Beschränkung auf das nationale Recht zu lösen. Autoren wie Rudolf von Ihering, der Ende des 19. Jahrhunderts zur Überwindung der Gefahr eines Versinkens der Rechtswissenschaft in Provinzialismus aufrief2, würden diese Entwicklung gewiss begrüßen. Ausgehend von dem Befund einer zunehmenden Transnationalisierung der rechtswissenschaftlich Diskurse, sollen im Folgenden zunächst die nationale Prägung des Verwaltungsrechts und frühe transnationale Austauschprozesse (I. u. II.) und sodann die schrittweise Herausbildung eines europäischen und eines internationalen Verwaltungsrechts in den Blick genommen werden (III.), um anschließend die Ziele und Methoden einer diese Entwicklung begleitenden transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft zu erörtern (IV. u. V.).

1 Für die neue Perspektive steht insbesondere das zugleich programmatisch zu verstehende, von Armin von Bogdandy und Peter M. Huber herausgegebene Werk „Ius Publicum Europaeum“, von dem bislang fünf Bände erschienen sind (Heidelberg 2007, 2008, 2010, 2011, 2014). Eine europäische Perspektive prägt auch das von Detlef Merten und Hans-Jürgen Papier herausgegebene Werk „Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa“ (bisher neun Bände bzw. Teilbände, Heidelberg 2004 ff.). Eine Zusammenschau nationaler Verwaltungsrechtssysteme, orientiert an Querschnittsthemen, unternehmen für das Verwaltungsrecht Michel Fromont, Droit administratif des États européens, Paris 2006, und für das Verfassungsrecht Constance Grewe/Hélène Ruiz Fabri, Droits constitutionnels européens, Paris 1995, sowie Albrecht Weber, Europäische Verfassungsvergleichung, München 2010. Vergleichende Beiträge zu Einzelthemen z. B. in Giandomenico Falcon (Hrsg.), Il diritto amministrativo dei paesi europei tra omogeneizzazione e dibersità culturali, Padova 2005. Wegen weiterer Nachweise siehe unten, insbesondere Anm. 25 ff. 2 Rudolf von Ihering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Erster Teil, 6. Aufl., Leipzig 1907 (1. Aufl. 1854), S. 14 f.

72

Karl-Peter Sommermann

I. Verwaltungsrecht als autochthones Recht? Das Verwaltungsrecht gilt herkömmlich als eine derjenigen Rechtsmaterien, „in denen die nationale Eigenart eines Volkes und Staates sich am stärksten ausprägt“3. Während das Zivilrecht jedenfalls in Kontinentaleuropa lange durch die Klammer des auf dem römischen Recht fußenden Gemeinen Rechts (ius commune) zusammengehalten wurde4, ehe mit den nationalen Kodifikationen eine rationale Rekonstruktion5 und Konkretisierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze unternommen wurde6, reicht die Ausdifferenzierung der Herrschaftsstrukturen weit in die Geschichte zurück. In seiner „Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften“ hat Robert von Mohl Mitte des 19. Jahrhunderts das staatsrechtliche Schrifttum der Schweiz, der Vereinigten Staaten von Amerika, Englands, Deutschlands und insbesondere Frankreichs analysiert und dabei indirekt die unterschiedlichen Wege beschrieben, die die Herrschaftsordnungen im Spiegel der Staatsrechtslehre seit dem Mittelalter genommen haben7. Die in den meisten Staaten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Verselbständigung des Verwaltungsrechts gegenüber dem Staatsrecht8 konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht Thema sein, ebenso wenig die Entfaltung der nationalen Verwaltungsrechtsordnungen, in denen sich bald das nationalstaatliche Denken mit dem Rechtspositivismus verband, was zu einer weiteren Betonung der Individualität des nationalen Rechts führte. Es wäre indes eine Fehleinschätzung anzunehmen, die nationalen Herrschaftsund Verwaltungsrechtsordnungen hätten im 19. Jahrhundert zusammenhanglos nebeneinander bestanden. Selbstverständlich hatte der Konstitutionalismus staatenübergreifend eine Vergewisserung über staatsorganisatorische Grundkonzepte ge3 Ulrich Scheuner, Der Einfluss des französischen Verwaltungsrechts auf die deutsche Rechtsentwicklung, in: DÖV 1963, S. 714. Vgl. aus rechtsvergleichender Perspektive bereits Lorenz von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts, Stuttgart 1870, S. 13 (in der Neuausgabe von Utz Schliesky, Tübingen 2010, S. 11): Der „unerschöpfliche Reichthum des Lebens der Welt“ sei „nirgends größer … als gerade auf dem Gebiete der Verwaltung und ihres Rechts“. 4 Vgl. nur Ulrich Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl., München 1995, § 28 Rdnr. 243 ff. (S. 165 ff.); Rafael Domingo, The New Global Law, Cambridge 2010, S. 14 ff. 5 In Deutschland richtete sich der rationalistische Ansatz insbesondere gegen die romantische Rechtsschule, die das Recht als nicht kodifizierbare Emanation des sich entwickelnden Bewusstseins des Volkes, des Volksgeistes, betrachtete und maßgeblich von Friedrich Carl von Savigny geprägt wurde; vgl. nur von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heidelberg 1814, insbesondere S. 8 ff . 6 Dazu Rémy Cabrillac, Les codifications, Paris 2002, S. 68 ff. 7 Robert Mohl, Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, 3 Bände, Erlangen 1855/56/58 (Nachdruck 1960); prägnante vergleichende Betrachtung insbesondere in Bd. 3, S. 3 ff. 8 Vgl. dazu die kurze Darstellung von Bernardo Sordi, Rechtsstaat and the Rule of law: Historical reflections on the emergence of administrative law in Europe, in: S. Rose-Ackerman/P. L. Lindseth (Hrsg..), Comparative Administrative Law, Cheltenham 2010, S. 23 – 36. Zur Entwicklung in Deutschland näher Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2, München 1992, S. 229 – 265, insbesondere S. 258 ff.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

73

bracht und versiegte der Fluss der politischen und staatsrechtlichen Ideen zwischen den Staaten niemals vollständig. Bei von Mohl wie bei anderen Autoren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dient die Betrachtung der fremden Staatsordnungen, insbesondere des amerikanischen Regierungssystems9, zugleich als Folie für die Erörterung politischer Reformen im eigenen Land10. Und kühne Konzepte für ein europäisches und internationales Verwaltungsrecht tauchten etwas später gerade in der Zeit nationaler Abschottung auf11. Insgesamt kann trotz aller Divergenzen nicht davon die Rede sein, dass das Verwaltungsrecht sich autochthon entwickelt hätte.

II. Die Verwaltungsrechtswissenschaft zwischen nationaler Selbstreferenz und internationaler Öffnung Die Herausbildung einer eigenständigen Verwaltungsrechtswissenschaft manifestierte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in Werken, die sich nicht mit einer bloßen Sammlung, Zusammenstellung und Ordnung von Rechtsquellen begnügten, sondern stattdessen von dem Bestreben zeugten, zur Systembildung des Verwaltungsrechts beizutragen, indem die Prinzipien, die den über mehrere Politikfelder verstreuten Verwaltungsrechtsnormen zugrunde liegen, identifiziert und konturiert wurden. In Deutschland und Italien, wo die Kohärenz des Rechts besondere Bedeutung für die Stabilisierung des erst spät die nationale Einheit erlangenden Staates hatte, aber auch in Frankreich, wo die Entwicklung eines eigenständigen Verwaltungsrechts schon früher, in der napoleonischen Zeit eingesetzt hatte, führten die maßgeblichen Werke nun das neue Programm im Titel, so etwa „Grundsätze des Verwaltungsrechts“ (Friedrich Franz Mayer)12, „Principii di diritto amministrativo“ (Vitto-

9

Vgl. insbesondere Robert Mohl, Das Bundes-Staatsrecht der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Stuttgart 1824, sowie später ders., Amerikanisches Staatsrecht, in: Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes Bd. 8 (1836), S. 359 ff.; ders., Entwicklung der Demokratie in Nordamerika und in der Schweiz, ebd., Bd. 16 (1944), S. 275 ff. (bereits im Beitrag von 1836 in Auseinandersetzung mit Alexis de Tocqueville, De la démocratie en Amérique, 1835). 10 Dazu Charlotte A. Lerg, Amerika als Argument. Die deutsche Amerika-Forschung im Vormärz und ihre politische Deutung in der Revolution von 1848/49, Bielefeld 2011. 11 Vgl. insbesondere Lorenz von Stein, Einige Bemerkungen über das internationale Verwaltungsrecht, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft Bd. 6 (1882), S. 396 – 442; dazu Karl-Peter Sommermann, Europäisches Verwaltungsrecht als „die großartigste Rechtsbildung der Weltgeschichte“? – Die Vision von Lorenz von Stein aus heutiger Perspektive, in: DÖV 2007, S. 859, 860 ff. (m.w.N.). 12 Friedrich Franz Mayer, Grundsätze des Verwaltungs-Rechts mit besonderer Rücksicht auf gemeinsames deutsches Recht, sowie auf neuere Gesetzgebung und bemerkenswerte Entscheidungen der Obersten Behörden zunächst der Königreiche Preußen, Baiern und Württemberg, Tübingen 1862. Vorrangiges Ziel des Werkes sei es, das „Einzelne auf das Allgemeine“ zurückzuführen und die „obersten, leitenden Grundsätze“ herauszuarbeiten (ebd., S. V).

74

Karl-Peter Sommermann

rio Emanuele Orlando)13 oder „Les principes généraux du droit administratif“ (Gaston Jèze)14. Gleich ob im Titel der nationale Bezug hinzugefügt würde oder nicht, ging es jeweils um die Grundlagen der eigenen Rechtsordnung. Die Beschäftigung mit den Grundelementen des Verwaltungsrechts legte freilich nahe, Inspiration auch in benachbarten Rechtsordnungen zu suchen. Der heute als Begründer des modernen deutschen Verwaltungsrechts geltende Otto Mayer, der in seiner Straßburger Zeit eine Theorie des französischen Verwaltungsrechts geschrieben hatte15, bediente sich für die Systematisierung und dogmatische Erfassung des deutschen Verwaltungsrechts französischer Konzepte, die er freilich in spezifisch deutsche Begriffe transformierte. Ein bekanntes Beispiel ist die Übernahme des Begriffs „acte administratif“ (Verwaltungsakt), der sich im französischen Recht auch auf abstrakt-generelle Regelungen der Verwaltung bezieht, in Deutschland indes von Anfang an auf administrative Einzelfallregelungen beschränkt wurde16. Bei Otto Mayer zeigt sich deutlich die Ambivalenz zwischen dem Bestreben, einerseits ein besonderes nationales Verwaltungsrecht zu bewahren und weiter auszubilden, andererseits den rechtswissenschaftlichen Diskurs über die nationalen Grenzen zu führen. In Frankreich kann man Ähnliches in der Spätzeit der Dritten Republik beobachten. Während im 19. Jahrhundert, nicht zuletzt wegen der in der napoleonischen Zeit übernommenen Vorreiterrolle, die Weiterentwicklung der eigenen, als überlegen wahrgenommenen Rechtsordnung im Vordergrund stand, öffnet sich nach der Jahrhundertwende der Blick für die Rechtslehre der Nachbarstaaten, insbesondere die deutsche. Für diese neue Orientierung steht das Dreigestirn der französischen Staatsrechtslehre der Dritten Republik Léon Duguit17, Maurice Hauriou18 und Raymond Carré de Malberg19.20 In allen Werken geht es trotz der Zuwendung zu deutschen Autoren wie Friedrich Gerber, Otto von Gierke, Paul Laband, Rudolf von Gneist und Georg Jellinek zugleich um eine Abgrenzung in den konzeptionellen Grundlagen. 13 Vittorio Emanuele Orlando, Principii di diritto amministrativo, Firenze 1891. Vgl. auch Santi Romano, Principii di diritto amministrativo italiano, Milano 1901. 14 Gaston Jèze, Les principes généraux du droit administratif, Paris 1904. Vgl. im Vorwort der 2. Aufl. (1914) S. VII: „J’ai l’ambition de dégager, des lois, règlements, pratiques administratives et arrêts des tribunaux, les principes juridiques qui dominent l’ensemble des institutions du Droit administratif français.“ 15 Otto Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, Strassburg 1886. 16 Vgl. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. München/Leipzig 1914, S. 61 ff., 95 ff. 17 Vgl. nur Léon Duguit, Les transformations du droit public, Paris 1913; ders., Traité de droit constitutionnel, 5 Bände, 2. Aufl., Paris 1921 – 1925. 18 Vgl. nur Maurice Hauriou, Précis de droit administratif et de droit public, 1. Aufl., Paris 1892; ders., Précis de droit constitutionnel, 1. Aufl., Paris 1923. 19 Vgl. nur Raymond Carré de Malberg, Contribution à la théorie générale de l’État, spécialement d’après les données fournies par le droit constitutionnel français, 2 Bände, Paris 1920/22. 20 Zur Beschäftigung der genannten Autoren mit dem deutschen Schrifttum vgl. Karl-Peter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen 1997, S. 85 ff.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

75

III. Die Konsolidierung eines europäischen und internationalen Verwaltungsrechts War das Interesse am Verfassungs- und Verwaltungsrecht anderer Staaten gerade auch in einer nationalistisch geprägten Zeit bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts lebendig21, sollte es ein halbes Jahrhundert dauern, bis vergleichbare grundsätzliche Diskurse grenzüberschreitend geführt wurden. Zwar war die Rechtsvergleichung etabliert und auf der Suche nach ihren methodischen Grundlagen22, doch ein neues Aufgabenfeld erschloss sich erst mit dem Voranschreiten der europäischen Integration. 1. Erfassung des europäischen Verwaltungsrechts Entscheidend für die Belebung des transnationalen Dialogs war die deutliche Zunahme verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorgaben durch das sekundäre europäische Gemeinschaftsrecht in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, denen in den 90er Jahren eine Verstärkung der organisationsrechtlichen Steuerung durch sekundäres Gemeinschaftsrecht folgte23. Längst war klar geworden, dass eine gleich effektive Implementierung des materiellen Gemeinschaftsrechts nur erreicht werden kann, wenn die nationalen Verwaltungen funktional vergleichbar arbeiten, was nicht der Fall war und ist und daher den Gemeinschafts- bzw. Unionsgesetzgeber immer wieder veranlasst hat, in die prozedurale und organisatorische Gestaltung der Mitgliedstaaten einzugreifen. In Deutschland gebührt Jürgen Schwarze das Verdienst, seit seiner 1982 erschienenen Schrift „Europäisches Verwaltungsrecht im Werden“24 als erster das „europäische Verwaltungsrecht“ als eigenständige Materie konzeptualisiert zu haben. Mit seinem in seiner Zeit am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz entstandenen und 1988 erschienenen gleichnamigen zweibändigen Werk setzte er sich zum Ziel, „nach der Art eines Handbuchs den heute erreichten Entwicklungsstand des europäischen Verwaltungsrechts auf[zu]weisen“ und dabei „nicht nur die Einflüsse nationaler Verwaltungsrechtsgrundsätze auf das europäische Gemeinschaftsrecht [zu] verdeutlichen, sondern auch die Rückwirkungen des neu gebildeten Europarechts auf die nationalen Verwaltungsrechtsordnungen transparent zu machen“25. Allerdings ging es 21

Siehe die Erscheinungsjahre der in Anm. 17 bis 19 genannten Werke. Vgl. die vor 50 Jahren gezogene Bilanz zum Stand der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht und ihrer Methode in den Beiträgen von Joseph H. Kaiser, Helmut Strebel, Rudolf Bernhardt und Karl Zemanek in ZaöRV Bd. 24 (1964), S. 391 ff., 405 ff., 431 ff. bzw. 453 ff. 23 Vgl. Karl-Peter Sommermann, Veränderungen des nationalen Verwaltungsrechts unter europäischem Einfluss, in: J. Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts, Baden-Baden 2008, S. 181, 188 ff. 24 Jürgen Schwarze (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, Baden-Baden 1982. 25 Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1, Baden-Baden 1988, S. I. Englische Fassung: ders., European Administrative Law, London 1992; Neuedition der 22

76

Karl-Peter Sommermann

damals nicht um eine geschlossene Darstellung eines europäischen Verwaltungsrechts. Nach einem grundsätzlichen Kapitel zur europäischen Verwaltung, ihrer Rechtsquellen und zur Rolle der Rechtsvergleichung wird in einem zweiten Kapitel in Form von Landesberichten ein Überblick über die Verwaltungsrechtsordnungen von zwölf EG-Mitgliedstaaten gegeben, bevor im Weiteren für die Gemeinschaftsrechtsordnung relevante Prinzipien und Themenbereiche vertieft werden. Die Technik, durch vorstrukturierte Landesberichte eine Vergleichsbasis zu schaffen, wurde natürlich bereits früher angewandt. Mittlerweile liegen für zentrale Bereiche des öffentlichen Rechts zahlreiche Länderberichte vor, die mit mehr oder weniger ausführlichen rechtsvergleichenden Analysen verbunden werden26. Was genau Inhalt eines europäischen Verwaltungsrechts ist, wird nach wie vor unterschiedlich beantwortet, sei es dass man damit die Summe europarechtlicher Vorschriften meint, die das Handeln der EU-Organe und der mitgliedstaatlichen Behörden beim Vollzug von Gemeinschaftsrecht steuern, sei es dass man weitergehend alle gemeineuropäischen Standards sowie die unterschiedlichen Phänomene wechselseitiger Beeinflussung erfasst27. Werke zu einem weit verstandenen europäischen Verwaltungsrecht sind mittlerweile in allen großen EU-Staaten erschienen. Hingewiesen deutschen Ausgabe mit vorangehender Abhandlung über „die neuere Entwicklung des europäischen Verwaltungsrechts“: Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Baden-Baden 2005. 26 Beispiele (neben den einschlägigen Beiträgen in den in Anm. 1 genannten Werken) für entsprechende vergleichende Überblicke auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts: Carl Hermann Ule/Franz Becker/Klaus König (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, 2 Bände, Berlin 1967, Javier Barnés Vazquez (Hrsg.), El procedimiento administrativo en el Derecho comparado, Madrid 1993, Hermann Hill/Rainer Pitschas (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, Berlin 2004, und Jean-Bernard Auby (ed.), Codification of Administrative Procedure, Brüssel 2014; auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstes: Siegfried Magiera/Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Das Recht des öffentlichen Dienstes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1994, und Christoph Demmke, European Civil Services between Tradition and Reform, Maastricht 2004; auf dem Gebiet des Verwaltungsprozessrechts: Javier Barnés Vazquez (Hrsg.), La justicia administrativa en el Derecho comparado, Madrid 1993, und Yann Aguila/Yves Kreins/Adam Warren, La justice administrative en Europe / Administrative justice in Europe, Paris 2007. Länderberichte zu einer Vielzahl von Themen des Verwaltungsrechts bzw. des Verfassungsrechts (jeweils durch eine nicht verbindliche Stichwortliste vorstrukturiert) finden sich in dem vom Centre de Recherches Administratives an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Aix-enProvence hrsg. Annuaire Européen d’Administration Publique, von dem zuletzt Band 37 (2014) erschienen ist, bzw. in dem von dem Groupe d’Études et de Recherches sur la Justice Constitutionnelle derselben Universität hrsg. Annuaire International de Justice Constitutionnelle; hier ist zuletzt Band 30 (2014) erschienen. 27 Näher zur terminologischen Frage Karl-Peter Sommermann, Europäisches Verwaltungsrecht oder Europäisierung des Verwaltungsrechts? – Inkonsistenzen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, in: DVBl. 1991, S. 889, 891; ders., Veränderungen des nationalen Verwaltungsrechts unter europäischem Einfluss – Analyse aus deutscher Sicht, in: J. Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts. Rechtsvergleichende Analysen, Baden-Baden 2008, S. 181 ff.; Thorsten Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, Tübingen 2012, S. 24 ff.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

77

sei nur auf den in erster Auflage im Jahr 1997 publizierten „Tratatto di diritto amministrativo europeo“, herausgegeben von Mario P. Chiti und Guido Greco28, und das von Jean Bernard Auby und Jacqueline Dutheil de la Rochère herausgegebene und in erster Auflage zehn Jahre später erschienene Werk „Droit administratif européen“29. Im Wesentlichen auf eine Analyse des EU-Rechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH beschränkt sich demgegenüber das im Jahr 2006 publizierte Werk „EU Administrative Law“ des in Oxford lehrenden Rechtswissenschaftler Paul Craig30. Länderanalysen sowie einen rechtsvergleichenden Ansatz unter Verknüpfung des nationalen Rechts und des Unionsrechts betet das 2008 erschienene Werk „Europäisches Verwaltungsrecht“ des Kölner Staatsrechtlers und Richters am EuGH Thomas von Danwitz31. Aus dem mittlerweile kaum mehr zu überblickenden Schrifttum zum europäischen Verwaltungsrecht sind wichtige Erkenntnisse zur Reichweite gemeineuropäischer Standards erwachsen. Wurden früher häufig Divergenzen betont32, werden heute eher die Konvergenzen hervorgehoben33. Diese ergeben sich zum einen aus dem immer dichter werdenden Netz unionsrechtlicher Vorgaben, etwa im Bereich des Regulierungsrechts34, zum anderen aus dem zunehmenden horizontalen Austausch von Konzepten rechtlich einzubindenden Verwaltungsmanagements, man denke nur an Leitprinzipien des New Public Management35 und Public-private part28

Mario P. Chiti/Guido Greco (dir.), Trattato di diritto amministrativo europeo, 2 Bände, 2. Aufl., Milano 2007. 29 Jean-Bernard Auby/Jacqueline Dutheil de la Rochère (dir.), Droit administratif européen, 2. Auflage, Brüssel 2014. 30 Paul Craig, EU Administrative Law, Oxford 2006. 31 Thomas von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, Berlin 2008. 32 Vgl. Ulrich Scheuner, Der Einfluss des französischen Verwaltungsrechts auf die deutsche Rechtsentwicklung, DÖV 1963, 714; Kahn-Freund, On Uses and Misuses of Comparative Law, in: The Modern Law Review 37 (1974), S. 1, 17; Hans Peter Ipsen, Diskussionsbeitrag, in: Schwarze, Verwaltungsrecht im Werden (Anm. 24), S. 123; Kritisch gegenüber der „Konvergenzthese“ auch Heinrich Siedentopf/Benedikt Speer, Europäischer Verwaltungsraum oder Europäische Verwaltungsgemeinschaft? – Gemeinschaftsrechtliche und funktionelle Anforderungen an die öffentlichen Verwaltungen in den EU-Mitgliedstaaten, in: DÖV 2002, S. 753, 756. 33 Vgl. bereits Michel Fromont, La justice administrative en Europe: convergences, in: Mélanges René Chapus, Paris 1992, S. 197 ; vgl. auch die Beiträge in Gérard Marcou (Hrsg.), Les mutations du droit de l’administration en Europe – pluralisme et convergence, Paris 1995; Karl-Peter Sommermann, Konvergenzen im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht europäischer Staaten, in: DÖV 2002, S. 133 – 143. 34 Vgl. nur Gabriele Britz, Vom Europäischen Verwaltungsverbund zum Regulierungsverbund, in: EuR Bd. 41 (2006), S. 46 ff., sowie die Beiträge in Michael Fehling/Matthias Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, Tübingen 2010; rechtsvergleichend, insbesondere zu Deutschland und Frankreich, Johannes Masing/Gérard Marcou (Hrsg.), Unabhängige Regulierungsbehörden, Tübingen 2010. 35 Vgl. Hans Peter Bull/Veith Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 8. Aufl, Heidelberg 2009, § 28 3 (S. 509 ff.).

78

Karl-Peter Sommermann

nerships36. Es lässt sich sagen, dass die international diskutierten Modernisierungskonzepte auch im rechtlichen Bereich als Konvergenzbeschleuniger wirken37. Interdisziplinärer Forschungsbedarf besteht freilich nicht allein aus diesem Grunde. Die Konvergenzen im Verwaltungsrecht haben nur bedingt zu einer gleichwertigen Implementation des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten geführt. Die Aufmerksamkeit auch der Rechtswissenschaftler richtet sich daher zunehmend auf die Substrukturen des Rechts, insbesondere die unterschiedlichen Rechts- und Verwaltungskulturen38 der Staaten. Zum rechtlichen Anknüpfungspunkt kann das in Artikel 41 der Europäischen Grundrechte-Charta verankerte Recht39 auf eine gute Verwaltung genommen werden, das neben „harten“ rechtlichen Regeln und Prinzipien auch „weiche“, die Verwaltungsethik betreffende Standards umfasst, wie insbesondere die Konkretisierung durch den Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis zeigt, der vom Europäischen Bürgerbeauftragten erarbeitet wurde40. Eine nähere Analyse der verwaltungskulturellen Grundlagen bedarf indes der Anwendung sozialwissenschaftlicher Methoden, wozu nicht zuletzt die Erarbeitung empirisch gestützter Typologien zählen, wie sie Klaus König entwickelt hat41.

2. Die „Entdeckung“ des internationalen Verwaltungsrechts Befindet sich das Europäische Verwaltungsrecht als Forschungsgegenstand der Verwaltungsrechtswissenschaft noch in einer Findungsphase, sowohl was den Gegenstand als auch die Methodologie anbetrifft, so gilt dies umso mehr für das internationale Verwaltungsrecht. Die Internationalisierung des Verwaltungsrechts beschäftigt die Rechtswissenschaft verstärkt seit der Jahrtausendwende. Zahlreiche multilaterale Verträge, wie z. B. das Übereinkommen über nukleare Sicherheit von 199442 enthalten Vorgaben für die nationalen Verwaltungen. Ein Vertragswerk wie 36 Vgl. Graeme A. Hodge/Carsten Greve/Anthony E. Boardman (Hrsg.), International Handbook on Public-Private Partnerships, Cheltenham 2010; zur unionsrechtlichen Dimension siehe Ulrika Mörth, European Public-Private Collaboration: A Choice Between Efficiency and Democratic Accountability?, Cheltenham 2008; Vincenzo Ferraro, I partenariati pubblico – privati nella prospettiva del diritto europeo, London 2010. 37 Vgl. Emilie Chevalier, Bonne administration et Union européenne, Bruxelles 2014, S. 58, 85 ff. 38 Cf. Karl-Peter Sommermann, Towards a Common European Administrative Culture?, in: K. König/S. Kropp/C. Reichard/K.-P. Sommermann/J. Ziekow (Hrsg.), Grundmuster der Verwaltungskultur, Baden-Baden 2014, S. 605 – 630. 39 Vgl. dazu nur Chevalier, Bonne administration et Union européenne (Anm. 37), S. 311 ff. 40 The European Ombudsman, The European Code of Good Administrative Behaviour, Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities, 2005. 41 Vgl. etwa Klaus König, On the Typology of Public Administration. Second Braibant Lecture, Bruxelles 2003. 42 Convention on Nuclear Safety v. 20. 9. 1994, BGBl. 1997 II, S. 131; U.N.T.S. Bd. 1963, S. 293; ILM Bd. 33 (1994), S. 1518.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

79

das der Aarhus-Konvention von 199843, erarbeitet im Rahmen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, zeigt zudem eindrucksvoll, wie auch das Unionsrecht durch Völkerrecht vorgeprägt werden kann, so dass die nationalen Rechtsordnungen durch internationale Verträge und sekundäres Unionsrecht gleichzeitig gesteuert werden44. Die Analyse der Wirkung der internationalen Vorgaben im europäischen und nationalen Verwaltungsrecht ist damit zu einer wesentlichen Aufgabe der Verwaltungsrechtswissenschaft geworden. In seiner Heidelberger Emeritierungsvorlesung hat Eberhard Schmidt-Aßmann im Jahre 2006 ein Plädoyer für die Etablierung des internationalen Verwaltungsrechts als Forschungsgebiet gehalten45. Dabei hat er sich einem Begriffsverständnis angeschlossen, welches das internationale Verwaltungsrecht nicht in Parallele zum internationalen Privatrecht als Kollisionsrecht46 konzipiert, sondern sich auf die Summe der völkerrechtlichen Vorschriften bezieht, die internationales und nationales Verwaltungshandeln steuern. Dieses Begriffsverständnis kann mittlerweile als gefestigt gelten47. 43 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-making and Access to Justice in Environmental Matters) v. 25. 6. 1998, ABl. der EU Nr. 124 v. 17. 5. 2005, S. 4; ILM Bd. 38 (1999), S. 517. 44 Dazu eingehend Nicola Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, Tübingen 2013, insbesondere S. 134 ff., 322 ff. 45 Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Herausforderung der Verwaltungsrechtswissenschaft durch die Internationalisierung der Verwaltungsbeziehungen, in: Der Staat Bd. 45 (2006), S. 317 ff. 46 In diesem Sinne verwenden etwa Christoph Engel, Die Einwirkungen des europäischen Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Verwaltungsrecht, in: Die Verwaltung Bd. 25 (1992), S. 437, 451 ff., und Christine Breining-Kaufmann, Internationales Verwaltungsrecht, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht (ZSR) 2006 II, S. 75 – 136, den Begriff. Dieses kollisionsrechtliche Verständnis steht in der Tradition von Karl Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. 1, München u. a. 1910 (Bd. 2: 1922; Bd. 3, 1. u. 2. Abt.: 1926/1930; Bd. 4: 1936). Für Neumeyer ist es „die Aufgabe eines internationalen Verwaltungsrechts … die Grenzen der öffentlichen Gewalt in Verwaltungssachen gegenüber der öffentlichen Gewalt anderer Gemeinschaften zu ziehen, nicht anders, wie es Aufgabe des internationalen Zivilrechts ist, diese Grenzen für das Zivilrecht zu bestimmen …“ (Bd. 1, S. IV). Zum öffentlichen Kollisionsrecht näher Martin Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, Tübingen 2010, S. 202 – 265. 47 So bereits Christian Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, Berlin 2001 (passim); vgl. auch Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Herausforderung der Verwaltungsrechtswissenschaft durch die Internationalisierung der Verwaltungsbeziehungen, in: Der Staat Bd. 45 (2006), S. 315, 335 ff. (S. 336: „Unter Internationalem Verwaltungsrecht ist das im Völkerrecht begründete Verwaltungsrecht zu verstehen.“). Ähnlich hebt Sabino Cassese, Le droit administratif global: une introduction, in: Droit Administratif Bd. 46 (2007), S. 17 – 26, bei der Anerkennung eines „globalen Verwaltungsrechts“ auf die Herausbildung verwaltungsrechtlicher Netzwerke mit internationalen und nationalen Akteuren ab; vgl. auch Karl-Heinz Ladeur, The Emergence of Global Administrative Law and Transnational Regulation (= Working Paper 2011/1 des Institute for International Law and Justice, New York University School of Law), abgedruckt in ders., Das Recht der Netzwerkgesellschaft. Ausgewählte Aufsätze (hrsg. von T. Vesting u. I. Augsberg), Tübingen 2013, S. 697 ff. In französischer

80

Karl-Peter Sommermann

3. Aufhebung der Trennung zwischen nationalem, europäischem und internationalem Recht Bereits heute zeichnet sich ab, dass nationales, europäisches und internationales Verwaltungsrecht in der Praxis nicht mehr zu trennen sind. Zu vielfältig sind die Verschränkungen zwischen den verschiedenen Rechtsebenen. Dies gilt nicht nur für konkrete Vorgaben, welche die nationalen Behörden zu befolgen haben, sondern auch für die Auslegung des nationalen Verwaltungsrechts im Lichte des Unionsrechts oder des Völkerrechts und auch des Unionsrechts im Lichte des Völkerrechts. Zu einer Verschmelzung der Rechtshorizonte trägt die Identifizierung gemeinsamer Wertgrundlagen bei. Im Falle des europäischen Verwaltungsrechts ist dies neben dem Unionsrecht, das im Laufe der Integrationsgeschichte immer stärker die gemeinsamen Werte betont hat48, für einen größeren Kreis von Staaten auch die Europäische Menschenrechtskonvention49. Bekanntlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus den Konventionsrechten auch Garantien für das Verwaltungsverfahren hergeleitet50. Im Falle des internationalen Verwaltungsrechts spielen die Wertgrundlagen allerdings noch eine geringere Rolle. Hier findet man gemeinsame Wertbezüge etwa im internationalen Menschenrechtsschutz und im internationalen Umweltrecht, insbesondere in den Rechtsinstrumenten des sog. Rio-Prozesses51. Sprache kann zwischen dem kollisionsrechtlichen, auf den territorialen Anwendungsbereich bezogenen „droit administratif international“ und dem weit verstandenen völkerrechtlichen „droit international administratif“ unterschieden werden, vgl. Minh Son Nguyen, Droit administratif international, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht (ZSR) 2006 II, S. 75, 80, 88 f. 48 Vgl. heute Art. 2 EUV; zur Entwicklung näher Karl-Peter Sommermann, Die gemeinsamen Werte der Union und der Mitgliedstaaten, in: M. Niedobitek (Hrsg.), Europarecht – Grundlagen der Union, Berlin/Boston 2014b, § 3, S. 287, 288 ff. (Rdnr. 2 ff.); zur gemeinsamen Wertebasis in der Union auch Klaus König, Moderne Öffentliche Verwaltung, Berlin 2008, S. 845 ff.; Chevalier, Bonne administration et Union européenne (Anm. 37), S. 58, 85 ff. 49 Vgl, dazu Angelika Nußberger, Europäische Menschenrechtskonvention, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. X, 3. Aufl., Heidelberg 2012, § 209, S. 135, 148 ff. 50 Vgl. z. B. das Urteil der Vierten Kammer im Fall Megadat.com SRL v. Moldavia vom 8. 4. 2008, Ziff. 72: „The Court notes in this connection that where an issue in the general interest is at stake it is incumbent on the public authorities to act in good time, in an appropriate manner and with utmost consistency …“; in Ziff. 73 beanstandet die Kammer das Fehlen einer Anhörung. Vgl. bereits das Urteil der Großen Kammer v. 5. 1. 2000 im Fall Beyeler v. Italy, Ziff. 120, sowie die späteren Urteile im Fall Plechanow v. Poland v. 7. 7. 2009, Ziff. 102, und im Fall Moskal v. Poland v. 15. 9. 2009, Ziff. 51; in dem letztgenannten Urteil findet sich auch die Aussage Ziff. 72): „… in the context of property rights, particular importance must be attached to the principle of good governance. It is desirable that public authorities act with the utmost scrupulousness, in particular when dealing with matters of vital importance to individuals.“ 51 Vgl. insbesondere die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (Rio Declaration on Environment and Development) von Juni 1992, A/CONF. 151/26/Rev. 1, Vol. 1, p. 3; ILM 31 (1992), S. 876.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

81

IV. Ziele einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft Die Verwaltungsrechtswissenschaft hat heute auch die Aufgabe, die Wechselwirkungen, die zwischen dem nationalen, europäischen und internationalen Verwaltungsrecht bestehen und sich aus der verstärkten internationalen Kooperation und der wachsenden Vernetzung der nationalen Verwaltungen untereinander ergeben, in ihrer rechtlichen Dimension zu erfassen, zu analysieren und an einer konzeptionellen Weiterentwicklung des Rechts mitzuwirken. Dabei muss dies im Austausch mit Rechtswissenschaftlern anderer Länder geschehen52. In diesem doppelten Sinne kann von einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft53 gesprochen werden. Drei Ziele oder Aufgaben stehen dabei im Vordergrund: erstens die systematische Pflege des trans- und internationalen Diskurses über verwaltungsrechtliche Konzepte, zweitens die Befassung mit der Interoperabilität der Rechtssysteme und drittens die Unterstützung einer Systembildung des europäischen und internationalen Verwaltungsrechts. 1. Entgrenzung der Diskursräume Spätestens seit der Gründung der sogenannten Verwaltungsunionen im 19. Jahrhundert, wie der 1865 gegründeten Internationalen Telegrafenunion und des 1878 errichteten Weltpostvereins, gab es eine ausgedehnte Verwaltungszusammenarbeit der Staaten in technischen Angelegenheiten54. Seitdem hat sich die Zusammenarbeit auf Politikfelder erweitert, in denen es wie im Bereich der Sozialpolitik oder des Umweltschutzes auch um Schutz- und Förderverpflichtungen der Staaten in ihrem Binnenbereich geht. Innerhalb der Europäischen Union steht das Handeln im Rahmen einer sich dynamisch entwickelnden Rechtsgemeinschaft bzw. Rechtsunion im Vordergrund. Doch nicht nur das Unionsrecht, sondern auch das Völkerrecht können Verfahren und Organisation der nationalen Verwaltungen determinieren. Es liegt auf der Hand, dass eine transnationale Rechtswissenschaft sich nicht auf eine Analyse der rechtlichen Zusammenhänge begrenzen darf, sondern im transnationalen Austausch einen Beitrag zur Ausformung grundlegender Konzepte des staatenübergreifenden Verwaltungsrechts zu leisten hat. Die notwendige Verständigung über

52 Zu diesen Grundlagen einer methodenbezogenen Europäisierung und einer transnationalen Rechtswissenschaft vgl. Armin von Bogdandy, Deutsche Rechtswissenschaft im europäischen Rechtsraum, in: JZ 2011, S, 1, 4, und Thomas Duve, Internationalisierung und Transnationalisierung der Rechtswissenschaft – aus deutscher Perspektive (= LOEWE Research Focus „Extrajudicial and judicial Conflict Resolution“, Working Paper No. 6), Frankfurt a.M. 2013, S. 7 ff. 53 Zum transnational Recht als analytischem Rahmen vgl. Gralf-Peter Calliess/Andreas Maurer, Transnationales Recht – eine Einleitung, in: G.-P. Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, Tübingen 2014, S. 1 – 36; zu den verschiedenen Konzepten eines „transnationalen Rechts“ siehe Lars Viellechner, Was heißt Transnationalität im Recht?, ebd., S. 57 – 76. 54 Dazu Franz v. Liszt, Das Völkerrecht, 2. Aufl., Berlin 1902, S. 139 ff., 227 ff.; Christian Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, Berlin 2001, S. 124 ff.

82

Karl-Peter Sommermann

Prinzipien wie die Rechtsstaatlichkeit/rule of law55 und ihre Subprinzipien wie Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit oder auch über das Prinzip der Solidarität56 ist nicht nur von der Rechtsprechung aus Anlass eines konkreten Rechtsstreits zu leisten, sondern bedarf eines breiten konzeptionellen Diskurses in der Wissenschaft. Es erweist sich immer wieder, dass zwar die großen, in den Grundlagenartikeln der Verträge aufgenommenen Konzepte als solche konsensfähig sind, ihre Konkretisierung im Einzelfall indes durchaus streitig bleibt und unterschiedliche historische Vorprägungen berücksichtigen muss57. Der weitere Weg der europäischen Integration hängt sowohl in der rechtlichen als auch in der politischen Sphäre maßgeblich von einer Verständigung über die Grundkonzepte ab. Dank ihrer begrifflichen Offenheit können die großen Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Solidarität eine Schleusenfunktion übernehmen58: Die einströmenden Konzepte und Ideen werden nach und nach auf eine gemeinsame konzeptionelle Ebene gehoben. 2. Herstellung der Interkommunikabilität und Interoperabilität der Rechtssysteme Aus dem europäischen Unionsrecht ergeben sich vielfältige Verpflichtungen einer Zusammenarbeit der nationalen Verwaltungen59. Neben rechtlich institutionalisierter Zusammenarbeit haben sich längst informelle Netzwerke des Austauschs gebildet, teilweise gehen diese einer rechtlichen Institutionalisierung der Zusammenarbeit voran. Dies war z. B. auch bei den auswärtigen Beziehungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu entsprechenden Einrichtungen anderer europäischer Staaten der Fall60. 55 Wegen einer Analyse des Rechtsstaatsprinzips und seiner Fusion mit dem Konzept der rule of law vgl. Albrecht Weber, Europäische Verfassungsvergleichung, München 2010, S. 144 ff., und Karl-Peter Sommermann, Entwicklungsperspektiven des Rechtsstaates: Europäisierung und Internationalisierung eines staatsrechtlichen Leitbegriffs, in: S. Magiera/K.-P. Sommermann (Hrsg.), Freiheit, Rechtsstaat und Sozialstaat in Europa, Berlin 2007, S. 75 – 90. 56 Dazu Karl-Peter Sommermann, Some Reflections on the Concept of Solidarity and its Transformation into a Legal Principle, in: Archiv des Völkerrechts Bd. 52, S. 10 – 24. 57 Vgl. Kalypso Nicolaidis/Rachel Kleinfeld, Rethinking Europe’s „Rule of Law“ and Enlargement Agenda: The Fundamental Dilemma (= SIGMA Paper No. 49), Paris 2012. 58 In diesem Sinne hat Ernst-Wolfgang Böckenförde von „Schleusenbegriffen“ gesprochen, vgl nur seinen Beitrag „Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs“ aus dem Jahr 1969, enthalten in: ders, Recht, Staat, Freiheit (1991) 143 ff. Zur Schleusenfunktion der Prinzipien siehe auch Armin von Bogdandy, Grundprinzipien, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2009, S. 13, 22. 59 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl., Berlin u. a. 2004, S. 36 ff., 383 f., 388 f., 404 ff. 60 Vgl. Christoph Möllers, Transnationale Behördenkooperation – Verfassungs- und völkerrechtliche Probleme transnationaler administrativer Standardsetzung, in: ZaöRV Bd. 65 (2005), S. 351, 359. Zu völkerrechtlichen Fragen transnationalen Verwaltungshandelns näher Martin Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, Tübingen 2010.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

83

Unionsrechtlich induzierte Kooperationspflichten werden zum Beispiel am Recht der Produktzulassung augenfällig. An der Zulassung sensibler Produkte, etwa gentechnisch veränderter Lebensmittel, sind durch Vermittlung der Kommission bzw. einer europäischen Agentur in der Regel alle Mitgliedstaaten beteiligt, soweit nicht ein europäisch-zentralisiertes Zulassungsverfahren vorgesehen ist61. Ein weiteres Beispiel institutionalisierter oder institutionell abgesicherter Zusammenarbeit bildet der Bereich der Lebensmittelsicherheit. Die Schaffung isomorpher Behördenstrukturen auf nationaler Ebene und einer entsprechenden Behördenbildung auf Unionsebene wurde freilich erst durch die BSE-Krise angestoßen62. Im Bereich der Dienstleistungen hat die maßgebliche Richtlinie aus dem Jahr 2006 neue Kooperationspflichten statuiert63, was in Deutschland Anlass zur Ergänzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes um einen Abschnitt über die europäische Verwaltungszusammenarbeit gegeben hat64. Abgesehen von den sprachlichen Schwierigkeiten bei der Kommunikation zwischen Behörden unterschiedlicher Staaten müssen auch die Zuständigkeiten und Verfahren aufeinander abgestimmt werden. Zu den bisherigen praktischen Maßnahmen, die die Kommunikation zwischen Behörden der Mitgliedstaaten erleichtern sollen, gehört die Einrichtung eines Binnenmarkt-Informationssystems65. Insgesamt wächst die Notwendigkeit einer Verbesserung der Interoperabilität der Verwaltungssysteme, was Konvergenztendenzen begünstigt. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft befasst sich damit bereits seit Längerem66. Zur Erarbeitung 61 Dazu Gernot Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, Tübingen 2004, S. 168 ff.; Torsten Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, Tübingen 2009, S. 232 ff. 62 Die in diesem Kontext ergangene Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. 2002 Nr. L 31, S. 1, führte zur Schaffung gleichartiger nationaler Behörden, so dass ein hoher Grad an Interoperabilität zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten sowie letzterer untereinander sichergestellt wurde. Unter den bereits früh errichteten nationalen Behörden sind die Agencia Española de Seguridad Alimentaria y Nutrición in Spanien (2001), das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland (2002) und die Autorità nazionale per la sicurezza alimentare (bald in Agenzia nazionale per la sicurezza alimentare umbenannt) in Italien zu nennen. 63 Vgl. Art. 28 ff. der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376, S. 36. 64 Siehe Teil I Abschnitt 3 (§§ 8a-8e) Verwaltungsverfahrensgesetz, eingefügt durch Gesetz vom 17. 7. 2009, BGBl. 2009 I, S. 2091. 65 Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission („IMI-Verordnung“) vom 25. Oktober 2012, ABl. L 316 v. 14. 11. 2012, S. 1. 66 Vgl. Sabine Kuhlmann/Hellmut Wollmann, Verwaltung und Verwaltungsreformen in Europa, Wiesbaden 2013, S 51 ff. m.w.N. Zu einer Untersuchung von Konvergenz- bzw. Divergenzfaktoren hinsichtlich eines bestimmten Grundsatzes des Verwaltungsrechts vgl.

84

Karl-Peter Sommermann

von Lösungen kann die Verwaltungsrechtswissenschaft dadurch beitragen, dass sie neben den rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen der Zusammenarbeit auch die rechtlichen Anpassungsmodalitäten und -strategien der Staaten untersucht, wenn diese einer Umsetzungspflicht oder auch nur funktionalen Erfordernissen folgen. 3. Systembildung Eng verknüpft mit der Prinzipienorientierung des transnationalen Ansatzes67 ist das Ziel verknüpft, systembildende Elemente des europäischen oder internationalen Verwaltungsrechts schrittweise herauszuarbeiten, was wie im innerstaatlichen Recht induktiv oder deduktiv erfolgen kann68. Jede Rechtsordnung gewinnt nur durch zugrundeliegende allgemeine Orientierungssätze Kohärenz. Dabei wird sich die Systembildung naturgemäß von einer hohen Abstraktionsebene hin zu einer mittleren Abstraktionsebene vollziehen. Die Herstellung von Kohärenz einer Rechtsordnung bleibt eine permanente Aufgabe. Jedenfalls im Falle des internationalen Verwaltungsrechts muss die notwendige Einheit erst noch sichtbar werden.

V. Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft Im Mittelpunkt einer sich als transnational verstehenden Verwaltungsrechtswissenschaft steht methodisch der Vergleich69, der sich seinerseits auch auf die methodischen und dogmatischen Grundlagen70, so etwa die Auslegungsmaximen der Verwaltungsrechtswissenschaft, erstreckt. Daran knüpfen Fragen zur Weiterentwicklung der juristischen Methode sowie zur Vorgehensweise bei der Weiterentwicklung gemeinsamer Rechtsstandards an.

Christoph Knill/Florian Becker, Divergenz trotz Diffusion: Rechtsvergleichende Aspekte des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Deutschland, Großbritannien und der Europäischen Union, in: Die Verwaltung Bd. 36 (2003), S. 447 – 481. 67 Siehe oben unter II. 68 Dazu Karl-Peter Sommermann, Prinzipien des Verwaltungsrechts, in: Armin von Bogdandy/Sabino Cassese/Peter M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. V: Verwaltungsrecht in Europa: Grundzüge, Heidelberg 2014, S. 863, 871 ff. 69 Vgl. den Titel des von Russel A. Miller und Peer C. Zumbansen hrsg. Werkes „Comparative Law as Transnational Law“ (Oxford 2012). 70 Matthias Ruffert, The Transformation of Administrative Law as a Transnational Methodological Project, in: ders. (Hrsg.), The Transformation of Administrative Law in Europe/ La mutation du droit administratif en Europe, München 2007, S. 3, 7 ff.

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

85

1. Der Vergleich als Ausgangspunkt Für die Methode des Vergleichs gelten zunächst die allgemeinen Regeln der Rechtsvergleichung71, die auf die Ermittlung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten72, Divergenzen und Konvergenzen73 oder die Herausarbeitung des Universellen oder Partikulären74 gerichtet sein kann. Grundsätzlich steht dabei die Suche nach funktionalen Äquivalenten im Vordergrund75. Der Grad notwendiger Kontextualisierung richtet sich nach dem Erkenntnisziel76. Soweit es etwa um die Feststellung einer bestimmten Regelungstechnik geht, wird sich die Kontextualisierung eher auf eine Einordnung in den systematischen Zusammenhang beschränken. Geht es hingegen um Fragen der dogmatischen Einordnung einer Handlungsform der Verwaltung oder gar um die Rolle, die eine Institution in der staatlichen Ordnung spielt, so ist eine erheblich weitere Kontextualisierung erforderlich, die im letztgenannten Fall über eine Betrachtung der Rechtsordnungen hinausgehen und sich gegebenenfalls mit der vergleichenden Politik- oder Verwaltungswissenschaft treffen wird77.

71

Dazu Karl-Peter Sommermann, Funktionen und Methoden der Grundrechtsvergleichung, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 1, Heidelberg 2004, S. 631, 660 ff. (Rdnrn. 53 ff.); zur Methodenvielfalt in der Rechtsvergleichung siehe auch Matthias Ruffert, Die Methodik der Verwaltungsrechtswissenschaft in anderen Ländern der Europäischen Union, in: E. Schmidt-Aßmann/W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, Baden-Baden 2004, S. 165, 169 ff. 72 John Stuart Mill, A System of Logic, 8. Aufl., New York 1881. 73 Wegen der Terminologie vgl. Z. B. John S. Bell, Convergences and divergences in European Administrative Law, in: Rivista italiana di diritto pubblico comunitario Bd. 2 (1992), S. 3 – 22; Albrecht Weber, Notes sur la justice constitutionnelle comparée: convergences et divergences, in: Annuaire international de justice constitutionnelle Bd. 19 (2003), S. 29 – 41. 74 Vgl. Miller/Zumbansen, Comparative Law as Transnational Law (Anm. 74), S. 7: „Comparative law’s enduring problem is the question of whether comparison serves universalizing or particularizing ends; whether function’s abstraction or context’s embeddedness should preoccupy and guide the comparatist.“ Diese Kategorisierung ist verwandt mit der von anderen Autoren vorgenommenen Unterscheidung zwischen universalistischen und kulturalistischen Ansätzen, dazu Karl-Peter Sommermann, Erkenntnisinteressen der Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht, in: A. Gamper/B. Verschraegen (Hrsg.), Rechtsvergleichung als juristische Auslegungsmethode, Wien 2013, S. 195, 205 ff. 75 Konrad Zweigert/Hein Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl., Tübingen 1996, § 3 II (S. 33 ff.); Weber, Europäische Verfassungsvergleichung (Anm. 55), S. 11; Uwe Kischel, Rechtsvergleichung, München 2015, S. 93 ff. 76 Karl-Peter Sommermann Die Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Fortentwicklung des Staats- und Verwaltungsrechts in Europa, in: DÖV 1999, S. 1017, 1021 ff.; ders., Funktionen und Methoden der Grundrechtsvergleichung (Anm. 76), S. 664 f., 670 f. Zur „kontextuellen Rechtsvergleichung“ vgl. im Übrigen Kischel, Rechtsvergleichung (Anm. 75), S. 164 ff. 77 Cf. Sommermann, Funktionen und Methoden der Grundrechtsvergleichung (Anm. 76), S. 670 ff.; Ran Hirschl, Comparative Matters – The Renaissance of Comparative Constitutional Law, Oxford 2014, S. 231 et seq.

86

Karl-Peter Sommermann

2. Die Weiterentwicklung der „juristischen Methode“ Eine Weiterentwicklung der „juristischen Methode“ durch den transnationalen Ansatz ist z. B. für die Strukturierung und Rationalisierung der Prüfung von Rechtsverletzungen78, aber auch hinsichtlich der Interpretationsmethoden79 zu erwarten. Neben einer Verfeinerung der bekannten Grundsätze unionsrechtskonformer und völkerrechtskonformer Auslegung80 kommt insbesondere die Fruchtbarmachung des Vergleichs für die Auslegung des nationalen Rechts in Betracht. Je genauere Kenntnisse über die Verwaltungsrechtsordnungen anderer Staaten vorliegen, desto stärker können verwandte Regelungen und deren Interpretation zur Vervollständigung der Argumentation bei der Interpretation des eigenen Rechts herangezogen werden. Wenn damit auch nicht notwendig die Anerkennung der Rechtsvergleichung als „fünfter Auslegungsmethode“ 81 verbunden ist, so kann der Vergleich doch als Auslegungshilfe dienen82. 3. Syntheseansätze Unter dem Begriff „Syntheseansätze“ sollen die methodischen Zugänge verstanden werden, die der Identifizierung gemeinsamer oder der Erarbeitung neuer Rechtsstandards dienen. Die Ermittlung bestehender Standards in einer Gemeinschaft von Staaten geschieht in der Regel durch „wertende Rechtsvergleichung“, die nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abhebt, sondern danach fragt, ob eine Regel in einer Mehrheit der Mitgliedstaaten nachweisbar ist, sie nicht gegen grundlegende Prinzipien eines Mitgliedstaats verstößt und sich gut in den gemeinsamen Rechtsrahmen einpasst83. 78

Zur Rationalität des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die Gründe für seine weltweite Rezeption näher Moshe Cohen-Eliya/Iddo Porat, Proportionality and Constitutional Culture. Cambridge 2013. 79 Dabei ist zu beachten, dass die Interpretationsmethoden in den verschiedenen Rechtskulturen unterschiedlich angewandt werden, vgl. etwa für die Besonderheiten der Gesetzesinterpretation im Common Law Peter De Cruz, Comparative Law in a Changing World, London 1995, S. 261 ff. 80 Zur unionsrechtskonformen Auslegung vgl. nur Wolfgang Weiß, Unionsrecht und nationales Recht, in: M. Niedobitek (Hrsg.), Europarecht – Grundlagen der Union, Berlin/Boston 2014, § 5, S. 393, 489 ff. (Rdnr. 227 ff.), zur völkerrechtskonformen Auslegung KarlPeter Sommermann, Offene Staatlichkeit: Deutschland, in: A. von Bogdandy/P. Cruz Villalón/ P.M. Huber, Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 2, Heidelberg 2008, § 14, S. 3, 28 f. (Rdnr. 53 f.); zur menschenrechtskonformen Auslegung ebd., S. 31 ff. (Rdnr. 58 ff.). 81 So Peter Häberle, Grundrechtsgeltung und Grundrechtsinterpretation im Verfassungsstaat, JZ 1989, S. 913, 916, enthalten auch in: Peter Häberle, Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, Berlin 1994, S. 27, 36 ff. 82 Vgl. dazu Karl-Peter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen 1997, S. 409 f.; ders., Funktionen und Methoden der Grundrechtsvergleichung, in: D. Merten/ H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 1, § 16, S. 631, 654 f. (Rdnr. 39 f.). 83 Vgl. Nils Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, Tübingen 2011, S. 287 ff.; siehe bereits Ernst-Werner Fuss, Rechtssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht,

Ziele und Methoden einer transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft

87

Bei der Entwicklung neuer Rechtsstandards ist mehrdimensional vorzugehen. Existiert die ins Auge gefasste Lösung bereits in einer Rechtsordnung, so ist prüfen, inwieweit sie dekontextualisiert werden kann. Früh sollte ein Abgleich mit Vertretern der Praxis stattfinden84.

VI. Fazit 1. Der nationale Grenzen überschreitende Austausch über Konzepte des Staats- und Verwaltungsrechts ist kein neues Phänomen. Insofern wies auch bereits die sich im 19. Jahrhundert ausbildende Verwaltungsrechtswissenschaft transnationale Züge auf. 2. Neu ist die immer dichter gewobene rechtliche Einbindung des nationalen Verwaltungsrechts in supranationale und völkerrechtliche Rechtsregimes. Diese begründet die Notwendigkeit einer systematischen transnationalen Verwaltungsrechtswissenschaft, die in ihrer Analyse und dogmatischen Erfassung des Rechtsstoffes den Ebenenverschränkungen und erweiterten Kooperationsmöglichkeiten und –pflichten der Staaten untereinander Rechnung trägt. 3. Um zu interkulturell tragfähigen Ergebnissen zu gelangen, ist eine enge Zusammenarbeit der Verwaltungsrechtler der verschiedenen Staaten erforderlich. 4. Durch Annäherung und Verschmelzung der Rechtshorizonte können gemeinsame Grundlagen eines transnationalen Verwaltungsrechts und Konzepte für eine bessere Interoperabilität der nationalen Verwaltungsrechtssysteme als Teil einer übergreifenden Ordnung entwickelt werden. 5. Im Mittelpunkt der Methodik steht der Vergleich, der je nach Erkenntnisziel unterschiedlichen Anforderungen unterliegt. Der vergleichende Ansatz beschränkt sich dabei nicht auf Grundlagenforschung, sondern ist wesentliches Instrument zur Weiterentwicklung der juristischen Hermeneutik und zur Rationalisierung der Entwicklung neuer gemeinsamer Rechtsstandards.

NJW 1964, S. 945, 946 Fn. 11; Konrad Zweigert, Der Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, in: RabelsZ Bd. 28 (1964), S. 601, 611; Albert Bleckmann, Die wertende Rechtsvergleichung bei der Entwicklung europäischer Grundrechte, in: J. F. Bauer u. a. (Hrsg.), Europarecht, Energierecht, Wirtschaftsrecht. Festschrift für Bodo Börner, Köln 1992, S. 29 ff. 84 Dazu Sommermann, Erkenntnisinteressen der Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht (Anm. 74), S. 208 ff.

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit Zur Frage nach der „richtigen“ Anzahl der Netzbetreiber Christian Theobald*

I. Ausgangslage Die Ausgangslage der leitungsgebundenen Strom- und Gaswirtschaft in Deutschland ist geprägt über einen Zeitraum von mehr als 180 Jahren, in dem die heutige pluralistische Struktur von etwa 900 Strom- und Gasverteilnetzbetreibern historisch „bottom up“ gewachsen ist. Politische Systemwechsel, wie etwa im Dritten Reich oder später im zweigeteilten Deutschland, vermochten diese Entwicklung nicht, oder im Falle der DDR, nur für einige Jahrzehnte beeinträchtigen.1 Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gab es immer wieder Diskussionen und Bemühungen des Bundesgesetzgebers, die Energiewirtschaft im Allgemeinen und die leitungsgebunde Strom- und Gasversorgung im Besonderen, wettbewerblich zu öffnen. Die Beharrungskräfte in der etablierten Energiewirtschaft sowie Sondersituationen, wie bspw. die beiden Ölpreiskrisen, führten letztendlich immer wieder dazu, dass entsprechende Reformvorhaben zum Erliegen kamen. Erst die Brüsseler Vorgaben mittels der beiden Strom- und Gasbinnenmarktrichtlinien aus den Jahren 1996 und 1997 führten zu einer grundlegenden Novellierung des noch aus dem Jahr 1935 datierenden Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der diesbezüglich noch im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enthaltenen energiewirtschaftlichen Sondertatbestände. Mit dem Inkrafttreten dieser Gesetzesnovelle am 29. April 1998 wird in Deutschland die vollständige Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte verbunden; eine Feststellung die eher als politische Botschaft von Berlin nach Brüssel gedacht war, die aber, zumindest in den ersten Jahren, einer empirischen Überprüfung nicht standhalten konnte. In der Folgezeit kam es daher, neben einer rasanten kartellrechtlich geprägten Aufarbeitung der rudimentären gesetzlichen Regelungen seitens * Der Autor Prof. Dr. Christian Theobald ist Honorarprofessor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er ist Rechtsanwalt und Partner von BBH in Berlin. Ein herzlicher Dank für die wertvolle Unterstützung bei der schriftlichen Ausarbeitung gilt Dipl.-Ing. Philipp Jahnke, Consultant bei der BBH Consulting AG. 1 Hierzu bspw. Theobald, Christian/Borrmann, Robin, Der „Stromvergleich“ vom 22. 12. 1992: Zur Bedeutung des Vergleichs aus heutiger Sicht, EnWZ 2013, S. 10 ff.

90

Christian Theobald

der Rechtsprechung,2 zu erheblichen Nachbesserungen des Gesetzgebers in den Jahren 2003, 2005 und 2011. Das Jahr 2005 stellt insofern einen Meilenstein dar, als mit der seinerzeitigen Umsetzung des zweiten EU-Binnenmarktpaketes aus dem Jahr 2003 der bereits in 1998 begonnene Weg der Liberalisierung durch die Einführung der sogenannten Regulierung sowie deutlichen Erweiterungen und Verschärfungen beim sogenannten Unbundling flankiert wurde. Beide Instrumente konzentrierten sich auf den Netzbereich und hatten zum Ziel, die dortigen natürlichen Monopole von den vor- und nachgelagerten, dem Wettbewerb grundsätzlich zugänglichen Wertschöpfungsstufen zu trennen (sogenannte vertikale Desintegration bzw. Unbundling) sowie die Strombzw. Gasnetze einer permanenten staatlichen Verhaltenssteuerung zu unterziehen. Bei der Regulierung wiederrum entschied sich der Gesetzgeber für ein föderales System aus Regulierungszuständigkeiten auf Seiten des Bundes und der Länder. Als Vorbild dienten hier das Kartellrecht und die dortige Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundeskartellamt einerseits und Landeskartellbehörden andererseits. Im Jahr 2011 nahm der Gesetzgeber wiederum in Umsetzung des mittlerweile dritten EU-Binnenmarktpaketes (aus dem Jahr 2009) noch einmal punktuelle Feinjustierungen bzw. Verschärfungen vor. Die seit 1998 nahezu vollständig und teilweise diametral veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen gelten, bis auf wenige Ausnahmen, für alle im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätigen Energieversorgungsunternehmen, unabhängig von ihrer Eigentümerstruktur und von ihrer Größe. Damit unterliegen auch alle Netzbetreiber – sowohl Übertragungs- als auch Verteilnetzbetreiber – den Vorgaben der (Anreiz-) Regulierung und des Unbundling sowie den kartellrechtlichen Missbrauchstatbeständen. So sind seit der Einführung der Regulierung im Jahr 2005 die spezifischen Netzentgelte in ct/KWh gesunken (dies gilt insbesondere für die unteren Spannungsebenen, welche die Verteilnetzbetreiber zu verantworten haben), während die Strom- und Gasgesamtpreise stark gestiegen sind. Die durch Regulierung und Unbundling beabsichtigte und auch tatsächlich herbeigeführte Transparenz machen deutlich, dass die beiden Ursachen für die gestiegenen Gesamtpreise, zum einen stark gestiegene Erzeugungspreise, zum anderen der drastische Anstieg der öffentlichen Abgaben bilden. Insbesondere der Verteilnetzbetrieb hat aufgrund der dortigen Preissenkungen (infolge der ersten Phasen der kostenbasierten Netzentgeltgenehmigung und im anschließenden Übergang in die sogenannte Anreizregulierung zum 01. 01. 2009) hingegen preisdämpfend gewirkt. Die Verteilnetzbetreiber haben sich trotz zunehmend festgestellter Überregulierung (mittlerweile hat sich auch der Begriff der sogenannten „Komplexitätsfalle“ hierfür eingebürgert) den veränderten Rahmenbedingungen angepasst und ihre Rolle im Wett-

2 Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung in den Anfangsjahren der Liberalisierung in Theobald, Christian/Zenke, Ines, Grundlagen der Strom- und Gasdurchleitung, München 2001.

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

91

bewerb gefunden.3 Gleichzeitig wird immer wieder eine hohe Zufriedenheit der Bevölkerung speziell mit Verteilnetzbetreibern bzw. Stadtwerken festgestellt, ein Befund der für die anderen Marktteilnehmer so nicht geteilt wird. Schließlich ist seit einigen Jahren ein Trend zu (Re-) Kommunalisierungen bei der leitungsgebundenen Strom- und Gasversorgung, insbesondere beim Betrieb der entsprechenden Verteilnetze zu beobachten. Parallel zu dieser Entwicklung haben vor einigen Jahren speziell die großen Konzerne begonnen, sich von den „regulierten“ Geschäftsbereichen zu trennen. Beispiele sind die Veräußerung der Thüga durch den E.ON-Konzern, ebenso entsprechende Veräußerungen der Anteile an E.ON Westfalen-Weser, E.ON Thüringen und E.ON Mitte seitens des E.ON Konzerns an die Kommunen in der jeweiligen Region; ferner die Rekommunalisierung des Verteilnetzes in Hamburg durch Erwerb der Anteile seitens der Freien Hansestadt Hamburg vom Voreigentümer Vattenfall. Hinzu kommt, dass die im Jahr 2011 beschlossene sogenannte Energiewende eine noch deutlich stärkere Dezentralisierung der Energiewirtschaft befördert, als wir sie ohnehin schon traditionell in Deutschland vorfinden. Eckpfeiler der Energiewende ist der drastische Ausbau der Erzeugung von Strom aus regenerativen Energieträgern. Mehr als 98 % dieser Anlagen aber sind nicht an die vorgelagerten Übertragungsnetze, sondern vielmehr an die nachgelagerten Verteilnetze angeschlossen, was nunmehr einen erheblichen Netzaus- bzw. -umbau erforderlich macht. Hinzu kommt, dass gerade die Verteilnetze von einem regelrechten Quantensprung der Anforderungen an ihre Beschaffenheit betroffen sind. Bislang war es so, dass über ein oder zwei Einspeisepunkte bzw. entsprechende Umspannwerke Strom in das Verteilnetz eingespeist und zeitgleich an tausende von Abnahmestellen ausgespeist wurde. Die Entwicklung geht aber nunmehr dahin, dass nicht nur über die Expansion insbesondere von Windkrafträdern, sondern auch mittels Aufbau und Ausbau von Eigenerzeugung seitens Industrie-, Gewerbe-, aber auch zunehmend wieder Haushaltskunden sich Stromverbraucher und Stromerzeuger in einer Person vereinen (sogenannte „Prosumer“). Überschüssiger Strom wird daher von diesen auch über die bislang lediglich zur Ausspeisung genutzten Übergabepunkte zurück ins Verteilnetz eingespeist. Tausenden von Ausspeisepunkten im Verteilnetz stehen nunmehr auch tausende von Einspeisepunkten gegenüber, was entsprechende, teure Umbaumaßnahmen in Verteilnetzen (SmartGrids, intelligente Infrastruktur) erforderlich macht. Ferner werden die Verteilnetze vor Ort immer mehr zu zentralen Bausteinen für die Umsetzung von medienübergreifenden örtlichen Energiekonzepten, bei denen bspw. mittels Wärmetauscher aus dem Abwassersystem Wärme gewonnen und über eine Nahwärmeversorgung wiederum mittels entsprechenden Verteilnetzen in räumlicher Nähe verteilt wird. Zieht man 15 Jahre nach Auftakt der Liberalisierung ein Zwischenfazit, fällt auf, dass das Ende der 90er Jahre im Zusammenhang mit der bevorstehenden Liberalisierung vielfach prognostizierte „Stadtwerkesterben“ ausgeblieben ist. Im Gegenteil, Stadt- und Gemeindewerke im Allgemeinen sowie ihre Verteilnetzbetriebe im Be3 Monopolkommission, Sondergutachten 65, Energie 2013: Wettbewerb in Zeiten der Energiewende, S. 210 ff.

92

Christian Theobald

sonderen, haben sich für den Wettbewerb als wichtig und dabei auch als wettbewerbstauglich erwiesen. Für die Umsetzung der Ziele der Energiewende bedarf es ohnehin mehr denn je starker dezentraler Akteure.4

II. Die Forderung nach einer Reduktion der Verteilnetzbetreiber 1. Kritik an der Effizienz und Qualität des Netzbetriebs Trotz des skizzierten positiven Befundes zur Rolle der Verteilnetzbetreiber, sind immer wieder Stimmen zu hören, die eine drastische Verringerung von derzeit rund 900 Verteilnetzbetreibern fordern. Als Zielgrößen sind mal 70, mal 30 Verteilnetzbetreiber zu vernehmen. Kritik am aktuellen Netzsystem wird insbesondere seitens des Bundesverbands Neuer Energieanbieter (bne) geäußert. Dies erklärt sich auch aus der Mitgliederstruktur des Verbands. Neben den großen Energieversorgungsunternehmen gehören zu den Mitgliedern auch Lieferanten, die kein geografisch begrenztes „Stammnetz“ haben. Inhaltlich richtet sich der bne zum einen gegen Rekommunalisierungen, zum anderen aber auch gegen vermeintlich zergliederte Netzstrukturen. Verlangt wird eine Verbesserung der Wettbewerbssituation im Netz, das derzeitige System sei ineffizient und nicht zukunftstauglich. Der Verteilnetzbetrieb werde sich im Zuge der Energiewende stark verändern. Zentrales Hemmnis sei dabei eine zersplittere Netzstruktur. Viele kleine Betreiber seien mit den Zukunftsaufgaben überfordert und drohten, die Umsetzung smarter Geschäftsmodelle der Vertriebe zu beeinträchtigen. Die neuen Herausforderungen ließen sich, so der bne, nur in wirksam entflochtenen und ausreichend großen Netzclustern bewältigen.5 Mitunter ist zu vernehmen, eine zersplitterte Versorgungsnetzinfrastruktur sei schlicht ineffizient.6 Der Betrieb eines großen zusammenhängenden Netzes durch nur einen Betreiber bzw. in großen Einheiten sei wesentlich effizienter, als der Betrieb vieler kleiner zersplitterter Netze durch eine Vielzahl voneinander unabhängiger Betreiber. Verwiesen wird darauf, große Netzbetreiber könnten in wesentlich höherem Ausmaß Synergie- und Skaleneffekte realisieren als kleine Netzbetreiber.7 Dies folge bereits daraus, dass „tausende Netzbetreiber mit wenigen hundert Metern Netz mehr Kosten verursachen, als ein 4 Zur historischen Entwicklung der Strom- und Gaswirtschaft siehe Theobald, Christiane/ Theobald, Christian, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 33 ff., 61 ff., 82. ff. 5 bne-Thesenpapier, Die Energiewende wettbewerblich gestalten, 2014, http://www.neueenergieanbieter.de/de/system/files/files/attachment/bne_Thesenpapier_Energiewende_Februar_ 2014.pdf. 6 Vgl. Mundt, Andreas, Präsident des BKartA, Die Rekommunalisierung muss dem Bürger zugutekommen, E&M Powernews, 19. 08. 2013; ders., Die nachfragende Kommune, ZfK, 8/2013. 7 Schreiben Homann, Jochen, Präsident der BNetzA, an Krischer, Oliver, MdB, 17. 07. 2013, S. 2.

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

93

einziger großer Netzbetreiber“.8 Zudem weise das energiewirtschaftsrechtliche Regulierungsregime für kleine Netze, an die weniger als 100.000 Haushalte angeschlossen sind, Lücken auf, was sich negativ auf die Effizienz des Netzbetriebs und damit letztlich auf die Endverbraucher auswirke.9 Insbesondere kleineren Kommunen, welche sich im Bereich des Netzbetriebs bisher noch nicht betätigt haben, wird bisweilen pauschal unterstellt, dass es ihnen an dem für einen effizienten und qualitativ hochwertigen Netzbetrieb erforderlichen Know-how – insbesondere im Lichte der mit der Energiewende zusätzlich entstanden Anforderungen – fehle.10 Bei kleinen kommunalen Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern, sei das erforderliche Know-how, nicht, oder nur unter Einsatz unverhältnismäßig hoher Kosten, vorhanden.11 2. Kritik hinsichtlich (vermeintlicher) Auswirkungen einer zersplitterten Verteilernetzstruktur auf das Gesamtsystem der Energieversorgung Ferner wird vorgetragen, dass sich das derzeitige System einer Vielzahl parallel existierender Kleinnetzbetreiber negativ auf das Gesamtsystem der Energieversorgung auswirke. Die hohe Anzahl an Verteilnetzbetreibern führe zu erhöhten Transaktionskosten bei der Energieversorgung.12 Die erhöhten Kosten resultierten zum Beispiel daraus, dass Energieversorgungsunternehmen Lieferverträge in eine Vielzahl von Stromnetzen abschließen müssten. Zudem müssten bei der Einführung neuer Technologien – wie zum Beispiel intelligente Zählersysteme – ebenfalls kostenintensive Verträge mit den vielen kleinen Verteilnetzbetreibern geschlossen werden. Ferner wird kritisiert, dass das derzeitige System im Zusammenspiel mit dem Trend zur (Re-)Kommunalisierung des Netzbetriebs negative Auswirkungen auf den Wettbewerb entfalte. Als Argument wird angeführt, dass insbesondere kleinere Netzbetriebe, die infolge ihrer geringen Kundenanzahl rechtlich nicht entflochten sind, ihren verbundenen Betrieb begünstigen und ihr Netz nicht diskriminierungsfrei betreiben würden. Überdies wird zum Teil pauschal unterstellt, bei Stromnetzen, die sich in kommunaler Hand befinden, bestünde „ein sehr hohes Missbrauchspotential“, das den Wettbewerb gefährde.13

8

Ebd. Vgl. Mundt, Andreas, Präsident des BKartA, Die Rekommunalisierung muss dem Bürger zugutekommen, E&M Powernews, 19. 08. 2013. 10 Meyer-Gohde, Philipp/Meinshausen, Steffen/Schiereck, Dirk/von Flotow, Paschen, Entflechtung und Rekommunalisierung von netzgebundenen Infrastrukturen, ZögU 1/2013, S. 27, Putz & Partner, Studie zur Rekommunalisierung der Energienetze, April 2013, S. 37. 11 Putz & Partner, Studie zur Rekommunalisierung der Energienetze, April 2013, S. 34, 42 ff. 12 So im Schreiben Homann an Krischer (Anm. 7). 13 So Mundt, Andreas, Präsident des BKartA, Kritik an Rekommunalisierung, Handelsblatt online, 18. 03. 2013. 9

94

Christian Theobald

3. Kleinere Teilnetze als Nachteil für die Effektivität des Regulierungssystems Vereinzelt wird eine Vielzahl kleiner Netzbetreiber als nachteilig für die Effektivität des Regelungssystems angesehen. So kritisiert die BNetzA insbesondere den Trend zur Rekommunalisierung vor dem Hintergrund der Aufspaltung in kleinere Teilnetze. Die Vielzahl von Sonderregelungen für kleinere Netzeinheiten, wie beispielsweise der pauschale Ansatz der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten oder der pauschale Ansatz eines Effizienzwertes, stünden aufgrund ihrer extrem großzügigen Ausgestaltung den Zielen der Anreizregulierung entgegen. Damit würden die heutigen Rahmenbedingungen einen Anreiz zur Zerschlagung und Aufspaltung gewachsener Netzstrukturen setzen. Dies würde die Effizienz des Gesamtsystems wegen der Vielzahl der Netzbetreiber verringern, zu mehr Bürokratie führen und damit den bundesweiten Herausforderungen der Energiewende zuwiderlaufen.

III. Kritische Würdigung Bei näherer Betrachtung vermag die Kritik jedoch nicht zu überzeugen: 1. Zur Effizienz des Netzbetriebs Anders als behauptet, hängt die Effizienz von Netzbetreibern nicht zwingend von ihrer Größe ab. Die Behauptung, große Verteilnetzbetreiber seien per se effizienter, wird häufig mit einer steigenden Effizienz bei zunehmender Unternehmensgröße durch Skaleneffekte (Economies of Scale) begründet. Im Falle steigender Skalenerträge steigen die Kosten bei Ausweitung der Versorgungsaufgabe also nur unterproportional an. Demnach seien Unternehmen umso effizienter, je größer sie sind. Bei diesem Argument bleibt häufig unberücksichtigt, dass bei der Überschreitung einer bestimmten Unternehmensgröße negative Skaleneffekte auftreten können. Die Folge ist eine zunehmende Ineffizienz größerer Netzbetreiber. Diese resultieren aus zunehmenden Informationsdefiziten bzw. -asymmetrien und überhöhtem Koordinationsaufwand sowie den daraus entstehenden Opportunitätskosten. Höhere Kosten zur Informationsbeschaffung und Abstimmung sind die Folge. Im Gegensatz dazu zeichnen sich kleine Unternehmen als Verteilnetzbetreiber aufgrund kurzer Entscheidungswege durch Schnelligkeit und Flexibilität aus, was kurzfristige Anpassungsreaktionen an veränderte Rahmenbedingungen und Anforderungen im Rahmen der Transformation des Energiesystems erleichtert. Kleine Unternehmen als (kommunale) Netzbetreiber profitieren außerdem von Verbundeffekten (Economies of Scope). So sind kommunale Unternehmen (zumeist Stadtwerke) häufig vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen. Die Erweiterung der kommunalen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungsketten (Vertrieb, Be-

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

95

schaffung, Erzeugung u. Speicherung) der Strom-, Gas- u. Wärmeversorgung auf zusätzliche Geschäftsfelder, ermöglicht die Realisierung zusätzlicher vertikaler Synergieeffekte. Entsprechend des Unbundling-Gebots trifft die Möglichkeit zur vertikalen Integration jedoch nur für Energieversorgungsunternehmen mit weniger als 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden zu. Eine Vielzahl kommunaler Unternehmen betreiben zudem im Querverbund als Stadtwerke die Sparten Strom, Gas, Wärme und/oder Wasser. Dies eröffnet Möglichkeiten des verstärkten Einsatzes von dezentraler Erzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung und eine Optimierung der Systeme zu einer Art Hybridsystemen. In Hybridsystemen werden verschiedene Energiesysteme kombiniert, um eine optimale Ausnutzung der verfügbaren Ressourcen zu ermöglichen. Durch die Kombinationen unterschiedlicher Energieerzeuger bzw. kombinierte Erzeugung unterschiedlicher Nutzenergien können die Verfügbarkeit der Systeme erhöht und der Gesamtumfang der Investitionskosten gesenkt werden. In dieser Unternehmenskonstellation entsteht die Möglichkeit, Effizienzsteigerungen durch einen kombinierten Betrieb der Strom- u. Gasnetze mit weiteren Infrastrukturdiensten, insbesondere Netzen zur Wasser- u. Wärmeversorgung zu erzielen. Obwohl Rohrleitungsnetze für Gas, Wasser und Wärme im Detail technische Unterschiede aufweisen, existieren eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten, aus denen Synergieeffekte resultieren können. Neben Kostenvorteilen durch Verbundeffekte können Herausforderungen beim Wandel des Energiesystems und den damit verbundenen Koordinationserfordernissen über Unternehmensgrenzen hinweg vereinfacht werden. Treibende Kräfte für den Wandel in der Energiewirtschaft sind neben betriebswirtschaftlichen Herausforderungen überwiegend Veränderungen des energiepolitischen und umweltpolitischen Rahmens. Gerade kommunale Unternehmen übernehmen die notwendigen Aufgaben, um die Voraussetzungen für den Umbau der aktuellen Strukturen hin zu einem nachhaltigeren Energiesystem zu schaffen. So wird beispielsweise der Großteil der dezentralen Erzeugungsanlagen im Verteilnetz angeschlossen. Neben den Vorteilen, verschiedene städtische Infrastrukturen mit kurzen Kommunikationswegen und Synergiepotentialen zu betreiben, können kommunale Unternehmen die kommunale Verbundenheit der Bürger und Kunden nutzen bzw. stärken. Denn eine detaillierte Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der Kundenstruktur, sind eine Grundlage für an die Kundenbedürfnisse optimal angepasste Dienstleistungsangebote. Daraus resultiert eine gewünscht hohe Akzeptanz beim Endkunden. Dies sind förderliche Voraussetzungen für einen nachhaltigen Umbau des Energiesystems auf kommunaler Ebene sowie für einen effizienten Netzbetrieb als ein Beitrag für ein erfolgreiches unternehmerisches Handeln.

96

Christian Theobald Tabelle 1

Netzbetreiber

Sitz

Effizienzwert

Stadtwerke Fellbach GmbH

Fellbach

80,00 %

Albstadtwerke GmbH

Albstadt

85,97 %

FairEnergie GmbH

Reutlingen

86,31 %

Stadtwerke Villingen-Schwenningen GmbH

Villingen-Schwenningen

86,40 %

Stadtwerke Schwäbisch Gmünd GmbH

Schwäbisch Gmünd

89,92 %

Stadtwerke Waiblingen GmbH

Waiblingen

90,00 %

Stadtwerke Pforzheim GmbH & Co. KG

Pforzheim

90,95 %

Stadtwerke Baden-Baden

Baden-Baden

91,15 %

Stadtwerke Tübingen GmbH

Tübingen

91,73 %

Stadtwerke Konstanz GmbH

Konstanz

91,86 %

Thüga Energienetze GmbH

Schifferstadt

94,20 %

Stadtwerke Sindelfingen GmbH

Sindelfingen

Technische Werke Friedrichshafen GmbH

Friedrichshafen

100,00 %

Albwerk GmbH & Co. KG

Geislingen a. d. Steige

100,00 %

Stadtwerke Heidelberg Netze GmbH

Heidelberg

100,00 %

94,49 %

NHF Netzgesellschaft Heilbronn-Franken GmbH Heilbronn

100,00 %

Gemeindewerke Krauchenwies

Krauchenwies

100,00 %

Gemeindewerke Niefern-Öschelbronn

Niefern-Öschelbronn

100,00 %

TWS Netz GmbH

Ravensburg

100,00 %

Durchschnitt

93,31 %

Zuständigkeit der LRegB Baden-Württemberg

Netzbetreiber

Sitz

24/7 Netze GmbH

Mannheim

82,53 %

Energiedienst Netze GmbH

Rheinfelden

82,70 %

SWU Netze GmbH

Ulm

88,30 %

Stadtwerke Karlsruhe Netze GmbH

Karlsruhe

90,93 %

Elektrizitätswerk Mittelbaden Netzges.mbH

Lahr

92,56 %

Badenova NETZ GmbH

Freiburg

92,85 %

Netzgesellschaft Ostwürttemberg GmbH

Ellwangen

100,00 %

Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH

Schwäbisch Hall

100,00 %

EnBW Regional AG

Stuttgart

100,00 %

Durchschnitt

Effizienzwert

92,21 %

Zuständigkeit der Bundesnetzagentur Quelle: Landtag Baden-Württemberg, Drucksache 15/1700 vom 10. 05. 2012, in: Müller-Kirchenbauer, Joachim/ Leprich,Uwe, Anforderungen an leistungsfähige Verteilernetze im Rahmen der Energiewende, EnWZ 2013

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

97

Bemerkenswert ist, dass die These von einer Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Effizienz bislang nicht empirisch belegt wurde; im Gegenteil, empirisch ergibt sich vielmehr die gegenseitige Feststellung, worauf ausführlich MüllerKirchenbauer/Leprich hinweisen und zum Ergebnis kommen, „dass auf Basis der derzeit öffentlich verfügbaren Daten die Größe des Netzbetreibers und damit des Netzes empirisch nichts über die Effizienz desselben aussagt. Insbesondere stützen sie die Schlussfolgerung nicht, dass kleine Netzbetreiber per se ineffizienter seien“.

Daraus folgern Müller-Kirchenbauer/Leprich: „Der darin liegende Widerspruch zu den theoretisch klar belegten subadditiven Kostenstrukturen der Energienetze bedarf der näheren Untersuchung. Ein Erklärungsansatz könnte in sehr schwach ausgeprägten Skaleneffekten liegen, die durch andere Einflüsse deutlich überlagert werden. Ein weiterer maßgeblicher Erklärungsansatz dürfte ferner darin zu sehen sein, dass auch kleinere Netzbetreiber über Kooperationen Skaleneffekte, Synergien oder Verbundvorteile realisieren können, ohne hierfür ihre Selbständigkeit aufgeben zu müssen“.14

Aufschlussreich sind die in Tabelle 1 zu sehenden Gegenüberstellungen der Effizienzwerte von Verteilnetzbetreibern aus Baden-Württemberg aus Effizienzvergleichsberechnungen für die 1. Regulierungsbehörde Strom 2009 bis 2013, woraus sich ergibt, dass kleinere Verteilnetzbetreiber mit einem Durchschnittswert von 93,31 % gegenüber größeren Verteilnetzbetreibern mit 92,21 % sogar etwas höhere Effizienzwerte aufweisen. 2. Netzentgelte Eine weitere in diesem Zusammenhang häufige anzutreffende These, dass große Netze zu geringeren Netzentgelten und Kosten für die Verbraucher führen, soll nachfolgend betrachtet werden.15 Im ersten Schritt werden dazu die Entgelthöhen von großen und kleinen Netzbetreibern jeweils innerhalb eines Landes für Deutschland und die Schweiz verglichen. Hieraus sollen Rückschlüsse auf mögliche Korrelationen/ Zusammenhänge gezogen werden. Im zweiten Schritt erlaubt ein Vergleich der durchschnittlichen Netzentgelthöhen europäischer Länder unter Berücksichtigung der Anzahl bzw. Größe der Verteilnetzbetreiber weitere Aussagen über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Netzentgelte und der Größe/Anzahl von Verteilnetzbetreibern eines Landes. Netzentgelte sind der Preis für die Nutzung der Infrastruktur zum Transport und zur Verteilung von Elektrizität bzw. Gas. Nachfolgend wurden die spezifischen Netznutzungsentgelte verschiedener Verteilnetzbetreiber innerhalb eines Landes verglichen.

14 Müller-Kirchenbauer, Joachim/Leprich,Uwe, Anforderungen an leistungsfähige Verteilernetze im Rahmen der Energiewende, EnWZ 2013, S. 99 ff. 15 Nachfolgende Aussagen basieren auf Untersuchungen der BBH Consulting AG.

98

Christian Theobald

a) Vergleich der Netzentgelte innerhalb eines Landes Ein nationaler Vergleich der Netzentgelte wird für die Länder Deutschland und Schweiz durchgeführt. Bei dem stichprobenartigen Vergleich der Netzentgelte in Deutschland wurden die spezifischen Netzentgelte des jeweiligen Verteilnetzbetreibers für Haushaltskunden mit einer Jahresarbeit von 3.500 kWh/a aus Grundpreis und Arbeitspreis ermittelt. Die Größe der Verteilnetzbetreiber wird näherungsweise über die Anzahl der Entnahmestellen (Niederspannung) abgebildet.

Seitens BBH Consulting AG untersuchte Unternehmen: Bayernwerk, E.DIS, ENBW, EWE, Mitnetz, SW Bernau, SW Bochum, SW Greifswald, SW Freising, SW Mössingen, SW München, SW Münster, SW Pappenheim, SW Rostock, SW Schwäbisch Hall, SW Tauberfranken, SW Wernigerode, Westnetz, Stand: 01. 01. 2014

Abbildung 1: Vergleich der Netzentgelte ausgewählter Verteilnetzbetreiber in Deutschland

Für diese Darstellung wurden zufällig Verteilnetzbetreiber in allen Größenordnungen ausgewählt. Aufgrund der geringen Auswahl handelt sich hierbei jedoch nicht um einen repräsentativen Vergleich. Ohne diesem Anspruch gerecht zu werden, kann dennoch eine erste Tendenz festgestellt werden. In der Abbildung 1 ist deutlich ersichtlich, dass kleine Verteilnetzbetreiber nicht zwangsweise höhere Netzentgelte haben, sondern zum Teil sogar geringere als große Unternehmen.

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

99

Das aufgrund des geringen Stichprobenumfangs nicht belastbare Ergebnis dieser ersten Prüfung wird durch die folgende Analyse bestätigt, bei der Daten von 646 Schweizer Verteilnetzbetreibern ausgewertet werden. In Abbildung 2 werden die Netzentgelthöhen der Verteilnetzbetreiber in Abhängigkeit der Anzahl an versorgten Haushalten dargestellt. Für jede Unternehmensgröße sind in der Schweiz niedrige und hohe Netznutzungstarife bekannt, wie die nachfolgende Abbildung verdeutlicht. 18

Netznutzungstarif H3 [Rp./kWh]

16 14 12 10

y= –0,014ln(x) + 8,8989 R 2 = 0,0001

8 6 4 2 0

10

100

1000

10000

100000

1000000

Anzahl Haushalte pro VNB (Näherung)

Quelle: Steiner, Beat, Arbeiten große Verteilnetzbetreiber günstiger als kleine?, Bulletin 2013, S. 31

Abbildung 2: Analyse der Netzkosten in der Schweiz

Beide vorangegangenen Analysen der Netzentgelthöhe der Verteilnetzbetreiber eines Landes belegen, dass große Netze nicht zwingend zu geringeren Netzentgelten und Kosten für die Verbraucher führen. Eine eindeutige Korrelation zwischen den Netzentgelthöhen und der Größe der Netzbetreiber/Netze – und damit das Vorliegen von Größenvorteilen – kann nicht nachgewiesen werden. b) Vergleich der Netzentgelte in Europa Aufbauend auf den Ergebnissen des vorangegangenen Abschnitts werden im Folgenden die durchschnittlichen Netzentgelte in verschiedenen europäischen Ländern unter Berücksichtigung der Anzahl der Verteilnetzbetreiber in den Ländern verglichen. Zu diesem Zweck wird in Abbildung 3 ein Vergleich durchschnittlicher Netzentgelthöhen in europäischen Ländern aus dem Jahr 2013 dargestellt, welcher im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt wurde. Mit deutlichem Abstand sind in Dänemark die durchschnittlichen Netzentgelte am höchsten, die Länder Niederlande, Schweden und Finnland weisen geringe Netzentgelte auf.

100

Christian Theobald

Euro per MWh

35 30 25

20 15 10

5 0

Switzerland

Spain

Sweden

Slovenia

Serbia

Slovak Rep

Romania

Poland

Portugal

Norway

Northern Ireland

FYROM

Netherlands

Lithuania

Luxembourg

Italy

Average

Latvia

Ireland

Lowest

Iceland

Greece

Hungary

Great Britain

France

Germany

Estonia

Finland

Denmark

Croatia

Czech Republic

Bulgaria

Bosnia and Herzegovina

Austria

-10

Belgium

-5

Highest

Quelle: Commission of the European Communities, Fourth Benchmarking-Report: Annual Report on the Implementation of the Gas and Electricity Internal Market, Communications from the Commission, 2013, S. 1 (entsoe, ENTSO-E Overview of transmission tariffs in Europe: Synthesis 2013)

Abbildung 3: Vergleich der Netzentgelte [E/MWh]

Für weitere Aussagen bzgl. eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Höhe der Netzentgelte und der Anzahl an Verteilnetzbetreibern in einem Land ist in folgender Tabelle 2 die Verteilnetzbetreiber-Anzahl und als mögliche Referenzgröße16 die Anzahl angeschlossener Kunden für ausgewählte europäische Länder dargestellt. Wie in nachfolgendem Vergleich ersichtlich wird, weisen beide Parameter eine große Verteilung auf. Die Verteilnetzbetreiber-Anzahl ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Irland (1) hat neben Großbritannien (7), Luxemburg (8) und den Niederlanden (8) sowohl die geringste Anzahl an Verteilnetzbetreibern, als auch die geringste Anzahl angeschlossener Kunden (2,2 Mio.). In Deutschland ist sowohl die Anzahl an Verteilnetzbetreibern (896) am höchsten, als auch die Anzahl der angeschlossenen Kunden (49,3 Mio.). Bezogen auf die angeschlossenen Kunden weisen bspw. Länder wie Dänemark, Österreich, Finnland und Schweden eine höhere „Dichte“ an Verteilnetzbetreibern auf als Deutschland. Die geringste „Dichte“ an Verteilnetzbetreibern haben die Länder Großbritannien und Irland. Bei dieser Gegenüberstellung ist zu berücksichtigen, dass neben der Anzahl angeschlossener Kunden auch 16 Als weitere Referenzgrößen könnten die jeweiligen gesamten Netzlängen eines Landes oder gesamte verteilte Jahresarbeit in einem Land genutzt werden.

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

101

weitere Faktoren zur Gewichtung (bspw. entnommene Jahresarbeit, Größe des Landes, geographische Besonderheiten etc.) für einen umfassenden Vergleich einbezogen werden sollten. Tabelle 2 Anzahl an Verteilnetzbetreibern ausgewählter Länder17 Country

Number of DSOs 2010

Total Number of Connected Customers

Austria

138

5.870.000

Belgium

26

5.243.796

Denmark

76

3.277.000

Finland

85

3.309.146

France

158

33.999.393

Germany

896

49.294.962

7

30.828.266

Great Britain Ireland Italy Luxembourg Netherlands

1

2.237.232

135

31.423.623

8

n/a

8

8.110.000

Norway

150

n/a

Poland

188

16.478.000

Spain

349

27.786.798

Sweden

170

5.309.000

Dass ein Land mit einer geringen Anzahl an Verteilnetzbetreibern nicht zwingend geringere Entgelte als ein Land mit hoher Anzahl an Verteilnetzbetreibern hat, lässt sich insbesondere an dem folgenden Beispiel verdeutlichen. Für diesen beispielhaften Vergleich werden entsprechend Tabelle 1 die Länder mit der geringsten und der höchsten Anzahl an Verteilnetzbetreibern gewählt: Entsprechend des Vergleichs der Europäischen Kommission sind die durchschnittlichen Netzentgelte in Deutschland (896 Verteilnetzbetreiber) geringer als die durchschnittlichen Netzentgelte in Großbritannien (7 Verteilnetzbetreiber) oder in Irland (1 Verteilnetzbetreiber). Die zuvor dargestellte Preisdifferenz in den Netzentgelten lässt jedoch keine Schlussfolgerung auf die unterschiedliche Effizienz der Netzbetreiber zu, da bei dem vorliegenden Vergleich der Einfluss wesentlicher Kostentreiber unberücksichtigt bleibt. Für eine Standardisierung und Bereinigung der Preise sind beispielsweise die entsprechenden Strukturparameter Fixkostendegression, Siedlungsstruktur, Versorgungsqualität und das inländische Lohn- bzw. Preisniveau zu beachten. Zur Ver17 Quelle: Eurelectric, Power Distribution in Europe – Facts & Figures, 2013, S. 22. Die Anzahl der Verteilnetzbetreiber entspricht dem Stand des Jahres 2010.

102

Christian Theobald

deutlichung der Auswirkung der strukturellen Unterschiede wurden zuvor genannte Faktoren bei einem Preisvergleich im Jahr 2005 für ausgewählte Länder berücksichtigt. In Abbildung 4 sind die prozentualen Veränderungen gegenüber den durchschnittlichen Netzentgelten eines Landes dargestellt. Veränderung der Netzentgelte gegenüber dem Durchschnitt auf Grund der Korrekturen für den gewichteten Durchschnitt Mittelspannung Ig, Niederspannung Ib und Dc (in %-Punkten)

30% 20%

Verbesserung durch Korrektur

10% 0% -10% -20% -30%

Norwegen

Finnland

Schweden

Portugal

Vereinigtes Königreich

Spanien

Niederlande

Belgien

Österreich

Deutschland

Luxemburg

-40%

Quelle: Wild, Jörg/Suter, Stephan, Berücksichtigung struktureller Unterschiede bei europäischen StromnetzPreisvergleichen, 2005, S. 35

Abbildung 4: Veränderungen der Netzentgelte gegenüber dem Durchschnitt der betrachteten Länder auf Grund von Korrekturen für Kraftwerksbetreiberanteil, Kaufkraft, Einwohnerdichte, Siedlungsdichte und Qualität

In dem zuvor genannten Beispiel resultiert aus der Standardisierung der Preise eine minimale Erhöhung der durchschnittlichen Netzentgelte für Großbritannien und eine deutliche Senkung der durchschnittlichen Netzentgelte für Deutschland. Im Ergebnis erhöht sich somit sogar die Differenz der durchschnittlichen Netzentgelte zwischen Deutschland (896 Verteilnetzbetreiber) und Großbritannien (7 Verteilnetzbetreiber). Dies ist eine weitere Bestätigung dafür, dass Länder mit einer hohen Anzahl an Verteilnetzbetreibern nicht zwangsläufig auch höhere durchschnittliche Netzentgelte aufweisen als Länder mit einer geringen Anzahl an Verteilnetzbetreibern. 3. Vermeidung hoher Transaktionskosten Auch ohne eine Verringerung der Zahl der Verteilnetzbetreiber lassen sich hohe Transaktionskosten vermeiden. Bereits heute besteht ein hoher Grad der Standardisierung der Abwicklung des Zugangs zu den Verteilnetzen. Mit ihrer „Festlegung einheitlicher Geschäftsprozesse und Datenformate zur Abwicklung der Belieferung von Kunden mit Elektrizität“ (GPKE) hat die BNetzA in 2006 die Abwicklung des Netzzugangs bundesweit einheitlich standardisiert. Der Netzzugang wird in Form eines fast vollständig automatisierten elektronischen Verfahrens abgewickelt. Das

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

103

System gilt als mittlerweile „eingeschwungen“ und wird von allen Marktbeteiligten umgesetzt. Die BNetzA arbeitet zudem derzeit an einer Standardisierung der vertraglichen Grundlagen des Netzzugangs. Am 21. Oktober 2013 hat sie hierzu ein Verfahren zur Festlegung eines Netznutzungsvertrages Strom eingeleitet (Az.: BK6 – 13 – 042). Mit dem Ziel der „Harmonisierung“ der Vertragsgestaltung und Abwicklung der Netznutzung beabsichtigt die BNetzA, einen vollständigen und einheitlichen Mustervertrag für die Netznutzung im Bereich Strom festzulegen. Im Bereich Gas existiert ein solcher Mustervertrag bereits. Die dargestellte Standardisierung hat nicht nur im Bereich des Netzzugangs sondern auch etwa beim Mess- und Zählerwesen bereits stattgefunden. Mit ihrer „Festlegung zur Standardisierung von Verträgen und Geschäftsprozessen im Bereich des Messwesens“ (Az.: BK6 – 09 – 034 und BK7 – 09 – 001) hat die BNetzA in 2010 verbindliche Vorgaben zur Abwicklung von Marktprozessen im liberalisierten Messwesen getroffen. Aufgrund des damit bereits erreichten Umfangs der Standardisierung in allen für den Netzbetrieb relevanten Bereichen, ist durch eine Verringerung der Anzahl der Verteilnetzbetreiber keine signifikante Senkung von Transaktionskosten zu erwarten. 4. Keine „Netzzersplitterung“ Im Übrigen suggeriert die Behauptung von einer zunehmenden „Zersplitterung“ (oder gar „Balkanisierung“) der Netzstrukturen infolge von Rekommunalisierungen und Neugründungen von Stadt- bzw. Gemeindewerken negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und Effizienz. Diese Kritik richtet sich im Wesentlichen gegen Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG und die damit verbundene Möglichkeit für Kommunen, spätestens nach 20 Jahren einen anderen Strom- bzw. Gasverteilnetzbetreiber mit dem künftigen Netzbetrieb vor Ort zu konzessionieren; insgesamt gibt es bundesweit etwa 20.000 solcher Konzessionsverträge.18 Tatsächlich ist es aber so, dass es in den letzten Jahren nach Kenntnis des Verfassers zu keiner nennenswerten Zahl von Unternehmensneugründungen beim Netzbetrieb gekommen ist. Bei etwa 90 % der Auswahlverfahren verbleibt die Konzession beim bisherigen Netzbetreiber, bei etwa 8 oder 9 % wird ein anderer Bewerber, der aber bereits als Netzbetreiber tätig und etabliert ist, neu konzessioniert. Bei den verbleibenden 1 bis 2 % wird tatsächlich ein neu gegründetes Unternehmen konzessioniert. Regelmäßig übernimmt dieses aber lediglich das Eigentum am örtlichen Netz; faktisch betrieben gemäß § 4 EnWG wird dieses aber, sei es im Wege der Verpachtung, sei es im Wege einer Betriebsführung, wiederum von einem bereits existieren18

Hierzu bspw. Brüning, Christoph/Schulz, Sönke/Brackmann, Franziska/Tischer, Jakob, Die Rolle der Kommunen bei der Vergabe von Konzessionen nach § 46 EnWG, Kiel 2013; Hellermann, Johannes, Die gemeindliche Entscheidung über die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen, München 2013 und Weiß, Wolfgang, Entscheidungsspielräume bei der Konzessionierung nach § 46 EnWG, München 2014.

104

Christian Theobald

den, in der Praxis bewährtem Netzbetreiber, der häufig zugleich Mitgesellschafter der neu gegründeten Eigentumsgesellschaft (asset owner) wird. Es kommt also gerade nicht zu einer Vermehrung der Zahl der Netzbetreiber bzw. besagter „Netzzersplitterung“, im Gegenteil: Das den Netzbetrieb übernehmende Energieversorgungsunternehmen bewirtschaftet künftig ein größeres Netzgebiet und erhöht auf diese Weise sogar seinen Effizienzwert. 5. Wettbewerbsbeeinträchtigungen Eine hohe Anzahl an (rechtlich und operationell) nicht entflochtenen Verteilnetzbetreibern führt nicht zu (höheren) Wettbewerbsbeeinträchtigungen. Die gesetzliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs besteht für jeden Netzbetreiber. Die Anzahl der Verteilnetzbetreiber hat prima facie keinen Einfluss auf die Quantität oder Qualität bzw. das Risiko von Diskriminierungen. Es ist bis heute nicht nachgewiesen, dass Wettbewerbsbeeinträchtigungen häufiger durch kleinere (oder viele) Verteilnetzbetreiber verursacht werden, als durch einzelne, größere Verteilnetzbetreiber. Im Gegenteil erstrecken sich die wettbewerblichen und regulierungsbehördlichen Aufsichtsverfahren im Schwerpunkt auf größere Verteil- und insbesondere Regionalnetzbetreiber. Auch dürften Konfliktlösungen im Einzelfall einfacher und „unbürokratischer“ mit kleineren bis mittleren Verteilnetzbetreibern möglich sein als mit Großkonzernen. In der Praxis ist es auch wichtig, die Anschlusssituationen vor Ort zu kennen. Probleme etwa beim Lieferantenwechsel (insbesondere bei der Identifizierung der betroffenen Anschlussnutzer) lassen sich so in der Regel schnell und unkompliziert lösen.

IV. Ein Zwischenfazit 1. Vorteile der Ist-Situation Bei genauerer Betrachtung bleiben die Kritiker der bisherigen Verteilnetzbetreiberstruktur in Deutschland den Beweis für ihre Aussagen schuldig. Vielmehr ist es so, dass das gegenwärtige System zahlreicher Verteilnetzbetreiber eine Vielzahl von Vorteilen bietet, um die uns letztlich die anderen europäischen Mitgliedsstatten beneiden. Diese Vorteile lassen sich unter den Stichworten kommunale Wertschöpfung, höhere Bürgerakzeptanz und kommunale Daseinsvorsorge sowie Energiewende vor Ort zusammenfassen. Ein wesentlicher Vorteil des derzeitigen Systems vieler kleiner, parallel existierender, kommunaler Verteilnetzbetreiber liegt darin, dass sie unmittelbar zur kommunalen Wertschöpfung beitragen.19 Die aus dem Netzbetrieb erwirtschafteten Ge19 Müller-Kirchenbauer, Joachim/Leprich,Uwe, Anforderungen an leistungsfähige Verteilernetze im Rahmen der Energiewende, EnWZ 2013, S. 99 ff.

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

105

winne verbleiben in der Kommune. Es werden mithin Mittel generiert, die zum Beispiel in den Ausbau der kommunalen Infrastruktur investiert werden können. Zudem sichert der regionale Betrieb Arbeitsplätze in der Region.20 Auch die regionale Wirtschaft und dabei insbesondere mittelständische Unternehmen werden durch die mit dem Netzbetrieb einhergehende Vergabe von Aufträgen gestärkt. Dadurch erhöht sich das Steueraufkommen der Gemeinde und das kommunale Investitionsvolumen steigt. Auch über den steuerlichen Querverbund lassen sich öffentliche Aufgaben finanzieren.21 Zudem lassen sich regionale Energiepotentiale besser ausschöpfen. Schließlich können Synergieeffekte geschaffen und genutzt werden, wenn die Kommune bzw. eine kommunale Gesellschaft nicht nur das Netz betreibt, sondern später auch an der Energieerzeugung und dem Energievertrieb zumindest beteiligt ist. Ein weiteres Argument für das derzeitige System ist die höhere Akzeptanz kommunaler und regionaler Netzbetreiber durch die Gemeindebürger. So sind Fälle bekannt, in denen reihenweise Kunden zu den neu konzessionierten Stadtwerken gewechselt sind, obwohl über die Netzübernahme noch gerichtlich gestritten und von Seiten des Stadtwerkes keine Werbung geschaltet wurde. Die höhere Bürgerakzeptanz resultiert insbesondere aus der örtlichen Verbundenheit und der Regionsverbundenheit der Bürger, dem Beitrag des regionalen Netzbetriebs zur kommunalen Wertschöpfung sowie der Leistungsnähe. Dabei kommt dem Umstand, dass die verantwortlichen Personen jederzeit für den Bürger ansprechbar sind, eine wesentliche Bedeutung zu. Zudem ist der Netzbetrieb über den Gemeinderat demokratisch rückgekoppelt. Die Bürger können überdies im Wege direktdemokratischer Maßnahmen unmittelbaren Einfluss auf die Energieversorgung nehmen.22 Die höhere Bürgerakzeptanz kann im Rahmen der Netzausbaumaßnahmen der Energiewende von Bedeutung sein. Auch gehört die Energieversorgung zu dem Kernbestand der kommunalen Daseinsvorsorge. Daher wird die Durchführung des Netzbetriebs – anders als bei strikt gewinnorientierten Großunternehmen – in der Regel von einem hohen gemeinwohlorientierten Verantwortungsbewusstsein geprägt sein, was sich langfristig ebenfalls positiv auf die Bürgerakzeptanz auswirken dürfte.23 Schließlich wird man örtlichen kleinen Netzbetreibern wohl ein hohes Maß an genauer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten zusprechen können. Dies kann für die erforderlichen Maßnahmen der Energiewende von großer Bedeutung sein. So wird ein kleiner Netzbetreiber vor Ort eher dazu in der Lage sein, einen bedarfsgerechten Netzausbau vorzunehmen. Zudem ist zwar beispielsweise der Anschluss von Erneu20 Schorsch, Christof/Faber, Jessica, Rekommunalisierung der Energieversorgung – Chancen und Risiken, 04. 02. 2010, http://www.demo-online.de/content/rekommunalisierungder-energieversorgung-ae-chancen-und-risiken. 21 Müller-Kirchenbauer, Joachim/Leprich,Uwe, Anfoderungen an leistungsfähige Verteilernetze im Rahmen der Energiewende, EnWZ 2013, S. 99 ff. 22 Hierzu Prantl, Heribert, Hackschnitzel-Demokratie (Editorial), EnWZ 2014, 481 f. 23 Schorsch/Faber (Anm. 21).

106

Christian Theobald

erbare-Energien-Anlagen gesetzlich geregelt. Gleichwohl ist eine besonders reibungslose Abwicklung derartiger Anschlussbegehren, die möglicherweise den gesetzlichen Standard übertrifft, nicht ausgeschlossen. Durch die Ortsnähe kleiner Netzbetreiber erscheint auch eine schnellere Abwicklung des Anschlusses von Erneuerbare-Energien-Anlagen möglich.

2. Gleichwohl Reformbedarf Zweifelsohne aber erschweren die derzeitigen Rahmenbedingungen weiterhin sinnvolle Kooperationen gerade im Verhältnis von Verteilnetzbetreibern untereinander. So wird etwa für die Anerkennung von sog. Personalzusatzkosten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV seitens der Regulierungsbehörden vorgegeben, dass eine derartige Privilegierung lediglich für Mitarbeiter in Betracht kommt, die in einem direkten Arbeitsverhältnis mit dem Netzbetreiber stehen. Eine unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten effiziente „Arbeitsteilung“ zwischen einzelnen Netzbetreibern innerhalb einer Kooperation wird damit strukturell gegenüber einer eigenständigen Durchführung sämtlicher Regulierungstätigkeiten durch einen einzelnen Netzbetreiber mit jeweils eigenem Personal benachteiligt. Diese – im Übrigen nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift ableitbare – Regulierungspraxis sollte durch eine Klarstellung des Verordnungsgebers zukünftig vermieden werden und für sämtliche Mitarbeiter gelten, die (gegebenenfalls anteilig) für den Netzbetreiber tätig sind. Mitglieder einer Kooperation sehen sich ferner dem Risiko ausgesetzt, die für das eigene Unternehmen vorliegenden Voraussetzungen für die Teilnahme am sog. vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV durch eine „Gesamtbetrachtung“ der angeschlossenen Kunden sämtlicher Kooperationsmitglieder zu verlieren. In diesem Fall droht darüber hinaus die Vorgabe der Bildung eines „einheitlichen“ Netzentgeltes durch Festlegung von Erlösobergrenzen der Kooperation im Wege des regulären Verfahrens. Dem könnte durch eine entsprechende Klarstellung des Verordnungsgebers in § 24 Abs. 1 ARegV Abhilfe geschafft werden. Das aktuelle Regulierungsregime zeichnet sich neben einer immensen Komplexität des Verfahrens sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Regulierungsbehörden insbesondere durch den erheblichen Zeitverzug von bis zu sieben Jahren zwischen Investition und Refinanzierbarkeit über die Netzentgelte aus. Ein derartiges System kann ggf. im Falle technisch und wirtschaftlich „eingeschwungener“ Netze als sachgerecht bezeichnet werden, wird indes den stetig steigenden Herausforderungen an die Verteilnetzbetreiber aufgrund des erforderlichen Umbaus ihrer Netze im Zuge der Energiewende nicht gerecht. Um den Verteilnetzbetreibern ausreichend Anreize für die Durchführung der erforderlichen Investitionen zu eröffnen, ist eine zeitnahe Anpassung der regulatorischen Vorgaben erforderlich. Unter gleichzeitiger Reduzierung der Regulierungskomplexität bietet sich hierfür insbesondere das vom Bundesrat mit Entschließung

Energieverteilnetze als öffentliche Angelegenheit

107

vom 5. Juli 2013 und Inkrafttreten am 22. August 2013 explizit benannte Modell der Investitionskostendifferenz als einfach umzusetzendes Vorgehen an.24 Für die Erreichung des Ziels leistungsfähigerer Verteilnetzbetreiber wäre auch eine Vereinfachung von Netzübernahmen förderlich. Die zahlreichen offenen Rechtsfragen führen zu Nachteilen bei kleineren Netzbetreibern, die von Altkonzessionären Netze übernehmen wollen, nachdem sie neue Konzessionsgebiete gewonnen haben. Denn die Rechtsunsicherheiten bei der Ermittlung des „richtigen“ Kaufpreises, beim „Anlagenumfang“ und bei der Übernahme der Erlösobergrenzen sowie bei der Netzentflechtung und ihrer Kosten etc. können sich unmittelbar und sehr nachteilig auf Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des übernehmenden kleinen Netzbetreibers auswirken. Beispielhaft genannt sei hier nur die Zahlung eines überhöhten Netzkaufpreises, der sich mit dem anschließenden Netzbetrieb gar nicht mehr verdienen lässt. In den genannten Punkten hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 3. Juni 2014 erfreulicherweise Konkretisierungen getroffen.25 Gleichwohl ist der Gesetzgeber gefordert, die Hindernisse bei Netzübernahmen auszuräumen und für Rechtssicherheit zu sorgen. Denn schließlich ist der Wettbewerb um die Netze mit einem möglichen Netzbetreiberwechsel (zumindest einmal in 20 Jahren) vom Gesetzgeber gewollt.26 Regelmäßig handelt es sich bei den kleinen Netzbetreibern auch um kommunale Unternehmen vor Ort. Insoweit wäre eine Reform verschiedener Gemeindeordnungen wünschenswert. Die Vorteile zahlreicher (kommunaler) Netzbetreiber wurden bereits oben dargestellt. Letztlich wird auch niemand bestreiten können, dass Energieinfrastrukturen und damit Energienetze in letzter Konsequenz Teil der Daseinsvorsorge sind. Insoweit sollten kommunale Unternehmen im Energiebereich und insbesondere die im Netzbetrieb tätigen Unternehmen nicht mit zusätzlichen Hindernissen durch scharfe Vorgaben der Gemeindeordnung konfrontiert werden. Vielmehr wäre hier eine flächendeckende Bereichsausnahme (von der Subsidiarität) für den Bereich Energie in allen Gemeindeordnungen der Bundesländer wünschenswert und für die wirtschaftliche Betätigung kommunaler (Energie-)Netzbetreiber sinnvoll.

24

Hierzu Pfeifle, Florian, Novelle des Netzregulierungsrechts, EnWZ 2013, 387 ff.; weitere Vorschläge bei Bohne, Eberhard/Bauer, Christian, Vorschläge zur Verbesserung und Vereinfachung der Regulierung der Strom- und Gaswirtschaft, EnWZ 2014, 443 ff. 25 Vgl. BGH, EnWZ 2014, S. 470 ff, Netzübergänge nach § 46 EnWG werden erleichtert, mit Anmerkung von Kühling, Jürgen. 26 Hierzu u. a. Kühling, Jürgen, Der Streit um die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ für Netzanlagen nach § 46 II 2 EnWG, EnWZ 2012, S. 7 ff.; Genten, Alexandra/Krämer, Michael/Theobald, Christian/Wolkenhauer, Sören, Die wirtschaftlich angemessene Vergütung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG im Licht der aktuellen Rechtsprechung und Literatur, RdE 2014, S. 213 ff.

Reform des Finanzausgleichs Joachim Wieland Die Reform des Finanzausgleichs steht bevor. Sowohl das Maßstäbegesetz als auch das Finanzausgleichsgesetz treten mit Ablauf des Jahres 2019 außer Kraft. Gleichzeitig läuft der Solidarpakt II aus. Außerdem entfaltet vom Januar 2020 an die sogenannte Schuldenbremse auch in den Ländern ihre volle Wirkung. Unter diesen Rahmenbedingungen erweist sich die Reform des Finanzausgleichs als unumgänglich. Ich werde im Folgenden analysieren, welcher Rahmen für das Reformprojekt sich aus der Verfassung der Finanzen des Staates und aus der staatlichen Finanzverfassung ergibt (I.). Dabei werde ich einen Blick auf die Verteilung der Finanzen im Bundesstaat werfen (II.) und Stärken sowie Schwächen des geltenden Finanzausgleichs untersuchen (III.). Nach einem Blick auf die Bundesergänzungszuweisungen (IV.) werde ich mich mit den Möglichkeiten einer Reform befassen (V.). Abschließend gehe ich auf den Einfluss des Antrags auf abstrakte Normenkontrolle auf das Reformprojekt ein, den die Länder Bayern und Hessen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestellt und mit dem sie die verfassungsgerichtliche Überprüfung von Maßstäbegesetz und Finanzausgleichsgesetz eingeleitet haben (VI.).

I. Finanzverfassung Die reale Verfassung der Finanzen in Deutschland ist besorgniserregend. Die Verschuldung der öffentlichen Hand beläuft sich gegenwärtig auf mindestens 2,5 Billionen Euro.1 Hinzu kommen Pensionslasten für eine große Zahl von Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern sowie die verdeckte Verschuldung, die in Nebenhaushalten und öffentlichen Unternehmen versteckt ist. Schließlich ist Deutschland im Rahmen der Finanz- und Bankenkrise in den letzten Jahren hohe finanzielle Verpflichtungen zur Rettung des Euro eingegangen, so zum Beispiel durch die Ratifikation des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Ob und inwieweit das Land aus diesen Verpflichtungen in Anspruch genommen wird, lässt sich noch nicht absehen. Ein vorsichtiger Kaufmann würde jedoch nicht damit rechnen, dass überhaupt kein Geld fließen wird, sondern lieber Rückstellungen bilden. Welche Belastung sich aus der Verschuldung für die öffentlichen Haushalte ergibt, zeigt die sogenannte Zins-Steuer-Quote, die im Länderdurchschnitt 8,4 % be1 Vgl. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzen Steuern/OeffentlicheFinanzen/OeffentlicheFinanzen.html (abgerufen am 6. 6. 2014).

110

Joachim Wieland

trägt.2 Durchschnittlich 8,4 % ihrer Steuereinnahmen müssen die Länder also allein an Zinsen für ihre Schulden aufbringen. Von einer Tilgung bestehender Schulden ist nicht zu reden. Außerdem trägt das gegenwärtig außerordentlich tiefe Zinsniveau dazu bei, dass die Zins-Steuer-Quote im Länderdurchschnitt so niedrig ausfällt. Ein Anstieg der Kreditzinsen um ein oder zwei Prozentpunkte würde die Quote sofort deutlich erhöhen. Selbst unter den gegebenen Umständen haben viele Länder schon eine deutlich höhere Zins-Steuer-Quote. Die Quote beträgt in Bremen knapp 21 %. Die Freie Hansestadt Bremen muss also mehr als ein Fünftel ihrer Steuereinnahmen auf Zinszahlungen verwenden. In vier Bundesländern (Berlin, Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein) lag die Quote Ende 2013 nicht nur deutlich über dem Länderdurchschnitt, sondern überstieg den vom Stabilitätsrat festgelegten Schwellenwert. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, dass die sogenannte Schuldenbremse durchaus Erfolge zeigt. Die strukturelle Verschuldung des Bundes wird möglicherweise schon 2015 beseitigt sein. Die Länder müssen 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen (Art. 143d Abs. 1 i.V.m. Art. 109 Abs. 3 GG). Das wird allerdings ohne Hilfe von außen längst nicht allen Ländern möglich sein. Unabhängig vom Erfolg der Schuldenbremse bleiben die Altschulden von Bund und Ländern aber bestehen. Selbst wenn alle Gebietskörperschaften bis 2020 das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts erreichen sollten, sind doch bis dahin die bestehenden Schulden weiter angewachsen. Erst 2020 und nur wenn die Schuldenbremse wirklich erfolgreich umgesetzt wird, wird der Anstieg der Neuverschuldung beendet sein. Damit in den Folgejahren nicht erneut eine strukturelle Verschuldung entsteht, sind große Anstrengungen notwendig. Der Stabilitätsrat hat deshalb auch jüngst zu Recht wieder betont, dass „weiterhin eine strikte Wahrung der Haushaltsdisziplin auf allen staatlichen Ebenen unabdingbar“ sei, um die Vorgaben aus dem Fiskalvertrag und aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt dauerhaft zu sichern.3 Wirft man einen Blick auf die aktuellen Gesetzesvorhaben vor allem im Sozialbereich, kann man allerdings leicht den Eindruck gewinnen, dass die politisch Verantwortlichen die aktuell hohen Steuereinnahmen nicht zum Abbau der Altschulden oder wenigstens zu einem schnellen Verzicht auf eine neue Verschuldung nutzen, sondern stattdessen lieber ausgabenwirksame Maßnahmen ergreifen.4 Die Reform des Finanzausgleichs wird aber nicht nur diese reale Verfassung der Staatsfinanzen in Rechnung stellen, sondern auch die Vorgaben der normativen Finanzverfassung des Grundgesetzes beachten müssen. Auszugehen ist vom Konnexi2 Stand im Dezember 2013. Vgl. Haushaltskennziffern des Stabilitätsrates für die 8. Sitzung 12/2013; http://www.stabilitaetsrat.de/DE/Beschluesse-und-Beratungsunterlagen/ 20131205_8.Sitzung/Sitzung20131205_node.html (abgerufen am 6. 6. 2014). 3 Vgl. Pressemitteilung zur 9. Sitzung des Stabilitätsrates 05/ 2014, http://www.stabilitaets rat.de/DE/Beschluesse-und-Beratungsunterlagen/20140528_9.Sitzung/Sitzung20140528_node. html (abgerufen am 6. 6. 2014). 4 Vgl. nur etwa das am 23. 05. 2014 vom Bundestag verabschiedete Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung („Rentenpaket“), BT-Drs 18/ 909, BT-PlPr 18/37, S. 3203B.

Reform des Finanzausgleichs

111

tätsprinzip des Art. 104a GG. Danach tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Die Ausgabenlast folgt also der Aufgabenlast.5 Dahinter steht die finanzwirtschaftliche Erwägung, dass die staatliche Ebene, die eine Aufgabe erfüllt, am ehesten in der Lage sein wird, sparsam und wirtschaftlich zu handeln. Diese Annahme ist allerdings durch die Entwicklung des sozialen Rechtstaats zweifelhaft geworden. Vor allem im Bereich der Sozialleistungen, der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch weitgehend vom Ermessen der handelnden Behörden geprägt wurde, dominieren mittlerweile gesetzlich begründete Ansprüche. Diese Rechtsansprüche schafft der Bundesgesetzgeber. Da das Konnexitätsprinzip die Finanzierungslast aber der Verwaltung der Länder zuweist, die gemäß Art. 83 GG für den Vollzug von Bundesgesetzen im Zweifel zuständig sind, müssen die Länder die Konsequenzen vom Bund begründeter Leistungsansprüche tragen.6 Hier drängt sich die Frage auf, ob nicht der Bund in Zukunft stärker in die Finanzierungspflicht genommen werden sollte, wenn er durch seine Gesetze neue Leistungsansprüche begründet.7 Wo ein bundesgesetzlicher Leistungsanspruch besteht, haben jedenfalls die Länder im Vollzug der entsprechenden Bundesgesetze kaum Möglichkeiten, sparsam und wirtschaftlich zu handeln. Sie sind vielmehr darauf beschränkt, den Willen des Bundesgesetzgebers zu vollziehen. Dieses Problem ist in der Vergangenheit jedenfalls zum Teil dadurch verdeckt worden, dass der Bundesgesetzgeber Kommunen die Aufgabe des Vollzugs von Sozialgesetzen übertragen hat. Die Kommunen konnten und können gegen den Bund keine Refinanzierungsansprüche geltend machen, weil sie staatsorganisationsrechtlich und im Rahmen der Finanzverfassung (Art. 106 Abs. 9 GG) Teil der Länder sind. Gegenüber den Ländern konnten die Kommunen keinen Ersatz der ihnen durch den Gesetzesvollzug entstehenden Kosten verlangen, weil nicht die Länder ihnen die Aufgaben übertragen hatten. Das hat dazu geführt, dass Bund und Länder den Sozialstaat in großem Umfang zu Lasten Dritter, nämlich der Kommunen, ausgebaut haben.8 Erst 2006 ist im Rahmen der Bundesstaatsreform das Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 in das Grundgesetz aufgenommen worden und schützt nun die Gemeinden und Gemeindeverbände vor Aufgabenzuweisungen durch den Bundesgesetzgeber. Da 2006 der Sozialstaat aber bereits weitgehend ausgebaut war, hilft dieser Schutz für die Zukunft den Kommunen kaum weiter, solange die früher bundesgesetzlich übertragenen Aufgaben fortbestehen und die Kommunen mit den Vollzugskosten von Sozialgesetzen belasten. Hier könnte man durchaus darüber nachdenken, auch für die Vergangenheit eine finanzielle Entlastung der Kommunen für Aufgaben zu bewirken, die sie sich nicht selbst gesucht haben, sondern die ihnen der Bund zugewiesen hat. 5

Vgl. dazu nur etwa Kube, Art. 104a, Rn. 5 ff. Wieland (2012), S. 8 und 18. 7 Renzsch, S. 129 f. 8 Wieland (2012), S. 12 und 23. 6

112

Joachim Wieland

Neben dem Konnexitätsprinzip des Art. 104a GG prägt die Regelung über die Steuergesetzgebungskompetenz in Art. 105 GG die Finanzverfassung. Sie ist so ausgestaltet, dass alle wichtigen Steuergesetze in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fallen (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG). Davon hat er auch ausgiebig und umfassend Gebrauch gemacht. Einkommen-, Körperschaftund Umsatzsteuergesetz als die Gesetze, welche die ertragreichsten Steuern regeln, sind vom Bundesgesetzgeber erlassen worden. Dadurch ist die Einheitlichkeit der Besteuerung in Deutschland gesichert. Zugleich ist aber auch der Handlungsspielraum der Länder auf der Einnahmenseite auf ihre Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes im Bundesrat beschränkt. Da der Bundesgesetzgeber aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG auch die Gesetzgebungszuständigkeit für alle wichtigen Sozialleistungsgesetze ableiten kann, sind Einnahmen und Ausgaben der Länder weitgehend bundesgesetzlich determiniert. Ihre haushaltswirtschaftlichen Handlungsspielräume sind begrenzt. Das wiederum erhöht den politischen Druck auf einen Finanzausgleich. Der Finanzausgleich geht von den Steuerverteilungsregeln des Art. 106 GG aus. Nach diesen Regeln sind die wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Steuern Gemeinschaftssteuern, d. h. ihr Ertrag fällt Bund, Ländern und Kommunen zu. Das Steueraufkommen wird dann nach den Regeln des Art. 107 Abs. 1 GG auf Länderseite zwischen den einzelnen Ländern verteilt. Wesentliche Verteilungskriterien sind das örtliche Aufkommen an Steuern und die Einwohnerzahl. Führt diese Regelung zu einer unterschiedlichen Finanzkraft der Länder, muss der Bundesgesetzgeber diese Unterschiede durch seine Regelung des Finanzausgleichs angemessen ausgleichen (Art. 107 Abs. 2 GG). Auf der Grundlage der Verteilung der Staatseinnahmen im Bundesstaat wird dann die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern gemäß Art. 109 GG gewährleistet. Diese Vorschrift ist auch der Ort der sogenannten Schuldenbremse (Art. 109 Abs. 3 GG). Sie soll Bund und Länder dahin führen, dass sie 2016 (Bund) bzw. 2020 (Länder) einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen können (Art. 143d Abs. 1 GG). Ist die Schuldenbremse erfolgreich, wird die Neuverschuldung von 2020 an beendet sein. Das ändert allerdings nichts an den bestehenden Altschulden in beträchtlicher Höhe. Nur für die Länder Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, deren Altschulden extrem hoch sind, sieht Art. 143d Abs. 2 GG für den Zeitraum von 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen aus dem Haushalt des Bundes in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro jährlich vor. Die normative Finanzverfassung räumt also dem Bund eine dominierende Stellung ein. Mit seinen Steuergesetzen und mit seinen Sozialgesetzen bestimmt er weitgehend über Ausgaben und Einnahmen der Länder. Diesen bleibt damit im Ergebnis wenig haushaltswirtschaftlicher Spielraum. Deshalb sind sie in der Vergangenheit in die Verschuldung geflohen. Diesen Ausweg versperrt ihnen zukünftig die Schuldenbremse. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, wie von 2020 an eine aufgabenangemessene Finanzierung der Länder sichergestellt werden kann.

Reform des Finanzausgleichs

113

II. Finanzverteilung Eine aufgabenangemessene Finanzausstattung des Bundes und aller Länder ist Ziel der vierstufigen Finanzverteilung im Bundesstaat, die in Art. 107 GG geregelt ist. Bei der Analyse dieser Vorschrift wird schnell deutlich, dass jede Finanzverteilung immer auch Elemente des Finanzausgleichs zum Inhalt hat. Auf der ersten Stufe der Finanzverteilung wird das Steueraufkommen des Staates zwischen dem Bund auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite verteilt. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Art. 106 GG, der das Aufkommen der ertragsstärksten Steuern Bund und Ländern gemeinsam zuweist und auch die Kommunen beteiligt. Das Ausgleichselement wird insoweit in der Finanzverfassung ausdrücklich angesprochen. So heißt es in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2, dass die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abgestimmt werden müssen, dass ein billiger Ausgleich erzielt wird. Wann der angestrebte Ausgleich allerdings billig im Sinne von gerecht ist, lässt sich nur politisch entscheiden und wird vom Bund und den Ländern regelmäßig unterschiedlich gesehen.9 An die vertikale Finanzverteilung zwischen dem Bund auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite schließt sich die horizontale Verteilung zwischen den Ländern an. Die dritte Stufe bildet dann der Länderfinanzausgleich gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG, der ursprünglich als Spitzenausgleich geplant war, inzwischen aber vor allem im Gefolge der Wiedervereinigung einen beträchtlichen Umfang erreicht hat. Die letzte Verteilungsstufe bildet die Zuweisung von Bundesergänzungszuweisungen, die der Bund leistungsschwachen Ländern gewährt (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG). Das Verteilungssystem weist verschiedene Probleme auf. So kann man sich die Frage stellen, ob eine größere Steuerautonomie der Länder sinnvoll wäre. Das wird von Finanzwissenschaftlern häufig gefordert, weil dann die Länder nach demokratischen Grundsätzen entscheiden könnten, ob ihre Einwohner höhere Steuern für bessere Infrastrukturleistungen zahlen wollten oder ob sie im Ausgleich für ein niedrigeres Steuerniveau auf manche staatlichen Leistungen verzichten. In der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzsituation im wiedervereinigten Deutschland scheitert eine Gewährung von mehr Steuerautonomie an die Länder jedoch schon daran, dass insbesondere die ostdeutschen Länder steuerschwach sind und auf absehbare Zeit steuerschwach bleiben werden.10 So beträgt das Steueraufkommen von Sachsen nur etwas mehr als 50 % des Bundesdurchschnitts. Würde in dieser Situation die Steuerautonomie der Länder vergrößert, könnten finanzstarke Länder leistungskräftige Steuerzahler durch eine Absenkung ihres Steuerniveaus anlocken, während leistungsschwache Länder ihre Steuersätze in relativ großem Umfang erhöhen müssten, um sich dem Durchschnitt des Besteuerungsniveaus auch nur anzunähern.

9

Symptomatisch bereits die heftigen Kontroversen bzgl. der Beteiligungsverhältnisse zwischen Bund und Ländern anlässlich der Debatten des Finanzreformgesetzes vom 12. 5. 1969. Vgl. dazu Hidien, Art. 106 Rn. 63 – 65. 10 Fuest, S. 211.

114

Joachim Wieland

Ein weiteres Problem der Steuerverteilung bildet das Abstellen auf das örtliche Steueraufkommen nicht nur bei den Landessteuern, sondern auch bei der Einkommenund der Körperschaftsteuer. Insoweit stellt sich die Frage, wie das einnahmeorientierte Kriterium des örtlichen Aufkommens für das ausgabenorientierte Ergebnis einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung sorgen kann.11 Zudem muss geklärt werden, welchem Ort etwa die Lohnsteuer von Berufspendlern zuzurechnen ist, die in einem Land wohnen und in einem anderen Land arbeiten und dort für die Wertschöpfung sorgen. Das Grundgesetz weist in Art. 107 Abs. 1 Satz 2 GG dem Bundesgesetzgeber die Aufgabe zu, für die Körperschaft- und die Lohnsteuer nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Aufkommens zu treffen. Die geltende Regelung, die das Lohnsteueraufkommen von Berufspendlern dem Wohnsitzland zuweist, wirft gerade im Verhältnis zwischen Stadtstaaten und ihrem Umland in einem Flächenstaat das Problem auf, dass die Berufspendler regelmäßig die Infrastruktur ihres Arbeitslandes nutzen, dort aber ihre Steuern nicht zahlen. Problematisiert werden kann auch die Verteilung der Umsatzsteuer nach der Einwohnerzahl, die Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG vorschreibt. Der Verteilungsmaßstab der Einwohnerzahl sorgt für eine Stärkung des Steueraufkommens wirtschaftsschwacher Länder. Eine Verteilung des Umsatzsteueraufkommens nach dem örtlichen Aufkommen würde eine deutliche Verschiebung der Steuerkraft zwischen den Ländern bewirken. Für die geltende Regelung, dass die Umsatzsteuer nach Einwohnerzahl verteilt wird, spricht allerdings, dass die Einwohnerzahl einen abstrakten Bedarfsmaßstab bildet. Ein wichtiges Ausgleichselement bei der Umsatzsteuerverteilung bildet die Zuweisung von Ergänzungsanteilen bis zu einem Viertel des Umsatzsteueraufkommens an die Länder, deren Einnahmen aus den Landessteuern, aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer je Einwohner unter dem Durchschnitt der Länder liegen. Insoweit enthält die Regelung der Steuerverteilung in Art. 107 Abs. 1 ein in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzendes Ausgleichselement. Auch die Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen am Aufkommen der ertragsstarken Gemeinschaftssteuern, Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer stößt immer wieder auf Kritik. Ökonomen diskutieren deshalb ein Trennsteuersystem, in dem dem Bund auf der einen und den Ländern und Kommunen auf der anderen Seite die Erträge bestimmter Steuern zugewiesen werden.12 Politisch wird sich diese Forderung jedoch kaum durchsetzen lassen, weil die Umsatzsteuer als schon ertragsstärkste Steuer stetig wächst, während das Aufkommen der Einkommenund Körperschaftsteuer in der Vergangenheit abgenommen hat.13 Angesichts dieser Umstände interessieren sich weder der Bund noch die Länder und die Kommunen dafür, im Tausch gegen die Beteiligung am Umsatzsteueraufkommen das alleinige 11

Renzsch, S. 119 ff. Vgl. z. B. Fuest/Thöne, S. 73 f. 13 Anschaulich: Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom 20. 6. 2011, Ziff. 2, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/Standardartikel_Migrati on/2011/06/analysen-und-berichte/b04-struktur-und-verteilung-der-steuereinnahmen/strukturund-verteilung-der-steuereinnahmen.html (abgerufen am 6. 6. 2014). 12

Reform des Finanzausgleichs

115

Zugriffsrecht auf die Erträge der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu erhalten. Da die Umsatzsteuer durch Rechtsvorschriften der Europäischen Union geregelt wird,14 wäre es im Übrigen kaum vorstellbar, die Dominanz des Bundesgesetzgebers im Steuerrecht auf diesem Feld zu verringern. Auch eine autonome Festsetzung der Einkommen- und Körperschaftsteuer in den Ländern zur Stärkung ihrer Steuerhoheit lässt sich angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen in Deutschland kaum verwirklichen. Sie würde im Ergebnis zu vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten führen und den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Ländern erzwingen. Innerstaatlich lässt sich deshalb kaum etwas daran ändern, dass Länder und Kommunen wenig Spielraum bei der Steuergesetzgebung haben, sondern dieses Feld dem Bund überlassen müssen. Der Handlungsspielraum des Bundessteuergesetzgebers ist allerdings in den vergangenen Jahren durch den zunehmenden Steuerwettbewerb in Europa deutlich eingeschränkt worden. Zwar verfügt die Europäische Union über keine Zuständigkeit zur Regelung der direkten Steuern. Der Europäische Gerichtshof in Luxembourg interpretiert jedoch die Grundfreiheiten des Unionsrechts seit mehr als 20 Jahren als Recht zur Steuergestaltung mit dem Ziel der Steuersenkung.15 Diese Rechtsprechung eröffnet international tätigen Unternehmen die Möglichkeit, ihre steuerlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass ihre Gewinne möglichst in Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit niedrigem Steuerniveau anfallen. Beliebt sind insoweit Irland und die Niederlande, aber auch osteuropäische Staaten. Die Finanzminister der Mitgliedstaaten suchen dieser Entwicklung dadurch entgegenzuwirken, dass sie sich um eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Einkommensbesteuerung von Bürgern und Unternehmen bemühen. Dieses Vorhaben erweist sich jedoch als schwierig.16 Völlig unmöglich dürfte es sein, sich innerhalb der Europäischen Union auf einheitliche Steuertarife zu einigen. Immerhin ist es gelungen, wirksamere Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung durchzusetzen.17 Einigkeit besteht darüber, dass die Finanzverfassung des Grundgesetzes für die Steuerverteilung von dem Maßstab der aufgabengerechten Finanzausstattung des Bundes und jedes Landes ausgeht.18 Der Bund und jedes Land sollen so viel Geld erhalten, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können. Dieses Ziel lässt sich allerdings nicht vollkommen erreichen, weil die Finanzbedarfe stets größer sind als die zur Ver14 Von zentraler Bedeutung ist die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 2006/112/EG, ABl. L 347 v. 11. Dezember 2006, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2013/43/EU vom 22. Juli 2013, ABl. L 201 S. 4. 15 Wieland (2010), S. 157 ff. 16 Scheffler/Köstler, S. 664 ff. 17 EU-Kommission, MEMO/13/1096 05/12/2013, http://europa.eu/rapid/press-release_ MEMO-13 – 1096_de.htm (abgerufen am 6. 6. 2014). 18 Nicht von ungefähr lautet das Thema des Fachkreises „Öffentliches Recht“ des Deutschen Juristentages 2014: „Neuordnung der Finanzbeziehungen – Aufgabengerechte Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen“, http://www.djt.de/fileadmin/downloads/ 70/djt_70_Oeffentliches-Recht_140320.pdf (abgerufen am 6. 6. 2014).

116

Joachim Wieland

fügung stehenden Finanzmittel. Daraus folgt die Notwendigkeit einer ständigen Überprüfung der Aufgaben, die der Staat wahrnehmen kann. Außerdem besteht mit Blick auf das Ziel einer aufgabengerechten Verteilung des Steueraufkommens ein Spannungsverhältnis zwischen dem Maßstab des örtlichen Aufkommens für die Zuordnung der Erträge von Einkommen- und Körperschaftsteuer und der angestrebten aufgabengerechten Finanzausstattung: Während das örtliche Aufkommen einnahmebezogen ist, bezieht sich die aufgabengerechte Finanzausstattung auf die Ausgaben von Bund und Ländern. Beide sind nicht notwendig deckungsgleich. Vielmehr wird es häufig so sein, dass das Steueraufkommen dort eher gering ist, wo hohe Ausgaben für Sozialleistungen anfallen. Umgekehrt besteht dort, wo das Steueraufkommen hoch ist, tendenziell ein geringerer Bedarf an Sozialleistungen. Dieses Spannungsverhältnis kann nur durch einen Ausgleich gemildert werden. Außerdem verzerren die zum Teil hohen Altschulden einiger Länder das Bild. Allein die Zinsen belasten die Haushalte der betreffenden Länder ganz erheblich, ohne dass an eine Rückzahlung der Schulden zu denken wäre. Die Schuldenbremse bietet insoweit keine Lösung, weil sie nur den Aufwuchs von Schulden im Jahr 2020 beendet haben soll, die bestehenden Schulden jedoch unberührt lässt. Wird die Zinslast nicht berücksichtigt, ist eine aufgabengerechte Finanzausstattung der hoch verschuldeten Länder nicht zu erreichen. Im Ergebnis setzt eine aufgabengerechte Finanzausstattung also die Lösung der Altschuldenproblematik voraus.19

III. Finanzausgleich Der bei den Ergebnissen der horizontalen Finanzverteilung zwischen den Ländern ansetzende Finanzausgleich ist politisch und rechtlich besonders umstritten. Das erstaunt auf den ersten Blick hin, weil sein Volumen relativ klein ist. Es macht nur etwa acht Milliarden Euro von den etwa 650 Milliarden Euro Steuereinnahmen des Staates aus.20 Bei genauerem Hinsehen ist jedoch verständlich, warum der horizontale Finanzausgleich so streitanfällig ist. Es handelt sich um eine Abgabe aus Eigenem, die stets als besonders schmerzlich empfunden wird. Den Ländern wird im Wege der Finanzverteilung zunächst ein eigenes Steueraufkommen zugewiesen, von dem sie dann im Finanzausgleich namhafte Beträge wieder an andere Länder abführen müssen. Zudem gibt es im Länderfinanzausgleich nur wenige Zahlerländer, aber viele Empfängerländer. Das kann bei den Zahlerländern den Eindruck hervorrufen, dass sie von der größeren Zahl der Empfängerländer majorisiert werden. Zudem hat sich der Länderfinanzausgleich, der 1969 nach zwei Jahrzehnten wirtschaftlichen Aufschwungs als Spitzenausgleich zwischen im Wesentlichen gleich steuerstarken Ländern konzipiert war, vor allem im Gefolge der Wiedervereinigung zu einem Ausgleichsinstrument ent19

Wieland (2012), S. 46. Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom 21. 2. 2014, http://www.bundesfinanz ministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2014/02/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-ergebnis se-des-laenderfinanzausgleichs-2013.html (abgerufen am 6. 6. 2014). 20

Reform des Finanzausgleichs

117

wickelt, das wesentlich größere Unterschiede zwischen den Ländern in Finanz- und Wirtschaftskraft einebnen soll. Die Lebensverhältnisse im wiedervereinigten Deutschland sind ganz unterschiedlich. Vor allem die geringe Steuerkraft in Ostdeutschland wirft erhebliche Probleme auf. Länder, die nur über die Hälfte der durchschnittlichen Steuerkraft verfügen, können kaum durch Sozialleistungen für gleichwertige Lebensverhältnisse wie in Ländern mit höherer Steuerkraft sorgen. 100 % Sozialleistungen lassen sich von 50 % Steueraufkommen nicht finanzieren. Immer wieder wird von den Geberländern im Finanzausgleich gefordert, das Ausgleichsniveau des Länderfinanzausgleichs, das gegenwärtig hoch ist und alle Länder in die Nähe der durchschnittlichen Finanzkraft führt, müsse abgesenkt werden. Das müsste jedoch zur Folge haben, dass auch die Sozialleistungen sinken. Eine solche Differenzierung entspricht aber nicht der deutschen Vorstellung von einheitlichen oder zumindest gleichwertigen Lebensverhältnissen im ganzen Land. Würde man in Teilen Deutschlands vom Maßstab der Gleichwertigkeit abrücken, drohten Binnenwanderungen erheblichen Ausmaßes, welche im Ergebnis auf lange Sicht die Unterschiede in der Wirtschafts- und Finanzkraft weiter verschärfen würden. Umstritten ist auch die Einwohnergewichtung bei den Stadtstaaten.21 Sie dient der Herstellung der Vergleichbarkeit von Flächenländern und Stadtstaaten. Das Bundesverfassungsgericht hat sie schon vor längerer Zeit als zumindest zulässig, wenn nicht notwendig qualifiziert.22 Für einen höheren Finanzbedarf großer Städte spricht auch die Regelung des kommunalen Finanzausgleichs in den Flächenländern. In allen Flächenländern erhalten die größeren Städte mehr Geld als die kleineren Gemeinden. Sie stellen als Oberzentren Infrastrukturleistungen auch für ihr Umland zur Verfügung. Während aber in Flächenländern ein Ausgleich zwischen Stadt und Land stattfinden kann, ist das in Stadtstaaten unmöglich. Ihr Umland gehört zu Flächenländern. Deshalb ist eine Gewichtung des Finanzbedarfs von Stadtstaaten unabweisbar. Ob diese Gewichtung allerdings für alle drei Stadtstaaten trotz ihrer ganz unterschiedlichen Struktur auf Dauer einheitlich ausfallen muss, lässt sich nur beantworten, wenn entsprechende finanzwissenschaftliche Untersuchungen vorliegen. Einen weiteren Streitpunkt in der Ausgestaltung des Finanzausgleichs bildet der Grad der Einbeziehung der Finanzkraft von Gemeinden und Gemeindeverbänden. Das Grundgesetz fordert in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz, dass die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände beim Finanzausgleich zu berücksichtigen sind. Das hat der Gesetzgeber dahingehend konkretisiert, dass die kommunale Finanzkraft zu 64 % einbezogen wird.23 Diese Prozentzahl ist nicht wissenschaftlich überprüft, sondern beruht auf einem politischen Kompromiss. Systemgerecht wäre die vollständige Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft, weil die Kommunen finanzverfassungsrechtlich ebenso wie staatsorganisationsrechtlich Teil der Länder sind. Das ist in Art. 106 Abs. 9 GG ausdrücklich festgehalten. Bezieht 21

Lenk/Kuntze, S. 40. BVerfGE 72, 330 (415 f.); 86, 148 (239); 101, 158 (230). 23 § 8 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz.

22

118

Joachim Wieland

man die Finanzkraft der Kommunen nicht ein, ist ein Finanzkraftvergleich zwischen den Ländern nicht aussagekräftig und nicht belastbar. Da die Kommunen in reichen Ländern typischerweise auch reich sind, führt eine Berücksichtigung von nur 64 % der kommunalen Finanzkraft zu einer Untergewichtung der Finanzkraft des Landes. Umgekehrt sind Kommunen in finanzschwachen Ländern regelmäßig ebenfalls finanzschwach. Wird die kommunale Finanzkraft hier nur zu 64 % berücksichtigt, erscheinen finanzschwache Länder finanzstärker als sie in Wirklichkeit sind.

IV. Bundesergänzungszuweisungen Im Anschluss an den horizontalen Finanzausgleich sieht das finanzverfassungsrechtliche Verteilungssystem die Bundesergänzungszuweisungen als Schlussstein vor (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG). Sie dienen der ergänzenden Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs leistungsschwacher Länder.24 Der Bund finanziert mit Bundesergänzungszuweisungen ganz wesentlich die Folgekosten der Wiedervereinigung Deutschlands. Bundesergänzungszuweisungen decken aber auch die Kosten politischer Führung ab, die bei kleineren Ländern relativ stärker ins Gewicht fallen als bei größeren Ländern. Außerdem sind Bundesergänzungszuweisungen als Sanierungshilfen für Länder in Haushaltsnotlagen eingesetzt worden. Diese Ausgleichsleistungen des Bundes in vertikaler Richtung sind für das Finanzverteilungssystem unentbehrlich. Man kann allerdings vermuten, dass eine stärkere Einschaltung des Bundes auf einer früheren Stufe der Finanzverteilung sinnvoller wäre.

V. Reform des Finanzausgleichs Die Reform des Finanzausgleichs kann systemimmanent, d. h. ohne Änderung der Finanzverfassung (1.), oder auch durch einen Systemwechsel in den Vorgaben der Finanzverfassung (2.) erfolgen. 1. Systemimmanente Reform Wenn eine Reform des Finanzausgleichs im Rahmen der geltenden Finanzverfassung erfolgt, sollte die kommunale Finanzkraft voll in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden. Das Altschuldenproblem könnte durch einen Fonds gelöst werden, der überschuldeten Ländern schrittweise ihre Altschulden abnimmt, wenn sie gleichzeitig alle ihnen zumutbaren Anstrengungen zur Beseitigung ihrer Verschuldung aus eigenen Kräften unternehmen.25 Um das Entstehen eines neuen Schuldenproblems zu verhindern, müsste der Bund Ländern mit weit unterdurchschnittlicher 24 25

Vgl. Heintzen, Art. 107 Rn. 32 – 41. Wieland (2012), S. 46.

Reform des Finanzausgleichs

119

Steuerkraft finanzielle Unterstützung gewähren. Zum Ausgleich für diese finanziellen Leistungen wäre allerdings eine Steigerung des Umsatzsteueranteils des Bundes zwingend geboten. 2. Reform als Systemwechsel Findet die Politik die Kraft zu einem Systemwechsel bei der Reform des Finanzausgleichs, wäre es sachgerecht, die Ausgleichsfunktion im Wesentlichen in die vertikale Verteilung der Steuern zu verlagern. Der Finanzausgleich würde dann nicht mehr horizontal zwischen den Ländern erfolgen, sondern vertikal vom Bund an die finanzschwachen Länder. Damit wäre ein wesentlicher Streitpunkt in der Finanzverfassung beseitigt. Ein solcher Wechsel zum vertikalen Ausgleich müsste auch nicht zu einer größeren Abhängigkeit der finanzschwachen Länder führen. Ihnen stünde dann weiterhin ein Ausgleichsanspruch zu, der sich nur zukünftig gegen den Bund und nicht gegen finanzstarke Länder richtet. Der Länderfinanzausgleich könnte dann abgeschafft werden. Zum Ausgleich für seine höhere Finanzbelastung müsste der Bund auch in diesem Modell einen höheren Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer erhalten.

VI. Verfassungsprozess Der Antrag der Landesregierungen von Bayern und Hessen auf abstrakte Normenkontrolle des Maßstäbegesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes stört die Verhandlungen über eine Reform des Finanzausgleichs spürbar. Die Landesregierungen von Bayern und Hessen haben allerdings das Recht, eine abstrakte Normenkontrolle der Finanzverteilung durch das Bundesverfassungsgericht herbeizuführen. Auch wenn sie an den Regelungen des Maßstäbegesetzes und Finanzausgleichsgesetzes mitgewirkt und diese als gelungenen Kompromiss begrüßt haben, ändert das nichts an ihrer Antragsbefugnis in Karlsruhe. Da sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in fünf einschlägigen Entscheidungen seit mehreren Jahrzehnten verstetigt hat, sind allerdings keine grundlegenden neuen Aussagen des Gerichts zum Finanzausgleich zu erwarten.26 Näher liegt die Vermutung, dass der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts seine einschlägige Rechtsprechung wenn, dann nur behutsam, weiterentwickeln wird. Es steht zu hoffen, dass das Verfahren in Karlsruhe die Verhandlungen zwischen den Ländern in den nächsten Jahren nicht verzögert. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfte kaum vor 2016 zu erwarten sein. 2017 sollte die Reform der Finanzverteilung aber möglichst schon beschlossen sein. Wegen des langen Vorlaufs von Haushaltsberatungen und Finanzplanungen muss eine Neuregelung deutlich vor Auslaufen der alten Regelungen Ende 2019 gefunden werden. Bei gutem Willen aller Beteiligten sollte es möglich sein, die Verhandlungen auch vor dem Ergehen eines Urteilsspruchs in dem anhängigen Verfahren erfolgreich voranzutreiben. 26

BVerfGE 1, 117; 72, 330; 86, 148; 101, 158; 116, 327.

120

Joachim Wieland

Literatur Fuest, Clemens: Würde mehr Steuerautonomie die finanzschwachen Bundesländer benachteiligen?, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heft 2, 2008, S. 200 ff. Fuest, Clemens/Thöne, Michael: Reform des Finanzföderalismus in Deutschland, Stiftung Marktwirtschaft, Kleine Handbibliothek, Band 37, Berlin 2009. Heintzen, Markus, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 107. Hidien, Jürgen W., in: Dolzer, Rudolf/Graßhof, Karin/Kahl, Wolfgang/Waldhoff, Christian (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Art. 106 (Stand: November 2002). Kube, Hanno, in: Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 104a. Lenk, Thomas/Kuntze, Martina: Neuordnung der föderalen Finanzverfassung nach 2019 unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Finanzausstattung, Gutachten im Auftrag der Bertelsmann Stiftung 2012. Renzsch, Wolfgang: Finanzreform 2019: Irrungen, Wirrungen und tatsächliche Herausforderungen, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, Heft 1, 2013, S. 117 ff. Scheffler, Wolfram/Köstler, Melanie: Kompromissvorschlag zur GK(K)B – Die Arbeiten am Richtlinienentwurf zur GK(K)B gehen weiter, in: Deutsches Steuerrecht, Heft 13, 2014, S. 664 ff. Wieland, Joachim: Neuordnung der Finanzverfassung nach Auslaufen des Solidarpakts II und Wirksamwerden der Schuldenbremse, Gutachten im Auftrag der Bertelsmann Stiftung 2012. – Der EuGH als Steuergesetzgeber?, in: Kruthoffer-Röwekamp, Jutta (Hrsg.), Steuerwissenschaftliche Schriften Band 21: Die Rechtsprechung des EuGH in ihrer Bedeutung für das nationale und internationale Recht der direkten Steuern, Baden-Baden 2010, S. 157 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König zusammengestellt von Carsten Brenski (Stand: Juli 2015) I.

Verwaltungssystem und Verwaltungsumwelt

II.

Verwaltungswissenschaft und Regierungslehre

III.

Öffentliche Aufgabenkritik Aufgaben und

IV.

Organisation von Regierung und Verwaltung

V.

Öffentliche Entscheidung und Verwaltungskontrolle

VI.

Öffentlicher Dienst und Regierungspersonal

VII. Verwaltungsentwicklung und Verwaltungstransformation VIII. Modernisierung und Internationalisierung der Verwaltung

I. Verwaltungssystem und Verwaltungsumwelt a) Buchveröffentlichungen – Öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. zusammen mit Hans-Joachim von Oertzen und Frido Wagener in Verbindung mit der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften), Baden-Baden 1981 – engl.: Administration in the Federal Republic of Germany (hrsg. zusammen mit Hans-Joachim von Oertzen und Frido Wagener in Verbindung mit der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften), Antwerp/Boston/London/Frankfurt 1983 – franz.: L’Administration Publique en République Fédérale d’Allemagne (hrsg. zusammen mit Hans-Joachim von Oertzen und Frido Wagener in Verbindung mit dem Internationalen Institut für Verwaltungswissenschaften), Paris 1983 – Im Dienst an Staat und Recht, Internationale Festschrift Erwin Melchiar zum 70. Geburtstag (hrsg. zusammen mit Heinz Schäffer und Kurt Ringhofer), Wien 1983 – Klassifizierungsansätze staatlicher Handlungsformen (zusammen mit Nicolai Dose), Speyerer Forschungsberichte 83, Speyer 1989 – Instrumente und Formen staatlichen Handelns (hrsg. zusammen mit Nicolai Dose), Köln u. a. 1993 – Öffentliche Verwaltung in Deutschland (hrsg. zusammen mit Heinrich Siedentopf), BadenBaden 1996/1997 – engl.: Public Administration in Germany (hrsg. zusammen mit Heinrich Siedentopf), BadenBaden 2001

122

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Verwaltungsstaat im Übergang. Transformation, Entwicklung, Modernisierung, BadenBaden 1999 – Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz (hrsg. zusammen mit Klaus-Dieter Schnapauff), Baden-Baden 2000 – Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert (Hrsg.), Baden-Baden 2002 – Theoretische Aspekte einer managerialistischen Verwaltungskultur (hrsg. zusammen mit Christoph Reichard) Speyerer Forschungsberichte 254, Speyer 2007 – Theoretische Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Verwaltungsstruktur (hrsg. zusammen mit Sabine Kropp), Speyerer Forschungsberichte 263, Speyer 2009 – Grundmuster der Verwaltungskultur (hrsg. zusammen mit Sabine Kropp u. a.) Baden-Baden 2014 b) Abhandlungen – Funktionen und Folgen der Politikverflechtung, in: Scharpf u. a. (Hrsg.), Politikverflechtung II, Kronberg/Ts. 1977, S. 75 ff. – System und Umwelt der öffentlichen Verwaltung, in: König/von Oertzen/Wagener (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1981, S. 13 ff. – engl.: The System and Environment of German Public Administration, in: König/von Oertzen/Wagener (Hrsg.), Public Administration in the Federal Republic of Germany, Antwerp/ Boston/London/Frankfurt 1983, S. 1 ff. – franz.: Le Système de l’Administration Publique dans son Environment, in: König/von Oertzen/Wagener (Hrsg.), L’Administration Publique en République Fédérale d’Allemagne, Paris 1983, S. 7 ff. – Öffentliche Verwaltung als soziales System, in: Remer (Hrsg.), Verwaltungsführung, Berlin/ New York 1982, S. 3 ff. – Bürger und Staat – Zur Bürokratie in einer demokratischen Gesellschaft, in: Politische Studien 1983, S. 279 ff. – Zum Verhältnis von „direktem“ und „indirektem Arbeitgeber“ nach „Laborem exercens“ – Voraussetzungen einer effizienten Verwaltung im sozialen Rechtsstaat, in: Heck (Hrsg.), Arbeit – ihr Wert, ihre Ordnung, Mainz 1984, S. 170 ff. – span.: El Estado Social de Derecho Como – Empresario Directo e Indirecto: Presupuestos de una Administración Eficiente, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), La Dignidad del Trabajo, Mainz 1985, S. 225 ff. – Veränderung der Einflußfaktoren in einer offenen Gesellschaft, in: Bulling (Hrsg.), Verwaltung im Kräftefeld der politischen und gesellschaftlichen Institutionen, Baden-Baden 1985, S. 25 ff. – Rechtliche und tatsächliche Formen des Verwaltungshandelns, in: Verwaltungsrundschau 1990, S. 401 ff. – Zur juristischen Klassifikation staatlicher Handlungsformen, in: Commemorative Issue, Keio Law Review, N86/1990, S. 249 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

123

– Klassifikationsansätze zum staatlichen Handeln (zusammen mit Nicolai Dose), in: König/ Dose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, Köln u. a. 1993, S. 3 ff. – Handlungsleitende Formen staatlicher Steuerung. Eine Einführung (zusammen mit Nicolai Dose), in: König/Dose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, Köln u. a. 1993, S. 153 ff. – Referenzen staatlicher Steuerung (zusammen mit Nicolai Dose), in: König/Dose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, Köln u. a. 1993, S. 519 ff. – Das Konzept des Staates in der Bundesrepublik Deutschland, „Welche Rolle spielt der Staat in den Ländern der Europäischen Union?“, Internationaler Beamtenbund und Union Fédérale des Cadres des Fonctions Publiques, Paris 1995 – Öffentliche Verwaltung im vereinigten Deutschland, in: König/Siedentopf (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in Deutschland, Baden-Baden 1996/97, S. 13 ff. – engl.: Public Administration in the Unified Germany, in: König/Siedentopf (Hrsg.), Public Administration in Germany, Baden-Baden 2001, S. 13 ff. – franz.: Classicisme et modernisme de l’administration allemande, in: Revue française d’administration publique No. 78, avril-juin 1996, S. 251 ff. – Der Verwaltungsstaat in Deutschland, in: Verwaltungsarchiv 4/1997, S. 545 ff. – Gute Gouvernanz als Steuerungs- und Wertkonzept des modernen Verwaltungsstaates, in: Jann/König/Landfried/Wordelmann (Hrsg.), Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft, Festschrift für Carl Böhret zum 65. Geburtstag, BadenBaden 1998, S. 227 ff. – Instrumenten- und Formenwandel der eingreifenden Verwaltung (zusammen mit Nicolai Dose), in: Lenk/Prätorius (Hrsg.), Eingriffsstaat und öffentliche Sicherheit. Beiträge zur Rückbesinnung auf die hoheitliche Verwaltung, Baden-Baden 1998, S. 94 ff. – Good Governance – as Steering and Value Concept for the Modern Administrative State, in: Corkery (Hrsg.), Governance: Concepts & Applications, International Institute of Administrative Sciences, Brüssel 1999, S. 67 ff. – Der Staat als Rechtspersönlichkeit (zusammen mit Christian Theobald), in: Adamiak/Boc/ Miemiec/Nowacki (Hrsg.), Administracja publiczna w panstwie Prawa, Festschrift für Jan Jendroska, Breslau 1999, S. 165 ff. – The Administrative State in Germany, in: Wollmann/Schröter (Hrsg.), Comparing Public Sector Reform in Britain and Germany. Key traditions and trends of modernisation, Aldershot u. a. 2000, S. 47 ff. – Zur Typologie öffentlicher Verwaltung, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, München 2002, S. 693 ff. – Governance als Steuerungskonzept, in: König/Adam/Speer/Theobald, Governance als entwicklungs- und transformationspolitisches Konzept, Berlin 2002, S. 9 ff. – Governance-Werte, politische Konditionalität und Globalisierung, in: König/Adam/Speer/ Theobald, Governance als entwicklungs- und transformationspolitisches Konzept, Berlin 2002, S. 319 ff.

124

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Governance – Economic Governance – Corporate Governance. in: Knödler/Stierle (Hrsg.), Globale und monetäre Ökonomie, Heidelberg 2003, S. 334 ff. – Verwaltungskulturen und Verwaltungswissenschaften, in: König/Reichard (Hrsg.), Theoretische Aspekte einer managerialistischen Verwaltungskultur, Speyerer Forschungsberichte 254, Speyer 2007, S. 1 ff. – Zivilgesellschaftliche Verwaltung als Verwaltungstypus, in: König/Kropp (Hrsg.), Theoretische Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Verwaltungsstruktur, Speyerer Forschungsberichte 263, Speyer 2009, S. 1 ff. – Verwaltungskultur – typologisch betrachtet, in: König u. a. (Hrsg.), Grundmuster der Verwaltungskultur, Baden-Baden 2014, S. 13 ff. II. Verwaltungswissenschaft und Regierungslehre a) Buchveröffentlichungen – Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, Berlin 1970 – Encyclopaedia of Public Administration – an International and Integrative Conception, Report of a Workshop (zusammen mit Michael Protz), Speyerer Forschungsberichte 22, Speyer 1981 – Gesetzgebung und Regierung (Hrsg.), Forschungssymposium anlässlich der Emeritierung von Waldemar Schreckenberger, Speyerer Forschungsberichte 184, 1998 – Verantwortung für die Forschung (hrsg. zusammen mit Willi Blümel), Berlin 1998 – Verwaltung und Verwaltungsforschung – Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 211, Speyer 2000 – Verwaltete Regierung – Studien zur Regierungslehre, Köln/Berlin/Bonn/München 2002 – Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts (hrsg. zusammen mit Werner Jann), Tübingen 2008 – Moderne öffentliche Verwaltung – Studium der Verwaltungswissenschaft, Berlin 2008 – Operative Regierung, Tübingen 2015 b) Abhandlungen – Öffentliche Verwaltung und soziale Differenzierung, in: Verwaltungsarchiv 1973, S. 1 ff. – Entwicklungen des Verwaltungsstudiums in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Die Öffentliche Verwaltung 1975, S. 456 ff. – Education for Public Administration: Developments in Western Europe, in: Occasional Papers Service of the Bureaucrat, Syracuse/USA 1977 – Integrative Tendenzen in der Verwaltungswissenschaft, in: Die Verwaltung 1980, S. 1 ff. – franz.: Les Tendances intégrationnistes dans la Science Administrative, in: Boulet/Langrod (Hrsg.), Science et Action Administratives, Mélanges Georges Langrod, Paris 1980, S. 1 ff. – Verwaltungswissenschaftliches Aufbaustudium: Speyer, in: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 13/1982, S. 480 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

125

– Die verwaltungswissenschaftliche Ausbildung in Europa, in: Konstanzer Blätter für Hochschulfragen Nr. 3 – 4/1981, S. 49 ff. – Der Beitrag der Wissenschaftsforschung für Wissenschaftsentwicklung und Forschungspolitik, in: Burrichter/Lauterbach (Hrsg.), Wissenschaftsforschung im internationalen Vergleich, Erlangen 1987, S. 15 ff. – Zum Standort der Verwaltungswissenschaft, in: Die Öffentliche Verwaltung 1990, S. 305 ff. – Parteienstaat, Parteifunktionen, Parteipolitik und Regierung, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 3, Opladen 1991, S. 83 ff. – Verwaltungswissenschaften – interdisziplinär, in: Möller (Hrsg.), Logik der Pädagogik, Band 3, Oldenburg 1992, S. 393 ff. – Fritz Morstein Marx, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Neue Deutsche Biographie, Berlin 1997, S. 159 ff. – Im Dienste der Gesetzgebung, in: König (Hrsg.), Gesetzgebung und Regierung, Forschungssymposium anläßlich der Emeritierung von Waldemar Schreckenberger, Speyerer Forschungsberichte 184, Speyer 1998, S. 1 ff. – Ausblick in die Zukunft, in: Blümel/König (Hrsg.), Verantwortung für die Forschung, Berlin 1998, S. 89 ff. – Regierungsbildung und Regierungsapparat, in: Gegenwartskunde 1/1999, S. 45 ff. – Schlusswort, in: König/Merten (Hrsg.), Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Symposium zum Gedächtnis an Carl Hermann Ule, Berlin 2000, S. 109 ff. – Der Regierungsapparat bei der Regierungsbildung nach Wahlen, in: Derlien/Murswieck (Hrsg.), Regieren nach Wahlen, Opladen 2001, S. 15 ff. – Bundeskanzler, Regierungsfunktionen, Regierungszentrale (zusammen mit Thomas Knoll), in: Graf von Westphalen (Hrsg.), Deutsches Regierungssystem, München/Wien 2001, S. 289 ff. – Zwei Paradigmen des Verwaltungsstudiums – Vereinigte Staaten von Amerika und Kontinentaleuropa, in: König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002, S. 393 ff. – In der Verantwortung für die Zukunft, in: Sommermann (Hrsg.), Folgen von Folgenforschung, Forschungssymposium anlässlich der Emeritierung von Carl Böhret, Speyerer Forschungsberichte 225, Speyer 2002, S. 5 ff. – Regieren als politisches Management und als öffentliche Governance, in: Sommermann/ Ziekow (Hrsg.), Perspektiven der Verwaltungsforschung, Beiträge zur Wissenschaftlichen Arbeitstagung aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, Berlin 2002, S. 201 ff. – Theorien öffentlicher Verwaltung, in: Jan Ziekow (Hrsg.) Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft, Berlin 2003, S. 153 ff. – Zur Professionalisierung eines Graduiertenstudiums im Kontext von Politik und Verwaltung, in: Bogumil u. a. (Hrsg.), Politik und Verwaltung, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 37/2006

126

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Verwaltungswissenschaft im Zeichen der Globalisierung und Europäisierung, in: Magiera u. a. (Hrsg.), Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis in nationaler und transnationaler Perspektive, Berlin 2008, S. 793 ff. – Regieren als Management-Problem, in: Jann/König (Hrsg.), Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Tübingen 2008, S. 29 ff. – Governance- und Managementkonzepte des Regierens, in: Holtmann/Patzelt (Hrsg.), Führen Regierungen tatsächlich?, Wiesbaden 2008, S. 21 ff. – Ein Prozessualist – Erinnerungen an Carl Hermann Ule, in: Merten (Hrsg.), Justizreform und Rechtsstaatlichkeit, Berlin 2009, S. 31 ff. – German PA (Public Administration) and PA in German, in Bouckaert/van de Donk (Hrsg.), The European Group for Public Administration (1975 – 2010), Perspectives for the Future, Bruxelles 2010, S. 140 ff. – Das Zentrum der Regierung, in: Bröchler/von Blumenthal (Hrsg.), Regierungskanzleien im politischen Prozess, Wiesbaden 2011, S. 49 ff. – Konzepte der Regierungslehre, in: Mehde u. a. (Hrsg.), Staat, Verwaltung, Information, Berlin 2011, S. 221 ff. – Rollenkonflikte des Regierens, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Gewaltenteilung im Verfassungsstaat, Berlin 2013 III. Öffentliche Aufgaben und Aufgabenkritik a) Buchveröffentlichungen – Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland – Probleme, Stand, Ausblick, Speyerer Forschungsberichte 66, Speyer 1988 – Kritik öffentlicher Aufgaben, Baden-Baden 1989 – auch: Kritik öffentlicher Aufgaben, Speyerer Forschungsberichte 72, Speyer 1988 – Zur innenpolitischen Agenda. Die amerikanische Bundesregierung am Beginn der neunziger Jahre, Speyerer Forschungsberichte 121, Speyer 1993 – Privatisierung und staatliche Regulierung (hrsg. zusammen mit Angelika Benz), BadenBaden 1997 b) Abhandlungen – Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland – Probleme, Stand, Ausblick, in: Verwaltungsarchiv 1988, S. 241 ff. – engl.: Developments in Privatization in the Federal Republic of Germany: Problems, Status, Outlook, in: International Review of Administrative Sciences 1988, S. 517 ff. – franz.: Privatisation en République Fédérale d’Allemagne: Problèmes, Statuts et Perspectives, in : Revue international des Sciences administratives (RISA) 1988, S. 583 ff. – span.: Desarrollo de la Privatización en la República Federal de Alemania: Problemas, Situación Actual, Perspectivas, in: Documentación Administrativa (DA), II. Administración

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

127

y Constitución: El Principio de Eficacia, Instituto Nacional de Administración Pública, Madrid 1989, S. 297 ff. – Developments in Privatization in the Federal Republic of Germany, in: School of Public and Environmental Affairs (SPEA) Review, Vol. 10, Number 2, Indianapolis/USA, 1989, S. 25 ff. – An International Perspective II: Privatisation and Institutional Modernization in Asia and Europe (zusammen mit Heinrich Siedentopf), in: Thynne/Ariff (Hrsg.), Privatisation: Singapore’s Experience in Perspective, Singapore 1989, S. 167 ff. – Die Übertragung öffentlicher Aufgaben: Eine europäische Sicht, in: Verwaltungsarchiv 1990, S. 436 ff. – engl.: The Transfer of Public Functions: A European Perspective, in: Ng/Wagner (Hrsg.), Marketization in ASEAN, Institute of Southeast Asian Studies (ISEAS), Singapore 1991, S. 50 ff. – Estrategias encaminadas al Redimensionamiento del Sector Publico. El Caso Aleman, in: Instituto Nacional de Administracion Publica, A. C. (INAP), Memoria, II. Seminario Inter-nacional „Redimensionamiento y Modernización de la Administración Pública“, Mexico 1991, S. 141 ff. – Systemimmanente und systemverändernde Privatisierung in Deutschland, in: Verwaltungsführung – Organisation – Personalwesen 5/1992, S. 279 ff. – engl.: Privatization In Germany: System-Immanent And System Changing, in: The Israel Economy at the Threshold of the Year 2000, privatization and efficiency in the economy and civil service, Conference Proceedings, Jerusalem 1993, S. 21 ff. – Kommunalisierungen und andere Vermögensübertragungen auf die öffentliche Hand (zusammen mit Jan Heimann und Imke Junge), in: Fischer/Hax/Schneider (Hrsg.), Treuhandanstalt – Das Unmögliche wagen, Berlin 1993, S. 263 ff. – engl.: Communalisation and other forms of property transfer to the public sector (zusammen mit Jan Heimann und Imke Junge), in: Fischer/Hax/Schneider (Eds.), Treuhandanstalt – The Impossible Challenge, Berlin 1996, S. 265 ff. – Rechtliche und ordnungspolitische Fragen der Privatisierung von Staatsunternehmen in Deutschland, in: Biernat/Hendler/Schoch/Wasilewski (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts und der Privatisierung, Stuttgart u. a. 1994, S. 247 ff. – Prozedurale Rationalität – Zur kontraktiven Aufgabenpolitik der achtziger Jahre, in: Verwaltungsarchiv 1/1995, S. 1 ff. – Staatsaufgaben und Verfassungen der neuen Bundesländer, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/ Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel. Zum 180jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, Köln u. a. 1995, S. 109 ff. – Property Transfer to the Public Sector by the Treuhandanstalt (zusammen mit Jan Heimann), in: Quaisser/Woodward/Blaszczyk (Hrsg.), Privatization in Poland and East Germany: A Comparison, Vol. II, Osteuropa-Institut, München 1995, S. 529 ff. – Rekonstruktion der Staatsfunktionen in der Staatswirtschaft und im Wohlfahrtsstaat, in: Zeitschrift für Verwaltung (Österreich) 1996, S. 665 ff. – La privatizzazione et il ruolo della pubblica amministrazione in Germania, in: Roversi Monaco (Hrsg.), Sussidiarietà e Pubbliche Amministrazioni, Atti del Convegno per il 40. anni

128

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

della Scuola di Specializzazione in Diritto Amministratrivo e Scienza dell’Amministrazione (Spisa), 25.–26. Settembre 1995, Bologna 1997, S. 193 ff. – Vermögens- und Aufgabenzuordnung nach Üblichkeit (zusammen mit Jan Heimann), in: Wollmann/Derlien/König/Renzsch/Seibel (Hrsg.), Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 119 ff. – Staatsfunktionen in der Staatswirtschaft und im Wohlfahrtsstaat, in: Siedentopf (Hrsg.), Öffnung und Kooperation, I. Chinesisch-Deutsches Verwaltungskolloquium, Baden-Baden 1997, S. 33 ff. – chin. in: Chinese Public Administration 7/1996, S. 38 ff. – Vermögens- und Aufgabenzuordnung bei der ostdeutschen Transformation, in: Olszewskiego/Popowskiej, Gospodarka – Administracja – Samorzad, Festschrift für Theresa Rabska, Posen 1997, S. 195 ff. – Sieg der Üblichkeit: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (zusammen mit Jan Heimann), in: Czada/Lehmbruch (Hrsg.), Transformationspfade in Ostdeutschland. Beiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik, Frankfurt/New York 1998, S. 87 ff. – Rückzug des Staates – Privatisierung der öffentlichen Verwaltung, in: Die Öffentliche Verwaltung 22/1998, S. 963 ff. – Liberalisierung und Regulierung netzgebundener Güter und Dienste (zusammen mit Christian Theobald), in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), Planung – Recht – Rechtsschutz. Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999, Berlin 1998, S. 277 ff. – Ordnungspolitische Probleme der Privatisierung, in: Deutsches Anwaltsinstitut e. V., Brennpunkte des Verwaltungsrechts 2000. Referate der 6. Jahresarbeitstagung für Verwaltungsrecht in Berlin, Bochum 2000, S. 183 ff. IV. Organisation von Regierung und Verwaltung a) Buchveröffentlichungen – Developments of the Intra-Administrative Organization in the Federal Republic of Germany, Speyerer Forschungsberichte 16, Speyer 1980 – Staatskanzleien. Funktionen und Organisation, Opladen 1993 – Materialien zur Organisation und Reform von Landesverwaltungen (zusammen mit Manfred Miller), Speyerer Forschungsberichte 146, Speyer 1995 – Der Aufbau einer Region, (hrsg. zusammen mit Arthur Benz), Baden-Baden 1995 – Ministerialorganisation zwischen Berlin und Bonn (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 173, Speyer 1997 – Regionalization below State-Level in Germany and the United States (Hrsg.) (zusammen mit R. Scott Fosler), Speyerer Forschungsberichte 197, Speyer 1999 b) Abhandlungen – Entwicklungen der inneren Verwaltungsorganisation in der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Verwaltung 1978, S. 241 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

129

– Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen: Das Bundeskanzleramt, in: Der Staat 1/ 1989, S. 49 ff. – Bewertung der nationalen Politik zur Dezentralisierung und Regionalisierung, Verwaltungswissenschaftliche Informationen, Sonderheft 10, Bonn 1989 – engl.: Appraisal of National Policies of Decentralization and Regionalization, in: International Institute of Administrative Sciences (Hrsg.), Accessibility and Sensitivity of Public Administration, XXIst International Congress of Administrative Sciences, Marrakech 1989, S. 51 ff. – Organisation: Voraussetzung und Folge des Regierens, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 1, Opladen 1990, S. 105 ff. – Das Bundeskanzleramt als komplexe Organisation, in: Fisch/Boos (Hrsg.), Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen, Konstanz 1990, S. 149 ff. – Planung und Verwaltung der Region Berlin/Brandenburg – Problemanalyse und Lösungsvorschläge (zusammen mit Angelika Benz und Arthur Benz), in: Benz/König (Hrsg.), Der Aufbau einer Region, Baden-Baden 1995, S. 37 ff. – Zur Funktionsfähigkeit der Regierungszentralen: Profile der Staatskanzleien (zusammen mit Otto Häußer), in: Murswieck (Hrsg.), Regieren in den neuen Bundesländern. Institutionen und Politik, Opladen 1996, S. 21 ff. – Aufbau der Landesverwaltung nach Leitbildern, in: Wollmann/Derlien/König/Renzsch/Seibel (Hrsg.), Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 223 ff. – Konzepte der Verwaltungsorganisation, in: Verwaltungsarchiv 2006, S. 482 ff. V. Öffentliche Entscheidung und Verwaltungskontrolle a) Buchveröffentlichungen – Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes (hrsg. zusammen mit Carl Hermann Ule und Franz Becker), 2 Bände, Berlin 1967 – Koordination und integrierte Planung in den Staatskanzleien (Hrsg.), Berlin 1976 – Räumliche Planungen im politisch-administrativen System der Länder (zusammen mit Dieter Schimanke), Hannover 1980 – Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung, Speyerer Forschungsberichte 34, Speyer 1983 – Gesetzgebungslehre: Grundlagen – Zugänge – Anwendung (hrsg. zusammen mit Waldemar Schreckenberger und Wolfgang Zeh), Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1986 – Zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes, Speyerer Forschungsberichte 53, Speyer 1986 – Zur Verfahrensrationalität einer kontraktiven Aufgabenpolitik, Speyerer Forschungsberichte 87, Speyer 1990 – Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit (hrsg. zusammen mit Detlef Merten), Symposium zum Gedächtnis an Carl Hermann Ule, Berlin 2000

130

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

b) Abhandlungen – Allgemeine Einleitung (zusammen mit Franz Becker), in: Ule/Becker/König (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, Band I, Berlin 1967, S. 3 ff. – Europäische Gemeinschaften – Einführung, in: Ule/Becker/König (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, Band II, Berlin 1967, S. 945 ff. – Planung und Koordination im Regierungssystem, in: Verwaltungsarchiv 1971, S. 1 ff. – Programmsteuerung in komplexen politischen Systemen, in: Die Verwaltung 1974, S. 137 ff. – Koordination und Regierungspolitik: Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Regierungspolitik und für Planung im Bereich der Politikentscheidungen und Prioritätensetzung – am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1975, S. 225 ff. – Bürokratie und Kontrolle, in: Khol (Hrsg.), Macht und Kontrolle, Wien 1980, S. 49 ff. – Zur Evaluation der Gesetzgebung, in: Kindermann (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung 1982, Berlin/Heidelberg/New York 1982, S. 306 ff. – Political Advice and Administrative Support: Planning in the German Chancellery, in: Klinkers (Hrsg.), Life in Public Administration, Amsterdam 1985, S. 132 ff. – franz.: Conseil Politique et Appui Administratif: La Chancellerie de la République Fédérale d’Allemagne et la Planification, in: Revue Française d’Administration Publique 1987, No. 42, S. 59 ff. – Aufgabenplanung im Bundeskanzleramt, in: Derlien (Hrsg.), Programmforschung unter den Bedingungen einer Konsolidierungspolitik, München 1985, S. 43 ff. und S. 101 ff. – Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung, in: Schreckenberger/König/Zeh (Hrsg.), Gesetzgebungslehre, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1986, S. 96 ff. – Nationwide Plans and the Planning of Policy at the Central Level of Government: The Federal Republic of Germany, in: Verwaltungswissenschafliche Informationen, Sonderheft 7, Bonn 1986, S. 35 ff. – Zur Evaluation staatlicher Programme, in: Eichhorn/von Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, Baden-Baden 1986, S. 19 ff. – Gesetzgebungsvorhaben im Verfahren der Ministerialverwaltung, in: Blümel/Merten/Quaritsch (Hrsg.), Verwaltung im Rechtsstaat, Festschrift für Carl Hermann Ule, Köln/Berlin/ Bonn/München 1987, S. 121 ff. – Zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. XIII, Opladen 1988, S. 171 ff. – Sobre la Evaluación de los Programas Estatales, in: Instituto Nacional de Administración Publica (Hrsg.), Documentación Administrativa (DA), II. Administración y Constitución: El Pricipio de Eficacia, Madrid 1989, S. 413 ff. – Comments on „The Chernobyl disaster and nuclear fallout“, in: Rosenthal/Pijnenburg (Hrsg.), Crisis Management and Decision Making, Simulation Oriented Scenarios, Dordrecht/Boston/ London 1991, S. 37 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

131

– Formalisierung und Informalisierung im Regierungszentrum, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 2, Opladen 1991, S. 203 ff. – Krisenmanagement: Der Fall Tschernobyl in der Bundesrepublik Deutschland, in: Sakkoulas (Hrsg.), Administration – Politique, Festschrift für Athos G. Tsoutsos, Athen 1991, S. 263 ff. – engl.: Crisis management: the case of Chernobyl in the Federal Republic of Germany, in: Stefenson/Landahl/Ritchey (Hrsg.), Nuclear Accidents and Crisis Management, Stockholm 1993, S. 24 ff. – Programmfunktion und Budget im Regierungsbereich, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 4, Opladen 1992, S. 19 ff. – Koordination in der arbeitsteiligen Regierung – Zur Lage in Deutschland, in: Zeitschrift für Verwaltung (Österreich) 1993/1, S. 10 ff. – span.: El problema de la coordinación en un sistema de gobierno basado en la división del trabajo. Es caso alemán, in: Instituto Nacional de Administración Pública, Documentación Administrativa, No. 230 – 231, April – September 1992, S. 133 – 153 – Central and Intergovernmental Planning in the Federal Republic of Germany, in: Arora/ Kanshih (Hrsg.), The Universe of Public Administration, Essays in honour of Sudesh K. Sharma, New Delhi 1994, S. 169 ff. – „Public Sector Management“ oder Gouvernanz-, Steuerungs- und Strukturierungsprobleme öffentlicher Verwaltung, in: Burth/Görlitz (Hrsg.), Politische Steuerung in Theorie und Praxis, Baden-Baden 2001, S. 293 ff.

VI. Öffentlicher Dienst und Regierungspersonal a) Buchveröffentlichungen – Fortbildung des höheren Verwaltungsdienstes (Hrsg.), Berlin 1974 – Öffentlicher Dienst, Festschrift für Carl Hermann Ule zum 70. Geburtstag am 26. 2. 1977 (hrsg. zusammen mit Hans-Werner Laubinger und Frido Wagener), Köln/Berlin/Bonn/München 1977 – Curriculumentwicklung zur Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Baden-Baden 1978 – Die Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst (Hrsg.), Baden-Baden 1979 – Zur Weiterentwicklung des vertikalen Laufbahngefüges – Thesen, Begründungen und Dokumentation (zusammen mit Hero Kind), Baden-Baden 1980 b) Abhandlungen – Vorbereitungsdienst (zusammen mit Ernst Hüper), in: Bierfelder (Hrsg.), Handwörterbuch des öffentlichen Dienstes – Das Personalwesen, Berlin 1976, S. 1758 ff. – Verwaltungswissenschaften in Ausbildung, Fortbildung und Forschung, in: König/Laubinger/ Wagener (Hrsg.), Öffentlicher Dienst, Festschrift für Carl Hermann Ule zum 70. Geburtstag am 26. 2. 1977, Köln/Berlin/Bonn/München 1977, S. 53 ff. – Strukturprobleme des öffentlichen Dienstes, in: Verwaltungsarchiv 1977, S. 3 ff.

132

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Les Systèmes Européens de Formation en Matière d’Administration Publique, in: Revue Francaise d’Administration Publique 1977, S. 105 ff. – Civil Service Reforms in Europe, Speyerer Arbeitshefte 17, Speyer 1977 – Fortentwicklung des Laufbahnrechts, in: Die Öffentliche Verwaltung 1977, S. 343 ff. – Neutralisierung der Bürokratie – Zum Problem von Spitzenpositionen auf Zeit im öffentlichen Dienst (zusammen mit Franz Kroppenstedt), in: Zeitschrift für Politik 1977, S. 240 ff. – Aspects of Worker’s Participation in the Public Sector, in: Sharma (Hrsg.), Dynamics of Development, Essays in Honour of J.N. Khosla, Delhi 1977, S. 359 ff. – Die Reform des öffentlichen Dienstes als Dilemma von Wissenschaft und Praxis, in: Böhret (Hrsg.), Verwaltungsreformen und Politische Wissenschaft, Baden-Baden 1978, S. 229 ff. – Le Réforme de la Fonction Publique en Europe, in: Revue Française d’Administration Publique 2/1978, S. 87 ff. – Richtlinien und Maßstäbe zur Curriculumentwicklung in der öffentlichen Verwaltung/öffentliches Management (zusammen mit Ernest A. Engelbert), in: Verwaltungswissenschaftliche Informationen 1/1978, S. 41 ff. – engl.: Guidelines and Standards for Curricular Development for Public Administration/ Public Management (zusammen mit Ernest A. Engelbert), International Institut of Administrative Sciences, Brüssel 1981 – Der Beamtenstatus – ein Hemmschuh für die Dienstrechtsreform? in: Carstens u. a. (Hrsg.), Beamtenstatus – Ärgernis oder Verpflichtung?, Godesberg 1978, S. 149 ff. – Public Administration Education in Europe: Current Directions and Future Perspectives, in: International Institute of Administrative Sciences (Hrsg.), International Conference on the Future of Public Administration, Conference Proceedings, Québec 1979, Vol. XII, S. 2807 ff. – span.: La Educación para la Administración Pública en Europa Occidental, Instituto Naciónal de Administración Pública, Madrid 1978 – Entwicklungen der beruflichen Qualifikationen in der öffentlichen Verwaltung, in: von Oertzen (Hrsg.), Antworten der öffentlichen Verwaltung auf die Anforderungen des heutigen Gesellschaftssystems, Bonn 1980, S. 97 ff. – engl.: Developments of Professional Qualifications in Public Administration, in: Administration Vol. 29, Nr. 3/1982, S. 290 ff. – Öffentlicher Dienst und Bildungspolitik, in: Böhret/Siedentopf (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungspolitik, Berlin 1983, S. 189 ff. – Zur Lage der Nachwuchskräfte für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst (zusammen mit Wolfgang Schmidt-Streckenbach), in: Verwaltungsrundschau 1983, S. 365 ff. – Aus- und Fortbildung des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland, in: Kaiser (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungswissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1983, S. 115 ff. – engl.: Education and Advanced Training for the Public Service in the Federal Republic of Germany, in: International Review of Administrative Sciences 1983, S. 204 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

133

– Zur Reform des öffentlichen Dienstes: Berufszugang und Berufsweg, in: Schäffer/König/ Ringhofer (Hrsg.), Im Dienst an Staat und Recht, Internationale Festschrift Erwin Melchiar zum 70. Geburtstag, Wien 1983, S. 281 ff. – Die beamtete Regierung: Spitzenpositionen auf Zeit in der öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungsführung – Organisation – Personalwesen 6/1990, S. 357 ff. – Personalisierte Führung und Informationstechnik in Regierung und Verwaltung, in: Reinermann (Hrsg.), Führung und Information, Heidelberg 1991, S. 67 ff. – Politiker und Beamte, in: Bracher/Mikat/Repgen/Schumacher/Schwarz (Hrsg.), Staat und Parteien, Festschrift für Rudolf Morsey, Berlin 1992, S. 107 ff. – engl.: Politicians and Civil Servants – On Differentiation among Government Personnel, in: Die öffentliche Verwaltung und der Staatsaufbau, Festschrift für Han Bin Lee, Korea 1996, S. 407 ff. – Das Speyerer Führungskolleg: Integration von Fortbildung und Arbeit, in: Verwaltung und Fortbildung 3/1993, S. 133 ff. – Interessenausgleich im öffentlichen Dienst der EG-Mitgliedstaaten. Einführung in die Diskussion, in: Magiera/Siedentopf (Hrsg.), Das Recht des öffentlichen Dienstes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1994, S. 837 ff. – „Eurofaculty“ – Mission, structure and performance, in: Cahiers de l’IISA No. 1/1999, IIAS Research Papers 1/1999, Paris 1998, S. 13 ff. VII. Verwaltungsentwicklung und Verwaltungstransformation a) Buchveröffentlichungen – Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbeziehungen (Hrsg.), Bonn 1983 – Zum Konzept der Entwicklungsverwaltung, Speyerer Forschungsberichte 33, Speyer 1983 – International cooperation for education and training in public management: with emphasis upon developing countries (zusammen mit Ernest A. Engelbert), Berlin 1984 – Die Verwaltungsförderung der Politischen Stiftungen in der Dritten Welt (Hrsg.), in: Verwaltungswissenschaftliche Informationen, Sonderheft 6, Bonn 1984 – Die Stellung der Länder in der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland (zusammen mit Wolfgang Schmidt-Streckenbach), Speyerer Forschungsberichte 43, Speyer 1984 – Öffentliche Verwaltung und Entwicklungspolitik (Hrsg.), Baden-Baden 1986 – Verwaltungsstrukturen der DDR (Hrsg.), Baden-Baden 1990 – Zur Transformation einer real-sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung, Speyerer Forschungsberichte 99, Speyer 1991 – Öffentlicher Dienst und Verwaltungsaufbau: Leistungserwartung in Westeuropa – Verwaltungstransformation in Osteuropa (hrsg. zusammen mit Heinrich Siedentopf), BadenBaden 1993 – Vermögenszuordnung im Aufgabenzuschnitt des öffentlichen Sektors der neuen Bundesländer, Speyerer Forschungsberichte 133, Speyer 1994

134

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Vermögenszuordnung – Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern (hrsg. zusammen mit Gunnar Folke Schuppert und Jan Heimann), Baden-Baden 1994 – Organisations- und Personalprobleme der Verwaltungstransformation in Deutschland (zusammen mit Volker Meßmann), Baden-Baden 1995 – Aufgaben- und Vermögenstransformation in den neuen Bundesländern (zusammen mit Jan Heimann), Baden-Baden 1996 – Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland (zusammen mit Hellmut Wollmann, Hans-Ulrich Derlien, Wolfgang Renzsch und Wolfgang Seibel), Opladen 1997 – Governance als entwicklungspolitischer Ansatz (hrsg. zusammen mit Markus Adam), Speyerer Forschungsberichte 219, Speyer 2001 – Governance als entwicklungs- und transformationspolitisches Konzept (zusammen mit Markus Adam, Benedikt Speer, Christian Theobald), Berlin 2002 b) Abhandlungen – Zur Evaluation eines Verwaltungshilfeprojekts in Nordjemen (zusammen mit Friedrich W. Bolay), in: Verwaltungsarchiv 1980, S. 256 ff. – engl.: The Evaluation of an Administrative Co-operation Project in North Yemen and its Significance for German Aid Policy, in: Public Administration and Development 1982, S. 225 ff. – Zur entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit der lateinamerikanischen Steuerverwaltung (zusammen mit Walter Schleicher und Friedrich W. Bolay), in: Verwaltungsarchiv 4/ 1981, S. 316 ff. – Kaderverwaltung und Verwaltungsrecht, in: Verwaltungsarchiv 1/1982, S. 37 ff. – Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbeziehungen aus der Sicht von Aus- und Fortbildung, in: Verwaltungsarchiv 1/1983, S. 1 ff. – engl.: Development Policy and International Administrative Relations: the Aspect of Education and Training, in: Public Administration and Development 1985, S. 57 ff. – Zum Konzept der Entwicklungsverwaltung, in: König (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung und Entwicklungspolitik, Baden-Baden 1986, S. 11 ff. – Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbeziehungen aus der Sicht von Aus- und Fortbildung, in: König (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung und Entwicklungspolitik, BadenBaden 1986, S. 301 ff. – RFA: Des Politiques Publiques Mises en Oeuvre par des Organismes Autonomes, in : Revue Française d’Administration Publique, Coopération Administrative Internationale et Développement, N8 50, 1989, S. 45 ff. – Verwaltungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit Entwicklungsländern, in: Zeitschrift für Verwaltung 1989, S. 327 ff. – Zum Verwaltungssystem der DDR, in: König (Hrsg.), Verwaltungsstrukturen der DDR, Baden-Baden 1990, S. 9 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

135

– Verwaltung im Übergang – Vom zentralen Verwaltungsstaat in die dezentrale Demokratie, in: Die Öffentliche Verwaltung 1991, S. 177 ff. – Zur Transformation einer real-sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung, in: Verwaltungsarchiv 1992, S. 229 ff. – engl.: The Transformation of a ,real-socialist‘ administrative system into a conventional Western European system, in: International Review of Administrative Sciences, Vol. 58, 1992, S. 137 ff. – franz.: La Transformation d’un système administratif de „socialisme réel“ en un système conventionnel oust-européen, in : Revue internationale des Sciences administratives (RISA) 2/ 1992, S. 549 ff. – Transformation einer Kaderverwaltung: Transfer und Integration von öffentlichen Bediensteten in Deutschland, in: Die Öffentliche Verwaltung 1992, S. 549 ff. – Transformation der realsozialistischen Verwaltung und entwicklungspolitische Zusammenarbeit, in: Verwaltungsrundschau 1992, S. 228 ff. – Transformation einer real-sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung, in: Seibel/Benz/Mäding (Hrsg.), Verwaltungsreform und Verwaltungspolitik im Prozeß der deutschen Einigung, Baden-Baden 1993, S. 80 ff. – Bureaucratic Integration by Elite Transfer: The Case of the Former GDR, in: Governance, Vol. 6, 3/1993, S. 386 ff. – Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost – Lehren für andere Länder, in: Derlien (Hrsg.), Programm „Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost“ – Planung, Vollzug, Evaluation, München 1993, S. 129 ff. – Administrative Transformation in Eastern Germany, in: Public Administration, Vol. 17, Numbers 1/2, 1993, S. 135 ff. – Die Transformation der öffentlichen Verwaltung: Ein neues Kapitel der Verwaltungswissenschaft, in: Pitschas (Hrsg.), Verwaltungsintegration in den neuen Bundesländern, Berlin 1993, S. 29 ff. – Verwaltungsaufbau in den Ländern Mittel- und Osteuropas – Möglichkeiten der europäischen Zusammenarbeit – Podiumsdiskussion, in: König/Siedentopf (Hrsg.), Öffentlicher Dienst und Verwaltungsaufbau: Leistungserwartung in Westeuropa – Verwaltungstransformation in Osteuropa, Baden-Baden 1993, S. 68 ff. – Kommunalisierung, Verselbständigung, Privatisierung – Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern, in: Die Öffentliche Verwaltung 24/1993, S. 1076 ff. – Transformation der realsozialistischen Verwaltung: Deutsche Integration und europäische Kooperation, in: Deutsches Verwaltungsblatt 23/1993, S. 1292 ff. – Entwicklungsverwaltung und Verwaltungstransformation im internationalen Dialog, in: Die Öffentliche Verwaltung 19/1993, S. 856 ff. – Redesigning the State Profile for Social and Economic Development Change, Bericht über die zweite Internationale Konferenz des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften vom 27. – 30. Juli 1993 in Toluca, Mexico, in: Verwaltungswissenschaftliche Informationen, Heft 3/4 1993

136

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Zur Aufgaben- und Vermögenstransformation (zusammen mit Jan Heimann), in: König/ Schuppert/Heimann (Hrsg.), Vermögenszuordnung – Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern, Baden-Baden 1994, S. 11 ff. – Personalpolitik bei der Transformation einer Kaderverwaltung in Deutschland, in: Seibel/ Benz (Hrsg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik, Beiträge zu Ehren von Thomas Ellwein, Opladen 1995, S. 154 ff. – Transformation als Staatsveranstaltung in Deutschland, in: Wollmann/Wiesenthal/Bönker (Hrsg.), Transformation sozialistischer Gesellschaften: Am Ende des Anfangs, LeviathanSonderheft 15/1995, Opladen 1995, S. 609 ff. – engl.: German Reunification and Administration Transformation, in: The Korean Association for Public Administration (Hrsg.), Policy Problems of a Unified Korea: Conflicts, Challenges and Policy Alternatives after Reunification, Seoul 1997, S. 1 ff. – Entwicklungsverwaltung und Verwaltungstransformation im internationalen Dialog, in: Pitschas/Sülzer (Hrsg.), Neuer Institutionalismus in der Entwicklungspolitik. Perspektiven und Rahmenbedingungen der Verwaltungsentwicklung im Süden und Osten, Vorträge und Berichte auf dem Zweiten Speyerer Forum zur Entwicklungszusammenarbeit der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1993, Berlin 1995, S. 27 ff. – Staatszentrierte Transformation im vereinten Deutschland (zusammen mit Angelika Benz), in: Der Staat 1/1996, S. 109 ff. – Politikplanung und Öffentliches Management im Dialog mit Transformationsländern, in: Verwaltung und Management 2/1996, S. 68 ff. – engl.: Policy planning and management dialogue with countries in transition, in: Public Administration and Development, Vol. 16, 1996, S. 417 ff. – Die institutionelle Transformation Ostdeutschlands zwischen Systemtransformation und Eigendynamik (zusammmen mit Hellmut Wollmann, Hans-Ulrich Derlien, Wolfgang Renzsch und Wolfgang Seibel), in: Wollmann/Derlien/König/Renzsch/Seibel, Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 9 ff. – Verwaltungszusammenarbeit und „New Public Management“ – Kritische Anmerkungen aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht, in: Thedieck/Müller (Hrsg.), Rezeption deutscher Beiträge zur Verwaltungsmodernisierung für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, Berlin 1997, S. 105 ff. – Transformation von Staatsaufgaben, in: Lüder (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung der Zukunft, Berlin 1998, S. 177 ff. – „Rule of Law“ und Gouvernanz in der entwicklungs- und transformationspolitischen Zusammenarbeit, in: Murswieck/Storost/Wolff (Hrsg.), Staat – Souveränität – Verfassung, Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag, Berlin 2000, S. 123 ff. – Neuer öffentlicher Managerialismus in der Transformationspolitik – der Fall der Mongolei (zusammen mit Markus Adam), in: Schröter (Hrsg.), Empirische Policy- und Verwaltungsforschung, Opladen 2001, S. 345 ff. – Staats- und Verwaltungsreformen in Transitionsländern, in: Duwendag (Hrsg.), Reformen in Russland und die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, Baden-Baden 2002, S. 53 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

137

VIII. Modernisierung und Internationalisierung der Verwaltung a) Buchveröffentlichungen – Social Science Knowledge in the Policy of Administrative Reforms, Speyerer Forschungsberichte 7, Speyer 1979 – Verwaltungswissenschaften und Verwaltungsreformen, Speyerer Forschungsberichte 14, Speyer 1979 – Zur Kritik eines neuen öffentlichen Managements, Speyerer Forschungsberichte 155, Speyer 1995 – engl.: On the critique of New Public Management, Speyerer Forschungsberichte 155, Speyer 1996 – Modernisierung von Staat und Verwaltung (zusammen mit Joachim Beck), Baden-Baden 1997 – „Schlanker Staat“ – Verwaltungsmodernisierung im Bund (zusammen mit Natascha Füchtner), Speyerer Forschungsberichte 183, Speyer 1998 – Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft – (hrsg. zusammen mit Werner Jann/Christine Landfried/Peter Wordelmann), Festschrift für Carl Böhret zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1998 – Verwaltungsmodernisierung im Bund – Schwerpunkte der 13. Legislaturperiode (hrsg. zusammen mit Natascha Füchtner), Speyerer Forschungsberichte 196, Speyer 1999 – Accountability Management in Intergovernmental Partnerships (hrsg. zusammen mit Elke Löffler), OECD und Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyerer Forschungsberichte 207, Speyer 2000 – Zur Manageralisierung und Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung, Speyerer Forschungsberichte 209, Speyer 2000 – „Schlanker Staat“ – eine Agenda der Verwaltungsmodernisierung im Bund (zusammen mit Natascha Füchtner), Baden-Baden 2000

b) Abhandlungen – Verwaltungsreform und Demokratiediskussion, in: Demokratie und Verwaltung: – 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1972, S. 271 ff. – Administrative Sciences and Administrative Reforms, in: Caiden/Siedentopf (Hrsg.), Administrative Reform Strategies, Lexington/Mass. 1982, S. 17 ff. – Experiences in the Federal Republic of Germany (Commentary to: David T. Stanley, Civil Service Reform in the United States Government), in: International Review of Administrative Sciences, 1982, S. 319 ff. – Verwaltungsvereinfachung aus der Sicht der Bundesebene (Verwaltungspolitik), in: Ellwein/ Hesse (Hrsg.), Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspolitik, Baden-Baden 1985, S. 71 ff.

138

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

– Zur Entwicklung eines administrativen „Innovations-Managements“, in: Böhret u. a. (Hrsg.), Herausforderungen an die Innovationskraft der Verwaltung, Opladen 1987, S. 197 ff. – Verwaltungspolitik, in: Chmielewicz/Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, Stuttgart 1989, S. 1706 ff. – La Riforma Amministrativa in Germania, in: Cassese/Franchini (Hrsg.), Tendenze recenti della Riforma Amministrativa in Europa, Bologna 1989, S. 75 ff. – Auswirkungen der europäischen Integration auf die öffentliche Verwaltung, in: Hofmeister (Hrsg.), Internationalisierung der öffentlichen Verwaltung, Bern 1991, S. 27 ff. – Internationalität, Transnationalität, Supranationalität – Auswirkungen auf die Regierung, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 5, Opladen 1993, S. 235 ff. – Organisation und Prozeß: Zur Internationalisierung des Regierens, in: Böhret/Wewer (Hrsg.), Regieren im 21. Jahrhundert – zwischen Globalisierung und Regionalisierung, Festschrift für Hans-Hermann Hartwich zum 65. Geburtstag, Opladen 1993, S. 144 ff. – Public Sector Reform: The Case of Germany, in: Hesse/Toonen (Hrsg.), The European Yearbook of Comparative Government and Public Administration, Baden-Baden/Boulder, Colorado, Vol. I/1994, S. 387 ff. – „Neue“ Verwaltung oder Verwaltungsmodernisierung: Verwaltungspolitik in den 90er Jahren, in: Die Öffentliche Verwaltung 9/1995, S. 349 ff. – Zur postindustriellen Verwaltung, in: Kreyher/Böhret (Hrsg.), Gesellschaft im Übergang, Festschrift für Helmut Klages zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1995, S. 221 ff. – Unternehmerisches oder exekutives Management – die Perspektive der klassischen öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungsarchiv 1/1996, S. 19 ff. – engl.: Entrepreneurial Management or Executive Administration: The Perspective of Classical Public Administration, in: Kickert (Hrsg.), Public Management and Administrative Reform in Western Europe, Cheltenham 1997, S. 217 ff. – Die Reform der öffentlichen Verwaltung in Deutschland, in: Institut für Strategische und Entwicklungsstudien (ISTAME), „Neue Entwicklung in der öffentlichen Verwaltung“, Athen 1996, S. 111 ff. – Öffentliche Verwaltung – postindustriell, postmodern, postbürokratisch, in: Merten/ Schmidt/ Stettner (Hrsg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel, Festschrift für Franz Knöpfle zum 70. Geburtstag, München 1996, S. 141 ff. – engl.: Public Administration – Post-Industrial, Post-Modern, Post-Bureaucratic, in: European Group of Public Administration, Budapest University of Economic Sciences (Hrsg.), New Trends in Public Administration and Public Law, EGPAYearbook, Annual Conference, Budapest 1996, S. 17 ff. – Markt und Wettbewerb als Staats- und Verwaltungsprinzipien, Carl Hermann Ule zum 90. Geburtstag, in: Deutsches Verwaltungsblatt 4 – 5/1997, S. 239 ff. – Drei Welten der Verwaltungsmodernisierung, in: Klaus Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1997, S. 399 ff. – engl.: Three Worlds of Public Administration Modernization, in: The Annals of Public Administration Research, No. 15 (1997), S. 1 ff.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Dr. Klaus König

139

– Verwaltungsmodernisierung im internationalen Vergleich – Acht Thesen, in: Die Öffentliche Verwaltung 1997, S. 265 ff. – Institutionentransfer und Modelldenken bei Verwaltungsmodernisierungen, in: Morsey/Quaritsch/Siedentopf (Hrsg.), Staat, Politik, Verwaltung in Europa, Gedächtnisschrift für Roman Schnur, Berlin 1997, S. 293 ff. – Zur Modernisierung von Staatswirtschaft und Wohlfahrtsstaat, in: Festschrift für Dimitrios Corsos, Athen 1998, S. 173 ff. – Ein Neues Öffentliches Management – Globale Perzeption und Kritik, in: Neisser/Hammerschmid (Hrsg.), Die innovative Verwaltung. Perspektiven des New Public Management in Österreich, Wien 1998, S. 141 ff. – „Schlanker Staat“ zwischen Bonn und Berlin (zusammen mit Natascha Füchtner), in: Verwaltungsarchiv 1/1999, S. 1 ff. – Legitimationsfragen an eine sich europäisierende Verwaltung – Thesen, in: Bauer/Hendler/ Huber/Popowska/Rabska (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Städtebaurechts, Referate und Diskussionsbeiträge des X. Deutsch-Polnischen Verwaltungskolloquiums vom 8.–12. September 1997 in Posen, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 1999, S. 35 ff. – Räumliche Planungen in der Ökonomisierung und Manageralisierung der öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungsrundschau 9/2000, S. 297 ff. – Institutionelle Aspekte der Modernisierung – die Sphäre der öffentlichen Verwaltung, in: Hill (Hrsg.), Modernisierung – Prozess oder Entwicklungsstrategie?, Frankfurt/New York 2001, S. 263 ff. – Towards a Regulatory Policy for Public Administration, in: Quarterly Journal of Budapest University of Economic Sciences and Public Administration (Hrsg.), Society and Economy in Central and Eastern Europe, Vol. XXIII, No. 1 – 2/2001, S. 103 ff. – Reinventing Government: The German Case, in: Greß/Janes (Hrsg.), Reforming Governance. Lessons from the United States of America and the Federal Republic of Germany, Frankfurt/New York 2001, S. 33 ff. – Öffentliches Management und Governance als Verwaltungskonzepte – Zehn Thesen, in: Die Öffentliche Verwaltung 15/2001, S. 617 ff. – Öffentliche Verwaltung und Globalisierung, in: Verwaltungsarchiv 4/2001, S. 475 ff. – Verwaltung in globaler Sicht, in: König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002, S. 327 ff.

Verzeichnis der Teilnehmer Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Michael W. Bauer, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Joachim Beck, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl Prof. Dr. Arthur Benz, Technische Universität Darmstadt Prof. Dr. Willi Blümel, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Carl Böhret, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Friedrich Bolay, Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung, Wiesbaden Dr. Hans-Peter Braun, Speyer Prof. Dr. Hans Peter Bull, Minister a. D., Universität Hamburg Prof. Dr. Nikolai Dose, Universität Duisburg-Essen PD Dr. Christina Fraenkel-Haeberle, Forschungsreferentin, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Prof. Dr. Hermann Hill, Staatsminister a. D., Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Dorothea Jansen, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Helmut Klages, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Christian Koch, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Prof. Dr. Dr. Klaus König, Ministerialdirektor a. D., Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Dr. Michael König, Ministerialrat, Thüringer Finanzministerium, Erfurt Dr. Franziska Kruse, Ass. iur., Wiss. Mitarbeiterin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Lüder, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Siegfried Magiera, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

142

Verzeichnis der Teilnehmer

Prof. Dr. Matthias Niedobitek, Technische Universität Chemnitz Prof. Georg-Berndt Oschatz, Staatsminister a.D., Direktor des Bundesrates a.D., Karlsruhe Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen Prof. Dr. Heinrich Reinermann, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Dieter Schimanke, Staatssekretär a.D., Großhansdorf Werner Schineller, Oberbürgermeister a.D., Speyer Prof. Dr. Gunnar R. Schwarting, Geschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz, Mainz Dr. Margrit Seckelmann, Geschäftsführerin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer Prof. Dr. Dr. h.c. Karl-Peter Sommermann, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Hans-Joachim Spengler, Vorsitzender der Johann Joachim Becher-Gesellschaft, Speyer Prof. Dr. Franz Thedieck, Steinbeis-Beratungszentrum International Public Management, Karlsruhe Prof. Dr. Christian Theobald, Becker Büttner Held, Berlin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Hellmut Wagner, Vorstandsmitglied a.D. Forschungszentrum Karlsruhe, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied a.D. des Zentrums für Wissenschaftsmanagement e.V. Speyer Prof. Dr. Wolfgang Weiß, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Joachim Wieland, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Rektor der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Hellmut Wollmann, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin Prof. Dr. Wolfgang Zeh, Direktor beim Bundestag a.D., Dotternhausen