Die Europäische Union als Wertegemeinschaft: Forschungssymposium zu Ehren von Siegfried Magiera [1 ed.] 9783428541768, 9783428141760

Am 5. Oktober 2011 vollendete Prof. Dr. Siegfried Magiera sein 70. Lebensjahr. Aus diesem Anlass veranstaltete das Deuts

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Die Europäische Union als Wertegemeinschaft: Forschungssymposium zu Ehren von Siegfried Magiera [1 ed.]
 9783428541768, 9783428141760

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Schriften zum Europäischen Recht Band 162

Die Europäische Union als Wertegemeinschaft Forschungssymposium zu Ehren von Siegfried Magiera

Herausgegeben von Matthias Niedobitek Karl-Peter Sommermann

Duncker & Humblot · Berlin

NIEDOBITEK/SOMMERMANN (Hrsg.)

Die Europäische Union als Wertegemeinschaft

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 162

Die Europäische Union als Wertegemeinschaft Forschungssymposium zu Ehren von Siegfried Magiera

Herausgegeben von Matthias Niedobitek Karl-Peter Sommermann

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-14176-0 (Print) ISBN 978-3-428-54176-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84176-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Am 5. Oktober 2011 vollendete Siegfried Magiera sein 70. Lebensjahr. Aus diesem Anlass veranstaltete das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer zu seinen Ehren am 11. Mai 2012 ein Symposium. Unter dem Gesamtthema „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft“ diskutierten Freunde und Weggefährten aus Wissenschaft und Praxis drei Themenkreise, die Forschungsschwerpunkte von Siegfried Magiera betreffen: die Zukunft des Parlamentarismus in Europa, die Europäische Union als Grundrechte-Union und die Europäische Union als Wertegemeinschaft. Der vorliegende Band vereinigt die schriftliche Fassung der Vorträge und eine Zusammenfassung des abschließenden Podiumsgesprächs, die Grundlage einer lebhaften Debatte waren. Den Referenten und allen Teilnehmern sei auch an dieser Stelle für ihre anregenden Beiträge gedankt. Für logistische und redaktionelle Unterstützung danken die Herausgeber Frau Rechtsassessorin Franziska Kruse, Frau Queenie Griebner und Herrn Marcus Hornung M.E.S. Chemnitz/Speyer, im Mai 2013 Matthias Niedobitek

Karl-Peter Sommermann

Inhaltsverzeichnis Karl-Peter Sommermann Begrüßung und Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Matthias Niedobitek Siegfried Magiera, mein akademischer Lehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Zukunft des Parlamentarismus in Europa Peter M. Huber Parlamentarismus zwischen Volksbegehren und Verfassungsgerichtsbarkeit . . .

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Martin Nettesheim Demokratische Legitimation und Vertrauenskultur – Zu den Grenzen majoritären Entscheidens in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Europäische Union als Grundrechte-Union Eckart Klein Europäischer Grundrechtsschutz und nationale Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Johan Callewaert Gleiche Rechte, gleiche Tragweite? Überlegungen zur Stellung der Grundrechte im Unionsrecht nach dem Lissabonner Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Europäische Union als Wertegemeinschaft Marcus Hornung Zusammenfassung des abschließenden Podiumsgesprächs mit Detlef Merten, Carl Otto Lenz und Jacques Santer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Siegfried Magiera Worte des Dankes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Joachim Wieland Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

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Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Schriften von Siegfried Magiera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Verzeichnis der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Begrüßung und Einführung Karl-Peter Sommermann Meine sehr geehrten Damen und Herren, zugleich im Namen von Herrn Niedobitek darf ich Sie sehr herzlich zu unserem Symposium „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft“ willkommen heißen. Das Symposium findet zu Ehren von Siegfried Magiera statt, der am 5. Oktober 2011 70 Jahre alt geworden ist. Wenn man ihn sieht, ist dies nicht zu glauben, und in der Tat steht dieses Symposium nicht für eine Zäsur, die einen Rückzug von Herrn Magiera aus den Aktivitäten von Universität und Forschungsinstitut bedeutet, sondern es nimmt seinen runden Geburtstag zum Anlass, in Anknüpfung an sein bisheriges Schaffen im Kreise ihm verbundener Freunde, Kollegen und Schüler über zentrale Fragen zu diskutieren, die uns im Hinblick auf die Integration auf nationaler und europäischer Ebene bewegen. Herr Niedobitek und ich freuen uns sehr, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind und dadurch ihre Verbundenheit mit Herrn Magiera zum Ausdruck bringen. Ein besonderer Dank gilt den Vortragenden des heutigen Tages, die ohne Zögern ihre Bereitschaft erklärt haben, durch ein Referat an der Veranstaltung mitzuwirken. Nicht dabei sein kann leider Herr Oppermann, der seine Mitwirkung am Podium heute Nachmittag kurzfristig absagen musste. Unser Symposium steht unter dem Gesamtthema „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft“. War diese Apostrophierung der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union früher eine aus Zielbestimmungen und gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten hergeleitete Deutung des europäischen Integrationsprojekts, so kann sich die Qualifizierung der Union als Wertegemeinschaft heute, seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, auf eine explizite Grundsatzbestimmung im Primärrecht berufen. Artikel 2 des EU-Vertrages statuiert „Werte“, auf die sich „die Union gründet“ und die „allen Mitgliedstaaten … gemeinsam“ sind. Der Herausbildung der in Artikel 2 genannten Werte als Grundlage der europäischen Integration hat Siegfried Magiera bereits früh nachgespürt, insbesondere in seinen Veröffentlichungen zu einem „Europa der Bürger“.1 In seiner am Forschungsinstitut entstandenen Schrift „The Emergence of a ,Europe of Citizens‘ in a

1 Bereits seine Speyerer Antrittsvorlesung vom 15. 12. 1986 war dem Thema „Die Europäische Gemeinschaft auf dem Wege zu einem Europa der Bürger“ gewidmet, veröffentlicht in: DÖV 1987, S. 221.

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Karl-Peter Sommermann

Community without Frontiers“ finden die heute in Artikel 2 EUV verankerten Werte in dem Abschnitt über die politische Dimension2 ihre Sinndeutung. Die in Artikel 2 genannten Elemente wurden seinerzeit freilich vornehmlich in ihrer Eigenschaft als Ziele und Prinzipien diskutiert, was jedenfalls hinsichtlich des normativen Gehalts auch heute als die präzisere Einordnung erscheint. Dies gilt insbesondere für das Prinzip der Demokratie, das unter dem Aspekt der „Zukunft des Parlamentarismus in Europa“ Ausgangspunkt des ersten Themas unseres Symposiums ist. Mit der Rolle und Funktionalität des Parlaments in Deutschland hat sich Siegfried Magiera insbesondere in seiner im Jahre 1979 erschienenen Habilitationsschrift „Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes“ beschäftigt. Von großer Relevanz für die aktuelle Diskussion sind nicht nur seine Ausführungen zur „Organadäquanz und Funktionsgerechtigkeit als Zuordnungsmaßstäbe“,3 sondern auch seine Überlegungen zum „Wertungsvorsprung des Parlaments“. Misstrauisch gegenüber jeder Form von Ideologie, die allein im Besitze einer nicht zu hinterfragenden Wahrheit zu sein beansprucht, betont er, dass sich Wert- und Interessenkonflikte „angesichts der immanenten und externen Grenzen wissenschaftlicher und technischer Rationalität nur beschränkt ,objektiv‘ durch quantifizierbare und reproduzierbare Verfahren lösen“ lassen.4 Die parlamentarische Demokratie bietet für ihn die Chance, dass bei einer „möglichst vielfältige[n] und alternativenklare[n] Zusammensetzung“ des Parlaments5 ein „Wertungs- und Interessenausgleich durch Wertungs- und Interessenkonfrontation statt durch Wertungsund Interessenneutralität“ stattfinden könne.6 Die Frage, wie durch organisatorische Ausgestaltung des parlamentarischen Systems die Selbstbestimmung der Bürger und die Lösung von Interessenkonflikten am effektivsten erreicht werden kann, hat Siegfried Magiera immer wieder beschäftigt, so etwa auch in seiner Kommentierung der Artikel 38 bis 48 in dem von Michael Sachs herausgegebenen Grundgesetzkommentar.7 Wir freuen uns sehr, dass heute Herr Minister a.D. Bundesverfassungsrichter Peter Michael Huber und Herr Kollege Martin Nettesheim in das Thema der Zukunft des Parlamentarismus einführen werden. Beide sind durch grundlegende Veröffentlichungen zu dem Themenkreis und Vorschläge einer Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie durch zusätzliche partizipative Elemente bzw. durch eine stärker 2

S. Magiera, The Emergence of a “Europe of Citizens” in a Community without Frontiers (Speyerer Forschungsberichte, Band 78), Speyer 1989, S. 22 ff. Vgl. auch seine Einführung in: S. Magiera (Hrsg.), Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft ohne Binnengrenzen, 1990, S. 13. 3 S. Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 88 ff. 4 Ebd., S. 234. 5 Ebd., S. 237. 6 Ebd. (Hervorhebung nicht im Original). 7 S. Magiera, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2011, Art. 38 – 49, 121 – 137.

Begrüßung und Einführung

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grundrechtliche Radizierung und neue deliberativ-diskursive Verfahren hervorgetreten. Die Debatte über die institutionellen Voraussetzungen einer Mehrebenendemokratie wird umso drängender, je stärker die aktuelle Krise die Rolle der Parlamente zu marginalisieren droht und die Legitimationsgrundlagen der Europäischen Union insgesamt in Frage stellt. Das zweite Thema unseres Symposiums ist dem Grundrechtsschutz in der Europäischen Union gewidmet, einem Untersuchungsgegenstand, dem sich Siegfried Magiera in zahlreichen Veröffentlichungen gewidmet hat. Erinnern möchte ich nur an seine frühe Analyse der Grundrechtecharta der Europäischen Union, Gegenstand auch eines im Jahr 2000 gehaltenen Vortrags in der sog. Mainzer Runde,8 zu der der Justizminister von Rheinland-Pfalz einmal jährlich alle Professoren der rechtswissenschaftlichen Fakultäten des Landes einlädt. Mit den in der Charta verankerten Bürgerrechten sowie mit der Unionsbürgerschaft hat sich Herr Magiera sodann unter anderem in dem von Jürgen Meier herausgegebenen Chartakommentar9 sowie dem von Rudolf Streinz herausgegebenen Kommentar zum EUV und AEUV10 befasst. Heute dürfen wir uns auf ein Referat von Herrn Kollegen Eckart Klein freuen, der sich als einer der ersten mit dem Grundrechtsschutz in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft befasst und später das Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam gegründet hat, dessen Direktor er bis vor wenigen Jahren war. Ebenso sehen wir mit Spannung dem Vortrag von Herrn Johan Callewaert entgegen, Vizekanzler der Großen Kammer des Straßburger Gerichtshofs und Honorarprofessor unserer Universität, der aus erster Hand Erkenntnisse aus den Verhandlungen über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention vermitteln wird. Den Abschluss unserer Veranstaltung wird ein von Herrn Kollegen Detlef Merten geleitetes Podiumsgespräch zur Europäischen Union als Wertegemeinschaft bilden. Wir freuen uns sehr, dass uns Herr Generalanwalt a.D. Carl Otto Lenz und Herr Präsident der Europäischen Kommission a.D. Jacques Santer an ihrer Perspektive teilhaben lassen werden, die auf reichen, in Brennpunkten der europäischen Entscheidungsmechanismen gewachsenen Erfahrungen beruhen. In einer Zeit, in der haushalts- und finanzpolitische Fragen die Diskussion über die europäische Integration beherrschen, ist es angezeigt, darüber nachzudenken, inwieweit gemeinsame Wertgrundlagen tatsächlich bestehen und wie weit diese in Zeiten einer Krise tragen, die letztlich die wirtschaftliche Lage aller Unionsbürger betrifft. 8 S. Magiera, Die Grundrechtecharta der Europäischen Union („Mainzer Runde 2000“, hrsg. vom Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz), 2000. 9 S. Magiera, in: J. Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl. 2011, Art. 39 – 46. Vgl. auch die Kommentierung des Art. 46 GG von S. Magiera, in: R. Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattkommentar, Drittbearbeitung 2011. 10 Vgl. S. Magiera, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, Art. 9 EUV, Art. 20-25 und 174-178 AEUV.

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Karl-Peter Sommermann

Zum Abschluss meiner kurzen Einführung möchte ich noch einige wenige Worte zu meiner persönlichen Verbindung zu Herrn Magiera sagen. Ich habe Sie, lieber Herr Magiera, im Sommersemester 1984 kennengelernt, als ich im Rahmen der Referendarzeit ein Semester in Speyer studiert und bei Ihnen an einem Kolloquium zur Rechtsprechung des EuGH teilgenommen habe. Die feinsinnige Analyse, zu der wir von Ihnen angehalten wurden, hat mich für Besonderheiten in den Schlussfolgerungen der jeweiligen Generalanwälte und Stil und Argumentationsweise des Gerichtshofes sensibilisiert und zählt zu den ertragreichsten Lehrveranstaltungen, die ich damals in Speyer besucht habe. Nachdem ich einige Jahre später als Institutsreferent des Forschungsinstituts wieder nach Speyer gekommen war, lernte ich Sie zunächst im Kontext von wissenschaftlichen Tagungen kennen, die uns zum Beispiel auch einmal gemeinsam nach Spanien führten. Als ich nach meiner Habilitation in Berlin auch einen Ruf nach Speyer erhielt, waren Sie Rektor unserer Hochschule; ich habe die von größter Fairness geprägten Berufungsgespräche in bester Erinnerung. Neben der Lehre spielt in Speyer bekanntlich die Weiterbildung für Führungskräfte des Öffentlichen Sektors eine wichtige Rolle. Für neuberufene Kolleginnen und Kollegen, die mit diesem durchaus anspruchsvollen Teilnehmerkreis noch nicht viel Erfahrung haben, ist es hilfreich, wenn man bei Konzeption und Durchführung auf den Rat erfahrener Kollegen zurückgreifen kann. Aus den ersten Gesprächen über durchzuführende Veranstaltungen wurde bei uns eine enge Zusammenarbeit. Wir haben bis heute 15 Europa-Foren und Europa-Seminare gemeinsam geleitet und ich freue mich auf noch viele gemeinsame zukünftige Veranstaltungen; das nächste Europa-Seminar steht im Oktober an. Daneben haben wir in einer Reihe von Forschungsseminaren und Tagungen zusammengearbeitet, und ich habe dieses Zusammenwirken, das nicht nur mit einem Austausch über Grundfragen der europäischen Integration, sondern häufig auch über die Ortsbestimmung unserer Wissenschaft verbunden war, stets als sehr bereichernd empfunden. Vor allem Ihre Weltoffenheit, die sich biografisch auch auf Studien und Forschungsaufenthalte in den USA, darunter Harvard, Stanford und Berkeley, sowie in Frankreich zurückführen lässt und sich später in einer Vielzahl internationaler Kooperationen und wissenschaftlicher Kontakte manifestierte, war unserer Universität nicht zuletzt in der internationalen Zusammenarbeit und in den vielfältigen Kontakten mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen überaus förderlich. Unserer Speyerer alma mater kam überdies Ihre transdisziplinäre Offenheit zugute. Mit ihrem Lehrstuhl, der durch Beschluss des Europäischen Universitätsrats in Würdigung Ihrer Verdienste um das Europarecht zugleich ad personam als Jean Monnet-Lehrstuhl anerkannt und ausgestattet wurde, deckten Sie ohnehin neben dem Europarecht das Öffentliche Recht und das Völkerrecht ab. Zu Ihrem wissenschaftlichen Profil gehört aber auch die Politikwissenschaft; bereits im Jahr 1967 erwarben Sie an der Universität von Kansas den Grad eines Master of Arts in Politikwissenschaft. Bereits Ihre Dissertation über die Vorwahlen, die Primaries, in den

Begrüßung und Einführung

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USA11 zeugt von der erweiterten Perspektive. Als ich Rektor unserer Hochschule war, empfand ich es als Glücksfall, Sie nach Ihrem sog. Eintritt in den Ruhestand auch zwei Semester für eine Vertretung des politikwissenschaftlichen Lehrstuhls gewinnen zu können. Für unser Studienprogramm war es wichtig, dass die Europapolitik gut vertreten war. Mit Blick auf die Uhr muss ich hier abbrechen. Dies möchte ich nicht tun ohne Ihnen, lieber Herr Magiera, nochmals herzlich für die angenehme und bereichernde Zusammenarbeit zu danken, die wir hoffentlich noch lange fortsetzen können. Ihre Kompetenz, Ihre Integrationsfähigkeit und Ihre große Kollegialität werden, dies darf ich zugleich im Namen der Speyerer Kolleginnen und Kollegen sagen, an unserer Universität weiterhin dringend gebraucht. Damit darf ich das Wort an Herrn Niedobitek weiterreichen.

11 S. Magiera, Die Vorwahlen (Primaries) in den Vereinigten Staaten. Demokratisierung von Wahlen und Parteien, 1971.

Siegfried Magiera, mein akademischer Lehrer Matthias Niedobitek I. Im Jahr 1988 luden Sie, lieber Herr Magiera, mich zum Vorstellungsgespräch an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer ein. Sie hatten eine Stelle zur Bearbeitung eines Projekts am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung ausgeschrieben, dessen Thematik heute als Leitmotiv Ihres gesamten wissenschaftlichen Werks erscheint: „Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft ohne Binnengrenzen“. So lernten wir uns kennen. Dass ich die Stelle erhielt, war für mich eine glückliche Fügung, denn sie markierte den Beginn meiner akademischen Laufbahn und meiner Speyerer Zeit, die infolge vielfältiger Bindungen bis heute andauert, auch wenn ich inzwischen in Chemnitz wohne. Seitdem entwickelte sich zwischen uns eine enge fachliche und persönliche Verbindung, wie sie mit einem akademischen Betreuungsverhältnis idealerweise einhergeht. Heute ist ein besonderer Tag für Sie, ein Tag der Anerkennung Ihrer akademischen Verdienste und Ihrer persönlichen Verdienste um Ihre Mitarbeiter, den wir mit einem akademischen Symposium begehen. Ebenso ist es jedoch ein besonderer Tag für mich, an dem ich das Privileg habe, Sie als meinen akademischen Lehrer würdigen und Ihnen an dieser Stelle danken zu dürfen. Tatsächlich habe ich das wissenschaftliche Arbeiten erst von Ihnen gelernt. Das war natürlich nur möglich, weil mir Ihre Art, wissenschaftliche Texte zu konzipieren, zu gliedern und zu verfassen, von Anfang an sehr eingeleuchtet hat – und immer noch einleuchtet, heute mehr denn je angesichts der immer zahlreicher werdenden Plagiatsaffären im akademischen Bereich. Sie betrachten – so habe ich Ihre Herangehensweise immer verstanden – jeden wissenschaftlichen Text, den Sie verfassen, als ein filigranes Kunstwerk, das nicht nur im Großen und Ganzen gelingen, sondern auch in jedem Detail stimmen und verantwortet werden muss. Nicht zuletzt darin spiegelt sich Ihr ausgeprägtes Gefühl für einen fairen wissenschaftlichen Wettbewerb wider, dessen wesentliches Merkmal die intersubjektive Überprüfbarkeit ist. In einer Welt des wissenschaftlichen Scheins und vordergründigen Glanzes sind Ihre Texte von einer wohltuend geerdeten Zuverlässigkeit und Originalität, die jedoch – so fürchte ich – zusehends im Rückzug begriffen ist. Natürlich war es nicht immer einfach, Ihren hohen Ansprüchen gerecht zu werden, zumal als wissenschaftlicher „Anfänger“, aber jegliche Kritik, die Sie geäußert haben, war immer strikt und entwaffnend konsequent an der Sache orientiert. Das

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Matthias Niedobitek

war ungemein hilfreich bei der Bildung des eigenen Standpunkts. In intensiver Erinnerung sind mir die zahlreichen Aussprachen über meine Habilitationsschrift, deren Einreichung – da war ich mir sicher – Sie nur befürworten würden, wenn Sie diese in allen Einzelheiten zumindest als vertretbar betrachteten. Dem Konzept eines „Europas der Bürger“ hatten Sie, lieber Herr Magiera, zu jener Zeit einen starken Impuls insbesondere durch zwei 1987 erschienene Aufsätze gegeben.1 Sie bewiesen dadurch Ihr Gespür für in der Luft liegende Themen, welches auch maßgebend dafür war, mir die „Kultur“ und Heike Kuhn die „soziale Dimension“ der europäischen Integration als Promotionsprojekte vorzuschlagen, die in entsprechende Dissertationsschriften mündeten.2 Beide Arbeiten – ebenso wie spätere von Ihnen betreute Dissertationsschriften3 – wurden in der von Ihnen im Jahr 1990 gemeinsam mit Ihrem Speyerer Kollegen Detlef Merten bei Duncker & Humblot (Berlin) begründeten Reihe „Schriften zum Europäischen Recht“ veröffentlicht. Der Maastrichter Unionsvertrag von 1992 bestätigte die Richtigkeit der Themenwahl, indem er mit den Artikeln 126 bis 128 in den EG-Vertrag Bestimmungen über die Bildung und die Kultur einfügte und die sozialen Bestimmungen ausbaute. Erst später – so zeigte sich – sollte sich die wissenschaftliche Literatur in der ganzen Breite mit diesen Themen beschäftigen. Ihre akademischen Mitarbeiter haben Sie stets als wissenschaftliches Vorbild betrachtet und Ihnen nachgeeifert. Jedoch ging Ihr Verhältnis zu Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über den Bereich der Wissenschaft weit hinaus. Sie haben sich immer für ihr persönliches Schicksal interessiert, ebenso wie für ihr berufliches Fortkommen. Ihr Verhältnis zu Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war – kurzum – stets geprägt von echter Zuneigung, ernsthafter Fürsorge und unbedingter Loyalität. Nicht von ungefähr halten Ihnen zahlreiche Ihrer ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen heute viele anwesend sind, die Treue. II. Geboren wurde Siegfried Magiera im Jahr 1941 in Ratibor in Oberschlesien, einer Stadt von der Größe Speyers in der heutigen Wojwodschaft Schlesien, unweit der tschechischen Grenze zwischen Breslau und Krakau gelegen. Nach einer dramatischen Flucht konnte sich die Familie in Schleswig-Holstein in der Nähe von Kiel niederlassen, wo Siegfried Magiera die Volksschule und das Gymnasium besuchte. Von 1961 bis 1965 studierte er Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten 1 S. Magiera, Die Europäische Gemeinschaft auf dem Wege zu einem Europa der Bürger, DÖV 1987, S. 221; ders., Politische Rechte im Europa der Bürger, Zeitschrift für Rechtspolitik 1987, S. 331. 2 M. Niedobitek, Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1992; H. Kuhn, Die soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft, 1995. 3 G. Wilms, Das Europäische Gemeinschaftsrecht und die öffentlichen Unternehmen, 1996; H. Holzwart, Der rechtliche Rahmen für die Verwaltung und Finanzierung der gemeinschaftlichen Strukturfonds am Beispiel des EFRE, 2003.

Siegfried Magiera, mein akademischer Lehrer

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Kiel und Freiburg i. Br. sowie an der FU Berlin. Nach der ersten juristischen Staatsprüfung verbrachte Siegfried Magiera – mit Unterstützung seines akademischen Lehrers Eberhard Menzel – zwei Jahre in den USA, in denen er an der Universität von Kansas nicht nur den „Master of Arts (Political Science)“ erwarb, sondern auch bereits einen Entwurf seiner Dissertationsschrift über die Vorwahlen in den USA fertig stellte. Nach seiner Rückkehr aus den USA nahm Siegfried Magiera 1967 die Referendarausbildung im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Schleswig-Holstein auf und arbeitete gleichzeitig als wissenschaftliche Hilfskraft an dem seinerzeit von Eberhard Menzel geleiteten Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel. Seine von Menzel betreute Promotion erfolgte 1969, die zweite juristische Staatsprüfung 1971. Eberhard Menzel bot ihm 1971 eine Assistentenstelle am Institut für Internationales Recht an, konnte jedoch infolge einer schweren Erkrankung die Habilitationsschrift Siegfried Magieras nicht mehr betreuen. In dieser Situation übernahm der seinerzeit neu an das Institut berufene Ko-Direktor Wilhelm A. Kewenig ohne Zögern die Betreuung der Habilitationsschrift mit dem Titel „Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes“, die 1979 in den gleichfalls bei Duncker & Humblot verlegten „Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel“ publiziert wurde. 1975 konnte dem schwerkranken Eberhard Menzel noch eine Festschrift zu seinem 65. Geburtstag überreicht werden,4 zu der Siegfried Magiera einen Beitrag mit dem Titel „Bundesstaat und EG-Finanzordnung: Zur Verteilung der Finanzlast zwischen Bund und Ländern bei der Durchführung von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften“ beisteuerte. Nach seiner Habilitation sowie Lehrstuhlvertretungen und Lehraufträgen in Kiel, Hamburg, Berlin und Bielefeld übernahm Siegfried Magiera 1980 eine Professur für Öffentliches Recht an der Universität zu Köln. 1984 wurde er an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer berufen. Hier bekleidete er bis zu seiner Pensionierung den Lehrstuhl für öffentliches Recht, insbesondere Völker- und Europarecht. Den von Hartwig Bülck übernommenen Lehrstuhl richtete er stärker auf das Europarecht aus, ohne jedoch das Völkerrecht und das Staats- und Verfassungsrecht aus dem Auge zu verlieren. Seine Vorliebe für das Europarecht vermittelte Siegfried Magiera nicht nur seinen Studierenden, den Speyerer Rechtsreferendaren, sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch zahlreichen Führungskräften des Bundes und der Landes- und Kommunalverwaltungen sowie Führungskräften aus den Parlamenten, der Gerichtsbarkeit und der Wirtschaft in regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen, dies nicht nur im Rahmen des Lehrprogramms der Speyerer Hochschule, sondern auch in Kooperation mit dem Europäischen Institut für Öffentliche Verwaltung in Maastricht (EIPA), dem Siegfried Magiera seit langen Jahren eng verbunden ist. Bis heute organisiert Siegfried Magiera – seit 2006 in Kooperation mit Karl-Peter Sommermann – an der „Deutschen Universität für Verwaltungswis-

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J. Delbrück/K. Ipsen/D. Rauschning (Hrsg.), Festschrift für Eberhard Menzel, 1975.

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Matthias Niedobitek

senschaften Speyer“, wie die Hochschule Speyer seit 2012 heißt, jährlich5 eine europabezogene Fortbildungsveranstaltung, das 1990 begründete „Europa-Seminar Speyer“, welches in diesem Jahr zum 24. Mal stattfindet6 und zu einer Institution des Speyerer Fortbildungsangebots geworden ist. Dabei war und ist es Siegfried Magiera stets ein besonderes Anliegen, den Charakter des Europarechts als für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindliches Recht auch jenen nahe zu bringen, die – fern von „Brüssel“ – unmittelbar mit der Rechtsanwendung befasst sind und deren Kenntnis und Beachtung des Europarechts letztlich über dessen Autorität entscheiden. Um die Durchsetzung des Europarechts in den Mitgliedstaaten machte sich Siegfried Magiera in der bekannten Rechtssache „Alcan“ verdient, in der er das Land Rheinland-Pfalz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vertrat. Bekanntlich ging es um die Rückforderung einer von der Kommission für gemeinschaftsrechtswidrig erklärten staatlichen Beihilfe des Landes Rheinland-Pfalz an das Aluminiumunternehmen Alcan. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-24/95 erging am 20. März 19977 und bestätigte die Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz, die auf die Umsetzung der Kommissionsentscheidung zielte, in vollem Umfang. Dass auch eine von Alcan gegen das anschließende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts8 angestrengte Verfassungsbeschwerde erfolglos blieb – die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen9 –, stellte den krönenden Abschluss des Verfahrens dar. Mir war es vergönnt, das Entstehen der Schriftsätze zu verfolgen und schließlich Herrn Magiera zur mündlichen Verhandlung nach Luxemburg zu begleiten. Die Rechtssache „Alcan“ hat zu einer Klärung wichtiger Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rückforderung staatlicher Beihilfen geführt und bildete eines jener Rechtsprechungselemente, welche die Kommission bewog, eine Verordnung betreffend die Anwendung der Beihilfebestimmungen des EG-Vertrages vorzuschlagen.10 Damit sind die europarechtlichen Vorstellungen Siegfried Magieras

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Daneben veranstaltete Siegfried Magiera, wiederum in Zusammenarbeit mit Karl-Peter Sommermann, seit dem Jahr 2000 im Frühjahr das „Europa-Forum Speyer“, zuletzt im Jahr 2009. Die Programme sind zugänglich unter: http://www.dhv-speyer.de/Magiera/Weiterbildung.htm (Zugriff am 14. 5. 2013). 6 Im Jahr 1995 fand das Europa-Seminar Speyer zweimal statt. Die Programme sind zugänglich unter: http://www.dhv-speyer.de/Magiera/Weiterbildung.htm (Zugriff am 14. 5. 2013). 7 Slg. 1997, I-1591. 8 BVerwG (3 C 15.97), BVerwGE 106, 328. 9 BVerfG, Beschluss vom 17. 2. 2000, 2 BvR 1210/98, abgedruckt etwa in EuR 2000, S. 257. 10 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrages, KOM (1998) 73 endg. vom 18. 2. 1998, S. 3 f. Dieser Vorschlag mündete in die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. 3. 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl.EG 1999 L 83/1.

Siegfried Magiera, mein akademischer Lehrer

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nicht nur in die Beihilfen-Rechtsprechung des EuGH eingeflossen, die bis heute Wirkung zeitigt, sondern auch in das sekundäre Unionsrecht. III. Das akademische Werk von Siegfried Magiera zeigt eine beeindruckende Balance zwischen Breite, Konzentration und Kontinuität. Während die Beschäftigung mit dem Internationalen Privatrecht zu Beginn seiner akademischen Laufbahn – im Rahmen von Gutachten zu speziellen Aspekten ausländischer Rechtsordnungen, um die das Kieler Institut für Internationales Recht durch Gerichte ersucht worden war – vereinzelt blieb, kristallisierten sich bald die europarechtlichen Eckpfeiler seines Interesses heraus, auf die er immer wieder zurückgekommen ist. Dazu zählen zunächst – gleichsam vor der Klammer – die Grundfragen des Europäischen Verfassungsrechts, die Siegfried Magiera in zahlreichen Aufsätzen behandelt hat, etwa die Finanzierungsgrenzen der Europäischen Gemeinschaften in der Festschrift für Karl Carstens,11 die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union in der Gedächtnisschrift für Wilhelm K. Geck,12 die Kompetenzgrenzen und Strukturprinzipien der Europäischen Gemeinschaft in der Festschrift für Rudolf Morsey,13 die Bedeutung von Föderalismus und Subsidiarität als Rechtsprinzipien der Europäischen Union in einem von Heinrich Schneider und Wolfgang Wessels herausgegebenen Sammelband,14 die institutionelle Struktur der Europäischen Union nach deren Erweiterung in der Festschrift für Hans-Werner Rengeling15 oder die Durchsetzung des Europarechts in dem von Reiner Schulze, Manfred Zuleeg und Stefan Kadelbach herausgegebenen Handbuch für die deutsche Rechtspraxis.16 Dabei geht es Siegfried Magiera nach meinem Eindruck stets vor allem um eine präzise Definition und Zuordnung der Begriffe als unerlässliche Voraussetzung eines klaren Verständnisses. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Schriften gilt der EU-Finanzordnung, die Siegfried Magiera bereits früh, in der Festschrift für Eberhard Menzel, behandelt hatte 11 S. Magiera, Die Finanzierungsgrenzen der Europäischen Gemeinschaften und ihre Erweiterung, in: Festschrift für Karl Carstens, Bd. 1, 1984, S. 185. 12 S. Magiera, Die Einheitliche Europäische Akte und die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, 1989, S. 507. 13 S. Magiera, Kompetenzgrenzen und Strukturprinzipien der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift für Rudolf Morsey, 1992, S. 211. 14 S. Magiera, Föderalismus und Subsidiarität als Rechtsprinzipien der Europäischen Union, in: H. Schneider/W. Wessels (Hrsg.), Föderale Union – Europas Zukunft?, 1994, S. 71; S. 186. 15 S. Magiera, Die institutionelle Struktur der erweiterten Europäischen Union, in: Festschrift für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 591. 16 S. Magiera, Durchsetzung des Europarechts, in: R. Schulze/M. Zuleeg/S. Kadelbach (Hrsg.), Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2. Aufl. 2010, S. 508.

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Matthias Niedobitek

und der er sich fortlaufend in zahlreichen Aufsätzen und Kommentierungen widmete, erst jüngst wieder im Rahmen seiner Neukommentierung der Finanzbestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in dem von Eberhard Grabitz begründeten, von Meinhard Hilf fortgeführten und nun von Martin Nettesheim herausgegebenen Großkommentar „Das Recht der Europäischen Union“.17 Zur Problematik unionsrechtswidriger staatlicher Beihilfen hat Siegfried Magiera vergleichsweise wenig publiziert, was angesichts seiner Beteiligung in der Rechtssache „Alcan“ zunächst überraschen mag. Jedoch entspricht dies seinem Selbstverständnis, die Grenzen der unterschiedlichen fachlichen Kontexte – Gerichtsverfahren oder Wissenschaft – zu achten. Zudem ist es nicht seine Sache, sich über Dinge, zu denen er sich klar und abschließend geäußert hat, fortwährend neu auszusprechen. In seinem Beitrag „Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger staatlicher Beihilfen“, den er für die Festschrift für Bodo Börner18 verfasst hat, steht hierzu das Notwendige. Seit Mitte der 1980er Jahre befasste sich Siegfried Magiera zunehmend stärker mit dem „Europa der Bürger“ und zwar sowohl in seinen einzelnen Aspekten – etwa mit den politischen Rechten der Unionsbürger,19 insbesondere dem Kommunalwahlrecht im Aufnahmemitgliedstaat,20 – als auch allgemein.21 Es gibt in der Europarechtswissenschaft – deutschlandweit wie international – keinen Wissenschaftler, der mehr als Siegfried Magiera mit diesem Forschungsfeld verbunden wird – und dem er nach wie vor verbunden ist: Das Europa der Bürger beschäftigt Sie, lieber Herr Magiera, bis heute. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union haben Sie mehrfach sowohl allgemein als auch in einzelnen Bestimmungen analysiert,22 zuletzt erneut in dem von Jürgen Meyer herausgegebenen Kommentar.23 Auch eine Ihrer jüngsten Publikationen fällt in diesen Bereich: „Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen in der Europäischen Union“, ein Beitrag, der jüngst in der Festschrift für Klaus Stern erschienen ist.24 17 Vgl. die Kommentierung der Artikel 310 – 325 AEUV in: E. Grabitz/M. Hilf/ M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattkommentar (47. Ergänzungslieferung April 2012). 18 Vgl. Festschrift für Bodo Börner, 1992, S. 213. 19 Vgl. Fn. 1. 20 S. Magiera, Kommunalwahlrecht in den EG-Mitgliedstaaten – Der Richtlinienvorschlag der Kommission, Europa-Archiv 1988, S. 475. 21 Vgl. nur die Kommentierung der Artikel 9 EUV und 20-25 AEUV in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012; ferner S. Magiera, The Emergence of a “Europe of Citizens” in a Community without Frontiers, 1989; ders., A Citizens’ Europe: Personal, Political, and Cultural Rights, in: L. Hurwitz/Ch. Lequesne (Hrsg.), The State of the European Community – Policies, Institutions, and Debates in the Transition Years, 1991, S 153. 22 Vgl. nur S. Magiera, Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, DÖV 2000, S. 1017. 23 Vgl. die Kommentierung der Artikel 39-46 der Charta in: J. Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl. 2011. 24 Vgl. Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 829.

Siegfried Magiera, mein akademischer Lehrer

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Siegfried Magiera ist jedoch nicht nur ein profunder Kenner des Europarechts – aus berufenem Munde wurde er einmal als „Magier“ des Europarechts bezeichnet25 –, er hat auch einen starken Stand im Bereich des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Nicht nur hat er sich intensiv mit der Rolle der deutschen Länder und deren grenzüberschreitenden Kompetenzen befasst26 – in diesem Zusammenhang möchte ich vor allem auf das Gutachten „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Interregionaler Parlamentarier-Rat“ von 1990 hinwiesen, das Siegfried Magiera für die Rheinland-Pfälzische Landesregierung abgefasst hat und das als Drucksache des Rheinland-Pfälzischen Landtags veröffentlicht wurde27 –, vor allem hat Siegfried Magiera durch seine Kommentierungen der Grundgesetz-Bestimmungen über den Bundestag,28 besonders zur Rechtsstellung der Abgeordneten, Rechtsprechung und Staatspraxis nachhaltig geprägt.29 Auch das Völkerrecht spielte und spielt kontinuierlich eine wichtige Rolle in den Publikationen von Siegfried Magiera. IV. Natürlich ist es völlig ausgeschlossen, Person und wissenschaftliches Werk von Siegfried Magiera binnen einiger Minuten umfassend zu würdigen, und es gäbe noch Vieles hinzuzufügen. All dies muss aus Zeitgründen unterbleiben. Ein Bedürfnis ist es mir allerdings noch, Ihnen heute und an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank auszusprechen: Dank für Ihre vielfältigen Anregungen und Ihre nachhaltige Förderung und Dank nicht zuletzt für die große Geduld und das Verständnis, das Sie mir seinerzeit als Ihrem Habilitanden entgegengebracht haben. In diesem Sinne heiße ich Sie alle herzlich in Speyer willkommen und wünsche Ihnen und uns interessante Vorträge und Diskussionen und einen ertragreichen Verlauf des Symposiums! 25 Von dem seinerzeitigen Richter am EuGH Manfred Zuleeg bei einer von Siegfried Magiera organisierten Exkursion mit Speyerer Rechtsreferendaren nach Luxemburg (Ohrenzeugnis M.N.). 26 Vgl. nur S. Magiera, Verfassunggebung der Länder als Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland, in: K. Stern (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung – Die Rechtseinheit, Bd. III: Zur Entstehung von Landesverfassungen in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, 1992, S. 141; ders., Außenkompetenzen der deutschen Länder, in: K. Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1997, S. 97. 27 Vgl. den „Bericht der Landesregierung betreffend grenzüberschreitende Zusammenarbeit“, Landtags-Drucksache 11/3465 v. 2. 1. 1990. 28 Vgl. hierzu die Kommentierung der Artikel 38-49 des Grundgesetzes in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2011. 29 Nicht von ungefähr werden Siegfried Magieras Kommentierungen häufig – auch im Rahmen von Sondervoten – vom Bundesverfassungsgericht herangezogen; vgl. beispielsweise in neuerer Zeit BVerfG, Urt. v. 3. 3. 2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, BVerfGE 123, 39 (71); Urt. v. 3. 7. 2008, 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07, BVerfGE 121, 266 (295); Urt. v. 4. 7. 2007, 2 BvE 1/06, 2 BvE 2/06, 2 BvE 3/06, 2 BvE 4/06, BVerfGE 118, 277 (347, 378, 400).

Die Zukunft des Parlamentarismus in Europa

Parlamentarismus zwischen Volksbegehren und Verfassungsgerichtsbarkeit Peter M. Huber Eine persönliche Bemerkung vorab: Siegfried Magiera habe ich häufiger außerhalb Deutschlands getroffen als in Deutschland – in Griechenland, Polen und anderswo. Wir haben uns dort aber sowohl über europäische Fragen als auch über Fragen des Parlamentarismus ausgetauscht. Insofern freue ich mich, dass ich – wenn auch weniger zu Europa als zum nationalen Kontext – hier zu einem Deiner Arbeitsgebiete sprechen darf. I. Parlamentarismus unter Druck? Die Themenstellung – Parlamentarismus zwischen Volksbegehren und Verfassungsgerichtsbarkeit – insinuiert eine Spannungslage zwischen der repräsentativen Demokratie, die im Parlament ihre Mitte und im Parlamentarismus ihre entscheidende politische Ausprägung findet und Volksbegehren bzw. der direkten Demokratie auf der einen und der Verfassungsgerichtsbarkeit auf der anderen Seite. Sie impliziert, dass sich der Parlamentarismus in einer Zwangslage befindet, so als seien direkte Demokratie und Verfassungsgerichtsbarkeit gewissermaßen konkurrierende Größen und Volk und Verfassungsgerichte mit dem Parlament rivalisierende Akteure. Dabei schwingt zugleich der Vorwurf mit, dass die aus der deutschen Verfassungsgeschichte bekannte Geringschätzung des Parlamentarismus zu Beginn des 2. Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts fröhliche Urständ feiert, wobei die direkte Demokratie wie auch eine überbordende verfassungsgerichtliche Kontrolle dem Parlamentarismus – bewusst oder unbewusst – das Terrain streitig machten. Das macht es schwer, unbefangen über den Dreiklang von Parlament, direkter Demokratie und Verfassungsgerichtsbarkeit zu sprechen, denn Parlamentarismusskepsis ruft in aller Regel (zu Recht) negative Reaktionen hervor. Freilich kann man die Kritik an den Kritikern auch leicht überziehen und dem Parlamentarismus einen Bärendienst erweisen. Denn auch in anderen, oftmals älteren, Demokratien ist der Parlamentsbetrieb keineswegs über jeden Zweifel erhaben, und auch die (Vor-)Urteile über die „politische Klasse“ unterscheiden sich von denen in Deutschland kaum. Realismus, konstruktive Kritik und Offenheit für eine zeitgemäße Weiterentwicklung müssen daher keineswegs in einer Schwächung des Parlamentarismus münden, auch wenn sie auf Änderungen zielen, die aus der Perspektive der politischen Akteure nicht attraktiv erscheinen.

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II. Das Parlament als „Mitte der Demokratie“ – Anspruch und Wirklichkeit 1. Die Parlamentszentriertheit des grundgesetzlichen Institutionengefüges a) Grundlagen Für eine allgemeine Parlamentarismusskepsis gibt es jedoch keinen Grund. Im Gegenteil: Das Grundgesetz hat das Parlament zur „Mitte der Demokratie“ bestimmt,1 Rechtsprechung und die Literatur haben diese Positionsbestimmung bekräftigt und Schritt für Schritt ausgebaut. aa) Als Mitte und Gravitationszentrum der Demokratie tritt uns das Parlament aus den Kommentaren des Grundgesetzes ebenso entgegen wie aus Lehrbüchern, Monographien und sonstigen Publikationen. Es ist das einzige unmittelbar demokratisch legitimierte Verfassungsorgan und erfüllt Funktionen, die weit über das hinaus gehen, was von anderen Verfassungsorganen erwartet wird: die Legitimationsfunktion für die gesamte öffentliche Gewalt, die Kreationsfunktionen für die Kanzlerin, (mittelbar) die Bundesregierung, die Bundesverfassungsrichter2 und andere Verfassungsorgane, die Kontrollfunktion vor allem gegenüber der Exekutive, die Gesetzgebungsfunktion, die Integrationsfunktion u.a.m. Keinem anderen Verfassungsorgan schreiben wir so viele zentrale Funktionen für das Funktionieren unseres institutionellen Gefüges zu wie dem Parlament. bb) Für diesen verfassungsrechtlichen Befund sprechen auch bei näherem Hinsehen zahlreiche Gründe. Schon seit dem Kaiserreich kennen wir die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als zentralen Anker unseres Verwaltungsrechtssystems. In Art. 20 Abs. 3 GG verankert, ist sie jedenfalls der älteste Teil des Rechtsstaatsprinzips im formellen Sinne und praktisch vielleicht sogar der wichtigste. Mit dem Vorrang des Gesetzes verfügt es über die Oberhoheit bei der Definition von öffentlichen Aufgaben, Instrumenten etc., während der Vorbehalt des Gesetzes dafür sorgt, dass Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Zustimmung des Parlaments bedürfen.3 Seitdem befindet sich das Parlament sozusagen an der Schaltstelle der Rechtsverhältnisse zwischen Bürger und Staat. In den 1970er Jahren ist diese Konzeption vom Bundesverfassungsgericht bekanntlich zur sogenannten Wesentlichkeitsdoktrin weiterentwickelt worden.4 Zwar weiß bis heute niemand so genau, was wirklich „wesentlich“ ist – letztlich ist wesent1 Formulierung von P. Kirchhof, Das Parlament als Mitte der Demokratie, in: Festschrift für Peter Badura, 2004, S. 237 ff. 2 BVerfG, NVwZ 2012, S. 967 ff. 3 E. Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, S. 4, 12 ff. 4 BVerfGE 33, 1 (10 ff.) – Strafgefangene; 33, 125 (158 ff.) – Facharzt; 33, 303 (337 f.) – NC; 41, 251 (260); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78 f.); 116, 24 (58).

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lich, was das Bundesverfassungsgericht dafür hält. Aber der Gedanke, die für das Zusammenleben einer Gesellschaft wichtigen Fragen in die Hand des Gesetzgebers zu legen, ist mit Blick auf das institutionelle Gefüge des Grundgesetzes plausibel und unterstreicht das Verständnis vom Parlament als der Mitte der Demokratie. Auf seiner Grundlage konnte der alte, rechtsstaatlich konzipierte Vorbehalt des Gesetzes um ein demokratisches Standbein erweitert werden, und das hat auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Verbreitung gefunden. cc) Auch das Budgetrecht als ältestes Recht des Parlaments überhaupt gehört in diesen Kontext. Der Haushaltsplan ist dabei nicht nur ein Wirtschaftsplan, sondern zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform. Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert daher für den Haushalt, Art. 115 GG für Gewährleistungen und Bürgschaften einen besonderen Gesetzesvorbehalt; beide Bestimmungen gewährleisten damit, dass das, was heute Politik in erster Linie ausmacht – die Verteilung von Ressourcen und Setzung politischer Schwerpunkte durch die Allokation von Mitteln –, in den Händen des Parlaments liegt. „Der Haushaltsplan ist damit der Ort konzeptioneller politischer Entscheidungen über den Zusammenhang von wirtschaftlichen Belastungen und staatlich gewährten Vergünstigungen“.5 In seiner Rechtsprechung zu den EURO-Rettungsmaßnahmen ist das Bundesverfassungsgericht sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat nicht nur einen – vom Haushaltsgesetz zu unterscheidenden – allgemeinen Parlamentsvorbehalt für finanzielle Hilfsmaßnahmen an internationale Organisationen oder ausländische Staaten begründet, sondern es dem Parlament auch untersagt, sich dieser Kompetenz tatsächlich oder faktisch zu begeben. Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und Parlamentarismus verlangen danach, dass der Deutsche Bundestag der Ort ist, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten.6 „Es ist dem Deutschen Bundestag daher untersagt, seine Budgetverantwortung auf andere Akteure derart zu übertragen, dass nicht mehr überschaubare budgetwirksame Belastungen ohne seine vorherige konstitutive Zustimmung eingegangen werden (…). Würde über wesentliche haushaltspolitische Fragen der Einnahmen und Ausgaben ohne konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages entschieden oder würden überstaatliche Rechtspflichten ohne entsprechende Willensentscheidung des Deutschen Bundestages begründet, so geriete das Parlament in die Rolle des bloßen Nachvollzuges und könnte seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung nicht länger wahrnehmen (…). Der Bundestag muss daher im unionalen Bereich – unbeschadet einer Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 2 GG – jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im Einzelnen bewilligen und, soweit überstaatliche Vereinbarungen getroffen werden, die aufgrund ihrer Größenordnung für das Budgetrecht von struktureller Bedeutung sein können, sicherstellen, dass weiterhin hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht.“7 5

BVerfGE 130, 318 (343 f.) unter Hinweis auf BVerfGE 123, 267 (361); 129, 124 (178 f.). BVerfGE 129, 124 (178); 130, 318 (344). 7 BVerfGE 129, 124 (180 f.); 130, 318 (344 f.). 6

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dd) In ähnlicher Weise hatte Karlsruhe schon zu Beginn der 1990er Jahre die Parlamentszentriertheit des grundgesetzlichen Institutionengefüges auch für den militärischen Bereich forciert. In der insoweit grundlegenden Entscheidung zum sog. Outof-Area-Einsatz der Bundeswehr wird diese als „Parlamentsheer“ charakterisiert8 und mit diesem – an den englischen Bürgerkrieg erinnernden – Begriff der Verfügungsbefugnis des Bundestages unterstellt. Das hat Deutschland nicht nur in das Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz)9 eingetragen, sondern auch die Vorgabe, dass der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes stets der Zustimmung des Bundestages bedarf (§ 1 Abs. 2 PBG). Aus diesem Grund finden Vereidigungen von Soldaten heute eben vor dem Reichstag statt und rücken die zentrale Rolle des Parlaments damit auch optisch-symbolisch ins Blickfeld. Die Bundesregierung kann die Bundeswehr vor diesem Hintergrund grundsätzlich erst nach einer unter den Augen der Öffentlichkeit geführten Debatte im Parlament einsetzen; das erhöht die Hürden für einen Einsatz militärischer Macht und kostet zumindest Zeit. Aus einer verfassungsrechtsvergleichenden Perspektive ist ihre Stellung gegenüber dem Parlament daher schwächer als die verbündeter Regierungen. b) Grenzen Zur starken Konzentration auf das Parlament als Gravitationszentrum unseres politischen Systems gehört andererseits auch, dass man dessen Grenzen betont. So gehört es zum cantus firmus der Verfassungsdogmatik, dass das Grundgesetz keinen Parlaments-Monismus kennt und – anders als Österreich oder wohl auch Polen10 – auch keinen Totalvorbehalt des Gesetzes statuiert.11 Seit den späten 1970er und 1980er Jahren hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder hervorgehoben, dass das Parlament keinen Alleinvertretungsanspruch für die Definition des Gemeinwohls besitzt und, ungeachtet seiner Wahl unmittelbar durch die Bürgerinnen und Bürger, auch nicht über eine bessere demokratische Legitimation als die anderen Staatsgewalten verfügt. Diese ist, wie es im Pershing-Urteil heißt, „in all ihren Funktionen (…), wenn auch in unterschiedlicher Weise, demokratisch konstruiert und legitimiert und auf dieser Grundlage gewaltenteilig organisiert“.12 Vor allem im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten kommen der Exekutive auch ausschließliche Befugnisse zu weittragenden, möglicherweise existentiellen 8

BVerfGE 90, 286 (382). BGBl. I 2005, 775. 10 S. Biernat, Grundzüge des polnischen Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive, in: A. v. Bogdandy/S. Cassese/P. M. Huber (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. V (im Erscheinen), § 80 Rn. 170 ff. 11 BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (87). 12 BVerfGE 68, 1 (89). 9

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Entscheidungen zu.13 In Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung hat das Grundgesetz der Regierung insoweit einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen:14 „Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen (…) grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Die grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren, und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (…). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (…). Sie lässt sich nicht auf einen aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten allumfassenden Parlamentsvorbehalt stützen.“15

Was – um auf das Thema „Parlamentarismus zwischen Volksbegehren und Verfassungsgerichtsbarkeit“ zurückzukommen – für die Bundesregierung recht ist, ist für das Bundesverfassungsgericht billig. Die Wahl der Verfassungsrichter durch das Parlament bzw. den Ausschuss nach § 6 BVerfGG,16 die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie seine ausdrückliche Verankerung im Grundgesetz (Art. 92 – 94 GG) gewährleisten über die personelle, sachliche und institutionelle Legimitation ein demokratisches Legitimationsniveau, das dem der anderen Verfassungsorgane grundsätzlich nicht nachsteht. 2. Realität und Erosion Dieser verfassungsrechtlichen Bestandsaufnahme steht eine weniger arkadisch anmutende Realität gegenüber. In dieser Realität ist das Parlament eben nicht die Mitte der Demokratie. In dieser Realität steht das Parlament, stehen die Abgeordneten mitunter so unter Druck, dass die in den Lehrbüchern, Kommentaren und Aufsätzen, anzutreffende Stilisierung des Parlaments zur Mitte der Demokratie eher einem frommen Wunsch gleicht oder, schlimmer noch, einer leere Phrase.17 13

BVerfGE 68, 1 (89). BVerfGE 49, 89 (125); 104, 151 (207); BVerfG, NVwZ 2012, S. 954 ff. Rn. 91. 15 BVerfG, NVwZ 2012, S. 954 (957) unter Hinweis auf BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (87). 16 BVerfG, NVwZ 2012, S. 967 ff.; zur Einordnung D. Wiefelspütz, Die Bundesverfassungsrichter werden vom Deutschen Bundestag direkt gewählt!, DÖV 2012, S. 961 ff. 17 Siehe dazu P. M. Huber, Regierung und Opposition, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 47 Rn. 28. 14

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a) Faktische Exekutivlastigkeit des Institutionengefüges aa) In der Realität war und ist nämlich die Exekutive zwar vielleicht nicht die Mitte unserer Demokratie, wohl aber das Gravitationszentrum unseres politischen Systems. Sie hat schon aufgrund ihrer überlegenen Personalressourcen einen uneinholbaren Kompetenzvorsprung gegenüber dem Parlament. Den derzeit 749.140 Beschäftigten in der Bundesverwaltung18 stehen ganze 2.600 Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung gegenüber. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass der Zugang zu Know-how mit einer Dreiviertel-Million an Mitarbeitern besser zu gewährleisten ist als mit 2.600. Die überlegenen Personalressourcen der Regierung bedingen insbesondere, dass die dem Parlament zustehende Gesetzgebungsfunktion – das ist vielfach untersucht worden19 – durch die Exekutive weitgehend determiniert wird. Über die Hälfte bis zu Dreiviertel der beim Bundestag eingebrachten Gesetzesinitiativen stammen von der Bundesregierung,20 und selbst die Initiativen, die aus der Mitte des Bundestages von den Regierungs-, i. d. R. nicht von den Oppositionsfraktionen eingebracht werden, werden normalerweise „über die Bande gespielt“, d. h. in einem Ministerium erarbeitet und dann von den Fraktionen eingebracht. Die Gründe dafür sind unterschiedlich; auf Bundesebene dient dieses Verfahren häufig der Umgehung des Bundesrates im ersten Durchgang,21 oder – wie auch auf Landesebene – der Überwindung koalitionspolitischer Schwierigkeiten, der Profilierung der Fraktionen und ihrer Protagonisten u.a.m. Die Exekutive führt den Haushaltsplan – unbeschadet rechtlicher Bindungen – im Wesentlichen nach den politischen Vorgaben der Bundesregierung aus (§ 3 Abs. 1 HGrG), die darüber hinaus über das Nothaushaltsrecht (Art. 111 GG) und die Befugnis zur Bewilligung über- und außerplanmäßiger Ausgaben (Art. 112 GG) besitzt. Sie verfügt damit praktisch über die im Etat bereitgestellten Mittel und, wie ein altes deutsches Sprichwort sagt: „wer zahlt, schafft an“. Das kann auch Abgeordnete, die für ihre Wählerschaft an staatlichen Mitteln partizipieren wollen – zurückhaltend formuliert – wohlwollend stimmen. Besonders gut lässt sich dies an der Verfügung über die Lottomittel in den Ländern beobachten, die man u. a. für Feuerwehrfeste u. ä. verwenden kann. Das hat sich als probates Instrument der Klimapflege zwischen der Regierung und den sie tragenden Fraktionen erwiesen. 18 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Der öffentliche Dienst des Bundes. Daten zur Personalstruktur 2011, 2011, S. 7. 19 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 196 f.; P. M. Huber, Staatsrecht, in: ders. (Hrsg.), Thüringer Staats- und Verwaltungsrecht, 2000, 1. Teil Rn. 199; H. Maurer, Die Mitwirkung der Exekutive bei der Gesetzgebung, in: H. Bauer/R. Hendler/P. M. Huber/B. Popowska/T. Rabska (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Städtebaurechts, 1999, S. 109 ff. 20 J. Masing, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), GG, Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 76 Rn. 17. 21 J. Masing, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), GG, Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 76 Rn. 18; kritisch ebenda, Rn. 100; ähnlich T. Mann, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Kommentar, 6. Aufl. 2011, Art. 76 Rn. 25 f.

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Die Bundesregierung ist darüber hinaus zur Außenvertretung Deutschlands berufen – in internationalen Organisationen, in den Gremien der Europäischen Union und gegenüber anderen Staaten. Das ist in Zeiten der Globalisierung und unter den Bedingungen der zahlreichen Mehr-Ebenen-Systeme, in denen sich die europäischen Staaten heute wiederfinden und in denen autonome Entscheidungen eher die Ausnahme als die Regel geworden sind, unter machtspezifischen Gesichtspunkten ein kaum zu überschätzender Vorteil. Wenn das eigene Parlament die außen- und europapolitisch bedeutsamen Informationen – gewollt oder ungewollt – stets nur gefiltert erhält und sie nicht sicher überprüfen kann, ist es von vornherein im Hintertreffen.22 bb) Der Parteienstaat verschärft diesen Befund. In dem Dualismus zwischen Regierung und Opposition, den Hans-Peter Schneider schon in den 1970er Jahren beschrieben hat,23 beruht die Macht der Regierung ganz entscheidend darauf, dass die Kanzlerin oder der Ministerpräsident auch Parteivorsitzende sind oder doch zumindest über die Parteiorganisation (des größeren Koalitionspartners) verfügen können. Damit sind sie in der Regel in der Lage, die sie tragenden Fraktionen einzubinden oder zu disziplinieren. Zwar beruhen die Fraktionen formal auf dem Zusammenschluss unabhängiger und nur ihrem Gewissen unterworfener Abgeordneter (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG);24 in der Sache aber sind sie der parlamentarische Arm ihrer Partei,25 die wiederum – typischerweise mit dem Segen der Parteiführung – über die (Wieder-)Aufstellung von Kandidaten entscheidet, und damit nicht selten auch über die ökonomische Existenz der Abgeordneten. Die Kompatibilität von Regierungsamt und Mandat, Anreizsysteme wie das Institut des parlamentarischen Staatssekretärs26 oder die Hierarchisierung des Parlaments27 befördern die Konzentration auf den Regierungschef zusätzlich. Dass die Fraktionsvorsitzenden in vielen Landesregierungen, wenn auch ohne Stimmrecht, mit am Kabinettstisch sitzen, mag eine weitere Facette zu dem Befund beitragen, dass die Regierung und die Parlamentsmehrheit letztlich über die Parteischiene geführt werden.28

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Dazu sogleich unter II. 2. b). H. P. Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1974. 24 BVerfGE 70, 324 (362); 84, 304 (322). 25 So deutlich für die Fraktionen im Europäischen Parlament: BVerfGE 129, 300 (327 ff.). 26 P. M. Huber, Der Parteienstaat als Kern des politischen Systems, JZ 1994, S. 637 (692). 27 Zu den Funktionszulagen als Ausdruck dieser Hierarchisierung siehe BVerfGE 102, 224 ff.; BremStGH, NVwZ 2005, S. 929 ff.; ThürVerfGH, NVwZ-RR 2003, S. 793 ff. Auch das Zugriffsrecht der Fraktionsvorsitzenden auf die Flugbereitschaft der Bundeswehr kann hier genannt werden. 28 P. M. Huber, Der Parteienstaat als Kern des politischen Systems, JZ 1994, S. 637 (692); siehe dazu auch M. Morlok, Informalisierung und Entparlamentarisierung politischer Entscheidungen als Gefährdungen der Verfassung?, VVDStRL 62 (2003), S. 37 (73); M. Ruffert, Entformalisierung und Entparlamentierung politischer Entscheidungen als Gefährdungen der Verfassung?, DVBl. 2002, S. 1145 (1146). 23

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b) Neuere Erosionstendenzen zulasten des Parlamentarismus Neuere Erosionstendenzen zulasten des Parlamentarismus kommen hinzu, von denen ich vor allem zwei hervorheben will: Die Privatisierung [aa)] und die Europäisierung bzw. Internationalisierung [bb)]. Beide haben dazu beigetragen, dass die zentrale Rolle des Parlaments als Transmissionsriemen für die politische Selbstbestimmung der Gesellschaft wie des Einzelnen, seine Rolle als – wie die Italiener dies nennen – indirizzo politico für demokratische Verantwortung zunehmend unter Druck geraten ist. aa) Die seit der Zeitenwende der Jahre 1989/90 erfolgte Privatisierung hat den Einfluss der Politik, und mit ihr des Parlaments auf vielfältige Weise geschwächt, und damit auch die Fähigkeit der Gesellschaft, Gemeinwohl und Individualinteressen angemessen auszutarieren.29 Denken Sie, um nur ein paar aktuelle Beispiele zu erwähnen, an die Berliner Wasserwerke, die jetzt zurückgekauft werden sollen, die mögliche Privatisierung der Flugsicherung (Art. 87d Abs. 1 GG) oder die weit fortgeschrittene Privatisierung des Maßregelvollzugs,30 die in anderen Ländern dazu geführt hat, dass die Betroffenen länger in Haft bleiben, damit die Betriebsrendite stimmt. Zudem hat der Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung dazu geführt, dass in der Ministerialverwaltung kaum noch Beschäftigte vorhanden sind, um die notwendigen Leitungsaufgaben zu erledigen, und auch das geht in gewisser Weise zu Lasten des Parlaments. So ist etwa das Finanzmarktstabilisierungsgesetz von der englischen Großkanzlei Freshfields erarbeitet worden und nicht von dem eigentlich dafür zuständigen Bundesministerium der Finanzen. Auf Landesebene gibt es vergleichbare Fälle. Zugegeben – auch der Einsatz von Rechtsanwaltskanzleien kann im Einzelfall sinnvoll sein. Die immer umfangreichere Ersetzung der auf den demokratischen Rechtsstaat und das Gemeinwohl verpflichteten Ministerialverwaltung durch zwangsläufig (auch) am kommerziellen Erfolg ihrer Tätigkeit interessierte Anwälte ist jedoch dysfunktional und müsste – dem Planungsrecht vergleichbar – zumindest eine deutlich intensivere Überprüfung von Gesetzesvorlagen der Bundesregierung durch das Parlament nach sich ziehen. Dazu aber scheint es politisch, organisatorisch und personell nur bedingt willens und in der Lage.31 bb) Was Europäisierung und Internationalisierung anlangt, so kann man deren Auswirkungen auf den Parlamentarismus prägnant wie folgt zusammenfassen:

29 Siehe etwa P. M. Huber, Zur Renaissance des Staates, in: H. Bauer/D. Czybulka/W. Kahl/J. Stelmach/A. Voßkuhle (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht im Zeitalter der Globalisierung, 2012, S. 35 (37 ff.). 30 Dazu BVerfGE 130, 76 (121). 31 P. M. Huber, Zur Renaissance des Staates, in: H. Bauer/D. Czybulka/W. Kahl/J. Stelmach/A. Voßkuhle (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht im Zeitalter der Globalisierung, 2012, S. 35 (39).

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„The losers are the national parliaments.“32 Vor allem die europäische Integration führt dazu, dass immer mehr Gesetzgebungszuständigkeiten auf die EU abwandern, in deren Rat die Bundesregierung sitzt, aber nicht das Parlament. So kann diese wiederum „über die Bande spielen“ und Vorhaben, die sie im nationalen Kontext nicht durchsetzen könnte, auf europäischer Ebene herbeiführen – am Bundestag und Bundesrat sowie an der Öffentlichkeit vorbei. Es gibt Versuche der Gegensteuerung, es gibt den Art. 23 Abs. 2 bis 6 GG, das IntVG, das EuZBBG und die Vereinbarung nach § 12 EuZBBG. Sie werden sogar unionsrechtlich ergänzt durch Art. 12 EUV und die Protokolle über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU und über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Allein, der Fall des ESM und des Euro-Plus-Paktes33 zeigt, dass hier zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch eine erhebliche Lücke klafft. Sie zu schließen, ist eine der großen Herausforderungen für die nächsten Jahre. c) Erkenntnis- und Verarbeitungsdefizit der Rechtswissenschaft Die Rechtswissenschaft bildet diesen Befund freilich kaum ab. Sie hat es bis heute nicht vermocht, einen Modus zur Verarbeitung der empirisch gewonnen Einsichten von Politikwissenschaft, Soziologie, Ökonomie (soweit sich diese überhaupt um verlässliche Einsichten bemüht) und anderer Disziplinen zu entwickeln und ihre Anschlussfähigkeit gegenüber den Nachbardisziplinen herzustellen. Das Recht kennt insoweit noch keine zuverlässigen Instrumentarien, um den Realbefund, um die Diskrepanz zwischen Sein und Sollen, angemessen zu verarbeiten. Insofern hat die sog. Neue Verwaltungsrechtswissenschaft34, wenn auch weniger auf den hier interessierenden staatsrechtlichen Kontext bezogen, jedenfalls den Finger in die Wunde gelegt. Denn sie fordert von der Rechtswissenschaft mehr als bloße „anwendungsbezogene Interpretationswissenschaft“ zu sein. Auch die Governance-Forschung, so diffus sie (noch) sein mag, berührt mit ihrer Konzentration auf die Regelungsstrukturen einen zentralen Punkt und könnte eine wichtige Brücke sein, um das geschilderte Defizit der Rechtswissenschaft zu überwinden.35

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P. Birkinshaw, British report, in: J. Schwarze (Hrsg.), Die Entstehung einer europäischen Verfassungsordnung, 2000, S. 205 (251); P. M. Huber, Die Rolle der nationalen Parlamente bei der Rechtsetzung der Europäischen Union, 2001, S. 13. 33 BVerfG, NVwZ 2012, S. 954 ff. 34 A. Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: W. Hoffmann-Riem/E. SchmidtAßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 1 Rn. 16 ff., 29 ff., 37 ff., 48. 35 Siehe dazu etwa P. Badura, Konzeptionen europäischer und transnationaler Governance in der Perspektive des Verfassungsrechts, 2010, S. 23 f.; W. Hoffmann-Riem, Die GovernancePerspektive in der rechtswissenschaftlichen Innovationsforschung, 2011, passim; G. F. Schuppert, Alles Governance oder was?, 2011, passim.

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III. Volksgesetzgebung als punktuelle Ergänzung, nicht als Ersatz der repräsentativen Demokratie 1. Allgemeines Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG bestimmt, dass die Staatgewalt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. So gesehen zieht die Erwähnung der Abstimmungen die direktdemokratischen Instrumente des Grundgesetzes – Art. 29, Art. 118, Art. 118a und Art. 146 GG – „vor die Klammer“. Solange jedoch nicht in den durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Identitätskern des Grundgesetzes eingegriffen oder eine Länderneugliederung vorgenommen werden soll, sind Volksbegehren auf Bundesebene bislang nicht vorgesehen. De constitutione lata sind sie daher auch nicht geeignet, den Parlamentarismus unter Druck zu setzen. Auf Landesebene liegen die Dinge nicht wirklich anders. Zwar gibt es hier eine reiche Erfahrung mit der direkten Demokratie, vor allem aber längst nicht mehr nur in Bayern. Aber auch in Bayern sind die Erfahrungen mit Volksbegehren in den letzten 66 Jahren – so lange gilt die bayerische Verfassung schon – überschaubar. Seit 1946 gab es lediglich 18 zugelassene Volksbegehren, 9 Referenden und 6 Volksentscheide, während der Landtag Gesetze im vierstelligen Bereich verabschiedet haben dürfte. Obwohl es keine übermäßigen Hürden gibt, ist die Organisation von Volksbegehren und Volksentscheiden doch so aufwändig, dass sie als ernsthafte Konkurrenz für die parlamentarische Gesetzgebung von vornherein nicht in Frage kommen. Antrags- und Zulassungsquoren, das Erfordernis der Amtsstubensammlung und die zeitliche Begrenzung sorgen dafür, dass sich das Volk nicht ohne weiteres mobilisieren lässt, wenn es mit dem Lauf der Dinge im Wesentlichen einverstanden ist. Das zeigt insbesondere die große Anzahl von Volksbegehren, die mangels der notwendigen Unterschriften nicht zustande gekommen sind. 2. Funktionsbedingungen Die Erfahrung zeigt darüber hinaus, dass sich die begrenzten Möglichkeiten direkter Demokratie einigermaßen reibungslos neben dem repräsentativen System etablieren lassen.36 Aus der Grundentscheidung für eine „repräsentativ-plebiszitäre“ Demokratie folgt zunächst die Gleichrangigkeit von Volkswillensbildung und parlamentarischer Willensbildung sowie die funktionale Äquivalenz von im Wege der Parlaments- und der Volksgesetzgebung beschlossenen Gesetzen.37 Vom Parlament und vom Volk be36

P. M. Huber, Parlamentarische und plebiszitäre Gesetzgebung im Widerstreit, ZG 2009, S. 311 ff. 37 M. Borowski, Parlamentsgesetzliche Änderung volksbeschlossener Gesetze, DÖV 2000, S. 481 (489); J. Caspar, in: ders./W. Ewer/M. Nolte/H. J. Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 42 Rn. 34, 36; K. David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, Kommentar, 2. Aufl. 2004, Art. 50 Rn. 15; T. Meder, Die

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schlossene Gesetze besitzen daher den gleichen Rang. Dem entspricht die gefestigte Rechtsprechung aller Landesverfassungsgerichte.38 Einem vom Volk beschlossenen Gesetz kommt insbesondere keine erhöhte Bestandskraft zu. Es kann – wie die Staatspraxis zeigt – durch ein Parlamentsgesetz ebenso umgehend abgeändert werden wie ein vom Landtag beschlossenes Gesetz.39 So wurde etwa die sog. Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein durch einen am 27. September 1998 durchgeführten Volksentscheid abgelehnt und gesetzlich festgelegt, dass die „allgemein übliche“ Rechtschreibung zu unterrichten sei, wie sie „in der Bevölkerung seit langem anerkannt ist und in der Mehrzahl der lieferbaren Bücher verwendet wird“.40 Diese Regelung ist nur neun Monate später durch ein vom Landtag beschlossenes Gesetz vom 21. September 1999 wieder aufgehoben worden.41 Eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde, mit der geltend gemacht wurde, dass das Ergebnis eines Volksentscheides nicht noch in derselben Legislaturperiode wieder rückgängig gemacht werden dürfe, wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.42 Vergleichbare Vorgänge lassen sich aus der Freien Hansestadt Hamburg berichten, wo die Bürgerschaft das durch Volksbegehren geänderte Wahlrecht wieder korrigiert hat.43 Insoweit sorgt also der lex posterior-Grundsatz für ein geordnetes Nebeneinander von Parlamentarismus und direkter Demokratie. Das gilt auch für Regelungen, wonach das Parlament bei jedem Volksentscheid einen Alternativentwurf zur Abstimmung stellen kann (z. B. Art. 74 Abs. 4 BV). Ein Problem ist allenfalls, ob es eine Sperrwirkung zugunsten von Volksbegehren geben kann. Das ist umstritten, in der Sache jedoch zu verneinen.44 Denn eine Sperrwirkung stellte die Präponderanz der repräsentativen Demokratie in Frage, ohne dass

Verfassung des Freistaates Bayern, Kommentar, 3. Aufl. 1985, Art. 72 Rn. 1; M. Rossi/S. C. Lenski, DVBl. 2008, S. 416 (418). 38 Für Bayern: BayVerfGHE 29, 244 (265); BayVerfGH, NVwZ-RR 2000, S. 401 (402); für Berlin: BerlVerfGH, Beschl. v. 27. 10. 2008 – VerfGH 86/08 – juris, Rn. 78; für Bremen: BremStGH, NVwZ-RR 2001, S. 1 (2); für Hamburg: HmbVerfG, Urt. v. 15. 12. 2004 – HVerfG 06/04 – juris; Urt. v. 27. 4. 2007 – HVerfG 04/06 – juris, Rn. 95; für das Saarland: SaarlVerfGH, NVwZ 1988, S. 245 (248); für Sachsen: SächsVerfGH, JbSächsOVG 6 (1998), 40 (42); NVwZ 2003, S. 472 (473). 39 BayVerfGH, NVwZ 2000, S. 401 (402); SächsVerfGH, NVwZ 2003, S. 472 (473). 40 § 4 Abs. 10 SchulG S.-H.; Änderungsgesetz vom 10. 12. 1998, GVOBl. S.-H. S. 366. 41 GVOBl. S.-H. S. 263. 42 BVerfG, NJW 2000, S. 1104, allerdings unter Berufung auf eine fehlende Zuständigkeit. 43 Volksentscheid vom 13. 6. 2004; Gesetz vom 5. 7. 2004, HmbGVBl. S. 313; Bürgerschafts-Drucks. 18/4339; Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahl zur hamburgischen Bürgerschaft, des Gesetzes über die Wahl zu den Bezirksversammlungen und des Bezirksverwaltungsgesetzes vom 19. 10. 2006, HmbGVBl. S. 519; HmbVerfG, Urt. v. 27. 4. 2007 – HVerfG 04/06 – juris. 44 P. M. Huber, Parlamentarische und plebiszitäre Gesetzgebung im Widerstreit, ZG 2009, S. 311 (315 ff.).

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entsprechende Schutzbedürfnisse bestünden. Denkbare Manipulationsversuche der Parlamentsmehrheit lassen sich vielmehr in der nächsten Wahl sanktionieren.45 3. Bewertung Volksbegehren wirken nicht nur retardierend gegenüber den Herausforderungen der Globalisierung und dem Druck intransparenter Machtkonstellationen und können dadurch Akzeptanz sichern.46 Sie relativieren auch den Machtzuwachs der Exekutive, weil sie sich den Rationalitäten parteienstaatlicher Willensbildung versagen (können).47 Sie sind angesichts des mit ihnen verbundenen Aufwands jedoch keine Alternative zum Parlamentarismus, sondern allenfalls eine punktuelle Ergänzung. Als solche fordern sie, wie die Erfahrungen zeigen, ihn nicht heraus, sondern stabilisieren ihn. Das Referendum über das AKW Zwentendorf und die Nutzung der Atomkraft in Österreich mag hier ebenso als Beispiel dienen wie die bayerischen Probleme mit dem Rauchverbot. Der Landtag hatte es in wiederholten Anläufen nicht geschafft, eine Befriedung zu erreichen, und selbst die Billigung der Regelung durch das Bundesverfassungsgericht brachte keine Ruhe. 2010 hat dann das Volk gesprochen; jetzt funktioniert das Rauchverbot sogar auf dem Oktoberfest. IV. Verfassungsgerichtsbarkeit – Das ewige Problem des „quis custodiet custodientes“? 1. Allgemeines Seit Marbury v. Madison48 gibt es das Spannungsverhältnis zwischen dem Mehrheitsprinzip der Demokratie und der gerichtlichen Kontrolle der Gesetzgebung. Das Problem ist so alt wie die Verfassungsgerichtsbarkeit, und es ist unvermeidbar, wenn man mit dem Kant’schen Satz ernst macht, dass Politik durch Recht gebunden werden muss.49 Dabei gibt es natürlich zahlreiche Nuancen, die vom Verzicht des französischen Conseil Constitutionnel auf die Kontrolle vom Volk beschlossener Geset45

Zu einem entsprechenden Streit in Thüringen siehe die Dokumentation bei Wittreck (Hrsg.), Volks- und Parlamentsgesetzgeber: Konkurrenz oder Konkordanz? Dokumentation eines Thüringer Verfassungsstreits, 2012. 46 Zu diesem Gedanken S. Müller-Franken, Referendum versus Volksgesetzgebung, in R. T. Baus/T. Montag (Hrsg.), Perspektiven und Grenzen „direkter Demokratie“, 2012, S. 51 (60 f.). 47 P. M. Huber, Plebiszite, in: H. Kube/R. Mellinghoff/G. Morgenthaler/U. Palm/T. Puhl/ Ch. Seiler (Hrsg.), Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. I, 2013, § 60, S. 651 (656). 48 U.S. Supreme Court 5 U.S. (1 Cranch) 137 (1803). 49 I. Kant, Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen, in: Werke in Zwölf Bänden, Bd. 7, S. 642: „Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden.“

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ze50 über die political question-doctrine und den judicial restraint des US-Supreme Court51 reichen. Bei uns hat man statt dessen versucht, auf der Grundlage eines materiell-rechtlich geprägten Verfassungsverständnisses Spielräume des Gesetzgebers zu wahren, die von Einschätzungs- und Prognosespielräumen über Gestaltungsspielräume bei der Auflösung von Grundrechtskollisionen bis zu Konkretisierungsspielräumen bei der Ausgestaltung des Untermaßverbotes reichen. Seit dem Mitbestimmungsurteil52 kennt die Rechtsprechung abgestufte Kontrolldichten, die, abhängig von der Intensität der Grundrechtsbetroffenheit, von der Evidenzkontrolle über die Vertretbarkeitskontrolle bis zur strengen inhaltlichen Kontrolle reichen. In den 1990er Jahren hat die Rechtsprechung diese Abstufung auch für den Anwendungsbereich des Gleichheitssatzes übernommen; hier fällt die Kontrolldichte heute umso enger aus, je stärker personenbezogen ein Differenzierungsmerkmal ist und je näher es den „verbotenen“ Differenzierungskriterien in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG kommt.53 Wo materiell-rechtliche Maßstäbe schließlich versagen, weicht man in die Prozeduralisierung aus;54 auch das verhindert einen zu großen Druck auf den Gesetzgeber. Das ist die für Deutschland richtige, weil pfadabhängige Art mit der Spannungslage umzugehen, denn es ist eine Konsequenz aus der spezifisch deutschen Neigung zur „Juridifizierung“ von Politik. Diese hat ihre Wurzeln schon in den Erfahrungen des Alten Reichs, wo sie in der für die damalige Zeit herausgehobenen Rolle des Reichskammergerichts und des Reichshofrates sichtbaren Ausdruck gefunden hatte. Noch prägender dürfte die spezifisch deutsche Hervorbringung des Rechtsstaats im 19. Jahrhundert sein,55 die mit dem Vorrang und dem Vorbehalt des Gesetzes dem Bürgertum den Verzicht auf die Demokratie erträglich gemacht und unseren „Glauben“ an das Recht und die Konfliktlösung durch Gerichte nachgerade mit quasireligiösen Weihen versehen hat. Demokratie in Deutschland ist eben nicht nur das Ringen um politische Mehrheiten im Parlament, sondern auch Problembewältigung mit Hilfe von Gerichten, insbesondere der Verfassungsgerichtsbarkeit. 2. Verfassungsgericht stärkt das Parlament Aber auch hier ist der vermeintliche Widersacher des Parlamentarismus bei näherem Hinsehen seine Stütze. Das Bundesverfassungsgericht ist insoweit der größte „Fan“ des Bundestages und hat diesen immer wieder in die Mitte zu rücken versucht. Das Maastricht-Urteil, hat den Gedanken aufgenommen, dass die durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf die EU bewirkte Erosion von Kompetenzen durch eine 50

CC No. 92 – 312 DC v. 2. 9. 1992, EuGRZ 1993, S. 193 (194) – Maastricht II. C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, 1999. 52 BVerfGE 50, 290 (333 f.). 53 Grundlegend BVerfGE 99, 367 (388 ff.). 54 Paradigmatisch BVerfGE 125, 175 (219) – Hartz IV. 55 Siehe F. J. Stahl, Philosophie des Rechts, 3 Bände, 1830 – 1837. 51

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hinreichend bestimmte Ausgestaltung des Integrationsprogramms kompensiert werden muss,56 die Entscheidung zum europäischen Haftbefehl hat die Verantwortung des Parlaments für die für die Umsetzung des Unionsrechts gelassenen Spielräume betont;57das Lissabon-Urteil hat vor allem die Integrationsverantwortung des Bundestages herausgearbeitet,58 während das Gericht in den Entscheidungen zur Griechenland-Hilfe und der EFSF,59 zum Sondergremium,60 zur Beteiligung des Bundestages an der Ausarbeitung von ESMV und EPP61 sowie zum ESM62 die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages manchmal mit mehr Verve zu verteidigen scheint, als das Parlament selbst. Wenn es eine Kraft gibt, die das Kirchhoff’sche Ideal vom Parlament als Mitte der Demokratie zu bewahren und zu stabilisieren versucht, dann ist es das Bundesverfassungsgericht. V. Zusammenfassung und Wertung Weder die direkte Demokratie noch die Verfassungsgerichtsbarkeit sind Konkurrenten für das Gericht. Man mag über einzelne Entscheidungen streiten, aber im Ergebnis tragen beide Größen zu einer Stabilisierung und Förderung des Parlamentarismus bei, bzw. würden dies tun, wenn sie denn auf den Plan treten könnten. Mit Blick auf die Verfassungsgerichtsbarkeit stellt sich eher die Frage, ob die Fürsorglichkeit nicht zu weit geht und es nicht im politischen Ermessen des Parlaments stehen muss, seine Funktionen auch nicht zu erfüllen. Indes: Parlamentarismus ist kein Selbstzweck, sondern eine von der Verfassung etablierte Staatsfunktion, die auch wahrgenommen werden muss. Wenn schon der Staat des Grundgesetzes nicht um seiner selbst willen, sondern um der Menschen willen existiert, um wie viel mehr muss dies dann für seinen Parlamentarismus gelten.

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BVerfGE 89, 155 (184 f.). BVerfGE 113, 273 (300). 58 BVerfGE 123, 267 (347). 59 BVerfGE 129, 124 (178). 60 BVerfGE 130, 318 (344 f.). 61 BVerfG, NVwZ 2012, S. 954 (960, 962 ff.). 62 BVerfG, NJW 2012, S. 3145 (3148 ff.). 57

Demokratische Legitimation und Vertrauenskultur – Zu den Grenzen majoritären Entscheidens in der EU Martin Nettesheim I. Demokratie und Vertrauen In der modernen Demokratie gelingt Wundersames. Im Herrschaftssystem eines großräumigen Flächenstaats regieren die meisten die meiste Zeit nicht. Es sind vielmehr wenige Amtsträger, die – zu einem bestimmten Zeitpunkt – über die vielen regieren. Gleichwohl kann es das Herrschaftssystem beanspruchen, sich als Ausdruck demokratischer Selbstregierung des ganzen Volkes zu bezeichnen. Demokratischen Institutionen gelingt ein Brückenschlag, mit dem die Entscheidungen Fremder als Ausdruck eigener Selbstbestimmung bezeichnet werden können. Die Demokratietheorie rationalisiert dies. Bekanntlich fallen die diesbezüglichen Ansätze und Herangehensweisen unterschiedlich aus.1 Teils operiert man mit dem Begriff des Volksoder Gemeinwillens, der über Verfahren in den Bereich des Staatlichen eingespeist wird und sich in staatlichen Entscheidungen „niederschlagen“ soll.2 Im Extremfall soll dies zu einer „Identität“ von Regierten und Regierenden führen.3 Teils wird mit der Idee deliberativer Entscheidungsfindung gearbeitet, vermittels derer in einem offenen Prozess des Austausches guter Argumente ein Konsens erzielt wird.4 Den Gegebenheiten repräsentativer Demokratie in Flächenstaaten wird man damit aber nicht gerecht. Es handelt sich um Konstrukte, mit denen fremde Entscheidungsgewalt gerade freigesetzt – und nicht rückgebunden – wird; sie haben praktisch einen ermächtigenden – und nicht begrenzenden – Effekt. Die „Governance“-Struktur repräsentativer Demokratie ist nur dadurch normativ erträglich, dass mit der Institution des gemeinwohlverpflichteten Amts5 eine unmit1

Überblick bei M. G. Schmidt, Demokratietheorien: Eine Einführung, 4. Aufl. 2008. Prägend E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 1987, § 22. 3 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928. 4 J. Cohen, Deliberative Democracy and Democratic Legitimacy, in: A. Hamlin/P. Pettit (Hrsg.), The Good Polity, 1989, S. 17; A. Gutmann/D. Thompson, Democracy and Disagreement, 1996; J. Bohman/W. Rehg (Hrsg.), Deliberative Democracy: Essays on Reason and Politics, 1997. In Deutschland J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992. 5 J. Isensee, Amt in der Republik, in: R. Gröschner/O. W. Lembcke (Hrsg.), Freistaatlichkeit, 2011, S. 163. 2

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telbare und der Institution der Freiheitsrechte eine mittelbare Einbindung und Begrenzung von (demokratischer) Macht existieren.6 Auch wenn über die genaue Ausgestaltung des Amts und die Reichweite der Grundrechte jeweils politisch-demokratisch entschieden werden muss, gibt es doch elementare Kernelemente, ohne die der Brückenschlag schon im Ansatz nicht gelingen wird. Die politische Verfügung über die demokratischen Institutionen weist ein reflexives Element auf, trägt aber nicht unbegrenzt. Es gibt einen Punkt, ab dem politische Gestaltung ihre eigenen – amtlichen und freiheitsverpflichteten – Funktionsvoraussetzungen angreift.7 Repräsentative Demokratie ist (als angenommene Herrschaft) unverzichtbar dadurch gekennzeichnet, dass es sich um gemeinwohldienliche Herrschaft8 handelt. Das Amt und eine Kultur des Dienens,9 der Kampf gegen die Korruption und die Selbstbedienung sind notwendige – wenn auch nicht hinreichende – Voraussetzungen für eine funktionierende repräsentative10 Demokratie. Repräsentative Demokratie setzt zudem Brückeninstitutionen voraus, vermittels derer die freien und gleichen Einzelnen auf die Prozesse staatlicher Entscheidungsfindung einwirken können.11 Man wird davon ausgehen müssen, dass heute hierzu notwendig die Macht gehört, die Spitze der Gubernative – unmittelbar oder mittelbar – zu sanktionieren. Zudem wird dazu die Macht zu zählen sein, die Abgeordneten eines Parlaments wählen zu können, das mit Blick auf die Gesetzgebung und die Haushaltspolitik eine nicht nur marginale Funktion hat. An die Seite des Wahlrechts werden als Brückeninstitutionen regelmäßig die Parteien und öffentliche Kommunikationskanäle gezählt. Jenseits dieses notwendigen Bestands bleibt großer Raum für pragmatische Ausgestaltung. Die Reichweite der Brückeninstitutionen bleibt in jedem Fall aber begrenzt: Auf die meisten Entscheidungen werden die meisten keinen konkret-kausal rekonstruierbaren Einfluss nehmen können. Die Rekonstruktion von Demokratie als Realisierung eines Volkswillens erweist sich in diesem Zusammenhang als wenig sinnvoll. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, dass an die Stelle des Willen Gottes und des Willens des Monarchen nunmehr der Wille des neuen „Souveräns“ getreten ist. In der Genese gut erklärbar und als Legi6 Zur Einsicht in die Unvermeidbarkeit repräsentativen Regierens: E.-W. Böckenförde, Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, 1982, S. 301. 7 In diesem Sinne sollte Art. 79 Abs. 3 GG interpretiert werden; man sollte darauf verzichten, eigene Vorstellungen des guten Lebens (BVerfGE 123, 267) der politischen Entscheidung vorenthalten zu wollen. 8 M. Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, 2006; zum Kontext: M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 6. Aufl. 2003; P. Badura, Staatsrecht, 5. Aufl. 2012. 9 W. Hennis, Amtsgedanke und Demokratiebegriff, in: K. Hesse u. a. (Hrsg.), Staatsvertrag und Kirchenordnung, 1962, S. 51. 10 U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip in der modernen Demokratie, in: Festschrift für Hans Huber, 1961, S. 222. 11 P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 2004, § 25.

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timationskonzept vielleicht brauchbar, erweist es sich steuerungstheoretisch als ungeeignet. Man muss Demokratietheorie vielmehr als Nachdenken über die Voraussetzungen begreifen, unter denen eine Bevölkerung bereit ist, die Entscheidungen ausgewählter Repräsentanten als „eigene“ zu akzeptieren. Eine ganz zentrale Bedeutung spielt dabei die Existenz einer Kultur des Vertrauens.12 Sie weckt bei den Einzelnen die Erwartung, dass die sie regierenden Amtsträger die überantwortete Macht nicht in einer Weise ausüben, die den je individuellen Zielen, Werten und Interessen so fundamental zuwiderläuft, dass die Annahme als „eigene Entscheidung“ nicht (mehr) möglich ist. Demokratie beruht auf Vertrauen; Vertrauen kann nur in langwierigen politisch-kulturellen Prozessen entstehen. Ein „setting“ demokratischer Institutionen, das nicht von dieser Vertrauenskultur getragen ist, wird keine Legitimationswirkung haben; es wird sich um nicht mehr als eine „Fassadendemokratie“ handeln.13 Für die Herausbildung einer derartigen Kultur ist es nicht erforderlich, dass die Bürger eines Gemeinwesens ethnisch, religiös, weltanschaulich oder wirtschaftlich homogen sind.14 Die national homogene Gemeinschaft ist eine politische Wunsch- und eine demokratietheoretische Idealvorstellung, deren Funktion offensichtlich ist: Sie reduziert die Komplexität des Entscheidungsumfelds und verringert die Konfliktträchtigkeit repräsentativen Entscheidens. Offenkundig ist dies aber nicht Voraussetzung demokratischen Regierens. Auch in einem heterogenen Umfeld kann sich, wie der Blick auf ethnisch, sprachlich oder religiös differenzierte Gemeinschaften zeigt, demokratische „governance“ herausbilden. Es geht nicht um einen inhaltlich-substanziellen Grundkonsens, sondern um teleologische Erwartungen. Eine Vertrauenskultur beruht auf tradierten institutionellen Praktiken, durch die einerseits abschätzbar wird, wie politisch agiert werden wird, und durch die andererseits auch reflexiv politisches Handeln angeleitet wird. Es geht um den Aufbau politisch-sozialen „Kapitals“. Erst in einer Kultur des Vertrauens ist die Verwendung mehrheitsbildender Entscheidungsinstitutionen und -verfahren akzeptabel.15 Dies gilt für jede Lage, in der diese – fälschlicherweise gelegentlich zum für die Demokratie konstituierenden Merkmal erhobenen – Mechanismen zur Anwendung kommen (Volkswahl, parlamentarische Abstimmung). Der Übergang zu einem rein quantitativen Kriterium mag aus Effizienzgründen geboten sein; er kann aber nur dort erfolgen, wo die überstimmte Minderheit Anlass zu der Erwartung hat, dass sie nicht „unter die Räder gerät“. In Lagen, in denen dieses Vertrauen nicht besteht, bedarf es der Verwendung von Verhandlungssystemen mit Veto- oder Opt-out-Positionen. Jedenfalls lässt sich vertrauensbildende Praxis nur begrenzt institutionell absichern 12 Es ist auffällig, wie wenig dieser Aspekt in der Diskussion um das „Demokratieprinzip“ thematisiert wird; vgl. nunmehr allerdings C. Franzius, Europäisches Vertrauen? Eine Skizze, HFR 2010, S. 159. 13 Man kann dann auch von einem „Spiel ohne Bürger“ sprechen (vgl. H. Vorländer, Spiel ohne Bürger? FAZ, 12. 07. 2011, S. 8). 14 Hierzu die unterschiedlichen Ansätze bei S. Korioth/A. von Bogdandy, Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, VVDStRL 2003, S. 117 ff., S. 156 ff. 15 Vgl. die Beiträge in M. E. Warren (Hrsg.), Democracy and Trust, 1999.

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(Wahl, Kontrolle, materielle Bindungen etc.); ihre Entstehung ist jedenfalls auch immer Ausdruck des Amtsethos der Regierenden.16 II. Der blinde Fleck der Diskussion Die vorstehenden Bemerkungen skizzieren den Analyse- und Bewertungsrahmen, mit dem die Möglichkeiten und Grenzen einer Weiterentwicklung der Europäischen Union – insbesondere mit Blick auf die Entwicklung einer „wirklichen Wirtschafts- und Währungsunion“17 – beurteilt werden können. Immer wieder ist zu beobachten, dass institutionelle Vorschläge gemacht werden, ohne dass deren legitimatorische Rückbindung bewertet wird. Und immer wieder – schon beinahe floskelhaft – finden sich Stellungnahmen, die irgendwelche Schritte zur Stärkung der europäischen Integration propagieren und dann feststellen, natürlich müssten die Bürger „mitgenommen“ werden. Schließlich gibt es – gegenläufig – diejenigen, die mit theoretischen Konzeptionen europäischer Bürgersubjektivität operieren, hieraus eine neue Narration über eine politische Gemeinschaft solidarischer Bürger in Europa machen18 und schließlich mehr oder weniger unverhohlen eine Korrektur des (Selbst-)Verständnisses der europäischen Bürger einfordern. Hier kommen Herrschaftstechnik und Erziehungsimpetus zusammen.19 Die nachfolgenden Überlegungen gehen davon aus, dass damit ein entscheidender Punkt nicht gesehen wird: Institutionelle – majoritäre – Schritte der Supranationalisierung in einem Bereich, in dem es um Entscheidungen geht, in denen eine gefestigte Vertrauenskultur noch nicht herrscht, sind nicht unmöglich, erweisen sich aber schnell als legitimatorisch prekär. Die Kopplung von Sachfrage, institutioneller Entwicklung und (notwendig nacheilendem) Vertrauensbildungsprozess muss immer im Blick gehalten werden. Regelmäßig wird die institutionelle Entwicklung voran ziehen; die Entstehung einer Vertrauenskultur ist auf die Sammlung von Erfahrungen angewiesen und wird damit notwendig nachziehen.20 Man kann insofern von asynchroner Demokratisierung oder hinkender Demokratisierung sprechen. Es darf allerdings nicht zum Bruch kommen. 16 Deutlich etwa nach einem Regierungswechsel: Die neue Mehrheit wird nicht immer alles umstürzen, was sie politisch in der Oppositionsrolle bekämpft hat. 17 So der Titel des Vorschlags der „vier Präsidenten“: „Towards a genuine Economic and Monetary Union“, Report by President Herman Van Rompuy in close collaboration with the Presidents of the European Commission, Eurogroup and European Central Bank, 2012, online unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_Data/docs/pressdata/en/ec/134069.pdf (Zugriff: 4. 3. 2013). 18 C. Franzius, Europäisches Verfassungsrechtsdenken, 2010, S. 57. 19 Deutlich etwa bei J. Habermas, Die Krise der Europäischen Union im Lichte einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts – Ein Essay zur Verfassung Europas, ZaöRV 2012, S. 1. 20 C. Möllers, Demokratische Ebenengliederung, in: Festschrift für Rainer Wahl, 2011, S. 759 ff.

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Damit ist eine Art föderalen Denkens zu verwerfen, wonach sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten inzwischen demokratisch legtimiert sind und sich Kompetenzverteilungsfragen als bloß politische (vielleicht gar primär technizistisch zu beantwortende) Fragen nach Ziel und Effizienz erweisen. Demokratische Legitimation lässt sich nicht abstrakt behandeln, sondern immer nur mit Blick auf Regelungszusammenhang. Luftige Vorschläge, wie die „Governance“-Strukturen der EU auszubauen sind, erweisen sich danach schon im Ansatz legitimationstheoretisch als inkohärent, wenn sie nicht reflektieren, inwieweit in der Bevölkerung das Vertrauenssubstrat vorhanden ist (oder doch jedenfalls absehbar gewonnen werden kann), das erforderlich ist, um mit Blick auf eine bestimmte Kompetenz mit der „Idee der Selbstregierung“ überhaupt operieren zu können. Zugleich bleibt das Reden von „europäischer Identität“, „europäischer Bürgersubjektivität“ etc. im Vorfeld des Problems, wenn und soweit kein Brückenschlag in die Welt der tatsächlichen Sachgegebenheiten unternommen wird. Der Gebrauch politischer Symbolik – seien es politische Bekundungen im europäischen Vertragswerk, seien es gemeinsame Pässe, europäische „Kulturhauptstädte“ etc. – mag vielleicht Sensibilität dafür wecken, sich überhaupt mit der Ebene und den Erscheinungen europäischer Governance zu befassen: Europa rückt damit ins Blickfeld. Die Vertrauenskrise, die im Kontext der Euro-Rettungspolitik entstanden ist, führt allerdings deutlich vor Augen, wie gering die Prozesse der Vertrauensbildung durch Erzählungen über die Existenz eines europäischen Bürgerstatus21 oder die inzwischen reichhaltige europäische Symbolik gefördert werden. Die Diskussionen der letzten drei Jahre haben deutlich vor Augen geführt, dass sich inzwischen ein allgemeines Bewusstsein herausgebildet hat, dass die Krisenstaaten an der Peripherie „dazu gehören“. Dies gilt nicht nur für die dortige Bevölkerung, sondern auch für die deutsche Bevölkerung, in der nur eine Minderheit fordert, Griechenland oder andere Staaten fallen zu lassen und aus der EU oder der Währungsunion herauszudrängen. Auf der anderen Seite hat der „Rettungsprozess“ aber auch deutlich gemacht, dass sich eine Bereitschaft, sich majoritären Entscheidungsprozessen zu unterwerfen, in denen wesentliche Teile des Volksvermögens einer Haftung unterworfen oder gar in Transfermechanismen eingespeist werden, bislang nicht entwickelt hat. Selbst konsensuale (intergouvernementale) Verhandlungsregime stoßen auf Skepsis. Dies gilt im Übrigen sowohl für die Bevölkerung in den Geberländern, die in der Umgestaltung der Währungsunion einen Rechtsbruch22 – und, wichtiger, einen Bruch politischer Erwartungen – sehen, als auch für die Bevöl21 Zur Rechtsprechung des EuGH zur Unionsbürgerschaft etwa: K. Hailbronner/D. Thym, Ruiz Zambrano – Die Entdeckung des Kernbereichs der Unionsbürgerschaft, NJW 2011, S. 2008; M. Nettesheim, Der Kernbereich der Unionsbürgerschaft – vom Schutz der Mobilität zur Gewährleistung eines Lebensumfelds, JZ 2011, S. 1030; D. Rabenschlag, Leitbilder der Unionsbürgerschaft. Die Auslegung der Unionsbürgerschaft durch den EuGH im Spiegel umstrittener Konzeptionen eines europäischen Bürgerrechts, 2009. 22 M. Ruffert, Der rechtliche Rahmen für die gegenseitige Nothilfe innerhalb des EuroRaumes, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2011/I (2012), S. 15.

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kerung in den Nehmerländern, die sich nicht einem „fremden“ Aufsichtsregime unterwerfen wollen. Dabei wird zwischen technokratischer Fremdherrschaft und majoritärer supranationaler Regierung nicht unterschieden. III. Ein Blick zurück: Entstehung, Inhalte und Grenzen vertrauensgetragener europäischer Governance Aus diesem Blickwinkel lässt sich die Geschichte der Europäischen Integration als Prozess der Vertrauensbildung rekonstruieren. In den Gründungsverträgen von Paris und Rom verband sich die Einsicht in die Notwendigkeit von Entscheidungseffizienz mit der Erwartung, dass sich die Nationalstaaten nach einer Übergangszeit von 12 Jahren dem Mehrheitsvotum unterwerfen und ggf. majorisieren lassen würden. Bekanntlich ließen sich diese Erwartungen nicht realisieren – die französische Politik des „leeren Stuhls“ machte deutlich, dass es jedenfalls für eine Siegermacht des Zweiten Weltkriegs mit dem politischen Selbstbewusstsein Frankreichs nicht akzeptabel war, sich dem Votum seiner Nachbarn zu unterwerfen. Der Luxemburger Kompromiss etablierte für zwei Dekaden ein supranationales Entscheidungssystem, in dem den nationalen Regierungen über eine Vetoposition die Rechtsstellung zukam, majoritäre Überstimmtheit zu verhindern. Es oblag der nationalen Regierung zu entscheiden, ob eine vorgeschlagene EG-Maßnahme mit den eigenen politischen Vorstellungen vereinbar und ob sie in die nationale Bevölkerung hinein vermittelbar war. Dreißig Jahre politischer Praxis auf einem Feld begrenzter politischer Sensibilität machten es dann Mitte der 1980er Jahre möglich, im Rat zur Mehrheitsentscheidung überzugehen; selbst hierfür bedurfte es erheblichen äußeren Drucks. Ohne die veränderten weltwirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingung, die durch die aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften bewirkt wurden, hätte man wohl in den bekannten Mustern weitergemacht. Die Bereitschaft, sich einem majoritären Regime zu unterwerfen, war auch damals nicht unbegrenzt: Sie erstreckte sich nur auf eher souveränitätsunsensible Bereiche des Binnenmarkts, in denen durch Liberalisierung eine „Win-win“-Situation entstand. Sensiblere Bereiche der sozialen bzw. kulturellen Selbstbestimmung waren nicht erfasst. Schon gar nicht wurde das Mehrheitsprinzip auf besonders verteilungsrelevante Bereiche erstreckt.23 Besonders augenfällig kamen diese Gegebenheiten dann wieder bei der Verhandlung des Maastricht-Vertrags zum Ausdruck: Die vertragsgebenden Mitgliedstaaten wählten eine rechtswissenschaftlich kaum begreifbare („Tempel“-)Konstruktion, nur um sicherzugehen, dass die neuen Tätigkeitsfelder „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) und „Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik“ (ZIJ) von intergouvernementalen Verhandlungsmustern geprägt und nicht der Ge23 Es sei daran erinnert, dass die Verteilungsdimension des Integrationsprozesses weiterhin nur ca. 1 % des BIP der Mitgliedstaaten umfasst.

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meinschaftsmethode unterworfen wurden.24 Im Laufe einer zwanzigjährigen Praxis bildeten sich dann Vertrauensstrukturen aus, die es ermöglichten, die Inhalte der Dritten Säule zu vergemeinschaften. Nicht alle Mitgliedstaaten zogen allerdings mit; so gilt etwa das Schengenregime weiterhin nicht für alle Mitgliedstaaten. Die periodischen Ankündigungen einzelner Mitgliedstaaten, vorübergehend wieder Grenzkontrollen einzuführen, wenn sie sich durch Entwicklungen in anderen Mitgliedstaaten „bedroht“ sehen, zeigt, wie dünn gewebt die unionsrechtliche Disziplin in diesem Bereich weiterhin ist. Auch im Bereich der Währungsunion bilden sich diese Gegebenheiten ab. Für die deutsche Regierung war die Aufgabe der Währungshoheit nur deshalb akzeptabel, weil die Befugnisse an eine unpolitische (unabhängige) europäische Notenbank überantwortet wurden, in denen nicht majoritär-politisch, sondern technokratisch entschieden wurde.25 Die Festlegung der Tätigkeit der Zentralbank auf das Ziel der Sicherung der Preisstabilität machte zudem – outputorientiert – deutlich, dass sich die Zentralbank nicht in politische Steuerungs- oder Umverteilungsentscheidungen einmischen sollte. Die Krise scheint nunmehr Entscheidungen zu erzwingen, zu denen selbst der „Europäische Konvent“ nicht den Willen und die Kraft hatte. Mehr getrieben von Sachzwängen als von eigenem originären politischen Willen, einigen sich die mitgliedstaatlichen Regierungen auf die Einrichtung von Institutionen, die weitgehende Eingriffsbefugnisse und Haftungsfolgen in sich bergen. Ein weiterer Ausbau der Europäischen Union zur „politischen Union“ ist absehbar. Zwar wird über diese Schritte (bislang) nicht majoritär entschieden. Die faktische Zwangslage bewirkt aber Ähnliches: Es liegt eine Art Majorisierung durch Sachzwang vor.26 Nicht nur erscheint eine Vertiefung unumgänglich. Ebenso ist absehbar, dass dabei majoritäre Entscheidungsverfahren zur Anwendung kommen werden. Im bisherigen Integrationsprozess ist die Erwartung angelegt, dass die neuen Institutionen die ihr übertragenen Aufgaben im Modus der Gemeinschaftsmethode regeln werden: Auf überstaatlicher Ebene wird hier doppelt majoritär entschieden, sowohl im Europäischen Parlament als auch im Rat. Alles andere – insbesondere die sog. „Unionsmethode“ oder ein para-unionales Vorgehen auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge – wird als historisch rückwärtsgewandt, ineffektiv und (mit Blick auf die Rolle des Europäischen Parlaments27) als illegitim angesehen.28 24 Zur Deutung: D. Curtin, The Constitutional Structure of the Union: A Europe of Bits and Pieces’, CMLR 1993, S. 17. 25 W. Polster: Europäische Währungsintegration. Von der Zahlungsunion zur Währungsunion. Metropolis, Marburg 2002; W. J. Mückl (Hrsg.): Die Europäische Währungsunion: Probleme und Perspektiven, 2000. 26 Hierzu etwa D. Grimm, Europas Zukunft: Prinzipien statt Pragmatismus, FAZ-NET, 6. 2. 2013 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/europas-zukunft-prinzipi en-statt-pragmatismus-12052280.html; Zugriff am 14. 5. 2013). 27 Vgl. M. Schulz, Das demokratische Europa – 10 Punkte für einen demokratischen Neustart der EU, Rede gehalten an der Humboldt-Universität zu Berlin am 24. 5. 2012, online

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Damit zeichnet sich eine Entwicklung ab, die von drei Kennzeichen geprägt ist: (1) In den Einzugsbereich des Integrationsprozesses geraten – von Sachzwängen angetrieben – Gestaltungsfragen, die bislang als so sensibel angesehen wurden, dass sie der Entscheidung im nationalen politischen Raum überantwortet bleiben sollten (wirtschafts- und fiskalpolitische Grundsatzentscheidungen, Haftung und Transfer). (2) Es sind dies Fragen, in denen sich bislang keine Vertrauenskultur herausgebildet hat, die es „vertretbar“ erscheinen ließe, sich einer majoritären Entscheidungsfindung auf überstaatlicher Ebene zu unterwerfen. Es geht um Bereiche, in denen sich bislang keine Vertrauenskultur herausgebildet hat, die es als konsentiert erscheinen ließe, auf europäischer Ebene repräsentativ-majoritäre Entscheidungsmechanismen zu etablieren. (3) In der Logik der bisherigen Integration („ever closer union“) ist es aber angelegt, über diese Fragen im Rahmen der Gemeinschaftsmethode zu entscheiden und so eine Majorisierung zu institutionalisieren. Auch ein Befürworter der Integration wird die Gefahr erkennen, dass auf diese Weise ein Gebilde mit demokratisch prekärer Legitimationsstruktur entsteht. Wer die Ideologie der Kommission nicht teilt, wonach „[m]it dem Vertrag von Lissabon … das einzigartige Modell der EU als supranationaler Demokratie perfektioniert“ worden sei,29 wird weitere Integrationsschübe als Gefährdung – und nicht als Sicherung30 – der Legitimation ansehen. Man sollte sich nicht mit der politischen Versicherung, für eine nachholende Legitimitätssteigerung werde schon – irgendwann – Sorge getragen, zufrieden geben – zumal, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, darüber, was mit „Legitimitätssteigerung“ gemeint ist, keine Einigkeit besteht.

unter http://www.europarl.europa.eu/the-president/de/press/press_release_speeches/speeches/ sp-2012/sp-2012-may/speeches-2012-may-4.html (Zugriff: 1. 3. 2013). 28 Aus dieser Perspektive erscheint ein Ausweichen der Mitgliedstaaten in intergouvernmentale Strukturen als integrationspolitischer Irrweg (I. Pernice, International Agreement on a Reinforced Economic Union. Legal Opinion, 2012; A. Fischer-Lescano/L. Oberndorfer, Fiskalregulierung und Organleihe, NJW 2013, S. 9). Durch eine Kontrastierung von „richtiger“ Gemeinschaftsmethode und „verfehlter“ Unionsmethode soll die politische Entwicklung wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Rechtsnormativ werden Ansätze entwickelt, um einen derartigen Ausbruch aus den Integrationsroutinen zu bekämpfen. In der Entscheidung „Pringle“ ist der EuGH dem allerdings konkret nicht gefolgt (EuGH, Rs. C-370/12, NJW 2013, S. 29; dazu M. Nettesheim, Europarechtskonformität des Stabilitätsmechanismus, NJW 2013, S. 14). 29 Europäische Kommission, Mitteilung „Ein Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion – Auftakt für eine europäische Diskussion“, COM(2012) 777 final/2, S. 42. 30 Diese Sichtweise bei I. Pernice u. a., Die Krise demokratisch überwinden, 2012, S. 40: „Damit sind Reformen, die zu mehr Handlungsfähigkeit der EU führen, als Erfüllung demokratischer Verantwortung zu verstehen.”

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IV. Demokratietheoretische Argumentationsmuster und Vertrauen 1. Vertrauensbildung durch Erfahrung guten Regierens Vertrauen ist „soziales Kapital“. Es knüpft an Erfahrungen an. Insofern kann es nicht verwundern, dass demokratietheoretisches Nachdenken über repräsentative „governance“ immer die Bedeutung des „outputs“ betont. Vertrauensstiftung erfolgt durch Erscheinungen, die nach einer gängigen Formulierung als „output“-orientierte Legitimationsstrukturen bezeichnet werden können. Der Ausbau europäischer „governance“ in Richtung einer „echten Wirtschafts- und Währungsunion“ wird damit gerechtfertigt, dass nur so auf den Druck der Märkte reagiert werden könne. Den „Märkten“ könne nur durch geeintes und geschlossenes Handeln begegnet werden. Man beruft sich auch darauf, dass sich die Stellung Europas in der Welt nur durch Aufbau eines starken Gemeinwesens mit „einheitlichen Lebensverhältnissen“ sichern lasse. An die Stelle von Friedensprojektionen sind so inzwischen Machtund Einflussprojektionen getreten. Andere wiederum wollen die Idee der Sozialstaatlichkeit dadurch absichern, dass auf der Ebene der EU ein „soziales Europa“ mit sozialstaatlichen Ausgleichsbefugnissen errichtet wird. Schon seit langem wird argumentiert, dass die durch den Binnenmarkt entstandene Offenheit, die Wechselbeziehungen und Externalitäten ermögliche, Verhältnisse herbeigeführt habe, die das Tätigwerden eines europäischen Gesetzgebers erzwinge. Häufig findet sich auch das Argument, die bisherige Wirtschafts- und Währungsunion weise eine „Asymmetrie“ auf, die nur durch Aufbau supranationaler „Governance“-Strukturen und die Einrichtung einer „Wirtschaftsregierung“ bzw. einer „politischen Union“ bewältigt werden könne. Hier fließen funktionale und ästhetische Überlegungen zusammen. Allerdings ist in all diesen Ansätzen von demokratischer Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger regelmäßig nicht die Rede. Man hofft vielmehr, dass diese den Nutzen schon „vertrauensvoll“ einsehen werden. Gelegentlich wird dazu aufgerufen, durch die Bereitstellung neuer „Narrationen“ die Bürger gleichsam dabei zu überreden oder zu überlisten, in den neuen Formen der überstaatlichen Governance einen Ausdruck von „Selbstbestimmung“ zu erblicken. Blindes Vertrauen wird man in der Gesellschaft aufgeklärter Bürgerinnen und Bürger nicht erwarten können. Und der Versuch einer Manipulation wird Vertrauen zerstören. 2. Vertrauensstiftung durch Mitsprache und Kontrolle Demokratietheoretisches Denken kommt damit nicht umhin, sich mit den Steuerungs- und Kontrollmechanismen zu befassen, deren Existenz und Verwendung Voraussetzung für die Entfaltung von Vertrauen ist. Demokratie ist eine Regierungsform des Misstrauens. Sie beruht auch auf der Annahme, dass repräsentative Amtsträger Interessen und Wohl der Regierten ohne beständigen Input und beständige Kontrolle verfehlen werden, ja vielleicht sogar abirren. Die Existenz von Vorkehrungen, die

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Steuerung und Kontrolle ermöglichen, stiften institutionelles Vertrauen. Aus dieser Perspektive erweist sich die „governance“ des Europäischen Parlaments weiterhin als defizitär [nachfolgend a)]. Mit Blick auf den Deutschen Bundestag liegt die Problematik demgegenüber anders [nachfolgend b)]. a) Stärkung des Europäischen Parlaments: Gefahr eines Parlamentarismus ohne demokratisch-substanzielle Verwurzelung Vor allem in Brüssel ist inzwischen eine Argumention eingeübt, derzufolge mit dem Europäischen Parlament eine Institution zur Verfügung stehe, die nicht nur selbst demokratisch legitimiert sei, sondern die auch selbst (unbegrenzt) Legitimation stiften könne. Damit wird an die in Art. 9 ff. EUV vertraglich fixierte Integrationslogik angeknüpft. Es ist danach notwendig, aber auch hinreichend, dem Europäischen Parlament eine Mitentscheidungskompetenz bei der Wahrnehmung der überstaatlichen Entscheidungsbefugnisse zu geben, um so deren demokratische Legitimiertheit sicherzustellen. In dem Bericht, den der Präsident des Europäischen Rats Van Rompuy mit drei Kollegen zur Entwicklung einer „echten Wirtschaftsund Währungsunion“ verfasst hat, ist etwa die Rede davon, dass die demokratische Legitimation grundsätzlich immer auf der Ebene zu gewährleisten sei, auf der die Entscheidungszuständigkeit angesiedelt sei.31 Für Entscheidungen der EU-Organe Kommission, Rat und Europäischer Rat bedeutet dies, dass das Europäische Parlament die Legitimation beschaffen muss. In der Konsequenz dieses Ansatzes liegt es, Ähnliches auch dort zu fordern, wo die Mitgliedstaaten „ratsähnlich“ intergouvernemental miteinander kooperieren. Auffällig ist allerdings, dass auch diejenigen, die vom Paradigma der Legitimierung überstaatlicher Entscheidungen durch das Europäische Parlament ausgehen, häufig („sicherheitshalber“) den nationalen Parlamenten auch eine (allerdings unbestimmte) Rolle zuschreiben wollen. Die konzeptionellen Unklarheiten, die sich auf abstrakter Ebene schon in Art. 12 EUV finden,32 dringen häufig auch in konkrete Gestaltungsvorschläge ein. Aus der Perspektive eines vertrauenskulturorientierten Demokratieverständnisses erweisen sich diese Ansätze als ambitioniert, vielleicht sogar als brüchig. Denn das Europäische Parlament vermag zwar die Diskursivität, Transparenz und Offenheit parlamentarischer Verfahren in einen Entscheidungsprozess einzubringen. Die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, die die Unionsbürger haben, sind aber ungeachtet der Direktwahl beinahe vernachlässigbar. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass 31 Oben Fn. 17, S. 16: „One of the guiding principles is that democratic control and accountability should occur at the level at which the decisions are taken. The implementation of this guiding principle is key to ensuring the effectiveness of the integrated financial, budgetary and economic policy frameworks. This implies the involvement of the European Parliament as regards accountability for decisions taken at the European level, while maintaining the pivotal role of national parliaments, as appropriate.“ 32 Vgl. M. Nettesheim, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattkommentar, Art. 12 EUV (Stand 2012).

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bei Wahlen zum Europäischen Parlament im Wesentlichen eine große Koalition derjenigen kandidiert, die – schon im institutionellen Eigeninteresse – zunächst und vor allem an einem Ausbau der EU und einer Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments interessiert sind. Die genuine politische Wahlmöglichkeit ist damit gering, eine Sanktionierung der in einer Wahlperiode erfolgten Politik quasi ausgeschlossen. Auch wenn sich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ohne Zweifel abmühen, hat sich im Kreis der Unionsbürger bislang kein Erfahrungswissen herausgebildet, das zur Grundlage der Erwartung gemacht werden könnte, dass das Europäische Parlament „schwierige“ Entscheidungen – etwa verteilungspolitischer Natur – in einer akzeptablen Weise entscheidet. Um dies an einem Punkt zu illustrieren: In einer kleinen – nichtrepräsentativen – Umfrage des Autors dieser Zeilen haben beinahe alle Befragten die Erwartung geäußert, dass das Europäische Parlament sich zwar (mehrheitlich) zügig zur Einführung gemeinsamer Haftungsregime entschließen würde, zugleich aber (mehrheitlich) keinesfalls zur Einrichtung von Aufsichtsregimen bereit wäre, die zur effektiven Durchsetzung etwaiger Konditionalität befähigt sind. Auf diesem Hintergrund würde das Europäische Parlament im Prozess des Ausbaus europäischer Governance zwar das Element des Parlamentarismus einbringen können. Es handelte sich allerdings – akzentuiert ausgedrückt – um einen Parlamentarismus ohne demokratisch-substanzielle Verwurzelung. Es handelte sich um einen entkoppelten Parlamentarismus, dessen legitimationsstiftende Qualität nicht unbeachtlich wäre, wohl aber keinesfalls die mit dem weiteren Ausbau der Integration einhergehende Last zu tragen in der Lage wäre. Das Vertrauen der Bürger, das erforderlich ist, um Entscheidungen des Parlaments als „Selbstregierung“ der Bürger anzusehen, ist schlicht nicht da. Dass das Parlament der Idee nach majoritär entscheidet, trägt nicht zu einer Stärkung bei. Man kann es als eine Zuspitzung dieses Gedankens ansehen, wenn das BVerfG – allerdings vor dem Hintergrund einer willensbasierten Demokratietheorie – das ungleiche Stimmgewicht der Unionsbürger bei der Wahl zum Europäischen Parlament als delegitimierenden Faktor ansieht. Aus der hier entwickelten Perspektive würde man diesen Punkt anders formulieren: Das nur geringe Vertrauen in die Entscheidungskultur des Europäischen Parlaments wird weiter dadurch geschwächt, dass sich für „unterrepräsentierte“ Völker die Gefahr einer Majorisierung erhöht. Ohne Wissen um eine – einbindende und zügelnde – politische Praxis ist dies schwer erträglich. Eine derartige Praxis besteht angesichts der Tendenz der Mitglieder des Europäischen Parlaments, in einer Art „großer Koalition“ zunächst und vor allem Europa ausbauen zu wollen, aber nicht. b) Stärkung des Bundestages: Gefahr des entleerten Parlamentarismus Ich muss an dieser Stelle nicht im Einzelnen beschreiben, wie sich der vor allem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorangetriebene Gegenentwurf darstellt. Schon immer bedurfte es bei der Fortentwicklung der vertraglichen Grundlagen der EU der Zustimmung des Gesetzgebers (Art. 24 GG, seit Ende 1992: Art. 23

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Abs. 1 S. 2 GG). Das BVerfG hat die Informationsrechte des Bundestages in allen Angelegenheiten der Europäischen Union inzwischen deutlich gestärkt.33 Es hat auch bei der Fortentwicklung der EU unterhalb der Schwelle der Vertragsänderung Mitspracherechte des Gesetzgebers bzw. des Parlaments entwickelt. Die funktionale Rolle des Bundestages ändert sich auf dem Hintergrund der Karlsruher Rechtsprechung: Der Bundestag wirkt bei der begleitenden Aufsicht über die Geschäftstätigkeit des ESM im Wesentlichen in der Rolle eines mitgestaltenden Exekutivorgans.34 Aus der Perspektive eines vertrauenskulturorientierten Demokratieverständnisses erweist sich auch diese Lage als ambivalent. Einerseits ist das nationale Parlament ohne Zweifel ein Ort, in dem Entscheidungen getroffen werden können, die von einer generellen, über lange Zeiträume gewachsenen Vertrauenskultur getragen werden. Dass eine Entscheidung im Parlament getroffen wird, ist eingespielt; die Anwendung des Mehrheitsprinzips ist vertraut. Parlamentarischer Streit mag als solcher in manchen Kreisen der Bevölkerung verpönt sein; er weckt aber nicht die Sorge, in illegitimer Weise übervorteilt zu werden. Die Formulierungen einer idealistischen Demokratietheorie verstärken dies: Das Parlament wird als „Repräsentationsorgan des Volkes“ angesehen; es ist der Ort, in dem die Volkssouveränität besonders „greifbar“ sein soll. Der Modus des Politischen ist im Parlament besonders gut greifbar. Zugleich sind die Einwirkungsmöglichkeiten auf die entscheidenden Personen und deren Responsivität vergleichsweise hoch. Dem BVerfG gelingt es mit der Einschaltung des Bundestages, die Mitsprache eines Organs zu erzwingen, das sich im demokratischen Leben des Verfassungsstaats „bewährt“ hat. Ihm wird – vertrauensstiftend – eine Vetoposition eingeräumt. Demokratietheoretisch spielt dabei keine Rolle, dass es nicht um Gestaltung geht, sondern nur um die Billigung oder Verwerfung gubernativer Entscheidungen. Dies führt – hierauf ist schon hingewiesen worden – zu einer Funktionsverschiebung, die sich als Exekutivparlamentarismus bezeichnen lässt. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass es sich bei der Begleitung überstaatlicher „governance“ (etwa im Rahmen des ESM) nur zu häufig um einen Parlamentarismus ohne demokratisch-substanzielle Entscheidungsfreiheit handelt. Es lässt sich nicht von vorneherein ausschließen, dass es – wiederum akzentuiert ausgedrückt – zur Herausbildung von Erscheinungsformen eines zwar verwurzelten, aber entleerten Parlamentarismus kommt. Ungeachtet aller Bemühungen um Stärkung der parlamentarischen Stellung in frühen Entscheidungsphasen bleibt gerade in Krisenzeiten häufig nur die nachvollziehende Billigung des von der Gubernative Ausgehandelten. Die politische Entwicklung auf überstaatlicher Ebene eilt voran, das Parlament hechelt hinterher. Antizipierende Schritte sind angesichts der allgemeinen Arbeitslast des Parlaments und der Struktur

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Z. B. BVerfG, NVwZ 2012, S. 954 (Beteiligungsrechte des Bundestages). Vgl. im Einzelnen M. Zürn, Das Bundesverfassungsgericht und die Politisierung der Europäischen Union, in: C. Franzius/F. C. Mayer/J. Neyer (Hrsg.), Strukturfragen der Europäischen Union, 2010, S. 46 ff. 34

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überstaatlicher Entscheidungsprozesse nur mit großer Schwierigkeit möglich. Der „impact“ auf die Entwicklung in Brüssel ist nur zu häufig gering. V. Grenzen repräsentativer „governance“ – Übergang zur direkten Demokratie? Repräsentatives Regieren kann aus der hier entwickelten Perspektive nur als „Selbstregierung“ der Bürger angesehen werden, wenn es von Praktiken getragen wird, die vertrauensstiftenden „social capital“ generieren. Betroffene Bürger müssen das Vertrauen haben, dass die ihnen fremden Amtsträger keine Entscheidungen treffen, die ihre Ziele, Werte und Interessen in einer subjektiv nicht hinnehmbaren Weise beeinträchtigen. Aus normativer Sicht wird das Vertrauen beeinträchtigt, wenn Entscheidungen nicht unter Anerkennung des Prinzips der gleichen Freiheit aller begründbar sind. Empirisch ist zu beobachten, dass es nicht sofort zum Entzug der Akzeptanz kommt, wenn politische Entscheidungen gelegentlich irrational oder ungerecht ausfallen. Repräsentatives Regieren wird allerdings nur so lange als legitim akzeptiert werden, wie es nicht zu einer subjektiv nicht mehr akzeptablen Interessenbeeinträchtigung35 (etwa im Bereich sozialer Leistungen) kommt. In der Lissabon-Entscheidung hat das BVerfG den Versuch unternommen, Bereiche zu markieren, in denen staatliche Politik und Vertrauenskultur so sehr miteinander verwoben sind, dass eine Überantwortung in den überstaatlichen Raum hinein grundsätzlich – im normalen politischen Prozess – unzulässig sein soll. Dies soll selbst für eine parlamentarische Supermajorität (Art. 79 Abs. 2 GG) gelten. Das BVerfG hält die aufgeführten Bereiche als „besonders sensibel für die demokratische Selbstgestaltungsfähigkeit eines Verfassungsstaats“.36 Die vom BVerfG benannte Liste ist heterogen, lässt aber eine Grundwertung erkennen: Es handelt sich um Bereiche, in denen eine Majorisierung durch überstaatliche (mehrheitlich entscheidende) Institutionen unverträglich wäre. Das Gericht zählt hierzu etwa „die sozialstaatliche Gestaltung von Lebensverhältnissen“ oder „kulturell besonders bedeutsame Entscheidungen etwa im Familienrecht, Schul- und Bildungssystem oder über den Umgang mit religiösen Gemeinschaften.“ Wenn das BVerfG hierbei auf vehemente Kritik gestoßen ist, dann liegt dies teilweise an den Inhalten der Liste. Die Kritik richtet sich auch gegen die Annahme, es sei „die Verfassung“, die die material besonders sensiblen Bereiche fixiere; das BVerfG spreche zu Unrecht von „Verfassungsidentität“, wenn es die Identität der Mitglieder der politischen Gemeinschaft meine. Ein anderer Aspekt ist aus der hier interessierenden Perspektive von größerer Bedeutung. Das BVerfG thematisiert die Frage aus dem Blickwinkel der Entscheidungszuständigkeit von parlamentarischem Gesetzgeber oder dem nach Art. 146 GG verfassungsgebenden Volk. Danach 35 Empirisch-prognostisches Wissen besteht in der Frage, wann diese Grenze erreicht würde, kaum. 36 BVerfGE 123, 267 (359) (Lissabon).

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soll es dem plebiszitär-mehrheitlich entscheidenden Volk (oder auch einer Nationalversammlung) obliegen, darüber zu entscheiden, ob in den als besonders sensibel geltenden Bereichen eine „Unterwerfung“ unter die überstaatliche Gewalt erfolgen soll. Eingekleidet wird die Entscheidung in die Frage danach, ob das Grundgesetz durch eine neue Verfassungsordnung ersetzt werden soll; demokratietheoretisch übersetzt läuft dies auf die Frage hinaus, ob das souveräne deutsche Volk seine Selbstständigkeit aufgeben und „auf ewige Zeit“ in einem europäischen Volk aufgehen will. Damit bringt man sich in eine Position, aus der es keinen sinnvollen Ausweg gibt. Erstens: Dem vom BVerfG gewählten Ansatz liegt insofern die These zugrunde, dass die (materiale) Frage danach, wie „Governance“-Strukturen in dem europäischen Mehrebenensystem demokratietheoretisch ausgestaltet werden, durch plebiszitäre Entscheidung über die Verfassung beantwortet werden könnten. Das politischvolitive Element wird damit deutlich überschätzt. Wenn die politischen, sozialen oder kulturellen Gegebenheiten in einem bestimmten Sach- oder Lebensbereich eine Majorisierung der im Staat lebenden politischen Gemeinschaft durch überstaatliche Governance ausschließen, dann ändert sich dies durch eine plebiszitäre Zustimmung nicht grundsätzlich. Mit dem Grundsatz des volenti non fit iniuria lässt sich zwar formal die Legitimität des Übergangs rechtfertigen; selbst eine Volksabstimmung würde aber an den substanziellen Gegebenheiten nichts ändern. Die formale Legitimationswirkung der plebiszitären Entscheidung lässt sich im Übrigen in Zweifel ziehen. Geht das Plebiszit mit einer knappen Mehrheit aus, wäre die These, das „staatliche Volk“ hätte seiner Amalgamierung in einem „europäischen Volk“ zugestimmt, mit erheblichen Bedenken konfroniert. Zweitens: Der vom BVerfG gewählte Ansatz reformuliert die Frage, ob in einem spezifischen Sachbereich der Übergang in überstaatliche „Governance“-Strukturen demokratisch verträglich ist, in die Frage danach, ob das Grundgesetz ersetzt werden soll. Damit wird die Beantwortung eines substanziellen Problems in einer formal-institutionellen Entscheidungsalternative gesucht. Aus einem bereichsspezifisch zu führenden Diskurs wird unverhofft eine die Gesamtordnung erfassende Diskussion. Werden die Ergebnisse dieser Diskussion in eine neue Verfassung gegossen und zur plebiszitären Abstimmung gestellt, müssen die Bürger ein Gesamturteil treffen, in dem die Frage danach, ob man in dem spezifischen Bereich eine Unterwerfung unter überstaatliche „Governance“-Strukturen zu akzeptieren bereit ist, nur noch eine – möglicherweise untergeordnete – Teilbedeutung hat. Es könnte sein, dass eine Mehrheit der Bevölkerung der neuen Verfassung deshalb zustimmt, weil sie den nicht integrationsrelevanten Gehalten und Aussagen so große Bedeutung beimisst, dass die gleichzeitig zur Entscheidung stehenden integrationspolitischen Weichenstellungen als minderes Übel geschluckt werden. Der Ansatz des BVerfG mündet damit in eine Entscheidungslage, in der nicht zu erkennen ist, inwieweit der Ausbau der Integration auch isoliert zustimmungsfähig wäre. Die Antwort auf die Frage, wie eine demokratische Kompetenz- und Verfahrensordnung in der Entstehung eines föderalen Europas aussieht, lässt sich nicht dadurch lösen, dass – irgendein – politisch ausgehandelter Verfassungstext plebiszitär legitimiert wird. Bei geschickter po-

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litischer Vorgehensweise lässt sich so auch ein „Facadenplebiszit“ organisieren. Das BVerfG operiert mit einer institutionellen Entweder-Oder-Kategorie, die dem Problem der – immer nur bereichsspezifisch bewertbaren – demokratischen Bewertung von „Governance“-Strukturen zwischen Fremd- und Selbstregierung nicht gerecht wird. Die Gründe, die das BVerfG zu dieser Problemverschiebung veranlasst, liegen auf der Hand. Eine zentrale Rolle spielt der Gebrauch idealistischer Legitimationskonstruktionen. Schreibt man dem Volk Volkssouveränität zu, die sich über die Verfassungsgebung und die Wahl des Parlaments materiell im staatlichen Entscheidungsprozess realisiert, dann geht es im Konkurrenzverhältnis mit überstaatlichen Entscheidungsträgern in der Tat um einen „Alles-oder-nichts“-Konflikt zwischen nationaler Volkssouveränität und der Souveränität der die Europäische Union tragenden Menschen. Legitimationskonstruktionen sind allerdings keine Entscheidungsmaßstäbe. Werden solche idealisierenden Konstruktionen in dogmatische Aussagen über Entscheidungskompetenzen und -verfahren umformuliert, dann verkennt man ihre Funktion und die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Es geht in der Herausbildung einer Föderation um Übergangsprozesse, in denen die Thematisierung des idealisierenden Entweder-Oders (nationale Volkssouveränität – europäische Volkssouveränität) nicht sinnvoll ist.37 VI. Von der Notwendigkeit der Schaffung vertrauensstiftender Arrangements Wenn repräsentative Demokratie vor allem mit Vertrauen zu tun hat, dann muss es im Prozess der Krisenbewältigung nicht nur darum gehen, sachgerechte Lösungen zu finden. Deren Formulierung reicht selbst dann nicht aus, wenn man ritualisiert hinterher schickt, dass deren Implementierung irgendwie legitimatorisch abgesichert werden müsse. Ihre Qualität als Elitenprojekt hat die Integrationspolitik bislang nicht verloren. In einer Phase, in der es um die entschiedene und zügige Bewältigung einer Krise geht, bleibt nur wenig Raum, bislang Verpasstes nachzuholen. Offenkundig war es nach dem Ausbruch der Euro-Krise 2009 nicht möglich, so gemächlich vorzugehen, dass der Bevölkerung die Zeit geblieben wäre, durch Beobachtung, Abschätzung der Wirkungen und Herausbildung Vertrauen in die repräsentativ vorangetriebenen Lösungen zu entwickeln. Für die Herausbildung einer Vertrauenskultur gab es weder prozedural (man wählte grundsätzlich neue Entscheidungsforen) noch substanziell (Garantiemechanismen und die später hinzukommene Nachhaltigkeitsarchitektur waren in ihrer Wirkung und in ihren Folgen letztlich kaum abschätzbar) hinreichende 37 Skeptisch auch P. Graf Kielmansegg, Grenzüberschreitungen, in: R. T. Baus u. a. (Hrsg.), Die Finanzkrise als juristische Zeitenwende? Zur Zukunft von Europäischer Integration und Grundgesetz, 2012, S. 137. Allgemein zur Diskussion: M. Nettesheim, Wo endet das Grundgesetz? Der Staat 2012, S. 313.

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Anknüpfungspunkte. Es galt, in einer historisch einzigartigen Situation Arrangements zu entwickeln, die eine Stabilisierung der vom Zusammenbruch bedrohten Mitgliedstaaten der Währungsunion bewirkten. Dabei durchliefen auch die repräsentativ entscheidenden Amtsträger einen Lernprozess. Vertrauensstiftend konnte es nicht sein, die nationalen Regierungen im Zweifel über die Effektivität ihrer Krisenbewältigungspolitik zu sehen. Mehr noch: Bekanntlich wird über die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens gestritten. Vielfach wird die Krisenbewältigungspolitik als Politik begriffen, die – quasi auf einer Metaebene – auch noch das Vertrauen in die Bindungswirkung des Rechts gerade in Krisenzeiten verletzt hat.38 Ruft man sich in Erinnerung, dass die Domestizierung der Macht durch das Recht eine der elementaren Voraussetzungen für legitime repräsentative Herrschaft in einer Demokratie ist, dann wiegt diese Einbuse sehr schwer. Selbst wenn man diese Sichtweise nicht teilt, wird man einräumen müssen, dass jedenfalls politisch die Erwartung bestand, dass die Mitgliedstaaten in Krisenzeiten ihren fiskalpolitischen Eigenstand nicht aufgeben würden.39 Diese Erwartung musste aufgegeben werden. Krisenzeiten sind regelmäßig keine Zeiten, in denen Vertrauensbildungsprozesse erfolgreich durchlaufen werden könnten. Gleichwohl muss es – nicht nur über das Bemühen um Entschleunigung – darum gehen, in der Bevölkerung das Vertrauen zu stärken, dass die Krise nicht zum Anlass oder zum Vorwand genommen wird, politische Entscheidungen über die Vertiefung der Integration zu treffen, die so den politischen Willen der über sich selbst bestimmenden Gemeinschaft zu überspannen drohen. Die Integrationsskepsis der Bürgerinnen und Bürger könnte andernfalls weiter zunehmen. Leider hat man nicht immer den Eindruck, dass diese Einsicht überall angekommen ist. Immer wieder hört man Stimmen, die ein munteres „Jetzt erst recht – und umso schneller“ verkünden. Der fatale Eindruck, die Entwicklung müsse immer weiter gehen und nichts könne sie stoppen, wird sich so weiter verstärken und in unkontrollierte Abwehrreaktionen umschlagen. Es ist schon mehr als verwunderlich, dass zwar allgemein eingeräumt wird, dass die in der Krise geschaffenen Überwachungs- und Haftungsstrukturen an einem Legitimitätsdefizit leiden. Gleichwohl rufen etwa Guy Verhofstadt und Daniel Cohn-Bendit auf, „eine umfassende Umwälzung: die Gründung einer echten föderalen Union mit supranationalen europäischen Institutionen“ zu bewerkstelligen.40 Die Hoffnung, mit der Herbeiführung eines „constitutional moments“41 die für diese Schritte notwendigen Legitimationsressourcen zu beschaffen, erweist sich als illusionär.

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S. 1.

P. Kirchhof, Stabilität von Recht und Geldwert in der Europäischen Union, NJW 2013,

39 Politisch war die Währungsunion immer mit der Idee mitgliedstaatlichen Selbststands verbunden. 40 G. Verhofstadt/D. Cohn-Bendit, For Europe! Manifesto for a Postnational Revolution in Europe, 2012. 41 Gedacht ist dabei etwa an eine pan-europäische Diskussion und Abstimmung über einen durch einen Konvent ausgearbeiteten (neuen) Verfassungsentwurf.

Demokratische Legitimation und Vertrauenskultur

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Richtig wäre es vielmehr, in der Weiterentwicklung der europäischen „Governance“-Strukturen institutionelle Facetten einzubauen, die die Erwartung wecken, dass es nicht zu einer unkontrollierten – verstärkt vertrauenserschütternden – Entwicklung kommt. Das BVerfG hat mit seinen Bemühungen, den Gesetzgeber bzw. das Parlament als zustimmungspflichtige Kontrollinstanz in das Institutionenarrangement einzubauen, einen Schritt unternommen, der sich noch in den Denkkategorien horizontaler Kontrolle repräsentativen Entscheidens bewegt. Die jetzt diskutierte Einführung von „Hybridparlamenten“, die sich aus nationalen und europäischen Abgeordneten zusammensetzen, würde in eine ähnliche Richtung gehen – die dabei entstehende Intransparenz erscheint nicht gerade vertrauensstiftend. Von wesentlicher Bedeutung ist aber vor allem, ob es nicht sinnvoll wäre, zum Zwecke der Vertrauensstiftung bestimmte Schritte der Fortentwicklung der Europäischen Union dem Erfordernis einer plebiszitären Zustimmung zu unterwerfen – ohne dass dies mit Art. 146 GG in Zusammenhang stünde. Ich hielte dies für sinnvoll. Die Frage wäre allerdings, ob das BVerfG in rechtsfortbildender Weiterentwicklung von Art. 23 GG ein derartiges Arrangement entwickeln könnte, oder ob es eine diesbezügliche Verpflichtung der Politik anmahnen und geltend machen müsste, dass die Fortschreibung des EU-Vertragsrechts ohne derartige Absicherung aus der Perspektive von Art. 20 Abs. 2 GG an Grenzen stößt. Angesichts einer Praxis, die auf einen doch recht freizügigen Umgang mit dem Text des Grundgesetzes hinausläuft, und angesichts anderer „Erfindungen“ des BVerfG würde das Gericht seine funktionalen Grenzen sicherlich nicht überschreiten, wenn es selbst eine entsprechende Anordnung träfe. Offenkundig bestehen in der Frage, wann eine derartige Verschiebung der Entscheidungszuständigkeit erfolgen soll, in materialer Hinsicht erhebliche Unsicherheiten. Die Auffassung, unwichtige Entscheidungen ließen sich repräsentativ entscheiden, wichtige müssten demgegenüber plebiszitär entschieden werden, ist offenkundig unrichtig – auch wenn sie immer wieder geäußert wird. Ein derartiges Kriterium kann schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil regelmäßig unklar ist, wonach sich die Wichtigkeit einer Entscheidung richten soll. In einem pluralistischen Gemeinwesen werden hier je nach Perspektive und Interesse sehr unterschiedliche Antworten gegeben werden können. Schließlich hat sich die grundgesetzliche Ordnung gerade auch dadurch bewährt, dass die Repräsentativorgane weitreichendwichtige Entscheidungen getroffen haben. Ebenso wenig kann es richtig sein, dass ein Ebenenübergang der Entscheidungszuständigkeit dann verlangt wird, wenn man inhaltlich mit den getroffenen Entscheidungen unzufrieden ist. Repräsentatives Regieren ist nicht nur eine Art „Schönwetter“-Regierungsform, der man die Legitimität entziehen kann, wenn man inhaltlich nicht einverstanden ist. Aus einer Perspektive, der es vor allem um die Sicherung des Vertrauens geht, muss es daher um die Definition von Bereichen gehen, in denen die nationalstaatlichen Zusammenhänge nicht durch Vergemeinschaftung zerrissen werden dürfen.

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Man wird hierzu die Entscheidung zählen müssen, ob weitreichende gemeinsame Haftungs- oder Transfersysteme mit dauerhafter Bedeutung geschaffen werden sollen. Anders als es das BVerfG in seiner Entscheidung vom 7. September 201142 annimmt, handelt es sich hierbei nicht um einen Schritt, der sich im Tabubereich demokratischer Politik unter dem Grundgesetz bewegt, ohne weiteres aber im Rahmen einer Verfassungsneugebung legitimiert werden könnte. Notwendig ist vielmehr, dass über diese Frage konkret abgestimmt wird. Dieser Schritt wäre im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung zu unternehmen. Anders als etwa bei der Errichtung des Binnenmarktes (hier liegt eine Win-win-Situation vor) oder bei den gesamtwirtschaftlich mindergewichtigen Transfermechanismen agrar- und strukturpolitischer Art, tauchen hier grundsätzliche Fragen des Umgangs mit Wohlstand auf. Immer wieder meint man, diesbezüglich mit paternalistischem Habitus den Bürgerinnen und Bürgern aus angeblich wohlverstandenem Eigeninteresse „Solidarität“ abverlangen zu können. Das Vertrauen in die Funktionsweise der Demokratie würde eher gestärkt, wenn in diesen Fällen – aufgeklärte – Bürgerinnen und Bürger nach ausführlicher Diskussion selbst entscheiden dürften. Wer meint, dass entsprechende Aufkärungs- und Überzeugungsarbeit nicht zu leisten ist, wird schwerlich rechtfertigen können, dass entsprechende Entscheidungen repräsentativ getroffen werden.

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BVerfGE 129, 124 (Griechenlandhilfe).

Die Europäische Union als Grundrechte-Union

Europäischer Grundrechtsschutz und nationale Identität Eckart Klein „Ehre wem Ehre gebührt.“ Ich freue mich daher sehr, dass ich zu diesem Forschungssymposium zu Ehren meines Kollegen und Freundes Siegfried Magiera beitragen darf, den ich nicht nur seit langem kenne, sondern mit dem mich auch das Projekt unseres Handkommentars zum EU- und EG-Vertrag verbunden hat. Nun gilt zwar auch für dieses Werk, dass nicht alle Blütenträume reifen, aber dass wir uns damals gemeinsam mit Kay Hailbronner und Peter-Christian Müller-Graff ans Werk machten,1 zeigt, wie die Faszination, die das europäische Einigungswerk auf unsere Generation ausgeübt hat und weiter ausübt, auch uns ergriffen hatte. Es ist in diesem Sinn, dass ich die folgenden Überlegungen vortragen möchte. I. Einführung Man mag durchaus auf den Gedanken kommen, dass das Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) eine neue Ära der europarechtlichen Durchdringung des mitgliedstaatlichen Rechts eingeläutet hat.2 Dies gibt meinem Thema gleich zu Beginn eine konfliktträchtige Note, die den europäischen Grundrechtsschutz als Bedrohung der nationalen Identität im Sinne von deren Einebnung versteht. Allerdings hoffe ich mit meinen Ausführungen zu zeigen, dass das wirkliche Konfliktpotential aus vielerlei Gründen beschränkt ist. Ich möchte mein Thema in drei Abschnitten behandeln. Zunächst werde ich kurz den gegenwärtigen Stand des europäischen Grundrechtsschutzes beschreiben, worunter ich den sich durch das und in dem Unionsrecht auswirkenden Grundrechtsschutz verstehe. Auf die ohnedies allgemein bekannte Entwicklung dieses Schutzes kann ich nicht eingehen, doch sind einige aktuelle Aspekte und Probleme hervorzuheben, auf die im dritten Abschnitt zurückzukommen ist. Zuvor jedoch sind, zweitens, einige Bemerkungen zu Begriff, Inhalt und Bedeutung der nationalen Identität zu machen, welche die Union zu achten hat. Schließlich sind, drittens, die Ein- und 1

K. Hailbronner/E. Klein/S. Magiera/P.-Ch. Müller-Graff, Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union (EUV/EGV), Loseblattkommentar, letzte Lieferung 1998. 2 So die Frage von T. von Danwitz, Aktuelle Entwicklungen im Grundrechtsschutz der Europäischen Union, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 669 (670); vgl. auch E. Pache/ F. Rösch, Die neue Grundrechtsordnung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2009, S. 769 ff.

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Auswirkungen des europäischen Grundrechtsschutzes auf die nationale Identität und vice versa zu behandeln. II. Der europäische Grundrechtsschutz Der europäische Grundrechtsschutz hat aus heutiger Sicht ein beachtliches Niveau erreicht. Es gibt kaum ein im allgemeinen Diskurs als Grundrecht verstandenes Recht, angefangen mit der Menschenwürde,3 das sich nicht auch auf der europäischen Ebene wiederfände. Schutzumfang und Schutzintensität sind hoch. Es trifft freilich leider zu, dass dieselbe Aussage nicht im Hinblick auf alle Mitgliedstaaten getroffen werden kann. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass kürzlich von einer wissenschaftlichen Stimme aus den USA kritisch vermerkt wurde, dass die Anfang der 50er Jahre im Rahmen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) geplante Grundrechtsüberwachung deutlich über den jetzigen Stand der Einflussnahme der Union auf die Mitgliedstaaten hinausgegangen sei.4 1. Fundamente des heutigen Grundrechtsbestandes a) Charta der Grundrechte der Europäischen Union Die Europäische Grundrechte-Charta bietet seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 die zentrale Grundlage des unionalen Grundrechtsschutzes.5 Ihre Bedeutung und ihr Rang werden in Art. 6 Abs. 1 EUV besonders herausgestellt. Für den uns interessierenden Kontext sei hervorgehoben, dass die Charta in ihrem Titel Veine Reihe wichtiger „Bürgerrechte“ aufführt, wie Wahlrecht zum Europäischen Parlament, Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht sowie Petitionsrecht, alles Rechte, die mit Ausnahme des Rechts auf eine gute Verwaltung (nur) den Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern garantiert sind. Implizit ist damit der Unionsbürgerstatus als solcher (Art. 20 AEUV) mit gewährleistet. Im Übrigen handelt es sich bei den Grundrechten der Charta um allen Personen zustehende Rechte (sog. Menschenrechte). In der zweiten Präambel-Erwägung werden diese Aspekte etwas verwischt, wenn gesagt wird, dass die Union „den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns (stellt), indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet“.

3 Vgl. hierzu EuGH, Rs. C-36/02 (Omega), Slg. 2004, I-9609 Rn. 33 ff.; dazu J. Ziller, Die Konstitutionalisierung der Grundrechte-Charta und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 1015 (1028). 4 G. de Búrca, The Road Not Taken: The European Union as a Global Human Rights Actor, AJIL 2011, S. 649 (658 ff.; 673 ff.); vgl. auch Ch. Berthold, Die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) 1953 und die Europäische Union (EU) 2001, 2003, S. 232 f. 5 Zum Verständnis der Charta grundlegend S. Magiera, Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, DÖV 2000, S. 1017 ff.

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Der primäre Adressat der Charta sind die Union, ihre Organe und Einrichtungen, aber es ergeben sich unter bestimmten Voraussetzungen auch Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten. Dem ist später noch näher nachzugehen. Nur hingewiesen sei hier darauf, dass das Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Charta auf Polen und das Vereinigte Königreich sowie die die Tschechische Republik betreffende Erklärung keineswegs bedeuten, diese Staaten seien von der Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen der Charta freigestellt und die nationalen Gerichte seien gehindert, für die Einhaltung dieser Vorschriften zu sorgen.6 Der Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes in der Union droht deshalb aus dieser Richtung schwerlich ernsthafte Gefahr.7 b) Allgemeine Rechtsgrundsätze als Teil des Unionsrechts Eine zweite, in der rechtlichen Entwicklungslinie allerdings die erste, Basis des für die Union maßgeblichen Grundrechtsschutzes bietet Art. 6 Abs. 3 EUV. Danach sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet sind und sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Obgleich dies im Unterschied zu Absatz 1 nicht ausdrücklich gesagt wird, handelt es sich bei diesen Rechten nicht nur um einem Optimierungsgebot unterliegende Prinzipien, sondern, kommen sie zur Anwendung, um subjektive Rechte, die ebenfalls im Rang von Primärrecht stehen. Zur Begründung kann dabei auch auf Art. 2 EUV und den 5. Erwägungsgrund der Charta-Präambel hingewiesen werden. Es ist verständlich, dass die aus den Verfassungstraditionen geschöpften Grundrechte mit der Formulierung der Grundrechte-Charta ihre frühere überragende Bedeutung eingebüßt haben, aber es wäre falsch, diese Rechtserkenntnisquelle zu vernachlässigen, die sich möglicherweise als entwicklungsoffener erweisen kann als fixierte Grundrechtskataloge. Dies gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH) die in wertender Rechtsvergleichung gewonnenen Rechtsgewährleistungen nicht allen Mitgliedstaaten gemeinsam sein müssen, sondern nur von den nationalen Rechtsordnungen nicht strikt abgelehnt werden dürfen (ordre public).8 Ungeachtet der fehlenden Erwähnung in Art. 6 Abs. 3 EUV müssen auch

6 EuGH, verb. Rs. C-411/10 und C-493/10 (N. S. u. a.), Urt. v. 21. 12. 2011. Vgl. auch J. Ziller, Die Konstitutionalisierung der Grundrechte-Charta und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 1015 (1028 ff.). 7 E. Pache/F. Rösch, Die neue Grundrechtsordnung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2009, S. 769 (783 f.). 8 Zur wertenden Rechtsvergleichung immer noch lesenswert: K. Meessen, Zur Theorie allgemeiner Rechtsgrundsätze des internationalen Rechts: Der Nachweis allgemeiner Rechtsgrundsätze des Europäischen Gemeinschaftsrechts, JIR 1974, S. 283 ff.; dazu E. Klein, Die materielle Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für das Europäische Gemeinschaftsrecht, in: H. Mosler/R. Bernhardt/M. Hilf (Hrsg.), Grundrechtsschutz in Euro-

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die neben der EMRK bestehenden gemeinsamen internationalen Verpflichtungen berücksichtigt werden, um zu einer zutreffenden Einschätzung der grundrechtlichen Gesamtlage zu kommen.9 Darauf weist der bereits zitierte 5. Erwägungsgrund zur Charta-Präambel deutlich hin. Freilich ist zu konstatieren, dass der Gerichtshof nur relativ selten auf solche außerhalb der EMRK existierenden Verbürgungen zugreift.10 Eher tragen die Generalanwälte allen relevanten Stoff zusammen.11

c) Europäische Menschenrechtskonvention Obwohl die EMRK in Art. 6 Abs. 3 EUV in einem Atemzug mit den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten genannt ist, kann sie doch nicht über denselben rechtlichen Leisten geschlagen werden. Dies folgt mittlerweile schon aus Art. 52 und 53 GRC, war aber bereits zuvor immer deutlicher geworden, auch wenn die EMRK-Rechte verbal als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsbzw. des Unionsrechts charakterisiert werden. Die Rechtsprechung des EuGH zeigt seit langem, dass die EMRK-Rechte tel quel angewendet werden. Nach dem Inkrafttreten der Grundrechte-Charta wird nach Ermittlung der einschlägigen Charta-Bestimmung die entsprechende Vorschrift der EMRK ausfindig gemacht und an diesem Maßstab Tatbestand, Eingriffsmöglichkeit und Rechtfertigung geprüft, wobei der Sache nach die EMRK-Garantie selbständig angewendet wird.12 Unabhängig von dem noch fehlenden Beitritt zur EMRK sind die in ihr enthaltenen materiellen Gewährleistungen einseitig in das Unionsrecht inkorporiert worden13 und können, ja müssen daher sogar als solche angewendet werden, ohne dass es prinzipiell nötig wäre, aus ihrem Rechtsgrundsatzcharakter den konkreten Rechtsgehalt zu ermitteln. Bereits 1995 hat Rodriguez Iglesias festgestellt, „daß der Gerichtshof die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention unabhängig von der theoretischen Erklärung ihrer rechtlichen Bedeutung als Element für die Ermittlung von allgemeinen

pa, 1977, S. 133 (138 ff.). Neuerdings H.-W. Rengeling, Entwicklungen allgemeiner Rechtsgrundsätze in der Europäischen Union, in: Festschrift für Meinhard Schröder, 2012, S. 271 ff. 9 E. Klein, Die Grundrechtsgesamtlage, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 389 ff. 10 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-374/87 (Orkem), Slg. 1989, 3283 (3350); Rs. C-249/96 (Grant), Slg. 1998, I-621 Rn. 44 ff.; Rs. C-540/03 (Parlament/Rat), Slg. 2006, I-5769 Rn. 35; ferner E. Klein, Die Erweiterung des Grundrechtsschutzes auf die universelle Ebene – Auswirkungen auf den Grundrechtsschutz in Europa, in: K. Kreuzer/D. Scheuing/U. Sieber (Hrsg.), Europäischer Grundrechtsschutz, 1998, S. 39 (52 ff.). 11 Vgl. etwa Schlussanträge GAin E. Sharpston, Rs. C-34/09 (Ruiz Zambrano), Slg. 2011, I-1177 Nr. 9 ff. 12 Vgl. nur EuGH, Rs. C-400/10 PPU (McB), Slg. 2010, I-8965 Rn. 6 f.; verb. Rs. C-92/09 und C-93/09 (Schecke u. a.), Slg. 2010, I-11063 Rn. 59 ff. 13 E. Klein, Dogmatische und methodische Überlegungen zur Einordnung der Europäischen Menschenrechtskonvention in den Grundrechtsfundus der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Albert Bleckmann, 2007, S. 257 (262 ff.).

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Rechtsgrundsätzen in der Tat als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts anwendet“.14 Heute kann dies anhand der Rechtsprechung des EuGH klarer denn je nachvollzogen werden.15 Der Beitritt zur EMRK wird dem die formale vertragliche Rechtsbindung der Union hinzufügen, was für die Mitgliedstaaten außer ihrer eigenen Konventionsbindung die zusätzliche Bindung an die EMRK-Garantien als Bestimmungen eines von der EU abgeschlossenen Vertrages (Art. 216 Abs. 2 AEUV) neben der schon bestehenden Wirkung als inkorporiertes Unionsrecht bedeutet.16 2. Grundfreiheiten und Grundrechte Sieht man in der Union im Einklang mit Art. 2 EUV eine Wertegemeinschaft,17 kann man sich der Frage nach dem Verhältnis der Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu den Grundrechten kaum entziehen. Die Antwort hierauf wird nicht dadurch einfacher, dass es nicht schwerfällt, auch in den Grundfreiheiten Grundrechtselemente zu erkennen, und eine rechtliche Überordnung der Grundrechte-Charta durch ihre ausdrücklich angeordnete Gleichrangigkeit mit den Verträgen ausgeschlossen ist (Art. 6 Abs. 1 2. HS EUV). Für die anderen Grundrechtsgarantien im Sinn von Art. 6 Abs. 3 EUV kann nichts anderes gelten. Immerhin verdient es Beachtung, wenn die Generalanwältin Stix-Hackl es in ihren Schlussanträgen zum Fall Omega 2004 als „diskussionswürdig“ bezeichnete, „ob man angesichts der im Allgemeinen von den Grund- und Menschenrechten geschützten fundamentalen Rechtsgüter, des Selbstverständnisses der Gemeinschaft als auf die Achtung dieser Rechte gegründete Gemeinschaft und vor allem im Hinblick auf die nach heutigem Verständnis wohl notwendige Rückbindung an den Menschenrechtsschutz als Legitimitätsvoraussetzung jeglichen Staatswesens, den Grund- und Menschenrechten einen gewissen Wertvorrang vor ,allgemeinem‘ Primärrecht einräumen könnte“.18 Der EuGH hat sich diese Sichtweise bislang nicht zu eigen gemacht, sondern eher nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz in den keineswegs häufigen Konfliktfällen primärrechtlicher Garantien eine abwägende, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Lösung gesucht.19 Dies erlaubt es ihm über14 G. Rodriguez Iglesias, Zur Stellung der Europäischen Menschenrechtskonvention im europäischen Gemeinschaftsrecht, in: Festschrift für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1269 (1275). 15 Vgl. oben Fn. 12. 16 E. Klein, Das Verhältnis des Europäischen Gerichtshofs zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/I, 2010, § 167 Rn. 68 f. 17 Vgl. Ch. Calliess, Europa als Wertegemeinschaft – Integration und Identität durch europäisches Verfassungsrecht?, JZ 2004, S. 1033 ff. 18 Schlussanträge GAin Ch. Stix-Hackl, Rs. C-36/02 (Omega), Slg. 2004, I-9609 Nr. 50. Dazu E. Klein/M. Breuer, Ein Vorschlag zur Erneuerung des Identifikationsangebots der Europäischen Union – Leitlinien für eine künftige europäische Verfassungsentwicklung, in: H. Bücking/E. Jesse (Hrsg.), Deutsche Identität in Europa, 2008, S. 203 (213 ff.). 19 L. Manthey/C. Unseld, Grundrechte vs. „effet utile“ – Vom Umgang des EuGH mit seiner Doppelrolle als Fach- und Verfassungsgericht, ZEuS 2011, S. 323 (329 ff.), meinen, dass

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dies, ohne den Vorrang der Grundrechte offen zu betonen, die Grundrechtswahrung fest im Auge zu behalten.20 Wir werden freilich sehen, dass die Anerkennung der Grundrechte als eines Kernelements der Union auch in jüngster Zeit Anlass gab, weiterreichende Folgerungen zu diskutieren. III. Nationale Identität Der Begriff der nationalen Identität der Mitgliedstaaten, welche die Union nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV zu achten hat, kann und muss in unserem Zusammenhang, unabhängig von einem sozialwissenschaftlich-philosophischen Identitätsbegriff,21 auf seine rechtliche Bedeutung heruntergebrochen werden. Dies ist umso eher möglich, als in Deutschland – und ich kann mich hier nur mit der nationalen Identität der Bundesrepublik Deutschland befassen22 – nationale Identität weitgehend, wenngleich nicht vollständig, mit Verfassungsidentität gleichgesetzt wird. Verfassung kann ja in der Tat Identität stiften.23 Die Identitätsklausel, die erstmals durch den Maastrichtvertrag von 1992 eingeführt wurde, ist ebenso wie der in Deutschland zeitgleich geänderte Art. 23 GG als neue Grundlage der deutschen Integrationsgewalt Ausdruck nationaler, vielleicht besser: staatlicher Selbstbehauptung gegenüber einer befürchteten Überwältigung durch die Europäische Union. Dass diese Ängste nicht ganz aus der Luft gegriffen sind, zeigen Stichworte wie Österreich (Haider), Ungarn (Orbáns Verfassungsreform) und Griechenland (Staatsschuldenkrise), wobei sich diese Fälle nicht nur im Hinblick auf den Grad der Involvierung der Union durchaus unterscheiden. Jedenfalls erkennt mit Art. 4 Abs. 2 EUV die Union einen Verfassungspluralismus an, der das verfassungsrechtliche Proprium jedes Mitgliedstaates, das mit den Verfassungsprinzipien der anderen Staaten eben nicht notwendig übereinstimmen muss,24 schützt. der EuGH seiner Aufgabe als Grundrechtsschützer eher nachkommt, wenn er nicht gleichzeitig mit Fragen der Durchsetzung der Wirksamkeit von unionalen Rechtsakten konfrontiert ist. 20 Dazu auch J. Ziller, Die Konstitutionalisierung der Grundrechte-Charta und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 1015 (1017 f.). 21 Hierzu J. Engelbrecht/P. Stekeler Weithofer, Identifizierung/Unterscheidung, in: H. Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. 2, 2010, S. 1057 ff.; S. Dhouib, Identität/Diversität, in: ebd., S. 1062 ff. 22 Zu Frankreich vgl. etwa M. Walter, Integrationsgrenze Verfassungsidentität – Konzept und Kontrolle aus europäischer, deutscher und französischer Perspektive, ZaöRV 2012, S. 177 (184 ff.). Ausführungen zur polnischen Verfassungsidentität bei: Verfassungsgericht der Republik Polen, Urt. v. 24. 11. 2010 (Az. K 32/09 – Lissabon), EuGRZ 2012, S. 172 (179 f.). 23 A. von Bogdandy, Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, VVDStRL 2003, S. 156 (164, 170). 24 Vgl. EuGH, Rs. C-208/09 (Sayn-Wittgenstein), Slg. 2010, I-13693 Rn. 83 ff. Mit dem Begriff der Identität ist immer auch eine Abgrenzung zu dem „anderen“ verbunden,

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Auch wenn „nationale Identität“ ein unionsrechtlicher Begriff ist, so ist er doch primär, soll er seine Funktion erfüllen, auf die Ausfüllung durch das Selbstverständnis der Mitgliedstaaten angelegt.25 Dies umgreift deren Staatlichkeit als völkerrechtsunmittelbare, nicht mediatisierte Einheiten26 und als Inhaber der Kompetenz-Kompetenz.27 Erfasst sind ferner die territoriale Integrität und die grundlegenden politischen und rechtlichen Strukturen der Mitgliedstaaten, etwa der republikanischen Staatsform, wie es der EuGH ausdrücklich im Fall Sayn-Wittgenstein anerkannt hat, aber auch der Schutz der offiziellen Landes- und Amtssprache28 sowie der staatlichen Symbole.29 Die Inhalte der nationalen Identität präsentieren sich hier als Abwehrpotential gegen Kompetenzübergriffe der Union auf der europäischen Ebene.30 Die Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts von der nationalen (deutschen) Identität ist mit fortschreitender Integrationsentwicklung immer stärker akzentuiert worden. In der Zeit bis einschließlich der „Solange II“-Entscheidung wurde der folgende Satz aus „Solange I“ nur unwesentlich variiert. Art. 24 GG gestatte nicht, die Gemeinschaftsverträge so zu ändern, dass dadurch „die Identität der geltenden Verfassung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in die sie konstituierenden Strukturen“ aufgehoben würde;31 konkretisierend wurde später hinzugefügt, dass ein dazu E.-W. Böckenförde, Die Nation – Identität in Differenz, in: K. Michalski (Hrsg.), Identität im Wandel. Castelgandolfo-Gespräche 1995, S. 129 (134 f.). 25 A. von Bogdandy/S. Schill, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattkommentar, Art. 4 EUV Rn. 13 (Stand 2011); A. Haratsch, Wechselwirkungen zwischen deutscher und europäischer Identität – Ausdruck von Eigenständigkeit und Gemeinsamkeit, in: H.-J. Bücking/E. Jesse (Hrsg.), Deutsche Identität in Europa, 2008, S. 175 (184); A. Puttler, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rn. 15 und 22. Die Auslegung ist aber dem EuGH nicht vollständig entzogen. Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht jede verfassungsrechtliche Besonderheit geltend gemacht werden kann, sondern nur solche, die für das jeweilige politische System konstituierend sind; so etwa R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rn. 14. 26 E. Klein, Auf dem Weg zum „europäischen Staat“? in: D. Holtmann/P. Riemer (Hrsg.), Europa: Einheit und Vielfalt. Eine interdisziplinäre Betrachtung, 2001, S. 261 (278). 27 R. Streinz, Der Kontrollvorbehalt des BVerfG gegenüber dem EuGH nach dem LissabonUrteil und dem Honeywell-Beschluss, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 963 (968). Von einer bloßen „Fiktion“ kann daher wohl nicht die Rede sein; skeptisch aber K. Doehring, Die nationale „Identität“ der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Festschrift für Ulrich Everling, Bd. I, 1995, S. 263 (264 ff.). 28 Dazu EuGH, Rs. C-391/09 (Runevicˇ Vardyn und Wardyn), Urt. v. 12. 5. 2011 Rn. 86 f. und Rs. C-51/08 (Kommission/Luxemburg), Urt. v. 24. 5. 2011 Rn. 124. 29 A. Haratsch, Wechselwirkungen zwischen deutscher und europäischer Identität – Ausdruck von Eigenständigkeit und Gemeinsamkeit, in: H.-J. Bücking/E. Jesse (Hrsg.), Deutsche Identität in Europa, 2008, S. 175 (201). 30 Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV spiegelt nicht nur die mitgliedstaatliche Struktur der Union, sondern macht auch auf die Bedeutung der Staaten insgesamt für die europäische Integration aufmerksam; vgl. dazu H. Schulze, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 1999, S. 318 (338 f.). 31 BVerfGE 37, 271 (279 f.).

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„unverzichtbares, zum Grundgefüge der geltenden Verfassung gehörendes Essentiale (…) jedenfalls die Rechtsprinzipien (sind), die dem Grundrechtsteil des Grundgesetzes zugrunde liegen“.32 Es ist nicht zufällig, dass gerade bei der Prüfung des Zustimmungsgesetzes zum Maastrichtvertrag das Bundesverfassungsgericht in einer Art Nach-vorne-Verteidigung den Schutzbereich der nationalen Identität aufrüstete. Dies geschah nicht nur durch die prozessuale Instrumentalisierung des Art. 38 GG und dadurch, dass die Grundrechte auch gegen nichtdeutsche Staatsgewalt in Stellung gebracht wurden,33 sondern auch mit der Inanspruchnahme der Kompetenz, sogenannten ausbrechenden Rechtsakten, also solchen, welche die der Union übertragenen Kompetenzgrenzen überschreiten, die Anwendbarkeit in Deutschland zu versagen.34 Verstärkt noch wurde diese Präventivstrategie im Lissabon-Urteil. Hier wird nicht nur, wie ich meine zutreffend, das Entstaatlichungsverbot thematisiert.35 Deutlich darüber hinausgehend werden über das Demokratieprinzip, zweifellos ein unsere Verfassungsidentität prägendes Prinzip, zahlreiche Lebensbereiche definiert, die in der politischen Gestaltungsmacht der Mitgliedstaaten (eigentlich müsste es heißen: des Mitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland) zu bleiben hätten: Staatsbürgerschaft, ziviles und militärisches Gewaltmonopol, Budgetrecht des Parlaments, Strafrechtspflege, Gestaltung der Familien- und Bildungsverhältnisse.36 Dass die Währungshoheit hier nicht auftaucht, ist wohl allein dem Umstand zu verdanken, dass deren Aufgabe schon zuvor vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden war.37 Wenn das Gericht ausdrücklich sagt, dass das Demokratieprinzip der Übertragung von Hoheitsrechten inhaltliche Grenzen setze, „die nicht bereits aus der Unverfügbarkeit der verfassungsgebenden Gewalt und der staatlichen Souveränität folgen“,38 wird deutlich, dass seine Definition der „nationalen Identität“ weniger der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV und damit als Argumentationshilfe auf europäischer Ebene dient, sondern vor allem dem deutschen Gesetzgeber eine innerstaatlich relevante, verfassungsrechtliche Grenze für denkbare Integrationsschritte zieht. Wegen der Verankerung des Demokratieprinzips in Art. 79 Abs. 3 GG werden hier möglicherweise sinnvolle Entwicklungen in durchaus problematischer Weise ausgeschlossen.39

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BVerfGE 73, 339 (376). BVerfGE 89, 155 (171 ff., 175); Abweichung von BVerfGE 58, 1 (27). 34 BVerfGE 89, 155 (187 f.). 35 BVerfGE 123, 267 (343, 347 f., 364). 36 BVerfGE 123, 267 (357 ff.). 37 BVerfGE 89, 155 (204 ff.). 38 BVerfGE 123, 267 (357). 39 Dem Lissabon-Urteil weitgehend zustimmend H. H. Klein, Europäische Integration und demokratische Legitimation, 2011, S. 12 ff.; kritisch H. Steiger, Staatlichkeit und Mitgliedstaatlichkeit – Deutsche staatliche Identität und Europäische Integration, EuR 2010, Beiheft, S. 57 ff. 33

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Zu wenig hat das Bundesverfassungsgericht beachtet, dass die nationale Identität der Mitgliedstaaten gerade auch durch ihre Bereitschaft, „Integrationsstaat“ zu sein, geprägt ist.40 Zwar ist richtig, dass die Völker- und Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, vom Bundesverfassungsgericht immer wieder hervorgehoben,41 verfassungsrechtliche Grenzen der Integrationsgewalt nicht ausschließt. Sie aber auf ganze Lebensbereiche bezogen abstrakt vorab zu ermitteln, dürfte der Integrationsfähigkeit und -bereitschaft des Grundgesetzes nicht gerecht werden.42 Nur zur Erinnerung: Der EVG-Vertrag ist 1954 nicht am Grundgesetz oder dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.43 Ob es der Pflicht der Union, die mitgliedstaatliche Identität zu achten,44 entspricht, diese bloß als Belang in einem Abwägungsvorgang zu berücksichtigen, ist zweifelhaft.45 Davon ist allerdings der EuGH im Fall Sayn-Wittgenstein ausgegangen. Das österreichische Adelsaufhebungsgesetz wurde als Teil der nationalen Identität anerkannt. Es wurde nun aber nicht direkt als Grenze des Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV behandelt, vielmehr nach der Dogmatik der Eingriffe in Grundfreiheiten bei der Abwägung legitimer mitgliedstaatlicher Belange mit dem unionalen Freizügigkeitsrecht berücksichtigt und der Beurteilung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unterworfen.46 Ich halte diese Relativierung des an die Union gerichteten Achtungsgebots für problematisch. Etwas anderes ist es, wenn dem nationalen Identitätselement auf eine Weise Rechnung getragen werden kann, ohne dass das angeblich entgegenstehende Unionsrecht eingeschränkt zu werden braucht.47 Hier kommt es nämlich bei Lichte besehen gar nicht zu einer Konfliktlage, eine Relativierung des Achtungsgebots steht nicht zur Debatte.

40 Darauf, dass die nationale Identität nicht unabänderlich ist, weist E.-W. Böckenförde, Die Nation – Identität in Differenz, in: K. Michalski (Hrsg.), Identität im Wandel, 1995, S. 129 (142 ff.) zu Recht hin. 41 Z. B. BVerfGE 111, 307 (317); 123, 267 (347, 354); 126, 286 (303). Vgl. dazu auch F. C. Mayer, Europarechtsfreundlichkeit und Europarechtsskepsis in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: T. Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren. Anspruch und Wirklichkeit einer großen Errungenschaft, 2010, S. 237 ff. 42 Vgl. zur Kritik etwa M. Herdegen, Europarecht, 14. Aufl. 2012, S. 234 ff. m. w. N. 43 Näher hierzu K. Adenauer, Erinnerungen 1953 – 1955, 1966, S. 270 ff. 44 Zur Frage, ob es insoweit auch eine positive Schutzverpflichtung der Union gibt, vgl. A. von Bogdandy/S. Schill, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattkommentar, Art. 4 EUV Rn. 37 (Stand 2011). 45 In diese Richtung aber M. Hilf, Europäische Identität und nationale Identität der Mitgliedstaaten, in: A. Randelzhofer/R. Scholz/D. Wilke (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz, 1995, S. 157 (165): Der Begriff „achten“ ziele „nur auf ein fortlaufendes Berücksichtigen, auf einen Ausgleich zwischen europäischer und nationaler Identität“. 46 EuGH, Rs. C-208/09 (Sayn-Wittgenstein), Slg. 2010, I-13693 Rn. 90 ff.; ähnlich, Rs. C-391/09 (Runevicˇ Vardyn und Wardyn), Urt. v. 12. 5. 2011 Rn. 87 ff. 47 Vgl. dazu EuGH, Rs. C-51/08 (Kommission/Luxemburg), Urt. v. 24. 5. 2011 Rn. 124.

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IV. Gegenseitige Aus- und Einwirkungen von europäischem Grundrechtsschutz und nationaler Identität Wir wollen nun etwas genauer die Wechselwirkungen von europäischem Grundrechtsschutz und nationaler Identität betrachten. Die anzustellenden Überlegungen betreffen materielle und verfahrensrechtliche Aspekte. 1. Europäischer Grundrechtsschutz gegen EU-Rechtsakte Wendet sich der unionale Grundrechtsschutz gegen Rechtsakte der EU, gerät die nationale Identität schwerlich in Gefahr. Im Gegenteil: Die aus dem Verstoß gegen Unionsgrundrechte folgende Nichtigkeit der Rechtsakte kann sich zwar durch ihren Wegfall auf den Bestand des innerstaatlich anwendbaren Rechts auswirken, doch wird dadurch die nationale Identität, wenn sie überhaupt tangiert ist, keineswegs bedroht. 2. Schutz der nationalen Identität durch den EuGH Mit dem Vertrag von Lissabon ist die Respektierung des Gebots der Achtung der nationalen Identität dem EuGH überantwortet worden, was zuvor nicht der Fall war.48 Aus der Sicht der Mitgliedstaaten ist das ambivalent. Einerseits kann der EuGH die nationale Identität als Abwehrposition gegen unionsrechtliche Maßnahmen zur Geltung bringen, andererseits ist es unvermeidlich, dass der EuGH dadurch eine gewisse Deutungshoheit über die Relevanz der mitgliedstaatlichen Identitätsargumentation (im Sinne einer „Missbrauchsaufsicht“) erhält.49 3. Nationaler Grundrechtsschutz gegen nationale Rechtsakte Offensichtlich ist, dass sich der nationale Grundrechtsschutz – spiegelbildlich zu dem unter 1. ausgeführten – auch auf die europäische Rechtsebene auswirken kann, selbst wenn er sich nur auf nationale Rechtsakte bezieht. Werden diese wegen Verstoßes gegen nationale Grundrechte für nichtig erklärt, kann der Geltung und Anwendbarkeit eines Unionsaktes, etwa einer Richtlinie, in Deutschland der Boden entzogen sein. Aber auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wie das zur Fünf-

48 R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rn. 19. Zur früheren Rechtslage (Art. 6 Abs. 3 EUV) vgl. A. Haratsch, Wechselwirkungen zwischen deutscher und europäischer Identität – Ausdruck von Eigenständigkeit und Gemeinsamkeit, in: H.-J. Bücking/E. Jesse (Hrsg.), Deutsche Identität in Europa, 2008, S. 175 (186). 49 Nicht jede nationale Besonderheit kann beachtlich sein; vgl. R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rn. 14. Im Übrigen weist auch die Austrittsmöglichkeit nach Art. 50 EUV darauf hin, dass die „Missbrauchsaufsicht“ des EuGH für die Mitgliedstaaten durchaus tragbar ist.

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Prozent-Sperrklausel im Europawahlgesetz beeinflusst die Zusammensetzung und möglicherweise die Tätigkeit des Europäischen Parlaments.50 4. Bindung der Mitgliedstaaten an die Unionsgrundrechte Bereits diese Überlegung zeigt, dass es zu einer Zentralisierung des Grundrechtsschutzes durch die Europäische Union nicht gekommen ist.51 Dies ergibt sich aber insbesondere aus der beschränkten Bindung der Mitgliedstaaten an die Unionsgrundrechte. Obwohl immer wieder problematisiert, sind die Unionsgrundrechte – also die Rechte der Grundrechte-Charta und die in Art. 6 Abs. 3 EUVerwähnten Rechte – für die Mitgliedstaaten verbindlich, wenn sie Unionsrecht durchführen, umsetzen oder einschränken.52 Dies gilt freilich nicht für die Bereiche des Umsetzungsrechts,53 die vom Unionsrecht nicht determiniert sind, also darüber hinausgehen.54 Die Unionsgrundrechte sind aber einschlägig, wenn grundrechtliche Einwände gegen Sekundärrechtsakte erhoben werden.55 Sie sind zumindest auch heranzuziehen, wie sich aus der vom Bundesverfassungsgericht auch für sich selbst prinzipiell anerkannten Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV ergibt.56 5. Unionsgrundrechtsschutz und Anwendungsbereich des Unionsrechts Vorgelagert dem Problem der Verbindlichkeit der Unionsgrundrechte für Unionsorgane und Mitgliedstaaten (Bindungsadressaten) ist die Frage, ob und unter welchen Umständen diese Grundrechte überhaupt Geltung beanspruchen können. Setzt ihre Geltung einen unionsrechtlichen Bezug voraus, der seinerseits eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen muss? Bereits für die klassischen wirtschaftsrelevanten Grundfreiheiten wird dieser letztgenannte Aspekt immer dann diskutiert, wenn die Unionsrechtsakte selbst die Notwendigkeit der Grenzüberschreitung nicht klar er-

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BVerfGE 129, 300 mit abw. Meinung der Richter Di Fabio und Mellinghoff (S. 346 ff.), denen zuzustimmen ist. 51 Siehe auch M. Möstl, Bundesstaat und Staatenverbund, 2012, S. 58. 52 Zu der im Vergleich zu Art. 51 Abs. 1 GRC weiteren, auf der bisherigen Rechtsprechung des EuGH basierenden Formulierung siehe C. Ladenburger, in: P. Tettinger/K. Stern (Hrsg.), Europäische Grundrechte-Charta, Kommentar, 2006, Art. 51 Rn. 20 ff. 53 Umfassend dazu A. Funke, Umsetzungsrecht, 2010, S. 117 ff.; T. Ehrbeck, Umsetzung von Unionsrecht in föderalen Staaten, 2011, S. 23 ff. 54 Ebenso T. von Danwitz, Grundrechtsschutz im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts nach der Charta der Grundrechte, in: Festschrift für Roman Herzog, 2009, S. 19 (28 f.); vgl. auch BVerfGE 125, 260 (308 f.) – Vorratsdatenspeicherung. 55 Näher dazu T. von Danwitz, ebd., S. 19 (25 ff.); ders., Aktuelle Entwicklungen im Grundrechtsschutz der Europäischen Union, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 669 (676 ff.). 56 BVerfGE 37, 271 (282); 73, 339 (371); 125, 260 (308).

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kennen lassen.57 In der EuGH-Rechtsprechung ist insoweit die Bereitschaft zu einer gewissen Lockerung nicht zu verkennen, wobei nur auf den Fall Carpenter verwiesen sei,58 der nicht unerwartet Anlass gegeben hat, über die Problematik umgekehrter Diskriminierungen neu nachzudenken.59 Man wird davon ausgehen müssen, dass die Unionsgrundrechte, etwa das Diskriminierungsverbot aus Gründen des Alters,60 nur zum Zuge kommen, wenn der fragliche Rechtsakt einen unionsrechtlichen Bezug aufweist. Im Fall Bartsch, den der EuGH ausdrücklich vom Mangold-Fall61 abgrenzt (im Sinne des anglo-amerikanischen distinguishing), wird jedenfalls die unionsrechtliche Anwendbarkeit eines solchen Diskriminierungsverbots ausdrücklich von dem gemeinschaftsrechtlichen Bezug der behaupteten diskriminierenden Handlung abhängig gemacht. Ein solcher Bezug werde aber weder durch Art. 13 EGV (heute Art. 10 AEUV) noch durch eine Richtlinie, deren Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist, begründet.62 Die neuere Rechtsprechung des EuGH setzt die Unionsbürgerschaft als Argument ein, um den unionsrechtlichen Bezug herzustellen. Mit der zunächst im Urteil Grzelczyk verwendeten Charakterisierung der Unionsbürgerschaft als des grundlegenden Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten63 wird im Fall Ruiz Zambrano die entscheidende Weiche gestellt.64 Art. 20 AEUV steht danach „nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird.“ Dies aber geschehe, wenn den einem Drittstaat angehörigen Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers Aufenthalt und Arbeitserlaubnis verweigert würden, weil damit das Kind gezwungen werde, das Unionsgebiet zu verlassen und es deshalb jedenfalls faktisch keine Möglichkeit habe, den Kernbestand der Unionsbürgerrechte 57 In EuGH, Rs. C-34/09 (Ruiz Zambrano), Slg. 2011, I-1177 und Rs. C-256/11 (Dereci u. a.), Urt. v. 15. 11. 2011, wird der Richtlinie 2004/38 die Notwendigkeit der Grenzüberschreitung für ihre Anwendbarkeit entnommen. 58 EuGH, Rs. C-60/00 (Carpenter), Slg. 2002, I-6279. 59 A. Lach, Umgekehrte Diskriminierungen im Gemeinschaftsrecht, 2008, S. 142 ff. (378 ff.); vgl. zuvor schon die wichtige Arbeit von A. Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen. Zulässigkeit und Grenzen der discrimination à rebours nach europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht, 1995. Dazu jetzt auch die Überlegungen der GAin E. Sharpston in den Schlussanträgen zur Rs. C-34/09 (Ruiz Zambrano) Slg. 2011, I-1177 Nr. 123 ff., 139 ff. 60 Unabhängig davon, ob das Recht auf Art. 21 Abs. 1 GRC oder auf die Grundrechte im Sinne des Art. 6 Abs. 3 EUV gestützt wird. 61 EuGH, Rs. C-144/04 (Mangold), Slg. 2005, I-9981 Rn. 55 ff. 62 EuGH, Rs. C-427/06 (Bartsch), Slg. 2008, I-7245 Rn. 24 f. Es ist wegen der klaren Abgrenzung („distinguishing“) vom Mangold-Fall unklar, ob gleichwohl eine gewisse Korrektur der Rechtsprechung vorgenommen wurde. Vgl. ferner T. von Danwitz, in: Festschrift für Roman Herzog, 2009, S. 19 (25 f.). 63 EuGH, Rs. C-184/99 (Grzelczyk), Slg. 2001, I-6193 Rn. 31. 64 Dazu jetzt auch A. Haratsch/Ch. Koenig/M. Pechstein, Europarecht, 8. Aufl. 2012, Rn. 732 ff.

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zu genießen.65 Der EuGH ging nicht darauf ein, dass der minderjährige Unionsbürger den Mitgliedstaat (Belgien) bislang nie verlassen hatte. Im wenige Monate später entschiedenen Fall Dereci u. a. knüpfte der EuGH zwar stark an diese Ausführungen an, akzentuierte aber die Grundfrage, ob die Vertragsbestimmungen überhaupt zur Anwendung kommen können, deutlicher: Zunächst wird darauf hingewiesen, „dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und die zur Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Maßnahmen nicht auf Sachverhalte angewendet werden können, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Unionsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.“ Allerdings könne die Lage eines Unionsbürgers, der vom Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht habe, einer rein internen Situation nicht gleichgestellt werden; denn der Unionsbürger dürfe nach dem Ruiz-Zambrano-Urteil nicht des tatsächlichen Genusses der Rechte beraubt werden, die ihm der Unionsbürgerstatus verleihe. Ob dies für die betroffenen Unionsbürger im konkreten Fall zutreffe, habe das vorlegende Gericht zu prüfen.66 Die Generalanwältin Sharpston hat in ihren Schlussanträgen zum Fall Ruiz Zambrano, denen der EuGH im Hinblick auf die argumentative Verwendung der Unionsbürgerschaft weitgehend gefolgt ist, noch eine weitere Überlegung zur Diskussion gestellt.67 Die Ausgangsfrage dabei ist, ob die Unionsgrundrechte, ohne dass ein anderweitiger Bezug zum Unionsrecht besteht, als eigenständige Rechte gegenüber einem Mitgliedstaat geltend gemacht werden können, seien die Grundrechte doch „zu einem Kernelement der Entwicklung der Union geworden“. Konkret: „Kann sich Herr Ruiz Zambrano unabhängig von anderen unionsrechtlichen Bestimmungen auf das Unionsgrundrecht auf Achtung des Familienlebens stützen?“ – gemeint ist gegenüber einem Mitgliedstaat.68 Der Vorschlag geht dahin, die Verfügbarkeit des unionalen Grundrechtsschutzes allein davon abhängig zu machen, ob die Union die ausschließliche oder geteilte Zuständigkeit in einem bestimmten Rechtsgebiet besitzt, ohne dass diese Zuständigkeit bereits wahrgenommen sein müsste.69 Der Vorteil dieses Vorschlags wird vor allem darin gesehen, dass damit vermieden werden könne, oft fiktive, hypothetische Bezüge zum Unionsrecht herstellen zu müssen, und überdies die Bedeutung der Grundrechte parallel zur Unionsbürgerschaft als dem grundlegenden Status der Unionsangehörigen unterstrichen werden könne.70 Die Generalanwältin erkennt allerdings, dass der Wunsch nach Förderung des 65 EuGH, Rs. C-34/09 (Ruiz Zambrano), Slg. 2011, I-1177 Rn. 41 ff.; vgl. auch K. Hailbronner/D. Thym, Ruiz Zambrano – Die Entdeckung des Kernbereichs der Unionsbürgerschaft, NJW 2011, S. 2008 ff. 66 EuGH, Rs. C-256/11 (Dereci u. a.), Urt. v. 15. 11. 2011 Rn. 60 ff. 67 Vgl. hierzu schon oben zu den Ausführungen der GAin Ch. Stix-Hackl bei Fn. 18. 68 Schlussanträge GAin E. Sharpston, Rs. C-34/09 (Ruiz Zambrano), Slg. 2011, I-1177 Nr. 151 – 154. 69 Ebd., Nr. 163. 70 Ebd., Nr. 167, 170.

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Grundrechtschutzes nicht dazu führen darf, sich Zuständigkeiten anzumaßen, und sie sieht die Gefahr, die von einem solchen Vorschlag für die föderale Struktur der Union ausgeht.71 Gleichwohl hält sie an ihrem Vorschlag fest, will ihn allerdings ratione temporis für den konkreten Fall noch nicht zur Anwendung bringen, da das maßgebliche Datum (2003) vor Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags und der GrundrechteCharta liege. Auf Art. 51 GRC wird aber auch im Hinblick auf die Zeit nach Lissabon nicht eingegangen. Die Schwelle zu einer „Verfassungsänderung“, vor der die Union nach Ansicht der Generalanwältin steht,72 kann jedenfalls nicht ohne eine weitere Vertragsänderung überschritten werden. Kürzlich haben Armim von Bogdandy und seine Mitautoren einen mittleren Weg zu weisen versucht. Dahinter steht das Anliegen, der Union eine über das heutige auf Art. 7 und 2 EUV gestützte Kontrollniveau hinausreichende Aufsicht über die Einhaltung der Grundrechte durch die Mitgliedstaaten zu sichern, ohne dabei den Anwendungsbereich des Unionsrechts (wie es dem EuGH vorgeworfen wird) zu überdehnen.73 Zu diesem Zweck verweisen die Autoren zunächst auf den der Unionsbürgerschaft ebenso wie den Unionsgrundrechten eigenen Sinn, Individuum und Union aneinander anzunähern. Nach der Rechtsprechung des EuGH verlange der Unionsbürgerstatus, dass der Unionsbürger in den Genuss des Kernbestands der Rechte komme, die aus diesem Status fließen. Daher könne die Unionsbürgerschaft als dogmatische Grundlage auch für einen grundrechtlichen Kerngehaltsschutz dienen. Der zweite Schritt der Argumentation besteht darin, den Normgehalt des Art. 2 EUV auf den Schutz der menschenrechtlichen Essentialia, also den Wesensgehalt der Grundrechte, zu beschränken, wozu insbesondere die notstandsfesten Rechte gehören sollen. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Charta solle sich der Unionsbürger auf die EU-Grundrechte nicht berufen können, solange die Vermutung gelte, dass der Wesensgehalt der Grundrechte im betreffenden Mitgliedstaat gewährleistet sei. Diese – allerdings widerlegbare – Rechtsvermutung stütze sich auf die Bestimmungen über die nationale Identität und die Subsidiarität. Könne der Unionsbürger jedoch die Vermutung widerlegen, könne er sich auf das Unionsgrundrecht mit dem ganzen zur Verfügung stehenden Durchsetzungsmechanismus berufen. Wenig überzeugend ist für mich die über den Unionsbürgerstatus konstruierte Reduktion von Art. 2 EUVauf einen außerordentlich schwer zu bestimmenden Wesensgehalt der Grund- bzw. Menschenrechte.74 Zusätzlich wird dadurch Art. 7 EUV, oh-

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Ebd., Nr. 162, 172 f. Ebd., Nr. 177. 73 Hierzu und zum Folgenden A. v. Bogdandy/M. Kottmann/C. Antpöhler/J. Dickschen/ S. Hentrei/M. Smrkolj, Ein Rettungsschirm für europäische Grundrechte. Grundlagen einer unionsrechtlichen Solange-Doktrin gegenüber Mitgliedstaaten, ZaöRV 2012, 45 ff. (58 ff.). 74 Dazu E. Klein, Wesensgehalt von Menschenrechten. Eine Studie zur Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in: Liber amicorum Jost Delbrück, 2005, S. 385 ff.; M. Nierhaus, in: W. Kahl/Ch. Waldhoff/Ch. Walter (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattkommentar, Art. 19 Abs. 2 Rn. 57 ff. (Stand 2008); I. Dammann, 72

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nehin und zu Recht sehr zurückhaltend formuliert, in seiner Bedeutung weiter beschnitten. Art. 2 und 7 EUV wollen das Fundament („Werte“) einer freiheitlichen, demokratischen Ordnung, die der Union und den Mitgliedstaaten gemeinsam ist, festlegen und schützen. Sie eignen sich nicht zur Basis eines individuellen Grundrechtsschutzes. Hier trägt auch die Brücke der Unionsbürgerschaft nicht. 6. Abwehrmechanismus zum Schutz der nationalen Identität Auf den dem EuGH auf der europäischen Ebene obliegenden Schutz der nationalen Identität habe ich bereits hingewiesen.75 Meine abschließenden Bemerkungen sind den Kontrollmöglichkeiten gewidmet, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat. Nach dem Urteil zum Lissabon-Vertrag werden drei Kontrollen unterschieden, die Grundrechts-, die Ultra-vires- und die Identitätskontrolle. Letztere zieht die Konsequenz aus der seit Maastricht bestehenden nationalen Identitätsklausel,76 ist aber als eigenständiger Begriff erst mit dem Lissabon-Urteil zusammen mit der dort gleichzeitig scharf akzentuierten „Integrationsverantwortung“ insbesondere des Parlaments ans Licht getreten.77 Man mag die erwähnte Unterscheidung zwischen den drei Kontrollen treffen, aber es ist klar, dass sie koinzidieren können. Die Verletzung der Verfassungsidentität wird wohl immer zugleich eine Kompetenzüberschreitung sein und kann auch eine schwere Grundrechtsverletzung darstellen.78 Dass diese vom Bundesverfassungsgericht in Anspruch genommenen Kontrollen zu Konflikten mit der dem EuGH übertragenen Aufgabe, das Recht bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu wahren (Art. 19 Abs. 1 EUV), führen kann, ist evident und vielfach behandelt worden. Es sind daher nur einige Akzente zu setzen. a) Grundrechtskontrolle Die vom Bundesverfassungsgericht spätestens mit dem Bananenmarkt-Beschluss79 (richtigerweise) stark zurückgenommene Grundrechtskontrolle richtet sich gegen einen gegenüber dem nationalen Niveau defizitären Grundrechtsschutz. Jedenfalls heute sind solche Fälle kaum (noch) zu erkennen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht Strategien entwickelt, die es ihm erlauben, einer direkten Kol-

Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung. Zum Menschenwürde- und Wesensgehaltsschutz im Bereich der Freiheitsgrundrechte, 2011. 75 Dazu oben IV. 2. 76 M. Herdegen, Europarecht, 14. Aufl. 2012, S. 231. 77 BVerfGE 123, 267 (351, 353). 78 Vgl. dazu R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rn. 23. 79 BVerfGE 102, 147 (164).

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lision mit Unionsrecht aus dem Weg zu gehen.80 Die Abwehr eines zu hohen europäischen Grundrechtsschutzes81 ist unter dem Aspekt der Grundrechtskontrolle kaum vorstellbar, könnte allerdings im Bereich der sogenannten Drittwirkung der Grundrechte82 relevant werden, etwa wenn das Verbot der Altersdiskriminierung im privaten Rechtsverhältnis Anwendung finden soll, in dem die Erweiterung des Freiheitsbereichs des einen zur Freiheitsbeschränkung des anderen führt. In der Regel wird es sich hier aber zunächst um einen behaupteten Ultra-vires-Fall handeln. b) Ultra-vires-Kontrolle Die Ultra-vires-Kontrolle dient dem Bundesverfassungsgericht zur Abwehr von Kompetenzübergriffen der Union in den den Mitgliedstaaten nach geltendem Vertragsrecht verbliebenen Zuständigkeitsbereichen. Indem das Gericht die Identitätskontrolle neben die Kompetenzkontrolle stellt, verdeutlicht es seinen prinzipiellen Anspruch, jeder auch vom EuGH für rechtmäßig erkannten unionsrechtlichen Maßnahme, die es selbst für ultra vires ergangen hält, die Anwendbarkeit in Deutschland zu versagen.83 Ich halte an meiner Ansicht fest, dass der Maßstab für die bundesverfassungsgerichtliche Prüfung sich nicht aus dem Umfang der tatsächlich übertragenen Zuständigkeiten ergeben kann – dies zu kontrollieren gehört nach Art. 19 Abs. 1 EUV zu den ausdrücklich dem EuGH übertragenen Aufgaben –, sondern aus den grundgesetzlichen Vorschriften folgt, die den nicht übertragbaren nationalen Kompetenzbereich, wie er sich aus Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 und 20 GG ergibt, markieren.84 Hier und bei der Beachtung der von Art. 23 GG aufgestellten Regeln für weitere vertragliche Integrationsschritte ist die genuine Wächteraufgabe des Verfassungsgerichts. An dieser Stelle ist auch für großmütiges, die Kontrolle im Sinn der Honeywell-Entscheidung85 zurücknehmendes, Kooperationsbereitschaft und Europarechtsfreundlichkeit betonendes Verhalten kein Platz. Dies alles ist nur nötig, weil das Bundesverfassungsgericht seinerseits die ihm gezogenen Grenzen überschreitet und dadurch mit der Rechtsprechung des EuGH in Kollision geraten

80 Vgl. dazu etwa BVerfGE 113, 273 (Europäischer Haftbefehl) und BVerfGE 125, 260 (Vorratsdatenspeicherung). 81 A. Nußberger, Der Wandel der Grund- und Menschenrechte, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 117 (118 f.), macht darauf aufmerksam, dass heute der internationale Menschenrechtsschutz das Tempo bei der Entwicklung innovativer Ansätze vorgibt. 82 Dazu S. Magiera, Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, DÖV 2000, S. 1017 (1025); T. von Danwitz, Grundrechtsschutz im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts nach der Charta der Grundrechte, in: Festschrift für Roman Herzog, 2009, S. 19 (29 ff.). 83 BVerfGE 89, 155 (188); 123, 267 (353 f.); 126, 286 (302 ff.). Vgl. auch M. Walter, Integrationsgrenze Verfassungsidentität – Konzept und Kontrolle aus europäischer, deutscher und französischer Perspektive, ZaöRV 2012, S. 178 (183). 84 E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 1991, S. 56 (66 ff.). 85 BVerfGE 126, 286.

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kann.86 Mein Plädoyer geht also dahin, die Ultra-vires-Kontrolle auf die Identitätskontrolle zurückzunehmen. Praktisch mag das mit dem Honeywell-Beschluss mehr oder weniger ohnehin geschehen sein, theoretisch aber setzt das Gericht nach wie vor die bisherige Linie, wie gerade der genannte Beschluss deutlich zeigt, konsequent fort.87 c) Identitätskontrolle Für die Identitätskontrolle, wie sie das Bundesverfassungsgericht neben der Ultravires-Kontrolle konzipiert hat, ist wenig hinzuzufügen. Hier akzeptiert das Gericht, dass es um das „Nicht-Übertragbare“ geht.88 Auf diesem Gebiet muss es das letzte Wort bei der Beurteilung haben, ob diese echte „Tabuzone“89 verletzt ist. Auch hier ist allerdings die Rechtsauffassung des EuGH im Wege des Vorlageverfahrens einzuholen, da es sich immer auch um eine Frage der Auslegung oder Anwendung von Unionsrecht handeln wird.90 Dieser Kontrolle kann das Bundesverfassungsgericht im Wege der zur Verfügung stehenden Verfahren ausreichend nachkommen. Es besteht kein Bedarf, die Anregung des Gerichts aufzugreifen, ein eigenes, „speziell auf die Ultra-vires- und die Identitätskontrolle“ zugeschnittenes Verfahren zu schaffen.91 Im Übrigen wäre ein solcher Schritt jedenfalls für die über die Identitätskontrolle hinausgehende Ultra-vires-Kontrolle evident vertragswidrig.92

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U. Di Fabio, Der Auftrag zur europäischen Integration und seine Grenzen, in: Festschrift für Meinhard Schröder, 2012, S. 169 (175) meint, die Ultra-vires-Kontrolle sei die notwendige prozessuale Konsequenz aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Das ist aber deshalb ein Fehlschluss, weil aus dem genannten Prinzip in einer Rechtsgemeinschaft zwar die Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle abgeleitet werden kann, aber eine Zuordnung der Kontrollkompetenz zu dem EuGH oder den mitgliedstaatlichen (Verfassungs-)Gerichten daraus keineswegs folgt. Die Zuordnung zum EuGH ergibt sich indes aus Art. 19 EUV. 87 BVerfGE 126, 286 (302 ff.); vgl. auch S. Hobe, Abkehr von Solange? – Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung und Honeywell, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 745 (752 ff.). 88 So auch R. Streinz, Der Kontrollvorbehalt des BVerfG gegenüber dem EuGH nach dem Lissabon-Urteil und dem Honeywell-Beschluss, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 963 (977). 89 So M. Herdegen, Europarecht, 14. Aufl. 2012, S. 231, allerdings für den mit der Ultravires-Kontrolle geschützten Bereich. 90 Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass der EuGH von der Auslegung des Begriffs der „nationalen Identität“ nicht völlig ausgeschlossen sein kann; dazu oben im Text bei Fn. 49. 91 BVerfGE 123, 267 (355). 92 E. Klein, in: E. Benda/E. Klein/O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 91 m. w. N.

Gleiche Rechte, gleiche Tragweite? Überlegungen zur Stellung der Grundrechte im Unionsrecht nach dem Lissabonner Vertrag Johan Callewaert1 Erstaunlicherweise ist über die „Tragweite“ von Grundrechten bis heute recht wenig geschrieben worden. Der Begriff wird in Art. 52 Abs. 3 der EU-Grundrechtecharta (GRC) verwendet und verweist auf einen Bestandteil der Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die von der Charta übernommen wurden. Seine Verwendung in diesem Zusammenhang bietet Anlass für Überlegungen über die Stellung der Grundrechte im Unionsrecht, welche mit dem Lissabonner Vertrag und vor allem der Grundrechtecharta eine neue Dimension erhalten haben dürfte. I. Die Stellung der Grundrechte im Unionsrecht nach dem Lissabonner Vertrag Mit ihrem Inkrafttreten am 1. Dezember 2009, zeitgleich mit dem Lissabonner Vertrag, hat die EU-Grundrechtecharta eine neue Ära eingeläutet, mit Folgen für die Stellung der Grundrechte im Unionsrecht. Denn mit der Charta hat sich eine neue primärrechtliche Grundrechtsquelle in das Unionsrecht neben bereits bestehenden Bestimmungen eingefügt, die außer Grundrechten auch noch andere tragende Bausteine des Unionsrechts enthalten, wie zum Beispiel die Grundfreiheiten, die Unionsbürgerschaft oder den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen. Diese Bestimmungen stammen aus unterschiedlichen, primärbzw. sekundärrechtlichen oder gar richterlichen Quellen und zwar in der Weise, dass in den meisten Fällen der Grundsatz im Primärrecht und Konkretisierungen im Sekundär- bzw. im Richterrecht zu finden sind. Wenngleich der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) betont hat, dass die Charta nur geltendes Recht bestätigt,2 hatten die Grundrechte, die sie enthält, bis zu ihrem Inkrafttreten nicht alle primärrechtlichen Rang im Unionsrecht. Im Gegenteil, nicht wenige Grundrechte aus der Charta finden ihren Ursprung im Sekundärrecht oder in der Rechtsprechung des EuGH, wie die Erläuterungen zur Charta belegen. Die Rechte aus der EMRK, ihrerseits, galten vor der Charta nur als Teil der allgemei1 Der Verfasser schreibt in persönlicher Eigenschaft und vertritt lediglich seine eigenen Ansichten. 2 EuGH, verb. Rs. C-411/10 und C-493/10 (N. S. u. a.), Urt. v. 21. 12. 2011 Rn. 119.

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nen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts3. Mit ihrer Aufnahme in die Charta verschiebt sich nun das Verhältnis der so aufgewerteten Grundrechte zu den anderen Bestimmungen und Rechten entsprechend, ohne dass im Einzelnen schon Klarheit über die Folgen dieser Verschiebung herrscht.4 Vielmehr entsteht daraus ein gewisses Nebeneinander verschiedener Kernbestimmungen des Unionsrechts, die (noch) nicht alle aufeinander abgestimmt sind und dadurch ein gewisses Konflikt- bzw. Unsicherheitspotential aufweisen. Freilich, viele neuere sekundärrechtliche Instrumente enthalten in den Erwägungsgründen den Hinweis, dass sie die Grundrechte, so wie sie in der Charta und der EMRK vorkommen, beachten. Abgesehen davon, dass es grundsätzlich der Judikative und nicht der Legislative obliegt, die Grundrechtskonformität des geltenden Rechts endgültig zu beurteilen, hat das Beispiel N. S., das die Anwendung der Dublin-II-Verordnung betraf, deutlich die Grenzen einer solchen Einschätzung gezeigt.5 Da passt es gut, dass „[n]ach gefestigter Rechtsprechung … die Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen, sondern auch darauf zu achten [haben], dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts kollidiert“.6 Diese Regel lässt aber das Verhältnis der Grundrechte bzw. der Charta zum sonstigen Primärrecht unberührt. Mit der nunmehr in Kraft getretenen Grundrechtecharta erhält also die Frage nach der Stellung und Wirkung der Grundrechte im Unionsrecht eine neue Dimension, die sich bei der Anwendung von Art. 52 Abs. 3 GRC sogar noch etwas zuspitzt. II. Art. 52 Abs. 3 der Grundrechtecharta: „Gleiche Bedeutung und Tragweite“ Art. 52 Abs. 3 der Grundrechtecharta schlägt die Brücke zur EMRK. Diese war angesichts der Tatsache notwendig geworden, dass ungefähr die Hälfte der materiell-rechtlichen Bestimmungen der Charta ihren Ursprung in der EMRK oder in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)

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Art. 6 Abs. 2 EUV (a. F.). Ganz abgesehen davon, dass die Charta neben Grundrechten auch noch Grundsätze enthält (siehe Art. 52 Abs. 5 GRC) und dass die Abgrenzung beider Kategorien wohl auch noch nicht gefestigt ist. 5 EuGH, verb. Rs. C-411/10 und C-493/10 (N. S. u. a.), Urt. v. 21. 12. 2011 Rn. 99: „… eine Anwendung der Verordnung Nr. 343/2003 auf der Grundlage einer unwiderlegbaren Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem für die Entscheidung über seinen Antrag normalerweise zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, [ist] mit der Pflicht der Mitgliedstaaten zu grundrechtskonformer Auslegung und Anwendung der Verordnung Nr. 343/2003 unvereinbar“. 6 Ebd., Rn. 77. 4

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findet.7 Es galt daher von Anfang an, die Rechtssicherheit auf diesem Gebiet nicht durch eine ungenügende Abstimmung der Charta mit der EMRK zu gefährden. Vor allem das Bemühen der Verfasser der Charta, den Wortlaut der EMRK-Bestimmungen zu vereinfachen und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit mit einigen Risiken behaftet, hätte doch jede Abweichung vom bisherigen Wortlaut als Neudefinierung des Inhalts der betreffenden Bestimmungen gedeutet werden können. Nach langer Debatte im Konvent wurde die Charta diesem Anliegen schließlich dadurch gerecht, dass sie einerseits die EMRK-Bestimmungen mit vereinfachtem Wortlaut übernehmen, andererseits aber in Art. 52 Abs. 3 GRC verfügen würde, dass die so nachgeschriebenen Bestimmungen die „gleiche Bedeutung und Tragweite“ wie in der EMRK haben, ohne jedoch einen weitergehenden Schutz zu verbieten. Damit wurde Art. 52 Abs. 3 GRC zum Kernstück der Regelungen zum Erhalt der Rechtssicherheit zwischen der Charta und der EMRK.8 Nun ist die Charta auch schon bald drei Jahre in Kraft, so dass eine erste Bilanz über ihr „Zusammenwirken“ mit der EMRK gezogen werden kann. Die ersten Anwendungen des Art. 52 Abs. 3 GRC in der Rechtsprechung des EuGH geben berechtigten Anlass zu glauben, dass das manchmal befürchtete Chaos auf diesem Gebiet ausbleiben wird. Sie lassen nämlich erkennen, dass der EuGH der Anwendung einschlägiger Bestimmungen aus der Charta eine ausführliche Analyse der Straßburger Rechtsprechung zugrunde legt.9 Fragen nach der Möglichkeit, von der Rechtsprechung des EGMR abweichende Begriffe für die Auslegung der Charta zu verwenden, wird aufgrund von Art. 52 Abs. 3 GRC ebenfalls eine Absage erteilt.10 Wie ist es aber genau zu verstehen, wenn Art. 52 Abs. 3 GRC verlangt, dass den Rechten aus der EMRK im Unionsrecht die „gleiche Bedeutung und Tragweite“ zukommen soll? Ein Blick in die Erläuterungen zur Charta verrät, dass mit „Bedeutung“ im Wesentlichen der Schutzgehalt der betreffenden Rechte gemeint ist, wäh-

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Zur EU-Grundrechtecharta allgemein siehe S. Magiera, Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, DÖV 2000, S. 1017 ff.; ders., Die Bedeutung der Grundrechtecharta für die Europäische Verfassungsordnung, in: D. H. Scheuing (Hrsg.), Europäische Verfassungsordnung, 2003, S. 117 ff. 8 Siehe dazu J. Callewaert, Die EMRK und die EU-Grundrechtecharta – Bestandsaufnahme einer Harmonisierung auf halbem Weg, EuGRZ 2003, S. 198. 9 So z. B. in EuGH, Rs. C-400/10 PPU (McB), Slg. 2010, I-08965; verb. Rs. C-92/09 und C-93/09 (Schecke u. a.), Slg. 2010, I-11063; Rs. C-279/09 (DEB Deutsche Energiehandelsund Beratungsgesellschaft mbH), Slg. 2010, I-13849. Allerdings lässt sich seitens des EuGH ein neuerer bedenklicher Trend hin zum völligen Verschweigen einschlägiger konventionsrechtlicher Quellen beobachten. So z. B. in EuGH, verb. Rs. C-71/11 und C-99/11 (Y. und Z.), Urt. v. 5. 11. 2012; Rs. C-619/10 (Trade Agency Ltd.), Urt. v. 6. 9. 2012; Rs. C-199/11 (Otis NV u. a.), Urt. v. 6. 11. 2012. Diesem Trend scheinen sich die Generalanwälte (noch) nicht anschließen zu wollen. 10 Siehe die Schlussanträge von GAin V. Trstenjak in der Rs. C-245/11 (K) v. 27. 6. 2012 Nr. 88 – 92, in denen es um die Begriffe „unmenschliche Behandlung“ und „Familie“ ging.

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rend die „Tragweite“ auf ihren jeweiligen Anwendungsbereich zielt.11 Neben dieser individuell verschiedenen, am Anwendungsbereich orientierten „Tragweite“ eines jeden EMRK-Rechts haben aber diese Rechte in der Regel auch eine gemeinsame Tragweite, die sich schlicht aus ihrer grund- bzw. menschenrechtlichen Natur ergibt und sie als Grund- bzw. Menschenrechte definiert. Ohne diese besondere Tragweite wären sie eben keine Grundrechte, sondern nur „einfache“ Rechte. Denn welchen Sinn hätte es, von „Grundrechten“ zu reden und sie als solche zu führen, wenn diese Bezeichnung nicht mit bestimmten, grundrechtsspezifischen Merkmalen einherging? Vielmehr machen gerade diese Merkmale die Tragweite aus, die den Grundrechten gemeinsam ist und sich in deren grundrechtlicher Wirkung entfaltet. Um welche Merkmale handelt es sich?12 Ohne dass es hier um eine abschließende Aufzählung gehen kann, ergibt sich doch aus der Rechtsprechung des EGMR, dass zu dieser gemeinsamen Tragweite der Grundrechte gehört, dass sie möglichst einheitlich auf die ganze Rechtsordnung der jeweiligen Vertragspartei angewandt werden,13 dass sie prinzipiell jedem Menschen bzw. dem größtmöglichen Personenkreis14 ohne Diskriminierung15 zustehen und dass ihnen im Zweifel Vorrang vor allen sonstigen Rechten zukommt.16 Wenngleich sich diese Merkmale zuallererst auf die Rechte aus der EMRK beziehen, dürften sie so oder ähnlich auf viele andere Grundrechte zutreffen und damit zum Wesen der Grundrechte schlechthin gehören.17 Deswegen war es auch die dogmatisch einzig korrekte Lösung, die rechtsverbindliche Grundrechtecharta mit einem primärrecht11 In diesem Sinn auch die englische Fassung, die von „meaning and scope“ spricht. Die französische Fassung, hingegen, spricht von „sens et portée“. 12 Siehe dazu auch J. Callewaert, Grundrechtsraum Europa – Die Bedeutung der Grundrechte für den Verwaltungsrechtsraum Europa, DÖV 2011, S. 825 (829). 13 Siehe EGMR 30. 1. 1998, United Communist Party of Turkey and Others / Türkei, 19392/92, Rz. 29 (std. Rspr.). 14 Siehe Art. 1 EMRK: „Die Hohen Vertragsparteien sichern allen Ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I bestimmten Rechte und Freiheiten zu“ (Betonung vom Verfasser). Deswegen machen in der deutschen Übersetzung der EMRK die meisten Bestimmungen „jede Person“ zum Träger der betreffenden Rechte. 15 So will es Art. 14 EMRK. 16 Das Kollidieren verschiedener Grundrechte miteinander stellt natürlich eine besondere Konstellation dar. In einigen Staaten, darunter Deutschland, steht die EMRK im Rang allerdings unter der Verfassung. Das ändert aber nichts an der Verpflichtung aller Vertragsstaaten, die Urteile des EGMR notfalls auf verfassungsrechtlicher Ebene umzusetzen (so z. B. in EGMR 6. 1. 2011, Paksas / Litauen, 34932/04). Im Übrigen sind auch in Deutschland die innerstaatlichen Grundrechte verfassungsrechtlicher Natur und deswegen im Grundgesetz bzw. in den Landesverfassungen angesiedelt. 17 Dem steht nicht entgegen, dass bestimmte Grundrechte den Staatsangehörigen eines Landes vorbehalten sind, denn es handelt sich dabei nur um Ausnahmen vom Grundsatz, dass Grundrechte „Jedermann-Rechte“ sind. Eine ähnliche Unterscheidung findet sich in der EUGrundrechtecharta mit der in ihrem Titel V vorkommenden Kategorie der Bürgerrechte. Auch die EMRK lässt in ihrem Art. 16 Einschränkungen der politischen Betätigung von Ausländern zu.

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lichen Status auszustatten und ihre Geltung auf das ganze Unionsrecht auszudehnen. Nicht umsonst bilden die Menschenrechte und Grundfreiheiten, zusammen mit den Grundsätzen der Freiheit und der Demokratie, die „Grundlage der Union“.18 Damit dürfte die zwischen Charta und EMRK gemäß Art. 52 Abs. 3 GRC zu gewährleistende Übereinstimmung über eine rein inhaltliche Übereinstimmung hinausgehen und auch eine Angleichung in der Wirkung umfassen, die den betreffenden Grundrechten im Gesamtgefüge des Unionsrechts zukommen soll. Im Kern geht es also darum, nicht nur einen inhaltlichen Gleichlauf mit der EMRK anzustreben, sondern auch der grundrechtlichen Tragweite der aus der EMRK übernommenen Rechte bei gleichzeitiger Beachtung der Besonderheiten des Unionsrechts19 gerecht zu werden. Letzteres gilt mutatis mutandis auch für die sonstigen Rechte aus der Charta. Bestandteil dieser Tragweite ist, wie soeben besprochen, die allgemeine, einheitliche, vorrangige und diskriminierungsfreie Anwendung der betreffenden Rechte. Dass dieser Anspruch dem Unionsrecht gelegentlich Schwierigkeiten bereitet, belegen die drei folgenden Beispiele. Sie betreffen respektive den ne bis in idem-Grundsatz (1.), den Schutz des Familienlebens im Ausländerrecht (2.) sowie den Schutz des Kindes bei internationalen Kindesentführungen (3.). 1. Ne bis in idem Im Mittelpunkt des ersten Beispiels steht die einheitliche Auslegung der Grundrechte. Das Verbot der Doppelbestrafung, der ne bis in idem-Grundsatz, findet sich sowohl in der EMRK (Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls) als auch in der Grundrechtecharta (Art. 50). Im Unionsrecht wird er aber unterschiedlich ausgelegt je nachdem, ob er im Kartellrecht, im Beamtenrecht oder im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zur Anwendung kommt.20 Darauf hat neulich Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Toshiba hingewiesen und vorgeschlagen, der EuGH möge das Inkrafttreten der Charta zum Anlass nehmen, seine Rechtsprechung auf diesem Gebiet zu vereinheitlichen. Frau Kokott führte aus: „Eine derart unterschiedliche Auslegung und Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem je nach Rechtsgebiet ist der Einheit der Unionsrechtsordnung abträglich. Aus der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes ne bis in idem als tragendem Grundsatz des Unionsrechts im Rang eines Grundrechts folgt, dass sich sein Inhalt nicht wesentlich danach unterscheiden darf, welches Rechtsgebiet betroffen ist. Für die Bestimmung des Gewährleistungsinhalts des Grundsatzes ne bis in idem, wie er nunmehr in Art. 50 GRC kodifiziert ist, sollten im gesamten Unionsrecht gebietsübergreifend dieselben Kriterien gelten“.21 18

EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi u. a.), Slg. 2008, I-6351 Rn. 303. Siehe dazu, mutatis mutandis, Art. 1 des 8. Protokolls zum Lissabonner Vertrag, der die Beachtung der „besonderen Merkmale der Union und des Unionsrechts“ anmahnt. 20 Siehe dazu J. Callewaert, The European Convention on Human Rights and European Union Law: a Long Way to Harmony, EHRLR 2009, S. 768 (779). 21 Schlussanträge GAin J. Kokott, Rs. C-17/10 (Toshiba), 8. 9. 2011 Nr. 117. 19

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In diesem Zusammenhang hat die Generalanwältin auch auf das Homogenitätsgebot aus Art. 52 Abs. 3 GRC hingewiesen, das einen gleichen Schutzstandard zwischen der Charta und der EMRK auf diesem Gebiet fordert, und dabei betont: „Eine Beibehaltung des Kriteriums der Identität des geschützten Rechtsguts würde letztlich dazu führen, dass der Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Verbots der Doppelbestrafung enger wäre und sein Gewährleistungsumfang hinter dem zurückbliebe, was Art. 4 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK als Mindeststandard vorsieht. Dies wäre mit dem Homogenitätsgebot nicht vereinbar“.22 Der EuGH sah aber keinen Anlass, seine Rechtsprechung diesbezüglich zu revidieren.23 2. Schutz des Familienlebens im Ausländerrecht Im Mittelpunkt des nachfolgenden Beispiels steht die Frage nach der diskriminierungsfreien Anwendung der Grundrechte im Unionsrecht. Betroffen ist hier das Recht auf Schutz des Familienlebens, das ebenfalls sowohl in der EMRK (Art. 8) als in der Charta (Art. 7) enthalten ist und zwar mit „gleicher Bedeutung und Tragweite“, wie die Erläuterungen zur Charta angeben. Die Praxis sieht aber manchmal etwas anders aus, als die Formulierung „gleiche Bedeutung und Tragweite“ vermuten lässt, insbesondere im Ausländerrecht, wo das Recht auf Schutz des Familienlebens häufig zur Durchsetzung von Familienzusammenführungen bzw. zur Verhinderung von Ausweisungen angeführt wird.24 Exemplarisch für den Stand der Diskussion kann hier auf das Urteil einer Großen Kammer des EuGH in der Rechtssache Dereci25 zurückgegriffen werden. Darin hatten sich verschiedene Drittstaatsangehörige auf die Unionsbürgerschaft ihrer jeweiligen österreichischen Partner berufen, um ein Aufenthaltsrecht in Österreich durchzusetzen. In seinem Urteil prüft der EuGH zunächst die Anwendbarkeit der Richtlinie über das Recht auf Familienzusammenführung26 sowie der Richtlinie über das Recht der Unionsbürger und ihrer Angehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.27 Er kommt dabei zu dem Schluss, dass sie auf vorlie22

Ebd., Nr. 123. EuGH, Rs. C-17/10 (Toshiba), Urt. v. 14. 2. 2012 Rn. 93 ff. 24 Siehe dazu J. Callewaert, The European Convention on Human Rights and European Union Law: a Long Way to Harmony, EHRLR 2009, S. 768 (778). 25 EuGH, Rs. C-256/11 (Dereci u. a.), Urt. v. 15. 11. 2011. 26 Richtlinie 2003/86/EG des Rates v. 22. 9. 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, ABl.EU 2003 L 251/12. 27 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29. 4. 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/ 68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/ EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG u. 93/96/EWG, ABl.EU 2004 L 158/77, in der berichtigten Fassung, ABl.EU 2004 L 229/35. 23

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genden Fall nicht anwendbar sind, weil die jeweiligen österreichischen Partner der Kläger nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben. In einem zweiten Schritt prüft der EuGH die potentielle Wirkung der Unionsbürgerschaft nach Art. 20 AEUV und kommt zu einem ähnlichen Schluss, indem er feststellt, dass bei einem Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, die Unionsbürgerschaft die Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts zugunsten seines Partners aus einem Drittstaat nur dann bedingt, wenn durch dessen Ablehnung der Unionsbürger faktisch gezwungen wäre, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, was hier nicht der Fall wäre. Erst wenn feststeht, dass der Schutz aus Richtlinien und Unionsbürgerschaft nicht greift, wird vom EuGH – quasi als Notlösung – auf das Grundrecht auf Schutz des Familienlebens gemäß Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK verwiesen, verbunden mit dem Auftrag an das vorlegende Gericht, sowohl die Anwendbarkeit als auch die Beachtung einer jeden dieser Bestimmungen zu überprüfen. Bei der Lektüre dieses Urteils drängt sich der Eindruck auf, dass das Recht auf Schutz des Familienlebens – trotz seiner Aufnahme in die Grundrechtecharta – im Verhältnis zur Freizügigkeit und zur Unionsbürgerschaft doch noch eine untergeordnete Rolle spielt. Freilich ist zu bedenken, dass, wie der EuGH betont, die Grundrechtecharta den Anwendungsbereich des Unionsrechts nicht ausdehnt (Art. 51 GRC). Sie ist aber immerhin auf das ganze Unionsrecht anwendbar und müsste dementsprechend alle Bereiche dieses Rechts gleichermaßen „durchdringen“ und beeinflussen. Zumindest soll ihr kein Bereich des Unionsrechts entzogen sein. Umso erstaunlicher sind in diesem Zusammenhang die folgenden, von Generalanwalt Mengozzi in derselben Rechtssache gemachten Feststellungen: „[D]er Kernbestand der durch den Unionsbürgerstatus verliehenen Rechte … [umfasst] nicht das in Art. 7 der Charta der Grundrechte … und in Art. 8 Abs. 1 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Familienlebens“.28 Daraus folgt, dass „die betreffenden Unionsbürger, um tatsächlich in den Genuss eines Familienlebens im Hoheitsgebiet der Union kommen zu können, gezwungen sind, eine der im AEUV vorgesehenen Verkehrsfreiheiten wahrzunehmen“.29 Damit kommt es unter den Unionsbürgern, im Bereich des Rechts auf Schutz des Familienlebens, zu einer Art „Zweiklassengesellschaft“ je nachdem, ob sie „freizügig“ oder nur „sesshaft“ waren, was unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf eine der Grundrechte diskriminierungsfreie Anwendung nicht unproblematisch ist. Auch Generalanwältin Sharpston hat in diesem Zusammenhang schon zu bedenken gegeben, dass, wenn die Unionsbürgerschaft der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten werden soll, „dieser Status sich schlecht mit der Vorstellung [verträgt], dass Grundrechtsschutz nur partiell und fragmentiert besteht, dass er also davon abhängt, ob irgendeine einschlägige materiell-rechtliche Bestimmung unmittelbare Wirkung entfaltet bzw. ob der Rat und das Europäische Parlament Rechtsset28 29

Stellungnahme GA P. Mengozzi, Rs. C-256/11 (Dereci u. a), 29. 9. 2011 Nr. 37. Ebd., Nr. 44.

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zungsbefugnisse ausgeübt haben. Langfristig wird nur ein lückenloser Grundrechtsschutz im Rahmen des Unionsrechts in allen Bereichen ausschließlicher oder geteilter Unionszuständigkeit dem Begriff der Unionsbürgerschaft gerecht“.30 3. Schutz des Kindes bei internationalen Kindesentführungen Ein letztes interessantes Beispiel für die Probleme, welche die grundrechtliche Tragweite mancher Rechte aus der EMRK dem Unionsrecht bereitet, liefert die Diskussion über die Wirkung des Rechts auf Schutz des Familienlebens im Bereich der widerrechtlichen internationalen Kindesentführungen. Im Mittelpunkt steht hier der Vorrang dieses Grundrechts bzw. die grundrechtskonforme Auslegung des Unionsrechts. Zwei Rechtsinstrumente sind von besonderer Bedeutung bei der Bekämpfung solcher Entführungen: das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung sowie die „Verordnung Brüssel II bis“.31 Ziel beider Texte ist es, von internationalen Kindesentführungen dadurch abzuschrecken, dass diese grundsätzlich eine Pflicht zur unverzüglichen Rückgabe des Kindes nach sich ziehen. Während aber die Art. 12 und 13 des Haager Übereinkommens Ausnahmen von dieser Pflicht unter strengen Voraussetzungen noch zulassen, gibt es nach der Verordnung Brüssel II bis so gut wie keine Möglichkeit, die Rückgabe des Kindes abzulehnen, wenn sie vom zuständigen Richter des Ursprungsmitgliedstaats gemäß Art. 11 Abs. 8 der Verordnung mittels einer so genannten „Bescheinigung“ angeordnet wird. Ganz im Sinn des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts32 sieht die Verordnung in Art. 42 nämlich vor, dass eine solche Entscheidung in jedem Mitgliedstaat unmittelbar vollstreckbar ist und zwar auch dann, wenn die Rückgabe des Kindes bereits durch einen Richter des ersuchten Staates gemäß Art. 13 des Haager Übereinkommens abgelehnt worden ist. Nun kommt es aber in der Praxis nicht selten vor, dass sich aufgrund von unterschiedlichen Umständen die Rückgabe des Kindes verzögert, manchmal sogar um mehrere Jahre,33 obwohl sowohl das Haager Übereinkommen als auch die Verordnung Brüssel II bis dafür Fristen von nicht mehr als sechs Wochen vorsehen. Insbesondere in solchen Fällen kann sich die Lage des Kindes dahin entwickeln, dass eine Rückgabe seinem Interesse ernsthaft widerspricht, z. B. weil es sich in seiner neuen 30 Schlussanträge GAin E. Sharpston, Rs. C-34/09 (Ruiz Zambrano), Slg. 2011, I-1177 Nr. 170. 31 Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates v. 27. 11. 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung, ABl.EU 2003 L 338/1. 32 Art. 67 und 81 AEUV. 33 So z. B. in EGMR 2. 11. 2010, Serghides / Polen, 31515/04.

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Umgebung bereits gut eingelebt hat und eine erneute Überstellung für das Kind ein weiteres gravierendes Trauma bedeuten würde. Liegen solche Anhaltspunkte vor, erfordert Art. 8 EMRK, dass der Richter des ersuchten Staates sie ernsthaft prüft und die passenden Konsequenzen zieht34 und zwar auch dann, wenn die Verordnung Brüssel II bis zur Anwendung kommt.35 Allerdings scheint die Meinungsbildung des EGMR auf diesem Gebiet insofern noch nicht ganz abgeschlossen, als der zuständige Ausschuss vor kurzem einen weiteren Fall dieser Art, in der Rechtssache X/Lettland, bei der Großen Kammer anhängig gemacht hat.36 Unter diesem Vorbehalt lässt sich sagen, dass der Rechtsprechung in ihrer jetzigen Fassung die Überlegung zugrunde liegt, dass das von Art. 8 EMRK geschützte Interesse des Kindes absoluten Vorrang haben soll, ganz im Sinn der UNKinderrechtskonvention und des Art. 24 GRC. Unmittelbar nach der Entführung wird diesem Interesse in der Regel am besten durch die unverzügliche Rückgabe des Kindes gedient; und deswegen wird ihre schuldhafte Verzögerung vom EGMR auch geahndet, wenn sonst keine gravierenden Gründe vorliegen, die eine Ablehnung der Rückgabe gerechtfertigt erscheinen lassen.37 Bei einer verspäteten Rückgabe jedoch bzw. bei Vorliegen einschlägiger Anhaltspunkte erfordert Art. 8 EMRK, dass der Richter des ersuchten Staates wenigstens den Hinweisen nachgeht, die darauf schließen lassen, dass die geplante Rückkehr dem Kind empfindlich schaden könnte, und dass er im Fall einer Bestätigung dieser Hinweise die Rückkehr ablehnt. Wird dem nicht entsprochen, liegt eine im Wesentlichen prozessuale Verletzung von Art. 8 EMRK vor. Nach Straßburger Ansicht kann es also keine unwiderlegbare Vermutung dahin geben, dass die Rückgabe immer im Interesse des Kindes liegt, unabhängig davon, wann, wo und wie sie stattfinden soll. Vielmehr bewirkt der Vorrang der Grundrechte, dass in bestimmten Fällen die systemgerechte Lösung einer Individualschutz-Lösung weichen muss. Rechtstheoretisch betrachtet geht es hier also darum, dass die Anwendung solcher Rechtsinstrumente wie des Haager Übereinkommens oder der Verordnung Brüssel II bis, wie groß auch ihre Verdienste sein mögen, die Anwendung einschlägiger Grundrechte durch Richter und Behörden des ersuchten Staates nicht ausschließt, wenn diese zu der Überzeugung gelangt sind, dass der Schutz der Interessen des Kindes keinen Aufschub duldet oder im ersuchenden Staat nicht „nachgeholt“ werden kann. Denn auch die Richter und Behörden des ersuchten Staates unterliegen der Grundrechtecharta bzw. der EMRK. Ihnen kann wohl keine „grundrechtliche Blindheit“ verordnet werden. 34 Siehe EGMR 6. 7. 2010, Neulinger und Shuruk / Schweiz, 41615/07; 13. 12. 2011, X. / Lettland (nicht rechtskräftig, anhängig vor der Großen Kammer), 27853/09; 15. 5. 2012, M.R. und L.R. / Estland, 13420/12; 10. 7. 2012, B. / Belgien, 4320/11. 35 EGMR 12. 7. 2011, Sneersone und Kampanella / Italien, 14737/09. 36 X / Lettland, 27853/09, von einer Großen Kammer des EGMR am 10. 10. 2012 verhandelt. 37 So z. B. in EGMR 1. 2. 2011, Dore / Portugal, 775/08; 26. 7. 2011, Shaw / Ungarn, 6457/ 09.

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Im Unionsrecht, hingegen, wird die Problematik naturgemäß aus der Perspektive der dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eigenen Zuständigkeitsregelungen betrachtet, mit der Folge, dass für den Grundrechtsschutz im ersuchten Staat wenig Raum bleibt. So entschied der EuGH im Fall Zarraga38 : Es ist „allein Sache der nationalen Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats, die Rechtmäßigkeit der genannten Entscheidung anhand der insbesondere durch Art. 24 der Charta der Grundrechte und Art. 42 der Verordnung Nr. 2201/2003 aufgestellten Erfordernisse zu überprüfen. Wie in Rn. 46 des vorliegenden Urteils hervorgehoben worden ist, beruhen die durch die Verordnung geschaffenen Systeme der Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen nämlich auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug darauf, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundrechte zu bieten“.39 Ein gewisser Vorrang der Grundrechte aus der Charta wird vom EuGH zwar anerkannt, er konzentriert sich aber auf Art. 24 GRC und lässt Art. 7 GRC unerwähnt, was angesichts des Art. 52 Abs. 3 GRC in Verbindung mit Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK nur verwundern kann: „[D]ie durch die Bestimmungen von Kapitel III Abschnitt 4 der Verordnung Nr. 2201/2003 geschaffene klare Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats und des Vollstreckungsmitgliedstaats … beruht [auf der Prämisse], dass die genannten Gerichte in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen die Verpflichtungen einhalten, die ihnen die Verordnung im Einklang mit der Charta der Grundrechte auferlegt. Insoweit sind, da die Verordnung Nr. 2201/2003 nicht gegen diese Charta verstoßen darf, die Bestimmungen von Art. 42 der Verordnung, mit denen das Recht des Kindes, gehört zu werden, umgesetzt wird, im Licht von Art. 24 der Charta auszulegen … Im Übrigen heißt es im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2201/2003, dass die Anhörung des Kindes bei ihrer Anwendung eine wichtige Rolle spielt, und in ihrem 33. Erwägungsgrund wird allgemeiner hervorgehoben, dass die Verordnung im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen steht, die mit der Charta der Grundrechte anerkannt wurden, und dass sie insbesondere darauf abzielt, die Wahrung der Grundrechte des Kindes im Sinne des Art. 24 der Charta zu gewährleisten.“40

Hinsichtlich der Zumutbarkeit der anwendbaren Zuständigkeitsregelung befand zum Beispiel der EuGH im Fall Povse: „Zu dem Argument, eine solche Auslegung könnte zu unnötigen Ortswechseln des Kindes führen, falls das zuständige Gericht das Sorgerecht letztlich dem im Verbringungsmitgliedstaat wohnhaften Elternteil übertragen sollte, ist hervorzuheben, dass das Interesse daran, dass eine gerechte und gut fundierte gerichtliche Entscheidung über das endgültige Sorgerecht für das Kind ergeht, das Erfordernis, von Kindesentführungen abzuschrecken, sowie das Recht des Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu 38

EuGH, Rs. C-491/10 PPU (Zarraga), Slg. 2010, I-14247. Ebd., Rn. 69 – 70. 40 Ebd., Rn. 59 – 61.

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beiden Elternteilen Vorrang vor den durch solche Ortswechsel möglicherweise verursachten Unannehmlichkeiten haben.“41

Es ließen sich noch weitere Beispiele dieser Art anführen, unter anderem aus dem Bereich der Rückführung illegaler Einwanderer42 sowie des Datenschutzes.43 Sie alle zeigen, dass im Unionsrecht wohl noch nicht alle Konsequenzen aus dem Inkrafttreten der Charta gezogen worden sind. Angesichts der relativ kurzen Zeit seit diesem Ereignis ist dies aber auch nicht verwunderlich. Zur Bewältigung dieser Herausforderung könnte eine Mitgliedschaft der Europäischen Union im EMRK-Verbund allerdings helfen. III. Der Beitritt der Europäischen Union zur EMRK als Chance zum systemübergreifenden Dialog über die Tragweite der Grundrechte Über den Beitritt der Europäischen Union zur EMRK ist schon sehr viel geschrieben worden.44 Art. 6 Abs. 2 EUV, in der Fassung des Lissabonner Vertrages, enthält sowohl die bis dahin fehlende Rechtsgrundlage dazu als auch die Aufforderung an die EU, diese auch zu gebrauchen. Die EMRK ihrerseits enthält seit dem 1. Juni 2010 einen Art. 59 Abs. 2, welcher der EU erlaubt, ihr beizutreten. Inzwischen sind die Arbeiten auf diesem Weg schon weit fortgeschritten. Der erste, schlüsselfertige Entwurf eines Beitrittsvertrages, ausgehandelt zwischen Vertretern der Europäischen Kommission und Experten aus Mitgliedstaaten des Europarates, wurde dem Ministerkomitee des Europarates am 14. Oktober 2011 vorgelegt.45 Letzteres hat am 13. Juni 2012 den Lenkungsausschuss für Menschenrechte des Europarates beauftragt, die Verhandlungen unverzüglich fortzusetzen, nachdem der EU-Ministerrat 41

EuGH, Rs. C-211/10 PPU (Povse), Slg. 2010, I-6673 Rn. 63. Siehe Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl.EU 2008 L 348/98. 43 Siehe das neue „Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union über die Verwendung von Fluggastdatensätzen und deren Übermittlung an das United States Department of Homeland Security“ und die Beschlüsse des Rates v. 13. 12. 2011 und v. 26. 4. 2012 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens, ABl.EU 2012 L 215/1. 44 Siehe, unter vielen anderen, C. Ladenburger, Vers l’adhésion de l’Union européenne à la Convention européenne des droits de l’homme, Revue trimestrielle de droit européen 2011, S. 21 ff.; S. Leutheusser-Schnarrenberger, Der Beitritt der EU zur EMRK: Eine schier unendliche Geschichte, in: Festschrift für Renate Jaeger, 2011, S. 136 ff.; V. Skouris, First Thoughts on the Forthcoming Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights, in: Essays in Honour of Christos L. Rozakis, 2011, S. 556 ff. 45 Der Entwurf (CDDH [2011] 009) kann auf dem Internetportal des Europarates (www.coe.int) eingesehen und heruntergeladen werden. Für eine Besprechung des Entwurfs siehe D. von Arnim, The Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights, KritV 2012, S. 37 ff.; J. Polakiewicz, The European Unions’ Accession to the European Convention on Human Rights – A Report on Work in Rapid Progress, in: Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, Saarbrücken 2011, S. 375 ff. 42

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(Justiz und Inneres) am 26. und 27. April 2012 eine Wiederaufnahme der Verhandlungen angemahnt und dabei die „äußerste Wichtigkeit“ eines „raschen Beitritts“ hervorgehoben hatte.46 Dementsprechend wurde am 21. Juni 2012 eine zweite Runde in den Verhandlungen gestartet, diesmal zwischen allen Mitgliedstaaten des Europarates und der Europäischen Kommission (die so genannte „47 + 1Runde“). Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass sie noch vor der Sommerpause 2013 erfolgreich abgeschlossen werden kann. Die Gründe, die einen Beitritt der EU zur EMRK rechtfertigen, sind allseits bekannt und brauchen daher nur kurz in Erinnerung gerufen zu werden. Ursprünglich, zur Zeit der ersten, auf das Jahr 1979 zurückgehenden Vorschläge zum Beitritt der EU, ging es primär darum, das Fehlen eines eigenen Grundrechtekatalogs in den Gründungsverträgen und das damit verbundene Grundrechtsschutz-Defizit der EU auszugleichen. Solange-I47 lässt grüßen. Inzwischen gibt es mit der Grundrechtecharta einen solchen Grundrechtekatalog mit primärrechtlichem Status. Dennoch verlangt der Lissabonner Vertrag diesen Beitritt. Warum? Eine erste Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Hinweis, dass es den Vertragsstaaten der EMRK nicht anders ergeht, dass ihr eigener Grundrechtsschutz – und sei er noch so wirksam – sie nicht von der Teilnahme am Straßburger Kontrollsystem befreit, weil eben eine interne, systemeigene Grundrechtskontrolle eine externe, internationale Kontrolle und die ihr eigene Unbefangenheit und Objektivität nicht ersetzen kann. Und was ein unbefangener Blick von außen auf bestimmte Rechtsinstitute so alles bewirken kann, weiß man in Deutschland nur zu gut: Stichwort Sicherungsverwahrung48 oder Diskriminierung nichtverheirateter Väter.49 Es lassen sich überhaupt, quer durch alle Vertragsstaaten, viele Beispiele dafür anführen, wie die externe Straßburger Kontrolle überfällige Reformen angestoßen hat, nicht zuletzt zum Abbau von Diskriminierungen. Angesichts der Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten dieser externen Kontrolle unterworfen sind und die EU grundsätzlich die gleiche Art von Kompetenzen ausübt wie ihre Mitgliedstaaten, liegt der EU nun daran, sich der gleichen Kontrolle zu öffnen, zur Stärkung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit.50 Konkret sollen Beschwerdeführer künftig einen Fall gegen die EU als solche vor dem EGMR anhängig machen können, was bis heute rechtlich unmöglich ist.51 Die EU wäre damit als Partei am Verfahren vor dem EGMR beteiligt. Folglich wäre sie auch an die Urteile des EGMR 46

Rat der Europäischen Union, Dok. Nr. 9179/12, S. 16. BVerfGE 37, 271. 48 EGMR 17. 12. 2009, M. / Deutschland, 19359/04. 49 EGMR 3. 12. 2009, Zaunegger / Deutschland, 22028/04. 50 So die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung an den Rat der EU, ihr zu erlauben, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, SEK(2010) 305/2 v. 17. 3. 2010 = Rats-Dok. Nr. 7668/ 10/EXT 2 v. 18. 3. 2010. 51 Europäische Kommission für Menschenrechte, Entscheidung vom 10. 7. 1978, CFDT / Europäische Gemeinschaften, 8030/77, DR 13 S. 231. 47

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gebunden und somit rechtlich verpflichtet, deren Umsetzung nach Maßgabe ihrer Kompetenzen sicherzustellen.52 Bis heute kann die EU an einem Verfahren vor dem EGMR immer nur als Drittintervenient nach Art. 36 Abs. 2 EMRK teilnehmen, was aber zur Folge hat, dass sie der Bindungswirkung der Urteile des EGMR völlig entzogen ist. Aber auch aus materiell-rechtlicher Sicht, zur Sicherstellung der von Art. 52 Abs. 3 GRC geforderten Übereinstimmung zwischen konventionsrechtlichem und unionsrechtlichem Grundrechtsschutz, ist der Beitritt der EU zur EMRK seit Inkrafttreten der Charta notwendiger denn je. Zunächst wäre es ja kaum hinnehmbar, dass sich die Charta die Grundrechte aus der EMRK zu eigen macht, ohne ihre konkrete Anwendung in Straßburg überprüfen zu lassen. Der Straßburger Kontrollmechanismus ist fester Bestandteil der EMRK. Er beinhaltet einen Blick von außen, aus einer internationalen Perspektive, auf die jeweiligen Sachverhalte und stellt damit einen Mehrwert zum rein internen Grundrechtsschutz dar. Diesen Mehrwert haben die Verfasser der EMRK angesichts der Bedeutung der in der EMRK enthaltenen Grundrechte ausdrücklich gewollt. Wer also Rechte aus der EMRK übernimmt und dabei den Anspruch erhebt, sie mit der gleichen Bedeutung und Tragweite auszustatten, muss auch zulassen, dass die Erfüllung dieses Anspruchs in letzter Instanz in Straßburg überprüft wird. Aber gerade die Möglichkeit einer solchen Überprüfung stellt, ganz im Sinn der Brückenfunktion, die Art. 52 Abs. 3 GRC zwischen Unionsrecht und EMRK wahrnimmt, auch eine einmalige Chance zum systemübergreifenden Dialog über die Tragweite der Grundrechte im Unionsrecht dar. Unionsvertreter und EGMR könnten und müssten dann in Straßburg gemeinsam nach Lösungen suchen, die sowohl der grundrechtlichen Natur der Rechte aus der EMRK als auch den wesentlichen Besonderheiten des Unionsrechts im Sinne des Lissabonner Vertrags gebührend Rechnung tragen. Eine wahrlich faszinierende Aufgabe, bei der sowohl die Grundrechte als auch das Unionsrecht gestärkt herauskämen.

52 Ein Beispiel für die Komplikationen, die sich daraus ergeben können, dass die EU nicht an Urteile des EGMR gebunden ist, für deren Umsetzung ihre Mitwirkung jedoch erforderlich ist, liefert EuGH, Rs. C-145/04 (Spanien / Vereinigtes Königreich), Slg. 2006, I-7917.

Die Europäische Union als Wertegemeinschaft

Zusammenfassung des abschließenden Podiumsgesprächs mit Detlef Merten, Carl Otto Lenz und Jacques Santer Marcus Hornung Das abschließende Podiumsgespräch unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Detlef Merten bezog sich auf den Titel der Gesamtveranstaltung: „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft“. Hierzu begrüßte Merten zwei namhafte Persönlichkeiten mit langjähriger Erfahrung im Dienst der Europäischen Union als Podiumsteilnehmer: den früheren Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Santer, sowie Prof. Dr. Carl Otto Lenz, ehemals Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof. Das Podiumsgespräch wurde durch Beiträge der Teilnehmer des Symposiums ergänzt. Als Einstieg wählte Merten das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1958,1 in dem die Grundrechte als eine „Wertordnung“,2 gar „Wertrangordnung“,3 bezeichnet wurden. Das Urteil habe zu einer regen Diskussion über die Bedeutung von Werten geführt, für die etwa Carl Schmitts Sorge vor einer „Tyrannei der Werte“4 exemplarisch stünde. In jedem Fall hätten die Reaktionen seinerzeit verdeutlicht, dass die Rechtswissenschaft ein zumindest zwiespältiges Verhältnis zum Begriff des „Wertes“ pflege, mit dem sich nun auch die Europarechtswissenschaft auseinanderzusetzen habe, denn die Werte der Union fänden sich jetzt in Art. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV), der folgenden Wortlaut habe: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Ziel des Podiumsgesprächs – so Merten – war es zu ergründen, ob es sich hierbei um programmatische rechtskulturelle Verankerungen handelt oder die zitierten Werte als verbindliche Prinzipien verstanden werden müssen. Dies impliziere im 1

BVerfGE 7, 198. BVerfGE 7, 198 (205, 215). 3 BVerfGE 7, 198 (215). 4 C. Schmitt, Die Tyrannei der Werte, in: S. Schelz (Hrsg.), Die Tyrannei der Werte. 1979, S. 9. 2

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Kern die Frage, ob die Normierung von Werten im Unionsrecht politisch-deklaratorischer Art sei oder aber juristische Wirkkraft habe. Santer und Lenz näherten sich dem breiten Feld aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, ausgehend einerseits von den Wurzeln und andererseits von der Wirkung der Werte der Union. Die Beantwortung der Leitfrage führte die Diskutanten auch zu den angrenzenden Themenfeldern Subsidiarität, Solidarität und Grundrechtschutz. Im Zuge der Diskussion ergaben sich zwei Schwerpunkte: Es wurden Ursprung und Umfang der Werte der Union behandelt, des Weiteren wurde deren Wirkung am Beispiel aktueller Entwicklungen thematisiert. I. Ursprung und Umfang der Werte der Union In seinem Eingangsstatement erläuterte Santer, woraus für ihn das Wertefundament der Union besteht: Man müsse erkennen, dass Verfassungsbestimmungen einen Ausdruck der Willensbildung einer Gesellschaft darstellten, die wiederum auf den Werten basierten, die die jeweilige Gesellschaft zusammenhielten. Bezogen auf die EU erfülle das geltende Primärrecht die Funktion einer Verfassung. Daher müssten die in Art. 2 EUV erfassten Werte als Ausdruck des geistig-moralischen Fundaments der Union verstanden werden. Im Mittelpunkt dieses Fundaments wiederum steht für Santer der Versöhnungsgedanke, der mit einem klaren Bekenntnis zur Würde des Menschen in einem Raum von Frieden und Sicherheit einhergeht. Insofern seien Überlegungen über die Werte der Union nicht neu, was Santer mit je einem Zitat Robert Schumans und Konrad Adenauers belegte: Schuman habe schon 1958 als Präsident des Europäischen Parlaments dazu aufgerufen, sich auf die christlichen Grundwerte Europas zu besinnen, damit durch Versöhnung eine Gemeinschaft der Völker in Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden entstehen könne.5 Adenauer habe noch früher, 1951 vor der Foreign Press Association in London, erklärt, dass der Integrationsprozess nicht nur den vordergründigen Zielen der materiellen Wohlfahrt und des sozialen Fortschritts in Europa, sondern gleichfalls der Erhaltung der abendländisch-christlichen Werte dient.6 Santer erläuterte, dass christliche Werte gemeinsam mit humanistischen Werten folglich seit jeher das Wesen der Union prägen. Dass diese Werte schließlich in Art. 2 EUV Einzug gefunden haben, sei logische Folge und erfreulicher Ausdruck eines längst gefestigten Wertefundaments. Aus dieser Überzeugung heraus warb der ehemalige Kommissionspräsident für einen offenen Umgang mit dem Wertebegriff: Gerade gegenüber den Bürgern Europas sei es wichtig, dass weitere Grundprinzipien wie etwa Solidarität und Subsidiarität ebenfalls als grundlegend empfunden würden,

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Vgl. auch J. Santer, Europa wird christlich sein, oder es wird nicht mehr sein, in: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), Die zivilisatorischen Herausforderungen Europas. Konferenzdokumentation, 2006, S. 25. 6 Vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 19/51, S. 134.

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auch wenn sie nicht zum Katalog der Werte der Union im engeren Sinne zu zählen seien. Die anschließende Diskussion behandelte Umfang und Bestandteile des in Art. 2 EUV aufgeführten Wertekatalogs: Lenz warnte vor einer zu willkürlichen Nutzung des Wertebegriffes. Insbesondere zweifelte er an, ob gerade Subsidiarität durch die Bürger Europas als Wert verstanden und eingefordert werden müsse. Vielmehr sei das Europäische Parlament gefragt, noch konsequenter auf die Einhaltung dieses Prinzips zu achten, solange andere Institutionen sowie die Mitgliedstaaten hierzu nicht in der Lage seien. Von Armin wiederum bemerkte hierzu, dass man von keiner der genannten Institutionen eine unvoreingenommene Subsidiaritätsbewertung erwarten dürfe, da im Zweifel stets eine Entscheidung pro domo gefällt würde. Lenz und von Arnim kamen insofern überein, von einer Einordnung des Begriffs Subsidiarität in die Werte der Union abzusehen. Dass auch Solidarität als Wert der Union anzuerkennen sei, selbst wenn sie nicht in Art. 2 S. 1 EUVals solcher aufgeführt sei, wurde von Merten und Lenz unterstützt. Lenz wies darauf hin, dass gerade dem Terminus Solidarität im Primärrecht erhebliche Bedeutung eingeräumt werde. Mit Blick auf jüngste Entwicklungen sei dies im Übrigen ein Anhaltspunkt dafür, dass Maßnahmen der Solidarität einiger Mitgliedstaaten zugunsten anderer Mitgliedstaaten mit den Verträgen vereinbar seien, gar in ihrem Geiste lägen. Merten und Santer wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihr Verständnis von Solidarität jenes einer Gegenseitigkeitsbeziehung sei. Was die gegenwärtigen Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise angehe, sei es jedoch zu früh, diese am Solidaritätsbegriff zu prüfen. In seinem Kommentar griff von Arnim den von Santer diskutierten Versöhnungsgedanken erneut auf: Der Euro, der einst ein Symbol des Zusammenwachsens der europäischen Staaten gewesen sei, stehe derzeit eher für Spaltung. In der gegenwärtigen Krise seien seines Erachtens zugunsten des Euro eine ganze Reihe offensichtlicher Rechtsverletzungen zu beobachten gewesen, was kaum eine tragfähige Basis für Versöhnung sein könne. Magiera kam abschließend auf die Inhalte des Wertekatalogs zurück und deutete an, dass er skeptisch gegenüber der unhierarchischen Aufzählung vermeintlich gleichgewichteter Werte in Art. 2 EUV sei. Insgesamt kamen die Diskutanten überein, dass die Praxis noch zeigen müsse, ob die Liste der Werte vollständig sei.

II. Wirkung der Werte der Union am Beispiel aktueller Entwicklungen Während Santer die Wurzeln der primärrechtlich verankerten Werte ergründete, diskutierte Lenz in seinem Statement kritisch deren Einhaltung. Das komplexe Projekt „Europa“ sei zwar nicht darauf angewiesen, dass es uneingeschränkte Zustimmung erhalte – wohl aber mehrheitliche Zustimmung. Ob ihm diese zuteilwerde, werde wiederum davon abhängen, ob die Politik die Inhalte des Art. 2 EUV Wirklichkeit werden lasse oder sich zumindest nach Kräften gegen ihre Verletzung

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wehre. Aktuell sah Lenz insbesondere die Einhaltung von drei europäischen Werten in Gefahr: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Was die Freiheit angehe, so umfasse diese auch die Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Gegenwärtige politische Entwicklungen hätten hingegen zum Ziel, wieder einseitig Binnengrenzkontrollen durchführen zu können. Diese stellten folglich nicht nur eine Einschränkung der Freiheit, sondern auch der Werte der Union dar. Wenn es überhaupt notwendig sein sollte, dass ein Mitgliedstaat die Freiheit der Unionsbürger derart beschneide, so müsse er diese Entscheidung zumindest gemeinsam mit der Europäischen Kommission treffen. Rechtsstaatlichkeit beschrieb Lenz als Zustand, in dem dem geltenden Recht auch ohne Zwang gefolgt werde. Hiergegen verstoße gegenwärtig gerade die Bundesregierung, wenn sie sich öffentlichkeitswirksam der Umsetzung von Richtlinien verweigere, womit Lenz auf die bisherige Nicht-Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG7 zur Vorratsdatenspeicherung anspielte. Den Wert Demokratie wiederum sah der ehemalige Generalanwalt vor dem Hintergrund der häufig kritisierten neuen Verfassung Ungarns in Gefahr: Zwar wolle er diese Verfassung nicht verteidigen, es sei jedoch beunruhigend, wie einige Mitgliedstaaten öffentlich Verdächtigungen über die Verfassungsordnung anderer Mitgliedstaaten aussprächen. Lenz resümierte, dass ihm die Einhaltung der in Art. 2 EUV formulierten Werte als ständige politische Herausforderung erscheine. Mit der Benennung aktueller Fallbeispiele, die jeweils zumindest einen mittelbaren Wertebezug aufwiesen, führte Lenz dem Plenum erneut das Spannungsfeld zwischen politischer und juristischer Wirksamkeit des neuen Art. 2 EUV vor Augen. Neben diesen Beispielen konzentrierte sich die Diskussion in Folge auch auf den Grundrechtschutz in Europa. Merten zeigte sich skeptisch, ob die Durchführung vorübergehender Grenzkontrollen tatsächlich das im Art. 2 EUV erwähnte Prinzip der Freiheit antaste – es handele sich zwar um Behinderungen, nicht jedoch Beschränkungen. Magiera hingegen erklärte hierzu, er könne in Binnengrenzkontrollen im Schengenraum ohnehin kein adäquates Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung erkennen. Nachhaltig wirksamer wäre es, die grenzüberschreitende Behördenkooperation innerhalb der Union sowie zu ihren Nachbarn auszubauen. Die gegenwärtige politische Diskussion dürfe jedenfalls nicht überschätzt werden. Einen Schwerpunkt bildete die von Lenz in die Diskussion eingeführte ungarische Verfassungsdebatte. Classen stimmte zu, dass die neue ungarische Verfassung zwar einige kritische Punkte beinhalte, es jedoch den anderen Mitgliedstaaten nicht zustehe, dies zu monieren. Umso erfreulicher sei, dass die EU-Kommission die Problematik erkannt und nach den Regeln der Verträge ein ordentliches Vertragsverletzungs7 Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15. 3. 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, ABl.EU 2006 L 105/54.

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verfahren eröffnet habe. Dass dieses durch eine grenzüberschreitende, öffentliche Diskussion begleitet werde, sei kaum zu kritisieren. Zeh und Santer zeigten sich sogar erfreut über diese punktuelle europäische Öffentlichkeit, die immerhin die Verwirklichung der Werte der Union hinterfrage, was wiederum die Passgenauigkeit des von Lenz gewählten Beispiels belege. Niedobitek wies hingegen darauf hin, dass die EU-Kommission in diesem Fall das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und nicht etwa das Verfahren nach Art. 7 EUV genutzt habe, welches sich speziell auf die Werte der Union in Art. 2 EUV beziehe. Die Werte der Union als solche spielten in diesem Fall bisher formal also keine Rolle. Da Art. 2 S. 1 EUV die „Achtung der Menschenwürde“ und „die Wahrung der Menschenrechte“ ausdrücklich zu Werten der Union erhebt, ging das Podium im Zuge der Diskussion auch auf das Verhältnis zwischen dem EU-Primärrecht und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie zwischen dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Lenz merkte an, dass es in der Praxis zwischen EuGH und EGMR bisher kaum inhaltliche Differenzen gegeben habe. Die EMRK sei 1950 mit dem Ziel unterzeichnet worden, die Konventionsstaaten einer kritischen Kontrolle von außen in Bezug auf die Grund- und Menschenrechte zu unterwerfen. Dies sei natürlich auch im Sinne der späteren Unionsorgane gewesen, die die fachliche Expertise des EGMR in Fragen des Grundrechtsschutzes bis heute wertschätzten. Schließlich habe auch der EuGH immer wieder auf die EMRK zurückgegriffen. Kritisch zu sehen sei hier lediglich ein Durchsetzungsdefizit der Urteile des EGMR. Anschließend diskutierten Windoffer und Sommermann das Verhältnis der EMRK zum deutschen Grundgesetz: Während Windoffer darauf abstellte, dass die EMRK im deutschen Recht lediglich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes habe und daher der Anwendung der lex posterior-Regel unterworfen sei, plädierte Sommermann dafür, der EMRK ein höheres Gewicht – zumindest als Auslegungsdirektive – zu verleihen, wie es auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Sicherungsverwahrung getan habe, in dem es auf Art. 1 Abs. 2 GG verwiesen habe.8 Während bezüglich der Ursprünge der Werte der Union im ersten Teil der Diskussion weitgehend Einigkeit herrschte, gingen die Meinungen zur ihrer Wirksamkeit im zweiten Teil auseinander: Zwar wiesen alle von Lenz aufgeworfenen und im Plenum diskutierten Themen einen deutlichen Wertebezug auf, allerdings blieb strittig, in welchem Grad diese Werte jeweils tatsächlich verletzt und ob diese justiziabel seien.

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BVerfGE 128, 326 (369 f.).

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III. Ausblick: Forschungsbedarf zu den Werten der Union In Art. 2 EUV ist erstmalig ausdrücklich die Rede von Werten der Union, obwohl es sich – wie Magiera und Sommermann feststellten – um ein eher heterogenes Konglomerat aus Prinzipien, Zielen und vielleicht sogar Rechten handele. Während sich das Podium ausgehend vom Statement Santers den Ursprüngen der in der Bestimmung erfassten Werte widmete, lenkte Lenz die Diskussion gezielt auf konkrete Fallbeispiele, durch die er diese Werte gefährdet sah. Im Zuge der Diskussion näherten sich die Teilnehmer damit sukzessive der von Merten aufgeworfenen Frage danach, ob die Niederlegung der Werte rein politisch-deklaratorischer Art sei oder aber juristische Wirkkraft inne trage. Merten erklärte, die in Art. 2 Abs. 1 EUVaufgeführten Werte seien als Grundsätze zu verstehen, die dann mithilfe speziellerer Normen zu überprüfen wären – insofern sei es richtig und notwendig, ihre Umsetzung anhand konkreter Fallbeispiele zu hinterfragen. Hierdurch werde deutlich, dass die aufgezählten Werte nicht nur einfache Proklamationen, sondern vielmehr tragfähige Rechtsgrundsätze darstellten. Das zeige sich auch in Art. 2 S. 2 EUV, aus dem sich ergebe, dass die Werte der Union nicht nur die Union selbst, sondern auch ihre Mitgliedstaaten verpflichteten. Schwächer stufte Fehling die juristische Wirkung von Art. 2 EUV ein: Die Bestimmung entspreche bewusst der höchsten Abstraktionsebene. Würde man die Werte der Union als Elemente einer Werteordnung ernst nehmen, könnten sie allenfalls Auslegungsleitlinien in Zweifelsfragen sein. Vielmehr komme den Werten der Union eine Appellfunktion und die Aufgabe der Schaffung eines europäischen Zusammengehörigkeitsgefühls zu. Zur künftigen Aufarbeitung regte Niedobitek an, die beiden durch Santer und Lenz gewählten Diskussionsstränge analytisch zu trennen, um Klarheit darüber zu schaffen, ob es um die Verletzung der Werte der Union selbst gehe oder um die Verletzungen der Konkretisierungen der Werte. Sommermann wiederum schlug – Bezug nehmend auf Böckenförde – vor, die einzelnen Werte der Union als „Schleusenbegriffe“ aufzufassen: Mit Werten wie „Demokratie“ verbänden sich in Europa unterschiedlichste, zumal dynamische, Vorstellungen. Aufgabe der Rechtswissenschaft sei es, künftig im grenzüberschreitenden Dialog einen Kernwertgehalt, der allen Staaten gemein sei, zu extrahieren. In der Praxis hingegen – so bemerkte Magiera abschließend – werde es in den kommenden Jahren nötig sein, die Werte der Union mit denen der mitgliedstaatlichen Verfassungen abzuwägen.

Worte des Dankes Siegfried Magiera Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Abschluss des Symposiums möchte ich gern einige Worte des Dankes sagen. Mein Dank gilt zunächst Herrn Niedobitek und Herrn Sommermann, die mir seit vielen Jahren kollegial und freundschaftlich verbunden sind, für die Mühen, die sie mit der Ausrichtung des Symposiums auf sich genommen haben, und die freundlichen Worte, die sie am heutigen Morgen zu meiner Person gefunden haben, ferner Herrn Ziekow und Herrn Wieland, die das Symposium im Namen unseres Forschungsinstituts und unserer Universität unterstützt haben. Mein Dank gilt ebenso den Referenten des heutigen Tages für ihre anregenden und, wie die Aussprache dazu gezeigt hat, nachdenkenswerten Beiträge zu den sorgfältig ausgewählten Themen, die aktueller nicht sein können. Herrn Huber, der mir insbesondere durch die gemeinsamen deutsch-polnischen Verwaltungskolloquien verbunden ist, danke ich dafür, dass er auch als Richter des Bundesverfassungsgerichts die Zeit gefunden hat, zu uns nach Speyer zu kommen. Herrn Santer und Herrn Lenz bin ich für den heutigen Tag, aber auch für frühere Unterstützung dankbar, Herrn Lenz, weil er als aktiver Generalanwalt während eines meiner Forschungssemester zusätzlich eine Lehrveranstaltung an unserer Hochschule durchgeführt hat, und Herrn Santer, weil er als aktiver Präsident der Europäischen Kommission während meines Rektorats die Eröffnungsansprache zu einem der Semester gehalten hat. Herrn Nettesheim danke ich für die heutigen Ausführungen und auch dafür, dass ich stets von seinem – gemeinsam mit Herrn Oppermann, der leider heute nicht zu uns kommen konnte, und Herrn Classen verfassten – Lehrbuch zum Europarecht profitieren konnte. Mit Herrn Klein verbindet mich neben dem Dank für den heutigen Tag insbesondere die gemeinsame Arbeit – zusammen mit Herrn Hailbronner und Herrn Müller-Graff – an dem ersten Loseblatt-Handkommentar zum Europarecht. Zu danken habe ich weiterhin Herrn Merten und Herrn Callewaert für ihre heutigen Beiträge, aber auch für vielfältige Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Herrn Callewaert danke ich für seine Gastfreundschaft am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anlässlich der von mir zunächst mit Herrn Siedentopf und nunmehr mit Herrn Sommermann durchgeführten Europa-Seminare für Führungskräfte aus dem öffentlichen Dienst. Last, but definitely not least gilt mein besonderer Dank Herrn Merten für kollegiale wie freundschaftliche Verbundenheit und

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Unterstützung seit unserer ersten Begegnung anlässlich der Staatsrechtslehrertagung in Köln, wo ich seinerzeit eine Professur an der dortigen Universität innehatte. Dank sagen möchte ich auch Frau Brieger, Frau Kuhn, Frau Stirn, Herrn Holzwart und Herrn Schnabel, den früheren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an meinem Lehrstuhl für die stets hervorragende Zusammenarbeit und für die Teilnahme an diesem Symposium. Ferner gilt mein herzlicher Dank allen Kolleginnen und Kollegen, die – auch aus großer Entfernung – zu unserem Symposium nach Speyer gekommen sind. Da ich aus Zeitgründen nicht alle von Ihnen einzeln nennen kann, hoffe ich auf das Einverständnis der Herren, wenn ich insbesondere Frau Grewe, Frau Jansen und Frau Schmalenbach namentlich hervorhebe. Das heutige Symposium hat sich dem Rahmenthema „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft“ gewidmet, einem Thema, mit dem ich mich seit meiner Speyerer Antrittsvorlesung unter den Stichworten „Europa der Bürger“ und „Unionsbürgerschaft“ vertieft befasst habe. Mein Anliegen war es, darauf hinzuweisen, dass die europäische Integration von Anfang an, beginnend mit dem Vertrag über die Kohleund Stahlgemeinschaft bis hin zum Unionsvertrag von Lissabon, keineswegs nur auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten angelegt war, sondern viel umfassender auf einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker weit über den wirtschaftlichen Sektor hinaus. Diese Entwicklung ist inzwischen, was den rechtlichen Rahmen anbetrifft, sehr weit vorangeschritten. Erkennbar wird dies insbesondere an der Freizügigkeit der Unionsbürger zwischen den Mitgliedstaaten, der auf wirtschaftlichem wie auf nicht-wirtschaftlichem Gebiet nur noch wenige Hindernisse entgegenstehen. Was den rechtlichen Rahmen anbetrifft, sind auch die Werte der Union und ihrer Mitgliedstaaten jedenfalls im Grundsatz weitgehend anerkannt und kompatibel. Die Aufzählung dieser Werte im Vertragstext dürfte kaum einen Wunsch offenlassen. Schwieriger dürfte deren Vermittlung und Anwendung in der Praxis sein, wenn es um konkrete Abwägung und gegenseitige Vereinbarkeit sowie darum geht, die Identitäten der einzelnen Mitgliedstaaten zu wahren. Voraussetzung dafür sind vor allem wirksame demokratisch-rechtsstaatliche Konfliktlösungsmechanismen sowie deren loyale Nutzung durch gemeinschaftliche wie mitgliedstaatliche Institutionen unter wirksamer Beteiligung der Bürger. Dies bringt uns zu den hervorgehobenen Einzelthemen des Symposiums – Parlamentarismus und Grundrechtsschutz. Die Parlamente finden sich gegenwärtig Herausforderungen aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt. Im Verhältnis zwischen den obersten Staatsorganen ist nicht nur das Verhältnis zur Regierung zu klären, das zur Zeit der Anfertigung meiner Habilitationsschrift im Vordergrund stand, sondern zunehmend auch das Verhältnis zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Bisweilen stellt sich dem Beobachter insoweit die Frage nach dem Gestaltungsspielraum oder Kernbereich, der dem Parlament als Hauptorgan der Gesetzgebung im Rahmen der Verfassung unabdingbar zustehen muss, wenn die Gewaltenbalance zwischen den Staatsorganen gewahrt bleiben soll.

Worte des Dankes

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Im Verhältnis zu den Bürgern, deren politische Rechte mir seit meiner Magisterund meiner Doktorarbeit stets ein besonderes Anliegen waren, stellt sich verstärkt das Problem eines für den demokratischen Rechtsstaat erforderlichen und zugleich förderlichen Ausgleichs zwischen repräsentativ- und plebiszitär-demokratischen Elementen. Beide ermöglichen den Bürgern eine Mitwirkung an der politischen Gestaltung des Gemeinwesens und sind damit, wenn auch in unterschiedlicher Weise, partizipativ angelegt. Die herkömmlichen Verfahren der Bürgerbeteiligung, insbesondere bei Sachabstimmungen, sind offenbar ausbau- und verbesserungsbedürftig. Dies gilt jedoch auch für das Wahl- und das Parteienrecht. Hier wäre vertieft über eine Beteiligung bei der Aufstellung der Wahlkandidaten der Parteien nachzudenken ebenso wie über den Nutzen von Sperrklauseln, die bei funktionierender innerparteilicher Demokratie auch einen Anreiz zu Kompromissbereitschaft und verstärkter politischer Beteiligung bieten könnten. Wie eingangs erwähnt, habe ich den heutigen Referaten und den anschließenden Diskussionsbeiträgen eine Fülle neuer Erkenntnisse zu verdanken, die mich bei meiner weiteren wissenschaftlichen Arbeit begleiten und anspornen werden. Dafür bin ich Ihnen allen, meine Damen und Herren, zu großem Dank verpflichtet.

Schlusswort Joachim Wieland Verehrter Herr Magiera, meine Damen und Herren, es gehört zu den angenehmsten Aufgaben des Rektors der Universität Speyer, nach den Dankesworten des Jubilars noch einmal selbst das Wort ergreifen zu dürfen. Ich muss allerdings sagen, dass diese Aufgabe manchmal auch eine gewisse Herausforderung darstellt, insbesondere heute. Leider gehört zur Amtsausstattung des Rektors nicht die Fähigkeit der Ubiquität, so dass ich ein Schlusswort zu einer Veranstaltung zu sprechen habe, die ich nur im letzten Teil miterleben konnte. Ich bitte insoweit also um Nachsicht. Ich war in einer Pflichtenkollision. Ich wurde sehr kurzfristig gebeten, an einer Evaluation der Max-Planck-Institute teilzunehmen, da der dafür vorgesehene Kollege schwer erkrankt ist. Dieser Bitte konnte ich mich schlecht entziehen und kann jetzt zu meiner Rechtfertigung nur sagen: Ich war heute in Frankfurt beim MaxPlanck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte und wir haben uns den ganzen Tag mit den geschichtlichen Grundlagen der Wertegemeinschaft befasst. Ich will Ihre Vorfreude auf das Abendessen auch nicht zu sehr strapazieren. Ich möchte nur ein paar Worte des Dankes und eine Bitte aussprechen. Zunächst die Worte des Dankes der Universität an Sie, Herr Magiera. Sie haben seit 1984 hier zwar einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Völker- und Europarecht vertreten, aber doch vor allen Dingen das Europarecht und Sie haben das europäische Gesicht der damaligen Hochschule, der jetzigen Universität, geprägt. Das war Ihnen gewissermaßen nicht in die wissenschaftliche Wiege gelegt, da Ihre Interessen zunächst mehr in Richtung USA gingen, sie haben dort studiert und sich auch in Ihrer Doktorarbeit damit beschäftigt. Der Einfluss des Ortes Speyer, aber auch wohl die gesamteuropäische Entwicklung haben indessen dazu beigetragen, dass Sie praktisch seit der Zeit, seit der Sie in Speyer sind – Sie haben eben Ihre Antrittsvorlesung erwähnt – sich mit europäischen Fragen beschäftigt haben. Sie sind sehr schnell wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Dokumentationszentrums geworden, Sie waren Senatsbeauftragter für europäische Fragen und vor allen Dingen haben Sie der Hochschule zwischen 1996 und 2000 erst als Prorektor, dann zwei Jahre als Rektor und dann wieder als Prorektor gedient – wer selbst Rektor ist, weiß, was das bedeutet. Deshalb dafür ganz besonderen Dank und Dank auch dafür, dass Sie auch weiterhin an der Speyerer Universität tätig sind, nicht im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sondern auch – Sie haben es eben kurz erwähnt –, indem Sie mit Herrn Sommermann weiterhin die Europa-Seminare veranstalten, und damit komme ich auch zu meiner Bitte:

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Joachim Wieland

Als Rektor der Universität Speyer bitte ich Sie, diese Bemühungen fortzusetzen. Das ist wichtig für die Universität, aber ich glaube, es ist auch wichtig für Europa. Wir haben heute über die Wertegemeinschaft gesprochen, die die Europäische Union darstellen soll. Ich glaube, die Wertegemeinschaft ist gegenwärtig nicht mehr so selbstverständlich, wie sie das vielleicht einmal war. Das klang auch zum Schluss in einigen Bemerkungen an. Ich denke, wenn man das europäische Feld betrachtet, dann muss ich als jemand, der vom nationalen öffentlichen Recht kommt, sagen, dass ich es schon bemerkenswert fand, dass im Zuge der Euro-Rettung die Staaten der Europäischen Union nicht nur zum Zivilrecht Zuflucht genommen haben, was für den Öffentlich-Rechtler schon ein Problem ist, sondern auch noch außerhalb des europäischen Rechts eine Gesellschaft des luxemburgischen Rechts als Zweckgesellschaft gegründet haben. Das ist ein Schritt, bei dem man sich fragen kann, ob dieser eigentlich mit der Idee einer Rechtsgemeinschaft in Überstimmung steht. Man könnte hier auch sagen, es handele sich um eine Flucht aus dem Europarecht, was eigentlich nicht sein sollte, denke ich. Hier sind die Wissenschaftler gefordert, etwas dazu zu sagen. Wenn man hört, dass jetzt die Diskussion eigentlich nur noch um den Euro geht, dann muss man vielleicht auch unter dem Stichwort Wertegemeinschaft gelegentlich deutlich machen, dass die Europäische Union mehr ist als ein Rückversicherungsverein auf Gegenseitigkeit für in finanzielle Nöte geratene Staaten. Ich finde es auch bemerkenswert – das kann ich jetzt Herrn Bundesverfassungsrichter Huber nicht mehr direkt sagen, aber er weiß es, weil ich dazu geschrieben habe –, dass man aus dem Bundesverfassungsgericht hört, die Grenze der Integration sei erreicht. Wenn es weitergehen soll, brauchen wir ein neues Grundgesetz. Ich meine, auch darüber kann man als Wissenschaftler nachdenken. Immerhin, das ist ja heute erwähnt worden, steht in der Präambel, dass Deutschland an der Europäischen Union mitwirken soll, in Art. 23 GG verpflichten wir uns dazu. Ob wir wirklich eine neue Verfassung brauchen, daran kann man zweifeln. 1992 stand der Bundesstaat Europa noch als Ziel im Grundsatzprogramm der CDU, ich habe das nie als verfassungswidrig angesehen, aber 20 Jahre sind natürlich eine lange Zeit, da können sich Auffassungen auch wandeln. Ich glaube, es gibt gerade in dieser Zeit noch viel zu tun und dazu möchte die Universität Speyer ihren Beitrag leisten und dazu zählen wir auch Sie, lieber Herr Magiera. Deshalb meine abschließende Bitte: Bleiben Sie uns erhalten und wirken Sie weiter mit. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen!

Verzeichnis der Schriften von Siegfried Magiera* Party Finance and Government Regulation: A Comparative Analysis (Master’s Thesis), Lawrence/Kansas 1967, 168 S. Die Vorwahlen (Primaries) in den Vereinigten Staaten (Dissertation), Frankfurt/Main 1971, 174 S. Der Rechtsanspruch auf Parteibeitritt, in: Die Öffentliche Verwaltung 1973, S. 761-768. Vorwahlen und demokratische Kandidatenaufstellung im modernen Parteienstaat, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechtes der Gegenwart, Neue Folge 22 (1973), S. 621-662. Gutachten zum schwedischen Ehegüterrecht, in: Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht 1972 (veröffentlicht im Auftrage des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht; hrsg. von M. Ferid/G. Kegel/K. Zweigert), Tübingen 1973, S. 130-138. Gutachten zum dänischen Familien- und Erbrecht, ebd., S. 275-285. Allgemeine Regelungsgewalt („Rechtsetzung“) zwischen Parlament und Regierung – Zur Auslegung und zur Reform des Art. 80 GG, in: Der Staat 13 (1974), S. 1-26. Gutachten zum polnischen Adoptions- und Staatsangehörigkeitsrecht, in: Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht 1973 (veröffentlicht im Auftrage des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht; hrsg. von M. Ferid/G. Kegel/K. Zweigert), Tübingen 1974, S. 310-316. Zur Bezeichnung vorsorglicher Maßnahmen durch den Internationalen Gerichtshof: Verfahrenseffektivität gegen Souveränität, in: Jahrbuch für Internationales Recht 17 (1974), S. 253-282. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes in den Jahren 1972 und 1973, in: Jahrbuch für Internationales Recht 17 (1974), S. 326-340. Bundesstaat und EG-Finanzordnung: Zur Verteilung der Finanzlast zwischen Bund und Ländern bei der Durchführung von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, in: Recht im Dienst des Friedens (Festschrift für Eberhard Menzel; hrsg. von J. Delbrück/ K. Ipsen/D. Rauschning), Berlin 1975, S. 621-644. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes im Jahre 1974, in: Jahrbuch für Internationales Recht 18 (1975), S. 396-412. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes im Jahre 1975, in: German Yearbook of International Law – Jahrbuch für Internationales Recht 19 (1976), S. 443-454. ITU (International Telecommunication Union – Internationale Fernmelde-Union), in: Handbuch Vereinte Nationen (hrsg. von R. Wolfrum/N. Prill/J. Brückner), München 1977, S. 237-240. * Ohne Buchbesprechungen.

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UPU (Universal Postal Union – Weltpostverein), ebd., S. 493-497. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes im Jahre 1976, in: German Yearbook of International Law – Jahrbuch für Internationales Recht 20 (1977), S. 433-438. Organisationsformen der politischen Parteien auf Gemeinschaftsebene und ihre Funktion bei der politischen Willensbildung, in: Europarecht 1978, S. 311-332. Rechtsnatur und Geltungsgrund des Völkerrechts, in: Eberhard Menzel, Völkerrecht, 2. Aufl. (hrsg. von K. Ipsen), München 1979, S. 38-48. Völkerrecht und staatliches Recht, ebd., S. 49-73. Völkerrechtssubjekte, ebd., S. 97-135. Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes (Habilitationsschrift), Berlin 1979, 359 S. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes in den Jahren 1977 und 1978, in: German Yearbook of International Law – Jahrbuch für Internationales Recht 22 (1979), S. 403-413. Beiträge zum Verfassungsrecht ausländischer Staaten, in: Brockhaus-Enzyklopädie und Der große Brockhaus, Wiesbaden (1972-1980). Die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments – Ansatz zur parlamentarischen Mitregierung auf Gemeinschaftsebene?, in: Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht (Festschrift für Hans Jürgen Schlochauer; hrsg. von I. von Münch), Berlin 1981, S. 829-853. Kommentierung von Art. 46 („Indemnität und Immunität der Bundestagsabgeordneten“) Grundgesetz, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Hamburg 1981, 59 S. Umfang und Regelung der Indemnität von Abgeordneten insbesondere bei schriftlichen Fragen an die Regierung (zusammen mit W. A. Kewenig), in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1981, S. 223-234. Wal Wal Arbitration, in: Encyclopedia of Public International Law (Published under the Auspices of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law under the Direction of R. Bernhardt), Instalment 2, Amsterdam 1981, S. 290-291; reprinted in: Volume Four, Amsterdam 2000, S. 1331-1332. Direct Broadcasting by Satellite and a New International Information Order, in: German Yearbook of International Law – Jahrbuch für Internationales Recht 24 (1981), S. 288-305. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes in den Jahren 1979 und 1980, in: German Yearbook of International Law – Jahrbuch für Internationales Recht 24 (1981), S. 410-436. Eine „Neue Internationale Informationsordnung“: Anfang oder Ende grenzüberschreitender Kommunikationsfreiheit?, in: Europa-Archiv 1981, S. 579-586. The Interpretation of the Basic Law (Deutscher Landesbericht zum Verhandlungsthema „Les problèmes de l’interprétation des constitutions contemporaines – Problems of interpretation of contemporary constitutions“ für den ersten Kongress der Internationalen Vereinigung für Verfassungsrecht [IACL], Belgrad 1983), in: Main Principles of the German Basic Law (hrsg. von Ch. Starck), Baden-Baden 1983, S. 89-105.

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Kommentierung der Art. 199 bis 209 („Finanzvorschriften“) EWG-Vertrag, in: Kommentar zum EWG-Vertrag (hrsg. von E. Grabitz), München 1984, 46 S. Die Finanzierungsgrenzen der Europäischen Gemeinschaften und ihre Erweiterung, in: Einigkeit und Recht und Freiheit (Festschrift für Karl Carstens; hrsg. von B. Börner/H. Jahrreiß/ K. Stern), Köln 1984, S. 185-208. Das internationale Recht in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Neue Juristische Wochenschrift 1985, S. 1739-1747. Zur Überbrückung von Haushaltsdefiziten der Europäischen Gemeinschaft durch „Vorschüsse“ der Mitgliedstaaten, in: Europarecht 1985, S. 273-292. Die Rechtswirkungen von EG-Richtlinien im Konflikt zwischen Bundesfinanzhof und Europäischem Gerichtshof, in: Die Öffentliche Verwaltung 1985, S. 937-944. Internationale Fernmeldesatellitenorganisation (International Telecommunications Satellite Organization/INTELSAT), in: Handwörterbuch Internationale Organisationen (hrsg. von U. Andersen/W. Woyke), Opladen 1985, S. 33-36. Internationale Fernmelde-Union (International Telecommunication Union/ITU), ebd., S. 36-38. Internationale Seefunksatelliten-Organisation (International Maritime Satellite Organization/ INMARSAT), ebd., S. 40-42. Weltpostverein (Universal Postal Union/UPU), ebd., S. 104-106. Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft (Herausgeber) – Vorträge und Diskussionsbeiträge der 53. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1985 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1985, 263 S. Die Europäische Gemeinschaft auf dem Wege zu einem Europa der Bürger, in: Die Öffentliche Verwaltung 1987, S. 221-231. Politische Rechte im Europa der Bürger, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 1987, S. 331-337, sowie in: Ausländerrecht und Ausländerpolitik in Europa (Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration, Band 26; hrsg. von M. Zuleeg), Baden-Baden 1987, S. 123-141. Government, in: Encyclopedia of Public International Law (Published under the Auspices of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law under the Direction of R. Bernhardt), Instalment 10, Amsterdam 1987, S. 206-210; reprinted in: Volume Two, Amsterdam 1995, S. 603-607. Beziehungen zwischen der staatlichen und der kommunalen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Dongguk Journal of Public Administration (Seoul) 17 (1988), S. 85-91 (deutsch), S. 93-98 (koreanisch). Bundesländer und Europäische Gemeinschaft (Herausgeber, zusammen mit D. Merten) – Vorträge und Diskussionsbeiträge der Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1987 des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1988, 271 S. Als Bundesstaat in der Europäischen Gemeinschaft, ebd., S. 11-19. Kommunalwahlrecht in den EG-Mitgliedstaaten – Der Richtlinienvorschlag der Kommission, in: Europa-Archiv 1988, S. 475-480, sowie in: Auf dem Weg zum Binnenmarkt – Europä-

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ische Integration und deutscher Föderalismus (hrsg. von J. Thies/W. Wagner), Bonn 1989, S. 121-126. Die Einheitliche Europäische Akte und die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union, in: Verfassungsrecht und Völkerrecht (Gedächtnisschrift für Wilhelm K. Geck; hrsg. von W. Fiedler/G. Ress), Köln 1989, S. 507-530. The Emergence of a “Europe of Citizens“ in a Community without Frontiers, Speyerer Forschungsberichte Nr. 78, Speyer 1989, 26 S. Finanzkontrolle in der Europäischen Gemeinschaft, in: Finanzkontrolle im Wandel (hrsg. von H. H. von Arnim), Berlin 1989, S. 221-241. Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. von H.-P. Schneider/ W. Zeh), Berlin 1989, S. 1421-1446. Die Rechtsakte der EG-Organe, in: JURA 1989, S. 595-606. Kommentierung der Art. 199 bis 209 („Finanzvorschriften“) EWG-Vertrag, in: Kommentar zum EWG-Vertrag (hrsg. von E. Grabitz), Neubearbeitung, München 1989, 57 S. Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft ohne Binnengrenzen (Herausgeber) – Vorträge und Diskussionsbeiträge der Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1989 des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Baden-Baden 1990, 262 S. Ansätze für ein Europa der Bürger in der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft, ebd., S. 13-25. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Interregionaler Parlamentarier-Rat, in: Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 11/3465 vom 2. 1. 1990, S. 2-12. Rechtliche Grundfragen einer werdenden europäischen Rundfunkordnung, in: Eine Rundfunkordnung für Europa – Chancen und Risiken (Schriftenreihe des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln, Band 54; hrsg. von H. Brack/H. Hübner/D. Oehler/K. Stern), München 1990, S. 51-74. European Community Law and National Constitutional Law in the Practice of the European Court of Justice and the German Federal Constitutional Court, in: International Institute of Administrative Sciences, International Conference, Madrid, 13.–16. November 1990 (Conference Papers, Working Group I). Kommentierung von Art. 9 („Die Generalversammlung – Zusammensetzung“) VN-Charta, in: Charta der Vereinten Nationen – Kommentar (hrsg. von B. Simma), München 1991, S. 174-182. Verwaltungsorganisation: Finanz- und Fondsverwaltung, in: Europäisches Verwaltungsrecht (hrsg. von M. Schweitzer), Wien 1991, S. 115-166. ITU – Internationale Fernmeldeunion, in: Handbuch Vereinte Nationen (hrsg. von R. Wolfrum), 2. Aufl., München 1991, S. 388-393. UPU – Weltpostverein, ebd., S. 980-983. A Citizens’ Europe: Personal, Political, and Cultural Rights, in: The State of the European Community (hrsg. von L. Hurwitz/Ch. Lequesne), Boulder/Essex 1991, S. 153-164.

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Handkommentar zum EWG-Vertrag (Herausgeber, zusammen mit K. Hailbronner/E. Klein/P.Ch. Müller-Graff), Köln 1991 ff. (Kommentierung der Art. 92 – 94, 102a-109, 130a-e, 189 – 192 EWG-Vertrag). Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger staatlicher Beihilfen, in: Europarecht – Energierecht – Wirtschaftsrecht (Festschrift für Bodo Börner; hrsg. von J. Baur/P.-Ch. Müller-Graff/ M. Zuleeg), Köln 1992, S. 213-232. Kompetenzgrenzen und Strukturprinzipien der Europäischen Gemeinschaft, in: Staat und Parteien (Festschrift für Rudolf Morsey; hrsg. von K. D. Bracher/P. Mikat/K. Repgen/M. Schumacher, H.-P. Schwarz), Berlin 1992, S. 211-236. Die neuen Entwicklungen der Freizügigkeit für Personen: Auf dem Wege zu einem europäischen Bürgerstatut (Landesbericht für die Bundesrepublik Deutschland zur XV. Tagung der Fédération Internationale pour le Droit Européen, Lissabon, September 1992), in: Europarecht 1992, S. 434-450. Verfassunggebung der Länder als Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland, in: Deutsche Wiedervereinigung – Die Rechtseinheit, Band III: Zur Entstehung der Landesverfassungen in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. von K. Stern), Köln 1992, S. 141-163. Grundgesetz und europäische Integration, in: W. Blümel/S. Magiera/D. Merten/K.-P. Sommermann, Verfassungsprobleme im vereinten Deutschland, Speyerer Forschungsberichte Nr. 117, Speyer 1993, S. 23-46 = Llei fonamental i integració europea. La major responsabilitat d’Alemanya després de la reunificació i la participació dels Länder en la Unió Europea, in: W. Blümel/S. Magiera/D. Merten/K.-P. Sommermann, Problemes constitucionals a l’Alemanya unificada, Barcelona 1994, S. 29-47. Europa der Bürger, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts (hrsg. von M. Dauses), München 1993, Abschnitt D.IV, 24 S. Der Gerichtshof, in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1992/93 (hrsg. von W. Weidenfeld/ W. Wessels), Bonn 1993, S. 88-94. Die Grundgesetzänderung von 1992 und die Europäische Union, in: JURA 1994, S. 1-11. Das Recht des öffentlichen Dienstes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (Herausgeber, zusammen mit H. Siedentopf) – Forschungsprojekt des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer in Verbindung mit dem Bundesministerium des Innern, Berlin 1994, 862 S. Das Recht des öffentlichen Dienstes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft – Einführung in das Forschungsprojekt, ebd., S. 787-790. Bundesbahnreform und Europäische Gemeinschaft, in: Verkehrswegerecht im Wandel (hrsg. von W. Blümel), Berlin 1994, S. 35-58. Der Gerichtshof, in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1993/94 (hrsg. von W. Weidenfeld/ W. Wessels), Bonn 1994, S. 87-92. Föderalismus und Subsidiarität als Rechtsprinzipien der Europäischen Union, in: Föderale Union – Europas Zukunft? (hrsg. von H. Schneider/W. Wessels), München 1994, S. 71-98, 186-196.

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Kommentierung der Art. 188a bis 188c („Der Rechnungshof“) und Art. 199 bis 209a („Finanzvorschriften“) EG-Vertrag, in: Kommentar zur Europäischen Union (hrsg. von E. Grabitz/ M. Hilf), Neubearbeitung, München 1994, 70 S. Participación de los estados alemanes (Länder) en los asuntos europeos tras la reforma constitucional de 1992, in: Revista vasca de administracion pública 40 (1994), S. 29-36. Kommentierung von Art. 9 (“The General Assembly – Composition“) UN Charter, in: The Charter of the United Nations – A Commentary (hrsg. von B. Simma), Oxford 1994, S. 195-207. Zur Finanzverfassung der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz (hrsg. von A. Randelzhofer/R. Scholz/D. Wilke), München 1995, S. 409-430. ITU – International Telecommunication Union, in: United Nations: Law, Policies and Practice (hrsg. von R. Wolfrum/Ch. Philipp), München/Dordrecht 1995, S. 821-826. UPU – Universal Postal Union, ebd., S. 1381-1386. Das Europäische Parlament als Garant demokratischer Legitimation in der Europäischen Union, in: Festschrift für Ulrich Everling (hrsg. von O. Due/M. Lutter/J. Schwarze), Baden-Baden 1995, S. 789-801. The Functions and Development of Parliament (Deutscher Landesbericht für den vierten Kongress der Internationalen Vereinigung für Verfassungsrecht [IACL], Tokio 1995), in: Studies in German Constitutionalism (hrsg. von Ch. Starck), Baden-Baden 1995, S. 141-166. Internationale Fernmeldesatellitenorganisation (International Telecommunications Satellite Organization/INTELSAT), in: Handwörterbuch Internationale Organisationen (hrsg. von U. Andersen und W. Woyke), 2. Aufl., Opladen 1995, S. 183-186. Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union/ITU), ebd., S. 180-183. Internationale Seefunksatelliten-Organisation (International Maritime Satellite Organization/ INMARSAT), ebd., S. 199-202. Weltpostverein (Universal Postal Union/UPU), ebd., S. 430-432. Récupération des aides d’Etat en vertu du Traité CEE, in: Tendances actuelles et évolution de la jurisprudence de la Cour de justice et du Tribunal de première instance des Communautés européennes: suivi annuel, Volume 2 (hrsg. von S. Pappas), Maastricht 1995, S. 57-70. Kommunale Selbstverwaltung in der Europäischen Union, in: Kommunale Selbstverwaltung in Deutschland und Europa – Symposium zum 65. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr. Willi Blümel (hrsg. von K. Grupp/M. Ronellenfitsch), Berlin 1995, S. 13-33. Zur Reform der Normenhierarchie im Recht der Europäischen Union, in: integration 1995, S. 197-208. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 1995, S. 71-78. Politik und Recht – Gedächtnissymposion für Wilhelm A. Kewenig (Herausgeber, zusammen mit K. Meessen/H. Meyer), Baden-Baden 1996, 150 S. Kommentierung der Art. 38 bis 49 („Der Bundestag“), Art. 121 („Begriff der Mehrheit“) und Art. 137 („Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“) Grundgesetz, in:

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Grundgesetz-Kommentar (hrsg. von M. Sachs), München 1996, S. 933-1026, 1853-1854, 1900-1905. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1995/96 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 1996, S. 71-78. Der Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, in: Staat – Wirtschaft – Steuern (Festschrift für Karl Heinrich Friauf; hrsg. von R. Wendt/W. Höfling/U. Karpen/M. Oldiges), Heidelberg 1996, S. 13-36. Die Beseitigung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Union, in: Verfassungsstaatlichkeit (Festschrift für Klaus Stern; hrsg. von J. Burmeister), München 1997, S. 1317-1338. Außenkompetenzen der deutschen Länder, in: Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (hrsg. von K. Lüder), Berlin 1997, S. 97-115. Die Zukunft der Europäischen Union – Integration, Koordination, Dezentralisierung (Herausgeber, zusammen mit H. Siedentopf), Tagungsbeiträge der 64. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 20. bis 22. März 1996, Berlin 1997, 262 S. Die Zukunft der Europäischen Union – Einführung in das Tagungsthema, ebd., S. 17-22. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1996/97 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 1997, S. 71-78. Verfassungsrechtliche Aspekte der Rolle der Länder in den internationalen Beziehungen – aus der Sicht der Länder, in: Die Rolle der deutschen Länder und der US-Bundesstaaten in den internationalen Beziehungen, Atlantische Texte, Band 4, Kaiserslautern 1997, S. 96-113. Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im europäischen Integrationsprozeß, Speyerer Vorträge 1998, 29 S., sowie in: Die Öffentliche Verwaltung 1998, S. 173-183. Subventionen der EG und der Mitgliedstaaten, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (hrsg. von H.-W. Rengeling), Band I, Köln 1998, S. 1192-1225. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1997/98 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 1998, S. 87-92. Staatlichkeit im europäischen Integrationsprozeß, in: Öffentliche Verwaltung der Zukunft (hrsg. von K. Lüder), Berlin 1998, S. 219-222. Einführung und rechtliche Absicherung der einheitlichen europäischen Währung, in: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion: Regionale und globale Herausforderungen (hrsg. von R. Caesar/H.-E. Scharrer), Bonn 1998, S. 419-445. Euroformation: pour qui? pour quoi faire? – Präsentation/Intervention/Presentation, in: L’Euroformation des administrations régionales et locales d’Europe/Eurotraining for Regional and Local Authorities in Europe (hrsg. von E. Sánches Monjo), Maastricht 1998, S. 93-115 (deutsch/französisch/englisch). Kommentierung der Art. 38 bis 49 („Der Bundestag“), Art. 121 („Begriff der Mehrheit“) und Art. 137 („Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“) Grundgesetz, in: Grundgesetz-Kommentar (hrsg. von M. Sachs), 2. Aufl., München 1999, S. 1104-1198, 2127-2128, 2179-2184.

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Föderalismus und die Rolle der Regionen in Europa – Eingangsstatement, in: 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent – Zur Struktur des deutschen Föderalismus (hrsg. vom Bundesrat), Bonn 1999, S. 223-226. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1998/99 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 1999, S. 87-92. Kompetenzverteilung in Europa – Möglichkeiten und Grenzen der Beachtung der dritten Ebene, in: F. H. U. Borkenhagen/Th. Fischer/F. Franzmeyer/S. Magiera/P.-Chr. MüllerGraff, Arbeitsteilung in der Europäischen Union – die Rolle der Regionen, Gütersloh 1999, S. 19-29. Haushaltsplanung/Budgeting in Deutschland und in den USA (Herausgeber, zusammen mit W. Kremp/K. Lüder), Trier 2000, 110 S. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1999/2000 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 2000, S. 87-92. Der Rechnungshof, in: Jahrbuch der Europäischen Integration 1999/2000 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 2000, S. 93-96. Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, in: Die Öffentliche Verwaltung 2000, S. 1017-1026. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur europäischen Integration, in: Staatsreform/Europapolitik: Dokumentation zum 7. Deutsch-Französischen Verwaltungskolloquium der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und der Ecole Nationale d’Administration in Speyer am 5. und 6. Juni 2000 (hrsg. von H. Siedentopf), Speyer 2000, S. 131-141. Kommentierung der Art. 39 („Hochschulen“) und Art. 40 („Pflege von Kunst, Kultur, geistiger Arbeit, Denkmälern, Landschaft und Sport“) Verfassung für Rheinland-Pfalz, in: Verfassung für Rheinland-Pfalz-Kommentar (hrsg. von Ch. Grimm/P. Caesar), Baden-Baden 2001, S. 262-281. Gefährdung der öffentlichen Daseinsvorsorge durch das EG-Beihilfenrecht?, in: Recht – Staat – Gemeinwohl (Festschrift für Dietrich Rauschning; hrsg. von J. Ipsen/E. Schmidt-Jortzig), Köln 2001, S. 269-289. Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, in: Mainzer Runde 2000 – Gespräche des rheinland-pfälzischen Staatsministers der Justiz mit Vertretern der Rechtswissenschaft, der Rechtsprechung und der Landesverwaltung in der Staatskanzlei (hrsg. vom Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz), Mainz o. J. (2001), 18 S. The Adoption and Legal Safeguarding of the Single European Currency, in: European Economic and Monetary Union: Regional and Global Challenges (hrsg. von R. Caesar/ H.-E. Scharrer), Baden-Baden 2001, S. 423-448. Verwaltung in der Europäischen Union (Herausgeber, zusammen mit K.-P. Sommermann), Vorträge und Diskussionsbeiträge auf dem 1. Speyerer Europa-Forum vom 10. bis 12. April 2000 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 2001, 247 S. Verwaltung in der Europäischen Union – Einführung in das Europa-Forum Speyer, ebd., S. 9-12.

Verzeichnis der Schriften von Siegfried Magiera

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Kommentierung der Art. 246 bis 248 („Der Rechnungshof“) EG-Vertrag, in: Das Recht der Europäischen Union (hrsg. von E. Grabitz/M. Hilf), Neubearbeitung, München 2001, 14 S. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2000/2001 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Berlin/Bonn 2001, S. 85-92. Der Rechnungshof, in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2000/2001 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Berlin/Bonn 2001, S. 93-96. Europäischer Gerichtshof (zusammen mit R. Betz), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 2002, S. 179-183. Europäischer Rechnungshof (zusammen mit R. Betz), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Bonn 2002, S. 189-191. Verwaltung und Governance im Mehrebenensystem der Europäischen Union (Herausgeber, zusammen mit K.-P. Sommermann), Vorträge und Diskussionsbeiträge auf dem 2. Speyerer Europa-Forum vom 26. bis 28. März 2001 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 2002, 197 S. Verwaltung und Governance im Mehrebenensystem der Europäischen Union – Einführung in das Tagungsthema, ebd., S. 9-13. Kommentierung von Art. 9 (“The General Assembly – Composition“) UN Charter, in: The Charter of the United Nations – A Commentary (hrsg. von B. Simma), Second Edition, Oxford 2002, S. 247-256. Grundrechtsgeltung und Grundrechtswirklichkeit in der Europäischen Union, in: Ius Publicum Europaeum – Referate und Diskussionsbeiträge des XII. Deutsch-Polnischen Verwaltungskolloquiums vom 20. bis 22. September 2001 in Warschau (hrsg. von H. Bauer/P. M. Huber/ Z. Niewiadomski), Stuttgart 2002, S. 21-40 = Obowiazywanie praw podstawowych a rzeczywistos´c´ w dziedzinie praw podstawowych w Unii Europejskiej, in: Ius Publicum Europaeum, Warschau 2003, S. 23-43. Zur Kompetenzneuordnung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, in: integration 2002, S. 269-284. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2001/2002 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Berlin/Bonn 2002, S. 87-94. Der Rechnungshof (zusammen mit R. Betz), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2001/ 2002 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Berlin/Bonn 2002, S. 95-98. Kommentierung der Art. 38 bis 49 („Der Bundestag“), Art. 121 („Begriff der Mehrheit“) und Art. 137 („Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“) Grundgesetz, in: Grundgesetz-Kommentar (hrsg. von M. Sachs), 3. Aufl., München 2003, S. 1214-1312, 2384-2385, 2442-2447. Kommentierung der Art. 39 bis 46 („Bürgerrechte“) Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Kommentar (hrsg. von J. Meyer), Baden-Baden 2003, S. 433-499. Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten unter besonderer Berücksichtigung der Regionen, in: Aktuelle Fragen zur Verfassung und Verwaltung im europäischen Mehrebenensystem (hrsg. von K.-P. Sommermann), Speyerer Forschungsberichte Nr. 230, Speyer 2003, S. 73-86.

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Verzeichnis der Schriften von Siegfried Magiera

Die Bedeutung der Grundrechtecharta für die Europäische Verfassungsordnung, in: Europäische Verfassungsordnung (hrsg. von D. Scheuing), Baden-Baden 2003, S. 117-132. Die Arbeit des europäischen Verfassungskonvents und der Parlamentarismus, in: Die Öffentliche Verwaltung 2003, S. 578-583. Kommentierung der Art. 17 bis 22 („Die Unionsbürgerschaft“) und Art. 158 bis 162 („Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt“) EG-Vertrag, in: EUV/EGV-Kommentar (hrsg. von R. Streinz), München 2003, S. 378-407, 1646-1666. Der Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Berlin/Bonn 2003, S. 93-100. Der Rechnungshof (zusammen mit R. Betz), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/ 2003 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Berlin/Bonn 2003, S. 101-104. Subventionen der EG und der Mitgliedstaaten, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (hrsg. von H.-W. Rengeling), Band I, 2. Aufl., Köln 2003, S. 1296-1334. Governance in der Europäischen Union, in: Cittadinanza e Governance in Europa/Staatsbürgerschaft und Governance in Europa (hrsg. von U. Giovine/A. Venturelli), Menaggio/Como, Italien 2004, S. 178-185, sowie in: federalismi.it 7/2004, S. 56-61. Die Arbeit des europäischen Verfassungskonvents und der Parlamentarismus, in: Institutionenwandel in Regierung und Verwaltung (Festschrift für Klaus König; hrsg. von A. Benz/H. Siedentopf/K.-P. Sommermann), Berlin 2004, S. 713-725. The Role of Parliaments in the Future Architecture of the European Union, in: Transatlantic Perspectives on Liberalization and Democratic governance (hrsg. von E. Bohne/Ch. Bonser/K. Spencer), Münster 2004, S. 452-459. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2003/ 2004 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2004, S. 93-99. Rechnungshof (zusammen mit R. Trautmann), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2003/ 2004 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2004, S. 101-104. Die Finanzordnung im Verfassungsvertrag der Europäischen Union, in: Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte (Festschrift für Georg Ress; hrsg. von J. Bröhmer/R. Bieber u. a.), Köln 2005, S. 623-632. Der Rechtsstatus der Unionsbürger, in: Weltinnenrecht (Liber amicorum Jost Delbrück; hrsg. von K. Dicke/S. Hobe u. a.), Berlin 2005, S. 429-451. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2005 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2006, S. 101-110. Rechnungshof (zusammen mit R. Trautmann), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2005 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2006, S. 111-114. Europäischer Gerichtshof (zusammen mit R. Trautmann), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 9. Aufl., Baden-Baden/Berlin 2006, S. 197-201. Europäischer Rechnungshof (zusammen mit R. Trautmann), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 9. Aufl., Baden-Baden/Berlin 2006, S. 212-214.

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The European Charter of Fundamental Rights and its Impact on Member States and their Citizens, in: The End of Sovereignty? – ATransatlantic Perspective (hrsg. von D. Eaton), Münster 2006, S. 243-252. Kommentierung der Art. 39 bis 46 („Bürgerrechte“) Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Kommentar (hrsg. von J. Meyer), 2. Aufl., Baden-Baden 2006, S. 417-475. Durchsetzung des Europarechts, in: Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis (hrsg. von R. Schulze/M. Zuleeg), Baden-Baden, 2006, S. 434-458. Kommentierung der Art. 268 bis 279 („Finanzvorschriften“) EG-Vertrag, in: Das Recht der Europäischen Union – Kommentar (hrsg. von E. Grabitz/M. Hilf), Neubearbeitung, München 2006, 68 S. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2006 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2007, S. 99-108. Rechnungshof (zusammen mit A. Coman), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2006 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2007, S. 109-112. Europäischer Gerichtshof (zusammen mit R. Trautmann), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 10. Aufl., Baden-Baden/Berlin 2007, S. 197-201. Europäischer Rechnungshof (zusammen mit R. Trautmann), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 10. Aufl., Baden-Baden/Berlin 2007, S. 212-214. Kommentierung der Art. 38 bis 49 („Der Bundestag“), Art. 121 („Begriff der Mehrheit“) und Art. 137 („Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“) Grundgesetz, in: Grundgesetz-Kommentar (hrsg. von M. Sachs), 4. Aufl., München 2007, S. 1160-1253, 2326-2327, 2387-2392. Europäisierung und Internationalisierung der öffentlichen Verwaltung (Herausgeber, zusammen mit K.-P. Sommermann), Symposium aus Anlass der Emeritierung von Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Siedentopf, Speyerer Forschungsberichte Nr. 252, Speyer 2007, 261 S. Der Europäische Verwaltungsraum – Die Implementierung des Gemeinschaftsrechts, ebd., S. 99-104. Chancen für die Europäische Verfassung nach der Erweiterung der Europäischen Union, in: Das Gemeinsame Europa – viele Wege, kein Ziel? (hrsg. von W. Schäfer/A. Graf Wass von Czege), Baden-Baden, 2007, S. 141-150. Freiheit, Rechtsstaat und Sozialstaat in Europa (Herausgeber, zusammen mit K.-P. Sommermann), Forschungssymposium anlässlich der Emeritierung von Universitätsprofessor Dr. iur. Dr. rer. pol. Detlef Merten, Berlin 2007, 183 S. Durchsetzung der Grundrechte: Zur Freizügigkeit der Unionsbürger, ebd., S. 145-153. Der Verfassungsvertrag als Zwischenstation im europäischen Integrationsprozess, in: Rechtsstaat und Grundrechte (Festschrift für Detlef Merten; hrsg. von F. Kirchhof/H.-J. Papier/ H. Schäffer), Heidelberg 2007, S. 429-441. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2007 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2008, S. 77-86.

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Verzeichnis der Schriften von Siegfried Magiera

Rechnungshof (zusammen mit A. Coman), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2007 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2008, S. 87-90. Die institutionelle Struktur der erweiterten Europäischen Union, in: Europa im Wandel (Festschrift für Hans-Werner Rengeling; hrsg. von J. Ipsen/B. Stüer), Köln 2008, S. 591-608. Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis in nationaler und transnationaler Perspektive (Herausgeber, zusammen mit K.-P. Sommermann/J. Ziller), Festschrift für Heinrich Siedentopf zum 70. Geburtstag, Berlin 2008, 909 S. Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung in der Europäischen Union, ebd., S. 75-85. Governments, in: Max Planck Encyclopedia of Public International Law (Published under the Auspices of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law under the Direction of R. Wolfrum), Oxford 2008 (online: www.mpepil.com). Kommentierung von Art. 280 („Betrugsbekämpfung”) EG-Vertrag, in: Das Recht der Europäischen Union (hrsg. von E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim), Neubearbeitung, München 2008, 20 S. Kommentierung der Art. 38 bis 49 („Der Bundestag“), Art. 121 („Begriff der Mehrheit“) und Art. 137 („Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“) Grundgesetz, in: Grundgesetz-Kommentar (hrsg. von M. Sachs), 5. Aufl., München 2009, S. 1177-1271, 2358-2359, 2420-2424. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2008 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2009, S. 79-88. Rechnungshof (zusammen mit K. Krehan), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2008 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2009, S. 89-92. Quality Education and Training in Public Administration – The Contribution of the University of Speyer, in: Adapting Universities to the Global Society – ATransatlantic Perspective (hrsg. von Ch. F. Bonser), Münster 2009, S. 55-64. Europäischer Gerichtshof, in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 11. Aufl., Baden-Baden/Berlin 2009, S. 201-204. Europäischer Rechnungshof (zusammen mit K. Krehan), in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 11. Aufl., Baden-Baden/Berlin 2009, S. 210-213. Kommentierung der Art. 246 bis 248 („Der Rechnungshof“) EG-Vertrag, in: Das Recht der Europäischen Union (hrsg. von E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim), Neubearbeitung, München 2009, 16 S. Daseinsvorsorge und Infrastrukturgewährleistung: Symposium zu Ehren von Willi Blümel zum 80. Geburtstag (Herausgeber, zusammen mit K.-P. Sommermann), Berlin 2009, 122 S. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2009 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2010, S. 83-92. Rechnungshof (zusammen mit K. Krehan), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2009 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2010, S. 103-106. Von der wirtschaftlichen zur allgemeinen Freizügigkeit in der Europäischen Union, in: Dienstleistungsfreiheit in der EU (hrsg. von W. Schäfer/A. Graf Wass von Czege), Baden-Baden 2010, S. 17-28.

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Bürgerrechte und justitielle Grundrechte, in: Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band VI/1, Europäische Grundrechte I (hrsg. von D. Merten/H.-J. Papier), Heidelberg 2010, S. 1031-1081. Durchsetzung des Europarechts, in: Europarecht ¢ Handbuch für die deutsche Rechtspraxis (hrsg. von R. Schulze/M. Zuleeg/S. Kadelbach), 2. Aufl., Baden-Baden 2010, S. 508-536. Fehlerhaftes Verwaltungshandeln zwischen gerichtlicher Aufhebung und staatlicher Entschädigungspflicht ¢ Die Entwicklung im Gemeinschaftsrecht, in: Kontrolle des Verwaltungshandelns (hrsg. von W. Erbguth/J. Masing/K. Nowacki), Stuttgart 2010, S. 171-193. Kommentierung der Art. 39 bis 46 („Bürgerrechte“) Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Kommentar (hrsg. von J. Meyer), 3. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 502-568. Kommentierung des Art. 46 („Indemnität und Immunität der Bundestagsabgeordneten“) Grundgesetz, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (hrsg. von R. Dolzer/W. Kahl/ Ch. Waldhoff/K. Graßhoff), Heidelberg, Drittbearbeitung 2011, 82 S. Gerichtshof der Europäischen Union, in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 12. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 257-262. Rechnungshof, in: Europa von A bis Z (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), 12. Aufl., Baden-Baden, 2011, S. 328-331. Kommentierung der Art. 38 bis 49 („Der Bundestag“), Art. 121 („Begriff der Mehrheit“) und Art. 137 („Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes“) Grundgesetz, in: Grundgesetz-Kommentar (hrsg. von M. Sachs), 6. Aufl., München 2011, S. 1203-1304, 2447-2448, 2509-514. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2010 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2011, S. 85-94. Rechnungshof (zusammen mit I. Stirn), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2010 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2011, S. 107-110. Kommentierung der Art. 285 bis 287 („Der Rechnungshof“) AEU-Vertrag, in: Das Recht der Europäischen Union (hrsg. von E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim), Neubearbeitung, München 2011, 18 S. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2011 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2012, S. 91-100. Rechnungshof (zusammen mit I. Stirn), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2011 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2012, S. 113-116. Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen in der Europäischen Union, in: Der grundrechtsgeprägte Verfassungsstaat (Festschrift für Klaus Stern; hrsg. von M. Sachs/H. Siekmann), Berlin 2012, S. 829-846. Kommentierung der Art. 9 („Grundsatz der Gleichheit, Unionsbürgerschaft“) EU-Vertrag, Art. 20 bis 25 („Unionsbürgerschaft“) und Art. 174 bis 178 („Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt“) AEU-Vertrag, in: EUV/AEUV-Kommentar (hrsg. von R. Streinz), 2. Aufl., München 2012, S. 85-88, 428-461, 1773-1793. Der materielle und immaterielle Wert Europas: vertragliche Verankerung, politische Vermittlung und öffentliche Wahrnehmung, in: integration 2012, S. 94-99.

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Verzeichnis der Schriften von Siegfried Magiera

Kommentierung der Art. 310 bis 325 („Finanzvorschriften“) AEU-Vertrag, in: Das Recht der Europäischen Union (hrsg. von E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim), Neubearbeitung, München 2012, 106 S. Kommentierung von Art. 9 UN Charter (“The General Assembly – Composition“), in: The Charter of the United Nations – A Commentary (hrsg. von B. Simma/D.-E. Khan), Third Edition, Oxford 2012, S. 445-460. Gerichtshof (zusammen mit M. Niedobitek), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2012 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2012, S. 101-110. Rechnungshof (zusammen mit I. Stirn), in: Jahrbuch der Europäischen Integration 2012 (hrsg. von W. Weidenfeld/W. Wessels), Baden-Baden 2012, S. 125-128. Das Recht auf eine gute Verwaltung in der Europäischen Union, in: Les administracions en perspectiva europea, Escola d’Administració Pública de Catalunya, Barcelona 2012, S. 129-138.

Verzeichnis der Teilnehmer Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Hermann-Josef Blanke, Universität Erfurt Prof. Dr. Eberhard Bohne, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Sabine Brieger, Ministerialrätin, Referentin für Hochschulrecht und Hochschulgesetzgebung, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, Rheinland-Pfalz Prof. Dr. Johan Callewaert, Vizekanzler der Großen Kammer, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg; Gastprofessor an der Universität Louvain, Belgien Prof. Dr. Claus Dieter Classen, Universität Greifswald Prof. Dr. Dirk Ehlers, Universität Münster Prof. Dr. Michael Fehling, Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg Prof. Dr. Rudolf Fisch, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Stefan Fisch, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Klaus-Eckart Gebauer, Direktor beim Landtag Rheinland-Pfalz a.D., Mainz Prof. Dr. Constance Grewe, Universität Straßburg, Richterin des Verfassungsgerichts, Sarajevo Prof. Dr. Hermann Hill, Staatsminister a.D., Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Dr. Holger Holzwart, Stadtrechtsdirektor, Abteilungsleiter Personalwesen, Stadt Pforzheim Marcus Hornung, M.E.S., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Peter M. Huber, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Minister a.D., Universität München Prof. Dr. Dorothea Jansen, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Eckart Klein, Universität Potsdam Prof. Dr. Christian Koch, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Dr. Klaus König, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Franziska Kruse, Rechtsassessorin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Dr. Heike Kuhn, Ministerialrätin, Organisation, Personal, Justitiariat, Revision, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bonn Prof. Dr. Carl Otto Lenz, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof a.D., Bensheim Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Lüder, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

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Verzeichnis der Teilnehmer

Prof. Dr. Siegfried Magiera, M.A. (Political Science), Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Mario Martini, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Michael Mirschberger, Rechtsassessor, Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter-Christian Müller-Graff, Universität Heidelberg Prof. Dr. Martin Nettesheim, Universität Tübingen Prof. Dr. Matthias Niedobitek, Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Johann-Christian Pielow, Universität Bochum Jacques Santer, Präsident der Europäischen Kommission a.D., Luxemburg Prof. Dr. Kirsten Schmalenbach, Universität Salzburg Alfons Schnabel, Direktor, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach Johann Schoo, Direktor a.D., Europäisches Parlament, Luxemburg Prof. Dr. Waldemar Schreckenberger, Staatssekretär a.D., Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Dr. Wito Schwanengel, Mag. rer. publ., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Erfurt Dr. Thorsten Siegel, Privatdozent, Rechtsassessor, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Sara Sistero Ródenas, Gastforscherin, Doktorandin an der Universität Castellón, Spanien Prof. Dr. Dr. h.c. Karl-Peter Sommermann, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Ulrich Stelkens, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Isabel Stirn, Rechtsassessorin, Rechtsamt, Stadt Baden-Baden Prof. Dr. Wolfgang Weiß, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Rudolf Wendt, Universität des Saarlandes Prof. Dr. Joachim Wieland, Rektor, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Dr. Alexander Windoffer, Privatdozent, Rechtsassessor, Forschungsreferent, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Prof. Dr. Wolfgang Zeh, Direktor beim Deutschen Bundestag a.D., Dotternhausen Prof. Dr. Jan Ziekow, Direktor, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer