Fehlvorstellungen des Täters und deren »Korrektur« beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB [1 ed.] 9783428523146, 9783428123148

Beim Rücktritt vom Versuch kann der Täter unterschiedlichen Fehlvorstellungen unterliegen, die zwar verschiedene Fragenk

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Fehlvorstellungen des Täters und deren »Korrektur« beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB [1 ed.]
 9783428523146, 9783428123148

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 194

Fehlvorstellungen des Täters und deren „Korrektur“ beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB

Von

Sybille Knörzer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

SYBILLE KNÖRZER

Fehlvorstellungen des Täters und deren „Korrektur“ beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 194

Fehlvorstellungen des Täters und deren „Korrektur“ beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB

Von

Sybille Knörzer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds der VG WORT Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp, Heidelberg

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-12314-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und überwiegend auch Neuerscheinungen im Schrifttum bis einschließlich April 2007 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt allen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Aus dem großen Kreis sei an erster Stelle mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp, hervorgehoben. Er hat nicht nur die vorliegende Arbeit betreut, sondern mich während meines gesamten Studiums begleitet und unterstützt. Die schöne Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl wird mir immer in bester Erinnerung bleiben. Besonders zu danken habe ich außerdem Herrn Prof. Dr. Wilfried Küper für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Bruder Ulrich, der mir – nicht nur was die technische Seite der Arbeit betraf – stets mit Rat und Tat zur Seite stand, und bei Carola Conrad, die mir immer den Rücken stärkte. Meinem Freund Martin danke ich für seine Geduld und Nachsicht, mit der er mich nicht nur während meiner Promotionszeit begleitet hat, für das mühevolle Korrekturlesen und seine Anregungen, vor allem aber für die ständige Aufmunterung. Gewidmet ist diese Arbeit meinen lieben Eltern, die mir mein Studium ermöglicht, mich stets und in jeder Hinsicht unterstützt und an mich geglaubt haben. Dem Herausgeber, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich-Christian Schroeder, sei für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe gedankt. Heidelberg, im Juni 2007

Sybille Knörzer

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Der Problemkreis der Fehlvorstellungen beim „besonderen Nachtatverhalten“ des Rücktritts vom Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Aufgabenstellung und Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil Zur Illustration – Denkbare Fehlvorstellungen und dabei auftretende Rechtsfragen

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A. Die unterschiedlichen Fehlvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Irrtum“ oder „Fehlvorstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Zur Verdeutlichung der Problematik: Grundfallkonstellationen und Fallbeispiele I. Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg . . . . . . . . . . . 1. Die Fehlvorstellungen über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Vorteil des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Nachteil des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fehlvorstellungen über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Vorteil des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Nachteil des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg (sog. „misslungener Rücktritt“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Fehlvorstellung über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung . . III. Die „Vorstellungskorrektur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die tatsächliche Berichtigung der Fehlvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „Korrektur zur Fehlvorstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassender Beispielsfall zur „Vorstellungskorrektur“ . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

C. Nähere Bestimmung der einzelnen Fehlvorstellungen und rechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Untersuchung der Fehlvorstellungen über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Untersuchung der Fehlvorstellungen über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung bei ausbleibendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Untersuchung der Fehlvorstellungen bei eintretendem Erfolg . . . . . . . . . . IV. Untersuchung der „Korrekturkonstellationen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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41 41 44 44

Zweiter Teil Die Fehlvorstellungen des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg A. Die I. II. III.

Unterscheidung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch Methodische Zulässigkeit der Differenzierung nach Versuchsstadien . . . Die Begriffe unbeendeter und beendeter Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Die Beurteilungsgrundlage für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entwicklung der Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abgrenzung nach objektiven Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Inhalt der objektiven Abgrenzungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung für Fehlvorstellungen über die zu erbringende Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abgrenzung nach subjektiven Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Inhalt der subjektiven Abgrenzungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung für Fehlvorstellungen über die zu erbringende Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Abgrenzung anhand einer gemischt subjektiv-objektiven Methode . . 1. Der Inhalt der gemischt subjektiv-objektiven Abgrenzungslehre . . . . 2. Die Bedeutung für Fehlvorstellungen über das Versuchsstadium bzw. die zu erbringende Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss unbrauchbarer Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnung der gemischt subjektiv-objektiv abgrenzenden Ansichten 3. Die Kritik am „Umweg“ über das Erfordernis eines Rücktrittsentschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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4. Die Argumentation aus dem Wortsinn des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . a) Der allgemeine Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Kausalität des Verhinderns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Aufgeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der besondere Sprachgebrauch des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Argumentation aus dem Regelungs- und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematische Einwände aus § 24 Abs. 1 StGB selbst . . . . . . . . . . aa) Objektive Beendigung und Ausbleiben des Erfolges . . . . . . . . bb) Der Zusammenhang mit dem untauglichen Versuch . . . . . . . . cc) Der Zusammenhang mit der Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Zusammenhang mit der Versuchsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Widerspruch zwischen dem versuchs- und dem rücktrittsrechtlichen Versuchsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Zusammenhang mit der subjektiven Versuchstheorie . . . c) Der Zusammenhang mit der Situation des misslungenen Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Zusammenhang mit der Unterlassungsstrafbarkeit . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm . . . . . . . . . . . a) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes . . . . . . b) Der Verdienstlichkeitsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Schulderfüllungsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Strafzweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Argumentation aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten . . . . . . . a) Die Problematik des Beweises der Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . b) Rechtssicherheitsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis zur Beurteilungsgrundlage für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Möglichkeiten der Relativierung des subjektiven Abgrenzungsmaßstabs . . . . . I. Die Relativierung des subjektiven Abgrenzungsmaßstabs durch die Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung . . . . . . 1. Die Auswirkungen der inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung auf die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung . . a) Die Anforderung des Für-möglich-Haltens der Vollendung . . . . . . b) Die Anforderung des Für-sicher-Haltens der Vollendung . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

II.

2. Die in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen Auffassungen a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die in der Literatur vertretenen Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Fürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesteigerte inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Rückgriff auf die Ingerenzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Analogie zum Vorsatzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff der „Vorstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der allgemeine Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der besondere Sprachgebrauch des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die intellektuelle Komponente des Vorsatzes . . . . . . . . . . (2) Die Beurteilungsgrundlage des unmittelbaren Ansetzens (3) Der Irrtum des Opfers beim Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Erforderlichkeit zusätzlicher Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erfordernis eines Motivationszusammenhangs . . . . . . . . . bb) Das Erfordernis eines zusätzlichen voluntativen Elements . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Abstimmung mit den Ingerenzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Festlegung der maßgeblichen Vorstellungsintensität . . . . . . . . aa) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke . . . bb) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes . . cc) Der Strafzweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis zu den Rechtsgrundüberlegungen . . . . . . . 4. Ergebnis zu den inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung Die Relativierung des subjektiven Abgrenzungsmaßstabs durch das Heranziehen objektiver Umstände bei der Bildung und der Ermittlung des Inhalts der Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fehlende Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bedeutung der rechtlichen Beurteilung dieser Fallgestaltung b) Der Standpunkt der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Leitentscheidung des BGH zum vorstellungslosen Täter bb) Die fehlende Möglichkeit zur Vorstellungsbildung . . . . . . . . . cc) Die Beschränkung auf Situationen nach besonders gefährlichen und zu schweren Opferverletzungen führenden Gewalthandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die in der Literatur vertretenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Meinungsstand vor BGHSt 40, 304 . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die überwiegende Ansicht in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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(1) Die Kritik an der Begründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Die Begründungsansätze der herrschenden Literatur . . . . 115 cc) Differenzierende Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Die Ansicht Murmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Keine Anwendbarkeit der bisher erarbeiteten Definition . . . . 117 bb) Vorgehensweise bei der Einordnung der Konstellation . . . . . . 118 cc) Das Bestehen einer Obliegenheit zur Reflexion und die Folgen ihrer Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Die Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung hinsichtlich der Vollendungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Die Rechtsfolgen der Verletzung der Reflexionsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (a) Kein „vorstellungsloses Verhindern“ . . . . . . . . . . . . . . 122 (b) „Unfreiwillige“ Vorstellungslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . 123 e) Zwischenergebnis zur Fallgestaltung der fehlenden Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Die Anforderungen an das Fürmöglichhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Die Berücksichtigung objektiver Umstände bei der Lösung von Beweisproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Trennung und Interdependenz von materiellem Recht und seinem Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Möglichkeiten, Konsequenzen und Grenzen der Ansätze zur Lösung von Beweisproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Ansätze auf der Ebene des materiellen Rechts . . . . . . . . . 128 (a) Konstruktive Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (b) Bedeutung für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (c) Kritische Würdigung dieser Ansätze . . . . . . . . . . . . . . 130 (2) Ansätze auf der Ebene der richterlichen Beweiswürdigung 131 (a) Gesetzliche und richterrechtliche Vermutungen . . . . . 132 (aa) Konstruktive Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (bb) Bedeutung für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters . . . . . . . . . . . . . 133 (cc) Kritische Würdigung dieser Ansätze . . . . . . . . . . 135 (b) Tatsächliche Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (aa) Konstruktive Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

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Inhaltsverzeichnis (bb) Bedeutung für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters . . . . . . . . . . . . . (cc) Kritische Würdigung dieses Ansatzes . . . . . . . . . cc) Ansätze zur Lösung von Beweisproblemen in anderen Bereichen des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Berücksichtigung objektiver Umstände bei der Feststellung des Eventualvorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Materiell-rechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beweisrechtliche Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Sonderfall des Vorsatzes bei der lebensgefährdenden Behandlung, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB . . . . . . . . . . . . (a) Die materiell-rechtliche Lösung des BGH . . . . . . . . . (b) Die beweisrechtliche Lösung der herrschenden Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die alte Fassung des Hehlereitatbestandes (§ 259 StGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der materiell-rechtliche Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die beweisrechtlichen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Beweisregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Gesetzlicher Erfahrungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis zu den Möglichkeiten der Berücksichtigung objektiver Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Standpunkt der Rechtsprechung bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die anfängliche höchstrichterliche Rechtsprechung . . . . . . . . bb) Die scheinbare Normativierung der Tätervorstellung durch BGHSt 33, 295 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestätigung dieser Deutung durch die nachfolgende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Präzisierung und Einschränkung dieses Erfahrungssatzes in der neueren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung der Rechtsprechungsansicht . . . . . . . . . . . . c) Die in der Literatur vertretenen Ansichten bei der Bestimmung der Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erkennbarkeit der gefahrbegründenden Umstände für den Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliches Erkennen der gefahrbegründenden Umstände durch den Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Tatsächlich gebildete Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137 138 139 139 139 140 141 141 141 142 143 144 144 144 146 147 147 147 148 148 149 150 152 153 154 154 155 156

Inhaltsverzeichnis d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Problem des Beweises der Tätervorstellung . . . . . . . . . . . bb) Das Bestehen einer Obliegenheit des Täters zum Fürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Widerspruch zum Ausgangspunkt der Maßgeblichkeit der Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Bestehen einer Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung bestimmten Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Wortsinn des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB . . . . . . . . . . (b) Der Bedeutungszusammenhang mit dem Ingerenzgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kein Strafbarkeitswiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Pflichtenwiderspruch genügt . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Der Anreiz- und Opferschutzgedanke . . . . . . . . . (bb) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Der Strafzweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Berücksichtigung der gefahrbegründenden Umstände auf der Beweisebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Unzulässigkeit von Beweis- und Beweislastregeln . . (2) Die Herausbildung und Heranziehung von Erfahrungssätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die gerichtliche Wertung konkreter Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Einlassung des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Verhalten des Täters und seine Vorerfahrungen . . . . . . . . cc) Die Gefährlichkeit und Intensität der Tatbegehung . . . . . . . . . dd) Das Opferverhalten und die Opfersituation . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis zu den Anforderungen an ein Fürmöglichhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zur Relativierung der subjektiven Abgrenzung durch das Heranziehen objektiver Umstände bei Bildung und Ermittlung der Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 158 158 159 159 160 160 160 161 162 162 163 163 164 165 167 167 167 167 168 170 171 174 178 182

182

D. Ergebnis zum Zweiten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

16

Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg (sog. „misslungener Rücktritt“)

186

A. Die Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung bei eintretendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Die Auswirkung des Kriteriums „nach seiner Vorstellung für möglich halten“ bei der Ermittlung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums . . 189 II. Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB von der Vollendung . . . . 191 1. Kein Ausschluss des Rücktritts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB durch Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Die Tauglichkeit der Stellungnahme Schröders als Ansatzpunkt . . 191 b) Der Ansatz Bachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Die Differenzierung nach der Irreparabilität des Erfolges . . . . . . . . . . 194 3. Nichtvollendung der Tat als Voraussetzung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Rücktritt vom Versuch neben Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Kein Rücktritt von oder trotz der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Die systematische Verortung der „Nichtvollendung“ . . . . . . . . . . . 199 aa) Wortsinn und Bedeutungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Vollendungsstrafbarkeit trotz „weggefallenen“ Versuchs . . . . 200

III.

cc) Nichterforderlichkeit einer Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6. Zwischenergebnis zur Frage des Rücktritts von der Vollendung . . . . 202 Die Nichtvollendung der Tat aufgrund der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die objektive Zurechenbarkeit des entgegen der Tätervorstellung eingetretenen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) § 24 Abs. 1 StGB als Erfolgszurechnungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Fehlende objektive Zurechnung des vorzeitig und unerwartet eingetretenen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Die Deutung der Stellungnahmen Ottos, v. Scheurls und Bottkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Der Ansatz Puppes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 c) Regelmäßige objektive Zurechnung des vorzeitig und unerwartet eingetretenen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Ablehnung der Einstufung des § 24 Abs. 1 StGB als Erfolgszurechnungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Inhaltsverzeichnis bb) Kein objektiver Zurechnungsmangel infolge der Vorzeitigkeit und Unerwartetheit des Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Vorliegen eines ausreichenden Vorsatzes und die subjektive Zurechenbarkeit des entgegen der Tätervorstellung eingetretenen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Fehlen eines ausreichenden Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlender Vorsatz im maßgeblichen Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . (1) Vorsatz während der gesamten oder entscheidenden Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorsatz bis zum Erfolgseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vorsatz bei jedem Handlungsschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlender Vollendungsvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorliegen einer wesentlichen Kausalabweichung . . . . . . . . . . . dd) Ergebnisorientierte Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ungewollte Rückkehr zur Erfolgshaftung . . . . . . . . . . . . . . (2) Unzulässige Objektivierung und Abschneiden des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Dilemma-Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fehlen des vollen Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Sachgerechtigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Folgeproblematik des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rücktrittsausschluss durch den Erfolgseintritt . . . . . . . . . . (2) Rücktrittsmöglichkeit gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB . . . . b) Die vollständige Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes . . . aa) Vorliegen des Vorsatzes im maßgeblichen Zeitpunkt . . . . . . . bb) Vorliegen eines inhaltlich ausreichenden Vorsatzes . . . . . . . . . cc) Nur unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf . . . . . . . . dd) Ergebnisorientierte Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Belastung des Täters mit dem Erfolgsabwendungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine unzulässige Objektivierung und kein Abschneiden des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Zufallsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausreichender Unrechtsgehalt für eine Vollendungsbestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die zeitliche Dimension des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Festlegung des äußeren zeitlichen Rahmens durch den Wortlaut der §§ 8, 16 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

209

210 210 210 211 212 213 213 215 216 216 217 217 218 219 219 220 221 222 223 224 225 227 227 227 228 229 229 229 230 230

18

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

(a) Frühestmöglicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Unterscheidung nach dem Zeitpunkt des Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mit §§ 8, 16 StGB vereinbare Möglichkeiten . . . . . . (2) Keine Abhängigkeit von der Art der Tatbegehung . . . . . . (3) Fehlende Eignung der Versuchsbeendigung als maßgeblicher Vorsatzzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kein Begleiten der gesamten Tathandlung . . . . . . . . . . . . . (5) Der Versuchsbeginn i. S. des § 22 StGB als maßgeblicher Vorsatzzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zwischenergebnis zur zeitlichen Vorsatzdimension . . . . . bb) Die inhaltliche Dimension des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nichtausreichen eines bloßen „Versuchsvorsatzes“ . . . . . . (2) Notwendige Differenzierung innerhalb der Fallgruppe des unbeendeten Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Verhältnis von Tatentschluss und Vorsatz beim vollendeten Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine wesentliche Kausalverlaufsabweichung . . . . . . . . . . . . . dd) Die Überprüfung des gefundenen Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . (1) Die Unzulässigkeit rücktrittsbezogener Argumentationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Entschärfung des sog. „Dilemma-Arguments“ . . . . . . (3) Die Unrechtsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Bedeutung von Handlungs- und Erfolgsunrecht . . (b) Der Einfluss des Rücktritts auf das Handlungsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis zum erforderlichen Vorsatz und der subjektiven Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis zur Frage der Vollendung der Tat . . . . . . . . . . . . . . Die Lösung der Problematik durch eine analoge Anwendung gesetzlicher Irrtumsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Würdigung dieses Ansatzes und eigene Stellungnahme . . . a) Kein planwidriges Fehlen einer Regelung der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlvorstellung über den Erfolgseintritt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit gesetzlicher Irrtumsregeln . . . Ergebnis zur Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung bei eintretendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230 230 231 232 232 233 234 235 235 235 236 237 238 238 239 239 240 242 242 243 245 245 245 246 247 247 247 248 248

B. Die Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung bei eintretendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Inhaltsverzeichnis I. II.

III.

Die Auswirkung des Kriteriums „nach seiner Vorstellung für möglich halten“ bei der Ermittlung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums . . Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 oder S. 2 StGB von der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Ausschluss des Rücktritts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 oder S. 2 StGB durch Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Rücktritt von der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Differenzierung nach der Irreparabilität des Erfolges . . . . . . . 2. Nichtvollendung der Tat als Voraussetzung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis zur Frage des Rücktritts von der Vollendung . . . . Die Nichtvollendung der Tat aufgrund der Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die objektive Zurechenbarkeit des trotz vermeintlich wirksamen Verhinderungsbemühens eingetretenen Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 24 Abs. 1 StGB als Regelung der objektiven Zurechenbarkeit . . aa) § 24 Abs. 1 StGB als Argument gegen eine objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 24 Abs. 1 StGB als Argument für eine objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Anwendung allgemeiner Zurechnungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Zurechnungsunterbrechung durch bloßes Erfolgsverhinderungsbemühen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderfälle der Zurechnungsunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zurechnungsunterbrechung nur bei einer Verdrängung des ursprünglichen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zurechnungsunterbrechung auch bei einer Vereitelung des Gelingens der Verhinderungshandlung . . . . . . . . . . . . . (a) Die vorsätzliche Vereitelung des Verhinderungserfolges durch das Opfer selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die vorsätzliche Vereitelung des Verhinderungserfolges durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die zufällige Vereitelung des Verhinderungserfolges . cc) Der Rücktritt im Fall der Zurechnungsunterbrechung . . . . . . . (1) Die Zulässigkeit eines Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die anwendbare Rücktrittsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ablehnung der Einstufung des § 24 Abs. 1 StGB als objektive Zurechnungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Unterbrechung der objektiven Zurechnung durch das Verhinderungsbemühen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

250 251 251 251 252 252 253 253 254 254 254 255 256 256 257 258 259 259 261 262 263 263 264 264 264 265

20

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

cc) Möglichkeit objektiver Unzurechenbarkeit bei Hinzukommen weiterer Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hypothetische Erfolgstauglichkeit des Verhinderungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zurechnungsunterbrechende Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unvorhersehbarkeit und Vorsätzlichkeit der Vereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vereitelung durch das Opfer selbst oder durch Dritte (3) Zwischenergebnis zur ausnahmsweisen Unzurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB im Fall der Zurechnungsunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis zur objektiven Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Der erforderliche Vorsatz und die subjektive Zurechenbarkeit des trotz vermeintlich wirksamen Verhinderungsbemühens eingetretenen Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Unterbrechung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vollständige Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes . . c) Die modifizierende Auffassung von Schliebitz . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einschränkung der Vorsatzhaftung bei anfänglichem Revokationsentschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausweitung der Vorsatzhaftung bei Distanzdelikten . . . . . . . . d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorliegende Tatplanadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein Bedürfnis für eine Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis zum erforderlichen Vorsatz und der subjektiven Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis zur Frage der Vollendung der Tat . . . . . . . . . . . . . . Die Lösung der Problematik durch eine analoge Anwendung gesetzlicher Irrtumsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Würdigung dieses Ansatzes und eigene Stellungnahme . . . 3. Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit gesetzlicher Irrtumsregeln . . . Ergebnis zur Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung bei eintretendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266 266 267 267 268 268 269 269

270 270 271 272 273 274 274 275 276 277 277 277 278 279 280 280

C. Ergebnis zum Dritten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

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Vierter Teil Der maßgebliche Vorstellungszeitpunkt und die Beachtlichkeit einer „Vorstellungskorrektur“

282

A. Die Auswirkung der Maßgeblichkeit der Tätervorstellung bei der Ermittlung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont . . . . . . . . . . 284 I. Die Abgrenzung zur Problematik des fehlgeschlagenen Versuchs . . . . . . 284 II. Die Tatplanperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Der Inhalt der Tatplantheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Die für die Maßgeblichkeit des Tatplans angeführten Gründe . . . . . . 287 3. Die Kritik an der Tatplantheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 III. Der Rücktrittshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Der Inhalt der Theorie vom Rücktrittshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

IV. V.

VI.

2. Die für die Maßgeblichkeit des Rücktrittshorizonts angeführten Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Die Kritik an der Lehre vom Rücktrittshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Der Ansatz Herzbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Die Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Die anfängliche Differenzierung nach dem Bestehen eines Tatplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Der Ausgangspunkt in der Rechtsprechung des RG und des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Modifikationen und Einschränkungen der Tatplantheorie . . . . . . . 295 2. Die Hinwendung des BGH zum Rücktrittshorizont . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Die Reichweite der sog. „Würgegriff-“ oder „Mitbewohnerentscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Die Fortführung der Rechtsprechungswende bis zum sog. „Schläfenschussfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Die Vervollständigung der Rechtsprechungswende . . . . . . . . . . . . . 302 Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Die Argumentation aus dem Wortsinn des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Die Argumentation aus dem Regelungs- und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3. Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm . . . . . . . . . . . 307 a) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes . . . . . . 307 b) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke . . . . . . . 308 c) Der Strafzweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

22

Inhaltsverzeichnis 4. Bestätigung durch kriminalpolitische und andere rechtlich relevante Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 VII. Zwischenergebnis zur Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

C. Die sich nach Abschluss der Tathandlung ändernde Vorstellung als Problemfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendige Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Richtung“ der Vorstellungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkliche und scheinbare Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Frage des Rücktrittsbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonders häufig betroffene Ausführungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die anfängliche höchstrichterliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung der ersten „echten Korrekturkonstellationen“ . . . . 3. Die Festigung und Ausweitung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die umgekehrte Fallgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die mehrfache Vorstellungsänderung und die Grenzen ihrer Beachtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Fortführung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung der Rechtsprechungsansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die in der Literatur vertretenen Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die der Rechtsprechung im Ausgangspunkt zustimmende Literatur . . a) Die erfassten Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorstellungsberichtigung und „Korrektur zur Fehlvorstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Für den Täter vorteilhafte und nachteilige Vorstellungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Grenze des unmittelbar räumlich-zeitlichen Zusammenhangs c) Die Begründung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ansätze Jägers und Mayers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die der Rechtsprechung widersprechenden Auffassungen . . . . . . . . . . a) Die Kritik an der Zeitpunktverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kritik an der „Rückverwandlung“ eines beendeten in einen unbeendeten Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die differenzierende Ansicht Ottos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und Entwurf eines eigenen Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit der Maßgeblichkeit einer geänderten Tätervorstellung . 2. Zulässige und taugliche Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Kriterium der „Richtung“ der Vorstellungsänderung . . . . . . .

310 311 311 312 312 313 317 317 321 324 327 330 332 335 335 335 336 336 336 337 339 341 341 341 342 345 347 348 349 349

Inhaltsverzeichnis b) Die Unterscheidung zwischen wirklicher und scheinbarer „Korrektur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Unterscheidung nach dem Rücktrittsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Unterscheidung nach der objektiven Gefährdungslage . . . . . . e) Zwischenergebnis zu den Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . 3. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung bei „verspätetem“ Rücktrittsbeginn . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Bestehen einer Überlegungszeit im Fall der Vollendungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlende Übertragbarkeit der für das Bestehen einer Überlegungszeit sprechenden Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die mögliche Qualifikation des Verhaltens als „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm (a) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Strafzweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis zum maßgeblichen Zeitpunkt . . . . . . . . cc) Die Grenzen der Maßgeblichkeit einer Vorstellungsänderung dd) Zwischenergebnis zur Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . b) Die Vorstellungsänderung vom Nichtfürmöglichhalten zum Fürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Bestehen einer Überlegungszeit im Fall der Aufgabe der weiteren Tatausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Qualifikation der Untätigkeit als „Aufgabe“ . . . . . (2) Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm (3) Zwischenergebnis zum maßgeblichen Zeitpunkt . . . . . . . . cc) Die Grenzen der Maßgeblichkeit einer Vorstellungsänderung dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Anpassung der erforderlichen Rücktrittsleistung an die veränderte Tätervorstellung bei „sofortigem“ Rücktrittsbeginn . . . . . . . . . . a) Die Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

351 351 352 352 353 353 354 355 355 356 357 357 358 358 359 360 361 361 362 363 363 364 364 365 365 365 366

24

Inhaltsverzeichnis

V.

aa) Die Anpassung der Rücktrittsleistung an die veränderte Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Qualifikation des Verhaltens als „Aufgeben der weiteren Tatausführung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit des Bestehens einer Weiterhandlungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vorstellungsänderung vom Nichtfürmöglichhalten zum Fürmöglichhalten der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Vollzug der Tataufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die in Literatur und Rechtsprechung an eine Tataufgabe gestellten Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Anpassung der Rücktrittsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis zur sich nach Abschluss der Tathandlung ändernden Tätervorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

366 367 368 369 369 370 371 371 374 375 376

D. Ergebnis zum Vierten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Fünfter Teil Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse und Lösung der gebildeten Beispielsfälle A. Die rechtliche Behandlung von Fehlvorstellungen des Täters im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Fehlvorstellung über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg . . . . . II. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung bei ausbleibendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Fehlvorstellungen bei eintretendem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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379 380 381 382

B. Die „Vorstellungskorrektur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

Einleitung A. Der Problemkreis der Fehlvorstellungen beim „besonderen Nachtatverhalten“ des Rücktritts vom Versuch Nach deutschem Recht ist das Nachtatverhalten des Täters für seine Strafbarkeit – sieht man von dem vereinzelt eingeräumten Institut tätiger Reue einmal ab – grundsätzlich ohne Bedeutung und lediglich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen: Was einmal geschehen ist, kann nicht wieder ungeschehen gemacht werden.1 Etwas anderes gilt indessen für den Rücktritt des Versuchstäters, dem unter den Voraussetzungen des § 24 StGB strafbefreiende Wirkung zukommt. Zwar stellt auch das Rücktrittsverhalten ein Nachtatverhalten dar, weil es erst dann vorgenommen wird, wenn bereits ein strafbares Verhalten – nämlich der Versuch – vorliegt.2 Es unterscheidet sich jedoch darin entscheidend vom sonstigen Nachtatverhalten, dass es nicht nach einer abgeschlossenen Tat stattfindet, sondern noch im Versuchsstadium.3 Obgleich auch hier das Faktum, dass die Tat bereits in jenes strafbare Stadium gelangt ist, nicht rückwirkend aus der Welt geschafft werden kann, kann der Täter sein Versuchsverhalten noch ändern, indem er es in nunmehr widersprüchlicher Weise fortführt und ihm so für die Zukunft seine Eindeutigkeit nimmt.4 Dass ein Gericht demzufolge, wenn es über die Frage des Rücktritts befindet, zu entscheiden hat, ob der Täter straflos bleibt5 oder dem – im Einzelfall nicht unerheblichen – gesetzlichen Strafrahmen mit der nur fakultativen Milderung nach § 23 Abs. 2 StGB i.V. m. § 49 StGB unterfällt, erklärt die große prakti-

1 Dementsprechend wird z. B. das „Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen“ in § 46 Abs. 2 StGB ausdrücklich als Strafzumessungstatsache genannt. Vgl. dazu bereits Spohr, Rücktritt, S. 1. 2 Hierzu vgl. BGH, NStZ 1989, 114; aus der Lit. z. B. Jakobs, AT, § 26/2; ferner Klimsch, Behandlung, S. 39 ff.; MK-Herzberg, § 24 Rn. 8. 3 Vgl. Kühl, AT, § 16 Rn. 1, 8; Murmann, Versuchsunrecht, S. 32. Anders aber Walter, Rücktritt, S. 52 f., demzufolge die Vollendung der Tat „keine grundsätzliche Zäsur für eine Privilegierung des Rücktritts darstellt“. 4 s. bereits Jakobs, AT, § 26/2. 5 Die Straflosigkeit bezieht sich hierbei freilich nur auf das vom Rücktritt erfasste Delikt, nicht hingegen auf andere, bereits vollendete Tatbestände (sog. qualifizierter Versuch). Vgl. nur Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 45.

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Einleitung

sche Bedeutung, die dem Rücktritt im Justizalltag zukommt.6 Teilweise wird die Rücktrittsvorschrift gar als Drehscheibe der Strafbarkeit angesehen.7 Jenes „Alles-oder-Nichts“ auf der Rechtsfolgenseite wird durch die inhaltliche Ausgestaltung der Rücktrittsvorschrift noch verstärkt, nach der im Fall des Einzeltäters entweder die bloße Aufgabe der Tat genügt oder aber ein Verhindern der Vollendung bzw. ein ernsthaftes Bemühen hierum bei gleichzeitigem Vollendungsausbleiben verlangt wird, § 24 Abs. 1 StGB. Die große Zahl von revisionsgerichtlichen Entscheidungen zu der Frage, welche Rücktrittsleistung der Täter zu erbringen bzw. ob er die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt hat, lässt zugleich die theoretische Schwäche und die vielen Zweifelsfragen der Rücktrittsvorschrift erahnen, zu deren Lösung Rechtsprechung und Lehre bislang nur bedingt beigetragen haben.8 Probleme und Unsicherheiten ergeben sich im Rahmen des Rücktritts insbesondere dann, wenn das Vorstellungsbild des Täters mit Blick auf die Erforderlichkeit der zu erbringenden oder die Wirksamkeit der erbrachten Rücktrittsleistung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Täter, um strafbefreiend vom Versuch zurücktreten zu können, die nach der tatsächlichen Gefährdungslage oder die nach seiner Vorstellung erforderliche Rücktrittsleistung erbringen muss bzw. ob es im Rahmen der Verhinderungshandlung ausreicht, wenn nur der Täter diese als geeignet einstuft, oder ob sie tatsächlich wirksam sein muss. Von Bedeutung ist dabei auch, ob die Fehlvorstellung des Täters sich im Ergebnis auswirkt oder folgenlos bleibt, mit anderen Worten der Erfolg eintritt oder nicht.9

6 Dazu vgl. Kampermann, Grundkonstellationen, XXXVI. Im Fall des Erfolgseintritts spitzt sich die Entscheidung noch weiter zu: Es geht dann um die Abgrenzung zwischen Straflosigkeit oder Vollendungsstrafe; vgl. dazu z. B. Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 ff.; kritisch zu dieser „starren Alternative“ Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 42. 7 So z. B. Krey, AT II, Rn. 452 f. Darauf, dass es sich hierbei um eine aus historischer Sicht höchst bemerkenswerte Feststellung handelt, weist Ulsenheimer, Grundfragen, S. 1 ff., mit Blick auf das ältere Schrifttum (z. B. John, Entwurf, S. 220, und Herbst, GA 32 [1884], 109) hin: Zunächst war dem Rücktritt mehrheitlich lediglich eine mehr oder weniger „akademische Zukunft“ prophezeit worden. Die Entwicklung vollzog sich dann jedoch genau entgegen diesen Vorstellungen und Prognosen. Vgl. ferner Heckler, Ermittlung, S. 1; Jäger, Rücktritt, S. 1. 8 Dazu s. a. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 2. Die Rücktrittsvorschrift wird in der Literatur nicht selten als schwer verständlich und inhaltlich überkompliziert ausgestaltet bezeichnet, vgl. z. B. Krey, AT II, Rn. 451 u. 453 („abschreckendes Beispiel ,strafrechtsdogmatischer Hypertrophie‘“); ähnlich bereits Treplin, ZStW 76 (1964), 441 (467) zu § 46 StGB a. F. Vgl. ferner Geilen, JZ 1972, 335 (343), der die Anwendung der Rücktrittsvorschrift als „strafrechtliches Lotteriespiel“ betitelt und kritisiert, der Rücktritt sei „inzwischen zum Instrument einer schon gelegentlich kadihaft anmutenden Billigkeitsrechtsprechung geworden“. 9 Zur Vielfalt der Fehlvorstellungskonstellationen vgl. etwa Klöterkes, Rücktritt, S. 1 ff.

B. Aufgabenstellung und Ziele der Arbeit

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Ein Blick in die gängigen Lehrbücher und Kommentare verdeutlicht dabei, dass der Problemkreis der Fehlvorstellungen beim Rücktritt in aller Regel nicht zusammenhängend behandelt wird, was freilich darin gründet, dass sich die bei der Rechtsanwendung auftretenden Probleme abhängig von der Art und den Folgen der Fehlvorstellung unterscheiden: So stellt sich etwa in den Fallgestaltungen, bei denen der tatbestandliche Erfolg eintritt, die Frage nach einer Vollendungsstrafbarkeit des Täters; bleibt der Erfolg hingegen aus, fehlt es an einer solchen bereits aus diesem Grund, geht es also schon deshalb um „reine Rücktrittsfragen“. Ungeachtet der Verschiedenartigkeit der betroffenen Bereiche muss es aber dennoch verwundern, dass die Thematik „Fehlvorstellungen beim Rücktritt“ bislang kaum in ihrem Gesamtzusammenhang aufgegriffen wurde.10 Denn die zersplitterte Behandlung der Fehlvorstellungen in Bezug auf die Erforderlichkeit oder Wirksamkeit der Rücktrittsleistung in Rechtsprechung und Jurisprudenz verstellt letztlich den Blick auf die Gesamtproblematik. Häufig kommt es dadurch zu Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten zwischen gleich oder ähnlich gelagerten Konstellationen, die durch eine vergleichende Betrachtung vermieden oder zumindest abgeschwächt werden könnten, und nur selten wird deutlich, an welchen Kriterien die unterschiedliche strafrechtliche Bewertung der einzelnen Fallgestaltungen festgemacht wird. Mit einer weiteren, hieran anknüpfenden Problematik wird der Rücktritt dann belastet, wenn der sich irrende Täter seine Fehlvorstellung erkennt und „im Laufe des Rücktritts“ korrigiert oder umgekehrt eine zunächst zutreffende Vorstellung in eine Fehlvorstellung ändert. Obwohl die sich in diesen Fällen stellende Frage danach, welche Vorstellung letztlich für die Bestimmung der Rücktrittsleistung maßgebend ist, in neuerer Zeit an Bedeutung gewinnt, wurde ihr bislang in Rechtsprechung und Literatur vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt. Auch hier scheidet sich aber die Straflosigkeit des Täters von einer Bestrafung wegen versuchter, möglicherweise sogar wegen vollendeter Tat.

B. Aufgabenstellung und Ziele der Arbeit Die geschilderten, sich aus der zersplitterten und uneinheitlichen Untersuchung der Problematik der Fehlvorstellungen beim Rücktritt ergebenden Unklarheiten und Widersprüche bilden den Anlass für die vorliegende Arbeit. Im 10 Auch Klöterkes, die für ihre Arbeit zwar den Titel „Rücktritt und Irrtum“ wählt, behandelt letztlich nur einen Teilausschnitt der Irrtümer, nämlich jene Fallgestaltungen, in denen der Erfolg entgegen der Vorstellung des Täters eintritt. Hervorzuheben ist bereits an dieser Stelle aber der Aufsatz von Otto, Jura 2001, 341, in dessen zweitem Teil ausdrücklich der „Irrtum des Täters als Problem des § 24 StGB“ untersucht wird.

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Einleitung

Rahmen einer umfassenden Untersuchung sollen alle denkbaren Fehlvorstellungen bezüglich der Erforderlichkeit der zu erbringenden und der Wirksamkeit der erbrachten Rücktrittsleistung im Zusammenhang aufgezeigt und erläutert werden. Ziel ist es dabei zunächst, für die jeweilige Fallgestaltung eine sinnvolle Lösung zu entwickeln, also jeweils zu entscheiden, ob und inwieweit eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung des Täters Bedeutung für seine Strafbarkeit erlangt. Angesichts dessen, dass das Strafgesetzbuch – anders als etwa im Bereich des entschuldigenden Notstandes gemäß § 35 StGB – keine ausschließliche Regelung für Fehlvorstellungen im Rücktrittsbereich vorsieht11 und auch § 24 StGB nur wenige Fehlvorstellungskonstellationen ausdrücklich erfasst12, ist es dabei ein Anliegen der vorliegenden Abhandlung, möglichst klare Leitlinien für die Behandlung von Fehlvorstellungen zu entwerfen, die es nicht zuletzt für den Rücktrittswilligen erkennbar machen sollen, welche Anforderungen die Rechtsordnung im jeweiligen Fall an sein Rücktrittsverhalten stellt. Die Arbeit kann sich dabei nicht auf die Beantwortung der Frage beschränken, ob die objektive Gefährdungslage oder das subjektive Vorstellungsbild des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung entscheidet, sondern muss zugleich aufzeigen, welcher Einfluss den inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung bzw. deren prozessualer Feststellung für die Frage nach der zu erbringenden Rücktrittsleistung zukommt. Zudem soll geklärt werden, was sich an der rechtlichen Beurteilung der Fehlvorstellung ändert, wenn der Taterfolg eintritt. Durch eine richtige Einordnung der sich ergebenden Fragestellungen in den Deliktsaufbau sowie anhand eines Vergleichs mit der Situation bei ausbleibendem Erfolg sollen bestehende Widersprüche aufgezeigt und schließlich – sofern möglich – durch eine differenzierte strafrechtliche Betrachtung aufgelöst, zumindest aber verringert werden. Übergeordnetes Ziel der Arbeit ist dabei der Entwurf einer einheitlichen und in sich stimmigen Gesamtkonzeption, die durch eine nachvollziehbare Festlegung des entscheidenden Maßstabs für die vom Rücktrittswilligen zu erbringende Rücktrittsleistung die auftretenden Fallgestaltungen einer Lösung zuführen soll. Erst auf dieser Grundlage wird die nachfolgende Untersuchung der vergleichsweise neuen Problematik der sog. „Korrektur von Fehlvorstellungen“ überhaupt verständlich und nachvollziehbar.13 Insoweit ist schließlich zu unter11 Dass die Fehlvorstellung im Rücktrittsbereich nicht als Tatbestandsirrtum zu bewerten ist, hat bereits das Reichsgericht in RGSt 55, 105 (106) festgestellt: Die „irrtümliche Annahme eines Sachverhaltes, der bei Anwendung des § 46 Nr. 1 StGB die Straffreiheit des Angeklagten zur Folge haben würde, steht der Unkenntnis eines zum gesetzlichen Tatbestand gehörigen Tatumstandes nicht gleich“. 12 Lediglich § 24 Abs. 1 S. 2 StGB regelt eine Fehlvorstellung, nämlich den Fall, in dem der Täter sich über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung irrt, der Erfolg aber aus hiervon unabhängigen Gründen ausbleibt. Dazu s. Erster Teil C. II. 13 Ebenso Otto, Jura 2001, 341.

C. Einschränkungen

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suchen, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Änderung der Tätervorstellung nach der letzten Ausführungshandlung auf die zu erbringende Rücktrittsleistung auswirkt. Auch hier sollen Unterscheidungskriterien herausgearbeitet sowie mittels einer vergleichenden Betrachtung eine differenzierte, aber stimmige Lösung erarbeitet werden.

C. Einschränkungen Die Zielsetzung dieser Arbeit macht eine Begrenzung des Untersuchungsgegenstands notwendig. Verzichtet werden soll zum einen auf eine erneute ausführliche Darstellung des Meinungsstands zur Frage des Rechtsgrundes des Rücktrittsprivilegs und der Versuchsstrafbarkeit.14 Denn es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit, die zahlreichen, sich teilweise geringfügig, teilweise stark voneinander unterscheidenden Lösungsvorschläge einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und möglicherweise einen weiteren hinzuzufügen. Vielmehr sollen an gegebener Stelle die vertretenen Grundansätze kurz aufgegriffen und erläutert, im Ergebnis aber eine Kombination der vertretenen Rechtsgedanken angewandt sowie aufgezeigt werden, dass ihre Unterschiede ohne Relevanz für die vorliegend behandelten Sachfragen sind. Auch eine neuerliche Darstellung des Streites zum Standort des Rücktritts in der strafrechtlichen Systematik soll vorliegend unterbleiben, was schon deshalb legitim erscheint, weil sich die Einordnung des Rücktritts in das Straftatsystem letztlich nicht auf die Beurteilung der Fehlvorstellungen auswirkt. Thematisch beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf den Rücktritt des Einzeltäters nach § 24 Abs. 1 StGB vom vorsätzlichen Begehungsdelikt.15 Im Mittelpunkt stehen dabei Fehlvorstellungen des Täters über die Erforderlichkeit und Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung, wobei die Überlegungen sich ausschließlich auf Fehlvorstellungen im tatsächlichen Bereich beziehen werden. Die letzte und wichtigste Einschränkung betrifft den Bereich des fehlgeschlagenen Versuchs, bei dem es ebenfalls zu Fehlvorstellungen kommen kann. Eine ausführliche Darstellung und Diskussion der in Existenz, Voraussetzungen und Fallgruppen umstrittenen Rechtsfigur des fehlgeschlagenen Versuchs ist im Rahmen dieser Arbeit weder möglich noch sinnvoll. In der vorliegenden Abhandlung wird deshalb die Existenz des „fehlgeschlagenen Versuchs“ als Rechtsfigur 14 Verwiesen wird insofern auf die umfassende Zusammenstellung der vertretenen Ansichten bei Ulsenheimer, Grundfragen, S. 33 ff., sowie Heckler, Ermittlung, S. 39 ff.; 109 ff. 15 Zum Rücktritt des Täters vom Versuch des Unterlassungsdelikt s. Küper, ZStW 112 (2000), 1; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 142 ff., allerdings nur zum Fall des sog. „misslungenen“ Rücktritts.

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Einleitung

vorausgesetzt16 und die trotz der klaren Haltung des BGH17 innerhalb des Schrifttums immer noch heftig und erbittert geführte Diskussion18 um Einzelaktstheorie und Gesamtbetrachtungslehre nur kurz und in den für die vorliegend behandelte Problematik relevanten Teilbereichen erörtert. Jedoch soll das Zusammenspiel zwischen dem unbeendeten, dem beendeten und dem fehlgeschlagenen Versuch nicht außer Acht bleiben, sondern in das Gesamtkonzept miteinbezogen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage nach der Beachtlichkeit einer Vorstellungsänderung nach dem Ende der Ausführungshandlung, wo der Fehlschlag als „absolute Rücktrittsgrenze“ berücksichtigt werden muss. Kommt es zum Erfolgseintritt, stellt sich die Problematik des Fehlschlages hingegen ohnehin nur in stark eingeschränkter Form.

D. Gang der Untersuchung Der Aufbau der Arbeit ist an ihrer Zielsetzung ausgerichtet: Im Ersten Teil sollen zunächst die im Zusammenhang mit Fehlvorstellungen beim Rücktritt auftretenden Problemstellungen anhand von Beispielsfällen verdeutlicht und so die Rechtsfragen herausgearbeitet werden, die es in der vorliegenden Arbeit zu klären gilt. Im Mittelpunkt des Zweiten Teils der Arbeit wird die große Gruppe jener Fallgestaltungen stehen, bei denen sich der Täter über die erforderliche Rücktrittsleistung irrt, der Erfolg aber dennoch ausbleibt. Dabei soll der Blick zunächst auf die zentrale Frage gerichtet werden, ob die objektive Gefährdungslage, die Vorstellung des Täters oder eine Kombination aus beidem darüber entscheidet, welche Rücktrittsleistung dieser im Rahmen des § 24 StGB zu erbringen hat. Im Anschluss hieran wird dann untersucht, inwiefern der gefundene Grundansatz über die inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung und die Heranziehung objektiver Indizien bei der Bildung bzw. der gerichtlichen Feststellung dieser Vorstellung konkretisiert bzw. relativiert werden kann und muss. Der Dritte Teil der Arbeit ist der Problematik des sog. „misslungenen Rücktritts“ gewidmet, also den Fallgestaltungen, in denen der Täter zwar nach seiner Vorstellung zurückgetreten ist, der Erfolg aber „trotz des Rücktritts“ eintritt. In16 Zu dem – inzwischen vielerorts als überholt bezeichneten – Streit um die sachliche Berechtigung der Figur des fehlgeschlagenen Versuchs vgl. nur Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 7 m. v. w. N. 17 Die auch zuvor schon schwankende Rechtsprechung folgt seit BGHSt 31, 170 und anschließend BGHSt 33, 295, sowie BGHSt 34, 53 in ständiger Rechtsprechung der Gesamtbetrachtungslehre. Dies findet auch im herrschenden Schrifttum Zustimmung, vgl. nur Wessels/Beulke, Rn. 629 f. m.w. N. 18 Vgl. z. B. Heckler, Ermittlung, S. 1; Kampermann, Grundkonstellationen, XXXVI.

D. Gang der Untersuchung

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nerhalb dieser Problematik sollen zwei Fallgestaltungen unterschieden werden: zum einen die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung, zum anderen die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der vorgenommenen Rücktrittshandlung. Für beide Konstellationen gilt es jeweils vorab und außerhalb der eigentlichen Rücktrittsproblematik zu untersuchen, ob der Erfolgseintritt trotz des vermeintlichen Rücktritts zur Vollendung der Tat geführt hat bzw. ob ein Rücktritt auch noch von der vollendeten Tat denkbar ist, da sich Fragen aus dem Bereich des § 24 StGB überhaupt nur dann stellen. In diesem Zusammenhang soll auch die Möglichkeit einer Lösung der Problematik durch die Heranziehung allgemeiner Irrtumsregeln diskutiert werden. Der Vierte Teil der Arbeit beschäftigt sich schließlich mit dem vergleichsweise neuen Problemkreis der sog. „Vorstellungskorrektur“. Zur Beantwortung der Frage, ob einer erst nach Abschluss der Ausführungshandlung geänderten Tätervorstellung Bedeutung zukommt, muss dabei zunächst der grundsätzlich maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der Rücktrittsleistung bestimmt, d.h. eine Entscheidung zwischen der Maßgeblichkeit des Tatplanhorizonts und des Rücktrittshorizonts getroffen werden. Darauf aufbauend ist dann zu untersuchen, ob und, wenn ja, in welchen Fallgestaltungen und unter Beachtung welcher Grenzen die Rücktrittsleistung des Täters sich an einer späteren Vorstellung ausrichten muss oder darf.

Erster Teil

Zur Illustration – Denkbare Fehlvorstellungen und dabei auftretende Rechtsfragen Die Fülle der im Zusammenhang mit der Rücktrittsleistung des Einzeltäters auftretenden Fehlvorstellungen macht eine differenzierte Untersuchung erforderlich. An dieser Stelle sollen deshalb zunächst die denkbaren Fehlvorstellungen genauer aufgeschlüsselt und untersucht werden, um sowohl bestehende Gemeinsamkeiten als auch taugliche Unterscheidungskriterien zu ermitteln. Ziel ist es, die von der gesetzlichen Regelung des § 24 Abs. 1 StGB unzweifelhaft geregelten Fehlvorstellungen schon jetzt einer Lösung zuzuführen und in Bezug auf die übrigen Fallgestaltungen die sich jeweils stellenden Rechtsfragen herauszuarbeiten, die es sodann im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu klären gilt.

A. Die unterschiedlichen Fehlvorstellungen I. „Irrtum“ oder „Fehlvorstellung“ Abweichungen zwischen der Vorstellung und der objektiven Lage spielen in verschiedenen Bereichen des Strafrechts eine Rolle und werden auch im StGB verschiedenenorts angesprochen: So regelt z. B. § 16 StGB die Unkenntnis oder irrige Annahme von Umständen des gesetzlichen Tatbestandes durch den Täter, § 17 StGB die fehlende Einsicht des Täters, Unrecht zu tun.1 § 263 StGB verdeutlicht in Bezug auf das Opfer, dass ein Irrtum erregt oder unterhalten werden kann. Wie nicht selten im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Irrtum“ und „Fehlvorstellung“ dabei besonders im Betrugsbereich synonym gebraucht: Der Irrtum im Sinne des § 263 StGB soll gerade die positive Fehlvorstellung, die auf einem unrichtigen Vorstellungsinhalt beruht, erfassen, nicht hingegen die sog. ignorantia facti, also auf einer fehlenden Vorstellung beruhendes, reines Nichtwissen.2 Bereits diese Definition deutet indes darauf hin, dass die Deckungsgleichheit von „Irrtum“ und „Fehlvorstellung“ im Rahmen des 1 Daneben spricht auch § 35 Abs. 2 StGB von der irrigen Annahme entschuldigender Umstände, § 113 StGB von der falschen rechtlichen Bewertung. Vgl. zum Ganzen auch Schlüchter, Irrtum, S. 26 ff.

A. Die unterschiedlichen Fehlvorstellungen

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§ 263 StGB in sprachlicher und psychologischer Hinsicht eine Ausnahme darstellt und nur deshalb besteht, weil in diesem Zusammenhang das Fehlen einer Vorstellung seitens des Opfers gerade nicht ausreichen soll.3 In der allgemeinen Irrtumslehre dagegen wird die „Fehlvorstellung“ als Unterfall des „Irrtums“ angesehen: Der Ausdruck „Irrtum“ bezeichne allgemein die Nichtübereinstimmung von Bewusstsein und Wirklichkeit im Sinne von tatsächlicher oder rechtlicher Realität, die sowohl bei der Unkenntnis von Umständen, also dem Fehlen einer Vorstellung (sog. negativer Irrtum), als auch bei der Fehlvorstellung, d.h. der fehlerhaften Vorstellung von der Wirklichkeit (sog. positiver Irrtum), gegeben sei.4 In der vorliegenden Arbeit soll dementsprechend differenziert und, da die bestehende, aber unzutreffende Vorstellung des Täters im Mittelpunkt der Arbeit steht, weitgehend der Begriff „Fehlvorstellung“ verwendet werden.5 Welche Grundsätze im Fall der gänzlich fehlenden Vorstellung zur Anwendung kommen, wird gesondert zu untersuchen sein.

II. Unterscheidungskriterien Fehlvorstellungen können verschiedene Bezugspunkte in der Wirklichkeit haben, wobei jedoch der Umstand, über den sich ein Täter falsche Vorstellungen macht, in der Vergangenheit oder Gegenwart liegen muss, da die Möglichkeit, sich falsche Vorstellungen über etwas zu machen, denklogisch die Möglichkeit zu einer diesbezüglich mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Aussage voraussetzt. Über zukünftige Entwicklungen und Ereignisse kann hingegen nur eine Prognose abgegeben werden, die trotz zutreffender Ausgangsbasis fehl gehen kann.6 Der Bezugspunkt einer Fehlvorstellung kann dabei in der rechtlichen oder der tatsächlichen Realität liegen: Im Bereich der Erforderlichkeit oder Geeignetheit der Rücktrittsleistung kann sich der Täter einerseits falsche Vorstellun2 Für die h. M. s. Krey/Hellmann, BT II, Rn. 379 m.w. N. in Fn. 112 f.; Küper, BT, S. 222. Anders aber Schönke/Schröder/Cramer/Perron, § 263 Rn. 36 f., die auch Fälle des Nichtwissens grundsätzlich vom Begriff „Irrtum“ gedeckt sehen. 3 So etwa BGH, NStZ 1997, 281; Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 34. 4 Grundlegend hierzu Gössel, Bedeutung, S. 22 ff., 30: „Ob nun an die Stelle der partiell oder ganz fehlenden bewussten Erkenntnis eine andere fehlerhafte tritt, ist gleichgültig. Entscheidend ist allein das Fehlen der richtigen“. Vgl. auch Hettinger, JuS 1988, L 72 (78, Antwort 2); Jescheck/Weigend, AT, § 29 V 1 a; Kühl, AT, § 13 Rn. 7 ff.; Tröndle/Fischer, § 16 Rn. 2. 5 Anders in Bezug auf Fehlvorstellungen im Zusammenhang mit dem Rücktritt aber Klöterkes, Rücktritt, S. 1 ff., die die Termini „irren“ und „sich falsche Vorstellungen machen“ synonym verwendet. Bei Otto, Jura 2001, 341, wird dagegen ausschließlich das Verkennen der wirklichen Situation als „Irrtum“ bezeichnet. 6 Vgl. ausf. Driendl, GA 1986, 253 f.

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1. Teil: Zur Illustration – Fehlvorstellungen und Rechtsfragen

gen über die rechtliche Bewertung seines Verhaltens machen, z. B. annehmen, für ein Verhindern i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sei es ausreichend, das Opfer bei den Maßnahmen zur Eigenrettung gewähren zu lassen.7 Derartige Fehlvorstellungen auf Normebene werden jedoch, sofern sie überhaupt erwähnt werden, ganz überwiegend als unbeachtlich eingestuft.8 Das verdient Zustimmung: Der Täter geht in jenen Fällen von einer Rücktrittsmöglichkeit aus, die es nicht gibt. Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang ein Täter trotz rechtswidriger, schuldhafter Tatbegehung die Nachsicht des Rechts finden soll, muss indessen allein beim Gesetzgeber liegen; keinesfalls kann die Wertung eines Täters, der sich nach den Maßstäben der Rechtsordnung rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat, über die rechtlichen Grenzen des Rücktritts entscheiden.9 Macht sich ein die tatsächliche Lage zutreffend einschätzender Täter falsche Vorstellungen über die gesetzlich geforderte Rücktrittsleistung, kann sein dieser Vorstellung entsprechendes Verhalten für eine Strafbefreiung gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht ausreichen. In der vorliegenden Arbeit werden deshalb ausschließlich Fehlvorstellungen untersucht, die sich auf tatsächliche Gegebenheiten wie z. B. die Wirkung der Tathandlung bzw. – damit notwendig auch10 – die erforderliche Rücktrittsleistung oder die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung beziehen. Fehlvorstellungen können sich überdies im Fall ihrer Beachtlichkeit entweder als für den Täter günstig oder nachteilig auswirken, je nachdem, ob dieser seiner Vorstellung zufolge weniger oder mehr tun müsste als nach der objektiven Gefährdungslage. Dabei kann die für den Täter vorteilhafte Fehlvorstellung, bei der nach der objektiven Lage vom Täter mehr zu fordern ist als nach seiner Vorstellung, im Ergebnis folgenlos bleiben oder sich im Eintritt des tatbestandlichen Erfolges niederschlagen.

7 So lag der Fall in BGH, NJW 1990, 3219. Ähnlich auch OLG Hamm, JZ 1952, 758, wo der Täter annahm, er könne sich durch ein Verhalten nach der Vollendung – namentlich durch das Zurücklegen der gestohlenen Beute – Straffreiheit verdienen. 8 So z. B. Klöterkes, Rücktritt, S. 133 f.; s. a. BGH, NJW 1990, 3219; OLG Hamm, JZ 1952, 758. 9 Vgl. hierzu – unabhängig von der dogmatischen Einordnung des Rücktritts – die insoweit parallelen Überlegungen zu § 35 Abs. 2 StGB bei Klimsch, Behandlung, S. 68 f.; Kühl, AT, § 13 Rn. 85; Roxin, AT I, § 22 Rn. 65; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 35 Rn. 45. Anders nur Frister, Struktur, S. 240. 10 Eine Fehlvorstellung des Täters über die Wirkung seiner Tathandlung zieht eine Fehlvorstellung über das erforderliche Rücktrittsverhalten unvermeidbar nach sich: Weiß der Täter nicht um die Gefährlichkeit seiner Verletzungshandlung, wird er auch nicht zu der Vorstellung gelangen, er müsse nun Verhinderungsmaßnahmen zur Abwendung der Gefahr einleiten. Vgl. dazu etwa das Bsp. bei Bach, Rücktritt, S. 23.

B. Grundfallkonstellationen und Fallbeispiele

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B. Zur Verdeutlichung der Problematik: Grundfallkonstellationen und Fallbeispiele Da sich abhängig von den genannten Kriterien – Bezugspunkt der Fehlvorstellung, vorteilhafte oder nachteilige Wirkung für den Täter sowie Erfolgseintritt – teilweise andere Fragestellungen ergeben, die im Ergebnis einer abweichenden rechtlichen Bewertung unterliegen können, sollen im Sinne einer vergleichenden Betrachtungsweise nun Grundfallgestaltungen gebildet, jeweils abstrakt umrissen und durch Fallbeispiele illustriert werden, welche die tatsächlich zugrunde liegende Situation, die Tätervorstellung und das Verhalten des Täters beschreiben. Den Beispielen liegen dabei Rücktrittssituationen nach Totschlagsversuchen zugrunde, die sich aufgrund der einfachen Struktur des § 212 StGB als besonders instruktiv erweisen.11 Zunächst wird nach der Frage des Erfolgseintritts, sodann nach dem Bezugspunkt der Fehlvorstellung, d.h. der Wirkung der Tathandlung und der Effektivität der Rücktrittsleistung, sowie – in Fällen ohne Erfolgseintritt – auch nach Vorteil oder Nachteil der Maßgeblichkeit der Fehlvorstellung für den Täter unterschieden.12 Die Formulierungen im Rahmen der Darstellung orientieren sich am Gesetzestext, sind bewusst offen gehalten und sollen, was ihren maßgeblichen Inhalt und Zeitpunkt anbetrifft, erst im Laufe der Arbeit präzisiert werden.

I. Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg 1. Die Fehlvorstellungen über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung a) Zum Vorteil des Täters Der Täter verkennt, dass er bereits alles zum Erfolgseintritt Erforderliche getan hat. Er gibt daher lediglich die weitere Ausführung der Tat auf, der Erfolg tritt jedoch aus von ihm unabhängigen Gründen nicht ein, etwa weil Dritte oder das Opfer selbst den Erfolgseintritt verhindern. Die Fehlvorstellung wirkt sich im Fall ihrer Beachtlichkeit folglich zum Vorteil des Täters aus: Nach seiner Vorstellung genügt die Tataufgabe, in Wirklichkeit wäre aber ein Verhindern der drohenden Vollendung erforderlich; der Erfolg bleibt dennoch aus.

11 Ähnliche Beispielsfälle finden sich in der Literatur u. a. bei Bottke, Methodik, S. 538 mit Fn. 373 f.; Klöterkes, Rücktritt, S. 1 ff.; Munoz-Conde, GA 1973, 33 (35); Otto, Jura 2001, 341 (343 ff.); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 97 ff., 152 f., 220 f. 12 Tritt der Erfolg ein, bestand stets auch eine objektive Vollendungsgefahr, wirkt sich die Fehlvorstellung im Fall ihrer Maßgeblichkeit immer zum Vorteil des Täters aus.

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1. Teil: Zur Illustration – Fehlvorstellungen und Rechtsfragen Bsp. 1: T sticht auf O ein, um ihn zu töten. Nach zwei Stichen gibt er die Tat – obwohl ein weiteres Zustechen möglich wäre – auf und geht in dem Glauben von dannen, O werde so überleben. O war durch die beiden Stiche allerdings bereits lebensgefährlich verletzt und überlebt nur, weil ein zufällig am Tatort vorbeikommender Arzt erste Hilfe leistet und ihn schnellstens zu einer Notoperation ins Krankenhaus bringt. Bsp. 2:13 T will O töten und hält hierfür fünf Portionen Gift für nötig. Er mischt O zwei Portionen unter das Essen, überlegt es sich dann aber anders und unterlässt die Beimischung der weiteren Giftportionen. Jedoch bringen bereits die zwei Portionen den O in akute Lebensgefahr: Er überlebt nur, weil seine Tochter zufällig vorbeikommt und ihn ins Krankenhaus bringt, wo ihm gerade noch rechtzeitig der Magen ausgepumpt werden kann.

b) Zum Nachteil des Täters Der Täter geht fälschlicherweise davon aus, er habe schon alles zum Erfolgseintritt Erforderliche getan. Er unterliegt somit einer Fehlvorstellung, die sich – im Falle ihrer Beachtlichkeit – zu seinen Ungunsten auswirkt: Nach seiner Vorstellung muss er den Erfolgseintritt verhindern, in Wirklichkeit genügt die Aufgabe der Tat. Denkbar ist nun zum einen, dass der Täter es auch hier lediglich unterlässt weiterzuhandeln oder dass er Verhinderungsbemühungen unternimmt, die allerdings objektiv überflüssig und nicht kausal für das Ausbleiben der Vollendung sind. Der Erfolg bleibt in beiden Fällen bereits infolge der fehlenden objektiven Erfolgsgefahr aus. Bsp. 1: T sticht auf O ein, um ihn zu töten. Nach zwei Stichen hört er in dem Glauben, den zusammensackenden, aufgrund seiner mehrschichtigen Kleidung aber tatsächlich nur leicht verletzten O lebensgefährlich verletzt zu haben, mit dem Zustechen auf, obwohl ein weiteres Zustechen möglich wäre, und geht von dannen. (Alternativ: T ist erschrocken darüber, was er getan hat, will O nun retten und bringt ihn eiligst ins Krankenhaus.) Bsp. 2: Nach zweimaliger Giftbeimischung glaubt der mit Tötungsvorsatz handelnde T, O würde aufgrund dieser Menge sterben, und hört mit der Beimischung auf, obwohl er noch mehr Gift zur Verfügung hat. Entgegen seiner Vorstellung sind zwei Giftbeigaben jedoch noch nicht lebensgefährlich und lösen bei O lediglich eine leichte Übelkeit aus. (Alternativ: T bereut seine Tat und ruft einen Krankenwagen.)

13 Aufgrund ihrer lange andauernden Versuchsphase und der deshalb lange bestehenden Rücktrittsmöglichkeit erweisen sich Fälle sukzessiver Tatausführung und sog. Distanzdelikte, bei denen der Täter das Angriffsobjekt nicht sinnlich wahrnimmt, in diesem Zusammenhang als besonders instruktiv.

B. Grundfallkonstellationen und Fallbeispiele

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2. Die Fehlvorstellungen über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung a) Zum Vorteil des Täters Der Täter geht zutreffend davon aus, er habe bereits alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan, und unternimmt dementsprechend Verhinderungsbemühungen. Er verkennt aber deren Ungeeignetheit, die geschaffene Vollendungsgefahr zu beseitigen. Der Erfolg tritt jedoch aus vom Täter unabhängigen Gründen nicht ein, etwa weil Dritte oder das Opfer selbst ihn verhindern. Die Fehlvorstellung wirkt sich – im Fall ihrer Beachtlichkeit – zugunsten des Täters aus: Nur nach seiner Vorstellung, nicht aber objektiv hat er eine taugliche Verhinderungshandlung vorgenommen; der Erfolg bleibt dennoch aus. Bsp. 1: T sticht auf O ein, um ihn zu töten, und verletzt ihn, wie er erkennt, lebensgefährlich. Dann gibt er jedoch seinen Tötungswillen auf und verständigt – in dem Glauben, dies sei zur Rettung des O geeignet – einen Krankenwagen. Bei dessen Eintreffen, wäre O jedoch bereits verblutet gewesen. Er überlebt nur, weil ein zufällig vorbeikommender Notarzt erste Hilfe leistet und die blutende Wunde stillt. Bsp. 2: T will O vergiften und gibt ihm ein langsam wirkendes Gift. Später packt ihn Reue und er gibt O ein Gegengift, das jedoch entgegen seiner Erwartung nicht wirkt. O überlebt nur, weil seine Tochter zufällig vorbeikommt und ihn ins Krankenhaus bringt, wo ihm gerade noch rechtzeitig der Magen ausgepumpt werden kann.

b) Zum Nachteil des Täters Der Täter geht zutreffend davon aus, er habe bereits alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan, und unternimmt Verhinderungsbemühungen. Dabei hält er seine Bemühungen jedoch für ungeeignet, den Erfolgseintritt abzuwenden. Entgegen seiner Vorstellung verhindert sein Verhalten jedoch den Erfolgseintritt. Die Fehlvorstellung wirkt sich damit – im Fall ihrer Beachtlichkeit – zulasten des Täters aus: Nur objektiv, nicht aber nach seiner Vorstellung hat er eine taugliche Verhinderungshandlung vorgenommen. Bsp. 1: T sticht auf O ein, um ihn zu töten und verletzt ihn, wie er erkennt, lebensgefährlich. Dann gibt er seinen Tötungswillen auf und verständigt einen Krankenwagen, wobei er allerdings davon ausgeht, seine Rettungsmaßnahmen kämen zu spät und könnten ein Verbluten des O nicht mehr verhindern. Die von T eingeleiteten Rettungsmaßnahmen haben entgegen seiner Vorstellung Erfolg und retten O’s Leben. Bsp. 2: T will O vergiften und gibt ihm ein langsam wirkendes Gift. Später bereut er sein Verhalten und gibt O Wasser zu trinken. Entgegen der Vorstellung des T verringert dies die Wirkung des Giftes und rettet so das Leben des O.

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1. Teil: Zur Illustration – Fehlvorstellungen und Rechtsfragen

II. Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg (sog. „misslungener Rücktritt“) 1. Die Fehlvorstellung über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung Der Täter verkennt, dass er bereits alles zum Erfolgseintritt Erforderliche getan hat. Er gibt daher lediglich die weitere Ausführung der Tat auf, und der Erfolg tritt ein. Die Fehlvorstellung wirkt sich im Fall ihrer Beachtlichkeit zum Vorteil des Täters aus: Nach seiner Vorstellung genügt die Tataufgabe, in Wirklichkeit wäre aber ein Verhindern der drohenden Vollendung erforderlich. Bsp. 1: T sticht auf O ein, um ihn zu töten. Nach zwei Stichen gibt er die Tat – obwohl ein weiteres Zustechen möglich wäre – auf und geht in dem Glauben von dannen, O werde so überleben. O war durch die beiden Stiche jedoch bereits lebensgefährlich verletzt und stirbt. Bsp. 2: T will O töten und hält hierfür fünf Portionen Gift für nötig. Er mischt O zwei Portionen unter das Essen, überlegt es sich dann aber anders und unterlässt die Beimischung der weiteren Giftportionen. Zu T’s Überraschung kommt O bereits auf Grund der zwei Portionen ums Leben.

2. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung Der Täter geht zutreffend davon aus, er habe bereits alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan, und unternimmt dementsprechend Verhinderungsbemühungen. Hierbei verkennt er aber, dass die vorgenommenen Bemühungen die geschaffene Erfolgsgefahr nicht beseitigen; der Erfolg tritt ein. Die Fehlvorstellung wirkt sich – im Fall ihrer Beachtlichkeit – zugunsten des Täters aus: Nur nach seiner Vorstellung, nicht aber objektiv hat er eine wirksame Verhinderungshandlung vorgenommen. Bsp. 1: T sticht auf O ein, um ihn zu töten, und verletzt ihn – wie er erkennt – lebensgefährlich. Dann gibt er jedoch seinen Tötungswillen auf und veranlasst die nach seiner Erwartung rettende Einlieferung des O ins Krankenhaus. Entgegen seiner Vorstellung, können die Ärzte O’s Leben nicht mehr retten. Bsp. 2: T will O vergiften und gibt ihm ein langsam wirkendes Gift. Später reut ihn sein Verhalten und er gibt O ein Gegengift, das jedoch entgegen seiner Erwartung nicht wirkt. O stirbt.

III. Die „Vorstellungskorrektur“ Insbesondere mit Blick auf die Wirkung der Tathandlung und damit die erforderliche Rücktrittsleistung kann der Täter auch bei gleich bleibender objektiver Lage seine Vorstellung jederzeit ändern. Zu der unter B. I. 1. beschriebenen

B. Grundfallkonstellationen und Fallbeispiele

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Fallgestaltung lassen sich dementsprechend die folgenden Abwandlungen bilden. 1. Die tatsächliche Berichtigung der Fehlvorstellung Sowohl der Täter, der die objektiv bestehende Erfolgsgefahr zunächst verkannt hat, als auch der Täter, der zunächst fälschlicherweise von einer bestehenden Erfolgsgefahr ausgegangen ist, kann seine jeweilige Fehlvorstellung berichtigen, im ersten Fall also erkennen, dass er den Erfolgseintritt nur noch durch ein aktives Verhindern abwenden kann, im zweiten Fall dagegen feststellen, dass das bloße Nichtweiterhandeln genügt, um den Eintritt des Erfolges zu vermeiden. 2. Die „Korrektur zur Fehlvorstellung“ Vorstellbar ist aber auch der umgekehrte Fall: Der Täter kann seine zunächst zutreffende Vorstellung ändern und nun entweder fälschlicherweise davon ausgehen, eine Erfolgsgefahr bestehe nicht, weshalb das bloße Nichtweiterhandeln zur Erfolgsverhinderung ausreiche, oder fälschlicherweise das Bestehen einer Erfolgsgefahr annehmen und damit ein aktives Verhindern der Vollendung für erforderlich halten. 3. Zusammenfassender Beispielsfall zur „Vorstellungskorrektur“ Diese „Korrektur“-Konstellationen lassen sich an folgendem abwandelbaren Beispielsfall verdeutlichen: Bsp.: T sticht auf O ein, um ihn zu töten. Nach zwei Stichen hört er – obwohl ihm ein weiteres Zustechen möglich wäre – mit seiner Tatausführung auf. a) O ist durch die beiden Stiche bereits lebensgefährlich verletzt, was T zunächst nicht erkennt. Als er O zusammensacken und stark bluten sieht, wird ihm dies aber bewusst; dennoch bleibt er weiter untätig. O überlebt nur, weil ein zufällig am Tatort vorbeikommender Arzt erste Hilfe leistet und O schnellstens zu einer Notoperation ins Krankenhaus bringt. (Alternativ: T bringt O eiligst ins Krankenhaus, wo dieser gerettet werden kann.) b) O ist entgegen dem Glauben des T, diesen lebensgefährlich verletzt zu haben, aufgrund seiner mehrschichtigen Kleidung nur leicht verletzt worden. Wegen der fehlenden sichtbaren Verletzungsfolgen und der Reaktion des O erkennt T dies nun auch. Dennoch unterlässt er die weitere, ihm mögliche Tatausführung. (Alternativ: T hat bereits mit Verhinderungshandlungen begonnen, stellt diese aber nach seiner Vorstellungsänderung ein.) c) O ist, wie T zunächst auch zutreffend annimmt, durch die beiden Stiche bereits lebensgefährlich verletzt worden. Als O jedoch aufrecht stehen bleibt und T beschimpft, ändert T seine Meinung und nimmt nun fälschlicherweise an, O nicht

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1. Teil: Zur Illustration – Fehlvorstellungen und Rechtsfragen ernsthaft verletzt zu haben. O überlebt nur, weil ein zufällig am Tatort vorbeikommender Arzt erste Hilfe leistet und O schnellstens zu einer Notoperation ins Krankenhaus bringt. d) O ist, wie T zunächst auch zutreffend annimmt, durch die beiden Stiche nur leicht verletzt worden. Als O sich jedoch zusammenkrümmt und T den O bluten sieht, ändert er seine Meinung und geht nun fälschlicherweise davon aus, O lebensgefährlich verletzt zu haben. Er bleibt dennoch lediglich untätig. (Alternativ: T bringt O nun eiligst ins Krankenhaus, was, wie sich dort herausstellt, gar nicht nötig gewesen wäre.)

C. Nähere Bestimmung der einzelnen Fehlvorstellungen und rechtliche Qualifikation Ausgehend von diesen Fehlvorstellungsgruppen und unter Berücksichtigung der bereits angesprochenen Unterschiede gilt es nun die einzelnen Fehlvorstellungen näher zu untersuchen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob und welche Fallgestaltungen der gesetzlichen Regelung des § 24 Abs. 1 unterfallen, bzw. herauszuarbeiten, welche Zweifelsfragen sich bei der Subsumtion unter den Gesetzeswortlaut ergeben. Abzulehnen ist bereits vorab der Ansatz Klöterkes’, Fehlvorstellungen im Rücktrittsbereich mit der Begründung, der Täter habe sich in sämtlichen Fallgestaltungen „schlicht ausgedrückt, über seinen Rücktritt geirrt“, einheitlich als „Rücktrittsirrtümer“ zu bezeichnen14 und deren rechtliche Beurteilung lediglich von der dogmatischen Einordnung des Rücktritts in den Verbrechensaufbau abhängig zu machen.15 Durch eine derart pauschalierende Betrachtungsweise wird die Frage, die es gerade in Angriff zu nehmen gilt, nämlich ob und, wenn ja, welche Bedeutung den unterschiedlichen Bezugspunkten, den positiven oder negativen Konsequenzen für den Täter sowie der Tatsache des Erfolgseintritts zukommt, vernebelt und die Antwort in unzulässiger Weise bereits vorweggenommen. Denn erst wenn sich all diese Kriterien als insoweit bedeutungslos erweisen, kommt eine einheitliche rechtliche Bewertung sämtlicher Fehlvorstellungen im Rücktrittsbereich überhaupt in Betracht. Ohne eine differenzierte und vergleichende Betrachtung kann hiervon indes nicht ausgegangen werden.

14

Klöterkes, Rücktritt, S. 4. Klöterkes, Rücktritt, S. 5, die dementsprechend die Annahme eines Tatbestandsirrtums, eines Erlaubnistatbestandsirrtums, eines Irrtums über einen Entschuldigungsgrund oder über einen Strafaufhebungsgrund in Erwägung zieht. 15

C. Nähere Bestimmung der einzelnen Fehlvorstellungen

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I. Untersuchung der Fehlvorstellungen über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg Bei den beiden unter B. I. 1. dargestellten Fallgestaltungen bleibt der Erfolg aus, liegt mithin schon deshalb ein Versuch vor. Die sich ergebenden Fragestellungen können daher notwendig nur dem Rücktrittsbereich entstammen. Den Fehlvorstellungen unter B. I. 1. ist zudem ihr Bezugspunkt gemeinsam: Der Täter schätzt die Wirkung seiner Tathandlung falsch ein, was eine Fehlvorstellung über die objektiv zur Erfolgs- und Vollendungsabwendung erforderliche Rücktrittsleistung nach sich zieht. Der Unterschied zwischen beiden Konstellationen liegt darin, dass der Täter bei B. I. 1. a) objektiv betrachtet mehr tun müsste als nach seiner Vorstellung, in der Konstellation B. I. 1. b) hingegen gerade umgekehrt objektiv weniger. Bei der Bestimmung der in der jeweiligen Konstellation für die Erlangung von Strafbefreiung zu erbringenden Rücktrittsleistung gilt es daher zunächst zu entscheiden, ob insoweit der objektiven Gefährdungslage oder der Vorstellung des rücktrittswilligen Täters maßgebliche Bedeutung zukommt. Da sich dies unter Heranziehung des reinen Wortlauts des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB, wonach sich die „Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat“ und die „Verhinderung der Vollendung“ als mögliche Formen des Rücktrittsverhaltens alternativ gegenüberstehen, nicht beantworten lässt, bedarf es einer Klärung im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Die Tatsache, dass sowohl in Bezug auf die objektive Vollendungsgefahr als auch bei der Vorstellung von der Vollendungsgefahr fließende graduelle Abstufungen möglich sind – sie kann objektiv mehr oder weniger wahrscheinlich sein bzw. dem Täter mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen –, verdeutlicht zugleich die Notwendigkeit einer Präzisierung des Abgrenzungsmaßstabs: Die vorliegende Arbeit muss klären, wie groß die Vollendungsgefahr – der Grundentscheidung entsprechend objektiv oder nach der Tätervorstellung – sein muss, um den Täter zum Eingreifen gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB zu verpflichten, bzw. sein darf, um ein schlichtes Nichtweiterhandeln nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB als Rücktrittsleistung genügen zu lassen.

II. Untersuchung der Fehlvorstellungen über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung bei ausbleibendem Erfolg Auch bei den unter B. I. 2. geschilderten Fallgestaltungen bleibt die Tat mangels Erfolgseintritts im Versuchsstadium stecken, weshalb die auftretenden Fragestellungen im Rücktrittsbereich anzusiedeln sind. Allerdings haben die Fehl-

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1. Teil: Zur Illustration – Fehlvorstellungen und Rechtsfragen

vorstellungen des Täters hier einen anderen Bezugspunkt als die unter B. I. 1. dargestellten: Der Täter schätzt die Wirkung seiner Tathandlung richtig ein und erkennt die Notwendigkeit eines aktiven Verhinderns. Jedoch macht er sich falsche Vorstellungen hinsichtlich der Wirksamkeit seiner – der Vorstellung und der objektiven Gefährdungslage entsprechend vorgenommenen – Verhinderungshandlung. Bereits die Formulierung des Bezugspunkts „Wirksamkeit der Verhinderungshandlung“ verdeutlicht, dass eine derartige Fehlvorstellung allein im Rahmen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB denkbar ist, da sich nur bei der Alternative des Verhinderns dem Täter verschiedene taugliche Möglichkeiten eröffnen, über deren Wirksamkeit er sich auch falsche Vorstellungen machen kann. Hat der Täter hingegen zutreffend die Aufgabe der weiteren Tatausführung als erforderliche und ausreichende Rücktrittsleistung erkannt, stehen ihm keine „verschiedenen Aufgabemöglichkeiten“ zur Auswahl und ist sein Nichtweiterhandeln – ohne Möglichkeit zusätzlicher Fehlvorstellungen – notwendig wirksam. Ähnlich wie in Bezug auf die erforderliche Rücktrittsleistung stellt sich mit Blick auf die Tauglichkeit der Verhinderungshandlung die Frage, ob insoweit der objektiven Lage oder der Vorstellung des Täters entscheidende Bedeutung zuzumessen ist. Letzteres wirkte sich etwa in der Fallgestaltung B. I. 2. a), wo der Täter fälschlicherweise von der Wirksamkeit seiner Verhinderungsbemühungen ausgeht,16 zu seinem Vorteil, dagegen in der Konstellation B. I. 2. b), wo er deren tatsächliche Wirksamkeit verkennt, zu seinem Nachteil aus. Zwar lässt sich ein objektiver oder subjektiver Maßstab auch hier nicht eindeutig aus der gesetzlichen Regelung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB ableiten, die vom Täter schlicht ein Verhindern verlangt, ohne klarzustellen, ob ein solches tatsächlich oder nach dessen Vorstellung wirksam sein muss. Jedoch wird jedenfalls die unter B. I. 2. a) beschriebene Fehlvorstellung von § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erfasst, der unter der Voraussetzung, dass „die Tat auch ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet“ wird, ein „ernsthaftes Bemühen“ um die Vollendungsverhinderung zur Erlangung von Straffreiheit für erforderlich, aber auch für ausreichend erklärt und gerade keine tatsächlich wirksame Verhinderung der Vollendung verlangt.17 § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erweist sich damit als Fehlvorstellungsregelung, die auch dem Täter Strafbefreiung gewährt, der fälschlicherweise annimmt, eine taugliche Verhinderungshandlung vorgenommen zu haben, solange dieser im Gegenzug subjektiv hohe Anforderungen erfüllt und sich ernsthaft um die Vollendungsverhinderung bemüht, d.h. alles aus seiner Sicht Geeignete und Notwendige tut und Verhinderungsmaßnahmen unternimmt, die

16 17

Zu dieser Konstellation vgl. auch Römer, Fragen, S. 66. Vgl. z. B. Krauß, JuS 1981, 883 (885) m.w. N.

C. Nähere Bestimmung der einzelnen Fehlvorstellungen

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sich in der Vorstellung des Täters als ein bewusstes und gewolltes Abbrechen des in Bewegung gesetzten Kausalverlaufs darstellen.18 Übereinstimmend wird darüber hinaus die unter B. I. 2. b) geschilderte Fehlvorstellung gelöst. Denn wenngleich die von § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB in objektiver Hinsicht an den Täter gestellten Anforderungen umstritten sind,19 wird in subjektiver Hinsicht einhellig wenigstens normaler Verhinderungsvorsatz, also das Wissen und Wollen um die Verhinderung,20 teilweise sogar – wie bei § 24 Abs. 1 S. 2 StGB – ein auf Verhinderung gerichtetes Verhalten des Täters21 verlangt. Der Täter muss seine Handlung demnach zumindest für geeignet halten, den Erfolg zu verhindern.22 Nimmt er dagegen an, sein Opfer sei tot oder unrettbar tödlich verletzt, kommt ihm auch bei objektiv verursachter Rettung des Lebens des Opfers mangels Vereitelungswillens keine Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB zu.23 Wer wie der Täter in der Konstellation B. I. 2. b) sein Verhinderungsbemühen für zur Vollendungsverhinderung ungeeignet hält, ist folglich mangels Verhinderungsvorsatzes nicht strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten. Die sich bei der Konstellation B. I. 2. ergebenden Fragestellungen werden mithin bereits durch die gesetzliche Rücktrittsregelung in § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB entschieden und bedürfen in der vorliegenden Arbeit keiner näheren Untersuchung. Die festgestellten Ergebnisse – Strafbefreiung für den seine Verhinderungsbemühungen fälschlicherweise für wirksam, keine Strafbefreiung für den seine Verhinderungshandlung fälschlicherweise für unwirksam haltenden Täter – werden jedoch an verschiedenen Stellen als gesetzlich geregelter Vergleichsmaßstab heranzuziehen sein.

18 So BGHSt 33, 295 (302); BGH, MDR 1978, 279; einschränkend Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 59, demzufolge es ausreicht, wenn der Täter von der Eignung seiner Maßnahme zur Erfolgsabwendung ausgeht. 19 Zur Frage, ob neben der Kausalität und Zurechenbarkeit noch weitere Anforderungen an die Qualität des Verhinderungsverhaltens zu stellen sind, vgl. Kühl, AT, § 16 Rn. 66; Roxin, AT II, § 30 Rn. 218 ff. m. v. w. N. 20 So z. B. BGHSt 31, 46 (48); Kühl, AT, § 16 Rn. 65; ausf. Boß, Rücktritt, S. 170 ff. 21 Vgl. BGH, NStZ-RR 1999, 327; s. a. Dallmeyer, JAR 1999, 44 f. 22 BGH, StV 1992, 63; BGH, NJW 1990, 3219; ähnlich BGH, NStZ-RR 1997, 193. 23 So BGH, Beschl. v. 6. Juli 2004 – 5 StR 250/04, S. 2 f., teilweise unter Verweis auf Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 29: Durch eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB könne der objektiv verursachten Rettung ausreichend Rechnung getragen werden. Vgl. bereits RGSt 53, 158 (159); BGH, NJW 1986, 1001; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 90.

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1. Teil: Zur Illustration – Fehlvorstellungen und Rechtsfragen

III. Untersuchung der Fehlvorstellungen bei eintretendem Erfolg Anders als in den bisher untersuchten Konstellationen kommt es bei den unter B. II. dargestellten Fallgestaltungen, wenngleich entgegen der Erwartung des Täters, zum Eintritt des Erfolges. Dies bringt es mit sich, dass die Maßgeblichkeit der Vorstellung des Täters sich stets zu dessen Vorteil auswirkt, da objektiv in beiden Fällen eine Vollendungsgefahr bestanden hat bzw. im unter B. II. 2. geschilderten Fall zugleich die Verhinderungshandlung objektiv unwirksam gewesen ist. Während die sich im Rahmen der unter B. I. geschilderten Fallgestaltungen ergebenden Fragestellungen bereits infolge des fehlenden Erfolgseintritts ausschließlich im Rücktrittsbereich anzusiedeln sind, gilt es hier zunächst zu klären, ob ein Rücktritt auch von der Vollendung möglich bzw. die Vollendung trotz des Erfolgseintritts ausgeblieben ist. Nur dann stellen sich überhaupt die oben geschilderten Rücktrittsfragen. Dabei lässt sich die unter B. II. 1. geschilderte Fallgestaltung mit der Konstellation B. I. 1. a) vergleichen, bei welcher der Täter ebenfalls die bestehende Erfolgsgefahr und daher die erforderliche Rücktrittsleistung verkennt: Hier würde sich bei einer Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 StGB die Frage nach dem Maßstab zur Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung stellen. Die Fallgestaltung B. II. 2., bei welcher der Täter sich falsche Vorstellungen hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung macht, entspricht dagegen der Konstellation B. I. 2. a): Im Fall einer Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschrift käme auch hier die gesetzliche Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB zum Zuge.24 In den jeweils korrespondierenden Fallgestaltungen stimmen sowohl die objektive Gefährdungslage als auch die Vorstellung des Täters überein; der alleinige Unterschied liegt darin, dass in den unter B. II. 2. geschilderten Konstellationen der Erfolg eintritt, in den unter B. II. 1. a) umschriebenen hingegen vom Täterverhalten unabhängig ausbleibt. In der vorliegenden Arbeit wird folglich zu untersuchen sein, welche Bedeutung einem derart „zufälligen“ Erfolgseintritt bei der rechtlichen Bewertung zukommt.

IV. Untersuchung der „Korrekturkonstellationen“ Bei den sich inhaltlich an die unter B. I. 1. aufgeführten Fallgestaltungen anschließenden sog. Korrekturkonstellationen ändert der Täter nach der Ausführung bzw. dem Abbruch der Tathandlung – bei gleich bleibender objektiver

24 Letzteres erscheint indessen nur möglich, wenn man eine Vollendung der Tat durch den entgegen der Tätervorstellung eintretenden Erfolg ablehnt, da die Nichtvollendung der Tat in § 24 Abs. 1 S. 2 StGB explizit vorausgesetzt wird. Dazu ausf. Dritter Teil B. II.

C. Nähere Bestimmung der einzelnen Fehlvorstellungen

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Lage – seine Vorstellung. Eine solche Vorstellungsänderung kann sich im Fall der Maßgeblichkeit der späteren, „korrigierten“ Vorstellung für den Täter vorteilhaft auswirken, etwa wenn er nach der späteren Vorstellung weniger tun muss als nach seiner ursprünglichen, oder aber ihm Nachteile bringen, wenn er umgekehrt seiner späteren Vorstellung zufolge mehr tun muss als zuvor. Der Täter kann dabei stets entweder seine zunächst bestehende Fehlvorstellung – wie in der unter B. III. 1. geschilderten Fallgestaltung – tatsächlich berichtigen oder seine zunächst zutreffende Vorstellung – wie in der unter B. III. 2. umschriebenen Konstellation – in eine Fehlvorstellung umwandeln. Zeitlich gesehen kann es schließlich zu der Vorstellungsänderung kommen, bevor oder nachdem der Täter mit dem seiner ursprünglichen Vorstellung entsprechenden Rücktrittsverhalten begonnen hat. Die Frage nach dem Einfluss einer Vorstellungsänderung des Täters auf die zu erbringende Rücktrittsleistung bei gleich bleibender objektiver Lage setzt freilich notwendig voraus, dass sich die erforderliche Rücktrittsleistung an der Tätervorstellung und nicht an der objektiven Gefährdungslage auszurichten hat. In Frage steht dabei nicht mehr der Maßstab für die Festlegung der Rücktrittsleistung, sondern der Zeitpunkt, in dem die Rücktrittsleistung erstmals oder endgültig festzulegen ist. Auch auf die Zeitpunktfrage gibt § 24 Abs. 1 S. 1 StGB indes keine ausdrückliche Antwort. Zu ermitteln ist deshalb, wo der grundsätzlich maßgebliche Zeitpunkt anzusiedeln ist bzw. ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen sich dieser Zeitpunkt bei einer Vorstellungsänderung des Täters nach Ende der Tathandlung verschiebt und die aktualisierte Vorstellung des Täters abgrenzende Bedeutung erlangt.

Zweiter Teil

Die Fehlvorstellungen des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg Der Gesetzgeber unterscheidet in § 24 Abs. 1 S. 1 StGB zwei Rücktrittsleistungen: das Aufgeben der weiteren Tatausführung und das Verhindern der Vollendung. Hieraus erschließt sich bereits die große Bedeutung, die der Abgrenzung der zugrunde liegenden Versuchssituationen zukommt, verlangt doch die Entfaltung von Gegenaktivitäten, die zugleich nicht selten die Gefahr der Entdeckung mit sich bringt, wesentlich mehr vom Täter als das bloße Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat. Bestimmen lässt sich die jeweils zu erbringende Rücktrittsleistung grundsätzlich anhand der objektiven Gefährdungslage, der Tätervorstellung oder einer Kombination aus objektiven und subjektiven Kriterien. Dies erklärt, dass es auf eine Entscheidung über die Abgrenzungsgrundlage naturgemäß gerade und ausschließlich in den vorliegend untersuchten Fallgestaltungen ankommt, bei denen die Vorstellung des Täters in Bezug auf die Erfolgstauglichkeit der Tathandlung und damit die erforderliche Rücktrittsleistung von der Wirklichkeit abweicht.1 Allerdings ist mit der Grundentscheidung für eine objektive oder subjektive Beurteilungsgrundlage nur geklärt, ob einer Fehlvorstellung des Täters bei der Bestimmung der zur Erlangung von Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 StGB zu erbringenden Rücktrittsleistung überhaupt Bedeutung zukommen kann, dagegen noch nicht festgelegt, unter welchen Voraussetzungen dies tatsächlich der Fall ist. Hierzu bedarf es einer inhaltlichen Konkretisierung und Präzisierung des gefundenen Ansatzpunkts: Es gilt festzulegen, wie groß die Erfolgsgefahr – je nach Ausgangspunkt in objektiver Hinsicht oder nach der Tätervorstellung – sein muss, damit vom Täter ein Verhindern der Vollendung zu verlangen ist bzw. wie groß sie sein darf, damit die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung genügt.2 Bedeutung kommt zudem der bislang kaum beachteten Frage zu, wie sich die dem Rücktritt jeweils zugrunde liegende Versuchssituation in ei-

1

Vgl. auch Lampe, JuS 1989, 610 (615 f.); Weinhold, Rettungsverhalten, S. 114. Ähnlich bereits Weinhold, Rettungsverhalten, S. 128 ff.; vgl. ferner Heckler, Ermittlung, S. 155, der zwischen der maßgebenden Beurteilungsgrundlage und dem genauen Beurteilungsmaßstab differenziert. 2

A. Unterscheidung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch

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nem Strafverfahren ermitteln und beweisen lässt. Diesen Fragestellungen soll in diesem Teil der Arbeit nachgegangen werden.

A. Die Unterscheidung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch Obgleich der Gesetzestext in § 24 Abs. 1 S. 1 StGB, indem er die Aufgabe der weiteren Tatausführung und die Verhinderung der Vollendung der Tat als mögliche Rücktrittsformen3 aufführt, ausdrücklich an die zu erbringende Rücktrittsleistung anknüpft, wird im Rahmen der Rücktrittsprüfung sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur regelmäßig nach dem Entwicklungsstand des Versuchs unterschieden: § 24 Abs. 1 S. 1 StGB beschreibe oder umschreibe zwei Arten des Versuchs, den „unbeendeten“ und den „beendeten“;4 die Rücktrittsleistung, die der Täter erbringen müsse, um straffrei auszugehen, hänge dementsprechend vom jeweiligen Tatstadium ab, mit dem man es zu tun habe.5 Vor der Festlegung des Beurteilungsmaßstabs für die zur Erlangung von Strafbefreiung erforderliche Rücktrittsleistung soll daher zunächst untersucht werden, ob dieses, vom Gesetzeswortlaut losgelöste Vorgehen methodisch zulässig ist und sich eine Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch insbesondere mit Blick auf die Entstehungsgeschichte dieser Begriffe als sinnvoll erweist.

I. Methodische Zulässigkeit der Differenzierung nach Versuchsstadien Die Vorgehensweise des BGH und der überwiegenden Literatur, die Festlegung der einschlägigen Rücktrittsvariante über die Einstufung des Versuchs als unbeendet oder beendet zu suchen, wird besonders von Herzberg als illegitim und methodisch unhaltbar kritisiert.6 Weil ein solches Verfahren zudem in der Sache irreführen könne, rät er mit Zustimmung anderer Autoren dringend an, sich künftig auf die Prüfung der Gesetzesmerkmale zu beschränken.7 3 Anders noch Berner, GS 17 (1865), 81 (101), der lediglich beim unbeendeten Versuch ein „Zurücktreten“ anerkennt, die Erfolgsverhinderung jedoch nicht unter den Begriff „Rücktritt“ fassen möchte. 4 Vgl. z. B. BGH, NStZ 1989, 525; NStZ 1990, 31. Für die h. L. s. Bottke, Methodik, S. 407; Nolden, Rücktritt, S. 1; ähnlich LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Entstehungsgeschichte u. Rn. 32. 5 So Heckler, Ermittlung, S. 149; s. a. Lettl, JuS 1998, L 81 (L 82): „Die Bestimmung des Versuchsstadiums als Voraussetzung für die erforderliche Rücktrittsleistung“. 6 MK-Herzberg, § 24 Rn. 64 f.; ders., JR 1991, 155 (160); ders., JuS 1990, 273 (277); vgl. auch ders., NJW 1991, 1633 (1634); zustimmend Heckler, Ermittlung, S. 151; Scheinfeld, NStZ 2006, 375.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Dieser Kritik ist zuzugestehen, dass das Gesetz, indem es die beiden in Frage kommenden Rücktrittsleistungen aufführt, eine Unterscheidung nach Versuchsstadien allenfalls andeutet.8 Andererseits zeigen die Materialien zur Gesetzgebungsgeschichte, dass bereits bei der Entstehung der heutigen Rücktrittsvorschrift eine Differenzierung zwischen den Versuchsstadien erfolgte: „Absatz 1 unterscheidet in herkömmlicher Weise zwischen dem Rücktritt vom noch nicht beendeten und dem Rücktritt vom beendeten Versuch“.9 Ein Rekurs auf die Versuchsstadien unbeendeter und beendeter Versuch wäre sicherlich dann unzulässig, wenn damit eine inhaltliche Veränderung gegenüber der gesetzlichen Regelung verbunden wäre. Eine solche läge z. B. dann vor, wenn man dadurch zu der Annahme käme, das Gesetz wolle in § 24 Abs. 1 S. 1 StGB dem Täter eine Verhaltensalternative für ein und dieselbe Handlungssituation in dem Sinne bereitstellen, dass es ihm freigestellt werde, sich auf diesem oder auf jenem Wege Straffreiheit zu verschaffen.10 Denn die Verwendung der Begriffe „aufgeben“ und „verhindern“ sowie der Sinn und Zweck der Rücktrittsregelung sprechen gegen eine derart kumulative Rücktrittsmöglichkeit und für eine „echte Alternativregelung“ in § 24 Abs. 1 StGB: Das Gesetz will dem Täter – „dem jeweiligen, im Hinblick auf die Tatvollendungsnähe zu differenzierenden Stadium der Ausführungshandlung“ entsprechend – entweder bereits bei der einen oder erst bei der anderen Rücktrittsleistung Straffreiheit gewähren:11 In den dem unbeendeten Versuch zugrunde liegenden Situationen genügt 7 So Herzberg, JR 1991, 159 (160); ders., JuS 1990, 273 (277); ders., in MK § 24 Rn. 55, 64 f.; zustimmend Heckler, Ermittlung, S. 151; ebenso Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 159; Scheinfeld, NStZ 2006, 375; kritisch auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 81 f. Bereits Krauthammer, Rücktritt, S. 22, hält die Unterscheidung für „unnötig“. 8 Ebenso Küper, JZ 1983, 264; ferner Lampe, JuS 1989, 610 (615). 9 So in Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962 (mit Begründung) – Bundestagsvorlage –, S. 145. Ebenso sind die Äußerungen Corves’ in der 88. Sitzung des Sachverständigenausschusses, 5. Wahlperiode 1967, S. 1758, zu werten: § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB „regele praktisch den Fall des unbeendeten Versuchs“. Zu § 46 Nr. 1 StGB a. F. vgl. bereits die Feststellung Oppenhoffs, Strafgesetzbuch, § 46 Anm. 5: Dieser sehe „den Fall des nichtbeendigten Versuchs vor“. 10 So die Überlegung bei Blei, AT, § 69 II (S. 236); ders., PdW Fall 231. Etwas anders, aber ebenfalls gegen das „Entweder-oder“ zwischen den Rücktrittsalternativen argumentiert Herzberg, in MK, § 24 Rn. 147, wenn er die gesetzliche Zweiteilung für entbehrlich erklärt und in jedem Verhindern der Tatvollendung zugleich ein Aufgeben der weiteren Tatausführung sehen will – ebenso umgekehrt in jedem Aufgeben ein Verhindern; s. a. ders., Kohlmann-FS, S. 37 (38 f.). Ähnlich bereits Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (430), die die gesetzliche Unterscheidung für „an sich überflüssig“ halten, da es beide Male um die Beseitigung der Gefährdung durch das bisherige Versuchsgeschehen gehe. 11 Ebenso ausdrücklich Ulsenheimer, Grundfragen, S. 131. Ähnlich bereits Allfeld, Frank-Festgabe, S. 74 (77): „Die verschiedene Gestaltung der Voraussetzungen des Wegfalls der Strafe [. . .] liegt in der Natur der Sache.“ Vgl. auch Blei, AT, § 69 II (S. 236); Kampermann, Grundkonstellationen, S. 64.

A. Unterscheidung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch

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stets das Aufgeben der weiteren Tatausführung, die Fallgruppe des beendeten Versuchs deckt sich dagegen mit der Gruppe von Fallgestaltungen, in denen ein Verhindern erforderlich ist. Obgleich das Gesetz keine ausdrücklichen Bestimmungen über Arten und Grade des Versuchs trifft, besteht mithin zwischen dem Versuchsstadium und der erforderlichen Rücktrittsleistung ein untrennbarer Zusammenhang, der es zwar nicht erzwingt, aber doch erlaubt,12 die Voraussetzungen, unter denen die jeweilige Rücktrittsleistung ausreichend bzw. erforderlich ist, vorab zu beschreiben und in der Bezeichnung des Versuchsstadiums zusammenzufassen.13 Entgegen den Kritikern in der Literatur ist dieser Vorgehensweise auch eine gewisse Vereinfachung nicht abzusprechen.14 Will man ermitteln, welches Rücktrittsverhalten der Täter in der konkreten Situation zu erbringen hat bzw. ob das geleistete Rücktrittsverhalten die Anforderungen des § 24 StGB erfüllt, erfordert dies stets eine Auslegung der im Gesetz verwendeten Begriffe „Aufgeben“ und „Verhindern“. Dieses „umständliche“ Vorgehen kann in zulässiger Weise vermieden werden, indem abstrakt und vorweg die Versuchsstadien genauer umschrieben, d.h. die Voraussetzungen festgelegt werden, bei deren Vorliegen der Täter die eine oder die andere Rücktrittsleistung zu erbringen hat. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass hierdurch kein inhaltlicher Fortschritt erzielt wird. Vielmehr ist Ulsenheimer darin beizupflichten, dass der Rückgriff auf Versuchsstadien „die Auslegungsschwierigkeiten um nichts geringer und die Trennung der Rücktrittsalternativen um nichts genauer“ macht,15 sondern die Frage, wann welches Versuchsstadium vorliegt, dieselben inhaltlichen Probleme aufwirft wie die Frage, wann der Täter durch „Aufgeben“ zurücktreten kann und wann er durch „Verhindern“ zurücktreten muss. An die Stelle des „interpretationsbedürftigen Gesetzeswortlauts tritt dessen in gleicher Weise umschreibungsbedürftige Umschreibung!“16 Behält man aber eben diesen Zusammenhang mit der vom Täter geforderten Rücktrittsleistung im Auge und richtet man die Unterscheidung und Definition der Versuchsstadien an diesem Gesichtspunkt aus, ist die Gefahr einer verselbständigten, dem Sinn des Rücktrittsprivilegs widersprechenden Argumentation gebannt und besteht weder in

12 Vgl. Blei, AT, § 69 III (S. 240) unter Verweis auf die demonstrative Vermeidung des Wortes „muss“ in BGHSt 31, 170: „Zur Vereinfachung des Ausdrucks kann [nicht muss!] man von nicht beendetem Versuch sprechen“. 13 Übereinstimmend die h. M., s. z. B. Roxin, AT II, § 30 Rn. 153; ferner Hassemer, JuS 1983, 556 (557); Kampermann, Grundkonstellationen, S. 62; Murmann, JuS 1996, 590 (591); ähnlich bereits Allfeld, Frank-Festgabe, S. 74 (77). 14 Ebenso Blei, AT, § 69 III (S. 240). 15 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 148 f.; ähnlich v. Scheurl, Rücktritt, S. 44; vgl. auch Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 15 f. 16 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 149. Vgl. dazu Küper, JZ 1983, 264 Fn. 1; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 181; ferner Otto, Jura 2001, 341 (342).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

inhaltlicher noch in methodischer Hinsicht Veranlassung, die Abgrenzung der Versuchsstadien aufzugeben.

II. Die Begriffe unbeendeter und beendeter Versuch Unabhängig von der Kritik an der methodischen Vorgehensweise, im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB nach Versuchsstadien zu unterscheiden, werden auch terminologische Bedenken gegen die Verwendung der Bezeichnungen „unbeendeter“ und „beendeter Versuch“ im rücktrittsrechtlichen Zusammenhang geltend gemacht.17 Diese wurzeln teilweise in der historischen Entwicklung dieser Begriffe: Die Termini „unbeendeter“ und „beendeter Versuch“ seien in einem ganz anderen Kontext und zu einem ganz anderen Zweck geprägt worden; sie könnten daher im Rücktrittsbereich gar nicht funktionieren.18 Zutreffend ist, dass die Unterteilung nach Versuchsgraden nicht dem Rücktritts-, sondern dem Versuchsbereich entstammt, wo sich früh die Ansicht durchgesetzt hatte, der Versuch werde immer verbrecherischer und strafbarer, je mehr er sich der Vollendung nähere.19 Wenngleich sich hieraus anfangs keine formelle Zweiteilung der Versuchsstadien ergab, sondern wie z. B. in Art. 178 der Constitutio Criminalis Carolina eine Bestrafung des Versuchs je nach „gelegenheit und gestalt der sach“, setzte sich doch – im Gegensatz zu den unzähligen anderen Versuchsgraden – bald allein der Terminus des „beendigten“ Versuchs, des sog. „delictum perfectum“, in der Gesetzgebung als Anknüpfungspunkt einer besonderen Strafandrohung durch.20 Allerdings bewährte sich jene besondere Unrechtsform mit eigenem Strafmaß in der Praxis nicht,21 weshalb schon das Reichsstrafgesetzbuch auf eine graduelle Abstufung beim Versuch

17 So bereits Binding, Grundriß, S. 139; heute vor allem Herzberg, JuS 1990, 273 (275, 277); ders., JR 1991, 155 (160); aber auch Murmann, JuS 1996, 590 (591); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 148 f. 18 Weinhold, Rettungsverhalten, S. 75; ähnlich Heckler, Ermittlung, S. 149 f.; Jäger, Rücktritt, S. 27; Schlüchter, Baumann-FS, S. 71 (81); Schuch, Versuch, S. 26. 19 s. etwa Köstlin, Revision, S. 411 Anm. 1. 20 Vgl. Klein, Grundsätze, § 145 (S. 125), der das delictum perfectum, bei dem „die zum Begriff des Verbrechens erforderliche Handlung [. . .] in Rücksicht auf die Tat, aber nicht in Ansehung der Wirkung“ vollendet sei, als eigene Stufe strafbarer Tätigkeit einführte. Hinsichtlich der Bezeichnung des beendigten Versuchs als „delictum perfectum“ oder „conatus multum proximus“ verweist Berner, GS 17 (1865), 81 (102), auf Menochius im 16. Jh. Zum Ganzen vgl. auch v. Bar, Gesetz und Schuld II, § 268 (S. 517), sowie die ausführliche Darstellung bei Ulsenheimer, Grundfragen, S. 132 ff. Für eine besondere Strafandrohung sprach sich z. B. Köstlin, Revision, S. 427, aus. 21 Dazu s. Feuerbach, Lehrbuch, S. 79 Anm. I von S. 78; ferner v. Hufnagel, Commentar III, S. 73 Fußnote. Als schärfster Kritiker einer gesonderten Strafandrohung erwies sich Binding, Entwurf, S. 76.

A. Unterscheidung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch

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verzichtete und auch in der Folgezeit einer Gleichbehandlung des Versuchs entgegenstehende Vorlagen abgelehnt wurden.22 Bereits als der beendigte Versuch noch schwerer bestraft wurde als der unbeendigte, wurde der Abgrenzung des „beendigten“ vom „nicht beendigten Versuch“ zwar teilweise auch im Rücktrittsbereich Bedeutung zugemessen, indem ein Rücktritt vom beendigten Versuch teilweise ganz abgelehnt, teilweise nur unter erschwerten Voraussetzungen zugelassen wurde.23 Erst die Gleichbehandlung der Versuchsgrade auf der Tatbestandsebene veranlasste die Rechtslehre aber dazu, den beinahe tot geglaubten Begriff des „beendigten Versuchs“ in der Rücktrittsdogmatik wieder aufleben zu lassen und ihn zum maßgeblichen Abgrenzungskriterium zwischen den Rücktrittsalternativen zu machen.24 Neben der Kritik an der Übertragung dieser traditionsreichen Terminologie auf den Rücktrittsbereich werden in der Jurisprudenz heute auch Vorbehalte gegen die Bezeichnungen „beendet“ und „unbeendet“ als solche geäußert: Zum einen beinhalte „beendet“ bereits dem Wortsinn nach die Komponente „zu Ende“ und stelle damit eine direkte Verbindung zum Umfang der Versuchseinheit her, also der Frage, ob der Versuch überhaupt noch rücktrittsfähig sei.25 Für zusätzliche Verwirrung und eine Verdunklung der rücktrittsrechtlichen Problematik sorge zum anderen der Umstand, dass der Begriff „Beendigung“ im Zusammenhang mit dem Diebstahl ein Deliktsstadium bezeichne, das gerade anders als die Versuchsbeendigung der Vollendung zeitlich nachfolge.26 Teilweise wird deshalb vorgeschlagen, diese angeblich aussageschwachen und funktionslosen Begriffe durch die – zugleich nicht mehr beim Versuch, sondern beim 22 Der Reichstag sprach sich wenige Jahre nach dem Inkrafttreten des RStGB gegen die Einführung einer besonderen Strafbestimmung für den beendigten Versuch aus (mitgeteilt in GA 23 [1875], 413), ebenso – beinahe einstimmig der Empfehlung aller drei Referenten folgend – die dritte Abteilung des 13. Deutschen Juristentages 1876 gegen die Einführung eines besonderen Strafbarkeitsmaßes (s. Beratungsergebnisse der 3. Abteilung, Band II, S. 229 [258]). Zustimmend v. Bar, Gesetz und Schuld II, § 268 (S. 517 ff.), der eine Lösung auf Strafzumessungsebene bevorzugt. Ausf. zum Ganzen Ulsenheimer, Grundfragen, S. 142. 23 Vgl. hierzu Berner, GS 17 (1865), 81 (98 ff.). Berner selbst will bei einem beendigten Versuch zwar nicht mehr von einem Rücktritt i. S. eines Stillstehens und Zurücktretens reden (S. 100 f.), aber ein Verhindern des Erfolges ebenso strafbefreiend wirken lassen (S. 111); ebenso die damaligen gesetzlichen Regelungen in Frankreich, Preußen und Bayern. Dagegen wollten Hannover, Darmstadt, Baden, Thüringen und Sachsen nur beim unbeendeten Versuch Straffreiheit wegen Rücktritts gewähren und beim beendeten Versuch wegen verhinderten Erfolges allenfalls eine Minderung, Milderung oder Herabsetzung der Strafe zulassen. 24 Vgl. Weinhold, Rettungsverhalten, S. 72 f.; s. a. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 143. 25 So Otparlik, Versuch, S. 64 f. 26 Zur Beendigungsphase des Delikts vgl. ausf. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 19 ff. Zur Kritik am Beendigungsbegriff vgl. v. Scheurl, Rücktritt, S. 44; zustimmend Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 182; ähnlich auch v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (35); Herzberg, JR 1991, 159 (160).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Rücktritt ansetzenden – Begriffspaare „passiver“ und „aktiver“27 bzw. „einfacher“ und „tätiger“28 Rücktritt zu ersetzen oder ganz auf die Verwendung solcher die materielle Dimension des Problems verkürzender Schlagworte zu verzichten.29 Überwiegend wird das der Versuchsdogmatik entstammende Begriffspaar „unbeendeter“ und „beendeter“ Versuch dagegen ohne Bedenken auf den Rücktrittsbereich übertragen,30 teilweise sogar ausdrücklich als sinnvolle, präzise und anschauliche Kurzbeschreibung bewertet, durch die deutlich zum Ausdruck komme, dass an die so gekennzeichneten Versuchsstadien zugleich auch unterschiedliche Rücktrittsanforderungen geknüpft würden.31 Damit seien sie den Termini „aktiver“ und „passiver“ Rücktritt vorzuziehen, die lediglich den Gesetzeswortlaut paraphrasierten.32 Als Kernpunkt der terminologischen Kritik ist erneut das Bedenken auszumachen, die dem Gesetzeswortlaut fremden Begriffe könnten – sei es aufgrund ihrer historischen Entwicklung, sei es wegen der Verwendung des Begriffs der Beendigung in anderem Zusammenhang – ein gewisses Eigenleben entfalten, was nicht ohne materielle Rückwirkungen bleiben könne. Dem kann jedoch nicht nur durch ein Abändern der Bezeichnungen oder ein Ansetzen bei der gesetzlichen Formulierung,33 sondern ebenso dadurch begegnet werden, dass aus den Begriffen „unbeendeter“ und „beendeter“ Versuch – wie schon aus der Unterscheidung nach Versuchsstadien – keine Schlussfolgerungen gezogen und insbesondere keine im Zusammenhang mit dem Versuch entwickelten Definitionen auf die Abgrenzung im Rahmen der Rücktrittsdogmatik übertragen werden. Sofern bedacht wird, dass beide Termini lediglich abkürzende und unselbständige Hilfsbegriffe für die sich hinter den beiden Rücktrittsformen „Aufgeben“ und „Verhindern“ verbergenden Voraussetzungen darstellen, „die das jeweils erforderliche (bzw. ausreichende) passive oder aktive Rücktrittsverhalten regulieren“,34 ist gegen die Bezeichnung der Versuchsstadien als „unbeendeter“ und 27

Herzberg, NJW 1988, 1559 (1563); s. a. Walter, Rücktritt, S. 136. Schmidhäuser, Studienbuch, § 11/81 ff.; ders., Lehrbuch, § 15/79 u. 87; ihm folgend Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437 Fn. 39). 29 Dahingehend Nolden, Rücktritt, S. 3 f., die aber „die Bezeichnung der Versuchsstadien als Rücktritt durch Tataufgabe oder Vollendungsverhinderung“ zulassen will. 30 Für die h. M. etwa Wessels/Beulke, Rn. 631; Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 1; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15. 31 So Kühl, AT, § 16 Rn. 2; Otto, JK 97, StGB § 24/24; ferner Kampermann, Grundkonstellationen, S. 64 f.; Krey, AT II, Rn. 475; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 15 f. 32 Roxin, AT II, § 30 Rn. 155. 33 Herzberg JuS 1990, 273 (277); ders., JR 1991, 155 (160); v. Scheurl, Rücktritt, S. 43; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 149; vgl. auch Heckler, Ermittlung, S. 151. 34 Küper, ZStW 112 (2000), 1 (2); übereinstimmend Puppe, NStZ 1995, 403 (404). Ähnlich bereits die Begründung zum Vorentwurf 1909, Allgemeiner Teil, S. 298, die 28

A. Unterscheidung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch

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„beendeter“ Versuch nichts einzuwenden. Aus der gesetzlichen Formulierung ergibt sich kein Verbot, die Voraussetzungen, unter denen der Täter durch ein Aufgeben zurücktreten kann bzw. die Vollendung verhindern muss, beschreibend zusammenzufassen. Vielmehr ermöglicht gerade erst eine solche Kennzeichnung der zugrunde liegenden Tatsituation eine sachgerechte Entscheidung zwischen den Alternativen. Dass die Begriffe „unbeendet“ und „beendet“ hierzu nicht geeignet sein sollen, leuchtet ebenfalls nicht ein: Einerseits verdeutlichen sie, dass der Täter beim unbeendeten Versuch noch nicht alles, beim beendeten Versuch dagegen alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan hat. Zum anderen ist die Beibehaltung der herkömmlichen Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch schon auf Grund ihres großen Bekanntheits- und Verbreitungsgrads der Einführung eines völlig neuen, die zugrunde liegende Situation indes nicht präziser kennzeichnenden Begriffspaares vorzuziehen.35 Wird der Zusammenhang mit den gesetzlichen Anforderungen gewahrt, erweist sich die Unterscheidung zwischen „beendetem“ und „unbeendetem“ Versuch deshalb durchaus als praktisch berechtigte und juristisch in jeder Beziehung haltbare und besteht kein Anlass, diese Kurzbezeichnungen für die zugrunde liegenden Rücktrittssituationen aufzugeben.

III. Zwischenergebnis Die verbreitete Vorgehensweise, im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB nach dem Entwicklungsstand des Versuchs zu unterscheiden und die Versuchsstadien als „unbeendeter“ und „beendeter“ Versuch zu bezeichnen, ist zulässig und sinnvoll, sofern die Unterteilung an die gesetzliche Differenzierung nach „Aufgeben“ und „Verhindern“ gebunden bleibt. Dementsprechend ist – insoweit unabhängig von Sichtweise und inhaltlichen Anforderungen – folgendermaßen abzugrenzen: Eine strafbefreiende Aufgabe der weiteren Tatausführung ist möglich, solange der Versuch unbeendet ist, der Täter also noch nicht alles getan hat, was zur Herbeiführung des Erfolges erforderlich oder ausreichend ist. Dagegen ist zur Erlangung von Straffreiheit ein Verhindern der Tatvollendung erforderlich, wenn der Versuch beendet ist, d.h. der Täter bereits alles getan hat, was zur Herbeiführung des Erfolges erforderlich oder ausreichend ist.

den Begriffen keine „prinzipielle Bedeutung“, sondern eine „natürliche Wichtigkeit insofern, als ein Rücktritt in verschiedener Weise erfolgen muss“, zuspricht; vgl. auch Fahrenhorst, Rücktritt, S. 25; Gutmann, Freiwilligkeit, S. 104. 35 Übereinstimmend bereits v. Liszt, Aufsätze, S. 200; vgl. auch Kampermann, Grundkonstellationen, S. 65.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

B. Die Beurteilungsgrundlage für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Im Anschluss an eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entwicklung sollen im Folgenden die heute vertretenen Grundpositionen zur Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung aufgezeigt und mit Blick auf ihre Konsequenzen für die Behandlung von Fehlvorstellungen näher untersucht werden. Dazu gilt es zu ermitteln, ob die objektive Gefährdungslage oder die fehlerhafte Vorstellung des Täters die zur Erlangung von Straffreiheit zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmt. Die Konsequenzen einer Entscheidung zwischen diesen beiden Grundpositionen sind dabei bereits an dieser Stelle absehbar: Während bei einer objektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung eine Fehlvorstellung den Täter weder be- noch entlastet, da der tatsächlichen Lage – und nicht der zutreffenden oder unzutreffenden Vorstellung des Täters – abgrenzende Bedeutung zukommt, ist bei einem subjektiven Maßstab eine Fehlvorstellung lediglich insoweit unbeachtlich, als ihre Fehlerhaftigkeit, d.h. das Nichtübereinstimmen der Vorstellung mit der Wirklichkeit, nicht schadet, weil es eben allein auf die Vorstellung des Täters – so sehr sie auch von der tatsächlichen Lage abweichen mag – ankommt.36 Nicht zuletzt Modifikationen des rein subjektiven sowie des rein objektiven Standpunkts bis hin zur Entwicklung sog. gemischter Abgrenzungstheorien erfordern indes eine genauere Untersuchung, wie die fehlende Übereinstimmung der Vorstellung des Handelnden mit den äußeren Umständen jeweils bewertet wird. Erst hieran können sich eine kritische Würdigung der vertretenen Auffassungen und eine eigene Stellungnahme zur maßgeblichen Beurteilungsgrundlage anschließen.

I. Die Entwicklung der Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch Bereits vor Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuchs wurde im Versuchsbereich über die richtige Abgrenzung der beiden Versuchsstadien gestritten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war dabei sowohl im überwiegenden Schrifttum als auch in fast allen deutschen Gesetzbüchern ein objektiver Beurteilungsstandpunkt vorherrschend.37 So bestimmte zum Beispiel §. 107 StGB für das 36 Entgegen Klimsch, Behandlung, S. 105, hat der Beurteilungsmaßstab keine Bedeutung für die Existenz von Fehlvorstellungen; jedoch können sich Fehlvorstellungen nur dann als rechtlich beachtlich erweisen, wenn es – zumindest auch – auf die Vorstellung des Täters ankommt. 37 s. z. B. Oppenhoff, Commentar, § 31 Anm. 21, 23; ders., Strafgesetzbuch, § 43 Anm. 19 (S. 101), sowie Berner, GS 17 (1865), 81 (87, 90) m.w. N.; a. A. aber Breidenbach, Kommentar, S. 173. Zum Ganzen vgl. Bottke, Methodik, S. 408.

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Großherzogtum Baden von 1845: „Hat der Thäter Alles gethan, was von seiner Seite zur Vollendung des beabsichtigten Verbrechens nothwendig war, [. . .], so ist die That als beendigter Versuch des beabsichtigten Verbrechens zu bestrafen.“38 Allein Sachsen grenzte die Versuchsstadien subjektiv ab, indem es festlegte, der Versuch sei „ein beendigter, sobald der Thäter Alles getan hat, was er zu thun für nöthig hielt, um die von ihm beabsichtigte Rechtsverletzung herbeizuführen.“39 Nach dem Inkrafttreten des RStGB und mit der Fortführung des alten Streits im Rücktrittskontext setzte sich allerdings in Rechtsprechung und Jurisprudenz in immer stärkerem Maße eine subjektive Interpretation des damaligen § 46 RStGB durch. Konnte sich in der Anfangszeit des Reichsstrafgesetzbuches die objektive Interpretation immerhin noch behaupten,40 wurde spätestens mit der Entscheidung RGSt 43, 137 (138) in der Rechtsprechung eine ausdrückliche Kehrtwendung vollzogen und entscheidend darauf abgestellt, „welche Handlungen [der Täter] zur Vollendung der Tat [. . .] für geeignet und erforderlich gehalten“ hat.41 Weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung finden sich indes dem Rücktrittsbereich entstammende Gründe, die diesen beinahe vollständigen Meinungsumschwung bewirkt haben könnten. Vielmehr wird der Wandel zumeist aus der Änderung des herrschenden Literaturstandpunkts zum Strafgrund des Versuchs abgeleitet: Da die Strafwürdigkeit des Versuchs nicht mehr entscheidend in der wirklichen, mehr oder weniger nahen Gefährdung des geschützten Rechtsguts, sondern in der Betätigung des rechtsfeindlichen Willens gesehen wurde,42 schien es nur logisch und konsequent, auch im Rücktrittsbereich die Vorstellung des Täters über das Versuchsstadium und damit die erforderliche Rücktrittsleistung entscheiden zu lassen.43 38 Inhaltlich stimmten damit die gesetzlichen Bestimmungen in Württemberg (Art. 64), Braunschweig (§.36), Hannover (§.33), Darmstadt (Art. 68) und Thüringen (Art. 26) überein. Vgl. hierzu ausf. Berner, GS 1865, 81 (84 ff.), der allerdings auch auf eine Entscheidung des Kriminalsenats zu Eßlingen verweist, welcher Art. 64 des Württembergischen Gesetzbuches „nicht buchstäblich“ interpretierte und einen „beendigten Versuch“ annahm, obwohl der Täter objektiv noch nicht alles seinerseits zur Vollendung des Verbrechend Nötige getan hatte, was aber nur auf der zufällig wenig veränderten Stoßrichtung beruhte (S. 87). 39 Art. 40 des Strafgesetzbuches für das Königreich Sachsen von 1855. 40 Z. B. RGSt 1, 307; 15, 44; 26, 77. S. a. Feuerbach, Lehrbuch, S. 75: „wenn alle zur Hervorbringung einer gesetzwidrigen Wirkung erforderlichen Handlungen geschehen sind, ohne dass der beabsichtigte Erfolg entstand.“ 41 Hervorhebung nicht im Original. Zu der sich daran anschließenden st. Rspr. des RG vgl. RGSt 45, 183 (185); 57, 278 (279); 68, 306 (308). Zum Ganzen vgl. Bottke, Methodik, S. 408; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 145 ff.; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 115. 42 Zur älteren Begründung der subjektiven Versuchstheorie vgl. ausf. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 63 ff. 43 s. aus der damaligen Literatur z. B. explizit Mezger, Lehrbuch, S. 400; s. a. Maurach, AT, S. 519. Anders als die erforderliche Rücktrittsleistung wurde damals die

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

II. Die Abgrenzung nach objektiven Gesichtspunkten Teilweise werden die Versuchsstadien allerdings auch heute noch nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt.44 1. Der Inhalt der objektiven Abgrenzungslehre Nach der sog. objektiven Abgrenzungslehre entscheidet – unabhängig von der Vorstellung des Täters – das Bestehen oder Nichtbestehen einer objektiven „Vollendungsgefahr“45 über die zu erbringende Rücktrittsleistung: Der Versuch ist unbeendet und ein strafbefreiender Rücktritt durch Aufgabe der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB möglich, wenn die für die Vollendung des Delikts objektiv erforderlichen Täterhandlungen noch nicht erfolgt sind, sodass realiter noch keine von der Herrschaft des Täters emanzipierte Vollendungsmöglichkeit besteht. Hingegen ist der Versuch beendet, wenn der Täter alles seinerseits Erforderliche getan hat und sein Verhalten zur Herbeiführung der Deliktsvollendung objektiv ausreicht, also bei ungehindertem Geschehensablauf die Vollendung der Tat, insbesondere der tatbestandsmäßige Erfolg, eintreten wird.46 In letzterem Fall kann der Täter „seinem Willen, in die Legalität zurückzukehren, nur dadurch Ausdruck verleihen, dass er die in Gang gesetzte, nunmehr verselbständigte Kausalkette unterbricht und durch gegenläu-

Wirksamkeit der Rücktrittsleistung beurteilt; § 46 RStGB verlangte Kausalität i. S. v. objektiver Wirksamkeit der Rücktrittshandlung; hierzu Römer, Fragen, S. 8 ff. 44 Backmann, JuS 1981, 336 (340); Treplin, ZStW 76 (1964), 441 (468); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 217 ff., 225, 240. Aus der älteren Literatur s. LK-Lobe, 5. Aufl., § 46 Anm. 1; Schuch, Versuch, S. 44 ff., 47. 45 So Heckler, Ermittlung, S. 145, 170 ff., der auch von der „Gefahr der Tatbestandsverwirklichung“ spricht. Für die in inhaltlich weitgehender Übereinstimmung geforderte objektive Vollendungsgefahr finden sich in der Lit. unterschiedliche Bezeichnungen: Ulsenheimer, Grundfragen, S. 219 f., 225, verwendet den Begriff „objektiv bestehende Erfolgsgefahr“; zustimmend Otparlik, Versuch, S. 82, 100, 232 ff. Backmann, JuS 1981, 336 (340) spricht von der „Erfolgsfähigkeit“, Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437), von der „Erfolgstauglichkeit“. Kritisch zum Begriff der „Erfolgstauglichkeit“ aber Jäger, Rücktritt, S. 87 Fn. 387. Sein Hinweis, es stelle sich letztlich „bei jedem Versuch dessen Untauglichkeit heraus“, geht indessen ins Leere, da Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (438), die Erfolgstauglichkeit ex ante, also auf den Rücktrittszeitpunkt bezogen festlegen wollen. 46 So Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437 f.); Heckler, Ermittlung, S. 185 f.; LK-Lobe, 5. Aufl., § 46 Anm. 1; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 225; ferner Backmann, JuS 1981, 336 (340); Otparlik, Versuch, S. 15, 233. Auch in der Rspr. und Jurisprudenz der ehemaligen DDR dominierte eine objektive Abgrenzung, s. OG, NJ 1966, 601 mit Anm. Wittenbeck: Der Versuch sei beendet, wenn der Täter eine lebensgefährdende Lage geschaffen habe, die ohne sein weiteres Zutun zum Tode führen könne (S. 601), er also alles getan habe, was zur Herbeiführung des Erfolges ohne weiteres Zutun notwendig sei (S. 602).

B. Die Beurteilungsgrundlage

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fige Maßnahmen [i. S. des i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB] die Vollendung verhindert.“47 Einem anderen objektiv ausgerichteten Ansatz zufolge soll für die Beendigung des Versuches nicht die Vornahme aller in concreto, sondern nur der abstrakt notwendigen Tätigkeitsakte erforderlich sein, d.h. der Täter muss alles getan haben, was nach allgemeiner Erfahrung und menschlicher Berechnung nötig ist, damit der Erfolg eintritt.48 2. Die Bedeutung für Fehlvorstellungen über die zu erbringende Rücktrittsleistung Indem die objektive Abgrenzungslehre jede Bezugnahme auf die Vorstellung des Täters bei der Abschichtung der Versuchsstadien zurückweist, erklärt sie zugleich sämtliche Fehlvorstellungen des Täters in diesem Bereich für unbeachtlich: Verkennt der Täter eine objektiv bestehende Gefahr der Deliktsvollendung, ist der Versuch beendet und ein Rücktritt nur durch eine dem Täter zurechenbare Vollendungsverhinderung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB bzw. – im Sonderfall des Ausbleibens der Vollendung aufgrund vom Täter unabhängiger Faktoren – durch ein ernsthaftes Verhinderungsbemühen gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB möglich.49 Diese Anforderungen erfüllt der Täter indes allenfalls in dem theoretischen Fall, dass er mehr tut als aus seiner Sicht nötig bzw. optimal ist, d.h. aktive Rettungsbemühungen unternimmt, obgleich er bloßes Nichtweiterhandeln für ausreichend hält. Bleibt er hingegen seinem Vorstellungsbild entsprechend untätig, ist er auch bei einem Ausbleiben des Erfolges nicht strafbefreiend zurückgetreten.50 In der umgekehrten Konstellation einer objektiv nicht bestehenden, vom Täter aber fälschlicherweise angenommenen Vollendungsgefahr liegt auf der Grundlage einer objektiven Abgrenzung ein unbeendeter Versuch vor.51 Die auf den ersten Blick nahe liegende Konsequenz, das bloße Nichtweiterhandeln des Täters für eine Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB ausreichen zu lassen, will indes keiner der Befürworter der objektiven Abgrenzungsmethode 47

Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437). So Weber, Unternehmen, S. 24 (33 ff.); de lege lata zustimmend Krauthammer, Rücktritt, S. 18, 21. 49 Heckler, Ermittlung, S. 185, 190 f., insbes. 191 mit Fn. 891; Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437, 444); ebenso Otparlik, Versuch, S. 15, 233; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224 f. 50 Heckler, Ermittlung, S. 159; Otparlik, Versuch, S. 15, 233, s. a. Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (444). 51 s. z. B. Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (441 f.); Otparlik, Versuch, S. 27, 233 f. 48

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

ziehen: So verlangen etwa Borchert/Hellmann als weitere Voraussetzung für einen strafbefreienden Rücktritt einen sog. Rücktrittsentschluss des Täters als „negatives Spiegelbild des Tatentschlusses“, für den es durchaus maßgeblich sei, ob dieser seine Handlung für erfolgstauglich halte oder nicht.52 Unterliege der Täter der geschilderten Fehlvorstellung, könne er seinen Rücktrittswillen nur manifestieren und dadurch wirksam i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgeben, dass er seinem Irrtum entsprechende, auf Abwendung des Erfolges gerichtete Gegenmaßnahmen ergreife. Bleibe er – in objektiv ausreichender Weise – lediglich passiv, bestehe sein Vorsatz zumindest in Form des dolus eventualis weiter und fehle ihm der erforderliche Rücktrittsentschluss, d.h. der Wille, der von ihm intendierten Versuchshandlung ihre Wirksamkeit zu nehmen.53 Heckler zufolge soll es im Fall mangelnder Gefährdung ausnahmsweise doch entscheidend auf die Vorstellung des Täters ankommen, weshalb ein ernsthaftes Verhinderungsbemühen erforderlich sei, das nur in aktiven Gegensteuerungsversuchen liegen könne.54 Zu demselben Ergebnis muss schließlich auch Ulsenheimer kommen, der, falls der Täter die Gefahr der Tatvollendung für gegeben hält, eine uneingeschränkte Priorität des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB annimmt, also stets eine Erfolgsverhinderung oder zumindest ein ernsthaftes Bemühen hierum als Rücktrittsleistung verlangt.55 Obschon mithin bei einer lediglich irrigen Annahme einer Vollendungsgefahr in objektiver Hinsicht eigentlich die Aufgabe der weiteren Tatausführung hinreicht, kann der Täter der objektiven Abgrenzungslehre zufolge die im Rahmen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB an ihn gestellten Anforderungen nur erfüllen, wenn er sich um die Verhinderung der Vollendung bemüht, mithin eine Rücktrittsleistung nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erbringt.

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Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (441). Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (441 f.) unter Verweis auf Krauß, JuS 1981, 883 (884); i. E. wohl ebenso Treplin, ZStW 76 (1964), 441 (468). Unklar Otparlik, Versuch, S. 15, 233 f., der zwar das Rücktrittsverhalten bei Annahme einer nicht bestehenden Erfolgsgefahr „in dem den überflüssigen ,Gegen‘-Maßnahmen vorangehenden Unterlassen“ sehen will, aber nicht entscheidet, wie dieses bloße Unterlassen im Fall fehlender Gegenmaßnahmen zu bewerten wäre; ähnlich LK-Lobe, 5. Aufl., § 46 Anm. 1. 54 Heckler, Ermittlung, S. 192. 55 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 221 ff. Zwar nimmt Ulsenheimer nicht ausdrücklich zur Konstellation der irrigen Annahme einer Erfolgsgefahr Stellung, verlangt aber für die Beendigung eines Versuchs entweder eine tatsächliche oder nur in der Vorstellung des Täters bestehende Erfolgsgefahr, weshalb er teilweise als Anhänger einer gemischt objektiv-subjektiven Abgrenzung angeführt wird; vgl. z. B. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 43. Da er aber – wie auch Heckler – das Bestehen einer objektiven Erfolgsgefahr als Ausgangspunkt seiner Abgrenzung wählt und lediglich bei der Beurteilung von Fehlvorstellungen ausnahmsweise die Tätervorstellung heranzieht (a. a. O., 240 f.), erscheint es vorzugswürdig, ihn der objektiven Abgrenzung zugeschlagen. S. a. Heckler, Ermittlung, S. 158 f.; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 66 f. 53

B. Die Beurteilungsgrundlage

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III. Die Abgrenzung nach subjektiven Gesichtspunkten Sowohl die überwiegende Auffassung in der Literatur als auch der BGH grenzen die Versuchsstadien hingegen anhand subjektiver Kriterien ab.56 1. Der Inhalt der subjektiven Abgrenzungslehre Über die erforderliche Rücktrittsleistung entscheidet der h. L. zufolge ausschließlich57 die naturgemäß subjektive Vorstellung des Täters vom Verwirklichungsgrad seiner Tat und die hiernach erforderliche Rücktrittsleistung:58 Glaubt der Täter, die tatbestandliche Vollendung könne nach dem bisher Getanen und ohne weitere Handlungen seinerseits noch nicht eintreten, so ist sein Versuch noch unbeendet und reicht es für einen strafbefreienden Rücktritt aus, wenn er sich wieder so verhält, wie das Gesetz es ursprünglich von ihm gefordert hatte, d.h. wenn er die Tat nicht ausführt. Der Versuch ist indessen beendet, wenn der Täter davon ausgeht, er habe alles seinerseits Erforderliche getan, um die Vollendung des Delikts zu bewirken; er kann dann nur noch strafbefreiend von Versuch zurücktreten, indem er eine auf Erfolgsverhinderung gerichtete Tätigkeit entfaltet, die den Erfolg verhindert oder die an ein ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung gestellten Anforderungen erfüllt.59 Diesen subjektiven Standpunkt vertritt auch die Rechtsprechung. Nachdem es die erforderliche Rücktrittsleistung zu Anfang noch objektiv bestimmt hatte,60 stellte bereits das RG erstmals in RGSt 43, 137 und von da an in ständiger

56 Stellvertretend für die h. L. Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 2; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15; Wessels/Beulke, Rn. 631; aus der älteren Lit. Köstlin, Revision, S. 376 ff.; Frank, § 43 IV (S. 92); für die st. Rspr. seit RGSt 68, 82 (83 f.) s. BGHSt 4, 180 (181). 57 So z. B. Haft, AT, S. 245; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 84, 208; Lackner/Kühl, § 24 Rn. 3; Lönnies, NJW 1962, 1950 (1951); Otto, GA 1967, 144; Samson, Strafrecht I, S. 178 (Fall 36). 58 Für viele Kühl, AT, § 16 Rn. 24; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 13; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 128; s. a. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 34; Nolden, Rücktritt, S. 45 f. Aus der älteren Literatur Gutmann, Freiwilligkeit, S. 84; Kohlrausch/Lange, § 46 III; Spohr, Rücktritt, S. 36 f.; Welzel, Strafrecht, § 25 I 1 (S. 196). Ebenso Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 22, die diesen rein subjektiven Standpunkt jedoch in missverständlicher Weise als Abgrenzung nach subjektiven („Vorstellung des Täters“) und objektiven („über den objektiven Stand des verbrecherischen Tuns“) Kriterien bezeichnen. Der objektive Stand des verbrecherischen Tuns wird indes nach Maurach/ Gössel/Zipf durch die allein maßgebliche Tätervorstellung subjektiviert. Hierzu auch Kampermann, Grundkonstellationen, S. 75 f.; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 45. 59 Vgl. z. B. Hassemer, JuS 1980, 383; Lackner/Kühl, § 24 Rn. 3; Lönnies, NJW 1962, 1950 (1951); Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 9; Schröder, JuS 1962, 81 (82). 60 Z. B. in RGSt 1, 307; 15, 44; 26, 77; 38, 402. S. dazu bereits oben Zweiter Teil B. I.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Rechtsprechung maßgeblich auf die Vorstellung des Täters von der Wirkung seines Tuns ab: Der Versuch ist danach unbeendet, „wenn der Täter die nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des rechtswidrigen Erfolges erforderliche Tätigkeit noch nicht abgeschlossen hat; beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter alle Handlungen vorgenommen hat, die nach seiner Vorstellung zur begrifflichen Vollendung der Tat gehören, so dass der Eintritt des erstrebten rechtswidrigen Erfolges nicht mehr von weiterer persönlicher Tätigkeit, sondern nur noch von der Fortwirkung der vom Täter angeregten Ursachenreihe abhängt.“61 Diese Rechtsprechung hat der BGH fortgeführt und dabei stets wiederholt, über die Frage der Versuchsbeendigung entscheide – „allein“62 – die Vorstellung des Täters in Bezug darauf, ob er das zur Vollendung Erforderliche getan habe und mit dem Erfolgseintritt rechne.63 2. Die Bedeutung für Fehlvorstellungen über die zu erbringende Rücktrittsleistung Aufgrund der alleinigen Maßgeblichkeit der Tätervorstellung werden der subjektiven Abgrenzungslehre zufolge zutreffende und irrige Vorstellungen rechtlich gleich behandelt: Vom Täter wird stets verlangt, dass er sich so verhält, wie es aus seiner Sicht zur Erfolgsabwendung erforderlich ist.64 Geht er also bei einem Versuch, der objektiv eine Vollendungsgefahr heraufbeschworen hat, aufgrund einer unzutreffenden Einschätzung der Lage davon aus, die Vollendung sei noch nicht möglich, ist der Versuch unbeendet, und der Täter wird durch bloßes Abstehen von der weiteren Tatausführung gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB65 straflos, falls die Vollendung – z. B. aufgrund des Eingreifens Dritter oder des Opfers – letztlich ausbleibt.66 Weil die Tätervorstel61 RGSt 57, 278 (279) unter Verweis auf RGSt 43, 137 (138); ebenso RGSt 68, 82 (83 f.); ähnlich RGSt 45, 183 (185); 68, 306 (308). 62 So z. B. ausdrücklich BGH bei Dallinger, MDR 1966, 22; BGHSt 22, 330 (331). 63 Zur einhellig subjektiv abgrenzenden st. Rspr. des Bundesgerichtshofs vgl. etwa BGHSt 4, 180 (181); BGH, GA 1974, 77; BGHSt 31, 170 (171); 35, 90 (91); 36, 224 (225). Aus der neueren Rspr. z. B. BGH, NStZ-RR 2000, 41; BGH, Beschl. v. 11.02.2003 – 4 StR 8/03, S. 5. 64 Puppe, NStZ 1984, 488; Rudolphi, JZ 1991, 525 (526) ebenso Otto, Jura 1992, 423 (425); ferner Rudolphi, JZ 1991, 525 (526). 65 Eine teilweise vertretene Ansicht begreift die „Aufgabe“ als Unterfall des Verhinderns und fordert Kausalität des Untätigbleibens für das Ausbleiben der Vollendung. Geht der Täter jedoch irrig von der Kausalität seiner Aufgabe aus, wird seine „nichtkausale“ Aufgabe konsequent als ernsthaftes Bemühen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB gewertet. Vgl. z. B. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 43; ferner Kampermann, Grundkonstellationen, S. 67; i. E. auch Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 86 Fn. 9, der § 24 Abs. 1 S. 2 StGB aber analog zugunsten des Täters anwenden will. 66 s. z. B. Bottke, Systematik, S. 535 Fn. 367; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 45; Römer, Fragen, S. 72; Samson, Strafrecht I, S. 178 f. (Fall 36); Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11

B. Die Beurteilungsgrundlage

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lung also auch dann maßgeblich ist, wenn sie der tatsächlichen Sachlage widerspricht, kann es selbst bei objektiver Höchstgefahr für das Opfer dazu kommen, dass der Täter durch bloßes Nichtweiterhandeln straffrei wird. Umgekehrt liegt aber auch dann ein beendeter Versuch vor, wenn es objektiv an der Vollendungsnähe fehlt, der Täter indessen fälschlicherweise eine Vollendungsgefahr annimmt.67 Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 StGB ist in diesem Fall nur durch aktive, auf Verhinderung gerichtete Tätigkeit zu erlangen: Obschon ein Verhindern der Vollendung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB mangels objektiv bestehender Vollendungsgefahr nicht möglich ist,68 sind hierauf gerichtete Aktivitäten des Täters als ernsthaftes Bemühen im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB anzusehen und zu verlangen.69

IV. Die Abgrenzung anhand einer gemischt subjektiv-objektiven Methode Schließlich werden zur Abgrenzung der Versuchsstadien teilweise auch objektive und subjektive Kriterien kombiniert.70 1. Der Inhalt der gemischt subjektiv-objektiven Abgrenzungslehre Bereits die Zielsetzung dieser Lehre, zwischen der rein subjektiven und der rein objektiven Abgrenzungslehre vermitteln zu wollen, deutet darauf hin, dass dazu objektive und subjektive Komponenten in unterschiedlicher Art und Weise verbunden werden. Abgrenzen lassen sich die vertretenen Varianten grundsätzlich danach, ob sie für die Annahme eines beendeten Versuchs das kumulative oder lediglich alternative Vorliegen objektiver und subjektiver Gesichtspunkte verlangen: Rn. 84. Ebenso die st. Rspr., z. B. BGHSt 22, 330 (331); 33, 295 (298); i. E. auch Weinhold, Rettungsverhalten, S. 126 ff. 67 Fahrenhorst, Jura 1987, 291 (293); Rudolphi, NStZ 1983, 361 (363); Schönke/ Schröder/Eser, § 24 Rn. 14; Weidemann, GA 1986, 409 (415); Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (695 f.); i. E. auch Walter, Rücktritt, S. 107, 136. Für die Rspr. s. etwa BGHSt 33, 295 (298); 35, 90 (93); BGH, Urt. v. 31.1.2002 – 4 StR 417/01. 68 Dazu, dass das Verhinderungsverhalten des Täters im Rahmen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB jedenfalls kausal und zurechenbar das Ausbleiben der Vollendung bewirken muss, vgl. z. B. Kühl, AT, § 16 Rn. 67; Roxin, AT II, § 30 Rn. 218 ff. m. v. w. N. 69 Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 55; ders., Jura 2001, 341 (344); vgl. hierzu auch Krauß, JuS 1981, 883 (885); Kudlich, JuS 1999, 348 (351); Lampe, JuS 1989, 610 (616). 70 Feltes, GA 1992, 395 (418 ff.); Hauf, AT, S. 150; ders., JR 1996, 29; Henkel, JW 1937, 2375 (2377); Kienapfel, JR 1984, 72 (73 f.); ders., Pallin-FS, S. 205 (217 f.). Kritik an einer rein subjektiven Abgrenzung üben auch Bockelmann, JZ 1954, 468 (471 Fn. 23); Köhler, AT, S. 475; Lampe, JuS 1989, 610 (616).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Kienapfel71 und Feltes72 zufolge ist ein Versuch beendet, wenn nach objektivem Urteil die Gefahr des Erfolgseintritts gegeben ist (objektive Komponente) und der Täter zugleich die eine solche Gefahr begründenden tatsächlichen Umstände erkannt hat (individuelle Komponente).73 Aus dieser kumulativen Beendetheitsanforderung ergibt sich die Unbeendetheit des Versuchs umgekehrt entweder aus dem Fehlen der subjektiven oder der objektiven Komponente, genügt also immer, wenn sich die wirkliche Lage nicht mit der Vorstellung des Täters deckt, die bloße Tataufgabe. Diesem Ansatz stehen jene Autoren nahe, die auf das „Erkennen“ oder die „Kenntnis“ der Vollendungsgefahr abstellen,74 da damit dem Wortsinn nach das tatsächliche Vorliegen einer objektiven Vollendungsgefahr vorausgesetzt wird; besteht keine Vollendungsgefahr, ließe sich allenfalls von einer diesbezüglichen irrtümlichen Annahme sprechen. Henkel hingegen vertritt eine alternativ subjektiv-objektive Abgrenzung, indem er schon dann von einem beendeten Versuch ausgeht und vom Täter ein Aktivwerden verlangt, wenn dieser entweder „in Wahrheit“ oder „sei es nur nach seiner Vorstellung vom Sachverhalt“ alles zur Herbeiführung der Vollendung Erforderliche getan hat. Unbeendet sei der Versuch nur, wenn weder objektiv noch subjektiv eine Vollendungsgefahr bestehe.75 Auch Hauf misst dem objektiven Ergebnis des Versuchsverlaufs eine weitaus größere Bedeutung zu als Kienapfel und Feltes, indem er Fallgruppen festlegt, bei denen die subjektive Vorstellung des Täters vom Verwirklichungsgrad seines Tuns durch objektive Gegebenheiten „überlagert“ werde, was insbesondere bei einer vom Täter geschaffenen akuten Gefährdungssituation für das angegriffene Rechtsgut anzunehmen sei. Hier habe die Tat das Stadium des beendeten Versuchs erreicht, mit der Folge, dass der Täter – unabhängig von seiner Vorstellung – aktiv für das Opfer tätig werden müsse.76 Eine kombiniert objektiv-subjektive Auffassung „alternativer Art“ verfolgt schließlich auch Jäger, der zunächst nach dem Stadium der objektiven Opfergefährdung differenziert.77 Bei einer objektiven Gefahr für das Opfer müsse der Täter diese, soweit sie tatsächlich reiche, zurechenbar umkehren (sog. vollendete Gefährdungsumkehr):78 Solange diese nicht von allein in eine Schädigung umschlagen könne, genüge eine Aufgabe des Täters i. S. von § 24 Abs. 1 S. 1 71

Kienapfel, JR 1984, 72 (73 f.); s. a. ders., Pallin-FS, S. 205 (217 f.). Feltes, GA 1992, 395 (421 f.). 73 Vgl. Kienapfel, JR 1984, 72 (73 f.); s. a. ders., Pallin-FS, S. 205 (217 f.); Feltes, GA 1992, 395 (421 f.); ähnlich bereits Zachariä, Lehre II, S. 30. 74 Vgl. Puppe, NStZ 1995, 403 (404); s. a. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 222. 75 Henkel, JW 1937, 2375 (2377). 76 Hauf, AT, S. 150; ders., JR 1996, 29. 77 Jäger, Rücktritt, S. 65 ff.; s. a. ders., NStZ 1999, 608 (609). Nahe stehend Köhler, AT, S. 475. 78 Ausf. Jäger, Rücktritt, S. 65 ff. 72

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Alt. 1 StGB; andernfalls müsse der Täter die Vollendung i. S. von § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verhindern.79 Fehlt es indessen an einer objektiven Opfergefährdung, soll nach Jäger die Tätervorstellung entscheiden: Gehe der Täter subjektiv von einer Gefährdung aus, so erfordere die Erlangung von Straffreiheit eine sog. versuchte Gefährdungsumkehr, die für den Fall, dass der Täter nicht an die Möglichkeit eines Umschlagens der Gefahr in eine Rechtsgutsverletzung glaube, in der Aufgabe der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB liege, andernfalls, wenn der Täter also davon ausgehe, die vorgestellte Gefährdung könne in eine Rechtsgutsverletzung umschlagen, dagegen allein durch ernsthafte Bemühungen um eine Vollendungsverhinderung nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erbracht werden könne.80 2. Die Bedeutung für Fehlvorstellungen über das Versuchsstadium bzw. die zu erbringende Rücktrittsleistung Für diejenigen, die an das Vorliegen eines beendeten Versuchs kumulativ objektive und subjektive Anforderungen stellen, ist der Versuch so lange unbeendet, wie es entweder objektiv oder nach der Tätervorstellung an einer Vollendungsgefahr fehlt. In sämtlichen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters hinsichtlich der Vollendungsgefahr nicht mit der tatsächlichen Lage deckt, fehlt es damit an einer Komponente des beendeten Versuchs. Folglich liegt nicht nur im Fall einer vom Täter nicht erkannten Vollendungsgefahr ein unbeendeter Versuch vor, von dem der Täter – wie nach der rein subjektiven Abgrenzungslehre – durch Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat zurücktreten kann, sondern ist der Versuch auch bei einer nur vermeintlichen Vollendungsgefahr unbeendet.81 In letzterem Fall wird jedoch – wie bereits von der rein objektiven Abgrenzungslehre – übereinstimmend ein Rücktrittsentschluss des Täters gefordert, den dieser nur durch Verhinderungsbemühungen demonstrieren kann.82 Diejenigen, die für die Annahme eines beendeten Versuchs alternativ entweder das tatsächliche oder das vermeintliche Bestehen einer Gefahr genügen lassen, kommen dagegen in beiden Fehlvorstellungskonstellationen unproblematisch zur Annahme eines beendeten Versuchs, da bei der Abgrenzung stets das Element dominiert, welches über das andere hinausgeht.83 Der Täter, der eine 79

Jäger, NStZ 1999, 608 (609); ders., Rücktritt, S. 65 ff. Jäger, Rücktritt, S. 65, 85; vgl. auch ders., NStZ 1999, 608 (609). 81 So Kienapfel, JR 1984, 72 (73 f.); s. a. ders., Pallin-FS, S. 205 (217 f.), der jedoch ausdrücklich nur den Fall der fehlenden Vorstellung entscheidet. Übereinstimmend Feltes, GA 1992, 395 (423 f.), allerdings zur Konstellation des fehlgeschlagenen Versuchs. 82 Vgl. bereits Zweiter Teil B. II. 2. Weder Kienapfel noch Feltes verhalten sich aber ausdrücklich zu dieser Fehlvorstellungskonstellation. 80

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

objektiv bestehende Vollendungsgefahr verkennt, kann – wie nach der objektiven Abgrenzung – nur durch eine zurechenbare Beseitigung der tatsächlichen Gefahr i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB bzw. – bei einem Ausbleiben der Vollendung aufgrund vom Täter unabhängiger Faktoren – durch ein ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung gem. § 24 Abs. 1 S. 2 StGB strafbefreiend zurücktreten.84 Auch derjenige, der fälschlicherweise vom Vorliegen einer Vollendungsgefahr ausgeht, muss – in diesem Fall wie nach der subjektiven Abgrenzung – der vermeintlich drohenden Vollendung durch eigene Tätigkeit i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB bzw. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB entgegenwirken.85 Nach Jäger entlastet das Verkennen einer objektiv vorliegenden Gefährdung, die von selbst in eine Schädigung umschlagen kann, den Täter ebenfalls nicht. Er muss die geschaffene Gefahr durch eine Verhinderungsleistung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB beseitigen.86 Auch ein der umgekehrten Fehlvorstellung, der irrigen Annahme einer von allein in eine Schädigung umschlagenden Rechtsgutsgefährdung, erliegende Täter muss aktiv werden und als versuchte Gefährdungsumkehr ernsthafte Verhinderungsbemühungen nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB unternehmen.87 Eine Aufgabe der weiteren Tatausführung wirkt mithin bei einer Fehlvorstellung des Täters niemals strafbefreiend.88

V. Zwischenergebnis Die Untersuchung der unterschiedlichen Abgrenzungslehren hat gezeigt, dass die Fallgestaltung der irrtümlichen Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Vollendungsgefahr im Ergebnis übereinstimmend gelöst wird: Wenngleich die Anhänger einer objektiven, ebenso wie jene einer kumulativ objektiv-subjektiven Abgrenzung in diesem Fall einen unbeendeten Versuch annehmen, verlangen auch sie – wie die von einem beendeten Versuch ausgehende subjektive und alternativ objektiv-subjektive Abgrenzungslehre – über das Erfordernis des 83

Deutlich Henkel, JW 1937, 2375 (2377). Dazu vgl. Henkel, JW 1937, 2375 (2377); ebenso Hauf, AT, S. 150, der in dieser Fallgestaltung die Tätervorstellung als durch die objektiven Gegebenheiten überlagert ansieht. 85 Henkel, JW 1937, 2375 (2377) unter Verweis auf v. Hippel, Strafrecht II, S. 411. 86 Jäger, Rücktritt, S. 65, 67, 89 ff.; vgl. auch Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224 f., 240. 87 Jäger, NStZ 1999, 608 (609); ders., Rücktritt, S. 85. 88 Straffreiheit durch Aufgabe im Fall einer Fehlvorstellung des Täters wäre aufgrund der inhaltlichen Anforderungen Jägers an die Gefahr nur denkbar, wenn der Täter zwar eine tatsächlich nicht bestehende Gefahr annimmt, diese aber auch nach seiner Vorstellung nicht selbständig in eine Schädigung umschlagen kann, s. Jäger, Rücktritt, S. 65, 85; vgl. auch ders., NStZ 1999, 608 (609). Zu den inhaltlichen Anforderungen bei der Abgrenzung der Versuchsstadien ausf. Zweiter Teil C. I. 84

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Aufgabewillens letztlich vom Täter, dass er sich aktiv um die Verhinderung der Vollendung bemüht. Die Annahme einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Vollendungsgefahr durch den Täter führt damit übereinstimmend dazu, dass dieser mehr tun muss, als objektiv zur Vollendungsverhinderung ausreichend ist. Die umgekehrte Fehlvorstellung des Nichterkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr wird dagegen unterschiedlich bewertet: Während nach der subjektiven sowie der kumulativ objektiv-subjektiven Abgrenzungslehre der Versuch unbeendet ist, also trotz objektiv bestehender Gefahr die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung genügen soll, wenn die Vollendung letztlich ausbleibt, kommen objektive sowie alternativ objektiv-subjektive Abgrenzung zur Annahme eines beendeten Versuchs, von dem der Täter nur durch ein Verhindern der tatsächlich drohenden Vollendung bzw. – im Fall des vom Täter unabhängigen Ausbleibens der Vollendung – durch ein Bemühen um Vollendungsverhinderung strafbefreiend zurücktreten kann. In dieser Konstellation verbirgt sich folglich die eigentliche Bedeutung des Streits um die maßgeblichen Abgrenzungskriterien. Zugleich wurde deutlich, dass eine Fehlvorstellung dem Täter nach der objektiven Abgrenzung ebenso wie nach der alternativ objektiv-subjektiven stets Nachteile bringt, da dieser sich – ganz gleich, ob er eine bestehende Gefahr verkennt oder eine nicht bestehende irrig annimmt – stets um Vollendungsverhinderung bemühen muss. Nach der subjektiven Abgrenzung belastet den Täter seine Fehlvorstellung hingegen nur im Fall der Annahme einer nicht bestehenden Gefahr; das Nichterkennen einer tatsächlich bestehenden Gefahr entlastet ihn dahingehend, dass ihm bereits die Aufgabe der weiteren Tatausführung Strafbefreiung verschafft. Dasselbe gilt für die kumulativ objektiv-subjektive Abgrenzung, die lediglich bei der Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Gefahr unter Verweis auf den erforderlichen Aufgabewillen vom Täter faktisch ein Verhinderungsbemühen verlangt.

VI. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Wenngleich heute vielerorts keine Auseinandersetzung mit den vertretenen Abgrenzungsansätzen mehr erfolgt, sondern besonders in Lehrbüchern und Kommentaren kritiklos und allenfalls unter Verweis auf die subjektive Versuchstheorie der Standpunkt der herrschenden Meinung übernommen, also nach der Vorstellung des Täters abgegrenzt wird,89 ist doch durch einige neuere Aufsätze und Monographien, die sich kritisch zur alleinigen Maßgeblichkeit der Tätervorstellung äußern oder aber den subjektiven Maßstab vehement gegen die 89 Vgl. z. B. Joecks, § 24 Rn. 16 f., 24; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 14; Wessels/Beulke, Rn. 631.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

beschriebenen Objektivierungstendenzen verteidigen, wieder Bewegung in die Diskussion gekommen.90 Nach neuen Argumenten und Gedanken sucht man indes vergebens; zumeist werden alte Begründungsansätze, die teilweise noch einer Zeit anderer gesetzlicher Voraussetzungen – wie z. B. der differenzierten Behandlung der Versuchsstadien mit Blick auf das Strafmaß oder dem Fehlen einer Entsprechung zu § 24 Abs. 1 S. 2 StGB – entstammen, wiederaufbereitet und lediglich etwas abgewandelt. 1. Ausschluss unbrauchbarer Argumente Sowohl auf objektiver als auch auf subjektiver Seite finden sich teilweise Argumente, die zur Lösung der Streitfrage um die richtige Abgrenzung nicht beitragen können. So wird nicht selten für die Maßgeblichkeit der Tätervorstellung angeführt, dass allein durch die Zugrundelegung des Täterplans festgestellt werden könne, ob für den Rücktritt ein Unterlassen oder ein aktives Tun zu verlangen sei91 oder dass es darum gehe, welches Rücktrittsverhalten phänotypisch dem erreichten Versuchsstadium adäquat sei.92 Für eine objektiv ausgerichtete Abgrenzung wird geltend gemacht, es sei schon sehr großzügig, einem Täter, der eine Erfolgsgefahr geschaffen hat, im Fall einer auf Verhinderung der Vollendung gerichteten Tätigkeit Strafbefreiung von der Versuchsstrafe zu gewähren; ihm auch noch das Risiko einer Fehleinschätzung abzunehmen, sei völlig unangebracht.93 Jedoch gilt es gerade zu ermitteln, auf wessen Urteil abzustellen ist, damit das Rücktrittsverhalten dem Versuchsstadium entspricht, bzw. wann dem Täter – mehr oder weniger großzügig – Strafbefreiung zu gewähren ist. Weder kann die Maßgeblichkeit der Tätervorstellung mit eben dieser begründet werden noch die Maßgeblichkeit der objektiven Lage mit der offenen petitio principii für eine solche.94 Darüber hinaus sollte auch die immer wieder zu findende polemische Kritik, es sei unjuristisch, jemandes Handlung nicht nach dem zu beurteilen, was sie ist, sondern nach dem, was sie ihm zu sein scheint,95 aus der Diskussion herausgenommen werden: In der Frage, welche Rolle dem Scheinen und Dafür90 Vor allem Heckler, Ermittlung, S. 155 ff.; Jäger, Rücktritt, S. 65 ff.; ders., NStZ 1999, 608 f.; Nolden, Rücktritt, S. 25 ff.; Otparlik, Versuch, S. 21 ff., 65 ff.; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 71 ff. 91 So z. B. Bach, Rücktritt, S. 8; ähnlich Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 2. 92 Bottke, Methodik, S. 429. 93 Otparlik, Versuch, S. 70. 94 Vgl. dazu bereits Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437); Jäger, Rücktritt, S. 90 Fn. 406. 95 s. etwa Berner, GS 17 (1865), 81 (90); Krauthammer, Rücktritt, S. 19. Aus dem neueren Schrifttum vgl. Otparlik, Versuch, S. 15: „die Frage, ob der Versuch passiv oder aktiv rücktrittsfähig ist, [werde] danach beantwortet [. . .], ob der Täter ihn für passiv oder aktiv rücktrittsfähig hält.“ (Hervorhebung im Original).

B. Die Beurteilungsgrundlage

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halten einerseits und der tatsächlichen Lage in Bezug auf die erforderliche Rückrittsleistung andererseits zukommt, liegt gerade der Kern der Kontroverse. 2. Ablehnung der gemischt subjektiv-objektiv abgrenzenden Ansichten Bevor eine genauere Auseinandersetzung mit den von der jeweiligen Ansicht angeführten Argumenten erfolgt, muss außerdem den Abgrenzungsansätzen widersprochen werden, die objektive und subjektive Kriterien kombinieren wollen. Obgleich ein strafbefreiender Rücktritt sich – nicht zuletzt mit Blick auf das Zusammenspiel mit der Versuchsstrafbarkeit – sicherlich aus objektiven und subjektiven Elementen zusammensetzt, zeigt sich schnell, dass sich solche kombinierenden Ansätze nicht durchhalten lassen.96 Denn wie bei der Darstellung der Auswirkungen der verschiedenen Abgrenzungslehren auf die Fehlvorstellungen des Täters deutlich wurde, wenden die gemischt subjektiv-objektiven Ansätze kein selbständiges Abgrenzungskriterium an, sondern bestimmen die erforderliche Rücktrittsleistung letztlich entweder subjektiv oder objektiv:97 Verlangt man für den beendeten Versuch kumulativ das Vorliegen einer objektiven Vollendungsgefahr und einer entsprechenden Tätervorstellung, entscheidet bei einer Fehlvorstellung jeweils das fehlende – objektive oder subjektive – Element; verlangt man dagegen alternativ eine objektive Gefahr oder die entsprechende Tätervorstellung, ist das jeweils bestehende – objektive oder subjektive – Element maßgeblich. 3. Die Kritik am „Umweg“ über das Erfordernis eines Rücktrittsentschlusses Teilweise wird die objektive Abgrenzungslehre bereits mit Blick auf die Vorgehensweise bezüglich der Konstellation der irrtümlichen Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Vollendungsgefahr als inkonsequent, umständlich und dogmatisch unhaltbar abgelehnt: Der Versuch, über das Erfordernis des Rücktrittsentschlusses auf Umwegen zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen, nämlich vom Täter ein Aktivwerden verlangen zu können, stelle lediglich einen Kunstgriff dar, um dem zwangsläufigen Scheitern der rein objektiven Abgrenzung der Versuchsstadien zu entkommen.98 Auch im pragmatischen Sinn 96 Vgl. auch Heckler, NJW 1996, 2490 (2491). Gegen eine alternative Kombination subjektiver und objektiver Kriterien auch Nolden, Rücktritt, S. 46, die für den Rückritt dann kaum noch Raum sieht. 97 Ebenso Heckler, Ermittlung, S. 169; ders., NJW 1996, 2490 (2491 f.). 98 Zur Kritik vgl. insbesondere Küper, JZ 1983, 264 (266 Rn. 12); s. a. Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 136; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 95; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 125.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

werde nichts erreicht, da dadurch, dass letztlich doch wieder die Tätervorstellung entscheide, dieselben Probleme aufträten, also insbesondere die Frage, wie sich der Rücktrittsentschluss nach außen „manifestieren“ müsse.99 Ein Rücktrittsentschluss des Täters lasse sich schwerlich verneinen und liege bereits im Verzicht auf weiteres erfolgsgerichtetes Handeln.100 Daneben werden zu Recht gegen die Argumentationsweise von Borchert/Hellmann, die den Rücktritt als „Aufgabe“ des Vorsatzes begreifen wollen, Bedenken geltend gemacht: Der Vorsatz ist stets ein zukunftsbezogener Verwirklichungswille, der zum Zeitpunkt der strafrechtlich relevanten Handlung oder Unterlassung vorliegen muss; was der Täter nach seinen Ausführungshandlungen wünscht oder denkt, bleibt als dolus subsequens unbeachtlich.101 Ohne den Streit zwischen objektiver und subjektiver Abgrenzungslehre bereits aufgrund dieser dogmatischen Bedenken entscheiden zu wollen, soll im Folgenden Schritt für Schritt untersucht werden, ob § 24 Abs. 1 StGB nach seinem Wortsinn, dem Regelungs- und Bedeutungszusammenhang und seinem Sinn und Zweck eine Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung anhand der objektiven Gefährdungslage oder der Tätervorstellung verlangt. Vor dem Hintergrund des im Fall der nur vermeintlichen Vollendungsgefahr übereinstimmenden Ergebnisses wird dabei die Konstellation des Verkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr besondere Beachtung finden. 4. Die Argumentation aus dem Wortsinn des Gesetzes Da der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze der Auslegung bilden muss,102 ist zunächst zu fragen, ob der Täter in der umstrittenen Konstellation der nicht erkannten Vollendungsgefahr die weitere Tatausführung dem allgemeinen oder besonderen Sprachgebrauch des StGB zufolge noch „aufgeben“ kann oder ob er die „Vollendung verhindern“ muss.103

99 Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 136; s. a. Küper, JZ 1983, 264 (266 Rn. 12); zustimmend Seier, JuS 1989, 102 (103 Fn. 1); teilweise zugestehend auch Borchert/ Hellmann, GA 1982, 429 (449). 100 Küper, JZ 1983, 264 (266 Rn. 12); ebenso Weinhold, Rettungsverhalten, S. 125 mit S. 110; zustimmend Nolden, Rücktritt, S. 32. 101 So bereits Küper, JZ 1983, 264 (266 Rn. 12); vgl. ferner Kampermann, Grundkonstellationen, S. 69; Nolden, Rücktritt, S. 31; zustimmend auch Weinhold, Rettungsverhalten, S. 125. 102 Vgl. zur Grenze zwischen verbotener Analogie i. S. des § 1 StGB und Auslegung Schmalz, Methodenlehre, Rn. 235 ff. 103 Die gleich gelagerte Frage ergab sich nach § 46 RStGB, der zwischen Aufgabe der Ausführung der beabsichtigten Handlung (Nr. 1) und Abwendung des zur Vollendung gehörigen Erfolges (Nr. 2) unterschied.

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a) Der allgemeine Sprachgebrauch Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gibt derjenige auf, der etwas vorzeitig abbricht, sich von etwas trennt oder auf etwas verzichtet; es verhindert hingegen derjenige, der aktiv bewirkt, dass etwas nicht getan wird oder ein Ereignis nicht eintritt.104 aa) Die Kausalität des Verhinderns Den Ansatzpunkt für die Wortlautargumentation der objektiven Abgrenzungslehre bildet die Alternative des Verhinderns, genauer das Erfordernis der Kausalität des Verhinderns: Weil nur tatsächlich Drohendes kausal verhindert werden könne, sei vom Täter bei fehlender Erfolgseignung grundsätzlich kein Verhindern zu verlangen.105 Sei dagegen so viel geschehen, dass die Vollendung wirklich drohe, könne der Täter diese nicht durch reine Untätigkeit vermeiden; er müsse die bereits in Gang gesetzte Kausalkette aktiv unterbrechen, also die Vollendung verhindern.106 Die Schlussfolgerung von der Tatsache, dass der Täter die Vollendung erst bei objektiver Vollendungsgefahr tatsächlich verhindern kann, darauf, dass er diese – unabhängig von seiner Vorstellung – allein und stets dann auch verhindern muss, um Strafbefreiung zu erlangen, überzeugt jedoch nicht. Das tatsächliche Können zöge lediglich dann die rechtliche Pflicht zur Vollendungsverhinderung nach sich, wenn bei einer wirklich drohenden, vom Täter aber nicht erkannten Vollendungsgefahr eine Aufgabe der weiteren Tatausführung dem Wortlaut nach nicht mehr in Betracht käme, was jedoch von der objektiven Abgrenzungslehre nicht behauptet wird. bb) Das Aufgeben Aus dem Begriff des Aufgebens wird vielmehr gerade von der Gegenseite die Maßgeblichkeit der Tätervorstellung abgeleitet: „Aufgebenwollen“ könne begriffsnotwendig nur derjenige Täter, welcher der Auffassung sei, noch nicht alles zur Vollendungserreichung Notwendige getan zu haben.107 Bleibe aber die Vollendung letztlich aus, verlange § 24 Abs. 1 StGB auch bei zunächst bestehender Vollendungsgefahr kein Aktivwerden, was sich entweder darauf zu104 s. Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, Bd. 1, 10. Aufl., Berlin 1980, Stichwort: Aufgeben, u. Bd. 6, 3. Aufl., Berlin 1982, Stichwort: Verhindern. 105 Otparlik, Versuch, S. 15, 30; ähnlich Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437); Jäger, Rücktritt, S. 89 f. 106 So bereits Schuch, Versuch, S. 47; ebenso Jäger, Rücktritt, S. 90. 107 Gutmann, Freiwilligkeit, S. 89, ferner S. 83 f., 97; vgl. auch Hilgendorf, Fallsammlung, S. 34.

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rückführen lasse, dass § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB keine Kausalität des Aufgebens für das Ausbleiben der Vollendung erfordere, bzw., sofern man auch für die Aufgabe Kausalität verlange, aus § 24 Abs. 1 S. 2 StGB abzuleiten sei, da auch ein Unterlassen ein Verhinderungsbemühen darstellen könne.108 Zutreffend ist, dass nur derjenige, der noch nicht mit der Vollendung rechnet, die weitere Tatausführung aufgeben kann; glaubt der Täter, er habe alles Nötige getan, kommt sein bloßes Unterlassen einem Warten auf die Vollendung gleich. Ob dieses – auch von der objektiven Abgrenzungslehre geforderte – subjektive Element allerdings allein ausreicht, dem lediglich nicht weiterhandelnden Täter Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB einzubringen, oder ob neben dem Aufgabewillen gleichsam als objektives Element das Nichtweiterhandeln des Täters das tatsächlich ausreichende Verhalten darstellen muss, ist durch den Begriff des „Aufgebens der weiteren Tatausführung“ nicht zwingend festgelegt. Dass ein schlichtes Nichtweiterhandeln des Täters ein Bemühen um Vollendungsverhinderung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB darstellen kann, liegt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eher fern: Die bloße Untätigkeit stellt gerade kein „aktives Bewirken“ des Nichteintritts eines Ereignisses im Sinne der Verhinderungsdefinition dar. cc) Zwischenergebnis Der allgemeine Sprachgebrauch der Begriffe „aufgeben“ und „verhindern“ lässt mithin sowohl den subjektiven als auch den objektiven Abgrenzungsweg zu. b) Der besondere Sprachgebrauch des StGB Von beiden Abgrenzungsansätzen wird außerdem der Gebrauch der Begriffe „aufgeben“ und „verhindern“ im Rahmen des § 31 Abs. 1 StGB als besonderer Sprachgebrauch herangezogen. Jedoch ergeben sich auch hieraus keine zwingenden Schlüsse: Soll den Anhängern der objektiven Ansicht zufolge die Verwendung des Terminus „etwa bestehende Gefahr“ dort auf das Erfordernis einer tatsächlichen Gefahr hindeuten und so zeigen, dass „abwenden“ und damit auch „aufgeben“ stets in einem objektiven Zusammenhang gemeint sei,109 wird die Abwendung der Gefahr i. S. des § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB von der wohl überwiegenden Ansicht subjektiv interpretiert110 bzw. aus dem Fehlen der Phrase „etwa

108

Vgl. dazu Roxin, AT II, § 30 Rn. 34, 41 f.; ähnlich Krauß, JuS 1981, 883 (885). Hierfür spricht der Wille des Gesetzgebers, wonach es „lediglich darauf an[kommen soll], ob eine solche Gefahr in Wirklichkeit besteht“, s. Begründung zum E 1962, S. 155. Objektiv im Rahmen des § 31 StGB deshalb Bottke, Methodik, S. 54 ff.; Tröndle/Fischer, 49. Aufl., § 31 Rn. 4. 109

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bestehende Gefahr“ in § 24 Abs. 1 S. 1 StGB geschlossen, hier sei keine solche zu verlangen.111 Dem ist noch hinzuzufügen, dass § 31 StGB ohnehin Fälle der Beteiligung mehrerer betrifft, sich mithin allenfalls mit § 24 Abs. 2 StGB vergleichen ließe, für die Abgrenzung im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB aber kaum etwas besagen kann.112 5. Die Argumentation aus dem Regelungs- und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes Unter mehreren, dem Wortsinn nach möglichen Auslegungen verdient diejenige den Vorzug, die eine sachliche Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen des StGB sowie deren Interpretation durch Rechtsprechung und Jurisprudenz und damit eine einheitliche Systematik gewährleistet.113 Es gilt daher zu ergründen, ob nach dem Bedeutungszusammenhang des StGB tatsächlich oder lediglich nach der Tätervorstellung eine Situation vorliegen muss, in der das Unterlassen weiterer Tatausführungshandlungen für eine Strafbefreiung i. S. des § 24 Abs. 1 StGB genügt. a) Systematische Einwände aus § 24 Abs. 1 StGB selbst aa) Objektive Beendigung und Ausbleiben des Erfolges Seit jeher wird der objektiven Abgrenzungslehre Unlogik und Widersprüchlichkeit vorgeworfen: Habe der Täter wirklich alles zur Vollendung Notwendige getan, könne es gar nicht beim Versuch bleiben, sondern müsse die Vollendung notwendig eintreten.114 Deshalb führe die objektive Formel statt zum Beweise zur völligen Vernichtung des Begriffs des beendeten Versuchs.115 Dabei wird jedoch übersehen, dass sich in der Zeit zwischen Abschluss der Ausführungshandlung und Erfolgseintritt sowohl dem Täter als auch Dritten oder dem Opfer die Möglichkeit bieten kann, die Vollendung der Tat abzuwenden, d.h. auch bei zunächst gegebener objektiver Gefahr die Vollendung letzt110 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 31 Rn. 3; LK-Roxin, § 31 Rn. 5 ff.; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 31 Rn. 5. 111 So z. B. Bottke, Methodik, S. 429. 112 Ähnlich auch Otparlik, Versuch, S. 77. 113 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, Kapitel 4, 2 b (S. 145); Schmalz, Methodenlehre, Rn. 238 ff. 114 Dieses Argument der „contradictio in adjecto“ geht zurück auf v. Bar, Gesetz und Schuld II, § 268 (S. 518); zustimmend z. B. Loeb, Versuch, S. 25. Vgl. dazu Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 121 Fn. 164. 115 Köstlin, Revision, S. 421; ebenso bereits John, Entwurf, S. 208; ähnlich Berner, GS 17 (1865), 81 (91); Frank, § 43 IV (S. 92); Meyer/Allfeld, Lehrbuch, S. 192 Fn. 15.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

lich ausbleiben kann.116 Zuzugeben ist der Kritik allerdings, dass bei einer objektiven Abgrenzung die Fälle des beendeten Versuchs auf eben jene reduziert würden, in denen der Erfolgseintritt im allerletzten Augenblick durch das Opfer selbst, einen Dritten oder höhere Gewalt verhindert wird.117 Dass damit dem beendeten Versuch – wie teilweise behauptet – absoluter Seltenheitswert verliehen wird,118 ist allerdings zu bezweifeln. In eine ähnliche Richtung geht der Einwand Jakobs’, dass sich bei jedem Versuch, der Versuch bleibe, letztlich dessen Erfolgsuntauglichkeit herausstelle. Der Täter müsse bei einer objektiven Bestimmung der Rücktrittsleistung bloß abwarten, um in den Genuss des Rücktritts durch Aufgabe zu kommen.119 Indes gilt dieses Bedenken unabhängig von der Beurteilungsgrundlage, da der Gefahrbegriff, ganz gleich, ob subjektiv oder objektiv interpretiert, immer eine Wahrscheinlichkeitsrechnung beinhaltet, die zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich ausfallen kann.120 So wird gerade von der Gegenseite vorgetragen, bei einer objektiven Abgrenzung komme es viel weniger zu derartigen Wechseln und Umwandlungen, würde sich demnach die Fehlvorstellungsproblematik samt Korrekturfragen nach einer Vorstellungsänderung des Täters von vornherein nicht stellen.121 In Wirklichkeit beziehen sich derartige Vorbehalte indes auf den für die Bestimmung der Rücktrittsleistung maßgeblichen Zeitpunkt;122 Schlussfolgerungen auf die insoweit maßgebliche Perspektive lassen sich hieraus nicht ziehen. bb) Der Zusammenhang mit dem untauglichen Versuch Vielerorts wird der Zusammenhang mit dem untauglichen Versuch in die Diskussion um den Abgrenzungsmaßstab eingebracht: So wird der subjektiven Abgrenzungslehre vorgeworfen, sie gelange zu einer kriminalpolitisch verfehlten Privilegierung des Täters, der bereits tatsächlich und nach seiner Vorstellung eine Vollendungsgefahr herbeigeführt hat, gegenüber demjenigen, der das Bestehen einer solchen lediglich irrig annimmt. Denn ersterer müsse lediglich gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB kausal die Vollendung verhindern, letzterer sich hingegen stets gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB ernsthaft um die Verhinde-

116 Zutreffend bereits Henkel, JW 1937, 2375 (2376); Schuch, Versuch, S. 33; vgl. ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 134 Fn. 234. 117 Vgl. auch Gutmann, Freiwilligkeit, S. 107; Krauthammer, Rücktritt, S. 18; Spohr, Rücktritt, S. 35. 118 So v. Hufnagel, Commentar III, S. 70 f.; vgl. auch Berner, GS 17 (1865), 81 (91). 119 Vgl. Jakobs, AT, § 26/14 Fn. 24. 120 Ähnlich Otparlik, Versuch, S. 77. 121 Otparlik, Versuch, S. 100, 269; vgl. dazu auch Jäger, NStZ 1999, 608 (609). 122 Vgl. dazu ausf. Vierter Teil B.

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rung der Vollendung bemühen, was die an sich höhere Verhaltensanforderung darstelle.123 Dem lässt sich jedoch mit den Anhängern der subjektiven Abgrenzungslehre – von der Möglichkeit einer angleichenden Auslegung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB an § 24 Abs. 1 S. 2 StGB durch höhere Erfordernisse an das Verhindern124 bzw. niedrigere Anforderungen an das ernsthafte Bemühen125 oder einer Bestrafung wegen eines anschließenden Unterlassungsversuchs126 einmal abgesehen – entgegenhalten, dass das Verhindern und das Verhinderungsbemühen nicht in einem Weniger-Mehr-Verhältnis zueinander stehen, ersteres also nicht pauschal die „billigere Lösung“ für den rücktrittswilligen Täter darstellt. So kann etwa ein ernsthaftes Bemühen auch vorliegen, wenn der Täter zwar das Bestmögliche bzw. grundsätzlich Geeignete getan hat, dadurch aber gerade nicht kausal die Vollendung verhindert hätte. Vor allem aber kommt die objektive Abgrenzungslehre – wie gezeigt – im Fall einer lediglich vermeintlichen Vollendungsgefahr ohnehin zu demselben Ergebnis wie der subjektive Ansatz, da der geforderte Rücktrittsentschluss allein durch ein Verhalten demonstriert werden kann, das einem ernsthaften Verhinderungsbemühen sehr nahe kommt. Deshalb geht schließlich auch die gegenüber der objektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung geäußerte Kritik, sie bevorzuge contra legem den untauglichen Versuchstäter, indem sie den untauglichen Versuch stets als unbeendeten mit einer einfachen Rücktrittsmöglichkeit ansehe,127 ins Leere. cc) Der Zusammenhang mit der Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB Im Hinblick auf die zentrale Fallgestaltung der vom Täter nicht erkannten Vollendungsgefahr wird zur Begründung der Maßgeblichkeit der Tätervorstel123 So vor allem Otparlik, Versuch, S. 11, 12, 24, 65 f., 234, 262. Dieses Bedenken führt die vor Einführung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB geübte Kritik, bei subjektiver Abgrenzung werde der untaugliche, also eigentlich harmlosere Versuch strenger geahndet als der taugliche Versuch, da von ersterem niemals ein Rücktritt möglich sei, in abgewandelter Form fort. Zur alten Rechtslage z. B. Krauthammer, Rücktritt, S. 19 f.; Schuch, Versuch, S. 41. Der BGH hatte indes schon nach der bis 1975 geltenden Rechtslage durch die Heranziehung des in § 49a Abs. 4 StGB a. F. (dem heutigen § 31 Abs. 2 StGB) enthaltenen Rechtsgedankens entgegen der Rspr. des RG einen Rücktritt vom untauglichen Versuch bei ernstlichen Verhinderungsbemühungen des Täters zugelassen, s. BGHSt 11, 324; vgl. hierzu Roxin, AT II, § 30 Rn. 266. 124 So Blei, AT, § 69 III 2 a; Roxin, JR 1986, 424 (427); ausf. hierzu Bloy, JuS 1987, 528 (533 ff.); dagegen jedoch die h. M., vgl. SK-Rudolphi, § 24 Rn. 27 c; ders., NStZ 1989, 508 (514) m.w. N. 125 SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15b (ernstliches Bemühen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB schon durch einfache Untätigkeit); dagegen aber Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (443). 126 Vgl. dazu Jakobs, § 26/21. 127 So Bach, Rücktritt, S. 8; Gutmann, Freiwilligkeit, S. 106; vgl. ferner Dreßler, Vorbereitung, S. 116.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

lung in systematischer Hinsicht vor allem die Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB herangezogen, die verdeutliche, dass dann, wenn das Opfer den Täter „zufällig nicht braucht“, normbestätigendes Verhalten auch ohne Rettungskausalität für den Rücktritt genüge.128 Entscheide aber bei der Alternative des Verhinderns die Tätervorstellung, sei nicht einzusehen, warum es in Bezug auf das Aufgeben der weiteren Tatausführung zu einem Perspektivenwechsel kommen solle, müsse folglich das Aufhören in der Annahme, die Vollendung sei aufgrund des bisher Getanen noch nicht möglich, zur Erlangung von Strafbefreiung genügen.129 Die Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB bildet in der Tat einen wichtigen Ansatzpunkt für eine subjektive Bestimmung der Rücktrittsleistung. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Täter sich in der § 24 Abs. 1 S. 2 StGB zugrunde liegenden Konstellation – wie bereits im Ersten Teil der Arbeit dargelegt130 – nicht darüber falsche Vorstellungen macht, welche Rücktrittsleistung er zu erbringen hat, sondern darüber, welche Wirkung seine – in zutreffender Einschätzung der Gefährdungslage – vorgenommene Verhinderungshandlung nach sich zieht.131 Zwingend wäre eine Übertragung der maßgeblichen Perspektive demnach nur, wenn diesem Unterschied im Bezugspunkt der Fehlvorstellung keine Bedeutung zukäme. Solange dies nicht belegt ist, ließen sich aber der Unterschied im Bezugspunkt und die Tatsache, dass in § 24 Abs. 1 StGB lediglich für den Fall des aktiven Verhinderns eine ausdrückliche Fehlvorstellungsregelung geschaffen wurde, ebenso gut für das Erfordernis einer kausalen Gefährdungsbeseitigung bei der Aufgabe anführen. In dieselbe Richtung weist das für den objektiven Abgrenzungsmaßstab vorgebrachte Argument, die Regelung des Verhinderns in § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sei allein dadurch zu erklären, dass der Gesetzgeber Fälle im Auge hatte, in denen die Vollendung ohne Rücksicht auf die Tätervorstellung drohe: Bei alleiniger Maßgeblichkeit der Tätervorstellung hinsichtlich der Vollendungsgefahr sei § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB hingegen überflüssig, weil der Gesetzgeber sich mit § 24 Abs. 1 S. 2 StGB hätte begnügen können; beim Versuch bleibe schließlich die Vollendung naturgemäß – entweder durch Verhindern des Täters oder aus vom Täter unabhängigen Umständen – aus.132

128 Krauß, JuS 1981, 883 (885); s. a. Weinhold, Rettungsverhalten, S. 127. Anders noch Schuch, Versuch, S. 47, unter Zugrundelegung der damaligen Rechtslage ohne Entsprechung zu § 24 Abs. 1 S. 2 StGB. 129 Vgl. Roxin, AT II, § 30 Rn. 157; ferner Rn. 34, 41 f.; ähnlich Krauß, JuS 1981, 883 (885). S. nun auch Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (377). 130 s. Erster Teil C. II. 131 Der subjektiven Abgrenzungslehre zufolge erfasst § 24 Abs. 1 S. 2 StGB freilich auch den Fall des untauglichen Versuchs, in dem sich der Täter zunächst über die Wirksamkeit seiner Tathandlung und infolgedessen über die Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung irrt.

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Vor allem aufgrund der aufgezeigten, unterschiedlichen Bezugspunkte der Fehlvorstellung erscheint jedoch auch ein solcher Gegenschluss keinesfalls zwingend. Die Frage, ob sich die erforderliche Rücktrittsleistung wie die Wirksamkeit der Verhinderungshandlung nach der Tätervorstellung oder gerade im Gegensatz hierzu nach der objektiven Sachlage bestimmt, wird durch die Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB nicht beantwortet. b) Der Zusammenhang mit der Versuchsregelung aa) Der Widerspruch zwischen dem versuchs- und dem rücktrittsrechtlichen Versuchsbegriff Beide Abgrenzungstheorien verweisen außerdem auf angebliche bedenkliche Widersprüche zwischen dem versuchsrechtlichen und dem rücktrittsrechtlichen Versuchsbegriff, die sich nach der jeweils anderen Theorie ergeben sollen: So wird einerseits vorgebracht, die subjektive Auffassung müsse den abergläubischen Versuch versuchsrechtlich nicht als strafbaren Versuch, rücktrittsrechtlich aber als beendeten Versuch ansehen, solange der Täter nur subjektiv an den Erfolgseintritt glaube.133 Zu ähnlich widersinnigen Ergebnissen komme es auch bei sog. Distanzdelikten, falls man im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i. S. des § 22 StGB die tatsächliche Gefährdung des Opfers oder ein anderes objektives Element verlange, weil es dann tatbestandlich am unmittelbaren Ansetzen fehlen, rücktrittsrechtlich aber ein beendeter Versuch vorliegen könne.134 Der objektiven Abgrenzungslehre werden derartige Widersprüche in einem noch gravierenderen Ausmaß vorgeworfen: Sie könne aufgrund bestehender Vollendungsgefahr eine rücktrittsrechtliche Versuchsbeendigung annehmen, obgleich die Versuchszone noch nicht einmal erreicht sei, weil der Täter nach seiner – nach § 22 StGB maßgeblichen – Vorstellung noch gar nicht zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt habe.135 Den angeprangerten Widersprüchlichkeiten kommt indes für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung bereits deshalb keine Bedeutung zu, weil eine solche erst im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB erfolgt, dessen Anwendbarkeit das Vorliegen eines strafbaren Versuchs voraussetzt. Solange die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch noch nicht überschritten und noch kein strafbarer Versuch konstatiert ist, besteht weder Anlass noch Möglichkeit, sich

132 Jäger, Rücktritt, S. 92. Dies entspricht weitgehend dem Vorschlag Herzbergs für eine Gesetzesänderung, s. z. B. MK-Herzberg, § 24 Rn. 5 ff. 133 So bereits Berner, GS 17 (1865), 81 (91); zustimmend Ulsenheimer, Grundfragen, S. 135. 134 Vgl. dazu BGHSt 43, 177 (181); ferner Tröndle/Fischer, § 22 Rn. 28 m.w. N. 135 Gössel, JA 1977, 287 (288); vgl. auch ders., ZStW 87, 3 (22 ff.).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

der nachrangigen Rücktrittsfrage und damit der vermeintlichen Sinnwidrigkeit zu stellen.136 bb) Der Zusammenhang mit der subjektiven Versuchstheorie Der Vorwurf der Widersprüchlichkeit weist allerdings auf ein tieferes systematisches Bedenken hin, das gegen eine objektive Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung ins Feld geführt wird, nämlich deren Unvereinbarkeit mit der subjektiven Versuchstheorie.137 In diesem Zusammenhang ist jedoch zunächst dem Einwand von Borchert/ Hellmann entgegenzutreten, der Versuch werde – wie auch die Vollendung – zwar auf subjektiver Grundlage, letztlich aber doch nach objektiven Merkmalen abgegrenzt:138 Dass die heutige Versuchslehre primär subjektiv ausgerichtet ist, ergibt sich zum einen aus § 22 StGB, wonach der Versuchsbeginn ein unmittelbares Ansetzen des Täters „nach seiner Vorstellung von der Tat“ erfordert, mithin ein zwar objektiver Maßstab aber auf subjektiver Beurteilungsgrundlage heranzuziehen ist.139 Bestätigt wird das Wesen des Versuchs als Übergreifen der subjektiven Seite über die objektive durch einen e-contrario-Schluss aus § 23 Abs. 3 StGB, der sogar den grob unverständigen Versuch für grundsätzlich strafbar befindet.140 Fraglich erscheint indes andererseits, ob diese primär subjektive Bestimmung des Versuchsbeginns bereits aus systematischen Erwägungen eine Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung nach der Vorstellung des Delinquenten nach sich ziehen muss. Teilweise wird eine derart einheitliche Konzeption mit der Begründung abgelehnt, der Gesetzgeber habe in § 24 Abs. 1 StGB – gerade anders als in § 22 StGB – nicht das Vorstellungsbild des Täters für maßgeblich erklärt.141 Andere wollen aus der individuell-objektiven Methode der Unterscheidung zwischen Vorbereitung und Versuch allenfalls eine Beurteilung des Rücktritts nach objektiven und subjektiven Kriterien folgern, nicht aber das 136 Vgl. auch Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (439); zustimmend Otparlik, Versuch, S. 78 f.; ähnlich Weinhold, Rettungsverhalten, S. 122. 137 s. z. B. Bach, Rücktritt, S. 8; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 13, 45; ferner Gössel, JA 1977, 287 (288); LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 95. 138 Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (439) mit Fn. 48. 139 Zur heute herrschenden subjektiven Versuchstheorie s. ausf. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 60 ff.; ferner § 22 Rn. 3 ff.; 77; 87 f.; ders., Roxin-FS, 689 ff. (702), sowie Roxin, AT II, § 29 Rn. 5 f. Anders, objektiv, zuletzt Spendel, NJW 1965, 1881 ff. Zum Ganzen s. a. Bottke, Methodik, S. 421; Weidemann, GA 1986, 409 (415). 140 Vgl. hierzu LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 183; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 132 f. 141 Otparlik, Versuch, S. 75. Ähnlich Jäger, Rücktritt, S. 87, demzufolge § 24 StGB auch Stadien im Auge habe, in denen sich der Versuch „dem Täter zurechenbar, bereits gefährlich verselbständigt haben“ könne.

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Verwehrtsein einer objektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung bei § 24 StGB.142 Von der subjektiv abgrenzenden Auffassung wird dagegen eingewandt, angesichts der Tatsache, dass es bereits bei der Frage, ob überhaupt ein Versuch vorliege, auf die Tätervorstellung ankomme, „wäre es merkwürdig, wenn bei der Abgrenzung der beiden Rücktrittsalternativen das Bild des Delinquenten von dem erreichten Tatstadium, also sein ,Gefahrbewusstsein‘, gänzlich irrelevant wäre.“143 Einzig eine Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung nach subjektiven Kriterien vermeide ein Gegeneinander verschiedener Prinzipien sowie systematische Brüche mit der subjektiven Versuchstheorie.144 Denjenigen, die für eine einheitliche Konzeption zwischen Versuchs- und Rücktrittsbereich eintreten, ist im Grundsatz zuzustimmen: Der primär subjektiv bestimmte Versuch muss im Rücktritt seine Entsprechung finden. Allerdings ist zu beachten, dass auch die Anhänger der objektiven Abgrenzung mit dem Rücktrittsentschluss oder der Freiwilligkeit im Rücktrittsbereich subjektive Elemente fordern. Ob diese Elemente ausreichen bzw. in welchem Verhältnis das unmittelbare Ansetzen zum Versuch und das Rücktrittsverhalten stehen, lässt sich dabei nicht aus rein systematischen Erwägungen beantworten, sondern erfordert eine Heranziehung weiterer Aspekte. Die Tatsache, dass der Versuchsbeginn maßgeblich nach der Tätervorstellung zu bestimmen ist, weist damit zwar auf eine subjektive Prägung auch des Rücktritts hin, erzwingt aber nicht notwendig eine ausschließlich subjektive Bestimmung der vom Täter geforderten Rücktrittsleistung. c) Der Zusammenhang mit der Situation des misslungenen Rücktritts Die Maßgeblichkeit der objektiven Gefährdungslage wird für die umstrittene Konstellation der vom Täter nicht erkannten Vollendungsgefahr zudem nicht selten aus einem Vergleich mit der Situation des sog. „misslungenen Rücktritts“ abgeleitet: Tritt der Erfolg entgegen der Vorstellung des Täters ein, hafte dieser nach überwiegender Ansicht wegen vollendeten Delikts.145 Wieso er – objektiv und subjektiv in derselben Situation – allein deshalb Strafbefreiung gemäß § 24 142

Vgl. erneut Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (439). So Bottke, Methodik, S. 427; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 74. Ebenso z. B. Krauß, JuS 1981, 883 (884); NK-Zaczyk, § 24 Rn. 45; Weidemann, GA 1986, 409 (411, 414 f.). Für eine Abstimmung mit der Versuchstheorie tritt schon Goldschmidt, Lehre, S. 58, ein. 144 So bereits RGSt 43, 138 f.; Spohr, Rücktritt, S. 37; aus der heute h. L. z. B. Gössel, ZStW 87 (1975), 3 (4, 23); Gropp, § 9 Rn. 52; v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (37 ff.); Nolden, Rücktritt, S. 29, 46. 145 Dazu und zu der Frage des „Rücktritts von der Vollendung“ s. ausf. Dritter Teil A. 143

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Abs. 1 S. 1 StGB erlangen solle, weil der Erfolgseintritt zufällig und von seinem Verhalten unabhängig – also etwa aufgrund des Eingreifens Dritter oder des Opfers – ausbleibt, sei nicht nachvollziehbar.146 Ebenso wie das Vollendungsrisiko müsse der Delinquent auch das Beendigungsrisiko, also das Risiko einer Fehleinschätzung hinsichtlich der erforderlichen Rücktrittsleistung, tragen. Denn werfe man ihm bei Erfolgseintritt vor, er hätte aktiv eingreifen müssen, könne man diese Forderung bei einem Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung nicht fallen lassen, da für die Erfolgsabwendungspflicht angesichts der vorhandenen Rechtsgutsgefährdung der Maßstab ex ante gelte.147 Dass ein mehr oder weniger zufälliger Erfolgseintritt über Straflosigkeit und Vollendungsstrafbarkeit eines Täters entscheiden soll, erscheint tatsächlich widersprüchlich, das Ziel, die Lösung beider Konstellationen aufeinander abzustimmen, mithin durchaus legitim. Jedoch kann – abgesehen davon, dass die Annahme einer Vollendungsstrafe in dieser Fallgestaltung äußerst kontrovers diskutiert wird148 – aus der Vollendungsbestrafung im Fall des Erfolgseintritts kein systematisches Argument für eine Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg abgeleitet werden, da beide Fallgestaltungen unterschiedlichen strafrechtlichen Themenkomplexen entstammen: Die sich bei einem Erfolgseintritt zuerst ergebende Problematik betrifft nämlich die Frage der tatbestandlichen Zurechnung dieses Erfolges zum Vorsatz des Täters und kann schon deshalb keine unmittelbare Bedeutung für Rücktrittsfragen haben.149 Vor allem aber wird die Bestrafung wegen vollendeter Tat beim sog. „misslungenen Rücktritt“ nicht mit dem Vorhandensein oder dem Fehlen eines entsprechenden Gefahrbewusstseins nach vorgenommener Ausführungshandlung begründet, sondern über die vorsätzliche Vornahme der Ausführungshandlung selbst in Verbindung mit der Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung vom Kausalverlauf.150 Zu der Frage, ob mit Blick auf das besondere Nachtatverhalten des Rücktritts der objektiven Gefahrenlage oder der Tätervorstellung entscheidende Bedeutung zukommt, ist damit nichts gesagt. Wenngleich das Zusammenspiel der beiden Konstellationen bei der weiteren Untersuchung nicht außer Acht bleiben darf, sondern es bestehende Unstimmigkeiten wenn möglich aufzulösen oder jedenfalls zu verringern gilt, lässt sich aus der Bürde des Erfolgsrisikos nicht schlussfolgern, den Täter müsse auch das Rücktrittsrisiko treffen. 146 Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (443 f.); Jäger, Rücktritt, S. 90; ferner Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224 f. 147 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224 f.; vgl. bereits Schuch, Versuch, S. 36; ferner Krauß, JuS 1981, 883 (886). 148 Dazu ausf. Dritter Teil A. III. 149 Ähnlich Bottke, Methodik, S. 427 f.; vgl. ferner Nolden, Rücktritt, S. 34; SKRudolphi, § 24 Rn. 16. 150 Dazu s. Bottke, Methodik, S. 428; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 67.

B. Die Beurteilungsgrundlage

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d) Der Zusammenhang mit der Unterlassungsstrafbarkeit Schließlich kann auch das Zusammenspiel der Rücktrittsleistung mit der Pflichtenstellung des Versuchstäters aus vorangegangenem Tun (sog. Ingerenz) nicht entscheidend für eine objektive Abgrenzung angeführt werden: Dem Vorbringen, um im Fall der nicht erkannten Gefahr Friktionen zu vermeiden, müsse sich die erforderliche Rücktrittsleistung wie die Erfolgsabwendungspflicht in erster Linie nach der objektiven Sachlage richten,151 lässt sich mit Ulsenheimer entgegnen, dass eine Unterlassungsstrafbarkeit im Falle des Nichterkennens der Vollendungsgefahr am erforderlichen Vorsatz scheitert.152 Ein vorsätzlicher Schuldvorwurf an den Täter, er hätte rettend eingreifen müssen, setzt stets voraus, dass er die Notwendigkeit zur aktiven Gegensteuerung gesehen hat, was bei einem die Gefahr nicht erkennender Täter gerade nicht der Fall ist. e) Zwischenergebnis Insgesamt können dem Bedeutungszusammenhang des StGB zwar mehrheitlich, jedoch keine zwingenden Anhaltspunkte für eine Maßgeblichkeit der Tätervorstellung bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung entnommen werden. 6. Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm Ohne den heute angesichts der Vielzahl der vertretenen Ansichten kaum noch überschaubaren Streit um den § 24 Abs. 1 StGB zugrunde liegenden gesetzgeberischen Leitgedanken in seinen Einzelheiten darzustellen,153 ist deshalb unter Berücksichtigung der verfolgten wesentlichen Argumentationslinien zu untersuchen, ob nach der Normvorstellung des Gesetzgebers die tatsächliche Gefährdungslage oder die Tätervorstellung über die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung entscheidet. a) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes Nach der sog. Lehre von der goldenen Brücke beruht die Rücktrittsvorschrift auf dem Gedanken, dass man dem Täter einen Anreiz, eine „goldene Brücke“, schaffen muss, um in die Legalität zurückzukehren und von der Vollendung der 151

So Heckler, Ermittlung, S. 171 ff.; vgl. hierzu auch Geilen, JK 80, StGB § 24/4. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 222 f. Das Problem der Abstimmung mit der Ingerenzverpflichtung stellt sich indes bei der Festlegung des maßgeblichen Inhalts der Tätervorstellung, s. Zweiter Teil C. I. 2. b) cc), 3. c). 153 Gute und gründliche Übersichten zum Meinungsstand in Bezug auf die Ratio des § 24 StGB finden sich z. B. bei Schäfer, Privilegierung, S. 13–95, und Ulsenheimer, Grundfragen, S. 33–119. 152

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Tat abzustehen. Dieser Anreiz ist das Versprechen, bei einem Rückritt seinen Versuch nicht zu bestrafen.154 Heute wird dieser Gedanke typischerweise mit dem Opferschutzgedanken verbunden, indem darauf verwiesen wird, die kriminalpolitisch ausgerichtete Idee, dem Täter eine „goldene Brücke“ zurück in die Legalität zu bauen, ziele in ihrem Kern darauf ab, bestmöglichen präventiven Rechtsgüterschutz zu erreichen.155 Mit dem Anreizgedanken wäre es sicherlich nicht zu vereinbaren, dem Täter im Fall der lediglich vermeintlichen Vollendungsgefahr für sein bloßes Nichtweiterhandeln Straffreiheit zu gewähren, da er hierdurch nicht in die Legalität zurückkehrt. Deshalb hat sich die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung in dieser Fallgestaltung an der Vorstellung des Täters auszurichten.156 Eine Rücksichtnahme auf die tatsächliche Lage würde auch dem Opfer nichts nützen, da der Täter von den danach geringeren Anforderungen nichts weiß, sondern seine Entscheidung für oder gegen den Rücktritt aufgrund seiner Vorstellung fällt.157 Kampermann zufolge entstünde bei einer objektiven Bestimmung der Rücktrittsleistung sogar die Gefahr, dass der von einer objektiven Gefährdung ausgehende Täter die Erfolgsverhinderung in der vagen Hoffnung unterlasse, eine Gefährdung liege noch nicht vor.158 Diesen Forderungen für die Konstellation der nur vermeintlichen Vollendungsgefahr trägt indes nicht nur der subjektive, sondern auch der objektive Abgrenzungsansatz Rechnung, indem er vom Täter einen Rücktrittsentschluss verlangt. Als problematischer erweist sich die Anwendung des Anreiz- und Opferschutzgedankens auf die umgekehrte und umstrittene Fallgestaltung der tatsächlich bestehenden, vom Täter aber nicht erkannten Vollendungsgefahr. Denn ob der Täter durch die Anordnung der Strafbefreiung in § 24 Abs. 1 StGB lediglich zur wirklichen Beseitigung der Gefahr oder auch zu einer nur vermeintlichen Rückkehr in die Legalität ermuntert werden soll, lässt sich nicht ohne weiteres sagen.159 So wird etwa im Hinblick auf die Erreichung effektiven Opferschutzes teilweise vorgebracht, man verhöhne das Opfer, wenn man dem dieses schwer verletzenden Täter deshalb Straffreiheit gewähre, weil er irrtümlich nur eine leichte Verletzung angenommen habe.160 154 Dieser Gedanke war in der Rspr. des Reichsgerichts herrschend, s. z. B. RGSt 6, 341 (342); 63, 158 (159); 73, 52 (60); ebenso in der älteren deutschen Literatur, s. insbes. v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch, S. 315. Vgl. dazu Ulsenheimer, Grundfragen, S. 42 m. v. w. N. in Fn. 60. 155 So z. B. Puppe, NStZ 1984, 488 (490); Weinhold, Rettungsverhalten, S. 31 f. 156 Übereinstimmend Lampe, JuS 1989, 610 (616). 157 Weinhold, Rettungsverhalten, S. 124. 158 Kampermann, Grundkonstellationen, S. 210 f. 159 Für letzteres Lampe, JuS 1989. 610 (616). 160 Heckler, Ermittlung, S. 164; ebenso Otparlik, Versuch, S. 71, 76; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224; vgl. außerdem Jäger, NStZ 1999, 608 f.

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Eine objektiv ausgerichtete Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung ist jedoch bei einer konsequenten Anwendung des Opferschutzgedankens abzulehnen: Zwar kommt der objektiven Gefährdungslage mit Blick auf den Rechtsgüterschutz grundsätzlich maßgebliche Bedeutung zu, doch wird diese und damit auch das Opferinteresse über die Psyche des Täters vermittelt. Gerade im Fall der nicht erkannten Vollendungsgefahr wird für das Opfer nichts dadurch erreicht, dass man vom Täter ein aus dessen Sicht nicht erforderliches, ja sinnloses Verhalten verlangt.161 Allein bestimmend für das Verhalten des Täters ist seine Vorstellung. Die Anreizschaffung muss deshalb darauf gerichtet sein, von ihm ein seiner Vorstellung entsprechendes Verhalten zu fordern; dem entspricht eine subjektive Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung. b) Der Verdienstlichkeitsgedanke Ein anderer Ansatz geht davon aus, dass durch die „Prämie“ der Strafbefreiung das Verdienst des Täters belohnt wird, das er sich durch den strafbefreienden Rücktritt erwirbt.162 Der Täter wiege das Gewicht des ihn treffenden Schuldvorwurfs „bis zu einem gewissen Grade wenigstens durch ein Gegengewicht verdienstlichen Handelns auf“.163 Auch nach dem Verdienstlichkeitsgedanken ergibt sich in der Fallgestaltung der nur vermeintlichen Vollendungsgefahr ein eindeutiges Ergebnis: Ein verdienstvolles Handeln erfordert zumindest auch den Willen oder das Wissen, verdienstlich zu handeln, d.h. den Eintritt der Vollendung zu vermeiden. Dies ist bei einem Täter, der in der Annahme einer Vollendungsgefahr lediglich nicht weiterhandelt, nicht der Fall. Allein die objektive Tauglichkeit seines Verhaltens zur Vermeidung der Vollendung kann deshalb nicht ausreichen, ihn mit Straffreiheit zu belohnen.164 Ob in der umstrittenen umgekehrten Konstellation der vom Täter nicht erkannten Vollendungsgefahr bereits die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung i. S. des Prämiengedankens verdienstlich sein kann oder ob die tatsächliche Umkehr der Rechtsgutsgefährdung hinzukommen muss, lässt sich hingegen nicht entscheiden. Einerseits wird hierzu vorgebracht, das entscheidende Ver161 Übereinstimmend Weinhold, Rettungsverhalten, S. 126 f.; vgl. ferner Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 8. 162 U. a. vertreten von Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420 f.); Jescheck/Weigend, AT, § 51 I 3. Nahe stehend Walter, Rücktritt, S. 37, 109, nach dem sich die Privilegierung des Rücktritts aus der „Normbefolgungsbereitschaft“ des Täters ergibt; vgl. auch Bockelmann/Volk, S. 214. 163 Jescheck/Weigend, AT, § 51 I 3. 164 So i. E. übereinstimmend die subjektive und – über das Erfordernis des „Rücktrittsentschlusses“ – die objektive Abgrenzung, vgl. nur Schröder, JuS 1962, 81 (82); ferner Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224; ebenso Walter, Rücktritt, S. 132 f.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

dienst des Täters liege in seiner inneren Umkehr, also dem Fallenlassen seines zunächst betätigten Entschlusses in der Vorstellung, hierdurch die verwirklichte Gefahr zu paralysieren.165 Schließlich werde hierdurch das Ausbleiben der Tatvollendung gerade erst ermöglicht.166 Dem wird jedoch entgegnet, das Aufgeben des Täters in dieser Situation bedeute nicht mehr als die selbstverständliche Voraussetzung dafür, dass es bei einem Versuch bleibe und sich somit die Rücktrittsfrage überhaupt stelle. Eine honorierungswürdige Umkehrleistung liege aber erst dann vor, wenn der Täter zudem die bestehende Rechtsgutsgefährdung tatsächlich umgekehrt habe.167 Die widerstreitenden Antworten in letzterer Fallgestaltung beruhen maßgeblich darauf, dass mit dem Verdienstlichkeitsgedanken letztlich nur der Gesetzestext des § 24 Abs. 1 StGB umschrieben, nicht aber festgelegt wird, warum der Rücktritt mit Straflosigkeit honoriert wird.168 Ohne eine Festlegung des Grundes für die Belohnung lässt sich indes nicht bestimmen, welches Verhalten im Fall der nicht erkannten Vollendungsgefahr belohnt werden soll; der Verdienstlichkeitsgedanke erweist sich damit für die rechtliche Bewertung dieser Fallgestaltung als unbrauchbar.169 c) Der Schulderfüllungsgedanke Eine ähnliche Problematik entsteht bei Anwendung der von Herzberg entwickelten Schulderfüllungstheorie, wonach der strafbefreiend Zurücktretende sich von staatlicher Zwangsandrohung befreit, weil er seine (Wiedergutmachungs-) Schuld durch eine ihm zurechenbare Leistung erfüllt; die Strafdrohung soll sich dann erledigen.170 Zwar kann bei einer vermeintlichen Vollendungsgefahr durch bloßes Nichtweiterhandeln mangels Erledigungsbewusstseins keine Straffreiheit eintreten, wobei allerdings bereits zweifelhaft erscheint, ob der Erledigungsgedanke bei einer tatsächlich nicht bestehenden Gefahr überhaupt Anwendung findet.171 Im Fall der nicht erkannten Vollendungsgefahr stellt sich indes analog zum Verdienstlichkeitsgedanken die Frage, worin die Wiedergutmachungsschuld des Tä165

Schröder, JuS 1962, 81 (82); vgl. auch Traub, NJW 1956, 1183 (1185). So Bottke, Methodik, S. 429; ferner Krauß, JuS 1981, 883 (885). 167 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224; zustimmend Otparlik, Versuch, S. 77. 168 Zu dieser Kritik am Verdienstlichkeitsgedanken vgl. Roxin, Heinitz-FS, S. 251 (271) m.w. N. 169 Zu einem eindeutigen Ergebnis kommt hingegen die dem Verdienstlichkeitsgedanken nahe stehende Ansicht Walters, Rücktritt, S. 132 f., wonach vom Täter grundsätzlich nur das verlangt werden kann, was dessen subjektiver Erkenntnishorizont ihm vorschreibt. 170 Herzberg, Lackner-FS, S. 325 (349 f.). 171 Kritisch hierzu Roxin, AT II, § 30 Rn. 28. 166

B. Die Beurteilungsgrundlage

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ters besteht, ohne deren Klärung nicht eindeutig festgelegt werden kann, ob die rein subjektive Umkehr genügt oder ob auch in objektiver Hinsicht Wiedergutmachung geleistet werden muss. d) Der Strafzweckgedanke Die herrschende Strafzwecktheorie besagt, dass bei einem Rücktritt des Täters dessen Bestrafung zur Erreichung der dem Strafrecht obliegenden Aufgaben nicht notwendig ist und durch keinen Strafzweck mehr gedeckt wäre: Zum einen habe der Täter gezeigt, dass sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre, und sich dadurch als mindergefährlich erwiesen.172 Daneben habe er den von ihm herbeigeführten rechtserschütternden Eindruck aufgehoben und so das Vertrauen der Bevölkerung in die Geltungskraft des Rechts wieder gestärkt.173 Auch bei Anwendung des Strafzweckgedankens ist im Fall der irrigen Annahme einer Vollendungsgefahr eine Strafbefreiung des lediglich untätig bleibenden Täters abzulehnen. Überlässt er das vermeintlich gefährdete Opfer seinem Schicksal, ist sein Verhalten weder geeignet, den rechtserschütternden Eindruck des begangenen Versuchs zu verwischen, noch seine Ungefährlichkeit zu beweisen.174 Der bloße Verzicht auf weitere, den Erfolgseintritt noch sicherer machende Handlungen lässt nicht den Schluss zu, der verbrecherische Wille des Täters sei nicht so stark gewesen wie zur Durchführung der Tat erforderlich.175 Kontrovers beurteilt wird aber die Frage, ob es nach Strafzweckerwägungen bei einer tatsächlich bestehenden, vom Täter nicht erkannten Vollendungsgefahr ausreicht, dass der Täter die nach seiner Vorstellung erforderliche und ausreichende Rücktrittsleistung erbringt, also lediglich nicht weiter handelt, oder ob er Verhinderungsbemühungen vornehmen muss.176 Weitgehende Übereinstimmung herrscht immerhin noch dahingehend, dass die Vorstellung des Täters darüber Aufschluss gibt, ob er weiterhin als gefährlich zu gelten hat. Bleibt ihm die Vollendungsgefahr verborgen, liegt in seinem Aufgabeverhalten keine Wertgleichgültigkeit und ist seine Bestrafung nicht erforderlich, um ihn künftig von weiteren Straftaten abzuhalten; er hat bereits ohne staatliche Maßnahmen auf den „Weg des Rechts“ zurückgefunden.177 172

Erstmals ausdrücklich in BGHSt 9, 48 (52); s. a. Roxin, Heinitz-FS, S. 251

(256). 173 So z. B. Krauß, JuS 1981, 883 (888); Krey, AT II, Rn. 455b; Schönke/Schröder/ Eser, § 24 Rn. 1 ff. 174 Rudolphi, NStZ 1983, 361 (363); vgl. ferner Puppe, NStZ 1986, 14 (15). Ebenso Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 137, der auf die Befriedungsfunktion des Rücktritts abstellt. 175 So Rudolphi, NStZ 1983, 361 (362 f.); ähnlich Lampe, JuS 1989, 610 (616). 176 Offen lassend Lampe, JuS 1989, 610 (616).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

In Bezug auf den Aspekt der Generalprävention wird indes gestritten und teilweise vorgebracht, der Täter müsse zur Paralysierung des Strafbedürfnisses beim Versuch und zur Herstellung eines im Hinblick auf das verletzte Rechtsgefühl zufrieden stellenden Ausgleichs stets auch den objektiven Versuchsteil entkräften.178 Der spezifische Erfolgsunwert in Form der Gefährlichkeit des Versuchs oder einer Störung des Rechtsfriedens bzw. der strafwürdige rechtserschütternde Eindruck, den der Versuch im Falle der Tauglichkeit durch die Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts bewirke,179 werde nur gelöscht, wenn die Gefahr tatsächlich aus der Welt geschaffen werde. Die Äußerung des guten Willens des Täters sei wesentlich, helfe aber allein noch nicht.180 In der Nichtvollendung manifestiere sich nur dann die unrechts- und schuldmindernde Wirkung des fehlenden Erfolgsunwerts, wenn der Täter die Vollendung durch Beseitigung der Gefahrenlage verhindere.181 Zutreffend an diesem Vorbringen ist die Feststellung, dass allein der gute Wille des umkehrbereiten Täters nicht ausreichen kann, um das Strafbedürfnis entfallen zu lassen. Jedoch darf der gewichtige objektive Faktor nicht übersehen werden, den die Tatsache des Ausbleibens des Taterfolgs mit sich bringt: Die generalpräventiven Strafbedürfnisse sind dann wesentlich geringer; übrig bleibt vor allem der Handlungsunwert, den der Delinquent zu revozieren hat.182 Bleibt er bei einer ihm unerkannten Vollendungsgefahr untätig, verhält er sich so, wie andere Versuchstäter mit seinem Wissen auch agiert hätten, die auf dem iter criminis umkehren wollten. Dadurch stellt er nicht nur seine eigene Rechtstreue und Mindergefährlichkeit unter Beweis, sondern verwischt er zugleich den durch das Mehr an Subjektivem entstandenen rechtserschütternden Eindruck des begangenen Versuchs. Eine Bestrafung ist deshalb auch nicht notwendig, um andere von derartigen Verhaltensweisen abzuschrecken oder die verletzte Rechtsordnung zu stabilisieren.183 177 Bottke, Methodik, S. 429 f., 432; Rudolphi, NStZ 1983, 361 (362); vgl. auch ders., JZ 1991, 525 (526). 178 So etwa Jäger, Rücktritt, S. 63; ähnlich Treplin, ZStW 76 (1964), 441 (468). Vgl. bereits Berner, GS 17 (1865), 81 (91). 179 Zur Vereinigungs- und Eindruckstheorie beim Strafgrund des Versuchs vgl. LKHillenkamp, Vor § 22 Rn. 77 ff., 83 ff.; Roxin, AT II, § 29 Rn. 10 ff., 46 ff. 180 Henkel, JW 1937, 2375 (2376). 181 So Ulsenheimer, Grundfragen, S. 224; ebenso Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (437, 442 f.); Heckler, Ermittlung, S. 163, 170; Otparlik, Versuch, S. 71. 182 Vgl. dazu Roxin, AT II, § 30 Rn. 8; ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 165. 183 Übereinstimmend Bottke, Methodik, S. 431 f.; vgl. dazu Rudolphi, NStZ 1983, 361 (362 f.). S. ferner Rudolphi, JZ 1991, 525 (526); ders. in SK, § 24 Rn. 3; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 127. Ähnlich Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 137, der die Situation bei Ausbleiben der Tatvollendung für befriedet hält, wenn der Täter das getan hat, was aufgrund seines subjektiven Erkenntnishorizonts von ihm zu fordern war.

B. Die Beurteilungsgrundlage

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Nach der sog. Strafzwecklehre muss mithin die Vorstellung des Täters über die von ihm zu erbringende Rücktrittsleistung entscheiden. Trotz tatsächlich bestehender Vollendungsgefahr kommt dem lediglich untätig bleibenden Täter das Privileg des § 24 Abs. 1 StGB zugute, wenn ihm die Vollendungsgefahr verborgen bleibt. e) Zwischenergebnis Die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung anhand der objektiven Gefährdungslage hat sich als mit dem Grundgedanken des Rücktritts, insbesondere dem Anreiz- und Opferschutzgedanken sowie dem Strafzweckgedanken, unvereinbar erwiesen. Maßgebende Bedeutung muss deshalb der Tätervorstellung zukommen. In der unterschiedlich beurteilten Fallgestaltung der vom Täter nicht erkannten Vollendungsgefahr genügt folglich das Aufgeben der Vollendung als das Verhalten, das der Vorstellung des Täters von der Gefährdungslage entspricht, zur Erlangung von Strafbefreiung. 7. Die Argumentation aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten Zuletzt bleibt zu prüfen, ob die Entscheidung für eine Abgrenzung nach der Tätervorstellung auch unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten standhält. a) Die Problematik des Beweises der Tätervorstellung Seit jeher werden gegen eine subjektive Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Praktikabilitätserwägungen, insbesondere Beweisschwierigkeiten, ins Feld geführt. Sie öffne Schutzbehauptungen des Täters unter Mithilfe findiger Verteidiger Tür und Tor und führe so zu vom Einlassungsgeschick des Täters abhängigen Ergebnissen.184 Das Gericht stehe einerseits vor großen Beweisschwierigkeiten bei der Feststellung der Tätervorstellung und könne andererseits durch entsprechende Unterstellungen selbst das Ergebnis beeinflussen. Eine objektive Abgrenzung vermeide solche Beweisschwierigkeiten und Unsicherheiten, indem sie eine klare, weil von jeder Psychologisierung ferne Leitlinie schaffe.185

184 Drastisch Ulsenheimer, Grundfragen, S. 235, der befürchtet, der Rücktritt werde so zum „Tummelplatz für Ausreden, Ausflüchte und Schutzbehauptungen des Angeklagten“. Ähnlich Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (435); zustimmend Heckler, Ermittlung, S. 171; Kienapfel, JR 1984, 72 (73); Walter, Rücktritt, S. 110. 185 Henkel, JW 1937, 2375 (2376); vgl. auch Hauf, AT, S. 148. Übereinstimmend ferner Heckler, Ermittlung, S. 171, der allerdings die sekundäre Natur dieses Vorteils anerkennt.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Zu Recht wird dem jedoch entgegengehalten, dass die Abhängigkeit vom Einlassungsgeschick des Angeklagten bzw. von der gerichtlichen Würdigung gerade ein Charakteristikum eines jeden subjektiven Merkmals ist, da solche Merkmale sich letztlich stets nur aus objektiven Erkenntnissen unter Heranziehung psychologischer und allgemeiner Erfahrungssätze „mosaiksteinartig zusammentragen“ lassen.186 Gerade die Rechtsprechung zum Rücktrittsbereich beweist, dass die Gerichte im Rahmen ihrer richterlichen Beweiswürdigung, bei der ihnen in der Regel neben der Tätereinlassung genügend objektive Anhaltspunkte zur Verfügung stehen, in der Lage sind, Schutzbehauptungen des Täters zu entlarven und so der Beweisprobleme Herr zu werden.187 Dazu gilt es in der vorliegenden Arbeit Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich bestimmte Beweisschwierigkeiten ausräumen oder lösen lassen.188 Die angeführten Beweisschwierigkeiten sind damit weder ein hinreichendes noch ein stichhaltiges Argument für eine Abkehr von der subjektiven Bestimmung der Rücktrittsalternativen. b) Rechtssicherheitsaspekte Schließlich wird gegenüber einer Beurteilung der Versuchsstufen nach der Tätervorstellung ein Mangel an Rechtssicherheit beklagt. Der Begriff der Vorstellung sei zu schwammig und ebenso verschiedenartig „wie das individuelle Meinen“ des einzelnen Täters.189 Nur selten mache sich außerdem der Täter darüber, ob nach dem bisher Getanen der Eintritt der Vollendung schon möglich ist, überhaupt explizit, vielfach nicht einmal inzident Gedanken.190 Im Ergebnis würden so der erfahrene, risikobereite Verbrecher, der sich nicht so leicht beunruhigen ließe, und der ignorante, unbedachte Täter, der die Gefahr nicht sehe oder sehen wolle, zu Unrecht begünstigt.191 Dieser Kritik kann jedoch durch eine Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung, wie sie im Folgenden entwickelt werden soll, wirksam begegnet werden.192 Dabei wird auch der Fall, dass sich der Täter keine Gedanken über die objektive Gefährdungslage macht, Beachtung finden.193 186 So z. B. Weidemann, GA 1986, 409 (416); s. a. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 70; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 122; vgl. ferner Schlüchter, Irrtum, S. 118. 187 Vgl. z. B. die Rspr. im „Augapfelschussfall“, BGHSt 33, 295; weitere Beispiele bei LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 70; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 167; ebenso Weidemann, GA 1986, 409 (416). 188 s. dazu Zweiter Teil C. II. 2. 189 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 135. 190 Kienapfel, JR 1984, 72 (73). 191 Vgl. Schuch, Versuch, S. 41. 192 s. Zweiter Teil C. I. 193 Dazu Zweiter Teil C. II. 1.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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VII. Ergebnis zur Beurteilungsgrundlage für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Für die Abgrenzung der Versuchsstadien und damit die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung hat sich die Tätervorstellung als allein maßgeblich erwiesen. Dementsprechend ist die ursprüngliche Definition zur Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung194 folgendermaßen zu präzisieren: Der Versuch ist unbeendet und eine strafbefreiende Aufgabe der Tat möglich, solange der Täter noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Erfolgsherbeiführung erforderlich ist. Dagegen liegt ein beendeter Versuch vor, von dem der Täter nur noch durch aktive Verhinderung der Vollendung bzw. zumindest ein Verhinderungsbemühen zurücktreten kann, wenn er bereits alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Erfolgsherbeiführung erforderlich oder ausreichend ist. Nimmt der Täter also eine tatsächlich nicht bestehende Vollendungsgefahr irrig an, muss er Verhinderungsbemühungen entfalten (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB); sein bloßes Nichtweiterhandeln kann ihn nicht von der Versuchsstrafbarkeit befreien. Verkennt er andererseits eine tatsächlich bestehende Vollendungsgefahr, erlangt er bereits gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB Strafbefreiung, wenn er die Tatausführung abbricht und die Vollendung – etwa durch das Eingreifen Dritter oder des Opfers – ausbleibt.

C. Möglichkeiten der Relativierung des subjektiven Abgrenzungsmaßstabs Mit der Feststellung, dass sich die Abgrenzung der Versuchsstadien und damit die erforderliche Rücktrittsleistung nach der Tätervorstellung bestimmt, ist allerdings lediglich der Grundansatzpunkt festgelegt, die Abgrenzung des unbeendeten Versuchs vom beendeten indes noch nicht vollzogen. Um die dem Täter für eine Strafbefreiung abzuverlangende Rücktrittsleistung in der jeweils bestehenden Situation festlegen zu können, bedarf es einer Konkretisierung und Präzisierung dieses Ansatzes in zweierlei Hinsicht:195 Zum einen gilt es angesichts der durch § 24 Abs. 1 S. 1 StGB vorgegebenen gegensätzlichen Alternativen ohne Möglichkeit von Zwischenformen zu bestimmen, wie die Vorstellung des Täters inhaltlich beschaffen sein muss, damit noch die Aufgabe der weiteren Tatausführung ausreicht bzw. bereits das Verhindern der Vollendung erforderlich ist. Zwar leuchtet es ein, dass ein beendeter Versuch vorliegt, wenn der Täter sich sicher ist, dass der Erfolg eintreten wird, 194 195

s. Zweiter Teil A. III. Ähnlich auch Weinhold, Rettungsverhalten, S. 128 ff.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

und andererseits ein unbeendeter Versuch, wenn der Täter sich sicher ist, dass der Erfolg ausbleiben wird. Wie Roxin zutreffend anmerkt, wird der Täter jedoch vor allem bei Tötungsdelikten selten eine so klare Vorstellung davon haben, ob die bereits ausgeführten Verletzungen tödlich sind oder nicht – selbst ein Arzt kann das bei Schuss- oder Stichverletzungen meist erst nach gründlicher Untersuchung feststellen.196 Daher ist zu entscheiden, welche Rücktrittsleistung bei einer Vorstellung des Täters, die nicht so intensiv ist, dass sie den Grad der Sicherheit erreicht, zu fordern ist.197 Daneben ergibt sich aus dem Abstellen auf die Tätervorstellung die bereits angesprochene Problematik, dass sich diese als subjektives Moment schwer und oft nur unter Heranziehung objektiver Umstände nachweisen lässt. Zu klären wird deshalb sein, in welcher Weise dabei objektive Umstände Berücksichtigung finden können. Dazu soll zunächst untersucht werden, ob den rücktrittswilligen Täter eine Obliegenheit trifft, sich eine Vorstellung von der bestehenden Gefährdungslage und damit der erforderlichen Rücktrittsleistung zu bilden bzw. welche Folgen sich ergeben, wenn er diesbezüglich keine Vorstellung aufweist. Weiter ist zu klären, ob stets die wirkliche Tätervorstellung, sei sie auch noch so abwegig, maßgeblich ist oder ob bzw. inwieweit ein normativierendes Verständnis der Tätervorstellung denkbar ist, etwa weil es dem Täter unter bestimmten Voraussetzungen obliegt, sich eine Vorstellung bestimmten Inhalts zu bilden. Schließlich soll die Möglichkeit der Einbeziehung festgestellter objektiver Umstände bei der gerichtlichen Feststellung der erforderlichen Tätervorstellung näher beleuchtet werden.198 Besondere Beachtung wird dabei abermals der Frage zukommen, welche Auswirkungen die entsprechenden Präzisierungen und Konkretisierungen des Ansatzpunkts auf die rechtliche Bewertung von Fehlvorstellungen des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung haben. Im Mittelpunkt wird hier die Frage stehen, ob ein Teil der problematischen Fehlvorstellungen des Nichterkennens einer tatsächlich bestehenden Gefahr möglicherweise deshalb unbeachtlich bleibt, weil der Täter – aufgrund des Vorliegens oder Erkennens bestimmter objektiver Umstände – zu einer zutreffenden Einschätzung der Situation hätte kommen müssen. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, anhand welcher Kriterien ein Gericht feststellen kann, ob der Täter tatsächlich einer Fehlvorstellung unterlegen ist oder ob es sich bei dem Vortrag des Täters um eine bloße Schutzbehauptung handelt.

196 197 198

Roxin, AT II, § 30 Rn. 168. Hierzu unter I. Hierzu unter II.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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I. Die Relativierung des subjektiven Abgrenzungsmaßstabs durch die Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung Der genauen inhaltlichen Beschaffenheit der Tätervorstellung kommt vor allem aufgrund der angesprochenen strikten Alternativbildung in § 24 Abs. 1 S. 1 StGB, wonach der Täter ohne die Möglichkeit von Zwischenformen Straffreiheit entweder bereits durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung oder aber erst durch aktives Verhindern erlangen kann, große Bedeutung zu: Höhere bzw. niedrigere Anforderungen an den Vorstellungsinhalt haben nicht ein graduelles Mehr oder Weniger an Rücktrittsleistung, sondern ein fundamental anderes Rücktrittsverhalten zur Folge.199 Dementsprechend konzentriert sich der nun folgende Untersuchungsteil darauf, genau festzulegen, mit welchem Grad von Erfolgswahrscheinlichkeit der Täter mindestens rechnen muss, damit er zum Aktivwerden verpflichtet ist bzw. höchstens rechnen darf, damit er noch durch bloße Passivität zurücktreten kann. Dazu werden zunächst die Auswirkungen der unterschiedlichen inhaltlichen Anforderungen an das Gefahrbewusstsein auf die Abgrenzung der Versuchsstadien aufgezeigt und mit Blick auf die Fehlvorstellungskonstellationen ermittelt, inwiefern und in welche Richtung der gefundene subjektive Abgrenzungsmaßstab hierdurch modifiziert oder relativiert wird. Hieran wird sich eine Darstellung der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zur inhaltlichen Beschaffenheit der Tätervorstellung sowie eine kritische Würdigung der vertretenen Argumente anschließen, die mit der Festlegung des maßgeblichen inhaltlichen Standards für die die zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmende Vorstellung endet. 1. Die Auswirkungen der inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung auf die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung in Bezug auf die Tatvollendung sind freilich unzählige Abstufungen zwischen den beiden Extremen „sicher“ und „ausgeschlossen“ denkbar, wie z. B. „unwahrscheinlich“, „durchaus möglich“, „nahe liegend“ oder „außerordentlich wahrscheinlich“.200 Um die Auswirkungen der unterschiedlichen Anforderungen auf die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung aufzuzeigen, genügt es jedoch, eine Analyse der Auswirkungen für die beiden Extreme der höchsten Anforderung

199 Anders gestaltet sich die Situation innerhalb des Stadiums des beendeten Versuchs, wo graduelle Abstufungen der Verhinderungshandlung denkbar sind. 200 Vgl. hierzu Krelle, Entscheidungstheorie, S. 198; ferner Vest, Vorsatznachweis, S. 208.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

des „Für-sicher-Haltens“ und der niedrigsten Anforderung des „Für-möglichHaltens“ vorzunehmen.201 a) Die Anforderung des Für-möglich-Haltens der Vollendung Verlangt man vom Täter bereits ein Verhindern der Tatvollendung, wenn dieser die Vollendung für möglich hält, bedeutet dies im Gegenzug, dass eine Aufgabe der weiteren Tatausführung nur dann strafbefreiend wirkt, wenn er die Vollendung nicht einmal für möglich, also für sicher ausgeschlossen hält. Der Versuch ist damit früh beendet, ergo wird vom Täter sehr schnell und mit Ausnahme der Situation, in der er eine Vollendung gedanklich ausschließt, ein aktives Tätigwerden gefordert. Niedrige Anforderungen an das Gefahrbewusstsein des Täters führen folglich zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des beendeten Versuchs i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB.202 Für den Bereich der Fehlvorstellungen bedeutet dies zum einen eine Einschränkung der Häufigkeit und damit der Relevanz der Fehlvorstellungen zum Vorteil des Täters: Die zwischen der objektiven und subjektiven Abgrenzungslehre in der rechtlichen Bewertung umstrittene Fallgestaltung des Nichterkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr203 ist nur dann gegeben, wenn der Täter die Vollendung nicht einmal für möglich hält, also gedanklich ausschließt. Hält er die Vollendung dagegen lediglich für möglich, muss er – auch wenn sein Gefahrenurteil von der tatsächlich bestehenden Gefahrintensität abweicht – aktiv werden. Andererseits wächst durch niedrige Anforderungen an die Versuchsbeendigung die Zahl der umgekehrten Fehlvorstellungen zum Nachteil des Täters: Eine irrtümliche Annahme einer objektiv nicht bestehenden Vollendungsgefahr liegt nämlich bereits dann vor, wenn der Täter die Vollendung nur für möglich hält, also nicht gedanklich ausschließt. In Anbetracht dessen, dass diejenigen, die der objektiven oder der kumulativ objektiv-subjektiven Abgrenzungslehre zusprechen, über das Erfordernis eines Aufgabewillens in dieser Konstellation zu mit der subjektiven Abgrenzungslehre gleich lautenden Ergebnissen kommen,204 bringt die Ausweitung dieser Fallgruppe indessen keine Vergrößerung des Unterschieds zwischen den Abgrenzungslehren mit sich. Niedrige inhaltliche Anforderungen an die Tätervorstellung als „Verobjektivierung“ der subjektiven Abgrenzung zu bezeichnen wäre dennoch missverständlich, da weiterhin allein die Vorstellung des Täters maßgeblich bleibt. Fest201 Zu der Frage, ob neben diesen kognitiven Elementen ein voluntatives Element zu fordern ist, s. Zweiter Teil C. I. 2. b) dd). 202 Vgl. dazu auch Kampermann, Grundkonstellationen, S. 126. 203 Zusammenfassend dazu s. Zweiter Teil B. V. 204 s. dazu zusammenfassend Zweiter Teil B. V.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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stellen lässt sich lediglich, aber immerhin eine Annäherung an die Ergebnisse der objektiven Abgrenzung.205 b) Die Anforderung des Für-sicher-Haltens der Vollendung Fordert man vom Täter hingegen erst dann ein Verhindern der Tatvollendung, wenn dieser die Vollendung für sicher und damit ein Ausbleiben der Vollendung für ausgeschlossen hält, bedeutet dies zugleich, dass er so lange durch bloßes Nichtweiterhandeln strafbefreiend zurücktreten kann, wie er eine Vollendung nicht als sicher, ein Ausbleiben der Vollendung also zumindest als möglich ansieht. Der Anwendungsbereich des unbeendeten Versuchs wird durch diese hohen Anforderungen an die Tätervorstellung weit ausgedehnt: Fast immer genügt die bloße Aufgabe der weiteren Tathandlung als Rücktrittsleistung.206 Weil ein den Täter entlastendes Nichterkennen einer tatsächlich bestehenden Vollendunggefahr stets dann vorliegt, wenn dieser sich der Vollendung nicht sicher ist, bringt diese hohe Anforderung an die Versuchsbeendigung eine Ausweitung der – umstrittenen – Fallgestaltung mit sich: In all diesen Fällen werden bei Maßgeblichkeit der Tätervorstellung zum Vorteil des Täters geringere Anforderungen an ihn gestellt als bei einer objektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung. Dagegen nimmt die Anzahl der umgekehrten Fehlvorstellungen ab: Eine den Täter belastende irrtümliche Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Vollendungsgefahr ist lediglich dann gegeben, wenn dieser sich hinsichtlich des Vollendungseintritts sicher ist. Wegen der übereinstimmenden Ergebnisse der subjektiven und objektiven Abgrenzungslehre in diesem Bereich verringert sich dadurch aber der durch die Ergebnisse der umgekehrten Fallgestaltung angewachsene Unterschied in der rechtlichen Beurteilung der Fehlvorstellungen seitens des Täters nicht. c) Zwischenergebnis Je geringer die für eine Versuchsbeendigung an das Gefahrbewusstsein hinsichtlich des Vollendungseintritts gestellten Anforderungen sind, desto eher ist der Täter zur Vollendungsverhinderung verpflichtet, was zugleich bedeutet, dass 205 Mit Lampe, JuS 1989, 610 (615), hierin eine solche Annäherung beider Standpunkte zu sehen, „dass es schon fast eine façon de parler ist, ob man das subjektive Täterwissen nur zur Begrenzung der zunächst objektiv bemessenen Rückrittsleistung heranzieht oder ob man von vornherein aus ihm die Rücktrittsleistungen ableitet, hierfür dann aber einen objektiven Maßstab verwendet“, geht indes zu weit und verkennt, dass der Täter auch bei objektiver Höchstgefahr eine Vollendung als ausgeschlossen ansehen kann. 206 Vgl. Kampermann, Grundkonstellationen, S. 126; ausf. Zweiter Teil C. II. 2.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

weniger Fehlvorstellungen zugunsten, aber mehr Fehlvorstellungen zulasten des Täters vorkommen. Abweichende Ergebnisse erzielen die subjektive und die objektive Abgrenzungslehre dann nur noch im schmalen Bereich des Nichtfürmöglichhaltens der Vollendung, d.h. des Überzeugtseins des Täters vom Ausbleiben der Vollendung. Je höher dagegen die Anforderungen sind, die für eine Versuchsbeendigung an Art und Grad des Gefährdungsbewusstseins gestellt werden, desto weiter wird der Bereich ausgedehnt, innerhalb dessen der Täter durch bloßes Aufgeben der weiteren Tatausführung vom Versuch zurücktreten kann; die Zahl der Fehlvorstellungen zugunsten des Täters steigt, die zulasten des Täters sinkt. Objektive und subjektive Abgrenzungslehre kommen somit immer dann zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn der Täter sich der Vollendung nicht sicher ist. 2. Die in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen Auffassungen Auf dieser Grundlage soll nun untersucht werden, welche Anforderungen Rechtsprechung und Jurisprudenz im jeweiligen Versuchsstadium an die Tätervorstellung stellen, d.h. wo der Wendepunkt liegt, von dem an zur Erlangung von Strafbefreiung nicht mehr die bloße Aufgabe der weiteren Ausführungshandlung genügt, sondern vom Täter ein Verhindern der Vollendung gefordert wird.207 a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung Während das Reichsgericht sich bei der Bestimmung des genauen Abgrenzungsmaßstabs weitgehend bedeckt hielt und für eine Versuchsbeendigung recht allgemein die Annahme des Täters verlangte, sein Verhalten sei zur Herbeiführung der Vollendung „schon geeignet und ausreichend“,208 bemühte sich der BGH früh um eine Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen. So legte der vierte Senat bereits im Jahr 1960 fest, dass ein beendeter Versuch „nicht erst dann anzunehmen [sei], wenn der Täter davon überzeugt ist, der Erfolg werde nun auf Grund seines bisherigen Tuns eintreten“, sondern dann, „wenn er weitere Ausführungshandlungen unterläßt, weil er schon sein bisheriges Handeln als geeignet ansieht, den Tod herbeizuführen, und es deshalb nur für möglich hält, daß dieser von ihm erstrebte Erfolg nunmehr bereits infolge seines Verhaltens auf Grund der natürlichen Entwicklung der Dinge eintreten werde.“209 Da207 Vgl. hierzu auch Murmann, Versuchsunrecht, S. 43. Kritisch zu Rspr. und Lit. Heuchemer, JA-R 2001, 18 (19), der beiden vorwirft, „reichlich aleatorische Züge“ zu zeigen. 208 RGSt 43, 137 (139). 209 BGHSt 14, 75 (80) (Hervorhebungen nicht im Original).

C. Möglichkeiten der Relativierung

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mit lässt der Senat den Intensitätsgrad der Möglichkeit für eine Versuchsbeendigung ausreichen, fordert allerdings – jedenfalls zunächst – zusätzlich das Vorliegen eines kausalen Motivationszusammenhangs zwischen Rücktrittsentschluss und Gefahrbewusstsein, nämlich dass der Täter die weitere Tatausführung „gerade wegen der Möglichkeit des Erfolgseintritts“ unterlässt.210 Diese Beschränkung auf Fallgestaltungen, in denen der Täter von der Möglichkeit des Erfolgseintritts zum Rücktritt motiviert wird, gibt der BGH jedoch in seiner Folgerechtsprechung auf: Für maßgeblich wird fortan allein das Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts befunden, wobei betont wird, Zweifel des Täters über die Wirkungen seines bisherigen Tuns gingen „in dem Sinne zu Lasten des Täters, daß er sich Straffreiheit nur nach § 46 Nr. 2 StGB211 sichern“ könne.212 Zugleich verwirft der BGH die Idee, hinsichtlich des Abgrenzungsmaßstabs auf den Vorsatzbegriff zurückgreifen zu können: Es soll gerade nicht darauf ankommen, ob der Täter „den auf Grund des bisherigen Handelns als möglich vorgestellten Erfolg immer noch in Kauf nimmt und billigt“.213 Dem Fürmöglichhalten des künftigen Erfolgseintritts gleichgestellt und als beendeter Versuch bewertet werden außerdem seit jeher die Fälle, in denen der Täter den Erfolg bereits für eingetreten hält,214 ohne dass jedoch die erforderliche Intensität einer dahingehenden Vorstellung näher präzisiert wird. Zwischenzeitlich äußerte der BGH allerdings Zweifel daran, ob ein Versuch einschränkungslos bereits dann beendet ist, wenn der Täter den Erfolg nur für möglich hält, also lediglich nicht ausschließen kann, dass eine Verletzung infolge eines „nicht ganz außergewöhnlichen, aber auch nicht besonders nahe lie210 BGHSt 14, 75 (80) (Hervorhebung nicht im Original); ebenso BGH, Urt. v. 11.6.1965 – 2 StR 196/65, teilweise veröffentlicht bei Dallinger, MDR 1966, 22 („weil er das bisherige Tun für geeignet ansieht, um den Erfolg zu verwirklichen“). 211 § 46 Nr. 2 StGB a. F. entspricht inhaltlich weitgehend dem heutigen § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB. 212 So die Entscheidung des zweiten Senats BGHSt 22, 330 (332), der sich der vierte Senat in Urt. vom 16. Oktober 1980 – 4 StR 530/80 anschließt. Ebenso z. B. BGH, Urt. v. 18.11.1969 – 1 StR 473/69; BGH, Urt. v. 16.12.1969 – 1 StR 566/69 u. BGH, Urt. v. 22.10.1986 – 5 StR 544/68 alle bei Dallinger, MDR 1970, 380 (381); BGH, NJW 1980, 195; s. a. BGH, StV 1981, 67; BGH, NStZ 1981, 342. Vgl. hierzu auch Geilen, JZ 1972, 335 (341), sowie die zusammenfassende Entscheidung BGHSt 31, 170 (173). 213 BGHSt 22, 330 (333); ebenso z. B. BGHSt 31, 170 (177); BGHSt 33, 295 (300); BGH, NStZ 1999, 300 (301). Anders zu BGHSt 31, 170 aber Kampermann, Grundkonstellationen, S. 120, der annimmt, der BGH spreche sich dort für eine Analogie zum bedingten Vorsatz aus. 214 Zu diesem angeblichen Erst-Recht-Schluss auf einen anders gelagerten Bezugspunkt der Tätervorstellung vgl. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Freiwilligkeit 14, wonach – jedenfalls bei späterer Vorstellungsänderung – auch noch Raum für einen Rücktritt sein soll; vgl. auch BGH, NStZ-RR 1999, 327; BGH, Beschl. v. 6.7.2004 – 5 StR 250/04, S. 2; BGH, NStZ 2005, 90 (91). Zum Problemkreis der Vorstellungskorrektur s. Vierter Teil C.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

genden Kausalverlaufs zum Tode führen“ mag.215 Vor allem der vierte Senat forderte teilweise in seinen Entscheidungen ein subjektives Naheliegen des Erfolgseintritts, eine Einschränkung, die allerdings deshalb ohne Ergebnisrelevanz blieb, weil ein solches Naheliegen in den zu entscheidenden Fallgestaltungen stets als gegeben angesehen wurde.216 In der weit überwiegenden Zahl seiner Entscheidungen lässt der BGH ohnedies unter Verweis auf BGHSt 31, 170 (175)217 bereits das Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts für eine Versuchsbeendigung ausreichen.218 Mit dem Großen Senat des BGH lässt sich daher zusammenfassend festhalten, dass es „[n]ach der neueren und inzwischen gefestigten Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs [. . .] für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts darauf an[kommt], ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält.“219 b) Die in der Literatur vertretenen Auffassungen aa) Das Fürmöglichhalten der Vollendung Auch der überwiegenden Ansicht im Schrifttum zufolge ist ein Versuch bereits dann beendet mit der Folge, dass der Täter aktiv werden und die Vollendung verhindern muss, wenn220 dieser die Vollendung mindestens für möglich hält;221 auf eine Billigung des Erfolges zu diesem Zeitpunkt soll es nicht an215 Unter Bezugnahme auf die vom dritten Senat geäußerten Bedenken offen lassend BGHSt 31, 170 (172 ff., 177). 216 So BGHSt 33, 295 (300); BGH, NStZ 1992, 434; BGH, NStZ 1984, 116. Vgl. auch die Entscheidungen anderer Senate BGHSt 31, 170 (177); BGH, NStE Nr. 12 zu § 24 StGB; BGH, NStZ 1993, 398 (399); BGH, NStZ 2005, 263 (264); widersprüchlich BGH, NStZ 1993, 39 (40). Bei der Umschreibung des unbeendeten Versuchs wird aber andererseits stets ein Überzeugtsein des Täters vom Ausbleiben des Erfolges verlangt, vgl. etwa BGH, NStZ 1984, 116. 217 Teilweise auch unter Verweis auf BGHSt 33, 295 (300), BGHSt 35, 90 (93) oder BGHSt 39, 221 (227). 218 Für die ganz herrschende Rspr. aller Senate vgl. z. B. BGH, NJW 1984, 1693; BGH, NStZ 1986, 312; BGH, StV 1988, 201; BGH, NJW 1993, 943 (944 f.); BGH, NStZ 1999, 449 (450); BGH, NStZ 2002, 427 (428). 219 BGHSt 39, 221 (227). 220 Im Anschluss an BGHSt 14, 75 (80) wurde dieses „Wenn“ auch in der Literatur teilweise durch ein „Weil“ ersetzt, also ein Motivationszusammenhang zwischen Rücktritt und Erfolgserwartung gefordert; s. z. B. Dreher, 33. Aufl., § 46 Anm. 1; Mezger/ Blei, AT, 14. Aufl., S. 257; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 50 (anders aber in Rn. 68). 221 So z. B. Geilen, JZ 1972, 335 (342); ders., JK 80, StGB § 24/4; Hassemer, JuS 1980, 383; Kudlich, JuS 1999, 349 (349 f.); Otto, JK 95, StGB § 24/23; ders., Jura 1992, 423 (429); Schall, JuS 1990, 623 (625); s. a. Blei, PdW, Fall 234; Bottke, Me-

C. Möglichkeiten der Relativierung

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kommen.222 Das Privileg des Rücktritts durch bloßes Aufgeben könne nur erlangen, wer noch nicht mit dem Erfolgseintritt rechne, sondern vielmehr überzeugt sei, der Erfolg werde nach dem bisher Getanen ohne weiteres Zutun nicht eintreten.223 Auch Herzberg geht in der Sache davon aus, dass bereits im Fall des Fürmöglichhaltens der Vollendung die bloße Tataufgabe nicht mehr genügt, wobei er dies auf die Nichtbeachtung des Sorgfaltserfordernisses durch den Täter stützen will.224 bb) Gesteigerte inhaltliche Anforderungen Einige Autoren stellen dagegen für die Annahme eines beendeten Versuchs qualitativ höhere, aber im Einzelnen variierende Anforderungen an die Vorstellung des Täters: So wird teilweise erst dann ein Aktivwerden des Täters verlangt, wenn nach der Tätervorstellung die nahe liegende bzw. nicht fern liegende Möglichkeit des Erfolgseintritts besteht.225 Noch darüber hinaus geht die Forderung Voglers, der Erfolgseintritt müsse nach der Tätervorstellung zwar nicht gewiss sein, aber mit erheblicher Wahrscheinlichkeit einzutreten drohen bzw. dem Täter wahrscheinlicher erscheinen als sein Ausbleiben.226 Küper hingegen fordert „nicht mehr [. . .] als das Bewusstsein einer erheblichen Gefahr“ und stuft diese Anforderung qualitativ eher niedriger ein als die vom BGH zeitweise geforderte Vorstellung einer nahe liegenden Möglichkeit.227 cc) Der Rückgriff auf die Ingerenzkriterien Andere wollen bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung auf Regeln der allgemeinen Strafrechtsdogmatik zurückgreifen und unter Heranziehung der Ingerenzkriterien festlegen, bei welchen Kausalverläufen der Täter

thodik, S. 426; Bockelmann/Volk, § 27 V 3 a (S. 212); Jescheck/Weigend, AT, § 52 II 2; Krey, AT II, Rn. 475, 478; Roxin, AT II, § 30 Rn. 166 f., 211. 222 So ausdrücklich z. B. Fahrenhorst, Jura 1987, 291 (293); Mayer, MDR 1984, 187 (188); NK-Zaczyk, § 24 Rn. 41; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 16. 223 Samson, Strafrecht I, Fall 36 (S. 179); v. Scheurl, Rücktritt, S. 55; Schröder, JuS 1962, 81 (82); Schuch, Versuch, S. 38; s. a. NK-Zaczyk, § 24 Rn. 46; vgl. Schlüchter, Baumann-FS, S. 71 (79). 224 s. ausf. MK-Herzberg, § 24 Rn. 66, 113 ff.; ebenso Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (375 f., 380). 225 Sonnen, JA 1983, 335; s. a. Kühl, AT, § 16 Rn. 31; Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 75; Wessels/Beulke, Rn. 633, 638. Ähnlich mit Blick auf den Intensitätsgrad Heckler, Ermittlung, S. 183 f., der jedoch eine objektive Vollendungsgefahr von dieser Qualität verlangt. 226 LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 65, 70, anders aber in Rn. 37, 50. 227 Küper, JZ 1983, 264 (268); ähnlich Walter, Rücktritt, S. 132: „wenn für den Täter Grund zu entsprechenden Sorgen besteht“.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Rettungshandlungen vornehmen muss.228 Teilweise wird auf diese Weise dem Täter dann eine Gegensteuerungspflicht auferlegt, wenn ihm die Tat unter Ingerenzgesichtspunkten objektiv zurechenbar wäre, er also den Erfolgseintritt adäquat verursacht hätte.229 Überwiegend wird jedoch unter Verweis auf die Subjektivität des Abgrenzungsmaßstabs ein beendeter Versuch entweder dann angenommen, wenn der Täter die Vorstellung aufweist, der Erfolg sei ihm im Fall seines Eintretens objektiv zurechenbar,230 oder wenn er für den Kausalverlauf als Ingerenzgarant verantwortlich wäre, d.h. auch vollständig den subjektiven Tatbestand des Unterlassungsdelikts erfüllte.231 dd) Die Analogie zum Vorsatzbegriff Ähnlich wie letztere Ansicht geht ein anderer Ansatz ersichtlich darüber hinaus, die inhaltlichen Anforderungen an die Vorstellung näher zu definieren, indem für die Versuchsbeendigung in Analogie zu den Grundsätzen der Vorsatzabgrenzung zusätzlich ein voluntatives Element verlangt wird: Der Täter müsse nicht nur mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts rechnen, sondern sich zugleich mit dem Erfolgseintritt abfinden, ihn billigend in Kauf nehmen. Solange das Gefahrbewusstsein des Täters von dem Vertrauen begleitet sei, der Erfolg werde letztlich ausbleiben, genüge hingegen sein schlichtes Nichtweiterhandeln für eine Strafbefreiung.232 3. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Dass der Täter nicht mehr durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung Strafbefreiung erlangen kann, wenn ihm die Vollendung sicher erscheint, ergibt 228 So Weinhold, Rettungsverhalten, S. 83 f., die in diesem Zusammenhang eine Anwendung des weiten Standards aus § 323 c StGB ablehnt, S. 90 f.; Murmann, Versuchsunrecht, S. 43 f.; Puppe, NStZ 1986, 14 (15); s. a. dies., Strafrecht II, § 36 Rn. 42; ferner Kampermann, Grundkonstellationen, S. 127; Mayer, MDR 1984, 187 (188). 229 Otparlik, Versuch, S. 83, 235, allerdings als Konkretisierung seines objektiven Abgrenzungsmaßstabs; Puppe, NStZ 1986, 14 (15). 230 Vgl. Weinhold, Rettungsverhalten, S. 84 f., 88 ff. 231 So Mayer, MDR 1984, 187 (188); ders., Privilegierungswürdigkeit, S. 189 f.; wohl auch Geilen, JZ 1972, 335 (342); vgl. ders., JK 80, StGB § 24/4; Jakobs, JuS 1980, 714 (717); ders., AT, 26/15; zustimmend Ulsenheimer, Grundfragen, S. 222 f. 232 So Nolden, Rücktritt, S. 198; s. a. v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (50); ähnlich Geilen, JK 83, StGB § 24/8b; Gropp, Jura 1988, 542 (547). Nahe stehend Roxin, JR 1986, 424 (426); ders., ESJ, S. 193 (Anm. zu Fall 65), der bei der Abgrenzung der Versuchsstadien ebenfalls auf die Regeln des dolus eventualis abstellen will, allerdings in Übereinstimmung mit seinem Vorsatzbegriff kein Wollen oder Billigen, sondern die Ernstnahme der Gefahr fordert. Anders aber ders., AT II, § 30 Rn. 166 f., 211.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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sich bereits aus der Überlegung, dass er in diesem Fall nichts mehr aufgeben kann. Hält er dagegen die Vollendung lediglich für möglich, verzichtet er bei einem Nichtweiterhandeln zumindest auf die Möglichkeit, den Erfolg der Verbrechervernunft entsprechend noch sicherer zu machen. Ob und, wenn ja, bis zu welcher Vorstellungsintensität diese Verzichtsleistung des Täters ausreicht, um Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB zu erlangen,233 lässt sich nur anhand einer Untersuchung des Vorstellungsbegriffs und unter Beachtung von Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 StGB ermitteln.234 a) Der Begriff der „Vorstellung“ Zunächst könnten sich bereits aus dem Begriff der Vorstellung im Allgemeinen oder besonderen Sprachgebrauch des StGB Anhaltspunkte für den die Versuchsstadien abgrenzenden Vorstellungsinhalt ergeben. aa) Der allgemeine Sprachgebrauch In der Philosophie versteht man unter der Vorstellung „jeden auf ein reales Objekt bezogenen Bewusstseinsinhalt von relativer Geschlossenheit“,235 in der Psychologie bezeichnet die Vorstellung „subjektive, anschauliche Bewusstseinsinhalte, die im Gegensatz zur objektiven Wahrnehmung von gegenwärtigen physikalischen Reizwirkungen unabhängig sind“.236 Zwar machen diese Umschreibungen bereits deutlich, dass unterschiedlichste Vorstellungsinhalte denkbar sind und die bloße Begriffsdefinition bei der Bestimmung der zum jeweiligen Versuchsstadium gehörenden Vorstellungsintensität nicht weiterhilft, doch wird durch den Verweis auf Wahrnehmungen und Bewusstseinsinhalte immerhin die Natur der Vorstellung als rein kognitives Element klargestellt. Bereits aus Wortsinnerwägungen können deshalb zusätzliche, etwa voluntative Elemente bei der Bestimmung der Rücktrittsleistung keine Rolle spielen; es muss allein darum gehen, die maßgebliche Intensität des Bewusstseinsinhalts auf Täterseite festzulegen.

233 Kritisch hierzu z. B. Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 75; ähnlich auch BGH, Urt. v. 18.11.1969 – 1 StR 473/69 u. BGHSt 31, 170 (176). 234 Zum insoweit aussageschwachen Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB vgl. z. B. v. Scheurl, Rücktritt, S. 55. 235 Der große Brockhaus, Bd. 12, Stichwort: Vorstellung. 236 Der große Brockhaus, Bd. 12, Stichwort: Vorstellung; vgl. auch Hehlmann, Wörterbuch der Psychologie, Stichwort: Vorstellung.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

bb) Der besondere Sprachgebrauch des StGB Möglicherweise lassen sich jedoch aus den Konkretisierungen des Vorstellungsbegriffs in anderen Bereichen des Strafrechts einheitliche Intensitätsanforderungen an die Vorstellung ableiten. Dazu sollen drei exemplarisch ausgewählte Bereiche näher beleuchtet werden. (1) Die intellektuelle Komponente des Vorsatzes Mit dem Ausdruck „Vorstellung des Täters“ wird zum einen auf die intellektuelle Komponente des Vorsatzes, also die sich im Umkehrschluss aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB ergebende, erforderliche Kenntnis der die objektiven Tatbestandsmerkmale ausfüllenden Umstände, Bezug genommen.237 An dieses Wissenselement werden abhängig von der jeweiligen Vorsatzform unterschiedliche Anforderungen gestellt:238 Während für ein absichtliches Handeln aufgrund des dominierenden voluntativen Elements ein Fürmöglichhalten des angestrebten Erfolges ausreicht, setzt Wissentlichkeit voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt als sichere – oder höchstwahrscheinliche239 – Folge seines Handelns ansieht. Für den sog. dolus eventualis wird schließlich überwiegend als Ausdruck eines „verdünnten Wissenselements“240 ein Fürmöglichhalten des Erfolges,241 teilweise aber auch ein „Für-Wahrscheinlich-Halten“ bzw. die Kenntnis eines objektiv nicht mehr tolerierbaren Risikos gefordert.242 (2) Die Beurteilungsgrundlage des unmittelbaren Ansetzens Explizit wird die Vorstellung des Täters in § 22 StGB erwähnt, wonach sie die subjektive „Beurteilungsgrundlage“ bildet, auf der nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab zu entscheiden ist, ob die Verwirklichung des Tatbestan237

Vgl. etwa Roxin, AT I, § 12 Rn. 95. Obgleich sowohl in §§ 16 ff. des E 1962 (Entwurf eines Strafgesetzbuches [StGB], E 1962, BT-Drucks. IV/650) als auch in §§ 17 f. AE (Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1969) Legaldefinitionen für die Begriffe „Vorsatz“, „Absicht“, „Wissentlichkeit“, „bedingter Vorsatz“, „bewusste“ und „unbewusste Fahrlässigkeit“ vorgesehen waren, hat der Gesetzgeber bewusst von einer dahingehenden Regelung abgesehen und die Begriffsbildung der Rechsprechung und Wissenschaft überlassen. S. hierzu den Bericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. V/ 4095, S. 8 f. 239 Jescheck/Weigend, AT, § 29 III 2. 240 So Kühl, AT, § 5 Rn. 43. 241 So die h. L., vgl. stellvertretend Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 9 m.w. N.; und die st. Rspr., z. B. BGHSt 7, 363 (370); 21, 283 (285). Teilweise fügt der BGH – ohne nähere Erläuterung – noch die Wendung „und nicht ganz fernliegend“ an, s. BGH, JZ 1981, 35; BGH, NStZ 1986, 549 f. 242 Zum den unterschiedlichen Anforderungen vgl. Hillenkamp, AT-Probleme, 1. Problem, A (S. 1 ff.) m. v. w. N. 238

C. Möglichkeiten der Relativierung

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des bereits bis zu einem unmittelbaren Ansetzen und damit einem strafbewehrten Verhalten gediehen ist.243 Wie sicher der Täter in Bezug auf den Ablauf der Tat bzw. die Tauglichkeit des Täterverhaltens244 sein muss, wird in diesem Zusammenhang nicht dargelegt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber auch Affekttaten ohne überlegte Planung erfassen wollte, ließe sich allenfalls für geringere Anforderungen an die Bewusstseinsintensität anführen.245 (3) Der Irrtum des Opfers beim Betrug Schließlich spielt der erforderliche Intensitätsgrad einer Vorstellung auch bei § 263 StGB eine Rolle, wo fraglich ist, welche Intensität die Vorstellung des Opfers haben muss, um noch von einem Fürwahrhalten der vorgespiegelten Tatsache und damit einem Irrtum sprechen zu können.246 Insoweit wird zwar übereinstimmend keine subjektive Gewissheit des Opfers verlangt, jedoch teilweise und unter Verweis auf die Wortsinngrenze des Begriffs Irrtum gefordert, dass der Getäuschte die behauptete Tatsache für – überwiegend – wahrscheinlich wahr hält.247 Andere lassen Zweifel, also einen niedrigen Intensitätsgrad der Vorstellung, nur dann einen Irrtum ausschließen, wenn diese auf konkreten Anhaltspunkten beruhen248 oder die Vermögensverfügung des Getäuschten bei einem anderen Vermögensdelikt eine trotz der Zweifel wirksame Einwilligung in eine Vermögensschädigung darstellen würde.249 Der herrschenden Ansicht zufolge liegt jedoch aus Opferschutzgründen auch dann ein Irrtum vor, wenn der Getäuschte die vorgespiegelte Tatsache nur für möglicherweise wahr hält, sich aber von dieser zur Verfügung motivieren lässt.250 (4) Zwischenergebnis Von den abweichenden Bezugspunkten der erläuterten Vorstellungen ganz abgesehen, lassen sich mithin aus dem besonderen Sprachgebrauch des StGB

243 Zur herrschenden Zwischenaktslehre sowie den mit dieser konkurrierenden Konkretisierungsformeln vgl. ausf. LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 87; s. a. ders., Roxin-FS, S. 689 (702) unter Verweis auf BGH, NJW 1997, 83. 244 LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 88 f. 245 Vgl. hierzu 2. Bericht SA, BT-Drucks V/4095, 11; Corves, Prot. SA V, S. 1745 f. 246 Zu dieser Problematik vgl. Hillenkamp, BT-Probleme, 29. Problem (S. 147 ff.). 247 Vgl. z. B. Giehring, GA 1973, 1 (10 ff., 16 ff.); Krey/Hellmann, BT II, Rn. 373 f.; Sonnen, wistra 1982, 123 (126). Noch enger RGSt 20, 392. 248 Amelung, GA 1977, 1 ff.; Beulke, JR 1978, 390. 249 Herzberg, GA 1977, 289 ff. 250 Stellvertretend für die h. M. Hillenkamp, Vorsatztat, S. 21 ff.; Lackner/Kühl, § 263 Rn. 18; Wessels/Hillenkamp, Rn. 510; s. a. BGH, wistra 1992, 97; BGH, NJW 2003, 1198.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

keine einheitlichen und damit übertragbaren Anforderungen an die Intensität der Vorstellung ermitteln. b) Die Erforderlichkeit zusätzlicher Elemente Wenngleich nach dem eben Gesagten bereits die begriffliche Definition der Vorstellung als reines Wissenselement gegen die Beachtlichkeit zusätzlicher Elemente bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung spricht, soll nun überprüft werden, ob die in Rechtsprechung und Literatur teilweise verlangten Zusatzerfordernisse, Motivationszusammenhang und voluntatives Element, auch in der Sache abzulehnen sind. aa) Das Erfordernis eines Motivationszusammenhangs Die Forderung nach einem Motivationszusammenhang zwischen Rücktritt und Erfolgserwartung des Täters entbehrt zumeist jeglicher Begründung. Lediglich der BGH unternimmt einen Legitimierungsversuch, indem er darauf verweist, dass der Täter sich nur unter dieser Voraussetzung „von der Vorstellung bestimmen [lasse], er habe das zur Erreichung seines Zieles Ausreichende getan.“251 Hiergegen wird jedoch zu Recht vorgebracht, der zu Gegenmaßnahmen verpflichtende Herausforderungscharakter der Tatsituation ergebe sich allein aus der in Tätersicht bestehenden Gefährlichkeit des bisherigen Tuns und werde nicht dadurch beseitigt, dass der Täter aus einem Beweggrund nicht weiter handle, der mit seinem Gefahrbewusstsein und der daraus resultierenden Erfolgserwartung nicht in spezifischem Zusammenhang stehe, wie z. B. Mitleid mit dem Opfer, Mutlosigkeit usw.252 Billigt man einem Täter, der, „obwohl“ – aber eben nicht „weil“ – er die Erfolgsgefahr erkannt hat, lediglich die weitere Ausführung der Tat aufgibt, Strafbefreiung zu, belohnt man dessen Wertgleichgültigkeit; durch sein Untätigbleiben hat dieser „dem ,Nachahmungseffekt‘ seiner Tat nichts entgegen gesetzt“.253 Das zusätzliche Erfordernis des Motivationszusammenhangs zöge überdies nicht gewollte Auswirkungen auf den Überzeugungsgrad der Tätervorstellung nach sich: Wer „wegen“ der drohenden Vollendung zurücktritt, muss seiner Sache einigermaßen sicher gewesen sein, da er andernfalls keinen Grund gehabt hätte, im Sinne kräftesparender Ökonomie

251

BGHSt 14, 75 (80). So Küper, JZ 1983, 264 (267); zustimmend Kampermann, Grundkonstellationen, S. 117. 253 Zutreffend Bottke, Methodik, S. 425 (Hervorhebung im Original); s. a. ders., JA 1980, 379 (380). 252

C. Möglichkeiten der Relativierung

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vorzeitig Schluss zu machen.254 Im Ergebnis würde so ein dem Rücktritt wesensfremder und auch von niemandem tatsächlich geforderter Gewissheitsgrad, eine Art „subjektive Erfolgssicherheit“, verlangt und der Bereich der Versuchsbeendigung unerträglich weit hinausgeschoben.255 Nach alldem ist nicht zu fordern, dass die Vorstellung der Erfolgsgefahr für den Versuchsabbruch motivierend gewirkt hat. Gegenmaßnahmen sind dem Täter bereits dann abzuverlangen, wenn er – mit noch zu bestimmender Intensität – an den Vollendungseintritt glaubt.256 bb) Das Erfordernis eines zusätzlichen voluntativen Elements Gegen eine – allenfalls durch den Verweis auf eine Abstimmung mit der Ingerenzhaftung257 zu begründende – Analogie zu den für die Vorsatzabgrenzung entwickelten Grundsätzen lässt sich bereits die unterschiedliche Funktion von Vorsatz und Abgrenzung der Rücktrittsleistung im Deliktssystem anführen.258 Während der Vorsatz eine bestimmte Unrechts- und Schuldhöhe der Tat markiert, die es rechtfertigt, das Verhalten nach den strengeren Maßstäben des Vorsatzdelikts zu beurteilen, hat der nun rücktrittswillige Täter bereits durch sein i. S. des §§ 16, 8 StGB vorsätzliches Handeln eine eindeutige, willentliche Entscheidung getroffen; es geht nur noch darum festzulegen, welches Nachtatverhalten ihn von einer Bestrafung befreien kann.259 Denn selbst wenn er den Todeserfolg nach der Tat unter Tränen verwünscht, ändert sein Sinneswandel nichts am Vorliegen des Vorsatzes im Tatzeitpunkt. Ebenso wenig verändert sich das Hilfsinteresse des Opfers dadurch, dass der Täter es nicht ernst nimmt.260 Schließlich würde mit dem Erfordernis eines voluntativen Elements die Rücktrittsregelung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 i.V. m. S. 2 StGB unterlaufen, die eigene ernsthafte Rettungsbemühungen des Täters verlangt: Wer sein Opfer lebensgefährlich verletzt hat, könnte sich andernfalls nämlich darauf be254

Ebenso bereits Geilen, JZ 1972, 335 (340); zustimmend Küper, JZ 1983, 264

(267). 255 Küper, JZ 1983, 264 (267); ebenso Fahrenhorst, Jura 1987, 291 (293); Geilen, JZ 1972, 335 (340); zustimmend Kampermann, Grundkonstellationen, S. 117 f.; ferner LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 68. 256 Kritisch zu BGHSt 14, 75 auch Geilen, JK 83, StGB § 24/8b. 257 So Jakobs, JuS 1980, 714 (717); vgl. ferner ders., JZ 1988, 519. 258 Ebenso Küper, JZ 1983, 264 (267); zustimmend u. a. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 69; Nolden, Rücktritt, S. 198; s. a. Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (217) zur Rechtslage in Österreich. 259 So bereits Küper, JZ 1983, 264 (267); s. a. Nolden, Rücktritt, S. 198; zust. Weidemann, GA 1986, 409 (413 Fn. 10); ferner Kühl, AT, § 16 Rn. 31 unter Verweis auf BGH, NStZ 1999, 300 mit Bspr. Stuckenberg, JA 1999, 751 f. 260 Herzberg, NJW 1989, 197 (199); Kampermann, Grundkonstellationen, S. 122; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 91; ähnlich auch BGH, NStZ 2005, 151 (152).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

rufen, dass er auf die Rettungsaktivitäten anderer anwesender Personen vertraut habe.261 Die Forderung nach einem zusätzlichen voluntativen Element ist deshalb abzulehnen. Bereits wenn der Täter eine – nun noch zu konkretisierende – Vorstellung von der Gefahr aufweist, kann er sich von den Folgen seiner vorsätzlichen Handlung allein dadurch distanzieren, dass er eine klare Entscheidung für das Recht trifft und diese durch das Einleiten sinnvoller Rettungsmaßnahmen manifestiert – unabhängig davon, ob er nunmehr auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut oder sein Eintreten billigt. cc) Zwischenergebnis Bei der Bestimmung der zu erbringenden Rücktrittsleistung ist neben einem Gefahrbewusstsein des Täters von noch zu klärender Intensität weder ein besonderer Motivationszusammenhang noch ein voluntatives Element erforderlich. c) Die Abstimmung mit den Ingerenzkriterien Möglicherweise trägt aber das oft geäußerte Postulat, die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung an den Ingerenzkriterien auszurichten, zur Lösung der Problematik der maßgeblichen Vorstellungsintensität bei. Begründet wird diese Forderung zumeist mit der Ähnlichkeit der Konstellation der Ingerenzhaftung und der des Rücktritts: In beiden Fällen habe der Täter in rechtswidriger Weise eine causa für eine sich möglicherweise realisierende Verletzungsgefahr beim Opfer gesetzt und müsse bei Nichtverhinderung für den Erfolgseintritt strafrechtlich einstehen.262 Die sich damit beides Mal stellende Frage, wann das strafrechtliche Verbot, eine Handlung fortzuführen, in das Gebot umschlage, das Getane rückgängig zu machen, sei einheitlich zu beantworten, da es andernfalls zu dem Widerspruch kommen könne, dass dem Täter Strafbefreiung gemäß § 24 Abs. 1 StGB aufgrund eines Verhaltens gewährt würde, mit dem er noch nicht einmal die ohnehin von Rechts wegen an ihn gestellten Anforderungen erfülle.263 Es bliebe dann nur der künstliche und umständliche Weg, dem Täter zunächst gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB Straffreiheit zu gewähren und anschließend, jenseits des § 24 StGB im Rahmen des Unterlassungsdelikts, nochmals die Strafbarkeitsfrage aufzurollen.264

261

Küper, JZ 1983, 264 (267 f.). Kampermann, Grundkonstellationen, S. 129; Mayer, MDR 1984, 187 (188, 189 Fn. 17); vgl. auch Weinhold, Rettungsverhalten, S. 78. 263 Vgl. Geilen, JZ 1972, 335 (342); zustimmend Jakobs, AT, 26/15; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 222; vgl. auch Mayer, MDR 1984, 187 (188); Weinhold, Rettungsverhalten, S. 78, 88, 92. 262

C. Möglichkeiten der Relativierung

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Gegen eine Analogie zu der Ingerenzhaftung in der Weise, dass eine Beendigung des Versuchs erst angenommen wird, wenn der komplette subjektive Tatbestand eines Unterlassungsdelikts erfüllt ist, sprechen bereits die gegen das Erfordernis eines zusätzlichen voluntativen Elements vorgebrachten Argumente.265 Denkbar ist es dagegen, eine Verpflichtung des Täters zur Vollendungsverhinderung immer dann anzunehmen, wenn der Kausalverlauf entsprechend der Tätervorstellung nach Ingerenzregeln abgewendet werden muss, d.h. der Täter die Vorstellung aufweist, den Erfolg in objektiv zurechenbarer Weise herbeiführen zu können.266 Damit ist indes für die Präzisierung des maßgeblichen Vorstellungsinhalts nichts gewonnen: Die Forderung, der Täter müsse erkannt haben, dass er durch sein Untätigbleiben ein rechtlich missbilligtes Risiko gesetzt und dass sich aufgrund eines tatbestandsadäquaten Kausalverlaufs gerade diejenige Gefahr realisiert habe, die durch ihn in rechtlich missbilligter Weise geschaffen wurde und deren Eintritt nach dem Schutzzweck der Norm vermieden werden sollte, konkretisiert lediglich den Zusammenhang zwischen dem Untätigbleiben und dem Erfolgseintritt, nicht jedoch die Intensität der Tätervorstellung. Der Täter muss nämlich einen adäquaten Kausalverlauf nicht notwendig auch für adäquat oder nahe liegend halten. Zudem erscheint zweifelhaft, ob die Pflichten im Rahmen der Ingerenzhaftung und des § 24 Abs. 1 StGB sich zur Vermeidung von Widersprüchen tatsächlich vollständig decken müssen, d.h. bei Ingerenzhaftung der Versuch immer beendet sein muss und umgekehrt bei fehlender Ingerenzhaftung der Versuch immer unbeendet. Zuzustimmen ist einer dahingehenden Forderung zwar insoweit, als es künstlich und widersprüchlich erscheint, dem untätig bleibenden Täter zunächst einen strafbefreienden Rücktritt vom Begehungsdelikt zuzubilligen und ihn dann doch wegen desselben Untätigbleibens einer Unterlassungstat für schuldig zu befinden. Hieraus ergibt sich allerdings allein das Ziel, im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB in intellektueller Hinsicht nicht geringere Anforderungen an den Täter zu stellen als an den Unterlassungstäter,267 was jedenfalls dann unproblematisch gewährleistet ist, wenn man bereits bei einem Fürmöglichhalten der Vollendung seitens des Rücktrittswilligen von diesem ein aktives Verhindern verlangt. Hingegen bestehen keine Bedenken, von dem Rücktrittsprobanden mehr zu fordern als vom Ingerenten, mithin für eine Versuchsbeendigung eine weniger intensivere Vorstellung ausreichen zu lassen als für eine Unterlassensstrafbarkeit; der Täter wäre dann bei bloßer Untätigkeit bereits und ausschließlich wegen seines vorangegangenen aktiven Tuns strafbar. 264 So Geilen, JZ 1972, 335 (342); ders., JK 80, StGB § 24/4; Jakobs, JuS 1980, 714 (717). 265 s. Zweiter Teil C. I. 3. b) bb). 266 So etwa Weinhold, Rettungsverhalten, S. 84 f., 88 ff. 267 Ähnlich wohl Weinhold, Rettungsverhalten, S. 88, 90; ferner Mayer, MDR 1984, 187 (188).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Der Gedanke der Abstimmung mit der Ingerenzhaftung deutet demzufolge darauf hin, dass vom Täter bereits bei Fürmöglichhalten der Vollendung ein aktives Verhinderungsverhalten zu fordern ist. d) Die Festlegung der maßgeblichen Vorstellungsintensität Dagegen, bereits beim bloßen Fürmöglichhalten der Vollendung durch den Täter von diesem ein Verhindern zu verlangen, wird allerdings teilweise vorgebracht, durch derart niedrige Anforderungen an die Versuchsbeendigung mache man den unbeendeten Versuch in ungewollter Weise zur Seltenheit: Der Täter weise diese Möglichkeitsvorstellung nämlich bereits dann auf, wenn er nicht ausschließen könne, dass eine an sich nicht besonders schwerwiegende Verletzung infolge eines nicht besonders nahe liegenden Kausalverlaufs zum Tode führen möge, was bei den allermeisten Tötungsversuchen der Fall sei. Es müsse deshalb ein höherer, noch näher zu bestimmender Intensitätsstandard maßgeblich sein.268 Derartige Argumente, die auf ein angeblich ungewolltes Ergebnis verweisen, führen jedoch bei der Lösung der Frage nach dem maßgeblichen Vorstellungsbild nicht weiter. Vielmehr kann letztlich auch hier allein der hinter der Rücktrittsvorschrift stehende Rechtsgedanke Aufschluss darüber geben, bis zu welchem Vorstellungsinhalt der Täter noch durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten kann und ab welchem Vorstellungsinhalt er sich aktiv um die Vollendungsverhinderung bemühen muss. aa) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke Sieht man die Strafbefreiung beim Rücktritt als Belohnung, die dem Täter für sein verdienstliches Handeln gewährt wird, muss die Grenze zwischen den Versuchsstadien dort verlaufen, wo das Verhalten des Täters gerade noch ausreichend ist, um das Gewicht des ihn treffenden Schuldvorwurfs aufzuwiegen. Teilweise wird diesbezüglich vorgebracht, ein „verdienstlicher Verzicht“ im Sinne einer „honorierungsfähigen Umkehrleistung“ könne bereits dann nicht mehr im bloßen Nichtweiterhandeln, sondern allein in der aktiven Vollendungsverhinderung gesehen werden, wenn der Täter aus seiner Sicht den Erfolgseintritt auch nur für möglich halte.269 Gerade der Verdienstlichkeitsaspekt wird andererseits aber auch zur Begründung der Erforderlichkeit eines gesteigerten In268

Vgl. etwa LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 69 f. So BGHSt 31, 170 (176); ähnlich auch Geilen, JK 80, StGB § 24/4; Maurach/ Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 75; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 16; ferner Kampermann, Grundkonstellationen, S. 209, 215, unter Rückgriff auf die Grundsätze der objektiven Erfolgszurechnung. 269

C. Möglichkeiten der Relativierung

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tensitätsgrads für die Versuchsbeendigung angeführt: Mehr als der schlichte Abbruch des Handelns sei von einem rechtstreuen Täter, der sich das Rücktrittsprivileg verdienen will, erst dann zu verlangen, wenn nach dessen Vorstellung die Wahrscheinlichkeit bzw. die ernsthafte Möglichkeit des Erfolgseintritts bestehe.270 Dies verdeutlicht abermals die Schwäche des Verdienstlichkeitsgedankens:271 Da bei jeder Vorstellung von geringerer Intensität als Sicherheit bezüglich der Tatvollendung in der Untätigkeit des Täters einerseits das Verdienst des Aufhörens, andererseits aber ein Versäumnis liegt, weil dieser das Opfer seinem Schicksal überlässt anstatt den als möglich, nahe liegend oder wahrscheinlich erkannten Erfolg abzuwenden,272 lässt sich ohne eine Präzisierung des tatsächlichen Grundes für die Straffreiheit nicht entscheiden, ob das Nichtweiterhandeln ein ausreichendes Verdienst oder ein zu großes Versäumnis darstellt. Gleich gelagerte Probleme ergeben sich bei Zugrundelegung des Schulderfüllungsgedankens:273 Ob bereits der Täter, der die Vollendung für möglich, oder erst derjenige, der sie für wahrscheinlich bzw. nahe liegend hält, durch bloßes Nichtweiterhandeln seine Wiedergutmachungsschuld nicht mehr in der Weise erfüllt, dass sich die Strafandrohung erledigt, ist eine Gefühlsentscheidung und lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen. bb) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes Der Anreiz- und Opferschutzgedanke spricht hingegen unmissverständlich dafür, an die Tätervorstellung für einen beendeten Versuch möglichst niedrige Anforderungen zu stellen, also bereits bei einem Fürmöglichhalten seitens des Täters von diesem aktive Verhinderungshandlungen zu verlangen. Denn wer die Vollendung auch nur für möglich hält, weiß, dass ein vollwirksamer Schutz des Rechtsguts, z. B. des Lebens des Opfers, nur durch aktives, gefahrneutralisierendes Verhalten erreicht werden kann.274 Für die Erbringung gerade dieses Verhaltens muss ein Anreiz geschaffen werden. Ein effektiver Rechtsgüterschutz ist nur erreichbar, wenn bestehende Zweifel am Vorliegen einer objektiven Rechtsgutsgefährdung nicht zulasten des gefährdeten Rechtsguts gehen, sondern vom

270 So etwa Roxin, JR 1986, 424 (426); ders., HRR, S. 195 (zu Nr. 64); vgl. auch Küper, JZ 1983, 264 (265), allerdings in Bezug auf eine Vorstellungsobergrenze. 271 s. dazu bereits Zweiter Teil B. VI. 6. b). 272 Dazu vgl. Roxin, JZ 1986, 424 (426). 273 Vgl. Herzberg, Lackner-FS, S. 325 (349 f.). 274 Ebenso Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (217) unter Verweis auf Küper, JZ 1983, 264 (267); vgl. Bottke, Methodik, S. 426; ferner Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 42. Ausdrücklich auch BGH, NStZ 1986, 312.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Täter bereits, wenn er die Vollendung auch nur entfernt für möglich hält, eine aktive Verhinderungsleistung gefordert wird.275 cc) Der Strafzweckgedanke Bei einem Abstellen auf den Strafzweckgedanken konkretisiert sich die Frage nach der maßgeblichen Vorstellungsintensität darauf, welche Vorstellung der Täter aufweisen muss, um noch durch bloße Untätigkeit oder eben erst durch aktives Verhindern seine Rechtstreue unter Beweis stellen und den hervorgerufenen rechtserschütternden Eindruck korrigieren zu können. Kann der Täter die Vollendung subjektiv nicht sicher ausschließen, mag er zwar durch sein Untätigbleiben einen reduzierten verbrecherischen Willen dokumentieren. Diese mehr oder weniger plötzliche Abschwächung seiner ursprünglich kriminellen Energie bildet aber lediglich einen entlastenden Faktor, der eine völlige Strafbefreiung nicht rechtfertigen kann.276 Solange der Täter nicht alles zur Verteidigung Erforderliche anstrengt, vollzieht er weder eine Rückkehr zum Recht noch stellt er seine Rechtstreue unter Beweis. Vielmehr überlässt er den weiteren Verlauf dem Zufall und verzichtet so lediglich darauf, nochmals seine Rechtsfeindlichkeit zu demonstrieren.277 Eine Versuchsbestrafung ist damit spezialpräventiv weiter vonnöten. Zugleich fehlt es an einer Korrektur des rechtserschütternden Eindrucks, den der Täter durch seine Versuchstat bereits hervorgerufen hat.278 Auch die generalpräventiven Gründe für die Strafwürdigkeit des Versuchs bleiben somit bestehen, wenn der Täter die Vollendung nur für möglich hält und dennoch, ohne Gegenaktivitäten zu entfalten, lediglich auf die weitere Tatausführung verzichtet. dd) Zwischenergebnis zu den Rechtsgrundüberlegungen Die hinter § 24 Abs. 1 StGB stehenden Grundgedanken, insbesondere der Anreiz- und Opferschutzaspekt sowie Strafzweckgesichtspunkte, erfordern es daher, einen beendeten Versuch bereits dann anzunehmen und vom Täter ein Verhindern zu verlangen, wenn dieser die Vollendung für möglich hält. 275 Übereinstimmend Kienapfel, JR 1984, 72 (73); ähnlich Kampermann, Grundkonstellationen, S. 126 f., 210, 214. Vgl. ausf. Weinhold, Rettungsverhalten, S. 77. 276 Zur Abgrenzung „nach oben hin“ Küper, JZ 1983, 264 (267); ähnlich Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 115; vgl. auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 167. 277 Ebenso Bottke, Methodik, S. 424; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 209 f.; v. Scheurl, Rücktritt, S. 55; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 222. Ähnlich Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (217); ferner Walter, Rücktritt, S. 132, der auf die Dokumentation hinreichender Normbefolgungsbereitschaft abstellt. 278 Übereinstimmend Bottke, Methodik, S. 424; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 75.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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4. Ergebnis zu den inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung Die nach der Vorstellung des Täters erfolgende Abgrenzung der Versuchsstadien und damit die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung ist folgendermaßen zu präzisieren: Ein unbeendeter Versuch, von dem der Täter durch bloße Untätigkeit gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB strafbefreiend zurücktreten kann, liegt vor, wenn der Täter es nicht für möglich hält, dass der tatbestandsmäßige Erfolg eintritt, er also von dessen Ausbleiben überzeugt ist. Dagegen muss er die Vollendung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB aktiv verhindern bzw. im Falle des anderweitigen Ausbleibens der Vollendung ein Verhinderungsbemühen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB an den Tag legen, wenn er ihr Eintreten zumindest für möglich hält, also nicht von ihrem Ausbleiben überzeugt ist; er befindet sich dann im Stadium des beendeten Versuchs. Zu beachtlichen Fehlvorstellungen zum Vorteil des Täters, die trotz tatsächlich bestehender Vollendungsgefahr und daher objektiv erforderlichem Eingreifen einen Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB durch bloße Aufgabe erlauben, kommt es damit lediglich in den seltenen Fällen, in denen der Täter vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt ist. Dagegen liegt bereits dann eine den Täter zu aktiven Verhinderungshandlungen verpflichtende Fehlvorstellung vor, wenn dieser die Vollendung trotz objektiv nicht bestehender Vollendungsgefahr für möglich hält. Infolge dieser geringen Anforderungen an die Versuchsbeendigung erfährt die Gruppe der umstrittenen Fehlvorstellungen des Nichterkennens einer tatsächlich bestehenden Gefahr eine zahlenmäßige Reduzierung, was eine gewisse Relativierung der Unterschiede zwischen subjektiver und objektiver Abgrenzung nach sich zieht.

II. Die Relativierung des subjektiven Abgrenzungsmaßstabs durch das Heranziehen objektiver Umstände bei der Bildung und der Ermittlung des Inhalts der Tätervorstellung Auch nach der Präzisierung des maßgeblichen Vorstellungsinhalts dahingehend, dass ein Versuch beendet ist, wenn der Täter die Vollendung für möglich hält, bleibt weiter fraglich, wann der Täter eine solche Vorstellung aufweist und wie sich dies vom zuständigen Tatgericht ermitteln lässt. Dass dabei den objektiven Tatumständen Bedeutung zukommen muss, steht außer Zweifel. Zu klären ist jedoch, in welcher Weise und auf welcher Ebene dies der Fall ist. Dazu soll zunächst die Fallgestaltung untersucht werden, bei welcher der Täter sich überhaupt keine Gedanken über die Gefährdungssituation für das Opfer und damit über die von ihm zu erbringende Rücktrittsleistung macht. Denn obgleich eine derart fehlende Tätervorstellung keine Fehlvorstellung des Täters im

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

eigentlichen Sinn darstellt,279 kommt dieser Situation als Vergleichskonstellation und Grundlage für weitere Untersuchungen große Bedeutung zu. Im Anschluss hieran wird sodann für den „Normalfall“ einer vorhandenen Tätervorstellung hinsichtlich der Vollendungsgefahr und damit zugleich der erforderlichen Rücktrittsleistung untersucht, wann der Täter die an ein Fürmöglichhalten der Vollendung gestellten Anforderungen erfüllt und damit zur Erlangung von Strafbefreiung aktive Verhinderungshandlungen vornehmen muss. Dabei soll verdeutlicht werden, warum ein Rückgriff auf die tatsächlich bestehende Gefährdungssituation erforderlich oder zumindest sinnvoll ist, sowie – unter Berücksichtigung der Vorgehensweise bei der Ermittlung anderer subjektiver Merkmale – näher erläutert werden, auf welche Weise ein solcher Rückgriff erfolgen kann und welche Konsequenzen sich dabei für die rechtliche Behandlung von Fehlvorstellungen seitens des Täters ergeben. Abschließend wird aufgezeigt, wie die Praxis bei der Bewertung einzelner Tatumstände verfährt bzw. verfahren sollte. 1. Die fehlende Tätervorstellung Die bislang erarbeitete Umschreibung der Versuchsstadien und der damit korrespondierenden, vom Täter für eine Strafbefreiung geforderten Rücktrittsleistung geht davon aus, dass dieser sich eine Vorstellung hinsichtlich der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Vollendung gebildet hat. Die Situation, dass dem Täter jegliche Vorstellung in Bezug auf die geschaffene Gefahr fehlt, lässt sich unter die Definition nicht subsumieren, denn weder ist der Täter dann vom Ausbleiben des tatbestandsmäßigen Erfolges überzeugt, noch hält er die Vollendung für möglich.280 Für die rechtliche Beurteilung dieser Konstellation gilt es deshalb andere Maßstäbe zu finden. a) Die Bedeutung der rechtlichen Beurteilung dieser Fallgestaltung Teilweise wird allerdings bereits bezweifelt, dass es den Fall der Vorstellungslosigkeit des Täters in Bezug auf die Vollendungsgefahr überhaupt gibt, und das Vorbringen des Täters, er habe sich keine Gedanken gemacht, als Schutzbehauptung eingestuft.281 Doch auch wenn diese Situation nur selten tatsächlich vorliegen wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Täter, sei es aus schierem Desinteresse am Schicksal des Opfers,282 als Folge eines Im279

Zur Definition der Fehlvorstellung s. bereits Erster Teil A. I. Vgl. dazu Hauf, JR 1996, 29; Schmidt, JuS 1995, 650 (651). 281 So z. B. Krey, AT II, Rn. 480, der die „irreale“ Annahme von „Vorstellungslosigkeit“ in „Gleichgültigkeit“ umdeutet; ähnlich Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (219); zweifelnd auch Schmidt, JuS 1995, 650 (651). 280

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pulskontrollverlustes283 oder aus anderen Motiven wie Panik oder Gedankenlosigkeit, seine Augen verschließt und gar nicht reflektiert.284 Darüber hinaus sind Fallgestaltungen denkbar, in denen sich das Bestehen einer Vorstellung seitens des Täters vor dem Tatgericht nicht nachweisen lässt.285 Nimmt man in einem solchen Fall der Vorstellungslosigkeit des Täters nun einen unbeendeten Versuch an und gewährt dem Täter bereits Straffreiheit, wenn er – wie in der großen Mehrzahl der Fallgestaltungen – lediglich nicht weiterhandelt, prämiert man die nicht erfolgte Vorstellungsbildung: Der Täter wird für den Fall, dass er bei einer Reflexion eine Vollendungsgefahr angenommen hätte, besser gestellt und für den Fall, dass er die Vollendung nicht für möglich gehalten hätte, gleich gestellt wie bei tatsächlich erfolgter Vorstellungsbildung. Im Ergebnis wird damit für ihn ein Anreiz geschaffen, nicht über die bestehende Gefährdungslage nachzudenken: Solange er dies nicht tut, kann er stets durch bloße Untätigkeit zurücktreten. Geht man hingegen bei einer Vorstellungslosigkeit des Täters von einem beendeten Versuch oder gar die Rücktrittsunfähigkeit des Versuchs aus, wird der Täter allenfalls gleich, zumeist aber schlechter gestellt als bei der erfolgten Vorstellungsbildung: Auch wenn er die Vollendung im Fall einer tatsächlich gebildeten Vorstellung nicht für möglich gehalten hätte, wird von ihm eine Vollendungsverhinderung verlangt bzw. ihm die Rücktrittsmöglichkeit verwehrt. Eine derartige Sanktionierung der fehlenden Vorstellungsbildung seitens des Täters setzt aber voraus, dass diesen eine Obliegenheit trifft, über das Bestehen einer objektiven Gefahr nachzudenken und sich eine Vorstellung darüber zu bilden, was er für das Opfer tun muss. Stellt man schließlich bei einer fehlenden Vorstellungsbildung seitens des Täters auf dessen fiktive Vorstellung, also die Annahme ab, zu welcher er gekommen wäre, hätte er sich über die Folgen seines Handelns Gedanken gemacht, wird der vorstellungslose Täter gegenüber dem tatsächlich Bedächtigen weder besser noch schlechter gestellt; die fehlende Vorstellungsbildung wird ebenso wenig bestraft wie die erfolgte Vorstellungsbildung honoriert wird. 282 Desinteresse wird am häufigsten als Ursache der Vorstellungslosigkeit angeführt, woraus nicht selten auch Gleichgültigkeit des Täters auf voluntativer Ebene abgeleitet wird, z. B. Kühl, AT, § 16 Rn. 31; Otto, JK 95, StGB § 24/23; Puppe, NStZ 1995, 403 (404); kritisch aber Jäger, Rücktritt, S. 39; Schmidt, JuS 1995, 650 (651). S. dazu Zweiter Teil C. II. 1. b) aa), c) bb) (1). 283 Speziell dazu s. BGH, NStZ 2004, 324 (325); s. a. Otto, JK 05, StGB § 24/32, sowie ausf. Zweiter Teil C. II. 1. b) bb). 284 Übereinstimmend Murmann, JuS 1996, 590 (591); v. Scheurl, Rücktritt, S. 55; vgl. auch Kudlich, JuS 1999, 349 (350); Puppe, NStZ 1995, 403 (404); Schmidt, JuS 1995, 650 (651). 285 An diese Feststellung ist die Revisionsinstanz gebunden, vgl. § 337 StPO; s. dazu für viele Roxin, Strafverfahrensrecht, § 53 Rn. 1. Zur Nichtfeststellbarkeit einer Tätervorstellung s. etwa Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (219).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

b) Der Standpunkt der Rechtsprechung aa) Die Leitentscheidung des BGH zum vorstellungslosen Täter Der BGH hatte erstmals im Jahr 1994 einen Fall zu entscheiden, in dem ein vorstellungsloser Täter die weitere Tatausführung abgebrochen hatte. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der mit Tötungsvorsatz handelnde Angeklagte sein Opfer zweimal mit dem Messer in den Oberbauch gestochen, dann jedoch von diesem abgelassen, wobei er sich nach den Feststellungen des Landgerichts keine Vorstellung darüber gemacht hatte, ob die Stiche tatsächlich zum Tod des Opfers führen würden. Das Opfer erlitt lebensbedrohliche Verletzungen, konnte aber gerettet werden.286 Das Landgericht hatte die Vorstellungslosigkeit des Angeklagten zu dessen Gunsten als unbeendeten Versuch gewertet und ihm hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts Straffreiheit gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gewährt.287 Der BGH jedoch stuft den Versuch mit einer umfangreichen Begründung als beendet ein: Ein vorstellungsloser Täter rechne gleichermaßen mit der Möglichkeit des Ausbleibens wie mit der des Eintretens des Erfolges. Halte er aber den Erfolgseintritt auch für möglich, liege ein beendeter Versuch vor, der zur Strafbefreiung ein aktives Verhindern der Tatvollendung erforderlich mache. Der Täter habe die Gefahr geschaffen und müsse diese beseitigen. Andernfalls komme auch der gleichgültige Täter „in den Genuss der Straffreiheit, obwohl er keine Distanzierung von der drohenden Rechtsgutverletzung, geschweige denn eine innere Umkehr, erkennen“ lasse, was mit der dem Rücktritt zugrunde liegenden Wertentscheidung nicht zu vereinbaren sei. Ebenso wenig verdiene der Leichtfertige, Gleichgültige, der das Opfer seinem Schicksal überlasse, ein Privileg gegenüber dem Bedächtigen, der sich Gedanken über die Folgen seines Tuns mache und deshalb die Gefahr für sein Opfer erkenne.288 Dieses Ergebnis stehe schließlich auch „im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Annahme von bedingtem Vorsatz bei einem Täter, dem bei seiner Tat der Erfolgseintritt gleichgültig“ sei.289 Die sich hieraus ergebende Annahme einer Obliegenheit des Täters zur Vorstellungsbildung bestätigt der BGH in seiner Folgerechtsprechung, indem er die Ausgangsdefinition des beendeten Versuchs, der vorliege, wenn der Täter die Vollendung für möglich halte, häufig durch den Zusatz, „oder wenn der Täter sich keine Vorstellungen macht“ ergänzt.290 Entscheidungsrelevanz hatte diese 286

BGHSt 40, 304 (305). BGHSt 40, 304 (305 f.). 288 BGHSt 40, 304 (306). Zwischen fehlender Vorstellung und Gleichgültigkeit differenzierend aber BGH, NStZ-RR 2006, 101 (102). 289 BGHSt 40, 304 (306 f.) unter Verweis auf BGH NJW 1960, 1821 (1822) u. RGSt 75, 127. 287

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Erweiterung indes kaum: Zwar hält der BGH in jenen Entscheidungen zumeist den genauen Inhalt der Tätervorstellung für zweifelhaft und verweist zur weiteren Feststellung an die Tatsacheninstanz zurück;291 dafür, dass dem Täter in den entschiedenen Fallgestaltungen die Vorstellung jemals vollständig gefehlt hat, finden sich jedoch in den allermeisten Fallgestaltungen keine Anhaltspunkte. Von Belang war die Gleichstellung des vorstellungslosen mit dem die Vollendung für möglich haltenden Täter zunächst lediglich in einem Beschluss des BGH aus dem Jahr 2000: Dort billigte der BGH in einem Fall, in dem der Täter davon ausging, er habe eine Vielzahl von Personen tödlich verletzt, sich jedoch im einzelnen keine Gedanken darüber machte, die Vorgehensweise des Landgerichts, das die Annahme eines beendeten Versuchs darauf gestützt hatte, dass bereits bei einer fehlenden Vorstellung ein beendeter Versuch vorliege.292 bb) Die fehlende Möglichkeit zur Vorstellungsbildung Mit der Konstellation einer möglicherweise fehlenden Tätervorstellung beschäftigt sich auch eine neuere Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2003. Die Angeklagte hatte in dem zugrunde liegenden Sachverhalt dreimal wild und kraftvoll auf ihren Freund eingestochen und diesen dadurch lebensgefährlich verletzt, dann aber ein weiteres, ihr mögliches Zustechen unterlassen; ihr Opfer konnte aufgrund außergewöhnlich glücklicher Umstände gerettet werden. Zu der Vorstellung der Täterin nach der Tatausführung verhielt sich der vom Landgericht ermittelte Sachverhalt nur unzureichend, weshalb der BGH den Fall auch zur erneuten Entscheidung zurückverweist, allerdings nicht ohne auf die Besonderheit des vorliegenden Falles aufmerksam zu machen: Bei der Angeklagten war es aufgrund von Beschimpfungen durch das Opfer in Verbindung mit ihrer starken Alkoholisierung zu einem „Impulskontrollverlust mit einem aggressiven Durchbruch“ gekommen, infolge dessen sie in einen Zustand geriet, „in dem sie nicht mehr wußte, was sie tat“, und in dem sie – nach Einschätzung des BGH – möglicherweise keine „Vorstellung von den Folgen ihrer Messerstiche entwickeln konnte“.293 Zwar wird nicht ausdrücklich entschieden, welche Folgen an die fehlende Möglichkeit der Bildung einer Vorstellung und damit das Fehlen einer Tätervorstellung in Bezug auf die Vollendungsgefahr zu knüpfen sind, doch legt die Zurückverweisung durch den BGH mit der Maßgabe, – unter anderem – zu ermitteln, ob die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten eine 290 So etwa in BGH, StV 1996, 86; BGH, NStZ 1999, 299 f.; BGH, Beschl. v. 10.10.2000 – 4 StR 372/00, S. 4; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 f.; BGH, Beschl. v. 6.6.2001 – 3 StR 177/01, S. 4; BGH, NStZ 2005, 263 (264); BGH, NStZ-RR 2006, 6. 291 Vgl. nur z. B. BGH, StV 1996, 86; BGH, NStZ 1999, 299 f.; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00, S. 4 f.; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 f. 292 BGH, Beschl. v. 6.9.2000 – 3 StR 226/00, S. 3 f. 293 BGH, NStZ 2004, 324 (325).

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Vorstellungsbildung erlaubte,294 nahe, dass bei fehlender Möglichkeit zur Vorstellungsbildung vom Vorliegen eines unbeendeten Versuchs auszugehen, also gerade anders zu entscheiden sein soll als bei einer Vorstellungslosigkeit des Täters trotz Möglichkeit zur Vorstellungsbildung. cc) Die Beschränkung auf Situationen nach besonders gefährlichen und zu schweren Opferverletzungen führenden Gewalthandlungen In einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 schränkt der BGH nun seine bisherige Rechtsprechung zum vorstellungslosen Täter in überraschender Weise ein. In der zugrunde liegenden Fallgestaltung hatte der Täter seinen früheren Arbeitgeber, in der Vorstellung, diesen dadurch von einer angeblichen Sektenzugehörigkeit befreien zu können, zweifach aufgefordert, ihm „bis 15.00 Uhr ,4 Millionen‘ zu zahlen“ und gedroht, „ihn ansonsten ,in den Himmel zu befördern‘“.295 Zu einer Zahlung war es nicht gekommen; bei späteren Kontakten hatte der Täter seine Forderung nicht mehr erneuert. In seiner Entscheidung widerspricht der BGH dem Landgericht, das die Tat mit der Begründung als beendeten Versuch einer räuberischen Erpressung gewertet hatte, dass, auch wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung keine konkreten Vorstellungen über die Folgen seines Tuns und hinsichtlich einer möglichen Geldübergabe gehabt habe, keine umgehende Distanzierung von der Rechtsgutsverletzung erfolgt sei. Nach Ansicht des BGH reicht allein die fehlende Reflexion des Täters über die Folgen seines Tuns im vorliegenden Fall für die Annahme eines beendeten Versuchs nicht aus: Die Gleichsetzung der fehlenden Vorstellung mit einem Fürmöglichhalten gelte „[l]ediglich nach besonders gefährlichen Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen des Opfers geführt haben“ und unter der Voraussetzung, dass der Täter sowohl mit dem Eintreten als auch dem Ausbleiben des Erfolges gerechnet habe.296 Dies sei hier nicht der Fall, da der Erfolgseintritt vorwiegend vom Verhalten des Opfers abhängig und ohne zusätzliche Handlungen des Täters „nicht ohne weiteres zu erwarten“ gewesen sei.297 Allerdings müht sich der BGH im Anschluss an diese Feststellung, doch noch eine bestehende Tätervorstellung zu ermitteln und wertet schließlich die Einlassung des Täters dahingehend, dass dieser „selbst nicht ernsthaft mit einer Zahlung“ durch das Opfer gerechnet habe. 294

BGH, NStZ 2004, 324 (325 f.). BGH, StV 2005, 386 f. 296 BGH, StV 2005, 387. Ähnlich jetzt auch BGH, NStZ-RR 2006, 6: Der Versuch sei auch beendet, wenn der Täter „sich – namentlich nach besonders gefährlichen Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben – keine Vorstellungen“ macht. Ebenso BGH, NStZ-RR 2006, 101 (102). 297 BGH, StV 2005, 387. 295

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Eine Beschränkung der Annahme eines beendeten Versuchs im Fall der Vorstellungslosigkeit des Täters auf gefährliche und zu schweren Opferverletzungen führende Gewalthandlungen war in keiner vorangegangenen Entscheidung des BGH angedeutet worden. Ob sie nun aber dazu führt, dass im Fall der Vorstellungslosigkeit des Täters und dem Fehlen einer schwerwiegenden Verletzung stets – in dubio pro reo – von einem unbeendeten Versuch auszugehen ist, ist zu bezweifeln. Vielmehr deutet gerade der letztere Teil der Entscheidungsbegründeung darauf hin, dass der BGH den Täter in der zugrunde liegenden Fallgestaltung gar nicht für vorstellungslos hielt. Denkbar ist daher, dass durch die Einschränkung lediglich der Vorgehensweise der Untergerichte entgegengetreten werden sollte, den Täter ohne ausreichend gründliche Untersuchung vorschnell und für den BGH gemäß § 337 StPO bindend als vorstellungslos einzustufen und bereits deshalb sein bloßes Nichtweiterhandeln nicht für eine Strafbefreiung genügen zu lassen. Ebenso könnten die Versuche des BGH, die Tätervorstellung zu ermitteln, aber darauf hindeuten, dass nach Auffassung des BGH im Fall der verbindlich festgestellten Vorstellungslosigkeit des Täters durch die Untergerichte nunmehr auf dessen hypothetische Vorstellung abzustellen sein soll.298 c) Die in der Literatur vertretenen Ansichten aa) Der Meinungsstand vor BGHSt 40, 304 Vor der Leitentscheidung des BGH aus dem Jahr 1994 fand der Fall des vorstellungslosen Täters in der Literatur kaum Beachtung. Neben v. Scheurl, der sich allerdings einer rechtlichen Bewertung enthält,299 spricht allein Kienapfel die Möglichkeit einer gänzlich fehlenden Vorstellung seitens des Täters an: Er will, nachdem bloße Schutzbehauptungen des Täters identifiziert und ausgeschieden sind, „die rücktrittsfreundlichen Konsequenzen der Gesamtbetrachtungslehre“ voll zum Tragen kommen lassen, d.h. zugunsten des Täters einen unbeendeten Versuch annehmen.300 bb) Die überwiegende Ansicht in der Literatur Durch BGHSt 40, 304 wurde das Problem der Vorstellungslosigkeit des Täters zum vieldiskutierten und fand Aufnahme in beinahe jedes Standardwerk zum Allgemeinen Teil des Strafrechts.301 Mit Blick auf das Ergebnis, der An298 Vgl. hierzu den Ansatz Roxins, HRR, S. 197 (Zu Nr. 66); s. Zweiter Teil C. II. 1. c) cc). 299 v. Scheurl, Rücktritt, S. 55. 300 Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (219). 301 Vgl. nur Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 2; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a; Wessels/Beulke, Rn. 639.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

nahme eines beendeten Versuchs und damit einer Obliegenheit des Täters zur Vorstellungsbildung, erfährt der BGH dabei weitgehend Zustimmung, bezüglich seiner Begründung hingegen zumeist scharfe Kritik.302 (1) Die Kritik an der Begründung des BGH Vorgeworfen wird dem BGH vor allem, seine Annahme, der vorstellungslose Täter rechne sowohl mit dem Ausbleiben als auch mit dem Eintreten des Erfolges, sei unzutreffend. „Mit etwas rechnen“ erfordere eine Reflexion der möglichen Alternativen und setze deshalb ein Vorstellungsbild des Täters über die Erfolgsgefahr notwendig voraus. Wer sich keine Vorstellungen zum Verwirklichungsgrad seines Tuns mache, halte den Erfolgseintritt weder für möglich, noch für unmöglich, rechne insoweit mit nichts.303 Der BGH aber unterstelle dem Täter ein in Wirklichkeit nicht vorhandenes Gefahrbewusstsein und deute den Fall des vorstellungslosen Täters in unzulässiger Weise in den eines mit dem Erfolgseintritt rechnenden Täters um.304 Auch der Verweis des BGH darauf, dass derjenige, der die Gefahr geschaffen hat, diese auch wieder beseitigen müsse, trifft lediglich bei denjenigen auf Zustimmung, welche die erforderliche Rücktrittsleistung – jedenfalls auch – anhand der objektiven Gefährdungslage bestimmen wollen.305 Als wenig überzeugend wird ferner die vom BGH gezogene Parallele zum bedingten Vorsatz des gleichgültigen Täters befunden. Im Vorsatzbereich trete nämlich das Gleichgültigsein des Täters als voluntatives Element zu dessen Wissen um die Möglichkeit der Erfolgsherbeiführung hinzu, setze dieses also notwendig die Vorstellung von der Existenz möglicher Folgen voraus, wohingegen bei einem vorstellungslosen Täter dessen Wissen um die Möglichkeit der Vollendung gerade erst begründet werden solle.306 Ohne nähere Begründung könne das festgestellte Fehlen jeglicher Vorstellung beim Rücktrittswilligen nicht mit Gleichgültigkeit gleichgesetzt werden.307

302 So z. B. Heckler, NJW 1996, 2490 (2491); Jescheck/Weigend, AT, § 52 II 2; Otto, JK 95, StGB § 24/23; Puppe, NStZ 1995, 403 (404 f.). 303 Roxin, HRR, S. 197 (Zu Nr. 66); ders., AT II, § 30 Rn. 171; s. a. Heckler, NJW 1996, 2490 (2491); ders., Ermittlung, S. 212; Puppe, NStZ 1995, 403 (404), zustimmend v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (30); Murmann, JuS 1996, 590 (592). Ähnlich Blei, PdW, Fall 237; Kühl, AT, § 16 Rn. 31. 304 Kühl, AT, § 16 Rn. 31; ähnlich Hauf, AT, S. 151 f.; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 44. 305 So etwa Jäger, Rücktritt, S. 39, 89; vgl. auch Hauf, JR 1996, 29 (30). 306 Heckler, NJW 1996, 2490 (2491); ders., Ermittlung, S. 212 f.; Schmidt, JuS 1995, 650 (651). 307 Schmidt, JuS 1995, 650 (651); zustimmend Jäger, Rücktritt, S. 39; insoweit wie der BGH dagegen Gropp, § 9 Rn. 53; Kudlich, PdW, Fall 241; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 113.

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Zuspruch erfährt die Zuschreibung von Gleichgültigkeit an den Täter dagegen durch Krey, der dieses Ergebnis allerdings auf die angebliche Irrealität einer „Vorstellungslosigkeit“ des Täters stützt: Real sei allein eine „Gleichgültigkeit“ des Täters, weshalb es nicht nur zulässig, sondern unumgänglich sei, die gerichtliche Feststellung eines „vorstellungslosen“ Täters in die eines „gleichgültigen“, den Erfolgseintritt und das Erfolgsausbleiben in Kauf nehmenden Täters umzudeuten.308 (2) Die Begründungsansätze der herrschenden Literatur Überwiegend wird die Annahme eines beendeten Versuchs im Fall des vorstellungslosen Täters in der Jurisprudenz jedoch dadurch erreicht, dass der unbeendete Versuch unter Berufung auf die § 24 StGB zugrunde liegende Wertentscheidung auf jene Fälle beschränkt wird, bei denen der Täter positiv davon überzeugt ist, sein bisheriges Handeln genüge noch nicht zur Herbeiführung der Vollendung; in allen anderen Fällen – sei es, dass er den Erfolgseintritt für möglich hält, sei es dass ihm die Vorstellung fehlt – verdiene er nicht das Privileg des Rücktritts durch bloße Aufgabe, sondern müsse er aktiv werden.309 Insbesondere gebühre ihm keine Bevorteilung gegenüber dem „nachdenkenden Bedächtigen“, der die Gefahr erkenne und daher nur durch erfolgsverhinderndes Handeln zurücktreten könne.310 Auch unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes sei es unerträglich, den vorstellungslosen, möglicherweise gar gleichgültigen Täter für die bloße Aufgabe der Tatausführung straffrei zu stellen, obwohl dieser die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht ausschließe.311 Im Interesse des Opfers sei vom Täter als erste Maßnahme zur Rettung zu verlangen, dass er sich Gedanken mache, ob er eine Erfolgsgefahr verursacht habe und was er zu deren Abwendung tun könne.312 Nur wenn er das Opfer nach seinem pflichtgemäßen Urteil noch nicht gefährdet habe, stelle sein Untätigbleiben auch eine Distanzierung von der Rechtsverletzung dar, die seine Rechtstreue beweise. Mache er sich dagegen keine Gedanken, behalte der ursprüngliche Tatentschluss seine Kraft.313

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Krey, AT II, Rn. 480. Vgl. z. B. Krey, AT II, Rn. 480; Otto, JK 95, StGB § 24/23; ferner Eisele, JA 1999, 922 (924 Fn. 11). 310 LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 113. 311 Krey, AT II, Rn. 480; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 113; Otto, JK 95, StGB § 24/ 23; Puppe, NStZ 1995, 403 (404); Weinhold, Rettungsverhalten, S. 131. 312 Weinhold, Rettungsverhalten, S. 131; zustimmend Puppe, NStZ 1995, 403 (404); dies., JR 2000, 72 (74). 313 So NK-Zaczyk, § 24 Rn. 44; Puppe, NStZ 1995, 403 (404 f.); Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 15. 309

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

cc) Differenzierende Lösungen Andere wenden sich gegen die pauschale Annahme eines beendeten Versuchs bei fehlender Tätervorstellung. Nach Hauf etwa stellt die Vorstellungslosigkeit des Täters eine der Fallgruppen dar, bei denen eine rein subjektive Abgrenzung versagt. Die subjektive Komponente sei in diesem Fall „als neutral zu werten“ und das „Pflichtenprogramm“ des Täters deshalb objektiv nach dem Grad der von ihm geschaffenen Gefährdung zu bestimmen.314 Folglich sei dem Täter das zur Beseitigung der Gefahr objektiv Erforderliche abzuverlangen, d.h. bei Vorliegen einer objektiven Erfolgsgefahr ein Verhindern der Vollendung, bei fehlender objektiver Erfolgsgefahr ein Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung.315 Roxin will hingegen danach differenzieren, zu welcher Annahme der vorstellungslose Täter gekommen wäre, wenn er sich über die Folgen seines Handelns Gedanken gemacht hätte. Wäre er bei Nachdenken von einer möglicherweise tödlichen Verletzung ausgegangen, liege ein beendeter Versuch vor; der Versuch sei hingegen unbeendet, wenn der Täter, etwa weil die zugefügten Verletzungen relativ geringfügig waren, zu der Überzeugung gelangt wäre, das Opfer werde am Leben bleiben.316 Dies folge daraus, dass der vorstellungslose Täter nicht schlechter gestellt werden solle als der leichtsinnig auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauende, der ebenfalls durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung zurücktreten könne.317 Eine Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung trifft den Täter danach nicht. dd) Die Ansicht Murmanns Murmann zufolge fehlt es hingegen bei Vorstellungslosigkeit des Täters an einem rücktrittsfähigen Sachverhalt, ist dem Täter deshalb die Möglichkeit des Rücktritts gänzlich versperrt.318 Mache sich ein Täter über die Folgen seines Verhaltens keine Gedanken, könne keine Umkehr und damit auch keine Relativierung des gegenüber dem Opfer erfolgten Vertrauensbruchs erfolgen, weshalb der durch die Versuchsbegehung hervorgerufene rechtserschütternde Eindruck bestehen bleibe. Eine klare Entscheidung für das Recht sei bei völliger Gedankenlosigkeit nicht möglich. Als vorgelagerter Teil seiner Rücktrittsleistung obliege es dem Täter vielmehr, über die Folgen seines Verhaltens nachzudenken, 314

Hauf, JR 1996, 29 f. (Hervorhebung im Original). Hauf, JR 1996, 29 (30). 316 Roxin, HRR, S. 197 (Zu Nr. 66); s. a. ders., AT II, § 30 Rn. 172, wo jedoch weniger auf die fiktive Vorstellung, als auf die aufgrund erkennbarer Umstände zu bildende Vorstellung abgestellt wird. 317 Roxin, AT II, § 30 Rn. 172. 318 Murmann, Versuchsunrecht, S. 42 Fn. 131; ders., JuS 1996, 590 (593). 315

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da sich erst aufgrund des so gewonnenen Vorstellungsbildes die Rücktrittsleistung überhaupt bestimmen lasse.319 Insbesondere liege bei einer fehlenden Tätervorstellung auch kein beendeter Versuch vor, weil derjenige, der sich keine Gedanken über die Folgen seines Tuns mache, sich auch nicht zu Rettungshandlungen veranlasst sehen könne.320 Den Täter trifft danach nicht nur die Obliegenheit zur Reflexion, sondern im Verletzungsfall zudem die Sanktion der Rücktrittsunfähigkeit des Versuchs. d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Vorab abzulehnen ist zunächst der Vorschlag Haufs, im Fall der fehlenden Vorstellung auf die objektive Lage zu rekurrieren: Wie bereits im ersten Abschnitt dieses Teils gezeigt wurde, kann der objektiven Gefährdungslage bei der Bestimmung der Rücktrittsleistung nicht entscheidende Bedeutung zugemessen werden;321 dies gilt auch im Fall einer gänzlich fehlenden Tätervorstellung. Es sind mithin andere Kriterien zu finden, um die vom vorstellungslosen Täter zu fordernde Rücktrittsleistung festzulegen. aa) Keine Anwendbarkeit der bisher erarbeiteten Definition Die bisher durch Auslegung der Rücktrittsvorschrift erarbeitete Umschreibung der Versuchsstadien hilft im Fall eines vorstellungslosen Täters nicht weiter. Denn sowohl das ein Verhinderungshandeln erforderlich machende Fürmöglichhalten der Vollendung als auch das einen Rücktritt durch bloßes Nichtweiterhandeln erlaubende Nichtfürmöglichhalten der Vollendung setzt denknotwendig voraus, dass der Täter sich zuvor Gedanken gemacht hat. Entschieden entgegenzutreten ist deshalb dem Rettungsversuch des BGH, den Fall der Vorstellungslosigkeit doch noch unter die herkömmliche Definition fassen zu können, indem er unterstellt, wer sich keine Gedanken mache, halte sowohl den Erfolgseintritt als auch das Erfolgsausbleiben für möglich und falle deshalb in den Bereich des beendeten Versuchs.322 Ohne Vorstellung rechnet der Täter nämlich gerade mit nichts, d.h. weder mit dem Eintritt noch mit dem Ausbleiben der Vollendung;323 alles andere wäre eine unzulässige Unterstellung.

319 Murmann, JuS 1996, 590 (593) unter Verweis auf Puppe, NStZ 1995, 403 (404 f.). 320 Murmann, JuS 1996, 590 (593). 321 Dazu oben Zweiter Teil B. VI. 2. 322 BGHSt 40, 304 (306). 323 Ähnlich bereits Kühl, AT, § 16 Rn. 31; vgl. ferner Hauf, AT, S. 151 f.; NKZaczyk, § 24 Rn. 44.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Ebenso wenig lässt sich mit dem BGH die fehlende Tätervorstellung mit dem Vorliegen von Gleichgültigkeit seitens des Täters gleichsetzen. Obschon eine Billigung auf voluntativer Ebene die Kenntnis der Möglichkeit durch den Täter voraussetzt, bedeutet das nicht umgekehrt, dass bei fehlender Kenntnis das voluntative Element der Gleichgültigkeit des Täters vorliegen muss.324 Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Vorstellungslosigkeit des Täters nicht auf dessen Desinteresse am Schicksal des Opfers beruhen muss, sondern auch Folge von Panik oder gar eines Impulskontrollverlustes seitens des Täters sein kann.325 bb) Vorgehensweise bei der Einordnung der Konstellation In methodischer Hinsicht abzulehnen ist darüber hinaus die teilweise zu findende Vorgehensweise, um den Fall des vorstellungslosen Täters erfassen zu können, die bestehende Definition der Versuchsstadien und der damit einhergehenden Rücktrittsleistungen zu ergänzen und so die Konstellation der Vorstellungslosigkeit der einen oder der anderen Seite der Definition zuzuschlagen. Weil die Vorstellung des Täters den Dreh- und Angelpunkt bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung bildet und im Rahmen der Definition lediglich der genaue Inhalt der Vorstellung umschrieben, das Bestehen einer Vorstellung aber vorausgesetzt wird, liegt die Fallgestaltung der fehlenden Tätervorstellung auch nicht, wie man auf den ersten Blick vielleicht vermuten könnte, zwischen, sondern als Fall einer gänzlich fehlenden Erfolgsprognose außerhalb der beiden Versuchsstadien. Daher erscheint es methodisch vorzugswürdig, der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung anhand des Vorstellungsinhalts die Frage, ob der Täter eine Vorstellung gebildet hat, gleichsam als „erste Stufe“ vorzuschalten. Nur bei einer positiven Antwort hierauf kann im nächsten Schritt die Rücktrittsleistung mittels der gefundenen Umschreibung festgelegt werden; anderenfalls ist gesondert zu beurteilen, wie sich das Fehlen der Tätervorstellung auf die Frage des Rücktritts auswirkt. cc) Das Bestehen einer Obliegenheit zur Reflexion und die Folgen ihrer Nichterfüllung An eine fehlende Vorstellungsbildung lassen sich nur dann für den rücktrittswilligen Täter nachteilige Folgen – wie sie etwa in der Annahme eines beendeten oder gar rücktrittsunfähigen Versuchs liegen – knüpfen, wenn es diesem obliegt, sich über die objektive Gefährdungslage Gedanken zu machen. Eine da324 So auch Schmidt, JuS 1995, 650 (651); zustimmend Jäger, Rücktritt, S. 39. Wie der BGH dagegen Gropp, § 9 Rn. 53; vgl. ferner LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 113. 325 Dazu bereits Zweiter Teil C. II. 1. a).

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hingehende Obliegenheit nehmen, wie gesehen, jene an, die ein Fehlen der Vorstellung sanktionieren, nicht hingegen diejenigen, die bei der Vorstellungslosigkeit des Täters von einem unbeendeten Versuch ausgehen oder auf die hypothetische Tätervorstellung abstellen. Die Entscheidung darüber, ob ein vorstellungsloser Täter – der Situation beim beendeten Versuch entsprechend – stets die Vollendung verhindern bzw. zumindest Verhinderungsbemühungen entfalten muss oder ob er gar nicht in den Genuss einer Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 StGB kommen kann, betrifft dementsprechend die Rechtsfolgenseite der Verletzung seiner Reflexionsobliegenheit und stellt sich erst, wenn das Bestehen einer solchen Obliegenheit festgestellt ist. (1) Die Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung hinsichtlich der Vollendungsgefahr Den Täter trifft dann eine Obliegenheit zur Reflexion in Bezug auf das Bestehen einer Vollendungsgefahr, wenn der hinter § 24 Abs. 1 StGB stehende, gesetzgeberische Leitgedanke dies von ihm – gleichsam als ersten Schritt zur Rettung des Opfers – verlangt. (a) Eine Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung im Rahmen des Rücktritts könnte sich zunächst aus dem Gedanken der Anreizschaffung und des Opferschutzes ergeben. Dass es im Interesse des Opfers liegt, vom Täter zu verlangen, sich eine Vorstellung über die Gefährdungslage und damit die erforderliche Rücktrittsleistung zu bilden, scheint evident.326 Der Täter muss sich Gedanken darüber machen, ob er eine Erfolgsgefahr verursacht hat, um überhaupt erkennen zu können, was er zu ihrer Abwendung tun kann. Das Stattfinden einer Reflexion ist somit unerlässliche Voraussetzung für eine Rettung des Opfers. Entgegen der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004327 gilt dies unabhängig von der Art der Tatausführung und der Schwere der Verletzung: Im Opferinteresse liegt nicht nur die Abwendung einer Lebensgefahr, sondern auch jeder anderen, weniger schwerwiegenden Gefährdung. Unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes ist es deshalb entschieden abzulehnen, die Vorstellungslosigkeit des Täters durch die pauschale Annahme eines unbeendeten Versuchs zu prämieren. Möglicherweise ließe sich indes mit Roxin ein ebenso wirkungsvoller Schutz des Opfers ohne die Annahme einer Obliegenheit des Täters zur Reflexion dadurch erreichen, dass man bei Gedankenlosigkeit des Täters dessen fiktive Vorstellung für maßgeblich erachtet.328 Jedoch ist einem insoweit denkbaren Vor326 Hierzu Puppe, NStZ 1995, 403 (404 f.) unter Verweis auf Weinhold, Rettungsverhalten, S. 129, 133. 327 s. oben Zweiter Teil C. II. 1. b) cc). 328 So Roxin, HRR, S. 197 (Zu Nr. 66); ders., AT II, § 30 Rn. 172.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

bringen, die Lage des Opfers verschlechtere sich durch die fehlende Vorstellungsbildung nicht, weil der Täter auch bei Bildung einer Vorstellung zu keinem anderen Ergebnis gelangt wäre, bereits an dieser Stelle zu widersprechen: Zwar wird bei einem Abstellen auf die hypothetische Tätervorstellung vom Täter keine für das Opfer gegenüber der Situation der tatsächlichen Tätervorstellung weniger wirksame Rücktrittsleistung verlangt. Da das Opferinteresse aber über die Psyche des Täters vermittelt wird, ist allein durch das Erfordernis einer bestimmten Rücktrittsleistung für das Opfer noch nichts erreicht; die Situation des Opfers verbessert sich de facto nur dadurch, dass man vom Täter das aus dessen Sicht erforderliche Verhalten verlangt.329 Ein wirkungsvoller Opferschutz kann mithin nur erreicht werden, wenn der Täter sich überhaupt Gedanken über das erforderliche Verhalten macht, weshalb die Anreizschaffung sogar vorrangig darauf gerichtet sein muss, den Täter zur Bildung einer Vorstellung zu veranlassen. Dem lässt sich nur durch die Auferlegung einer uneingeschränkten Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung gerecht werden. (b) Der Verdienstlichkeitsgedanke wird ebenfalls teilweise für das Bestehen einer Reflexionsobliegenheit seitens des Täters herangezogen, indem argumentiert wird, dass nur, wer sich Gedanken gemacht und die Vollendung in seiner Vorstellung positiv ausgeschlossen habe, einen Rücktritt durch bloße Aufgabe verdiene.330 Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als dem Vorstellungslosen kein Privileg gegenüber dem Bedächtigen gebührt, der Täter mithin aufgrund seiner Vorstellungslosigkeit nicht besser stehen soll, als wenn er sich in derselben Situation Gedanken gemacht hätte. Auch bei Maßgeblichkeit der hypothetischen Tätervorstellung erlangt der Vorstellungslose allerdings keinen Vorteil; er wird dem bedächtigen Täter vielmehr gleichgestellt.331 Ein Abstellen auf die hypothetische Vorstellung des Täters entspräche allerdings nur dann dem Verdienstlichkeitsgedanken, wenn die Untätigkeit des vorstellungslosen Täters in den Fällen, in denen der Täter nicht zur Annahme einer Vollendungsgefahr gelangt wäre, ein für eine Strafbefreiung ausreichendes Verdienst darstellte. Abgesehen von der bereits aufgezeigten Problematik, ohne Präzisierung des Rechtsgrundes zu bestimmen, welches Verhalten als ausreichend verdienstlich zu bewerten ist,332 lässt sich jedoch bei einem Täter, der sich keine Gedanken über die Situation des Opfers macht, nur schwerlich von einem verdienstlichen Verhalten sprechen: Dies erforderte nämlich – und zwar erneut unabhängig von der Art der Tatausführung und der Schwere der drohenden Verletzung – zumindest auch die Vorstellung, verdienstlich zu handeln, d.h. notwendig eine bewusste Entscheidung des Täters. Eine 329 330 331 332

Vgl. dazu bereits oben Zweiter Teil B. VI. 6. a). So etwa BGHSt 40, 304 (306); zustimmend z. B. Krey, AT II, Rn. 480. Vgl. dazu Roxin, HRR, S. 197 (Zu Nr. 66); ders., AT II, § 30 Rn. 172. s. dazu bereits Zweiter Teil B. VI. 6. b); vgl. ferner BGH, NStZ 2004, 324.

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solche kann derjenige, der sich keine Vorstellung über die objektive Gefährdungslage macht, aber nicht treffen. Auch der Verdienstlichkeitsaspekt spricht mithin für eine Obliegenheit des Täters zur Reflexion.333 (c) Sieht man schließlich den Grund der Strafbefreiung beim Rücktritt im Wegfall des Strafzwecks, ist unter spezialpräventiven Aspekten eine Bestrafung des vorstellungslosen untätigen Täters in sämtlichen Fallgestaltungen notwendig. Gerade der vorstellungslose Täter erscheint gefährlich und unberechenbar. Dadurch, dass er sich keine Gedanken über das Schicksal des Opfers und damit über die von ihm zu erbringende Rücktrittsleistung macht, stellt er – abermals ohne dass es auf die Art der Tatausführung oder die Schwere der Verletzung ankäme – keine Rechtstreue unter Beweis und kehrt nicht in die Legalität zurück, sondern lässt den Dingen ihren Lauf, ohne dabei über die Konsequenzen nachzudenken. Hieran ändert sich auch in den Fallgestaltungen nichts, in denen der Täter, hätte er sich Gedanken gemacht, vom Nichtbestehen einer Erfolgsgefahr ausgegangen wäre; der maßgebliche Mangel liegt gerade im Fehlen der Tätervorstellung. Daneben bleibt bei einer Vorstellungslosigkeit des Täters auch der durch die Versuchsbegehung hervorgerufene, rechtserschütternde Eindruck bestehen. Der nicht reflektierende Täter distanziert sich nicht von der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern gibt im Gegenteil gerade dadurch, dass er sich nach der Tat keine Gedanken über das Schicksal des Opfers macht, ein schlechtes Vorbild ab. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Geltungskraft des Rechts wird so noch weiter geschwächt und zwar gleichermaßen in den Fallgestaltungen, in denen nach der fiktiven Tätervorstellung ein unbeendeter Versuch vorgelegen hätte. (d) Nach dem Sinn und Zweck der Rücktrittsvorschrift trifft den rücktrittswilligen Täter mithin die Obliegenheit, sich eine Vorstellung von der bestehenden Erfolgsgefahr zu bilden. (2) Die Rechtsfolgen der Verletzung der Reflexionsobliegenheit Bereits aus dem Bestehen einer Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung folgt, dass der Täter aus der Nichterfüllung dieser Obliegenheit nicht das Privileg ableiten kann, durch bloßes Aufhören zurücktreten zu können: Nemo allegans suam turpitudinem audiendus est.334 Zu entscheiden bleibt indes, ob sich die an die Verletzung dieser Obliegenheit geknüpfte negative Folge für den Tä333 Dieselben Überlegungen gelten in Bezug auf den Schulderfüllungsgedanken Herzbergs, Lackner-FS, S. 325 (349 f.): Auch die Schulderfüllung erfordert eine bewusste Entscheidung, mithin eine dieser vorgelagerte Reflexion. 334 4 Inst. 279 (Wer sich auf eigenes Fehlverhalten beruft, wird nicht angehört). Vgl. bereits Puppe, NStZ 1995, 403 (404 f.); dies., Strafrecht II, § 36 Rn. 43 Fn. 125.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

ter in der Versagung der Rücktrittsmöglichkeit durch Aufgabe der weiteren Tatausführung (Alt. 1) erschöpft oder ob dem Täter vielmehr die Möglichkeit des Rücktritts vollständig versperrt ist. (a) Kein „vorstellungsloses Verhindern“ Die Einstufung eines Versuchs, bei dem der Täter sich keine Gedanken hinsichtlich der Möglichkeit der Vollendung macht, als beendeten mutet deshalb befremdlich an, weil die Erbringung der danach vom Täter geforderten und ihm zugleich Strafbefreiung versprechenden Rücktrittsleistung des Verhinderns der Tatvollendung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB aufgrund seiner Vorstellungslosigkeit gar nicht möglich ist. Ein Verhindern i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB setzt nämlich nicht nur die – mindestens kausale und zurechenbare – Verhinderung der Vollendung voraus,335 sondern darüber hinaus in subjektiver Hinsicht unstreitig zumindest normalen Verhinderungsvorsatz seitens des Täters, also ein bewusstes und gewolltes Unterbrechen des Kausalverlaufs,336 nach teilweise vertretender Ansicht gar ein auf Verhinderung gerichtetes Verhalten des Täters.337 Eine derart bewusste Entscheidung kann der vorstellungslose Täter aber niemals treffen: Ohne vorherige Reflexion ist ein „Verhindern“ und freilich erst recht ein „Verhinderungsbemühen“ unmöglich. Ebenso wenig wie demjenigen, der sein Verhinderungsbemühungen für ungeeignet hält, kann somit einem Täter, der sich überhaupt keine Vorstellung über die Erforderlichkeit und das Ausreichen seiner Rücktrittsleistung macht, selbst bei objektiv verursachter Rettung Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB zukommen. Weil der vorstellungslose Täter mithin weder die Rücktrittsleistung der Aufgabe der weiteren Tatausführung noch die des Verhinderns der Vollendung bzw. des Verhinderungsbemühens erbringen kann, ist es allein überzeugend, ihm die Rücktrittsmöglichkeit ganz zu versagen, d.h. den Versuch des vorstellungslosen Täters als rücktrittsunfähig einzustufen.338 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch den hinter § 24 Abs. 1 StGB stehenden Rechtsgrund: Dem vorstellungslosen Täter ist es weder möglich, durch ein unbewusstes Nachtatverhalten ein das Unrecht des Versuchs aufwiegendes Verdienst zu erwerben, noch eine innere Umkehr zu dokumentieren, die den Strafzweck des Versuchs entfallen ließe. Auch 335 Dazu, ob neben der Kausalität und Zurechenbarkeit noch weitere Anforderungen an die Qualität des Verhinderungsverhaltens zu stellen sind, vgl. Kühl, AT, § 16 Rn. 66; Roxin, AT II, § 30 Rn. 218 ff. m. v. w. N. 336 So z. B. Ebert, S. 120; Krey, AT II, Rn. 501; Kühl, AT, § 16 Rn. 65 ff.; Schönke/ Schröder/Eser, § 24 Rn. 59; ausf. Boß, Rücktritt, S. 170 ff. 337 So BGHSt 31, 46 (48 f.); BGH, NStZ-RR 1999, 327; vgl. Dallmeyer, JAR 1999, 44 f. 338 Übereinstimmend Murmann, JuS 1996, 590 (593); ders., Versuchsunrecht, S. 42 Fn. 131.

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dem über die Psyche des Täters vermittelten Opferinteresse kann der Täter nur durch ein bewusstes, nicht aber durch ein zufällig – ohne sein Wissen und Wollen – erfolgreiches Verhindern gerecht werden. (b) „Unfreiwillige“ Vorstellungslosigkeit Bestehen bleibt die Frage, ob sich an dieser Rechtsfolge der Rücktrittsunfähigkeit dann etwas ändert, wenn es dem Täter – wie in dem vom BGH im Jahr 2003 entschiedenen Fall339 – etwa aufgrund eines Impulskontrollverlustes nicht möglich ist, die ihn treffende Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung zu erfüllen. Zwar ließe sich insoweit zunächst an den Grundsatz „ultra posse nemo obligatur“ denken und vorbringen, vom Täter könne in dieser Fallgestaltung nicht die Bildung einer Vorstellung verlangt werden. Jedoch besagt dieser Grundsatz, der den Täter lediglich aufgrund der subjektiven Unerfüllbarkeit von seiner Obliegenheit zur tatsächlichen Bildung einer Vorstellung befreit, nicht, dass sich an eine Nichterfüllung keine für den Täter nachteiligen Folgen, wie etwa der Verlust der Rücktrittsmöglichkeit, knüpfen dürfen. Insbesondere kann nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass der Täter ohne ein entsprechendes Bewusstsein weder die weitere Tatausführung i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgeben noch die Vollendung i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verhindern kann. Beide Rücktrittsleistungen erfordern eine bewusste Entscheidung des Täters, die ein Vorstellungsloser – unabhängig vom Grund seiner Vorstellungslosigkeit – nicht erbringen kann. Auch dem unfreiwillig Vorstellungslosen ist der Rücktritt deshalb versperrt. e) Zwischenergebnis zur Fallgestaltung der fehlenden Tätervorstellung Dem Täter kommt die uneingeschränkte Obliegenheit zu, sich eine Vorstellung von der objektiven Gefährdungslage zu bilden, anhand derer dann in einem zweiten Schritt mittels der ermittelten Definition festgestellt werden kann, welche Rücktrittsleistung er zur Erlangung von Strafbefreiung erbringen muss. Kommt der Täter dieser Obliegenheit zur Reflexion – aus welchen Gründen auch immer – nicht nach, kann er nicht strafbefreiend vom Versuch zurücktreten; sein Versuch ist rücktrittsunfähig. 2. Die Anforderungen an das Fürmöglichhalten Über diese Bildung einer Vorstellung von der objektiven Gefahrenlage hinaus könnte es dem Täter obliegen, sich – unter noch näher zu konkretisierenden Voraussetzungen – eine Vorstellung bestimmten Inhalts zu bilden, d.h. etwa 339

s. BGH, NStZ 2004, 324; dazu bereits Zweiter Teil C. II. 1. b).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

beim Vorliegen oder Erkennen bestimmter objektiver Umstände das Bestehen einer Vollendungsgefahr anzunehmen. Dies wird von denjenigen angenommen, die dem Täter das für einen beendeten Versuch und die Erforderlichkeit einer Vollendungsverhinderung vorausgesetzte Fürmöglichhalten der Vollendung unter diesen Voraussetzungen zuschreiben wollen. Die Erwägung, dass demjenigen, der die Situation sorgfaltswidrig unzutreffend beurteilt, das Privileg der Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 StGB – gleichsam als Sanktion für seine Obliegenheitsverletzung – nicht mehr zukommen soll, macht dabei allerdings nur einen Teil der Begründung aus. Daneben werden als Grund für eine Normativierung der Tätervorstellung vor allem Beweisschwierigkeiten angeführt, die einer eindeutigen Feststellung der tatsächlich bestehenden Tätervorstellung entgegenstünden.340 Die Beweisschwierigkeiten bei der Feststellung der Tätervorstellung beruhen darauf, dass das Tatgericht keinen unmittelbaren Zugriff auf das Vorstellungsbild des Täters hat, dieses als subjektives Moment vielmehr „hinter einer Wand – in der Regel der Stirn eines Menschen – verborgen“ ist.341 Zugleich ist die psychische Situation oft selbst für einen auskunftswilligen Täter schwer zu schildern, weil er möglicherweise gar keine sprachgedankliche Reflexion des Tatgeschehens vollzogen hat oder ihm die Erinnerung an den genauen Inhalt seiner Vorstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt fehlt.342 Es besteht deshalb die Gefahr, dass Zufälligkeiten bzw. geschickte oder ungeschickte Einlassungen des Täters über den festgestellten Vorstellungsinhalt und damit beim Rücktritt über seine Strafbefreiung entscheiden.343 Doch wenngleich der Mensch nicht „mit unbewaffnetem Auge“344 in das Innere eines anderen Menschen schauen kann, kann er doch anhand der Außenwelt, des Vorliegens bzw. der Wahrnehmung äußerer, objektiver Merkmale, auf die innere Haltung des Täters rückschließen, aus objektiven Gegebenheiten das „fremde Subjektive“ ableiten.345 Dies zeigt, dass trotz des rein subjektiven Ausgangspunkts der Tätervorstellung ein Heranziehen der objektiven, vom Täter erkannten bzw. zu erkennenden Lage unerlässlich ist. Die verschiedenen Möglichkeiten einer solchen Heranziehung gilt es im Folgenden – insbesondere mit 340 s. dazu z. B. Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 107; Oehler, Zweckmoment, S. 117. 341 So treffend Hassemer, Einführung, S. 169; vgl. auch Bottke, Methodik, S. 411; Feltes, GA 1992, 395 (420). 342 Vgl. z. B. Bottke, Methodik, S. 411. Zur gleich gelagerten Problematik beim Vorsatznachweis vgl. Roxin, AT I, § 12 Rn. 130. 343 Ebenso z. B. Burkhardt, Rücktritt, S. 21; ähnlich Bottke, Methodik, S. 409 f., 412; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 236. 344 Hassemer, Einführung, S. 169. 345 So Kaufmann, Strafanspruch, S. 165; Oehler, Zweckmoment, S. 117; Schlüchter, Irrtum, S. 30; ähnlich auch Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 13.

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Blick auf ihre Auswirkungen auf die rechtliche Bewertung von Fehlvorstellungen des Täters hinsichtlich der zu erbringenden Rücktrittsleistung – näher zu untersuchen. a) Die Berücksichtigung objektiver Umstände bei der Lösung von Beweisproblemen Grundsätzlich ist die Lösung von Beweisproblemen Aufgabe des mit der Sachverhaltsaufklärung befassten Tatgerichts. Vornehmlich dann, wenn der Täter sich nicht zu seinem Vorstellungsbild von der Vollendungsgefahr äußert oder sich – von seinem Verteidiger gut beraten – dahingehend einlässt, er habe den Erfolg nicht für möglich gehalten, ist der Tatgericht jedoch überfordert und muss unter Beachtung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes346, solange er ein Nichtfürmöglichhalten seitens des Täters nicht ganz sicher ausschließen kann, zu einem oft unbefriedigenden Freispruch kommen.347 Verständlich ist daher das Bestreben, Konzepte zu entwickeln, mit denen schwer widerlegbare Aussagen und ganze Verteidigungsstrategien des Täters unterlaufen, d.h. Schutzbehauptungen entlarvt, bestehende Beweisschwierigkeiten gelöst oder erwartete Beweisschwierigkeiten vorausschauend vermieden werden können.348 Dementsprechend misst insbesondere die Rechtsprechung der Erkennbarkeit bzw. dem Erkennen bestimmter objektiver Umstände bei der Feststellung des jeweiligen Versuchsstadiums seit jeher große Bedeutung zu.349 So bejahte z. B. bereits das Königliche Oberappellationsgericht zu Dresden im Jahre 1862 die subjektiv definierten Voraussetzungen des beendeten Versuchs350 ohne weiteres Eingehen auf die Vorstellung des Täters einfach aufgrund des objektiven Tathergangs: Ein Hieb mit der Schneide eines frisch geschliffenen Beiles bewirke „in der Regel den Tod“ des Opfers; daher könne man „unbedenklich“ annehmen, dass der Täter „des Glaubens war, es werde dieser eine Streich zur Erreichung seiner Tötungsabsicht genügend sein“.351 Auch in einem Rechtsfall aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha wird trotz des subjektiven Ausgangs-

346 Zur Geltung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes im Rücktrittsbereich vgl. BGH, StV 2003, 615 f., sowie ausf. Stree, In dubio pro reo, S. 23. 347 Vgl. Hohmann, NJ 1994, 425 (426). Ebenso Vest, ZStW 103 (1991), 584 (585). 348 Dazu Arzt, Probleme, S. 77 (78); Vest, ZStW 103 (1991), 584 (585); ferner Volk, JZ 1982, 85 (90). 349 Zum Folgenden vgl. ausf. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 137 f. 350 Vgl. Art. 40 des Sächsischen Strafgesetzbuchs von 1855: „Der Versuch ist ein beendigter, sobald der Thäter Alles getan hat, was er zu thun für nöthig hielt, um die von ihm beabsichtigte Rechtsverletzung herbeizuführen“ (Hervorhebung nicht im Original). Dazu bereits Zweiter Teil B. I. 351 Urt. v. 10.1.1862, veröffentlicht in: Allgemeine Gerichtszeitung für das Königreich Sachsen, Bd. 6 (1862), S. 171 Nr. XX.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

punkts maßgeblich auf die objektiven Umstände der Tat abgestellt und der Versuch deshalb als beendet eingestuft, weil „die vom Täter aufgewendete Gewalt [. . .] von einer solchen Beschaffenheit und Stärke“ gewesen sei, dass die Erreichung seiner Tötungsabsicht „ihm nicht ungewiss bleiben konnte“; die Misshandlungen vermochten „menschlichen Erfahrungen nach“ den Tod des Opfers herbeizuführen und „mußten“ – zumal es sich tot stellte – „bei dem Inquisiten die feste und vollkommene Überzeugung bewirken, daß er das Verbrechen der Tötung vollbracht habe“.352 Ganz ähnlich scheint der BGH zu verfahren, wenn er formuliert, den Erfolg halte auch „für möglich, wer die tatsächlichen Umstände erkenn[e], die diesen Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrung nahe legen“ und „bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkung der Täter wahrgenommen“ habe, liege es „auf der Hand, dass er die lebensgefährdende Wirkung und die Möglichkeit des Erfolgseintritts“ erkannt habe.353 Unklar bleibt dabei indes oftmals, auf welcher Ebene und in welcher Weise die vorliegenden, objektiv gefahrbegründenden Umstände Bedeutung erlangen. Denkbar ist zum einen, bereits in materiell-rechtlicher Hinsicht ein normativiertes oder potentielles Gefahrbewusstsein für ausreichend zu befinden, indem einem Täter bereits dann das erforderliche Risikowissen für einen beendeten Versuch zugeschrieben wird, wenn er die gefahrbegründenden Umstände erkannt hat bzw. erkennen musste.354 Ebenso könnten objektive Indizien aber auch erst bei der beweisrechtlichen Feststellung der tatsächlichen Tätervorstellung herangezogen werden, nämlich in der Weise, dass beim Vorliegen oder Erkennen bestimmter Umstände mithilfe einer Beweisregel oder einer Beweislastregel ein beendeter Versuch anzunehmen wäre, oder dass die – erkannten oder zu erkennenden – Umstände sich auf die Überzeugungsbildung des Richters im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung auswirkten. aa) Trennung und Interdependenz von materiellem Recht und seinem Beweis Eine gedankliche Trennung der materiellrechtlichen Anforderungen an das betreffende subjektive Merkmal von ihrem Nachweis im Prozess ist elementar:355 Die Ebene des materiellen Rechts ist dann berührt, wenn ein subjektives Merkmal wie die Tätervorstellung unterstellt wird, wo es empirisch durchaus 352

Mitgeteilt bei Brückner, Rechtsfall, S. 99 (105). BGHSt 39, 221 (227); ausf. zur st. Rspr. des BGH s. Zweiter Teil C. II. 2. b). 354 Vgl. z. B. Heuchemer, JA-R 2001, 18 (22); Nolden, Rücktritt, S. 188, 193; Puppe, NStZ 1995, 403 (404). 355 So ausdrücklich BGH, NJW 1993, 273 (274) im Zusammenhang mit der Problematik des dolus eventualis; ebenso Arzt, Probleme, S. 77; NK-Paeffgen, § 224 Rn. 37. S. a. Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (377). 353

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fehlen mag, oder wenn – etwa durch die Statuierung eines Auffangtatbestandes – auf das Vorliegen eines subjektiven Merkmals ganz verzichtet wird. Die prozessuale Situation ist hingegen betroffen, wenn in Abweichung vom In-dubiopro-reo-Grundsatz dem Täter in bestimmten Situationen die Beweislast auferlegt oder eine Beweisregel aufgestellt wird, nach welcher das Tatgericht den Beweis des subjektiven Merkmals als erbracht anzusehen hat; dasselbe gilt für die Ausarbeitung eines Erfahrungssatzes, der eine Gefährdungslage typisiert, in welcher das subjektive Merkmal regelmäßig vorliegt. Zugleich ist aber zu bedenken, dass es sich bei dem Beweisrecht und dem materiellem Recht nicht um zwei voneinander unabhängige Bereiche handelt, sondern beide schon durch die simple Tatsache untrennbar miteinander verbunden sind, dass sich geringere Anforderungen leichter und strengere Anforderungen schwerer beweisen lassen, eine Modifikation der materiell-rechtlichen Anforderungen mithin auch die beweisrechtliche Situation derart verändert, dass Ansätze auf beiden Ebenen im Ergebnis durchaus vergleichbare Wirkungen für die Beweisbarkeit subjektiver Anforderungen nach sich ziehen können.356 Gerade im Bereich des Strafrechts führen die Starrheit des Beweismaßstabs und der Schutz durch das Prinzip der freien Beweiswürdigung zu einem besonderen Druck auf das materielle Recht: zum einen auf den Gesetzgeber, dieses dementsprechend auszugestalten, zum anderen aber auch auf Richter und Rechtswissenschaftler, das materielle Recht so auszulegen, dass Beweisschwierigkeiten gar nicht erst entstehen.357 Bisweilen wird so eine als gerecht empfundene Verurteilung des Täters durch eine materiell-rechtliche Konstruktion auf Gesetzesoder Rechtsprechungsebene doch noch erreicht, obgleich der Nachweis der hierfür geforderten Tätervorstellung unmöglich ist.358 Festzuhalten bleibt, dass sich Beweisprobleme zwar legitimerweise auf die Formulierung des materiellen Strafrechts auswirken, ihrem Einfluss aber zugleich Schranken gesetzt sein müssen, da andernfalls sämtliche Sicherungen eines modernen Straf- und Strafprozessrechts aufgehoben würden.359 Die Interdependenz von materiellem Strafrecht und seinem Nachweis im Prozess muss akzeptiert und berücksichtigt werden, um sachgerechte Ergebnisse ohne unerwünschte Nebenwirkungen zu erreichen, darf jedoch nicht zu einer Flucht aus

356 So bereits v. Overbeck, SchwZStR 33 (1920), 236 (258); ebenso Arzt, Probleme, S. 77 (78). Vgl. ferner Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288 (302); Vest, ZStW 103 (1991), 584. 357 Dazu Hillenkamp, Wassermann-FS, S. 861 (863); s. a. Arzt, Probleme, S. 77 f. 358 Vgl. etwa Arzt, Probleme, S. 77 f.; Volk, JZ 1982, 85 (90). Ein ähnlicher Ansatz wurde bereits im klassischen Inquisitionsprozess verfolgt, wo im Fall des Scheiterns einer Verurteilung durch einen Vollbeweis eine „poena extraordinaria“, eine minder schwere Strafe verhängt wurde, die im Laufe der Zeit zur Verdachtsstrafe wurde. Vgl. Volk, Wahrheit, S. 25 f. 359 Vgl. auch Vest, ZStW 103 (1991), 584 (618).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

der Verantwortung, die in der Beweiswürdigung liegt, führen.360 Bei der Untersuchung der Zulässigkeit und der Praktikabilität denkbarer Lösungsansätze soll daher einerseits zwischen den unterschiedlichen Ansatzpunkten unterschieden, andererseits aber zugleich ihr Zusammenspiel berücksichtigt werden. bb) Möglichkeiten, Konsequenzen und Grenzen der Ansätze zur Lösung von Beweisproblemen Vermieden werden soll eine unbewusste Vermischung der beiden Ebenen361 insbesondere angesichts der divergierenden Auswirkungen der verschiedenen Ansätze auf die Fehlvorstellungsproblematik. Erklärt man nämlich die tatsächliche Vorstellung für maßgebend, gilt im Hinblick auf die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung jede Fehlvorstellung, sei sie auch noch so abwegig und wenig nachvollziehbar. Lässt man hingegen ein normativiertes Gefährdungsbewusstsein ausreichen, indem man dem Täter bei dem erkennbaren Vorliegen oder dem Erkennen gefahrbegründender Umstände ein Fürmöglichhalten der Vollendung zuschreibt, kommt entgegenstehenden (Fehl-)Vorstellungen des Täters keine rechtliche Bedeutung zu. Im Einzelnen sind die folgenden Lösungsansätze denkbar: (1) Ansätze auf der Ebene des materiellen Rechts Auf der Ebene des materiellen Rechts setzen all jene Lösungen an, welche die materielle Rechtslage – sei es durch Gesetz oder durch richterliche Auslegung gesetzlicher Merkmale – derart umgestalten, dass die vorausschauend erwarteten Beweisschwierigkeiten gar nicht erst auftreten. (a) Konstruktive Möglichkeiten Dies kann durch die Statuierung von Auffangtatbeständen geschehen, die ein Ausweichen auf den milderen Tatbestand ermöglichen, sofern bei der Beurteilung des schwereren Delikts dessen Voraussetzungen – häufig subjektiver Art – nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können.362 Desgleichen können die An360 Insoweit übereinstimmend Vest, ZStW 103 (1991), 584 (620), der allerdings die Möglichkeit und Notwendigkeit einer sauberen Trennung bezweifelt; zutreffend Arzt, Probleme, S. 77 (96). 361 Eine solche findet sich z. B. bei Blei, PdW, Fall 237, der die Frage nach den Anforderungen an die Tätervorstellung zunächst als „Beweisfrage“ einstuft, es dann aber doch bereits materiell-rechtlich ausreichen lässt, dass sich dem Täter die „Möglichkeit angesichts der wahrgenommenen Wirklichkeit hätte erschließen müssen“. Ähnlich auch Bottke, Methodik, S. 430 mit Fn. 167. 362 s. dazu Vest, ZStW 103 (1991), 584 (590 f.).

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forderungen an das schwer beweisbare Merkmal gesenkt werden, indem z. B. nicht mehr das tatsächliche Vorliegen einer Vorstellung, sondern in normativierender Weise lediglich die Kenntnis oder gar die bloße Erkennbarkeit noch näher festzulegender Umstände verlangt wird, die den Täter zu der Bildung der entsprechenden subjektiven Vorstellung hätten veranlassen müssen. Dem Täter wird dadurch eine Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung bestimmten Inhalts auferlegt, weil materiell-rechtlich Fälle der pflichtwidrigen, d.h. ohne vernünftigen Grund bestehenden Unkenntnis mit denen der Kenntnis gleichgesetzt werden.363 (b) Bedeutung für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters Im Zusammenhang mit der Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung würde dieser Ansatz dazu führen, dass ein Täter, der die Möglichkeitsvorstellung hinsichtlich des Vollendungseintritts in unvernünftiger Weise nicht aufweist, dem Täter gleichgestellt würde, der sie aufweist.364 Materiellrechtlich wäre mithin kein tatsächliches Fürmöglichhalten der Vollendung erforderlich, sondern lediglich, dass der Täter bestimmte Umstände erkennt bzw. erkennen kann, die eine derartige Schlussfolgerung nahe legen. Infolgedessen hätte auch das Tatgericht lediglich das Erkennen bzw. das erkennbare Vorliegen dieser gefährlichen Umstände für erwiesen zu erachten. Die Annahme der Erkennbarkeit einer Vollendungsgefahr könnte das Gericht auf objektive und daher vergleichsweise leicht feststellbare Tatsachen, wie etwa die Gefährlichkeit der Tatausführung oder sichtbare schwere Verletzungen beim Opfer, stützen. Das Verhalten des Täters nach der Tat und seine spätere Einlassung blieben hingegen außer Betracht, da diese lediglich Rückschlüsse auf die tatsächliche Tätervorstellung zulassen, die es jedoch diesem Ansatz zufolge gar nicht zu ermitteln gälte. Würde darüber hinaus das tatsächliche Erkennen der gefahrbegründenden Umstände durch den Täter gefordert, erlangten neben den genannten objektiven Indizien auch das Verhalten und die Einlassung des Täters Bedeutung, soweit sie einen Rückschluss auf das Erkennen der Umstände zuließen. Beachtenswert sind die Auswirkungen materiell-rechtlicher Ansätze auf die Fallgestaltung des Verkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr: Würde bereits bei bloßer Erkennbarkeit gefahrbegründender Umstände vom Täter ein Verhindern der Vollendung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verlangt, käme nämlich die Bewertung dieser – für den Täter vorteilhaften – Fehl363

Dazu Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288 (302); vgl. auch Arzt, Probleme, S. 77

(81). 364

Vgl. Arzt, Probleme, S. 77 (83).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

vorstellung im Ergebnis der rein objektiven Abgrenzung sehr nahe, da die irrige Tätervorstellung lediglich im Fall der Nichterkennbarkeit der gefährlichen Umstände beachtlich bliebe. Nicht ganz so weit reichte die „Objektivierung“, falls man das Erkennen der objektiv gefährlichen Umstände als maßgeblich erachtete: Eine Fehlvorstellung des Täters wäre beachtlich, wenn dieser – trotz möglicher Erkennbarkeit – bereits die eine Erfolgsgefahr begründenden Umstände nicht erkannt hätte; unbeachtlich würde sie hingegen, wenn er die gefahrbegründenden Umstände erkannt und lediglich den Schluss auf das Bestehen der Vollendungsmöglichkeit nicht gezogen hätte. Zu der umgekehrten Fehlvorstellung zum Nachteil des Täters verhalten sich die normativierenden Ansätze regelmäßig nicht. Dafür, dass bereits bei der irrigen Annahme tatsächlich nicht vorliegender gefahrbegründender Umstände bzw. dem bloßen Anschein des Vorliegens gefahrbegründender Umstände ein beendeter Versuch angenommen würde, gibt es jedoch keine Anhaltspunkte; vielmehr setzen sowohl das „Erkennen“ als auch die „Erkennbarkeit“ bereits vom Wortsinn her das tatsächliche Bestehen solcher Umstände voraus. Die durch die geringen Anforderungen an die Tätervorstellung für die Annahme eines beendeten Versuchs bereits reduzierte365, umstrittene Gruppe der für den Täter vorteilhaften Fehlvorstellungen würde durch eine Normativierung der Anforderungen folglich um die Konstellationen, in denen der Täter bestehende gefährliche Umstände erkennt bzw. erkennen kann, dennoch aber die geforderte Möglichkeitsvorstellung nicht aufweist, weiter verkleinert, ohne dass neue Fehlvorstellungen hinzukämen. (c) Kritische Würdigung dieser Ansätze Gegen ein Ansetzen auf der Ebene des materiellen Rechts zur Lösung von Beweisschwierigkeiten wird vor allem eingewandt, dass dadurch auch Fallgestaltungen pönalisiert würden, die eigentlich nicht erfasst werden sollen, nämlich solche, bei denen sicher nur die niedrigeren materiell-rechtlichen Anforderungen vorliegen und ein weitergehender Verdacht auf das Vorliegen des schwer nachzuweisenden subjektiven Merkmals nicht besteht.366 Dem Verdächtigen werde mit materiell-rechtlichen Mitteln eine Einlassungs- und Erklärungspflicht zugeschoben, die er prozessual gerade nicht habe, indem angenommen werde, dass jeder, der für sein „verdächtiges Verhalten“ keinen legitimen Grund benennen könne, den Verdacht bestätige.367 Dies führe zu einer verkappten Verdachtsstrafe und widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere dem 365

s. dazu oben Zweiter Teil C. I. 1. a), 4. s. Arzt, Probleme, S. 77 (80, 91); ähnlich Vest, Vorsatznachweis, S. 210. Vgl. ferner Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (377). 367 So Arzt, Probleme, S. 77 (83). 366

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In-dubio-pro-reo-Prinzip und dem Nemo-tenetur-Grundsatz.368 Schließlich habe die Normativierung einen „verderbliche[n] Einfluss auf die richterliche Tatsachenfeststellung und Strafzumessung“:369 Der Richter und nicht der Gesetzgeber habe darüber zu entscheiden, welche Zweifel zur Anwendung des In-dubiopro-reo-Grundsatzes führten, welche hingegen unvernünftig seien und damit eine Verurteilung des Täters nicht hinderten.370 Angesichts dieser berechtigten Kritik ist eine Normativierung der Anforderungen an subjektive Elemente immer dann abzulehnen, wenn sie allein der Beweiserleichterung dient und damit die Gefahr besteht, auch Fälle zu bestrafen, in denen das verdächtige subjektive Merkmal gerade nicht erfüllt ist.371 Im Zusammenhang mit der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung bedeutet dies, dass die für die Annahme eines beendeten Versuchs an die Tätervorstellung gestellten Anforderungen nur insoweit normativiert werden dürfen, als noch alle erfassten Fälle selbständig strafwürdig sind. Dazu muss bereits das Nichtfürmöglichhalten der Vollendung trotz erkennbar oder erkanntermaßen vorliegender gefahrbegründender Umstände für vorwerfbar befunden werden; hingegen reicht es nicht aus, wenn die materiell-rechtliche Konstruktion es lediglich ermöglichen soll, den Täter bereits wegen des Verdachts auf ein Fürmöglichhalten der Vollendung verurteilen zu können. Die bloße Erkennbarkeit gefahrbegründender Umstände kann daher nur dann für die Annahme eines beendeten Versuchs genügen, wenn sich aus § 24 Abs. 1 StGB die Obliegenheit des Täters ergibt, bereits dann die geforderte Möglichkeitsvorstellung zu bilden, das Erkennen gefahrbegründender Umstände allein dann, wenn es dem Täter obliegt, aus den erkannten Umständen den wertenden Schluss auf die Möglichkeit der Vollendung zu ziehen. (2) Ansätze auf der Ebene der richterlichen Beweiswürdigung Auf der beweisrechtlichen Ebene setzen hingegen jene Lösungen an, welche die materiellen Anforderungen an das subjektive Merkmal unverändert lassen, also sein tatsächliches Vorliegen verlangen, jedoch mit Mitteln des Beweisrechts die Beweisbarkeit erleichtern. Beweisprobleme verbleiben dann in der alleinigen Kompetenz des Tatgerichts. Im Gegensatz zum älteren deutschen Recht und dem gemeinen deutschen Strafprozess, wo viel mit gesetzlichen Beweisregeln gearbeitet wurde,372 lautet 368 Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288 (303); s. a. Arzt, Probleme, S. 77 (82); ebenso Vest, ZStW 103 (1991), 584 (618). 369 Arzt, Probleme, S. 77 (80). 370 Arzt, Probleme, S. 77 (96). 371 Vgl. Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288 (305 f.). 372 Hierzu Roxin, Strafverfahrensrecht, § 15 Rn. 12.

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der Grundsatz des heutigen Beweisrechts: „Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung“ (§ 261 StPO). Der Richter muss einen bestimmten Sachverhalt ohne weiteres für wahr halten, also die persönliche Überzeugung vom Vorliegen eines Sachverhaltes gewinnen.373 Dieses Beweismaß hat grundsätzlich auch für das Vorliegen subjektiver Merkmale wie dem Fürmöglichhalten der Vollendung durch den Täter zu gelten. Mit Blick auf mögliche Beweiserleichterungen für den Tatrichter ist aber zum einen an Durchbrechungen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung, zum anderen an Erfahrungssätze und vorab entwickelte Hilfsüberlegungen zu denken, die man ihm im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung unterstützend zur Seite stellen kann.374 (a) Gesetzliche und richterrechtliche Vermutungen (aa) Konstruktive Möglichkeiten Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung kann dadurch durchbrochen werden, dass eine Vermutung (praesumtio) für das Vorhandensein einer inneren oder äußeren Tatsache aufgestellt wird, mit der Folge, dass diese keines weiteren Beweises bedarf. Die Vermutung ist dabei an im Gesetz oder durch eine feststehende richterliche Praxis375 genau bezeichnete Voraussetzungen, sog. Ausgangstatsachen, geknüpft, die, wenn sie vorliegen, den Richter anweisen, bestimmte andere, vermutete Tatsachen – ohne Rücksicht auf seine Überzeugung kraft gesetzlicher oder richterrechtlicher Autorität – als erwiesen anzusehen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen.376 Sie verschiebt so das Beweisthema, da sie den Beweisführer in die Lage versetzt, nur das Indiz beweisen zu müssen, „aus dem das Gesetz [oder die richterliche Praxis] die Schlußfolgerung auf die zu vermutende Tatsache entnimmt“.377 Gesetzliche Vermutungen können – ebenso wie Vermutungen durch richterliche Praxis – als widerlegbare (praesumtio iuris) oder als unwiderlegbare Vermutung (praesumtio iuris et de iure) ausgestaltet sein.378 Weil eine unwiderlegbare Vermutung den Richter zur Annahme bestimmter Tatsachen zwingt, unter373 Vgl. dazu BGHSt 10, 209. S. ferner Kindhäuser, Jura 1988, 290 (291); Vest, Vorsatznachweis, S. 27, 30. 374 Zum Ganzen vgl. Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288 (301); Vest, Vorsatznachweis, S. 34 ff. 375 Oft werden allein gesetzliche Vermutungen in Betracht gezogen, vgl. z. B. Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748); Graul, Gefährdungsdelikte, S. 232 ff. 376 s. dazu ausf. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 233, 236; Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191 (197); ferner Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1747). 377 Schönke, Lehrbuch, § 58 V (S. 230). 378 Vgl. dazu Graul, Gefährdungsdelikte, S. 234.

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scheidet sie sich in ihrer Wirkung nicht von geringeren materiell-rechtlichen Anforderungen.379 Widerlegbare gesetzliche Vermutungen hingegen können durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden, d.h. die Wirkung der Vermutung ist dann beseitigt, wenn das Gericht vom Nichtvorliegen der vermuteten Tatsache voll überzeugt ist. Der Entlastungsbeweis wird so dem Täter aufgebürdet.380 Ob der Richter aufgrund der gesetzlichen bzw. richterrechtlichen Vermutung das Vorliegen der vermuteten Tatsache feststellen muss oder ob er lediglich so zu entscheiden hat, als ob die vermutete Tatsache vorliegt, bestimmt sich danach, ob man die Vermutung als Beweis- oder als Beweislastregel auffasst:381 Beweisregeln führen aufgrund gesetzlicher oder richterrechtlicher Anordnung zum Beweis einer Tatsache, also zur prozessualen Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens durch den Richter und zwar ohne Rücksicht auf dessen – etwa abweichende – persönliche Überzeugung.382 Gesetzliche Beweislastregeln kommen dagegen erst bei einem Scheitern der richterlichen Sachverhaltsaufklärung zur Anwendung, d.h. wenn die Unklarheit in Bezug auf die fragliche Tatsache weder aufgrund des Eingreifens einer Beweisregel noch durch freie richterliche Beweiswürdigung beseitigt werden konnte. Sie zwingen den Richter nicht, die fragliche Tatsache alle Zweifel beseitigend für wahr zu erachten, sondern bestimmen vielmehr, wie trotz dieser Zweifel zu entscheiden ist, nämlich als ob die fragliche Tatsache vorliegt oder – in dubio pro reo383 – nicht vorliegt.384 (bb) Bedeutung für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters Im Zusammenhang mit der Umschreibung des beendeten Versuchs könnte die gesetzliche oder richterrechtliche Vermutung dahingehend lauten, dass das Tatgericht bei einem – für den Täter erkennbaren oder von ihm erkannten – Vorliegen gefahrbegründender Umstände gezwungen ist, ein Fürmöglichhalten der Vollendung seinerseits festzustellen oder zu entscheiden, als ob ein solches festgestellt ist. Obschon es so materiell-rechtlich bei der Anforderung des tatsäch379

s. z. B. Vest, Vorsatznachweis, S. 41. So Graul, Gefährdungsdelikte, S. 234 unter Verweis auf Stein/Jonas/Leipold, ZPO, (20. Aufl.), § 292 Rn. 15, § 284 Rn. 6, u. a.; ferner Vest, Vorsatznachweis, S. 143. 381 s. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 236 Fn. 18. 382 Dazu etwa Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748); ferner Graul, Gefährdungsdelikte, S. 258 m. v. w. N. 383 Zum In-dubio-pro-reo-Grundsatz als Beweislastnorm vgl. Volk, NStZ 1983, 423. 384 Zu dieser prozessualen Fiktion vgl. ausf. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 259 m.w. N.; Leipold, Beweislastregeln, S. 64 ff., 80; unklar insoweit Vest, Vorsatznachweis, S. 143. 380

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

lichen Fürmöglichhaltens der Vollendung bliebe, würde dem Tatgericht durch die Vermutung auf prozessualer Ebene der mitunter schwierige Schluss von den äußeren Umständen auf das subjektive Fürmöglichhalten des Täters erspart. Im Ergebnis würde damit auch hier derjenige, der die Möglichkeitsvorstellung in unvernünftiger Weise, nämlich entgegen dem Vorliegen gefahrbegründender Umstände, nicht hat, dem gleichgestellt, der sie tatsächlich aufweist; freilich bei einer widerlegbaren Vermutung mit der wichtigen Einschränkung, dass der Täter den Gegenbeweis erbringen könnte, indem er das Gericht von seiner Vorstellung des Nichtfürmöglichhaltens überzeugt. Als Ausgangstatsachen, an welche die Vermutung geknüpft werden könnte, kämen insbesondere das Verhalten des Täters bei und nach der Tatbegehung sowie seine spätere Einlassung in Betracht, daneben aber auch die objektiven Umstände, die den Täter zum Fürmöglichhalten der Vollendung hätten veranlassen können, wie z. B. bei Tötungsdelikten die Gefährlichkeit der Tatausführung und das Vorliegen schwerer, vom Täter erkannter Verletzungen beim Opfer. Auf die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters wirkten sich Beweisregeln und Beweislastregeln zwar nicht unmittelbar aus, weil materiellrechtlich ja die tatsächliche Vorstellung maßgebend bliebe, doch zögen beweisrechtliche Veränderungen mittelbare Auswirkungen auf das materielle Recht nach sich, weil ein Tatgericht bei Vorliegen der Anknüpfungstatsachen angewiesen wäre, die vermutete subjektive Vorstellung des Täters anzunehmen, sei es in dem Sinne, dass er ihr Vorliegen feststellte oder entschiede, als ob die Vorstellung vorläge. Damit würden jene Fehlvorstellungen beweisrechtlich nicht mehr als Fehlvorstellungen identifiziert, bei denen der Täter zu seinem Vorteil etwa entgegen seinem Verhalten und seiner Einlassung bzw. trotz des Erkennens gefahrbegründender Umstände die Möglichkeitsvorstellung tatsächlich nicht aufweist und eine tatsächlich bestehende Vollendungsgefahr verkennt. Auch durch derartige beweisrechtliche Modifikationen käme es mithin zu einer gewissen „Objektivierung“ der Ergebnisse, freilich, sofern an direkte Beweiszeichen wie das Verhalten und die Einlassung des Täters angeknüpft wird, geringeren Ausmaßes als bei einer Maßgeblichkeit des Erkennens bzw. der Erkennbarkeit gefährlicher Tatumstände. Bei einer widerlegbaren Vermutung würde dem Täter zudem seine – entgegen der vorliegenden Ausgangstatsachen – bestehende Fehlvorstellung dann wieder zugute gehalten, wenn er ihr Vorliegen nachwiese, d.h. den vollen Beweis dafür erbrächte, dass er die Vollendung nicht für möglich gehalten hat. Die Fehlvorstellung der irrigen Annahme einer Vollendungsgefahr würde mittels Beweis- oder Beweislastregel dann als solche qualifiziert, wenn die entsprechenden Ausgangstatsachen vorlägen, aber auch, wenn das Tatgericht im Rahmen seiner allgemeinen Beweiswürdigung zu der Überzeugung eines irrtümlichen Fürmöglichhaltens seitens des Täters käme. Zudem würde – entgegen der

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tatsächlichen Vorstellung des Täters – von einem irrigen Fürmöglichhalten der Vollendung ausgegangen, wenn etwa aufgrund des Verhaltens oder der Einlassung des Täters die Voraussetzungen der Beweis- bzw. Beweislastregel erfüllt wären. (cc) Kritische Würdigung dieser Ansätze Einer Lösung über Beweisregeln und Beweislastregeln steht der im heutigen deutschen Beweisrecht geltende Grundsatz der freien Beweiswürdigung entgegen, wodurch die Würdigung eben gerade „nicht gebunden an gesetzliche Beweisregeln“ sein darf;385 Einschränkungen insoweit sind nur in eng begrenzten Fällen zulässig.386 Vorgebracht wird darüber hinaus, dass Beweisregeln zu starr und im Falle ihrer Unwiderlegbarkeit schon deshalb abzulehnen seien, weil das Gericht im Falle des Vorliegens der Anknüpfungstatsachen trotz erwiesenem Nichtvorliegen des Merkmals das Vorliegen des Merkmals feststellen bzw. entscheiden muss, als ob es vorläge.387 Auch widerlegbare gesetzliche oder richterrechtliche Vermutungen seien rechtsstaatlich bedenklich, da sie der Unschuldsvermutung, dem Nemo-tenetur-Prinzip und dem In-dubio-pro-reo-Grundsatz widersprächen.388 Dieser Kritik ist beizupflichten: Durch widerlegbare Beweisregeln oder Beweislastregeln wird der Täter genötigt, den vollen Beweis des Nichtvorliegens eines Merkmals zu erbringen, da anderenfalls aufgrund des festgestellten Vorliegens gefahrbegründender Umstände in dubio contra reum das Merkmal anzunehmen wäre. Das aus dem Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ folgende Recht des Täters, die Aussage zu verweigern, würde damit obsolet; sein Schweigen wirkte beim Vorliegen der objektiven Anknüpfungstatsachen gerade gegen ihn.389 Als rechtsstaatlich noch problematischer erweisen sich richterrechtlich herausgebildete Vermutungen, weil dabei die Ausgangsbasis nicht einmal im Einzelnen gesetzlich bezeichnet, sondern vielmehr im Fluss ist. Dem einzelnen Richter darf nicht seine am schwersten wiegende Verantwortung abgenommen werden, die Tätereinlassung – statt sie vorschnell als unwiderlegbar zu akzeptieren – im Rahmen der Beweiswürdigung daraufhin zu untersuchen,

385

Peters, Strafprozeß, § 37 XI 2 (S. 300). Zu den drei positiv gesetzlich normierten Durchbrechungen der § 190 StGB, § 274 StPO und § 51 Abs. 1 BZRG sowie naturwissenschaftlichen Erkenntnissen s. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 15 Rn. 22, 29. 387 So Arzt, Probleme, S. 77 (80, 96); Vest, ZStW 103 (1991), 584 (591). 388 Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288 (301); s. a. Henkel, Schmidt-FS, S. 578 (601); Vest, Vorsatznachweis, S. 143. Vgl. ferner Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191 (200 f.) zur praesumtio doli. 389 Vgl. aber auch Arzt, Probleme, S. 77 (93), der materiell-rechtliche Lösungen als rechtsstaatlich bedenklicher einstuft. 386

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

welche Zweifel in dubio pro reo für den Täter ausschlagen und welche unvernünftigen Zweifel hingegen seine Verurteilung nicht hindern.390 Mit dem geltenden deutschen Strafrecht ist es folglich unvereinbar, eine gesetzliche oder richterrechtliche Vermutung aufzustellen, derzufolge das Tatgericht aufgrund des Vorliegens bestimmter Tatsachen ein Fürmöglichhalten der Vollendung durch den Täter festzustellen oder zu entscheiden hat, als ob ein Fürmöglichhalten festgestellt wurde. Eine Lösung der bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung bestehenden Beweisproblematik mittels einer Beweis- oder Beweislastregel scheidet deshalb aus. (b) Tatsächliche Vermutungen Denkbar ist es aber, dem Richter den Beweis eines subjektiven Merkmals wie der Vorstellung in Bezug auf die Tatvollendung durch die Herausbildung tatsächlicher Vermutungen (sog. praesumtiones facti) zu erleichtern. (aa) Konstruktive Möglichkeiten Bei einer tatsächlichen Vermutung geht es um die Anwendung eines Satzes der Lebenserfahrung als ein – wesentliches – Kriterium im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung, § 261 StPO.391 Sie bildet keine Durchbrechung, sondern lediglich eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung, die den Richter dort, wo erfahrungsgemäß mit in der Regel unwahren Ausreden des Angeklagten zu rechnen ist, in seiner Beweiswürdigung berät und auf einen Weg hinweist, das subjektive Merkmal aus den Umständen der Tat zu erschließen.392 Dem Richter wird dabei im Unterschied zu den gesetzlichen und richterrechtlichen Vermutungen die Schlussfolgerung von den festgestellten und für die Schlussfolgerung als tauglich erachteten Umständen auf die zu beweisende Tatsache nicht erspart; er vollzieht sie vielmehr ausdrücklich selbst, indem er kraft seiner freien Beweiswürdigung den entsprechenden Erfahrungssatz heranzieht und sich auf diese Weise vom Vorliegen der Tatsache überzeugt.393 Der zur Entkräftung einer tatsächlichen Vermutung genügende Gegenbeweis ist bereits erbracht, wenn die auf der tatsächlichen Vermutung beruhende, vorläufige Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen des vermuteten Umstands er390 Ebenso bereits Arzt, Probleme, S. 77 (80, 96); ferner Vest, ZStW 103 (1991), 584 (591); vgl. hierzu auch BGHSt 10, 208 (210). 391 Graul, Gefährdungsdelikte, S. 232 f. 392 Vest, Vorsatznachweis, S. 144; s. a. Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748). 393 Vgl. hierzu ausf. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 235, 309 f.; s. a. Rosenberg, Beweislast, § 15 I 5 (S. 211).

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schüttert ist, dem Richter also Zweifel an der Verlässlichkeit der Vermutung kommen. Anders als bei einer gesetzlichen oder richterrechtlichen Vermutung wird der Richter durch eine tatsächliche Vermutung demzufolge nicht zur Unterdrückung, sondern zur Erprobung seiner Überzeugung veranlasst.394 (bb) Bedeutung für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters Für die Ermittlung der erforderlichen Rücktrittsleistung könnte man dem Tatrichter eine Erfahrungsregel zur Hand geben, die besagt, dass der Täter beim festgestellten Vorliegen oder der Kenntnis näher umschriebener Umstände nach der Lebenserfahrung die Vollendung in aller Regel für möglich gehalten hat. Diesen Erfahrungssatz könnte der Richter dann stereotypischen Ausflüchten des Täters entgegenhalten.395 Jedoch entfiele diese vorab aufgestellte Schlussfolgerung bereits dann, wenn der Richter nicht mehr überzeugt wäre, dass der Täter die aufgrund der verdächtigen Umstände nahe liegende Folgerung auf die Möglichkeit der Vollendung auch wirklich gezogen hat, wenn ihm also die zunächst auf ein Fürmöglichhalten der Vollendung hindeutenden Umstände nicht mehr eindeutig erschienen.396 Als Anknüpfungspunkte einer solchen Erfahrungsregel kämen – wie bereits bei den gesetzlichen und richterrechtlichen Vermutungen – zum einen als direkte Beweismittel das Verhalten des Täters bei und nach der Tatbegehung sowie seine spätere Einlassung in Betracht, zum anderen aber auch die den Täter regelmäßig zu einem Fürmöglichhalten der Vollendung veranlassenden, objektiven Umstände wie z. B. die Gefährlichkeit der Tatausführung und das sichtbare Vorliegen schwerer Verletzungen beim Opfer. Auch bei dieser Vorgehensweise bliebe materiell-rechtlich die tatsächliche Tätervorstellung maßgebend und damit grundsätzlich jede Fehlvorstellung des Täters beachtlich. Anders als bei einer Beweisregel oder Beweislastregel wäre ein Tatrichter, der trotz des festgestellten Vorliegens der Ausgangstatsachen im konkreten Fall aufgrund anderer Umstände an einem Fürmöglichhalten des Täters zweifelt, darüber hinaus nicht verpflichtet, von einem solchen Fürmöglichhalten auszugehen, sondern könnte und müsste er im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung zugunsten des Täters ein Verkennen der bestehenden Gefahr und damit das Vorliegen eines unbeendeten Versuchs annehmen.

394 Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748 f.); ausf. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 234 f., 310. 395 Vgl. Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748). 396 s. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 310; ähnlich Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748 f.) zu § 259 StGB a. F.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Umgekehrt würde eine für den Täter nachteilige irrige Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Vollendungsgefahr nicht nur mithilfe des Erfahrungssatzes als solche identifiziert, wenn die entsprechenden Beweiszeichen vorliegen, sondern auch, wenn das Gericht im Rahmen seiner allgemeinen Beweiswürdigung ein – irrtümliches – Fürmöglichhalten des Täters feststellt. Hingegen könnte und müsste das Tatgericht trotz festgestellter, auf ein irrtümliches Fürmöglichhalten hindeutender Ausgangstatsachen ein solches ablehnen, wenn es an einer dahingehenden Vorstellung zweifelt. Fehlvorstellungen würden demzufolge nicht nur materiell-rechtlich als beachtlich angesehen, sondern zudem im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung, sei es mithilfe eines Erfahrungssatzes oder im konkreten Fall gegebenenfalls gerade entgegen dem Erfahrungssatz, in bestmöglicher Weise als solche identifiziert – freilich nicht ausnahmslos, weil die Beweiswürdigung nicht immer fehlerfrei sein wird. Die Herausbildung von Erfahrungssätzen zöge für die Problematik der Fehlvorstellung damit die geringste Zahl an Fehlqualifizierungen nach sich. (cc) Kritische Würdigung dieses Ansatzes Auch gegenüber der Lösung über die Herausbildung von Erfahrungssätzen werden teilweise rechtsstaatliche Bedenken geäußert und Warnungen vor einer stereotypischen Beurteilung der niemals identischen Sachverhalte ausgesprochen. Das Strafrecht sei durch den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung geprägt und kenne gerade keine schemenhafte Beweiswürdigung. Doch wenngleich im Strafprozessrecht zu Recht Institute wie Anscheins- oder Prima-facie-Beweis weitestgehend nicht anerkannt werden,397 hindert dies nicht, Sätze der Lebenserfahrung als eben gerade nicht ausnahmslos geltende Erfahrungssätze bei der Gewinnung der vollen richterlichen Überzeugung einzusetzen.398 Die Lösung der Beweisprobleme verbleibt dabei in der alleinigen Kompetenz des Tatgerichts, dem lediglich Hilfen zur Seite gestellt werden. Gegenüber der Entwicklung von an die objektiven Umstände der Tatbegehung anknüpfenden Erfahrungssätzen und deren Heranziehung bei der Ermittlung der Tätervorstellung im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung i. S. des § 261 StPO bestehen deshalb keine Bedenken.

397 Für die ganz h. M. vgl. nur Roxin, Strafverfahrensrecht, § 15 Rn. 16; Henkel, Eb. Schmidt-FS, S. 578 (589 f.), sowie Graul, Gefährdungsdelikte, S. 233 mit Fn. 3. Anders wohl Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748), der bei der tatsächlichen Vermutung eine Parallele zum Prima-facie-Beweis ziehen will, auch wenn im Strafrecht „in der Regel der Einzelfall ein zu sehr besonderer“ sei. 398 Ebenso bereits Graul, Gefährdungsdelikte, S. 233 mit Fn. 3.

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cc) Ansätze zur Lösung von Beweisproblemen in anderen Bereichen des Strafrechts Ähnliche Beweisschwierigkeiten wie im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB und die Problematik, ob nicht bereits dann eine Bestrafung des Täters geboten ist, wenn dieser eine bestimmte Vorstellung in pflichtwidriger Weise nicht aufweist, ergeben sich auch im Zusammenhang mit anderen subjektiven Erfordernissen. Anhand einiger ausgewählter Beispiele soll aufgezeigt werden, welche Lösungsmöglichkeiten dort im Wesentlichen verfolgt werden. (1) Die Berücksichtigung objektiver Umstände bei der Feststellung des Eventualvorsatzes Soweit nicht Gefährdungs- oder Fahrlässigkeitstatbestände geschaffen wurden, um der Beweisproblematik beim Vorsatz zu entgehen,399 obliegt dem Tatgericht die oft schwierige Aufgabe, dem Täter mindestens bedingten Vorsatz nachzuweisen. Diesbezüglich unterscheidet der BGH seit einiger Zeit ausdrücklich zwischen den materiell-rechtlichen Mindestanforderungen an den Vorsatz und ihrer Feststellung im Strafverfahren.400 (a) Materiell-rechtliche Anforderungen Inhaltlich verlangt der BGH unter weitgehender Zustimmung der Literatur für die Annahme eines ausreichenden Tatvorsatzes nicht nur das Erkennen der vorliegenden gefahrbegründenden Umstände, sondern auch deren Wertung als gefährlich: Eventualvorsatz sei gegeben, wenn der Täter sich für die Ausführung einer Handlung entscheide, obwohl er die hiervon ausgehende Gefahr für das geschützte Rechtsgut eines anderen – als nicht ganz fern liegend – erkannt, ernst genommen und sich mit ihr zumindest abgefunden habe.401 Die Tatumstände müssen dem Täter dabei im Augenblick der Tat tatsächlich bewusst gewesen sein,402 wofür allerdings ein sachgedankliches Mitbewusstsein genügen soll.403 Einige Stimmen in der Jurisprudenz sprechen sich hingegen für eine normativierende Betrachtung des Vorsatzes aus. So fordert Puppe vom Täter zwar die Kenntnis der „Vorsatzgefahr“, will ihm diese jedoch – in dem Bestreben, die 399

Vgl. hierzu ausf. und mit Beispielen Vest, ZStW 103 (1991), 584 (594 ff.). So z. B. BGH, NJW 1993, 273 (274); s. a. BGH, NStZ 1985, 516; BGH bei Holtz, MDR 1980, 812. 401 Ausf. Kühl, AT, § 5 Rn. 86; s. a. BGHSt 36, 1 (9); vgl. Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 3 m.w. N. 402 So die prägnante Formulierung bei Welzel, Strafrecht, § 13 I 2. 403 Für die ganz h. M. Otto, Jura 1996, 468 (469) m.w. N. 400

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Lösung möglichst nicht von Interna des Täters abhängig zu machen – zuschreiben, wenn er den Schluss auf die Möglichkeit des Erfolgseintritts nach Sorgfaltsregeln hätte ziehen müssen.404 Auch andere nehmen eine Prüfungs- und Überwachungspflicht des Täters an, weshalb bereits mit Kenntnis der die Gefahr begründenden Umstände eine für die Annahme von dolus eventualis ausreichende Vorstellung vorliegen soll:405 Bei hohem Erfolgsrisiko könne der Täter nicht mehr auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauen406 bzw. sei die Prognoseverdrängung ihrerseits ein dem Fall der angestellten Prognose gleichzusetzender, bewusster und vorsätzlicher Akt.407 Eine derart normativierende Betrachtungsweise widerspricht indes § 16 Abs. 1 StGB, der einen psychologisierenden Standpunkt einnimmt und die tatsächliche Kenntnis aller Tatumstände seitens des Täters verlangt.408 Subjektive Zurechnung muss sich schon deshalb auf die Perspektive des Individuums einlassen, weil andernfalls der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit verwischt bzw. die Struktur des vorsätzlichen Erfolgsdelikts in ein „vorsätzliches abstraktes Gefährdungsdelikt plus Erfolgseintritt“ umgedeutet würde.409 Materiellrechtlich ist im Vorsatzbereich daher das tatsächliche Erkennen der Gefahr für das geschützte Rechtsgut zu fordern. (b) Beweisrechtliche Feststellung Mit Blick auf die beweisrechtliche Feststellung des Vorsatzes verlangt der BGH eine einzelfallbezogene Prüfung beider Elemente der inneren Tatseite in einer „Gesamtschau aller subjektiven und objektiven Merkmale“, bei der „je nach Eigenart des Falles unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte“ – wie z. B. das Vorleben des Täters, seine Äußerungen vor und nach der Tat oder die vom Täter erkannte objektive Größe und Nähe der Gefahr – im Vordergrund stehen sollen.410 Vorsatz des Täters liege nahe, wenn dieser „ein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt; in solchen Fällen soll er sich nicht auf die vage Hoffnung berufen können, jene Gefahr würde wider Erwarten doch nicht verwirklicht“.411 Der BGH stellt allerdings zugleich klar, dass hierin keine starre

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Puppe, Vorsatz, S. 28 u. 39. So z. B. Haft, ZStW 88 (1976), 365 (379, 385); Jakobs, AT, 8/5 f., 30 ff.; Küpper, ZStW 100 (1988), 758 (760); Nolden, Rücktritt, S. 191. 406 Küpper, ZStW 100 (1988), 758 (760); nahe stehend Jakobs, AT, 8/30 ff. 407 Haft, ZStW 88 (1976), 365 (379, 385). 408 Ebenso bereits Backmann, MDR 1976, 969 (976); Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 74; ferner – mit Bedauern – auch Jakobs, AT, 8/5; ders., ZStW 104 (1992), 82 (87). 409 Zutreffend Schroth, Vorsatz, S. 90, gegen die Figur des Mitbewusstseins; zustimmend auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 74. 410 BGHSt 36, 1 (10); vgl. auch BGH, NStZ 1985, 516. 405

C. Möglichkeiten der Relativierung

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Beweisregel zu sehen ist, sich das Gericht vielmehr unter Beachtung des entwickelten Erfahrungssatzes in seiner freien Beweiswürdigung stets mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzen und auch andere für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände mit in Betracht ziehen muss.412 Dem schließt sich die Jurisprudenz größtenteils an.413 Hruschka, demzufolge der Tatvorsatz „[w]ie alles Geistige [. . .] nicht festgestellt und bewiesen, sondern zugerechnet“ wird,414 will die äußeren und damit nachweisbaren Umstände sogar als einzig mögliche Zurechnungsgrundlage des Tatvorsatzes ansehen,415 obschon die im römischen Recht vorherrschende Figur des dolus ex re, also die Beurteilung des Vorsatzes aus der gesamten Sachlage, der Art und Verübungsweise des Verbrechens heraus, heute nicht mehr Gegenstand der Prozessrechtslehre sei.416 (c) Zwischenergebnis Im Vorsatzbereich werden mithin vorliegende, gefahrbegründende Umstände im Rahmen der freien Beweiswürdigung unter Beachtung von Erfahrungssätzen herangezogen. (2) Der Sonderfall des Vorsatzes bei der lebensgefährdenden Behandlung, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (a) Die materiell-rechtliche Lösung des BGH Wenngleich der BGH grundsätzlich für das Wissenselement des Vorsatzes materiell-rechtlich die tatsächliche Kenntnis der Gefahr für das geschützte 411 BGH, NJW 1993, 273 (274); s. a. BGH bei Holtz, MDR 1980, 812. Vgl. dazu Hohmann, NJ 1994, 425 (426). 412 BGH, NJW 1993, 273 (274) unter Verweis auf die st. Rspr.; s. a. BGH bei Holtz, MDR 1980, 812; zu gegen einen Vorsatz sprechenden Beweiszeichen vgl. BGH, NStZ 1985, 516. 413 Ausf. etwa Schönke/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 87 ff. m.w. N. 414 So Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191 (201) (Hervorhebung im Original); ähnlich bereits S. 200 unter Verweis auf Mascardi zitiert in: Conclusiones probationum, Bd. 2 (1661), S. 69. 415 Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191 (201 f.); zustimmend Vest, ZStW 103 (1991), 584 (608). Vgl. auch Küpper, ZStW 100 (1988), 766. 416 Hruschka, Kleinknecht-FS, S. 191 (194 ff.) unter Verweis auf die Digesten D.44.4.1.2 und C.2.20(21).6 („Ad dolo quid factum sit, ex facto intellegitur“ – Ob etwas mit Vorsatz geschehen ist, wird aus dem Geschehenen selbst heraus beurteilt.) sowie C.4.44.8 („Dolum es indiciis perspicuis probari convenit“ bzw. später „Dolum es insidiis perspicuis probari convenit“ – Es ist angemessen, dass der Vorsatz aus den augenscheinlichen Anzeichen bewiesen wird.). Vgl. auch Vest, Vorsatznachweis, S. 58 f.

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Rechtsgut verlangt, erteilt er in seiner als ständig bezeichneten Rechtsprechung zum Vorsatz bei der „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begangenen gefährlichen Körperverletzung genau diesem Erfordernis eine Absage: Bei § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB soll „die Kenntnis derjenigen Tatumstände genügen, die Taten dieser Art allgemein als besonders gefährlich erscheinen lassen“; dass der Täter die von ihm erkannten Umstände darüber hinaus als lebensgefährdend wertet, wird nicht gefordert.417 „[D]er bedenkenlose, unbesonnene Schläger, dem eben wegen seiner Bedenkenlosigkeit und Unbesonnenheit der lebensgefährdende Charakter seines Verhaltens gar nicht zu Bewusstsein“ komme, dürfe nicht besser stehen als der weniger Bedenkenlose und Unbesonnene, der die Lebensgefährdung erkenne.418 Bereits materiell-rechtlich findet mithin eine Normativierung statt, indem für den Vorsatz die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände als ausreichend erachtet wird. Auch in der Literatur wird es teilweise für unschädlich befunden, wenn der Täter die erkannten, die Lebensgefahr begründenden Umstände nicht als lebensgefährdend bewertet.419 Die Forderung nach einer Bewertung der Umstände als lebensgefährlich verwische die Grenzen zum Tötungsvorsatz, weil jeder, der sehe, dass sein Verhalten den anderen unter bestimmten, in concreto unsicheren Umständen das Leben kosten könne, bereits mit Tötungsvorsatz handle.420 Dem nahe stehend verlangt Heinrich keine Wertung der Gefahr als lebensgefährdend, gleichwohl über die bloße Kenntnis der Umstände hinaus ein Bewusstsein des Täters von der „extremen Destruktivität seines Verhaltens“.421 (b) Die beweisrechtliche Lösung der herrschenden Literatur Überwiegend wird eine Normativierung in der Jurisprudenz dagegen abgelehnt und gefordert, dass der Täter sich – über die Kenntnis der Umstände hinaus – des lebensgefährdenden Charakters der Behandlung nach den Grundsätzen der Parallelwertung in der Laiensphäre bewusst ist.422 Dem ist zuzustimmen: Bloße Tatsachenblindheit wird im Bewertungssystem des Strafrechts nicht als Modus angesehen, mit dem erhöhte Verantwortlichkeit begründet werden kann.423 Auch „in der Laiensphäre“ versteht nur derjenige, dem die Existenzbedrohung des Opfers klar geworden ist, die Lebensgefährlichkeit seines Tuns. 417 BGHSt 19, 352 (353); zustimmend BGHSt 28, 11 (17); 36, 1 (15); BGHR, StGB § 223a, Lebensgefährdung 1; BGH NStZ 1986, 166; BGH, NJW 1990, 3156. 418 BGHSt 19, 352 (353 f.). 419 So z. B. Frisch, JuS 1990, 362 (369); LK-Lilie, § 224 Rn. 38; Tröndle/Fischer, § 224 Rn. 13. 420 Frisch, JuS 1990, 362 (369). 421 Heinrich, Körperverletzung, S. 745 ff. 422 So z. B. Lackner/Kühl, § 224 Rn. 9; LK-Hirsch, 10. Aufl., § 223a Rn. 23; NKPaeffgen, § 224 Rn. 35; Roxin, AT I, § 12 Rn. 112; Schlüchter, Irrtum, S. 118.

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Mit dem Verzicht auf das Bewusstsein der konkreten Gefährdung wird dagegen faktisch die Möglichkeit einer bloßen Fahrlässigkeitshaftung eröffnet und so gegen § 16 Abs. 1 S. 1 StGB verstoßen.424 Schließlich ist Roxin darin beizupflichten, dass ein sich der Lebensgefahr bewusster Täter entgegen dem BGH nicht wegen oder trotz seiner größeren Besonnenheit, sondern deshalb härter bestraft wird, weil er im Bewusstsein der Lebensgefährlichkeit zugeschlagen und sich so als bedenkenloser, brutaler und strafwürdiger erwiesen hat als der das Gefährliche seines Tuns leichtsinnigerweise nicht Bemerkende.425 Materiellrechtlich muss es daher bei dem Erfordernis des Bewusstseins der Lebensgefahr bleiben. Das Erkennen oder die irrtümliche Annahme objektiv gefährlicher Tatumstände kann lediglich, aber immerhin – und wie stets beim Beweis des Vorsatzes – als Indiz dafür angesehen werden, dass dem Täter die besondere Gefährdungsbedeutung seines Verhaltens klar geworden ist, d.h. insoweit als Anknüpfungspunkt eines Erfahrungssatzes fungieren.426 (3) Die alte Fassung des Hehlereitatbestandes (§ 259 StGB a. F.) Auch in der früheren gesetzlichen Fassung des Tatbestandes der Sachhehlerei, § 259 StGB a. F., wurde die Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung dem tatsächlichen Bestehen der Vorstellung gleichgesetzt. Hehler war danach „[w]er seines Vorteils wegen Sachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels einer strafbaren Handlung erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfande nimmt oder sonst an sich bringt oder zu deren Absatz bei anderen mitwirkt“.427, 428 Auf welcher Ebene die Gleichset423 Übereinstimmend z. B. Schroth, Vorsatz, S. 57; vgl. ferner NK-Paeffgen, § 224 Rn. 34. 424 Backmann, MDR 1976, 969 (976); Roxin, AT I, § 12 Rn. 96; ähnlich Schlüchter, Irrtum, S. 118. 425 Roxin, AT I, § 12 Rn. 112. 426 Vgl. z. B. Schlüchter, Irrtum, S. 118. Eher im Sinne einer Beweisregel oder Beweislastregel lässt sich hingegen die Stellungnahme Lilies, in LK, § 224 Rn. 38, verstehen, dass derjenige, der die gefährlichen Umstände kenne, die objektive Gefährlichkeit zumindest billigend in Kauf nehme. 427 Hervorhebung nicht im Original. Durch Art. 19 Nr. 132 des EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469) wurde der Hehlereitatbestand unter Streichung des umstrittenen „oder den Umständen nach annehmen muß“ neu gefasst und gilt in dieser Neufassung vom 1.1.1975 an bis heute unverändert. Eine ähnliche Formulierung enthielt die Vorschrift des § 245a Abs. 2 StGB a. F. (Besitz von Diebeswerkzeug), die durch Art. 1 Nr. 68 des 1. StRG vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 645) ersatzlos gestrichen wurde. 428 Vgl. ferner die etwas anders gefasste Formulierung in Art. 160 schweiz. StGB: „Wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie ein anderer durch eine strafbare Handlung gegen das Vermögen erlangt hat [. . .]“. Ob beide Fassungen inhaltlich identisch sind (so Vest, Vorsatznachweis, S. 140), da die maßgeblichen Umstände jeweils nicht näher konkretisiert werden, oder ob die Ergänzung „den Umständen nach“ im deutschen Recht eine inhaltliche Differenz – etwa derart, dass nur die

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

zung des Wissens mit dem Annehmenmüssen erfolgte, wurde jedoch kontrovers diskutiert. (a) Der materiell-rechtliche Ansatz Anfangs wurde in der Formulierung teilweise eine Modifikation der materiell-rechtlichen Vorsatzanforderungen hinsichtlich der Herkunft der Sache gesehen bzw., weil die Formulierung an die Umschreibung der Fahrlässigkeit erinnere,429 angenommen, § 259 StGB a. F. stelle eine Strafandrohung auch gegen fahrlässige Hehlerei auf.430 Derartige Interpretationsansätze wurden indes von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre unter Verweis auf den gesetzgeberischen Willen sowie den einheitlichen Strafrahmen zu Recht stets zurückgewiesen: Selbst wenn man die fahrlässige Hehlerei für strafwürdig erachtet, kann man sie keinesfalls als gleich strafwürdig wie die vorsätzliche Hehlerei ansehen.431 (b) Die beweisrechtlichen Lösungen Mit der Entscheidung, dass die Formulierung „den Umständen nach annehmen muß“ den Nachweis des Vorsatzes betrifft, war jedoch nicht festgelegt, wie dieser Nachweis zu führen war. (aa) Beweisregel Von der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur wurde die Formel als gesetzliche Vorsatzvermutung im Sinne einer widerlegbaren gesetzlichen Beweisregel für die Feststellung des unbedingten Vorsatzes verstanden.432 So befand bereits das Reichsgericht, das Gesetz erspare beim Vorliegen von Umständen, die dem Täter die Überzeugung von der strafbaren Herkunft der Sachen aufdrängen müssen, „dem Richter den mitunter schwierigen Schluß von diesen äußeren Umständen auf das Wissen des Täters und bestimm[e], daß es alsdann deutsche Formel ein Erkennen der Umstände voraussetzt – bewirkt, soll vorliegend nicht näher untersucht werden. 429 Vgl. dazu Bockelmann, NJW 1954, 1745; Vest, Vorsatznachweis, S. 140. 430 So z. B. Frank, 15. Aufl., § 259 V 1; Meyer/Allfeld, Lehrbuch, S. 495, allerdings gegen die bereits damals h. L. 431 Überzeugend BGHSt 2, 146 (147); ebenso das Schweizer Bundesgericht BGE 69 IV 67 (68); für die Lit. vgl. Bockelmann, NJW 1954, 1745 f. Auch Frank gab seine Auffassung in den späteren Auflagen seines Kommentars ausdrücklich auf, s. ders., § 259 V 1. 432 Für die Rspr. RGSt 55, 204 (206); RG, JW 1930, 2965 [Nr. 34]; BGHSt 2, 146; BGH, NJW 1955, 350; BGH, GA 1970, 306. Für die Lit. z. B. Dreher, 33. Aufl., § 259 Anm. 4 A a; LK-Ruß, 9. Aufl., § 259 Rn. 26.

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vermöge gesetzlicher Beweisregel so angesehen werden solle, als ob dem Täter diese Überzeugung tatsächlich nachgewiesen sei. Wer annehmen mußte, von dem wird kraft Gesetz vermutet, daß er auch angenommen hat.“433 Auch der BGH sah in der Ergänzung eine „Erleichterung der Beweisführung“: Durch die Vermutung für das positive Wissen des Täters sei dieses „mit der Anwendung der Beweisregel [. . .] gegeben.“434 Dies bedeutete in der Konsequenz, dass die Vermutung erst dann hinfällig werden konnte, wenn das Tatgericht es „für erwiesen [hielt], daß der Erwerber ungeachtet der ihm bekannten verdächtigen Umstände den strafbaren Vorerwerb weder erkannt noch mit ihm gerechnet“ hatte;435 im Falle eines non liquet musste dagegen zu Lasten des Täters vom Vorliegen der Kenntnis um den strafbaren Vorerwerb ausgegangen werden.436 Eben diese Folge schränkte der BGH indes später ein, indem er das Gericht zu einem Schluss von den erkannten gefahrbegründenden Umständen auf die tatsächliche Kenntnis des Täters lediglich berechtigte, nicht aber verpflichtete: Der Tatrichter müsse sich trotz der angeblichen Beweisregel gleichwohl davon überzeugen, „daß der Täter die strafbare Herkunft erkannt“ habe, sei es „mit Hilfe der Beweisregel“ oder „ohne Anwendung der Beweisregel, aber im übrigen auf Grund der gesamten Umstände des Falles“.437 Damit nahm er der „Beweisregel“ jedoch ihr maßgebliches Charakteristikum, die Verpflichtung des Richters zur schematischen Würdigung der Beweislage bis zum Beweis des Gegenteils.438 Auch Schröder vermischt Eigenschaften der Beweisregel und der tatsächlichen Vermutung, wenn er einerseits annimmt, dem Richter werde lediglich erlaubt, „aus den konkreten Umständen des Falles auf Grund allgemeiner Erfahrungssätze“ auf den Vorsatz des Täters zu schließen, andererseits die Regel jedoch „bis zum Beweise des Gegenteils“ aufrecht erhält und dem Richter die schwierige Schlussfolgerung von den „vielen äußeren Umständen auf das Wissen des Täters“ abnimmt.439

433 RGSt 55, 204 (206) (Hervorhebungen im Original). Ähnlich auch RG, JW 1930, 2965 (2966). 434 BGHSt 2, 146 (147 f.). 435 So RG, JW 1930, 2965 (2966). 436 Dazu s. Kaufmann, Strafanspruch, S. 165. 437 BGH, GA 1970, 306. Vgl. hierzu ausf. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 305 mit Fn. 367. 438 So zu Recht Graul, Gefährdungsdelikte, S. 304 f.; vgl. auch Henkel, Eb. Schmidt-FS, S. 578 (590, 591 f.); Vest, Vorsatznachweis, S. 34. 439 Schröder, NJW 1959, 1903 (1904); äußerst kritisch hierzu Graul, Gefährdungsdelikte, S. 308 ff.

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(bb) Gesetzlicher Erfahrungssatz Der überwiegende Teil der Literatur hingegen sieht in der Formulierung „den Umständen nach annehmen muß“ lediglich „eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung“440, einen gesetzlichen „Hinweis auf einen besonderen Weg des Indizienbeweises unter freier richterlicher Beweiswürdigung“441. Anders als im Fall einer gesetzlichen Vermutung, bei der von einer im Gesetz bezeichneten Tatsache kraft Gesetzes auf eine andere Tatsache geschlossen werde, bleibe es im Rahmen des § 259 StGB a. F. dem jeweiligen Tatrichter überlassen, welche Umstände er für den Schluss in Betracht ziehe.442 Er werde nicht ermächtigt, „trotz fortbestehender Zweifel am Vorsatz des Täters zu strafen“, ihm werde lediglich ein Weg aufgezeigt, auf dem er seine Auffassung erproben und seine Zweifel ausräumen könne. Gleichwohl müsse er sich weiterhin vom Wissen des Täters um den strafbaren Vorerwerb überzeugen und bei fortbestehenden Zweifeln den Täter freisprechen.443 Hierfür lässt sich in überzeugender Weise anführen, dass eine Beweiswertung nur durch ein solches Abstellen auf das Wesen des einzelnen Täters, nicht aber typisierend auf einen verständigen Menschen in der Lage des Täters „die ganze Fülle der Individualität des Falles und der Persönlichkeit des Täters“ mit einbeziehen kann.444, 445 440 Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748); zustimmend Graul, Gefährdungsdelikte, S. 302 f.; ebenso Welzel, Strafrecht, § 58 II 2 a (S. 398); Vest, Vorsatznachweis, S. 145 f. Ähnlich auch der Deutungsversuch von Kaufmann, Strafanspruch, S. 165, die eine Entscheidung letztlich aber offen lässt. 441 So Henkel, Eb. Schmidt-FS, S. 578 (590) (Hervorhebung im Original); s. a. S. 591 f. mit S. 580 f. Anders als Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748), lehnt Henkel es aber ab, dem Richter – ausnahmsweise – die Führung eines Prima-facie-Beweises zu gestatten, a. a. O., S. 589 f. 442 Henkel, Eb. Schmidt-FS, S. 578 (591); ganz ähnlich Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1748); zustimmend Vest, Vorsatznachweis, S. 144, der das Argument der fehlenden gesetzlichen Festlegung auch gegen das Vorliegen eines Anscheinsbeweises heranzieht (S. 140). Von einer „Tatfrage“ spricht diesbezüglich auch RG, JW 1930, 2965 (2966). 443 s. erneut Bockelmann, NJW 1954, 1745 (1747 f.); in der Konsequenz ähnlich BGH, GA 1970, 306; anders aber BGH, NJW 1955, 350; vgl. ausf. Graul, Gefährdungsdelikte, S. 307. 444 So bereits Henkel, Eb. Schmidt-FS, S. 578 (590). 445 Dasselbe ist den aktuellen Normativierungstendenzen der Rspr. bezüglich der – für die Annahme von Heimtücke i. S. des § 211 Abs. 2 StGB erforderlichen – Arglosigkeit eines Erpressers entgegenzuhalten: BGH, NStZ 2003, 425 (426 f.) zufolge „muss jeder Angreifer“ mit der Ausübung des Notwehrrechts durch den Angegriffenen „grundsätzlich rechnen“ (Hervorhebung nicht im Original). Dies kann indes bereits aufgrund der tatsächlichen Natur der „Arglosigkeit“ eines Menschen nur als – im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung zu beachtender – Erfahrungssatz verstanden werden. Abzulehnen ist es daher, wenn der BGH diese tatsächliche Vermutung als „normativ orientierte einschränkende Auslegung“ bezeichnet (a. a. O., S. 426), zu begrüßen hingegen, wenn er zumindest in Betracht zieht, dass „unter besonderen Um-

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(c) Zwischenergebnis Mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur ist die Wendung „den Umständen nach annehmen muß“ in § 259 StGB a. F. als allgemeine – in diesem Fall gesetzliche – Erfahrungsregel anzusehen, die der Richter im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände heranziehen konnte. (4) Zusammenfassung Gefahrbegründende Umstände sind in den hier exemplarisch untersuchten Bereichen des Strafrechts nach zutreffender Ansicht stets auf der beweisrechtlichen Ebene heranzuziehen und zwar in der Weise, dass – durch Gesetz oder Rechtsprechung – Erfahrungssätze herausgebildet worden sind, die den Tatrichter dort, wo erfahrungsgemäß mit unwahren Ausreden des Angeklagten zu rechnen ist, bei der freien Beweiswürdigung unterstützen, ihn jedoch nicht zu einer seiner Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsache widersprechenden Entscheidung verpflichten. dd) Zwischenergebnis zu den Möglichkeiten der Berücksichtigung objektiver Umstände Ein Heranziehen objektiver Tatumstände im Sinne einer normativierenden Modifikation der materiell-rechtlichen Anforderungen kommt zur Lösung von Beweisproblemen bei subjektiven Merkmalen nur dann in Betracht, wenn sich sämtliche erfassten Fälle als strafwürdig erweisen, den Täter mithin die Pflicht trifft, bereits aufgrund des Bestehens oder des Erkennens der objektiven Umständen die geforderte Vorstellung zu bilden. Ist dies nicht der Fall, kann das Vorliegen gefahrbegründender Umstände im Rahmen des Beweises der Tätervorstellung verwertet werden – indes wegen des im deutschen Strafrecht geltenden Grundsatzes der freien Beweiswürdigung nicht im Sinne einer Beweis- oder Beweislastregel, sondern als Erfahrungsregel, die den Tatrichter in seiner Beweiswürdigung unterstützt. Für Fehlvorstellungen über die erforderliche Rücktrittsleistung zöge eine Normativierung der maßgeblichen Tätervorstellung eine Annäherung an die Ergebnisse der objektiven Abgrenzung der Versuchsstadien nach sich, da Fehlvorstellungen des Täters lediglich im Fall der Nichterkennbarkeit bzw. des Nichtständen Fallgestaltungen denkbar sind, bei denen ausnahmsweise eine Arglosigkeit des Erpressers tragfähig festgestellt werden kann“ (a. a. O., S. 427). Kritisch zu der Entscheidung des BGH z. B. auch Hillenkamp, JZ 2004, 48 (49); ders., Rudolphi-FS, S. 463 (473 ff.); Schneider, NStZ 2003, 428 (429 ff.); Zaczyk, JuS 2004, 750 (752). Für eine Normativierung hingegen z. B. Widmaier, NJW 2003, 2788.

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erkennens der vorliegenden objektiv gefährlichen Umstände als solche eingestuft würden. Bei der Herausbildung einer Erfahrungsregel auf beweisrechtlicher Ebene dagegen bliebe die tatsächliche Tätervorstellung maßgeblich und damit grundsätzlich jede Fehlvorstellung des Täters beachtlich. Der Tatrichter wäre – anders als bei einer Beweis- oder Beweislastregel – verpflichtet, bei Zweifeln trotz des Vorliegens der Anknüpfungstatsachen und damit entgegen der tatsächlichen Vermutung in für den Täter vorteilhafter Weise von einer Fehlvorstellung seinerseits auszugehen. Umgekehrt könnte er aber, auch wenn der Erfahrungssatz nicht erfüllt ist, aufgrund anderer Beweiszeichen eine irrige Annahme einer Vollendungsgefahr durch den Täter feststellen. b) Der Standpunkt der Rechtsprechung bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Vor diesem dogmatischen Hintergrund soll nun zunächst dargestellt werden, wie die Rechtsprechung bei der Ermittlung der für die erforderliche Rücktrittsleistung maßgeblichen Tätervorstellung verfährt, wenn sich aus den oben bereits aufgezeigten Gründen446 Beweisschwierigkeiten ergeben. aa) Die anfängliche höchstrichterliche Rechtsprechung Zunächst stellten bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung sowohl das Reichsgericht als auch der BGH explizit auf die tatsächlich gebildete Tätervorstellung ab.447 Objektive Umstände wie die Eignung des Tatmittels zur Tötung eines Menschen, die Art der Verwendung dieses Tatmittels, erkennbare Verletzungen sowie Zustand und Verhalten des Opfers448 seien lediglich neben Äußerungen und der Einlassung des Täters „im Rahmen der Beweiswürdigung zu den inneren Vorgängen bei dem Täter“ als Indizien für das Bestehen oder Nichtbestehen der erforderlichen Möglichkeitsvorstellung heranzuziehen.449 Dabei monierte der BGH nicht selten eine fehlende Ermittlung oder Auswertung jener gefahrbegründenden Umstände, weshalb er den Fall an das Tatgericht zurückverwies.450 446

s. oben Zweiter Teil C. II. 2. Zur Rspr. des RG vgl. RGSt 43, 137 (139 f.); für die BGH-Rspr. bis 1984 vgl. z. B. BGHSt 22, 330; BGH, GA 1956, 89; BGH, NJW 1980, 195; BGHSt 31, 170 (176 f.); BGH, NStZ 1984, 116. 448 So die Hinweise zur gerichtlichen Feststellung der Tätervorstellung bei BGH, GA 1956, 89, sowie BGHSt 22, 330 (333 f.); BGH, NStZ 1984, 453. Vgl. ferner BGH, NJW 1980, 195; BGH, NJW 1984, 1693. 449 BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 193/77, S. 3 f.; s. a. BGHSt 22, 330 (333 f.); BGH, NJW 1980, 195; BGHSt 31, 170 (176). 450 So etwa in BGH, GA 1956, 89; BGHSt 14, 75; BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 193/77, S. 3 f.; BGH, NStZ 1984, 116; BGH, NStZ 1984, 453. 447

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bb) Die scheinbare Normativierung der Tätervorstellung durch BGHSt 33, 295 In der Entscheidung BGHSt 33, 295 aus dem Jahr 1984 scheint der vierte Senat diesen Ausgangspunkt indes zu erweitern und zu verändern, indem er einen Versuch für beendet erklärt, wenn der Täter „die tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahe legen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Umstände für möglich hält.“451 Später in derselben Entscheidung stellt der BGH dann allerdings doch wieder allein auf das Erkennen der Möglichkeit des Erfolgseintritts ab, das „bei bestimmten schweren Verletzungen auf der Hand“ liegen soll, und schließt nach einer ausführlichen Analyse der getroffenen Feststellungen mit der Aussage, diese ergäben „ohne jeden Zweifel, daß der Angeklagte, der Kenntnis aller derjenigen Umstände hatte, aus denen sich die Lebensgefahr ergab [. . .], den Eintritt des Erfolges für möglich gehalten hat.“452 Jene vom vierten Senat auch in weiteren Entscheidungen verwendeten453 sowie vom ersten und dritten Senat aufgegriffenen454 Formulierungen wurden teilweise als Normativierung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des beendeten Versuchs begriffen und angenommen, der BGH verlange nun bereits dann ein Verhindern vom Täter, wenn eine objektive Erfolgsgefahr und die Kenntnis des Täters von den diese begründenden Tatsachen vorliegen:455 Indem in die Tätervorstellung ein Kennenmüssen hineininterpretiert werde, werde dem Täter ein Fürmöglichhalten zugeschrieben, wenn er die Möglichkeit des Erfolgseintritts zwar nicht tatsächlich erkannt habe, aber angesichts der erkannten Umstände hätte erkennen sollen.456 Für den Täter vorteilhafte Fehlvorstellungen sind danach nur beachtlich, falls dieser bereits die gefahrbegründenden Um451 BGHSt 33, 295 (299) (Hervorhebung nicht im Original); ebenso 298 unter Verweis auf Küper, JZ 1983, 264, u. Kienapfel, JR 1984, 72. 452 BGHSt 33, 295 (300) unter Verweis auf BGHSt 19, 352 (Entscheidung zum erforderlichen Vorsatz bei der lebensgefährdenden Behandlung); ebenso BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 5. 453 s. BGH, NStZ 1986, 214; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 5; ähnlich BGH, NStE § 24 StGB Nr. 21; ein Erkennen der Möglichkeit des Erfolges fordernd aber BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 2. Auch in neueren Entscheidungen des vierten Senats wird der Gedanke des Erkennens der Umstände und der Erkennbarkeit der Lebensgefahr wieder herangezogen, vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2000 – 4 StR 211/00, S. 4; BGH, Beschl. v. 10.10.2000 – 4 StR 372/00, S. 4. 454 Vgl. die Entscheidungen des ersten Senats BGH, NStZ 1989, 317; BGH, NStZ 1993, 39 (40); BGH, NStZ 2004, 324 (325), sowie des dritten Senats BGH, Beschl. v. 11.2.2000 – 3 StR 3/00, S. 3 f.; anders aber noch BGH, NStE § 24 StGB Nr. 12. Ausdrücklich auf ein Erkennen der Lebensgefahr stellt jedoch der zweite Senat ab, vgl. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 1; BGH bei Holtz, MDR 1988, 99; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 6. 455 Weidemann, GA 1986, 409 (410); ebenso Maurach/Gössel, Fälle, Fall 14 (S. 239); unklar Blei, PdW, Fall 237.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

stände nicht erkannt, nicht hingegen, wenn er lediglich den Schluss auf das Bestehen einer Vollendungsgefahr nicht gezogen hat. An einer dahingehenden Interpretation sind jedoch schon deshalb Zweifel angebracht, weil man für eine derartige Haftungsverschärfung des Rücktrittstäters wenigstens eine Begründung durch den vierten Senat oder aber eine Anrufung des Großen Senats hätte erwarten dürfen.457 Dass nicht bereits die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände für die Annahme eines beendeten Versuchs ausreichen soll, zeigt sich vor allem aber daran, dass der Senat sich große Mühe gibt, entgegen dem tatsachengerichtlichen Befund mit Hilfe der festgestellten Tatumstände ein aktuelles und eben nicht nur ein potentielles Gefahrbewusstsein des Täters darzutun.458 Überzeugender erscheint es deshalb anzunehmen, der BGH wolle mit dem Abstellen auf die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände eine Erleichterung der Beweiswürdigung dahingehend erreichen, dass beim Erkennen bestimmter objektiver Umstände eine gegenteilige Einlassung des Täters beweisrechtlich einfach nicht glaubhaft sei,459 und zugleich nochmals betonen, dass eine Aufgabe des Willens zur Erfolgsherbeiführung im Sinne der Vorsatzlehre für sich unerheblich sei.460 Nach wie vor bestimmt der BGH die erforderliche Rücktrittsleistung mithin anhand des tatsächlichen psychischen Befundes und korrigiert lediglich die Tatsachenwürdigung allgemein anerkannten Gesetzen der Lebenserfahrung entsprechend. cc) Bestätigung dieser Deutung durch die nachfolgende Rechtsprechung Diese Interpretation wird durch zahlreiche Folgeentscheidungen des BGH untermauert, in denen ausdrücklich die tatsächliche Tätervorstellung für maßgeblich erklärt und vom Täter erkannten, gefahrbegründenden Umständen lediglich 456 So Hauf, AT, S. 150; s. a. Schmidt, JuS 1995, 650 (651); ferner Kadel, ÖJZ 1987, 269 (271), der von einem „Zu-eigen-Machen“ objektiver Kriterien spricht. Ausf. Stuckenberg, JA 1999, 751 (752), der die normativierende Zuschreibung des Fürmöglichhaltens mit der alten Figur des „dolus ex re“ vergleicht. Ähnlich auch der Ausgangspunkt bei Roxin, JZ 1993, 896 f.; vgl. Jäger, Rücktritt, S. 35 ff.; Otparlik, Versuch, S. 21 f., 262, 265 f. 457 Ebenso Weinhold, Rettungsverhalten, S. 118; zustimmend Nolden, Rücktritt, S. 38; vgl. insoweit auch Weidemann, GA 1986, 409 (416). 458 Vgl. bereits Puppe, NStZ 1986, 14 (15), die es jedoch als fraglich ansieht, ob sich der vierte Senat damit in den Grenzen seiner Revisionskompetenz gehalten hat; zustimmend Kampermann, Grundkonstellationen, S. 81, 116; Nolden, Rücktritt, S. 38; ebenso Kadel, ÖJZ 1987, 269 (271 Fn. 26). Ähnlich stellt der BGH auch in BGH, StV 1988, 102 letztlich auf das tatsächliche Fürmöglichhalten ab. 459 So auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 173; ähnlich NK-Zaczyk, § 24 Rn. 43; Nolden, Rücktritt, S. 185; Puppe, JR 2000, 72 (73); Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a; vgl. dazu Gropp, Gössel-FS, S. 175 (187). 460 Hierfür spricht auch der Verweis auf Küper, JZ 1983, 264. Vgl. bereits Puppe, NStZ 1986, 14 (15); zustimmend Kampermann, Grundkonstellationen, S. 81.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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insofern Bedeutung beigemessen wird, „als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters“ gestatten.461 Insbesondere der vierte Senat weist dabei entgegengesetzten Deutungen seiner Rechtsprechung widersprechend darauf hin, es reiche nicht aus, wenn der Täter mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts „rechnen konnte“.462 Die sich in einer vereinzelten Entscheidung desselben Senats findende Formulierung, die „Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahe legen“, genüge,463 muss angesichts dieser deutlichen Stellungnahmen sowie der Tatsache, dass ein Wille zur Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung nicht bekundet wird, als Formulierungsversehen verstanden werden.464 Dementsprechend stellen auch nachfolgende Entscheidungen anderer Senate – wie gewohnt und ohne eine etwaige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung anzusprechen – ausdrücklich auf die tatsächliche Vorstellung des Täters ab.465 Wenngleich es der BGH also nicht für maßgeblich erachtet, ob der Täter die Tatsachen erkennt, aus denen er auf die Gefährdung des Opfers hätte schließen sollen, sondern allein darauf, ob er diesen Schluss tatsächlich gezogen und die Vollendung für möglich gehalten hat, behält er doch seine in BGHSt 33, 295 entwickelte, oft falsch interpretierte Umschreibung in modifizierter Form bei, indem er festlegt, „in diesem Sinne [halte] den Erfolgseintritt auch für möglich, wer die tatsächlichen Umstände erkenn[e], die diesen Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrung nahelegen“ und weiter ausführt, dies liege „bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkung der Täter wahrgenommen hat [. . .] auf der Hand“.466 Neu ist dabei die sich hieran anschließende, ergänzende Bemerkung, „[a]n die für die Annahme eines unbeendeten 461 So explizit BGH, StV 1988, 527; ebenso z. B. BGHSt 35, 90 (92); BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 9; BGH, NJW 1992, 989 (990); BGH, NStZ 1993, 943 (945); BGH, NStZ 2004, 324 (325). 462 BGH, StV 1988, 201 (Hervorhebung im Original); ebenso BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; vgl. auch BGHSt 35, 90 (91 f.), wo der Senat das vom Landgericht festgestellte Erkennenmüssen nicht ausreichen lässt. 463 So BGH, NStZ 2005, 263 (264), in unmittelbarem Anschluss an die Forderung, der Täter müsse „die nahe liegende Möglichkeit des Erfolgseintritts erkenn[en]“. Das Landgericht hatte zuvor einen beendeten Versuch in dubio pro reo abgelehnt, weil nicht aufklärbar sei, ob der Täter „habe erkennen können“, dass die Verletzungen des Opfers „sicher zum Tode geführt hätten“, s. BGH, Urt. v. 25.11.2004 – 4 StR 326/04 (insoweit nicht in NStZ 2005, 150 abgedruckt). 464 Anzunehmen ist, dass der Senat die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände auch hier i. S. einer Erfahrungsregel für das zuvor geforderte Erkennen der Möglichkeit des Erfolgseintritts heranziehen wollte. Anders jedoch Puppe, JR 2005, 283 (284); dazu Zweiter Teil C. II. 2. c) bb). 465 So etwa BGH, NStZ-RR 2006, 6; s. a. BGH, NStZ 2005, 150 (151). 466 BGHSt 39, 221 (231); ebenso etwa BGH, NStZ 1994, 76 f.; BGH, StV 1996, 86 f.; BGH, NStZ 1999, 299; BGH, NStZ 1999, 300 f.; BGH, NStZ 2005, 263 (264); ähnlich auch BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 13; BGH bei Holtz, MDR 1994, 1069; missverständlich BGH, NStZ 2005, 263 (264).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Versuchs erforderliche Voraussetzung, daß der Täter den Erfolgseintritt (noch) nicht für möglich hält, [seien] nach dieser Rechtsprechung daher strenge Anforderungen zu stellen“.467 An dieser Weiterentwicklung der Rechtsprechung übt insbesondere Puppe harsche Kritik: Auch mit der Formulierung, „in diesem Sinne hält den Erfolgseintritt für möglich“, bleibe unklar, ob dies als tatsächliche Schlussfolgerung aus tatsächlichen Prämissen oder normativ gemeint sei, also der Täter aus der Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände „den Schluß auf die Erfolgsgefahr ziehen soll“.468 Zudem könne man strenge Anforderungen nur an die Gründe stellen, aus denen der Täter zu seiner Vorstellung gelangt sei, nicht aber an die Tätervorstellung selbst; diese sei „entweder gegeben oder nicht.“469 Letzterer Einwand trifft zwar zu, geht aber am sachlichen Gehalt der BGHFormulierung vorbei: „Strenge Anforderungen“ stellt der BGH nämlich weder an die Tätervorstellung selbst noch an die Gründe, die den Täter zur Bildung dieser Vorstellung führen, sondern – auf anderer Ebene – an die beweisrechtliche Feststellung der Tätervorstellung durch das Gericht. Will das Gericht entgegen dem in BGHSt 33, 295 entwickelten Erfahrungssatz, wonach der Täter bei gefährlichen Gewalthandlungen und dem Erkennen schwerer Verletzungen die Situation regelmäßig auch als lebensgefährdend bewertet, von einem Nichtfürmöglichhalten der Vollendung ausgehen, hat es dies zuvor genau zu prüfen. dd) Präzisierung und Einschränkung dieses Erfahrungssatzes in der neueren Rechtsprechung In seiner neueren Rechtsprechung hat der BGH seinen Erfahrungssatz zur beweisrechtlichen Feststellung der Möglichkeitsvorstellung des Täters weiter verfeinert, indem er den Umfang der Vermutungswirkung erstmals ausdrücklich einschränkt: Zwar liege „bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkung der Täter wahrgenommen hat“ ein Erkennen der lebensgefährdenden Wirkung seitens des Täters auf der Hand oder zumindest nahe, „so daß an die für die Annahme eines unbeendeten Versuchs erforderliche Voraussetzung, daß der Täter den Erfolgseintritt (noch) nicht für möglich [halte], strenge Voraussetzungen zu stellen“ seien.470 Diese Kenntnis verstehe 467 BGHSt 39, 221 (231 f.); BGH, NStZ 1994, 76 f.; BGH, NStZ 1999, 300 f.; nahe stehend BGH, StV 1996, 86 f. („an die Annahme eines unbeendeten Versuchs [sind] strenge Anforderungen zu stellen“); noch weitergehend BGH, NStZ 1999, 299. 468 Puppe, NStZ 1995, 403 (404) (Hervorhebung im Original); dies., Strafrecht II, § 36 Rn. 36. Kritisch auch Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (377). 469 Puppe, JR 2000, 72 (74); s. a. dies., Strafrecht II, § 36 Rn. 36. 470 Diese Formulierungen verwendet der BGH vor allem in neueren Entscheidungen, s. BGH, StV 1996, 23; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4; BGH, Beschl. v. 6.6.2001 – 3 StR 177/01, S. 4; BGH, NStZ 2002, 427 (428); BGH, NStZ-

C. Möglichkeiten der Relativierung

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sich „jedoch nicht von selbst“ und bedürfe dann „besonders eingehender Erörterung“, wenn ausreichende Anhaltspunkte vorlägen, die geeignet seien, „die Vorstellung des Täters, bereits alles zur Erreichung des gewollten Erfolges getan zu haben, zu erschüttern.“471 Dies wird vor allem dann angenommen, „wenn das angegriffene Opfer [. . .] noch – vom Täter wahrgenommen – in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen“472, aber z. B. auch wenn mehrere Handlungsabschnitte vorliegen und die Wahrnehmung des Täters nur für den ersten Handlungsabschnitt festgestellt ist.473 Das Gericht müsse alle objektiven Umstände in seine Wertung einbeziehen und erschöpfend erörtern,474 wobei der Zweifelsgrundsatz zu berücksichtigen sei.475 ee) Zusammenfassung der Rechtsprechungsansicht Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der BGH entgegen teilweise anders lautender Interpretationen materiell-rechtlich die tatsächlich gebildete Tätervorstellung für allein maßgeblich erachtet. Der Täter ist danach weder dann, wenn er vorliegende, objektiv gefahrbegründende Umstände hätte erkennen können, noch dann, wenn er diese erkannt hat, verpflichtet, die Vollendung für möglich zu halten. Folglich kommt grundsätzlich jeder Fehlvorstellung des Täters Bedeutung zu.

RR 2006, 370 f.; s. a. BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00, S. 4; BGH bei Holtz, MDR 1996, 117. In einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung will der BGH eine derart indizielle Wirkung sogar daraus ableiten, dass der Täter „bei der Tathandlung eine dadurch bewirkte Tötung für möglich (Element des bedingten Vorsatzes)“ gehalten hat, BGH, NStZ 1999, 299. Dies würde allerdings zu einer viel zu weit gehenden Regelvermutung für den beendeten Versuch führen; zur Kritik vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2000 – 4 StR 211/00, S. 3 f., sowie unten Zweiter Teil C. II. 2. d) bb). 471 So z. B. BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00, S. 4; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 f.; BGH, Beschl. v. 6.6.2001 – 3 StR 177/01, S. 4; ebenso BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 31; BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 6; BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74); BGH, NStZ-RR 2006, 370 (371). Vgl. ferner BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 13; BGH, NStZ 2005, 331 (332); BGH, Urt. v. 1.10.1997 – 2 StR 414/97; BGH, NStZ 2002, 427 (428). 472 So etwa BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 31; BGH, Urt. v. 1.10.1997 – 2 StR 414/97; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00, S. 4; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 f.; BGH, Beschl. v. 6.6.2001 – 3 StR 177/ 01, S. 4; BGH, NStZ 2005, 331 (332); ebenso BGH, NStZ 1999, 299; BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74). 473 BGH, NStZ 1997, 593; BGH, NStZ 2002, 427 (428) (jedenfalls wenn die mehreren Handlungsabschnitte als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind). 474 BGH, NStZ 1999, 299 (300); ebenso BGH, NStZ 1999, 299; BGH, NStZ 1999, 630; s. a. BGH, NStZ-RR 2006, 370 (371). Vgl. ferner BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – 2 StR 427/02, S. 4 ff. 475 Vgl. BGH, StV 2003, 615 f. Zur Geltung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes im Rücktrittsbereich vgl. auch Stree, In dubio pro reo, S. 23.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Allerdings besteht nach Auffassung des BGH im Fall des Erkennens bestimmter objektiv vorliegender Umstände – wie etwa gefährlicher Tathandlungen und schwerer Verletzungen – durch den Täter ein beweisrechtlicher Erfahrungssatz, dass dieser derartige Umstände auch als gefährlich bewertet, also die Möglichkeit der Vollendung in seine Vorstellung aufnimmt. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kann dieser Erfahrungssatz indes durch entgegenstehende Indizien, insbesondere durch ein für die Ungefährlichkeit der Verletzungen sprechendes Opferverhalten, wieder erschüttert werden. c) Die in der Literatur vertretenen Ansichten bei der Bestimmung der Rücktrittsleistung In der Jurisprudenz sind die Meinungen dazu, auf welche Weise die objektiven Umstände der Tatbegehung bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung heranzuziehen sind, geteilt. aa) Erkennbarkeit der gefahrbegründenden Umstände für den Täter Einige Autoren gehen bereits bei einem für den Täter erkennbaren Vorliegen objektiv gefährlicher Umstände von einer für die Annahme eines beendeten Versuchs ausreichenden Möglichkeitsvorstellung des Täters aus: Es komme nicht darauf an, ob der Täter den Schluss auf die Möglichkeit des Erfolgseintritts tatsächlich gezogen habe, sondern ob er ihn hätte ziehen müssen.476 Bereits auf materiell-rechtlicher Ebene wird danach ein Nichtfürmöglichhalten der Vollendung trotz erkennbaren Vorliegens objektiv gefährlicher Umstände einem Fürmöglichhalten gleichgestellt, dem Täter damit über die Obliegenheit, sich überhaupt eine Vorstellung zu bilden, hinaus die Obliegenheit, erkennbare gefährliche Umstände zu erkennen und als gefährlich zu werten, auferlegt. Nachzuweisen ist dem Täter demzufolge allein das erkennbare Vorliegen gefahrbegründender Umstände, d.h. neben vergleichsweise leicht feststellbaren Tatsachen wie der Gefährlichkeit der Tatausführung und schweren Verletzungen beim Opfer die Erkennbarkeit dieser Umstände. Ein beendeter Versuch wird darüber hinaus aber auch beim Fehlen erkennbarer, objektiv gefahrbegründender Umstände angenommen, wenn der Täter die Vollendung – vom Tatgericht festgestellt – tatsächlich für möglich hält.477 476 So Heuchemer, JA-R 2001, 18 (22); nahe stehend Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 162 f. Zu dem Normativierungsgedanken s. a. Roxin, AT II, § 30 Rn. 172. Ähnlich Bottke, Methodik, S. 430, der bei einem „Verdrängen“ des Täters das erforderliche Gefahrbewusstsein fingiert; anders aber wohl in Fn. 167. Vgl. ferner Murmann, JuS 1996, 590 (593), der die Reflexion des Täters als Teil der Rücktrittsleistung ansieht, jedoch offen lässt, ob der Täter dabei auch zu einem bestimmten Ergebnis kommen muss. 477 Vgl. z. B. Heuchemer, JA-R 2001, 18 (22).

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Das Verkennen einer objektiv vorliegenden Vollendungsgefahr durch den Täter führte danach trotz des subjektiven Ausgangspunkts lediglich bei einem Fehlen von für den Täter erkennbaren, gefahrbegründenden Umständen zu einem unbeendeten Versuch. In diesem Erfordernis der Erkennbarkeit solcher Umstände läge der alleinige Unterschied zu einer Bestimmung der Rücktrittsleistung nach der objektiven Gefährdungslage.478 bb) Tatsächliches Erkennen der gefahrbegründenden Umstände durch den Täter Einer beträchtlichen Zahl von Autoren zufolge genügt zwar nicht die bloße Erkennbarkeit gefahrbegründender Umstände, weist jedoch neben dem die Vollendung tatsächlich für möglich haltenden Täter auch derjenige das für die Annahme eines beendeten Versuchs erforderliche Gefahrbewusstsein auf, der die maßgeblichen tatsächlichen Umstände erkannt hat, die den Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrung nahe legen.479 Für den Täter ergebe sich in diesem Fall die Pflicht, die erkannten Umstände auch als gefährlich zu werten, weshalb es unerheblich bleibe, ob er diesen Schluss tatsächlich gezogen habe; ein Fürmöglichhalten sei ihm gegebenenfalls zuzuschreiben.480 Opferschutz bedeute nicht nur Verschonung vor weiteren Angriffen, sondern auch Rettung vor der bereits verursachten Gefahr.481 Ein aktives Vollendungsverhindern wird mithin sowohl bei „aktuellem“, als auch bei „potentiellem“ Gefahrbewusstsein verlangt. In eben diesem Sinne will Puppe eine neuere Entscheidung des BGH verstehen: Der Versuch sei beendet, wenn der Täter den Erfolgseintritt wirklich für möglich halte, aber auch, „wenn ihm Tatsachen bekannt [seien], die nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss begründen, dass der Erfolgseintritt nahe lieg[e], auch wenn der Täter selbst diesen nicht gezogen“ habe.482 478 Seier, JuS 1989, 102 (103) mit Fn. 1, sieht hierin gar eine Beurteilung nach der objektiven Erfolgsgefahr. Zu den weiteren Konsequenzen dieses Ansatzes für Fehlvorstellungen des Täters s. Zweiter Teil C. II. 2. a) bb) (1) (b). 479 Puppe, JR 2000, 72 (74); dies., JR 2005, 383 (384 f.); dies., Strafrecht II, § 36 Rn. 43 f.; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 129 ff., 133 f., 135; s. a. NK-Zaczyk, § 24 Rn. 46; Nolden, Rücktritt, S. 188 f., 193, 196; ebenso wohl Blei, PdW, Fall 237, der aber materiell- und beweisrechtliche Anforderungen vermischt. Ähnlich ferner Bauer, wistra 1992, 201 (206); Gropp, Gössel-FS, S. 175 (187); unklar Bottke, Methodik, S. 430 mit Fn. 167. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den auf dem Bestehen eines Sorgfaltserfordernisses basierenden Ansatz Herzbergs in MK, § 24 Rn. 66, 155 ff. 480 Puppe, JR 2000, 72 (74); dazu auch dies., Vorsatz, S. 28 u. 39; dies., Strafrecht II, § 36 Rn. 43; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 129 f.; vgl. Gropp, § 9 Rn. 53; Nolden, Rücktritt, S. 188; übereinstimmend Walter, Rücktritt, S. 133, mit der Begründung, eine solch nachlässige Fehleinschätzung stelle keinen Ausdruck hinreichender Normbefolgungsbereitschaft dar; s. a. S. 137. 481 Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 40. 482 So Puppe, JR 2005, 383 (384) zu BGH, NStZ 2005, 263 (264). Vgl. dazu bereits Zweiter Teil C. II. 2. b) cc).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Erforderlich, aber auch ausreichend ist es dieser Auffassung zufolge, wenn das Tatgericht es als Ergebnis seiner freien Beweiswürdigung für erwiesen erachtet, dass der Täter die gefahrbegründenden Umstände erkannt hat. Dabei sind einerseits das Vorliegen gefährlicher Umstände wie Schwere des Angriffs oder Stärke der Verletzungen des Opfers,483 aber auch das Verhalten und die Einlassung des Täters zu berücksichtigen, die Rückschlüsse auf sein Erkennen der gefährlichen Umstände zulassen können. Der Täter kann sich somit zwar weiter entlastend darauf berufen, er habe die objektiv gefährlichen Umstände nicht erkannt, sich hingegen nicht damit „herausreden“, er habe zwar die gefahrbegründenden Umstände erkannt, diese aber nicht als gefährlich gewertet.484 Auch Fahrlässigkeit nehme dem Täter seine Rücktrittschance.485 Das Verkennen einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr führt nur zur Annahme eines unbeendeten Versuchs, wenn der Täter die – erkennbaren – objektiv gefährlichen Umstände nicht erkannt hat, dagegen nicht, wenn er trotz des Erkennens der gefahrbegründenden Umstände den wertenden Schluss auf die Vollendungsmöglichkeit nicht gezogen hat. In der umgekehrten Konstellation wird allerdings das eigentlich konsequente Ergebnis, bereits bei einer irrigen Annahme gefahrbegründender Umstände vom Täter ein Verhindern zu verlangen und damit den Anwendungsbereich des beendeten Versuchs noch stärker auszuweiten,486 häufig vermieden, indem für die Versuchsbeendigung alternativ das Erkennen objektiv bestehender, gefährlicher Umstände oder ein tatsächliches Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts gefordert wird.487 cc) Tatsächlich gebildete Tätervorstellung Überwiegend aber wird auch in der Jurisprudenz auf materiell-rechtlicher Ebene die wirkliche Tätervorstellung für maßgeblich erachtet und nur bei einem tatsächlichen Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts durch den Täter ein beendeter Versuch angenommen.488 Trotz der angenommenen Obliegenheit des Täters zur Reflexion489 werden damit an die Gründe, aus denen er seine Vor483

Vgl. insoweit Kienapfel, JR 1984, 72 (74). Dazu Stuckenberg, JA 1999, 751 (752). 485 Puppe, JR 2005, 383 (385). 486 So folgerichtig Weinhold, Rettungsverhalten, S. 133. 487 Vgl. etwa Kienapfel, JR 1984, 72 (74); ferner Puppe, JR 2005, 383 (384 f.). Zu den Auswirkungen dieses Ansatzes auf die Fehlvorstellungsproblematik vgl. ferner Zweiter Teil C. II. 2. a) bb) (2) (a) (bb). 488 So ausdrücklich z. B. Burkhardt, Rücktritt, S. 68; Fahrenhorst, Jura 1987, 291 (293); Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 43; Roxin, JR 1986, 424 (426); Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a; ebenso Geilen, JZ 1972, 335 (341 f.); Heckler, Ermittlung, S. 173 Fn. 813; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 123; Murmann, JuS 1996, 590 (592 Fn. 13); Stuckenberg, JA 1999, 751; wohl auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 173. 484

C. Möglichkeiten der Relativierung

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stellung gewinnt, keine Anforderungen gestellt, sondern wird vielmehr dem tatsächlichen psychischen Befund Abgrenzungswirkung beigemessen.490 Die äußeren Umstände der Tat erlangen demnach erst bei der beweisrechtlichen Ermittlung der Vorstellung Bedeutung, allerdings – anders als noch in der Zeit vor 1871, wo der Ausnahmecharakter des Rücktrittsprivilegs betont und dem Täter teilweise vollständig die Beweislast auferlegt wurde491 – einhellig nicht mehr als Beweis- oder Beweislastregel, die dem Tatgericht bei Vorliegen bestimmter objektiver Umstände den Schluss auf die tatsächliche Tätervorstellung abnimmt: Ebenso wie das Täterverhalten und die Tätereinlassung seien die äußeren Umstände der Tat – wie z. B. die Gefährlichkeit der Begehungsweise und die Schwere der Verletzungen beim Opfer – im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Tatgerichts und unter Beachtung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes heranzuziehen.492 Um Schutzbehauptungen des Täter zu begegnen, könne der Richter im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf allgemeine Erfahrungssätze zurückgreifen, wonach es in typisierten erfolgsgeneigten Gefährdungslagen nach der Lebenserfahrung nicht vorstellbar sei, dass der Täter die Vollendung nicht für möglich halte,493 oder wonach an ein Nichtfürmöglichhalten jedenfalls strenge Anforderungen zu stellen seien.494 Sei allerdings – etwa aufgrund des Verhaltens oder der Einlassung des Täters – unklar, ob dieser die gefährlichen Umstände bemerkt habe, könnten hieraus keine Erkenntnisse im Hinblick auf das Gefahrbewusstsein des Täters gewonnen werden.495 Bei Zweifeln an einem Fürmöglichhalten des Täters sei ohnehin ein unbeendeter Versuch anzunehmen.496 489

s. dazu oben Zweiter Teil C. II. 1. d). Vgl. Burkhardt, Rücktritt, S. 68; Stuckenberg, JA 1999, 751. 491 Dazu vgl. Art. 58 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1813: Der Versuch ist straffrei, „wenn der Handelnde [. . .] freiwillig [. . .] von dem Unternehmen abgestanden ist; welches Letztere jedoch nicht vermutet wird“ (Dieser Teilsatz wurde durch Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes vom 29.8.1848 aufgehoben.). Ebenso Art. 69 des Strafgesetzbuchs für das Großherzogtum Hessen vom 16. September 1841: „[D]er noch nicht beendigte Versuch bleibt straflos, wenn der Täter nachweist, dass [. . .] er [. . .] freiwillig und aus Reue [. . .] und zwar gänzlich“ von der Tatausführung zurückgetreten ist. Aus der damaligen Lit. vgl. Breidenbach, Commentar, S. 193, 206; Zachariae, Lehre II, S. 262; kritisch hierzu aber z. B. Köstlin, Revision, S. 399 ff. 492 Für die ganz h. M. s. Heckler, NJW 1996, 2490 (2491); Murmann, JuS 1996, 590 (592 Fn. 13); ders., Versuchsunrecht, S. 43 Fn. 137; Roxin, AT II, § 30 Rn. 173. S. a. Otto, JK 95, StGB § 24/23; ders., Jura 1992, 423 (429); Stuckenberg, JA 1999, 751; ferner Geilen, JZ 1972, 335 (341 f.), der allerdings auch auf die Gefahr der Manipulierbarkeit objektiver Indizien durch das Gericht hinweist. 493 Roxin, AT II, § 30 Rn. 173, 192 f.; s. a. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 70; vgl. Fahrenhorst, Jura 1987, 291 (293); Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (377 f., 380). 494 So z. B. LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 110 f.; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a. 495 Vgl. Heckler, NJW 1996, 2490 (2491); ferner Puppe, JR 2000, 72 (73). 496 Dazu ausf. Stree, In dubio pro reo, S. 23. 490

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Durch diese Vorgehensweise bleiben einerseits sämtliche Fehlvorstellungen des Täters beachtlich und werden zugleich die Möglichkeiten des Tatgerichts verbessert, wahre Fehlvorstellungen als solche zu identifizieren, bloße Schutzbehauptungen des Täters hingegen zu entlarven.497 d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Die Entscheidung, in welcher Weise vom Täter erkennbare oder erkannte gefahrbegründende Umstände bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung heranzuziehen sind, ist für die Behandlung und die Beachtlichkeit von Fehlvorstellungen des Täters über die zu erbringende Rücktrittsleistung von großer Tragweite: Während bei einer Berücksichtigung auf beweisrechtlicher Ebene jede Fehlvorstellung beachtlich bleibt und lediglich – im Fall der Herausbildung von Erfahrungssätzen einige, bei der Herausbildung von Beweisregeln oder Beweislastregeln dagegen viele – Fehlvorstellungen nicht mehr als solche anerkannt werden, sind bei einer Normativierung der Versuchsstadien nur wenige Fehlvorstellungen des Täters überhaupt noch von Bedeutung, nämlich allein jene, die auf die fehlende Erkennbarkeit oder das fehlende Erkennen gefahrbegründender Umstände zurückgehen. aa) Das Problem des Beweises der Tätervorstellung Wie bereits gezeigt können die Schwierigkeiten, die sich für das Gericht bei dem Beweis der Tätervorstellung insbesondere angesichts zu erwartender Schutzbehauptungen des Täters ergeben, eine Normativierung der Anforderungen an die Tätervorstellung nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, dass derartige Beweisprobleme und die Abhängigkeit des Ergebnisses vom Einlassungsgeschick des Täters charakteristisch für jedes subjektive Merkmal sind, subjektive Merkmale aber dennoch unbestritten ihre Berechtigung haben,498 ist ein allein hierauf gestütztes Absenken der inhaltlichen Anforderungen deshalb abzulehnen, weil dabei die Gefahr entsteht, in unzulässiger und ungewollter Weise auch Fälle zu bestrafen, in denen sicher nur die niedrigeren Anforderungen gegeben sind, das verdächtige subjektive Merkmal aber gerade nicht vorliegt:499 Dem Verdächtigen würde so eine diesen prozessual gerade nicht treffende Einlassungs- und Erklärungspflicht zugeschoben, was rechtsstaatlichen Grundsät-

497 Ausf. zu den Auswirkungen dieses Ansatz auf die rechtliche Bewertung von Fehlvorstellungen des Täters bereits Zweiter Teil C. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb). 498 Gegen das Beweisbarkeitsargument z. B. auch Nolden, Rücktritt, S. 197, die jedoch im Ergebnis aus anderen Gründen eine Normativierung verfolgt. 499 s. hierzu auch Hillenkamp, JR 1988, 301 f.

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zen, insbesondere dem In-dubio-pro-reo-Prinzip und dem Nemo-tenetur-Grundsatz, widerspräche. Ebendaher ist eine Normativierung der an ein Fürmöglichhalten der Vollendung zu stellenden Anforderungen nur zulässig, wenn alle dann erfassten Fälle für sich strafwürdig sind, d.h. vom Täter auch ein Verhindern der Vollendung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB zu verlangen ist, wenn seine Einlassung, er habe die – erkennbaren oder erkannten – Umstände nicht als gefährlich eingestuft, der Wahrheit entspricht. Als unzulässig erweist sich ein materiell-rechtliches Absenken der Anforderungen an eine Versuchsbeendigung hingegen, wenn dadurch ermöglicht werden soll, den Täter bereits wegen des Verdachts auf ein Fürmöglichhalten der Vollendung verurteilen zu können.500 bb) Das Bestehen einer Obliegenheit des Täters zum Fürmöglichhalten der Vollendung Für die vorgeschlagenen materiell-rechtlichen Erleichterungen zur Annahme eines beendeten Versuchs ergibt sich hieraus Folgendes: Die bloße Erkennbarkeit gefahrbegründender Umstände kann nur dann für eine Versuchsbeendigung ausreichen, wenn es dem Täter aus § 24 Abs. 1 StGB obliegt, derartige Umstände zu erkennen und als vollendungsgefährlich zu bewerten; entsprechend genügt das Erkennen gefahrbegründender Umstände seitens des Täters, wenn es ihm obliegt, hieraus den wertenden Schluss auf das Bestehen einer Vollendungsgefahr zu ziehen. Dagegen muss eine Normativierung der Anforderungen ausscheiden, wenn den Täter keine dahingehenden Obliegenheiten treffen. (1) Widerspruch zum Ausgangspunkt der Maßgeblichkeit der Tätervorstellung Eine Normativierung der an die Versuchsbeendigung gestellten Anforderungen mutet zunächst deshalb befremdlich an, weil sie im Widerspruch zu den für maßgeblich befundenen, den tatsächlichen Bewusstseinszustand des Täters beschreibenden Abgrenzungskriterien des Fürmöglichhaltens und des Nichtfürmöglichhaltens der Vollendung zu stehen scheint. Jedenfalls auf den ersten Blick ist kaum nachvollziehbar, wie dieser in der Psyche des Täters real vorzufindende Befund einer Normativierung zugänglich sein soll.501 Allerdings handelt es sich bei den Begriffen „Fürmöglichhalten“ und „Nichtfürmöglichhalten“ ebenso wie bei dem der „Tätervorstellung“ nicht um vom Gesetz selbst vorgegebene Kriterien, sondern lediglich um mittels einer

500 501

Zum Ganzen bereits ausf. Zweiter Teil C. II. 2. a) bb) (1) (c), dd). Kritisch deshalb etwa Roxin, JZ 1993, 896 (897).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Auslegung des § 24 Abs. 1 StGB herausgearbeitete Hilfsbegriffe zur Bestimmung, wann welche Rücktrittsleistung vom Täter zu verlangen ist. Nur wenn die Auslegung des § 24 Abs. 1 StGB selbst ergibt, dass den Täter trotz erkennbarem oder erkanntem Vorliegen gefahrbegründender Umstände keine Obliegenheit trifft, die entsprechende Möglichkeitsvorstellung zu bilden, sondern allein seiner tatsächlichen Vorstellung maßgebende Bedeutung zukommt, sind jene Abgrenzungskriterien keiner normativen Eingrenzung zugänglich. (2) Das Bestehen einer Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung bestimmten Inhalts Es gilt folglich mit Blick auf den Wortsinn, den Bedeutungszusammenhang und den Rechtsgedanken der Rücktrittsnorm zu ermitteln, ob den Täter bei erkennbarem oder erkanntem Vorliegen gefahrbegründender Umstände die Obliegenheit zu einem gedanklichen Schluss auf die Möglichkeit der Vollendung trifft. (a) Der Wortsinn des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB Dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB allein ist keine Antwort auf diese Frage zu entnehmen. Rein sprachlich kann auch derjenige „die weitere Ausführung der Tat aufgeben“, der die gefahrbegründenden Umstände erkannt hat; erst wenn er die Umstände als – zumindest möglicherweise – erfolgsgefährlich wertet, ist nur noch ein Verhindern als Rücktrittshandlung möglich. Andererseits ließe sich vorbringen, weil ein Aufgeben genau wie ein Verhindern eine bewusste Entscheidung des Täters voraussetze, müsse dieser stets zunächst sorgfältig die bestehende Situation analysieren und daher bereits bei einem erkennbaren Vorliegen bzw. bei einem Erkennen der gefahrbegründenden Umstände zu dem Schluss kommen, dass allein ein Verhindern als Rücktrittsleistung ausreiche. (b) Der Bedeutungszusammenhang mit dem Ingerenzgedanken Für eine Obliegenheit des Täters, bestehende gefahrbegründende Umstände zu erkennen bzw. als gefährlich zu werten, wird teilweise der Bedeutungszusammenhang mit der Ingerenzverantwortlichkeit angeführt. Um Widersprüche zwischen Rücktritt und Unterlassenshaftung zu vermeiden, sei es unerlässlich, beide Pflichten zu synchronisieren.502 Seine Handlungspflicht aus Ingerenz verletze aber nicht nur der Untätigbleibende, der die Möglichkeit des Erfolgsein502 So Weinhold, Rettungsverhalten, S. 129; zustimmend Nolden, Rücktritt, S. 192; vgl. ferner Puppe, JR 2000, 72 (74); dies., NStZ 1995, 403 (404 f.).

C. Möglichkeiten der Relativierung

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tritts erkenne und auf einen guten Ausgang vertraue, sondern auch derjenige, der zwar die Erfolgsgefahr nicht erkenne, sie jedoch hätte erkennen können, diesmal eben unbewusst fahrlässig. Nur wenn der Täter die Gefahr mangels Kenntnis gefahrbegründender Tatsachen nicht erkennen könne, sei ihm sein Unterlassen nicht mehr als Verletzung des Ingerenzgebots vorzuwerfen.503 Auch im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB sei daher vom Täter bereits bei Kenntnis der gefahrbegründenden Tatsachen ein Tätigwerden zu verlangen.504 (aa) Kein Strafbarkeitswiderspruch Wie bereits bei der Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen an den beendeten Versuch überzeugt das Bestreben, Widersprüche zwischen den Pflichten des Versuchstäters im Rahmen des Rücktritts und seiner omissiven Verantwortlichkeit zu vermeiden, insoweit, als die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts spätestens dort aufhören muss, wo die Ingerenzhaftung beginnt: Es wäre künstlich und kann nicht gewollt sein, zunächst einen strafbefreienden Rücktritt des Täters anzunehmen, dann den Täter aber aufgrund desselben Verhaltens wegen eines versuchten Unterlassungsdelikts zu bestrafen. Im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB darf folglich vom Täter nicht weniger verlangt werden als im Rahmen der – erst bei Annahme eines strafbefreienden Rücktritts zu untersuchenden – Ingerenzhaftung.505 Allerdings erfordert eine dahingehende Abstimmung nicht zwangsläufig eine Normativierung der für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung maßgeblichen Tätervorstellung. Die Strafbarkeit des Täters wegen versuchten Unterlassungsdelikts setzt nämlich seinen Vorsatz voraus, d.h. der Täter muss die maßgeblichen, gefährlichen Umstände nicht nur erkennen, sondern sie i. S. des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zumindest nach der Parallelwertung in der Laiensphäre auch als gefährlich werten.506 Erkennt er lediglich die gefahrbegründenden Umstände, ohne diese als gefährlich einzustufen, hat er wegen dieser – fahrlässigen – Verletzung seiner Ingerenzpflicht keine Unterlassungsstrafbarkeit zu befürchten, da die Tat unvollendet geblieben ist und es keinen fahrlässigen Versuch gibt. Auch ein Abstellen auf die wirkliche Tätervorstellung im Rahmen 503 So Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 43 f., die bei einem Anschein der Erfolgsgefahr auch, wenn der Täter unter Erfüllung seiner Prüfungspflicht vom Ausbleiben des Erfolges überzeugt ist, einen beendeten Versuch annehmen, das Täterverhalten indes als ernsthaftes Verhinderungsbemühen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB werten will. 504 Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 44; Weinhold, Rettungsverhalten, S. 129; ebenso Nolden, Rücktritt, S. 191. 505 Dazu ausf. Zweiter Teil C. I. 3. c); übereinstimmend bereits Geilen, JZ 1972, 335 (341 f.). 506 Vgl. bereits Zweiter Teil C. II. 2. a) cc) (1) (a); ausf. Kühl, AT, § 5 Rn. 86; BGHSt 36, 1 (9); s. dazu jetzt auch Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (376 f.). Anders – normativierend – auch dort aber Puppe, Vorsatz, S. 28 u. 39.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

des § 24 Abs. 1 StGB führt daher bei der bloßen Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände nicht zu einem Strafbarkeitswiderspruch: Der Täter wäre – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – durch seine Untätigkeit strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten und – mangels ausreichenden Vorsatzes – auch nicht wegen eines versuchten Unterlassungsdelikts zu bestrafen. (bb) Pflichtenwiderspruch genügt Puppe und Weinhold fordern indes mit der Begründung, das Bestehen einer Rechtspflicht sei unabhängig von ihrer strafrechtlichen Ahndung, eine Abstimmung nicht nur der Strafbarkeit, sondern der Rechtspflichten des Täters aus § 24 Abs. 1 StGB und aus Ingerenz. Den rücktrittswilligen Täter treffe deshalb wie den Ingerenten bereits dann eine Verhinderungspflicht, wenn dieser die vorliegenden, gefahrbegründenden Umstände erkenne.507 Zwar ist es denkbar, im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB insgesamt strengere Anforderungen an den Täter zu stellen als für eine Unterlassensstrafbarkeit,508 jedoch erscheint dies angesichts des nicht entstehenden Strafbarkeitswiderspruchs aus systematischen Gründen keinesfalls zwingend. Selbst wenn sich der Ingerent, der die bestehende Vollendungsgefahr nicht als solche erkennt, im Fall des Erfolgseintritts wegen seines Unterlassens eines vollendeten Fahrlässigkeitsdelikts strafbar machte, bedeutet dies nicht, dass auch im Rahmen des Rücktritts das – fahrlässige – Verkennen der Vollendungsgefahr zu Lasten des Täters gehen muss. Vielmehr lässt sich gerade umgekehrt vorbringen, ebenso wie eine pflichtgemäße Prüfung grundsätzlich nichts an der Haftung des Täters im Falle des Erfolgseintritts ändere, bestehe kein hinreichender Grund, die folgenlose Fahrlässigkeit des Täters im Rahmen des Rücktritts als versuchte Vorsatztat zu ahnden.509 (cc) Zwischenergebnis Auch die Abstimmung mit dem Ingerenzgedanken bedingt keine Obliegenheit des Täters, erkannte gefahrbegründende Umstände auch als gefährlich zu bewerten.

507 Weinhold, Rettungsverhalten, S. 130; ebenso Puppe, JR 2000, 72 (73 f.); ferner dies., JR 2005, 383 (385). 508 s. Zweiter Teil C. I. 3. c). 509 Vgl. dazu Roxin, AT II, § 30 Rn. 174. Zur Vollendungshaftung des Täters trotz vermeintlichem Rücktritt ausf. Dritter Teil A.

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(c) Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 StGB Die Frage nach dem Bestehen einer Obliegenheit des rücktrittswilligen Täters, die Vollendung bereits bei dem erkennbaren oder erkannten Vorliegen gefahrbegründender Umstände für möglich zu halten, und als Rücktrittsleistung aktive Verhinderungshandlungen zu entfalten, lässt sich mithin nur unter Heranziehung der wesentlichen Grundgedanken des Rücktrittsprivilegs abschließend beantworten. (aa) Der Anreiz- und Opferschutzgedanke Im Hinblick auf den Anreiz- und Opferschutzgedanken ist entscheidend darauf abzustellen, in welcher Situation es dem Interesse des Opfers entspricht, dem Täter bereits für das bloße Nichtweiterhandeln oder eben erst für ein aktives Verhindern Strafbefreiung in Aussicht zu stellen. Dass es verfehlt wäre, schon bei einem für den Täter erkennbaren Vorliegen gefahrbegründender Umstände von diesem ein Aktivwerden zu verlangen, ergibt sich aus den bereits entscheidend gegen eine Festlegung der Rücktrittsleistung anhand der objektiven Gefährdungslage angeführten Gründen:510 Für das Opfer wird nichts dadurch erreicht, dass vom Täter ein zwar erkennbar notwendiges, von ihm jedoch nicht als notwendig erkanntes und deshalb subjektiv überflüssiges Verhalten verlangt wird. Die Annahme eines beendeten Versuchs scheidet mithin nach dem Opferschutzgedanken aus, wenn der Täter die erkennbaren Bedürfnisse des Opfers deshalb verkennt, weil er bereits die gefahrbegründenden Umstände nicht als solche wahrgenommen hat.511 Möglicherweise entspricht es jedoch dem Interesse des Opfers, von einem Täter, der die gefahrbegründenden Umstände erkannt hat, deren Bewertung als gefährlich zu verlangen, indem ihm ein Fürmöglichhalten der Vollendung in diesem Fall zugeschrieben und von ihm zur Strafbefreiung ein aktives Verhindern abverlangt wird. Dass es gleichsam als erster Schritt auf dem Weg zur Rettung des Opfers in dessen Interesse liegt, vom Täter zu fordern, sich überhaupt eine Vorstellung von der Gefährdungslage und damit der erforderlichen Rücktrittsleistung zu bilden, wurde bereits dargetan.512 Derjenige, der die Vollendung trotz des Erkennens gefahrbegründender Umstände nicht für möglich hält, hat diesen ersten Schritt vollzogen, ihm ist dabei aber ein Bewertungsfehler unterlaufen. Hat der Täter sich aber eine tatsächliche Vorstellung hinsichtlich der Vollendungsgefahr gebildet, wird die Situation für das Opfer nicht da510 511 512

s. Zweiter Teil B. VI. 6. a). Insoweit übereinstimmend Weinhold, Rettungsverhalten, S. 131. s. Zweiter Teil C. II. 1. d) cc) (1).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

durch verbessert, dass von ihm nun ein nicht mit dieser Vorstellung übereinstimmendes, aus seiner Sicht daher sinnloses Verhinderungsverhalten gefordert wird: Das Opferinteresse wird über die Psyche des Täters vermittelt, die sich als tatsächliches Moment einer normativen Ausdeutung nicht zugänglich ist. Der Opferschutz kann deshalb stets nur bei der wirklich gebildeten Tätervorstellung ansetzen.513 (bb) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke Als schwieriger erweist sich die Aufgabe festzulegen, ob ein Täter, der zwar die gefahrbegründenden Umstände erkannt hat, die Vollendung aber nicht für möglich hält, bereits ausreichend verdienstlich handelt bzw. seine Wiedergutmachungsschuld erfüllt, wenn er die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder erst, wenn er aktive Verhinderungsbemühungen entfaltet.514 Teilweise wird in diesem Zusammenhang für letzteres das vom BGH zum Vorsatz bei § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB entwickelte Argument angeführt, der Leichtfertige dürfe nicht besser behandelt werden, also nicht auf einfacherem Wege zurücktreten können als der Bedächtige, der die Folgen seines Handelns sorgsam überdenke.515 Hiergegen lässt sich jedoch einen Gedanken Roxins aufgreifend einwenden, dem sich der Vollendungsgefahr tatsächlich bewussten Täter werde bei bloßem Nichtweiterhandeln der strafbefreiende Rücktritt nicht wegen oder trotz seiner größeren „Besonnenheit“ versagt, sondern deshalb, weil er im Bewusstsein der Möglichkeit des Erfolgseintritts untätig geblieben ist und sich so als bedenkenloser und strafwürdiger erwiesen hat als derjenige, der die Gefährlichkeit seines Tuns leichtsinnigerweise verkennt.516 Hält ein Täter die Vollendung tatsächlich nicht für möglich, mag er sich zwar als unsorgfältig oder leichtfertig zeigen, wiegt seine Untätigkeit indes nicht so schwer wie die des im Bewusstsein der Vollendungsgefahr Untätigen. Anders als bei der Frage, ob den Täter eine Obliegenheit zur Reflexion, der Bildung irgendeiner Vorstellung trifft, lässt sich ein verdienstliches Verhalten des Täters auch nicht mit einem Verweis auf das Erfordernis eines Bewusstseins, verdienstlich zu handeln, ablehnen. Ein solches Bewusstsein fehlt zwar demjenigen, der sich keine Vorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung macht; hingegen ist es bei einem rücktrittswilligen Täter, der die Vollendung aufgrund des bisher Getanen dagegen – und sei es auch aus unverständigen 513 Vgl. dazu bereits Zweiter Teil B. VI. 6. a). Anders aber Weinhold, Rettungsverhalten, S. 131. 514 Zu den Problemen, ohne eine Präzisierung des Rechtsgrundes die Verdienstlichkeit zu bestimmen s. bereits Zweiter Teil B. VI. 6. b). 515 Vgl. BGHSt 40, 304 (306); zustimmend Stuckenberg, JA 1999, 751 (752 f.). 516 Vgl. Roxin, AT I, § 12 Rn. 112 zum erforderlichen Vorsatz bei § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.

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Gründen und trotz erkennbar vorliegender oder erkannter gefahrbegründender Umstände – tatsächlich nicht für möglich hält und dennoch nicht weiterhandelt, vorhanden. Eine verdienstliche Umkehrleistung ließe sich allenfalls ablehnen, wenn der Täter sich nicht nur bei der Vornahme seiner Rücktrittsleistung verdienstlich verhalten, also das nach seiner Vorstellung erforderliche Verhalten zeigen müsste, sondern wenn darüber hinaus auch seine Vorstellungsbildung in verdienstlicher Weise erfolgen müsste, d.h. er erkennbare gefahrbegründende Umstände durch eine sorgfältige Analyse der Situation erkennen bzw. jedenfalls erkannte gefahrbegründende Umstände zutreffend zu werten hätte. Ob ihn eine dahingehende Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung bestimmten Inhalts trifft, gilt es indes gerade zu klären. Der die Rücktrittsvoraussetzungen letztlich nur umschreibende, nicht aber den Grund der Strafbefreiung angebende Verdienstlichkeitsgedanke kann hierauf keine Antwort geben.517 (cc) Der Strafzweckgedanke Hinsichtlich der Frage, bei welchem Verhalten des die Vollendung trotz des Bestehens oder Erkennens gefahrbegründender Umstände nicht für möglich haltenden Täters seine Bestrafung durch keinen Strafzweck mehr gedeckt wäre, gilt es – wie stets – den general- und den spezialpräventiven Aspekt des Rücktrittsprivilegs zu unterscheiden: Hinsichtlich des generalpräventiv erforderlichen Rechtstreuebeweises seitens des Täters wird zwar teilweise behauptet, der Täter könne, sobald er die gefahrbegründenden Umstände kenne, den rechtserschütternden Eindruck des begangenen Versuchs nur durch eine Vollendungsverhinderung beseitigen,518 näher begründet wird diese petitio principii jedoch nicht. Darauf, dass sich ein Täter, der trotz erkennbarer oder erkannter gefahrbegründender Umstände die Vollendung nicht für möglich hält, soweit es um die Einschätzung der Gefährdungslage geht, nicht als Vorbild für die Bevölkerung erweist, kann es nicht entscheidend ankommen. Maßgebend ist weder die objektive Gefährdungslage noch eine tatsächlich nicht gebildete Soll-Vorstellung, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Täter sich Gedanken über die objektive Gefährdungslage gemacht und sein Rücktrittsverhalten an dieser Vorstellung ausgerichtet, d.h. sich so verhalten hat, wie andere Versuchstäter mit seinem Wissen auch agiert hätten, die auf dem iter criminis umkehren wollten. Hierdurch hat er sich von der drohenden 517 Vgl. Zweiter Teil B. VI. 6. b); offen insoweit auch Jescheck/Weigend, AT, § 51 I 3; gegen die Annahme einer honorierfähigen Umkehrleistung allerdings Nolden, Rücktritt, S. 193. Entsprechendes gilt in Bezug auf den Schulderfüllungsgedanken Herzbergs; dazu näher Zweiter Teil B. VI. 6. c). 518 Nolden, Rücktritt, S. 193; vgl. ferner Bottke, Methodik, S. 431.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Rechtsgutsverletzung distanziert, nach außen hin seine Rechtstreue unter Beweis gestellt und das Vertrauen in die Geltungskraft des Rechts wieder gestärkt.519 Generalpräventive Überlegungen sprechen mithin für die Maßgeblichkeit der wirklichen Tätervorstellung. Darüber hinaus muss der Täter sich als mindergefährlich erwiesen haben. Von den Befürwortern einer Normativierung wird diesbezüglich vorgebracht, der untätig Bleibende setze seinem schuldhaften Versuch nur dann ein normtreues und rechtmäßiges Verhalten entgegen, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen sorgfältigerweise und nach gewissenhafter Prüfung davon ausgehen dürfe, das Opfer sei nicht in Gefahr; dann könne er einfach nichts für sein Opfer tun.520 Dagegen verletze nicht nur derjenige, der den Erfolg tatsächlich für möglich hält und dennoch untätig bleibt seine Handlungspflicht, sondern auch, wer zwar die Erfolgsgefahr nicht erkannt hat, aber aufgrund seiner Obliegenheit zur sorgfältigen Prüfung hätte erkennen müssen.521 Dabei wird jedoch der Ausgangspunkt des Strafzweckgedankens aus den Augen verloren, wonach spezialpräventiv dann keine Bestrafung des Täters erforderlich ist, wenn dieser subjektiv eine Umkehrleistung erbracht und durch sein Verhalten gezeigt hat, dass sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Dieser Wille kann sich naturgemäß nur an seiner tatsächlich gebildeten Vorstellung ausrichten: Bleibt dem Täter eine real bestehende Vollendungsgefahr – sei es auch durch einen Sorgfaltsverstoß bei der Einschätzung der Situation – verborgen, besteht für ihn kein Anlass, Verhinderungsbemühungen zu entfalten. In seinem an seiner tatsächlichen Vorstellung ausgerichteten, passiven Aufgabeverhalten ist deshalb keine Wertgleichgültigkeit zu sehen, sondern vielmehr der Beweis seiner subjektiven Rückkehr auf den „Weg des Rechts“ ohne dass es staatlicher Maßnahmen bedurft hätte; eine Bestrafung, um ihn in Zukunft von weiteren Straftaten abzuhalten, ist nicht notwendig.522 Allein die tatsächlich gebildete Vorstellung kann folglich darüber Aufschluss geben, ob der Täter weiterhin als gefährlich zu gelten hat.

519 Übereinstimmend Roxin, AT II, § 30 Rn. 174; ähnlich wohl Rudolphi, NStZ 1983, 361 (362 f.). Zu demselben Ergebnis führt der von Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 137, angeregte Gedanke der Befriedungsfunktion des Rücktritts, wonach genügt, dass der Täter das getan hat, was aufgrund seines subjektiven Erkenntnishorizonts von ihm zu fordern war. 520 Weinhold, Rettungsverhalten, S. 130 f.; ebenso Puppe, JR 2000, 72 (73 f.), dies., NStZ 1995, 403 (404 f.); dies., JR 2005, 383 (385). 521 Weinhold, Rettungsverhalten, S. 129; zustimmend Puppe, JR 2000, 72 (73 f.); dies., JR 2005, 383 (385). 522 So Bottke, Methodik, S. 429 f.; Rudolphi, NStZ 1983, 361 (362).

C. Möglichkeiten der Relativierung

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Auch bei Anwendung des Strafzweckgedankens ginge es daher zu weit, dem Täter bereits bei dem erkennbaren oder erkannten Vorliegen gefahrbegründender Umstände ein Fürmöglichhalten der Vollendung zuzuschreiben. (d) Zwischenergebnis Über die Obliegenheit zur Bildung einer Vorstellung überhaupt hinaus trifft den Täter keine Obliegenheit, die Vollendung aufgrund vorliegender oder erkannter gefahrbegründender Umstände für möglich zu halten. An das fehlende Erkennen gefährlicher Tatumstände oder die fehlerhafte Bewertung erkannter Umstände durch den Täter dürfen mithin keine negativen Sanktionen geknüpft werden. Die Rücktrittsleistung hat sich deshalb immer an der tatsächlichen Tätervorstellung als in der Psyche des Opfers real vorzufindendem Befund auszurichten. cc) Die Berücksichtigung der gefahrbegründenden Umstände auf der Beweisebene Nachdem damit entschieden ist, dass gefahrbegründende Umstände erst bei der beweisrechtlichen Feststellung der Vorstellung des Täters Berücksichtigung finden können, bleibt festzulegen, in welcher Weise dies zu erfolgen hat. (1) Die Unzulässigkeit von Beweis- und Beweislastregeln Es wurde bereits aufgezeigt, dass die Herausbildung von Beweis- und Beweislastregeln der Unschuldsvermutung, dem Nemo-tenetur-Prinzip und dem Indubio-pro-reo-Grundsatz widerspricht.523 Mit dem geltenden deutschen Strafrecht wäre es folglich nicht vereinbar, eine richterrechtliche Vermutung dahingehend aufzustellen, dass der Tatrichter beim erkennbaren Vorliegen oder Erkennen einer typisierten, erfolgsgeneigten Gefährdungslage ohne Rücksicht auf seine persönliche Überzeugung ein Fürmöglichhalten der Vollendung seitens des Täters anzunehmen habe bzw. dass er bei einem Scheitern der richterlichen Sachverhaltsaufklärung – jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils durch den Täter – zu entscheiden habe, als ob die Möglichkeitsvorstellung des Täters vorläge. (2) Die Herausbildung und Heranziehung von Erfahrungssätzen Sowohl das erkennbare Vorliegen als auch das Erkennen gefahrbegründender Umstände durch den Täter sind aber zusammen mit anderen Indizien bei der 523

Vgl. dazu ausf. Zweiter Teil C. II. 2. a) bb) (2) (a) (cc).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Ermittlung der Tätervorstellung im Rahmen der freien Beweiswürdigung heranzuziehen und in ihrer Gesamtheit unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Als zulässig und hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang objektivierende Typisierungen erfolgsgeneigter Gefährdungslagen erwiesen,524 die dem Tatgericht als Sätze allgemeiner Lebenserfahrung unterstützend zur Seite stehen, eine Würdigung der übrigen Umstände jedoch nicht entbehrlich machen. Diese Verantwortung, die Tätereinlassung daraufhin zu untersuchen, welche Zweifel vernünftig und welche unvernünftig sind, verbleibt dabei in der Verantwortung des Tatgerichts, dem es unter Zuhilfenahme jener Erfahrungssätze zumeist gelingen wird, eine Schutzbehauptung des Täters als solche zu entlarven. Sollte dem Tatgericht der Nachweis einer in Wirklichkeit bestehenden Möglichkeitsvorstellung jedoch einmal nicht gelingen, muss akzeptiert werden, dass das materielle Recht nicht zur Disposition einer reibungslosen Beweiserhebung steht, und ist in dubio pro reo von einem unbeendeten Versuch auszugehen.525 Dies bedeutet, dass sämtliche Fehlvorstellungen des Täters auf materiell-rechtlicher Ebene beachtlich bleiben und regelmäßig im Rahmen der freien Beweiswürdigung – unter Heranziehung typisierter Erfahrungssätze oder im konkreten Fall gerade entgegen dem Erfahrungssatz – auch erkannt werden. e) Die gerichtliche Wertung konkreter Indizien Im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung genügt es nicht, dass der Tatrichter vom Fürmöglichhalten der Vollendung durch den Täter i. S. des § 261 StPO „überzeugt“ ist. Seine Überzeugung muss zum einen auf einer erschöpfenden und nachvollziehbaren Würdigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme beruhen, zum anderen muss diese Würdigung in den Urteilsgründen dargestellt werden.526 Das Revisionsgericht ist dann grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des angegriffenen Urteils gebunden und kontrolliert nur die Rechtsanwendung, § 337 StPO.527 Jedoch wird in ständiger Rechtsprechung auch die Beweiswürdigung des Tatrichters daraufhin geprüft, ob sie gegen allgemeine Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder Widersprüche und Lücken auf524

s. dazu Zweiter Teil C. II. 2. a) bb) (2) (b) (cc). Ähnlich auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 75; vgl. ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 167. 526 Zwar enthält § 267 Abs. 1 S. 2 StPO nur eine Sollvorschrift für Indizienschlüsse, jedoch postuliert die st. Rspr. eine weitergehende Darlegungspflicht, vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93, S. 4. Zur Bedeutung der Aussagen des Beschuldigten für die Urteilsbildung des Gerichts vgl. auch Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rn. 1. 527 Vgl. dazu BGH, NStZ-RR 2006, 101 (102), wo der BGH darauf hinweist, dass eine rechtsfehlerfreie Sachverhaltswürdigung durch das Tatgericht auch dann hinzunehmen ist, „wenn eine andere Würdigung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte.“ 525

C. Möglichkeiten der Relativierung

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weist – womit faktisch eine relativ weit reichende Kontrolle der tatsächlichen Urteilsgrundlagen eröffnet ist.528 Auf welche Weise objektiv gefährliche Tatumstände bei der gerichtlichen Feststellung der tatsächlichen Tätervorstellung und insbesondere bei der Ermittlung möglicher Fehlvorstellungen des Täters neben anderen Anhaltspunkten berücksichtigt werden können, soll nun abschließend und mit Blick darauf, wie die Praxis bei der Bewertung verschiedener Indizien verfährt bzw. verfahren sollte, aufgezeigt werden. Denn obschon die Beweiswürdigung stets die „ganze Fülle der Individualität des Falles und der Persönlichkeit des Täters“ mit einbeziehen muss,529 erscheint es hilfreich, vorab zu klären, auf welche Umstände es bei der Ermittlung der Tätervorstellung im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB ankommt und welche Schlussfolgerungen nach der Lebenserfahrung aus den einzelnen Gesichtspunkten im Normalfall gezogen werden können. Dazu sollen die verschiedenen Indizien in vier Gruppen eingeteilt werden:530 Den Ausgangspunkt bei der Ermittlung der Tätervorstellung bildet die Tätereinlassung, also die Angaben des Täters zu seiner Vorstellung von der bestehenden Gefährdungslage gegenüber den Ermittlungsbehörden und in der Hauptverhandlung.531 Da der Täter zum einen jedoch nach dem Nemo-tenetur-Grundsatz nicht verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, und ihm ein Gebrauchmachen von seinem Aussageverweigerungsrecht (vgl. §§ 136, 163a Abs. 3, 4, 243 Abs. 4 StPO), also sein Schweigen, nicht angelastet werden darf,532 zum anderen selbst ein aussagewilliger Täter teilweise nicht mehr in der Lage sein wird, die psychische Situation im maßgebenden Zeitpunkt zu schildern,533 werden solche Angaben allerdings häufig fehlen. Ebenso kann und wird die Täteraussage dem Gericht oftmals nicht glaubwürdig erscheinen.534 528 Grundlage der Sachrüge bildet allein das schriftliche Urteil, woraus sich die erwähnte Darlegungspflicht erklärt. Ein Darstellungsmangel ist aus der Perspektive des Revisionsgerichts gleichbedeutend mit einem Beweiswürdigungsfehler. Vgl. dazu etwa Stuckenberg, JA 1999, 751 (753); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 240. S. außerdem Weidemann, GA 1986, 409 (416); ferner z. B. BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – 2 StR 427/02, S. 4 ff. 529 Henkel, Eb. Schmidt-FS, S. 578 (590). 530 Den meisten der im Folgenden dargestellten Fallgestaltungen liegen Tötungsdelikte zugrunde, die das Hauptanwendungsgebiet des Rücktritts ausmachen und bei denen der Frage nach der Tätervorstellung von der Gefahrenlage besonders große Bedeutung zukommt. Vgl. etwa Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 2. 531 So ausdrücklich auch BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93, S. 4. Dazu s. a. Zur Bedeutung der Beschuldigtenaussagen s. a. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rn. 1. 532 Vgl. z. B. BVerfG, NJW 2002, 1411; ferner BVerfGE 38, 105 (113). 533 Zur parallel gelagerten Problematik beim Vorsatznachweis vgl. Roxin, AT I, § 12 Rn. 130. Zur Situation beim Rücktritt, s. Bottke, Methodik, S. 411. 534 Hierzu bereits Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 109, 142 unter Verweis auf Geilen, JZ 1972, 335 (339), u. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 239 f., sowie S. 167 unter Verweis auf BGH, NStZ 1984, 116; BGHSt 31, 46.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Als aufschlussreich erweist sich in diesem Fall möglicherweise das Verhalten des Täters während bzw. nach der Tatbegehung, aus dem das Gericht unmittelbar auf die Vorstellung des Täters rückschließen kann;535 ferner seine tatausführungsrelevanten Vorerfahrungen. Daneben oder – bei fehlendem aussagekräftigem Täterverhalten – statt dessen kann das Tatgericht aber auch im Rahmen von Erfahrungssätzen gefahrbegründende Umstände heranziehen, die, jedenfalls dann, wenn der Täter sie erkannt hat, nach der Lebenserfahrung ein Fürmöglichhalten der Vollendung durch den Täter nahe legen. Derartige Umstände lassen sich unterteilen in solche, die die Gefährlichkeit und Intensität der Tatausführung betreffen, und solche, die das Verhalten und den Zustand des Opfers angehen. aa) Die Einlassung des Täters Lässt der Täter sich zwar zur Sache ein, sagt er aber nicht ausdrücklich, ob er den Erfolgseintritt im maßgeblichen Zeitpunkt für möglich oder für sicher ausgeschlossen gehalten hat, bedarf es einer Interpretation seiner Einlassung. Für ein Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts und damit das Vorliegen eines beendeten Tötungsversuchs sprechen dabei Äußerungen des Täters, wie z. B. er habe das Opfer „umgebracht“536 oder „abgestochen“537. Der eine solche Aussage Tätigende geht davon aus, das Opfer sei inzwischen tot, woraus sich regelmäßig ableiten lässt, dass er im maßgebenden Zeitpunkt nach der Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zumindest für möglich gehalten hat.538 Dasselbe gilt für den Täter, der nach seiner Festnahme die verneinende Antwort des Polizisten auf seine Frage, ob das Opfer tot sei, mit den Worten „Scheiße“ und „sie hat nichts anderes verdient, so wie die mich gelinkt hat“ kommentiert.539 Weiter wird auch die Einlassung des Täters, er habe die Polizei verständigt, „um die Rettung der Geschädigten einzuleiten“, als Indiz für ein Fürmöglichhalten seinerseits angesehen, allerdings nur in Kombination mit der hohen Gefährlichkeit der Tathandlung und der Schwere der Verletzungen des Opfers.540 Gegen ein Fürmöglichhalten der Vollendung des Tötungsdelikts ist es hingegen zu deuten, wenn der Täter angibt, er habe gedacht, das Opfer werde „als535 Zum Nachtatverhalten vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93 (Leitsatz in StV 1993, 520). 536 So in BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 197/77, S. 3. 537 So in BGH, NStZ 1999, 300 f. 538 BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 197/77, S. 3 f.; anders aber BGH, NStZ 1999, 449 f., wo für denkbar gehalten wird, dass erst die erfolglose Suche nach dem Opfer zu dieser Vorstellung geführt und damit im maßgeblichen Zeitpunkt nach der Tatausführung noch kein Fürmöglichhalten der Vollendung vorgelegen hat. Kritisch hierzu Heuchemer, JAR 2001, 18 (20). 539 So in BGH, NStZ 1984, 116; zustimmend Weinhold, Rettungsverhalten, S. 82. 540 So BGH, NStZ 1999, 300 f.

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bald wieder aufstehen“, außerdem seine Tat als „Verprügeln“ bezeichnet und fragt, ob er deshalb „Probleme bekomme“,541 oder wenn er gegenüber der Polizei äußert, das Opfer habe „Messerstichverletzungen“.542 Einen beendeten Versuch kann das Gericht in derartigen Fällen nur annehmen, wenn das übrige Verhalten des Täters seiner Einlassung widerspricht und auf ein Fürmöglichhalten hindeutet oder sich ein solches aus dem Erkennen bestehender gefahrbegründender Umstände durch den Täter feststellen lässt. bb) Das Verhalten des Täters und seine Vorerfahrungen Als aussagekräftig mit Blick auf die innere Tatsache der Tätervorstellung erweisen sich daneben nicht selten das im zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbegehung an den Tag gelegte Verhalten des Täters sowie dessen einschlägige Vorerfahrungen. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass für die Ermittlung der Tätervorstellung nach der Ausführungshandlung nicht jedes zu irgendeinem Zeitpunkt während der Tatbegehung gezeigte Täterverhalten herangezogen werden kann.543 Bereits aus diesem Grund ist der Vorstoß des ersten Senats des BGH, den bedingten Vorsatz des Täters, der im Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung das Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts umfasst, als Indiz für sein Fürmöglichhalten auch bei bzw. nach Beendigung der Tathandlung zu werten,544 mit dem vierten Senat abzulehnen: Dass der Täter „mit (bedingtem) Tötungsvorsatz gehandelt hat, ist Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen des versuchten Tötungsdelikts; für die Frage der Vorstellungen des Täters über die Möglichkeit des Erfolgseintritts nach der letzten Ausführungshandlung besagt dies aber nichts.“545 Ähnlich kritisch sind Versuche zu bewerten, den ursprünglichen Plan des Täters bei der Ermittlung der Möglichkeitsvorstellung mit heranzuziehen und dementsprechend das Absehen von weiteren geplanten Handlungen als wesentlichen Anhaltspunkt für ein Nichtfürmöglichhalten des Erfolgseintritts einzustufen.546 Die Tatsache, dass eine Täterin von ursprünglich für erforderlich gehaltenen Maßnahmen absieht, also z. B. nicht die anfangs für eine Abtreibung für 541 542

So in BGH, Beschl. v. 24.11.2000 – 2 StR 317/00, S. 4. So BGH, Beschl. v. 27.6.2000 – 4 StR 211/00, S. 4 (Hervorhebung im Origi-

nal). 543 Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung der Rücktrittsleistung s. ausf. Vierter Teil B., C. 544 So BGH, NStZ 1999, 299; BGH, NStZ 2005, 151 (152); ähnlich bereits Roxin, AT II, § 30 Rn. 45; Ulsenheimer, JZ 1984, 852 (853 f.). Auch Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (377 f.), will jedenfalls bei Tatplanrealisierung vom Tötungsvorsatz auf die Möglichkeitsvorstellung schließen. 545 BGH, Beschl. v. 27.6.2000 – 4 StR 211/00, S. 3 f. Ebenso nun auch die Entscheidung des fünften Senats BGH, NStZ-RR 2006, 370 (371); zustimmend Jahn, JuS 2006, 1135 (1136).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

erforderlich gehaltene Menge Tee zu sich nimmt,547 besagt nicht, dass sie bei Tataufgabe noch kein Erfolgsrisiko sieht, also den Erfolgseintritt noch nicht für möglich hält.548 Unbestritten kommt dagegen den Äußerungen des Täters nach der Vornahme der Tathandlung große Bedeutung zu, vermögen hieraus doch direkte Schlussfolgerungen auf sein Vorstellungsbild zu diesem Zeitpunkt gezogen zu werden.549 So hat z. B. eine Todesdrohung des Täters nach der Tat – „Dich mach ich tot!“550 – ebenso wie der Ausruf des Täters „Schwule Sau, verpiß’ Dich und laß’ Dich hier nicht mehr blicken!“551 nur dann Sinn, wenn er in diesem Zeitpunkt einen tödlichen Ausgang infolge der bereits durchgeführten Tathandlung gerade nicht in Rechnung stellt.552 Auch der gegenüber Zeugen erfolgte Ausspruch des Täters, das Opfer „werde schon nicht gleich verbluten oder verrecken“ und brauche keinen Arzt,553 die Bemerkung der Täterin, die Verletzung des Opfers „sei ja bloß ein ,Ritzerle‘ “554 sowie der Versuch, das Opfer mit den Worten, es sei „nichts passiert“, zu trösten,555 lassen sich gegen ein Fürmöglichhalten der Vollendung des Tötungsdelikts anführen;556 dasselbe gilt für den Versuch des Täters, vom verletzten Opfer „leihweise“ 40 bis 50 DM zu erhalten.557 Als zweifelhaft und daher nicht aussagekräftig genug, um für oder gegen ein Fürmöglichhalten des Eintritts des Todes durch den Täter herangezogen zu werden, sind indessen Bemerkungen des Täters wie „so, jetzt haben wir gesprochen“ einzustufen.558 546 So aber RGSt 43, 137 (139 f.); BGHSt 31, 170 (176); der Indizwirkung zustimmend Geilen, JK 83, StGB § 24/8a. 547 So in RGSt 43, 137 (139 f.); ähnlich die Fallgestaltung in BGHSt 31, 170 (176). 548 Kritisch auch Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 109 mit Fn. 105; nahe stehend Otparlik, Versuch, S. 33. 549 So etwa BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93 (Leitsatz in StV 1993, 520). 550 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 6; ähnlich BGH, NStZ 1997, 593; BGH, NStZ 1992, 434. Auch die sinngemäße Äußerung „Lebst du noch?“ spricht dann gegen ein Fürmöglichhalten, wenn sie als Drohung zu verstehen war, s. BGH, NStZ 2005, 150 (151). 551 BGH, Beschl. v. 15.5.2002 – 4 StR 140/02. 552 So BGH, NStZ 1997, 593; s. a. BGH, Beschl. v. 15.5.2002 – 4 StR 140/02; BGH, NStZ 1992, 434; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 6; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.5.2003 – 4 StR 140/03, S. 3; ferner BGH, Beschl. v. 8.8. 2002 – 3 StR 239/02, S. 3 zu einem Fall der versuchten Körperverletzung. 553 BGH, NJW 1984, 1693. 554 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 14. 555 BGH, NStZ 2004, 324 (325). 556 BGH, NJW 1984, 1693. Vgl. auch BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 14, wo diese Wertung indes bedenklich erscheint, da die Vorinstanz festgestellt hatte, dass die Bemerkung in absichtlicher Verharmlosung der lebensbedrohenden Tat erfolgt war. Kritisch deshalb auch Otparlik, Versuch, S. 251. 557 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 6. 558 BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f.

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Ähnlich gestaltet sich die Würdigung bestimmter nachtatlicher Verhaltensweisen des Täters. Sowohl Maßnahmen, die Verfolgung seiner Person durch das Opfer oder eine Flucht des Opfers z. B. durch ein Einschließen559 oder ein Ausziehen und Wegnehmen der Schuhe560 zu verhindern, als auch die zunächst aufgenommene Verfolgung des flüchtenden Opfers561 sind nur dann verständlich, wenn der Täter den Tod des Opfers noch nicht für möglich gehalten hat. Schwieriger gestaltet sich die Schlussfolgerung von durch den Täter unternommenen Rettungsmaßnahmen auf dessen Vorstellung: Obgleich der BGH den Hinweis an Zeugen, sich um das Opfer zu kümmern, als Indiz gegen einen beendeten Versuch betrachten will,562 erscheint es überzeugender, das Einleiten von Rettungsmaßnahmen prinzipiell für ein Fürmöglichhalten des Todes des Opfers sprechen zu lassen, wie dies der BGH auch für einen Fall des Herbeirufens des Rettungsdienstes entschieden hat:563 Der Täter hat dann nämlich gerade die Notwendigkeit lebensrettender Hilfsmaßnahmen erkannt. Indessen ist ein Heranziehen weiterer Tatumstände, wie insbesondere des erkannten Opferverhaltens und der Gefährlichkeit der Tatausführung, in diesen Fällen ebenso nachdrücklich geboten wie dann, wenn der Täter etwa vom Tatort wegläuft,564 später wieder zum Tatort zurückkehrt565 oder sich zur Polizeidienststelle begibt, um anzugeben, er habe in Notwehr gehandelt.566 Derartige Verhaltensweisen lassen für sich keine hinreichend verlässlichen Rückschlüsse auf die Vorstellung des Täters bei der letzten Ausführungshandlung zu, weshalb die Annahme eines beendeten Versuchs einer eingehenden Analyse der anderen Tatumstände bedarf. Neben Äußerungen und Verhalten spielen auch der Zustand und die Vorerfahrungen des Täters eine Rolle. Bei einer erheblichen Alkoholisierung des 559 So in BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93, S. 5; ähnlich BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 14 (Mitnehmen des Telefons). 560 So in BGH, Beschl. v. 15.5.2002 – 4 StR 140/02, S. 3. 561 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 6; BGH, NStZ 1992, 434; BGH, NStZ 1997, 593; BGH, NStZ-RR 1998, 9; auch die Nichtverfolgung des langsam fliehenden Opfers kann aber für die Unbeendetheit des Versuchs sprechen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – 4 StR 8/03, S. 5. 562 So in BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93, S. 5. 563 BGH bei Holtz, MDR 1996, 117. 564 So z. B. in BGH bei Holtz, MDR 1994, 1069 (beendeter Versuch bei entsetztem aus dem Haus Laufen); BGH, Beschl. v. 24.11.2000 – 2 StR 317/00, S. 4 (bei torkelndem Entfernen ohne Eile unbeendeter Versuch nicht ausgeschlossen); BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 (eher unbeendeter Versuch bei Weiterrennen unmittelbar nach der Tatausführung ohne Wahrnehmung der Verletzungsfolgen); ähnlich BGH, Beschl. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01, S. 6. Vgl. BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – 2 StR 427/02, S. 5 (Flucht des Täters lässt nicht zwingend auf Beendigung schließen). Weitere Feststellungen fordernd auch BGH, NStZ 1999, 299 f. 565 BGH, NJW 1980, 195. 566 So in BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; vgl. ferner BGH, NJW 1980, 195.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Täters tendiert der BGH zu einer Ablehnung der Möglichkeitsvorstellung, stützt dies aber in aller Regel noch auf weitere, aussagekräftigere Indizien wie vor allem die vom Täter erkannte Opferreaktion und die Gefährlichkeit der Tatausführung.567 Einschlägige Vorerfahrungen können den Täter be- und entlasten: So wertete der BGH die Tatsache, dass der Täter bereits seine erste Frau mit Messerstichen umgebracht hatte, als Indiz für ein Fürmöglichhalten des Todes des Opfers nach erneuten Messerstichen;568 hingegen sah er im Fall einer Täterin, die ihrem Mann bereits zuvor mehrfach Messerstichverletzungen zugefügt hatte, ohne diesen dadurch in Lebensgefahr zu bringen, die Vermutung nahe liegen, dass sie die Stichverletzungen auch im zu entscheidenden Fall nicht als lebensbedrohlich eingestuft hat.569 Ausschließlich auf Vorerfahrungen lässt sich die Annahme eines Fürmöglichhaltens jedoch nicht stützen.570 cc) Die Gefährlichkeit und Intensität der Tatbegehung Ist das Gericht durch die Einlassung und das Verhalten des Täters im Zusammenhang mit der Tatbegehung nicht von dessen Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts überzeugt, bedarf es – wie bereits angesprochen – einer Auswertung der objektiven, vom Täter erkannten Umstände der Tatbegehung. Angesetzt wird dazu seit jeher bei der Gefährlichkeit und der Intensität der Tathandlung.571 So hebt beispielsweise bereits eine Entscheidung aus der Zeit vor 1871 auf die Spitze und Schärfe des verwendeten Messers und die Zielrichtung des Angriffs ab, um einen beendeten Versuch anzunehmen.572 Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BGH liegt es allgemein „[b]ei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkungen der Täter wahrgenommen hat, [. . .] auf der Hand, dass er die lebensgefährdende Wirkung und

567 So BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15; ähnlich BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 6; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 18; BGH, Beschl. v. 24.11.2000 – 2 StR 317/00, S. 4. 568 BGH, NStZ 1999, 300 f.; zur Relevanz des Vorlebens des Täters bei der Ermittlung subjektiver Merkmale vgl. auch BGHSt 36, 1 (10). 569 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 14; kritisch Otparlik, Versuch, S. 251: Der Kriminelle, der durch fortgesetzte Begehung von Totschlagsversuchen seine Erfahrung im Hinblick darauf, was ein Mensch alles überleben kann, erweitere, verbessere seine Rücktrittschancen für weitere Versuche. 570 So etwa BGHSt 36, 1 (10); BGH, NStZ 1999, 300 f.; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 14. 571 Hierzu BGHSt 31, 170 (177). 572 So eine Entscheidung des Cassationshofs zu Wien von 1854, Temmes Archiv, Bd. 2 (1855), S. 50 f. Ähnlich das Urteil des Königlichen Oberappellationsgerichts zu Dresden vom 10.1.1862, veröffentlicht in: Allgemeine Gerichtszeitung für das Königreich Sachsen, Bd. 6 (1862), S. 171 Nr. XX. Vgl. dazu ausf. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 239 f.

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die Möglichkeiten des Erfolgseintritts erkennt.“573 Die Einstufung der Tatausführung und der Verletzung als lebensgefährlich hängt dabei immer noch eng mit dem verwendeten Tatmittel sowie der Zielrichtung des Angriffs, also der verletzten Körperpartie, zusammen, wie im Folgenden anhand der am häufigsten vorkommenden Verletzungsarten aufgezeigt werden soll:574 Aufgrund der hohen Gefahr, die von Schussverletzungen für das Leben des Opfers ausgeht, wird von der subjektiv erfolgreichen Abgabe eines Schusses durch den Täter auf das Opfer häufig auf ein Fürmöglichhalten des Todeserfolgs geschlossen. Schießt er aus kurzer Entfernung auf den Kopf des Opfers, weiß er, dass eine derartige Vorgehensweise ausnahmslos mit Lebensgefahr verbunden ist, und rechnet deshalb – sofern er erkennt, dass und wo er getroffen hat575 – auch mit dem Eintritt des Erfolges;576 Ähnliches gilt für Schüsse auf den Oberkörper.577 Anders wird die Sachlage beurteilt, wenn der Täter gezielt auf den unteren Körperbereich schießt, „um Kopf und Oberkörper nicht zu gefährden“,578 oder wenn er nach der Schussabgabe erkennt, dass es sich bei der verwendeten Waffe um einen Gasrevolver handelt.579 Trotz für den Täter ersichtlich hoher Gefährlichkeit der Schussabgabe geht der BGH zudem dann von einem unbeendeten Versuch aus, wenn das Opferverhalten die für einen beendeten Versuch sprechende Gefahrvorstellung des Täters widerlegt.580 So nahm er z. B. in einer neueren Entscheidung an, der Täter habe trotz eines Schusstreffers im Gesicht des Opfers nicht mit einer lebensgefährlichen Verletzung gerechnet, weil sein Opfer nicht zusammenbrach, sondern den flüchtenden Täter verfolgte.581 Derartige Fallgestaltungen verdeutlichen die große Bedeutung, die dem Opferverhalten beigemessen wird,582 bilden bei Schussverletzungen indes die Ausnahme. 573

St. Rspr. seit BGHSt 33, 295 (300); dazu bereits Zweiter Teil C. II. 2. b) bb). Zu weniger häufigen Vorgehensweisen verhält sich Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (219), der ein Fürmöglichhalten nahe liegen sieht, wenn der Täter sein Opfer z. B. bis zur Bewusstlosigkeit würgt bzw. in eine acht Meter tiefe Zisterne stößt. 575 Anders, eher unbeendeter Versuch, wenn die Wahrnehmung durch den Täter unklar ist, BGH, Beschl. v. 10.10.2000 – 4 StR 372/00; s. a. BGH, StV 1996, 86 f.; zum Fall eines alkoholisierten Täters vgl. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 18; BGH, NStZ 2007, 265 f. 576 So BGHSt 33, 295 (300); zustimmend Kienapfel, Pallin-FS, S. 205 (219); LKLilie/Albrecht, § 24 Rn. 112. Ebenso BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 5; BGH bei Holtz, MDR 1996, 117. 577 s. dazu BGH, NStZ-RR 1998, 9, wo der BGH jedoch weitere Feststellungen für erforderlich hält; vgl. ferner BGH bei Holtz, MDR 1988, 99 (Beschl. v. 12.10.1987). 578 So in BGH bei Holtz, MDR 1988, 99 (Beschl. v. 12.10.1987). 579 BGH, NStZ 1990, 30 (31). 580 Vgl. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 9; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 18. 581 BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f. 582 Zum Opferverhalten s. ausf. Zweiter Teil C. II. 2. e) dd). 574

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Bei Stichverletzungen deutet es grundsätzlich auf ein Fürmöglichhalten des Todes des Opfers durch den Täter hin, wenn der Stich eine tiefe Wunde in einem Teil des Körpers verursacht, in dem sich lebenswichtige Organe befinden oder Schlagadern verlaufen, d.h. vor allem in den Bereichen Bauch, Brust, Rücken und Hals.583 So wird etwa ein beendeter Versuch in einem Fall angenommen, in dem der Täter eine 8 cm tiefe, bis ins Lungengewebe reichende Schnittwunde verursacht hat,584 ebenso bei mehreren mindestens 15 cm tiefen Stichen in den zentralen Rückenbereich des Opfers.585 Verstärkt wird diese Indizwirkung für eine Versuchsbeendigung, wenn die Stiche mit großer Wucht durchgeführt werden586 oder die Messerklinge im Körper des Opfers stecken bleibt.587 Vor allem neueren Urteilen des BGH zufolge rechtfertigt allerdings das bloße Vorliegen einer auf lebenswichtige Organe zielenden Stichverletzung allein nicht mehr die Annahme eines beendeten Versuchs, sondern wird eine zusätzliche Analyse insbesondere des erkannten Opferverhaltens und -zustands für erforderlich befunden.588 Trotz tiefer, mit Wucht geführter und teilweise auch mehrmaliger Stiche in lebenswichtige Körperregionen wird immer häufiger unter Hinweis auf die gegen eine tödliche Verletzung sprechende Opferreaktion – gegebenenfalls in dubio pro reo – ein unbeendeter Versuch angenommen,589 so 583 Grundsätzlich hierzu BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 13; zu den besonders gefährlichen Körperregionen s. z. B. BGHSt 14, 75; BGH, NStZ 1998, 614 f.; BGH bei Holtz, MDR 1987, 92; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 1; BGH, NStZ 1994, 76 f.; BGH, NStZ 1999, 299; BGH, NStZ 1999, 300 f.; BGH, NStZ 2005, 263 (264). 584 So in BGH, NStZ 1986, 214; ähnlich BGH, NStE Nr. 12 zu § 24 StGB. 585 BGH, NStZ 1994, 76 f.; s. a. BGH, NStZ 1999, 299; vgl. BGH bei Holtz, MDR 1994, 1069. 586 So z. B. in BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 1; BGH, NStZ 1994, 76 f.; BGH, NStZ 1999, 300 f.; BGH, NStZ 2005, 151 (152). Allein die Beibringung des Stiches mit großer Wucht schließt indes die Annahme eines unbeendeten Versuchs nicht aus, s. BGH, Beschl. v. 17.11.1999 – 3 StR 472/99; ferner BGH, Beschl. v. 24.10.2002 – 4 StR 369/02; BGH, NStZ 2004, 324 (325). 587 BGH, NStZ 1999, 299 (Versuch trotz eventuell entgegenstehendem Opferverhalten beendetet). Hingegen liegt die Annahme eines unbeendeten Versuchs nahe, wenn das Messer vom Opfer oder Täter augenblicklich wieder herausgezogen wird, s. BGHSt 35, 90 (92); vgl. BGH, NStZ 1989, 317. 588 So etwa bereits BGHSt 35, 90 (92); BGH, StV 1988, 23; BGH, NStZ 1989, 317. Aus der neueren Rspr. BGH, NStZ 1999, 449 f.; BGH, Beschl. v. 17.11.1999 – 3 StR 472/99; BGH, Beschl. v. 11.2.2000 – 3 StR 3/00; BGH, Beschl. v. 27.6.2000 – 4 StR 211/00, S. 4; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00; BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – 4 StR 8/03. 589 BGHSt 35, 90 (92); BGH, StV 1988, 201; BGH, StV 1988, 23; BGH, NStZ 1999, 449 f.; BGH, Beschl. v. 4.2.1999 – 4 StR 658/98; BGH, Beschl. v. 17.11.1999 – 3 StR 472/99; BGH, Beschl. v. 11.2.2000 – 3 StR 3/00; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 f.; BGH, NStZ 2002, 427 f.; BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – 4 StR 8/03.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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z. B. in einem Fall, in dem der Täter „mit einem Messer (Klingenlänge: 15 cm) viermal mit voller Wucht in schneller Folge auf den Oberkörper (Thorax- und Nierenbereich)“ eingestochen hatte590 oder in einem anderen Sachverhalt, in dem der Täter mit einem kraftvollen Stich in den Rücken die Thoraxwand des Opfers durchspießt hatte und nur kurz vor dem Herzen stecken blieb.591 Damit kommt dem erkannten Opferverhalten bei Stichverletzungen eine noch größere Bedeutung als bei Schussverletzungen zu, welche die aus der Gefährlichkeit der Tatausführung gefolgerte Vermutung entkräften kann. Zurückhaltend zeigt sich der BGH indes zunehmend auch in seiner Wertung bei der Zufügung von Schlagverletzungen: Selbst wenn durch Schläge mit einem gefährlichen Werkzeug wie z. B. einem Eisenrohr oder einem Handbeil wichtige Körperpartien wie Kopf oder Oberkörper des Opfers verletzt werden, lässt der BGH dies regelmäßig nicht für sich allein zur Annahme eines Fürmöglichhaltens des Tötungserfolgs genügen.592 Auch hier wird der Opferreaktion eine höhere Aussagekraft zugemessen als der gefährlichen Begehungsweise und häufig eine gründlichere Aufklärung dazu gefordert, wie der Täter die herbeigeführten Verletzungen unter Berücksichtigung des entsprechenden Opferverhaltens beurteilt hat.593 Hingegen wurden in früheren Entscheidungen der gezielte Wurf eines Bierglases bzw. wuchtige Schläge mit einem Bierkrug gegen den Kopf des Opfers als derart massive Gewaltanwendung gewertet, dass dem Täter die Möglichkeit tödlicher Verletzungsfolgen zwangsläufig bewusst sei.594 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein gefährliches Vorgehen des Täters unter Anwendung massiver Gewalt und unter Verwendung gefährlicher Tatmittel mit Zielrichtung gegen Körperteile, in denen sich lebenswichtige Organe befinden, einen gewichtigen Anhaltspunkt für ein Fürmöglichhalten des tödlichen Ausgangs bietet. Allein hierauf wird die Annahme eines beendeten Versuchs jedoch nur selten gestützt: Selbst bei massivster Gewaltanwendung und schwersten Verletzungen kann das entgegenstehende Opferverhalten zur gerichtlichen Feststellung eines Nichtfürmöglichhaltens oder jedenfalls zum

590 BGH, Beschl. v. 24.10.2002 – 4 StR 369/02; ähnlich BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01 (elf Stiche mit einem Springmesser in den hinteren Brustkasten, aber aufgrund der Kleidung und des Verhaltens des Opfers unbeendeter Versuch); BGH, NStZ 2003, 369 (neun Stichverletzungen und Eröffnung eines lebensbedrohenden Zugangs zur Brusthöhle, dennoch aufgrund des Opferverhaltens unbeendeter Versuch). 591 BGH, Beschl. v. 15.3.2000 – 2 StR 42/00. 592 So explizit BGH, Beschl. v. 21.5.1993 – 2 StR 171/93, S. 4 f. Vgl. auch BGH, NStE StGB § 24 Nr. 21; BGH, NStZ 1999, 630, sowie BGH, Beschl. v. 24.11.2000 – 2 StR 317/00, S. 4. 593 Hierzu etwa BGH, Beschl. vom 21.5.1993 – 2 StR 171/93, S. 4 f.; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 29; BGH, Beschl. v. 24.11.2000 – 2 StR 317/ 00, S. 4. 594 BGH, NJW 1980, 195; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 2.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

Fehlen einer hinreichenden Überzeugung des Gerichts vom Fürmöglichhalten führen. dd) Das Opferverhalten und die Opfersituation Wie bereits mehrfach erwähnt, wird bei der beweisrechtlichen Feststellung der Tätervorstellung besonders dem vom Täter wahrgenommenen Verhalten und dem Zustand des Opfers eine hohe Aussagekraft zugeschrieben.595 So schränkt der BGH die eingangs zur Indizwirkung der Gefährlichkeit der Tatausführung dargestellte These, bei gefährlichen Gewalthandlungen und vom Täter bemerkten, schweren Verletzungen liege es auf der Hand, dass dieser die lebensgefährdende Wirkung und die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkenne, in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich für einen bestimmten Fall des Opferverhaltens ein: Diese Kenntnis verstehe sich dann „nicht von selbst, wenn das angegriffene Opfer nach der letzten Ausführungshandlung noch in der Lage [sei], sich vom Tatort wegzubewegen.“596 In Fortführung und Verallgemeinerung dieses Ansatzpunkts des Sich-Entfernens des Opfers vom Tatort bedarf die Vorstellung des Täters nach neuester Rechtsprechung stets dann der eingehenden Erörterung, wenn das „Opfer nach der letzten Tathandlung noch zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel an einer tödlichen Verletzung aufkommen zu lassen.“597 Daneben können weitere Umstände aus der Opfersphäre wie z. B. die Kleidung des Opfers oder die Verletzungsfolgen – insbesondere die Frage, ob das Opfer blutet – in die Wertung mit einfließen.598 Ein Heranziehen des Opferverhaltens und der Opfersituation ist allerdings nur dann und soweit möglich, wie der Täter diese objektiven Umstände erkannt 599 bzw. sie sich subjektiv vorgestellt hat, weil sie nur unter dieser Voraussetzung seiner Vorstellung zugrunde liegen können. In diesem Zusammenhang erlangt auch der Zeitraum Bedeutung, über den der Täter sein Opfer beobachtet: Sieht er es etwa nur noch wenige Augenblicke nach der Tat, schwindet die Aussage595 Vgl. dazu BGH, StV 1996, 23 unter Verweis auf BGHSt 35, 90 (91, 94). S. a. LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 110; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 41. 596 So die heute st. Rspr. BGH bei Altvater, NStZ 1999, 20 (Urt. v. 1.10.1997 – 2 StR 417/97 u. Beschl. v. 6.8.1998 – 4 StR 354/98); BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 31. 597 BGH, NStZ-RR 2002, 73; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 31. Ähnlich bereits Feltes, GA 1992, 395 (402 Fn. 28): wenn „das Opfer nicht (mehr) den Eindruck eines möglicherweise tödlich Getroffenen“ macht. 598 Vgl. dazu z. B. BGH, NStZ 1999, 299 f.; BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; BGH, NStZ 1999, 630. S. ferner BGH, NStZ-RR 2006, 101 f. 599 BGH, Beschl. v. 23.11.2001 – 2 StR 440/01. Ebenso bereits BGH, StV 1988, 23; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 13; BGHSt 33, 295 (300); BGH, NStZ 1998, 614 f.; BGH, NStZ 1999, 300 f.; BGH, NStZ 2005, 263 (264).

C. Möglichkeiten der Relativierung

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kraft seiner Beobachtung.600 Bleibt unklar, ob der Täter das Opferverhalten bzw. die Opfersituation erkannt hat, wird das Gericht den Fall entweder zur genaueren Feststellung an das Tatgericht zurückverweisen601 oder – wenn auszuschließen ist, dass eine neue Hauptverhandlung noch Aufschlüsse hierüber bringt – zugunsten des Angeklagten entscheiden, d.h. wenn die in Zweifel stehenden Umstände für eine Möglichkeitsvorstellung des Täters vom Erfolgseintritt sprechen, ein Nichterkennen, wenn sie dagegen sprechen, ein Erkennen der betreffenden Umstände annehmen.602 Im einzelnen deutet es auf ein Nichtfürmöglichhalten der Vollendung seitens des Täters hin, wenn das Opfer nach der Tatausführung vom Täter wahrgenommen „ohne erhebliche körperliche Beeinträchtigung“ stehen bleibt;603 dagegen liegt ein Fürmöglichhalten des Todeseintritts nahe, falls das Opfer sich nur noch taumelnd auf den Beinen halten kann604 oder ganz zu Boden sinkt.605 Wieder anders wird entschieden, wenn das Opfer lediglich kurz zusammensackt, sich jedoch alsbald wieder vom Boden erheben kann: Dies soll – selbst wenn das Opfer beim Aufstehen Hilfe benötigt606 oder es sich auf die Couch setzen muss607 – ein Anzeichen dafür sein, dass der Täter einen tödlichen Ausgang nicht für möglich gehalten hat.608 Einen Erfahrungssatz, wonach Schmerzensschreie eines durch einen Schuss in den Fuß getroffenen Opfers die An-

600 Dazu BGH, NStZ 1999, 299. Zum Fall des sofortigen Abwendens des Täters nach der Tat s. BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4. 601 So BGH, StV 1988, 527; s. a. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 31; BGH, NStZ 1999, 299. Vgl. dazu § 354 StPO. 602 s. dazu BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15, s. a. BGH, Beschl. v. 10.10.2000 – 4 StR 372/00. Dasselbe gilt freilich für den Fall der irrigen Annahme einer bestimmten Opfersituation. 603 BGHSt 35, 90 (92); s. a. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 13, 15; vgl. auch BGH, NJW 1993, 943 (945); BGH, NStZ 1999, 300 f.; BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f. Kritisch zu derartigen Feststellungen Herzberg, NJW 1988, 1559 (1561). 604 BGH, NJW 1980, 195; aufgrund des unklaren Erkennens durch den Täter offen lassend BGH, StV 1988, 527. 605 BGH bei Holtz, MDR 1987, 92; BGH, NStZ 1998, 614 f.; ebenso BGH bei Altvater, NStZ 1999, 20 (Urt. v. 24.3.1998 – 5 StR 189/98). 606 So in BGH, NStZ 1992, 434. 607 So in BGHSt 22, 330 (334); kritisch aber Ulsenheimer, Grundfragen, S. 174, der zwar anerkennt, dass dies die „Erfolgsgefahr vermindert erscheinen“ lässt, aber dadurch „nicht jeden Zweifel in dieser Richtung“ beseitigt sieht. Vgl. ferner BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4. 608 BGH, NStZ 1992, 434; BGHSt 22, 330 (334); vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4; BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; s. a. BGH, StV 1988, 23; BGH, Beschl. v. 17.11.1999 – 3 StR 472/99; BGH, Beschl. v. 4.2.1999 – 4 StR 658/ 98; vgl. BGH, NStZ 2007, 265 f.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

nahme nahe legen, die geschädigte Person habe möglicherweise tödliche Verletzungen erlitten, gibt es laut BGH nicht.609 Gegen eine für einen beendeten Versuch ausreichende Gefahrenvorstellung wird vor allem der bereits eingangs erwähnte Umstand angeführt, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen.610 Insoweit fordert der BGH kein schnelles Davonrennen des Opfers, sondern lässt bereits ein vergleichsweise langsames, unauffälliges Weggehen über eine nicht unbeachtliche Distanz genügen,611 nicht jedoch ein mühsames Dahinkriechen oder -schleppen.612 Dementsprechend geht der BGH etwa, obwohl der Täter seinem Opfer mehrere Messerstiche versetzt hatte, von einem unbeendeten Versuch aus, weil das Opfer sich – vom Täter beobachtet – nach dem letzten Stich erheben und ein Stück weit in Richtung seines Hauses entfernen konnte.613 Als Indiz für eine lebensgefährliche Verletzung wird andererseits die fehlende Gehfähigkeit des Opfers gewertet, selbst wenn es noch mit dem Täter spricht.614 Noch stärker als ein Weglaufen des Opfers wiegt es gegen ein Fürmöglichhalten des Todeserfolgs, wenn das Opfer sich gegenüber dem Täter wehrt und zur Gegenattacke übergeht, also z. B. den Täter angreift615 oder verfolgt.616 So gelangt der BGH z. B. trotz mehrerer Messerstiche und einem kurzzeitigen Zusammensacken des Opfers zur Annahme eines unbeendeten Versuchs, weil das Opfer noch in der Lage war, den inzwischen auf eine andere Person einstechenden Täter an den Haaren zu greifen und dessen Kopf mehrfach gegen eine Wand zu stoßen.617 Der Situation des Gegenangriffs wertungsmäßig nahe ste609

BGH, Beschl. v. 29.11.2002 – 2 StR 427/02, S. 5. Zur inzwischen ständigen Rspr. s. z. B. BGH, Beschl. v. 17.11.1999 – 3 StR 472/99; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00; BGH, Beschl. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; BGH, NStZ 2005, 331 (332); BGH, NStZ 2005, 150 (151); s. a. BGH, NStZ 2003, 369.Ähnlich bereits BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 6; BGH, StV 1988, 201. Anders, Annahme eines beendeten Versuchs aufgrund anderer Indizien BGH, NStZ 1999, 299; BGH, NStZ 1999, 300 f. Wegen der Flucht des Opfers kann aber auch ein Fehlschlag vorliegen, s. BGH, Beschl. v. 27.5.2003 – 4 StR 140/03, S. 3. 611 So z. B. in BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – 4 StR 8/03; BGH, StV 1988, 23; s. a. BGH, StV 1988, 201; BGH, NStZ 1992, 434; BGH, NStZ 1997, 593; BGH, NStZ 1999, 449 f. 612 Vgl. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 31, wo der BGH eine solche Abgrenzung von der Vorinstanz fordert. Ähnlich, u. a. die Feststellung des Lauftempos des Opfers fordernd BGH, NStZ 1999, 299 f. 613 BGH, StV 1988, 23. 614 So in BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 1. 615 So BGH bei Holtz, MDR 1988, 99 (Urt. v. 1.7.1987 – 2 StR 147/87); BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 4 f.; BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74); BGH, NStZ 2002, 427 f.; s. a. BGH, NStZ 1999, 299 f. 616 BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/ 01, S. 5 f.; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00; s. a. BGH, NStZ 2002, 427 f. 617 BGH, Beschl. v. 21.3.2001 – 3 StR 535/00, S. 3 ff. 610

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hen Situationen, in denen es dem Opfer möglich ist, Folgeangriffe des Täters abzuwehren oder diesen auf andere Weise, z. B. durch intensives Auf-ihn-Einreden, zum Aufgeben zu bewegen.618 Neben dem Opferverhalten finden außerdem sichtbare Verletzungsfolgen des Opfers bei der Ermittlung der Tätervorstellung Beachtung. Ein starkes, vom Täter erkanntes Bluten des Opfers insbesondere am Kopf und im Halsbereich stellt ein Indiz für eine ausreichende Gefahrvorstellung dar;619 ebenso die dem Täter gezeigte Bauchverletzung, „aus der Darmschlingen hervorquollen“.620 Zahlreicher sind jedoch Entscheidungen, in denen der BGH umgekehrt das fehlende Bluten des Opfers zur Entlastung des Täters, also als Anhaltspunkt für ein Nichterkennen der Lebensgefahr, anführt.621 Beginnt das Opfer z. B. nach vier tiefen Messerstichen in den Oberkörperbereich, durch die der Brustkorb des Opfers geöffnet wird, erst spät zu bluten, spricht dies nach dem BGH unter Berücksichtigung auch des Opferverhaltens „eher dagegen [. . .], daß er auf den Angeklagten den Eindruck eines möglicherweise tödlich Verletzten gemacht“ hat.622 Umgekehrt ist allerdings die Indizwirkung, die dem Umstand, dass das Opfer stark blutet, zukommt, nicht allzu hoch und kann durch entgegenstehende Anhaltspunkte, wie etwa eine situationsangemessene Reaktion oder ein Überraschtsein des Opfers über das Bluten, leicht wieder aufgehoben werden.623 Zur Ablehnung einer lebensgefährlichen Verletzung wird in diesem Zusammenhang des Öfteren und besonders bei Stichverletzungen auf die dicke oder mehrschichtige Kleidung des Opfers verwiesen.624 Verstärkt wird die von der Opfersituation ausgehende jeweilige Indizwirkung dadurch, dass andere zu derselben Einschätzung kommen, also etwa die Verlet618 BGH, Beschl. v. 15.3.2000 – 2 StR 42/00; ähnlich bereits BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 193/77, S. 3 f.; BGH, NStZ 1997, 593; vgl. erneut BGH, NStZ 2002, 427 f. 619 So in BGHSt 33, 295 (300). Umgekehrt soll es dem ersten Senat zufolge jedoch nicht für die Annahme eines unbeendeten Versuchs ausreichen, dass der Täter die Wunde im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht gesehen hat, BGH, NStZ 2005, 151 (152). 620 BGH, NStZ 2005, 263 (264). 621 So z. B. BGH, NStZ 1999, 630; BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; BGH, Beschl. v. 24.10.2002 – 4 StR 369/02; vgl. ferner BGH, NStZ 2005, 150 (151). 622 BGH, Beschl. v. 24.10.2002 – 4 StR 369/02; vgl. ferner BGH, NStZ-RR 2006, 101 f. 623 Vgl. dazu BGHSt 35, 90 (92) (augenblickliches Herausziehen des im Hals steckenden Messers durch das Opfer); BGHSt 22, 330 (334) (umgehendes Erheben des Opfers); BGH, Beschl. v. 11.2.2000 – 3 StR 3/00 (überraschtes Sich-an-den-RückenFassen des Opfers). Vgl. ferner BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f.; BGH, NStZ 1999, 299 f.; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 6. 624 BGH, NStZ 1999, 299 f. (dick gefütterte Jacke); BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01 (mehrschichtige Oberbekleidung); BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – 4 StR 8/03 (wattierte Jacke).

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

zung des Opfers sogar bei der ärztlichen Erstversorgung im Krankenhaus zunächst nicht als lebensgefährlich eingestuft wird625 bzw. umgekehrt auch beistehende Zeugen sofort die Lebensgefahr erkennen, obwohl sie etwa gar nicht um die tatsächliche Gefährlichkeit des Schusses wissen.626 Ähnliches gilt, wenn das Opfer anfangs selbst seine Verletzung nicht bemerkt und etwa noch per Fahrrad eine erhebliche Strecke bis zur Polizei fährt.627 f) Zwischenergebnis zu den Anforderungen an ein Fürmöglichhalten Über die vom Täter zur Erlangung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung entscheidet dessen tatsächliche Vorstellung, d.h. ein unbeendeter Versuch, von dem der Täter durch bloße Untätigkeit gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB strafbefreiend zurücktreten kann, liegt vor, wenn er die Vollendung tatsächlich nicht für möglich hält; dagegen muss er die Vollendung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verhindern bzw. sich hierum i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB bemühen, wenn er ihr Eintreten tatsächlich mindestens für möglich erachtet. Eine Normativierung der Vorstellung dahingehend, dass dem Täter ein Fürmöglichhalten der Vollendung beim erkennbaren Vorliegen oder Erkennen gefahrbegründender Umstände zuzuschreiben ist, scheitert an der fehlenden Obliegenheit des Täters zur Bildung einer Vorstellung bestimmten Inhalts, die eine dahingehende Sanktionierung voraussetzte. Dem erkennbaren oder vom Täter erkannten Vorliegen objektiv gefahrbegründender Umstände kann jedoch – im Zusammenspiel mit anderen Indizien wie etwa der Tätereinlassung und dem Täterverhalten – bei der beweisrechtlichen Ermittlung der tatsächlichen Tätervorstellung wichtige Bedeutung zukommen. 3. Ergebnis zur Relativierung der subjektiven Abgrenzung durch das Heranziehen objektiver Umstände bei Bildung und Ermittlung der Tätervorstellung Die Untersuchung der Fragen, wann ein Täter die mit der jeweils zu erbringenden Rücktrittsleistung korrespondierende Vorstellung aufweist und wie sich 625 BGH, NJW 1984, 1693; ebenso BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – 4 StR 525/00; s. a. BGH, StV 1988, 201; BGH, Urt. v. 9.8.2001 – 4 StR 227/01; BGH, NStZ 2004, 324 (325). Ähnlich BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 6, wo das Opfer mit der eintreffenden Polizei zunächst zur Wohnung zurückging, um sich vollständig anzukleiden). 626 So in BGHSt 33, 295 (300). 627 BGH, NJW 1993, 943 (945); ähnlich BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74); BGH, NStZ 2003, 369 (370); BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – 4 StR 8/03, S. 5; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 6; BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 18.

C. Möglichkeiten der Relativierung

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diese Vorstellung vom zuständigen Tatgericht ermitteln lässt, hat zunächst ergeben, dass einem rücktrittswilligen Täter die uneingeschränkte Obliegenheit zukommt, sich eine Vorstellung von der objektiven Gefährdungslage zu bilden. Erfüllt er diese Obliegenheit zur Reflexion – aus welchen Gründen auch immer – nicht, ist sein Versuch rücktrittsunfähig und die Erlangung von Strafbefreiung gem. § 24 Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Kommt der Täter seiner Reflexionsobliegenheit nach, entscheidet jedoch allein seine tatsächlich gebildete Vorstellung über die von ihm zu erbringende Rücktrittsleistung: Eine eingehende Analyse von Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 StGB hat gezeigt, dass der Täter nicht zur Bildung einer Vorstellung bestimmten Inhalts verpflichtet ist, d.h. weder das erkennbare noch das vom Täter erkannte Vorliegen gefahrbegründender Umstände ihn dazu veranlassen muss, die Vollendung für möglich und demzufolge ein aktives Verhindern zur Strafbefreiung für erforderlich zu halten. Eine materiell-rechtliche Normativierung der Voraussetzungen des beendeten Versuchs, wodurch nicht zuletzt die entgegen dem erkennbaren Vorliegen bzw. Erkennen bestimmter objektiver Umstände bestehenden Fehlvorstellungen des Täters rücktrittsrechtlich unbeachtlich würden, führte hingegen zu einer – durch Probleme mit dem Beweis der tatsächlichen Tätervorstellung bedingten – verkappten Verdachtsstrafe und stünde im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere dem In-dubiopro-reo- und dem Nemo-tenetur-Grundsatz. Bedeutung kommt dem erkennbaren oder erkannten Vorliegen objektiver Tatumstände jedoch auf der beweisrechtlichen Ebene bei der Ermittlung des für die erforderliche Rücktrittsleistung maßgeblichen tatsächlichen Bewusstseinszustandes des Täters zu: Zwar hat es sich als mit dem geltenden deutschen Strafrecht unvereinbar erwiesen, Beweis- oder Beweislastregeln aufzustellen, die eine richterliche Beweiswürdigung bei dem erkennbaren oder erkannten Vorliegen gefahrbegründender Umstände ersetzen. Zulässig und hilfreich ist es jedoch, erfolgsgeneigte Gefährdungslagen zu typisieren und diese Typisierungen als Sätze allgemeiner Lebenserfahrung dem Richter als ein – wesentliches – Kriterium bei seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) unterstützend zur Seite zu stellen. Diese Vorgehensweise erleichtert es dem Tatgericht nicht nur, unwahre Ausreden des Täters zu entlarven bzw. eine Tätervorstellung auch dann zu ermitteln, wenn der Täter zu seiner Vorstellung von der objektiven Gefahrenlage schweigt, sondern insbesondere auch – materiell-rechtlich aufgrund der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Tätervorstellung stets beachtliche – Fehlvorstellungen des Täters beweisrechtlich als solche zu identifizieren.

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2. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei ausbleibendem Erfolg

D. Ergebnis zum Zweiten Teil Ein Versuch ist im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB unbeendet und der Täter kann durch Aufgabe der weiteren Tatausführung Strafbefreiung erlangen, solange er die Vollendung der Tat noch nicht für möglich hält. Hingegen liegt ein beendeter Versuch vor, von dem der Täter nur noch durch aktive Verhinderung der Vollendung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB bzw. – im Falle des anderweitigen Ausbleibens der Vollendung – durch ein Verhinderungsbemühen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB strafbefreiend zurücktreten kann, wenn er die Vollendung zumindest für möglich hält. Die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmt sich somit nach seiner Vorstellung. Für die beiden denkbaren Fehlvorstellungen des Täters in Bezug auf die erforderliche Rücktrittsleistung bedeutet die Maßgeblichkeit der Tätervorstellung Folgendes: Hält der Täter die Vollendung entgegen einer objektiv nicht bestehenden Gefährdung irrig für möglich, muss er Verhinderungsbemühungen unternehmen (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB); bloße Untätigkeit kann ihn nicht von der Versuchsstrafbarkeit befreien. Verkennt er dagegen eine objektiv bestehende Vollendungsgefahr, erlangt er – solange die Vollendung ausbleibt – nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB Strafbefreiung, wenn er die weitere Tatausführung aufgibt. Die letztere und mit Blick auf das Ergebnis allein umstrittene Fallgestaltung erfährt indes aufgrund der geringen inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung für die Annahme eines beendeten Versuchs eine deutliche zahlenmäßige Reduzierung und damit in ihrer Bedeutung eine Relativierung: Ein – dem Täter entgegen der objektiven Gefährdungslage strafbefreienden Rücktritt durch bloßes Nichtweiterhandeln erlaubendes – Verkennen einer bestehenden Vollendungsgefahr liegt lediglich dann vor, wenn er davon überzeugt ist, die Vollendung werde ausbleiben. Dagegen muss er – unabhängig vom objektiven Bestehen einer Vollendungsgefahr – bereits aktiv werden, falls er die Vollendung lediglich für möglich hält. Eine noch weitergehende Einschränkung der sich für den Täter vorteilhaft auswirkenden Fehlvorstellung des Verkennens einer objektiv bestehenden Vollendungsgefahr über eine Normativierung der an ein Fürmöglichhalten der Vollendung gestellten Voraussetzungen ist jedoch abzulehnen: Der Täter obliegt es zwar, sich eine Vorstellung von der bestehenden Gefährdungslage und damit der erforderlichen Rücktrittsleistung zu bilden; andernfalls ist der Versuch – unabhängig vom Grund der fehlenden Reflexion – rücktrittsunfähig. Indessen trifft ihn darüber hinaus auch bei einem für ihn erkennbaren oder von ihm erkannten Vorliegen objektiv gefahrbegründender Umstände keine Obliegenheit, die Vollendung für möglich zu halten, d.h. sich eine Vorstellung bestimmten Inhalts zu bilden. Hat er sich über die objektive Gefährdungslage Gedanken gemacht, ent-

D. Ergebnis zum Zweiten Teil

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scheidet sein hierbei gewonnener tatsächlicher Bewusstseinszustand über die zur Erlangung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung. Dem erkennbaren oder vom Täter erkannten Bestehen objektiv gefahrbegründender Umstände kommt indes, freilich gemeinsam mit anderen Indizien wie der Tätereinlassung und dem Täterverhalten, bei der beweisrechtlichen Ermittlung eben dieser tatsächlichen Tätervorstellung Bedeutung zu. Wenngleich es mit dem geltenden Strafrecht nicht vereinbar ist, die richterliche Beweiswürdigung durch das Aufstellen einer Beweis- oder Beweislastregel zu ersetzen, hat es sich dabei als zulässig und hilfreich erwiesen, erfolgsgeneigte Gefährdungslagen zu typisieren und diese Typisierungen als Sätze allgemeiner Lebenserfahrung dem Richter als ein – wesentliches – Kriterium bei seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) unterstützend zur Seite zu stellen. Materiell-rechtlich beachtliche Fehlvorstellungen des Täters werden auf diese Weise in aller Regel auch als solche identifiziert.

Dritter Teil

Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg (sog. „misslungener Rücktritt“) Während im Zweiten Teil der vorliegenden Arbeit Fehlvorstellungen des Täters über die Wirkung der Tathandlung und damit die erforderliche Rücktrittsleistung untersucht wurden, bei denen der Erfolg letztlich ausblieb und schon deshalb ein Versuch vorlag, stehen nun Fehlvorstellungen im Blickpunkt, bei denen der Erfolg – wenngleich entgegen der Erwartung des Täters – eintritt. Ein solcher Erfolgseintritt ist freilich allein in der Fallgestaltung des Verkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr bzw. des Verkennens der objektiven Unwirksamkeit einer – erkanntermaßen erforderlichen und vorgenommenen – Verhinderungshandlung denkbar.1 Denn geht der Täter umgekehrt irrig von einer tatsächlich nicht bestehenden Gefahr aus oder verkennt er die objektive Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung, stellt das Ausbleiben des Erfolges die logisch zwingende Folge der objektiv ungefährlichen bzw. entschärften Situation dar. Verkennt der Täter nun also eine tatsächlich vorliegende Erfolgsgefahr in der Weise, dass er die Vollendung nicht einmal für möglich hält,2 und bleibt er infolgedessen – seiner falschen Vorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung entsprechend – untätig, tritt die im Zweiten Teil der Arbeit untersuchte Situation des Erfolgsausbleibens lediglich in dem seltenen Fall ein, dass Dritte oder das Opfer erfolgsverhindernd in den Tatverlauf eingreifen bzw. das Opfer „wie durch ein Wunder“ überlebt.3 Regelmäßig wird sich hingegen die bestehende Gefahr verwirklichen und der Erfolg – entgegen der Erwartung des Täters – eintreten. Im Vergleich zu der bereits untersuchten, vom Erfolgseintritt abgesehen identischen Fallgestaltung gilt es damit zu klären, wie sich der Umstand des Erfolgseintritts auf die rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens auswirkt. Zu ermitteln ist insoweit, ob eine der Tätervorstellung entsprechende, redliche Rücktrittsbemühung den Täter – mit der Ausnahme einer möglichen Fahrlässig1

Vgl. dazu Erster Teil B. II., C. III. Zu den maßgeblichen inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung beim unbeendeten Versuch vgl. ausf. Zweiter Teil C. I. 3. 3 Vgl. dazu die Bsp.-Fälle im Ersten Teil B. II. 2

3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

187

keitshaftung – gleichermaßen von der Verantwortung für den Erfolgseintritt befreit oder ob ihn bereits im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuchs die Vollendungshaftung trifft. Dabei soll auch an die Möglichkeit von Zwischenlösungen gedacht werden, die den vermeintlichen, von Glück und Pech abhängigen Widerspruch zwischen Vollendungsstrafbarkeit und Straffreiheit verringern könnten.4 Eine ähnliche Problematik ergibt sich, wenn bei einer Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Rücktrittsleistung der Erfolg eintritt. Damit sind jene Fälle gemeint, in denen der Täter zwar zutreffend von der Möglichkeit der Vollendung ausgeht, jedoch verkennt, dass seine vorgenommenen Verhinderungsbemühungen die geschaffene Erfolgsgefahr nicht beseitigen. Wenngleich sich diese Fehlvorstellung in ihrem Bezugspunkt von der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung unterscheidet, stellt sich, weil dem Täter auch in dieser Fallgestaltung bei einem – mehr oder weniger zufälligen – Ausbleiben des Erfolges gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB Strafbefreiung zukäme, erneut die Frage nach der Bedeutung des Erfolgseintritts für die rechtliche Bewertung der Tat. Auch hier ist zu untersuchen, ob trotz des Erfolgseintritts der Vorstellung des Täters, die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes erfüllt zu haben, maßgebliche Bedeutung zukommt oder ob die Verhinderungsbemühungen einer Bestrafung wegen vollendeter Tat nicht entgegenstehen und lediglich im Rahmen der Strafzumessung als Nachtatverhalten mildernd berücksichtigt werden können.5 Beide Fallgestaltungen werden in der Literatur häufig als „misslungener Rücktritt“ vom unbeendeten bzw. vom beendeten Versuch bezeichnet.6 Hiergegen wird eingewandt, mit diesem Begriff werde nicht nur das Problem benannt, sondern bereits das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung ausgedrückt; ob der Rücktritt in diesen Fällen misslungen sei und folglich dem Täter nicht mehr zugute kommen könne, sei gerade die Frage, der näher nachgegangen werden solle.7 Dem lässt sich zwar wiederum – neben dem hohen Verbreitungsgrad der 4 Dazu s. etwa Klöterkes, Rücktritt, S. 13; Zielinski, Schreiber-FS, S. 533. Kritisch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 42; ähnlich Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (293 Fn. 33). Anders aber Bach, Rücktritt, S. 123, demzufolge sich diese starre Alternative aufgrund der Strafbarkeit des Täters wegen der im Versuch enthaltenen, vollendeten Delikte oft gar nicht stellt. 5 § 46 Abs. 2 StGB, s. dazu etwa Lackner/Kühl, § 46 Rn. 42; nur nicht bei Mord, vgl. Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 (537 Fn. 10). 6 Dieser Begriff geht auf Schmidhäuser, Studienbuch, 11/73, zurück; ebenso z. B. Lackner/Kühl, § 24 Rn. 15, 20; Womelsdorf, Problematik, S. 163; ähnlich Römer, Fragen, S. 83 („fehlgeschlagener Rücktritt“); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 97 („mißglückter Rücktritt“). 7 So Bach, Rücktritt, S. 3 Fn. 6. Alternativ schlägt in diesem Sinne z. B. Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 26, die Bezeichnungen „unbeendet-tauglicher“ und „beendettauglicher Versuch“ vor.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Bezeichnung – entgegenhalten, dass dem Täter unabhängig von einer rechtlichen Würdigung der Situation zumindest die Vermeidung des Erfolgseintritts misslungen sei.8 Um jedoch zu verdeutlichen, dass in der vorliegenden Arbeit ausschließlich Fälle des sog. „misslungenen Rücktritts“ untersucht werden, die auf einer Fehlvorstellung basieren, und dass die beiden, näher beleuchteten Fehlvorstellungen unterschiedliche Bezugspunkte aufweisen, soll hier die zuerst beschriebene Fallgestaltung als „Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung bei eintretendem Erfolg“, die zweite als „Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung bei eintretendem Erfolg“ bezeichnet werden.9 Größere Schwierigkeiten ergeben sich indessen daraus, dass der Problemkreis des Erfolgseintritts trotz vermeintlichen Rücktritts verschiedene deliktssystematische Bereiche, nämlich zum einen die Frage der tatbestandlichen Zurechnung des Erfolges, zum anderen die Rücktrittslehre, betrifft und demzufolge häufig in unterschiedlichem Zusammenhang angesprochen wird. Durch ein „Zerreißen“ der Problematik wird ein Vergleich der vertretenen Meinungen und vorgebrachten Argumente erschwert, zugleich werden Fragen und Argumente aus den Bereichen des Rücktritts und der tatbestandlichen Vollendung vermengt. Dies will die vorliegende Arbeit durch eine Untersuchung der Problematik in ihrem Gesamtzusammenhang bei gleichzeitiger inhaltlicher Trennung der einzelnen, sich ergebenden Fragen vermeiden.10

A. Die Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung bei eintretendem Erfolg Bei der zunächst zu untersuchenden Fehlvorstellung verkennt der Täter zu seinem Vorteil, dass er bereits alles zur Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges Erforderliche getan hat. In der irrigen Vorstellung, dies genüge zur Bewahrung des angegriffenen Rechtsguts vor Schaden, gibt er lediglich die weitere Tatausführung auf; im Unterschied zu der im Zweiten Teil der Arbeit untersuchten Fallgestaltung tritt der Erfolg jedoch entgegen seiner Erwartung ein.11

8

Vgl. etwa Kühl, AT, § 16 Rn. 79; ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 90. Ähnlich für die erste Konstellation auch Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 22, sowie Eser/Burckhardt, Strafrecht II, Fall 33 Rn. 45 („Irrtum über die Wirksamkeit des bereits Getanen“); ebenso Gropp, § 9 Rn. 62. 10 Eine „saubere Trennung“ propagiert auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 1 f., 21, 91; vgl. ferner v. Scheurl, Rücktritt, S. 46 ff. 11 Vgl. bereits Erster Teil B. II. 1.; ferner Klöterkes, Rücktritt, S. 51; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 93. 9

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

189

Weitgehend unumstritten scheint insoweit, dass der Täter bei eingetretenem Erfolg zu bestrafen ist. Über die Begründung und die Frage, wonach, herrscht indessen große Uneinigkeit: Die wohl überwiegende Ansicht will den Täter wegen vorsätzlich vollendeten Delikts bestrafen (sog. Vollendungslösung); die Tatsache, dass er nach seiner Vorstellung zurückgetreten ist, unterbricht die Zurechnung danach nicht und bleibt – jedenfalls im Strafausspruch – ganz ohne Ansatz.12 Nach der sog. Versuchslösung besteht hingegen aufgrund des vermeintlichen Rücktritts – und teilweise unter zusätzlichen Bedingungen – ein Vollendungsmangel; zu bestrafen ist der Täter danach wegen Versuchs ohne Rücktrittsmöglichkeit, gegebenenfalls tateinheitlich wegen fahrlässiger Tatbegehung. Demselben Ansatzpunkt folgt die sog. Freispruchslösung, die jedoch darüber hinaus einen Rücktritt des Täters von der unvollendeten Tat gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB zulassen will und dementsprechend lediglich gegebenenfalls zu einer Bestrafung wegen Fahrlässigkeitsdelikts kommt. Andere wiederum nehmen zwar keinen Vollendungsmangel an, lassen jedoch – teilweise unter einschränkenden Voraussetzungen – einen Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB von der Vollendung zu (sog. Rücktrittslösung). Mit der genaueren Untersuchung der vertretenen Lösungsansätze soll vorliegend – entgegen der üblichen Vorgehensweise bei der Strafbarkeitsprüfung – auf der Rücktrittsebene begonnen werden. Ließe man nämlich einen Rücktritt von oder trotz der Vollendung zu, könnte die Frage, ob der entgegen der Tätervorstellung eingetretene Erfolg zur Tatvollendung führt, offen bleiben: Der in der Fehlvorstellung, eine Vollendungsverhinderung sei (noch) unnötig, aufgebende Täter wäre – ganz gleich ob vom Versuch oder der Vollendung – in jedem Fall strafbefreiend zurückgetreten. Sollte sich ein Rücktritt von oder trotz der Vollendung jedoch als unzulässig erweisen, wird – insoweit unabhängig von Rücktrittsüberlegungen – auf der Ebene des Tatbestandes zu untersuchen sein, ob es der Vollendung der Tat entgegensteht, dass der Täter in der Überzeugung aufgibt, der Erfolg könne aufgrund des bisher Getanen noch nicht eintreten, und, wenn ja, ob dann auch ein Rücktritt von der nicht vollendeten Tat nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB zuzulassen ist. Schließlich soll die Möglichkeit einer analogen Anwendung bestehender Irrtumsregeln geprüft werden.

I. Die Auswirkung des Kriteriums „nach seiner Vorstellung für möglich halten“ bei der Ermittlung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums Zunächst soll allerdings aufgezeigt werden, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der im Zweiten Teil dieser Arbeit getroffenen Entscheidung für 12 Zur Berücksichtigung bei der Strafzumessung vgl. etwa LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 151.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

die Tätervorstellung als maßgebliches Kriterium bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung und dem Fürmöglichhalten der Vollendung als Anforderung an einen beendeten Versuch zukommt. Zum einen ist die Zulässigkeit eines strafbefreienden Rücktritts im „Stadium des unbeendeten Versuchs“ trotz eingetretenen Erfolges überhaupt nur bei einer subjektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung denkbar.13 Tritt nämlich der Erfolg der Tat ein, hat zuvor zwangsläufig eine objektive Erfolgsgefahr bestanden, weshalb, sofern man die erforderliche Rücktrittsleistung nach objektiven Kriterien bestimmte, der Versuch in allen Fällen bereits beendet und ein Rücktritt allein durch aktives Verhindern i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 bzw. des S. 2 StGB möglich wäre; einen Erfolgseintritt im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuchs gäbe es gar nicht. Das bloße Nichtweiterhandeln des Täters wirkte demnach bereits aufgrund des objektiven Bestehens einer Erfolgsgefahr und nicht erst infolge des Erfolgseintritts nicht strafbefreiend.14 Damit ist allerdings lediglich der weichenstellende Einfluss der subjektiven Bestimmung der Versuchsstadien auf die rücktrittsrechtlichen Problemstellungen dargetan, hingegen nichts zu den Fragen der tatbestandlichen Zurechenbarkeit des Erfolgseintritts und des Vorliegens eines ausreichenden Vorsatzes gesagt, die sich unabhängig von einem Rücktritt des Täters und daher auch bei einer objektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung stellen:15 Ob tatbestandlich Versuch oder Vollendung vorliegt, kann durchaus nach anderen Kriterien zu beurteilen sein als die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung. Anderes könnte nur dann gelten, wenn man die Rücktrittsvorschrift selbst als Zurechnungsregel verstünde und die tatbestandliche Zurechnung demgemäß bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB als unterbrochen ansähe: Die subjektive Betrachtungsweise beim Rücktritt zöge dann zwangsläufig eine Anwendung derselben Kriterien bei der Frage nach der tatbestandlichen Vollendung nach sich.16 Darüber hinaus führen die geringen inhaltlichen Anforderungen an eine Versuchsbeendigung zu einer Verkleinerung der zu Beginn dieses Teils angeführten, problematischen Vergleichsfallgruppe: Eine Fehlvorstellung zum Vorteil des Täters, die trotz tatsächlich bestehender Vollendungsgefahr einen Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung 13 Kritisch gegenüber der subjektiven Abgrenzung deshalb Heckler, Ermittlung, S. 165 f., mit der Begründung, diese steigere das den Täter treffende Rücktritts- und Vollendungsrisiko noch weiter. 14 Vgl. dazu Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 80; ferner Bach, Rücktritt, S. 10. 15 Zu den sich ergebenden Abweichungen in der Argumentation vgl. z. B. Dritter Teil A. III. 2. a) dd) (2). 16 Vgl. dazu ausf. Dritter Teil A. III. 1. a).

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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erlaubt, liegt nur noch in dem seltenen Fall vor, dass der Täter davon überzeugt ist, die Vollendung werde ausbleiben.17 Mit der Anzahl der rücktrittsrechtlich beachtlichen Fehlvorstellungen reduziert sich zugleich die Anzahl der Fälle, in denen die Tatsache des Erfolgseintritts über Vollendungshaftung oder Straffreiheit entscheiden kann. Denn bereits wenn der Täter den Erfolgseintritt bloß für möglich hält und dennoch untätig bleibt, führt das Eintreten des Erfolges lediglich – und wie stets – dazu, dass der Täter nicht nur wegen Versuchs, sondern wegen Vollendung zu bestrafen ist. Die große Diskrepanz in der Rechtsfolge bleibt damit zwar für den Fall des Nichtfürmöglichhaltens der Vollendung bestehen, verliert aber in gleichem Maße an Bedeutung wie der Unterschied zur objektiven Abgrenzung.

II. Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB von der Vollendung Auf die Frage, ob eine Vollendung der Tat ausscheidet, wenn der Erfolg im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuchs, also solange der Täter die Vollendung noch nicht für möglich hält, eintritt, käme es dann nicht an, wenn § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB auch den Täter von Strafe befreite, der den Erfolg in objektiv und subjektiv zurechenbarer Weise herbeigeführt hat. 1. Kein Ausschluss des Rücktritts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB durch Vollendung Ein solcher Rücktritt von oder trotz der Vollendung, solange sich der Täter im Moment der Rücktrittshandlung noch im Stadium des unbeendeten Versuchs wähnt, es also für ausgeschlossen hält, dass der Erfolg bereits nach dem bisher Getanen eintritt, wird vereinzelt zugelassen.18 Beim Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB wäre der Täter demnach strafbefreiend zurückgetreten und lediglich gegebenenfalls wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen. a) Die Tauglichkeit der Stellungnahme Schröders als Ansatzpunkt Zurückgeführt wird dieser gedankliche Ansatz auf Schröder,19 der in seinem Aufsatz zu den „Grundprobleme[n] des Rücktritts“ erklärt, ein Rücktritt sei 17

Dazu bereits Zweiter Teil C. I. 1. a), 4. So Bach, Rücktritt, S. 35 f. Vgl. auch die Interpretation der Aussagen Schröders in JuS 1962, 81 (82) u. Esers in Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 48; Schönke/ Schröder/Eser, § 24 Rn. 23; dazu sogleich. 19 So insbes. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 31 f. 18

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

auch dann möglich, wenn der Erfolg tatsächlich – nach der Aufgabe20 – eintrete, der Täter aber „die Wirksamkeit seiner bisherigen Handlung falsch beurteil[e] und nur irrtümlich davon ausgeh[e], durch Untätigbleiben „die Vollendung des Deliktes verhindern zu können“.21 Diese Aussage Schröders wird – ebenso wie einige ähnliche Stellungnahmen Esers22 – teilweise dahingehend interpretiert, dass damit der Rücktrittsebene die entscheidende Rolle zugemessen und zugleich die Bedeutung des Tatbestandes und des Erfolgseintritts relativiert werde.23 Ein Rücktritt werde für zulässig befunden, „solange die Tat ein Versuch“ sei;24 ebenso wie die Rücktrittsvoraussetzungen bestimme sich auch die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 StGB nach dem Zeitpunkt des Rücktritts.25 Eine dahingehende Auslegung der Stellungnahmen Schröders und Esers kann jedoch nicht überzeugen. Beide gehen vielmehr davon aus, dass ein „rechtzeitiger Rücktritt“ des Täters einer tatbestandlichen Vollendung entgegensteht und damit eine Strafbefreiung gemäß § 24 StGB ermöglicht.26 Dabei versteht Schröder die Rücktrittsnorm des § 24 Abs. 1 StGB als „Risikoregel“, die originär über die Zurechnung des eingetretenen Erfolges entscheide und bestimme, dass den Täter, solange der Versuch unbeendet sei, kein Erfolgsrisiko treffe.27 Diese Deutung wird nicht zuletzt durch seine Aussage bestätigt, die Rücktrittsvorschrift könne „schon [ihrem] Wortlaut nach auf vollendete Delikte [keine] Anwendung finden“.28 Eser begründet die fehlende Zurechnung hingegen mit dem Fehlen des erforderlichen Vorsatzes seitens des Täters, solange dieser die Vollendung nicht zumindest für möglich halte.29 Einen „Rücktritt von der Vollendung“ lassen mithin weder Schröder noch Eser zu. 20 Zu dieser zeitlichen Einschränkung („Falls im Zeitpunkt des Rücktritts der tatbestandsmäßige Erfolg noch nicht eingetreten ist“, s. Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 24 [Hervorhebung im Original]) vgl. Dritter Teil A. III. 2. a) aa) (2). 21 Schröder, JuS 1962, 81 (82). Ähnlich bereits v. Hippel, Untersuchungen, S. 75, der fordert, dass sich die Tat noch nicht als pflichtwidrige vom Täter emanzipiert haben dürfe. 22 Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 47 ff.; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 23 f., 27 ff. 23 So Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 31 f. Ähnlich auch v. Scheurl, Rücktritt, S. 46. 24 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 32 (Hervorhebung im Original). 25 So die Interpretation der Stellungnahme Esers in Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 48, durch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 32 mit Fn. 36. Zum angeblichen Ausreichen der „Noch-Nicht-Vollendung“ vgl. auch Bach, Rücktritt, S. 35 f. 26 So Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 48 a. E.; deutlich auch Schröder, JuS 1962, 81 (85); ebenso bereits v. Hippel, Untersuchungen, S. 75, unter der Bedingung des Bestehens einer Abwendungsmöglichkeit im Rücktrittszeitpunkt. Ausf. zu der Frage der tatbestandlichen Zurechnung s. Dritter Teil A. III. 1. a), 2. a) (2). 27 Schröder, JuS 1962, 81 (82); ähnlich Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61 für den Fall des beendeten Versuchs; Rn. 27 ff. für den Rücktritt vom Unterlassungsdelikt. Zu den Folgen vgl. Dritter Teil A. III. 1. a). 28 Schröder, JuS 1962, 81 (85); ders., Hellm. Mayer-FS, S. 377 (385).

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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b) Der Ansatz Bachs Als vehementer Fürsprecher der Zulässigkeit eines Rücktritts von der Vollendung, solange der Täter sich im Stadium des unbeendeten Versuchs befindet, erweist sich aber Bach, der in seiner Arbeit zunächst die objektive und subjektive Zurechenbarkeit eines entgegen der Tätervorstellung eintretenden Erfolges begründet30 und sodann, mangels tatbestandlichen Defizits, die Lösung auf der Rücktrittsebene sucht.31 Zwar verwahrt Bach sich vordergründig dagegen, de lege lata einen Rücktritt von der sog. „formellen Vollendung“ zuzulassen, nimmt hiervon jedoch einen Teil der materiellrechtlichen Vollendungskonstellationen aus, indem er den Begriff der Vollendung letztlich der reparatio damni vorbehält.32 Bei noch fehlendem Erfolg sei die Tat nicht vollendet, weshalb es sich gar nicht um einen Rücktritt vom vollendeten Delikt handle, und auch wenn der Erfolg im Rücktrittszeitpunkt bereits zurechenbar eingetreten sei, sei ein Rücktritt möglich, solange sich der Täter noch im Versuchsstadium zu befinden glaube, also subjektiv noch keine Vollendung vorliege.33 Zur Begründung führt Bach an, dass der Täter nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB nur die Aufgabe der weiteren Tatausführung und – im Gegensatz zu § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB – gerade kein Verhindern der Vollendung schulde.34 Die Eingangsformulierungen „Der Versuch als solcher“ in § 46 StGB a. F. bzw. „Wegen Versuchs wird nicht bestraft“ in § 24 StGB beträfen allein den Fall des sog. „qualifizierten Versuchs“ und besagten „lediglich, dass die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits vollendeten Delikte von der Strafbefreiung nicht erfasst“ würden.35 Das Erfolgsrisiko treffe den Täter beim unbeendeten Versuch gerade nicht.36 Daneben verweist Bach auf die in der Versuchslehre herrschende subjektive Versuchstheorie sowie die subjektive Bestimmung der erforderlichen Rücktritts-

29 Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 24; s. a. Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 48. Dazu s. Dritter Teil A. III. 2. a) (2). 30 Bach, Rücktritt, S. 11–26. 31 Bach, Rücktritt, S. 34 ff. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 33, zufolge liegt in diesem „Gedanken des Überspringens der Tatbestandsebene“ der Grundgedanke jeder Rücktrittslösung. 32 Bach, Rücktritt, S. 134; s. a. S. 141, wo dieser als Beispiel den umkehrenden und das Diebesgut zurückbringenden Ladendieb anführt. Sogar in diesen Fällen hält Bach – de lege ferenda – die Schaffung einer Rücktrittsmöglichkeit unter der Bedingung der Wiedergutmachung des Schadens durch den Täter für wünschenswert; s. S. 137 ff., 144. Vgl. dazu bereits Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 34. 33 Bach, Rücktritt, S. 35 f. 34 So Bach, Rücktritt, S. 35; vgl. auch Schröder, JuS 1962, 81 (82). Insoweit übereinstimmend Roxin, AT II, § 30 Rn. 38, 113. 35 Bach, Rücktritt, S. 34 f. 36 Bach, Rücktritt, S. 35; vgl. dazu auch Schröder, JuS 1962, 81 (82).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

leistung: Wie das Versuchsstadium müsse auch der Endpunkt des Versuchs nach der Vorstellung des Täters bestimmt werden, möge auch sonst die Deliktsvollendung objektiv festzustellen sein.37 Bei subjektiver Unbeendetheit sei es deshalb weder von Belang, ob objektiv ein beendeter Versuch oder gar ein objektiv vollendetes Delikt vorliege, noch ob der Erfolg im Rücktrittszeitpunkt bereits eingetreten sei; allein entscheidend sei, wie sich die Tat in diesem Moment in der Vorstellung des Täters darstelle.38 Wer – auch im Stadium des unbeendeten Versuchs – einen Rücktritt aufgrund der Vollendung für ausgeschlossen halte, gerate durch die objektive Bestimmung der Vollendung nolens volens auf die Bahnen einer objektiven Versuchsund Rücktrittslehre, indem vom Täter auch in der Konstellation des unbeendeten Versuchs faktisch eine Verhinderung des Erfolgseintritts verlangt werde, wie es der Gesetzeswortlaut jedoch nur für den beendeten Versuch fordere.39 Diese De-facto-Gleichstellung der beiden Alternativen stelle eine unzulässige Analogie zu Lasten des Täters da und verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB, Art. 7 MRK).40 2. Die Differenzierung nach der Irreparabilität des Erfolges Auch Walter hält in einigen Ausnahmefällen einen Rücktritt von der Vollendung für möglich. Seinem Bewährungsmodell zufolge schließt die Tatvollendung immer, aber auch nur dann die Berücksichtigung des Bewährungserfolges und damit den Rücktritt aus, wenn sie einen irreparablen sozialschädlichen Erfolg oder Ausführungshandlungen von hohem Unrechtsgehalt mit sich bringt.41 Dies sei zwar regelmäßig selbst dann der Fall, wenn der Täter den Eintritt der Vollendung noch nicht für möglich halte, gelte jedoch nicht ausnahmslos.42 Ein Rücktritt sei daher – unabhängig von der Unbeendetheit oder Beendetheit des Versuchs – trotz Vollendung zuzulassen, „wenn bei einer Gesamtwürdigung des Geschehens der Vollendungserfolg im Verhältnis zum Bewährungserfolg offensichtlich und eindeutig“ zurücktrete.43

37 s. Bach, Rücktritt, S. 37 f., mit der zweifelhaften Aussage, von der objektiven Bestimmung der Vollendung würden auch an anderer Stelle Ausnahmen gemacht. Ähnlich Schröder, Hellm. Mayer-FS, S. 377 (385). 38 Bach, Rücktritt, S. 36 f., 38. 39 Anders nur für die „seltenen“ Fälle, in denen der Erfolg zufällig ausbleibt oder durch Dritte bzw. das Opfer abgewandt wird, vgl. Bach, Rücktritt, S. 34, 38 f. Vgl. auch die Kritik an einer Vollendungsbestrafung bei Schröder, JuS 1962, 81 u. Arzt, GA 1964, 1 (7 f.). 40 So Bach, Rücktritt, S. 39 ff. 41 Walter, Rücktritt, S. 52. 42 Vgl. Walter, Rücktritt, S. 52, 143 f.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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3. Nichtvollendung der Tat als Voraussetzung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB Im Gegensatz zu diesen Einzelmeinungen halten sowohl die Rechtsprechung als auch die ganz überwiegende Ansicht in der Jurisprudenz schon seit jeher eine Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB nur für möglich, wenn die Tat nicht durch den Eintritt eines zurechenbaren Erfolges vollendet wird.44 So sah bereits das Reichsgericht den Rücktritt als dadurch objektiv bedingt, dass „die bis zur Zeit des Rücktritts noch unvollendete Tat infolge des Rücktritts unvollendet geblieben ist“.45 In inhaltlicher Übereinstimmung wird heute in der Literatur formuliert, der Geltungsbereich des Rücktritts des Alleintäters sei auf den Versuch beschränkt, weshalb die Nichtvollendung der Tat der Prüfung des Rücktritts „zumindest gedanklich vorgeschaltet werden“ müsse.46 Das „Verharren [des Täters] in der Versuchsphase“ eröffne überhaupt erst die Möglichkeit, über die Frage einer Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 StGB nachzudenken.47 Werde die Tat dagegen – auch ohne Wissen des Täters – vollendet, scheide ein Rücktritt aus; was auch immer der reuige Täter anstellen möge, rette ihn nicht vor Strafe, sondern könne allenfalls im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden.48 Das Erfordernis der Nichtvollendung wird dabei vorwiegend auf den Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gestützt: Die Formulierung „Wegen Versuchs wird nicht bestraft“ impliziere, dass es für die Anwendung der Rücktrittsvor43 Walter, Rücktritt, S. 147 f. (Hervorhebung im Original). Dahingehend lässt sich auch der Ansatz Samsons, Strafrecht I, Fall 36 V (S. 187), deuten, der analog §§ 83a, 316a StGB eine Rücktrittsmöglichkeit annehmen will, wenn bei formeller Vollendung noch keine materielle Rechtsgutsverletzung eingetreten ist. 44 Für die ganz h. L. z. B. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 149, 151; Otto, Jura 2001, 341 (344); v. Scheurl, Rücktritt, S. 46; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 16; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 3; ferner Heckler, Ermittlung, S. 148, 165 Rn. 788 m. v. w. N. Aus der neueren Rspr. s. BGH, NJW 2000, 1730 (1732); s. a. BGHSt 31, 46 (49). 45 RGSt 47, 358 (360 f.) zur alten Fassung des § 46 StGB. Daran sollte nach Ansicht des Gesetzgebers bei der Neufassung nichts geändert werden, vgl. die Niederschriften über die Sitzungen des Großen Strafrechtsreform (1958), 2. Band, Allgemeiner Teil, S. 177. Ebenso aus der damaligen Lit. Goldschmidt, Lehre, S. 49 („,Zurücktreten‘ kann der Thäter nur so lange, als er die Handlung noch nicht vollendet hat.“). Vgl. ferner Arzt, GA 1964, 1 (7); Gutmann, Freiwilligkeit, S. 109 f. Fn. 144; Koch, Rücktritt, S. 12 f., 23 f.; Welzel, Strafrecht, § 25 III (S. 199). 46 Kudlich, JuS 1999, 240 (242); s. a. Baumann/Weber/Mitsch, § 27 Rn. 1; ebenso Hauf, AT, S. 142. 47 So Küper, ZStW 112 (2000), 1 (32). Vgl. Rengier, JZ 1986, 964 (966); ähnlich Freund, AT, § 9 Rn. 4, 19; Rudolphi, NStZ 1983, 361; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 102. 48 So z. B. Beulke, Klausurenkurs, Rn. 319; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 2; Puppe, NStZ 1995, 403 (404). Vgl. auch LK-Hillenkamp, Vor § 22, Rn. 17; s. ferner Bottke, Methodik, S. 529, 555; Munoz-Conde, GA 1973, 33 mit der Forderung nach einem „erfolgreichen“ Rücktritt.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

schrift beim Versuch geblieben sein müsse, was eben nur der Fall sei, wenn es nicht zur Vollendung der Tat gekommen sei.49 Dass einmal eine Versuchssituation gegeben gewesen sei, ändere nichts am Rücktrittsausschluss; maßgeblich sei das Gesamtgeschehen.50 Schließlich regle § 24 StGB „nicht den Rücktritt in der Versuchssituation, sondern den Rücktritt vom Versuch.“51 Teilweise wird auch beim Merkmal des „Aufgebens“ angesetzt und geltend gemacht, „beim Eintritt der Vollendung [werde] die weitere Ausführung der Tat in Wahrheit nicht aufgegeben“.52 Auch in systematischer Hinsicht sei § 24 StGB auf solche Taten zugeschnitten, die als Straftaten über §§ 22, 23 Abs. 1 StGB normiert würden.53 Andernfalls ergebe sich bei der Strafbarkeitsprüfung die begrifflich und dogmatisch unüberwindliche Schwierigkeit, zunächst den vollen Tatbestand eines Delikts annehmen und dann im weiteren Verlauf der systematischen Prüfung unter dem Aspekt des § 24 StGB möglicherweise wieder ablehnen zu müssen.54 Auch lasse sich die Existenz von Sonderbestimmungen wie der §§ 83a, 158, 264 Abs. 5, 306e, 314a, 320 StGB, welche die Möglichkeit einer Strafbefreiung durch tätige Reue auch nach dem Eintritt der formellen Vollendung des Delikts vorsehen, nur so erklären, dass der allgemein gefasste § 24 StGB derartige Fälle eben gerade nicht erfasse.55 Vor allem aber sei das Geschehen im Fall der Vollendung auch strafwürdig. Denn nicht zuletzt basiere die grundlegende Unterscheidung des Gesetzes zwischen aktivem und passivem Rücktritt auf der Prämisse, dass das Verhalten des Täters nur dann mit Straffreiheit privilegiert werden könne, wenn es nicht zu einer zurechenbaren Rechtsgutsverletzung gekommen sei.56 Sei der Erfolg hingegen in vorsätzlich zurechenbarer Weise eingetreten, fehle es an einer gelunge49 So explizit Küper, ZStW 112 (2000), 1 (32); ebenso z. B. Bottke, Methodik, S. 529; Freund, AT, § 9 Rn. 19; Krey, AT II, Rn. 461 mit Fn. 24; Roxin, AT II, § 30 Rn. 38, 113; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 99; 101; zu § 46 StGB a. F. schon Gutmann, Freiwilligkeit, S. 109 f. Fn. 144. Vgl. zum Verhältnis von Versuch und Vollendung LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 10. 50 Otto, JK 99, StGB § 24/26; s. a. Jescheck/Weigend, AT, § 51 III 3. 51 Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 54 (Hervorhebung im Original); ders., Jura 2001, 341 (344); zustimmend LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 57; ferner Küper, ZStW 112 (2000), 1 (32); vgl. auch v. Scheurl, Rücktritt, S. 46. 52 Römer, Fragen, S. 94 (Hervorhebung im Original). Ablehnend aber Roxin, AT II, § 30 Rn. 38, 113. Zur früheren Fassung des Rücktritts, die ein Abwenden durch Nichtweiterhandeln oder erfolgsabwendendes Tätigwerden verlangte, s. Koch, Rücktritt, S. 12 f. 53 Freund, AT, § 9 Rn. 4, 19; vgl. auch Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 85; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 151. 54 So Ulsenheimer, Grundfragen, S. 101; zustimmend Römer, Fragen, S. 85. S. a. Bottke, Methodik, S. 529. 55 Vgl. z. B. Berz, Tatbestandsverwirklichung, S. 1 f.; ferner Arzt, GA 1964, 1 (7); LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 17; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 3, 46.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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nen Gefährdungsumkehr und sei der Rechtsfrieden in höchstem Maße gestört, sodass es einer Bestrafung bedürfe.57 4. Rücktritt vom Versuch neben Vollendung Eine neuere Ansicht hält es dagegen für die falsche Überlegung, aus der Formulierung „Wegen Versuchs wird nicht bestraft“ die Voraussetzung der Nichtvollendung für die Anwendung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB abzuleiten. Vielmehr werde dadurch die Rechtsfolge des Rücktritts, das Entfallen der Strafbarkeit des Versuchs, festgelegt und zugleich klargestellt, dass der Rücktritt gar nicht die Kraft habe, eine möglicherweise vorliegende Vollendungsstrafbarkeit aufzuheben.58 § 24 StGB könne lediglich die Strafbarkeit des im vollendeten Delikt enthaltenen Versuchs beseitigen, was allerdings bei einer daneben bestehenden Strafbarkeit aus dem vollendeten Delikt „aus praktischen Gründen belanglos“ sei, weil die Strafbefreiung durch die Strafbarkeit wegen Vollendung überlagert und „unsichtbar“ gemacht werde.59 Der herrschenden Meinung wird vorgeworfen, sie lese das Erfordernis der Nichtvollendung künstlich und wortlautwidrig in § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB hinein, obgleich es einer solch korrigierenden Einschränkung gar nicht bedürfe, da § 24 StGB unmissverständlich Raum für eine Vollendungsbestrafung lasse und lediglich anordne, dass der Täter wegen Versuchs nicht bestraft werde.60 Auch wenn die Vollendung eintrete, habe der noch nicht mit der Möglichkeit der Vollendung rechnende, die weitere Ausführung der Tat aber dennoch unterlassende Täter i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgegeben und sich den vollen, hieran geknüpften rechtlichen Vorteil verdient, der „aber bloß in der Straflosigkeit des Versuchs als solchem“ bestehe.61 § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB und das vollendete Delikt stünden daher auch nicht in einem Exklusivi56 Dazu Arzt, GA 1964, 1 (8 f.); vgl. auch Beulke, Klausurenkurs, Rn. 319; Römer, Fragen, S. 85. 57 So Roxin, AT II, § 30 Rn. 38, vgl. v. Scheurl, Rücktritt, S. 46. Ähnlich Bottke, Methodik, S. 529 f. mit Fn. 356 f.; Munoz-Conde, GA 1973, 33. 58 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 37 f. Ebenso habe bereits § 46 StGB a. F. bestimmt, „daß der Versuch (nur) als solcher straflos bleib[e]“, Herzberg, JZ 1989, 114 (117) (Hervorhebung im Original). Herzberg sieht die Nichtvollendung zwar nach geltendem Recht als Rücktrittsvoraussetzung, schlägt jedoch vor, die Strafbefreiung gem. § 24 StGB stets allein vom ernsthaften Bemühen abhängig zu machen, dem Täter auf Rechtsfolgenseite aber „nur“ Befreiung von der Versuchsstrafbarkeit zu gewähren; s. ausf. MK-Herzberg, § 24 Rn. 51, 57; ders., Kohlmann-FS, S. 37 (51). Vgl. ferner Bottke, Methodik, S. 556 mit Fn. 411. 59 Herzberg, JZ 1989, 114 ff., s. a. 116 de lege ferenda; de lage lata bereits Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 37 f.; ähnlich Bottke, Methodik, S. 556 mit Fn. 411. 60 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 36 ff.; vgl. Herzberg, NJW 1991, 1633 (1638); ders., JZ 1989, 114 (116). 61 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 93 (Hervorhebung im Original), s. a. S. 38.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

tätsverhältnis, sondern seien voneinander unabhängig:62 Einerseits befreie ein Rücktritt den Täter auch beim Eintritt der Vollendung von der – durchgangsweise verwirklichten – Versuchsbestrafung, zum anderen sei die Vollendung aber gegen die Rechtsfolge des § 24 StGB immun und richte die Straffreierklärung für den Versuch damit keinen Schaden an.63 5. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme a) Kein Rücktritt von oder trotz der Vollendung Die sog. Rücktrittslösungen, die einem Täter, der den Erfolgseintritt (noch) nicht für möglich hält und die weitere Tatausführung aufgibt, stets oder unter zusätzlichen Vorsaussetzungen auch im Falle der Vollendung einen strafbefreienden Rücktritt zubilligen, stehen im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB. Zwar lässt sich die Ablehnung der Rücktrittsmöglichkeit bei Vollendung der Tat nicht bereits aus dem Erfordernis des „Aufgebens der weiteren Ausführung“ ableiten, weil dies rein sprachlich – anders als etwa das erfolgsbezogene „Verhindern der Vollendung“ i. S. der Alt. 2 – auch bei einem jedenfalls späteren Vollendungseintritt vorliegen kann.64 Jedoch wird bei der Gewährung einer Strafbefreiung von der Vollendung die für beide Alternativen gleichermaßen geltende Eingangswendung „Wegen Versuchs wird nicht bestraft“ missachtet, die sich nicht nur auf die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits vollendeten Delikte bezieht,65 sondern unmissverständlich klarstellt, dass Vollendung und Rücktritt sich nicht miteinander vereinbaren lassen, der Rücktritt sich vielmehr nur auf eine Versuchsstrafbarkeit beziehen und auswirken kann. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB („Vollendung verhindert“) und § 24 Abs. 1 S. 2 StGB („nicht vollendet“) wiederholen dieses sich aus der Eingangswendung ergebende Faktum lediglich nochmals, weshalb sich ein Umkehrschluss, wie ihn Bach ziehen will, verbietet. Ebenso wenig lässt sich dem Wortlaut ein Anhaltspunkt für die von Walter vorgenommene Differenzierung nach der Reparabilität des Erfolges entnehmen. Nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB ist auch dann, wenn es bei einem Versuch bleibt, beim Rücktritt keine Gesamtwürdigung des Geschehens vorzunehmen; 62

So Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 38; ähnlich Herzberg, JZ 1989, 114 (117). De lege ferenda MK-Herzberg, § 24 Rn. 51, 57; ders., JZ 1989, 114 (120); ders., NJW 1991, 1633 (1638); ders., Kohlmann-FS, S. 37 (51), der das Merkmal der Nichtvollendung innerhalb der Versuchslehre als Fremdkörper ansieht. Ebenso, bereits nach aktueller Gesetzeslage, Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 37. 64 So auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 38, 113. 65 Was entgegen Bach, Rücktritt, S. 34 f., zudem allenfalls eine differenzierende Betrachtungsweise rechtfertigen könnte. Vgl. dazu Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 37. 63

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erst recht kann eine Vollendungsstrafbarkeit des Täters deshalb nicht davon abhängen, ob der Vollendungserfolg im Verhältnis zum Bewährungserfolg zurücktritt oder nicht. Zurückzuweisen ist ferner der Vorschlag Bachs, die Vollendung im Falle der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung – ausnahmsweise – subjektiv zu bestimmen. Die Vollendung richtet sich stets nach objektiven und subjektiven Kriterien, woran auch die subjektive Abgrenzung der Versuchsstadien im Rahmen des Rücktritts nichts ändern kann. Bach übersieht, dass die Versuchsstadien – möglicherweise entgegen dem ersten Anschein des Wortlauts – kein bestimmtes Stadium der Tat bezeichnen, sondern in Kurzform die in der entsprechenden Situation vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung umschreiben.66 Die Entscheidung für eine Bestimmung der Versuchsstadien mittels subjektiver Kriterien besagt daher nichts für die Bestimmung des Endpunkts der Tat, also die Frage, ob überhaupt noch ein Versuch vorliegt.67 Auch bei „subjektiver Nichtvollendung“ ist ein Rücktritt von der Vollendung mithin entschieden abzulehnen. b) Die systematische Verortung der „Nichtvollendung“ Fraglich bleibt jedoch, ob die Nichtvollendung der Tat auf der Seite der Voraussetzungen oder der Rechtsfolgen des Rücktritts Bedeutung erlangt. aa) Wortsinn und Bedeutungszusammenhang Entgegen der Auffassung von Schliebitz lässt weder der Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB noch der Bedeutungszusammenhang der Norm eine eindeutige Qualifizierung der Nichtvollendung als Voraussetzung oder Rechtsfolge zu. Denn wenngleich die Formulierung „Wegen Versuchs wird nicht bestraft“ auf eine Lozierung der Nichtvollendung auf Rechtsfolgenseite hindeuten mag, kann die Rechtsfolgelösung nicht erklären, warum dann zur Erlangung dieser Rechtsfolge, Befreiung von Versuchsstrafbarkeit, im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB nicht stets bereits das ernsthafte Bemühen des Täters um Aufgabe oder Verhinderung als Rücktrittsleistung genügt: Denn eine Vorschrift, die ausschließlich die Versuchsstrafbarkeit regelt, sollte ihre Rechtsfolge auch allein von einem solchen Bemühen abhängig machen.68 Dass § 24 Abs. 1 StGB dies offensichtlich nicht tut, spricht gegen eine Einordnung der Nichtvollendung auf 66

s. dazu ausf. Zweiter Teil A. I. Ebenso Bottke, Methodik, S. 555; Womelsdorf, Problematik, S. 170. Vgl. Zweiter Teil B. V. 5. c). 68 So dann de lege ferenda die konsequente Forderung Herzbergs, NJW 1991, 1633 (1638); s. a. ders., JZ 1989, 114 (120); ders., MK, § 24 Rn. 57; ders., Kohlmann-FS, S. 37 (51). 67

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Rechtsfolgenseite. Vielmehr deutet der Vergleich mit den Nachbartatbeständen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und des S. 2 StGB, wo die Nichtvollendung unbestritten auf Seiten der Rücktrittsvoraussetzungen steht,69 darauf hin, dass dies auch für § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gelten soll. bb) Vollendungsstrafbarkeit trotz „weggefallenen“ Versuchs Gegenüber der von Schliebitz und Herzberg proklamierten Lösung, dem vermeintlich zurücktretenden Täter im Fall der Vollendung der Tat Straffreiheit wegen Versuchs zu gewähren, ihn aber zugleich aus dem vollendeten Delikt zu betrafen, ergeben sich zudem Zweifel in logischer Hinsicht, weil eine Bestrafung des Täters wegen vollendeten Delikts nur haltbar scheint, wenn man auch den in der Vollendung enthaltenen, durchgangsweise verwirklichten Versuch für strafbar erachtet; daran fehlt es aber, wenn insoweit § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB zur Anwendung kommt. Diesem Einwand wird zwar von den Verfechtern der sog. Rechtsfolgelösung zu bedenken gegeben, dass dasselbe Phänomen stets dann auftrete, wenn bei einem Delikt der Versuch eines Delikts als solcher nicht unter Strafe gestellt sei.70 Indem der Gesetzgeber Versuche unabhängig von einem Rücktritt für straffrei erkläre, lehne er auch die Bindung des Rücktritts an die Nichtvollendung ab.71 Um aus der Tatsache, dass auch straffreie Versuche eine Vollendungsstrafbarkeit tragen, ableiten zu können, dass dies auch der nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreite Versuch kann, müsste die Strafbefreiung beim Rücktritt jedoch mit der Nichtbestrafung eines Versuchs vergleichbar sein, also auf denselben oder zumindest im wesentlichen ähnlichen Gründen beruhen, was zumindest begründungswürdig erscheint: Das eigentlich der subjektiven Strafrechtsgrundlehre widersprechende „Nichtunter-Strafe-Stellen“ bestimmter Vergehensversuche72 stellt eine gesetzgeberische Wertungsentscheidung dar, „die durch einen Kompromiß zwischen rechtsgrundsätzlichen und kriminalpolitischen Erwägungen geprägt ist“ und an die fehlende Schwere der Tat, also deren Strafwürdigkeit, sowie an Strafbedürftigkeitsaspekte anknüpft.73 Die Vollendung baut auf dem bestehenden, allein noch nicht für strafwürdig und strafbedürftig befundenen Unrecht auf; der Versuch ist 69 Diesbezüglich übereinstimmend Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 92; deutlich auch Herzberg, JZ 1989, 114 (117 Fn. 21). 70 Ausf. Herzberg, JZ 1989, 114 (117); zustimmend Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 37 f. 71 Herzberg, NJW 1991, 1633 (1638). 72 Dazu vgl. LK-Hillenkamp, § 23 Rn. 4. 73 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 44, § 23 Rn. 6.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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vorhanden und das in ihm verwirklichte Unrecht bildet einen Teil der Vollendung. Eine Vergleichbarkeit der Strafbefreiung beim Rücktritt mit dem Nicht-unterStrafe-Stellen bestimmter Versuche wäre damit nicht gegeben, wenn man mit der – heute zur systematischen Verankerung der Strafbefreiung allerdings nicht mehr vertretenen – Konzeption der sog. „Rechtstheorie“ davon ausginge, der Rücktritt lasse die Tat als solche, d.h. nach heutigen Begriffen deren Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit, entfallen.74 Im Gegensatz zur Situation bei der Nichtbestrafung des Versuchs fehlte dann nämlich infolge des Rücktritts ein Teil des Gesamtunrechts, weshalb eine Vollendungsstrafe nicht denkbar wäre. Unabhängig von den unterschiedlichen, zum Grund und zur systematischen Verankerung des Rücktritts vertretenen Auffassungen besteht heute jedoch darüber Einigkeit, dass das äußere und innere Geschehen als solches durch einen Rücktritt nicht „rückwärts annulliert“ werden kann, was zu Recht zu einer einstimmigen Ablehnung der Rechtstheorie geführt hat.75 Diese lässt sich daneben auf die Auswirkungen stützen, die sich bei einem vollständigen Ausschluss strafrechtlichen Unrechts für die Strafbarkeit von Teilnehmern ergäben: Warum ein Rücktritt des Haupttäters zur – sich aus der fehlenden vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat ergebenden – Straflosigkeit von Anstifter und Gehilfe führen soll, ist nicht einzusehen.76 Überwiegend wird allerdings angenommen, dass durch den Rücktritt – gerade anders als bei der Nichtbestrafung des Versuchs – trotz der bestehen bleibenden Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und jedenfalls bis zu einem gewissen Grad auch Schuld des Täters77 Unrecht und Schuld durch den Rücktritt gemindert seien bzw. deren strafrechtliche Erheblichkeit so weitgehend entfallen sei, dass auf Strafe verzichtet werden könne.78 Ob ein derart gemindertes Unrecht bzw. der nicht mehr strafrechtlich erhebliche, durchgangsweise verwirklichte Versuch zur gleichzeitigen Begründung einer Vollendungsstrafbarkeit ausreichen kann, erscheint zweifelhaft; eine mit der Situation beim nicht unter Strafe gestellten Versuch völlig identische Konstellation ist jedenfalls nicht gegeben. Er74 So vor allem Zachariä, Lehre II, S. 239; ähnlich Binding, Verbrechen, S. 95 (125 ff.). 75 Vgl. hierzu ausf. Roxin, AT II, § 30 Rn. 12. 76 Roxin, AT II, § 30 Rn. 12, der zudem einen Verstoß gegen § 24 Abs. 2 StGB geltend macht. Vgl. auch Bottke, Methodik, S. 579. 77 Vgl. Jescheck/Weigend, AT, § 51 VI 1. 78 Für eine Unrechtsminderung z. B. Rudolphi, ZStW 85 (1973), 104 (121 f.); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 94 ff.; ähnlich Streng, ZStW 101 (1989), 273 (324). Anders freilich die Anhänger der kriminalpolitischen Begründung des Rücktritts, wonach die Erwägungen, die zur Anerkennung des Rücktrittsprivilegs führen, nichts mit der Tat selbst zu tun haben, vgl. dazu Jescheck/Weigend, AT, § 51 VI 1.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

wägungen im Hinblick auf Unrecht und Schuld sprechen deshalb eher für eine Verankerung der Nichtvollendung auf der Ebene der Rücktrittsvoraussetzungen. cc) Nichterforderlichkeit einer Entscheidung Einer Entscheidung zwischen der Lozierung der Nichtvollendung auf der Voraussetzungs- oder Rechtsfolgenseite bedarf es indes gar nicht, weil beide Interpretationsweisen keine Unterschiede bei der rechtlichen Bewertung der Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung bei eintretendem Erfolg nach sich ziehen: Tritt erst die Vollendung ein, wird nämlich der Frage nach der Strafbarkeit oder Straflosigkeit des Versuchs ohnehin keine Bedeutung mehr zuteil. Selbst wenn man bei gutgläubiger irrtümlicher Aufgabe einen Rücktritt bejaht, ändert das nichts für die Frage nach der Vollendungsstrafbarkeit.79 So gibt schließlich auch Herzberg zu, dass die Aufhebung der Versuchsstrafbarkeit, weil von der Strafbarkeit wegen Vollendung überlagert, keine praktische, sondern nur symbolische Bedeutung hat.80 Maßgeblich für die vorliegende Arbeit ist vielmehr die beiden Ansichten gemeinsame Folgerung, dass sich § 24 Abs. 1 StGB nicht mit der Vollendung verträgt.81 Ganz gleich, ob man annimmt, die Vollendung könne nicht von der Rechtsfolge des § 24 Abs. 1 StGB aufgehoben werden oder § 24 Abs. 1 StGB sei bei Vollendung nicht anwendbar, wird – „gedanklich, wenngleich nicht notwendig faktisch“82 – die Nichtvollendung des Delikts vorausgesetzt und bedarf es daher der Untersuchung, ob die Tat im Fall des vermeintlichen Rücktritts vom unbeendeten Versuch vollendet ist. Die perspektivische Entscheidung zwischen Voraussetzungs- und Rechtsfolgenseite erweist sich somit für die weitere Vorgehensweise in der vorliegenden Arbeit als „bloßes Glasperlenspiel“.83 6. Zwischenergebnis zur Frage des Rücktritts von der Vollendung Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB ist allein von der versuchten Tat möglich. Dies macht es erforderlich zu untersuchen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung seiner Vollendungsstrafbarkeit entgegensteht.

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Ebenso Roxin, AT II, § 30 Rn. 121. Herzberg, Kohlmann-FS, S. 37 (51), der diese symbolische Anerkennung des guten Willens des Täters aber für wünschenswert hält. 81 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 38. 82 So bereits Küper, ZStW 112 (2000), 1 (33 Fn. 73). 83 Vgl. hierzu Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 38. 80

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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III. Die Nichtvollendung der Tat aufgrund der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung Wenngleich das Ausbleiben des Erfolges den häufigsten Fall eines Vollendungsmangels darstellt, darf doch der Eintritt des Erfolges nicht voreilig mit dem Eintritt der Vollendung gleichgesetzt werden. Eine Tat ist auch dann nicht vollendet, wenn der Erfolg zwar im naturalistischen Sinne, jedoch nicht kausal oder objektiv zurechenbar eingetreten ist bzw. dem Täter nicht zum Vorsatz zugerechnet werden kann.84 Entgegen teilweise im Schrifttum zu findenden Bezeichnungen stellt die Zulassung des Rücktritts beim Vorliegen eines derartigen Vollendungsmangels trotz eingetretenem Erfolg mithin keine „Ausnahme“85 oder „Korrektur“86 des Grundsatzes „Kein Rücktritt von der Vollendung“ dar; es liegt vielmehr gerade keine Vollendung, sondern ein grundsätzlich rücktrittsfähiger Versuch vor.87 Demgemäß ist nun zu prüfen, ob darin, dass der Täter das subjektiv definierte Beendigungsstadium nicht durchläuft, sondern der Erfolg entgegen der Vorstellung des Täters, er könne durch Aufgabe der weiteren Tatausführung zurücktreten, eintritt, ein Vollendungshindernis zu sehen ist. Unbestritten ist zunächst, dass der Erfolgseintritt auch bei einer Fehleinschätzung der Erfolgsgefahr durch den Täter kausal auf dessen Handlung zurückzuführen ist. Denn nach der herrschenden Äquivalenztheorie ist eine Handlung für einen bestimmten Erfolg ursächlich, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.88 Hätte der Täter aber die Tathandlung, die nun entgegen seiner Erwartung zum Erfolg führt, nicht vorgenommen, wäre der Erfolg ausgeblieben.89

84 Deutlich bereits Mezger, Lehrbuch, § 54 I (S. 399): „Das Erfordernis der Nichtvollendung des Delikts schließt nicht aus, daß von Versuch unter Umständen auch dort die Rede sein kann, wo der Erfolg, der dem Täter vorgeschwebt hat, wirklich eingetreten ist. Denn dieser Eintritt kann in einer Weise erfolgt sein, die dem Täter nicht zuzurechnen ist: dann liegt der Erfolg tatsächlich vor und doch erfolgt Bestrafung nur wegen Versuchs, weil der Erfolg dem Täter nicht zur Last fällt.“ Vgl. z. B. auch LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 22 ff.; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 134. 85 So aber z. B. Munoz-Conde, GA 1973, 33 (34); s. a. Krey, AT II, Rn. 458. 86 So Ulsenheimer, Grundfragen, S. 99, der dann aber erklärt, es handle sich „im Grunde nur [um] scheinbare“ Ausnahmen (S. 102, s. a. S. 100). 87 Ebenso bereits Freund, AT, § 9 Rn. 20; deutlich auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 284. 88 Zur sog. conditio-sine-qua-non-Formel vgl. z. B. BGHSt 1, 332; Tröndle/Fischer, Vor § 13 Rn. 16 m.w. N. 89 So für diese Fallgestaltung bereits Bach, Rücktritt, S. 11 Fn. 32; Klöterkes, Rücktritt, S. 15; vgl. Gropp, Jura 1988, 542 (546); Hruschka, Strafrecht, S. 33 (Fall 10); Saal, JA 1998, 563; Samson, Strafrecht I, Fall 36 A IV 1 a (S. 184). Zu demselben Ergebnis kommt man nach der auf Engisch, Kausalität, S. 13 ff., zurückgehenden Formel von der „gesetzmäßigen Bedingung“, derzufolge eine Handlung dann Ursache eines Erfolges ist, wenn die konkrete Handlung im konkreten Erfolg aufgrund einer gesetzmäßigen Verbindung tatsächlich wirksam geworden ist.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Näherer Erörterung bedürfen hingegen die Frage nach der objektiven Zurechenbarkeit des entgegen der Tätervorstellung eintretenden Erfolges sowie die Problematik, ob der Täter in diesem Fall einen ausreichenden Vorsatz aufweist, der eine subjektive Zurechnung des Erfolges ermöglicht. Bei der Untersuchung darf nicht vergessen werden, dass diese Fragen originär nichts mit der Rücktrittsmaterie zu tun haben, sondern sich etwa auch dann stellen, wenn der Erfolg derart früh eintritt, dass sich dem Täter gar keine Gelegenheit zum Rücktritt bietet.90 Erst wenn man aufgrund der Fehlvorstellung des Täters über die Wirkung seiner Tathandlung und damit die erforderliche Rücktrittsleistung die Zurechnung des eingetretenen Erfolges ablehnt, kommt eine Strafbefreiung des Täters nach § 24 Abs. 1 StGB überhaupt in Betracht. 1. Die objektive Zurechenbarkeit des entgegen der Tätervorstellung eingetretenen Erfolges Die Vollendung der Tat könnte bei einer Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit des bisher Getanen und damit die erforderliche Rücktrittsleistung zunächst an der fehlenden objektiven Zurechenbarkeit des eingetretenen Erfolges scheitern. Die Lehre von der objektiven Zurechnung, die sich heute im Schrifttum weitestgehend durchgesetzt hat, besagt im Wesentlichen, dass ein tatbestandsmäßiger Erfolg „nur dann zurechenbar ist, wenn der Täter durch seine dafür ursächliche Handlung entgegen der dem Schutz des betreffenden Rechtsguts dienenden Verhaltensnorm und damit verbotswidrig, die Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen bzw. eine solche erhöht [. . .] und gerade diese rechtlich verbotene Gefahr [. . .] sich in dem konkreten Erfolg verwirklicht“ hat.91 Dass sich auch dann die vom Täter herbeigeführte, missbilligte Gefahrenlage niederschlägt, wenn der Erfolg entgegen der Vorstellung des vermeintlich zurückgetretenen Täters eintritt, wird bisweilen bezweifelt, wobei die Zweifel an unterschiedlichen Aspekten festgemacht werden. a) § 24 Abs. 1 StGB als Erfolgszurechnungsnorm Wie bereits erwähnt, versteht Schröder die Rücktrittsvorschrift des § 24 Abs. 1 StGB selbst als Erfolgszurechnungsnorm: Die Vorschrift enthalte eine Risikoregel, die „das Risiko der Erfolgsabwendung beim Rücktritt je nach dem Verwirklichungsgrad der Tat verschieden“ verteile und damit originär über die 90 Zum sog. „verfrühten Erfolgseintritt“, vgl. nur Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 68. Anders wohl Schröder, JuS 1962, 81 (82), der in der Rücktrittsvorschrift ein Zurechnungshindernis sieht; dazu Dritter Teil A. III. 1. a). 91 So Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 92; s. a. Jescheck/Weigend, AT, § 28 IV; Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn. 14 m.w. N. Deutlich auch Römer, Fragen, S. 88: „Alles andere wäre in der Tat eine Verabsolutierung der Kausalität im Sinne des versari-Gedankens.“

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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Zurechnung des eingetretenen Erfolges entscheide.92 Nach der Struktur der Rücktrittsnorm werde dem Täter beim unbeendeten Versuch keine Erfolgsgarantie auferlegt, weshalb im Fall des Nichtfürmöglichhaltens der Vollendung bereits der subjektiv durch Aufgabe der weiteren Tatausführung vollzogene Rücktritt als solcher den Erfolgseintritt unzurechenbar mache.93 „[E]in Rücktritt durch bloßes Untätigbleiben [sei] auch dann möglich, wenn der Täter die Wirksamkeit seiner bisherigen Handlung falsch beurteil[e] und nur irrtümlich davon ausgeh[e], durch Untätigbleiben die Vollendung des Delikts verhindern zu können“; indes sei „dem Täter seine fahrlässige falsche Beurteilung der Gefährlichkeit seiner Handlung vorzuwerfen“, indem man ihn wegen fahrlässiger Begehung bestrafe.94 In der Eserschen Fortführung der Kommentierung Schröders, in der die Strafbefreiung beim misslungenen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nunmehr auf einen anderen Gesichtspunkt – das Fehlen bzw. den Wegfall des Vollendungsvorsatzes – gestützt wird,95 scheint dieser Gedanke der fehlenden objektiven Zurechenbarkeit nur noch an wenigen Stellen durch, z. B. wenn angenommen wird, § 24 Abs. 1 StGB liege die Überlegung zugrunde, dass „das Risiko der Erfolgsabwendung je nach dem Verwirklichungsgrad der Tat verschieden zu verteilen“ sei.96 Ähnlich wie Schröder stützen auch Noack und Backmann die Nichtzurechnung des Erfolgseintritts auf der Grundlage eines unbeendeten Versuchs zunächst maßgeblich auf die Alternativbildung in § 24 Abs. 1 StGB: Der Täter habe für einen abweichenden Kausalverlauf erst dann zu haften, „wenn er alles nach seiner Vorstellung zur Erfolgsbewirkung Nötige getan, die Tat also aus der Hand gegeben“ habe.97 Letztlich verweisen jene Autoren jedoch auf das dem Täter angeblich fehlende „Kausalitätsbewusstsein“98 bzw. das geringere Handlungsunrecht,99 sodass anzunehmen ist, dass beide das entscheidende Zurechnungsdefizit im subjektiven Bereich ansiedeln wollen.100 92 So Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 27 ff. (allerdings zum Rücktritt beim Unterlassungsdelikt); ebenso Schröder, JuS 1962, 81 (82); ähnlich Eser/Burkhart, Strafrecht II, Fall 33 A 48. 93 Ebenso die Interpretation Schröders durch Womelsdorf, Problematik, S. 166 ff.; Küper, ZStW 112 (2000), 1 (10 ff., 30 f.); Roxin, AT II, § 30 Rn. 120. 94 s. Schröder, JuS 1962, 81 (82), wobei beachtet werden sollte, dass er die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung an die Falschbeurteilung und nicht etwa an die ursprüngliche Versuchshandlung knüpft. Ebenso Lönnies, NJW 1962, 1950 (1951). 95 Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 23 f.; dazu Dritter Teil A. III. 2. a) aa) (2). 96 Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 27. Der Teilabschnitt Rn. 27 ff. zum Rücktritt beim Unterlassungsdelikt entspricht weitgehend dem von Schröder selbst verfassten, s. Schönke/Schröder, 17. Aufl., § 46 Rn. 10 ff. Vgl. ferner den Verweis auf das „aufgebürdete Erfolgsabwendungsrisiko“ beim beendeten Versuch, Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61. Zum Ganzen Küper, ZStW 112 (2000), 1 (31 Fn. 65). 97 Backmann, JuS 1981, 336 (340); Noack, Tatverlauf, S. 73 f. 98 So Noack, Tatverlauf, S. 73 f. 99 So Backmann, JuS 1981, 336 (340, 341).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

b) Fehlende objektive Zurechnung des vorzeitig und unerwartet eingetretenen Erfolges aa) Die Deutung der Stellungnahmen Ottos, v. Scheurls und Bottkes Unabhängig von der durch die Rücktrittsvorschrift vermittelten Wertung und damit von einem Rücktrittsverhalten des Täters werden einige Stellungnahmen in der Literatur dahingehend verstanden, dass sie bereits die objektive Zurechnung des Erfolges ablehnen, wenn dieser verfrüht und entgegen der Tätervorstellung eintritt, wie dies beim vermeintlichen Rücktritt des Täters vom unbeendeten Versuch der Fall ist. So wird vor allem Otto unterstellt, er nehme, indem er dem vor dem Eintritt des Erfolges vermeintlich zurückgetretenen Täter die erforderliche „Steuerbarkeit des Geschehensablaufs“ abspreche, einen objektiven Zurechnungsmangel an.101 Ebenso werden Stellungnahmen v. Scheurls102 und Bottkes103 in Bezug auf den vorzeitig eintretenden Erfolg ausgelegt.104 Diesen Interpretationsansätzen ist jedoch entgegenzutreten: Wenn Otto dem Täter Straffreiheit gewähren will, „der sich über seine Herrschaft am Geschehen irrt und vor Erfolgseintritt freiwillig von der weiteren Ausführung seines Verbrechensplanes Abstand nimmt, weil er meint, er habe noch nicht alles Erforderliche getan, während schon der eingeleitete Kausalverlauf zum Verbrechenserfolg führt“,105 dann macht er gerade deutlich, dass die Problematik seiner Ansicht nach im subjektiven Tatbestand anzusiedeln ist: Erst ein Blick auf die innere Tatseite zeigt nämlich, ob der Strafbarkeitsmangel des Irrtums über die Steuerbarkeit des Geschehensablaufs überhaupt besteht.106 Auch v. Scheurl und Bottke setzen auf der subjektiven Tatseite an, wie die Formulierung, dem Täter fehle es „an der Mindestvoraussetzung des Vorsatzes: der Voraussicht des Erfolges“107 sowie der Bewertung des eintretenden Erfolges als „intentions-“ und „tatplanwidrig“ 108, belegt.109 Die objektive Zurechenbarkeit des Erfolges 100 Anders aber die Interpretation durch v. Scheurl, Rücktritt, S. 48, der annimmt, Noack zufolge spreche die Existenz der Rücktrittsvorschrift gegen die objektive Zurechnung. 101 So die Interpretation der Ansicht Ottos, Maurach-FS, S. 91 (98 f.), durch Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (292 Fn. 32); s. a. Bach, Rücktritt, S. 14 f.; Klöterkes, Rücktritt, S. 18 f.; Römer, Fragen, S. 94 Fn. 46; Womelsdorf, Problematik, S. 166 f. Offen hingegen Walter, Rücktritt, S. 146. 102 v. Scheurl, Rücktritt, S. 47 f. 103 Bottke, Methodik, S. 554 ff. 104 So Womelsdorf, Problematik, S. 167 unter Verweis auf v. Scheurl, Rücktritt, S. 41 ff., u. Herzberg, JZ 1989, 114 (121 Fn. 33) unter Verweis auf Bottke, Methodik, S. 554–559. 105 Otto, Maurach-FS, S. 91 (99). 106 Zutreffend daher die Einordnung Ottos bei Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 48. 107 v. Scheurl, Rücktritt, S. 47. 108 Bottke, Methodik, S. 557.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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wird weder Otto noch Bottke oder v. Scheurl zufolge durch die Fehlvorstellung des Täters in Bezug auf den Erfolgseintritt berührt. bb) Der Ansatz Puppes Nach Puppe hingegen betrifft die Tatsache, dass der Erfolg vorzeitig und unerwartet eintritt, tatsächlich – zumindest auch – dessen objektive Zurechnung. Dies beruht darauf, dass Puppe den objektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts – entgegen der herrschenden Meinung – enger fasst als den des Fahrlässigkeitsdelikts, indem sie eine über die allgemeine Zurechenbarkeit hinausgehende Herrschaft des Täters über den Kausalverlauf fordert. Das vom Täter geschaffene Risiko müsse nicht nur unerlaubt sein, sondern eine vernünftige, taugliche Methode der Tatbestandsverwirklichung darstellen, eine sog. qualifizierte „Vorsatzgefahr“.110 Eine solche habe aber nur der Täter geschaffen, der nach der Beendigung seines Handelns „den Erfolg für möglich, genauer für in dem zur Begründung einer Vorsatzgefahr erforderlichen Grade wahrscheinlich gehalten“ habe.111 Der Versuch muss Puppe zufolge mithin, soll er eine Zurechnung des eingetretenen Erfolges begründen, notwendig beendet sein; andernfalls sei der Erfolg bereits in objektiver Hinsicht lediglich als fahrlässige Begehung zu bewerten.112 c) Regelmäßige objektive Zurechnung des vorzeitig und unerwartet eingetretenen Erfolges Ganz überwiegend wird indes angenommen, dass dem Täter der verfrüht und entgegen seiner Vorstellung, zurückgetreten zu sein, eingetretene Erfolg objektiv zurechenbar ist.113 Den Erfordernissen der Ausgangsdefinition entsprechend habe der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen, die sich dann auch 109

Ebenso die Auslegung durch Römer, Fragen, S. 87. Puppe, Vorsatz, S. 49; dies., Strafrecht I, § 20 Rn. 5; s. a. dies. in NK, § 15 Rn. 64 ff. Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes sei dann zu prüfen, ob die Setzung der „Vorsatzgefahr“ willentlich und damit vorsätzlich erfolgt sei, s. NK-Puppe, § 15 Rn. 78, 100. 111 Puppe, Strafrecht I, § 20 Rn. 6. Anders aber dies., Vorsatz, S. 33, sowie dies., Strafrecht I, § 20 Rn. 9 zum sog. Eisenbahnsturzfall, wo bereits in der Gewaltanwendung, mit welcher der Täter sein Opfer wehrlos und besinnungslos machen wollte, die „Setzung einer unerlaubten Lebensgefahr“ und damit die wissentliche Schaffung einer die Zurechnung begründende Vorsatzgefahr gesehen wird. 112 Puppe, Strafrecht I, § 20 Rn. 6; zum Ganzen vgl. auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 49. 113 Für die ganz h. M. z. B. Jakobs, JuS 1980, 714 (716); Kampermann, Grundkonstellationen, S. 3 f.; Krey, AT II, Rn. 460 f.; Kühl, AT, § 16 Rn. 79 f.; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 16. Insoweit übereinstimmend Bach, Rücktritt, S. 11, 14; Eser/Burkhardt, Strafrecht I, Fall 8 A 6; Klöterkes, Rücktritt, S. 20. 110

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

im Erfolg verwirklicht habe.114 Dass dies in beschleunigter Weise und entgegen der Vorstellung des Täters nach der Tathandlung geschehen sei, begründe kein der Realisierung der geschaffenen Gefahr entgegenstehendes Hindernis, sondern liege im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren und beseitige daher die objektive Zurechenbarkeit nicht.115 Auch sei die Tatsache, dass der Kausalverlauf nicht mit der Tätervorstellung übereinstimme, kein Problem des objektiven Tatbestandes.116 Raum für eine Anwendung von § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB117 bleibe daher nur in den seltenen und nach den allgemeinen Grundsätzen zur Zurechnungsunterbrechung zu beurteilenden Ausnahmefällen, in denen der Erfolg nicht die Verwirklichung eines geschaffenen unerlaubten Risikos darstelle, nämlich z. B. dann, wenn der Erfolg letztlich durch vollverantwortliche Dritte oder das Opfer selbst herbeigeführt werde oder im Falle regelwidriger, atypischer Kausalverläufe, bei denen die Handlung keine adäquate Bedingung des konkreten Erfolges gewesen sei.118 d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme aa) Ablehnung der Einstufung des § 24 Abs. 1 StGB als Erfolgszurechnungsnorm Gegen das von Schröder entwickelte Verständnis des § 24 Abs. 1 StGB als Zurechnungsnorm sprechen in erster Linie der deliktssystematische Standort der Rücktrittsvorschrift und ihr dadurch mitbedingter Regelungsbereich. Obgleich zur systematischen Einordnung des Rücktritts verschiedene Vorschläge, etwa die Qualifikation als Strafaufhebungsgrund, Entschuldigungsgrund oder Schuldtilgungsgrund,119 gemacht werden, besteht zu Recht darüber Einigkeit, dass

114

So z. B. Klöterkes, Rücktritt, S. 16; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 92. Vgl. auch Römer, Fragen, S. 94; Roxin, AT I, § 12 Rn. 192. 115 Vgl. Roxin, AT II, § 30 Rn. 118; Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (657); s. a. Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (293). Ferner Gropp, Jura 1988, 542 (546); Saal, JA 1998, 563; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 47. Ähnlich auch Wessels/Beulke, Rn. 627, unter Verweis auf BGHSt 28, 346. 116 Anders, soweit ersichtlich, nur Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 313, der „den Irrtum über den Kausalverlauf als spezielles Kausalitätsproblem auffasst“. Für ihn wird die Problematik des verfrühten und entgegen der Tätervorstellung eintretenden Erfolges bereits im objektiven Tatbestand relevant; er hält dies jedoch in aller Regel für unbeachtlich, s. S. 316. 117 Anders Lackner/Kühl, § 24 Rn. 15, die in den Fällen fehlender objektiver Zurechnung § 24 Abs. 1 S. 2 StGB anwenden wollen. 118 Für die h. M. z. B. Roxin, AT II, § 30 Rn. 117 f., 284; s. a. Bottke, Methodik, S. 539 f., 540 f. Fn. 380; Krey, AT I, Rn. 395; ders., AT II, Rn. 458. Vgl. hierzu auch die Bspe. bei Heckler, Ermittlung, S. 165 Fn. 788; Klöterkes, Rücktritt, S. 17 f.; Kudlich, JuS 1999, 240 (242); Römer, Fragen, S. 89 f., 92.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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§ 24 StGB außerhalb der Erfolgszurechnung liegt.120 § 24 StGB stellt eine nur den Versuch betreffende Rechtsfolgenanordnung dar, die das Fehlen der Vollendung voraussetzt bzw. den Täter nur von der Versuchsstrafe befreit,121 und bereits aus diesem Grund nicht selbst auf tatbestandlicher Ebene darüber entscheiden kann, ob ein Erfolg zurechenbar ist. Insbesondere darf die Tatsache, dass lediglich § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB eine ausdrückliche Beziehung zur Vollendung herstellt und das Scheitern des Verhinderns dort regelmäßig parallel zur Erfolgszurechnung läuft, nicht zu dem Gegenschluss verleiten, im Stadium des unbeendeten Versuchs sei die Zurechnung unterbrochen.122 In Bezug auf die Vollendungsstrafbarkeit verhält sich § 24 StGB „neutral“, kann also weder für noch gegen die Feststellung der Zurechnung herangezogen werden.123 bb) Kein objektiver Zurechnungsmangel infolge der Vorzeitigkeit und Unerwartetheit des Erfolgseintritts Entgegen Puppe darf ferner der objektive Tatbestand des Vorsatzdelikts nicht in dem Sinne verengt werden, dass vom Täter die Schaffung einer „qualifizierten Vorsatzgefahr“ gefordert wird. Warum ein Erfolg dem Täter erst dann objektiv zugerechnet werden soll, wenn dieser eine besondere Herrschaft über den Kausalverlauf aufweist und sein Verhalten eine vernünftige, taugliche Methode der Tatbestandsverwirklichung darstellt, leuchtet nicht ein.124 Vom Täter für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes eine derart intensive Herrschaft über den Kausalverlauf zu verlangen, wäre zudem auch kriminalpolitisch bedenklich.125 Für eine Zurechnung des eingetretenen Erfolges ist es vielmehr mit der h. M. als ausreichend anzusehen, dass der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen und sich diese tatsächlich in dem konkreten erfolgsverursachenden Geschehen realisiert hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Erfolg entgegen der Vorstellung des Täters, er könne noch durch bloße Aufgabe vom unbeendeten Versuch zurücktreten, eintritt. Ebenso wenig wie die Fehlvorstellung des Täters schließt die Tatsache, dass der Erfolg möglicherweise schneller eintritt

119 s. dazu den zusammenfassenden Überblick bei Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 4 m. v. w. N. 120 Vgl. nur Herzberg, JZ 1989, 114 (121 Fn. 33); Küper, ZStW 112 (2000), 1 (33); Roxin, AT II, § 30 Rn. 121; ähnlich LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 151. 121 Dazu s. Dritter Teil A. II. 5. b). 122 Dass es sich bei dieser „Parallelität“ nur um eine zufällige handelt, verdeutlicht Küper, ZStW 112 (2000), 1 (34 f. mit Fn. 74). 123 Ebenso Küper, ZStW 112 (2000), 1 (33); Roxin, AT II, § 30 Rn. 121; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 46; ähnlich z. B. auch Herzberg, JZ 1989, 114 (121 mit Fn. 33); v. Scheurl, Rücktritt, S. 48. Vgl. ferner Gores, Rücktritt, S. 34. 124 Kritisch etwa auch Roxin, AT I, § 11 Rn. 55; ders., GA 2003, 257 (268). 125 Zu dahingehenden Bedenken vgl. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 49.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

als gedacht, jedenfalls auf objektiver Ebene dessen Zurechnung aus. Anerkannte Zurechnungskriterien bieten deshalb keine Möglichkeit, die „gutgläubige Tataufgabe als solche“ auf objektiver Ebene zu berücksichtigen.126 2. Das Vorliegen eines ausreichenden Vorsatzes und die subjektive Zurechenbarkeit des entgegen der Tätervorstellung eingetretenen Erfolges Die eigentliche Problematik im Zusammenhang mit der Vollendungsstrafbarkeit des vermeintlich durch Aufgabe zurücktretenden Täters ist indessen auf der Seite des subjektiven Tatbestandes anzusiedeln. Nach herrschender Meinung ist die Tat dem Täter nur dann als vorsätzliche zuzurechnen, wenn dieser im Zeitpunkt der Begehung der Tat den Willen aufweist, den betreffenden Straftatbestand in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände zu erfüllen.127 Daher gilt es zu untersuchen, ob ein Täter, der den Erfolgseintritt irrtümlich noch nicht für möglich hält und deshalb irrig annimmt, durch bloßes Nichtweiterhandeln vom Versuch zurückgetreten zu sein, einen in diesem Sinne ausreichenden Vorsatz aufweist, sodass ihm der „im Stadium des unbeendeten Versuchs“ eingetretene Erfolg als vorsätzlich verwirklicht zugerechnet werden kann. a) Das Fehlen eines ausreichenden Vorsatzes Gewichtige Stimmen in der Literatur sprechen dem Täter in dieser Fallgestaltung den für eine Vollendungshaftung erforderlichen Vorsatz ab. Abgesehen von im Ergebnis gegen eine Vollendungsbestrafung angeführten Gesichtspunkten wird dabei zum einen bezweifelt, dass der Täter einen in zeitlicher Hinsicht ausreichenden Vorsatz aufweist; daneben werden Bedenken in Bezug auf das Erfülltsein der inhaltlichen Vorsatzanforderungen sowie des Kongruenzerfordernisses geltend gemacht. aa) Fehlender Vorsatz im maßgeblichen Zeitpunkt Im Hinblick darauf, dass der Täter bei einer Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung – zumindest nach der Vornahme seiner Tathandlung – die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht erkennt, wird vorgebracht, sein Vorsatz liege im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Dazu, wann genau der Tatvorsatz vorliegen muss bzw. bis zu welchem Zeitpunkt der Täter seinen Tatvorsatz durchhalten muss, finden sich verschiedene Auffassungen. 126

Ebenso Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 39; vgl. ferner Krey, AT II, Rn. 460 f. Vgl. dazu BGHSt 19, 295 (298); s. ferner Wessels/Beulke, Rn. 203, 206, sowie Lackner/Kühl, § 15 Rn. 3 ff. m.w. N. 127

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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(1) Vorsatz während der gesamten oder entscheidenden Tathandlung Teilweise wird im Schrifttum gefordert, der Vorsatz des Täters müsse während der gesamten Tathandlung128 oder jedenfalls bei Vornahme des entscheidenden Handlungsteils129 vorliegen. Damit stimmen letztlich jene überein, die ein Durchhalten des Tatvorsatzes bis zur Versuchsbeendigung verlangen und hierbei das Beendigungsstadium als zeitliches Stadium verstehen wollen, das der Täter erreiche, wenn er „nach seiner Vorstellung alle Essentialia der Tathandlung vorgenommen“ habe.130 Falls der Täter seinen Vorsatz vor diesem Zeitpunkt aufgibt, soll – bestenfalls – ein für die Vollendungshaftung im zeitlichen Sinne nicht ausreichender dolus antecedens gegeben sein.131 Der Vorsatz des Täters müsse zwar nicht notwendig bis zum Erfolgseintritt, jedoch, wie sich im Umkehrschluss aus § 16 StGB ergebe, „beim Auslösen der Kausalkette“ sowie beim eigentlichen Aus-der-Hand-Geben der Tat und damit bis zur Beendigung des Versuchs vorhanden sein.132 Erst wenn der Täter durch die vollständige Vornahme der Tathandlung das Geschehen auf die Spitze getrieben habe, sei der Normbruch perfekt. Der Versuchsbeginn i. S. des § 22 StGB sei hingegen lediglich, wenngleich unmittelbar, vortatbestandlich.133 Bereits deshalb setze die Annahme einer Vollendungsstrafbarkeit mehr voraus als „Versuchsbeginn plus Erfolgseintritt“.134 Auch bezüglich der „objektiv-zeitlichen Dimension des Vorsatzes“ werde bekanntlich auf die tatbestandsmäßige Handlung insgesamt abgestellt und etwa im Beispiel des Bombenlegers „nur, aber immerhin“ verlangt, dass er den Vorsatz bis zum Aus-der-Hand-Geben der Tat durchgehalten habe.135 Zu unterscheiden sei die Fallgestaltung des Vorsatzwegfalls vor Beendigung des Versuchs insbesondere von den sog. Blutrauschfällen: In diesen Konstellationen des Verlusts der Schuldfähigkeit nach Tatbeginn, aber vor Abschluss der Tathandlung werde ein vollendetes Vorsatzdelikt nur unter der Voraussetzung angenommen, dass sich der Zustand der Schuldunfähigkeit „aus dem vorgehen128

So ausdrücklich Hruschka, JuS 1982, 317 (321); nahe stehend Gropp, § 9 Rn. 65. So Noack, Tatverlauf, S. 73. 130 Vor allem Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 54; ähnlich Horn, GA 1969, 289 (292); Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 (543); vgl. auch Herzberg, Oehler-FS, S. 163 (165), mit der Forderung, der Vorsatz müsse erhalten bleiben, „bis der Täter sowohl nach seiner Vorstellung wie nach der objektiven Sachlage das zur Erfolgsbewirkung Erforderliche“ getan habe. 131 Unter der Bedingung, dass den inhaltlichen Anforderungen des Vorsatzes genüge getan sei, Hruschka, JuS 1982, 317 (321). 132 So Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (653), der dies mit inhaltlichen Bedenken kombiniert. 133 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 54, 67; vgl. auch Noack, Tatverlauf, S. 73. 134 Horn, GA 1969, 289 (292); Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 54, 64. 135 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 52. 129

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

den Handeln“ entwickelt habe.136 Wer jedoch – wie der Täter in der vorliegend untersuchten Fallgestaltung – zielbewusst die Versuchsschwelle überschreite, gerate „nicht dadurch in die ,Gefahr‘, einem Tatbestandsirrtum zu erliegen oder die gewollte Tat nicht mehr zu wollen.“137 Anders als in den Affektfällen schaffe der in der verdienstlichen Aufgabe liegende Wegfall des Vorsatzes seitens des Täters eine tiefe Zäsur, durch welche die vorangegangene Tatausführung ihren tatbestandsspezifischen Charakter und ihre besondere Unrechtsqualität verliere.138 (2) Vorsatz bis zum Erfolgseintritt Auch Esers Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Erfolgseintritts setzt bei der zeitlichen Dimension des Vorsatzes an: Ist der Erfolg im Moment des vermeintlichen Rücktritts und damit der Vorsatzaufgabe bereits eingetreten, will er den Täter wegen vorsätzlich vollendeten Delikts bestrafen;139 gibt der rücktrittswillige Täter den Vorsatz und die Tatausführung hingegen vor dem Erfolgseintritt auf, könne in seinem irrigen Vertrauen auf die Unwirksamkeit des bereits Getanen allenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf gesehen werden.140 Gropp und Bottke zufolge schließt die Aufgabe des Tatvorsatzes dann die Vollendungsstrafbarkeit aus, wenn sie vor dem „Moment des Erfolgseintritts“ erfolgt.141 Zur Begründung wird vorgebracht, dass die Rücktrittsvoraussetzungen stets nach dem Zeitpunkt des Rücktritts zu bestimmen seien. Nehme man hierbei das subjektive Abstellen auf den Täterplan ernst, könne dem Täter der spätere Erfolgseintritt nicht zugerechnet werden.142 Mit der Aufgabe der weiteren Tatausführung durch den Täter ändere die Tat ihre Unrechtsqualität entscheidend,143 was nicht zuletzt durch § 83a StGB bestätigt werde, der dem Täter Straffreiheit gewähre, wenn er die Gefahr des Erfolgseintritts nicht erkannt und sich deshalb um eine Erfolgsverhinderung nicht bemüht habe.144 136

So Herzberg, Oehler-FS, S. 163 (172) unter Verweis auf BGHSt 23, 133. Herzberg, Oehler-FS, S. 163 (172) (Hervorhebung im Original). 138 Herzberg, Oehler-FS, S. 163 (171 f.). 139 So Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 47 a, lediglich mit Ausnahme der Fälle einer wesentlichen Abweichung des Kausalverlaufs. Einschränkend jedoch Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 23: die Vollendung sei dann „allenfalls [aber immerhin!] damit auszuschließen, dass dem Täter im Falle eines vermeintlich unbeendeten Versuchs der Vollendungsvorsatz gefehlt“ habe. 140 Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 47 b; vgl. auch Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 24. 141 Bottke, Methodik, S. 555; Gropp, Jura 1988, 542 (546 Fn. 15). Nahe stehend Otto, Maurach-FS, S. 91 (99), der einem sich über seine Geschehensherrschaft irrenden Täter Straffreiheit zuspricht, wenn dieser vor Erfolgseintritt freiwillig von der weiteren Ausführung Abstand nimmt. 142 So Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 A 48. 143 Gropp, Jura 1988, 542 (546). 137

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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(3) Vorsatz bei jedem Handlungsschritt Ebenfalls einen zeitlichen Ansatzpunkt wählt v. Scheurl, wenn er danach differenziert, ob der Täter die Tat durch einzelne, voneinander getrennte Handlungsschritte begehen oder aber – wie regelmäßig – in einem Zuge und aufgrund eines einzigen Willensimpulses durchführen will. Bei kontinuierlicher Tatbegehung soll es ausreichen, dass der Vorsatz beim unmittelbaren Ansetzen zur Tat i. S. des § 22 StGB vorliegt; bei schrittweiser Tatbegehung hingegen müsse der Täter bei jedem Einzelhandeln erneut und immer noch Vorsatz aufweisen, woran es dann fehle, wenn der vermeintlich zurücktretende Täter die Tatausführung inzwischen aufgegeben habe.145 bb) Fehlender Vollendungsvorsatz Noch häufiger als das Vorliegen eines in zeitlicher Hinsicht ausreichenden Vorsatzes wird aber bezweifelt, dass ein Täter, der infolge des Verkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr davon ausgeht, durch Aufgeben der weiteren Tatausführung vom Versuch zurückgetreten zu sein, die inhaltlichen Vorsatzanforderungen des vollendeten Delikts erfüllt. Dieser Ansatz lässt sich auf Frank zurückführen, der sich in diesem Fall veranlasst sah, trotz des Erfolgseintritts nur Versuch anzunehmen, „da der Erfolg nicht auf dem Vorsatz beruh[e]“.146 In Fortentwicklung dieses Gedankens wird heute von einer beachtlichen Zahl von Autoren im Schrifttum in dieser Fallgestaltung ein „eigentümliches Defizit des Vorsatzes“147 konstatiert, das darin bestehe, dass der Täter nach seiner Vorstellung (noch) keine Gefahrenlage geschaffen habe, aus der sich der tatbestandliche Erfolg entwickeln könne.148 Der für den Versuchsbeginn gemäß § 22 StGB bereits ausreichende „Initialvorsatz“ oder „Versuchsvorsatz“149 werde erst mit der Beendigung des Versuchs zum „Vollendungsvorsatz“, also dann, wenn der Täter seinen Vorsatz so lange durchhalte, bis er es zumindest für möglich erachte, dass der Erfolg ohne sein 144

Dazu Schönke/Schröder-Eser, § 24 Rn. 24. v. Scheurl, Rücktritt, S. 48 f., der aber auch der Auffassung, die einen inhaltlichen Vorsatzmangel annimmt, zugerechnet werden kann, wenn man aus seinem Vorbringen ableitet, dass er den Tatvorsatz im Fall schrittweiser Tatbegehung erst beim letzten Schritt als inhaltlich komplett ansieht. 146 Frank, § 46 IV; ähnlich Allfeld, Frank-Festgabe, S. 74 (79); vgl. auch Noack, Tatverlauf, S. 71 f. 147 So Küper, ZStW 112 (2000), 1 (35) unter Verweis auf Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (538); s. a. Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251 (262 f.). 148 Stellvertretend für diesen Ansatz s. Noack, Tatverlauf, S. 73; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 68; Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (530); Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (563). 149 So z. B. Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548 f.). 145

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Weiterhandeln eintrete.150 Gebe der Täter die weitere Tatausführung hingegen im Stadium des unbeendeten Versuchs auf, verhindere der damit einhergehende Fortfall des ursprünglichen Tatentschlusses die Entstehung eines derartigen „Vollendungsvorsatzes“, weshalb der objektiv zurechenbare Erfolg dem Täter subjektiv nicht zugerechnet werden könne. Der Täter sei demzufolge wegen Versuchs gegebenenfalls in Idealkonkurrenz mit fahrlässiger Begehung zu bestrafen.151 Der „unbeendete Versuch“ tauge nicht als Fundament eines vollendeten Vorsatzdelikts.152 Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass der für das Versuchsdelikt und der für das Vollendungsdelikt notwendige Vorsatz nicht identisch sind:153 Beim Versuch müsse der Täter subjektiv lediglich die Handlung erfasst haben, „die – und insoweit als sie – die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch“ überschreite; im Rahmen der vollendeten Vorsatztat hingegen müsse er darüber hinaus die Gefahr erkannt haben, dass sein bisheriges Handeln ohne weiteres Zutun zum Erfolg führen könne, also einen sog. Vollendungsvorsatz im Sinne eines „Versuchsbeendigungsvorsatzes“ aufweisen.154 Der Vorsatz beim unbeendeten Versuch sei im Vergleich zum Vorsatz bei der Vollendung lediglich ein Fragment, ein „deliktisches Mängelwesen“, dem „ein Stück Körperbewegungswille“ und „Durchhaltewille“ fehle.155 § 16 StGB verlange vom Täter die Kenntnis der Tatumstände, das reale Erkennen der Erfolgsgefahr, und nicht wie beim Versuch nur eine dahingehende Vorstellung des Täters (§ 22 StGB), die als intentionaler Zustand nur mittelbar, nämlich über eine vorsätzliche Handlung auf eine riskante Zustandsveränderung bezogen sei.156 Solange der Täter den Erfolgseintritt unter den Vorbehalt seines volldeliktischen Weiterhandelns stelle, fehle es ihm an der notwendigen Voraussicht des

150 Grundlegend LK-Schröder, § 16 Rn. 34; Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548 f., 563). Modifizierend NK-Puppe, § 16 Rn. 86 ff., 89, die maßgeblich darauf abstellen will, ob der Täter „bereits eine geeignete Erfolgsherbeiführungsstrategie angewandt hat.“ 151 So z. B. Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251 (262 f.); LK-Schröder, § 16 Rn. 34; ebenso Jakobs, AT, 26/13. Vgl. auch die Interpretation bei Küper, ZStW 112 (2000), 1 (37). 152 Ähnlich deutlich Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (700); ders., Leferenz-FS, S. 563; ein eher zeitliches Verständnis zugrunde legend Backmann, JuS 1981, 336 (340). 153 Deutlich Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (524); s. a. Frisch, Verhalten, S. 603; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 67. Vgl. ferner Herzberg, JuS 1999, 224 f.; ähnlich Streng, ZStW 109 (1997), 862 (874 ff.). Anders jedoch die h. M., dazu Dritter Teil A. III. 2. b) bb). 154 So Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548 f.); ebenso Frisch, Verhalten, S. 604; s. a. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 70. 155 Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (530). 156 So Eser/Burkhardt, Strafrecht I, Fall 8 A 6; Schlehofer, Vorsatz, S. 20, s. a. S. 176.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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Erfolges, also der Kenntnis, dass er die Vollendung hier und jetzt begehe.157 Er habe noch keine „den objektiv zum Erfolg hinführenden Geschehensablauf abdeckende Entscheidung“ getroffen; es bestehe noch nicht einmal Grund, „eine solche Entscheidung definitiv zu treffen“.158 Der eigentliche Vorsatz stelle sich vielmehr erst ein, wenn der Täter es zumindest für möglich halte, dass er dem Opfer gerade jetzt „den Rest gebe“.159 Über das fehlende Wissen des Täters um die Tatbestandsverwirklichung könne auch nicht der Umstand hinweghelfen, dass der Täter die Herbeiführung des Erfolges letztlich beabsichtige und mit der Ausführung seines Plans begonnen habe, da er sich bislang allein für die Schaffung eines im Sinne des Versuchsdelikts ausreichenden Risikos entschieden habe.160 Auch im Falle des dolus subsequens sei der Erfolgseintritt dem Täter ja recht und dennoch fehle der Vorsatz.161 Schließlich könne das Fehlen des Vollendungsvorsatzes keinesfalls durch die Abweichungsregeln überspielt werden, da diese erst Anwendung finden könnten, wenn der Täter zumindest damit rechne, einen selbsttätigen Kausalverlauf in Gang gesetzt zu haben.162 cc) Vorliegen einer wesentlichen Kausalabweichung Wenngleich es nach der Lehre vom Vollendungsvorsatz damit bereits an einem ausreichenden Vollendungsvorsatz fehlt und sich die logisch nachrangige Frage nach einer Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf eigentlich nicht mehr stellt,163 werden in Anbetracht der beschriebenen Diskrepanzen gegenüber der Tätervorstellung teilweise zusätzlich Bedenken im 157 v. Scheurl, Rücktritt, S. 47; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 63 ff., 71, 72 f.; vgl. ferner z. B. Hruschka, JuS 1982, 317 (321); Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251 (264 Fn. 28); LK-Schroeder, § 16 Rn. 34. Vgl. bereits Allfeld, Frank-Festgabe, S. 74 (79). Anders – soweit ersichtlich – nur Munoz-Conde, GA 1973, 33 (40), der eine Zurechnung des Erfolges zum Vorsatz des Täters ablehnt, da er „gerade gegen seinen Willen“ eintrete (Hervorhebung nicht im Original). 158 Vgl. Frisch, Verhalten, S. 602; vgl. ferner Meister, MDR 1955, 688 (689); v. Scheurl, Rücktritt, S. 48; Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (560). 159 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 72 f.; s. a. Freund, AT, § 7 Rn. 145 f.; Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (563). Im Ergebnis ebenso Puppe, Strafrecht I, § 20 Rn. 6, die dann eine „Vorsatzgefahr“ gesetzt sieht; stärker normativierend aber dies., Vorsatz, S. 57: „Es genügt, daß er [der Täter] dieses Erlebnis hätte haben können“. 160 Frisch, Verhalten, S. 623, s. a. S. 603; ebenso Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 65, 67; ähnlich Hruschka, JuS 1982, 317 (321); ders., Fall 10 (S. 33); Meister, MDR 1955, 688 (689). 161 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 68. 162 Hruschka, JuS 1982, 317 (321); ders., Strafrecht, Fall 10 (S. 35); ferner Frisch, Verhalten, S. 604; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 67. 163 So konsequent Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 67; Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (534). Vgl. auch Frisch, Verhalten, S. 602; Hruschka, Strafrecht, Fall 10 (S. 34).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Hinblick auf die für eine Vollendungsstrafbarkeit notwendige Kongruenz geltend gemacht:164 Die vorzeitige und unvorhergesehene Vereitelung der ex ante bestehenden Rücktrittsmöglichkeit stelle jedenfalls auch eine wesentliche Abweichung des Kausalverlaufs dar.165 Andere sprechen allein den Aspekt der Kausalabweichung an. So will etwa Joecks beim verfrühten Erfolgseintritt dann eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf annehmen, wenn diese zeitliche Vorverlagerung nicht im Tatplan angelegt war.166 Auch die sog. „Lehre vom bewusst gesetzten Risiko“ kommt letztlich zur Ablehnung nicht des Vorsatzes, sondern der subjektiven Zurechnung, weil sich kein vom Täter erkanntes Risiko, für das er die Vorsatzverantwortung tragen müsse, verwirklicht habe.167 dd) Ergebnisorientierte Argumentation Die Ablehnung der vorsätzlichen Verwirklichung des Vollendungstatbestandes im Fall des Nichterkennens der objektiv bestehenden Erfolgsgefahr wird daneben häufig auf Argumente gestützt, die sich nicht primär gegen einen Vorsatz des Täters oder die subjektive Zurechenbarkeit des eingetretenen Erfolges, sondern gegen das Ergebnis einer Vollendungsbestrafung des Täters richten. (1) Ungewollte Rückkehr zur Erfolgshaftung So wird eingewandt, die Zurechnung des „intentionswidrig“ eintretenden Erfolges stelle eine Rückkehr zur längst überwundenen Erfolgshaftung dar und gehe gar noch über den „versari re in illicita“-Gedanken hinaus, indem dem Täter die entgegen seinem Willen und seiner Überzeugung, er habe alles zu ihrer Vermeidung Erforderliche getan, eintretenden Folgen zur Last gelegt würden.168 § 24 Abs. 1 StGB jedenfalls bürde dem Täter kein derartiges Vollen-

164 Diese Bedenken gelten grundsätzlich unabhängig davon, ob man dieses Erfordernis mit der Rspr. und herkömmlichen Lehre als Teil des Vorsatzes begreift und infolgedessen die Verwirklichung des Vorsatzes im konkreten Geschehen bezweifelt (so z. B. BGHSt 7, 325 [329]; Kühl, AT, § 5 Rn. 15, § 13 Rn. 41–45b) oder mit einer Gegenansicht, der zufolge sich der Vorsatz nicht auf den eingetretenen Kausalverlauf beziehen muss, dasselbe Deckungsverhältnis verlangt, um das objektive Geschehen subjektiv zum Vorsatz zuzurechnen (so Eser/Burkhardt, Strafrecht I, Fall 8 A 2, 10– 12, 28 f.; Herzberg, JA 1981, 369 [374 Fn. 31]). 165 Backmann, JuS 1981, 336 (341). Unklar Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (554), der die frühzeitige Erfolgsherbeiführung dann als Problem der Kausalabweichung ansehen will, „wenn der Täter bei seiner Tatausführung bleibt“, jedoch bei der Aufgabe der Tat das Defizit im mangelnden Vollendungsvorsatz sieht. Vgl. ferner ders., GA 2006, 406 (409). 166 MK-Joecks, § 16 Rn. 51. 167 So Jakobs, AT, 8/76; Schroth, Vorsatz, S. 98 f.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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dungsrisiko, sondern allenfalls das „Rücktrittsrisiko“ bzw. das Risiko „Keine Straffreiheit vom Versuch“ auf.169 (2) Unzulässige Objektivierung und Abschneiden des Rücktritts Gegen eine Zurechnung des eintretenden Erfolges zum Vorsatz des Täters wird ferner vorgebracht, damit hebe man die subjektive Bestimmung der geforderten Rücktrittsleistung praktisch auf und stütze die der geltenden Versuchsund Rücktrittslehre widersprechende, objektive Versuchstheorie:170 Vom Täter werde bei objektiv bestehender Gefahr stets eine aktive Erfolgsabwendung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verlangt, obschon dies das Gesetz nur dann fordere, wenn der Täter den Erfolgseintritt zumindest für möglich halte.171 Durch die Annahme eines vollendeten Delikts schneide man ihm den Rücktritt vorzeitig ab und schlage ihm so die letzte und eigentliche Entscheidung unvorhergesehen aus der Hand.172 (3) Das Dilemma-Argument Komplexer gestaltet sich der einer Vollendungsstrafbarkeit entgegengebrachte Vorwurf, man gerate andernfalls in ein schwerwiegendes Dilemma, wenn lange Zeit offen bleibe, ob der Erfolg noch eintrete, also z. B. unklar sei, ob das Opfer sterbe oder gerettet werde. Während einer derartigen Ungewissheitsphase müsse nämlich zugunsten des Täters ein Rücktritt vom – unbeendeten – Versuch angenommen werden, was sich als äußerst unbefriedigend erweise, sofern später der Erfolg doch zurechenbar eintrete.173 168 Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36); so auch Bottke, Methodik, S. 551. Vgl. ferner ders., GA 2006, 406 (410), der eine Nivellierung der Unterscheidung zwischen Gefährdungs- und Verletzungsdelikten befürchtet. 169 Bottke, Methodik, S. 555 f.; ebenso Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 46 f. 170 Arzt, GA 1964, 1 (7 f.); nahe stehend Lönnies, NJW 1962, 1950 (1951). Vgl. Bach, Rücktritt, S. 38 mit Fn. 101, der dies für die Zulassung eines Rücktritt von der Vollendung anführt, s. dazu Dritter Teil A. II. 1. b). Vgl. auch Schröder, JuS 1962, 81 (82). 171 Arzt, GA 1964, 1 (7 f.); ähnlich Lönnies, NJW 1962, 1950 (1951); Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (698). Vgl. Bach, Rücktritt, S. 38 mit Fn. 101, der dies für eine Zulassung eines Rücktritt von der Vollendung anführt, s. dazu Dritter Teil A. II. 1. b). Vgl. auch Schröder, JuS 1962, 81 (82). 172 Backmann, JuS 1981, 336 (341); Herzberg, ZStW 85 (1973), 867 (882 f.); ferner LK-Schroeder, § 16 Rn. 34, der allerdings vorrangig gegen den Vollendungsvorsatz argumentiert; Noack, Tatverlauf, S. 73; vgl. auch Geilen, JuS 1972, 73 (77); Meister, MDR 1955, 688 (689). 173 So ausdrücklich Bach, Rücktritt, S. 110 f., mit seiner Argumentation für die Zulassung eines „Rücktritts von der Vollendung“. Etwas anders Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637), der während des Schwebezustands materiellrechtlich von einer Versuchsstrafbarkeit ausgeht. Vgl. zum Ganzen ferner ders., JZ 1989, 118.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Hinter diesem Argument verbirgt sich eine strafprozessuale Problematik: Ergeht eine Entscheidung des Gerichts zu einem Zeitpunkt, in dem noch nicht vorhersehbar ist, dass die zu beurteilende Tat durch den späteren Erfolgseintritt (z. B. den Tod des Opfers) anders zu qualifizieren sein wird, und erlangt diese Entscheidung Rechtskraft, ist das Verfahren damit abgeschlossen; es ist, wenngleich graduell unterschiedlich, auf der Grundlage des Schuldvorwurfs eine Sanktion verhängt worden.174 Tritt nach der letzten Tatsachenverhandlung der Erfolg nun doch noch ein, stirbt also z. B. das verletzte Opfer an den Folgen der Tat, will ein Teil des Schrifttums zwar eine „Ergänzungsklage“ in Gestalt der „Vervollständigungsklage“ zulassen,175 jedoch bindet nach herrschender, insbesondere auch vom Bundesverfassungsgericht vertretener Auffassung ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG) dem Richter die Hände, ein vollendetes Vorsatzdelikt zu bestrafen, führt der rechtskräftige Verfahrensabschluss also zum Verbrauch der Strafklagerechts auch hinsichtlich später eintretender erschwerender Tatfolgen.176 Da eine Wiederaufnahme des Verfahrens wegen neuer Tatsachen zuungunsten des Angeklagten in § 362 StPO nicht vorgesehen ist, ist eine erneute Strafverfolgung in diesem Fall ausgeschlossen.177 Vor diesem Hintergrund wird denjenigen, die den Täter bei Erfolgseintritt wegen vollendeter Tat bestrafen, ihm bei dem Ausbleiben des Erfolges dagegen strafbefreienden Rücktritt gewähren wollen, vorgehalten, sie müssten, um dieses „äußerst unbefriedigende“ Ergebnis zu vermeiden, mit der Feststellung der Strafbarkeit so lange warten, bis sich herausgestellt habe, ob das Opfer noch zu retten sei oder nicht.178 Diese Überlegungen verdeutlichten, wie zufällig der Erfolgseintritt sei und dass dieser keinesfalls den Sprung von der Straffreiheit zur Vollendungsstrafe rechtfertigen könne.179 (4) Fehlen des vollen Unrechts Häufig wird die Ablehnung einer Vollendungsbestrafung im Ergebnis auch auf das angeblich fehlende volle Unrecht gestützt. Obschon unbeendeter und beendeter Versuch de lege lata gleich bestraft würden, spiegelten die unterschiedlichen Rücktrittsanforderungen doch essentiell verschiedene Grade verwirklichten Unrechts wider.180 Die Verhaltensnorm des § 212 StGB („Töte nicht“) verletze nämlich erst, wer das Geschehen so weit treibe, dass es selbst174

Vgl. dazu BVerfGE 65, 377 (381 f.). So etwa Roxin, Strafverfahrensrecht, § 50 Rn. 17 m.w. N.; Rüping, Strafverfahren, Rn. 568. 176 So BVerfGE 56, 22 (31); 65, 377 (381); vgl. dazu Löwe/Rosenberg/Kühne, Einl., Abschn. K Rn. 90; ferner Herzberg, JZ 1989, 118. 177 BVerfGE 65, 377 (382). 178 So Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637); s. ferner Bach, Rücktritt, S. 110 f. 179 Vgl. Bach, Rücktritt, S. 112. 175

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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tätig zum Erfolg führe; der unbeendete Versuch stelle dagegen keinen vollständigen Verstoß gegen die Verbotsnorm dar.181 Solange der Täter den Erfolgseintritt noch nicht für möglich halte, fehle ihm ein wesentlicher Teil des Handlungsunrechts, weshalb eine Bestrafung wegen vollendeter Tat ausgeschlossen sei. Er halte die letzte Entscheidung über das „Ob“ der Tat noch in seiner Hand und habe deshalb weniger zu verantworten. Die Vollendungslösung hingegen fingiere das volle Handlungsunrecht, verknüpfe in unzulässiger Weise ein durch Rücktritt aufgehobenes Handlungsunrecht mit einem gesondert zuzurechnenden Erfolgsunrecht.182 (5) Sachgerechtigkeitserwägungen Schließlich erscheine die Ablehnung einer Zurechnung auch sachgerechter und befriedige das Gerechtigkeitsempfinden besser.183 Man könne nicht die Augen davor verschließen, dass der den Erfolgseintritt noch nicht für möglich haltende Täter durch seine freiwillige Tataufgabe sein Ziel, den Erfolg herbeizuführen, revidiert habe, und ihn an seiner ursprünglichen Absicht festhalten.184 Entgegen anders lautenden Befürchtungen werde er dadurch auch nicht straflos: Da der sich über die Wirksamkeit des bisher Getanen irrende Täter ja zumindest schon einen Teilakt vorgenommen habe, der regelmäßig bereits einen anderen Tatbestand erfülle, sei er – neben einer möglichen Fahrlässigkeitsbestrafung – wegen der bereits vollständig verwirklichten Delikte zu bestrafen.185 ee) Die Folgeproblematik des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch Für diejenigen, die einen subjektiven Vollendungsmangel annehmen, stellt sich sodann die Folgefrage, ob dem Täter die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts offen steht. 180 Kaufmann, ZStW 80 (1968), 34 (51); Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (564); ders., GA 2006, 406 (410 f.); ferner Bach, Rücktritt, S. 111; Backmann, JuS 1981, 336 (340). 181 Vgl. dazu Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (534); ausdrücklich auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 55 f., 66. 182 So Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (565); ders., ZStW 89 (1977), 649 (697 f., 700); ebenso Gropp, § 9 Rn. 66; v. Scheurl, Rücktritt, S. 48. Vgl. ferner Kaufmann, ZStW 80 (1968), 34 (52); Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36); Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (534); ausf. dazu auch Bach, Rücktritt, S. 110 f. 183 Gropp, Jura 1988, 542 (546); Munoz-Conde, GA 1973, 33 (39); ferner Backmann, JuS 1981, 336 (339). Auch Herzberg, JZ 1989, 118 (121), hält es de lege ferenda für „wünschenswert“, den misslungenen Rücktritt wie einen gelungenen zu bewerten. Dazu Dritter Teil A. II. 4. 184 So Bottke, Methodik, S. 557, der eine Vollendungsstrafe zudem für möglicherweise „potentiell (re-)sozialisierend hemmend“ hält. 185 Bach, Rücktritt, S. 123 ff., 126 ff.; Gropp, Jura 1988, 542 (546); ferner Bottke, Methodik, S. 557.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

(1) Rücktrittsausschluss durch den Erfolgseintritt Teilweise wird dies abgelehnt und – trotz grundsätzlich subjektiver Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung – eine „zwischen den Fronten von vollendeter Straftat und straflosem Verhalten“186 liegende Lösung der Problematik verfolgt. Der Täter sei wegen „unbeendet-tauglichen“ Versuchs zu verurteilen, bei subjektiver Erkennbarkeit der Erfolgsgeeignetheit der Handlung gegebenenfalls in Tateinheit mit fahrlässiger Tatbegehung. Die freiwillige Tataufgabe könne bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt werden; strafschärfend werde allerdings zugleich die Tatsache der objektiven Risikoverwirklichung eingehen.187 Zur Begründung wird angeführt, dass sich aus der Ablehnung des Vollendungsvorsatzes für die Anwendung des § 24 StGB keine Schlüsse ziehen ließen, sondern die Ratio des Rücktritts vielmehr voraussetze, dass die Vollendung der Tat durch bloße Tataufgabe wirklich verhindert werden könne, was bei einem Eintreten des Erfolges auf Grund der vom Täter bewusst geschaffenen Gefahr nicht der Fall sei.188 Versage man dem Täter beim fehlgeschlagenen Versuch, bei dem die Vollendung nicht mehr eintreten könne, den Rücktritt, müsse man dies erst recht beim „fehlgeschlagenen Rücktritt“ tun, bei dem die Vollendung sogar zurechenbar bewirkt worden sei.189 Bei dem „objektiv zurechenbaren Erfolgseintritt auf der Grundlage eines unbeendet-tauglichen Versuchs“ handle es sich einerseits um eine „Vollendungsform“, welche „die Vollendungsstrafe nicht rechtfertig[e]“, andererseits aber zugleich um eine „Versuchsform, die das Rücktrittsprivileg nicht verdien[e]“.190 Durch eine Versuchsbestrafung werde man sowohl dem Umstand gerecht, dass der Täter durch seine freiwillige Umkehr „auf dem iter criminis die Gefahrenlage nicht paralysiert“, sondern vielmehr den Erfolg zurechenbar bewirkt und daher den „objektiven Vollunwert“ verwirklicht habe,191 als auch dem „Unrechtsminus“ gegenüber der Vollendungstat, das darin liege, dass der Täter subjektiv am Ende seiner Ausführungshandlung noch nicht das Bewusstsein der Schaffung eines rechtlich relevanten Erfolgsrisikos gehabt und objektiv das zur 186

Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (697); vgl. auch ders., GA 2006, 406 (408 ff.). Bottke, Methodik, S. 555 ff.; Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (698 f.); ders., GA 2006, 406 (408 ff.); vgl. auch ders., Leferenz-FS, S. 545 (560 ff.). Ebenso Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; ders., Studienbuch, 11/75. 188 Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (560 f.); ders., ZStW 89 (1977), 697 ff.; ebenso Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; ders., Studienbuch, 11/75. 189 Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (561); ebenso ders., ZStW 89 (1977), 649 (698). 190 Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (697 f.); ähnlich Bottke, Methodik, S. 557. 191 So Bottke, Methodik, S. 555 f.; vgl. ferner Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (561 f.), der einen Rücktritt jedoch für zulässig hält, wenn bereits die objektive Zurechenbarkeit fehlt. 187

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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Erlangung dieses Bewusstseins erforderliche Verhalten abgebrochen habe.192 Eine bloße Fahrlässigkeitsbestrafung hingegen erfasste nur die Herbeiführung des Erfolges und ließe so einen Teil des Geschehens, nämlich den ursprünglichen Willen des Täters, das Delikt zu begehen, unberücksichtigt. Straflosigkeit wegen des ursprünglichen Verhaltens könne jedoch nur gewährt werden, wenn es im Ergebnis nicht – wie aber vorliegend durch den Schadenseintritt – zu einer Rechtsfriedensstörung komme.193 (2) Rücktrittsmöglichkeit gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB Der überwiegende Teil derer, die das Vorliegen eines ausreichenden Vorsatzes aufgrund der entgegenstehenden Tätervorstellung ablehnen, lassen hingegen auch einen Rücktritt des Täters zu.194 Infolge des Vollendungsmangels liege ein Versuch vor, auf den die allgemeinen Rücktrittsregeln Anwendung fänden. Da der Täter die Vollendung nicht für möglich gehalten habe, habe er durch sein Nichtweiterhandeln die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB erfüllt und sei mithin strafbefreiend zurückgetreten. Er könne daher nur wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden,195 wobei jedoch wiederum darüber gestritten wird, ob an die Verkennung der Gefahrenlage und die unterbliebene Hilfeleistung anzuknüpfen ist196 oder die Fahrlässigkeit in der Versuchshandlung selbst liegt.197 In der Forderung der Gegenansicht nach einem Ausbleiben des Erfolgseintritts als Aufgabeerfolg liege ein „offener Bruch mit dem Gesetz“.198 Es sei nicht erkennbar, wie § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB die objektive Einschränkung enthalten solle, dass die Aufgabe der weiteren Tatausführung den Erfolgseintritt verhindern müsse.199 Damit werde die subjektive Bestimmung der Rücktritts192 Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (697). Nahe stehend Bottke, Methodik, S. 557: Der Erfolg verwirkliche zwar „das Letalitätsrisiko des Versuchs“, trete aber „intentionsund insofern tatplanwidrig“ ein. 193 So Munoz-Conde, GA 1973, 33 (39 f.). Vgl. insoweit auch v. Scheurl, Rücktritt, S. 49. 194 Z. B. Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251 (264 Fn. 28); Römer, Fragen, S. 89; Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 83 f.; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 100; Walter, Rücktritt, S. 145. 195 Teilweise wird darüber hinaus eine Strafbarkeit wegen erfolgsqualifizierten Delikts für möglich gehalten, weil das, was der Täter „nach Beginn, aber vor Beendigung des Versuchs“ tue, im Hinblick auf den Erfolg fahrlässig geschehe, s. Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 89. 196 So z. B. LK-Schroeder, § 16 Rn. 34. 197 So Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 88, weil die Versuchshandlung nur mit Tötungsentschluss, aber eben ohne eigentlichen Vorsatz geschehen sei. Vgl. insoweit bereits Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (557 f.). 198 Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 83. 199 Küper, ZStW 112 (2000), 1 (38 f. mit Fn. 89); vgl. Roxin, AT II, § 30 Rn. 124; ferner Gropp, Jura 1988, 542 (547).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

leistung ausgehebelt und sogar mehr verlangt als beim beendeten Versuch, wo nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB das Ausbleiben der Vollendung genüge; einen Erfolg, der nicht zu seinem Vorsatz zurechenbar sei, müsse der Täter gerade nicht abwenden.200 Im Gegensatz zum fehlgeschlagenen Versuch habe ein Täter, der glaubt, er habe noch keine Erfolgsgefahr bewirkt, könne dies aber noch tun, eine Wahlmöglichkeit und könne daher aufgeben.201 Zudem lasse die Gegenansicht dogmatisch ungeklärt, wieso der „Quasi-Rücktritt“ zwar die Vollendung ausschließen, sich aber auf den Versuch, auf den er sich beziehe, nicht auswirken soll.202 Das Gesetz kenne lediglich die Alternative Versuch oder Vollendung, dagegen keine „dazwischenliegende (,hinkende‘) Vollendung zweiter Klasse“.203 Werde der rücktrittsrechtlich unbeendete Versuch trotz objektiv zurechenbaren Erfolgseintritts deliktssystematisch als bloßes Versuchsdelikt bewertet, sei es nur konsequent, dem Vorsatz- und Zurechnungsdefizit auch im Rücktrittsbereich Beachtung zu schenken und zwischen dem Handeln des Täters und dem Erfolg aufgrund des Zurechnungsdefizits nur eine Fahrlässigkeitsbeziehung anzunehmen.204 Für einen Rücktritt spreche letztlich auch der Sinn der Rücktrittsnorm, da der Täter – wie § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB es erfordere – die Vermutung, er scheue sich nicht vor der Begehung einer wirklichen Pflichtverletzung, erschüttert und aus autonomen Gründen keinen perfekten, weil eben unvorsätzlichen Normbruch begangen habe.205 b) Die vollständige Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes Für die überwiegende Ansicht stellt sich die Folgefrage nach der Rücktrittsmöglichkeit des Täters hingegen gar nicht, weil sie annimmt, dass der Täter auch dann einen zeitlich und inhaltlich ausreichenden Vorsatz aufweist, wenn er davon überzeugt ist, der Erfolg werde nach seiner bisherigen Tathandlung (noch) nicht eintreten. Zur Begründung dieses Ergebnisses finden sich verschiedene – selbständige oder auf die Kritik der Gegenauffassung reagierende – Argumentationslinien.206

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Vgl. Küper, ZStW 112 (2000), 1 (39); Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 84. So Küper, ZStW 112 (2000), 1 (38 f. mit Fn. 89); Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 82 f. 202 Roxin, AT II, § 30 Rn. 124; ebenso Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 83. 203 Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 84. 204 So auch Küper, ZStW 112 (2000), 1 (38); Saal, JA 1998, 563 (565); vgl. v. Scheurl, Rücktritt, S. 49; Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 87. 205 So Schliebitz, Erfolgszurechung, S. 85 ff. 206 Anders, die subjektive Zurechenbarkeit ohne Begründung lediglich feststellend z. B. Bockelmann, § 27 V 3 b (S. 213); Krauß, JuS 1981, 883 (886); Lackner/Kühl, § 24 Rn. 15; Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 54. 201

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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aa) Vorliegen des Vorsatzes im maßgeblichen Zeitpunkt Zum einen wird von BGH und h. L. vorgebracht, dass auch der entgegen der Vorstellung des vermeintlich zurückgetretenen Täters eintretende Erfolg von einem in zeitlicher Hinsicht ausreichenden Vorsatz getragen sei.207 Wenn §§ 16, 8 StGB Vorsatz im Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen, den Erfolg bewirkenden Handlung, nicht aber ein Fortwähren bis zum Erfolgseintritt verlange, bedeute dies nicht, dass der Vorsatz während der gesamten tatbestandsmäßigen bzw. bei der ex ante den Erfolg bewirkenden Handlung vorliegen müsse.208 Die entscheidende Grenzlinie bilde vielmehr der Versuchsbeginn (§ 22 StGB), weshalb es erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass der Täter im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens vorsätzlich handle. Habe er – wie im Fall des im Stadium des unbeendeten Versuchs eintretenden Erfolges – die Schwelle zum Versuchsbeginn überschritten und befinde er sich damit im Ausführungsstadium der Tat, hindere weder ein Vorsatzwegfall noch eine Vorsatzrevision durch einen vermeintlichen Rücktritt im Laufe des Tatgeschehens seine Bestrafung wegen vorsätzlich vollendeter Tat.209 Bewirke der Täter also den Taterfolg entgegen seiner Vorstellung schon durch eine frühere Handlung, sei er – unabhängig davon, ob ihm die Erfolgseignung seiner Tathandlung in diesem frühen Zeitpunkt bereits bekannt gewesen sei – wegen vollendeter Tat zu bestrafen, wenn er bereits vor der den Taterfolg verursachenden Handlung „die Schwelle zum Versuch überschritten [habe] oder sie zumindest mit dieser Handlung“ überschreite.210 Dies belege die in § 8 StGB enthaltene Aussage, dass der Vorsatz keineswegs bis zum Erfolgseintritt aufrechterhalten zu werden brauche.211 Durch den Beginn von Angriffsakten i. S. des § 22 StGB manifestiere der Täter seine Auflehnung gegen die Rechtsordnung in einer tatbestandsmäßigen Handlung212 und gebe er zu verstehen, dass er fortan durch die Kausalität gebunden sein wolle; 207 Vgl. z. B. Gutmann, Freiwilligkeit, S. 110; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 57; Preisendanz, § 24 Anm. 4 c, 5 c, e.; Samson, Strafrecht I, Fall 36 IV 1 c (S. 186). Für die Rspr. BGH, StV 2002, 538. 208 So bereits RGSt 57, 193 (194); zur st. Rspr. vgl. BGH, NStZ 1984, 214; BGH, StV 1986, 59. Für die Literatur s. Beulke, Klausurenkurs, Rn. 319; Otto, JK 99, StGB § 24/26; Römer, Fragen, S. 88. 209 So die st. Rspr., vgl. BGH, StV 2002, 538; s. a. BGHSt 38, 244, u. die h. L., vgl. z. B. Gutmann, Freiwilligkeit, S. 110; Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 1 Fn. 19; Krey, AT II, Rn. 461; Kühl, AT, § 13 Rn. 48a; Roxin, AT I, § 12 Rn. 188; ders., Würtenberger-FS, S. 109 (115); ders., GA 2003, 257 (263 ff.); insoweit zustimmend Bottke, Methodik, S. 546 Fn. 391. 210 BGH, StV 2002, 538. Werde der Erfolg hingegen durch eine Vorbereitungshandlung bewirkt, komme nur eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht, s. BGH StV 2002, 538 (539). Zustimmend etwa Roxin, GA 2003, 257 (259 f.). 211 Vgl. dazu Gropp, Jura 1988, 542 (546); Roxin, Würtenberger-FS, S. 109 (115). 212 So z. B. Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 8 Rn. 94; vgl. in diesem Zusammenhang LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 60 ff. zum gesetzgeberischen Bekenntnis zur subjektiven Versuchslehre.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

ein Irrtum über seine „Gefahrenherrschaft“ sei dann unbeachtlich.213 Dasselbe gelte schließlich auch in den sog. Blutrauschfällen, wo dem Täter die nach dem Verlust der Schuldfähigkeit begangene, eigentliche Tötungshandlung zum Vorsatz zugerechnet werde, wenn er nur schuldhaft die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch überschritten habe.214 bb) Vorliegen eines inhaltlich ausreichenden Vorsatzes Ebenso wenig hindert der Rechtsprechung und dem überwiegenden Schrifttum zufolge die Tatsache, dass der Täter glaube, der Erfolg könne nach dem bisher Getanen noch nicht eintreten, dessen Zurechnung zum Vorsatz. Bereits der unbeendete Versuch sei von einem ausreichenden Vorsatz, das Delikt zu vollenden, getragen und genüge als Anknüpfungspunkt für eine Zurechnung des Erfolges als vorsätzlich verwirklicht.215 Dies wird maßgeblich auf die teilweise sogar zum strafrechtlichen Allgemeingut gerechnete216 Erkenntnis gestützt, dass Versuchsvorsatz und Vollendungsvorsatz identisch seien, d.h. der subjektive Tatbestand bereits im gesamten Versuchsstadium vollständig – und zwar so, wie er beim vollendeten Delikt aussehe – vorliege.217 Der Tatentschluss unterscheide sich allein darin vom Vorsatz, dass zu ihm neben dem stets erforderlichen Vorsatz auch die übrigen Merkmale des subjektiven Tatbestandes gehörten; er schließe den Vorsatz gleichsam ein.218 Beim Versuch stehe „der vollständigen Erfüllung des subjektiven Deliktstatbestandes durch den Täter ein Mangel im objektiven Tatbestand“ gegenüber.219 213 Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 95 f.; ähnlich Gutmann, Freiwilligkeit, S. 109; Roxin, Würtenberger-FS, S. 109 (115); ferner NK-Zaczyk, § 24 Rn. 78; zustimmend LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 57. 214 Grundlegend Oehler, GA 1956, 1 ff. Unter Berufung hierauf BGHSt 23, 133 (135); ferner BGHSt 7, 325 (329); BGH, JZ 1979, 411 (412), jeweils unter der Voraussetzung, dass es sich um eine unwesentliche Abweichung handelt; s. ausf. Puppe, JuS 1980, 346 (347); SK-Rudolphi, § 20 Rn. 27. Gegen eine vorsätzliche Vollendung in diesen Fällen jedoch Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (700 ff.); ferner LK-Schroeder, § 16 Rn. 33 m.w. N. 215 So z. B. Schönke/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 58; SK-Rudolphi, § 16 Rn. 34, § 24 Rn. 16; zustimmend Klöterkes, Rücktritt, S. 30, 32; ebenso Kampermann, Grundkonstellationen, S. 3 f., 67; Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 312; Kühl, AT, § 13 Rn. 48a, § 16 Rn. 80; Roxin, AT I, § 12 Rn. 185; ders., AT II, § 30 Rn. 38; Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; ferner Saal, JA 1998, 563 (565); Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 8 Rn. 94. 216 So Bach, Rücktritt, S. 18. 217 Vgl. bereits Welzel, Strafrecht, § 24 II (S. 189). Für die heute ganz h. L. vgl. Hillenkamp, Roxin-FS, S. 689 (706); Roxin, JuS 1979, 1; ders., AT II, § 29 Rn. 66. Für die Rspr. z. B. BGH, NStZ 1985, 501 m.w. N. 218 Roxin, AT II, § 29 Rn. 66. 219 So BGH, NStZ 1985, 501.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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Der versuchten Tat könne schon deshalb kein qualitativ anderer Vorsatz zugrunde liegen, weil sie lediglich ein Durchgangsstadium zur Vollendung bilde.220 „Mehr an Durchhaltevermögen“ sei nicht zu fordern.221 So seien auch Versuchsverhaltensnormen – wie z. B. „Versuche nicht zu töten“ – nicht erforderlich, weil bereits dieselbe Verhaltensdeterminierung durch die Vollendungsverhaltensnorm – „Töte nicht“ – erreicht werde.222 Außerdem beziehe sich der Vorsatz immer auch auf das, was der Täter noch erreichen wolle, was er sich „vor-gesetzt“ habe, und nicht ausschließlich auf etwas schon Gegebenes.223 Die Annahme eines „bloßen Versuchsvorsatzes mit beschränkter Kraft“ im Stadium des unbeendeten Versuchs laufe außerdem darauf hinaus, dass man dem Täter unterstelle, er habe überhaupt nur den Versuch gewollt. Dann aber läge schon gar kein Versuch vor, denn bloßer Versuchsvorsatz sei kein Tatvorsatz i. S. des § 22 StGB.224 Anhand der Vorstellungen des Täters im jeweiligen Ausführungsstadium über den Vorsatz zu entscheiden, sei „allzu subtil“ und nicht „praktikabel“; 225 das Rücktrittsinstitut als solches sei „viel zu zweifelhaft, um ein spezielles Erfordernis der Vorsatzzurechnung, den Vollendungsvorsatz, zu tragen.“226 Schließlich sei der beendete Versuch auch nicht notwendig gefährlicher und von größerer krimineller Energie geprägt als der unbeendete.227 cc) Nur unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf Große Beachtung bei dem Teil des Schrifttums, der von einer Vollendungsstrafbarkeit ausgeht, findet die im Ergebnis verneinte Frage, ob die Fehleinschätzung des Täters hinsichtlich der Auswirkung der ausgeführten Handlung oder die Aufgabe des Tatentschlusses zu einer wesentlichen Abweichung des Kausalverlaufs führt, welche die Verwirklichung des Vorsatzes im Geschehen bzw. die subjektive Zurechenbarkeit zum Vorsatz hindert.228 Abweichungen ge220 Hillenkamp, Roxin-FS, S. 689 (706); vgl. ferner Klöterkes, Rücktritt, S. 32; NKZaczyk, § 24 Rn. 78; vgl. Weinhold, Rettungsverhalten, S. 72 ff. 221 Roxin, GA 2003, 257 (265); ders., AT I, § 12 Rn. 190. 222 So Vogel, Norm, S. 73; Roxin, GA 2003, 257 (267). 223 Roxin, AT II, § 29 Rn. 66. 224 Gutmann, Freiwilligkeit, S. 109; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 118; ferner NKZaczyk, § 24 Rn. 78; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 8 Rn. 94. 225 So Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 8 Rn. 94; ferner Roxin, AT I, § 12 Rn. 189. Vgl. dazu Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 27. 226 Puppe, Vorsatz, S. 57. 227 Roxin, GA 2003, 257 (265 f.). 228 s. bereits RG, DStR 1939, 177 (178); BGH, GA 1955, 123 (125). Aus der neueren Rspr. BGH, NStZ 2002, 475 (476); BGH, StV 2002, 538 (539). Für die Literatur s. etwa Schönke/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 58 m.w. N.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 8 Rn. 94, § 11 Rn. 82; s. a. Samson, Strafrecht I, Fall 36 IV 1 c (S. 184 ff.); ebenso Welzel, Strafrecht, § 13 I 3 d ß (S. 74).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

genüber dem vorgestellten Kausalverlauf werden dabei als bedeutungslos qualifiziert, solange sie „sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen“.229 Dies sei – ganz gleich, ob man die Erheblichkeit vom Standpunkt des Täters oder des Opfers oder der Allgemeinheit betrachte – bei einer bloßen Fehlvorstellung über die Wirkung der Tathandlung und damit der Möglichkeit des Erfolgseintritts der Fall.230 Zu fordern sei zwar auch eine Vorstellung des Täters mit Blick auf die Art und Weise der Tatbestandsverwirklichung, doch sei eine sichere Lenkung und Beherrschung des Geschehensablaufs vielfach unmöglich und deshalb entscheidend, ob sich das Tatgeschehen noch als Verwirklichung des Tatplans darstelle.231 Die bloße Vorfristigkeit des Erfolgseintritts sowie die Fehlvorstellungen des Täters über die Qualität oder den Wirkungsmechanismus des Tatmittels bzw. den Grad des Tatfortschritts lägen im Rahmen des nach der Lebenserfahrung Voraussehbaren und stünden der normativen Bewertung, dass der Täter seinen Plan realisiert und sein beim ersten Teil der Tathandlung noch erstrebtes Ziel erreicht habe, nicht entgegen.232 Nehme man einen beachtlichen Irrtum über den Kausalverlauf an, begünstige man außerdem den vorsichtigen und überlegenden Täter, der sich vorstelle, noch mehr tun zu müssen.233 Ohnehin sei der tatsächliche Geschehensablauf nicht mit der Vorstellung des Täters im Zeitpunkt des Erfolgseintritts, sondern mit dessen Vorstellung während der tatbestandsmäßigen Handlung zu vergleichen.234

229 Dazu BGHSt 7, 325 (329); BGH, GA 1955, 123 (125); aus der neueren Rspr. vgl. BGH, NStZ 2002, 475 (476), sowie BGH, StV 2002, 538 (539), wo der BGH zugleich klarstellt, dass das fehlende Überschreiten der Versuchsgrenze nicht zu einer wesentlichen Abweichung des Kausalverlaufs führt, sondern bereits den Vorsatz entfallen lässt, so dass sich „die Frage einer (wesentlichen oder unwesentlichen) Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nicht stellt“. 230 So bereits RG, DStR 1939, 177 (178); ebenso jetzt BGH, StV 2002, 538 (539). Aus dem Schrifttum vgl. Kudlich, JuS 1999, 240 (242); Maurach/Zipf, AT I, § 23 Rn. 36; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 97; Preisendanz, § 24 Anm. 4 c; Womelsdorf, Problematik, S. 173. Für den Fall der bereits gesetzten Vorsatzgefahr auch Puppe, Vorsatz, S. 57 f. 231 BGH, GA 1955, 123 (125). Deutlich Roxin, AT I, § 12 Rn. 155 f., 192; ders., AT II, § 29 Rn. 67. 232 Arzt, GA 1964, 1 (6); Beulke, Klausurenkurs, Rn. 319; Römer, Fragen, S. 94; Roxin, GA 2003, 257 (266); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 101; vgl. auch Kudlich, PdW, Fall 234a). 233 So Gutmann, Freiwilligkeit, S. 110; zustimmend Bach, Rücktritt, S. 25. 234 s. dazu Bach, Rücktritt, S. 25.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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dd) Ergebnisorientierte Argumente Zur Begründung der vollständigen Erfüllung des subjektiven Tatbestandes finden sich daneben Argumente, die für eine Vollendungsstrafbarkeit des Täters im Ergebnis sprechen. (1) Die Belastung des Täters mit dem Erfolgsabwendungsrisiko Teilweise wird vorgebracht, die Vollendungshaftung des Täters ergebe sich unabhängig von seinen Vorstellungen über die Erfolgsgefahr aus der gesetzlichen Regelung des § 24 StGB, die den Täter bereits dann mit dem Erfolgsabwendungsrisiko belaste, wenn dieser seinen Tatentschluss auch nur in Form eines unbeendeten Versuchs bestätigt habe.235 So formuliert etwa Schmidhäuser drastisch, aber anschaulich: „Die abgeschossene Kugel ist des Teufels; mit dem Ingangbringen des Geschehens hat sich der Täter an den Zufall verkauft.“236 Bestrafe man den Täter lediglich wegen Fahrlässigkeitsdelikts, werde der Versuch gegenüber der Vollendung verselbständigt und isoliert, obwohl die das Rücktrittsprivileg tragenden Gründe nicht zuträfen.237 § 24 Abs. 1 StGB gewähre dem Täter nämlich nur Straffreiheit für seine freiwillige Abstandnahme und Änderung der Verhaltensrichtung, weil und solange „noch nichts passiert“ sei, er noch alle unerlaubten Risiken sicher in der Hand habe und zeigen könne, dass er nicht bestraft werden müsse, um auf den Weg des Rechts zurückzufinden.238 Bei einer Tatvollendung hingegen ließen insbesondere generalpräventive Erwägungen eine Strafsanktion erforderlich erscheinen.239 (2) Keine unzulässige Objektivierung und kein Abschneiden des Rücktritts Zugleich wird dem Argument der Gegenseite entgegengetreten, die Zurechnung des unerwartet eintretenden Erfolges zum Vorsatz des Täters mache die subjektive Abgrenzung gegenstandslos. Im Rahmen des Rücktritts bleibe allein die Tätervorstellung maßgeblich, genüge also bei einem subjektiven Nichtfürmöglichhalten der Vollendung sein Nichtweiterhandeln, wenn der Erfolg aus an235 So etwa Haft, AT, S. 243; Jakobs, JuS 1980, 714 (716 Fn. 21); ebenso Preisendanz, § 24 Anm. 5 e; vgl. auch Heinrich, AT I, Rn. 767; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 94 f.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 38. Nahe stehend BGH, NJW 2000, 1730 (1732). Im Ergebnis übereinstimmend Jäger, Rücktritt, S. 89 f.; ähnlich Borchert/Hellmann, GA 1982, 429 (442 f.), die jedoch eine objektive Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung befürworten, s. Zweiter Teil B. II. 1., IV. 1. 236 Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; ders., Studienbuch, 11/73. 237 Otto, JK 99, StGB § 24/26; ebenso ders., JK 00, StGB § 24/29. 238 So BGH, NJW 2000, 1730 (1732); Otto, Jura 2001, 341 (344); ebenso bereits Arzt, GA 1964, 1 (8). 239 Gores, Rücktritt, S. 35.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

deren Gründen nicht eintrete, und sei bei einem nur irrtümlichen Fürmöglichhalten der Vollendung sein Aktivwerden erforderlich.240 Eine subjektive Versuchs- und Rücktrittslehre könne allerdings nicht so weit gehen, die objektiv eingetretene Vollendung aufgrund der Vorstellung des Täters zu negieren. Nicht das Vorhandensein eines bestimmten Gefahrbewusstseins nach der vorgenommenen Ausführungshandlung, sondern die vorsätzliche Vornahme der Ausführungshandlung selbst begründe in diesem Fall die Strafbarkeit des Täters.241 Ebenso wenig werde dem Täter durch die Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Vorsatz der Rücktritt frühzeitig „abgeschnitten“. Allenfalls lasse sich feststellen, dass der Rücktritt des Täters nach seiner Rechtsfolge ins Leere gehe, was indes auf einer gesetzgeberischen Entscheidung beruhe, die nicht dadurch unterlaufen werden könne, dass man den Erfolg für unzurechenbar erkläre.242 Es sei kein Grund ersichtlich, dem Täter, der irrig nicht mit einem Erfolgseintritt rechne, dieselben Strafbefreiungsmöglichkeiten zu garantieren, die er bei Richtigkeit seiner Vorstellung gehabt hätte, was im übrigen selbst ein Teil derjenigen, die eine Zurechnung zum Vorsatz ablehnten, so sehe.243 Wenn jeder vorzeitige Fehlschlag die Rücktrittsmöglichkeit ausschließe, müsse „der Erfolgseintritt dies erst recht können.“244 (3) Keine Zufallsstrafbarkeit Als nicht stichhaltig erweise sich ferner die Kritik, dass die Strafbarkeit des Täters nach der Vollendungslösung allein vom Zufall abhänge. Regelmäßig sei der Täter beim misslungenen Rücktritt bereits weit in seiner Ausführungshandlung fortgeschritten oder bei seiner Urteilsbildung über das Gefahrenstadium nicht sorgfältig gewesen, sodass dem Zufallsprinzip nur marginale Bedeutung zukomme.245 Ohnehin gewähre die Rücktrittsmöglichkeit dem Täter lediglich eine zusätzliche Chance, dürfe mithin eine restriktive Auslegung nicht als „unzulässige Härte“ angesehen werden.246

240 So Arzt, GA 1964, 1 (7 f.); vgl. auch Kampermann, Grundkonstellationen, S. 67; Klöterkes, Rücktritt, S. 23; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 150; Puppe, NStZ 1995, 403 (404); Roxin, AT II, § 30 Rn. 39. 241 Kampermann, Grundkonstellationen, S. 67; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 150; ähnlich auch Klöterkes, Rücktritt, S. 23; Roxin, AT II, § 30 Rn. 39. 242 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 44 f. 243 s. Puppe, Strafrecht I, § 20 Rn. 6; dies., Vorsatz, S. 57, die den Rücktritt von Rechts wegen für Glückssache hält. Vgl. dazu Dritter Teil A. III. 2. a) ee) (1). 244 Roxin, AT I, 3. Aufl., § 12 Rn. 170. 245 Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 88. 246 Vgl. Klöterkes, Rücktritt, S. 13 f.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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(4) Ausreichender Unrechtsgehalt für eine Vollendungsbestrafung Auch weise die Tat einen der Vollendungsbestrafung entsprechenden Unrechtsgehalt auf. Der Gegenseite sei zwar zuzugestehen, dass das in der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung des Täters liegende Unrecht aufgrund der Vorstellung des Täters herabgesetzt sei, jedoch nicht in einem für eine Strafbefreiung ausreichenden Maße:247 In einem Tatstrafrecht müsse der angerichtete Schaden und damit die Opferseite bei der Bewertung des Geschehens als negativer Faktor miteinbezogen werden.248 Realisiere sich der Erfolg, sei in diesem Sinne sowohl das Handlungs- als auch das Erfolgsunrecht gegeben, sodass der Täter das volle Strafbarkeitsrisiko zu tragen habe.249 (5) Praktische Konsequenzen Schließlich werden auch die praktischen Konsequenzen für eine Zurechnung auf subjektiver Ebene angeführt: Kriminalpolitisch wie dogmatisch erscheine es wenig angemessen, den mit Tötungsvorsatz handelnden Täter nur, weil er noch weitere Handlungen für erforderlich halte, mittels einer subtilen und lebensfremden Konstruktion nicht wegen vollendeten vorsätzlichen Totschlags zu bestrafen.250 Ein irrender Versuchstäter sei nicht weniger gefährlich als einer, der die Handlung richtig einschätze.251 c) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Den Ausgangspunkt bei der kritischen Würdigung der vertretenen Ansichten bildet die allen Auffassungen gemeinsame Feststellung, dass der vermeintlich vom unbeendeten Versuch zurückgetretene Täter im Fall des entgegen seiner Vorstellung eintretenden Erfolges dann wegen vollendeter Tat zu bestrafen ist, wenn sich sein Vorsatz in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht als ausreichend erweist und der eingetretene Kausalverlauf vom vorgestellten nicht wesentlich abweicht.

247 So Klimsch, Behandlung, S. 107; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 87, 97; ferner Gutmann, Freiwilligkeit, S. 109. Vgl. aber auch Römer, Fragen, S. 88. 248 Gores, Rücktritt, S. 35; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 87; Römer, Fragen, S. 85. 249 So Beulke, Klausurenkurs, Rn. 319. Vgl. zum Ganzen auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 50; ferner die Überlegungen bei Roxin, GA 2003, 257 (263 ff.); ders., AT I, § 12 Rn. 189. 250 Roxin, AT II, § 29 Rn. 67; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 8 Rn. 94. 251 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 313.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

aa) Die zeitliche Dimension des Vorsatzes Um beurteilen zu können, ob darin, dass der Täter, der zwar i. S. des § 22 StGB zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat, – jedenfalls nach der Vornahme seiner Tathandlung – die Möglichkeit des Erfolgseintritts aber nicht erkennt, sich mit anderen Worten im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuchs befindet, ein Vollendungsmangel liegt, muss zunächst der entscheidende Zeitpunkt für das Vorliegen des Tatvorsatzes bestimmt werden. (1) Festlegung des äußeren zeitlichen Rahmens durch den Wortlaut der §§ 8, 16 StGB Auszugehen ist dabei von der gesetzlichen Regelung: Bezüglich des Vorsatzzeitpunkts legt § 16 Abs. 1 S. 1 StGB fest, der Täter müsse die Umstände des gesetzlichen Tatbestandes „bei Begehung der Tat“ kennen, wozu wiederum § 8 StGB bestimmt, dies sei die Zeit, „zu welcher der Täter [. . .] gehandelt hat“ (§ 8 S. 1 StGB); nicht maßgebend sei hingegen, „wann der Erfolg eintritt“ (§ 8 S. 2 StGB).252 (a) Frühestmöglicher Zeitpunkt Hieraus ergibt sich zum einen, dass das Versuchsstadium den äußeren zeitlichen Rahmen für das Vorliegen des Vorsatzes bilden muss. Dies lässt sich indes – wie Roxin zutreffend darlegt – weder mit der mangelnden Gefährlichkeit noch mit der gesetzlich angeordneten Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen zu begründen, sondern basiert darauf, dass der Erfolg auf einer vorsätzlichen Tatbestandshandlung beruhen muss.253 Die bloße Vorbereitungshandlung stellt aber definitionsgemäß gerade noch keine tatbestandsmäßige Handlung dar, weshalb sich eine Zurechnung des Erfolges und damit die Annahme eines vollendeten Delikts verbietet, wenn der Erfolg bereits während dieses Stadiums eintritt, also zu einem Zeitpunkt, in dem noch Unklarheit darüber herrscht, ob der Täter wirklich ins Ausführungsstadium der Tat eintreten und seinen Plan verwirklichen wird.254 (b) Keine Unterscheidung nach dem Zeitpunkt des Erfolgseintritts Andererseits stellt insbesondere § 8 S. 2 StGB klar, dass der Täter seinen Vorsatz nicht bis zum Eintritt des Erfolges durchhalten muss.255 Bereits aus 252 Vgl. allg. dazu Kühl, AT, § 5 Rn. 20; LK-Schroeder, § 16 Rn. 111; s. a. Hettinger, JuS 1989, L 19. 253 Roxin, GA 2003, 257 (260 f.); ders., AT I, § 12 Rn. 184. 254 Übereinstimmend BGH, StV 2002, 538 f.; ausf. LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 104, 136.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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diesem Grund ist der Ansatz Esers abzulehnen, bei der subjektiven Zurechnung danach zu differenzieren, ob der Erfolg im Moment der Vorsatzaufgabe bereits eingetreten ist, und den Vorsatz nur dann für ausreichend zu erachten, wenn der Täter diesen bis zum Zeitpunkt des Erfolgseintritts aufrechterhält. Damit würde jenem Zeitpunkt eine Bedeutung zugemessen, die ihm nach §§ 8, 16 StGB gerade nicht zukommen soll. Für eine Unterscheidung nach dem Zeitpunkt des Erfolgseintritts lässt sich auch keine andere Begründung finden. Denn unabhängig davon, ob der Täter bei Erfolgseintritt noch Vorsatz aufweist, verwirklicht sich im Erfolgseintritt sein ursprünglicher Plan.256 Wie schon der von Arzt gebildete Beispielsfall zeigt, erscheint eine an dieses Kriterium anknüpfende Schlechterstellung des Täters zufällig: Eine Täterin, die bei der Aufgabe der weiteren Tatausführung ihren Mann noch für schlafend hält, wäre dann nämlich wegen vollendeter Tötung zu bestrafen, wenn jener in diesem Zeitpunkt bereits tot wäre, hingegen gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten, wenn er in diesem Moment zwar noch lebte und nur schliefe, jedoch nicht mehr aufwachen würde.257 Ohnedies kann der Rücktrittszeitpunkt lediglich für die Feststellung der Rücktrittsvoraussetzungen maßgeblich sein, nicht hingegen für den Befund über Versuch oder Vollendung, der sich an dem Kenntnisstand zu dem Zeitpunkt, in dem die Frage nach der Strafbarkeit gestellt wird, orientieren muss. Der Verweis Esers auf § 83a StGB kann schließlich schon deshalb nicht überzeugen, weil es sich dabei um eine Spezialvorschrift für die Fälle der §§ 81–83 StGB handelt, in denen bereits das Unternehmen einer Tat bzw. die Vorbereitung eines Unternehmens unter Strafe gestellt, die Tat mithin besonders früh vollendet ist. (c) Mit §§ 8, 16 StGB vereinbare Möglichkeiten Mit Blick auf die gesetzlichen Formulierungen „bei Begehung der Tat“ (§ 16 StGB) bzw. Zeit, „zu welcher der Täter [. . .] gehandelt hat“ (§ 8 StGB), bleibt jedoch unklar und wird daher im Folgenden zu klären sein, ob hierdurch verlangt wird, dass der Tatvorsatz die gesamte Begehungsphase – möglicherweise bis zur Versuchsbeendigung – überlagert, oder ob eine zeitliche Teilabdeckung, insbesondere das Vorliegen des Vorsatzes allein bei Versuchsbeginn, genügt.

255 Dies lässt sich auch schon aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB ableiten, mit der Begründung, der Begriff „Tat“ schließe sicherlich nicht den Erfolg ein; so z. B. Horn, GA 1969, 289 (292). 256 Ähnlich LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 150; Roxin, AT II, § 30 Rn. 123. Ob dies insbesondere in inhaltlicher Hinsicht genügt, gilt es allerdings noch zu ermitteln, s. Dritter Teil A. III. 2. c) bb). 257 s. Arzt, GA 1964, 1 (7).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

(2) Keine Abhängigkeit von der Art der Tatbegehung Entgegen v. Scheurl darf es für die zeitlichen Anforderungen an den Vorsatz keinen Unterschied machen, ob der Täter die Tat durch eine einheitliche Tathandlung oder durch voneinander getrennte einzelne Handlungen begeht. Eine derartige Differenzierung führt nicht nur zu Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Feststellung, ob die Tatausführung in einem Zuge oder durch von einander abgesetzte Einzelhandlungen erfolgt, wie z. B. im Fall mehrerer Messerstiche in verschiedene Körperteile oder mehrerer Giftrationen während einer einzigen Mahlzeit, sondern erscheint auch künstlich und willkürlich, da dadurch mehr oder weniger zufälligen Einzelheiten bei der Tatausführung eine unangemessen große Bedeutung für die Strafbarkeit des Täters zukäme.258 Darüber hinaus begünstigte man dadurch, dass man bei schrittweiser Tatbegehung höhere Anforderungen an das Vorliegen des Vorsatzes stellt als bei kontinuierlicher, ungewollt den planenden, berechnenden und damit gerade gefährlicheren Täter. (3) Fehlende Eignung der Versuchsbeendigung als maßgeblicher Vorsatzzeitpunkt Auch der vor allem von Schliebitz vertretene Ansatz, das Erreichen des rücktrittsrechtlichen Beendigungsstadiums als maßgeblichen Zeitpunkt anzusehen, erweist sich als problematisch. Er basiert auf einem streng zeitlichen Verständnis der Versuchsstadien, demzufolge der Täter nach seinem unmittelbaren Ansetzen i. S. des § 22 StGB zunächst das Stadium des unbeendeten Versuchs durchläuft, bevor er das Beendigungsstadium erreicht, bis zu dem er seinen Vorsatz „durchhalten“ muss. Bereits hierin verbirgt sich jedoch der entscheidende Fehler: Bei der Ermittlung der für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung maßgeblichen Perspektive im Zweiten Teil dieser Arbeit wurde bereits aufgezeigt, dass die Bezeichnungen „unbeendeter“ und „beendeter Versuch“ lediglich abkürzende, unselbständige Hilfsbegriffe für die sich hinter den beiden Rücktrittsformen „Aufgeben“ und „Verhindern“ verbergenden Voraussetzungen darstellen, die das jeweils erforderliche bzw. ausreichende passive oder aktive Rücktrittsverhalten regulieren.259 Die Versuchsstadien können mithin nicht zeitlich, sondern müssen inhaltlich definiert werden, nämlich über die subjektive Vorstellung des Täters von der erforderlichen Rücktrittsleistung im maßgeblichen Zeitpunkt. Zwar ist ein Versuch regelmäßig zuerst unbeendet und danach beendet, was sich darauf zurückführen lässt, dass der Täter durch sein Weiter-

258 Ähnlich die Kritik bei Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 59; vgl. ferner Roxin, AT II, § 29 Rn. 68 f.; ders., GA 2003, 257 (267). 259 s. Zweiter Teil A. I.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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handeln im Verlauf der Tatausführung die objektive Erfolgswahrscheinlichkeit üblicherweise – mehr oder weniger kontinuierlich – steigert und sich dementsprechend auch die Vorstellung des Täters zumeist dahingehend entwickeln wird, die zunächst (noch) nicht für möglich gehaltene Vollendung schließlich für möglich zu halten. Diese Reihenfolge der Versuchsstadien ist jedoch keinesfalls zwingend; ebenso ist es vorstellbar, dass der Täter anfänglich die Vollendung für möglich hält, dann aber seine Vorstellung ändert und die Vollendung gedanklich ausschließt.260 Das Erreichen des rücktrittsrechtlichen Beendigungsstadiums als Zeitpunkt anzusehen ist mithin verfehlt. Insbesondere darf die Beendigung des Versuchs auch nicht mit der – objektiven – Beendigung der Ausführungshandlungen gleichgesetzt werden.261 Ebenso wie der Täter sich bereits nach einem Teil seiner Ausführungshandlungen im Stadium des beendeten Versuchs befinden kann, wenn und weil er den Erfolgseintritt bereits für möglich hält, ist denkbar, dass der Versuch selbst nach Durchführung aller geplanten Handlungen noch ein unbeendeter ist, nämlich wenn der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges nicht für möglich hält. Denn es ist nicht entscheidend, ob der Täter sämtliche geplante Ausführungshandlungen durchgeführt hat, sondern wie er die Wirkung der durchgeführten Handlungen beurteilt. (4) Kein Begleiten der gesamten Tathandlung Unabhängig von der Betrachtungsperspektive erweist es sich ferner als unhaltbar, den Täter nur dann wegen vollendeter Vorsatztat zu bestrafen, wenn er während der gesamten Tathandlung Vorsatz aufweist. Denn zum einen kann es nicht gewollt sein, den Täter – im Fall einer „Ex-ante-Betrachtung“ – so lange nicht wegen vollendeter Tat zu bestrafen, wie er noch nicht alle geplanten Tathandlungen vollständig vorgenommen hat, weil ihn dies selbst dann vor einer Vollendungsstrafe bewahren würde, wenn er die Erfolgsgefahr während der Tathandlung erkannt hätte und lediglich ein – aus aktualisierter Sicht – überflüssiges Weiterhandeln unterließe. Ebenso wenig hat es Sinn, aus der „Ex-post-Perspektive“ zu verlangen, dass der Vorsatz die gesamte, also vom Täter tatsächlich vorgenommene Tathandlung begleitet, weil dieses Erfordernis stets erfüllt wäre, wenn – wie regelmäßig – Vorsatzaufgabe und Unterlassen der weiteren Tatausführung zusammenfielen, demzufolge am ausreichenden Tatvorsatz nur in dem 260

Zur Problematik der Vorstellungskorrektur vgl. Vierter Teil C. So aber Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 52, der meint, weil man „in objektivzeitlicher Hinsicht auf das Stadium der Versuchsbeendigung abstelle“, müsse man dies auch in subjektiv-zeitlicher tun. Ähnlich Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 (543), der vom „Zeitpunkt der Beendigung des Versuchs“ spricht. Vgl. ferner die Forderung Herzbergs, Oehler-FS, S. 163 (169 f.), nach „objektiver“ und „subjektiver“ Versuchsbeendigung. 261

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

seltenen Fall Zweifel bestünden, wo der Täter zunächst den Vorsatz aufgäbe, aber noch – vorsatzlos – weiterhandelte. In eben dieser letzteren Konstellation erscheint der Täter nicht weniger strafwürdig als bei einer sofortigen, mit der Vorsatzaufgabe einhergehenden Tataufgabe. (5) Der Versuchsbeginn i. S. des § 22 StGB als maßgeblicher Vorsatzzeitpunkt Mit Blick auf die zeitliche Dimension des Vorsatzes lässt sich deshalb – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum – feststellen, dass es für eine subjektive Zurechnung genügt, wenn der Vorsatz des Täters zu irgendeinem Zeitpunkt während der tatbestandlichen Handlung – insbesondere also bei seinem unmittelbaren Ansetzen i. S. des § 22 StGB – vorliegt. Dabei ist dem Vorbringen entgegenzutreten, der Zeitpunkt des Versuchsbeginns könne deshalb nicht maßgeblich sein, weil er lediglich unmittelbar vortatbestandlich sei; erst das Aus-der-Hand-Geben der Tat könne eine Erfolgszurechnung tragen. Denn bereits im Versuchsbeginn manifestiert sich die Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung in einer tatbestandsmäßigen Handlung, das Stadium der bloßen Vorbereitungshandlung ist damit passiert. Ein Aus-der-Hand-Geben der Tat zu fordern, erscheint hingegen nur im Fall der mittelbaren Täterschaft bzw. bei einer nach abgeschlossenem Täterhandeln notwendigen Opfermitwirkung als „der mittelbaren Täterschaft verwandten Struktur“262 sinnvoll, weil die herkömmlichen Kriterien zum unmittelbaren Ansetzen dort nicht ohne weiteres angewandt werden können.263 Mit dieser Konstellation ist der Fall des vermeintlichen Rücktritts des Täters vom unbeendeten Versuch jedoch nicht vergleichbar; der Normbruch ist vielmehr bereits perfekt, wenn der Täter bei seinem unmittelbaren Ansetzen einen ausreichenden Vorsatz aufweist und der Erfolg kausal und objektiv zurechenbar eintritt. Damit ist für das Vorliegen des Vorsatzes in diesem Zusammenhang derselbe Zeitpunkt maßgeblich wie in den sog. Blutrauschfällen für das Gegebensein der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB. Der Frage, ob der Wegfall des Vorsatzes sich wie ein Wegfall der Schuldfähigkeit aus dem vorgehenden Handeln entwickelt hat, kann hingegen keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil die Vorsatzaufgabe nach dem Überschreiten der Versuchsgrenze keine derart tiefe Zäsur schafft, dass die Tat ihren tatbestandsspezifischen Charakter und ihre besondere Unrechtsqualität verliert.264

262 263 264

Vgl. dazu BGHSt 43, 177 (180). Ausf. dazu LK-Hillenkamp, § 22 Rn 139 ff., 153 ff. (157). Diesbezüglich übereinstimmend Herzberg, Oehler-FS, S. 163 (171 f.).

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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(6) Zwischenergebnis zur zeitlichen Vorsatzdimension Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Vorsatzes ist der Versuchsbeginn i. S. des § 22 StGB. In zeitlicher Hinsicht weist ein vermeintlich durch Aufgeben der weiteren Tatausführung vom unbeendeten Versuch zurückgetretener Täter damit einen für eine Vollendungsbestrafung ausreichenden Vorsatz auf. bb) Die inhaltliche Dimension des Vorsatzes Zu untersuchen ist ferner, ob der Vorsatz des Täters, der glaubt, noch nicht alles zur Herbeiführung des Erfolges Erforderliche getan zu haben, auch inhaltlich ausreicht, um ihm den eingetretenen Erfolg subjektiv zurechnen zu können. (1) Nichtausreichen eines bloßen „Versuchsvorsatzes“ Vorab ist festzustellen, dass ein bloßer „Versuchsvorsatz“ im eigentlichen Sinn eine Vollendungshaftung des Täters nicht tragen kann. Bloßen „Versuchsvorsatz“ weist ein Täter auf, wenn ihm der für alle Vorsatzarten gleichermaßen erforderliche Wille, die Tat zu vollenden, fehlt. Ist sein Wille von vornherein nicht auf die vollständige Verwirklichung des Tatbestandes, sondern nur auf die Entwicklung der Straftat bis zum Versuch gerichtet, genügt dies weder für eine Versuchs- noch für eine Vollendungsbestrafung.265 Der vermeintlich durch Aufgabe vom unbeendeten Versuch zurückgetretene Täter handelt indes – jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Versuchsbeginns – mit dem erforderlichen Willen, die Tat zu vollenden, also mit Vollendungsvorsatz. Problematisch erscheint allein das kognitive Element des Vorsatzes: Möglicherweise fehlt es ihm an der erforderlichen Voraussicht des Erfolges, da er – jedenfalls bei seiner Tataufgabe – nicht damit rechnet, dass dieser bereits infolge der vorgenommenen Handlung eintritt. Den Vorsatz des Täters bei einem solchen Mangel an Erfolgsvoraussicht als – für eine Versuchsbestrafung zwar ausreichenden, für eine Vollendungsbestrafung jedoch unzureichenden – „Versuchsvorsatz“ zu bezeichnen,266 erscheint aber missverständlich und sollte aufgegeben werden.

265 Ausf. hierzu LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 39; ferner Schönke/Schröder/Eser, § 22 Rn. 21, jeweils m.w. N. 266 So etwa Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548 f.).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

(2) Notwendige Differenzierung innerhalb der Fallgruppe des unbeendeten Versuchs Zutreffender umschrieben wird der von den Gegnern einer Vollendungshaftung geltend gemachte inhaltliche Vorsatzmangel aus diesem Grund durch das Vorbringen, dem Täter, der sich noch im unbeendeten Versuch wähne, fehle die notwendige Voraussicht des Erfolges; erst wenn er sich im beendeten Versuch befinde, weise er einen inhaltlich ausreichenden Vorsatz auf, auf dessen Grundlage ihm die Tat als vorsätzlich begangen zugerechnet werden könne. Jedoch erscheint diesbezüglich bereits fraglich, ob die fehlende rücktrittsrechtliche Beendigung des Versuchs tatsächlich mit der fehlenden Voraussicht des Erfolges gleichgesetzt werden kann: Ein unbeendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter im für die Bestimmung der Rücktrittsleistung maßgeblichen Zeitpunkt267 davon überzeugt ist, die Vollendung sei aufgrund des bisher Getanen nicht möglich.268 Dem unterfällt zum einen die Fallgestaltung, bei welcher er den Erfolg zwar zunächst durch die vorgenommene Handlung herbeiführen will und im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens i. S. des § 22 StGB auch herbeizuführen glaubt, jedoch nach der Vornahme dieser Handlung – bei gleichzeitiger Möglichkeit eines Weiterhandelns – zu der Überzeugung gelangt, der Erfolg könne noch nicht eintreten. Daneben wird aber auch die Konstellation erfasst, bei welcher der Täter zwar insgesamt den Erfolg herbeiführen will, jedoch seiner zunächst vorgenommenen Teilhandlung von Anfang an keine erfolgsverursachende Wirkung beimisst und die seiner Vorstellung zufolge den Erfolg erst herbeiführende Handlung gar nicht mehr vornimmt. Hieraus ergibt sich mit Blick auf die subjektive Tatseite die Notwendigkeit einer Differenzierung. Denn ausschließlich in der letzteren Fallgestaltung fehlt dem Täter tatsächlich die Voraussicht des Erfolges und kann damit die von den Gegnern einer Vollendungshaftung angeführte Begründung überhaupt greifen: Nur dann hat der Täter seiner Vorstellung zufolge noch keine Gefahrenlage geschaffen, aus der sich der tatbestandliche Erfolg entwickeln kann und fehlt ihm die – möglicherweise für eine Vollendungshaftung erforderliche – Kenntnis, dass er die Vollendung hier und jetzt herbeiführt. Hat er dagegen seiner vorgenommenen Handlung ursprünglich erfolgsverursachende Wirkung zugemessen und korrigiert er diese Vorstellung erst später, weist er zunächst die teilweise geforderte Erfolgsvoraussicht auf; allenfalls ließe sich in dieser Situation mit Eser von einem „Wegfall des [ursprünglich bestehenden] Vollendungsvorsatzes“ sprechen.269 Dass ein solcher späterer Wegfall eines bei Versuchsbeginn (§ 22 StGB) vollständig vorliegenden Vorsatzes indes keinen Vollendungsmangel be267 268

Ausf. dazu Vierter Teil. s. Zweiter Teil B. VI., C. I. 3.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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gründen kann, wurde bereits im Zusammenhang mit dem maßgeblichen Vorsatzzeitpunkt aufgezeigt.270 Auch für diejenigen, die vom Täter einen sog. „Versuchsbeendigungsvorsatz“ verlangen, muss der „vorläufig fehlgeschlagene“ Versuch271, d.h. ein vorgenommenes Verhalten, das vom Täter zunächst für erfolgsgeeignet gehalten wird,272 taugliche Grundlage für eine Vollendungsbestrafung sein. (3) Das Verhältnis von Tatentschluss und Vorsatz beim vollendeten Delikt Misst der Täter aber der von ihm bislang von ihm vorgenommenen Handlung bereits von Beginn an keine Erfolgseignung zu, liegt die Besonderheit indes weniger darin, dass der Versuch damit zu keinem denkbaren Zeitpunkt über das rücktrittsrechtliche Stadium des unbeendeten Versuchs hinauskommt,273 sondern vielmehr darin, dass ein „Akt, der dies noch gar nicht soll“ und nach der Vorstellung des Täters auch nicht tut, den Erfolg bewirkt.274 Angesichts dessen, dass der Täter aber auch in dieser Fallgestaltung einen für das Erreichen des Versuchsstadiums i. S. des § 22 StGB ausreichenden Tatentschluss aufweist, kann seiner fehlenden Voraussicht des Erfolgseintritts nur dann vollendungshindernde Wirkung zukommen, wenn an den Vorsatz im Rahmen des vollendeten Delikts gegenüber dem für den Versuch erforderlichen Vorsatz erweiterte Anforderungen zu stellen sind und zwar dergestalt, dass der Täter, um wegen Vollendung zu haften, auch erkennen muss, dass er durch seine Handlung eine Gefahrenlage schafft, aus der sich der tatbestandliche Erfolg entwickeln kann.275 Für die Figur eines derartigen defizitären Vorsatzes finden sich jedoch in der gesetzlichen Regelung des Versuchs keine überzeugenden Anhaltspunkte. Zwar ließe sich aus der Formulierung „nach seiner Vorstellung“ in § 22 StGB, insbesondere weil dort auf den noch in § 26 Abs. 1 E 1962 geforderten „Vorsatz, die 269 Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 24 (Hervorhebung nicht im Original). Vgl. auch Bach, Rücktritt, S. 19, zur Stellungnahme Franks, § 46 IV. 270 s. Dritter Teil A. III. 2. c) aa). 271 So die Bezeichnung dieses Fallgestaltung durch Küper, ZStW 112 (2000), 1 (36 Fn. 77). 272 AK-Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 61, zufolge soll dasselbe gelten, wenn der Täter keine präzisen Vorstellungen über das Erfolgsrisiko seiner einzelnen Teilhandlungen hat, sondern diese unreflektiert im Sinne von Alternativursachen aneinander reiht. 273 Vgl. dazu Küper, ZStW 112 (2000), 1 (35 f. mit Fn. 77). Ein ähnlicher Ansatz findet sich bei Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (701), der die Fälle ausklammern will, „in denen der Beginn der Tat nach dem Tatplan gar nicht ,tötungsgeeignet‘ sein sollte“. 274 Zutreffend v. Scheurl, Rücktritt, S. 47. 275 Ebenso bereits Struensee, Kaufmann-GS, S. 523 (530); Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (563).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Tat zu vollenden“, verzichtet wird, folgern, der Versuch setze im Gegensatz zur Vollendung gerade kein reales Erkennen der Tatumstände im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB voraus, sondern eben nur eine dahingehende Vorstellung.276 Jedoch widerspricht die Gesetzesbegründung zu § 22 StGB einer dahingehenden Interpretation, wonach die Formulierung „nach seiner Vorstellung“ lediglich klarstellen soll, „daß der Versuch vorsätzliches Handeln voraussetzt“, und nur deshalb bevorzugt wurde, weil sie sich besser für Affekttaten ohne zeitlich vorangehende Planung eignet.277 Dass der Vorsatz beim Versuch dem bei der vollendeten Tat entspricht, zeigt sich zudem darin, dass Versuch und Vollendung dieselbe Verhaltensnorm zugrunde liegt. Das vollendete Delikt durchläuft das Versuchsstadium und erfordert im Zeitpunkt des Versuchsbeginns den vollständigen Vorsatz seitens des Täters,278 denn nur wer den Willen und das Wissen hat, durch die Tatbegehung einen Straftatbestand zu verwirklichen, kann nach seiner Vorstellung überhaupt zur Verwirklichung des Tatbestandes i. S. des § 22 StGB unmittelbar ansetzen. Das Defizit des Versuchs gegenüber der Vollendung ist allein in der Unvollständigkeit des objektiven Tatbestandes zu sehen; der Unterschied liegt nicht im Vorsatzgehalt, sondern in dessen Vollzug.279 (4) Zwischenergebnis Auch ein Täter, der sich im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuchs befindet, weil er glaubt, noch nicht alles zur Herbeiführung des Erfolges Erforderliche getan zu haben, weist inhaltlich einen für eine Vollendungshaftung ausreichenden Vorsatz auf. Dies gilt nicht nur dann, wenn er seiner vorgenommenen Handlung ursprünglich erfolgsverursachende Wirkung beigemessen und damit den Erfolgseintritt vorausgesehen hat, sondern aufgrund der Deckungsgleichheit von Tatentschluss beim versuchten und Vorsatz beim vollendeten Delikt stets dann, wenn der Täter i. S. des § 22 StGB unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat. cc) Keine wesentliche Kausalverlaufsabweichung Des Weiteren lässt sich auch in dem Umstand, dass der Erfolg entgegen der Vorstellung des sich bereits im Versuchsstadium befindenden Täters eintritt, keine wesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalver276

Vgl. dazu Schlehofer, Vorsatz, S. 20, 176. BT-Drucks. V/4095, 11. Vgl. dazu ausf. LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 2. 278 So zu Recht Vogel, Norm, S. 73; vgl. LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 31. 279 Ebenso bereits LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 31 unter Verweis auf Lackner/Kühl, § 22 Rn. 1; übereinstimmend etwa Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 40 Rn. 68; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 23. 277

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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lauf sehen. Da eine menschliche Kontrolle des angestoßenen Kausalverlaufs in all seinen Einzelfacetten gar nicht möglich ist und deshalb auch nicht erforderlich sein kann,280 wird die subjektive Zurechenbarkeit des Erfolges zum Vorsatz bzw. die Verwirklichung des Vorsatzes im konkreten Geschehen zu Recht dann nicht ausgeschlossen, wenn sich die Abweichung gegenüber dem vorgestellten Kausalverlauf noch innerhalb der Grenzen der allgemeinen Lebenserfahrung hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt.281 Tritt nun der Erfolg infolge einer Handlung ein, welcher der Täter ursprünglich Erfolgseignung zugemessen hat, kann allein die spätere, irrige Vorstellung des Täters, der Erfolgseintritt sei noch unmöglich, keine wesentliche Kausalabweichung begründen: Der Erfolg ist vielmehr gerade auf die Weise eingetreten, wie es sich der Täter anfangs vorgestellt hat. Aber auch wenn der Erfolg entgegen der von Anfang an bestehenden Tätervorstellung, noch nicht die vorgenommene Teilhandlung, sondern erst eine weitere Handlung sei erfolgsgeeignet, eintritt, bringt die reine Verfrühung des Erfolgseintritts in aller Regel nur eine unwesentliche, eine andere Bewertung der Tat nicht rechtfertigende und damit sich nicht auf die subjektive Zurechnung auswirkende Diskrepanz mit sich. dd) Die Überprüfung des gefundenen Ergebnisses Die sich hieraus ergebende Vollendungshaftung des vermeintlich vom unbeendeten Versuch zurückgetretenen Täters für den eingetretenen Erfolg muss schließlich aber auch im Ergebnis und unter Berücksichtigung der insoweit vorgebrachten Argumente überzeugen. (1) Die Unzulässigkeit rücktrittsbezogener Argumentationsansätze Aus der Rücktrittsregelung selbst ergeben sich keine einer Zurechnung des eingetretenen Erfolges und damit einer Vollendungsstrafbarkeit des vermeintlich vom unbeendeten Versuch zurückgetretenen Täters entgegenstehenden Anhaltspunkte: § 24 Abs. 1 StGB besagt lediglich, dass der Täter, falls sein Rücktritt misslingt und nicht alle Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 StGB erfüllt sind, weiterhin wegen Versuchs zu bestrafen ist. Weder stellt danach der subjektiv vollzogene Rücktritt ein die Zurechnung unterbrechendes Vollendungshindernis dar, noch bürdet die Rücktrittsvorschrift dem Täter für den Fall des Misslingens seiner Rücktrittsbemühungen das Vollendungsrisiko auf.282

280 Dazu vgl. z. B. Hillenkamp, Bedeutung, S. 81 ff.; ebenso Womelsdorf, Problematik, S. 175. 281 Zur ganz h. M. vgl. bereits Dritter Teil A. III. 2. b) cc). 282 Übereinstimmend Bottke, Methodik, S. 555 f. mit Fn. 413, S. 547 Fn. 391; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 45, 191; ähnlich bereits v. Scheurl, Rücktritt, S. 48.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Jene Unabhängigkeit der beiden Bereiche „tatbestandliche Zurechnung“ und „Rücktritt“ verbietet es zugleich, aus dem subjektiven Maßstab bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Schussfolgerungen für die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung auf Tatbestandsseite zu ziehen. Die Kritik, durch die Zulassung einer Vollendungsstrafbarkeit im Fall des Erfolgseintritts trotz vermeintlichen Rücktritts hebe man die subjektive Bestimmung der Versuchsstadien praktisch auf und schneide dem Täter den Rücktritt in unzulässiger Weise vorzeitig ab, ist bereits deshalb zurückzuweisen. (2) Die Entschärfung des sog. „Dilemma-Arguments“ Auch trifft der einer Vollendungsbestrafung entgegengebrachte Vorwurf, man gerate sonst dann, wenn lange offen bleibt, ob der Erfolg noch eintritt, in ein allenfalls durch Abwarten auflösbares Dilemma zwischen Vollendungsbestrafung und der Gewährung von Strafbefreiung wegen Rücktritts, so nicht zu. Er lässt sich zunächst dahingehend entschärfen, dass während des Schwebezustandes, d.h. solange nicht klar ist, ob der Erfolg eintreten, also z. B. das Opfer sterben wird, nicht etwa – wie teilweise vorgebracht – ein strafbefreiender Rücktritt des Täters angenommen werden muss.283 Vielmehr lässt sich in dieser Ungewissheitsphase weder eine Vollendungsstrafbarkeit noch ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch feststellen: Solange der Erfolg noch droht, hat der Rücktritt nämlich die durch den Versuch geschaffene Gefahr nicht hinreichend ausgeglichen und liegt kein, für § 24 Abs. 1 StGB aber erforderliches endgültiges Ausbleiben der Vollendung vor. Weil andererseits mangels Erfolgseintritts auch keine Vollendung vorliegt, ist der Täter materiellrechtlich wegen Versuchs zu bestrafen.284 Zeigt sich nun in der Folgezeit, dass der Erfolg endgültig nicht eintreten, z. B. also das Opfer den Tötungsversuch überleben wird, so kann diese Tatsache zugunsten des Täters berücksichtigt werden, indem das Verfahren nach § 359 Nr. 5 StPO wieder aufgenommen und – bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen – strafbefreiender Rücktritt angenommen wird: Bei dem Überleben des Opfers handelt es sich um eine für den Angeklagten günstige, weil die Feststellung des strafbefreienden Rücktritts ermöglichende Tatsache.285 Diese ist auch neu i. S. der Nr. 5, weil das Überleben des Opfers erst nach dem Urteil

283

So aber Bach, Rücktritt, S. 110 f. Insoweit übereinstimmend Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637); ders., JZ 1989, 114 (118). 285 Vgl. dazu KK-StPO-Schmidt, § 359 Rn. 17 ff., 30 f. 284

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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feststand, dem Gericht zuvor mithin nicht bekannt war und deshalb dem Urteil nicht zugrunde gelegt werden konnte.286 Eine Diskrepanz ergibt sich freilich, wenn der Erfolg umgekehrt in der Folgezeit doch eintritt: Der Täter wäre dann materiellrechtlich eigentlich wegen vollendeter Tat zu bestrafen, was prozessual jedoch bei bereits erfolgter und rechtskräftiger Verurteilung wegen Versuchs mit der – eine sog. Vervollständigungsklage nicht zulassenden – überwiegenden Ansicht am Verbrauch des Strafklagerechts nach dem Grundsatz „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 3 GG) scheitert.287 Diese Widersprüchlichkeit zwischen Versuchs- und Vollendungsstrafbarkeit wiegt allerdings weniger schwer, wenn man bedenkt, dass § 23 Abs. 2 StGB für den Versuch – lediglich – eine fakultative Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB vorsieht288 und dass bei der konkreten Straffestsetzung nach den Strafzumessungsgrundsätzen des § 46 StGB, also einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter, die bereits im Ungewissheitszeitraum bestehende Lebensgefahr für das Opfer und die Ernstlichkeit seiner Verletzung strafschärfend zu berücksichtigen sind.289 Vor allem aber ist die beschriebene Unstimmigkeit nicht der Konstellation des vermeintlichen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eigen, sondern tritt stets dann auf, wenn nach einer rechtswidrig und schuldhaft vorgenommenen Tathandlung zunächst unklar bleibt, ob der Erfolg eintreten wird, etwa das Opfer in Lebensgefahr schwebt. Die gesetzgeberische Entscheidung, das in diesem seltenen Fall des im Beurteilungszeitraum ungewissen Erfolgseintritts290 auftretende Spannungsverhältnis zugunsten der Rechtssicherheit, die der Fortsetzung eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens entgegensteht, und zu Lasten der materiellen Gerechtigkeit, die durch eine objektiv unrichtige Beurteilung der Tat beeinträchtigt ist, aufzulösen,291 muss respektiert und kann einer Vollendungsstrafbarkeit des Täters im Fall des – trotz seines vermeintlichen Rücktritts – eintretenden Erfolges nicht entgegengehalten werden.

286 Zur Neuheit s. KK-StPO-Schmidt, § 359 Rn. 24. Ebenso BVerfGE 65, 377 (381 f.), wo der umgekehrte Fall des späteren Erfolgseintritts als neue Tatsache zuungunsten des Angeklagten angesehen wird. 287 Vgl. BVerfGE 65, 377 (381 f.); Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 171 m.w. N. Anders, eine Vervollständigungs- oder Ergänzungsklage zulassend aber z. B. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 50 Rn. 17 m.w. N. 288 Umfassend LK-Hillenkamp, § 23 Rn. 12, 24 ff. Dazu, ob beim dann gegebenen, unbeendeten Versuch zwingend oder regelmäßig ein mildernder Straffrahmen zu wählen ist, LK-Hillenkamp, § 23 Rn. 19, 32. 289 Vgl. z. B. Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 34. Hingegen wirkt sich die freiwillige Aufgabe des Täters in dem Glauben, noch nicht alles getan zu haben, strafmildernd aus; anders bei Mord, vgl. Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 (537 Fn. 10). 290 Herzberg, JZ 1989, 114 (120), bezeichnet diesen Fall in der Variante des vermeintlichen Rücktritts gar als „hochtheoretisch“. 291 Vgl. BVerfGE 65, 377 (380).

242

3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

(3) Die Unrechtsanalyse Ein weiterer gegen eine Vollendungsstrafbarkeit vorgebrachter Einwand knüpft schließlich an der angeblichen weitgehenden Minderung des Gesamtunrechtsgehalts der Tat bei einem vermeintlichen Rücktritt des Täters an.292 Häufig wird dabei als Vergleichskonstellation die parallel gelagerte Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung herangezogen, bei welcher der Erfolg aus vom Täter unabhängigen Gründen ausbleibt und dem subjektiv bestimmten Rücktrittsverhalten Straffreiheit beigemessen wird. Dazu wird vorgebracht, der Unterschied im Fall des Erfolgseintritts liege – bei identischem, durch das Rücktrittsverhalten des Täters ausgeglichenem Handlungsunwert – allein im ja wohl auch „zufälligen“ Erfolgsunwert und könne so lediglich eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit tragen.293 (a) Die Bedeutung von Handlungs- und Erfolgsunrecht Nach allgemeiner Auffassung setzt sich das Unrecht des vollendeten Verletzungserfolgsdelikts aus Handlungs- und Erfolgsunrecht zusammen. Das Erfolgsunrecht lässt sich dabei als rechtlich missbilligte Rechtsgutsverletzung beschreiben, das Handlungsunrecht als – bei der Vorsatztat – vorsätzliches bzw. – bei der Fahrlässigkeitstat – objektiv sorgfaltswidriges Handeln in Bezug auf eine rechtlich missbilligte Rechtsgutsverletzung, eben eines Erfolgsunrechts.294 Bestünde nun der Unterschied des „misslungenen“ gegenüber dem „gelungenen“ Rücktritt tatsächlich, wie vorgebracht, bei kongruentem Handlungsunrecht allein im Eintreten des Erfolges, käme eine Vollendungsbestrafung des Täters nur dann in Betracht, wenn dem Erfolgsunrecht eine große, den Unterschied zwischen Straffreiheit und Vollendungsbestrafung rechtfertigende Bedeutung zukäme. Die der sog. personalen Unrechtslehre, wonach strafrechtliches Unrecht hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf das Handlungsunrecht gründet, während dem als weitgehend zufällig angesehenen Erfolgsunrecht keine selbständige Bedeutung zuteil wird,295 müssten dies ablehnen: Der Vorsatz des Täters war in beiden Fallgestaltungen gleichermaßen auf Tatvollendung gerichtet; die tatsächliche Realisierung könnte keine wesentlich andere Bewertung rechtfertigen. Folgte man dagegen der traditionellen Unrechtslehre, derzufolge die 292 s. Gropp, § 9 Rn. 67; ferner Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (566); ders., ZStW 89 (1977), 649 (700). 293 So z. B. Bach, Rücktritt, S. 94. 294 Vgl. dazu z. B. Graul, JuS 1995, L 41 ff. m.w. N. 295 Begründet wurde diese Lehre von Welzel, vgl. nur Welzel, Strafrecht, S. 62; ders., Handlungslehre, S. 14. Vgl. Stratenwerth, Schaffstein-FS, S. 177 (182 f.); s. ferner Krauß, ZStW 76 (1964), 19 (62); Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 142, 153.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

243

Rechtsgutsverletzung das Wesen des Verbrechens bildet,296 rechtfertigte die Tatsache des Erfolgseintritts unzweifelhaft die Differenz zwischen Vollendungsstrafbarkeit und Straffreiheit. Beide Ansätze sind jedoch mit Blick auf die geltende Rechtslage abzulehnen: Der personalen Unrechtslehre zufolge müsste die Differenzierung im Strafmaß nämlich – entgegen der zwischen Versuch und Vollendung unterscheidenden Regelung des § 23 StGB – zwischen unbeendetem und beendetem Versuch liegen, weil das Handlungsunrecht beim letztgenannten größer ist; auch dürfte bei Fahrlässigkeit des Täters dessen Strafbarkeit nicht vom Eintritt des Erfolges abhängen, sondern müsste selbst bei fehlender Rechtsgutsverletzung gegeben sein.297 Auch die traditionelle Unrechtslehre widerspricht dem geltenden Recht, weil, wie z. B. die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs sowie die Existenz von Gefährdungsdelikten zeigt, dem Handlungsunwert eine selbständige Bedeutung zugemessen wird.298 Erfolgsunrecht und Handlungsunrecht sind deshalb – mehr oder weniger – gleichermaßen zu berücksichtigen: Einerseits sind nur Erfolge zuzurechnen, welche die konkrete Rechtsgüterverletzung als Werk des Täters erscheinen lassen, andererseits ist die Bestrafungsnotwendigkeit aber auch vom Ausmaß der Gütereinbuße auf Opferseite und damit dem Erfolgseintritt abhängig.299 Der Tatsache des Erfolgseintritts muss mithin bei der rechtlichen Bewertung Bedeutung zukommen; ob sie allein indes den Unterschied zwischen Vollendungsstrafbarkeit und Straffreiheit rechtfertigen könnte, ist damit nicht entschieden. (b) Der Einfluss des Rücktritts auf das Handlungsunrecht Kritisch zu hinterfragen ist ohnedies bereits der Ausgangspunkt dieser auf den Unrechtsgehalt der Tat bezogenen Argumentation, genauer das Vorbringen, im Fall des vermeintlichen Rücktritts bleibe lediglich ein – gegebenenfalls durch Fahrlässigkeitsbestrafung zu sanktionierender – Erfolgsunwert bestehen, weil das zunächst durch die Versuchshandlung verwirklichte Handlungsunrecht der Vorsatztat durch das subjektiv bestimmte Rücktrittsverhalten des Täters ausgeglichen bzw. in gewisser Weise aufgehoben worden und daher dem Täter nicht anzulasten sei.300 Dass das Handlungsunrecht durch das Rücktrittsverhal296

Vgl. dazu ausf. Krauß, ZStW 76 (1964), 19 (20 ff.) m. v. w. N. s. dazu Stratenwerth, Schaffstein-FS, S. 177 (183). 298 Vgl. insoweit auch Bach, Rücktritt, S. 103 ff. 299 Zu der überwiegenden Ansicht z. B. Krauß, ZStW 76 (1964), 19 (65 ff.). 300 So ausdrücklich Gropp, § 9 Rn. 66 f.; vgl. ferner Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36). Auch Klöterkes, Rücktritt, S. 147 f., geht von einer Minderung des Handlungsunrechts aus; ähnlich Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (565 f.); ders., ZStW 89 (1977), 649 (700), der vorbringt, es fehle an einem „wesentlichen Teil des objektiv-subjektiven Handlungsunrechts“. 297

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

ten annulliert werde, ließe sich jedoch lediglich mit den heute zu Recht nicht mehr vertretenen, Versuch und Rücktritt als Einheit betrachtenden sog. Rechtstheorien begründen, die davon ausgehen, der Rücktritt lasse gleichsam als „Unrechtsausschließungsgrund“ Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit der Tat entfallen.301 Dem ist aber – ähnlich wie einem den Rechtstheorien nahe stehenden, neueren Ansatz Bloys, den Rücktritt als „persönlich wirkenden Ausschluss der strafrechtlichen Erheblichkeit des Unrechts“ zu sehen,302 – überzeugend entgegenzuhalten, dass sich das verwirklichte „äußere und innere Geschehen als solches nicht ,rückwärts annullier[en]‘ und aus der Welt“ schaffen lässt, sondern vielmehr auch bei einem nachfolgenden Rücktritt der verwirklichte Versuch bestehen bleibt.303 Deshalb kann auch das Handlungsunrecht als solches nicht entfallen, wie die überwiegende Ansicht zutreffend annimmt: Das Handlungsunrecht besteht entweder trotz des Rücktritts in geminderter Form304 oder sogar vollständig, wobei nur dessen strafrechtliche Erheblichkeit entfällt,305 fort. Bleibt nun bei einem „gelungenen“ Rücktritt der Erfolg aus, rechtfertigt sich der Verzicht auf Strafe durch das fehlende Erfolgsunrecht in Kombination mit einem angesichts des subjektiv bestimmten Rücktrittsverhaltens entweder stark geminderten oder zwar vollständig verwirklichtem, strafrechtlich alleine aber nicht mehr für erheblich erachteten Handlungsunrecht. Tritt dagegen der Erfolg ein, besteht neben dem Erfolgsunrecht auch das Handlungsunrecht jedenfalls in geminderter oder gar vollständiger Form fort; die Kombination aus beidem trägt eine Vollendungsbestrafung.306 Auch eine Unrechtsanalyse steht deshalb einer Vollendungsbestrafung des Täters im Fall des nur vermeintlichen Rücktritts vom unbeendeten Versuch nicht entgegen.

301

So etwa Binding, Verbrechen, S. 95 (125 ff.); Zachariä, Lehre II, S. 239. Bloy, Bedeutung, S. 17 f. 303 Roxin, AT II, § 30 Rn. 12. Bloy, Bedeutung, S. 17 f., entgeht durch die Beschränkung der Straflosigkeit auf den Zurücktretenden freilich den gegen die klassischen Rechtstheorien erhobenen Einwänden der unhaltbaren Folgen für die Teilnahme und des Wertungswiderspruchs zu § 24 Abs. 2 StGB; dazu bereits Dritter Teil A. II. 5. b) bb) (2). 304 Für eine Unrechtsminderung z. B. Rudolphi, ZStW 85 (1973), 104 (121 f.); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 94 ff.; ähnlich Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1421); Streng, ZStW 101 (1989), 273 (324). 305 So diejenigen, die den Rechtsgrund des Rücktritts im Wegfall des spezial- und generalpräventiven Strafbedürfnisses sehen, vgl. BGHSt 9, 48 (52); s. a. Beulke; Klausurenkurs, Rn. 319. In „modifizierter“ Form auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 7 f.; ferner ders., JuS 1988, 425 (432). Dem kriminalpolitischen Ansatz zufolge haben die zur Anerkennung des Rücktrittsprivilegs führenden Erwägungen hingegen nichts mit der Tat selbst zu tun, vgl. dazu Jescheck/Weigend, AT, § 51 VI 1. 306 Vgl. auch Krauß, JuS 1981, 883 (886); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 94. 302

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

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ee) Zwischenergebnis zum erforderlichen Vorsatz und der subjektiven Zurechenbarkeit Aus der Überzeugung des Täters, der Erfolg werde nach seiner bisherigen Tathandlung nicht eintreten, ergibt sich auch in subjektiver Hinsicht kein Vollendungsmangel. Der Vorsatz des Täters liegt im nach §§ 16, 8 StGB maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Versuchsbeginn i. S. des § 22 StGB, vor und erweist sich angesichts dessen, dass bereits der Tatentschluss den für eine Vollendungshaftung erforderlichen, vollen Vorsatz einschließt, stets als inhaltlich ausreichend. Daneben liegt im unerwarteten und verfrühten Erfolgseintritt auch keine wesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf. Schließlich überzeugt auch das gefundene Ergebnis, die Vollendungsstrafbarkeit des nur vermeintlich vom unbeendeten Versuch zurückgetretenen Täters im Fall des Erfolgseintritts. 3. Zwischenergebnis zur Frage der Vollendung der Tat Der entgegen der Vorstellung des vermeintlich vom unbeendeten Versuch zurückgetretenen Täters eingetretene Erfolg ist kausal, objektiv zurechenbar sowie von einem in zeitlicher wie inhaltlicher ausreichenden Vorsatz des Täters umfasst und ihm mangels wesentlicher Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf in der Regel auch subjektiv zurechenbar. Der Täter hat damit den Tatbestand eines Vollendungsdelikts vollständig verwirklicht, weshalb sich die Frage nach einem strafbefreienden Rücktritt gar nicht stellt.

IV. Die Lösung der Problematik durch eine analoge Anwendung gesetzlicher Irrtumsregeln Zuletzt soll noch auf den von Klöterkes entwickelten Ansatz, die Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung nach den Regeln der Irrtumslehre zu lösen,307 eingegangen werden, der in der Literatur indes bislang keine Beachtung gefunden hat. Klöterkes ist der Auffassung, die Situation des Täters, der die Wirksamkeit seiner bisherigen Tathandlung verkenne und irrig annehme, durch bloßes Nichtweiterhandeln den Erfolg verhindern zu können, ähnle der Situation des Erlaubnistatbestandsirrtums, also des Irrtums über tatsächliche, Straffreiheit bedeutende Voraussetzungen. Den Ansatzpunkt für die rechtliche Beurteilung dieser Fallgestaltung bilde deshalb die Frage, wie dieser „Rücktrittsirrtum“ des Täters zu behandeln sei.308

307 308

Klöterkes, Rücktritt, S. 51 ff. Klöterkes, Rücktritt, S. 51 f.

246

3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

1. Analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB Zu deren Beantwortung bestimmt Klöterkes zunächst den „systematischen Standort“ des Rücktritts und kommt zu dem Schluss, § 24 StGB sei als Entschuldigungsgrund anzusehen.309 Verkenne der aufgebende Täter eine tatsächlich bestehende Vollendungsgefahr, irre er über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Entschuldigungsgrundes, weshalb eine analoge Anwendbarkeit des § 35 Abs. 2 StGB, wo der Gesetzgeber klare Vorgaben für den Umgang mit einem solchen Irrtum gemacht habe, in Betracht zu ziehen sei.310 Aufgrund der auch von Roxin angenommenen Parallelen zwischen § 35 StGB und der Rücktrittsregelung, insbesondere „der gleichen Motivationslage und des deutlich verringerten Handlungsunwertes“,311 könnten die vom Gesetzgeber in § 35 Abs. 2 StGB aufgestellten Regeln grundsätzlich übernommen werden, wobei jedoch eine Anpassung der Rechtsfolgen des Rücktrittsirrtums erforderlich sei.312 Im Fall des unvermeidbaren Irrtums, d.h. wenn sich der Täter darauf verlassen könne, dass noch keine Gefahr für das Rechtsgut bestehe,313 treffe diesen entgegen der Regelung des § 35 Abs. 2 StGB eine Fahrlässigkeitshaftung, weil die Rettung des Rechtsguts beim Rücktritt von zentraler Bedeutung sei und der Täter – im Gegensatz zur Situation beim entschuldigenden Notstand – die den Irrtum hervorrufende Situation selbst herbeigeführt habe.314 Sei der Irrtum vermeidbar gewesen, komme dem Täter analog § 35 Abs. 2 S. 2 StGB eine obligatorische Strafmilderung zu.315 Nur so könne man einerseits der Tatsache, dass der Täter den Erfolg verhindern wolle und subjektiv von seiner Straflosigkeit ausgehe, andererseits aber auch dem Umstand, dass sich in der eingetretenen Rechtsgutsverletzung die vom Täter vorsätzlich gesetzte Gefahr verwirklicht habe, gerecht werden.

309 Klöterkes, Rücktritt, S. 52 ff., 132. Insoweit übereinstimmend etwa Roxin, AT II, § 30 Rn. 29 f.; Rudolphi, ZStW 85 (1973), 104 (121 f.); Ulsenheimer, Grundfragen, S. 94 ff. Anders jedoch die h. L., s. nur Jescheck/Weigend, AT, § 51 VI 1; Lackner/ Kühl, § 24 Rn. 1; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 4, jeweils m.w. N. 310 Klöterkes, Rücktritt, S. 138. 311 Klöterkes, Rücktritt, S. 146 ff., 159 unter Verweis auf Roxin, JuS 1988, 425 (433). Roxin zufolge liegt die Ähnlichkeit indessen darin, dass „trotz einer gewissen Schuld auf Sanktionierung verzichtet wird, weil Strafzweckerwägungen jeweils unterschiedlicher Art sie als unnötig erscheinen lassen.“ 312 Klöterkes, Rücktritt, S. 159, 169. Auch Roxin, JuS 1988, 425 (433), spricht die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB auf „die Irrtumsfälle“ an, wobei er jedoch nicht näher ausführt, welche Konstellationen damit gemeint sind. 313 Vgl. Klöterkes, Rücktritt, S. 143 f. 314 Klöterkes, Rücktritt, S. 147 ff. 315 Klöterkes, Rücktritt, S. 160 ff.

A. Die Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung

247

2. Kritische Würdigung dieses Ansatzes und eigene Stellungnahme Auch wenn man § 24 StGB systematisch als Entschuldigungsgrund316 und § 35 Abs. 2 StGB als grundsätzlich analogiefähig ansieht, kommt eine analoge Anwendung nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, d.h. eine planwidrige Regelungslücke besteht und die Situation des vermeintlichen Rücktritts vom unbeendeten Versuch im Fall des Erfolgseintritts mit der gesetzlich geregelten Fallgestaltung der irrigen Annahme von nach § 35 Abs. 1 StGB entschuldigenden Umständen vergleichbar ist.317 a) Kein planwidriges Fehlen einer Regelung der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung Vordergründig betrachtet ließe sich mit Klöterkes die erstgenannte Voraussetzung unter Verweis darauf als erfüllt ansehen, dass der Rücktrittsregelung offensichtlich eine Irrtumsregelung fehle, was vom Gesetzgeber angesichts der nicht seltenen, verschiedenartigen Fehlvorstellungen nicht gewollt sein könne.318 Jedoch bedarf es einer Irrtumsregelung für Fehlvorstellungen über die erforderliche Rücktrittsleistung gar nicht: Wenn, wie im Zweiten Teil der vorliegenden Arbeit gezeigt, allein die Vorstellung des Täters die von diesem zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmt, ganz gleich, ob sich diese als zutreffend oder unzutreffend erweist, ist eine gesonderte Regelung für Fehlvorstellungen überflüssig und kommt es insbesondere nicht – wie aber im Rahmen des § 35 Abs. 2 StGB – auf die Vermeidbarkeit der Fehlvorstellung an. b) Fehlvorstellung über den Erfolgseintritt? Allenfalls ließe sich vorbringen, dass der Täter sich in der Konstellation des nur vermeintlichen Rücktritts nicht nur über die – subjektiv zu bestimmende – erforderliche Rücktrittsleistung, sondern jedenfalls auch über die Tatsache des Erfolgs- und damit des Vollendungseintritts, also einer „objektiven Voraussetzung“ des Rücktritts irre.319 Indes ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Tataufgabe ein Irrtum über die Vollendung überhaupt nur möglich, wenn diese bereits eingetreten ist. Denn die 316 Sieht man in § 24 StGB mit der h. L. einen Strafaufhebungsgrund, scheitert eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB als Irrtumsregelung für einen Entschuldigungsgrund wohl bereits an der deshalb fehlenden Vergleichbarkeit. 317 Zu den Voraussetzungen analoger Anwendung von Rechtsvorschriften im Strafrecht vgl. z. B. Jescheck/Weigend, AT, § 17 I 1; Schönke/Schröder/Eser, § 1 Rn. 24; SK-Rudolphi, § 1 Rn. 22. 318 Ähnlich Klöterkes, Rücktritt, S. 52. 319 So wohl Klöterkes, Rücktritt, S. 134 ff.

248

3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Möglichkeit, sich falsche Vorstellungen über etwas zu machen, setzt notwendig die Möglichkeit zu diesbezüglich mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Aussagen voraus, weshalb der Umstand, über den sich ein Täter falsche Vorstellungen macht, in der Vergangenheit oder Gegenwart liegen muss. Ist es im Zeitpunkt der Tataufgabe dagegen – wie in den allermeisten Fällen – noch nicht zum Erfolgs- und Vollendungseintritt gekommen, kann insoweit lediglich eine Prognose abgegeben werden, die trotz zutreffender Ausgangsbasis fehlgehen kann.320 Vor allem aber stellt das Erfordernis der Nichtvollendung keinen Umstand im Sinne des § 35 Abs. 2 StGB dar, sondern bestimmt § 24 StGB vielmehr, ganz gleich ob man dies als Voraussetzung oder als Rechtsfolge einstuft,321 dass dem Rücktritt keine Bedeutung zukommt, wenn der Erfolg zurechenbar eintritt, die Tat also vollendet ist. Selbst wenn man zugunsten des Täters durch eine analoge Anwendung der Irrtumsregelung § 24 StGB zur Anwendung kommen ließe, hätte dies lediglich die Befreiung des Täters von der Versuchsstrafbarkeit zur Folge, bliebe seine Strafbarkeit wegen vollendeter Tat indes unberührt. Die Anerkennung eines Rücktrittsirrtums kann schließlich nicht dazu führen, dass der Täter besser steht, als wenn sämtliche Rücktrittsvoraussetzungen vorlägen. 3. Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit gesetzlicher Irrtumsregeln Eine Strafbefreiung bzw. Strafmilderung aufgrund eines „Rücktrittsirrtums“ über § 35 Abs. 2 StGB analog ist folglich abzulehnen.

V. Ergebnis zur Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung bei eintretendem Erfolg Verkennt der Täter die Wirkung seiner bisherigen Tathandlung und gibt er infolgedessen in der irrigen Vorstellung, dies genüge zur Bewahrung des Rechtsguts vor Schaden, lediglich die weitere Tatausführung auf, haftet er, wenn der Erfolg – entgegen seiner Vorstellung – eintritt, wegen vollendeter Tat. Die Fehlvorstellung des Täters begründet keinen Vollendungsmangel: Weder kann § 24 Abs. 1 StGB als Erfolgszurechnungsnorm angesehen werden, die dem vermeintlich vom unbeendeten Versuch zurückgetretenen Täter das Risiko des Erfolgseintritts abnimmt, noch steht die Vorstellung des Täters, der Erfolg werde nach seiner bisherigen Tathandlung noch nicht eintreten, dem Bestehen eines zeitlich und inhaltlich mit dem Erreichen des Versuchsstadiums bereits vollständig vorhandenen und daher die subjektive Zurechnung tragenden Tatvorsatzes entgegen. Auch bringt die Verfrühung und Unerwartetheit des Erfolgs320 321

Vgl. dazu Driendl, GA 1986, 253 f. s. dazu Dritter Teil A. II. 5.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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eintritts nur eine in der Regel unwesentliche, den Kausalverlauf nicht unterbrechende Abweichung mit sich. Der Annahme eines strafbefreienden Rücktritts von oder vor dieser vollendeten Tat steht die Eingangswendung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB entgegen, die verdeutlicht, dass ein Rücktritt sich lediglich auf die Versuchsstrafbarkeit auswirken kann. Entschieden abzulehnen ist schließlich der Vorschlag, wegen eines „Rücktrittsirrtums“ des Täters über § 35 Abs. 2 StGB analog eine Strafbefreiung oder Strafmilderung zuzulassen. Dass der Täter in der Vorstellung, dies genüge zur Vermeidung der Vollendung, die weitere, ihm mögliche Tatausführung unterlassen hat, findet mithin lediglich im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB Berücksichtigung. Die Tatsache des Erfolgseintritts kann in der Konstellation des Verkennens einer bestehenden Vollendungsgefahr somit über Strafbefreiung oder Vollendungsstrafbarkeit entscheiden. Dieser Unterschied in der rechtlichen Bewertung des Täterverhaltens hat seinen Grund darin, dass im Fall des Erfolgseintritts zusätzlich und der Rücktrittsproblematik gleichsam vorgeschaltet der hiervon unabhängige Bereich der tatbestandlichen Zurechnung dieses Erfolges betroffen ist und sich damit, eben weil es zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist, ganz andere Fragen stellen als bei dem – wenngleich möglicherweise glücklichen – Ausbleiben einer solchen. Zugleich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es zu einer derartigen Diskrepanz in der Rechtsfolge aufgrund der geringen inhaltlichen Anforderungen an eine Versuchsbeendigung nur selten kommen wird, nämlich allein dann, wenn der Täter vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt ist.322 Hält er die Vollendung hingegen auch nur für möglich, entscheidet der Erfolgseintritt – wie stets – über die Frage zwischen Versuchs- und Vollendungsstrafbarkeit.

B. Die Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung bei eintretendem Erfolg Bei der nunmehr zu untersuchenden Fehlvorstellung erkennt der Täter zwar die tatsächlich bestehende Möglichkeit des Erfolgseintritts und unternimmt seiner damit einhergehenden Einschätzung, den Erfolgseintritt aktiv verhindern zu müssen, entsprechend auch Verhinderungsbemühungen. Jedoch verkennt er, dass diese Bemühungen die geschaffene Erfolgsgefahr nicht zu beseitigen vermögen; der Erfolg tritt entgegen seiner Erwartung ein.323 322

s. dazu Zweiter Teil C. I. Vgl. bereits Erster Teil B. II. 2. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf Fehlvorstellungen des Täters, außer Betracht bleibt deshalb die – oft in demselben Zusammenhang angesprochene – Fallgestaltung des erkannten Scheiterns von Rücktrittsbemühungen, bei der sich teilweise identische Fragen ergeben. 323

250

3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Angesichts der weitgehenden Übereinstimmung mit Blick auf das „Ob“ der Strafbarkeit beschränkt sich auch bei dieser Fallgestaltung die Uneinigkeit auf die Frage, wonach die Bestrafung des Täters zu erfolgen hat. Überwiegend wird – häufig wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung – eine Vollendungsstrafbarkeit des Täters angenommen (sog. Vollendungslösung); dass der Täter sich um die Verhinderung des Erfolges bemüht habe, ändere nichts an der vorsätzlichen Vollendung und könne lediglich im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Vereinzelt wird dagegen – teilweise unter einschränkenden Voraussetzungen – bereits aus dem vermeintlich wirksamen Bemühen um Vollendungsverhinderung ein der Vollendungsstrafbarkeit des Täters entgegenstehender, objektiver oder subjektiver Vollendungsmangel abgeleitet. Jene Bemühungen des Täters lassen sich dann auch als strafbefreiender Rücktritt werten; zu bestrafen wäre der Täter mithin lediglich gegebenenfalls wegen Fahrlässigkeitsdelikts (sog. Freispruchslösung). Teilweise wird jedoch aufgrund des Erfolgseintritts die Rücktrittsmöglichkeit des Täters ausgeschlossen und sein Verhalten als Versuch, gegebenenfalls in Tateinheit mit fahrlässiger Tatbegehung, bewertet (sog. Versuchslösung).324 Mit der Untersuchung der vertretenen Lösungsansätze soll auch bei dieser Fallgestaltung auf der Rücktrittsebene begonnen, also für die Konstellation des beendeten Versuchs nach der Zulässigkeit eines strafbefreienden Rücktritts trotz Vollendung gefragt werden. Im Fall der Ablehnung einer Rücktrittsmöglichkeit wird dann auf der Tatbestandsebene zu prüfen sein, ob das Verhinderungsbemühen des Täters gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Umständen bzw. ob seine Vorstellung, die Möglichkeit des Erfolgseintritts durch sein Verhalten abgewendet zu haben, einen objektiven oder subjektiven Vollendungsmangel begründet und ob dieser Mangel ihm darüber hinaus die Möglichkeit zu einem strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 oder S. 2 StGB verschafft. Schließlich ist auch hier auf die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung bestehender Irrtumsregeln einzugehen.

I. Die Auswirkung des Kriteriums „nach seiner Vorstellung für möglich halten“ bei der Ermittlung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums Zunächst ist allerdings die Bedeutung der im Zweiten Teil dieser Arbeit getroffenen Entscheidung, ein beendeter Versuch liege vor, wenn der Täter die Vollendung für möglich halte, für die rechtliche Beurteilung der Fehlvorstellung des Täters über die Effektivität seiner Rücktrittshandlung zu klären. Gerade anders als bei einer Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung erkennt der Täter allerdings in der vorliegenden Konstellation die Erforderlichkeit 324

Vgl. dazu den Überblick bei Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 89 f.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

251

eines aktiven Verhinderns der Vollendung. Die mangelnde Wirksamkeit seines Verhinderungshandelns und damit der Eintritt des Erfolges sind nicht auf eine Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung zurückzuführen, sondern darauf, dass der Täter die Wirksamkeit seiner Verhinderungsbemühungen falsch einschätzt.325 Der im Zweiten Teil der Arbeit gefundene Maßstab für eine Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch hat demzufolge keine direkten Auswirkungen auf die Behandlung dieser Fallgestaltung. Allenfalls lässt sich eine mittelbare Bedeutung der subjektiven Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung annehmen: Sie ist Ausdruck eines subjektiven Rücktrittsverständnisses, auf dessen Grundlage es überhaupt erst vorstellbar erscheint, neben der zu erbringenden Rücktrittsleistung auch deren Wirksamkeit nach einem subjektiven Maßstab zu bestimmen, d.h. auch die nur vermeintlich gelungene Rettung für eine Strafbefreiung genügen zu lassen.

II. Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 oder S. 2 StGB von der Vollendung Auch hier käme es darauf, ob eine Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung einen Vollendungsmangel begründet, nicht an, wenn ein Rücktritt sogar von der Vollendung möglich wäre, d.h. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 bzw. S. 2 StGB den Täter von Strafe befreite, obgleich er den Erfolg in objektiv und subjektiv zurechenbarer Weise herbeigeführt hat. 1. Kein Ausschluss des Rücktritts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 oder S. 2 StGB durch Vollendung a) Der Rücktritt von der Vollendung Ähnlich wie im Zusammenhang mit der Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung wäre es auch bei der Fehlvorstellung des Täters über die Effektivität seiner Rücktrittsleistung denkbar vorzubringen, dass die Vollendung den Rücktritt nicht ausschließe, solange der Täter nur subjektiv davon ausgehe, er habe den Erfolg und damit die Vollendung verhindert. Da jedoch einer derartigen Argumentation sowohl der Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB, wonach vom Täter erfolgsbezogen ein Verhindern der Vollendung verlangt wird, als auch der Bedeutungszusammenhang mit § 24 Abs. 1 S. 2 325 Anders als bei der „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ genügt es für ein „Verhindern der Vollendung“ nicht, dass der Täter die bloße Notwendigkeit eines Aktivwerdens erkannt hat und sich demgemäß verhält. Sein Tätigwerden kann wirksam oder unwirksam sein; der Täter kann sich folglich auch bezüglich der Wirksamkeit seines Rettungshandelns falsche Vorstellungen machen.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

StGB, der ebenfalls das Ausbleiben der Vollendung voraussetzt, entgegenstehen, lehnt selbst Bach einen Rücktritt von der Vollendung ab, sobald der Täter den Erfolgseintritt einmal für möglich gehalten hat.326 Seinen Ansatz, es sei allein maßgeblich, wie sich die Tat im Moment des Rücktritts in der Vorstellung des Täters darstelle,327 verfolgt er im Zusammenhang mit dem rücktrittsrechtlich beendeten Versuch nicht weiter. b) Die Differenzierung nach der Irreparabilität des Erfolges Walter hingegen will auch in der Konstellation des rücktrittsrechtlich beendeten Versuchs trotz Vollendungseintritts einen Rücktritt zulassen, wenn kein irreparabler Erfolg eintritt und „bei einer Gesamtwürdigung des Geschehens der Vollendungserfolg im Verhältnis zum Bewährungserfolg offensichtlich und eindeutig zurücktritt“,328 was allerdings nur in engen Ausnahmefällen, wie z. B. bei der vorsätzlichen Verhinderung einer an sich vorgenommenen Lebensrettung durch das Opfer oder Dritte, angenommen werden könne.329 Danach gibt es – wenngleich wenige – Fallgestaltungen, in denen trotz Vollendung eine Strafbefreiung des die drohende Vollendung vermeintlich verhindernden Täters möglich ist. 2. Nichtvollendung der Tat als Voraussetzung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB Der Ansatz Walters ist jedoch bereits aus den oben angeführten Gründen abzulehnen:330 Für eine Differenzierung nach der Irreparabilität des Erfolges finden sich im Wortlaut des Gesetzes keinerlei Anhaltspunkte. Auch kann die Vollendungsstrafe des Täters nicht von einer Abwägung zwischen Vollendungserfolg und Bewährungserfolg abhängen, da eine solche Gesamtwürdigung des Geschehens nicht einmal beim Ausbleiben der Vollendung Bedeutung erlangt. Mit der ganz überwiegenden Auffassung ist vielmehr davon auszugehen, dass auch § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB den Täter nur dann von Strafe befreien können, wenn die Vollendung ausbleibt. Zu den bereits im Fall des irrigen Nichtfürmöglichhaltens der Vollendung überzeugend für eine Beschränkung der Rücktrittsmöglichkeit auf den Versuch sprechenden Argumenten331 326

So Bach, Rücktritt, S. 35; vgl. auch S. 111. Bach, Rücktritt, S. 36 f., 38, zum vermeintlichen Rücktritt vom unbeendeten Versuch. 328 Walter, Rücktritt, S. 148 (Hervorhebung im Original); vgl. auch S. 52, 143. 329 So Walter, Rücktritt, S. 148, ferner S. 144. Im Schrifttum wird diese Fallgestaltung überwiegend dem Problemkreis der objektiven Zurechnung zugerechnet; vgl. Dritter Teil B. III. 1. b) bb), c) cc). 330 Vgl. Dritter Teil A. II. 5. a). 327

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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kommen, wenn der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt hat, sich aber über die Wirksamkeit der Verhinderungshandlung falsche Vorstellungen macht, noch weitere Gründe hinzu: So verlangen die Gesetzesformulierungen zum beendeten Versuch in § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB über die gleichermaßen geltende Eingangswendung „Wegen Versuchs wird nicht bestraft“ hinausgehend explizit, dass die Rücktrittsleistung des Täters entweder objektiv effektiv sein und die Vollendung verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) oder aber die Vollendung ohne Zutun des Täters ausbleiben (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB) muss.332 Ein Rücktritt von oder trotz Vollendung ist damit ausgeschlossen. Darüber hinaus verstieße eine Zulassung des Rücktritts neben der Vollendung im Fall des rücktrittsrechtlich beendeten Versuchs gegen die Wortsinngrenze, womit zugleich vorgegeben ist, dass der Zusammenhang zwischen Strafbefreiung und der Nichtvollendung – jedenfalls de lege lata333 – nicht auf der Rechtsfolgen-, sondern bereits auf Voraussetzungsseite zu lozieren ist.334 3. Zwischenergebnis zur Frage des Rücktritts von der Vollendung Im Fall der Vollendung der Tat kann folglich weder § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB noch § 24 Abs. 1 S. 2 StGB den vermeintlich vom beendeten Versuch zurückgetretenen Täter von der Vollendungsstrafe befreien. Daher ist es geboten zu untersuchen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung einen Vollendungsmangel begründen kann.

III. Die Nichtvollendung der Tat aufgrund der Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung Dass die vom Täter vorgenommene Tathandlung auch dann für den Erfolgseintritt kausal ist, wenn es dem Täter entgegen seiner Vorstellung nicht gelingt, 331

s. dazu Dritter Teil A. II. 5. a). Ähnlich Bottke, Methodik, S. 529, 538; Roxin, AT II, § 30 Rn. 113, 125. Vgl. bereits die Einschätzung des Reichsgerichts in RGSt 57, 193 (195), der Handelnde werde „in die Notwendigkeit versetzt, den Erfolg tatsächlich zu vereiteln“; ferner RG HRR 1936, Nr. 638; BGH, NJW 1973, 632 (633). 333 De lege ferenda fordert Herzberg, der das Merkmal der Nichtvollendung innerhalb der Versuchslehre als Fremdkörper ansieht, nachdrücklich, das ernsthafte Bemühen um Vollendungsverhinderung für die Befreiung von der Versuchsstrafe ausreichen zu lassen, s. MK-Herzberg, § 24 Rn. 51, 57; ders., JZ 1989, 114 (116, 120); ders., NJW 1991, 1633 (1638); ders., Kohlmann-FS, S. 37 (51). 334 Übereinstimmend für den beendeten Versuch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 92; deutlich zur geltenden Rechtslage auch Herzberg, JZ 1989, 114 (117 Fn. 21); vgl. ferner Bach, Rücktritt, S. 35, zu § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB. 332

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

deren Auswirkungen zu verhindern, steht außer Zweifel: Sie kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.335 Uneinheitlich wird hingegen die Frage beantwortet, ob der entgegen der Überzeugung des Täters von der Wirksamkeit seiner vorgenommenen Verhinderungshandlung eingetretene Erfolg stets objektiv zurechenbar ist und dem Täter als vorsätzlich verwirklicht zugerechnet werden kann. 1. Die objektive Zurechenbarkeit des trotz vermeintlich wirksamen Verhinderungsbemühens eingetretenen Erfolgs Der eingetretene Erfolg ist dann objektiv zurechenbar, wenn der Täter durch seine hierfür ursächliche Handlung entgegen der dem Schutz des betreffenden Rechtsguts dienenden Verhaltensnorm und damit verbotswidrig gerade die Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen bzw. erhöht hat, die sich dann im konkreten Erfolg realisiert.336 a) § 24 Abs. 1 StGB als Regelung der objektiven Zurechenbarkeit Zur Beantwortung der Frage, ob der entgegen der Vorstellung des Täters, sein Verhinderungsbemühen sei wirksam, eintretende Erfolg noch innerhalb dessen liegt, was nach dem natürlichen Verlauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung zu stellen ist, wird teilweise auf die gesetzliche Regelung des § 24 Abs. 1 StGB verwiesen und behauptet, diese entscheide originär darüber, wann der Täter beim gescheiterten Rücktritt das tatbestandliche Vollendungsrisiko trage.337 aa) § 24 Abs. 1 StGB als Argument gegen eine objektive Zurechnung Im Gegensatz zur Situation des im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuch eintretenden Erfolges wird dabei indes regelmäßig nicht die gesetzliche Regelung des § 24 Abs. 1 StGB gegen eine Zurechnung ins Feld geführt. Lediglich einzelne Aussagen Wolters und Herzbergs ließen sich dahingehend verstehen, dass gerade aus dem Nichteingreifen des § 24 Abs. 1 StGB ein Zurechnungshindernis abzuleiten sei: Weil der gelungene Rücktritt nach § 24 Abs. 1 StGB nur dazu führe, dass der Täter „nicht wegen Versuchs“ bestraft werde, könne das für den gescheiterten Rücktritt lediglich die Verneinung eben dieser Rechtsfolge bedeuten, d.h. eine Bestrafung des Täters wegen – aber eben auch nur wegen – Versuchs.338 335

Vgl. dazu nur Klöterkes, Rücktritt, S. 15. Zur Definition der objektiven Zurechnung s. Dritter Teil A. III. 1. m.w. N. 337 Vgl. zu diesem Gedanken im Zusammenhang mit der Situation des unbeendeten Versuchs bereits Dritter Teil A. III. 1. a). 336

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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Jedoch ist nicht anzunehmen, dass Wolter und Herzberg ihre Äußerungen dahingehend verstanden wissen wollen. Vielmehr soll der Verweis auf die Rechtsfolge des § 24 Abs. 1 StGB – Strafbefreiung vom Versuch – lediglich zeigen, dass aus dem Misslingen des Rücktritts nicht einfach die Vollendungsstrafbarkeit gefolgert werden darf, sondern dass eine solche der tatbestandlichen Begründung bedarf.339 Diese Aussage nun – gleichsam spiegelbildlich – als Argument gegen eine Vollendungsbestrafung zu werten, widerspräche gerade der dahinter stehenden Forderung nach einer Trennung zwischen Tatbestands- und Rücktrittsebene. Deshalb ist Schliebitz darin beizupflichten, dass eine spiegelbildliche Heranziehung der Aussage „Straffreiheit nur wegen Versuchs“ richtig „Strafbarkeit mindestens wegen Versuchs“ lauten muss.340 Für eine Ablehnung der tatbestandlichen Zurechnung lässt sich hieraus nichts ableiten. bb) § 24 Abs. 1 StGB als Argument für eine objektive Zurechnung Häufig wird allerdings umgekehrt vorgebracht, durch § 24 Abs. 1 StGB sei dem Täter beim beendeten Versuch das „Erfolgsabwendungsrisiko“ zugewiesen, wobei nicht selten unklar bleibt, was genau mit diesem Begriff gemeint ist und welche Konsequenzen das Misslingen der Erfolgsabwendung für den Täter nach sich zieht.341 Zumeist wird das Erfolgsabwendungsrisiko im Sinne eines Rücktrittsrisikos verstanden mit der Folge, dass der Täter bei einem Erfolgseintritt trotz seines Bemühens um Erfolgsverhinderung nicht in den Genuss des strafbefreienden Rücktritts kommen kann.342 Zum tatbestandlichen Vollendungsrisiko sei damit keine Aussage getroffen bzw. lediglich festgestellt, dass die eingetretene tatbestandliche Vollendung ihren Vollendungscharakter nicht schon durch das bloße Verhinderungsbemühen des Täters verliere.343 338 So etwa Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548), und Herzberg, JZ 1989, 114 (116), die beide jedoch bei misslungenem Verhinderungsbemühen eine Vollendungsbestrafung annehmen. Vgl. dazu bereits Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 93 f. 339 s. Herzberg, JZ 1989, 114 (116 f.); Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548). Kritisch zur obigen Deutung auch Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 93 f. 340 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 94 (Hervorhebung nicht im Original). Ebenso Kühl, AT, § 16 Rn. 81: „Daß wegen Fehlens einer Voraussetzung des § 24 I 1 Alt. 2 (Eintritt des Verhinderungserfolgs) dessen Rechtfolge (Straflosigkeit wegen Versuchs) entfällt, zwingt nicht zur Bestrafung nur wegen Versuchs.“ 341 Vgl. etwa die eine Entscheidung offen lassenden Formulierungen von Bach, Rücktritt, S. 31, 35, 111, 143, der Täter habe das „Risiko des Erfolgseintritts“ zu tragen, und NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55, der die Gefahr schaffende Täter trage „das volle Risiko ihrer Abwendung“. Ähnlich auch Backmann, JuS 1981, 336 (340). 342 So explizit Kudlich, JuS 1999, 240 (242); s. ferner BGH, NJW 1973, 632 (633); Roxin, AT II, § 30 Rn. 135, 284. Nahe stehend LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 116: Der Täter sei „auch dann“ aus dem Vollendungstatbestand zu bestrafen. 343 s. Roxin, AT II, § 30 Rn. 125: Der Täter „bleibt wegen vollendeter Tötung strafbar“ (Hervorhebung nicht im Original); ebenso Jescheck/Weigend, AT, § 51 IV 1; LKVogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 113, 116; ähnlich auch BGH, NJW 1973, 632 (633).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Bisweilen wird allerdings unter Berufung auf § 24 Abs. 1 StGB vom Misslingen des Rücktritts auf die objektive Zurechnung des Erfolges geschlossen, das Erfolgsabwendungsrisiko gleichsam als den Täter treffendes Vollendungsrisiko verstanden.344 Wie die Rücktrittsnorm beim unbeendeten Versuch einer Zurechnung entgegenstehe, bürde sie dem Täter beim beendeten Versuch eine andernfalls die tatbestandliche Zurechnung begründende Erfolgsgarantie auf.345 Trete der Erfolg ein, hafte der Täter „aufgrund des ihm aufgebürdeten Erfolgsabwendungsrisikos“ trotz vermeintlich ausreichender Verhinderungsbemühungen wegen Tatvollendung.346 Die objektive Zurechnung des Erfolges ergibt sich danach bereits aus der Rücktrittsregelung. b) Die Anwendung allgemeiner Zurechnungsregeln Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums hingegen wenden auch bei einer Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Rücktrittsleistung die allgemeinem Zurechnungsregeln an, stellen mithin darauf ab, ob der Erfolg auf objektiv handlungsadäquate Weise ohne wesentliche Abweichung vom verantwortlich und verbotswidrig geschaffenen Erfolgsrisiko eingetreten ist.347 Dies wird für die überwiegende Zahl der Fallgestaltungen angenommen: Die vom Täter hervorgerufene, rechtlich missbilligte Gefahr habe sich plangemäß im Erfolg verwirklicht.348 aa) Keine Zurechnungsunterbrechung durch bloßes Erfolgsverhinderungsbemühen Dabei wird vor allem dem Gedanken entgegengetreten, bereits die Vornahme von Rettungsbemühungen begründe ein der Realisierung der vom Täter geschaffenen Gefahr entgegenstehendes Hindernis.349 Dass dies nicht der Fall sei, ergebe sich aus § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB, wonach für eine Straf344 In diese Richtung Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 34 A 6, 31; Schröder, JuS 1962, 81 (82); Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; Jakobs, AT, 26/20 f. Vgl. auch Roxin, AT I, 3. Aufl., § 12 Rn. 170; anders, deutlich die Versagung der Rücktrittsmöglichkeit als Konsequenz herausstellend aber nunmehr ders., AT II, § 30 Rn. 39, 284. 345 Vgl. Schröder, JuS 1962, 81 (82). 346 So Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61 (anders, lediglich „rücktrittsausschließend“ aber Rn. 25); vgl. ferner Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 34 A 6, 31. Ähnlich will auch Rudolphi in SK, vor § 1 Rn. 74, „unmittelbar aus § 24“ StGB ableiten, dass ärztliche Untersuchungsfehler die Zurechnung des Erfolges nicht hindern. 347 Vgl. dazu bereits Dritter Teil A. III. 1. 348 Für die h. M. s. Roxin, AT II, § 30 Rn. 125; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 46; BGH bei Holtz, MDR 1986, 271. 349 Vgl. zur ganz h. M. BGH, NJW 1973, 632 (633); Jescheck/Weigend, AT, § 51 IV 1; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 52; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 113, 116; Otto, Lampe-FS, S. 491 (506); Wessels/Beulke, Rn. 645.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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befreiung neben dem Verhinderungsbemühen des Täters die – kausal oder nicht kausal auf die Bemühungen des Täters zurückgehende – Vollendungsverhinderung verlangt werde; das Verhinderungsbemühen allein könne somit keinesfalls mit dem Ausbleiben der Vollendung gleichgesetzt werden.350 Unterstützend wird auf das bereits erwähnte Erfolgsabwendungsrisiko verwiesen, das den Täter, der die gefährliche Kausalreihe ausgelöst habe, treffe. Wenngleich die Risikoverteilung auf der Rücktrittsebene nichts für die positive Begründung der tatbestandlichen Zurechnung hergebe, verdeutliche sie doch, dass das Verhinderungsbemühen des Täters objektiv erfolgreich sein müsse, um eine Vollendungshaftung tatbestandlich auszuschließen und damit eine Strafbefreiung wegen Rücktritts zu ermöglichen.351 Die objektive Zurechnung ergebe sich daraus, dass trotz des Revokationsversuchs das versuchsbegründende Handeln des Täters „in der Tat fortwirk[e] und sich im konkreten Erfolg gerade diejenige Gefahr realisier[e], die durch sein vorangegangenes Verhalten geschaffen oder erhöht worden [sei]“.352 Der Erfolg stelle sich auch dann als Werk des Täters dar, wenn dieser sich, nachdem er die Herrschaft über das Geschehen zunächst aus der Hand gegeben habe, vergeblich darum bemühe, diese wiederzuerlangen.353 bb) Sonderfälle der Zurechnungsunterbrechung Obschon das Verhinderungsbemühen als solches also keinen Zurechnungsmangel begründet, wird es übereinstimmend für möglich gehalten, dass zum vergeblichen Bemühen des Täters andere Umstände hinzukommen und einer adäquaten Risikoverwirklichung entgegenstehen können.354 Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Frage, ob die objektive Zurechnung nur dann unterbrochen ist, wenn in den ursprünglich gesetzten Kausalverlauf eingegriffen wird und sich deshalb nicht mehr das ursprünglich gesetzte Risiko realisiert, oder ob auch die Vereitelung des Gelingens der Rettungshandlung einen objektiven Zurechnungsmangel nach sich ziehen kann.355 350 Deutlich Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 95. Ähnlich Otto, Lampe-FS, S. 491 (506); Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61. 351 BGH, NJW 1973, 632 (633); LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 113, 116; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61. Vgl. ferner Freund, AT, § 9 Rn. 62; Gutmann, Freiwilligkeit, S. 96, 109. 352 Wessels/Beulke, Rn. 645; ebenso NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 96; vgl. auch Freund, AT, § 9 Rn. 62; Otto, Lampe-FS, S. 491 (506). 353 So Wessels/Beulke, Rn. 645. 354 Vgl. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 95; s. a. Freund, AT, § 9 Rn. 62; ferner Otto, Lampe-FS, S. 491 (501 ff.). 355 Dazu Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (691 Fn. 182); ausf. Otto, Lampe-FS, S. 491 (502). Anders als die Alternative der Aufgabe, die entweder erfüllt ist oder nicht, bildet die Alternative des Verhinderns der Vollendung deutlich mehr Spielraum für Fall-

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

(1) Zurechnungsunterbrechung nur bei einer Verdrängung des ursprünglichen Risikos Teilweise wird eine die objektive Zurechnung ausschließende Veränderung des Tatverlaufs nur dann angenommen, wenn sich im Erfolg ein neu gesetztes Risiko aus einem fremden Verantwortungsbereich realisiert und dabei das ursprünglich vom Täter gesetzte Risiko verdrängt, eine Zurechnung hingegen bejaht, wenn das Verhinderungsbemühen des Täters aus Gründen scheitert, die einem fremden Verantwortungsbereich entstammen.356 Durch das Vereiteln des Gelingens der Rücktrittsmaßnahme werde der vom Täter ausgelöste Kausalverlauf nicht unterbrochen, sondern gerade aufrechterhalten; er könne nun unverändert so ablaufen, wie ihn der Täter aus der Hand gegeben habe.357 Für eine analoge Anwendung der den Täter begünstigenden Regelungen der tätigen Reue fehle es an einer Regelungslücke.358 In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz Meisters, wonach ein durch außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Umstände herbeigeführter Erfolg erst dann nicht mehr zurechenbar ist, wenn eine Rettung bereits in dem Sinne erfolgt ist, dass ein Ausbleiben des Erfolges zumindest vorübergehend „als sicher gelten konnte“.359 Kontrovers beurteilt werden innerhalb dieser Auffassung jene Situationen, in denen der Täter selbst durch seine Verhinderungshandlung – unvorsätzlich – ein neues Zweitrisiko schafft, welches die im vorsätzlich gesetzten Erstrisiko innewohnende Gefahr verdrängt und sich allein im Erfolg realisiert, er also z. B. das verabreichte Gift durch ein Gegengift neutralisiert, dabei jedoch nachlässig zu viel Gegengift verabreicht, woran das Opfer letztlich stirbt.360 Während Schliebitz eine objektive Zurechnung in dieser Konstellation mit der Begründung ausschließt, in der Verabreichung von Gift stecke nicht die Gefahr einer tödlichen Gegengiftdosis, und nur anders entscheidet, wenn der erfolgswirksame Kausalverlauf eine typische Folgeerscheinung des Erstrisikos darstellt,361 gehen an-

varianten, z. B. können das Opfer, Dritte oder der Täter durch eine erneute Handlung in die Verhinderungshandlung eingreifen und deren Wirkung beeinflussen. 356 So Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 99; Schmidhäuser, Studienbuch, 11/74; ebenso Gores, Rücktritt, S. 27 f. Fn. 13; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 59 f. Zum Ganzen s. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 116. 357 Vgl. Gores, Rücktritt, S. 27 f. Fn. 13; ausf. Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (292 f. Fn. 32); vgl. auch LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 117 u. Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61, die letztlich aber Ausnahmen zulassen. 358 So LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 59 f. 359 Meister, MDR 1955, 688 (689). 360 So das Bsp. bei Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 99; s. a. Otto, Lampe-FS, S. 491 (511 f.). 361 So etwa, wenn die Verletzung eine riskante Gegenmaßnahme wie ein Drängen zu besonders eiligem Fahren auf dem Weg ins Krankenhaus oder eine riskante Operation erforderlich mache, vgl. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 99 f.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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dere, auch wenn der Täter den Erfolg erst „durch eine Art Reuehandlung“ herbeiführt, von einer Zurechenbarkeit aus.362 (2) Zurechnungsunterbrechung auch bei einer Vereitelung des Gelingens der Verhinderungshandlung Überwiegend wird dagegen neben dem risikoverdrängenden Eingreifen in den ursprünglichen Kausalverlauf auch dann ein Zurechnungsmangel angenommen, wenn eine Verhinderung des Erfolges aus einem fremden Verantwortungsbereich entstammenden Gründen scheitert.363 Weil durch die Unterbrechung der Zurechnung allerdings keine Besserstellung des Rücktrittsprobanden erfolgen dürfe, wird dabei häufig die hypothetische objektive Verhinderungstauglichkeit der Bemühungen des Täters vorausgesetzt, also verlangt, dass sein Rücktrittsbemühen den Erfolg nach allgemeiner Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte, wäre der Kausalverlauf nicht unterbrochen worden.364 Uneinigkeit besteht jedoch darüber, wie die das Gelingen der Verhinderungshandlung vereitelnden Umstände beschaffen sein müssen, um einen Zurechnungsmangel zu begründen. (a) Die vorsätzliche Vereitelung des Verhinderungserfolges durch das Opfer selbst Am häufigsten wird ein gefahrinadäquater Erfolgseintritt angenommen, wenn das Opfer selbst vorsätzlich und – angesichts der Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung auch von diesem unerkannt – das Gelingen der Rettung verhindert.365 Als Beispiel wird dabei zumeist der Fall angeführt, dass der Täter dem von ihm vergifteten Opfer ein rettendes Gegengift verabreichen will, das Opfer jedoch dessen Einnahme vom

362 s. Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (654) unter Verweis auf Noack, Tatverlauf, S. 68; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 92; vgl. ferner Schmidhäuser, Studienbuch, 11/74. 363 Für die h. M. z. B. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 117 f.; Otto, Maurach-FS, S. 91 (99), sowie die Nachweise in den folgenden Fußnoten. 364 So z. B. Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 99; Preisendanz, § 24 Anm. 6 e; ähnlich Walter, Rücktritt, S. 148; ferner Bottke, Methodik, S. 542 Fn. 384; Kühl, AT, § 16 Rn. 82. 365 So z. B. Blei, AT, § 69 III 2 b; ders., PdW, Fall 253; Bottke, Methodik, S. 542 Fn. 384; Jäger, Rücktritt, S. 98; Kudlich, JuS 1999, 240 (242); Kühl, AT, § 16 Rn. 82; Römer, Fragen, S. 90; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28. Ausschließlich für diesen Fall Jescheck/Weigend, AT, § 51 IV 1; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 118; ders., ZStW 98 (1986), 331 (335); NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; ähnlich Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 34 A 7 („allenfalls da“). Vgl. auch Jescheck, ZStW 99 (1987), 111 (121) mit dem Hinweis, in Österreich trage der Täter das Risiko des Gelingens der Erfolgsabwendung auch, wenn der Verletzte selbst die Rettungsbemühungen vereitle.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Täter unbemerkt verweigert, weil es aus dem Leben scheiden möchte, sich zuvor bloß gescheut hatte, selbst Hand an sich zu legen. Wenn das Opfer nun sterbe, sei sein Tod dem Täter nicht zuzurechnen.366 Unterlässt das Opfer hingegen lediglich eine ihm selbst mögliche Erfolgsabwendung, wird der eingetretene Erfolg für objektiv zurechenbar befunden.367 Zur Begründung dieser Auffassung wird darauf verwiesen, dass der rücktrittswillige Täter zwar das Risiko der Erfolgsabwendung und damit das Risiko des Zufalls bis hin zur höheren Gewalt trage, nicht hingegen für eine planmäßige Vereitelung des Gelingens der Erfolgsabwendung durch den Verletzten selbst einstehen müsse.368 Andernfalls läge das Schicksal des Täters, die Wahl zwischen Strafbarkeit und Straflosigkeit, in der Hand des möglicherweise rachsüchtigen und „von stärkerer krimineller Energie getriebenen [. . .] Opfers“.369 Dogmatisch wird dies zumeist durch die Überlegung untermauert, dass bei einer vorsätzlichen Opfervereitelung des Gelingens der Verhinderung das verbleibende Risiko ein erlaubtes sei;370 andere gehen, obwohl der Erfolg noch auf die vom Täter geschaffene unerlaubte Gefahr zurückgehe, aufgrund des Opferverhaltens von einem Unterfall mangelnder Verwirklichung der Versuchsgefahr aus.371 Teilweise wird die Annahme eines objektiven Zurechnungsmangels im Fall des vorsätzlichen Opfereingreifens maßgeblich auf den Eigenverantwortlichkeitsgedanken gestützt und deshalb auf verzichtbare Rechtsgüter beschränkt: Könne das Opfer – wie bei § 212 StGB – nicht über das fragliche Rechtsgut verfügen, vermöge es den Vortäter nicht wirksam von der Herrschaft über das Geschehen auszuschließen.372 Eine Zurechnungsunterbrechung setzt dann zudem voraus, dass der Entschluss frei von Willensmängeln und im Bewusstsein seiner Tragweite gefasst worden sei.373

366 Dieses Bsp. findet sich etwa bei Bottke, Methodik, S. 542 Fn. 384; Jäger, Rücktritt, S. 98; Otto, Maurach-FS, S. 91 (99); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 78; Roxin, AT II, § 30 Rn. 128, 284. Teilweise wird allgemeiner auf die Verweigerung der Inanspruchnahme – ärztlicher – Hilfe verwiesen, s. Jescheck, ZStW 99 (1987), 111 (121); Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 62; vgl. ferner Kudlich, JuS 1999, 240 (242); Römer, Fragen, S. 90 f. 367 Vgl. dazu z. B. Otto, Lampe-FS, S. 491 (509). 368 So schon Schröder, JuS 1962, 81 (82); ebenso Bottke, Methodik, S. 542 Fn. 384; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 117. 369 Römer, Fragen, S. 92; ebenso Bottke, Methodik, S. 542 Fn. 384. 370 So SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28. 371 So Jakobs, AT, 26/20, für die Weigerung des Opfers, Hilfe zu akzeptieren, und erst recht die positive Störung von Hilfsmaßnahmen. Vgl. auch NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; Roxin, AT II, § 30 Rn. 128. 372 So z. B. Haft, AT, S. 243; Heckler, Ermittlung, S. 165 Fn. 788; vgl. ferner Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (292); Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 62. 373 Ausf. Otto, Lampe-FS, S. 491 (508 f.).

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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Dieselben Einschränkungen nehmen jene vor, welche die Rettungsvereitelung durch das Opfer, weil dieses an der Risikoschaffung selbst nicht beteiligt gewesen sei und somit keine Tatherrschaft habe, als Fall der Einwilligung begreifen und dementsprechend nicht die tatbestandliche Zurechnung, gegebenenfalls aber die Rechtswidrigkeit der Tat entfallen lassen wollen.374 Die Einwilligung könne auch noch nach der Versuchsbeendigung bis zur Vollendung des Delikts erklärt werden, dürfe allerdings keine weitergehenden Wirkungen entfalten als eine vor der Tat erklärte. Der Versuch müsse mithin ein disponibles Rechtsgut bedrohen, weshalb bei Tötungsdelikten keine Strafbefreiung denkbar sei.375 Andere wenden sich gegen eine derartige Beschränkung auf verzichtbare Rechtsgüter und sehen die Zurechnung bei einer Vereitelung der Rücktrittsbemühungen durch das Opfer selbst dann als unterbrochen an, wenn das Opfer in die Rechtsgutsverletzung nicht wirksam einwilligen kann, wie z. B. bei einer versuchten Tötung, bei der das Opfer frei verantwortlich und vorsätzlich die Annahme lebensrettender Hilfe verweigert.376 Der Täter habe „durch sein ernstliches Bemühen seine Ungefährlichkeit und die Entbehrlichkeit seiner Bestrafung unter Beweis gestellt“;377 das Gesamtgeschehen stehe damit „einem (straflosen) Suizid näher als einer Tötung auf Verlangen“.378 (b) Die vorsätzliche Vereitelung des Verhinderungserfolges durch Dritte Weniger Zustimmung erfährt die Annahme eines Zurechnungsmangels, wenn das vom Täter in Gang gesetzte Rettungsverhalten durch eine andere Person als das Opfer vorsätzlich und vom Täter unerkannt vereitelt wird, also etwa im Giftbeispiel ein Dritter in voller Kenntnis der Sachlage die Einnahme eines vom Täter verabreichten Gegengiftes durch das Opfer vereitelt.379

374

So Ulsenheimer, Grundfragen, S. 100; s. a. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 97. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 97, 107 f.; ebenso Ulsenheimer, Grundfragen, S. 100. 376 So z. B. NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; s. a. LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 118; Roxin, AT II, § 30 Rn. 284. 377 SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28, mit Blick auf die Folgemöglichkeit des strafbefreienden Rücktritts; zustimmend LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 116, 118. 378 NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55. 379 Für eine Zurechnungsunterbrechung (auch) in diesem Fall Otto, Maurach-FS, S. 91 (99); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 78; ebenso Jäger, Rücktritt, S. 98; Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 67. Vgl. ferner Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (691 Fn. 182). Abzugrenzen vom Eingreifen Dritter in das Verhinderungsbemühen sind die – weitgehend unumstrittenen – Fälle der Zurechnungsunterbrechung, bei denen ein Dritter eine neue, sich im Erfolg realisierende Gefahr für das Opfer begründet, während das Handeln des Täters ohne spezifische Folgen bleibt; vgl. dazu Dritter Teil B. III. 1. b) bb) (1) sowie das Bsp. bei Freund, AT, § 9 Rn. 63. 375

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Für eine Zurechnungsunterbrechung wird dabei – ähnlich wie bei der Vereitelung des Verhinderungserfolges durch das Opfer – angeführt, die Verantwortungssphäre des Täters müsse ihre Grenze beim vorsätzlichen Eingreifen anderer Personen finden. Der Täter solle „nur“ das Risiko bis zum Zufall tragen, nicht aber haften, wenn Dritte ihn von der Erreichung des Rettungserfolges vorsätzlich ausschlössen.380 Andere widersprechen jedoch der Annahme eines Zurechnungsmangels bei einem vorsätzlichen Eingreifen Dritter ausdrücklich:381 Die Rettungsvereitelung durch Dritte könne schon deshalb an der Zurechnung nichts ändern, weil die Strafbarkeit an das vorangegangene Tun anknüpfe und der Täter über die Phase nach Versuchsbeendigung hinaus keine Herrschaft mehr haben müsse. Vorhersehbar müsse lediglich die Erfolgsherbeiführung, nicht hingegen das Scheitern der Verhinderungshandlung sein.382 Für eine Zurechnung mache es daher keinen Unterschied, ob der Attentäter, der die Bombe entschärfen wolle, hierfür infolge einer Autopanne zu spät komme oder ob ein Dritter die Panne durch Sabotage verwirklicht habe.383 Den Täter nur zu schonen, weil nun zusätzlich ein Dritter belangt werden könne, sei nicht begründbar; erst wenn durch das Drittverhalten das gesetzte Ausgangsrisiko aktiv verdrängt werde, sei der Zurechnungszusammenhang unterbrochen.384 Einen Mittelweg bei der rechtlichen Beurteilung der vorsätzlichen Vereitelung der Verhinderungsbemühungen des Rücktrittswilligen durch Dritte schlägt Zaczyk ein, der davon ausgeht, dass das Versuchsverhalten des Täters zwar in der Vollendung wirksam bleibe, aber zur Beihilfe herabsinke.385 (c) Die zufällige Vereitelung des Verhinderungserfolges Vereinzelt wird schließlich auch, wenn atypische, vom Täter nicht beeinflussbare Zwischenereignisse das Verhinderungsbemühen des Täters – im Fall der Fehlvorstellung von diesem unerkannt – scheitern lassen, das ursprünglich gesetzte Risiko aber nicht verdrängen, ein Zurechnungsmangel festgestellt.386 Lenckner und Zielinski fordern eine dahingehende Lösung jedenfalls de lege ferenda.387 Denn es sei unangemessen, dem Täter über die selbstverständlich 380

Vgl. Jäger, Rücktritt, S. 98; ferner Otto, Maurach-FS, S. 91 (99). So vor allem Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 96 ff.; zustimmend Roxin, AT II, § 30 Rn. 129; Vogler, ZStW 98 (1986), 331 (335); vgl. auch Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 34 A 7; Walter, Rücktritt, S. 146. 382 So Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 96 ff.; ähnlich Roxin, AT II, § 30 Rn. 129. 383 s. Roxin, AT II, § 30 Rn. 129. 384 Vgl. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 98, 100; a. A. für grobe Unterlassungsfehler Burgstaller, S. 118 f.; vgl. auch Roxin, AT I, § 11 Rn. 142 f. 385 NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55. 386 So Preisendanz, § 24 Anm. 6 e; ähnlich Otto, Maurach-FS, S. 91 (99). 381

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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bestehende Haftung für adäquate Risiken hinaus uneingeschränkt auch das Risiko ganz außergewöhnlicher Zufälle bis hin zur höheren Gewalt aufzubürden. Unbillige, zufällige und dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende Resultate ließen sich dadurch verringern, dass man den Richter ermächtige, die Strafe im Rahmen des § 49 Abs. 2 StGB zu mildern oder ganz von Strafe abzusehen.388 Insbesondere angesichts der nur fakultativen Strafmilderung beim Versuch gegenüber der Vollendung erscheine es angebracht, in gewissem Umfang auch ein Rücktrittsverhalten zu belohnen, „das lediglich infolge eines unglücklichen Zufalls keinen Erfolg hatte“.389 cc) Der Rücktritt im Fall der Zurechnungsunterbrechung Lehnt man zumindest in einigen der genannten Sonderfälle der Verhinderungsvereitelung eine Erfolgszurechnung ab, stellt sich die Anschlussfrage, ob und, wenn ja, nach welcher Variante des § 24 Abs. 1 StGB von der – mangels objektiver Zurechnung – unvollendeten Tat ein strafbefreiender Rücktritt möglich ist. (1) Die Zulässigkeit eines Rücktritts Wenngleich sich gegen eine Rücktrittsmöglichkeit vorbringen ließe, das geschützte Rechtsgut sei auch bei fehlender objektiver Zurechnung verletzt, der Rechtsgüterschutz als maßgeblicher Rechtsgrund der Strafbefreiung mithin nicht erreicht,390 wird ein Rücktritt des Täters im Fall eines objektiven Zurechnungsmangels übereinstimmend für zulässig gehalten.391 Die Verhinderungshandlung habe zwar nicht den Erfolg abgewendet, jedoch insofern gefruchtet, als sie eine zurechenbare Vollendung ausgeschlossen habe. Mehr verlange § 24 Abs. 1 StGB auch nicht; der Täter müsse lediglich die von ihm geschaffene Gefährdung umkehren und die durch den Versuch eingeleitete zurechenbare Vollendung vereiteln, nicht hingegen das Opfer aus Gefahren erretten, deren Verwirklichung keine Vollendungsstrafe auslösen könnte.392 § 24 StGB schütze das Opfer nur vor der Fortsetzung des Versuchs, „mit dem Erhalt des geschützten Rechtsguts [habe dies] verhältnismäßig wenig zu tun.“393 387

Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (293); Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 (547 f.). Zielinski, Schreiber-FS, S. 533 (547 f.); s. a. Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (293 f.). 389 Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (294). 390 Vgl. dazu Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 136; zum Rechtsgüterschutzgedanken s. ferner Weinhold, Rettungsverhalten, S. 30 f. 391 Für die ganz h. M. Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 77 f.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 127, 284; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28; s. a. Kühl, AT, § 16 Rn. 82. 392 Dazu Roxin, AT II, § 30 Rn. 127; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 136 f.; vgl. auch S. 196. 393 So Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 137. 388

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

(2) Die anwendbare Rücktrittsvariante Unterschiedlich beantwortet wird hingegen die Frage, nach welcher Variante der Rücktritt des Täters in diesem Fall erfolgt. Während Wolter – eine Entscheidung zwischen den Rücktrittsvarianten letztlich aber offen lassend – vorbringt, man könne das Bemühen des Täters „durchaus als Verhinderung der – objektiv zurechenbaren – Vollendung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB“ begreifen,394 wird dessen Anwendbarkeit überwiegend mit der Begründung abgelehnt, der Täter habe die Vollendung nicht verhindert, sondern sich hierum lediglich bemüht, weshalb ein Fall des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB vorliege. Umstritten ist dabei allerdings wiederum, ob § 24 Abs. 1 S. 2 StGB unmittelbar eingreift, etwa weil Satz 2 sinngemäß so zu verstehen sei, dass die Tat „nicht oder in einer dem Täter nicht zurechenbaren Weise vollendet wird“,395 oder ob eine Strafbefreiung nur durch die analoge Anwendung des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erreicht werden kann, da die Vollendung auch bei einem objektiven Zurechnungsmangel gerade nicht „ohne Zutun“ des Täters eingetreten sei.396 c) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme aa) Ablehnung der Einstufung des § 24 Abs. 1 StGB als objektive Zurechnungsregelung Eine Lösung der Frage, ob der Erfolg auch im Fall von vermeintlich erfolgreichen Verhinderungsbemühungen seitens des Täters objektiv zurechenbar ist, ergibt sich nicht bereits aus der Rücktrittsregelung des § 24 Abs. 1 StGB. Darauf, dass sich aus der Rücktrittsregelung kein Argument für eine Zurechnungsunterbrechung ableiten lässt, wurde bereits hingewiesen.397 Ebenso wenig kann § 24 Abs. 1 StGB aber für die objektive Zurechenbarkeit des eingetretenen Erfolges im rücktrittsrechtlichen Stadium des beendeten Versuchs herangezogen werden. Wie im Zusammenhang mit dem unbeendeten Versuch verdeutlicht wurde, regelt die Rücktrittsvorschrift ausschließlich die Frage der Befreiung von der Versuchsstrafbarkeit, trifft hingegen weder eine Aussage zu der Vertei394

Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (691 Fn. 182). Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 67; Roxin, AT II, § 30 Rn. 284; ebenso Baumann/Weber/Mitsch, § 27 Rn. 33; Köhler, S. 475 f.; Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 77 f.; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28; vgl. Kühl, AT, § 16 Rn. 82, der den Täter so behandeln will, „als ob die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wurde.“ Zum Ganzen Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (654 Fn. 22; 691 Fn. 182). 396 NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; ebenso Bottke, Methodik, S. 542 Fn. 384; Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 34 A 7; Kudlich, JuS 1999, 240 (242); LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 118; Maurach/Gössel, AT II, § 41 Rn. 95; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 62. 397 s. Dritter Teil B. III. 1. a) aa). 395

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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lung des Vollendungsrisikos noch zu den Voraussetzungen der Vollendung überhaupt.398 Die tatbestandliche Erfolgszurechnung kann deshalb nicht mit dem Vorbringen gerechtfertigt werden, es liege kein Rücktritt vor. bb) Keine Unterbrechung der objektiven Zurechnung durch das Verhinderungsbemühen Ein der objektiven Zurechnung des eingetretenen Erfolges entgegenstehendes Hindernis liegt auch nicht in der Vornahme von Verhinderungsbemühungen durch den Täter, die dieser als zur Abwendung der Vollendung tauglich einstuft. Dies lässt sich entgegen einiger Stellungnahmen in der Literatur allerdings nicht schon aus dem Wortlaut der § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB ableiten.399 Zwar scheint eine dahingehende Schlussfolgerung angesichts des Erfordernisses einer im Ergebnis erfolgreichen Vollendungsverhinderung oder einer Vornahme von Verhinderungsbemühungen in Kombination mit dem anderweitigen Ausbleiben der Vollendung zunächst nahe liegend, weil andernfalls eine Erwähnung der Möglichkeit des Vollendungsausbleibens infolge bloßer Verhinderungsbemühungen in § 24 Abs. 1 S. 2 StGB zu erwarten gewesen wäre. Da aber der Regelungsbereich des § 24 Abs. 1 StGB auf die Befreiung des Täters von der Versuchsstrafbarkeit begrenzt ist und keine Aussage über die Frage der tatbestandlichen Vollendung trifft, wird die Annahme einer Zurechnungsunterbrechung aufgrund bloßer Verhinderungsbemühungen des Täters durch deren Nichterwähnung in der Rücktrittsvorschrift nicht zwingend ausgeschlossen. Einer konstitutiven, gesetzlichen Sonderregelung der Zurechnung für den Fall der – vermeintlich tauglichen – Verhinderungsbemühungen bedarf es jedoch auch gar nicht, da eine Zurechnung des Erfolges in dieser Konstellation bereits aus der Anwendung allgemeiner Zurechnungsgrundsätze folgt: Hält der Täter die Vollendung zunächst für möglich, wirkt sein rechtlich verbotswidriges Verhalten auf objektiv handlungsadäquate Weise und nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar in der Tat fort und realisiert sich damit im konkreten Erfolg gerade diejenige Gefahr, die durch sein vorangegangenes Verhalten geschaffen oder erhöht worden ist.400 Das unerkannte Misslingen seiner Bemühungen, die bereits aus der Hand gegebene Herrschaft über das Geschehen wiederzuerlangen, steht dem nicht entgegen, sondern ermöglicht gerade, dass

398 Vgl. dazu bereits Dritter Teil A. III. 1. d) aa). Übereinstimmend zur Fallgestaltung des beendeten Versuchs Bottke, Methodik, S. 557; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 94; Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (691 Fn. 182). 399 So aber Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 95; ähnlich Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 61. 400 Zur Definition der objektiven Zurechnung s. Dritter Teil A. III. 1. m.w. N.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

sich die vom Täter durch den Versuch hervorgerufene, rechtlich missbilligte Gefahr wie ursprünglich geplant im Erfolg realisieren kann. cc) Möglichkeit objektiver Unzurechenbarkeit bei Hinzukommen weiterer Umstände Ein die objektive Zurechenbarkeit ausschließender Mangel an Gefahrenherrschaft kann jedoch allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen entsprechend dann vorliegen, wenn zu der Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seines Verhinderungsbemühens zusätzliche Umstände hinzukommen, die es nun näher festzulegen gilt. Unbestritten ist die Zurechnung unterbrochen, wenn durch die neu dazukommenden Umstände das vom Täter ursprünglich durch den Versuch in Gang gesetzte Risiko derart verändert oder verdrängt wird, dass sich nicht mehr dieses, sondern die Zweitgefahr im Erfolg realisiert.401 Dies muss auch gelten, wenn der Täter selbst – etwa durch seine Rettungshandlung – dieses neue, die ursprüngliche Gefahr verdrängende Risiko setzt: Da die Vornahme der Rettungshandlung kein der ursprünglichen Gefahrschaffung typischerweise innewohnendes Risiko darstellt, verwirklicht sich auch in diesem Fall allein die Zweitgefahr; nur diese kann eine Zurechnung begründen. Schwieriger gestaltet sich indes die Beantwortung der Frage, ob auch ein Vereiteln des Gelingens der täterlichen Rettungshandlung zu einem objektiven Zurechnungsmangel führen kann, und, wenn ja, welche Anforderungen dabei an das – letztlich vergebliche – Verhinderungsbemühen des Täters und die hinzukommenden Umstände zu stellen sind. (1) Hypothetische Erfolgstauglichkeit des Verhinderungsverhaltens Erforderlich ist zunächst, dass die Verhinderungsbemühungen des Täters hypothetisch verhinderungstauglich sind, d.h. ohne ein Eingreifen der anderen Umstände die Vollendung abwenden würden. Dies gründet darauf, dass der Täter, solange die von ihm geschaffene Versuchsgefahr fortwirkt, durch die Annahme einer Zurechnungsunterbrechung aufgrund der hinzukommenden Umstände nicht besser stehen darf als ohne ein Hinzukommen solcher Umstände. Das Nichtgelingen der Verhinderung muss deshalb auf den von außen kommenden Umständen beruhen und darf nicht dem Täter anzulasten sein. Dies bedeutet zugleich, dass eine Zurechnungsunterbrechung stets dann ausscheidet, wenn sich die Fehlvorstellung des Täters – gleichsam als Folge seiner 401 Dazu Dritter Teil B. III. 1. b) bb) (1) und das Bsp. bei Jakobs, AT, 26/20, in dem das vergiftete Opfer auf dem Transport ins Krankenhaus durch einen Verkehrsunfall stirbt.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung – jedenfalls auch auf die Tauglichkeit seiner Verhinderungshandlung bezieht. Das Ausbleiben des Verhinderungserfolges beruht dann nämlich auf seiner Fehleinschätzung der Tauglichkeit seines Verhaltens und ist damit von ihm zu verantworten; hinzukommende Umstände können dann keinen Zurechnungsmangel begründen. Nur wenn der Täter eine objektiv und subjektiv taugliche Verhinderungshandlung vorgenommen hat, kann es sein, dass ein – letztlich entgegen seiner Vorstellung und infolge des Eingreifens Dritter, des Opfers oder anderer zufälliger Umstände – eingetretener Erfolg nicht zurechenbar ist. (2) Zurechnungsunterbrechende Umstände Wie die Umstände beschaffen sein müssen, die eine solche hypothetisch taugliche Verhinderungshandlung des rücktrittswilligen Täters scheitern lassen, lässt sich unter Anwendung allgemeiner Zurechnungsregeln festlegen.402 Maßgeblich muss sein, ob sich bei einer Gesamtbetrachtung angesichts der Modifikation der vermeintlich und hypothetisch tauglichen Verhinderungsbemühung im Erfolg noch das ursprünglich vom Täter verbotswidrig gesetzte Risiko auf handlungsadäquate Weise realisiert hat oder ob der Erfolgseintritt auf ein neu gesetztes Risiko, das Eingreifen in die Verhinderungshandlung, zurückzuführen ist, mithin ein gegenüber der Ausgangsgefahr inadäquater Erfolgseintritt vorliegt.403 (a) Unvorhersehbarkeit und Vorsätzlichkeit der Vereitelung Damit sich der Erfolgseintritt trotz bestehen bleibenden Ursprungsrisikos nicht mehr als Realisierung der vom Täter ursprünglich geschaffenen Gefahr darstellt, muss es sich bei den das Gelingen der Rettungshandlung vereitelnden Umständen um ein objektiv nicht vorhersehbares Geschehen handeln, das auf das vorsätzliche Verhalten eines anderen zurückzuführen ist: Die Verantwortung des Täters für ein von ihm geschaffenes und sich realisierendes Risiko endet dort, wo der Freiheits- und Verantwortungsraum anderer, freiverantwortlich handelnder Personen beginnt.404 Greifen andere vorsätzlich und unvorhersehbar in das andernfalls die Vollendung verhindernde Rettungsverhalten des Täters ein, ist der Erfolg nicht mehr auf die gesetzte Versuchsgefahr, sondern auf das mit dem vorsätzlichen Eingreifen in die Verhinderungshandlung neu gesetzte Risiko 402 Verfehlt ist es, diese Fälle als „Ausnahmen“ vom Grundsatz der „objektiven Zurechnung trotz Verhinderungsbemühens“ zu bezeichnen, so aber z. B. Jescheck, ZStW 99 (1987), 111 (121); LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 116; es handelt sich um Ergebnisse der Anwendung allgemeiner Zurechnungsgrundsätze. 403 Vgl. insoweit auch Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (554). 404 Ebenso Otto, Lampe-FS, S. 491 (499).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

zurückzuführen. Wird die Verhinderungshandlung des Täters dagegen lediglich fahrlässig oder zufällig vereitelt, verwirklicht sich im eintretenden Erfolg noch die verbotswidrig geschaffene Gefahr in einer der Ausgangsgefahr adäquaten Weise; die Annahme eines Zurechnungsmangels ist dann abzulehnen. (b) Vereitelung durch das Opfer selbst oder durch Dritte Eine diese Anforderungen erfüllende Vereitelung des Revokationserfolges bildet zunächst dann einen objektiven Zurechnungsmangel, wenn sie durch das Opfer selbst erfolgt. Der frei von Willensmängeln und in Kenntnis der Tragweite der Entscheidung gefasste Entschluss des Opfers, die Verhinderungshandlung des Täters nicht gelingen zu lassen, sondern statt dessen den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges zu ermöglichen, zwingt dazu, den so eintretenden Erfolg bei einer wertenden Betrachtung auf das Eingreifen des Opfers zurückzuführen. Wenngleich die durch die verbotswidrig vorgenommene Handlung geschaffene Gefährdung fortbesteht, realisiert sich im Erfolg nicht mehr diese, sondern das Verhalten des Opfers. Dies gilt unabhängig davon, ob ein verzichtbares oder aber ein unverzichtbares Rechtsgut wie das Leben des Opfers betroffen ist. Der Frage nach der Wirksamkeit einer Einwilligung des Opfers in die Rechtsgutsverletzung kann schon deshalb keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, weil es um eine Entscheidung auf der Tatbestandsebene geht, nämlich darum, ob der Erfolgseintritt noch auf die ursprüngliche Handlung des Täters oder aber auf das Verhalten des Opfers zurückzuführen ist. Maßgeblich kann deshalb nicht die Überlegung sein, dass eine Einwilligung in eine Fremdtötung unwirksam wäre; zu entscheiden ist vielmehr, ob überhaupt eine Fremdtötung oder aber ein tatbestandsloser Suizid vorliegt. Ebenso findet die Verantwortungssphäre des Täters ihre Grenze, wenn Dritte auf diese Weise in die – hypothetisch wirksamen – Rettungsbemühungen des Versuchstäters eingreifen und deren Gelingen vereiteln. Es trifft zwar zu, dass die Zurechnung nicht an das Scheitern der Verhinderungshandlung, sondern an das vorangegangene Tun anknüpft, jedoch stellt sich der Erfolgseintritt auch hier – wie beim Eingreifen des Opfers – trotz des bestehen bleibenden, durch den Versuchstäter verbotswidrig geschaffenen Risikos nicht mehr als Realisierung dieses Risikos, sondern als das Werk des vorsätzlich in die Verhinderungshandlung eingreifenden Dritten dar. (3) Zwischenergebnis zur ausnahmsweisen Unzurechenbarkeit In der Vereitelung des Gelingens eines Verhinderungsverhaltens liegt ausnahmsweise ein der objektiven Zurechnung entgegenstehender Mangel, wenn das Verhalten des Täters hypothetisch verhinderungstauglich ist, der Täter mit-

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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hin insoweit keine Fehlvorstellung aufweist, und zudem das Scheitern dieses Rücktrittsverhaltens auf ein vorsätzliches, nicht vorhersehbares Eingreifen des Opfers oder eines Dritten zurückzuführen ist. Die Realisierung des Erfolges stellt sich dann nicht mehr als das Werk des Versuchstäters dar. dd) Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB im Fall der Zurechnungsunterbrechung Falls die objektive Zurechnung aufgrund eines ausnahmsweise gegebenen Zurechnungshindernisses unterbrochen ist, lässt sich angesichts der gesetzlichen Formulierung des § 24 Abs. 1 StGB kaum an einer Rücktrittsmöglichkeit des Täters zweifeln. Durch die dortige Forderung nach einem Ausbleiben der Vollendung ist klargestellt, dass nicht allein der Rechtsgüterschutz im Mittelpunkt des Rücktrittsprivilegs steht, d.h. der Täter sein Opfer stets nur aus zurechenbaren Gefahren erretten muss, nicht hingegen aus Gefahren, deren Verwirklichung keine Vollendungsstrafe auslösen kann.405 Dabei kommt allerdings eine Anwendung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB nicht in Betracht, weil der Täter nicht – wie für die erfolgsbezogene Vollendungsverhinderung aber erforderlich – die Vollendung kausal abgewendet hat: Das Ausbleiben der zurechenbaren Vollendung beruht ja nicht auf dem Verhinderungsbemühen des Täters, sondern auf hiervon unabhängigen Umständen, nämlich dem vorsätzlichen Eingreifen des Opfers oder Dritter in seine Verhinderungshandlung. Deshalb richtet sich der Rücktritt des Täters nach dem in diesem Fall unmittelbar und nicht nur analog anwendbaren § 24 Abs. 1 S. 2 StGB: Das Verhinderungsbemühen des Täters war erfolglos und begründet allein keinen Zurechnungsmangel, weshalb die Vollendung gerade „ohne Zutun“ des Täters ausgeblieben ist. Durch sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung erfüllt der Täter die durch § 24 Abs. 1 S. 2 StGB an ihn gestellten Anforderungen und erlangt insoweit Straffreiheit.406 d) Zwischenergebnis zur objektiven Zurechenbarkeit Zwar enthält die Rücktrittsregelung zum beendeten Versuch keine die objektive Zurechenbarkeit begründende Zurechnungsregel, doch ergibt sich die Zurechenbarkeit eines trotz vermeintlich wirksamer Bemühungen des Täters um Erfolgsverhinderung eingetretenen Erfolges regelmäßig aus der Anwendung allgemeiner Zurechnungsgrundsätze: Trotz der Vornahme von vermeintlich die 405 Vgl. Roxin, AT II, § 30 Rn. 127, 284; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 136 f.; vgl. auch S. 196. 406 Roxin, AT II, § 30 Rn. 284, weist zutreffend darauf hin, dass damit das eingreifende Opfer bzw. der eingreifende Dritte durch die Vereitelung der Rettungsbemühungen den Täter straflos macht. Vgl. auch LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 117.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

Vollendung abwendenden Verhinderungshandlungen realisiert sich im konkreten Erfolg die vom Täter durch die verbotswidrig vorgenommene Handlung geschaffene Gefahr. Ausnahmsweise liegt jedoch – ebenfalls allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen entsprechend – ein objektiver Zurechnungsmangel vor, wenn das Opfer selbst oder ein Dritter vorsätzlich und in nicht vorhersehbarer Weise in die sonst tauglichen, bei einem ungestörten Verlauf die Vollendung verhindernden Rücktrittsbemühungen des Täters eingegriffen und deren Gelingen – im Fall der Fehlvorstellung vom Täter unerkannt – vereitelt hat. Im Erfolg schlägt sich dann nicht mehr die ursprüngliche Versuchsgefahr, sondern vielmehr das Eingreifen des Opfers bzw. des Dritten nieder. Durch sein ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung tritt der Täter nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB zurück. 2. Der erforderliche Vorsatz und die subjektive Zurechenbarkeit des trotz vermeintlich wirksamen Verhinderungsbemühens eingetretenen Erfolgs Die Fehlvorstellung des Täters, durch seine Verhinderungshandlung die geschaffene Gefahr beseitigt und damit die Vollendung verhindert zu haben, könnte aber einen subjektiven Zurechnungsmangel begründen. Allerdings lässt sich die Argumentation, mit der bei einer Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung trotz des Erfolgseintritts teilweise ein Vollendungsmangel begründet wird, auf die vorliegende Konstellation nicht übertragen. Der Täter erkennt nämlich, dass er ein unerlaubtes Erfolgsrisiko gesetzt hat, und weist demzufolge einen sogar den strengeren zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen genügenden Vollendungsvorsatz auf. a) Die Unterbrechung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs Dennoch wird bisweilen bei ernsthaften und vermeintlich wirksamen Verhinderungsbemühungen des Versuchstäters eine Unterbrechung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs einer Vorsatztat angenommen.407 Der – gerade gegen den Willen des Täters eintretende – Erfolg bilde aufgrund des „tatbildwidrigen“ Rücktritts „nicht mehr das ,tatzielkonform‘ oder ,tatplanadäquat‘ vollendete Werk des Täters“.408 Mache sich ein Täter falsche Vorstellungen über die Wirksamkeit seiner Rücktrittsleistung, sei er lediglich wegen Versuchs ohne Rücktrittsmöglichkeit sowie gegebenenfalls in Idealkonkurrenz wegen fahrlässiger Tatbegehung zu bestrafen.409 407 408 409

So Bottke, Methodik, S. 551, 557 f.; Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36 f., 40). Bottke, Methodik, S. 558. Bottke, Methodik, S. 558 f.; Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36 f., 40).

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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Eine Bestrafung des verhinderungsbemühten Täters wegen vollendeter Tat belebe die längst überwundene Erfolgshaftung neu und gehe sogar noch über den Gedanken des versari re in illicita hinaus, da dem Täter nicht nur Folgen zur Last gelegt würden, die er nicht oder nicht in diesem Ausmaß gewollt habe, sondern sogar solche, die er ausdrücklich und freiwillig bekämpft habe.410 Darin liege ein Verstoß gegen das Schuldprinzip.411 Zwar bringe die Lösung über eine Unterbrechung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs die schwierige und mit Beweisrisiken belastete Problematik mit sich, „ob und wie weit sich der Rücktritt ,manifest entfaltet‘ haben“ müsse,412 doch sei dies in Kauf zu nehmen, da auch bei der Annahme einer Zurechnungsunterbrechung keine Strafbarkeitslücken drohten, sondern der Unrechtsgehalt der Tat mit der nur fakultativ gemilderten Versuchsstrafe in Idealkonkurrenz zum möglichen Fahrlässigkeitsvorwurf voll ausgeschöpft werden könne.413 Bei einer ausreichend manifesten Umkehr des Täters erscheine einerseits die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Täters durch seinen Gesinnungswechsel sowie die Bemühungen, den Eintritt des Erfolges zu verhindern, gemildert, wenngleich nicht aufgehoben;414 andererseits begründe die Schaffung der Rechtsgütergefährdung einen ausreichenden Zurechnungstitel, „ihm den Erfolg als fahrlässig begangen zur Last zu legen“.415 Aufgrund des Erfolgseintritts sei allerdings trotz subjektiven Zurechnungsmangels ein Rücktritt ausgeschlossen; der Täter habe sich wegen Versuchs in Idealkonkurrenz mit fahrlässiger Tatbegehung strafbar gemacht.416 b) Die vollständige Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes Ganz überwiegend wird ein ausreichender Vorsatz des Täters hingegen trotz seiner Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Verhinderungshandlung bejaht und ihm der Erfolgseintritt mangels wesentlicher Kausalabweichung subjektiv zu seinem Vorsatz zugerechnet.417 Der Täter ist danach wegen vollendeter Vorsatztat zu bestrafen; die Tatsache, dass er den Erfolgseintritt im Moment der Tatvollendung nicht mehr will, sowie sein aktives Bemühen um die Verhinde410

So Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36 f.); vgl. auch Bottke, Methodik, S. 551. Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36). 412 s. Bottke, Methodik, S. 558 mit Fn. 417, der zwar „bloßen Katzenjammer“ oder „momentane Zweifel“ nicht für eine Unterbrechung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs genügen lässt, aber schwankt, wenn der Täter einen Rücktrittsentschluss fasst, den er nicht mehr oder nur teilweise in die Tat umsetzen kann. 413 Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36 f.); ebenso Bottke, Methodik, S. 558 f. 414 Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36 f., 40). 415 Munoz-Conde, GA 1973, 33 (40); vgl. auch Bottke, Methodik, S. 558 f. 416 Bottke, Methodik, S. 557 f.; Munoz-Conde, GA 1973, 33 (36 f.). 417 Für die ganz h. M. Blei, AT, § 69 III 2; ders., PdW, Fall 232; Köhler, S. 472, 476; Preisendanz, § 24 Anm. 6 e; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28. So bereits Frank, § 46 III. 411

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

rung der Vollendung können allein im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden.418 Der Delinquent habe den Eintritt des Erfolges im maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbegehung (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) vorhergesehen.419 Seine spätere Sinnesänderung sei „für sich allein grundsätzlich ohne Bedeutung“ und stehe einer Zurechnung zum Vorsatz nicht entgegen; insbesondere müsse im Zeitpunkt des Erfolgseintritts kein Vorsatz mehr vorliegen.420 Auch jene, die an den Vorsatz im Rahmen des Vollendungsdelikts gesteigerte Anforderungen stellen, sehen diese erfüllt: Der Täter habe den Erfolgseintritt nach der Tatausführung – zutreffend – zumindest für möglich gehalten und damit nicht nur „beim Auslösen der Kausalkette“, sondern auch beim eigentlichen „Aus-der-Hand-Geben“ der Tat, d.h. „bis zur Beendigung“ gewusst, dass er ein unerlaubtes Risiko setze.421 Was auch immer er in der Deliktsspanne zwischen Versuchsbeendigung und Erfolgseintritt unternommen, sich vorgestellt oder gewollt habe, beeinflusse den bestehenden Vollendungsvorsatz nicht mehr und könne den Täter nicht vor der Erfolgszurechnung bewahren.422 Der Täter trage das Erfolgsverhinderungsrisiko.423 Er habe in seinem Versuch den vollen Handlungsunwert verwirklicht und so den Erfolg auf Grundlage eines „maximalen“ – d.h. beendeten, tauglichen und schuldhaften – Versuchs bewirkt; mehr könne man für eine Vollendungsstrafbarkeit nicht verlangen.424 Schließlich realisiere sich im Erfolg auch das vorsätzlich und schuldhaft geschaffene Risiko, ohne dass eine wesentliche Abweichung des Kausalverlaufs vorliege.425 c) Die modifizierende Auffassung von Schliebitz Auch Schliebitz tritt grundsätzlich für eine subjektive Zurechnung des entgegen der Tätervorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung einge418 s. dazu Roxin, AT II, § 30 Rn. 132; Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; ders., Studienbuch, 11/74. 419 Vgl. z. B. Römer, Fragen, S. 95; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 91. 420 So schon RGSt 57, 194; vgl. auch BGH bei Dallinger, MDR 1953, 721 (722); s. ferner SK-Rudolphi, § 24 Rn. 28. 421 So Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (653); ders., Leferenz-FS, S. 545 (548); ebenso Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251 (262 f.); Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 100. 422 So Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (547 f., 554); ähnlich ders., ZStW 89 (1977), 649 (653 f.); ferner Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 101; vgl. Schönke/Schröder/ Eser, § 24 Rn. 25; ebenso Herzberg, Oehler-FS, 163 (169); Noack, Tatverlauf, S. 74. 423 So Klimsch, Behandlung, S. 108. 424 Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548); vgl. dazu auch Struensee, Kaufmann-GS, 523 (534); ähnlich Bach, Rücktritt, S. 111. 425 So z. B. Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 91; Wolter, Leferenz-FS, S. 545 (548); zustimmend Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 100; ebenso Schmidhäuser, Studienbuch, 11/74.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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tretenen Erfolges ein, fordert allerdings für zwei Fallgestaltungen eine Modifikation dieses Ausgangspunkts.426 aa) Einschränkung der Vorsatzhaftung bei anfänglichem Revokationsentschluss Von der Grundregel der subjektiven Zurechnung sei dann abzuweichen, wenn sich in dem Misslingen der Rettung eine bereits der Tatbegehung innewohnende Fehlvorstellung manifestiere, d.h. bereits bei Tatbegehung eine Fehlvorstellung vorgelegen habe, die letztlich für den Erfolgseintritt ursächlich werde. In diesem Fall sei nach dem Zeitpunkt und der Intensität des Revokationsentschlusses des Täters zu differenzieren:427 Gehe dieser bereits während der Tathandlung von einer Revokationsmöglichkeit aus, habe er aber zunächst nicht vor, diese zu ergreifen, sog. nachträglicher Revokationsentschluss, stehe seine Fehlvorstellung einem ausreichenden Vorsatz nicht entgegen. Es genüge das Erkennen des wirksam gewordenen Risikos; dass er es nicht mehr umkehren könne, müsse der Täter nicht wissen.428 Dasselbe – also im Ergebnis Vollendungshaftung – gelte für den Fall der sog. Revokationsunsicherheit, die vorliege, wenn der Täter nur unter Bedingungen von der Revokationsmöglichkeit Gebrauch machen wolle oder sich nicht ganz sicher sei, ob die Revokation gelingen werde, solange er zumindest dolus eventualis hinsichtlich des Nichteintritts der Revokationsbedingung bzw. hinsichtlich der Wirkungslosigkeit der Revokationsmethode aufweise.429 Bei einem bereits anfänglichen Revokationsentschluss hingegen, d.h. wenn der von einer sicheren Revokationsmöglichkeit ausgehende Täter bereits während der Tatausführung zur Umkehr des Risikos entschlossen ist, fehle dem Täter der erforderliche Vorsatz und komme, falls sich die Tätervorstellung als unrichtig erweise und der Erfolg eintrete, allenfalls eine Fahrlässigkeitsbestrafung in Betracht.430 Übertragen auf das schon mehrfach erwähnte Giftbeispiel bedeutet dies, dass ein bereits bei der Giftverabreichung irrig von der Möglichkeit, den Tod des Opfers durch die spätere Verabreichung eines Gegengiftes abwenden zu können, ausgehender Täter trotz seiner Fehlvorstellung wegen vollendeter Vorsatztat zu bestrafen wäre, falls er bei der Tatausführung noch nicht vorhatte, das Gegengift tatsächlich zu verabreichen. Gibt er dem Opfer hingegen das Gift bereits mit dem Entschluss, diesem sogleich ein vermeintlich sicheres Gegengift zu in-

426

Vgl. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 104 ff., 111, 135, 195. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 104. Zu dessen zeitlichem Verständnis der rücktrittsrechtlichen Versuchsstadien vgl. bereits Dritter Teil A. III. 2. c) aa) (3). 428 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 104 f. 429 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 106 f. 430 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 105 f. 427

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

jizieren – etwa um lediglich die Wirkweise des Giftes zu beobachten –, stünde seine Fehlvorstellung hinsichtlich der Wirksamkeit des Gegengiftes seinem Vorsatz entgegen; in Frage käme denn lediglich eine Fahrlässigkeitsbestrafung.431 bb) Ausweitung der Vorsatzhaftung bei Distanzdelikten An anderer Stelle will Schliebitz die Vorsatzhaftung des Täters ausdehnen: Überschreite der Täter, wie insbesondere bei den sog. Distanzdelikten, die Schwelle des unmittelbaren Ansetzens i. S. des § 22 StGB ausnahmsweise erst nach Abschluss seiner Tathandlung, etwa erst mit dem Entlassen des Geschehens aus seinem Herrschaftsbereich oder der angenommenen Entstehung einer unmittelbaren Gefahr für das Rechtsgut,432 komme es für die Erfolgszurechnung allein auf die Tathandlung an und liege auch dann eine vollendete Vorsatztat vor, wenn diese Handlung, also eine Vorbereitungshandlung, den Erfolg auslöse. Vorsatz im Moment des unmittelbaren Ansetzens sei in diesem Ausnahmefall für eine Zurechnung nicht erforderlich.433 d) Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Der entgegen der Vorstellung des Täters, er habe durch seine Verhinderungshandlung die geschaffene Vollendungsgefahr beseitigt, eingetretene Erfolg kann diesem als vorsätzlich herbeigeführt zugerechnet werden, wenn sein Vorsatz zeitlich und inhaltlich ausreichend ist und keine wesentliche Kausalabweichung vorliegt. Auszugehen ist auch hier von der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, wonach die Kenntnis der Umstände des gesetzlichen Tatbestandes „bei Begehung der Tat“ erforderlich ist, also nach § 8 StGB zu der Zeit, „zu welcher der Täter [. . .] gehandelt hat“ (§ 8 S. 1 StGB); nicht maßgebend ist hingegen, „wann der Erfolg eintritt“ (§ 8 S. 2 StGB).434

431 Vgl. auch das von Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 105, gebildete Bsp. des Hetzens eines Kampfhundes, den der Täter wieder rechtzeitig, bevor er das Opfer totbeißt, zurückzupfeifen können glaubt, was er – im Fall des anfänglichen Revokationsentschlusses – auch von Anfang an vorhat. S. ferner die von Roxin, AT II, § 30 Rn. 130, angeführte Konstellation eines zur Entschärfung der Bombe entschlossenen Bombenlegers. 432 Grundlegend Roxin, JuS 1979, 1 (9); ausf. LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 131 ff. Andere nehmen einen Versuch erst an, wenn das Opfer (aus Tätersicht) in den Wirkungskreis der Falle gerät, vgl. Gössel, JR 1998, 293 (295, 297); Otto, NStZ 1998, 243 f. Vgl. ferner BGHSt 43, 177 f. 433 Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 135, 195. 434 Dazu bereits ausf. Dritter Teil A. III. 2. b) aa), c) aa).

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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aa) Vorliegende Tatplanadäquanz Bereits die gesetzliche Regelung zeigt, dass die Zurechnung nicht an die – vorliegend gescheiterte – Verhinderungshandlung, also z. B. die nur vermeintlich erfolgreiche Neutralisierung durch das Gegengift, sondern an die Vornahme der tatbestandlichen Ausführungshandlung, also die – hier vorsätzlich erfolgte – Verabreichung des Giftes anknüpft.435 Dies verkennen aber Bottke und MunozConde, wenn sie die Unterbrechung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs damit begründen wollen, dass dem Täter im Fall der Zurechnung Folgen zur Last gelegt würden, die er nicht gewollt und gar zu verhindern geglaubt habe. Allein die Tathandlung muss vom Willen des Täters zum Erfolg getragen sein, nicht hingegen die anschließende Nichtabwendung des Erfolges. Das Nachtatverhalten und die dieses begleitende Tätervorstellung haben für seinen Vorsatz keinerlei Bedeutung, da dieser nach der Tatausführung gar nicht mehr vorliegen muss. Schon deshalb kann eine Fehlvorstellung des Täters entgegen Bottke und Munoz-Conde nur insoweit relevant sein, als sie die Verabreichung des Giftes als Tathandlung betrifft.436 Aus demselben Grund wird durch die Annahme einer Vollendungsstrafbarkeit auch nicht die überholte Erfolgshaftung und die Strafbarkeit des versari re in illicita wiederbelebt. Zwar hängt die Vollendungsstrafbarkeit des Täters auch vom Erfolg seiner Rettungsbemühungen ab, doch knüpft der strafrechtliche Vorwurf nicht an das – möglicherweise zufällige – Scheitern der Rettung, sondern an die vorangegangene, vorsätzliche Schaffung der Gefahr an.437 Rechnet man dem Täter den Erfolgseintritt zu seinem Vorsatz zu, lässt man ihn mithin für die durchaus tatplanadäquaten Folgen seines zuvor mit Vollendungsentschluss betätigten unmittelbaren Ansetzens zur Tat haften.438 Nur weil er nicht in den Genuss eines für ihn vorteilhaften, glücklichen Zufalls kommt, beruht seine Strafbarkeit nicht auf einem unglücklichen Zufall. Am maßgeblichen Erwartungshorizont des Täters während seiner Tathandlung gemessen entspricht der Erfolgseintritt voll und ganz den Zielen des Täters, verwirklicht sich im Erfolg die ursprünglich geschaffene Gefahr.439 Die Fehlvorstellung des Täters hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Verhinderungs435 Übereinstimmend Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 101, sowie S. 103 mit dem überzeugenden Hinweis, andernfalls erforderte die Strafbarkeit wegen aktiven Tuns, „dass der Täter anschließend auch noch (durch das Nichtabwenden des Erfolgs) die Voraussetzungen eines unechten Unterlassungsdelikts“ erfülle, was augenscheinlich nicht der Fall sei. 436 Vgl. dazu auch Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (291 f.). 437 Ebenso Roxin, AT II, Rn. 132; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 102 ff., 194. 438 Ähnlich NK-Zaczyk, § 24 Rn. 55; Roxin, AT II, Rn. 132; ferner Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 102 f.; anders aber Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 95, unter Berufung auf die „an dieser Stelle berechtigte [. . .] versari in re illicita“.

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

handlung kann deshalb keinen subjektiven Zurechnungsmangel begründen. Dass der Täter letztlich doch noch guten Willen gezeigt hat, indem er sich bemüht hat, den Erfolgseintritt und damit die Vollendung zu verhindern, und dass er vom Gelingen seiner Verhinderungshandlung auch überzeugt war, muss und kann im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB angemessen berücksichtigt werden.440 bb) Kein Bedürfnis für eine Modifikation Eine Modifikation dieses Ergebnisses für bestimmte Sonderfälle, wie Schliebitz sie fordert, ist dabei nicht notwendig. Einer Einschränkung der Vollendungsstrafbarkeit für den Fall eines sog. anfänglichen Revokationsentschlusses des Täters bedarf es schon deshalb nicht, weil eine Vorsatzstrafbarkeit in dieser Konstellation bereits nach allgemeinen Grundsätzen ausscheidet: Plant der Täter die Rettung des Opfers von vornherein ein und vertraut er ernsthaft auf ihr Gelingen, fehlt ihm der erforderliche Tötungsvorsatz; er hat den Erfolgseintritt nicht, wie aber dem ganz herrschenden, erfolgsbezogenen Vorsatzverständnis zufolge erforderlich, zumindest für möglich gehalten und sich damit abgefunden.441 Infolgedessen liegt mangels Vorsatzes im Fall des anfänglichen Revokationsentschlusses nicht einmal ein strafbarer und damit auch kein beendeter Versuch vor. Ebenso wenig ist für die sog. Distanzdelikte eine Ausdehnung der Strafbarkeit dahingehend angebracht, dass der Täter bereits wegen vollendeter Vorsatztat haften muss, wenn eine Vorbereitungshandlung den Erfolg auslöst. Zum einen kann ohne das tatbestandliche Vorliegen eines Versuchs kein rücktrittsrechtlich beendeter Versuch gegeben sein,442 weshalb sich die Frage, ob der Täter „aufgrund der Versuchsbeendigung“ trotz seiner Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Verhinderungshandlung den subjektiven Tatbestand voll verwirklicht hat, so gar nicht stellt. Auch in der Sache aber ist die Annahme eines eine Vollendungshaftung tragenden Vorsatzes und damit eine „Vollendung ohne Ver439 Übereinstimmend Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 194, s. a. S. 102; Roxin, AT II, Rn. 132; Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/76; ders., Studienbuch, 11/74; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, § 11 Rn. 91; ferner Römer, Fragen, S. 95. 440 Hierzu s. etwa Lackner/Kühl, § 46 Rn. 42. 441 Zur ganz h. M. vgl. nur BGHSt 36, 1; SK-Rudolphi, § 16 Rn. 43 m.w. N. Auch wer, wie z. B. mit Frisch, Verhalten, S. 97 f., und Wolter, Beitrag, S. 9, den Vorsatz handlungsbezogen versteht, also das „Wissen um die unerlaubte Gefährlichkeit des Verhaltens“ verlangt, muss bei einem anfänglichen Revokationsentschluss den Vorsatz ablehnen: Geht der Täter vom Bestehen von Möglichkeiten der Gefahrneutralisierung aus, fehlt ihm das „Für-sich-Ausgehen“ von einer normrelevanten Gefahr, s. Frisch, Verhalten, S. 215 f., 217; ähnlich Wolter, Zurechnung, S. 211; ders., Beitrag, S. 11. Zum Ganzen ausf. Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 105 f. 442 Anders aber Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 111.

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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such“ abzulehnen: Der Täter muss mindestens i. S. des § 22 StGB zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben; wird er nach seiner maßgeblichen Vorstellung lediglich vorbereitend tätig, fehlt ein in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ausreichender Vorsatz und bleibt nur die Möglichkeit einer Fahrlässigkeitsbestrafung.443 e) Zwischenergebnis zum erforderlichen Vorsatz und der subjektiven Zurechenbarkeit Die Fehlvorstellung des Täters, er habe durch sein Verhinderungsbemühen die – zutreffend erkannte – Vollendungsgefahr beseitigt, steht einer Zurechnung des eingetretenen Erfolges zu seinem Vorsatz nicht entgegen. Am maßgeblichen Erwartungshorizont des Täters bei Begehung der Tat gemessen entspricht der Erfolgseintritt seinem Wissen und Wollen, weshalb an einer Tatplanadäquanz auch bei einer später, infolge der vorgenommenen Verhinderungsbemühungen geänderten Vorstellung nicht gezweifelt werden kann. 3. Zwischenergebnis zur Frage der Vollendung der Tat Setzt der Täter vorsätzlich ein unerlaubtes Risiko und erkennt er zutreffend die Möglichkeit des Vollendungseintritts (sog. Situation des rücktrittsrechtlich beendeten Versuchs), stehen im Fall des Erfolgseintritts weder seine anschließend geleisteten Verhinderungsbemühungen noch seine Überzeugung, den Erfolg durch diese Rettungsaktivität abgewendet zu haben, einer Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Vollendung entgegen: Der Erfolg ist kausal und – mit Ausnahme der Konstellationen, in denen das Opfer selbst oder ein Dritter das Gelingen der sonst tauglichen und bei einem ungestörten Verlauf die Vollendung verhindernden Rücktrittsbemühungen des Täters vorsätzlich und in nicht vorhersehbarer Weise vereitelt – objektiv zurechenbar eingetreten. Ferner weist der Täter im maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung einen für eine subjektive Zurechnung ausreichenden Vorsatz auf und entspricht der Erfolgseintritt auch diesem Vorsatz. Aufgrund der eingetretenen Vollendung stellt sich die Frage nach einem strafbefreienden Rücktritt gar nicht.

IV. Die Lösung der Problematik durch eine analoge Anwendung gesetzlicher Irrtumsregeln Auch im Zusammenhang mit der Fehlvorstellung des Täters über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung bei eintretendem Erfolg bedarf es abschlie-

443

Ebenso Roxin, AT II, § 30 Rn. 135; vgl. bereits Dritter Teil A. III. 2. c) aa), bb).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

ßend der Auseinandersetzung mit dem von Klöterkes entwickelten Gedanken, die Fehlvorstellungsproblematik im Rücktrittsbereich nach den Regeln der allgemeinen Irrtumslehre zu lösen.444 Wer irrig davon ausgeht, er habe die von ihm gesetzte Gefahr wieder beseitigt, soll danach „subjektiv die für einen Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 [. . .] Alt. 2 StGB erforderlichen Voraussetzungen erfüllt“ haben,445 weshalb sich ebenso wie beim Erfolgseintritt im rücktrittsrechtlichen Stadium des unbeendeten Versuchs die Frage stelle, wie dieser dem Erlaubnistatbestandsirrtum ähnliche Rücktrittsirrtum zu behandeln sei.446 1. Analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB Auch hier will Klöterkes – auf der Grundlage ihres Rücktrittsverständnisses447 – aufgrund der vermeintlich gleichen Motivationslage und des deutlich verringerten Handlungsunwerts § 35 Abs. 2 StGB analog anwenden:448 Der Täter wende sich durch seinen Versuch der Rettung des Opfers aus eigenem Antrieb gegen das von ihm in Gang gesetzte Unrecht und trage somit dazu bei, „daß bei einer Gesamtbetrachtung des Geschehens das von ihm gezeigte Verhalten für sich betrachtet eine Vorwerfbarkeit nicht“ begründe.449 Dabei will Klöterkes jedoch die Rechtsfolgen in der bereits dargestellten, den Besonderheiten des „Rücktrittsirrtums“ entsprechenden Weise modifizieren: Im Fall der Vermeidbarkeit der Fehlvorstellung komme dem Täter analog § 35 Abs. 2 S. 2 StGB eine obligatorische Strafmilderung zugute; sei der Irrtum dagegen unvermeidbar, handle also z. B. ein Fachmann bei der Entschärfung einer Bombe sorgfältig und dürfe dieser deshalb vom Erfolg der Entschärfung ausgehen,450 habe eine Bestrafung wegen fahrlässigen Delikts zu erfolgen.451 Allerdings gibt Klöterkes zu bedenken, dass eine Strafbefreiung bzw. eine obligatorische Strafmilderung nur im Fall einer Fehlvorstellung des Täters in Betracht komme; sobald der Täter das Misslingen seiner Rücktrittsbemühungen erkenne, liege lediglich ein „vergeblicher Rücktritt“ vor, der nicht zu einer Strafbefreiung oder -milderung führe. Die „viel kritisierte ,Erfolgshaftung‘“ werde mithin nicht ganz aufgehoben.452 444

Klöterkes, Rücktritt, S. 51 ff. Klöterkes, Rücktritt, S. 51. 446 So Klöterkes, Rücktritt, S. 51 f. 447 Zur systematischen Einordnung des Rücktritts als Entschuldigungsgrund s. bereits Dritter Teil A. IV. 1. 448 Klöterkes, Rücktritt, 146 ff., 159. 449 Klöterkes, Rücktritt, S. 147. 450 So das von Klöterkes, Rücktritt, S. 144, angeführte Bsp. 451 Zu dieser Modifikation der Rechtsfolgen des § 35 Abs. 2 StGB s. Klöterkes, Rücktritt, S. 148 ff. 452 Klöterkes, Rücktritt, S. 144. 445

B. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung

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2. Kritische Würdigung dieses Ansatzes und eigene Stellungnahme Gegen die Annahme eines sog. „Rücktrittsirrtums“ und dessen Behandlung analog § 35 Abs. 2 StGB mit modifizierten Rechtsfolgen bei einer Fehlvorstellung des Täters über das Gelingen seiner Verhinderungshandlung lassen sich ähnliche Gründe anführen wie bereits im Zusammenhang mit der Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung.453 Auch hier sind selbst bei einer Einstufung des Rücktritts als Entschuldigungsgrund die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB nicht erfüllt: Zum einen hat der Gesetzgeber durch die Formulierung der Rücktrittsanforderungen in § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2 StGB klargestellt, dass das Verhinderungsbemühen des Täters, um eine Strafbefreiung zu rechtfertigen, entweder objektiv erfolgreich, also kausal für das Ausbleiben des Erfolges sein oder aber die Vollendung auf andere Weise ausbleiben muss.454 Dadurch hat er hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der (Fehl-)Vorstellung des Täters in Bezug auf die Geeignetheit der Verhinderungshandlung nur dann allein maßgebliche Bedeutung zukommt, wenn es aus anderen Gründen nicht zur Vollendung der Tat kommt. Für eine analoge Heranziehung des § 35 Abs. 2 StGB fehlt es deshalb an einer planwidrigen Regelungslücke. Daneben stellt das Erfordernis der Nichtvollendung entsprechend der Situation beim unbeendeten Versuch auch keinen Umstand im Sinne des § 35 Abs. 2 StGB dar, sondern bestimmt § 24 Abs. 1 StGB ausdrücklich, dass der Rücktritt die Vollendungsstrafe nicht aufheben kann. Die irrige Annahme der Voraussetzungen des Rücktritts kann daher bestenfalls zu einer Befreiung von der Versuchsstrafe führen.455 Schließlich fehlt es besonders bei einem rücktrittsrechtlich beendeten Versuch entgegen dem Vorbringen Klöterkes’ auch an einem „deutlich verminderten Handlungsunwert“. Weil nach überzeugender Ansicht selbst ein gelungener Rücktritt das durch die Tat verwirklichte Handlungsunrecht unberührt lässt bzw. lediglich herabsetzt,456 bleibt das beim beendeten Versuch voll verwirklichte Handlungsunrecht trotz der Verhinderungsbemühungen des Täters und gerade anders als bei der irrigen Annahme entschuldigender Tatumstände bei der Tatbegehung i. S. von § 35 Abs. 2 StGB bestehen. Mithin fehlt es auch an der Vergleichbarkeit zu der durch § 35 Abs. 2 StGB geregelten Situation.

453 454 455 456

s. Dritter Teil A. IV. 2. Vgl. Dritter Teil B. III. 1. b) aa). Vgl. oben Dritter Teil A. IV. 2. b). Ausf. dazu Dritter Teil A. III. 2. c) dd) (3) (b).

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3. Teil: Die Fehlvorstellungen des Täters bei eintretendem Erfolg

3. Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit gesetzlicher Irrtumsregeln Eine Strafbefreiung bzw. Strafmilderung aufgrund eines „Rücktrittsirrtums“ über § 35 Abs. 2 StGB analog ist auch in dieser Fallgestaltung abzulehnen.

V. Ergebnis zur Fehlvorstellung über die Wirksamkeit seiner Rücktrittshandlung bei eintretendem Erfolg Erkennt der Täter zwar zutreffend mindestens das Bestehen einer Möglichkeit des Erfolgseintritts, verkennt er jedoch, dass die von ihm unternommenen Verhinderungsbemühungen die geschaffene Erfolgsgefahr nicht beseitigen, haftet er, wenn der Erfolg – entgegen seiner Vorstellung – eintritt, regelmäßig wegen vollendeter Tat. Dies ergibt sich zwar nicht bereits aus der gesetzlichen Rücktrittsregelung zum beendeten Versuch, jedoch aus der Anwendung allgemeiner Zurechnungsregeln: Weder das Bemühen des Täters um Vollendungsverhinderung noch seine Fehlvorstellung über deren Wirksamkeit stehen einer Verwirklichung der von ihm vorsätzlich und verbotswidrig geschaffenen Gefahr in nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbarer und von ihm bei Tatbegehung auch vorhergesehener und gewollter Weise entgegen. Eine Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 oder S. 2 StGB kommt wegen der eindeutigen Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften auf Versuchsdelikte nicht in Betracht. Ebenso wenig ist es zulässig, dem Täter wegen eines „Rücktrittsirrtums“ über eine entsprechende Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB Strafmilderung oder -befreiung zu gewähren. Sein Bemühen um Vollendungsverhinderung sowie seine Überzeugung von deren Gelingen können lediglich im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB Berücksichtigung finden. Anderes gilt nur in den seltenen Fällen, in denen das Opfer selbst oder ein Dritter das Gelingen der sonst tauglichen und bei einem ungestörten Verlauf die Vollendung verhindernden Rücktrittsbemühungen des Täters vorsätzlich, in nicht vorhersehbarer Weise vereitelt: Der Erfolgseintritt stellt sich dann nicht mehr als das Werk des Versuchstäters, sondern als das des Eingreifenden dar; es liegt ein objektiver Zurechnungsmangel vor. Im Bemühen des Täters um Vollendungsverhinderung ist dann ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB zu sehen. Auch in der Konstellation des Verkennens der Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung kann der – mehr oder weniger zufällige – Erfolgseintritt somit dafür sorgen, dass der Täter nicht nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten, sondern wegen vollendeter Tat zu bestrafen ist. Abermals gründet der Unterschied aber nicht auf rücktrittsrechtlichen Wertungswidersprüchen, sondern darauf, dass sich beim Eintritt einer Rechtsgutsverlet-

C. Ergebnis zum Dritten Teil

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zung die Frage nach einer Vollendungsstrafbarkeit stellt und damit anderen Aspekten Bedeutung zukommt als im Rahmen des Rücktritts.

C. Ergebnis zum Dritten Teil Tritt der Erfolg trotz eines aus Tätersicht erfolgreichen Rücktritts entgegen der Erwartung des Täters ein, haftet dieser in aller Regel wegen vollendeter Tat. Dies gilt sowohl im Fall der Fehlvorstellung über die erforderliche Rücktrittsleistung als auch im Fall der Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung, mithin unabhängig vom Bezugspunkt der Fehlvorstellung. Beide Fehlvorstellungen sowie die vom Täter jeweils an den Tag gelegte, vermeintlich wirksame Rücktrittsleistung sind lediglich im Rahmen der Strafzumessung als Nachtatverhalten gemäß § 46 StGB strafmildernd zu berücksichtigen. Angesichts dessen, dass sich die vom Täter im Rahmen des § 24 Abs. 1 StGB zur Erlangung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung ausschließlich nach dessen tatsächlicher Vorstellung bestimmt und dass gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB die Verhinderungsbemühungen ausschließlich nach seiner Vorstellung wirksam sein müssen, solange die Tat letztlich nicht vollendet wird, kommt damit dem mehr oder weniger zufälligen Erfolgseintritt die Bedeutung zu, zwischen Straffreiheit und Vollendungsstrafe zu entscheiden. Dieser Bewertungswiderspruch stellt sich jedoch nicht als Problem der Rücktrittsregelung dar, sondern erklärt sich daraus, dass sich, sobald es als Konsequenz der Versuchshandlung zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist, andere Fragestellungen ergeben, weil nunmehr zunächst der – von Versuchs- und Rücktrittsfragen unabhängige – Bereich der tatbestandlichen Zurechnung betroffen ist und sich die Rücktrittsfrage eben nur bei einer tatbestandlichen Nichtvollendung, nicht aber bei einer Haftung wegen vorsätzlich vollendeter Tat überhaupt stellt. Zudem wird es in der Konstellation der Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung aufgrund der geringen inhaltlichen Anforderungen an das Vorliegen eines beendeten Versuchs nur selten zu einer derartigen Diskrepanz in der Bestrafung kommen: Sobald der Täter den Erfolg auch nur für möglich hält, ist er bei bloßem Aufgabeverhalten ohnehin wegen Versuchs zu bestrafen, entscheidet der Erfolgseintritt mithin – wie stets – über das Vorliegen einer Versuchs- oder einer Vollendungsstrafbarkeit.

Vierter Teil

Der maßgebliche Vorstellungszeitpunkt und die Beachtlichkeit einer „Vorstellungskorrektur“ Sowohl bei der Entscheidung, dass die Tätervorstellung die für eine Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmt,1 als auch bei der Konkretisierung und Präzisierung der inhaltlichen Beschaffenheit der dem jeweiligen rücktrittsrechtlichen Versuchsstadium zuzuordnenden Vorstellung,2 blieb bislang die Frage unbeachtet, welcher Zeitpunkt der für die Feststellung der Tätervorstellung maßgebende ist. Die weit reichende sachliche Bedeutung, die dieser Zeitpunktfrage zukommt, erschließt sich dem Betrachter jedoch bereits, wenn er sich vergegenwärtigt, dass das subjektive Gefahrenurteil des Täters mit Zeitablauf der ständigen Veränderung unterworfen ist: So mag der Täter etwa im Planungsstadium der Tat bzw. zu Beginn seiner Ausführungshandlung ein anderes Bild von der Möglichkeit des Erfolgseintritts haben als nach deren Vornahme. Ebenso kann sein nach der Tatausführung getroffenes Gefahrenurteil – sei es infolge einer veränderten Informationsbasis oder aus kaum erklärbaren, im Innern des Täters stattfindenden Gefühlsänderungen – jederzeit umschlagen: Der Täter, der eben noch den Erfolg seiner Tat für möglich hielt, kann ihn nun ohne ein Weiterhandeln seinerseits für ausgeschlossen halten. Gleichermaßen wandelt sich die nach der Vorstellung des Täters zur Abwendung der Tatvollendung erforderliche Rücktrittsleistung, würde also bei Maßgeblichkeit der aktualisierten Vorstellung vom Täter zur Erlangung von Strafbefreiung mehr oder weniger gefordert als bei Maßgeblichkeit seiner ursprünglichen Vorstellung. Im Folgenden wird deshalb untersucht, ob es den einen, für die Festlegung der nach § 24 Abs. 1 StGB erforderlichen Rücktrittsleistung entscheidenden Zeitpunkt gibt oder ob in Fallgestaltungen, in denen die Vorstellung des Täters – etwa weil nicht alles „nach Plan“ verläuft – schwankt, ein anderer Moment maßgeblich ist. Dazu wird – nach einem kurzen Überblick darüber, welche Bedeutung der Entscheidung für eine subjektive Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung insoweit zukommt – in einem ersten Schritt der grundsätzlich entscheidende Zeitpunkt ermittelt. Hieran anknüpfend wird dann untersucht, wie sich eine Änderung der Tätervorstellung auswirkt, d.h. ob und gegebenenfalls in

1 2

s. dazu Zweiter Teil B. V. s. Zweiter Teil C. I. 3., II. 2. d).

A. Die Auswirkung der Maßgeblichkeit der Tätervorstellung

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welchen Grenzen das spätere, „korrigierte“ Gefahrenurteil des Täters Bedeutung erlangt.

A. Die Auswirkung der Maßgeblichkeit der Tätervorstellung bei der Ermittlung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums Obgleich sich die Frage nach dem entscheidenden Zeitpunkt für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung grundsätzlich unabhängig von der maßgeblichen Perspektive stellt, verleiht die im Zweiten Teil dieser Arbeit getroffene Entscheidung für die alleinige Maßgeblichkeit der Tätervorstellung der Zeitpunktfrage gerade ihre eigentliche Brisanz. Zum einen wäre nämlich der Zeitraum, innerhalb dessen der ausschlaggebende Abgrenzungszeitpunkt liegen könnte, bei einer Bestimmung der Rücktrittsleistung nach der tatsächlichen Gefährdungslage deutlich enger: In Betracht komme nur ein Zeitpunkt nach der Vornahme mindestens eines Teils der tatbestandlichen Ausführungshandlung, da im Stadium der Tatplanung bzw. zu Beginn der Tatausführung mangels Vorliegens objektiver Tatelemente denklogisch noch keine objektive Erfolgsgefahr bestehen kann.3 Hat sich der Täter dagegen bereits vor dem eigentlichen Tatbeginn – etwa im Rahmen seines Tatplans – eine Vorstellung von der Möglichkeit des Erfolgseintritts gebildet, könnte bei deren Maßgeblichkeit bereits einem derart frühen Zeitpunkt abgrenzende Bedeutung zukommen. Vor allem aber wird die objektive Gefahrenlage, nachdem die Tatausführung einmal erfolgt ist, regelmäßig gleich bleiben bzw. sich nur langsam kontinuierlich verändern und allenfalls in den seltenen Fällen des Eingreifens außenstehender Dritter oder des Opfers unerwartet umschlagen, weshalb sich mit Blick auf die objektive Situation zwischen den in Frage kommenden, abgrenzenden Zeitpunkten kaum Unterschiede ausmachen lassen. Die subjektive Einschätzung des Täters hinsichtlich der Möglichkeit des Erfolgseintritts kann sich demgegenüber – jederzeit und unabhängig von einer Veränderung der objektiven Gefahrenlage – wandeln, was teilweise auf ein Wahrnehmungsproblem oder eine anfangs noch recht vage, praxisferne Vorstellung vom Geschehen, nicht selten aber auch auf irrationale, im Innern des Täters ablaufende Denkprozesse und Gefühlsveränderungen zurückzuführen ist.4 Wenngleich sich auch objektive Umstände verändern und entwickeln können, könnten bei einer objektiven Abgrenzung der Versuchsstadien die zu untersuchenden Situationen schließlich auch nicht unter dem häufig hierfür verwende3

s. dazu etwa Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 25. Vgl. hierzu den Hinweis Puppes, JR 2005, 383 (385), das Urteil des Täters könne auch ein unvernünftiges sein. 4

284

4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

ten Stichwort der „Korrekturproblematik“ zusammengefasst werden: Die tatsächliche Lage ist nämlich definitionsgemäß stets „richtig“ und keiner Korrektur im Sinne einer Berichtigung zugänglich.5

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont Ändert sich die Vorstellung des Täters im Laufe der Tatausführung,6 wird die Frage entscheidungserheblich, ob sich die Rücktrittsleistung nach der Anfangsvorstellung des Täters vor bzw. bei Tatbeginn bestimmt oder nach dem Vorstellungsbild, das er nach Abschluss oder Abbruch der letzten Ausführungshandlung bzw. im Zeitpunkt seines Rücktritts hinsichtlich der Erfolgseignung seines Verhaltens aufweist.7

I. Die Abgrenzung zur Problematik des fehlgeschlagenen Versuchs Abzugrenzen ist die Frage nach dem maßgebenden Zeitpunkt für die Festlegung des rücktrittsrechtlichen Versuchsstadiums und damit der erforderlichen Rücktrittsleistung zunächst jedoch von der oft in demselben Zusammenhang besprochenen Problematik des sog. fehlgeschlagenen Versuchs. Denn wenngleich die Begriffe Planungshorizont, Einzelakts- und Gesamtbetrachtungslehre im Schrifttum nicht selten als Gegenpositionen dargestellt bzw. vermengt werden,8 geht es im Streit zwischen Einzelakts- und Gesamtbetrachtungslehre nicht um die Frage des Zeitpunkts für die Bestimmung der Rücktrittsleistung, sondern darum, ob ein Versuch überhaupt noch rücktrittsfähig oder aber bereits fehlgeschlagen ist, weswegen ein „Weiterhandeln“ des Täters ein Ansetzen zu einem

5 Ähnlich bereits Otparlik, Versuch, S. 234 f.; s. ferner Heckler, Ermittlung, S. 211, der das der (späteren) Vorstellung entsprechende, objektiv aber nicht hinreichende Täterverhalten deshalb nur „im Rahmen der Strafzumessung als Nachtatverhalten (vgl. § 46 Abs. 2, letzte Fallgruppe StGB)“ berücksichtigen will. 6 Dies kann auf verschiedensten Ursachen beruhen: Der Täter kann etwa einer geplanten Tathandlung eine zu große oder zu geringe Wirkung beigemessen, die Konstitution des Opfers falsch eingeschätzt oder seine eigenen Fähigkeiten verkannt haben. Vgl. bereits den im Ersten Teil B. III. 3. mit Abwandlungen geschilderten Bsp.-Fall. 7 Dazu, dass dieses „Dilemma des Zeitpunkts“ die Rspr. und Strafrechtswissenschaft über Jahrzehnte hinweg beschäftigte, vgl. Herzberg, NJW 1988, 1559 (1565). 8 Vgl. z. B. Hirschmann, Jura 2001, 711 (712 mit Fn. 13, 14); Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 12 ff. S. ferner z. B. Haft, AT, S. 245, der vorbringt, die „Gesamtbetrachtungstheorie“ stelle auf den „Rücktrittshorizont“ ab. Vermischend auch Otto, Jura 2001, 341 (343), der unter Verweis auf Bergmann, ZStW 100 (1988), 329 (351 ff.); v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (51); Maiwald, Handlungseinheit, S. 92, anführt, nach der Einzelaktslehre sei der Tatbeginn Rücktrittshorizont.

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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neuen Versuch darstellte.9 Erst wenn auf dieser logisch vorrangigen Stufe konstatiert wurde, dass kein Fehlschlag vorliegt, der Versuch mithin rücktrittsfähig ist, stellt sich die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Festlegung der vom Täter zu erbringenden Rücktrittsleistung überhaupt. Ist der Versuch dagegen fehlgeschlagen, hat die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch ihre Bedeutung verloren: Es kommt dann nicht mehr darauf an, was der Täter tun muss, um wirksam zurückzutreten, weil ein Rücktritt ohnehin ausgeschlossen ist.10 Für die nachfolgende Untersuchung zu dem für die Bestimmung der Rücktrittsleistung maßgeblichen Zeitpunkt ist das Nichtfehlschlagen und damit die Rücktrittsfähigkeit des Versuchs deshalb vorauszusetzen. Obschon eine Darstellung des facettenreichen Meinungsstreits zwischen der Einzelaktstheorie und der Gesamtbetrachtungslehre in der vorliegenden Arbeit mithin unterbleibt,11 soll nicht verschwiegen werden, dass der Zeitpunktfrage nach der Gesamtbetrachtungslehre eine erheblich größere Bedeutung zukommt: Wird nämlich mit der Einzelaktstheorie jeder Einzelakt für sich bewertet und ein abgeschlossenes Versuchsgeschehen bereits angenommen, wenn lediglich ein einziger, zur Erfolgsherbeiführung geeigneter Akt ausgeführt wurde, ist der Versuch in den allermeisten Fällen entweder fehlgeschlagen oder beendet;12 durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung kann der Täter nur zurücktreten, wenn er einen Einzelakt vornimmt, der ihm – im für maßgeblich befundenen Beurteilungshorizont13 – nicht zur Erfolgsherbeiführung geeignet, sondern ergänzungsbedürftig erscheint.14 Dagegen ist der Versuch bei einer Gesamtbetrachtung weitaus häufiger rücktrittsfähig, weil er erst abgeschlossen ist, wenn der Täter annimmt, das Ziel seines Handelns mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr in unmittelbarem räumlich-zeitlichen Zusammen9 Eine deutliche Trennung dieser Fragen findet sich etwa bei Kampermann, Grundkonstellationen, S. 96, 102; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 11; Nolden, Rücktritt, S. 54; vgl. auch Gössel, ZStW 87 (1975), 3 (33). 10 Vgl. Krey, AT II, Rn. 483 f.; ähnlich Bergmann, ZStW 100 (1988), 329 (331 f., 336). 11 Für eine umfassende Darstellung der vertretenen Auffassungen s. Kühl, AT, § 16 Rn. 16 ff. m.w. N. Eine ausf. Übersicht zu den vertretenen Argumenten findet sich bei Hillenkamp, AT-Probleme, 18. Problem (S. 106 ff.). 12 Vgl. etwa Jakobs, JuS 1980, 714 (717); Heinrich, AT I, Rn. 829; s. a. Beulke, Klausurenkurs, Rn. 323. 13 Nicht alle Anhänger der Einzelaktstheorie sehen zwangsläufig den Planhorizont als maßgeblichen Zeitpunkt an. Vgl. auch Maiwald, Handlungseinheit, S. 92, wonach jedenfalls bei der modifizierten Einzelaktslehre der „dem Täter erkennbare Versuchsverlauf bis zum Abschluss der letzten (dem Rücktritt vorausgehenden) Ausführungshandlung“ mit zu berücksichtigen ist. Anders aber Otto, Jura 2001, 341 (343). 14 Dazu Bergmann, ZStW 100 (1998), 329 (352 ff.); v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (44); Jakobs, ZStW 104 (1992), 82 (89 ff.); Maiwald, Handlungseinheit, S. 92 f. Ähnlich auch die modifizierte Einzelakttheorie, die einen unbeendeten Versuch annimmt, wenn der Einzelakt bis zum Abschluss der Ausführungshandlung noch nicht erfolgstauglich erscheint, s. dazu Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 21.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

hang erreichen zu können.15 Für die Frage nach der erforderlichen Rücktrittsleistung bleibt dann ersichtlich mehr Raum.

II. Die Tatplanperspektive 1. Der Inhalt der Tatplantheorie Nach der heute kaum noch vertretenen sog. Tatplantheorie entscheidet über die erforderliche Rücktrittsleistung die Tätervorstellung zu Beginn der Ausführungshandlung. Hat der Täter seinen in diesem Zeitpunkt bestehenden Plan erfüllt, soll der Versuch danach selbst dann beendet sein wenn er nach der Durchführung seines Plans und trotz der Möglichkeit noch weiterzuhandeln erkennt, dass seine Aktivitäten nicht hinreichend waren.16 In diesem Sinne schreibt etwa Welzel, „wie in der Versuchslehre allgemein“ entscheide sich die „Frage, ob der Versuch beendet oder nicht beendet ist, nach der Vorstellung des Täters auf Grund seines individuellen Tatplans.“17 Auch Hruschka sieht „in erster Linie die ,beabsichtigte Handlung‘, also de[n] Verbrechensplan“ als Abgrenzungsmaßstab an.18 Die Rücktrittsvoraussetzungen werden diesem Ansatz zufolge also in einem sehr frühen Stadium, u. U. schon vor dem eigentlichen Versuchsbeginn festgelegt, eben dann, wenn der Rücktrittsproband sich seinen endgültigen Tatplan mit den entsprechenden Erwartungen hinsichtlich des Erfolgseintritts zurechtgelegt hat. Da ein Tatplan jedoch nicht immer vorhanden bzw. bisweilen dessen Fehlen in dubio pro reo anzunehmen ist, wird vielfach folgendermaßen differenziert: Geht der Täter bei Tatbeginn davon aus, den Erfolg mit einer bestimmten Handlung herbeiführen zu können, sei der Versuch beendet, wenn er diese ausgeführt habe. Hat er hingegen bei Tatbeginn „noch keinen fest umrissenen Plan, sondern will er so lange handeln, bis der Erfolg eingetreten ist,“ bemesse sich die Abgrenzung nach der Wirksamkeit, die er seiner Ausführungshandlung nach deren Vornahme zuerkennt.19 15 So z. B. die Definition bei Kühl, AT, § 16 Rn. 28; Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 14; ders., Jura 1992, 423 (425). Zu den noch nicht abschließend geklärten Anforderungen an den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Versuchshandlung und den noch möglichen weiteren Handlungen vgl. Jäger, Rücktritt, S. 45 f. m.w. N.; ferner Schönke/ Schröder/Eser, § 24 Rn. 17b.; Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (379). 16 So etwa Welzel, Strafrecht, § 25 I 1 (S. 196); ebenso Gutmann, Freiwilligkeit, S. 90 ff.; Martin, LM, Nr. 14a zu § 46; Maurach, AT, § 41 V A 2 (S. 519 f.); nahe stehend Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 16, § 37 Rn. 10. Auch Blei, AT, § 69 II 2, misst dem Untätigbleiben des Täters nur dann strafbefreiende Wirkung zu, wenn dieser seinem ursprünglichen Plan und seiner gegenwärtigen Vorstellung entsprechend, noch nicht alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. 17 Welzel, Strafrecht, § 25 I 1 (S. 196). 18 Hruschka, JZ 1969, 495 (498).

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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Der fehlgeschlagene Versuch wird dabei nicht als eigenständige Problematik, sondern als Unterfall des beendeten Versuchs, genauer als rücktrittsunfähiger beendeter Versuch angesehen, der dann vorliegen soll, wenn der Täter die in der Planperspektive für zur Vollendung ausreichend erachtete Tathandlung vorgenommen hat, danach aber erkennt oder auch nur irrig annimmt, dass diese nicht zur Tatvollendung führen kann.20 Im Ergebnis noch enger als die Tatplantheorie geht Otparlik nur dann von einem unbeendeten Versuch aus, wenn der Täter „sein ex ante für erforderlich gehaltenes Minimalprogramm“ noch nicht vorgenommen hat und zudem im Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung keine Erfolgsgefahr besteht.21 2. Die für die Maßgeblichkeit des Tatplans angeführten Gründe Als Begründung für die Tatplantheorie wird vor allem vorgebracht, mit der Erschöpfung des Tatplans durch das plangemäße Handeln des Täters trete eine die Tat abschließende Zäsur ein, weshalb der Täter durch einen Verzicht auf planüberschreitendes Weiterhandeln nicht mehr die „weitere Ausführung der Tat“ aufgeben könne.22 Auch systematisch sei ein Abstellen auf den Tatplan konsequent, da im Rahmen des § 22 StGB gleichermaßen die Vorstellung des Täters „von der Tat“, also der Tatplan, entscheide.23 Eine Besserstellung des umsichtiger planenden Täters liege dabei in der Natur der Sache24 und kann Otparlik zufolge durch ein Abstellen auf das zur Erfolgsherbeiführung für erforderlich gehaltene Mindest- statt auf das geplante Gesamtprogramm ausgeschaltet werden.25 Schließlich ergäben sich auch in praktischer bzw. beweistechnischer Hinsicht keine Nachteile gegenüber einem Abstellen auf den Rücktrittshorizont, da dem Einlassungsgeschick des Täters oder seines Verteidigers dort in gleicher Weise und wie bei allen subjektiv ausgestalteten Merkmalen Bedeutung zukomme.26

19 So Welzel, Strafrecht, § 25 I 1 (S. 196 f.); ebenso Maurach, AT, § 41 V A 2 (S. 519 f.); vgl. ferner Gutmann, Freiwilligkeit, S. 90 ff. 20 Vgl. etwa BGHSt 14, 75 (79); dazu Otto, Jura 1992, 423 (424); s. a. Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 16. 21 Otparlik, Versuch, S. 33; s. a. 6 f.; 166. Zur Abgrenzung nach dem objektiven Bestehen einer Erfolgsgefahr vgl. bereits Zweiter Teil B. II. 22 s. BGHSt 10, 129; ferner Herzberg, NJW 1986, 2466; Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 16. 23 Vgl. hierzu Beulke, Klausurenkurs, Rn. 323; s. a. Hillenkamp, AT-Probleme, 18. Problem, C (S. 111). 24 So Nolden, Rücktritt, S. 127 f., ebenso S. 105 f.; vgl. auch Otparlik, Versuch, S. 6 f. 25 s. Otparlik, Versuch, S. 5 f. 26 Nolden, Rücktritt, S. 128 f.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

3. Die Kritik an der Tatplantheorie Die Gegner werfen der Tatplantheorie dagegen vor, sie begünstige in unvertretbarer Weise den genauer planenden, bereits bei Tatbeginn mehrere Verwirklichungsversuche einkalkulierenden Täter gegenüber demjenigen, der sich von vornherein – ohne eventuell erforderlich werdende, weitere Tatmittel zu bedenken – mit einer einzigen Tathandlung begnüge und nach deren Fehlschlag nicht weiterhandle, obwohl er es könnte.27 Für eine Optimierung der Rücktrittschancen nach der Tatplantheorie sei eine möglichst umfangreiche und vor allem alternativreiche Versuchsplanung empfehlenswert, die jedoch gerade von besonders intensiver krimineller Energie und Skrupellosigkeit dieses Delinquenten zeuge. So sei der 100 Schüsse einkalkulierende Täter, der nach 99 ihr Ziel verfehlenden Schüssen vom letzten Schuss absehe, sicherlich gefährlicher als derjenige, der sein Opfer mit einem Schuss zu töten versuche, nach dessen Fehlgehen jedoch weitere, ihm mögliche Schüsse unterlasse.28 Bei alleiniger Maßgeblichkeit des Tatplans komme hingegen nur ersterer in den Genuss des strafbefreienden Rücktritts, was weder gerecht noch kriminalpolitisch sinnvoll sei.29 Darüber hinaus erweise sich das Tatplankriterium dann als unzulänglich, wenn der Täter keinen Tatplan habe, wovon gegebenenfalls in dubio pro reo auszugehen sei.30 Eine Differenzierung nach dem Vorhandensein oder Fehlen eines Tatplans entspreche weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 24 StGB; vielmehr verlange die Rücktrittsregelung eine einheitliche Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung.31 Welche Handlungen der Täter ursprünglich geplant und ob er diese durchgeführt habe, sei für dessen Rücktrittschancen ebenso wenig von Belang wie für die Bewertung und Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges bei der vollendeten Tat.32

27 Für viele Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 Rn. 13 f.; Gropp, Gössel-FS, S. 175 (185); Jäger, Rücktritt, S. 45; Lettl, JuS 1998, L 81 (L 82); Roxin, HRR, Nr. 64 (S. 196); SK-Rudolphi, § 24 Rn. 12a. 28 So Kampermann, Grundkonstellationen, S. 100; vgl. auch das Bsp. bei Maurach/ Gössel, Fälle, Fall 14 (S. 238); s. ferner Geilen, JZ 1972, 335 (341); Kudlich, PdW, Fall 242; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 227. 29 Vgl. ferner Freund, AT, § 9 Rn. 34; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 12a; ebenso Krey, AT II, Rn. 481; Kudlich, JuS 1999, 349 (351); Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 11 Rn. 75. 30 s. etwa Krey, AT II, Rn. 481; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 41 Rn. 25; Puppe, NStZ 1986, 14 (15). Zum Ganzen vgl. Otparlik, Versuch, S. 3 f. 31 Nolden, Rücktritt, S. 128; ebenso Kampermann, Grundkonstellationen, S. 101; ähnlich Kienapfel, JR 1984, 72 (73). 32 s. Kampermann, Grundkonstellationen, S. 85 unter Verweis auf BGH, GA 1966, 208; dazu auch Mayer, MDR 1984, 187 (188). Ähnlich v. Scheurl, Rücktritt, S. 52, der auf die Gleichheit des Unrechtsgehalts bei bestehendem und fehlendem Tatplan verweist.

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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Der Tatplantheorie wird darüber hinaus vorgeworfen, sie öffne durch das Abstellen auf den Tatplan bei Tatbeginn dem Einlassungsgeschick des Täters und dessen Verteidigers Tür und Tor.33 Ein mit der Rechtslage vertrauter, gut beratener Angeklagter werde stets behaupten, er habe seinen Tatplan nicht auf die Verwendung eines bestimmten Tatmittels beschränkt bzw. alle Fehlschläge und Reservemittel einkalkuliert.34 In der Lebenswirklichkeit dominiere hingegen vor allem bei Tötungsdelikten gerade nicht der genaue, bis in die Anzahl der Tathandlungen ausgearbeitete Tatplan. Bekenne sich der Täter indes zu einem begrenzten Vorhaben, werde er verurteilt.35 Diejenigen, die den Tatplan in den Vordergrund stellten, gingen überdies von der unrichtigen Prämisse aus, dass der Täter den mit der Rücktrittsleistung zu kompensierenden Tatvorsatz vor Beginn der Ausführungshandlung fasse und damit ein für allemal festlege. Tatsächlich präge der Vorsatz den gesamten Tatablauf; entsprechend konkretisiere und modifiziere er sich auch während der Verwirklichung aus der jeweiligen Tatsituation heraus.36 Die Einlassung des Täters hinsichtlich seines Tatplans zu Beginn der Tat sei zufällig und „auch bei gutem Willen“ nicht geeignet, den realen Sachverhalt im Planungshorizont wiederzugeben. So bedeute etwa die Überlegung des Täters, sein Opfer mit einem Stich zu töten, nicht, dass er sich nunmehr endgültig auf nur einen Stich festgelegt habe, und werde gerade der ohne konkrete Vorstellungen handelnde Täter aus tiefer Überzeugung darlegen, er habe nur einen einzigen Stich beabsichtigt.37 Für das Gericht sei bei einem Abstellen auf den Planungszeitpunkt daher jedes Ergebnis begründbar.38 Schließlich wird vorgebracht, die Tatplantheorie blende in fiktiver Art und Weise offensichtliche Veränderungen innerhalb des Geschehensablaufs aus und verlange unter Umständen vom Rücktrittswilligen erkennbar nicht erforderliche Aktivitäten.39 Paradoxerweise schneide gerade die „absolute Ungefährlichkeit seiner Angriffshandlung“ dem Rücktrittsprobanden den Rücktritt ab; bei einer

33 So z. B. Jäger, Rücktritt, S. 45; Otto, JK 85, StGB § 24/9; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 12a; ferner LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 93; ebenso bereits Geilen, JZ 1972, 335 (336); ferner Kienapfel, JR 1984, 71 (73). 34 Roxin, HRR, Nr. 64 (S. 196); s. a. Nolden, Rücktritt, S. 128; ähnlich Sonnen, JA 1980, 158 (160). 35 So Ulsenheimer, Grundfragen, S. 227; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 101. 36 Vgl. hierzu Otparlik, Versuch, S. 3 f. 37 So Otto, Jura 1992, 423 (424); ders., Jura 2001, 341 (342); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 13; zustimmend Otparlik, Versuch, S. 3 f. 38 Borchert/Hellmann, GA 1982, 432; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 100; ähnlich Eser/Burkhardt, Strafrecht II, Fall 33 Rn. 13 f.; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 226 f.; ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 169 f. 39 So Gropp, § 9 Rn. 58; ders., Gössel-FS, S. 175 (185).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

gefährlichen Verletzung habe er hingegen die Möglichkeit, durch aktives Eingreifen vom Vorwurf des Tötungsversuchs wegzukommen.40

III. Der Rücktrittshorizont 1. Der Inhalt der Theorie vom Rücktrittshorizont In der Literatur wurde dagegen schon früh die Lehre vom sog. Rücktrittshorizont favorisiert, wonach über die zu erbringende Rücktrittsleistung die Vorstellung des Täters im Zeitpunkt nach der letzten, vom Täter konkret vorgenommenen Ausführungshandlung bzw. zu Beginn seines Rücktrittsverhaltens entscheiden soll.41 Ob dem Verhalten des Täters ein Tatplan zugrunde liegt, ist dabei unerheblich: Ebenso wenig wie eine vollständige Planerfüllung der Annahme eines unbeendeten Versuchs entgegenstehe, spreche die nur teilweise Planausführung gegen einen beendeten Versuch.42 Bei genauerer Betrachtung lassen sich allerdings Unterschiede zwischen den Umschreibungen des abgrenzenden Zeitpunkts ausmachen: Zumeist wird die Vorstellung des Täters „nach Abschluss bzw. Abbruch der letzten Ausführungshandlung“43 als entscheidend angesehen, teilweise aber auch sein Gefahrenurteil „bei der letzten Ausführungshandlung“.44 Daneben finden sich Formulierungen wie „im Augenblick des Abstandnehmens von der Tat“,45 „im Rücktrittszeitpunkt“46 oder – etwas allgemeiner – „in der Rücktrittssituation“.47 Offen bleibt dabei, besonders weil von einigen Autoren verschiedene Umschreibungen synonym gebraucht werden, ob den abweichenden Formulierungen ein sachlicher Unterschied zugrunde liegt.48 Allein Jäger misst ausdrücklich und substantiiert 40

Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 169. Für die ganz h. L. Gropp, § 9 Rn. 59; Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 3, 4, 6; LKVogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 35, 37; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 11, 27, 37; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 12b, 14 f. 42 So etwa Küper, JZ 1983, 264 (266); Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 16; ferner Rudolphi, NStZ 1983, 361; ähnlich bereits Dreher, JR 1969, 105 (107). 43 Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 14; ders., Jura 1992, 423 (429) (Hervorhebung nicht im Original). Übereinstimmend z. B. Bockelmann/Volk, § 27 V 3 a (S. 212); Haft, AT, S. 245 f.; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 84 f., 86, 176; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 11, 27, 37; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 15. 44 So Beulke, Klausurenkurs, Rn. 323 (Hervorhebung nicht im Original); ebenso LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 35, 37. Ähnlich Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4 („bei Abbruch der Tatausführung“). 45 Roxin, AT II, § 30 Rn. 163, vgl. Rn. 166; ebenso Joecks, § 24 Rn. 17; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 223. 46 Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 141; Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (376); nahe stehend Gropp, Gössel-FS, S. 175 (185); ders., § 9 Rn. 59; Jescheck/Weigend, AT, § 51 II 6; Roxin, AT II, § 30 Rn. 155. 47 Vgl. BGH bei Altvater, NStZ 2002, 20 (25). 41

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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einem – in aller Regel – später anzusiedelnden Zeitpunkt abgrenzende Bedeutung zu, nämlich dem „des letzten Täter-Opfer-Kontakts“.49 2. Die für die Maßgeblichkeit des Rücktrittshorizonts angeführten Gründe Zur Begründung verweist die Lehre vom Rücktrittshorizont vor allem darauf, dass es sich bei der Tat um ein dynamisches, ständigen Veränderungen unterworfenes Geschehen handle. Ob der Täter das getan habe, was nach seiner Vorstellung zur Erfolgsherbeiführung erforderlich oder möglicherweise ausreichend sei, könne er naturgemäß nicht zu Beginn der Tat, sondern erst nach der Tatausführung beurteilen.50 Erst wenn er das Ergebnis seines bisherigen Tuns sehe, wisse er, ob bloßes Aufhören genüge oder aktives, gefahrneutralisierendes Verhalten erforderlich sei, um die Tat nicht zur Vollendung gelangen zu lassen.51 Weil bereits nach dem Wortsinn des Gesetzes für den Täter kein Anlass bestehe, Rettungsbemühungen zur Verhinderung der Tatvollendung zu entfalten, wenn er eine solche nach der letzten Ausführungshandlung nicht für möglich halte, müsse es unweigerlich auf seine Vorstellung in jenem Zeitpunkt ankommen.52 Allein ein Abstellen auf den sog. Rücktrittshorizont werde auch der Ratio des Rücktritts gerecht.53 Dem ursprünglichen Tatplan komme zwar Bedeutung für den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, nicht jedoch für die Bewertung des Rücktrittsverhaltens des Täters zu.54 Denn darüber, ob eine Bestrafung spezialoder generalpräventiv notwendig sei, d.h. ob der Täter ein böses Beispiel gegeben und weiterhin als gefährlich zu gelten habe oder ob er letztlich nicht doch durch seinen Rücktritt seine Rechtstreue unter Beweis gestellt und damit gezeigt habe, dass er nicht fähig sei, die geplante Straftat zu vollenden, könnten allein dessen Vorstellungen und dessen Verhalten zum Zeitpunkt des Rücktritts Aufschluss geben.55 Die Chance zur Rechtsbewährung und -befriedung müsse 48 Altvater, NStZ 2002, 20 (25), und SK-Rudolphi, § 24 Rn. 12b, 15, etwa gebrauchen verschiedene Formulierungen synonym; ähnlich auch Krey, AT II, Rn. 461, 478. 49 Jäger, NStZ 1999, 608 (609). 50 So z. B. Geilen, JK 83, StGB § 24/8 a; Gropp, Gössel-FS, S. 175 (185 f.); Heinrich, AT I, Rn. 824; Lettl, JuS 1998, L 81 (L 82); LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 67; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 123 f. 51 LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 104, ferner Kühl, AT, § 16 Rn. 27. 52 Krey, AT II, Rn. 481; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 169; Murmann, JuS 1996, 590 (591); vgl. auch Bergmann, ZStW 100 (1988), 329 (336). Ebenso für den umgekehrten Fall des drohenden Erfolgseintritts vor Ausschöpfung der Planperspektive Geilen, JK 80, StGB § 24/4. 53 So z. B. Bergmann, ZStW 100 (1998), 329 (331); Krey, AT II, Rn. 481. 54 Rudolphi, NStZ 1983, 361 (363); ferner Bergmann, ZStW 100 (1988), 329 (336). 55 Rudolphi, JZ 1991, 525 (526); ders., NStZ 1983, 361 (363); ähnlich NK-Zaczyk, § 24 Rn. 12 unter Verweis auf die „schuldaufhebende Wirkung“ des Rücktritts.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

dem Täter in der kritischen Situation seiner letzten Erfolgseinschätzung eingeräumt werden; auf die ursprüngliche Planvorstellung dürfe insoweit nicht rekurriert werden.56 Im Übrigen sei dem Täter die Erstellung einer wirklichkeitsbezogenen und halbwegs verlässlichen Erfolgsprognose nur möglich, wenn er seiner Willensbildung den aktuellen Entwicklungsstand zugrunde legen könne, also erst nach Vornahme der letzten Handlung im Hinblick auf die Erreichung des deliktischen Ziels. Durch eine Ausrichtung am Rücktrittshorizont werde mithin auch den Integritätsinteressen des Opfers Genüge getan und der Rechtsgüterschutz bestmöglich gesichert.57 Jäger zufolge hingegen entspricht ein Abstellen auf den letzten Täter-OpferKontakt bestmöglich dem Sinn der Rücktrittsregelung, dem Täter noch eine letzte, ihn von Strafe befreiende Chance zur Rettung des Opfers zu geben.58 Neben der Gewährleistung größtmöglichen Opferschutzes werde so „die entscheidende Frage geklärt, ob der Täter bis zum Schluß tatsächlich bereit war, in die Legalität zurückzukehren.“59 Zugleich würden dogmatisch unnötige Fehlentwicklungen wie z. B. die Korrektur des Rücktrittshorizonts „von vornherein ausgeschlossen.“60 3. Die Kritik an der Lehre vom Rücktrittshorizont Der Lehre vom Rücktrittshorizont wird teilweise vorgeworfen, sie mache die Grenzziehung zufällig und manipulierbar, weil der maßgebende Zeitpunkt sich nicht präzise genug bestimmen lasse.61 Daneben beseitige sie die der Tatplantheorie vorgeworfene Privilegierung des umsichtiger planenden Täters nicht, da eine detailliertere Planung nicht nur die subjektive Planperspektive erweitere, sondern sich in aller Regel zudem in einer entsprechend besseren objektiven Vorsorge niederschlage, weshalb der Täter auch im Zeitpunkt nach der Tatausführung besser gestellt sei.62

56 So Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 178; ebenso Roxin, Heinitz-FS, S. 251 (268 f.). 57 Krey, AT II, Rn. 481; LK-Vogler, 10. Aufl., § 24 Rn. 65; s. a. LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 105; ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 171 f.; s. a. S. 348. Vgl. dazu auch Haft, AT, S. 246. 58 Jäger, NStZ 1999, 608 (609). 59 Jäger, NStZ 1999, 608 (609). 60 Jäger, NStZ 1999, 608 (609). Zu dieser Problematik vgl. ausf. Vierter Teil C. 61 So Herzberg, Blau-FS, S. 97 (120 f.). Zur Kritik an der Gesamtbetrachtung vgl. auch Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 16. 62 So etwa Geilen, JZ 1972, 335 (338).

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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IV. Der Ansatz Herzbergs Zwischen der Tatplantheorie und der Lehre vom Rücktrittshorizont lässt sich die Auffassung Herzbergs einordnen, der zufolge auf den Zeitpunkt bei Vornahme der ersten, mit Vollendungsvorsatz vorgenommenen Tathandlung abzustellen ist.63 Selbst bei einem Fehlschuss, den der Täter sofort als solchen erkennt, überschreite dieser mit dem Krümmen des Fingers die Schwelle zum beendeten Versuch, wenn und weil er in diesem Augenblick für möglich halte, dass das Opfer nun ohne weiteres sterben werde.64 Man könne dem Täter nicht zugestehen, dass er sich durch Abwarten der weiteren Entwicklung ein solideres, vielleicht endgültiges Urteil bilde. Ein unbeendeter Versuch liege daher nur vor, wenn der Täter „die Tat bewußt vor Abschluß des ersten Aktes unvollendet“ lasse.65

V. Die Entwicklung der Rechtsprechung 1. Die anfängliche Differenzierung nach dem Bestehen eines Tatplans a) Der Ausgangspunkt in der Rechtsprechung des RG und des BGH In der reichsgerichtlichen Rechtsprechung finden sich lediglich vereinzelt Stellungnahmen zu dem für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung maßgebenden Zeitpunkt. Wo dies der Fall ist, wird der Planhorizont des Täters herangezogen und zur Begründung auf den Wortlaut des früheren § 46 Nr. 1 StGB verwiesen, der für die Erlangung von Straffreiheit forderte, dass der Täter „die Ausführung der beabsichtigten Handlung“ aufgegeben hat.66 Im Sinne dieser Gesetzesvorschrift aufgeben könne der Täter weiteres Handeln nur, wenn er „erst einige von den Handlungen vorgenommen [habe], die er zum Zwecke der Herbeiführung des gewollten Erfolges als erforderlich ins Auge gefaßt“, hingegen nicht mehr, wenn er bereits alle beabsichtigten Handlungen durchgeführt habe.67 In seiner anfänglichen Rechtsprechung übernahm der Bundesgerichtshof diese Kriterien und richtete die Abgrenzung der Versuchsstadien in erster Linie an der Frage aus, ob der Täter die von ihm bei Tatbeginn geplanten Ausführun-

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So Herzberg, NJW 1986, 2466 (2469); ders., NJW 1988, 1559 (1565 f.). Vgl. Herzberg, NJW 1988, 1559 (1566). 65 Herzberg, NJW 1986, 2466 (2469 ff.); vgl. ders., Blau-FS, S. 97 (117); vgl. dazu LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 102. 66 RGSt 45, 183 (185) (Hervorhebung nicht im Original). 67 RGSt 45, 183 (185). 64

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

gen verwirklicht habe.68 Der damals angelegte Maßstab ist in der Leitentscheidung BGHSt 14, 75 präzise zusammengefasst: „Die Frage, ob der Versuch einer Straftat im Sinne von § 46 Nr. 2 StGB beendet ist, hängt zunächst davon ab, welche Handlungen der Täter bei Beginn der Tatausführung für erforderlich hielt und vornehmen wollte, um den tatbestandsmäßigen Erfolg zu verwirklichen. [. . .] Hat er diese Handlungen vorgenommen, so ist der Versuch beendet. Nur für den Fall, daß der Täter seinen Vorsatz nicht von vornherein auf eine einzige oder auf bestimmte Ausführungshandlungen beschränkte, seinem Opfer also z. B. so viele Verletzungen beibringen wollte, als – je nach der Sachlage während der Tatausführung – erforderlich sein würden, um den Erfolg herbeizuführen, kommt es auch noch darauf an, welche Wirkungen er sich von seinem bisherigen Tun im Zeitpunkt seiner Entschließung, keine weiteren Ausführungshandlungen mehr vorzunehmen, versprochen und ob er weiteres Handeln überhaupt noch als möglich angesehen hat.“69 In Anwendung dieser Grundsätze kommt der BGH z. B. im sog. Wachsoldatenfall, in dem der Täter von vornherein davon ausgegangen war, den Erfolg nur mit einer Folge von Schüssen aus seinem Schnellfeuergewehr erreichen zu können, weshalb er so viele Schüsse abgeben wollte, als sich dazu erforderlich erwiesen, zur Annahme eines unbeendeten Versuchs, von dem der Täter durch sein Abstandnehmen vom eingeplanten Weiterschießen strafbefreiend zurückgetreten war.70 Als beendet stuft er den Versuch hingegen in einem anderen Fall ein, in dem der mit Tötungsvorsatz handelnde Angeklagte seine ehemalige Freundin mit seinem Auto angefahren hatte, wodurch sein zu Beginn der Ausführungshandlung gefasster Plan voll verwirklicht war.71 Begründungsansätze für die Maßgeblichkeit des Tatplankriteriums lassen sich dabei kaum ausmachen. Es wird lediglich festgestellt, dass der Täter mit seinem über den Tatplan hinausgehenden Handeln einen auf einem neuen Tatentschluss basierenden, zweiten Versuch vornehme, dessen Unterlassen keinen strafbefreienden Rücktritt darstellen könne.72 Im Fall des fehlenden Tatplans wird recht allgemein darauf verwiesen, dass dann nun einmal allein „die Überlegungen des Täters nach der letzten Ausführungshandlung“ Aufschluss über das Versuchsstadium geben könnten.73

68 So die damals herrschende Rspr., vgl. etwa BGHSt 10, 129; 22, 330 (331 f.), sowie insbes. BGHSt 14, 75. Ebenso BGH, Urt. v. 25.5.1965 – 1 StR 79/65; BGH bei Dallinger, MDR 1966, 22; BGH, GA 1966, 208; BGH, Urt. v. 27.5.1975 – 4 StR 130/ 75. Ähnlich, aber weniger deutlich BGHSt 23, 356 (359). 69 BGHSt 14, 75 (79); vgl. ferner BGHSt 22, 330 (331 f.). 70 BGH, GA 1966, 208; ebenso BGH, Beschl. v. 10.4.1979 – 3 StR 79/79. 71 BGHSt 24, 48 (49). 72 Vgl. etwa BGHSt 10, 129 (131); BGHSt 14, 75 (79). 73 So z. B. BGHSt 22, 330 (331 f.).

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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b) Modifikationen und Einschränkungen der Tatplantheorie Trotz des durchgängigen Bekenntnisses der früheren Rechtsprechung zur Tatplantheorie lassen sich bei genauerer Betrachtung Abweichungen zwischen den einzelnen Entscheidungen ausmachen: Bisweilen proklamiert der BGH die Maßgeblichkeit des Planhorizonts nämlich nur in abgeschwächter Form, indem er diesen zurückhaltend als „in erster Linie“74 oder „grundsätzlich“75 entscheidend bezeichnet bzw. feststellt, es müsse „vom Plan des Täters ausgegangen“ werden;76 ein Rückgriff auf weitere Kriterien als Korrektiv erscheint diesen vorsichtigen Formulierungen zufolge durchaus vorstellbar. Nach anderen Entscheidungen soll die Frage der Versuchsbeendigung hingegen „ausschließlich“77 bzw. „allein“ von der Tätervorstellung bei Tatbeginn abhängen und „ohne Bedeutung“ sein, wie der Täter am Ende seiner Tathandlungen die Wirkung seines bisherigen Tuns einschätzt“;78 für ein ergänzendes Heranziehen anderer Kriterien bliebe danach kein Raum. Daneben finden sich bereits früh auch Entscheidungen, die den Grundsatz der Maßgeblichkeit des Planhorizonts einschränken oder ihm sogar offen widersprechen. So weist der BGH schon in BGHSt 4, 180, wo der Angeklagte sein Opfer Geld fordernd mit einer Gaspistole bedroht, nach dessen Angabe, keine Barmittel zu haben, jedoch mutlos und aus Mitleid mit dem Opfer von seinem Vorhaben abgelassen hatte, das Vorgehen der Strafkammer, die unter Zugrundelegung des Vorstellungsbildes des Täters bei Tatbeginn einen beendeten Versuch angenommen hatte, explizit zurück: „Ob das, was der Täter im Augenblick der Aufgabe seines Plans nach seiner Meinung noch hätte tun können, um den Erfolg herbeizuführen“, die Voraussetzungen der einen oder der anderen Alternative erfülle, lasse sich „nicht bei allen Straftaten ausschließlich nach dem ursprünglichen Tatplan beurteilen“; vielmehr entscheide „hierüber die natürliche Auffassung“.79 Weil der Täter geglaubt habe, noch zum Erfolg gelangen zu können, sei der Versuch der räuberischen Erpressung in diesem Fall als nicht beendeter zu qualifizieren.80 Eine noch deutlichere Absage erteilt der BGH der Tatplan74

So in BGHSt 14, 75 (amtlicher Leitsatz). So im sog. Rohrzangenfall, BGHSt 22, 176. 76 BGH, Urt. v. 25.5.1965 – 1 StR 79/65; vgl. hierzu auch Ulsenheimer, Grundfragen, S. 166. 77 So BGH, Urt. v. 11.6.1965 – 2 StR 196/65, teilweise veröffentlicht bei Dallinger, MDR 1966, 22. 78 BGHSt 22, 330 (331). 79 BGHSt 4, 180 (181). 80 BGHSt 4, 180 (182); vgl. zu dieser Entscheidung auch Ulsenheimer, Grundfragen, S. 157. Die Feststellung, der Täter habe noch an den Erfolg geglaubt, erscheint angesichts der hartnäckigen Weigerung des Opfers allerdings eher zweifelhaft; näher hätte die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs gelegen. Kritisch auch Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 119. 75

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theorie in einer unveröffentlichten Entscheidung aus dem Jahr 1968, indem er an den Anfang seiner Ausführungen den allgemeinen Grundsatz stellt, „für die Frage, ob ein beendeter oder ein nicht beendeter Versuch vorlieg[e], [sei] allein entscheidend, welche Vorstellungen der Täter in dem Zeitpunkt hatte, als er weitere Ausführungshandlungen unterließ.“81 Zahlreicher als ein derart offener Widerspruch sind Entscheidungen, die das Tatplankriterium einzuschränken oder die bei seiner Anwendung erzielten Ergebnisse auf andere Weise zu korrigieren versuchen.82 Dazu verzichtet der BGH teilweise darauf, den Inhalt eines Tatplans näher zu ermitteln, mit dem augenscheinlichen Ziel, diesen dann „ohne Mühe“ als nicht verwirklicht ansehen zu können. So war es möglich, in einem Fall, in dem der Täter – bevor er in einem Akt der „Selbstbesinnung“ das Beil beiseite legte – dem Opfer bereits mehrere Beilschläge auf den Kopf versetzt hatte, woraufhin dieses bewusstlos zusammengebrochen war, lapidar festzustellen, der Täter habe nach den Feststellungen „noch nicht alle“ ihm zur Erfolgsherbeiführung notwendig erscheinenden Handlungen vorgenommen; welche Handlungen der Täter noch geplant bzw. ob er die ausgeführten Beilhiebe ex ante einzeln oder zusammen für möglicherweise tödlich gehalten hatte, bleibt dabei offen.83 In ähnlicher Weise nimmt der BGH in einer unveröffentlichten Entscheidung aus dem Jahr 1955 einen unbeendeten Versuch an, „weil die Angeklagten im Zeitpunkt ihrer Entfernung vom Tatort auch nach ihrer Vorstellung ihr ursprüngliches Ziel“, die Tötung des Opfers, „noch nicht erreicht hatten“.84 Hätte er jedoch den Plan der Angeklagten, ihren Weggefährten auszurauben, mit seinem Spazierstock totzuschlagen und anschließend zur Beseitigung der Tatspuren in einen Bach zu werfen, näher untersucht, wäre – angesichts dessen, dass einer der beiden das Opfer von hinten zu Boden gestoßen und diesem dessen Stock „zwei- bis dreimal über den Kopf“ geschlagen hatte, während der andere Täter die Geldbörse an sich genommen hatte85 – eine fehlende Verwirklichung des Tatplans nur schwer begründbar gewesen. Vermuten lässt sich, dass es dem BGH in jener Entscheidung darauf ankam, die Tatsache, dass der Überfallene „noch Lebenszeichen 81 BGH, Urt. v. 30.8.1968 – 4 StR 328/68. Der Perspektivenwechsel vom Planzum Rücktrittshorizont hatte auf die Entscheidung im Ergebnis aber keine Auswirkungen, da die Tätervorstellung unverändert geblieben war. Ähnlich auch BGH, NJW 1973, 632, wo auf die Vorstellungen der Angeklagten „als sie den Tatort verließen“ abgestellt wird; nahe stehend BGH, Urt. v. 17.5.1955 – 1 StR 154/55. Vgl. ferner BGH, Urt. v. 6.7.1976 – 1 StR 286/76; BGH, NJW 1980, 195; BGH, Beschl. v. 23.6. 1981 – 1 StR 283/81. 82 Vgl. dazu auch Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 141. 83 BGH, MDR 1952, 530 f. 84 BGH, Urt. v. 17.5.1955 – 1 StR 154/55. Ähnlich auch BGHSt 21, 216, wo der BGH ebenfalls nicht nach dem Vorstellungsbild des Täters bei Beginn der Ausführungshandlung fragt, sondern ausschließlich auf die Wirkungen der Tat abstellt. 85 BGH, Urt. v. 17.5.1955 – 1 StR 154/55.

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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von sich gab, insbesondere wimmerte“ und sich – von den Angeklagten beobachtet – „nach einiger Zeit erhob“ und fortging,86 zugunsten der nicht weiterhandelnden Angeklagten zu berücksichtigen, was jedoch bei der alleinigen Maßgeblichkeit des Tatplans und dessen Verwirklichung nicht möglich gewesen wäre. Von Unsicherheit des BGH zeugen auch Entscheidungen, die sich schlicht als widersprüchlich bezeichnen lassen. So erklärt der BGH etwa in GA 1956, 89 zunächst die Vorstellung des Täters „in dem Augenblick, als er sich zum Rücktritt von der Tat entschloß“ für maßgeblich, um gleich darauf jedoch das Landgericht zu rügen, nicht geprüft zu haben, „wieviel Schläge der Angekl. [. . .] zu führen gedachte, ob er insbesondere geglaubt hatte, mit einem Schlage auskommen zu können oder ob er willens war, erforderlichenfalls mehrere Schläge gegen sein Opfer zu führen“.87 Ob mit letzterem die Tatplanperspektive gemeint ist, bleibt in der Fortführung der Entscheidung offen, zumal der BGH nun eine kuriose Überlegung anstellt, die das Landgericht bei einer neuen Entscheidung zu beachten habe: Ein Aufgeben genüge dann zur Strafbefreiung, wenn „bei der Lage des Beiles kurz über dem Kopf des Opfers und dem Sekundenbruchteil, der bis zum Auftreffen übrig blieb, [. . .] nur noch andere Kräfte als die des Angekl., nämlich die Schwerkraft des Beiles weiter“ wirkten.88 In ähnlicher Weise lässt der BGH in einem weiteren Urteil einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu, weil der auf sein Opfer einstechende Täter „die Hand, die das Messer führte, schon gleich nach dem Ansatz des Stichs wieder abbremste“ bzw. „zurückriß“, als er sich der Tragweite seines Tuns bewusst wurde.89 Indem er die Gewalt des Stiches noch vor Erreichen der Kleidung seines Opfers abgefangen habe, habe er „den Stich so, wie er ihn geplant und begonnen hatte, nicht fortgesetzt“, also „auch äußerlich“ seinen Tatentschluss „in einem Zeitpunkt aufgegeben, in dem der Versuch [. . .] noch nicht beendet war“.90 In späteren Entscheidungen kommt es zudem nicht selten vor, dass der BGH ohne Zögern das Fehlen eines Tatplans feststellt, um so – in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Tatplantheorie – der Tätervorstellung im Zeitpunkt des Abstandnehmens von der Tat abgrenzende Bedeutung zuzumessen. Besonders in Schusswaffenfällen unterstellt der BGH dem Täter schnell, bei Tatbeginn nicht bedacht zu haben, wie viele Schüsse er auf sein Opfer habe abgeben wollen.91 Aber auch in einem Würgefall nimmt er an, der Täter habe nicht vorgehabt, sein Opfer eine bestimmte Zeit zu würgen, sondern habe Dauer und Inten86 So die tatrichterlichen Feststellungen des Schwurgerichts, vgl. BGH, Urt. v. 17.5. 1955 – 1 StR 154/55. 87 BGH, GA 1956, 89 (Hervorhebungen im Original). 88 BGH, GA 1956, 89 (90). Vgl. dazu bereits Ulsenheimer, Grundfragen, S. 157. 89 BGH, Urt. v. 18.6.1968 – 5 StR 15/68, S. 3 f. 90 BGH, Urt. v. 18.6.1968 – 5 StR 15/68, S. 4 f.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

sität der Handlung von der Widerstandskraft des Opfers abhängig machen wollen, weshalb seine Vorstellung beim Lösen seines Griffs maßgeblich sei.92 Etwa aus der gleichen Zeit stammen Entscheidungen, in denen der BGH mangels Feststellbarkeit des tatsächlichen Tatplans zugunsten des Angeklagten einen über die bereits durchgeführte Tathandlung, etwa ein einmaliges Einstechen auf das Opfer,93 hinausgehenden Tatplan zugrunde legt, um aufgrund der dann maßgeblichen Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung zu einem unbeendeten Versuch zu kommen.94 Im sog. „Rohrzangenfall“, bei dem der mit Tötungsvorsatz handelnde Angeklagte seiner Stieftochter mit einer Rohrzange einen heftigen, vermeintlich sofort tödlichen Schlag von hinten über den Kopf versetzt hatte, entwickelt der BGH schließlich folgende – nicht existierende – „Erfahrungsregel“:95 „Wer mit unbedingtem Mordvorsatz unter solchen Umständen und in einer solchen Weise auf einen anderen einschlägt, wie der Angeklagte es getan hat, macht sich in der Regel keine bestimmten Gedanken über die Zahl der Schläge, die er seinem Opfer zu versetzen beabsichtigt, wird vielmehr bei seinem Tun durch den Willen beherrscht, auf das Opfer einzuschlagen, bis er das seinem Vorsatz entsprechende Ziel erreicht hat.“96 Auch schließe die „Annahme, schon der erste Schlag werde das Opfer töten, [. . .] einen solchen den Tatablauf von Anfang an bestimmenden Willen nicht aus.“97 Diese Vorgehensweise ermöglicht es dem BGH, ohne formal mit den Grundsätzen der Tatplantheorie zu brechen, auf die Vorstellungen des Täters nach der Tatausführung abzustellen und das Verhalten des Täters, der, obwohl er sofort nach der Tatausführung erkannt hatte, dass seine Stieftochter lediglich benommen war, von weiteren Schlägen abgesehen hatte, mit Strafbefreiung zu honorieren.98 Abermals wird somit die Maßgeblichkeit der Planperspektive in ihrer praktischen Relevanz eingeschränkt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bereits in der Zeit, als der BGH formal der Tatplantheorie folgte, diese zunehmend fühlbar eingeschränkt wor91 BGH, Urt. v. 18.11.1969 – 1 StR 473/69; vgl. auch Urt. v. 16.12.1969 – 1 StR 566/69; beide mitgeteilt bei Dallinger, MDR 1970, 381; s. ferner BGH, NStZ 1981, 342. 92 BGH, Urt. v. 18.11.1969 – 1 StR 473/69, teilweise veröffentlicht in BGH bei Dallinger, MDR 1970, 381. 93 So in BGH, GA 1973, 77. Ähnlich BGH, Urt. v. 13.10.1971 – 2 StR 430/71, wo nicht festgestellt werden konnte, dass der Täter sein Opfer „schon mit einem Schlag“ habe töten wollen. 94 BGH, Urt. v. 13.10.1971 – 2 StR 430/71; ebenso BGH, GA 1973, 77. In eine etwas andere Richtung geht dagegen BGHSt 24, 48 f., wo der BGH – freilich ohne Zweifel – keine Anhaltspunkte für die Planung weiterer Ausführungshandlungen sah. 95 Ebenso bereits Hillenkamp, AT-Probleme, 18. Problem (S. 113 Bsp. 1). 96 BGHSt 22, 176 (177) (Hervorhebung nicht im Original). 97 BGHSt 22, 176 (177). 98 Vgl. dazu z. B. Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 13.

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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den und somit der „Primat der Planperspektive“ bereits ins Wanken geraten war.99 2. Die Hinwendung des BGH zum Rücktrittshorizont a) Die Reichweite der sog. „Würgegriff-“ oder „Mitbewohnerentscheidung“ „Offiziell“ eingeleitet wurde die Rechtsprechungswende zur alleinigen Maßgeblichkeit des Rücktrittshorizonts jedoch erst durch den am 3. Dezember 1982 entschiedenen sog. „Würgegriff-“ oder „Mitbewohnerfall“.100 Dort hatte der Täter, nachdem er bei einem Einbruch in die Wohnung einer Hausmitbewohnerin von dieser entdeckt worden war, mit Tötungsvorsatz zunächst mit dem Messer auf diese eingestochen und sie dann bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, bevor er von ihr abließ. Zu diesem Zeitpunkt hatte er mit der Möglichkeit, sein Opfer tödlich oder lebensgefährlich verletzt zu haben, gerechnet, war jedoch, ohne sich weiter um sie zu kümmern, geflüchtet. Ein fest umrissener Tatplan bei Tatbeginn ließ sich nicht feststellen.101 Im Anschluss an einen ausführlichen, nach Senaten geordneten Überblick über die „nicht immer einheitlich[e]“ 102 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Zeitpunkt und Inhalt der die Rücktrittsleistung bestimmenden Vorstellung103 distanziert sich der zweite Senat in dieser Entscheidung erstmals ganz ausdrücklich von der Tatplantheorie und bekennt sich zu der Auffassung, „daß ein Versuch in der Regel jedenfalls dann beendet ist, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges [. . .] für möglich hält.“104 Es komme dann „nicht darauf an, ob er einen Tatplan [gehabt habe] oder nicht, was unter diesem Begriff auch immer zu verstehen [sei] – sei es nur die genaue Planung der einzelnen Ausführungshandlungen, sei es auch die allgemeine Vorstellung vom Tatablauf, das Vorhaben, bestimmte Handlungen so oft zu wiederholen, bis der erstrebte Erfolg eintritt, oder die Verfolgung eines mit dem Taterfolg nicht identischen Ziels.“105 Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass der Wortlaut des § 24 Abs. 1 StGB keine Unterscheidung danach gebiete, ob der Täter „sich bei Tatbeginn 99 So bereits Geilen, JZ 1972, 335 (336 f.); übereinstimmend z. B. Kampermann, Grundkonstellationen, S. 91; Nolden, Rücktritt, S. 63. 100 Vgl. auch Jäger, NStZ 1999, 608; Nolden, Rücktritt, S. 77; Kampermann, Grundkonstellationen, S. 102. 101 BGHSt 31, 170 (171). 102 So BGHSt 31, 170 (171). 103 s. BGHSt 31, 170 (171 ff.). 104 BGHSt 31, 170 (175) (Hervorhebung nicht im Original). 105 BGHSt 31, 170 (175).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

genaue, weniger genaue oder gar keine Gedanken“ über die Erfolgsherbeiführung gemacht habe.106 Dass durch die sprachliche Veränderung der alten Fassung des § 46 StGB, nach der ein Täter die Ausführung der beabsichtigten Handlung hatte aufgeben müssen, keine inhaltliche Änderung gewollt gewesen sei, stehe dem nicht entgegen, da es schließlich auch bei einer vollendeten Tat „für die Bewertung und Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges regelmäßig ohne Bedeutung [sei], ob der Täter bestimmte Ausführungshandlungen bei Beginn der Tat geplant hat, ob er alle geplanten Handlungen durchgeführt, sie durch andere ersetzt oder weniger getan hat, als ursprünglich vorgesehen.“107 Auch wenn „der Erfolg (zufällig) nicht eingetreten“ sei, müsse entscheiden, ob der Täter das nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung Erforderliche oder möglicherweise Ausreichende verwirklicht habe, was dieser „naturgemäß nicht bei Tatbeginn, sondern erst nach der Tatausführung beurteilen [könne], so daß es auf seine Vorstellung zu diesem Zeitpunkt ankomm[e].“108 Allerdings war im „Würgegriff-“ oder „Mitbewohnerfall“ die Frage, ob der Rücktrittshorizont auch bei einem fest umrissenen Tatplan für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung allein maßgebend ist, aufgrund des fehlenden Tatplans gar nicht entscheidungserheblich und wäre der BGH – wie zuvor das Landgericht – unter Anwendung der bislang geltenden Grundsätze zu demselben Ergebnis, der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts nach der Vornahme der letzten Ausführungshandlung und damit zur Annahme eines beendeten Versuchs, gekommen.109 Die möglicherweise in diesem Urteil zu lesende, gänzliche Abkehr von der Tatplantheorie auch für Fallgestaltungen, in denen der Täter mit einem festen Tatplan handelt, kann deshalb lediglich als obiter dictum angesehen werden.110 Darüber hinaus bleibt in der Entscheidung die Bewertung der umgekehrten Konstellation offen, in welcher der Täter seinen fest umrissenen Tatplan zwar vollständig durchgeführt, jedoch – wie er nach Vornahme der Ausführungshandlung erkennt – wider Erwarten keine Erfolgsgefahr geschaffen hat. Denn der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass eine positive Erfolgsprognose nach der Ausführung den Versuch zum beendeten macht, ist nicht einfach dahingehend umkehrbar, dass bei einer negativen Erfolgsprognose im Rücktrittshorizont trotz vollständiger Verwirklichung des Tatplans auch stets – zugunsten des Täters – von einem unbeendeten Versuch auszugehen ist.111

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BGHSt 31, 170 (175). BGHSt 31, 170 (175 f.). 108 BGHSt 31, 170 (176). 109 Vgl. BGHSt 31, 170 (171, 177). 110 Dazu s. Kampermann, Grundkonstellationen, S. 104 unter Verweis auf die Ausführungen in BGHSt 33, 295 (297 f.); ebenso Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 19; ähnlich Nolden, Rücktritt, S. 79. 107

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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Dass die Abkehr von der Tatpantheorie durch BGHSt 31, 170 noch nicht endgültig vollzogen, sondern allenfalls eingeleitet war, belegt eine nur wenige Tage danach ergangene Entscheidung desselben Senats, in welcher dieser – nach einem Hinweis auf fehlende sichere Feststellungen zur Tätervorstellung nach der letzten Ausführungshandlung – ausführt, der vom Überleben seines Opfers ausgehende Täter könne „vom unbeendeten Versuch zurückgetreten sein, denn daß er alles getan habe, was er sich bei Beginn der Tat vorgenommen hatte“, sei nicht festgestellt worden.112 Dies kann nur bedeuten, dass bei einem Handeln mit festem Tatplan diesem doch weiterhin abgrenzende Bedeutung zukommen soll.113 b) Die Fortführung der Rechtsprechungswende bis zum sog. „Schläfenschussfall“ Dagegen untersucht der vierte Senat sowohl im sog. „Kopfschussfall“, wo die aus nächster Entfernung auf den Kopf ihres Opfers schießende Täterin einen zweiten Schuss nach Schreien des Opfers unterlassen hatte,114 als auch im sog. „BW-Fahrtenmesserfall“115 die Vorstellung des Täters bei Tatbeginn unter Verweis auf die Entscheidung im „Mitbewohnerfall“ gar nicht mehr. Vielmehr nimmt er in Anwendung der dort entwickelten Grundsätze an, dass „der Versuch i. d. R. jedenfalls dann beendet ist, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält“.116 Auch diesen beiden Entscheidungen lagen allerdings Fallgestaltungen zugrunde, in denen der Täter ohne festen Tatplan handelte und den Erfolgseintritt nach Ende der Ausführungshandlung zumindest für möglich hielt. Die schon im Mitbewohnerfall offen gebliebenen Fragen, ob der Rücktrittshorizont auch im Fall eines mit festem Tatplan handelnden Täters abgrenzende Bedeutung erlangt und ob dies auch zugunsten eines Täters gilt, der zwar seinen Plan vollständig ausgeführt hat, nach der Tatausführung jedoch den Erfolgseintritt nicht für möglich hält, bedurften daher erneut keiner Erörterung.117 Entscheidungserheblich wurde beides jedoch im sog. „Schläfenschussfall“, den der BGH dazu nutzte, die Wende vom Tatplankriterium zum Rücktrittshori111 Ebenso bereits Küper, JZ 1983, 264 (266); Rengier, JZ 1986, 964; vgl. ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 177. 112 BGH, Beschl. v. 17.12.1982 – 2 StR 716/82, S. 3. 113 Vgl. auch die Entscheidung des vierten Senats im sog. „Unterleibstichfall“, BGH, NStZ 1984, 116, wo auf die Tätervorstellung bei Abbruch des Handelns abgestellt wird, weil „nach dem festgestellten Tatgeschehen nicht davon ausgegangen werden [könne], dass der Angeklagte die Anzahl der Stiche bzw. Schnitte mit dem Messer von vornherein geplant hatte“. 114 BGH, NStZ 1984, 453. 115 BGH, NJW 1985, 2428. 116 BGH, NStZ 1984, 453; ebenso BGH, NJW 1985, 2428. 117 So auch die Interpretation durch Kampermann, Grundkonstellationen, S. 106.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

zont in behutsamer und auffällig zurückhaltender Weise ein Stück voranzutreiben. Dort hatte der Täter mit einer Pistole auf die rechte Schläfe des Gebrauchtwagenverkäufers K. geschossen, um diesen dafür zu „bestrafen“, dass er ihn „um sein Geld bringen wollte“.118 Weil K. seine Hand zwischen Schläfe und Waffenmündung gehalten hatte und seinen Kopf zur Seite drehen konnte, war das Projektil nicht in seine Schädelhöhle eingedrungen. Der Täter, der „nur einen Schuß auf den Zeugen abgeben wollte“, hatte das Blut am Kopf des Opfers gesehen und erkannt, dass er diesen „entgegen seiner Erwartung [. . .] nicht getötet hatte“.119 Nach einer Mahnung an das Opfer, keine Angaben zu machen, und einem Hinweis an die Mitarbeiter des Opfers auf den Verletzten hatte er den Tatort verlassen.120 In seiner Entscheidung führt der vierte Senat unter Verweis darauf, dass ein derartiger Fall seit der teilweisen Abkehr des BGH von der Tatplantheorie noch nicht zur Entscheidung gestanden habe, vorsichtig aus, er „neig[e] dazu, die in BGHSt 31, 170 niedergelegten Grundsätze auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, beendeten Versuch also nicht schon anzunehmen, wenn der Täter die von vornherein geplante Handlung ausführt, sondern erst dann, wenn er nach der letzten Ausführungshandlung die tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahelegen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält“.121 Sei das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters nach der Tatausführung nicht unmittelbar gefährdet, bestehe kein Anlass, vom Täter die Entfaltung von Verhinderungsaktivitäten zu erwarten; vielmehr genüge es für die Erlangung von Straffreiheit, dass er von der noch möglichen Vollendung der Tat freiwillig absehe.122 Damit erklärt der BGH erstmals für alle Fallgestaltungen und unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Tatplans den Rücktrittshorizont für allein maßgeblich.123 c) Die Vervollständigung der Rechtsprechungswende Wenngleich sich auch in der Folgezeit noch vereinzelt Entscheidungen finden, die den abgrenzenden Zeitpunkt dahinstehen lassen,124 werden zumeist die im „Schläfenschussfall“ entwickelten Grundsätze übernommen und dabei verfes118

BGHSt 33, 295. BGHSt 33, 295 (295 f.) 120 BGHSt 33, 295 (296). 121 BGHSt 33, 295 (299). 122 BGHSt 33, 295 (299). 123 Vgl. zu dieser Rechtsprechungsentwicklung auch Rengier, JZ 1986, 964; Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a; ferner Nolden, Rücktritt, S. 80. 124 So z. B. BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 1; BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, beendeter 3. 119

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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tigt:125 Die Gerichte „neigen“ nicht mehr lediglich dazu, den Rücktrittshorizont als maßgeblich anzusehen; vielmehr „ist [ein Versuch] nicht schon dann beendet, wenn der Täter die von vornherein geplante Handlung ausführt, sondern erst dann, wenn er nach der letzten Ausführungshandlung“ den Erfolgseintritt für möglich hält.126 Vervollständigt wird diese Rechtsprechungsentwicklung durch die Entscheidung im sog. „Nackenstichfall“, wo der Täter, der dem Opfer ein Messer in den Nacken gestoßen und aufgrund der Reaktion des Opfers erkannt hatte, dass dieses wider Erwarten nicht tödlich verletzt war, trotz bestehender Möglichkeit nicht weiter zugestochen hatte.127 Der vierte Senat konstatiert dazu, an der auf den Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung abstellenden Rechtsprechung festhalten zu wollen,128 wobei er – unter ausdrücklicher Zurückweisung der von Herzberg geübten Kritik129 – seine im „Schläfenschussfall“ entwickelte Begründung ergänzt: Der Plan des Täters bei Tatbeginn könne für die rechtliche Beurteilung keine ausschlaggebende Rolle spielen; vielmehr richte sich die erforderliche Rücktrittsleistung danach, „ob durch die vorgenommene Handlung des Täters für diesen erkennbar eine unmittelbare Gefährdung des Opfers eingetreten“ sei.130 Die „Wohltat des strafbefreienden Rücktritts“ sei dem Täter dann zuzubilligen, wenn er durch sein Verhalten seine Rechtstreue sowie seine Unfähigkeit zur Vollendung der geplanten Straftat bewiesen habe.131 Auch wenn er anfangs von der sofortigen Erfolgstauglichkeit seiner Handlung ausgegangen sei, müsse „ihm bei einem vom geplanten Tatverlauf abweichenden Geschehen der Verzicht auf die sich ihm anbietenden weiteren Mittel als Rücktrittsleistung zugute gehalten werden.“132 Die Erhebung des Rücktrittshorizonts zum allein maßgeblichen Abgrenzungszeitpunkt bestätigt der BGH in einer ganzen Reihe weiterer Entscheidungen.133 Inzwischen hat sich folgende Standardformulierung herausgebildet: „Für die 125

Vgl. etwa BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 2, 3 u. 4. So BGH, NJW 1986, 1001 (Hervorhebung nicht im Original); ebenso z. B. BGHSt 34, 53 (58); BGH, NStZ 1986, 312 u. 264 (265); BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, beendeter 1, 2, 5 u. 6. 127 BGHSt 35, 90 (91). 128 BGHSt 35, 90 (93). 129 s. den Verweis in BGHSt 35, 90 (93) auf Herzberg, NJW 1986, 2466 und dens., Blau-FS, S. 97 ff., jedoch ohne eine inhaltliche Wiedergabe der Kritik. 130 BGHSt 35, 90 (93). 131 BGHSt 35, 90 (93) unter Verweis auf Rudolphi, NStZ 1983, 361 (363); ebenso z. B. BGH, StV 1988, 102 (103). 132 BGHSt 35, 90 (93 f.) unter Verweis auf Puppe, NStZ 1984, 488 (490); dies., NStZ 1986, 14 (16); Rengier, JZ 1986, 964 (965). 133 So z. B. BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 9, 13, 14; BGH, StV 1988, 201; BGH, NStZ 1989, 317; BGH, NStE § 24 Nr. 21; BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, beendeter 6. 126

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts kommt es nach der gefestigten neueren Rechtsprechung des BGH darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält; maßgebend ist also der ,Rücktrittshorizont‘ des Täters.“134 Teilweise wird dieser Standpunkt durch die Feststellung ergänzt, dass es dabei „[a]uf einen – fest umrissenen oder nur in groben Zügen gefaßten – Tatplan [. . .] entgegen der früheren Rechtsprechung nicht“ ankomme.135

VI. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und eigene Stellungnahme Überzeugend für die Maßgeblichkeit des Rücktrittshorizonts bei der Bestimmung der vom Täter für die Erlangung von Strafbefreiung zu erbringenden Rücktrittsleistung scheint auf den ersten Blick bereits die vom BGH und weiten Teilen der Literatur angeführte Begründung zu sprechen, der Täter könne „naturgemäß“ nicht bei Tatbeginn, sondern erst nach der Tatausführung beurteilen, was er tun müsse, damit die Tat nicht zur Vollendung gelange.136 Bei näherer Betrachtung entpuppt sich diese Überlegung jedoch als vorschneller Zirkelschluss: Denn ob auf das Urteil des Täters darüber, was er nach seiner Vorstellung im Zeitpunkt nach der Tatausführung tun muss, damit die Tat nicht zur Vollendung gelangt, abzustellen ist, gilt es gerade zu ermitteln. So kommt es etwa nach der Gegenansicht der Tatplantheorie gerade nicht darauf an, was der Täter seiner Vorstellung zufolge im Zeitpunkt nach der Tatausführung tun muss, sondern darauf, was er bei Tatbeginn zur Tatvollendung für erforderlich gehalten und ob er eben diesen Plan verwirklicht hat. Dieser Tatplan lässt sich – ebenso naturgemäß – bereits zu Beginn der Tatausführung feststellen. Der Bezeichnung des Rücktrittshorizonts als „naturgemäß“ maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt liegt mithin bereits eine Entscheidung über den abgrenzenden Zeitpunkt zugrunde, die es aber zunächst durch eine Auslegung der Rücktrittsvorschrift zu treffen gilt. 1. Die Argumentation aus dem Wortsinn des Gesetzes Den Ausgangspunkt bei der Auslegung der Rücktrittsvorschrift im Hinblick auf den entscheidenden Zeitpunkt für die Bestimmung der Rücktrittsleistung 134 So etwa BGH, NStZ 1990, 30 (31); BGH, NJW 1993, 943 (944); BGHSt 39, 221 (227); BGH, NStZ 1994, 76; BGH, StV 1997, 128; BGH, NStZ 2002, 427; BGH, Beschl. v. 23.7.2002 – 4 StR 170/02, S. 3 f. 135 BGH, Beschl. v. 11.2.2000 – 3 StR 3/00, S. 3; s. a. BGH, NStZ-RR 1996, 195 (196); BGH, StV 1994, 181. 136 Vgl. dazu bereits Vierter Teil B. III. 2., V. 2. a).

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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muss der Wortlaut des § 24 Abs. 1 StGB bilden, wonach Strafbefreiung erlangt, wer „die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert.“ Jedoch lässt diese recht allgemein gehaltene Formulierung keine zwingenden Schlüsse auf den abgrenzenden Zeitpunkt zu: Es erscheint einerseits vertretbar, auch bei vollständiger Verwirklichung des ursprünglichen Tatplans noch ein Aufgeben der weiteren Ausführung anzunehmen, solange der Täter nur im Rücktrittszeitpunkt den Erfolgseintritt noch nicht für möglich hält. Andererseits könnte man die Wendung „weitere Ausführung“ auch als „weitere geplante Ausführung“ verstehen, sodass der Täter die Tat nur, aber auch stets dann aufgeben könnte, wenn er die geplanten Handlungen noch nicht vollständig vorgenommen hat. Jedoch spricht der Wortsinn des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB deshalb gegen die Tatplantheorie, weil diese – je nachdem, ob der Täter sich bei Tatbeginn genaue Gedanken über die Erfolgsherbeiführung macht oder nicht – einem anderen Zeitpunkt abgrenzende Bedeutung zumisst, eine derartige Differenzierung aber im Wortlaut der Rücktrittsvorschrift nicht angelegt ist. Zwar wurde in Bezug auf die frühere Formulierung des § 46 StGB a. F., wo von der Aufgabe der „Ausführung der beabsichtigten Handlung“ die Rede war, teilweise vorgebracht, damit sei die geplante Handlung gemeint, mithin die Maßgeblichkeit des Tatplans impliziert.137 Und auch heute könnte man versuchen, dieses Argument durch einen Verweis darauf zu retten, dass die Gesetzesänderung, wie die Gesetzesmaterialien belegen, lediglich „als sprachliche Neufassung ohne Inhaltsänderung“ gedacht war.138 Überzeugender erscheint es jedoch, bereits den Terminus der „beabsichtigten Handlung“ in § 46 StGB a. F. als begrifflich indifferent anzusehen, da insoweit keinesfalls zwingend die „im Tatplan beabsichtigte Handlung“ gemeint sein muss, sondern der Täter auch nach der Plandurchführung noch weitere Handlungen beabsichtigen kann.139 Jedenfalls aber schreibt der heute geltende Wortsinn eine Abgrenzung nach einheitlichen Kriterien vor und spricht damit entschieden dagegen, den Rücktritt von der vollständigen oder (noch) nicht vollständigen „Umsetzung“ eines nicht immer vorhandenen Tatplans abhängig zu machen.140

137

Vgl. dazu LK-Busch, 9. Aufl., § 46 Rn. 6 ff. s. die Begründung in BT-Drucks. V/4095, S. 12 u. 56; IV/650 S. 15 u. 145. 139 Ähnlich bereits Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 161. 140 Übereinstimmend Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 139; Rudolphi, NStZ 1983, 361 (363); vgl. auch BGHSt 31, 170. 138

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

2. Die Argumentation aus dem Regelungs- und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes Aus gesetzessystematischer Sicht ergeben sich zunächst Bedenken gegen das teilweise vorgebrachte Argument, ein Abstellen auf den Tatplan sei deshalb abzulehnen, weil dem Plan des Täters auch im Rahmen der tatbestandlichen Zurechnung beim vollendeten Delikt keine Bedeutung zukomme.141 Die Gewährleistung einer einheitlichen Systematik schließt nicht aus, dass in verschiedenen Bereichen des Strafrechts unterschiedliche Kriterien herangezogen werden, solange dies mit Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung in Einklang steht. Obschon es im Rahmen der Vollendungsstrafbarkeit nicht von Belang sein mag, welche Handlungen der Täter geplant und ob er diese durchgeführt hat, kann dies bei der Frage der Strafbefreiung nach § 24 StGB, die – wie im Dritten Teil der vorliegenden Arbeit gesehen – einen dogmatisch anderen und abweichenden Ratio-Überlegungen folgenden Bereich betrifft, durchaus von Bedeutung sein. Gegen die Tatplantheorie sprechen allerdings die systematischen Ungereimtheiten innerhalb des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB, zu denen es bei konsequenter Anwendung des Tatplankriteriums käme. Denn hat der Täter zwar seinen Tatplan vollständig durchgeführt, dadurch jedoch – seiner Vorstellung nach der Tatausführung zufolge – noch keine Erfolgsgefahr hervorgerufen, befände er sich nach der Tatplantheorie rücktrittsrechtlich gesehen in einer Sackgasse: Weil wegen der Planerfüllung ein beendeter Versuch vorläge, müsste er, um Strafbefreiung zu erlangen, den Erfolgseintritt verhindern.142 Diese Anforderungen könnte er jedoch faktisch gar nicht erfüllen, da er inzwischen vom Nichtbestehen einer – abwendbaren – Erfolgsgefahr überzeugt ist. Zugleich wäre er dadurch systemwidrig demjenigen gegenüber benachteiligt, der ebenfalls seinen Plan erfüllt und zudem subjektiv bereits eine Erfolgsgefahr herbeigeführt, also z. B. sein Opfer erkanntermaßen lebensgefährlich verletzt hat: Jenem Täter bliebe die Möglichkeit, durch Einleiten entsprechender Rettungsmaßnahmen vom Vorwurf des Tötungsversuch wegzukommen.143 Darüber hinaus müsste bei strenger Subsumtion des Sachverhalts unter die Grundsätze der Tatplantheorie ein Täter, der seinen Tatplan noch nicht vollständig durchgeführt hat, sich selbst dann im Stadium des unbeendeten Versuchs befinden, wenn erkanntermaßen planwidrig eine Erfolgsgefahr eingetreten wäre.

141 So aber Kampermann, Grundkonstellationen, S. 85; vgl. ferner Otparlik, Versuch, S. 3 f.; dazu auch Mayer, MDR 1984, 187 (188). 142 Anders freilich, wenn man den Versuch in dieser Konstellation als fehlgeschlagen und damit rücktrittsunfähig einstufte, was allerdings für die Frage des Fehlschlags ein Abstellen auf den Rücktrittshorizont voraussetzte, vgl. etwa BGHSt 14, 75 (79). 143 Übereinstimmend etwa Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 169.

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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Das paradoxe Resultat, ihm in diesem Fall Strafbefreiung für sein bloßes Nichtweiterhandeln zu gewähren, wird jedoch nirgends ernsthaft vertreten.144 3. Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm Möglicherweise lässt sich jedoch aus der Regelungsabsicht und der Normvorstellung des Gesetzgebers ableiten, welcher Zeitpunkt über die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung entscheidet. Hierzu sollen die unterschiedlichen, zur Ratio des Rücktritts vertretenen Ansätze in einander ergänzender Weise herangezogen werden.145 a) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes Sieht man im Rücktritt eine „goldene Brücke“, die dem Täter einen Anreiz bieten soll, in die Legalität zurückzukehren, hat es – unabhängig vom Bestehen oder der Verwirklichung eines Tatplans – so lange Sinn, den Täter durch die Möglichkeit der Strafbefreiung zum Aufhören zu bewegen versuchen, wie dieser nach seiner Vorstellung weiterhandeln kann und muss, um den Erfolg herbeizuführen. Die Rücktrittsleistung ist deshalb nicht bereits beim Entwurf des Tatplans, sondern erst dann festzulegen, wenn der Täter die Ausführung seiner Tathandlung bereits beendet und sich zur Nichtweiterführung seiner Tat entschlossen hat. Dasselbe gilt, wenn man den mit dem Anreizgedanken verbundenen Opferschutzaspekt in den Vordergrund rückt: Die Integritätsinteressen des Opfers werden bestmöglich gewahrt, wenn der Täter seiner Willensbildung den aktuellen Stand der Entwicklung seiner Angriffsakte zugrunde legen kann. Erst dann, also keinesfalls bereits im Planhorizont, sondern vielmehr frühestens in dem Moment, in dem der Täter von der weiteren Ausführung der Tat absieht, indem er eine ihm offen stehende Weiterhandlungsmöglichkeit nicht wahrnimmt, lässt sich mittels einer wirklichkeitsbezogenen Erfolgsprognose entscheiden, was zur Wahrung der Opferinteressen getan werden muss.146 Entgegen der Tatplantheorie hat es keinen Sinn, dem Täter aufgrund seiner Planverwirklichung ein Aktivwerden abzuverlangen, wenn das Opfer nach der Vorstellung des Täters im Entscheidungszeitpunkt nicht gefährdet ist; noch mehr widerstreitet es den Opferinteressen, das bloße Aufhören auch bei einer Erfolgsgefahr ausreichen zu 144 Vgl. dazu Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 173, 176 mit Fn. 401, der annimmt, dass man in diesem Fall wohl den Rücktrittsentschluss des Täters ablehnen müsste. 145 Zu den § 24 StGB zugrunde liegenden Leitgedanken s. bereits Zweiter Teil B. VI. 6. 146 Zum Opferschutzaspekt in diesem Zusammenhang ausf. Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 171 f.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

lassen, nur weil der Täter seinen ursprünglichen Plan noch nicht vollständig ausgeführt hat. b) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke Mit Blick auf die Verdienstlichkeit des Handelns wird teilweise vorgebracht, was verdienstlich sei, könne der Täter nicht bei Tatbeginn, sondern erst am Ende seiner Ausführungshandlung einschätzen, weshalb auch beim Handeln des Täters nach festem Tatplan der Abschluss der Ausführungshandlung den entscheidenden Zeitpunkt für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch bilden müsse.147 Jedoch ist eine Entscheidung, ob das maßgebliche Verdienst des Täters in der Vornahme des nach Abschluss der Ausführungshandlung für die Rechtsgutserhaltung erforderlichen Verhaltens (so die Lehre vom Rücktrittshorizont) oder aber in seinem Verzicht auf weitere Planverwirklichung (so wohl die Tatplanperspektive) liegt, ohne ein Heranziehen anderer, § 24 StGB zugrunde liegender Rechtsgedanken nicht möglich.148 Dasselbe gilt in Bezug auf den Schulderfüllungsgedanken. Außer Zweifel steht allerdings, dass das bloße Aufgeben der weiteren Planausführung bei – erkannter oder vermeintlicher – planwidrig vorzeitig eingetretener Erfolgsgefahr kein ausreichendes Verdienst bzw. keine Erfüllung der Wiedergutmachungsschuld darstellt. c) Der Strafzweckgedanke Nach dem sog. Strafzweckgedanken muss dem Zeitpunkt abgrenzende Bedeutung zukommen, in dem sich festlegen lässt, durch welches Verhalten der Täter den von ihm verursachten, rechtserschütternden Eindruck wieder beseitigen und zugleich beweisen kann, dass sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Bei der Beurteilung, welches Täterverhalten von Mindergefährlichkeit zeugt, darf dem Tatplan und seiner Umsetzung keine entscheidende Bedeutung zugemessen werden, da der Täter seinen verbrecherischen Willen erst und gerade mit der Durchführung der Tat manifestiert und dadurch die Tat irreversibel an seine Vorstellung bindet. Weder beweist er durch das nicht vollständige Ausführen seines ursprünglichen Tatplans seine Ungefährlichkeit, wenn nach seiner Vorstellung eine Erfolgsgefahr bereits vorzeitig eingetreten ist, noch steht eine vollständige Planverwirklichung der Möglichkeit des Täters, doch noch seinen zur Vollendung nicht ausreichenden Willen unter Beweis zu stellen, entgegen, solange er die Tat noch bis zu ihrer Vollendung fortführen kann. Maßgeblich kann somit nur der Rücktrittshorizont sein. 147

So z. B. Kampermann, Grundkonstellationen, S. 85 f. Zu der unlösbaren Schwierigkeit zu bestimmen, welches Verhalten das „Verdienst“ der Strafbefreiung rechtfertigt, vgl. bereits Zweiter Teil B. VI. 6. b). 148

B. Die Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont

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In generalpräventiver Hinsicht entscheidet über die erforderliche Rücktrittsleistung ohnehin der Gesamteindruck vom Täterverhalten, der sich zwangsläufig erst bei dessen Abschluss vervollständigen kann: Verhält sich der Täter in der Situation nach der Vornahme seiner Tathandlung bzw. im Rücktrittszeitpunkt angemessen, kann er das Vertrauen der Bevölkerung in die Geltungskraft des Rechts wieder derart stärken, dass auch der durch die Planverwirklichung verursachte rechtserschütternde Eindruck beseitigt wird. Unabhängig von seinen ursprünglichen Vorstellungen über den Tatverlauf, muss dem Täter deshalb gerade im Rücktrittshorizont nochmals die Möglichkeit zur Rechtsbewährung gewährt werden.149 d) Zwischenergebnis Die Tatplantheorie hat sich somit als mit den wesentlichen Grundgedanken des Rücktritts nicht vereinbar erwiesen. Die erforderliche Rücktrittsleistung lässt sich erst im Rücktrittshorizont, also dem Zeitpunkt, in dem der Täter seine Tathandlung beendet oder abbricht bzw. zum Rücktritt übergeht, festlegen. 4. Bestätigung durch kriminalpolitische und andere rechtlich relevante Überlegungen Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die zutreffend an der Tatplantheorie geübte Kritik, ein Abstellen auf die Planperspektive begünstige die besonders gelungene, kaltblütige und umsichtige Tatplanung und damit gerade den gefährlichen Täter.150 Auch mit Blick auf die Beweisbarkeit dürfte es regelmäßig einfacher sein, die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung festzustellen als den ursprünglichen, weiter zurückliegenden Tatplan. Schließlich spricht auch die im Dritten Teil dieser Arbeit festgestellte Erfolgsbezogenheit des Rücktritts gegen eine Tatplanorientierung und dafür, die Rücktrittsaktivitäten einheitlich dem Zeitpunkt anzupassen, in dem der Täter sich für oder gegen einen Rücktritt entscheidet.151

149 Vgl. zum Ganzen Nolden, Rücktritt, S. 136 f.; ferner Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 178. 150 So z. B. Roxin, HRR, Nr. 64 (S. 196); s. bereits Vierter Teil B. II. 3. m.w. N. 151 Ähnlich Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 161 unter Verweis auf Schmidhäuser, Studienbuch, 11/79 f.; vgl. ferner Gropp, § 9 Rn. 60; ders., Gössel-FS, S. 175 (185).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

VII. Zwischenergebnis zur Grundentscheidung zwischen Tatplan- und Rücktrittshorizont Mit der heute ständigen Rechtsprechung und herrschenden Literatur ist die Tatplantheorie abzulehnen. Die zur Erlangung von Strafbefreiung erforderliche Rücktrittsleistung lässt sich in Übereinstimmung mit der Ratio des Rücktritts erstmals in dem Moment festlegen, in dem der Täter die Ausführung seiner Tathandlung abgeschlossen oder abgebrochen bzw. sich zum Rücktritt entschlossen hat; maßgeblich ist deshalb die Tätervorstellung in diesem Zeitpunkt.

C. Die sich nach Abschluss der Tathandlung ändernde Vorstellung als Problemfall Allerdings kann sich die Tätervorstellung – ebenso wie in der Zeitspanne zwischen dem Planungsstadium und dem Ende der Ausführungshandlung – auch in der Zeit nach dem Ende der Tatausführung ändern. Dies mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, da der Täter in diesem Stadium ja keine weiteren Tathandlungen mehr vornimmt und sich demzufolge die objektive Gefährdungslage für das Opfer im Allgemeinen kaum verändert. Wohl aber kann sich die Situation dem Täter mit Zeitablauf anders darbieten: Nicht selten wird er etwa die Gefährdungslage zunächst nicht vollständig erfassen oder das Ausmaß des Getanen noch nicht analysieren können. Besonders die Reaktion des Opfers, die sich dem Täter regelmäßig erst nach dem Abschluss der Ausführungshandlung erschließt, bewirkt häufig, dass dieser seine bereits bei bzw. unmittelbar nach der Tathandlung gebildete Vorstellung über den Zustand des Opfers und damit über die erforderliche Rücktrittsleistung revidiert. In derartigen, verbreitet mit dem Begriff „Korrektur des Rücktrittshorizonts“ überschriebenen Konstellationen stellt sich die Frage, ob die Vorstellung des Täters im erstmöglichen Zeitpunkt der Vorstellungsbestimmung, also dem Augenblick bei Abschluss oder Abbruch der Tathandlung, über die erforderliche Rücktrittsleistung entscheidet oder ob sich der Beurteilungszeitpunkt verschiebt und die aktualisierte Vorstellung des Täters maßgebliche Bedeutung entfaltet. Zudem wurde bislang davon ausgegangen, dass der Zeitpunkt des Abschlusses oder Abbruchs der Tathandlung mit dem Zeitpunkt des Rücktrittsbeginns identisch ist. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn der Täter sich unmittelbar nach seiner letzten Ausführungshandlung zum Rücktritt entschließt bzw. mit der Durchführung der Ausführungshandlung aufhört, weil er sich zum Rücktritt entschlossen hat. Es erscheint jedoch bereits fraglich, ob das Ende der Ausführungshandlung notwendig mit dem Rücktrittszeitpunkt zusammenfallen muss oder ob der Täter nicht auch noch später – etwa nach einer gewissen Überlegungszeit – zum Rücktritt übergehen kann. Forderte man einen sofortigen Über-

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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gang zum Rücktritt, ergäbe sich bei einer Vorstellungsänderung des Täters im Stadium nach der Tatausführung die Folgefrage nach einer Anpassung der begonnenen Rücktrittsleistung an die geänderte Vorstellung; bliebe dem Täter hingegen eine Überlegungszeit, wäre zu entscheiden, ob die für eine Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung im Zeitpunkt vor oder nach Inanspruchnahme dieser Überlegungszeit festzulegen ist. Bei der Lösung dieser Fragen soll nun zunächst zwischen den möglichen Fallgestaltungen unterschieden sowie ein Überblick über die von dieser Problematik besonders betroffenen Ausführungsarten gegeben werden, bevor dann untersucht wird, ob und in welchen Grenzen sich eine Vorstellungsänderung nach dem Abschluss oder Abbruch der Ausführungshandlung auf die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung auswirkt. Hierbei werden zuerst die Position der Rechtsprechung dargestellt und analysiert, sodann die in der Literatur vertretenen Ansätze aufgezeigt und näher erläutert, bevor schließlich ein eigener Lösungsansatz entwickelt und auf die unterschiedlichen Fallgestaltungen angewandt werden soll.

I. Notwendige Differenzierungen Zwischen den Fallgestaltungen, in denen der Täter seine Vorstellung nach der Tatausführung ändert, lassen sich Unterschiede ausmachen, denen bei der rechtlichen Bewertung möglicherweise Bedeutung zukommt.152 1. Die „Richtung“ der Vorstellungsänderung Die größte Beachtung findet das Kriterium der „Richtung“ der Vorstellungsänderung des Täters. Zum einen kann der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges direkt nach der Vornahme seiner Ausführungshandlung für möglich halten, später jedoch zu der Überzeugung gelangen, der Erfolg könne nach dem bisher Getanen doch (noch) nicht eintreten, erfordere vielmehr noch weitere, ihm mögliche Handlungen. Die Bewusstseinslage des Täters entspricht dann zunächst den Kriterien des beendeten Versuchs, später denen des unbeendeten. Bei Maßgeblichkeit des früheren Zeitpunkts muss der Täter folglich, um Strafbefreiung zu erlangen, die Vollendung verhindern bzw. sich zumindest hierum bemühen; hält man den späteren Zeitpunkt für maßgeblich, genügt die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung. Die Vorstellungsänderung kann sich aber auch in die umgekehrte Richtung vollziehen, der Täter den Vollendungseintritt also unmittelbar nach der Ausführungshandlung für ausgeschlossen und daher noch weitere, ihm mögliche Hand152 Auch insoweit wird freilich das Nichtfehlschlagen des Versuchs vorausgesetzt, s. Vierter Teil B. I.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

lungen zur Tatvollendung für erforderlich halten, danach jedoch zu der Annahme gelangen, die Vollendung könne bereits aufgrund des bisher Getanen eintreten. In dieser Konstellation entspricht seine Bewusstseinslage zunächst den Kriterien des unbeendeten, dann denen des beendeten Versuchs. Zur Erlangung von Straffreiheit gemäß § 24 Abs. 1 StGB genügt dementsprechend im Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung die bloße Tataufgabe als Rücktrittsleistung; erachtet man indes den späteren Zeitpunkt für maßgebend, ist ein Verhindern der Vollendung bzw. zumindest ein hierauf gerichtetes Bemühen erforderlich. 2. Wirkliche und scheinbare Korrektur Da sich die zu erbringende Rücktrittsleistung allein an der Tätervorstellung auszurichten hat,153 heben sich die Konstellationen ferner dadurch voneinander ab, ob – gemessen an der objektiven Lage – eine tatsächliche oder eine scheinbare Korrektur stattfindet. So kann der Täter seine ursprünglich unzutreffende Vorstellung hinsichtlich der erforderlichen Rücktrittsleistung berichtigen und damit im eigentlichen Sinn korrigieren. Hält er die Vollendung zunächst für möglich, später für ausgeschlossen, ist dies der Fall, wenn die Vollendung tatsächlich ausgeschlossen ist; bei einer Vorstellungsänderung vom Nichtfürmöglichhalten zum Fürmöglichhalten der Vollendung liegt hingegen eine wirkliche Korrektur vor, wenn die Vollendung tatsächlich droht. Ebenso kann er seine Vorstellung aber auch nur scheinbar „korrigieren“, mit anderen Worten eine Änderung von der richtigen Vorstellung hin zur Fehlvorstellung vollziehen. Dies liegt in der erstgenannten Konstellation vor, wenn – entgegen der späteren Tätervorstellung – die Vollendung tatsächlich droht, in der letztgenannten, wenn sie in Wirklichkeit ausgeschlossen ist. 3. Die Frage des Rücktrittsbeginns Ein weiteres, indes wenig beachtetes Differenzierungskriterium bildet der Umstand, ob der Täter sogleich nach dem Ende seiner Tathandlung und damit bei der Änderung seiner Vorstellung bereits zum Rücktritt übergegangen ist. Hält er unmittelbar nach seiner Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für möglich, ist dies der Fall, wenn er schon von einem Rücktrittsentschluss getragene, aktive Verhinderungsbemühungen entfaltet hat. Schwieriger erweist sich die Beurteilung, wenn der Täter zunächst vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt ist: Weil seine bloße Untätigkeit – anders als etwa ein aktives Verhindern – allein nicht notwendig von seinem Rücktrittsentschluss zeugt, ist anhand anderer Kriterien zu ermitteln, ob er lediglich kurz 153

s. dazu Zweiter Teil B. VI.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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mit der weiteren Tatausführung innegehalten oder aber die ihm mögliche weitere Tatausführung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgegeben hat.154 4. Besonders häufig betroffene Ausführungsarten155 Die häufigste Ursache für eine nachträgliche Änderung der Tätervorstellung in Bezug auf die erforderliche Rücktrittsleistung bildet das Verhalten des Opfers nach der Ausführungshandlung. Gilt dieses bereits bei der erstmaligen Bildung der Tätervorstellung als wichtiger Faktor,156 so erlangt es für die Frage der „Korrektur“ dieser Vorstellung vor allem deshalb eine herausragende Bedeutung, weil sämtliche anderen vorstellungsbeeinflussenden Faktoren – wie etwa die Art und Weise der Tatbegehung oder die Gefährlichkeit des verwendeten Tatmittels157 – in der Phase nach der Tatausführung kaum noch eine Rolle spielen: Sie sind dem Täter ja nicht neu und werden daher von ihm mit Zeitablauf in aller Regel auch nicht anders bewertet. Die sich dem Täter erst nach der Tatausführung erschließende Reaktion des Opfers hingegen erlaubt es ihm zu überprüfen, ob seine erste Einschätzung bezüglich der Wirkung seiner Tathandlung zutrifft. Bricht das Opfer z. B. erwartungsgemäß stark blutend bewusstlos zusammen, wird der Täter seine unmittelbar nach der Tatausführung gebildete Einschätzung, sein Vorgehen sei für das Opfer lebensgefährlich, für einen Rücktritt mithin ein aktives Verhindern der Vollendung erforderlich, bestätigt sehen. Dagegen wird er seine ursprüngliche Vorstellung vermutlich dann ändern, wenn das Opfer keine größeren Verletzungen davon zu tragen scheint, z. B. den Täter attackiert oder sich in normaler Geschwindigkeit und ohne sichtbare Verletzungen vom Tatort entfernt. Zu einer Vorstellungsänderung nach der Tatausführung kommt es deshalb vor allem in Fallgestaltungen, in denen das Opferverhalten der bisherigen Vorstellung des Täters widerspricht. Allerdings muss das vom Täter wahrgenommene Opferverhalten nicht zwangsläufig die wirkliche Schwere der erlittenen Verletzung widerspiegeln: Nicht selten finden sich nämlich Fälle, in denen das lebensgefährlich verletzte Opfer sich noch für eine gewisse Zeit situationsangemessen verhält, bevor es zusammenbricht. Umgekehrt kommt es vor, dass das Opfer scheinbar tödlich verletzt bewusstlos zusammenbricht, sich die Verletzung indessen letztlich als vergleichsweise harmlos und keinesfalls lebensgefährdend erweist.

154 Der Nachweis eines fehlenden Aufgabewillens des Täters dürfte allerdings Probleme bereiten, da sein Nichtweiterhandeln als Indiz für dieses subjektive Erfordernis zu werten ist, s. a. Vierter Teil C. IV. 3. b). 155 Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen aus den bereits genannten Gründen auch hier Tötungsdelikte, vgl. bereits Zweiter Teil C. II. 2. e) Fn. 530. 156 s. dazu oben Zweiter Teil C. II. 2. e) dd). 157 Vgl. Zweiter Teil C. II. 2. e) cc).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

In der Medizin wird das Verhalten des Opfers nach der Beibringung einer Verletzung unter dem Stichwort der „Handlungsfähigkeit“ erörtert, wobei im Allgemeinen vier Grade der Handlungsfähigkeit unterschieden werden:158 Der höchste Grad der Handlungsfähigkeit ist dann erreicht, wenn das Opfer zu schwierigen, zielgerichteten und von Bewusstsein getragenen Handlungen fähig ist; Handlungsfähigkeit zweiten Grades liegt vor, wenn es instinktive und situationsentsprechende Handlungen wie z. B. Abwehrbewegungen vornehmen kann. Dagegen sind dem dritten Grades handlungsfähigen Opfer nur noch Automatismen oder in Bewusstlosigkeit ablaufende Reflexe möglich; Handlungsfähigkeit vierten Grades ist gegeben, wenn es beim Opfer lediglich zu unzusammenhängenden und schnell erschöpfbaren Bewegungsabläufen (wie z. B. Streckkrämpfen) kommt.159 Es drängt sich nunmehr die Frage auf, ob zwischen den verschiedenen Verletzungsmustern und deren biomechanischen Bedingungen einerseits und den verschiedenen Ausprägungsgraden sowie der unterschiedlichen Dauer der Handlungsfähigkeit andererseits eine Beziehung besteht, sodass es typische Fallgestaltungen gibt, in denen Grad bzw. Dauer der Handlungsfähigkeit des Opfers der ursprünglichen Vorstellung des Täters, die Vollendung sei möglich, widersprechen und ihn damit regelmäßig zu einer „Korrektur“ seiner Vorstellung bewegen. Rechtsmedizinische Untersuchungen zeigen, dass die Unterschiede in der Handlungsfähigkeit des jeweiligen Verletzungsopfers sich vor allem auf das jeweils angewandte Tatmittel sowie die Zielrichtung des Angriffs, also die verletzte Körperpartie, gründen:160 Nach Stich- und Schnittverletzungen ist die Handlungsfähigkeit des Opfers selbst bei schwersten, lebensbedrohenden Verletzungen sehr häufig über einen Zeitraum von ca. 30 Minuten oder sogar länger noch vollständig (Grad 1) erhalten bzw. jedenfalls die Fähigkeit zu situationsentsprechendem Verhalten (Grad 2) gegeben.161 So konnte in einem der untersuchten Fälle ein durch Stiche in den Hals lebensgefährlich verletzter Mann zunächst noch zu einer ca. 2 km entfernten Telefonzelle gehen, um Hilfe zu rufen, dann mit seinem Auto 3 km nach Hause fahren und dieses noch ordnungsgemäß abschließen, bevor er vor seinem Haus röchelnd zusammenbrach.162 Ein anderer Mann, der bei einer tät-

158

Dazu Petersohn, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 59, 259 f. Zur Einteilung der Grade der Handlungsfähigkeit vgl. Petersohn, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 59, 259 f.; Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 f. 160 So z. B. Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (274 ff.); ferner Zimmer/Miltner/Mattern, Archiv für Kriminologie 194, 95 (97 ff.). Daneben spielen freilich auch die individuelle Konstitution des Verletzungsopfers sowie nicht verallgemeinerungsfähige Zufälligkeiten eine Rolle. 161 Vgl. dazu die Untersuchungsergebnisse bei Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (275 ff.); ebenso Zimmer/Miltner/Mattern, Archiv für Kriminologie 194, 95 (97 ff.). 159

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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lichen Auseinandersetzung einen Durchstich des Herzbeutels, der Vorderseitenwand der linken Herzkammer sowie einen Anstich der vorderen Herzkammerscheidewand erlitten hatte, lief zunächst noch eine steile Treppe hinab und durch ein lang gestrecktes Gebäude, bevor er nach 100 m bewusstlos zusammenbrach.163 Zu einem sofortigen Verlust der Handlungsfähigkeit (Grad 4) kommt es hingegen im Fall von Stichverletzungen fast ausnahmslos, wenn eine Luftembolie nach der Durchtrennung oder Eröffnung von Halsgefäßen todesursächlich ist.164 Insgesamt ist die Handlungsfähigkeit des Opfers – auch wenn sie nicht graduell eingeschränkt ist – umso kürzer, je schneller die Verletzung nach Lokalisation und Umfang einen großen Blutverlust erwarten lässt, wofür insbesondere der Durchmesser des verletzten Gefäßes und seine Entfernung vom Herzen wichtige Parameter bilden.165 Aus diesen medizinischen Erkenntnissen lässt sich für die Problematik der Vorstellungsänderung nach Abschluss der Ausführungshandlung Folgendes ableiten: Ein Täter, der seinem Opfer in Tötungsabsicht tatsächlich lebensgefährliche Stichverletzungen beigebracht und diese zunächst – angesichts der Gefährlichkeit des Tatmittels und der Sensibilität der verletzten Körperpartie – auch für lebensgefährlich gehalten hat, wird diese Vorstellung aufgrund der von ihm wahrgenommenen und über eine längere Zeit vollständig bzw. überwiegend erhalten gebliebenen Handlungsfähigkeit seines Opfers nicht selten und besonders dann, wenn das Opfer nicht sichtbar blutet, ändern und damit seine bloße Tataufgabe für ausreichend erachten, um die Tat nicht zur Vollendung gelangen zu lassen. In Fallgestaltungen, denen Stichverletzungen zugrunde liegen, wird sich die Problematik der rechtlichen Bewertung von Vorstellungsänderungen mithin häufig ergeben. Beobachtet der Täter sein Opfer über einen längeren Zeitraum weiter, stellt sich, wenn das zunächst noch handlungsfähige Opfer schließlich aufgrund der tatsächlich schweren Verletzung zusammenbricht, die Frage nach der Zulassung einer „Korrektur“ sogar erneut; freilich vorausgesetzt, eine Rettung des Opfers ist auch in diesem Stadium noch möglich und erfolgt. Lediglich wenn der Täter durch seinen Stich die Halsgefäße des Opfers bzw. wichtige Gefäße in der Nähe des Herzens öffnet oder durchtrennt, erscheint eine Vorstellungsänderung hin zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung regelmäßig ausgeschlossen, weil das Opfer dann gemeinhin sofort zusammenbricht und die Schwere der Verletzung für den Täter sichtbar ist. In derartigen 162 Vgl. die Falldarstellung bei Zimmer/Miltner/Mattern, Archiv für Kriminologie 194, 95 (100 f.). 163 Auch dieses Bsp. findet sich bei Zimmer/Miltner/Mattern, Archiv für Kriminologie 194, 95 (101). 164 Zimmer/Miltner/Mattern, Archiv für Kriminologie 194, 95 (97). 165 Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (275); dazu auch Zimmer/Miltner/ Mattern, Archiv für Kriminologie 194, 95 (97 ff.; 102), die maßgeblich auf die Schnelligkeit des Blutverlustes abstellen.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Fällen hat das Opfer indessen ohnehin kaum eine Überlebenschance, sodass es zumeist zur Tatvollendung kommen wird und schon deshalb die Rücktrittsfrage keine Bedeutung mehr hat. Im Gegensatz zu Stichverletzungen tritt bei Schussverletzungen, besonders wenn der Kopfbereich betroffen ist, vermehrt eine sofortige Bewusstlosigkeit des Opfers und damit der Zustand der Handlungsfähigkeit 4. Grades ein.166 Dies beruht zumeist auf einer heftigen Zerrung des Hirnstamms und einer entsprechenden Schädigung des Nervengewebes.167 Dagegen lässt sich bei Durchschüssen oder Steckschüssen des Stirnhirns, bei denen motorische Regionen nicht betroffen sind, teilweise eine länger bestehen bleibende Handlungsfähigkeit (Grad 1 und 2) feststellen. Als Grund dafür wird vermutet, dass infolge der Durchtrennung von Bahnen des Stirnhirns dem Verletzten die Schmerzen nicht zum Bewusstsein kommen.168 Auch bei Schussverletzungen im Rumpfbereich kommt es aufgrund der regelmäßig größeren Verletzung durch die hydrodynamische Wirkung des Projektils und des schnelleren und höheren Blutverlusts deutlich häufiger zur sofortigen Handlungsunfähigkeit als bei Stichverletzungen.169 Dennoch finden sich auch hier nicht wenige Fälle, in denen sich das Opfer zumindest noch situationsangemessen verhält. So war etwa in der Untersuchung von Staak/König ungefähr die Hälfte der Opfer tödlicher Schussverletzungen des Rumpfes zunächst noch voll handlungsfähig (Grad 1), ca. 15 % zeigten noch instinktive, situationsentsprechende Reaktionen (Grad 2), das übrige Drittel der Opfer war hingegen nicht mehr zu komplizierteren Bewegungsabläufen in der Lage (Grad 3 und 4).170 Bei den im Rahmen derselben Untersuchung ausgewerteten Stichverletzungen im Rumpfbereich lag hingegen in sämtlichen Fällen noch volle oder eingeschränkte Handlungsfähigkeit (Grad 1 und 2) des Opfers vor.171 Bei Schussverletzungen besteht für den Täter folglich insgesamt deutlich seltener Anlass, seine ursprüngliche, die Vollendung in Anbetracht des gefährlichen Tatmittels für möglich haltende Vorstellung zu „korrigieren“. Insbesondere 166 Vgl. Klages/Weithoener/Frössler/Terwort, Z. Rechtsmedizin 76, 307 (309 ff.); Krauland, Acta neurochir. 2, 233 (235); ebenso Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (278). 167 So z. B. Krauland, Acta neurochir. 2, 233 (235); ferner Klages/Weithoener/ Frössler/Terwort, Z. Rechtsmedizin 76, 307 (315). 168 Krauland, Acta neurochir. 2, 233 mit Fn. 2; 235; vgl. auch Klages/Weithoener/ Frössler/Terwort, Z. Rechtsmedizin 76, 307 (315 f.), die neben den Unterschieden in der Munitions- und Waffenart insbesondere auf die unterschiedliche Lage des Schusskanals verweisen. 169 Vgl. Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (277): Bei Herzschussverletzungen etwa bleibe die „Handlungsfähigkeit nur bei Verletzungen mit Geschossen geringerer Energie oder bei Beginn der Füllungsphase des Herzens möglich“. 170 s. Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (275). 171 Staak/König, Beitr. gerichtl. Med. 35, 273 (275).

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bei Schussverletzungen im Rumpfbereich kann es allerdings angesichts der teilweise noch erhaltenen Handlungsfähigkeit zu Vorstellungsänderungen seitens des Täters kommen. Verletzt der Täter sein Opfer schließlich durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand oder seiner Faust, vollzieht sich eine Veränderung seiner Vorstellung aufgrund der Art der Verletzung häufig in der umgekehrten Richtung. Denn besonders wenn von den Schlägen der Kopfbereich des Opfers betroffen ist, kommt es zu – tatsächlich nicht lebensbedrohlichen – Hirnerschütterungen, die ein schlagartiges Eintreten der Bewusstlosigkeit oder eine starke Bewusstseinstrübung auf Seiten des Täters zur Folge haben.172 Zwar gestaltet sich die Abgrenzung zwischen einer noch im Dämmerzustand erfolgenden, instinktiven Reaktion des Opfers und einem Automatismus dabei bisweilen als schwierig;173 gleichwohl liegt es nahe, dass ein Täter, der „bloße“ Schläge zunächst womöglich noch nicht für tödlich gehalten hat, aufgrund der Bewusstlosigkeit des Opfers seine Auffassung ändert und nun doch aktive Verhinderungshandlungen für erforderlich hält. Bei Schlagverletzungen treten damit vermehrt den Täter im Falle ihrer Beachtlichkeit belastende Vorstellungsänderungen auf.

II. Die Entwicklung der Rechtsprechung Die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur sich nach Abschluss der Tathandlung ändernden Tätervorstellung lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen, die von der anfänglichen Ablehnung bis zu der heute weitgehenden, aber räumlichen und zeitlichen Grenzen unterliegenden Anerkennung der Maßgeblichkeit der geänderten Tätervorstellung für die zu erbringende Rücktrittsleistung reichen. 1. Die anfängliche höchstrichterliche Rechtsprechung In der Rechtsprechung des Reichsgerichts sowie der anfänglichen Rechtsprechung des BGH wurde überhaupt nicht in Betracht gezogen, dass der nach der Tatausführung geänderten Vorstellung des Täters bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung Bedeutung zukommen kann. Das Reichsgericht etwa problematisiert diesen Punkt noch nicht einmal: Zwar findet sich in einer Entscheidung die Feststellung, „Sinnesänderungen des Täters“ in der Zeitpanne zwischen dem Beginn bzw. dem Abschluss der Handlung und dem Eintritt des

172 Dazu Petersohn, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 59, 259 (262 ff.); ferner Krauland, Acta neurochir. 2, 233 (236). 173 s. Petersohn, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 59, 259 (262 f., 268), der darauf hinweist, dass selbst bei schwersten Veränderungen im Gehirn ist eine gewisse Aktionsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Erfolges komme grundsätzlich keine rechtliche Bedeutung zu,174 jedoch ging es in der zugrunde liegenden Fallgestaltung darum, ob sich Sinnesänderungen, die in diesem Zusammenhang als Willensänderungen verstanden wurden, auf den Vorsatz des Täters im Rahmen der Vollendungsstrafbarkeit auswirkten, was das Reichsgericht verneint: Da der Vorsatz des Täters nicht bis zum Erfolgseintritt vorliegen müsse, komme einer Sinnesänderung nach Abschluss der Tathandlung lediglich Bedeutung zu, wenn der Täter ihr diese durch eine tatsächliche Erfolgsvereitelung verschaffe.175 Dazu, wie sich Vorstellungsänderungen auf die geforderte Rücktrittsleistung auswirken, verhält sich das Urteil nicht. Eine nachträgliche Veränderung der – mangels Tatplans auch nach der damals vorherrschenden Tatplantheorie176 maßgeblichen – Tätervorstellung von der erforderlichen Rücktrittsleistung hatte jedoch der BGH im Jahr 1950 zu beurteilen.177 Dort hatte der mit Tötungsvorsatz auf sein Opfer einschlagende Täter erst hiermit aufgehört, als das Opfer sich „leblos stellte“ und er daher „sein Ziel, die Tötung, erreicht glaubte“.178 Später – wie viel später genau wird in der Entscheidung nicht mitgeteilt – hatte er aber das Überleben des Opfers bemerkt.179 In seiner Entscheidung stellt der BGH für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung auf den Zeitpunkt unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung ab und kommt so zur Annahme eines beendeten Versuchs, weil der Täter bereits vom Tod seines Opfers ausgegangen war.180 Seiner geänderten Vorstellung wird in Bezug auf die Beurteilung des ursprünglichen Versuchs keine Bedeutung zugemessen; durch sein Nichtweiterhandeln nach Bemerken des Überlebens des Opfers habe er lediglich von der Wiederholung des bereits abgeschlossenen Tötungsversuchs abgesehen.181 In zwei weiteren, dieser frühen Phase entstammenden Entscheidungen bekräftigt der BGH die Auffassung, dass auch bei einer späteren Vorstellungsänderung dem Zeitpunkt unmittelbar nach der Ausführungshandlung abgrenzende Bedeutung zukomme. So verweist er einen Fall, in dem der Täter nach mehreren Messerstichen von seiner Frau abgelassen hatte, mit der Maßgabe an das Landgericht zurück, dieses habe die „inneren Vorgänge bei dem Angeklagten für den

174

RGSt 57, 193 (194). RGSt 57, 193 (194 f.). 176 s. Vierter Teil B. V. 1. a). 177 BGH, MDR 1951, 117. 178 BGH, MDR 1951, 117 (118). 179 BGH, MDR 1951, 117 (118). Genauere Ausführungen dazu, ob der Täter in diesem späteren Zeitpunkt die Vollendung aufgrund des bislang Getanen noch für möglich hielt, fehlen allerdings. 180 In dieser eigentlichen „Vollendungsvorstellung“ scheint der BGH die für die Annahme eines beendeten Versuchs erforderliche Vorstellung enthalten zu sehen. 181 BGH, MDR 1951, 117 (118). 175

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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Zeitpunkt, in dem dieser von seinem Opfer abließ,“ aufzuklären.182 Die spätere, geänderte Tätervorstellung wird dabei nur insoweit herangezogen, als sie Rückschlüsse auf die Vorstellung des Täters unmittelbar nach der Ausführungshandlung zulässt, wobei die Aussagekraft dieses Umstandes zudem als gering eingestuft wird.183 So komme etwa der Äußerung des Angeklagten, er habe seine Frau umgebracht, nur geringe Bedeutung zu, weil sich seine Vorstellung „in dem Zeitraum zwischen seinem letzten Tatakt und der Äußerung gegenüber den Polizeibeamten“ gerade auch geändert haben könne.184 Allerdings finden sich auch Entscheidungen, in denen der BGH nicht auf die Tätervorstellung unmittelbar nach der Ausführungshandlung, sondern auf einen etwas späteren Zeitpunkt abzustellen scheint. So verwirft der erste Strafsenat in einer unveröffentlichten Entscheidung aus dem Jahr 1955 die gegen die Annahme eines unbeendeten Versuchs argumentierende Revision der Staatsanwaltschaft mit der Begründung, die Angeklagten hätten „im Zeitpunkt ihrer Entfernung vom Tatort auch nach ihrer Vorstellung ihr ursprüngliches Ziel, die Tötung“ des Opfers, „noch nicht erreicht“ gehabt.185 In einer späteren Entscheidung nimmt der BGH einen beendeten Versuch an, weil „die Angeklagten alles zur Tötung D.’s Notwendige getan [hatten], als sie den Tatort verließen“.186 Anhaltspunkte dafür, dass die Tätervorstellung bei der Entfernung vom Tatort von der Vorstellung unmittelbar nach der Tatausführung abwich, finden sich jedoch weder im einen noch im anderen Fall. Vielmehr hatten die Täter in ersterem Sachverhalt ihre bei der Tataufgabe aufgrund der Lebenszeichen des von ihnen überfallenen und verprügelten Opfers gebildete Vorstellung, die bloße Tataufgabe genüge, dadurch bestätigt gesehen, dass sie „aus der Ferne“ beobachten konnten, wie sich das Opfer „nach einiger Zeit erhob“ und fortging.187 Umgekehrt festigte im anderen Fall die Beobachtung, dass das Opfer „regungslos liegenblieb und nur noch röchelnde Laute von sich gab“, das bereits anfänglich vorhandene Bedenken, das im Rahmen einer Schlägerei mit beschuhten Füßen getretene, einem Vierkantholz besinnungslos geprügelte und liegen gelassene Opfer könne hierdurch sterben.188

182

BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 193/77, S. 3 (Hervorhebung nicht im Origi-

nal). 183

BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 193/77, S. 4; ebenso BGH, NJW 1980, 195. BGH, Beschl. v. 15.6.1977 – 3 StR 193/77, S. 4. In ganz ähnlicher Weise wertet der BGH in NJW 1980, 195 eine etwa 30 Minuten nach der Tat erfolgte Rückkehr des Täters als mehrdeutiges Zeichen, das keinen Rückschluss auf die Vorstellung des Täters nach der Tatausführung zulasse. 185 BGH, Urt. v. 19.5.1955 – 1 StR 154/55, S. 3 (Hervorhebung nicht im Original). 186 BGH, NJW 1973, 632 (Hervorhebung nicht im Original). 187 BGH, Urt. v. 19.5.1955 – 1 StR 154/55; dazu ausf. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 157. 188 BGH, NJW 1973, 632. 184

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Wenngleich der BGH folglich in dieser frühen Phase die Maßgeblichkeit einer geänderten Tätervorstellung noch nicht in Betracht zieht, nimmt er doch bereits zu der hiermit zusammenhängenden Frage Stellung, ob der Täter sofort nach Ende bzw. Abbruch der Tatausführung zur Rücktrittshandlung übergehen muss. Dies wird für den Fall des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verneint: Auch wer erst nach einiger Zeit damit beginne, die seiner Vorstellung zufolge erforderlichen Verhinderungshandlungen vorzunehmen, soll noch strafbefreiend zurücktreten können. Dementsprechend stehe es etwa einem Rücktritt nicht entgegen, wenn sich die Täter, nachdem sie ihr Opfer über das Ufergeländer in die Wupper geworfen hatten, „mit der Rettung ,noch einige Zeit ließen‘, zunächst ,gemeinsam in ruhigem Schritt und in fröhlicher Stimmung‘ umkehrten, sich dabei ,lautstark‘ ,unterhielten‘ und den Entschluß zur Rettung erst ,zu einem‘ – nicht mitgeteilten – ,deutlich späteren Zeitpunkt‘ faßten“, bevor sie schließlich das Opfer bargen.189 Ebenso wenig soll der zunächst fehlende Verhinderungswille einer flüchtenden Täterin deren späteren Rücktritt durch das Ergreifen blutstillender Maßnahmen ausschließen.190 In der BGH, NStZ 1981, 388 zugrunde liegenden Fallgestaltung kam schließlich zu einer derartigen Verhaltensänderung des Täters dessen Vorstellungsänderung hinzu. Dort hatte der Täter mehrmals mit dem Küchenmesser auf seine Frau eingestochen und diese bereits für tot gehalten, bevor er sich, nachdem er seine Kleider gewechselt hatte, durch ein Lebenszeichen seiner Frau besonnen und einen Krankenwagen verständigt hatte. Während das Landgericht die Rettungsbemühungen des Täters nicht für geeignet gehalten hatte, dem „bereits abgeschlossenen Tatkomplex im Nachhinein die Strafbarkeit zu nehmen“,191 gesteht der BGH dem Täter die Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB zu, weil die strafbefreiende Wirkung – ungeachtet seiner vorübergehenden Vorstellung – allein davon abhänge, dass er die Vollendung der Tat freiwillig verhindere: „Die Chance, vom beendeten Versuch mit strafbefreiender Wirkung zurückzutreten, bleibt dem Täter bis zu dem Zeitpunkt erhalten, in dem er den Erfolg nicht mehr abzuwenden vermag. Gelingt es ihm, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kommt es nicht darauf an, wann er sich zur Rettung des Opfers entschloß [. . .], was diesem Entschluß vorausging, wie sich ihm die Sachlage bis dahin darstellte, ob er den Erfolg zunächst irrtümlich schon für eingetreten erachtete, was er in der Zwischenzeit tat oder unterließ, welche Vorstellungen oder Beweggründe ihn hierbei bestimmten, insbesondere dafür maßgebend waren, daß er zunächst keine Rettungsmaßnahmen traf, sondern sie erst zu einem späteren Zeitpunkt – aber noch rechtzeitig – ergriff.“192 Damit ge189 190 191 192

BGH, BGH, BGH, BGH,

Beschl. v. 13.7.1977 – 3 StR 237/77, S. 3 f. StV 1983, 413. NStZ 1981, 388. NStZ 1981, 388.

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währt der BGH dem Täter nicht nur eine Überlegungszeit im Hinblick darauf, ob er durch ein Verhindern zurücktreten will, sondern erklärt jedenfalls für die Entscheidung über die Möglichkeit eines Rücktritts die spätere, „korrigierte“ Vorstellung des Täters für maßgeblich. Ob dasselbe bei einer Vorstellungsänderung in Bezug auf die erforderliche Rücktrittsleistung gelten soll, bleibt jedoch offen. Schließlich stellt der BGH im Jahr 1987 auch für die Rücktrittsalternative des Aufgebens fest, dass der Täter nicht sofort nach Ende bzw. Abbruch der Tathandlung zum Rücktrittsverhalten übergehen muss, sondern ihm dort gleichermaßen eine Überlegungszeit zusteht. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Täter, weil er sich bei seiner Tat gestört gefühlt hatte, „zunächst nur vorübergehend“ und in dem Willen, die Tat fortzuführen, von seinem Opfer abgelassen, nachdem es „sich beruhigt hatte“, aber das Vorhaben, sein Opfer zu töten, endgültig aufgegeben.193 Diesen verspäteten Rücktrittsentschluss lässt der BGH ohne nähere Begründung ausreichen, wobei er betont, dass der Versuch – insbesondere im Zeitpunkt des Innehaltens – nicht „endgültig fehlgeschlagen“ gewesen sei, weil der Täter noch weiterhandeln und sein Vorhaben, das Opfer zu töten, hätte verwirklichen können.194 2. Die Entscheidung der ersten „echten Korrekturkonstellationen“ Im Jahr 1988 und damit einige Jahre nach dem Vollzug der Rechtsprechungswende von der Tatplantheorie zur Maßgeblichkeit des Rücktrittshorizonts hatte der zweite Senat des BGH erstmals über eine Fallgestaltung zu entscheiden, in der sich die Tätervorstellung nach Abschluss der Tathandlung in Bezug auf die erforderliche Rücktrittsleistung geändert hatte. Der mit Tötungsvorsatz handelnde Täter hatte dort seinem Opfer mit dem aufgesetzten Revolver in den Bauch geschossen, wodurch dessen Dünndarm durchschlagen sowie dessen Dickdarm tangential verletzt wurden, bevor die Kugel wieder ausgetreten war. Das Opfer hatte „zunächst keinen Schmerz [verspürt] und [. . .] sich aus der halbstehenden Stellung, in die ihn der Angeklagte vor der Schußabgabe von der Bank hochgezogen hatte, ganz“ aufgerichtet, während der Täter weiter auf es einredete. „Erst mehrere Minuten nach dem Schuß, maximal 10 Minuten später“, hatte sich das Opfer schlecht gefühlt, woraufhin der Täter es zugelassen hatte, dass ein Taxifahrer das Opfer in ein Krankenhaus brachte.195 193

BGH, NStZ 1988, 69 (70). BGH, NStZ 1988, 69. Ebenso BGH, NStZ 1998, 103 (104), wo der BGH konstatiert, der Täter könne sich, wenn er sein Vorhaben „noch nicht endgültig aufgegeben“ habe, „die Wohltat des § 24 I StGB trotz vorübergehender Unterbrechung des Geschehens weiterhin dadurch verdienen, daß er weitere sexuelle Handlungen zum Nachteil von W“ unterlasse. 195 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15. 194

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

In seiner Entscheidung stellt der BGH – wie zuvor bereits die Strafkammer – auf die Vorstellung des Täters im Zeitpunkt nach der Ausführungshandlung ab, in dem der Täter in jenem Sachverhalt den Erfolgseintritt – aufgrund des zunächst unauffälligen Opferverhaltens196 – nicht für möglich gehalten hatte. Dementsprechend sei der Täter, weil er trotz seiner Möglichkeit, nochmals zu schießen, dies unterlassen hatte, strafbefreiend zurückgetreten. In den Entscheidungsgründen betont der BGH, dass die Tatsache, „daß der Angeklagte 10 Minuten nach der Ausführungshandlung die sofortige Behandlungsbedürftigkeit von M. erkannte“, nicht zu einem anderen Ergebnis führe, da zu jenem Zeitpunkt „der ursprüngliche Tötungsversuch abgeschlossen und der Rücktritt vollzogen“ gewesen seien.197 In Betracht gezogen wurde lediglich eine neue – durch Unterlassen begangene – Straftat, wofür jedoch letztlich keine Anhaltspunkte ausgemacht werden konnten.198 In dieser Entscheidung bleibt der BGH mithin seiner bislang zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Festlegung der zu erbringenden Rücktrittsleistung verfolgten Linie treu und lehnt eine Verschärfung der Rücktrittsanforderungen aufgrund einer Vorstellungsänderung nach Abschluss der Ausführungshandlung ab, was er grundlegend darauf stützt, dass der Rücktritt durch das kurzzeitige, zehnminütige Unterlassen der weiteren Tatausführung in der Vorstellung, dies genüge, bereits vollzogen sei. Die Vorstellungsänderung seitens des Täters vom „Zunächst-Nicht-Fürmöglichhalten“ zum „Nun-Doch-Fürmöglichhalten“ bleibt danach für diesen ohne Folgen. Anders urteilt derselbe Senat indessen nur ein Jahr später für die umgekehrte Konstellation der Vorstellungsänderung, bei welcher der Täter den Eintritt der Vollendung nach der Ausführungshandlung für möglich hält, unmittelbar darauf aber seine Vorstellung ändert und nunmehr von deren Ausbleiben überzeugt ist. Im sog. „Ich-lebe-noch-Fall“ hatte der Täter in Tötungsabsicht mehrfach mit einem Messer auf sein Opfer eingestochen und dabei vor allem dessen linke Oberkörperseite verletzt, bevor er schließlich in der Erwartung des Erfolgseintritts mit den Worten „Jetzt bist Du erledigt“ von diesem abgelassen hatte. Als das Opfer hierauf jedoch „Ich lebe noch, ich rufe die Polizei“ erwidert hatte, hatte der Täter sein Messer eingesteckt und war dem davonlaufenden, schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzten Opfer nicht gefolgt.199 196 Die eingangs vollständig erhaltene Handlungsfähigkeit des Opfers wurde hier als entscheidender Faktor angesehen, obwohl zugleich Anhaltspunkte für ein Fürmöglichhalten des Vollendungseintritts vorlagen, wie etwa die Tatsache, dass der Täter erkannt hatte, dass das Projektil in den Bauch des Opfers eingedrungen war, sowie seine spätere Erklärung, das Opfer „umgebracht“ zu haben, s. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15. Zur Bewertung der einzelnen Indizien durch den Täter und das Gericht, s. bereits Zweiter Teil C. II. 2. e). 197 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15. 198 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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Während das Landgericht, der bisherigen Rechtsprechung des BGH folgend, von einem beendeten Versuch ausgegangen war, weil der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den tatbestandsmäßigen Erfolg zumindest für möglich gehalten hatte,200 kommt der BGH mit neuartigen Erwägungen zur Annahme eines unbeendeten Versuchs. Zunächst umschreibt er dazu die eingetretene Veränderung: Zwar habe sich im Zeitraum nach der Entfernung des Opfers vom Tatort an dessen Verletzungen nichts geändert, „wohl aber daran, wie sich sein Zustand dem Angeklagten darbot“; das Opfer habe entgegen seinem vorherigen Erscheinungsbild „nun nicht mehr den Eindruck eines möglicherweise tödlich Getroffenen“ gemacht.201 In einem zweiten Schritt begründet der BGH sodann, dass es auf eben diese veränderte Vorstellung ankomme: Obgleich grundsätzlich die Tätervorstellung im Zeitpunkt nach der Tatausführung die erforderliche Rücktrittsleistung bestimme,202 erlange, wenn der Täter „zwar zunächst den Eintritt des angestrebten Erfolgs für möglich gehalten hat, unmittelbar darauf aber erkannte, daß er sich geirrt hat, [. . .] die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung für den ,Rücktrittshorizont‘ [. . .] maßgebliche Bedeutung.“203 Im vorliegenden Fall sei daher ein strafbefreiender Rücktritt des Täters durch bloße Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen möglich, sofern dieser „sogleich nach der Tathandlung“ die fehlende Lebensgefährlichkeit der Stiche erkannt hatte, worüber allerdings das Tatgericht zu befinden habe.204 Dem BGH zufolge kann die kurzzeitige Fehlvorstellung des Täters über die Wirkungen seiner Tathandlung schon deshalb die Annahme eines beendeten Versuchs nicht rechtfertigen, weil das Gesamtgeschehen, hätte der Täter nach Erkennen seines Irrtums weiter auf das Opfer eingestochen und so die Tat „in engstem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit seinem vorangegangenen Tun und unter Einsatz desselben Tatmittels die Tat vollendet“, als „eine Tat im Rechtssinne“ zu werten gewesen wäre – entweder im Sinne „einer iterativen oder sukzessiven Tatbestandsverwirklichung oder einer natürlichen Handlungseinheit“.205 Zudem verlöre der Täter andernfalls jede Rücktrittsmöglichkeit, da ein Rücktritt durch aktives Verhindern nur in Betracht käme, wenn hierzu Anlass bestünde, d.h. der Täter die Vollendung für möglich hielte.206 Auch führe die kurze, irrige Vorstellung nicht zu einem fehlgeschlagenen Versuch.207 199

BGHSt BGHSt 201 BGHSt 202 BGHSt 203 BGHSt 204 BGHSt 205 BGHSt 206 BGHSt 1981, 388. 207 BGHSt 200

36, 224. 36, 224 (224 f.). 36, 224 (225). 36, 224 (225 f.) unter Verweis auf BGHSt 31, 170 (176). 36, 224 (226) (Hervorhebung nicht im Original). 36, 224 (225). 36, 224 (226). 36, 224 (226) unter Verweis auf BGH NJW 1969, 1073 u. BGH NStZ 36, 224 (226).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Mit dieser Entscheidung im „Ich-lebe-noch-Fall“ erkennt der BGH erstmals die Maßgeblichkeit einer nach Ende der Ausführungshandlung geänderten Tätervorstellung für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung an, jedoch – angesichts der verwendeten Formulierungen – begrenzt auf Fälle der „echten Korrektur“, also der tatsächlichen Berichtigung einer Fehlvorstellung.208 Daneben ergibt sich aus der auf den Tatbegriff gestützten Begründung und dem hieraus abgeleiteten Erfordernis der Möglichkeit der Tatvollendung „in engstem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang“ eine – allerdings recht vage – räumlich-zeitliche Begrenzung: Die Vorstellungsänderung muss „sogleich nach der Tathandlung“209 bzw. „unmittelbar“210 nach dem ursprünglichen Fürmöglichhalten des Erfolgseintritts erfolgen; die Fehlvorstellung darf „nur wenige Augenblicke“ bestehen.211 Zugleich bestätigt der BGH mit dieser Entscheidung seine Auffassung, dass der Täter im Fall der Erforderlichkeit eines Verhinderns nicht sofort nach dem Ende der Tatausführung zum Rücktritt übergehen muss.212 Inhaltlich geht die Entscheidung sogar noch weiter, da dem Täter ein Abwarten nicht nur dann zugestanden wird, wenn er letztlich die Vollendung erfolgreich verhindert, sondern er sogar von seiner Verhinderungspflicht entbunden wird, wenn er während oder nach einer Wartezeit ein Verhindern nun nicht mehr zur Abwendung der Vollendung für erforderlich hält. 3. Die Festigung und Ausweitung der Rechtsprechung Die in BGHSt 36, 224 für den Fall der Vorstellungsänderung vom anfänglichen Fürmöglichhalten zum späteren Nichtfürmöglichhalten der Vollendung eingeschlagene Wende wird in der Folgezeit durch die Rechtsprechung der anderen Senate bestätigt. Dabei wird vornehmlich in Fallgestaltungen, in denen eine sichere Feststellung der Tätervorstellung unmittelbar nach der Tatausführung nicht möglich ist oder Schwierigkeiten bereitet, auf die Maßgeblichkeit der späteren Vorstellung verwiesen. So formuliert z. B. der vierte Senat in einem Fall, in dem der Täter seinem – später weglaufenden – Opfer mit Tötungsvorsatz mit einem Messer in den Bauch gestochen hatte, folgendermaßen: „Selbst wenn [der Täter] zunächst der Auffassung gewesen sein sollte, alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan zu haben, könnte das Weglaufen des Opfers ihm den Eindruck vermittelt haben, daß mit einer tödlichen Wirkung des Stiches nicht zu rechnen sei. Diese geänderte Vorstellung von der Tat könnte ihm die Mög208 209 210 211 212

Vgl. die Formulierung in BGHSt 36, 224 (226). BGHSt 36, 224 (225). BGHSt 36, 224 (226). BGHSt 36, 224 (226). Dazu bereits Vierter Teil C. II. 1.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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lichkeit eröffnet haben, durch Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen noch mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch des Totschlags zurückzutreten.“213 Offen bleibt allerdings zunächst die Frage, ob die spätere Vorstellung des Täters ausschließlich im Fall der Vorstellungsberichtigung oder auch bei einer „Korrektur zur Fehlvorstellung“ die Rücktrittsleistung bestimmt: Ersteres ließe sich zwar aus den teilweise – wie in BGHSt 36, 224 – gebrauchten Umschreibungen der Vorstellungsänderung, der Täter habe seinen Irrtum erkannt214 bzw. seine bisherige Vorstellung richtig gestellt215, folgern. Dabei würde jedoch übersehen, dass zugleich die wahrgenommene Wirklichkeit als Maßstab für eine „Richtigstellung“ herangezogen, mithin die Tätervorstellung nicht auf ihre objektive Richtigkeit, sondern ihre Übereinstimmung mit der im späteren Zeitpunkt wahrgenommenen Situation, insbesondere des wahrgenommenen Opferverhaltens, überprüft wird.216 So rügt der BGH etwa in einem Fall, in dem der einen Polizisten niederschießende Täter diesen zunächst für tödlich getroffen gehalten, diese Vorstellung jedoch geändert hatte, als der am Boden liegende Polizist noch mehrere Schüsse auf ihn abfeuerte, das BayObLG: Maßgeblich sei nicht die Vorstellung in dem Augenblick, als der Täter „im Glauben, [das Opfer] sei tödlich verletzt“, sein Schießen eingestellt hatte, sondern vielmehr „die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung“.217 Im Jahr 1995 schließlich stellt der dritte Senat erstmals ausdrücklich die „Korrektur zur Fehlvorstellung“ der Vorstellungsberichtigung gleich. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Täter mit einer Armbrust auf sein Opfer geschossen und dann mehrfach mit einem Messer auf es eingestochen. Als er von ihm abgelassen hatte, hatte sich das Opfer erhoben und war – vom nicht weiter attackierenden Täter beobachtet – einen Plattenweg entlang auf sein Haus zugegangen. Tatsächlich war das Opfer lebensgefährlich verletzt und konnte nur durch sofortige Behandlung gerettet werden.218 Dazu 213 BGH, NStE Nr. 34 zu § 24 unter Verweis auf BGHSt 36, 224; ebenso BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 24; BGH, NStZ 1993, 398; BGH, NStZ 1997, 593. 214 So z. B. BGH, NJW 1992, 989 (990); BGH, NStZ 1993, 398 (399); BGH, StV 1995, 462 (463). Ähnlich BGHSt 39, 221 (227 f.); vgl. ferner BGH, NStZ-RR 1998, 134 f. 215 So BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 24. 216 Vgl. insbes. BGH, NStZ 1992, 434, wo das Opfer nach einem Stilettstich tatsächlich lebensgefährlich verletzt war, der Täter aber aufgrund seiner Beobachtung, dass es aufstand und sich vom Tatort entfernte, den Eintritt der Vollendung nicht für möglich gehalten hatte. S. ferner BGH, NJW 1992, 989 (990); BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 24, 31; vgl. BGH, NStZ 1993, 398 (399); BGH, NStE Nr. 34 zu § 24; BGH, StV 1995, 462 (463). 217 BGH, NJW 1992, 989 (990) unter Verweis auf BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 24 (Hervorhebung nicht im Original). 218 BGH, StV 1996, 23.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

konstatiert der BGH, dass ein den Erfolg zunächst für möglich haltender Täter durch „unmittelbar darauf eintretende Umstände [. . .], wenn auch in Verkennung der wahren Gefährdung“, veranlasst werden kann, von der Erfolglosigkeit seines bisherigen Tuns auszugehen.219 Dann liege – wie im vorliegenden Fall, als der Täter aufgrund des Opferverhaltens nicht den Eindruck gehabt habe, dieses sei tödlich verletzt – ein unbeendeter Versuch vor.220 Nur wenige Konkretisierungsversuche unternimmt der BGH allerdings in Bezug auf die Grenzen der Maßgeblichkeit einer veränderten Tätervorstellung: Zumeist wird – wenn überhaupt – lediglich postuliert, die Vorstellung müsse sich „unmittelbar darauf“221 bzw. „in besonders engem Zusammenhang“222 mit dem Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung geändert haben, jedoch kaum näher umschrieben, was hierunter zu verstehen ist. Vereinzelt findet sich dazu die ebenfalls vage Umschreibung, der Zusammenhang müsse so eng sein, dass „das Verhalten des Angekl. in seinen zeitlichen, räumlichen und sachlichen Gegebenheiten als eine Einheit“ zu betrachten sei.223 Weitere Rückschlüsse auf eine zeitliche Grenze lassen sich allenfalls aus Entscheidungen ziehen, in denen der BGH ohne nähere Begründung späteren Vorstellungsänderungen des Täters keine Beachtung schenkt. So impliziert etwa die Annahme eines beendeten Versuchs in einem Sachverhalt, in dem der Täter sein Opfer nach mehreren Schlägen mit dem Küchenbeil auf den Kopf in dem Glauben, dieses sei tot, verlassen und diese Vorstellung erst bei seiner Rückkehr über eine Stunde später korrigiert hatte, als er das Opfer noch lebend auf der Couch vorfand,224 dass der BGH diese Vorstellungsänderung als zu spät erfolgt und damit ohne Einfluss auf die zu erbringende Rücktrittsleistung einstuft.225 Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich zu den Fallgestaltungen, in denen der Täter nach seiner Tathandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges zwar zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf jedoch – und sei es 219

BGH, StV 1996, 23; ebenso BGH, StV 1997, 128. BGH, StV 1996, 23; ausdrücklich die Situation der Verkennung der wahren Gefährdung miteinbeziehend auch BGH, StV 1997, 128; BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74); ferner BGH, NStZ 1997, 593. 221 BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 24; BGH, NJW 1992, 989 (990); BGH, NStZ 1993, 398 (399); BGH, StV 1995, 462 (463); ebenso BGH, StV 1997, 128; ähnlich BGH, StV 1996, 23. 222 Dazu BGH, NStZ-RR 1998, 134 f.; BGH, NJW 1992, 989 (990); vgl. auch die Entscheidung des GrS, BGHSt 39, 221 (227 f.): „in unmittelbarem Zusammenhang“ und „sogleich“. 223 So etwa BGH, NJW 1992, 989 (990). 224 BGH, Urt. v. 20.8.1991 – 1 StR 249/91, teilweise veröffentlicht in BGHR, StGB § 24 I 1, Freiwilligkeit 14. 225 Auch in BGH, NStZ 1993, 39 (40), wo der Versuch allerdings ohnehin fehlgeschlagen war, bleibt die Tatsache, dass der Täter nach seiner Rückkehr zu dem in Brand gesetzten Auto die Flucht seines Opfers bemerkt hatte, unberücksichtigt; vgl. aber auch BGH, NStZ 1993, 398. 220

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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auch in Verkennung der eingetretenen Gefährdung – zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg nicht herbeiführen, bereits früh eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung herausgebildet hat: „In Fällen dieser Art erlangt die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung für den ,Rücktrittshorizont‘ maßgebliche Bedeutung mit der Folge, daß der Täter, dessen Handlungsmöglichkeiten unverändert fortbestehen, durch Absehen von weiteren Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann.“226 4. Die umgekehrte Fallgestaltung Erst im Jahr 1998 jedoch lag dem BGH nochmals die umgekehrte Fallgestaltung zur Entscheidung vor, bei welcher der Täter mit dem Eintritt des Erfolges zunächst nicht rechnet, unmittelbar darauf diesen aber doch für möglich hält. Anders als im Jahr 1988 spricht er sich nunmehr auch in dieser Konstellation für die Maßgeblichkeit der geänderten Tätervorstellung aus. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Täter seinem Opfer, das ihn angebettelt und über das er sich geärgert hatte, mit großer Wucht ein Butterflymesser in die linke Brusthälfte gestochen, wobei er dessen Tod billigend in Kauf genommen hatte. Dann hatte er sich umgedreht und die Straße überquert, wobei er das Opfer als „Wichser“ bezeichnet hatte. Von einem nahegelegenen Pizzaverkaufsstand aus hatte er kurz darauf beobachtet, wie das Opfer, das zunächst nur wenig beeinträchtigt schien, sich „die Brust hielt, torkelte und zu Boden fiel.“227 Wenngleich der BGH in seinem Urteil die unklare Formulierung des Landgerichts, der Täter habe „nach seinem Vorsatz mit dem Stich schon alles für die von ihm billigend in Kauf genommene Tötung getan“,228 kritisiert, bestätigt er dennoch im Ergebnis die Vorinstanz, die von einem beendeten Versuch ausgegangen war, aufgrund folgender Erwägungen: Selbst wenn der Angeklagte direkt nach dem Zustechen noch nicht von einer tödlichen Verletzung ausgegangen sein sollte, sei „jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als der Angekl. den Geschädigten zu Boden fallen sah, auszuschließen [gewesen], daß er noch immer nicht mit einem tödlichen Ausgang rechnete.“229 Der BGH zögert somit nicht, die für den Fall, „daß der Täter, der nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf aber erkennt, daß er sich geirrt hat“, entwickelte Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der „an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierten Tätervorstellung“ auf den vorlie226 227 228 229

So die zusammenfassende Darstellung der Rspr. in BGH, StV 1997, 128. BGH, NStZ 1998, 614. BGH, NStZ 1998, 614. BGH, NStZ 1998, 614 (615).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

genden Fall zu übertragen: Diese Rechtsprechung habe „umgekehrt auch dann zu gelten, wenn der Täter bei unverändert fortbestehender Handlungsmöglichkeit mit einem tödlichen Ausgang zunächst nicht rechnet, unmittelbar darauf jedoch erkennt, daß er sich insoweit geirrt hat; dieser Versuch ist im Ergebnis beendet.“230 Weil der Zeitpunkt, als der Täter den Geschädigten zu Boden fallen sah, zeitlich und örtlich eng mit der vorausgegangenen Ausführungshandlung zusammenhänge, sei dieser vorliegend entscheidend; daher hätte es „hier des freiwilligen und ernsthaften Bemühens, die Tatvollendung zu verhindern [bedurft], um Straffreiheit zu erlangen.“231 Diese Fortentwicklung der Rechtsprechung mag auf den ersten Blick nahe liegend und konsequent erscheinen, muss aber dennoch verwundern, da der BGH dieselbe Fallgestaltung zuvor – wie gesehen – noch anders entschieden, nämlich die Vorstellungsänderung als für die erforderliche Rücktrittsleistung unerheblich bewertet hatte. Während er diese Annahme in der dortigen Fallgestaltung, bei welcher der Täter die sofortige Behandlungsbedürftigkeit des Opfers „maximal 10 Minuten“ nach der Tat erkannt hatte, maßgeblich auf die Erwägung gestützt hatte, zu jenem Zeitpunkt sei „der ursprüngliche Tötungsversuch abgeschlossen und der Rücktritt vollzogen“ gewesen, weshalb allenfalls eine neue – durch Unterlassen begangene – Straftat in Betracht zu ziehen sei,232 wird dieser Aspekt nun in BGH, NStZ 1998, 614 gar nicht mehr angesprochen.233 Er hätte aber nicht nur im Hinblick auf die vorangegangene Entscheidung des BGH der Erörterung bedurft, sondern auch deshalb, weil sich hierin der Unterschied zu den bislang entschiedenen, umgekehrten Fallgestaltungen manifestiert: Hält der Täter nämlich den Erfolgseintritt – wie in den bislang vom BGH zu entscheidenden Fallgestaltungen – zunächst für möglich, beginnt er indes noch nicht mit den demgemäß zur Erlangung von Straffreiheit erforderlichen Verhinderungsbemühungen, so stellt sich bei einer späteren Vorstellungsänderung nicht die Frage, ob er den Rücktritt bereits vollzogen hat, sondern vielmehr, ob er überhaupt noch zum Rücktritt übergehen kann. Dies lässt der BGH, wie gesehen, zu, indem er dem Täter jedenfalls für die Variante des „Verhinderns“ eine Überlegungszeit zugesteht und nicht von ihm verlangt, dass er sofort zum Rücktritt übergeht. Nimmt der Täter hingegen zunächst an, der Eintritt der Vollendung sei noch nicht möglich, und handelt er in dieser Vorstellung nicht weiter, erscheint zumindest erörterungswürdig, ob er durch dieses 230 So BGH, NStZ 1998, 614 (615) unter Verweis auf BGHSt 36, 224; 39, 221 (227, 228); BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 25, 31; BGH StV 1996, 23; 1997, 128. 231 BGH, NStZ 1998, 614 (615). 232 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15. 233 Dafür, dass in dem zunächst vom BGH entschiedenen Fall der geforderte räumlich-zeitlichen Zusammenhang nicht eingehalten gewesen wäre, bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte: Dort waren höchstens 10 Minuten vergangen und war der Täter sogar am Tatort verblieben; s. BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15.

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Aufgeben bereits strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist oder ob der Umstand, dass er kurz darauf das Verhindern der Vollendung für erforderlich hält, zu einer anderen Beurteilung der Rücktrittssituation führt, d.h. eine Anpassung seines – begonnenen – Rücktrittsverhaltens an die geänderte Vorstellung erfordert. Letzeres nimmt der BGH im Ergebnis an, bleibt aber die Begründung hierfür schuldig. Bereits wenige Monate später schließt sich der zweite Senat, also eben jener Senat, welcher 1988 noch eine Korrektur in dieser Fallgestaltung abgelehnt hatte, der neueren Rechtsprechung an und entscheidet, dass die spätere Vorstellung auch dann maßgeblich sein könne, wenn dies dem Täter zum Nachteil gereiche.234 In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich der Täter auf einem innerstädtischen Platz von hinten auf sein – von der Frau des Täters begleitetes – Opfer gestürzt und diesem mit voller Wucht ein Klappmesser in den Rücken gerammt. Der bereits durch diesen Stich lebensgefährlich Verletzte war aufgesprungen und hatte dem Täter, nachdem er ihn gefragt hatte, „ob er eine Macke“ habe, versucht, ins Gesicht zu schlagen. Ein zweiter Stich des Täters hatte das Opfer nicht verletzt – dieses hatte lediglich einen Druck am Bauch verspürt. Erst nach einem weiteren Wortgefecht hatte das Opfer bemerkt, dass es stark blutete, und war geflüchtet. Nachdem der Täter schließlich etwas später den Tatort verlassen hatte, erkannte er in einer am anderen Ende des Platzes gelegenen Straße, dass Notarzt und Polizei vor Ort waren, und war sich dann sicher, sein Opfer schwer verletzt zu haben.235 In seinem Beschluss tritt der BGH zwar der Wertung des Landgerichts entgegen, der Täter sei „bereits nach dem ersten Stich davon ausgegangen, daß dieser zum Tod des [Opfers] führen könne“.236 Seine Zurückweisung an das Tatgericht zu weiteren Feststellungen erfolgt jedoch mit der Maßgabe, dieses habe gegebenenfalls zu beachten, „daß für die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch auch eine alsbald nach dem Handeln ,korrigierte‘ Vorstellung des Täters von den Tatfolgen Bedeutung erlangen kann.“237 Warum der BGH in diesem Fall allerdings nicht – wie bislang gewohnt – mit dem Argument durchentscheidet, der Täter habe „jedenfalls“ im späteren Zeitpunkt den Erfolgseintritt für möglich gehalten, bleibt unklar; es könnte auf die fehlenden Sachverhaltsfeststellungen zur Tätervorstellung im Zeitpunkt der Flucht des Opfers bzw. den sich widersprechenden Anhaltspunkten für den Täter – er nahm sowohl das starke Bluten als auch dessen Weglaufen wahr – zurückzuführen sein. Schlussfolgern lässt sich aus der Zurückverweisung immerhin, dass dem 234

BGH, NStZ 1999, 299 (unter 3.); zustimmend BGH, NStZ 2005, 263 (264). BGH, NStZ 1999, 299. 236 BGH, NStZ 1999, 299 (299 f.). 237 BGH, NStZ 1999, 299 (300) unter Verweis auf BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 24, 25. 235

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noch späteren Zeitpunkt, in dem der Täter Polizei und Notarzt in einiger Entfernung erkannte und sich sicher war, sein Opfer lebensgefährlich verletzt zu haben, keine abgrenzende Bedeutung zugemessen wird.238 5. Die mehrfache Vorstellungsänderung und die Grenzen ihrer Beachtlichkeit Ausgesprochen große Beachtung hat eine weitere Entscheidung des BGH zur Problematik der Vorstellungsänderung nach dem Ende der Ausführungshandlung aus dem Jahr 1999 gefunden. Im sog. „Geschwister-Fall“ hatte die Täterin ihrem Vater, der sie sieben Jahre zuvor als zwölf- oder dreizehnjährige missbraucht hatte, in dessen Wohnung ein Küchenmesser von 13 cm Klingenlänge bis an das Heft in den Unterleib gestoßen. Dieser hatte geschrieen und zu fliehen versucht, wobei ihn die Täterin jedoch wiederholt auf das Sofa zurückgedrückt hatte, bevor er schließlich aus der Wohnung entkommen konnte. Die Täterin und ihr Bruder hatten kurze Zeit später das Haus verlassen und kurz den Vater gesucht, waren dann aber wieder in dessen Wohnung zurückgekehrt, ehe sie sich schließlich in eine Gaststätte begeben hatten, von der aus die Täterin die Polizei angerufen und erklärt hatte, sie habe ihren Vater umgebracht. Tatsächlich war die dem Vater beigebrachte Stichverletzung nicht lebensgefährlich gewesen.239 Das Landgericht hatte den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Stich für maßgeblich befunden und daraus, „daß die Angeklagte nach ihren Angaben bei der polizeilichen Vernehmung der Polizei in der Tatnacht telefonisch mitgeteilt hat, sie habe ihren Vater getötet“ geschlossen, sie habe die Vollendung nach Vornahme der Tatausführung für möglich gehalten.240 Diese Annahme sieht der BGH jedoch nicht hinreichend belegt, sondern als „auf einer zu engen Betrachtung“ beruhend.241 Maßgebend für die Frage der Versuchsbeendigung seien „nicht die Vorstellungen der Angeklagten ,unmittelbar nach dem Stich‘, sondern deren Vorstellung zu dem Zeitpunkt, als sie es zuließ, daß ihr Vater aus der Wohnung flüchtete.“ Das Absehen von weiterem Tun wirke auch strafbefreiend, wenn der Täter – seine fortbestehende Handlungsmöglichkeit vorausgesetzt – „zwar zunächst den Erfolgseintritt für möglich [halte], unmittelbar darauf aber die Vorstellung gewinn[e], mit einer tödlichen Wirkung sei (noch) nicht zu rechnen“, wobei insbesondere dem „vom Täter wahrgenommenen Verhalten des Opfers nach der letzten Ausführungshandlung indizielle Bedeutung“ 238 Bei Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts wäre indes ein fehlgeschlagener Versuch anzunehmen gewesen, da an eine Fortführung des ursprünglichen Versuchs nicht mehr zu denken war. 239 BGH, NStZ 1999, 449. 240 BGH, NStZ 1999, 449 (450). 241 BGH, NStZ 1999, 449 (450).

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zukomme.242 Hier liege aufgrund der „sogleich nach dem Messerstich“ unternommenen Fluchtversuche und der Tatsache, dass das Opfer trotz des wiederholten Zurückdrückens auf das Sofa aufstehen und ohne besondere Schwierigkeiten die Wohnung verlassen konnte, „nicht fern, daß die Angeklagte – möglicherweise entgegen ihren Vorstellungen ,unmittelbar nach dem Stich‘ und zum Zeitpunkt ihres Telefonanrufs bei der Polizeidienststelle etwa eine Stunde danach – zu der Erkenntnis gelangt war, daß mit einer tödlichen Wirkung des Stiches nicht zu rechnen war und die weitere Tatausführung aufgegeben hatte, als sie es schließlich zuließ, daß ihr Vater die Wohnung verließ, obwohl sie das Messer erneut hätte einsetzen können.“243 Ihre spätere Äußerung gegenüber der Polizei, sie habe ihren Vater umgebracht, stehe dieser Wertung nicht entgegen, da denkbar sei, dass erst die spätere erfolglose Suche nach dem Vater zu dieser Vorstellung geführt habe. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch „der ursprüngliche Tötungsversuch abgeschlossen und, sofern die Angeklagte die weitere Tatausführung aufgegeben hatte, als sie die Flucht ihres Vaters aus der Wohnung zuließ, der darin liegende Rücktritt bereits vollzogen“ gewesen.244 Damit erklärt der BGH sowohl die Möglichkeitsvorstellung der Täterin unmittelbar nach dem Stich als auch ihre Überzeugung von der bereits eingetretenen Vollendung nach der erfolglosen Suche bzw. bei dem Telefonanruf bei der Polizei für unbeachtlich. Erstere, weil sie sich möglicherweise noch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tatausführung in rechtlich beachtlicher Weise geändert hatte, letztere, weil einer derart späten, mit der Vornahme der tatbestandlichen Ausführungshandlung nicht mehr unmittelbar zusammenhängenden Vorstellung für die erforderliche Rücktrittsleistung keine Bedeutung mehr zuzumessen sei. Jene Vorstellungsinhalte bilden daher lediglich Indizien für die Ermittlung der Vorstellung der Täterin im maßgeblichen Zeitpunkt der Flucht des Opfers, die allerdings in ihrer Bedeutung hinter die im entscheidenden Zeitpunkt objektiv vorliegenden Umstände zurücktreten. Aufgrund der wiederholten und schließlich erfolgreichen Fluchtversuche des Opfers war somit – in dubio pro reo – anzunehmen, dass die Täterin im maßgeblichen Zeitpunkt den Tod des Vaters nicht für möglich gehalten, dennoch aber von einer ihr möglichen Fortführung der Tat abgesehen hatte. Mit diesem Zulassen der Flucht war nach dem BGH der Rücktritt vollzogen, weshalb auch in der späteren erfolglosen Suche nach dem Vater keine Fortführung der ursprünglichen Ausführung lag.245

242

So BGH, NStZ 1999, 449 (450). BGH, NStZ 1999, 449 (450). 244 BGH, NStZ 1999, 449 (450) unter Verweis auf BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 15. 245 Vgl. insoweit auch BGHR, StGB § 24 I 1, Versuch, unbeendeter 15, wo eine Aufgabe in der etwa zehnminütigen Untätigkeit des Täters gesehen wird. Kritisch aber LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 20. 243

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Bei Anwendung dieser Grundsätze dürfte, sofern dem Opfer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tatausführung die Flucht vom Tatort gelingt, regelmäßig ein unbeendeter Versuch vorliegen, solange dem Täter zu diesem Zeitpunkt eine Fortsetzung seiner Tat noch möglich erscheint. Denn was der Täter davor hinsichtlich der Gefährdung des Opfers gedacht hat, ist durch das in der Flucht gezeigte Verhalten überholt. Und selbst wenn er seine Vorstellung nun erneut ändern sollte, kommt dem keine Bedeutung mehr zu, weil insoweit der erforderliche unmittelbar räumlich-zeitliche Zusammenhang mit der Tatausführung fehlt. Allerdings bedarf im Falle einer Flucht des Opfers die Abgrenzung zum fehlgeschlagenen Versuch einer differenzierten Betrachtung: Lässt ein Täter in der Vorstellung, die Vollendung könne noch nicht eintreten, die Flucht des Opfers zu, obwohl er sie vereiteln und seine Tat weiterführen könnte, ist sein Versuch – auf der Grundlage der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre246 – sicherlich nicht fehlgeschlagen. „Korrigiert“ er hingegen erst aufgrund der Flucht des Opfers seine Vorstellung dahingehend, dass er die Vollendung nun nicht für möglich hält, ist zu entscheiden, ob im Unterlassen der Verfolgung des Opfers eine Aufgabe der Tat gesehen werden kann, d.h. ob eine Verfolgung und etwaige darauf folgende Handlungen eine Fortführung der begonnenen Tatausführung oder aber bereits ein Ansetzen zu einem neuen Versuch darstellten. 6. Die Fortführung der Rechtsprechung In der Folgezeit finden sich mehrfach Entscheidungen aller Senate, in denen die Tatgerichte gerügt werden, bei der Prüfung des Rücktrittshorizonts die Möglichkeit einer sich auf die erforderliche Rücktrittsleistung auswirkenden Vorstellungsänderung des Täters nicht bedacht zu haben. Diesen liegen zumeist Sachverhalte zugrunde, in denen der Täter – wie in der Leitentscheidung des „Ichlebe-noch-Falls“ – den Erfolgseintritt zunächst für möglich gehalten hatte, dann aber, insbesondere aufgrund der wahrgenommenen Opferreaktion,247 zu der Annahme gelangt war, sein bisheriges Tun könne den Erfolg nicht herbeiführen, dennoch aber von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten abgesehen hatte. So hatte der Täter in einem Fall aus dem Jahr 2001 aus einer Entfernung von vier Metern mit einer Pistole mehrere Schüsse auf den Kopf seines Opfer abgegeben, die er – in der Überzeugung, sein Opfer tödlich getroffen zu haben – auf russisch mit der Bemerkung „so, jetzt haben wir gesprochen“ kommentierte. Zu seiner Überraschung war das stark blutende Opfer jedoch nicht zu246

s. Vierter Teil B. I. s. BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74); BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f.; BGH, NStZ 2002, 427; vgl. ferner BGH, NStZ 2005, 150 (151). Abgelehnt wird eine „Korrektur des Rücktrittshorizonts“ hingegen ausdrücklich, wenn der Täter „nicht gesehen hat, daß die Tatopfer noch fliehen konnten“, BGH, Beschl. v. 23.11. 2001 – 2 StR 440/01, S. 2 f. 247

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sammengebrochen, sondern hatte sich auf ihn zu bewegen und ihn ein Stück weit verfolgen können, bevor es – wie zugunsten des Täters anzunehmen war – von diesem unbemerkt zu Boden gesackt war.248 In einem anderen Fall hatte das Tatopfer den Täter, der ihm mit einem Messer mehrfach in den Hals gestochen hatte, vom Schlafzimmer bis zur Haustür verfolgt und ihm einen Schlag mit dem Gehstock seiner Frau versetzt.249 Beide Male hatte der Täter sein noch taugliches Tatwerkzeug weggeworfen und damit die mögliche Fortführung der Tatausführung aufgegeben. In seinen Entscheidungen beanstandet der BGH jeweils unter Verweis auf den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass bei einer Vorstellungsänderung in unmittelbarem Zusammenhang mit der letzten Ausführungshandlung „die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung für den Rücktrittshorizont maßgebliche Bedeutung“ erlange, das Abstellen der Landgerichte auf den Zeitpunkt unmittelbar nach Vornahme der Ausführungshandlung250 und erläutert die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Anhaltspunkte für eine Vorstellungskorrektur: So wird sowohl die Tatsache, „daß das Opfer nach der letzten Ausführungshandlung noch in der Lage war, den Angreifer in die Flucht zu schlagen und seine Verfolgung über eine längere Strecke aufzunehmen“,251 als auch der Umstand, „dass der hochbetagte Geschädigte trotz der ihm beigebrachten Verletzungen imstande war, den Angekl. zu verfolgen und in der festgestellten Weise gegen ihn vorzugehen“252, gegen die Annahme einer tödlichen Verletzung und damit für einen unbeendeten Versuch angeführt.253 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH den Fall regelmäßig zur Entscheidung an die Instanzgerichte zurückverweist.254 Lediglich in einer Entscheidung, in dem das durch Messerstiche in den Oberbauch verletzte Opfer noch zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Täter in der Lage war, woraufhin es „als nahe liegend, jedenfalls aber als möglich“ erachtet wurde, dass der Täter entgegen seiner ersten Vorstellung nun nicht mehr von einer tödlichen Verletzung ausgegangen war,255 ändert der zweite Senat aufgrund der Besonderheiten beim Aussageverhalten des Täters in der ersten 248

BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 3, s. a. S. 4. BGH, NStZ 2002, 427; ähnlich BGH, NStZ-RR 2002, 73. 250 BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 6; BGH, NStZ 2002, 427 (428); BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74). 251 BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f. 252 BGH, NStZ 2002, 427 (428). 253 BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 5 f.; BGH, NStZ 2002, 427 (428). 254 So etwa in BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 2 u. 7; BGH, NStZ 2002, 427 (428). Ebenso für die Frage des Fehlschlags BGH, NStZ 2006, 685. 255 BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74); vgl. ferner BGH, NStZ 2005, 331 f., wo der Täter auch die bei Vorliegen eines unbeendeten Versuchs an ihn gestellten Anforderungen nicht erfüllt hatte. 249

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Hauptverhandlung selbst den Schuldspruch von versuchtem Totschlag in gefährliche Körperverletzung ab: „Da der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung den Einsatz des Messers geleugnet hat, ist nicht zu erwarten, daß eine neue Hauptverhandlung zu Erkenntnissen bezüglich seines Vorstellungsbildes über die Folgen der Messerstiche führen wird. Deshalb kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO sowie des Zweifelsgrundsatzes in der Sache selbst entscheiden“.256 Auch bei einer Zurückweisung finden sich in den Beschlüssen des BGH allerdings nicht selten weitgehende Vorgaben in Bezug auf tatsächliche Feststellungen, wie etwa die Anmerkung, es sei „nicht davon auszugehen [. . .], daß sich im weiteren Verfahren Umstände ergeben, die einer Anwendung des § 24 Abs. 1 StGB entgegenstehen“.257 Eine neuere Entscheidung des BGH belegt, dass inzwischen auch die Instanzgerichte die vom BGH entwickelten Grundsätze anwenden, indem sie die im unmittelbarem Zusammenhang mit der Tathandlung an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Tätervorstellung für maßgebend erachten: Dort hatte bereits das Landgericht, in einem Sachverhalt, in dem der Täter erkannt hatte, dass das zunächst vermeintlich erdrosselte Opfer „alsbald wieder zu sich kam, ,schrie und weinte‘“, auf die „korrigierte“ Vorstellung des Täters abgestellt und einen unbeendeten Versuch angenommen, weil der Täter ohne zeitliche Zäsur hätte weiterhandeln können.258 Keine weitere Konkretisierung hat bislang dagegen die räumlich-zeitliche Grenze der Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts, der „unmittelbare räumlich-zeitliche Zusammenhang“, erfahren. Auf der Grundlage der Gesamtbetrachtungslehre stellt der BGH insoweit lediglich klar, dass es der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung nicht mehr bedarf, wenn ein Weiterhandeln ohne zeitliche Zäsur nicht mehr in Betracht kommt.259 Selbst wenn der Täter seine Vorstellung hinsichtlich der Möglichkeit des Erfolgseintritts in unmittelbarem Zusammenhang mit der letzten Tatausführungshandlung ändere, sei der Versuch nämlich, wenn das „Weiterhandeln“, auf das der Täter dann verzichte, mit dem bisherigen Verhalten keinen einheitlichen Lebensvorgang bilden würde, 256

BGH, NStZ-RR 2002, 73 (74). BGH, Beschl. v. 6.3.2002 – 4 StR 29/02, S. 7, insoweit nicht in NStZ 2002, 427 abgedruckt. In BGH, Beschl. v. 15.8.2001 – 3 StR 231/01, S. 6 wertet der BGH festgestellte objektive Tatsachen als „eher gegen den Eindruck eines tödlich Getroffenen“ sprechend. 258 BGH, Beschl. v. 13.6.2002 – 3 StR 134/02, S. 2. 259 BGH, NStZ 2000, 531 (532). Zwei getrennte Versuche nahm der BGH auch in seinem Urt. v. 31.1.2002 – 4 StR 417/01, S. 6 f. u. 10 an, wo der Täter seinem Opfer zunächst zwei Messerstiche versetzt und dann nach einer mehrstündigen Fahrt mit dem Auto absichtlich und mit Tötungsvorsatz einen Unfall herbeigeführt hatte, danach aber das Messer wegwarf: Der erste Versuch wurde als beendet, der zweite als fehlgeschlagen gewertet. Vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – 1 StR 462/02, S. 3; BGH, NStZ 2005, 151 (152). Vgl. hierzu Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (379). 257

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fehlgeschlagen und ein Rücktritt von der Gesamttat schon deshalb ausgeschlossen.260 7. Zusammenfassung der Rechtsprechungsansicht Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des BGH steht dem Täter nicht nur eine Überlegungszeit bezüglich des Übergangs zum Rücktrittsverhalten zu, sondern bestimmt sich zudem die für eine Strafbefreiung erforderliche Rücktrittsleistung bei einer Vorstellungsänderung unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung nach seiner an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierten Vorstellung. Dies soll sowohl dann gelten, wenn der Täter direkt nach der letzten Ausführungshandlung zunächst den Eintritt der Vollendung für möglich gehalten hat, unmittelbar darauf aber – in aller Regel aufgrund des von ihm wahrgenommenen Opferverhaltens – zu der Überzeugung kommt, der Erfolg könne doch (noch) nicht eintreten, als auch in der umgekehrten Fallgestaltung, in welcher er zwar direkt nach der Tatausführung nicht mit dem Erfolgseintritt rechnet, unmittelbar darauf diesen aber doch für möglich hält. Der Täter kann demzufolge im ersten Fall durch Aufgabe, im zweiten nur durch die Entfaltung aktiver Verhinderungsbemühungen zurücktreten.

III. Die in der Literatur vertretenen Auffassungen In der Literatur wird die Problematik der Vorstellungsänderung nach der letzten Ausführungshandlung, wenn überhaupt, überwiegend nur unzureichend erörtert. Zumeist wird lediglich der Rechtsprechungsansatz wiedergegeben und ohne eine kritische Auseinandersetzung auf die dortige Begründung verwiesen. Nur wenige Autoren befassen sich intensiv mit der Argumentation des BGH. 1. Die der Rechtsprechung im Ausgangspunkt zustimmende Literatur Der Großteil der Literatur folgt der Rechtsprechung und erachtet im Fall einer Vorstellungsänderung des Täters im unmittelbaren Anschluss an die letzte Ausführungshandlung die „an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung“ als für die zu erbringende Rücktrittsleistung maßgeblich. Unterschiede gegenüber der Rechtsprechung lassen sich allerdings teilweise mit Blick auf die erfassten Fallgestaltungen, die Grenzen sowie die Begründung für die Maßgeblichkeit der geänderten Vorstellung ausmachen. 260 So ausdrücklich BGH, NStZ 2000, 531 (532), wo die Täter erst nach der Rückfahrt erkannt hatten, dass die bei einem Raubüberfall erbeutete, vermeintlich Geld und Drogen beinhaltende Kassette leer war. Ähnlich BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – 1 StR 462/02, S. 3. S. a. BGH, NStZ 2005, 151 (152), wo der Täter aufgrund umstehender Personen und mangels Tatwaffe keine Angriffsmöglichkeit mehr hatte.

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a) Die erfassten Fallgestaltungen aa) Vorstellungsberichtigung und „Korrektur zur Fehlvorstellung“ Teilweise sind die auf die Rechtsprechung des BGH verweisenden Stellungnahmen so formuliert, dass sie bei wortgetreuer Interpretation allein einer die ursprünglich unzutreffende Vorstellung tatsächlich berichtigenden Vorstellungsänderung Bedeutung zumessen. So sprechen etwa Lackner/Kühl davon, dass der Täter seine Vorstellung „als irrig erkennt“,261 oder Kudlich davon, dass der zunächst Irrende seine Vorstellung „korrigiert“.262 Weil jene Autoren jedoch andererseits weder die Maßgeblichkeit der geänderten Vorstellung in den Fällen der „Korrektur zur Fehlvorstellung“ ausdrücklich ausschließen noch auf eine dahingehende Beschränkung hindeutende Gründe anführen, ist anzunehmen, dass sie die Formulierungen schlicht unbedacht verwenden, in Wirklichkeit also beide Fallgestaltungen gemeint sind.263 Eine Begründung dafür, den Fall der „Korrektur“ zur Fehlvorstellung ebenso zu erfassen wie die tatsächliche Vorstellungsberichtigung, liefert ohnehin allein Puppe, indem sie darauf verweist, dass es bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung nach übereinstimmender Auffassung „nur auf die Vorstellung des Täters von der Gefährdung [. . .], nicht auf die Wirklichkeit“ ankommt.264 bb) Für den Täter vorteilhafte und nachteilige Vorstellungsänderungen In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung hält der überwiegende Teil der Jurisprudenz die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung des Täters ausdrücklich sowohl dann für maßgeblich, wenn der Täter zunächst die Vollendung für möglich hält, unmittelbar danach bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit jedoch ausschließt, als auch im umgekehrten Fall, in dem er zuerst die Möglichkeit der Vollendung ausschließt, kurz darauf aber doch für zumindest möglich erachtet.265 Vereinzelt finden sich allerdings auch insoweit Stellungnahmen, die nur die Konstellation ansprechen, 261 Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4; ebenso Hauf, Rücktritt, S. 48 f.; Hirschmann, Jura 2001, 711 (712); Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 15a. Ähnlich Kühl, AT, § 16 Rn. 32: Der Täter könne sich „belehren lassen“. 262 So Kudlich, JuS 1999, 349 (351) unter Verweis auf die Rspr.; ebenso Heinrich, AT I, Rn. 832 f.; ähnlich Kühl, AT, § 16 Rn. 32; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15a. 263 So sprechen z. B. LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 116, zunächst davon, dass der Täter seine irrige Vorstellung „korrigiert“, in Rn. 117 hingegen neutraler davon, was der Täter zunächst meinte bzw. zu welcher Feststellung er später kam. Präziser formuliert dagegen Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/88: „Wenn der Täter entgegen seiner ursprünglichen Annahme plötzlich zu der Erkenntnis (oder auch nur zur Annahme) kommt“ (Hervorhebung nicht im Original). 264 So Puppe, JR 2000, 72 (73). Vgl. ferner Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/88.

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in welcher die Bewusstseinslage des Täters zunächst den Kriterien des beendeten, kurz darauf aber denen des unbeendeten Versuchs entspricht.266 Ob jene Autoren durch die Nichterwähnung der umgekehrten Vorstellungsänderung dieser tatsächlich keine Auswirkung auf die erforderliche Rücktrittsleistung beimessen wollen, scheint indes zweifelhaft und kann ebenso darauf zurückzuführen sein, dass bis 1998 vom BGH beinahe ausnahmslos der umgekehrte Fall zu entscheiden war.267 Ausdrücklich und fundiert gegen eine Verschärfung der Rücktrittsforderungen im Fall des erst späteren Fürmöglichhaltens der Vollendung wendet sich allerdings Rudolphi: Dass der Täter nach und trotz seiner Vorstellungsänderung untätig bleibe, ändere dann nichts daran, dass er von dem unbeendeten Versuch bereits zurückgetreten sei; in Betracht komme allein eine Strafbarkeit wegen eines Unterlassungsdelikts.268 Damit greift Rudolphi die vom BGH im Jahr 1988 entwickelte Begründung auf, sieht also bereits im Abstehen von der weiteren Tatausführung einen strafbefreienden Vollzug des Rücktritts. Im umgekehrten Fall soll hingegen der späteren Vorstellung des Täters entsprechend das bloße Nichtergreifen weiterer Handlungsmöglichkeiten für eine Strafbefreiung genügen.269 b) Die Grenze des unmittelbar räumlich-zeitlichen Zusammenhangs Auch in Bezug auf die Grenzen der Maßgeblichkeit einer geänderten Tätervorstellung folgt die herrschende Lehre im Grundsatz dem BGH, indem sie einen Zusammenhang der Änderung mit der letzten Ausführungshandlung für notwendig erklärt. Hinsichtlich der genauen Beschaffenheit dieses Zusammenhangs werden allerdings unterschiedliche Akzentuierungen vorgenommen: Teilweise wird – wenngleich in sehr unbestimmter Weise – sowohl die lokale als auch die temporale Komponente der Vorstellungsänderung angesprochen, wie z. B. bei Lilie/Albrecht, die einen „engen“ oder „unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang“ fordern,270 oder bei Lackner/Kühl, die verlangen, dass der Täter seine Vorstellung „noch in unmittelbarem Zusammenhang 265 Stellvertretend für die h. M. s. Roxin, AT II, § 30 Rn. 163 f.; ders., HRR, Nr. 68 (S. 198); ferner Gropp, § 9 Rn. 60a; ders., Gössel-FS, S. 175 (185); Hauf, Rücktritt, S. 48; Heinrich, AT I, Rn. 832 f.; NK-Zaczyk, § 24 Rn. 42. 266 So z. B. Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 21; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 15a; Wessels/Beulke, Rn. 637. 267 Vgl. dazu Vierter Teil C. II. 2., 3. 268 SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15a; vgl. auch Hirschmann, Jura 2001, 711 (712 f. Fn. 15), die diese Konstellation als „streitig“ bezeichnet. 269 SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15a. 270 LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 120, s. a. Rn. 118; ähnlich Hauf, Rücktritt, S. 48 f.; Hirschmann, Jura 2001, 711 (712).

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mit der letzten Ausführungshandlung“ ändert.271 Häufig wird eine Änderung auch unter der Voraussetzung für beachtlich erachtet, dass die Tatsituation bzw. die Abbruchsituation noch fortbesteht, was der Fall sei, „solange eine zeitliche Zäsur noch nicht vorlieg[e]“.272 Andere nehmen dagegen ausschließlich oder primär eine zeitliche Begrenzung vor, indem sie allein eine „alsbaldige“ Korrektur zulassen273 oder – etwas anschaulicher – festlegen, die ursprüngliche Vorstellung dürfe „nur wenige Augenblicke“ bestanden haben.274 Nach Rengier wiederum schließt ein gewisser zeitlicher Abstand den erforderlichen engen Zusammenhang nicht aus: Wenn mit dem „sofort“ oder „unmittelbar“ Gegenteiliges gemeint sein sollte, sei dem zu widersprechen.275 Dass hinsichtlich der genauen Zeitspanne keine vollumfängliche Übereinstimmung herrscht, zeigt sich besonders deutlich, wenn eine Angabe des zulässigen Zeitraums in Minuten erfolgt: So wird eine etwa zehn Minuten nach der Tat erfolgte Vorstellungsänderung teilweise als erheblich zu spät und daher die Rücktrittsleistung nicht mehr bestimmend,276 anderswo aber noch als hinreichend unmittelbar gewertet.277 Schließlich wird verschiedenenorts eine „Korrektur des Rücktrittshorizonts“ zugelassen, wenn die einheitliche Tat noch nicht abgeschlossen ist.278 Dazu, was eine einheitliche Tat in diesem Sinne umfasse, wird auf einen angeblich bestehenden Streitstand verwiesen, bei dem die verschiedenen Autoren „auf den einheitlichen Lebensvorgang, die für die Konkurrenzebene entwickelte natürliche Handlungseinheit, auf das Vorliegen eines engen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs, auf die Nähe der Zweithandlung zur Ersthandlung oder auf eine Häufung der Kriterien sowie darauf [abstellten], ob die Tat im Vollendungsfalle als eine materiell-rechtliche Tat i. S. des § 52 StGB zu bewerten wäre.“279 271 Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4; ebenso z. B. Lettl, JuS 1998, L 81 (L 82); ähnlich SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15a. Vgl. auch Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a. 272 So Gropp, § 9 Rn. 60a; ders., Gössel-FS, S. 175 (185);s. a. Kühl, AT, § 16 Rn. 32; Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4. Nahe stehend Maurach/Gössel, Fälle, Fall 14 (S. 239): „noch während seines rechtsgutsbeeinträchtigenden Verhaltens“. 273 s. etwa Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 15a, der zugleich von „engen zeitlichen Grenzen“ spricht. Vgl. ferner Kudlich, PdW, Fall 242 (Korrektur „sofort danach“). Allein den zeitlichen Abstand spricht auch Heinrich, AT I, Rn. 832 ff., an. 274 So Roxin, HRR, Nr. 68 (S. 198). Ähnlich auch die zeitliche Komponente bei Hauf, Rücktritt, S. 48 f.: Die überholte Vorstellung darf nur „kurzfristig“ bestanden haben. 275 Rengier, JZ 1988, 931 (933). 276 s. etwa Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 17a unter Verweis auf die Rspr.; vgl. Maurach/Gössel, Fälle, Fall 14 (S. 239). 277 So Hirschmann, Jura 2001, 711 (713). 278 So Schlüchter, Baumann-FS, S. 71 (83); ferner Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 21.Vgl. auch Rengier, JZ 1988, 931 (933); Roxin, HRR, Nr. 68 (S. 198). 279 Schlüchter, Baumann-FS, S. 71 (83) unter Verweis auf Lackner/Kühl, § 24 Rn. 6; Dreher, JR 1969, 105 (107); s. a. Hauf, wistra 1995, 262; Kühl, AT, § 16

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Dabei werden jedoch unbemerkt zwei unterschiedliche Fragestellungen aus dem Rücktrittsbereich vermischt, nämlich die Frage nach der erforderlichen Rücktrittsleistung mit der Frage nach der Rücktrittsfähigkeit des Versuchs. Nach ganz überwiegender Ansicht entscheidet über beides zwar die Tätervorstellung, jedoch ist ihr Bezugspunkt jeweils ein anderer: Die zur Erlangung von Straffreiheit geforderte Rücktrittsleistung bestimmt sich nach der Vorstellung von der Möglichkeit der Vollendung und damit dem zur Vollendungsverhinderung erforderlichen Verhalten; ob ein Versuch noch rücktrittsfähig oder bereits fehlgeschlagen ist, entscheidet dagegen die Vorstellung bezüglich der Weiterhandlungsmöglichkeit in dem Sinne, dass das Gesamtverhalten des Täters eine „einheitliche Tat“ bildet. Wenngleich der Fehlschlag demnach die äußere Grenze der Rücktrittsmöglichkeit bildet, weil der Versuch noch rücktrittsfähig sein muss, damit die erforderliche Rücktrittsleistung überhaupt bestimmt werden kann, ist mit der Feststellung des Nichtfehlschlagens noch keine Aussage darüber getroffen, wie lange eine Änderung der Vorstellung hinsichtlich der Möglichkeit der Vollendung und damit der erforderlichen Rücktrittsleistung beachtlich ist.280 Augenfällig wird der Unterschied zwischen beiden Fragestellungen, wenn der Täter durchgängig den nach seiner jeweiligen Vorstellung gebotenen Rücktrittsanforderungen nachgekommen ist, also etwa eingangs seinem Fürmöglichhalten der Vollendung entsprechend freiwillig Verhinderungsmaßnahmen eingeleitet hat, die er nach seiner Vorstellungsänderung wieder einstellt. In diesem Fall wird ein strafbefreiender Rücktritt übereinstimmend angenommen, obschon die Vornahme weiterer Ausführungshandlungen im Anschluss an die bereits begonnenen Verhinderungsbemühungen häufig mit der ursprünglichen Tathandlung keinen einheitlichen Lebensvorgang mehr bilden würde.281 c) Die Begründung in der Literatur Sofern die dem BGH-Ansatz zustimmenden Autoren die Maßgeblichkeit der geänderten Vorstellung überhaupt für begründungswürdig erachten,282 werden zumeist – mit mehr oder weniger eigenen Worten – die bereits von der Rechtsprechung angeführten Argumente wiedergegeben.283 So wird etwa auf die Einheitlichkeit des Tatbegriffs verwiesen und, solange der Täter bei einem WeiterRn. 35 ff.; Murmann, Versuchsunrecht, S. 47; Otto, Jura 1992, 423 (429); SK-Rudolphi, § 24 Rn. 14. Vgl. ferner Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 21. 280 Vgl. bereits Vierter Teil B. I. Übereinstimmend z. B. LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 119. 281 So auch LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 119; vgl. ferner Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 60. 282 Eine Begründung fehlt z. B. bei Lackner/Kühl, § 24 Rn. 4; Wessels/Beulke, Rn. 637, gänzlich. 283 Vgl. etwa SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15a; ferner Eisele, JA 1999, 922 (924); Hirschmann, Jura 2001, 711 (713).

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handeln bis zur Vollendung nur wegen einer Tat zu bestrafen wäre, auch im Versuchsfall auf die spätere Vorstellung abgestellt;284 durch eine irrige, unmittelbar darauf korrigierte Beurteilung werde der erforderliche räumlich-zeitliche Zusammenhang mit der letzten Ausführungshandlung noch nicht unterbrochen.285 Mit dem BGH wird außerdem vorgebracht, dass bei einem Festhalten an der ursprünglichen Tätervorstellung dem die Vollendung erst später nicht für möglich haltenden Täter jede Rücktrittsmöglichkeit verbaut wäre, da er nach seiner Vorstellung keine sinnvollen Gegenmaßnahmen mehr ergreifen und damit die strafbefreiende Rücktrittsleistung nicht erbringen könne, zumal es auch an der subjektiven Grundlage für ein ernsthaftes Bemühen fehle.286 Seltener werden in der Jurisprudenz eigenständige Begründungsansätze entwickelt. Neben der angeblichen Überzeugungskraft der Ergebnisse bei Zulassung einer „Korrektur“287 wird dabei vor allem argumentiert, die Bestimmung der Versuchsstadien habe nicht zeitlich, sondern teleologisch danach zu erfolgen, welche Rücktrittsleistung des Täters seinen subjektiven Rückzug von der Tat ausdrücke.288 Weil folglich keine feste Reihenfolge zwischen der Vorstellung vom Beendetsein und vom Unbeendetsein des Versuchs bestehe,289 sondern es durchaus sein könne, dass aus der Täterperspektive die Vollendung der Tat zunächst nur durch aktives Gegensteuern, später durch schlichte Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen zu verhindern sei, stelle die „Rückverwandlung“ eines zuerst beendeten Versuchs in einen unbeendeten auch keinen Grund zur Beunruhigung dar.290 Zudem entspreche die Anpassung der geforderten Rücktrittsleistung an den sich verändernden Rücktrittshorizont der kriminalpolitischen Zielsetzung des Rücktritts.291 Nicht ein vorübergehender Eindruck des Täters nach dessen letzter Handlung, sondern nur ein sein weiteres Verhalten endgültig bestimmendes Urteil könne über die erforderliche Rücktrittsleistung entscheiden.292 284 So z. B. Otto, JK 99, StGB § 24/26; ähnlich auch Maurach/Gössel, Fälle, Fall 14 (S. 239); vgl. ferner Roxin, HRR, Nr. 68 (S. 198 f.). Ebenso bereits BGHSt 36, 224 (226). 285 So Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 60; ebenso Hirschmann, Jura 2001, 711 (713). 286 Eisele, JA 1999, 922 (924); Heinrich, AT I, Rn. 832; vgl. Blei, PdW, Fall 241; Otparlik, Versuch, S. 100, 234. 287 Vgl. Otto, Jura 1992, 423 (429); s. a. Heinrich, AT I, Rn. 832. 288 So z. B. Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/88 mit Fn. 26; ähnlich Roxin, AT II, § 30 Rn. 154. 289 Gropp, Gössel-FS, S. 175 (185); Rengier, JZ 1986, 964 (965); vgl. ders., JZ 1988, 931 (933). 290 Rengier, JZ 1986, 964 (965); vgl. Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/88 Fn. 26. S. a. Herzberg, NJW 1988, 1559 (1562), der darauf verweist, dass das Gesetz die Begriffe „beendeter“ und „unbeendeter“ Versuch nicht kenne und daher keinen endgültigen Rücktrittsausschluss bei erstmaligem Fürmöglichhalten der Vollendung verlange; vgl. ferner ders., NJW 1986, 2466 (2471). 291 So z. B. Roxin, HRR, Nr. 68 (S. 198 f.); ferner LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 118.

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2. Die Ansätze Jägers und Mayers Auch Jäger und Mayer stimmen im Ergebnis weitgehend mit der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur überein, erreichen dieses Ergebnis jedoch auf anderem Wege, nämlich indem sie bereits den grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt so definieren, dass er selbst bei einer Vorstellungsänderung nach der letzten Ausführungshandlung keiner „Korrektur“ bedarf.293 So stellt Jäger bei der Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung – abweichend von BGH und h. L. – auf den „Zeitpunkt vor der nächstmöglichen Ausführungshandlung“294 bzw. den „Zeitpunkt des letzten Täter-Opfer-Kontakts“295 ab und vermeidet dadurch eine nachträgliche Korrektur von vornherein.296 Dem nahe stehend will Mayer den entscheidenden Zeitpunkt so wählen, dass „die Gefahreneinschätzung sinnvoll und mit letzter Konsequenz getroffen werden kann“, diesen deshalb „im Handlungsablauf möglichst spät“ ansiedeln.297 Erst wenn „der Rücktrittsproband von der weiteren Deliktsverwirklichung absieht, indem er die ihm offen stehende Handlungsalternative nicht wahrnimmt“, d.h. sein Tatvorsatz von seinem konträren Rücktrittsentschluss abgelöst ist, sei der Täter in der Lage, „seiner Willensbildung den aktuellen Stand der Entwicklung seiner Angriffsakte zugrunde“ zu legen.298 Auch nach Mayer ist demnach stets die letzte Erfolgseinschätzung des Täters maßgebend; einer Verschiebung dieses Zeitpunkts nach hinten bedarf es mithin nicht. 3. Die der Rechtsprechung widersprechenden Auffassungen Teilweise und insbesondere dort, wo der Lösungsansatz des BGH genauer analysiert und hinterfragt wird, wird jedoch Widerspruch gegen die überwiegend vertretene Auffassung, die erforderliche Rücktrittsleistung sei anhand der „an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierten“ Tätervorstellung zu bestimmen, erhoben. a) Die Kritik an der Zeitpunktverschiebung Dabei richtet sich die Kritik vereinzelt allgemein und unabhängig von der zugrunde liegenden Fallgestaltung gegen die Zulassung einer Verschiebung des 292

NK-Zaczyk, § 24 Rn. 42, Puppe, JR 2000, 72 (73). s. Jäger, Rücktritt, S. 28, 48; ders., NStZ 1999, 608; Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 171 f., 178, 348. 294 Jäger, Rücktritt, S. 48, s. a. S. 28. 295 Jäger, NStZ 1999, 608 (609). 296 Allerdings fordert Jäger zugleich eine Objektivierung der Bestimmung der Rücktrittsanforderungen, s. dazu bereits Zweiter Teil B. IV. 297 Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 171, s. a. S. 178. 298 Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 171 f., 348. 293

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

für die Ermittlung der Rücktrittsleistung maßgeblichen Zeitpunkts. Eine „Korrektur“ sei schon deshalb abzulehnen, weil fraglich bleibe, wie lange die zunächst bestehende Tätervorstellung andauern dürfe, „einen winzigen Augenblick oder ein paar Sekunden oder ein paar Minuten“.299 Zuverlässige Lösungen seien durch dieses Hin- und Herspringen nicht zu erreichen; vielmehr habe sich die Rechtsprechung des BGH inzwischen zu einer manipulierbaren Billigkeitsrechtsprechung und Gefühlsdogmatik entwickelt, die nicht mehr nachvollziehbare Ergebnisse liefere.300 So vermutet Puppe, dass der BGH im „GeschwisterFall“ der Auffassung gewesen sei, die „junge Rächerin ihrer Geschlechterehre“ verdiene das Rücktrittsprivileg, dem „jungen Messerstecher (im Fall BGH NStZ 1998, 614), der dem Bettler seine lästige Bitte um ein Almosen mit seinem Butterflymesser beantwortete“, habe er dieses dagegen nicht gewähren wollen.301 Außerdem stelle der Kernsatz der BGH-Begründung, dem Täter bleibe bei Nichtzulassung einer Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts jede Rücktrittsmöglichkeit versagt, eine „offene petitio principii“ dar: „Wenn die Voraussetzungen des § 24 I 1 1. Alt. StGB so zu interpretieren [seien], dass ,bei einem Sachverhalt, wie er hier vorliegt‘, dem Täter die Chance des Rücktritts durch Abstandnahme von weiterer Tatausführung erhalten bleib[e], erübrig[e] sich von vornherein jede weitere Diskussion.“302 b) Die Kritik an der „Rückverwandlung“ eines beendeten in einen unbeendeten Versuch Hauptsächlich richten sich die kritischen Stimmen indes gegen die Anerkennung einer „Rückverwandlung“ eines beendeten in einen unbeendeten Versuch, also gegen ein Abstellen auf die geänderte Vorstellung des Täters, wenn dieser zunächst die Vollendung aufgrund des bisher Getanen für möglich und ein Verhindern für erforderlich, dann aber die Vollendung für ausgeschlossen und die bloße Aufgabe für ausreichend hält.303 299 So Nolden, Rücktritt, S. 111 unter Verweis auf Herzberg, NJW 1988, 1559 (1562), der einwendet, dies sei nicht einmal ansatzweise geklärt, s. Herzberg, NJW 1988, 1559 (1563). Auch Scheinfeld, NStZ 2006, 375 (376), schließt wohl die Maßgeblichkeit eines späteren Zeitpunkts generell aus. 300 Vgl. Herzberg, NJW 1988, 1559 (1562 f.). S. ferner Puppe, JR 2000, 72 (74), die dies durch strengere Anforderungen an das Nichtfürmöglichhalten vermeiden will, s. bereits Zweiter Teil C. I. 2. b) cc), II. 2. c) bb). 301 Puppe, JR 2000, 72 (73); ähnlich Herzberg, NJW 1988, 1559 (1563); kritisch insoweit auch Otto, Jura 2001, 341 (345). 302 Ranft, JZ 1989, 1128 (1129) unter Bezugnahme auf BGHSt 36, 224. Nahe stehend Herzberg, NJW 1988, 1559 (1563), mit dem Vorwurf an die Lehre, sie mache nicht den Rücktritt von der Beendigung des Versuchs abhängig, sondern erkläre „den Versuch für beendet, wenn ihr nach dem Rechtsgefühl ein bloßes Unterlassen als Rücktritt nicht genüg[e]“.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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Ranft begründet seine Kritik damit, dass in der nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung gebildeten Tätervorstellung, alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan zu haben, eine Zäsur zu sehen sei. Jedes darauf folgende Weiterhandeln setze einen neuen Entschluss voraus, sei mithin mangels ununterbrochen fortbestehenden Tatbestandsvorsatzes nicht Teil einer sukzessiven Tatbestandsverwirklichung, sondern eine neue Tat. Nur diese, nicht aber die ursprüngliche Tat könne noch aufgegeben werden. Für die Annahme der Rechtsprechung, dass sich ein beendeter Versuch bei entsprechender Vorstellungsänderung in einen unbeendeten Versuch zurückverwandle, ermangele es jeglicher Begründung.304 Einer Rückverwandlung stehe jedenfalls der Rechtsgedanke des Rücktrittsprivilegs entgegen: Man könne nicht annehmen, dass „der Täter den rechtserschütternden Eindruck seines Verhaltens in der Rechtsgemeinschaft nachträglich“ durch die Nichtvornahme einer erneuten Attacke auf sein Opfer vermindert habe, auch wenn er die Vollendung nun nicht mehr für möglich halte; er müsse vielmehr die kritische Versuchssituation erneut durchstehen, um sein Ziel zu erreichen.305 Für die umgekehrte, von Ranft nicht angesprochene Fallgestaltung des erst späteren Fürmöglichhaltens der Vollendung lassen sich aus dieser Argumentation allerdings keine Schlüsse ziehen. Denn wenngleich die unmittelbar nach der Ausführungshandlung bestehende Vorstellung, zur Vollendung bedürfe es noch weiterer Handlungen, kaum als Zäsur angesehen werden kann, bleibt fraglich, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen in dem kurzzeitigen Untätigbleiben in der Vorstellung, dies sei die ausreichende Rücktrittsleistung, bereits ein Vollzug des Rücktritts liegt. Ebenso wie Ranft nimmt auch Herzberg an, dass derjenige, der im Verlauf seines Handelns irgendwann – und sei es auch nur für Sekundenbruchteile – geglaubt hat, das Geleistete könne zur Deliktsvollendung genügen, sich über die „Beendigungsschwelle“ begeben und „damit seinem Unrecht eine Qualität verschafft“ habe, die nur durch eine aktive Erfolgsverhinderung bzw. ein hierauf gerichtetes Bemühen wieder aufgewogen werden könne; das bloße Unterlassen sei dann als Zeichen der Umkehr zu schwach.306 Ob der Täter sofort oder nach einiger Zeit, „etwa nach genauerer Betrachtung des Opfers“, die Überzeugung gewinne, die Verletzung sei nicht lebensgefährlich, dürfe keine Rolle spielen.307 Denn mit seiner Beendigung erreiche der Versuch einen „Wendepunkt, 303 So vor allem Heuchemer, JA-R 2001, 18; Nolden, Rücktritt, S. 186; Ranft, JZ 1989, 1128; aber auch Herzberg, Blau-FS, S. 97 (119 f.); ders., NJW 1986, 2466 (2470 f.); ders., NJW 1988, 1559 (1562, 1565 f.). 304 Ranft, JZ 1989, 1128 (1129). 305 Ranft, JZ 1989, 1128 (1129); übereinstimmend Nolden, Rücktritt, S. 112. 306 Vgl. Herzberg, Blau-FS, S. 97 (119 f.); ders., NJW 1986, 2466 (2470 f.); ferner ders., NJW 1988, 1559 (1565). Einschränkend allerdings ders., NJW 1989, 862 (864 Fn. 8).

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jenseits dessen er zwar fehlgeschlagen oder seine Vollendung unaufhaltsam sein [könne], ein strafbefreiender Rücktritt aber, sofern noch möglich, unabdingbar aktive Anstrengung“ voraussetze.308 Der Täter dürfe das Erreichen des Beendigungsstadiums nicht selbst durch die Vorstellung hinausschieben können, „sein Urteil sei noch in der Schwebe, er müsse die Entwicklung abwarten.“309 Ferner laufe eine so einfache Verteidigung dem „Befriedungssinn der Strafe“ und dem „berechtigte[n] Sühneverlangen des Opfers“ entgegen.310 Mit einer ähnlichen Argumentation wendet sich Nolden gegen den vom BGH und der h. L. zugrunde gelegten Tatbegriff: Nach Sinn und Zweck ließen sich als eine Tat nur alle vorgezogenen und in einem engen räumlich-zeitlichen Zusammenhang stehenden Handlungsteile, „nicht aber die Verbindung zwischen realisierten und hypothetischen Teilakten“ verstehen.311 Daher liege bereits beim erstmaligen Fürmöglichhalten des Erfolges ein beendeter Versuch vor, von dem der Täter nur noch durch die Vornahme von Verhinderungshandlungen zurücktreten könne.312 Heuchemer zufolge wird durch die „extensiv rücktrittsfreundliche Handhabung“ der Rechtsprechung der „kriminalpolitische Zweckgedanke“ des Rücktritts konterkariert.313 Denn während der Opferschutzgedanke verlange, dass der Täter das Opfer „in einem entschlossenen Zugriff“ rette, werde nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen im Ergebnis der Täter begünstigt, „der – zugespitzt formuliert – in höflichem Interesse den Überlebenskampf seines blutenden Opfers aus gemessener Distanz verfolgt und gerade dann sogleich von der Verpflichtung zu Rettungsbemühungen (§ 24 I 1 2. Fallgr. StGB) entlastet wird, wenn die verbleibenden Lebensäußerungen des Opfers zu einem späteren Zeitpunkt das Ausbleiben des Todes als möglich iSd hier vom Senat entwickelten Formel erscheinen lassen.“314 Darüber hinaus beklagt Heuchemer für diese Konstellation einen „unüberbrückbaren Wertungswiderspruch zur Unterlassungsdogmatik“, weil dort anerkannt sei, dass „an der Grenze der Geeignetheit liegende Rettungsbemühungen“ keine Erfüllung der Rechtspflicht darstellten.315 Zur Erlangung von Straffreiheit nach § 24 StGB müsse der Täter „nicht nur 307 Herzberg, NJW 1986, 2466 (2468); ders., NJW 1988, 1559 (1562, 1565 f.). Anders aber wohl ders., NJW 1989, 862 (864 Fn. 8). 308 Herzberg, NJW 1986, 2466 (2470). 309 Herzberg, NJW 1986, 2466 (2469). 310 Herzberg, NJW 1986, 2466 (2471). 311 Nolden, Rücktritt, S. 111, s. ferner S. 96. 312 Nolden, Rücktritt, S. 112. 313 So Heuchemer, JA-R 2001, 18 (20). 314 Heuchemer, JA-R 2001, 18 (21). Hier verkennt Heuchemer allerdings die inhaltlichen Anforderungen an die Tätervorstellung: Die Tataufgabe genügt nur dann, wenn der Täter vom Ausbleiben des Erfolges überzeugt ist; „das Ausbleiben des Todes als möglich“ zu erachten, reicht nicht aus. S. Zweiter Teil C. I.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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den ,Weg des Verbrechens [verlassen]‘, sondern das schon zurückgelegte Stück Weg zurückgeh[en]“ und hinreichende Erfolgsvermeidungsbemühungen unternehmen.316 Wenngleich Heuchemer zur umgekehrten Fallgestaltung des erst späteren Fürmöglichhaltens der Vollendung nicht ausdrücklich Stellung nimmt, ist anzunehmen, dass er im Sinne eines effektiven Opferschutzes und aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit der Unterlassungsstrafbarkeit dort für eine Anpassung der Rücktrittsanforderungen an die geänderte Vorstellung eintreten wird. 4. Die differenzierende Ansicht Ottos Einen eigenständigen Lösungsansatz verfolgt Otto, der sich eingehend mit der Problematik der „Korrektur des Rücktrittshorizonts“ auseinandergesetzt hat.317 Im Mittelpunkt steht die für ihn grundlegende und notwendige Unterscheidung zwischen dem objektiv gefährlichen Versuch, bei dem der Erfolgseintritt möglich, und dem objektiv ungefährlichen Versuch, bei dem der Erfolgseintritt ausgeschlossen ist.318 Stehe objektiv fest, dass „die Versuchshandlung nicht zu einer Verletzung des Angriffsobjekts führen“ könne, entscheide „der räumlich-zeitliche Zusammenhang über die Möglichkeit der Korrektur des Rücktrittshorizonts und des straffreien Rücktritts.“319 Die bloß kurzfristige Fehlvorstellung führe nicht zu einem Verlust des Rücktrittsrechts; dagegen sei eine Vorstellungsänderung bedeutungslos, wenn sie erst nach einer zeitlich-örtlichen Zäsur erfolge, weil der Versuch „als Tat zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen“ sei.320 Maßgeblich sei dabei nicht, „ob die verwirklichten Einzelakte und die anschließende Ausführungshandlung wirklich eine natürliche Handlungseinheit im Sinne der Konkurrenzlehre gebildet hätten“, sondern „ob der Täter in der konkreten Handlungssituation und in unmittelbarem räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit der letzten Ausführungshandlung auf die ihm möglich erscheinende Erfolgsverwirklichung“ verzichte.321 315 Heuchemer, JA-R 2001, 18 (21). Entgegen Heuchemer, JA-R 2001, 18 (21 Fn. 10) scheitert eine Unterlassungsstrafbarkeit des Täters jedoch bereits am fehlenden Tötungsvorsatz zu diesem Zeitpunkt. 316 Vgl. Heuchemer, JA-R 2001, 18 (22). 317 Otto, Jura 2001, 341; ders., Grundkurs, § 19 Rn. 56 ff.; vgl. ferner ders., JK 99, StGB § 24/26; ders., JK 00, StGB § 24/29. 318 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 62 ff., 66 unter Verweis auf Jäger, Rücktritt, S. 65 ff.; dens., NStZ 1999, 608, u. Heckler, Ermittlung, S. 124 f., 184 ff. 319 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 63. 320 Otto, Jura 2001, 341 (345 f.). 321 Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 60.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Als Beispiel führt Otto den Fall an, dass der Täter dem Opfer in Tötungsabsicht habe Gift geben wollen, versehentlich aber zu Puderzucker gegriffen hat. Nehme er nun zunächst an, die Giftmenge reiche noch nicht, komme er aber unmittelbar darauf zu der Überzeugung, die Menge sei doch lebensgefährlich, entscheide die letztere Vorstellung, sei der Versuch also beendet und die Erlangung von Straffreiheit nur durch ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB möglich. Gehe er demgegenüber zunächst davon aus, dem Opfer eine tödliche Menge verabreicht zu haben, sei er unmittelbar darauf jedoch vom Nichtausreichen der Menge überzeugt, liege – entsprechend seiner späteren Vorstellung – ein unbeendeter Versuch vor, von dem er durch Absehen von weiteren Giftbeigaben gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB zurücktreten könne.322 Wenn bei objektiver Beurteilung „die Versuchshandlung zu einer Verletzung des Angriffsobjekts führen kann“, will Otto dagegen eine unbegrenzte Korrektur zulassen.323 Gehe der Täter zunächst von einem unbeendeten Versuch aus und erkenne er später die Erfolgsgefahr, so könne er – „unabhängig von dem inzwischen verstrichenen Zeitraum und unabhängig von irgendwelchen Einschätzungen der Versuchssituation“ – durch freiwilliges Verhindern des Erfolgseintritts Straffreiheit erlangen.324 Bei Eintritt des Erfolges hafte er aber aus dem vollendeten Delikt, ohne dass es auf seine Vorstellung ankomme.325 Diese Unterscheidung rechtfertigt Otto durch einen Verweis auf den Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB, mit dem im Fall einer objektiv gefährlichen Versuchshandlung eine Bindung der Rücktrittsmöglichkeit daran, dass die Korrektur im zeitlich-räumlichen Zusammenhang mit seiner ursprünglichen Einschätzung stehe, nicht zu vereinbaren sei. Denn indem vom Täter das Verhindern des Erfolgseintritts, nicht aber die „Vornahme unverzüglicher oder sofortiger Rücktrittshandlungen“ verlangt würde, sei es diesem „nicht verwehrt, über den Rücktritt nachzudenken oder einen einmal gefassten Entschluss rückgängig zu machen“.326 Der Täter trage zwar das Erfolgsrisiko seiner Rücktrittshandlung; gerade deshalb dürften aber in einer Versuchssituation, die durchaus noch zum Erfolg führen könne, „seine Möglichkeiten, das Risiko abzuwenden, nicht 322 So Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 63, der zugleich darauf hinweist, dass der Versuch im letzten Fall aber fehlgeschlagen und somit rücktrittsunfähig sei, wenn der Täter in der Situation, in der er vom Nichtbestehen einer Gefahr ausgeht, über kein anderes Tatmittel verfüge. 323 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 64. 324 Otto, Jura 2001, 341 (345); vgl. auch ders., Grundkurs, § 19 Rn. 65; ders., JK 00, StGB § 24/29; zustimmend NK-Zaczyk, § 24 Rn. 42, der auch auf den Opferschutzgedanken verweist. 325 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 65. S. dazu ausf. Dritter Teil B. 326 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 62.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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durch etwaige irrige Vorstellungen vernichtet werden.“327 Was im Vollendungsfall als einheitliche Tat zu behandeln sei, sei auch als einheitliche Versuchstat anzusehen.328 Rücktrittshorizont bei einer objektiv gefährlichen Versuchshandlung sei demzufolge „der gesamte Zeitraum zwischen der Gefahrbegründung und der Gefahrrealisierung“.329 Im Fall des untauglichen Versuchs, der nicht zum Erfolg führen könne, lägen dagegen „die die Strafe konstituierenden Elemente wesentlich im subjektiven Bereich“, weshalb der Versuch mit der Entscheidung des Täters, nichts weiter zu unternehmen, abgeschlossen sei. Für eine Korrektur des Rücktrittshorizonts sei nach einer räumlich-zeitlichen Zäsur deshalb kein Platz mehr.330 Für die Zulassung einer Korrektur des Rücktrittshorizonts im Fall des späteren Fürmöglichhaltens führt Otto zudem das Versagen der vom zweiten Strafsenat angedeuteten Alternativlösung an, den erst nach dem strafbefreienden Rücktritt die tödliche Verletzung erkennenden oder vermutenden Täter „wegen Unterlassens nach vorangegangenem gefährlichen Tun zu bestrafen“.331 Denn eine Unterlassensstrafbarkeit müsse dann entfallen, wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine Erfolgsabwendung nicht mehr möglich sei.332 In seinen Ausführungen beschränkt sich Otto allerdings auf Fallgestaltungen der tatsächlichen Berichtigung der Tätervorstellung. Offen bleibt, ob und unter welchen Voraussetzungen er auf die spätere Tätervorstellung abstellen will, wenn der zunächst zutreffend vom Bestehen einer Erfolgsgefahr ausgehende Täter später den Eintritt des Erfolges irrig nicht mehr für möglich hält. Zudem nimmt Otto an, dass beim Bestehen einer objektiven Erfolgsgefahr der Erfolg ohne Verhinderungsbemühungen des Täters stets eintritt. Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn die Vollendung ausbleibt, etwa weil ein Dritter eingreift, findet keine Berücksichtigung.

IV. Kritische Würdigung der vorgebrachten Argumente und Entwurf eines eigenen Lösungsansatzes Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Frage nach der Auswirkung einer nachträglichen Änderung der Tätervorstellung auf die erforderliche Rücktrittsleistung eine vielschichtige Problematik zugrunde liegt, die sich nur in mehreren Schritten auflösen lässt. 327

Otto, Jura 2001, 341 (345); vgl. ferner ders., Grundkurs, § 19 Rn. 62. Otto, JK 99, StGB § 24/26. 329 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 62. 330 Otto, JK 00, StGB § 24/29; ders., Jura 2001, 341 (345). 331 Otto, JK 00, StGB § 24/29 unter Verweis auf BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15. 332 Otto, JK 00, StGB § 24/29. 328

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1. Möglichkeit der Maßgeblichkeit einer geänderten Tätervorstellung Teilweise wird die Maßgeblichkeit der geänderten Vorstellung bereits damit bestritten, dass dahinter die Zurückverwandlung eines beendeten oder unbeendeten Versuchs in den jeweils anderen vermutet wird, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gebe.333 Andere gehen in ähnlicher Weise von einer Fiktion aus, nach der ein an sich beendeter Versuch als unbeendet bzw. ein an sich unbeendeter als beendet angesehen wird.334 Hieraus ergibt sich bereits Klärungsbedarf bezüglich der grundsätzlichen logischen Möglichkeit einer Veränderung des die Rücktrittsleistung bestimmenden Rücktrittshorizonts. In der Tat müsste man einer Zurückverwandlung des Versuchs bzw. einer Fiktion des Versuchsstadiums im Ausgangspunkt kritisch gegenüberstehen und zumindest eine Begründung für deren Zulässigkeit verlangen. Jedoch liegt einer solchen Beurteilung der Zulassung einer Vorstellungskorrektur ein verfehltes und den Blick auf die zugrunde liegende Problematik verstellendes Festklammern an vom Gesetz nicht gekannten Begrifflichkeiten zugrunde: Verkannt wird, dass es weder den „unbeendeten“ noch den „beendeten“ Versuch als solchen gibt, sondern diese Bezeichnungen lediglich abkürzende und unselbständige Hilfsbegriffe für die sich hinter den beiden Rücktrittsformen des „Aufgebens“ und des „Verhinderns“ verbergenden Voraussetzungen darstellen, die das jeweils erforderliche passive oder aktive Rücktrittsverhalten regulieren.335 Mit der Bezeichnung der Vorstellungsänderung als Verwandlung oder Fiktion lässt sich daher allenfalls – in einer die rechtliche Folge der unterschiedlichen Tätervorstellungen herausstellenden Weise – verdeutlichen, dass ein Gefahrenurteil zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich ausfallen kann, mithin die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung stets in Bezug zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen muss.336 Weder ist damit etwas über die zugrunde liegende dogmatische Konstruktion gesagt noch ein Argument gegen die Zulässigkeit der Maßgeblichkeit der späteren Tätervorstellung gefunden. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Wortlaut der Rücktrittsregelung Anhaltspunkte für die endgültige Unanwendbarkeit der einen Rücktrittsalternative, sobald die Bewusstseinslage des Täters wenigstens kurzzeitig den Kriterien der jeweils anderen Alternative entspricht.337 Einer Veränderung oder Verschiebung

333 So etwa Herzberg, NJW 1989, 862 (864 Fn. 8); ders., NJW 1986, 2466 (2469); Ranft, JZ 1989, 1128 (1129); vgl. Hirschmann, Jura 2001, 711 (712). 334 Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 21; vgl. auch Lettl, JuS 1998, L 81 (L 82). 335 Dazu bereits ausf. Zweiter Teil A. 336 Ebenso Gropp, Gössel-FS, S. 175 (185), der von der Dynamik der Vorstellung spricht; vgl. auch Otparlik, Versuch, S. 98. 337 Insoweit zutreffend Herzberg, NJW 1986, 2466 (2470 f.).

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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des die Rücktrittsleistung bestimmenden Rücktrittshorizonts stehen daher keine grundsätzlichen Bedenken entgegen. 2. Zulässige und taugliche Differenzierungskriterien Die Unsicherheit darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nach Abschluss der Tatausführung veränderte Tätervorstellung im Rahmen des Rücktritts Bedeutung erlangen kann, beruht zu einem großen Teil auf der vorhandenen Unklarheit über die zwischen den einzelnen Fallgestaltungen bestehenden Unterschiede sowie darüber, welche Bedeutung diesen Unterschieden zukommt. So verweist etwa der BGH zur Begründung seiner Entscheidung aus dem Jahr 1998 zur Vorstellungsänderung vom Nichtfürmöglichhalten zum Fürmöglichhalten der Vollendung, wie gesehen, schlicht auf seine Ausführungen zur umgekehrten Konstellation, obgleich sich dort – wie der BGH in einer vorangegangenen Entscheidung auch erkannt hatte – anders gelagerte Fragestellungen ergeben.338 Auch in der Literatur wird häufig eine Vorstellungskorrektur pauschal und ohne Ansehung etwa bestehender Abweichungen zwischen den Fallgestaltungen zugelassen oder abgelehnt; ferner werden Beschränkungen in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht nicht selten unkritisch von der einen auf die andere Konstellation übertragen.339 Als unentbehrliche Grundlage jeder weiteren Untersuchung gilt es deshalb zunächst herauszuarbeiten, welche der bereits eingangs dieses Abschnitts aufgezeigten, zwischen den einzelnen Fallgestaltungen bestehenden Unterscheidungsmerkmale340 überhaupt eine andere rücktrittsrechtliche Bewertung rechtfertigen können. Dies setzt voraus, dass sich – abhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des jeweiligen Merkmals – voneinander abweichende Fragestellungen ergeben, die mit Blick auf die Zeitpunktfrage unterschiedliche Antworten zulassen oder gar erfordern. a) Das Kriterium der „Richtung“ der Vorstellungsänderung Evident scheint es, bei der rechtlichen Bewertung der „Richtung“ der Vorstellungsänderung Bedeutung zuzumessen, also danach zu unterscheiden, ob die Bewusstseinslage des Täters zunächst den Kriterien des beendeten und dann denen des unbeendeten Versuchs entsprochen hat oder umgekehrt zuerst die Voraussetzungen des unbeendeten und sodann die des beendeten Versuchs erfüllt waren. 338 s. BGH, NStZ 1998, 614 (615) sowie BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15; dazu bereits Vierter Teil C. II. 4. 339 Vgl. dazu Vierter Teil C. III. 1. 340 s. Vierter Teil C. I.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Vor allem nach Auffassung der Rechtsprechung soll allerdings dieses Kriterium gerade keine unterschiedliche rücktrittsrechtliche Bewertung tragen können. Auf beide Fallgestaltungen wird ausdrücklich derselbe Maßstab angewandt und auch eine gesonderte, gegebenenfalls abweichende Begründung nicht für erforderlich befunden: Was für den Fall der Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten gelte, habe „umgekehrt auch dann zu gelten“, wenn der Täter zwar zunächst den Erfolg nicht, unmittelbar darauf aber doch für möglich hält.341 In der Literatur differenziert jedoch namentlich Rudolphi nach der „Richtung“ der Vorstellungsänderung, indem er eine Verschärfung der Rücktrittsanforderungen im Fall des erst späteren Fürmöglichhaltens ablehnt.342 Auch nach Otto entfaltet – jedenfalls im Ergebnis – die „Richtung“ der Vorstellungsänderung maßgebliche Bedeutung. Wenngleich er seine Unterscheidung grundsätzlich am Kriterium der objektiven Gefährdung festmacht,343 führt dies – infolge des Umstandes, dass Otto lediglich Fälle der tatsächlichen Vorstellungsberichtigung in seine Überlegungen mit einbezieht – letztlich zu einer von der „Veränderungsrichtung“ abhängigen Andersbehandlung: Den von Otto angeführten Fallgestaltungen des Bestehens einer objektiven Gefährdung liegt stets eine Änderung vom unbeendeten zum beendeten, denen des Fehlens einer objektiven Gefahr eine Änderung vom beendeten zum unbeendeten Versuch zugrunde. Bei näherer Untersuchung erweist sich das Kriterium der „Richtung“ der Vorstellungsänderung als Kriterium, das eine unterschiedliche rechtliche Bewertung rechtfertigen kann. Dies gründet indes nicht darauf, dass sich die Vorstellungsänderung im einen Fall für den Täter positiv, im anderen Fall negativ auswirkt, sondern vielmehr auf den abweichenden sich ergebenden bzw. in den Vordergrund rückenden Fragestellungen, die unter Umständen eine andere rechtliche Wertung, sicherlich aber eine andere Begründung erforderlich machen: So stellt sich etwa bei einem zwischenzeitlichen Fürmöglichhalten der Vollendung durch den Täter die Frage, ob dieses eine Zäsur in dem Sinne darstellt, dass es einen späteren Rücktritt durch bloße Aufgabe endgültig unmöglich macht.344 Im umgekehrten Fall, in welchem der Täter die Vollendung zunächst gedanklich ausgeschlossen hat, ist dagegen fraglich, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen er durch sein Abbrechen der Tatausführung in der – kurzzeitigen – Vorstellung, dies genüge, den Rücktritt bereits vollzogen hat und es schon deshalb keiner Anpassung der Rücktrittsleistung bedarf. Gleich gelagert sind beide Situa341

Vgl. nur BGH, NStZ 1998, 614 (615). Dazu bereits ausf. Vierter Teil C. II. 4. SK-Rudolphi, § 24 Rn. 15a. Vgl. ferner Ranft, JZ 1989, 1128 (1129), der zur umgekehrten Konstellation jedoch nicht Stellung nimmt sowie die anderen, unter Vierter Teil C. III. 3. b) aufgeführten Autoren. 343 Dazu unter Vierter Teil C. III. 4. sowie sogleich, Vierter Teil C. IV. 1. d). 344 Ähnlich bereits BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15; s. hierzu schon Vierter Teil C. II. 2. 342

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tionen entgegen dem BGH lediglich insoweit, als der Täter im Fall des Erfolgseintritts beides Mal wegen vollendeter Tat haften würde.345 Jene Gleichbehandlung im Vollendungsfall lässt jedoch keine Schlussfolgerungen auf eine Gleichbehandlung in rücktrittsrechtlicher Hinsicht zu. b) Die Unterscheidung zwischen wirklicher und scheinbarer „Korrektur“ Entschieden entgegenzutreten ist dagegen dem Versuch, bei der Festlegung der maßgeblichen Rücktrittsleistung danach zu unterscheiden, ob es sich bei der Vorstellungsänderung – gemessen an der objektiven Lage – um eine tatsächliche oder nur eine scheinbare „Korrektur“ handelt, also etwa die Rücktrittsleistung nur dann anhand der späteren Tätervorstellung zu bestimmen, wenn diese sich gegenüber der ursprünglichen Vorstellung als Berichtigung erweist.346 Eine derartige Differenzierung widerspricht dem im Zweiten Teil dieser Arbeit ermittelten Ausgangspunkt, wonach die erforderliche Rücktrittsleistung unabhängig von der objektiven Gefährdungslage ausschließlich nach der Vorstellung des Täters von der Gefährdung – entweder im früheren oder eben im späteren Zeitpunkt – zu bestimmen ist:347 Die Situation der Fehlvorstellung und die Situation der zutreffenden Tätervorstellung sind deshalb stets gleich zu behandeln; daran, ob es sich bei der ursprünglich und unmittelbar nach Abbruch der Tatausführung gebildeten Tätervorstellung um eine Fehlvorstellung des Täters handelt oder bei der erst danach gefassten, dürfen keine unterschiedlichen rechtlichen Folgen geknüpft werden.348 c) Die Unterscheidung nach dem Rücktrittsbeginn Verwundern muss indes, dass ein anderes Kriterium in Rechtsprechung und Literatur bislang kaum Beachtung findet, nämlich der Umstand, ob der Täter im Moment seiner Vorstellungsänderung bereits mit seinem Rücktrittsverhalten begonnen hat oder nicht.349 Denn dass die Tatsache des Rücktrittsbeginns von Belang sein muss und gegebenenfalls eine abweichende Festlegung des für die Bestimmung der erforderlichen Rücktrittsleistung maßgeblichen Zeitpunkts rechtfertigen kann, ist unschwer zu erkennen, da ihr Vorliegen eine Veränderung der Fragestellung bedingt: So ergeben sich bei einem zunächst unent345

Dazu ausf. Dritter Teil A. u. B. s. dazu Vierter Teil C. III. 1. a) aa). 347 s. Zweiter Teil B. VI. 348 Übereinstimmend Puppe, JR 2000, 72 (73); vgl. auch Schmidhäuser, Lehrbuch, 15/88. 349 Ausdrückliche Berücksichtigung findet dieser Aspekt lediglich bei Otto, JK 00, StGB § 24/29; ders., Jura 2001, 341 (345). 346

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schlossenen Täter, der noch kein Rücktrittsverhalten an den Tag gelegt hat, bereits die Zweifel an der Möglichkeit eines derart „verspäteten“ Rücktritts. Sie besteht nur dann, wenn der Täter nicht sogleich nach dem Ende seiner Tathandlung zum Rücktritt übergehen muss, sondern in Bezug auf die Erbringung seiner Rücktrittsleistung eine Überlegungszeit in Anspruch nehmen darf; erst unter dieser Voraussetzung stellt sich die Frage nach der Beachtlichkeit der veränderten Tätervorstellung überhaupt. Hat der Täter hingegen bereits – seiner zunächst gebildeten Vorstellung entsprechend – mit dem Rücktritt begonnen, wurde zwangsläufig bereits in jenem Zeitpunkt die zur Erlangung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung erstmals festgelegt. Ändert er nachfolgend seine Vorstellung, ist deshalb zu entscheiden, ob er seine begonnene, der Vorstellung im Zeitpunkt unmittelbar nach der Tathandlung entsprechende Rücktrittsleistung der veränderten Vorstellung anpassen muss bzw. darf oder ob diese mit dem Beginn des Rücktrittsverhaltens unwiderruflich festgelegt ist. d) Die Unterscheidung nach der objektiven Gefährdungslage Als untauglich abzulehnen ist das von Otto350 eingeführte Differenzierungskriterium der objektiven Gefährlichkeit des Versuchs. Folgt man dem Ausgangspunkt, dass über die zu erbringende Rücktrittsleistung allein die Vorstellung des Täters entscheidet, ist damit in Bezug auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt nicht nur festgelegt, dass die tatsächliche und die scheinbare Vorstellungskorrektur gleich zu behandeln sind, sondern umfassender entschieden, dass der objektiven Gefährdungslage keine unmittelbare Bedeutung für die zu erbringende Rücktrittsleistung zukommen kann. e) Zwischenergebnis zu den Differenzierungskriterien Als taugliche, möglicherweise eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung in Bezug auf den für die Rücktrittsleistung maßgeblichen Zeitpunkt tragende Differenzierungskriterien haben sich die „Richtung“ der Vorstellungsänderung und die Frage des Rücktrittsbeginns erwiesen. Angesichts der alleinigen Maßgeblichkeit der Tätervorstellung sind dagegen die Konstellationen tatsächlicher und scheinbarer sowie bestehender und fehlender objektiver Opfergefährdung notwendig gleich zu behandeln. Hieraus ergibt sich die weitere Vorgehensweise: Untersucht werden zunächst und nach der „Richtung“ der Vorstellungsänderung unterteilt jene Fallgestaltun-

350 Otto, Jura 2001, 341 (345); ders., Grundkurs, § 19 Rn. 62. Aufgrund der Beschränkung auf Fälle der tatsächlichen Vorstellungsberichtigung verläuft diese Unterscheidung jedoch, wie gesehen, parallel zur Differenzierung nach der „Richtung“ der Vorstellungsänderung, vgl. bereits Vierter Teil C. IV. 2. a).

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gen, in denen der Täter noch nicht mit seiner Rücktrittsleistung begonnen hat (sog. verspäteter Rücktrittsbeginn). Danach folgt – wiederum getrennt nach der „Änderungsrichtung“ – eine Betrachtung der Konstellationen, in denen sich der Täter bereits „im Rücktritt“ befindet (sog. sofortiger Rücktrittsbeginn). 3. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung bei „verspätetem“ Rücktrittsbeginn Hat der Täter im Moment der Vorstellungsänderung noch nicht mit seinem Rücktrittsverhalten begonnen, so ist, bevor die das erforderliche Rücktrittsverhalten bestimmende Tätervorstellung ermittelt werden kann, zu entscheiden, ob ein Rücktritt überhaupt noch möglich ist. Dazu müsste dem Täter nach Abschluss bzw. Abbruch seiner Tathandlung mit Blick auf die Erbringung der Rücktrittsleistung eine Überlegungszeit zustehen. Ist von ihm für die Erlangung von Strafbefreiung hingegen ein sofortiger Übergang zum Rücktritt zu verlangen, wäre die zu erbringende Rücktrittsleistung notwendig unmittelbar nach Abschluss bzw. Abbruch seiner Ausführungshandlung erstmalig festzulegen und zu beginnen; demjenigen, der sich erst verspätet zur Abstandnahme von der Tat entschließt, bliebe ein strafbefreiender Rücktritt verwehrt.351 Abhängig von der „Richtung“ der Vorstellungsänderung spielen für die Fragen des Bestehens einer Überlegenszeit und des letztlich maßgeblichen Abgrenzungszeitpunkts unterschiedliche Erwägungen eine Rolle, sodass eine getrennte Betrachtung sinnvoll erscheint. a) Die Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung In der zuerst und insgesamt am häufigsten vom BGH entschiedenen Fallgestaltung, in der die Bewusstseinslage des Täters zunächst den Kriterien des beendeten, dann denen des unbeendeten Versuchs entspricht, ergibt sich mit Blick auf die Überlegungszeit die Problematik, ob die – mit der zunächst gebildeten Vorstellung übereinstimmende – Rücktrittsleistung des Verhinderns i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sofort begonnen werden muss. Nur wenn dies nicht der Fall ist, der Täter sich mithin, ohne an sein bisheriges Verhalten gebunden zu sein, auch noch später für einen Rücktritt entscheiden kann, wird sodann festzulegen sein, ob und in welchen Grenzen seine geänderte Tätervorstellung die letztlich zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmt, d.h. das Aufgeben der weiteren Tatausführung trotz einer bestehenden Weiterhandlungsmöglichkeit zur Erlangung von Straffreiheit ausreicht. 351 Vgl. insofern die Überlegungen bei Otto, JK 00, StGB § 24/29; vgl. ferner ders., Jura 2001, 341 (344).

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aa) Das Bestehen einer Überlegungszeit im Fall der Vollendungsverhinderung Auf die Frage, ob ein die Vollendung unmittelbar nach seiner Ausführungshandlung für möglich haltender Täter sofort zur Verhinderungshandlung übergehen muss, um Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB zu erlangen, ist man spontan geneigt, mit „Ja“ zu antworten. Denn auf den ersten Blick erscheint es kaum einsichtig, dass etwa der Täter, der seinem Opfer mit Tötungsvorsatz mehrere Messerstiche versetzt hat und in der Vorstellung, dieses werde an der erlittenen Verletzung sterben, zunächst untätig bleibt, bevor er schließlich doch irgendwann einen Krankenwagen ruft,352 sich als minder gefährlich erwiesen oder ausreichend verdienstlich gehandelt haben soll, um nicht wegen versuchten Totschlags bestraft zu werden. Die Subsumtion dieses Sachverhalts unter das Gesetz führt indessen zu einer anderen Beurteilung. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB verlangt vom Täter das Verhindern der Vollendung, d.h. ein aktives und erfolgreiches Eingreifen in den in Gang gesetzten Kausalverlauf, durch das der Eintritt der Vollendung vereitelt wird.353 Bereits dem Wortsinn des Gesetzes zufolge ist damit nicht die Vornahme unverzüglicher Rücktrittshandlungen und auch kein „entschlossene[r] Zugriff“ des Täters gefordert,354 sondern genügt es, wenn der Täter erst mit zeitlichem Abstand zur letzten Ausführungshandlung und entgegen seinem unmittelbar nach Ende der Tathandlung gefassten Entschluss tätig wird und eine letztlich (mit-)ursächliche Verhinderungshandlung vornimmt.355 Dies entspricht auch dem der Rücktrittsvorschrift zugrunde liegenden Bedeutungszusammenhang, wonach bei § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB gerade im Gegensatz zu der Anforderung des „ernsthaften Bemühens“ um Vollendungsverhinderung bei fehlender kausaler Verhinderung (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB) allein die erfolgreiche Vollendungsverhinderung zählt. Auch einer zeitlichen Begrenzung des Überlegungszeitraums bedarf es nicht; solange nur das Verhindern gelingt, ist es dem Täter nach der gesetzlichen Regelung nicht verwehrt, über seine Rücktrittsentscheidung nachzudenken und diese gegebenenfalls zu revidieren.356

352 So lag der Fall z. B. in BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, beendeter 1; s. a. BGH, StV 1994, 305, wo sich das Verhalten des Täters gar darin erschöpft, ein Hilfeholen durch andere zuzulassen. 353 Für die insoweit übereinstimmende allgemeine Meinung s. Lackner/Kühl, § 24 Rn. 19 ff.; Roxin, AT II, § 30 Rn. 211 ff. 354 So aber Heuchemer, JA-R 2001, 18 (21); vgl. bereits Vierter Teil C. III. 3. b). 355 Vgl. dazu z. B. SK-Rudolphi, § 24 Rn. 27 c. Ebenso die Rspr., s. Vierter Teil C. II. 1. 356 Übereinstimmend Otto, Jura 2001, 341 (345); vgl. ferner NK-Zaczyk, § 24 Rn. 42, 62.

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Hält der Täter nach Abschluss bzw. Abbruch seiner Tathandlung die Vollendung für möglich, steht ihm die Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB mithin auch dann noch offen, wenn er nicht sogleich mit der Vornahme von Verhinderungshandlungen beginnt. Er ist an seine einmal getroffene Rücktrittsentscheidung nicht gebunden, sondern kann die Rücktrittsleistung auch mit zeitlicher Verzögerung erbringen. bb) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung Mit der Feststellung, dass der Täter die nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB erforderliche Rückrittsleistung auch noch später erbringen kann, ist jedoch nicht gesagt, ob sich die inhaltlichen Anforderungen an die zu erbringende Rücktrittsleistung im Fall einer Vorstellungsänderung – ungeachtet des fehlenden Rücktrittsbeginns – aus seiner Vorstellung im Augenblick des Abschlusses bzw. Abbruches der Tathandlung oder im späteren Zeitpunkt des tatsächlichen Rücktrittsbeginns ergeben. Ersterenfalls müsste der Täter aufgrund des anfänglichen Fürmöglichhaltens der Vollendung eine Verhinderungshandlung vornehmen, könnte er also durch die Inanspruchnahme der Überlegungszeit die einmal festgelegte Rücktrittsleistung lediglich wahlweise später erbringen. Bestimmte man hingegen die Rücktrittsleistung erst im späteren Zeitpunkt des Rücktrittsbeginns, käme seiner Vorstellungsänderung hin zum gedanklichen Ausschluss der Vollendungsmöglichkeit die für ihn vorteilhafte Wirkung zu, dass letztlich das Aufgeben der weiteren Tatausführung trotz bestehender Weiterhandlungsmöglichkeit zur Erlangung von Strafbefreiung genügte. (1) Fehlende Übertragbarkeit der für das Bestehen einer Überlegungszeit sprechenden Gründe Von der Maßgeblichkeit der geänderten Tätervorstellung wäre jedenfalls dann auszugehen, wenn sich die überzeugend für das Bestehen eines Überlegungszeitraums sprechenden Argumente auf die Zeitpunktproblematik übertragen ließen. Dies scheint Gropp anzunehmen, der konstatiert, aus „der Flexibilität des Entscheidungszeitpunkts [. . .] folg[e], dass sich der Rücktrittshorizont des Täters bei fortbestehender Tatsituation, d.h. solange eine zeitliche Zäsur noch nicht vorlieg[e], auch wieder verändern“ könne.357 Jedoch kann das entscheidend für eine flexible Entscheidung des Täters mit Blick auf das „Ob“ des Tätigwerdens sprechende Wortlautargument, es sei allein die im Ergebnis erfolgreiche Verhinderungshandlung maßgeblich, nicht für eine spätere Festlegung der maßgeblichen Rücktrittsleistung herangezogen wer357

Gropp, § 9 Rn. 60a; ders., Gössel-FS, S. 175 (185).

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den. Aus den geringen inhaltlichen Anforderungen an die erfolgsbezogene Rücktrittsleistung des Verhinderns lässt sich nämlich nicht ableiten, dass auch ein der späteren Vorstellung entsprechendes, im Ergebnis erfolgreiches Aufgeben der weiteren Tatausführung als Rücktrittsleistung ausreicht. (2) Die mögliche Qualifikation des Verhaltens als „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ Ausschlaggebend ist vielmehr, ob sich das der späteren Tätervorstellung entsprechende Nichtweiterhandeln des Täters trotz bestehender Weiterhandlungsmöglichkeit als „Aufgeben“ im Sinne der Rücktrittsvorschrift darstellt. Dies wäre dann nicht der Fall, mithin eine Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung anhand der geänderten Tätervorstellung unzulässig, wenn zu diesem Zeitpunkt und infolge des anfänglichen Fürmöglichhaltens ein „Aufgeben“ der weiteren Tatausführung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gar nicht mehr möglich wäre. Dahingehend argumentieren Ranft und Herzberg, wenn sie die Vorstellung, alles für den Erfolgseintritt Erforderliche getan zu haben, zum Wendepunkt erklären, nach dessen Erreichen dem Unrecht eine neue Qualität zukommen und jedes Weiterhandeln eine von einem neuen Tatentschluss getragene neue Tat darstellen soll.358 Die bloße Untätigkeit des Täters wäre dann in der vorliegenden Konstellation kein Aufgeben der ursprünglichen Tat mehr, sondern lediglich ein Abstehen von einer weiteren Tat. Die Wertung des – vorübergehenden – Fürmöglichhaltens als unumkehrbare Zäsur wird jedoch von der Rücktrittsregelung nicht getragen. Die zwischenzeitliche Vorstellung, die Vollendung sei bereits nach dem bisher Getanen möglich, verändert die rechtliche Qualität des Versuchs nicht in derart gravierender Weise, sondern führt lediglich dazu, dass in eben diesem Moment ein Verhindern der Vollendung zur Erlangung von Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 StGB erforderlich ist.359 Dabei spricht nichts dagegen, dass sich diese Vorstellung auch wieder verändern, der Täter in der Folgezeit das bloße Nichtweiterhandeln als ausreichend und damit taugliche Rücktrittsleistung ansehen kann. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Wortsinn des Erfordernisses der „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ Anhaltspunkte dafür, dass eine solche nach einem zwischenzeitlichen Für-Erforderlichhalten aktiver Verhinderungshandlungen nicht mehr möglich sei. Erforderlich für ein „Aufgeben der weiteren Ausführung“ ist, neben der Vorstellung, diese genüge zur Vermeidung der Vollendung, allerdings – als logisch gegenüber der Festlegung der erforderlichen 358 Ranft, JZ 1989, 1128 (1129); s. a. Herzberg, Blau-FS, S. 97 (119 f.); ähnlich auch Nolden, Rücktritt, S. 111. S. dazu bereits Vierter Teil C. III. 3. b). 359 Zur Begründung der Ausrichtung der erforderlichen Rücktrittsleistung an der Tätervorstellung vgl. ausf. Zweiter Teil B. VI.

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Rücktrittsleistung vorrangiger Schritt – das Fortbestehen der Tatsituation: Dem Täter muss sich eine Fortsetzungsmöglichkeit bieten, auf deren Wahrnehmung er gerade durch sein Nichtweiterhandeln verzichtet.360 Auch der hierfür erforderliche Zusammenhang wird jedoch allein durch das vorübergehende Fürmöglichhalten der Vollendung nicht unterbrochen. Für eine zeitliche Reihenfolge der Versuchsstadien finden sich im Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB somit keine Anhaltspunkte. Andererseits lässt sich aber die Maßgeblichkeit der geänderten Tätervorstellung auch nicht mit der Feststellung begründen, dass andernfalls dem Täter jede Rücktrittsmöglichkeit versagt bliebe.361 Dass ein Täter in der geänderten Vorstellung, ein Verhindern sei doch nicht erforderlich, keine sinnvollen Verhinderungsmaßnahmen mehr ergreifen kann und es ihm auch an der subjektiven Grundlage für ein Verhinderungsbemühen fehlt, trifft zwar zu, macht jedoch das Aufgeben der weiteren Ausführung nicht zwangsläufig zu einem für die Erlangung von Straffreiheit ausreichenden Verhalten. Ob der die Vollendung nunmehr ausschließende Täter noch Strafbefreiung erlangen kann oder ob er sich in einer rücktrittsrechtlichen Sackgasse befindet, lässt sich daher nur unter Heranziehung von Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB ermitteln. (3) Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm Konkret gilt es dabei zu untersuchen, ob es im Fall der Vorstellungsänderung vom ursprünglichen Fürmöglichhalten zum späteren gedanklichen Ausschluss der Vollendung dem hinter der Rücktrittsvorschrift stehenden Rechtsgedanken entspricht, dem Täter bereits bei bloßem Nichtweiterhandeln trotz bestehender Fortsetzungsmöglichkeit oder nur im Fall von Verhinderungsbemühungen Strafbefreiung zu gewähren. (a) Der Gedanke der Anreizschaffung und des Opferschutzes Stellt man auf den Aspekt der Anreizschaffung und des Opferschutzes ab, erscheint es, im Hinblick darauf, dass dem die Vollendung unmittelbar nach der Tathandlung für möglich haltenden Täter eine Überlegungszeit in Bezug auf die Entscheidung für einen Rücktritt zugestanden wird, angebracht, die erforderliche Rücktrittsleistung in dem Moment festzulegen, in dem dieser sich – gegebenenfalls eben nach Ausschöpfung seiner Überlegungszeit – tatsächlich zum Rücktritt entschließt. Die Integritätsinteressen des Opfers werden dann bestmöglich geschützt, wenn der Täter das tut, was er zur Rettung des Opfers aktuell für er360 361

Den Aspekt des „Verzichts“ betonend Scheinfeld, NStZ 2006, 375. Zu dieser Argumentation vgl. bereits Vierter Teil C. II. 2., III. 1. c).

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forderlich hält.362 Dem Täter nur Straffreiheit zu gewähren, wenn er – seiner ursprünglichen Vorstellung entsprechend – aktiv wird und Verhinderungsbemühungen unternimmt, würde dem Opfer hingegen nichts nützen, da dem Täter solche Bemühungen inzwischen überflüssig erscheinen, er sie demzufolge ohnehin nicht vornähme. Darüber hinaus bestünde für den Täter, wertete man allein – von ihm aufgrund seiner geänderten Vorstellung nicht erbringbare – Verhinderungsbemühungen als für die Erlangung von Straffreiheit ausreichende Rückkehr in die Legalität, auch kein Anreiz, die weitere Tatausführung zu unterlassen, was den Opferschutz unterliefe. Die Schaffung eines Anreizes ist aber so lange sinnvoll, wie der Täter nach seiner Vorstellung noch weiterhandeln kann und muss, um die Vollendung herbeizuführen. Nach Opferschutz- und Anreizgedanken ist es deshalb erforderlich und ausreichend, von dem die Vollendung im späteren Zeitpunkt der Entscheidung für den Rücktritt nicht mehr für möglich haltenden Täter das Unterlassen der weiteren Tatausführung zu verlangen. (b) Der Verdienstlichkeits- und der Schulderfüllungsgedanke Als schwieriger erweist es sich hingegen zu beurteilen, welche Rücktrittsleistung in der vorliegenden Fallgestaltung derart verdienstlich oder schulderfüllend ist, dass der Täter, wenn er diese erbringt, mit Straffreiheit zu belohnen ist. Bleibt der Täter lediglich untätig, ließe sich nämlich einerseits vorbringen, dass die bloße Vorstellungsänderung einem Täter, der nicht bereit war, sich seiner ursprünglichen Vorstellung entsprechend Strafbefreiung durch Aktivwerden zu verdienen, nicht Strafbefreiung bringen dürfe, wenn dieser lediglich sein Verhalten nicht ändere und weiter passiv bleibe.363 Dem kann man jedoch entgegenhalten, dass dem Täter, wenn ihm in Bezug auf seine Rücktrittsentscheidung eine Überlegungszeit zusteht, nicht die fehlende sofortige aktive Verhinderung der Vollendung vorgeworfen werden kann. Zudem lässt sich auch in der Nichtwiederaufnahme eines die ursprüngliche Tathandlung fortsetzenden Verhaltens durchaus ein Verdienst sehen. Ob dieses allerdings für eine Strafbefreiung ausreicht, kann ohne eine Bestimmung des Grundes für die Belohnung nicht abschließend beurteilt werden.364 (c) Der Strafzweckgedanke Im Zusammenhang mit dem Strafzweckgedanken wird teilweise gegen ein Abstellen auf die geänderte Tätervorstellung vorgebracht, der Täter könne den rechtserschütternden Eindruck seines Verhaltens in der Rechtsgemeinschaft 362

Vgl. dazu Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 42. In anderem Zusammenhang ähnlich Puppe, Strafrecht II, § 36 Rn. 41. 364 Zu den Schwierigkeiten, die Verdienstlichkeit zu bestimmen, s. bereits Zweiter Teil B. VI. 6. b). 363

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nicht nachträglich durch die bloße Nichtvornahme eines neuerlichen Angriffs auf sein Opfer vermindern, auch wenn er die Vollendung nun nicht mehr für möglich halte.365 Dabei wird jedoch übersehen, dass, solange sich dem Täter die uneingeschränkte Möglichkeit zur Weiterführung seiner Tathandlung bietet, ein Weiterhandeln nicht den Beginn einer neuen Tat, sondern die der Verbrechervernunft entsprechende Fortsetzung der begonnenen Tatausführung darstellt. Durch die Untätigkeit in der – geänderten – Vorstellung, die Vollendung werde dann nicht eintreten, dokumentiert der Täter daher durchaus seine gegenüber dem die Tat vollständig durchführenden Täter verminderte Gefährlichkeit. Darüber hinaus wird auch das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Geltungskraft des Rechts durch eine Ausrichtung der erforderlichen Rücktrittsaktivitäten an der Tätervorstellung im Zeitpunkt der Entscheidung für den Rücktritt bestmöglich wieder gestärkt.366 Gewährt man dem Täter eine Überlegungszeit, muss ihm auch in dem von ihm zulässigerweise gewählten Rücktrittszeitpunkt die Chance zur Rechtsbewährung eingeräumt werden; die Rücktrittsanforderungen können sich daher ausschließlich an seiner Erfolgseinschätzung im Augenblick der Entscheidung für einen Rücktritt ausrichten.367 Entscheidend für das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft ist der Gesamteindruck vom Täterverhalten, der sich erst mit dessen in der Rücktrittsentscheidung dokumentiertem, endgültigem Abschluss vervollständigt. Hält der Täter die Vollendung in diesem letzten Zeitpunkt nicht für möglich, stellt sein Nichtweiterhandeln – ungeachtet seiner vorangegangenen Vorstellung – das nach Strafzweckaspekten erforderliche und ausreichende Rücktrittsverhalten dar. (4) Zwischenergebnis zum maßgeblichen Zeitpunkt Eine Auslegung der Rücktrittsvorschrift hat ergeben, dass sich die Anforderungen an die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung grundsätzlich an seiner Erfolgseinschätzung im Zeitpunkt der im Rücktrittsbeginn liegenden Entscheidung für einen Rücktritt orientieren. Geht ein Täter also trotz eines anfänglichen Fürmöglichhaltens der Vollendung – zulässigerweise – nicht sofort zum Rücktritt über und kommt er später, seine fortbestehende Weiterhandlungsmöglichkeit vorausgesetzt, zu der – zutreffenden oder irrigen – Überzeugung, die Vollendung sei aufgrund des bisher Getanen noch nicht möglich, genügt es, sofern die Vollendung letztlich ausbleibt, zur Erlangung von Straffreiheit, wenn er von der weiteren Ausführung der Tat absieht (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB). 365 So etwa Ranft, JZ 1989, 1128 (1129); ebenso Nolden, Rücktritt, S. 112. S. dazu Vierter Teil C. III. 3. b). 366 Übereinstimmend Roxin, AT II, § 30 Rn. 154; vgl. ferner LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 119. 367 Vgl. hierzu auch Mayer, Privilegierungswürdigkeit, S. 178; Nolden, Rücktritt, S. 136 f.

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cc) Die Grenzen der Maßgeblichkeit einer Vorstellungsänderung Zu beantworten bleibt die Frage, ob die Maßgeblichkeit der geänderten Tätervorstellung zeitlichen bzw. räumlichen Grenzen unterworfen ist. Dabei ist nochmals in Erinnerung zu rufen, dass eine Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung das Nichtfehlschlagen des Versuchs, also eine Weiterhandlungsmöglichkeit des Täters voraussetzt, deren Inanspruchnahme eine mit der Haupttat einheitliche Tat und nicht die Wiederholung eines bereits abgeschlossenen Versuchs bilden würde.368 Bereits hierin ist die absolute Grenze der Beachtlichkeit einer Vorstellungsänderung zu sehen. Über jene Prämisse des Fortbestehens der Tatsituation hinaus wird jedoch teilweise einer Vorstellungsänderung nur dann Bedeutung zugemessen, wenn sie „in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der letzten Ausführungshandlung“ erfolgt.369 Das Fürmöglichhalten der Vollendung darf danach im Allgemeinen nur wenige Augenblicke, die der Täter an der Seite seines Opfers verbringt, andauern. Einer späteren Vorstellungsänderung soll unabhängig von einer Weiterhandlungsmöglichkeit keine Bedeutung zukommen. Gründe für eine derartige Begrenzung der Maßgeblichkeit einer Vorstellungsänderung lassen sich in dieser Fallgestaltung indessen kaum ausmachen. Allenfalls könnte man vorbringen, dass bei einem unbegrenzten Hinausschieben des abgrenzenden Zeitpunkts der gezielt abwartende Täter in ungerechtfertigter Weise von der zwischenzeitlichen Verpflichtung zum aktiven Verhindern frei würde, da sich bei jedem Versuch, der Versuch bleibt, irgendwann dessen Erfolgsuntauglichkeit zeige.370 Dabei wird allerdings zum einen übersehen, dass der Täter dann immerhin – jedenfalls bei objektiv bestehender Gefahr – eine Vollendungshaftung riskierte, vor allem aber verkannt, dass sich die Zulässigkeit des Abwartens bereits aus der dem Täter nach der gesetzlichen Regelung zustehenden und auch in Rechtsprechung und Literatur keiner Beschränkung unterworfenen Überlegungsfrist371 ergibt. Andere, für eine über die Fehlschlagsgrenze hinausgehende Beschränkung der Beachtlichkeit einer Vorstellungsänderung sind nicht ersichtlich.

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Dazu s. bereits ausf. Vierter Teil B. I., C. III. 1. b). s. Vierter Teil C. II., III. 1. b). 370 Ähnlich Jakobs, AT, 26/14 Fn. 24, im Zusammenhang mit einer etwas anders gelagerten Problematik. 371 s. etwa BGH, Beschl. v. 13.7.1977 – 3 StR 237/77, S. 3 f.; BGH, StV 1983, 388; Gropp, § 9 Rn. 60a. 369

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dd) Zwischenergebnis zur Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung Entspricht die Bewusstseinslage des Täters zunächst den Kriterien des beendeten, dann denen des unbeendeten Versuchs, bestimmt sich die erforderliche Rücktrittsleistung nach seiner Vorstellung zu dem Zeitpunkt, in dem er sich zum Rücktritt entschließt, genügt mithin das Aufgeben der weiteren Tatausführung i. S. der Alt. 1 zur Erlangung von Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB. Vorausgesetzt wird dabei, dass dem Täter in diesem Moment ein Weiterhandeln dergestalt, dass es mit dem bereits begonnenen Verhalten eine einheitliche Tat bilden würde, noch möglich ist; darüber hinaus unterliegt die Beachtlichkeit der Vorstellungsänderung keiner räumlich-zeitlichen Begrenzung. b) Die Vorstellungsänderung vom Nichtfürmöglichhalten zum Fürmöglichhalten der Vollendung Bei der entgegengesetzten Vorstellungsänderung, wenn also die Bewusstseinslage des Täters zunächst den Kriterien des unbeendeten, dann denen des beendeten Versuchs entspricht, scheint der Frage nach einer Überlegungszeit für den Täter auf den ersten Blick keine Bedeutung zuzukommen. Regelmäßig wird der Täter nämlich, wenn er die Tathandlung trotz bestehender Weiterhandlungsmöglichkeit in der Vorstellung, die Vollendung könne nicht eintreten, abbricht, bereits unmittelbar und ohne Inanspruchnahme einer Überlegungsfrist zur – in diesem Moment erforderlichen – Rücktrittsleistung der Aufgabe der weiteren Tatausführung (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB) übergehen. Jedoch sind auch bei einem Tatabbruch in der Vorstellung, die Vollendung sei noch nicht möglich, Konstellationen denkbar, in denen das Nichtweiterhandeln des Täters keine beginnende „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ darstellt. Denn um die an ein Aufgeben nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gestellten Anforderungen zu erfüllen, muss die Untätigkeit des Täters darauf beruhen, dass er sich zur endgültigen Abstandnahme von der Tat entschlossen hat,372 was trotz des Einstellens der auf die Tatbestandserfüllung gerichteten Aktivitäten nicht der Fall ist, wenn er ohne Rücktrittsentschluss lediglich vorübergehend innehält, „eine Pause macht“.373 Für diesen – wenngleich seltenen und wohl deshalb in Literatur und Rechtsprechung kaum beachteten – Fall des die Tatausführung unschlüssig unterbrechenden Täters erlangt die Frage Bedeutung, ob die Rücktrittsleistung der Aufgabe i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB – die 372 Für die ganz h. M. in Rspr. u. Lit. BGHSt 33, 142 (144 f.); Schönke/Schröder/ Eser, § 24 Rn. 37 f.; Tröndle/Fischer, § 24 Rn. 26, jeweils m.w. N. Offen bleiben kann vorliegend der erforderliche Umfang einer Abstandnahme, dazu ausf. Hillenkamp, ATProbleme, 17. Problem (S. 102 ff.); Roxin, AT II, § 30 Rn. 158 ff. 373 So Roxin, AT II, § 30 Rn. 158; ebenso Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 37 f.

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fortbestehende Weiterhandlungsmöglichkeit vorausgesetzt – auch mit zeitlicher Verzögerung, etwa durch das spätere Fassen eines Rücktrittsentschlusses, erbracht werden kann. Nur dann wird schließlich zu entscheiden sein, ob und in welchen Grenzen auch hier die letztlich zu erbringende Rücktrittsleistung durch die geänderte Vorstellung bestimmt wird, der Täter also die Vollendung aktiv verhindern muss, um Strafbefreiung zu erlangen. aa) Das Bestehen einer Überlegungszeit im Fall der Aufgabe der weiteren Tatausführung Eine Überlegungszeit in Bezug auf die Erbringung der Rücktrittsleistung steht dem Täter in der vorliegenden Fallgestaltung dann zu, wenn auch die Kombination aus einer lediglich äußerlichen Unterbrechung der Tathandlung und einem später nachfolgenden Entschluss zur endgültigen Abstandnahme von der Tat ein „Aufgeben der weiteren Tatausführung“ i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB darstellt. Dies verdeutlicht, dass aus dem gerade festgestellten Bestehen einer Überlegungszeit in Bezug auf die Erbringung der Rücktrittsleistung des Verhinderns nicht darauf geschlossen werden kann, dass der Täter auch die Rücktrittsleistung der Tataufgabe verspätet erbringen darf, dies vielmehr einer eigenständigen, am Aufgabebegriff ausgerichteten Begründung bedarf. Eine Aufgabe nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB liegt nach allgemeiner Ansicht – beim Begehungsdelikt – dann vor, wenn der Täter mit dem Willen, endgültig von der Tat Abstand zu nehmen, eine bestehende Fortsetzungsmöglichkeit nicht wahrnehmend keine weitere auf die Vollendung gerichtete Tätigkeit mehr entfaltet.374 Zwar ließe sich im systematischen Vergleich mit der Alternative des Verhinderns vorbringen, dass bei der Aufgabe weniger das Gelingen der Rücktrittsleistung im Vordergrund steht, sondern vielmehr ein Verhalten umschrieben wird, das der Täter zur Erlangung von Strafbefreiung an den Tag legen muss. Zum einen hat jedoch bereits die Untersuchung im Dritten Teil der Arbeit gezeigt, dass auch bei der Rücktrittsalternative des Aufgebens die Strafbefreiung nach dem Bedeutungszusammenhang sowie Sinn und Zweck der Norm entscheidend vom Ausbleiben der Vollendung abhängt.375 Vor allem aber ergeben sich weder aus dem Begriff des „Aufgebens der weiteren Tatausführung“ noch aus anderen Erwägungen zusätzliche Anforderungen an das Rücktrittsverhalten des Täters, die dahin deuten, dass von diesem eine sofortige Entscheidung gefordert ist. Den erforderlichen Willen zur endgültigen Abstandnahme von der Tat kann der Täter so lange bilden, wie er die Möglichkeit zur Fortsetzung der Tat in unmittelbarem Zusammenhang mit der bisherigen Aus374 Für viele Kühl, AT, § 16 Rn. 42, 49; ferner Roxin, AT II, § 30 Rn. 152; vorrangig auf den Gesichtspunkt des „Verzichts“ abstellend Scheinfeld, NStZ 2006, 375. 375 Dazu s. Dritter Teil A. III.

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führung hat.376 Besteht diese Möglichkeit im Moment des – verspäteten – Aufgabeentschlusses noch fort, steht dessen fehlendes zeitliches Zusammenfallen mit dem vorangegangenen Unterlassen weiterer Ausführungshandlungen der Bewertung des Gesamtverhaltens als Tataufgabe nicht entgegen. Dem Täter, der in der Vorstellung, die Vollendung sei nicht möglich, seine Tathandlung zunächst ohne endgültigen Rücktrittsentschluss lediglich unterbricht, steht die Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB weiterhin offen. Er kann die Rücktrittsleistung des Tataufgabe auch noch nach einer Überlegungszeit erbringen, solange ihm im Moment des endgültigen Rücktrittsentschlusses eine Fortsetzung und Vollendung der begonnenen Tat möglich wäre. bb) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung Auch hier ist damit in einem zweiten Schritt zu klären, wie sich eine während der Inanspruchnahme des Überlegungszeitraums, d.h. zwischen dem vorläufigen Abbruch der Ausführungshandlung und dem Entschluss zur endgültigen Aufgabe erfolgende Änderung der Tätervorstellung, auswirkt. Bestimmt sich die erforderliche Rücktrittsleistung nach der Tätervorstellung im Moment des Abbruchs der Ausführungshandlung, wäre vom Täter zu verlangen, dass er die weitere Ausführung der Tat aufgibt; ist dagegen die Vorstellung im späteren Zeitpunkt seiner Entscheidung für einen Rücktritt maßgeblich, müsste er die Vollendung aktiv verhindern. (1) Keine Qualifikation der Untätigkeit als „Aufgabe“ Bei der Beantwortung dieser Frage ist vorab zu beachten, dass sich ein Abstellen auf die ursprüngliche Tätervorstellung nur vermeintlich zugunsten des Täters auswirkt. Wenngleich sich nämlich die danach erforderliche „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ grundsätzlich als einfachere Rücktrittsleistung darstellt, so erfordert diese doch einen – in der vorliegenden Fallgestaltung aber jedenfalls noch fehlenden377 – Aufgabeentschluss, der von einem inzwischen die Vollendung für möglich haltenden Täter allein durch die Entfaltung aktiver Verhinderungsmaßnahmen dokumentiert werden kann. Der in seiner fortgesetzten Untätigkeit allenfalls zu sehende Verzicht darauf, die Vollendung noch sicherer zu machen, kann zur Erlangung von Straffreiheit nicht ausreichen. 376

Vgl. dazu auch Kühl, AT, § 16 Rn. 49. Dazu, ob zum Vollzug der Aufgabe neben dem Rücktrittsentschluss noch andere Elemente fehlen, etwa die Untätigkeit des Täters eine bestimmte Zeit andauern muss, s. Vierter Teil C. IV. 4. b) aa). 377

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

(2) Die Argumentation aus dem Sinn und Zweck der Norm Wenngleich damit bereits feststeht, dass der Täter nur durch ein aktives Verhinderungsverhalten Strafbefreiung erlangen kann, ergibt sich die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der tatsächlichen Rücktrittsentscheidung des Täters für die Festlegung der erforderlichen Rücktrittsleistung letztlich auch hier unter Heranziehung des hinter § 24 Abs. 1 StGB stehenden Rechtsgedankens und damit aus ähnlichen Erwägungen wie in der umgekehrten Fallgestaltung:378 Bestmöglicher Opferschutz wird dann gewährleistet, wenn der Täter das tut, was er zur Rettung des Opfers aktuell für erforderlich hält. Ließe man trotz der Vorstellungsänderung seine bloße Passivität für eine Strafbefreiung ausreichen, gefährdete man hierdurch das Opfer ebenso wie durch eine Versagung des Rücktritts, weil dem Täter dadurch kein Anreiz mehr geboten würde, etwas zur Rettung des Opfers zu unternehmen. Auch kann das Verhalten des Täters bei einer Inanspruchnahme der ihm zustehenden Überlegungszeit nur dann als verdienstlich oder schulderfüllend bewertet werden, wenn es im Moment des Rücktritts von seinem Willen oder Wissen, verdienstlich zu handeln und den Eintritt der Vollendung zu vermeiden, getragen ist. Das Vertrauen eines noch nicht zum Rücktritt entschlossenen Delinquenten auf eine bestimmte Rücktrittsleistung ist nicht schutzwürdig. Dasselbe Ergebnis wird erreicht, wenn man general- oder spezialpräventive Aspekte in den Vordergrund rückt: Weder durch sein vorübergehendes Innehalten noch durch seine über die Vorstellungsänderung hinaus andauernde Untätigkeit stellt der Täter seine Ungefährlichkeit unter Beweis, und auch den von ihm hervorgerufenen, rechtserschütternden Eindruck kann er nur dadurch beseitigen, dass er sein Verhalten an seiner aktualisierten Vorstellung ausrichtet; andernfalls überlässt er das Opfer sehenden Auges seinem Schicksal. (3) Zwischenergebnis zum maßgeblichen Zeitpunkt Nimmt ein die Vollendung zunächst ausschließender Täter den ihm in Bezug auf die Erbringung der Rücktrittsleistung zustehenden Überlegungszeitraum in Anspruch und entschließt er sich erst zum Rücktritt, nachdem er seine Vorstellung dahingehend geändert hat, dass er die Vollendung nunmehr zumindest für möglich hält, bestimmt sich die von ihm zu erbringende Rücktrittsleistung nach seiner Erfolgseinschätzung im Zeitpunkt dieses Rücktrittsentschlusses. Er muss mithin die Vollendung verhindern oder zumindest hierauf gerichtete Bemühungen entfalten, um Strafbefreiung zu erlangen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 bzw. S. 2 StGB).

378

s. Vierter Teil C. IV. 3. a) bb).

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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cc) Die Grenzen der Maßgeblichkeit einer Vorstellungsänderung Für die Beachtlichkeit der geänderten Tätervorstellung gelten keine zeitlichen Grenzen. Ganz gleich, wie lange der Zustand des Innehaltens in der Vorstellung, die Vollendung könne auf Grund des bislang Getanen nicht eintreten, andauert, wird das Vertrauen des noch nicht zum Rücktritt entschlossenen Täters durch Zeitablauf nicht schutzwürdig und muss dieser, wenn er im Moment des Rücktrittsentschlusses die Vollendung für möglich hält, aktiv die Vollendung verhindern. Das Erfordernis des Nichtfehlschlagens begrenzt in dieser Konstellation allein den Überlegungszeitraum des Täters: Solange dieser innehält, muss er von der Möglichkeit zur Fortführung der begonnenen Tat in unmittelbarem räumlich-zeitlichen Zusammenhang ausgehen; nach seiner Vorstellungsänderung kann er die dann erforderliche Rücktrittsleistung des Verhinderns hingegen zeitlich unbegrenzt erbringen.379 dd) Zwischenergebnis Ändert sich die zunächst den Kriterien des unbeendeten Versuchs entsprechende Bewusstseinslage des Täters, bevor der innehaltende Täter sich endgültig zum Rücktritt entschließt, dahingehend, dass sie nunmehr den Kriterien des beendeten Versuchs entspricht, bestimmt sich die zur Erlangung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung – wie bereits in der umgekehrten Konstellation – nach der Vorstellung im Zeitpunkt des Rücktrittsentschlusses, muss der Täter mithin die Vollendung verhindern bzw. sich zumindest hierum bemühen, um Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 bzw. S. 2 StGB zu erlangen. Zeitlichen oder räumlichen Grenzen unterliegt die Beachtlichkeit der geänderten Tätervorstellung dabei nicht. 4. Die Anpassung der erforderlichen Rücktrittsleistung an die veränderte Tätervorstellung bei „sofortigem“ Rücktrittsbeginn Geht der Täter unmittelbar nach dem Abschluss bzw. Abbruch seiner Ausführungshandlung zum Rücktritt über, ist notwendig bereits in diesem Zeitpunkt die Rücktrittsleistung, die ihm Straffreiheit verschafft, festgelegt. Ändert er in der Folgezeit seine Vorstellung in Bezug auf die Vollendungsgefahr, ist deshalb zu entscheiden, ob die ursprüngliche Festlegung endgültig ist oder ob der Täter sein begonnenes Rücktrittsverhalten an die veränderte Vorstellung anpassen muss bzw. darf. Auch bei der Untersuchung dieser Problematik sind jeweils abhängig von der „Richtung“ der Vorstellungsänderung unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. 379 Zur Überlegungszeit bei der Rücktrittsalternative des Verhinderns vgl. Vierter Teil C. IV. 3. a) aa).

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

a) Die Vorstellungsänderung vom Fürmöglichhalten zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung Die Frage nach einer Anpassung der Rücktrittsleistung stellt sich zum einen, wenn der Täter unmittelbar nach Abschluss oder Abbruch der Tathandlung die Vollendung zunächst zumindest für möglich hält und bereits mit der danach erforderlichen Verhinderungshandlung beginnt, bevor er schließlich doch zu der Überzeugung gelangt, dass die Vollendung ohne ein Weiterhandeln seinerseits nicht eintreten wird. Zu entscheiden ist in dieser Konstellation, ob er – trotz der geänderten Vorstellung – weiterhin aktiv bleiben und die Vollendung verhindern bzw. sich zumindest um eine Verhinderung bemühen muss oder ob und in welchen Grenzen er – an die veränderte Vorstellung angepasst – seine Verhinderungsbemühungen einstellen und hierdurch die Anforderung des Aufgebens der weiteren Tatausführung erfüllen kann. aa) Die Anpassung der Rücktrittsleistung an die veränderte Tätervorstellung Ergebnisorientiert ließe sich die Zulässigkeit einer Anpassung der zu erbringenden Rücktrittsleistung an die geänderte Tätervorstellung in dieser Konstellation mit einem argumentum a fortiori aus der in diesem Abschnitt zuerst untersuchten Konstellation der Vorstellungsänderung des Täters nach Ende der Tathandlung begründen: Gewährt man nämlich dem die Vollendung unmittelbar nach der Tatausführung für möglich haltenden, zunächst aber noch untätig überlegenden Täter strafbefreienden Rücktritt, wenn dieser im Anschluss an seine Vorstellungsänderung hin zum Nichtfürmöglichhalten der Vollendung lediglich auf ein mögliches Weiterhandeln verzichtet,380 muss dies erst recht für den rechtstreueren Täter gelten, der vor der Änderung seiner Vorstellung sogar schon mit der Verhinderungshandlung begonnen hat. Dieses Ergebnis kann jedoch nur dann Bestand haben, wenn der Beginn von Verhinderungshandlungen, deren Einstellung und die darauf folgende Nichtweiterführung der ursprünglichen Tat die in dieser Fallgestaltung nach dem Wortlaut und der Ratio des § 24 Abs. 1 StGB für die Erlangung von Strafbefreiung taugliche Rücktrittsleistung darstellten. Jenes Verhalten des Täters erfüllt allerdings nicht die an ein „Verhindern der Vollendung“ gestellten Anforderungen, wonach vom Täter ein für das Ausbleiben der Vollendung mindestens kausales Verhinderungsverhalten verlangt wird, was hier nicht vorliegt: Durch seine – später eingestellten – Verhinderungsbemühungen hat der Täter lediglich mit der Vollendungsverhinderung begonnen.381 Zu klären ist deshalb, ob im Verhalten 380 381

Dazu Vierter Teil C. IV. 3. a). Zur schwierigeren Frage des Vollzugs der Tataufgabe s. Vierter Teil C. 4. b) aa).

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des Täters eine „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gesehen werden kann. Dazu muss ein solches Aufgeben der weiteren Tatausführung auch nach einer begonnenen Verhinderungshandlung überhaupt noch möglich oder aber bereits – teilweise – im Beginn der Verhinderungshandlung enthalten sein. (1) Die Qualifikation des Verhaltens als „Aufgeben der weiteren Tatausführung“ Der Bewertung dieses Täterverhaltens als „Aufgabe“ steht zunächst – den zur parallel gelagerten Fallgestaltung ohne Rücktrittsbeginn gemachten Ausführungen entsprechend – nicht entgegen, dass der Täter die Vollendung zwischenzeitlich für möglich gehalten hat: Ein Fürmöglichhalten der Vollendung begründet keine Zäsur, die den Versuch im Sinne einer qualitativen Veränderung unumkehrbar zu einem beendeten macht.382 Die Aufgabe i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB setzt sich – beim Begehungsdelikt – nach allgemeiner Ansicht aus dem endgültigen Fallenlassen des Tatentschlusses und der Nichtentfaltung weiterer möglicher, auf die Tatbestandserfüllung gerichteter Aktivitäten zusammen.383 Diese Anforderungen erfüllt der Täter, der sich zunächst bemüht, die Vollendung zu verhindern, seine Verhinderungsbemühungen nach der „Vorstellungskorrektur“ einstellt und in der Folgezeit untätig bleibt, zweifellos: Das äußere Element der Tataufgabe kann, da der Sinn des Täterverhaltens entscheidet, auch durch Aktivität erfüllt werden.384 Mithin beginnt der Täter, indem er sich aktiv um die Vollendungsverhinderung bemüht, äußerlich zugleich bereits mit der Aufgabe der weiteren Tatausführung, die er dann durch seine sich hieran anschließende Untätigkeit komplettiert.385 Zudem ist sein Verhalten auch von einem ausreichenden Aufgabeentschluss getragen, der entweder bereits im Verhinderungsentschluss enthalten ist oder jedenfalls dadurch dokumentiert wird, dass er nach seiner Vorstellungsänderung trotz bestehender Möglichkeit die Tathandlung nicht fortführt. Die Zulassung einer Anpassung des begonnenen Rücktrittsverhaltens an die geänderte Tätervorstellung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Rücktrittsvorschrift: Durch das mit der ursprünglichen Vorstellung korrelierende, sofortige Tätigwerden und die Anpassung des Rücktrittsverhaltens an die geänderte Vor382

s. dazu Vierter Teil C. IV. 3. a) bb) (2). Für die allgemeine Ansicht vgl. etwa Kühl, AT, § 16 Rn. 42, 49; Roxin, AT II, § 30 Rn. 152. S. bereits Vierter Teil C. IV. 3. b) aa). 384 Übereinstimmend NK-Zaczyk, § 24 Rn. 49. 385 Zu den Anforderungen an den Vollzug der Aufgabe s. Vierter Teil C. IV. 4. b) aa). 383

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

stellung wird das Opfer bestmöglich geschützt, da der Täter stets genau das tut, was – nach seiner Vorstellung – zur Rettung des Opfers erforderlich ist.386 Verlangte man von ihm hingegen seiner Auffassung zufolge widersinnige Verhinderungsbemühungen, entstünde die Gefahr, dass er die Tat mangels Anreizes zur Abstandnahme von der Tat doch weiter ausführt. Zudem hat sich der sein Verhalten an seiner jeweiligen Vorstellung ausrichtende Täter als minder gefährlich erwiesen und den rechtsgefährdenden Eindruck, den sein Versuch bei der Rechtsgemeinschaft hinterlassen hat, beseitigt. Auch die Verdienstlichkeit seines Verhaltens lässt sich nicht in Abrede stellen.387 (2) Erforderlichkeit des Bestehens einer Weiterhandlungsmöglichkeit Einer zeitlichen oder räumlichen Begrenzung unterliegt die Anpassung der Rücktrittsleistung grundsätzlich nicht, was allerdings bereits deshalb kaum relevant werden dürfte, weil sich das Verhinderungsverhalten des Täters, während dessen er seine Vorstellung ändert, nur selten über einen längeren Zeitraum hinziehen oder in räumlicher Entfernung zum Tatort stattfinden wird. Zu klären bleibt indes, ob sich dem Täter im Zeitpunkt seiner Vorstellungsänderung – jedenfalls subjektiv – noch die Möglichkeit zur Weiterführung der begonnenen Tat bieten muss, auf die er durch seine anschließende Untätigkeit i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB verzichtet. Eine solche Weiterhandlungsmöglichkeit ließe sich etwa mit der Begründung fordern, dem um eine Tatverhinderung bemühten Täter fehle der erforderliche Aufgabewille, da ein solcher auf das Nichtweiterausführen der Tat und damit auf etwas anderes gerichtet sein müsse als der Wille zur Verhinderung der Tatvollendung. Den Aufgabewillen müsse er demzufolge nach seiner Vorstellungsänderung aufweisen, was voraussetze, dass sich ihm die Wahl zwischen Aufgabe und Weiterhandeln biete. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Täter ohne den Willen, die Tat aufgeben zu wollen, gar nicht den Entschluss fassen kann, den auf den Erfolg zulaufenden Kausalverlauf zu unterbrechen und die Vollendung aktiv zu verhindern, mithin ein Verhinderungswille des Täters den Willen zur Abstandnahme von der Tat notwendig einschließt. Ein ausreichender Aufgabeentschluss ist somit bereits mit Beginn der Verhinderungsbemühungen gegeben. In objektiver Hinsicht hat der Täter zwar allein durch den Beginn mit Verhinderungshandlungen das Aufgabeverhalten noch nicht vollständig erbracht,388

386 Zur Vermittlung der Opferinteressen über die Psyche des Täters s. Zweiter Teil B. VI. 6. a). 387 Für diese Fallgestaltung im Ergebnis ebenso Weinhold, Rettungsverhalten, S. 134. 388 Zu den Anforderungen an das Aufgabeverhalten s. Vierter Teil C. IV. 4. b) aa).

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doch genügt es – in Anbetracht dessen, dass er seinen Rücktrittsentschluss durch die begonnene Entfaltung von Gegenmaßnahmen ausreichend unter Beweis gestellt hat – zur Komplettierung des äußeren Rücktrittsverhaltens, wenn er im Anschluss an seine Vorstellungsänderung in der Überzeugung, dies genüge, passiv bleibt. Dass er dabei noch von einer Weiterhandlungsmöglichkeit ausgeht ist nicht zu fordern.389 Andernfalls liefe außerdem gerade der rechtstreue Täter, der mit seinen Verhinderungshandlungen bereits weit fortgeschritten ist bzw. sich im Willen zur endgültigen Abstandnahme von der Tat sofort seines Tatmittels entledigt hat, Gefahr, nicht mehr strafbefreiend vom Versuch zurücktreten zu können: Durch die Entfaltung von an sich verdienstvollen Rücktrittsbemühungen hat er sich nämlich nicht nur die Fortsetzung der Tat, sondern damit auch die Entscheidung zwischen einem Weiter- und einem Nichtweiterhandeln abgeschnitten. Die Forderung nach dem Bestehen einer Weiterhandlungsmöglichkeit für den Täter hätte so zur Folge, dass etwa der Messerstecher, der das Messer noch abwartend in der Hand hält, noch strafbefreiend zurücktreten könnte, nicht aber derjenige, der das Messer längst reuig weggeworfen hat und dem Opfer bereits zu Hilfe geeilt ist, bevor er seine Vorstellung ändert und das Opfer nicht mehr in Lebensgefahr wähnt. Eine Vorstellungsänderung erlaubt dem Täter somit auch dann eine Änderung seines Rücktrittsverhaltens, wenn ihm in diesem Zeitpunkt die Fortführung seines ursprünglichen Versuchs nicht mehr möglich erscheint. bb) Zwischenergebnis Hält der Täter unmittelbar nach Abschluss oder Abbruch seiner Tathandlung die Vollendung zumindest für möglich und beginnt er bereits mit der erforderlichen Verhinderungshandlung, bevor er seine Vorstellung dahingehend ändert, dass er nunmehr eine Vollendung ausschließt, genügt es zur Erlangung von Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB, wenn er sein Rücktrittsverhalten an seine letzte Erfolgseinschätzung anpasst und seine begonnenen Verhinderungsbemühungen einstellt. Zeitlichen oder räumlichen Grenzen unterliegt die Anpassung der Rücktrittsleistung dabei nicht. b) Die Vorstellungsänderung vom Nichtfürmöglichhalten zum Fürmöglichhalten der Vollendung Weitaus problematischer gestaltet sich die Lösung der umgekehrten, von der Rechtsprechung bereits häufiger zu entscheidenden Fallgestaltung, bei welcher der unmittelbar nach Abbruch seiner Tathandlung vom Ausbleiben der Vollen389 So i. E. auch LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 119; vgl. ferner Otto, Grundkurs, § 19 Rn. 60.

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

dung überzeugte Täter die weitere Tatausführung in dem Willen, von der Tat endgültig Abstand zu nehmen, unterlässt, bevor er schließlich seine Vorstellung dahingehend ändert, dass er nunmehr die Vollendung bereits aufgrund des bisher Getanen zumindest für möglich hält.390 Obschon es auch in dieser Konstellation um die Problematik der Anpassung einer bereits begonnenen Rücktrittsleistung an eine geänderte Tätervorstellung geht, spielen hier andere Erwägungen eine Rolle: Ist der Täter nämlich nach der Tatausführung vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt und unternimmt er trotz bestehender Möglichkeit keine weiteren Ausführungshandlungen, gilt es – anders als bei der Alternative des Verhinderns, die ein für das Ausbleiben der Vollendung mindestens kausales Verhalten als Verhinderungserfolg voraussetzt391 – zunächst zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Täter mit dem Abbruch der Tathandlung und der vorübergehenden Untätigkeit bis zu seiner Vorstellungsänderung die Rücktrittsleistung der „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ bereits erbracht hat. In diesem Fall wäre der Rücktritt vollzogen und stellte sich die Frage nach einer Anpassung der Rücktrittsleistung gar nicht mehr;392 der Täter könnte sich durch seine über die Vorstellungsänderung hinaus andauernde Untätigkeit allenfalls wegen einer durch Unterlassen begangenen, neuen Tat strafbar gemacht haben. Nur wenn mit dem zeitweiligen Abstehen des Täters von der weiteren Tatausführung in der nunmehr überholten Auffassung, dies genüge, der Rücktritt noch nicht vollzogen ist, wird sodann darüber zu entscheiden sein, ob der Täter sein Rücktrittsverhalten an seine veränderte Vorstellung anpassen, d.h. nicht mehr lediglich weitere, ihm mögliche Tatausführungshandlungen unterlassen, sondern die Vollendung der Tat aktiv verhindern bzw. sich zumindest hierum bemühen muss, um Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 StGB zu erlangen. aa) Der Vollzug der Tataufgabe Um feststellen zu können, ob ein Täter mit dem Abbruch seiner Tathandlung und seiner zeitweiligen Untätigkeit in der Vorstellung, dies genüge, die an eine 390 Die deutlich gesteigerte Häufigkeit dieser Fallgestaltung gegenüber der im Vierten Teil C. IV. 3. b) untersuchten beruht darauf, dass bei einem äußerlichem Abbruch der Tathandlung regelmäßig auch von einem Aufgabeentschluss auszugehen ist, der Täter mithin bereits zum Rücktritt übergegangen ist. 391 Zum Meinungsstand bezüglich des über das Erfordernis der Kausalität hinausgehenden Anforderungen vgl. ausf. Herzberg, Kohlmann-FS, S. 37 (39 ff.); Roxin, AT II, § 30 Rn. 213 ff. 392 Unklar insoweit Jäger, NStZ 1999, 608, der in einem Beispielsfall, in dem der Täter erst nach einer zeitlichen und räumlichen Zäsur die lebensgefährliche Verletzung des Opfers erkennt, ohne die Möglichkeit eines Vollzugs der Tataufgabe anzusprechen, allein darauf abstellt, ob der Täter noch „durch sein bloßes Nichtweiterhandeln Strafbefreiung hinsichtlich seines Totschlagsversuchs erlangen“ kann.

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„Aufgabe der weiteren Tatausführung“ i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB gestellten Anforderungen bereits erfüllt hat, müssen die an einen Vollzug der Aufgabe zu stellenden Anforderungen näher definiert werden. (1) Die in Literatur und Rechtsprechung an eine Tataufgabe gestellten Anforderungen In der Literatur wird zu den Anforderungen an den Vollzug der Tataufgabe kaum näher Stellung genommen. Im Allgemeinen wird die Rücktrittsleistung des „Aufgebens der weiteren Tatausführung“ – bei Begehungsdelikten – definiert als das Einstellen oder Nichtentfalten weiterer möglicher, auf die Tatvollendung gerichteter Tätigkeit, das von dem Willen getragen ist, vom Tatplan endgültig Abstand zu nehmen.393 Teilweise wird auch das Element des Verzichts betont.394 Wie lange die Untätigkeit des Täters dabei andauern muss, bleibt jedoch offen. Auch in der Rechtsprechung sind lediglich vereinzelt und in Nebensätzen versteckte Äußerungen zur Frage des Vollzugs der Aufgabe zu finden, anhand derer sich keine einheitliche Linie ausmachen lässt. So werden etwa eine zehnminütige Untätigkeit des Täters bis zur Änderung seiner Vorstellung oder ein Zulassen der Flucht des Opfers teilweise als vollzogener Rücktritt gewertet,395 in ähnlich gelagerten Konstellationen wird dagegen ein Vollzug des Rücktritts gar nicht erwogen, sondern vom Täter ein an seine veränderte Vorstellung angepasstes, aktives Verhindern der Vollendung verlangt.396 Als Begründung für die Erforderlichkeit einer Anpassung der Rücktrittsleistung zur Erlangung von Strafbefreiung verweist der BGH teilweise darauf, dass die Vorstellungsänderung in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Ausführungshandlung erfolgt sei, ohne allerdings aufzuzeigen, wie es sich auf die Frage des Rücktrittsvollzugs auswirken würde, wenn dieser Zusammenhang nicht gewahrt wäre, sondern eine Zäsur vorläge.397 (2) Eigener Ansatz Aus dem Wortlaut „Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat“ sowie der hierfür in weitgehender Übereinstimmung gebrauchten Umschreibung als ein 393 So z. B. Schönke/Schröder/Eser, § 24 Rn. 37; vgl. auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 152. S. bereits Vierter Teil C. IV. 3. b) aa). 394 So etwa Scheinfeld, NStZ 2006, 375. 395 BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15; BGH, NStZ 1999, 449. Ausf. bereits Vierter Teil C. II. 2. 396 So z. B. BGH, NStZ 1998, 614 (615); vgl. BGH, NStZ 1999, 299 (Nr. 3). Auch dazu s. Vierter Teil C. II. 2. 397 Vgl. etwa BGH, NStZ 1998, 614 (615).

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Einstellen bzw. Nichtentfalten weiterer möglicher, auf die Tatbestandserfüllung gerichteter Tätigkeit, das von dem Willen zur endgültigen Abstandnahme vom Tatplan getragen ist, können für die Frage, wann die Rücktrittsleistung der Aufgabe vollzogen ist, nur begrenzt Schlüsse gezogen werden. Einerseits lässt sich hieraus ableiten, dass die Aufgabe durch ein Unterlassungsmoment gegenüber der ursprünglich intendierten Tat, das Nichtentfalten weiterer Tathandlungen, geprägt ist. Im Gegensatz zur Rücktrittsalternative des „Verhinderns“ ist es damit nicht schon begrifflich ausgeschlossen, dass der Vollzug der Tataufgabe mit Zeitablauf und insoweit unabhängig von einem spezifischen Aufgabeerfolg eintritt. Über welchen Zeitraum das Unterlassen des Täters in der Vorstellung, dies genüge, um die Tat nicht zur Vollendung gelangen zu lassen, andauern muss, ist indes dem Wortsinn nicht zu entnehmen: Obschon es sprachlich durchaus vertretbar wäre, die Aufgabe bereits im ersten Moment der Verhaltensänderung, des Nichtweiterhandelns trotz einer bestehenden Weiterhandlungsmöglichkeit, als vollzogen anzusehen, kann die damit einhergehende Konsequenz, das Gesamtverhalten auch dann als vollzogene Aufgabe zu werten, wenn der Täter nur eine Sekunde danach die Vollendung der Tat ohne ein aktives Eingreifen seinerseits doch für möglich hält, sich aber dafür entscheidet, dieser tatenlos zuzusehen, nicht überzeugen. Ebenso wenig lässt sich die für den Vollzug der Tataufgabe zu fordernde Dauer der subjektiv ausreichenden, äußerlichen Untätigkeit des Täters aus der – teilweise in unterschiedlichem Umfang398 – geforderten Endgültigkeit der Aufgabe ableiten. Die Forderung nach endgültiger Aufgabe betrifft lediglich den Willen des Täters im Moment der Abstandnahme;399 in Bezug auf die Folgen einer etwaigen Vorstellungsänderung ist damit keine Aussage getroffen. Somit erweist es sich als notwendig, zur Bestimmung der Anforderungen an den Vollzug der Aufgabe auf den Bedeutungszusammenhang zu rekurrieren. Dabei ist vorab der vom BGH aufgestellten Behauptung zu widersprechen, bei der Annahme eines frühen Vollzugs des Rücktritts könne das in der Untätigkeit des Täters nach seiner Vorstellungsänderung liegende Fehlverhalten über eine Unterlassensstrafbarkeit sanktioniert werden, weshalb keine Strafbarkeitslücken entstünden.400 Denn dieser systematische Ausweg über die Unterlassungsstrafbarkeit gelingt nicht immer: Ein Ingerenzgarant macht sich durch seine Untätigkeit nur dann wegen eines vorsätzlichen Unterlassungsdelikts strafbar, wenn ihm die Abwendung der Vollendung in diesem Zeitpunkt noch möglich ist und er noch Tötungsvorsatz aufweist, d.h. nicht nur den Erfolgseintritt für möglich 398 s. dazu Hillenkamp, AT-Probleme, 17. Problem (S. 102 ff.); Roxin, AT II, § 30 Rn. 158 ff. 399 Vgl. Roxin, AT II, § 30 Rn. 158 ff. 400 So etwa BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15; vgl. auch Heuchemer, JA-R 2001, 18 (21 Fn. 10). Dazu bereits Vierter Teil C. II. 2.

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hält, sondern diesen auch innerlich billigend in Kauf bzw. die Erfolgsgefahr ernst nimmt.401 Insbesondere dieses letztere, voluntative Vorsatzelement, wird bei einem Täter, der sich unmittelbar nach der Tatausführung in der Vorstellung, dies genüge, um die Tat nicht zur Vollendung gelangen zu lassen, für ein Nichtweiterhandeln entschieden hat, regelmäßig fehlen, wenn er trotz einer darauf folgenden Vorstellungsänderung weiter untätig bleibt. Dennoch stellt sich der vom BGH gewählte Ansatzpunkt, den Blick auf das weitere Verhalten des rücktrittswilligen Täters zu richten, als zutreffend heraus, was sich besser verdeutlichen lässt, wenn man die Frage, wann eine Aufgabe i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB vollzogen ist, durch die Frage nach dem Gegenstück ersetzt, d.h. wie lange das Aufgabeverhalten des Täters andauert, also die Aufgabe gerade noch nicht vollzogen ist. Weil das, was der Täter aufgibt, die weitere Ausführung der Tat sein muss, dauert sein Aufgeben genau so lange an, wie die aufgegebene Handlung, hätte der Täter sie durchgeführt, mit der vorgenommenen einen einheitlichen Versuch bilden würde. Unter dieser Voraussetzung unterlässt der Täter durch seine fortgesetzte Untätigkeit noch die Weiterführung seines ursprünglichen Versuchs, und die Aufgabe kann nicht vollständig erbracht sein.402 Sobald dagegen ein dem Täter mögliches Weiterhandeln nicht mehr die Fortführung des ursprünglichen Versuchs, sondern ein Ansetzen zu einem neuen Versuch i. S. des § 22 StGB darstellte, ist auch die andauernde Untätigkeit des Täters als selbständig zu bewertendes Unterlassen anzusehen und die Aufgabe des ursprünglichen Versuchs bereits abgeschlossen.403 Abzugrenzen ist in diesem Fall allerdings zwischen einem durch Aufgabe der weiteren Tatausführung vollzogenen Rücktritt und einem die Aufgabe der weiteren Tatausführung vereitelnden Fehlschlagen des Versuchs.404 Dieser Zusammenhang lässt sich an einem einfachen Beispielsfall verdeutlichen: Bricht ein Täter, nachdem er seinem Opfer einen Stich mit dem Messer versetzt hat, die Tatausführung in der Vorstellung ab, die Vollendung könne noch nicht eintreten, ist die Rücktrittshandlung des „Aufgebens der weiteren Tatausführung“ i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB in dem Moment vollzogen, in dem weitere Stiche des Täters auf das Opfer nicht mehr eine Fortführung des 401 Vgl. für die h. M. z. B. BGHSt 14, 256; Jescheck/Weigend, AT, § 29 II 3 a; Roxin, AT I, § 12 Rn. 21–34. Zu den Anforderungen an den Vorsatz ausf. Hillenkamp, AT-Probleme, 1. Problem (S. 1 ff.). 402 Insoweit übereinstimmend Puppe, Strafrecht II, § 26 Rn. 8. 403 Eine ähnliche Linie wird auch in BGHR, StGB § 24 Abs. 1 S. 1, Versuch, unbeendeter 15, angedeutet, wo eine Ausrichtung des Rücktrittsverhaltens an der geänderten Tätervorstellung mit dem Argument abgelehnt wird, zu diesem Zeitpunkt sei der „ursprünglicher Tötungsversuch abgeschlossen“ gewesen. Nahe stehend jetzt auch BGH, NStZ 2005, 151 (152); vgl. ferner BGH, NStZ 1999, 449 (450); BGHSt 33, 142 (146). 404 s. dazu bereits Vierter Teil B. I., C. III. 1. b). Dahingehend wohl auch BGH, NStZ 2005, 151 (152).

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begonnenen Tötungsversuchs, sondern ein Ansetzen zu einer neuerlichen Tatbestandsverwirklichung i. S. des § 22 StGB darstellten. Denn was für ein weiteres Einstechen auf das Opfer gilt, muss auch für ein Unterlassen von Hilfeleistungen durch den Täter gelten. Der Täter ist dann strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten und wegen seiner Untätigkeit allenfalls, sofern er noch den erforderlichen Vorsatz aufweist und ihm eine Vollendungsverhinderung möglich ist, wegen eines Unterlassungsdelikts zu bestrafen. Solange er dagegen mit weiteren Stichen seinen bisherigen Versuch noch fortführte, bildet auch seine Untätigkeit einen Teil des ursprünglichen Tötungsversuchs und kann folglich das mit dem Abbrechen der Ausführungshandlung begonnene Aufgeben noch nicht vollzogen sein. In diesem letzten Fall ist sodann zu klären, ob der Täter sein Rücktrittsverhalten an seine geänderte Vorstellung anpassen und die Vollendung verhindern muss, um Strafbefreiung zu erlangen. Als Orientierungspunkte dafür, ob ein hypothetisches Weiterhandeln des Täters noch eine Fortführung der begonnenen Tat darstellte, können die im Zusammenhang mit der natürlichen Handlungseinheit entwickelten Kriterien herangezogen werden. Insbesondere ist zu fordern, dass zwischen der Vornahme der Ausführungshandlung und dem Unterlassen des Täters nach der Vorstellungsänderung ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, sodass sich der gesamte Vorgang für einen unbeteiligten Dritten erkennbar als zusammengehöriges, einheitliches Verhalten darstellt. Subjektiv muss das Verhalten auf einer einheitlichen Motivationslage beruhen.405 Wie genau die Einheit der Zeit und des Ortes beschaffen sein muss, lässt sich jedoch nicht abstrakt, sondern jeweils im Einzelfall und nur unter Beachtung des – durch Auslegung zu ermittelnden – Sinns des verletzten gesetzlichen Tatbestandes festlegen. bb) Die Anpassung der Rücktrittsleistung Ist die nach der Tätervorstellung bei Abbruch der Tathandlung ausreichende Aufgabe der weiteren Tatausführung noch nicht vollzogen, stellt sich, wie gesehen, die Folgefrage nach der Erforderlichkeit einer Anpassung der Rücktrittsleistung an die geänderte Tätervorstellung, d.h. eines Übergangs von der bloßen Passivität zur aktiven Vollendungsverhinderung. Insoweit gelten ähnliche Erwägungen wie in der parallel gelagerten Fallgestaltung, bei welcher der Täter noch nicht mit seiner Rücktrittsleistung begonnen hat: Sobald er annimmt, dass seine Untätigkeit zur Vermeidung der Vollendung nicht ausreicht, fehlt ihm der Rücktrittswille;406 sein Gesamtverhalten lässt sich damit nicht als „Aufgeben der 405 Hierzu vgl. etwa Tröndle/Fischer, Vor § 52 Rn. 3 m.w. N. Zur Anwendung dieser Kriterien im Rücktrittskontext s. etwa Lenckner, Gallas-FS, S. 281 (303 f.); BGHSt 33, 142 (146). 406 Ähnlich etwa Baumann/Weber/Mitsch, § 27 Rn. 15.

C. Die sich ändernde Vorstellung als Problemfall

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weiteren Tatausführung“ bezeichnen. Auch eine Auslegung des hinter § 24 Abs. 1 StGB stehenden Rechtsgedankens ergibt, dass – ganz gleich, welchen Aspekt man dabei in den Vordergrund rückt – nur ein an die veränderte Tätervorstellung angepasstes Rücktrittsverhalten den Täter von Strafe befreien kann: Zum einen ist durch das Erfordernis eines mit der aktualisierten Tätervorstellung korrespondierenden Verhaltens das Opfer bestmöglich geschützt, während bei dem Ausreichenlassen bloßer Untätigkeit für eine Strafbefreiung eine Gefährdung des Opfers bewusst in Kauf genommen würde. Daneben dokumentiert der Täter allein durch ein an seine geänderte Vorstellung angepasstes Verhalten seine endgültige Rückkehr in die Legalität. Bleibt er hingegen sehenden Auges untätig, hat er zwar in Anbetracht seiner ursprünglichen Vorstellung kurzzeitig seine Rechtstreue und Ungefährlichkeit gezeigt, bestätigt jedoch gleich darauf den ursprünglich durch die Versuchsbegehung hervorgerufen, rechtserschütternden Eindruck. Schließlich lässt sich ein derartiges, bloß vorübergehend rechtstreues Verhalten auch kaum als verdienstlich oder schulderfüllend bezeichnen.407 Zeitlichen Grenzen unterliegt die Anpassung der Rücktrittsleistung an die geänderte Vorstellung, sofern noch kein Vollzug der Aufgabe eingetreten ist, nicht; insbesondere begründet die ursprüngliche Vorstellung des Täters, durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten zu können, auch bei bereits erfolgtem Rücktrittsbeginn keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand.408 cc) Zwischenergebnis Bricht der rücktrittswillige Täter seine Tathandlung in der Überzeugung ab, die Vollendung könne aufgrund des bisher Getanen noch nicht eintreten, und ändert er dann seine Vorstellung dahingehend, dass er die Vollendung nun doch zumindest für möglich hält, ist zunächst zu ermitteln, ob durch sein bisheriges Verhalten der Rücktritt bereits durch Aufgabe der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB vollzogen ist. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten, auf das der Täter verzichtet, und somit auch sein Unterlassen, nicht mehr eine Fortsetzung des ursprünglichen, sondern ein unmittelbares Ansetzen zu einer neuerlichen Tatbestandsverwirklichung i. S. des § 22 StGB darstellten. Weil der Rücktritt dann bereits vollzogen ist, kommt eine Anpassung der Rücktrittsleistung an die veränderte Vorstellung nicht mehr in Betracht. Hat der Täter hingegen mit dem Aufgabeverhalten lediglich begonnen, es jedoch noch nicht in diesem Sinne vollständig erbracht, muss er seine Rücktrittsleistung – ohne zeitliche Beschränkung – seiner veränderten Erfolgseinschätzung anpassen, also 407

Zur Argumentation vgl. Vierter Teil C. IV. 3. b) bb). Vgl. auch dazu die Ausführungen zur parallel gelagerten Konstellation des verspäteten Rücktrittsbeginns, Vierter Teil C. IV. 3. b) cc). 408

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

die Vollendung aktiv verhindern bzw. sich hierum bemühen, um Strafbefreiung zu erlangen.

V. Ergebnis zur sich nach Abschluss der Tathandlung ändernden Tätervorstellung Die sog. „Korrektur-Konstellationen“, also Fallgestaltungen, bei denen sich die Tätervorstellung in Bezug auf die Vollendungsgefahr in der Zeit nach dem Ende der Ausführungshandlung ändert, lassen sich anhand verschiedener Kriterien unterscheiden, von denen sich das Kriterium der „Richtung“ der Vorstellungsänderung und die Frage des Rücktrittsbeginns als tauglich erwiesen haben, eine unterschiedliche rücktrittsrechtliche Bewertung zu tragen. Eine getrennte Untersuchung der sich demnach ergebenden vier Fallgestaltungen hat aber gezeigt, dass sich die letztlich vom Täter zur Erlangung von Straffreiheit zu erbringende Rücktrittsleistung, wenngleich mit teilweise unterschiedlichen Grenzen, in den allermeisten Fällen an der aktualisierten Tätervorstellung auszurichten hat, mithin einer Änderung der Tätervorstellung grundsätzlich Bedeutung zukommt. Hält der Täter die Vollendung aufgrund des bisher Getanen zunächst zumindest für möglich, muss er die danach erforderliche Rücktrittsleistung der Vollendungsverhinderung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB bzw. eines dahingehenden Bemühens i. S. des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB nicht sofort erbringen und bestimmt sich seine Rücktrittsleistung, wenn er seine Vorstellung während des Überlegungszeitraums ändert und im Zeitpunkt seines Rücktrittsbeginns die Vollendung nun nicht mehr für möglich hält, letztlich nach dieser geänderten Vorstellung, genügt es mithin, wenn er mit dem erforderlichen Rücktrittsentschluss die – ihm noch mögliche – weitere Ausführung der Tat unterlässt und damit i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgibt. Schließt der Täter umgekehrt bei Ende seiner Ausführungshandlung eine Vollendung der Tat aus, steht ihm zwar auch bezüglich der Erbringung der Rücktrittsleistung der Aufgabe der weiteren Tatausführung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB eine Überlegungszeit zu, muss er jedoch, sollte er während der Inanspruchnahme dieser Zeit zu der Auffassung kommen, das bisher Getane könne möglicherweise doch die Vollendung herbeiführen, die seiner „korrigierten“ Vorstellung entsprechende Rücktrittsleistung vornehmen, mithin die Vollendung aktiv verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) bzw. sich zumindest hierum bemühen (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB), um Strafbefreiung zu erlangen. Hat der Täter aber im Gegensatz zu den vorstehenden Fallgestaltungen im Zeitpunkt seiner Vorstellungsänderung bereits mit dem – seiner Vorstellung bei Abbruch der Ausführungshandlung entsprechenden – Rücktrittsverhalten begonnen, muss bzw. darf er, wenn er seine Vorstellung in der Folgezeit ändert, unab-

D. Ergebnis zum Vierten Teil

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hängig von der „Richtung“ dieser Vorstellungsänderung sein Verhalten an die geänderte Vorstellung anpassen. Entspricht seine Bewusstseinslage also zunächst den Kriterien des beendeten Versuchs und hat er dementsprechend mit der Verhinderungshandlung begonnen, darf er, falls er nunmehr eine Vollendung aufgrund des bisher Getanen doch gedanklich ausschließt, seine Bemühungen einstellen; sein Nichtweiterhandeln komplettiert dann seiner bereits durch die Verhinderungsbemühungen begonnene „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB. Ist der Täter dagegen anfangs vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt und unterlässt er in dem Willen, die Tat aufzugeben, die weitere Tatausführung, bevor er später seine Vorstellung dahingehend ändert, dass er nunmehr die Vollendung zumindest für möglich hält, ist folgendermaßen zu differenzieren: Ist die Tataufgabe durch seine vorübergehende Untätigkeit in der Vorstellung, diese genüge, noch nicht vollzogen, d.h. bildete ein fiktives Weiterhandeln des Täters und damit auch seine fortgesetzte Untätigkeit mit der vorgenommenen Handlung noch einen einheitlichen Versuch, muss er seine Rücktrittsleistung an die geänderte Vorstellung anpassen, also aktive Verhinderungshandlungen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 bzw. S. 2 StGB entfalten, um Strafbefreiung zu erlangen. Statuierte ein hypothetisches Weiterhandeln und damit auch sein Unterlassen dagegen den Beginn eines neuen Versuchs i. S. d. § 22 StGB, hat der Täter das von ihm geforderte Rücktrittsverhalten, nämlich das der Tataufgabe i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB, durch seine zwischenzeitlichem vermeintlich ausreichende Untätigkeit bereits erbracht; der Rücktritt ist damit vollzogen und für eine Anpassung des Rücktrittsverhaltens kein Raum mehr.

D. Ergebnis zum Vierten Teil In Übereinstimmung mit der heute ständigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre bestimmt sich die zu erbringende Rücktrittsleistung nach der Vorstellung des Täters im Rücktrittshorizont, also zu dem Zeitpunkt, in dem er die Ausführung seiner Tathandlung abgeschlossen oder abgebrochen bzw. sich zum Rücktritt entschlossen hat. Im Fall einer Vorstellungsänderung des Täters nach Abschluss bzw. Abbruch der Tathandlung und vor Vollzug des Rücktritts kommt jedoch der aktualisierten Vorstellung abgrenzende Bedeutung zu – wenngleich abhängig von der „Richtung“ der Vorstellungsänderung und von der Frage des Rücktrittsbeginns jeweils aus anderen Erwägungen: Ändert der Täter seine Vorstellung, bevor er mit der Erbringung seiner – der ursprünglichen Vorstellung entsprechenden – Rücktrittsleistung begonnen hat, gründet die Maßgeblichkeit des späteren Zeitpunkts darauf, dass der Täter weder die Rücktrittsleistung der „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ noch die der „Vollendungsverhinderung“ sofort erbringen muss und – bei Inanspruchnahme dieser Überlegungszeit – eine Orientierung der Rücktrittsleistung an seiner aktuellen

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4. Teil: Maßgeblicher Vorstellungszeitpunkt und „Vorstellungskorrektur‘‘

Erfolgseinschätzung den tragenden Rechtsgedanken des Rücktritts entspricht. Hat der Täter bei seiner Vorstellungsänderung hingegen bereits mit dem – seiner ursprünglichen Bewusstseinslage entsprechenden – Rücktrittsverhalten begonnen, erlaubt bzw. erfordert die Rücktrittsvorschrift eine Anpassung seines Rücktrittsverhaltens an die geänderte Vorstellung, freilich unter der Voraussetzung, dass der Täter die nach seiner ursprünglichen Tätervorstellung erforderliche Rücktrittsleistung noch nicht vollständig erbracht hat. Letzteres ist bei der Rücktrittsleistung des Verhinderns so lange der Fall, wie der Täter noch keinen mindestens kausalen Tatbeitrag erbracht hat, im Fall des Aufgebens der weiteren Tatausführung so lange, wie ein fiktives Weiterhandeln des Täters und damit auch seine fortgesetzte Untätigkeit eine Weiterausführung des ursprünglichen Versuchs darstellte.

Fünfter Teil

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse und Lösung der gebildeten Beispielsfälle Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass der Täter im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB unterschiedlichen Fehlvorstellungen unterliegen kann, bei deren rechtlicher Bewertung sich teilweise übereinstimmende, teilweise aber auch grundlegend voneinander abweichende Fragestellungen ergeben. Als vorzugswürdig gegenüber der bislang in der Literatur zu findenden Vorgehensweise, eine rechtliche Beurteilung beschränkt auf einzelne Fehlvorstellungskonstellationen und im Zusammenhang mit dem jeweils betroffenen, strafrechtlichen Bereich vorzunehmen, erwies sich deshalb eine Untersuchung der Problematik „Fehlvorstellungen des Täters beim Rücktritt vom Versuch“ in ihrem Gesamtzusammenhang, weil eine solche sowohl den Parallelen als auch den Unterschieden zwischen den einzelnen Fallgestaltungen Beachtung schenken kann: Nur so ist es möglich, bestehende Diskrepanzen aufzudecken und, wenn möglich, aufzulösen oder zumindest abzuschwächen sowie herauszuarbeiten, welche Kriterien letztlich eine abweichende strafrechtliche Bewertung tragen können. Erst auf der Grundlage eines eingehenden Verständnisses der Fehlvorstellungsproblematik wird eine Untersuchung des hieran anknüpfenden und noch relativ neuen Problemkreises der „Korrektur von Fehlvorstellungen“ überhaupt nachvollziehbar und kann die Frage, wie sich eine Änderung der Tätervorstellung nach Abschluss der Tathandlung auswirkt, beantwortet werden.

A. Die rechtliche Behandlung von Fehlvorstellungen des Täters im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom Versuch Bei der Untersuchung der Fehlvorstellungen des Täters erwies sich eine Differenzierung danach, ob es zum Eintritt des Taterfolgs kam, als unerlässlich. Daneben wurde nach dem Bezugspunkt der Fehlvorstellung unterschieden, also danach, ob der Täter sich hinsichtlich der Wirkung seiner Tathandlung und damit der objektiv erforderlichen Rücktrittsleistung eine unzutreffende Vorstellung gebildet oder aber – bei zutreffender Einschätzung der objektiven Gefährdungslage – die Wirksamkeit seiner Verhinderungshandlung verkannt hat.

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5. Teil: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

I. Die Fehlvorstellung über die Wirkung der Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung bei ausbleibendem Erfolg Für den Fall der ausbleibenden Vollendung wurde zunächst festgelegt, dass über die zur Erlangung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung nicht die objektive Gefährdungslage entscheidet, sondern die tatsächliche Vorstellung des Täters vom Verwirklichungsgrad seiner Tat. Fehlvorstellungen des Täters werden damit stets gleich behandelt wie zutreffende Vorstellungen; der Täter muss sich so verhalten, wie es aus seiner Sicht zur Erfolgsabwendung erforderlich ist. Geht er also, wie in der im Ersten Teil der Arbeit gebildeten Fallgestaltung B. I. 1. a), bei einem Versuch, der objektiv eine Vollendungsgefahr herbeigeführt hat, unzutreffend davon aus, die Vollendung könne noch nicht eintreten, genügt es zur Erlangung von Strafbefreiung, wenn er die weitere Tatausführung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgibt. Nimmt er umgekehrt, wie in Fallgestaltung B. I. 1. b), fälschlicherweise eine tatsächlich nicht bestehende Vollendungsgefahr an, muss er für eine Strafbefreiung aktiv werden und sich um die Verhinderung der – vermeintlich drohenden – Vollendung bemühen (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB). Die erstere und mit Blick auf das Ergebnis allein umstrittene Fehlvorstellungskonstellation wird allerdings über die inhaltlich für die Annahme eines beendeten Versuchs an die Tätervorstellung gestellten Anforderungen in ihrer Häufigkeit und damit ihrer Bedeutung eingeschränkt: Aktive Verhinderungsmaßnahmen i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 bzw. S. 2 StGB sind vom Täter nämlich bereits dann zu fordern, wenn dieser die Vollendung lediglich für möglich hält. Damit liegt ein – dem Täter entgegen der objektiven Gefährdungslage strafbefreienden Rücktritt durch Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB erlaubendes – Verkennen einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr etwa in der unter B. I. 1. a) geschilderten Fallgestaltung allein dann vor, wenn der Täter vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt ist. Hält er die Vollendung dagegen auch nur für möglich, ist der Versuch beendet und vom ihm zu verlangen, dass er aktive Verhinderungsmaßnahmen ergreift. Eine noch weitergehende Einschränkung dieser sich für den Täter vorteilhaft auswirkenden Fehlvorstellung des Verkennens einer tatsächlich bestehenden Vollendungsgefahr, wie sie sich bei einer Normativierung der an ein Fürmöglichhalten der Vollendung gestellten Anforderungen ergäbe, erwies sich dagegen als nicht haltbar: Den Täter trifft zwar die uneingeschränkte Obliegenheit, sich eine Vorstellung von der bestehenden Gefährdungslage und damit der erforderlichen Rücktrittsleistung zu bilden, da ihm sonst die Erbringung einer Rücktrittsleistung i. S. des § 24 Abs. 1 StGB gar nicht möglich, der Versuch mithin rücktrittsunfähig ist. Jedoch ist er darüber hinaus nicht verpflichtet, sich eine

A. Die rechtliche Behandlung von Fehlvorstellungen

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Vorstellung bestimmten Inhalts zu bilden, mithin die Vollendung bei dem erkennbaren oder von ihm erkannten Vorliegen gefahrbegründender Umstände für möglich zu halten, sodass ihm andernfalls eine dahingehende Vorstellung zuzuschreiben wäre. Hat der Täter sich über die Gefährdungslage Gedanken gemacht, bestimmt sein hierbei gewonnener, tatsächlicher Bewusstseinszustand, welche Rücktrittsleistung ihm Strafbefreiung einbringt. Fehlvorstellungen des Täters bleiben mithin, mögen sie auch noch so unvernünftig sein, stets beachtlich. Dem für den Täter erkennbaren und – noch mehr – dem von ihm erkannten Vorliegen objektiv gefahrbegründender Umstände kommt jedoch bei der beweisrechtlichen Ermittlung dieses tatsächlichen Bewusstseinszustandes Bedeutung zu. Zwar widerspricht es dem geltenden Strafrecht, Beweisregeln oder Beweislastregeln aufzustellen, doch hat es sich bei der Ermittlung der tatsächlichen Tätervorstellung als innerer Tatsache als hilfreich erwiesen, erfolgsgeneigte Gefährdungslagen zu typisieren und diese Typisierungen als Sätze allgemeiner Lebenserfahrung dem Tatrichter als ein – wesentliches – Kriterium bei seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) unterstützend zur Seite zu stellen. Das erkennbare bzw. erkannte Vorliegen gefahrbegründender Umstände dient dabei ebenso als Anknüpfungspunkt wie andere Indizien, etwa die Tätereinlassung oder das Täterverhalten bei und nach der Tatbegehung. Die materiell-rechtlich beachtlichen Fehlvorstellungen des Täters werden so regelmäßig auch beweisrechtlich als solche identifiziert.

II. Die Fehlvorstellung über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung bei ausbleibendem Erfolg Als ungleich weniger problematisch und umstritten erwies sich die rechtliche Bewertung der sich auf die Wirksamkeit seiner – zutreffend als erforderlich erkannten – Verhinderungsbemühungen beziehenden Fehlvorstellung des Täters. Die im Ersten Teil unter B. I. 2. a) geschilderte Fehlvorstellung, bei welcher der Täter verkennt, dass die von ihm vorgenommene Verhinderungshandlung unwirksam ist, wird nämlich, solange die Vollendung letztlich dennoch ausbleibt, von der gesetzlichen „Fehlvorstellungsregelung“ des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erfasst, die dem Täter auch für eine untaugliche Rücktrittsleistung Straffreiheit gewährt, wenn er im Gegenzug subjektiv hohe Anforderungen erfüllt und sich ernsthaft um die Vollendungsverhinderung bemüht. Auch bezüglich der rechtlichen Behandlung der umgekehrten, unter B. I. 2. b) erläuterten Fehlvorstellung, bei der der Täter die Tauglichkeit seiner vorgenommenen Verhinderungshandlung verkennt, herrscht Einigkeit: Eine Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB setzt in subjektiver Hinsicht zumindest normalen Verhinderungsvorsatz, nach teilweise vertretener Ansicht gar ein auf Verhinderung gerichtetes Verhalten des Täters voraus. Der Täter muss folglich mit dem Wis-

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5. Teil: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

sen und Willen handeln, die Vollendung zu verhindern; ein nur objektiv wirksames Verhinderungsverhalten kann ihn nicht von Strafe befreien.

III. Die Fehlvorstellungen bei eintretendem Erfolg Tritt hingegen – wenngleich entgegen der Erwartung des Täters – der tatbestandsmäßige Erfolg ein, ist der Täter wegen vollendeter Tat zu bestrafen; seiner Fehlvorstellung kommt dann lediglich im Rahmen der Strafzumessung Relevanz zu. Dies gilt zum einen dann, wenn sich die Fehlvorstellung des Täters auf die Wirkung seiner Tathandlung und damit die objektiv erforderliche Rücktrittsleistung bezieht, mithin der Täter – wie in der im Ersten Teil unter B. II. 1. geschilderten Fallgestaltung – in der irrigen Vorstellung, dies genüge zur Bewahrung des Rechtsguts vor Schaden, lediglich die weitere Tatausführung aufgibt, der Erfolg aber infolge der bereits geschaffenen Vollendungsgefahr eintritt. Weder kann § 24 Abs. 1 StGB dabei als eine der Zurechnung in der Situation eines vermeintlichen Rücktritts entgegenstehende Norm angesehen werden, noch begründet die Verfrühung und Unerwartetheit des Erfolgseintritts einen subjektiven Zurechnungsmangel: Im maßgeblichen Zeitpunkt des Versuchsbeginns i. S. des § 22 StGB weist der Täter bereits den vollen Tatvorsatz auf, der sich – mit allenfalls unwesentlicher Abweichung – auch im Erfolg niederschlägt. Auch wenn der Täter – wie in der im Ersten Teil unter B. II. 2. gebildeten Fehlvorstellung – zutreffend vom Bestehen einer Vollendungsgefahr ausgeht, jedoch verkennt, dass seine Bemühungen die geschaffene Vollendungsgefahr nicht beseitigen, haftet er im Fall des Erfolgseintritts in aller Regel wegen vollendeter Tat. Dies ergibt sich hier aber ebenfalls nicht aus der Rücktrittsregelung, sondern aus der Anwendung allgemeiner Zurechnungsregeln: Mit Ausnahme der seltenen Konstellationen, in denen das Opfer selbst oder ein Dritter das Gelingen der sonst tauglichen und bei ungestörtem Verlauf die Vollendung verhindernden Rücktrittsbemühungen des Täters vorsätzlich und unvorhersehbar vereitelt, steht weder das Verhinderungsbemühen des Täters noch seine Fehlvorstellung über deren Wirksamkeit der Verwirklichung der von ihm vorsätzlich und verbotswidrig geschaffenen Gefahr auf nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbarer und von ihm auch vorhergesehener und gewollter Weise entgegen. Der Annahme eines Rücktritts von oder vor der Vollendung widerspicht letztlich in beiden Fallgestaltungen des sog. „misslungenen Rücktritts“ dem Wortlaut der Rücktrittsvorschrift, der verdeutlicht, dass sich ein Rücktritt nur auf die Versuchsstrafbarkeit auswirken kann. Abzulehnen ist auch der Vorschlag, dem Täter wegen eines angeblichen „Rücktrittsirrtums“ über eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB Strafbefreiung oder Strafmilderung zu gewähren. Die Tatsache, dass der Täter davon ausging, sein Verhalten – beim vermeintlich

B. Die „Vorstellungskorrektur‘‘

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unbeendeten Versuch seine Untätigkeit, bei der Fehlvorstellung über die Wirkung seiner Rücktrittsleistung sein Verhinderungsbemühen – genüge zur Abwendung des Vollendungseintritts, sowie, in letzterem Fall, seine Verhinderungsbemühungen finden lediglich im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB Berücksichtigung. Während dem Täter also in den im Ersten Teil unter B. I. 1. a) und B. I. 2. a) geschilderten Fallgestaltungen für sein vermeintlich vollendungsverhinderndes Verhalten Straffreiheit gewährt wird, bleiben dieselben Fehlvorstellungen für die rechtliche Bewertung weitgehend außer Betracht, wenn der Erfolg, wie in den Fallgestaltungen B. II. 1. und 2., eintritt. Die Konsequenz, dass damit das – mehr oder wenig zufällige – Ausbleiben oder Eintreten des Erfolges darüber entscheiden kann, ob der Täter strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten oder aber wegen vollendeter Tat zu bestrafen ist, lässt sich jedoch nicht auf in der Rücktrittsregelung verankerte Widersprüche zurückzuführen, sondern beruht darauf, dass dem Verhalten des Täters, wenn es zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist, eine wesentlich andere rechtliche Bedeutung beigemessen wird: Nunmehr ist der Bereich der tatbestandlichen Zurechnung betroffen, für den weder im Zusammenhang mit dem Versuch noch mit dem Rücktritt als sich nur auf den Versuch beziehende Rechtsfolgenanordnung getroffene Wertentscheidungen eine Rolle spielen. Im Fall der Fehlvorstellung des Täters über die erforderliche Rücktrittsleistung wird es ohnehin aufgrund der niedrigen, an eine Versuchsbeendigung gestellten Anforderungen nur selten zu einer derartigen Diskrepanz in der Bestrafung des Täters kommen: Bereits wenn der Täter die Vollendung auch nur für möglich hält, ist der Versuch beendet und entscheidet im Fall der Untätigkeit des Täters das Eintreten des Erfolges – wie auch sonst – „lediglich“ über die Frage der Versuchs- und der Vollendungsstrafbarkeit.

B. Die „Vorstellungskorrektur“ Als in zeitlicher Hinsicht maßgeblich hat sich der Rücktrittshorizont erwiesen; dier für die Gewährung von Strafbefreiung zu erbringende Rücktrittsleistung bestimmt sich mithin nach der Vorstellung des Täters in dem Zeitpunkt, in dem er die Ausführung seiner Tathandlung abgeschlossen oder abgebrochen bzw. sich zum Rücktritt entschlossen hat. Ändert der Täter allerdings in der Folgezeit – zumeist bedingt durch das von ihm erst im Anschluss an die Tatausführung wahrgenommene Opferverhalten – seine Vorstellung in Bezug auf die Vollendungsgefahr, stellt sich die Frage, ob bzw. gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen seine aktualisierte Vorstellung abgrenzende Bedeutung entfaltet. Dazu konnten in der vorliegenden Arbeit zunächst die „Richtung“ der Vorstellungsänderung sowie die Frage des Rücktrittsbeginns als Kriterien herausge-

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5. Teil: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

arbeitet werden, die, weil sich bei ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen andere Problematiken ergeben, geeignet sind, eine abweichende rechtliche Bewertung der Fallgestaltungen zu rechtfertigen. So ist etwa, wenn der Täter noch nicht mit der Rücktrittsleitung begonnen hat, noch vor der Festlegung des die Rücktrittsleistung bestimmenden Zeitpunkts zu klären, ob ein „verspäteter“ Rücktrittsbeginn überhaupt möglich oder aber vom Täter stets ein sofortiger Übergang zum Rücktritt zu verlangen ist. Bei einem bereits begonnenen Rücktrittsverhalten stellt sich hingegen die Frage, wann dieses vollzogen und wie lange es an die geänderte Tätervorstellung anzupassen ist. An die objektive Gefährdungslage oder die Frage, ob eine tatsächliche oder nur eine scheinbare Berichtigung der Fehlvorstellung vorliegt, darf eine unterschiedliche rechtliche Bewertung angesichts der alleinigen Maßgeblichkeit der Tätervorstellung hingegen nicht anknüpfen. Die Untersuchung der sich aus dieser Differenzierung ergebenden Fallkonstellationen hat gezeigt, dass, wenngleich aus unterschiedlichen Erwägungen und unter Beachtung teilweise voneinander abweichender Grenzen, in den allermeisten Fallgestaltungen die im späteren Zeitpunkt vorliegende, geänderte Tätervorstellung die zu erbringende Rücktrittsleistung vorgibt: Hat der Täter noch nicht mit der Erbringung der seiner Vorstellung bei Abbruch der Tathandlung entsprechenden Rücktrittsleistung begonnen, gründet die abgrenzende Bedeutung des späteren Zeitpunkts darauf, dass der Täter sowohl die Rücktrittsleistung der „Vollendungsverhinderung“ als auch die der „Aufgabe der weiteren Tatausführung“ auch noch nach einer gewissen Überlegungszeit in strafbefreiender Weise erbringen kann. Ändert er, während er diese Überlegungszeit in Anspruch nimmt, seine Vorstellung, entspricht allein eine Ausrichtung des Rücktrittsverhaltens an seiner aktuellen Erfolgseinschätzung den hinter der Rücktrittsregelung stehenden Rechtsgedanken. Der Täter muss mithin bei einem späteren Nichtfürmöglichhalten der Vollendung lediglich die weitere Ausführung der Tat i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB aufgeben, was allerdings voraussetzt, dass ihm insoweit eine Wahlmöglichkeit, mithin auch noch die Möglichkeit zur Weiterführung der begonnenen Tat verblieben ist; geht er seiner aktualisierten Vorstellung zufolge hingegen ihn von der Möglichkeit der Vollendung aus, muss er für eine Strafbefreiung die Vollendung aktiv verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) bzw. sich zumindest hierum bemühen (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB). Beginnt der Täter unmittelbar nach dem Ende seiner Ausführungshandlung mit der Erbringung des seiner Vorstellung in diesem Zeitpunkt entsprechenden Rücktrittsverhaltens, muss bzw. darf er, sollte sich seine Vorstellung in der Folgezeit ändern, seine Rücktrittsleistung der geänderten Vorstellung anpassen, solange er die nach seiner ursprünglichen Tätervorstellung erforderliche Rücktrittsleistung noch nicht vollständig erbracht hat. Entspricht die Bewusstseins-

B. Die „Vorstellungskorrektur‘‘

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lage des Täters also zunächst den Kriterien des beendeten und dann denen des unbeendeten Versuchs, komplettiert der seine – (noch) nicht kausalen – Verhinderungsbemühungen einstellende Täter durch seine nachfolgende Untätigkeit die bereits mit der Vornahme von Verhinderungsbemühungen begonnene Aufgabe der weiteren Tatausführung i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB. Ist der Täter zunächst vom Ausbleiben der Vollendung überzeugt und kommt er später zu der Vorstellung, die Vollendung sei doch möglich, ist von ihm mangels vollzogener Aufgabe ein aktives Verhinderungsverhalten i. S. des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 bzw. S. 2 StGB zu fordern, solange sein fiktives Weiterhandeln und damit auch seine fortgesetzte Untätigkeit eine Weiterführung des ursprünglichen Versuchs darstellte. Setzte der Täter allergings durch ein hinzugedachtes Weiterhandeln i. S. d. § 22 StGB zu einer neuerlichen Tatbestandsverwirklichung an, hat er das von ihm zunächst geforderte Rücktrittsverhalten der Tataufgabe i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB bereits vollständig erbracht und Strafbefreiung erlangt; für eine Anpassung des Rücktrittsverhaltens ist dann kein Raum mehr.

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Sachwortverzeichnis Abgrenzungslehre – gemischt subjektiv-objektive ~ 61 ff. – objektive ~ 56 ff. – subjektive ~ 59 ff. Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf 215 f., 225 f., 238 f., 271 f., 275 f. Anknüpfungstatsachen – Gefährlichkeit und Intensität der Tatbegehung 174 ff. – Opferverhalten 178 ff. – Tätereinlassung 170 f. – Täterverhalten 171 ff. – Verletzungen des Opfers 181 f. – Vorerfahrungen des Täters 173 f. Aufgabe der weiteren Tatausführung – Begriff 69 f., 305 – und Vorstellungsänderung 328 f., 356 f., 362 ff., 367 f., 370 ff. Aufgabeentschluss 362 f., 367, 368 beendeter Versuch – Abgrenzung zum unbeendeten Versuch siehe Abgrenzungslehre – Begriff 50 ff. – erforderliche Rücktrittsleistung siehe Verhindern der Vollendung Beweis- und Beweislastregeln 131 ff., 144 f., 167 Beweisproblematik – bei § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB 141 ff. – bei § 259 StGB a. F. 143 ff. – bei der Tätervorstellung 85 f., 124 ff., 158 f., 167 f., 309 – beim Eventualvorsatz 139 ff.

Distanzdelikte 75, 273 f., 276 f. Erfahrungssätze 136 ff., 140 f., 143, 146 f., 150 ff., 157 f., 167 ff. Erfolgs- und Handlungsunrecht 200 ff., 218 f., 220 f., 229, 242 ff., 279 Erfolgseintritt – im Vorbereitungsstadium 230 f., 234 f., 236 f., 274, 276 f. – und Rücktrittsmöglichkeit 220 ff., 263 f. – vorzeitiger ~ 206 ff., 209 f., 215 f., 230 ff., 245 Erfolgshaftung 216 f., 270 f., 275, 278 Erfolgszurechnungsnorm 204 f., 208 f., 248, 254 ff., 264 f. fehlgeschlagener Versuch 29 f., 284 ff., 287, 321, 323, 332, 334 f., 339 Fehlvorstellung – als Vollendungshindernis 203 ff., 253 ff. – Begriff 32 f. – bei ausbleibendem Erfolg 35 ff., 41 ff., 46 ff., 380 ff. – bei eintretendem Erfolg siehe misslungener Rücktritt – Bezugspunkt der ~ 33 f., 74 f., 187 f., 281, 379 – über die erforderliche Rücktrittsleistung 35 f., 38, 41, 44, 46 ff., 188 ff., 380 – über die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung 37, 38, 41 ff., 44, 46 ff., 249 ff., 381 f. Fürmöglichhalten der Vollendung 90 f., 92 ff., 94 f., 104 ff., 117, 123 ff., 190 f.

404

Sachwortverzeichnis

Handlungsfähigkeit des Opfers 314 ff. – bei Stich- und Schnittverletzungen 314 ff. – bei Schussverletzungen 316 f.

Obliegenheit – zur Bildung einer bestimmten Vorstellung 129, 154, 159 ff. – zur Reflexion 109, 118 ff.

Ingerenzkriterien 79, 95 f., 160 ff., 372 ff. Irrtum siehe Fehlvorstellung Irrtumsregeln – Übertragung gesetzlicher ~ 277 ff.

Rechtsgrund der Strafbefreiung – Anreizschaffungs- und Opferschutzgedanke 79 ff., 105 f., 109, 119 f., 163 f., 292, 307 f., 344 f., 357 f., 364, 367 f., 375 – Schulderfüllungsgedanke 92 f., 104 f., 121, 164 f., 308, 358, 364, 375 – Strafzweckgedanke 83 ff., 106, 121, 165 ff., 309 f., 358 f., 364, 368, 375 – Verdienstlichkeitsgedanke 81 f., 104 f., 120 f., 164 f., 308, 358, 364, 368, 375 Rücktrittshorizont 290 ff., 299 ff., 304 ff. – Veränderung des ~s siehe Vorstellungskorrektur

102 ff.,

245 ff.,

Korrektur siehe Vorstellungskorrektur misslungener Rücktritt 38, 77 f., 186 ff., 382 f. – Dilemma-Argument 217 f., 240 – Freispruchslösung 189, 221 f., 250, 263 f. – Rücktrittslösung 189, 191 ff., 251 f. – Versuchslösung 189, 220 f., 250, 263 – Vollendungslösung 189, 223 ff., 245, 250, 271 f., 274 ff., 280 f. Motivationszusammenhang 93, 94, 100 f. Naheliegen der Vollendung 93 f., 95 Nichtvollendung als Rücktrittsvoraussetzung – beim beendeten Versuch 252 f. – beim unbeendeten Versuch 195 ff., 199 ff. Normativierung der Tätervorstellung 125 f., 128 ff., 139 f., 142, 149 f., 154 f., 158 ff. objektive Zurechnung – des vorzeitigen Erfolgseintritts 204 ff. – trotz Verhinderungsbemühens 254 ff., 264 ff. – Verdrängung des geschaffenen Risikos 257, 258 f., 266 – Vereitelung des Verhinderungserfolges 259 ff., 266 ff.

subjektive Zurechnung – des vorzeitigen Erfolgseintritts 210 ff., 229 ff., 248 f. – trotz Verhinderungsbemühens 270 ff., 274 ff. – und Revokationsentschluss 273 f., 276 Tatplantheorie 286 ff., 293 ff., 304 ff. Überlegenszeit siehe Vorstellungskorrektur bei verspätetem Rücktrittsbeginn unbeendeter Versuch – Abgrenzung zum beendeten Versuch siehe Abgrenzungslehre – Begriff 50 ff. – erforderliche Rücktrittsleistung siehe Aufgabe der weiteren Tatausführung Verhindern der Vollendung – Begriff 69, 122 f., 305 – und Vorstellungsänderung 320, 324, 328, 346 f., 354 f., 366 ff. Versuchsstadien – geschichtliche Entwicklung 54 f.

Sachwortverzeichnis – Zulässigkeit der Differenzierung nach ~ 47 ff. Vollendung – Rücktritt neben der ~ 197 f., 199 ff., 253 – Rücktritt von der ~ 191 ff., 198 f., 251 ff. voluntative Elemente 93, 96, 97 f., 101 f., 114, 118, 373 Vorsatz – Erfolgsvoraussicht 206, 214 f., 235 ff. – maßgeblicher Zeitpunkt 68, 210 ff., 223 ff., 230 ff., 271 f. – und Revokationsentschluss 273 f., 276 f. – Versuchs- und Vollendungs~ 213 ff., 224 f., 235 ff., 272, 293 Vorstellung – Begriff 97 ff. – fehlende ~ siehe Vorstellungslosigkeit – fehlerhafte ~ siehe Fehlvorstellung – inhaltliche Anforderungen 89 ff., 104 ff. – Nachweis der ~ siehe Beweisproblematik bei der Tätervorstellung – tatsächliche ~ 128, 131 ff., 148, 150 ff., 156 ff., 159 ff. Vorstellungsänderung siehe Vorstellungskorrektur

405

Vorstellungskorrektur 38 ff., 44 f., 310 ff., 383 ff. – Abhängigkeit von objektiver Gefährdungslage 345 ff., 352 – bei begonnenem Rücktritt 312 f., 351 f., 365 ff. – bei verspätetem Rücktrittsbeginn 312 f., 320, 321, 324, 328, 351 f., 353 ff., 354 f., 362 f. – Grenzen der Beachtlichkeit 324, 326, 331 f., 334 f., 337 ff., 360, 365, 368, 375 – häufig betroffene Ausführungsarten 313 ff. – mehrfache ~ 330 ff. – wirkliche und scheinbare ~ 39, 312, 325 f., 336, 351, 384 – zugunsten des Täters 311 f., 322 ff., 332 ff., 336 f., 342 ff., 349 ff., 353 ff., 366 ff. – zulasten des Täters 311 f., 321 ff., 327 ff., 336 f., 349 ff., 361 ff., 369 ff. Vorstellungslosigkeit 108 ff. – Reflexionsobliegenheit 118 ff. – unfreiwillige ~ 111 f., 123 Weiterhandlungsmöglichkeit 284 f., 321, 334 f., 338 f., 356, 358, 360 f., 368 f., 372 ff.