Die fakultative Strafmilderung beim Versuch nach § 23 II StGB: Zugleich eine Deutung der §§ 22–24 StGB auf Grundlage des Strafzwecks der positiven Generalprävention [1 ed.] 9783428581238, 9783428181230

Die Frage, ob der Versuch einer Straftat milder zu bestrafen ist als die vollendete Tat, wird in der Strafrechtswissensc

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Die fakultative Strafmilderung beim Versuch nach § 23 II StGB: Zugleich eine Deutung der §§ 22–24 StGB auf Grundlage des Strafzwecks der positiven Generalprävention [1 ed.]
 9783428581238, 9783428181230

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 294

Die fakultative Strafmilderung beim Versuch nach § 23 II StGB Zugleich eine Deutung der §§ 22–24 StGB auf Grundlage des Strafzwecks der positiven Generalprävention

Von

Tillmann Horter

Duncker & Humblot · Berlin

TILLMANN HORTER

Die fakultative Strafmilderung beim Versuch nach § 23 II StGB

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 294

Die fakultative Strafmilderung beim Versuch nach § 23 II StGB Zugleich eine Deutung der §§ 22–24 StGB auf Grundlage des Strafzwecks der positiven Generalprävention

Von

Tillmann Horter

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Helmut Frister, Düsseldorf. Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 61 Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-18123-0 (Print) ISBN 978-3-428-58123-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Wintersemester 2019/2020 als Dissertation vor. Literatur und Rechtsprechung, die bis Mitte 2020 erschienen sind, konnten teilweise noch berücksichtigt werden. Mein Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Helmut Frister, dessen stete Diskussionsbereitschaft und Kritik die Qualität der vorliegenden Arbeit in unschätzbarem Maße befördert haben. Herrn Professor Dr. Horst Schlehofer danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge“ danke ich den Herren Professoren Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder und Dr. Andreas Hoyer. Beim Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e. V. bedanke ich mich für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Für die sehr angenehmen Rahmenbedingungen, unter denen ich die vorliegende Arbeit schreiben konnte, danke ich meinen beiden Chefs in der Zeit als Mitarbeiter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Herrn Professor Dr. Lothar Michael, der den gedanklichen Prozess meiner Hinwendung zu einem strafrechtlichen Promotionsthema mit Interesse begleitet hat, und (nochmals) Herrn Professor Dr. Helmut Frister. Ferner bedanke ich mich bei Frau Sarah Dersarkissian, Frau Neele Lautner, Herrn Marco Geiger und Herrn Ralf Horter für das zügige und gründliche Korrekturlesen, ohne das die vorliegende Arbeit sicherlich ungleich reicher an Flüchtigkeitsfehlern wäre. Zuletzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen Eltern, auf deren finanzielle und ideelle Unterstützung ich mich während meiner gesamten Ausbildung einschließlich der Promotion zu jedem Zeitpunkt verlassen konnte, meinen Dank auszusprechen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im Juli 2020

Tillmann Horter

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

1. Teil Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes im deutschen Recht

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A. Die Bestrafung des Versuchs im deutschen Recht bis 1800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Vorneuzeitliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Carolina und gemeinrechtliche Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Kodifikationen des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Theresiana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Josephina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Preußisches ALR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Die Diskussion vom späten 18. Jahrhundert bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Die Argumente für die generell mildere Versuchsbestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Das geringere Unrecht des Versuchs gegenüber der Vollendung . . . . . . . . . . . . 34 a) Die Rechtsgutsgefährdung als Minus zur Rechtsgutsverletzung (objektive Versuchslehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Der Versuch als mindere äußerliche Manifestation des rechtsfeindlichen Willens (subjektive Versuchslehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Der geringfügigere Eindruck der versuchten Tat auf die Allgemeinheit . . . . 37 d) Das Fehlen einer zum Eintritt der Vollendungsstrafe erforderlichen gesetzlichen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Die Ausübung psychologischen Zwangs auf den Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Indizierung des Mangels an entschiedenem Erfolgswillen durch das Ausbleiben des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Die für eine (partielle) Gleichbestrafung des Versuchs und der Vollendung vorgetragenen Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Das spezialpräventive Argument: Die Tätergefährlichkeit als Strafmaßstab . . . 41 2. Das normlogische Argument: Die Wirkung von Rechtsnormen allein über die menschliche Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

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Inhaltsverzeichnis 3. Das Zufallsargument: Die Unvereinbarkeit der Erfolgsrelevanz mit dem Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

C. Die Milderungsgründe beim Versuch in den Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts

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I. Ausbleiben der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Obligatorische Milderung der Versuchsstrafe in der Mehrzahl der Partikulargesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. (Partielle) Möglichkeit einer Gleichbestrafung im Preußischen StGB und Bayerischen StGB von 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Mangel der Versuchsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Untauglichkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Ausführung von Rücktrittshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 D. Die Einführung der obligatorischen Strafmilderung im RStGB von 1871 . . . . . . . . . . 52 E. Die Entwürfe der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . 53 F. Die NS-Zeit: Der Weg zur Einführung der fakultativen Strafmilderung durch die Gewaltverbrecherverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 G. Die Reformentwürfe nach 1945 bis zur Novellierung des Allgemeinen Teils durch das 2. Strafrechtsreformgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Forderungen nach der Beibehaltung der fakultativen Strafmilderung in den Entwürfen der Großen Strafrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Forderung nach einer Rückkehr zur obligatorischen Strafmilderung im AE1966 61 III. Bestätigung der fakultativen Strafmilderung im 2. Strafrechtsreformgesetz . . . . . 62 H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

2. Teil Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen und ihr Einfluss auf die Strafhöhe

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A. Erläuterung der Grundbegriffe und Ermittlung der vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Die Unterscheidung von Sanktions- und Verhaltensnormen; Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens aus der Verhaltensnormperspektive . . . . . . . . . 65 2. Die Voraussetzungen der Qualifizierung einer Handlung als tatbestandsmäßiges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Inhaltsverzeichnis

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II. Vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzungen, die während des Vollzugs des tatbestandsmäßigen Verhaltens verwirklicht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Die subjektive Seite des tatbestandsmäßigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Der für die Vollendungsstrafbarkeit erforderliche qualifizierte Grad an Verwirklichungsbewusstsein (Versuchsbeendigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Die Struktur und strikte Verhaltensbezogenheit des Verwirklichungsbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Die Versuchsbeendigung als der für die Vollendung notwendige Grad an Verwirklichungsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Normative Einwände gegen die Versuchsstrafbarkeit als adäquate Lösung in der Konstellation des planwidrig vorzeitigen Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . 75 aa) Gleichgewichtiges objektives Unrecht als Grund für die Annahme der Vollendungsstrafbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Das Fehlen relevanter normativer Unterschiede zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch als Grund für die Vollendungsstrafbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Bestimmung des Zeitpunkts der Versuchsbeendigung für den Fall der „sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dem letzten positiven Mitteleinsatz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Die objektive Seite des tatbestandsmäßigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Objektive Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Kongruenz zwischen dem vorgestellten und dem objektiv geschaffenen Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Verwirklichung des vorsätzlich geschaffenen Risikos im tatbestandsmäßigen Erfolg als vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzung der Erfolgsdelikte . . . . 86 B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Das geringere positiv-generalpräventive Interesse an der Versuchsbestrafung . . . . 93 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Der „rechtserschütternde Eindruck“ als Grund für die Bestrafung des Versuchs und der Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Die Bestimmung der Strafhöhe nach den vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen als adäquates Mittel zur Erhaltung des allgemeinen Wertbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Ablehnung einer „sozialtechnologischen“ Bezugnahme auf die typischerweise eintretenden realen Effekte der Tat als Kriterien für die Bestimmung der Tatschwere und als Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe . . . . . 100 2. Mangel des zum vorsätzlich geschaffenen Risiko zurechenbaren tatbestandsmäßigen Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Die Ambivalenz der Stellung von Handlungsfolgen im Rahmen alltagsmoralischer Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Die Bewertung von Handlungen nach den durch sie realisierten Folgen („Kausalitätsprinzip“) als Gerechtigkeitsintuition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

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Inhaltsverzeichnis bb) Erschütterung der Gerechtigkeitsintuition durch die Thematisierung des „resultant luck“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Der Einfluss des Erfolgsmangels auf das Ausmaß des rechtserschütternden Eindrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Abschwächung des rechtserschütternden Eindrucks auf der intuitiven Wertungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Keine Abschwächung des rechtserschütternden Eindrucks auf der reflexiven Wertungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Die Prävalenz der reflexiven Wertungsebene bei der strafprozessualen Thematisierung als entscheidender Einwand gegen die mildere Bestrafung des Versuchs wegen des Erfolgsmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 d) Zum Verweis auf die „selbstzerstörerischen“ Konsequenzen der Thematisierung des „resultant luck“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Generelle Notwendigkeit der Thematisierung des Zufallseinflusses im Rahmen moralischer Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Unvereinbarkeit der Thematisierung der deliktischen Willensbildung und des Tatfortschritts als Zufall mit dem Postulat der Willensfreiheit sowie mit dem Tatprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Vereinbarkeit der Thematisierung des „resultant luck“ mit dem Postulat der Willensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 e) Obligatorische Strafmilderung wegen der Indizierung geringer Gefährlichkeit des Versuchs durch den Erfolgsmangel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Mangel der objektiven Vollendungstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Begründung des Gebots der Thematisierung der fehlenden objektiven Vollendungstauglichkeit als Zufall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Vereinbarkeit der Thematisierung des Mangels der objektiven Vollendungstauglichkeit als Zufall mit dem Charakter des Strafrechts als „Sozialethik“ 117 c) Entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf den umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Mangel der Versuchsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Entstehung eines rechtserschütternden Eindrucks durch Vorbereitungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Intensivierung des rechtserschütternden Eindrucks durch den Tatfortschritt 121 c) Unvereinbarkeit der Thematisierung des Mangels der Versuchsbeendigung als Zufall mit dem Postulat der Willensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Verringerung des Opferinteresses an der Bestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Verhaltenssteuerung durch Ausübung von psychologischem Zwang . . . . . . . . . . . 126

C. Exkurs 1: Zur funktionalen Deutung des objektiven Tatbestands im geltenden Recht 127 I. Der objektive Tatbestand als Kriterium zur Selektion der strafprozessual zu thematisierenden Normwidersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Langfristige Aussicht auf Eliminierung der Erfolgsrelevanz im Strafrecht? . . . . . 132 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Inhaltsverzeichnis

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3. Teil Anwendung von § 23 II StGB

137

A. Der Regelungsgehalt von § 23 II StGB: Fakultative Strafrahmenmilderung . . . . . . . . 137 B. Gründe für die Strafrahmenmilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Gesamtbetrachtung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände . . . . . . 139 1. Die Gesamtbetrachtungslehre der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Ablehnung der Gesamtbetrachtungslehre wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 II. Das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Mangel des Erfolgs oder eines ihn substituierenden Folgenunwerts . . . . . . . . . 145 2. Mangel der Vollendungstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Mangel der Versuchsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III. Eigene Ansicht: (Partielle) Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Die Anknüpfung an die §§ 23 III, 24 StGB als positiv-rechtlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Die Grundgedanken der §§ 23 III, 24 I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Das Fehlen bzw. die krasse Verminderung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zum groben Unverstand des Täters als Grund für die in § 23 III StGB gewährte Straffreiheit bzw. für die außerordentliche Strafmilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zur Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung als Grund für die durch § 24 I S. 1 Var. 1 StGB gewährte Straffreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zur Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung auf der intuitiven Wertungsebene als Grund für die durch § 24 I S. 1 Var. 2 StGB gewährte Straffreiheit 163 dd) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der hypothetischen Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zur Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung auf der intuitiven Wertungsebene als Grund für die durch § 24 I S. 2 StGB gewährte Straffreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Exkurs 2: Der objektive Tatbestand als Kriterium zur Selektion der zu bestrafenden Normwidersprüche während der Thematisierung im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Die Unterscheidung „absolut“ und „relativ“ versuchsbezogener Tatumstände als Gründe für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II StGB . . . . . . . . . . . . 173

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Inhaltsverzeichnis 2. Die absolut versuchsbezogenen Milderungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Scheitern der Tat aufgrund eines vermeidbaren, aber nicht grob unverständigen Irrtums des Täters bei der Unrechtsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Der vermeidbare umgekehrte Tatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Vermeidbare Fehlannahme der nomologischen Vollendungstauglichkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Vermeidbare Fehlannahme der ontologischen Vollendungstauglichkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Der vermeidbare umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . 179 cc) Die vermeidbare Fehlannahme von Umständen, die eine freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung ausschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Partiell zurechenbare Aufgabe der weiteren Tatausführung . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Aufgabe der weiteren Tatausführung im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Aufgabe der weiteren Tatausführung zwecks Vermeidung einer zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Verletzung fremder Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Die relativ versuchsbezogenen Milderungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Nachtatverhalten, das strafbefreienden Verhinderungsbemühungen nahekommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Vermeidbar planwidrige Verhinderung der Tatvollendung? . . . . . . . . . . 194 bb) Vollendungsverhinderung bei Verzicht auf den Einsatz eines besser geeigneten Rettungsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 cc) Unverständiges Bemühen um die Vollendungsverhinderung . . . . . . . . . 200 dd) Unterlassen des Abbruchs rettender Kausalverläufe oder weiterer gegen das Rechtsgut gerichteter Mitteleinsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 ee) Verhinderung der Tatvollendung im Zustand erheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 ff) Verhinderung der Tatvollendung zwecks Vermeidung einer zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Verletzung fremder Rechtsgüter . . 205 b) Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Vermeidbare Verhinderung der Tatvollendung durch ein Verhalten vor dem Eintritt in das strafbare Versuchsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB . . . . . . . 216 I. Die Konkretisierung des auf den Versuch anzuwendenden Strafrahmens . . . . . . . 216 1. Anwendung des Regelstrafrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Verbot der Anwendung der Strafrahmenobergrenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Die Auswirkung des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des subjektiven Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Die Auswirkung des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Inhaltsverzeichnis

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2. Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Die Konsequenzen des Doppelverwertungsverbots aus § 46 III StGB . . . . . 219 b) Die Auswirkung des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Obligatorische Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB beim unbeendeten Mordversuch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Die Behandlung des kumulativen Vorliegens mehrerer Milderungsgründe . . . . . . 222 1. Kumulatives Vorliegen mehrerer Defizite des deliktischen Vorgehens . . . . . . . 222 2. Kumulatives Vorliegen eines Defizits des deliktischen Vorgehens und einer partiell rechtsbestätigenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Analoge Anwendung von § 23 II StGB auf das vollendete Delikt beim Vorliegen „relativ“ versuchsbezogener Tatumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 A. Die historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes bis zur Einführung von § 23 II StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 B. Straffunktionale Begründung der Milderung der Versuchsstrafe wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 C. Gebrauch der Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB . . . . . . . . . . . . 232 I. Ablehnung der Berücksichtigung nicht versuchsbezogener tat- und täterbezogener Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 II. Keine Strafrahmenmilderung wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Strafrahmenmilderung wegen der partiellen Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Scheitern der Tat aufgrund eines vermeidbaren, aber nicht grob unverständigen Irrtums des Täters bei der Unrechtsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Die partiell zurechenbare Aufgabe der weiteren Tatausführung . . . . . . . . . . . . 234 3. Nachtatverhalten, das der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung nahekommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Vermeidbare Verhinderung der Tatvollendung durch ein Verhalten vor dem Eintritt in das strafbare Versuchsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 IV. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB . . . . 237 D. Ausblick: Konsequenzen für die Dogmatik des objektiven Tatbestands im Strafrecht 238 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. Abs. AE AK ALR amtl. Anm. Art. ARWP AT Aufl. Begr. Bem. BGB BGH BGHR StGB BGHSt BT BT-Drucks. BYU L. Rev. bzgl. bzw. CCC CCT CrimGB d. h. del. ders. dies. DJ Dt. DZPhil E etc. f.; ff. FD-StrafR FG Fn.

andere Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Alternativentwurf Alternativkommentar zum Strafgesetzbuch Allgemeines Landrecht amtlich(en) Anmerkung(en) Artikel Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie Allgemeiner Teil Auflage Begründung Bemerkungen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung Strafsachen (Amtliche Sammlung der) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Brigham Young University Law Review bezüglich beziehungsweise Constitutio Criminalis Carolina Constitutio Criminalis Theresiana Criminalgesetzbuch das heißt delictum derselbe dieselbe Deutsche Justiz Deutsch Deutsche Zeitschrift für Philosophie Entwurf et cetera folgende (Singular; Plural); auch: für Fachdienst Strafrecht Festgabe Fußnote

18 FS GA gem. GG ggf. GrünhutsZ GS h. M. Hervorh. herzogl. HRG Hrsg. i. E. i. S. i. V. m. J Value Inquiry J. Crim. L. & Crim-inology JA JJZG Jura JuS JZ Kap. LG lit. LK m. a. W. m. E. m. w. N. MDR MK MK-BGB MschrKrim n. Chr. NACrim Niederschr. NJW NK Norddt. Nr. NStZ NStZ-RR OEG OLG Orig. Philos. Public Aff. Prot. RG

Abkürzungsverzeichnis Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart Gedächtnisschrift, auch: Der Gerichtssaal herrschende Meinung Hervorhebung herzoglichen Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Herausgeber im Ergebnis im Sinne in Verbindung mit Journal of Value Inquiry Journal of Criminal Law and Criminology Juristische Ausbildung Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Landgericht littera Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch mit anderen Worten meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform nach Christi Geburt Neues Archiv des Criminalrechts Niederschriften Neue Juristische Wochenzeitschrift Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Norddeutsch Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungsreport Opferentschädigungsgesetz Oberlandesgericht Original Philosophy & Public Affairs Protokoll Reichsgericht

Abkürzungsverzeichnis RGSt Rn. RStGB RW S. schweiz. SK SMS StGB StV u. u. a. U. Ill. L. Rev. U. Pa. L. Rev. u. U. übers. usw. v. Var. Verf. vgl. Vorbem. z. z. B. ZIS zit. ZRG GA ZStrR ZStW

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(Amtliche Sammlung der) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Reichsstrafgesetzbuch Rechtswissenschaft Seite, auch: Satz schweizerisch Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Short Message Service Strafgesetzbuch; wenn nicht näher bezeichnet: deutsches Strafgesetzbuch Strafverteidiger und unter anderem University of Illinois Law Review University of Pennsylvania Law Review unter Umständen übersetzt und so weiter von Variante Verfasser; auch Verfassung vergleiche Vorbemerkung zu zum Beispiel Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung A. Gegenstand der Untersuchung § 23 II StGB lautet: Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). Mit dieser Formulierung enthält sich das StGB anders als zahlreiche ausländische Kodifikationen1 der Angabe von Kriterien, nach deren Maßgabe von der Möglichkeit der Strafmilderung beim Verbleib der Tat im Versuchsstadium Gebrauch zu machen ist, und stellt den Rechtsanwender vor die Aufgabe, entsprechende Kriterien selbst zu bestimmen. Hauptanliegen der vorliegenden Untersu1

Es finden sich in ausländischen Kodifikationen verschiedene materielle Anknüpfungspunkte für die Entscheidung über die Milderung der Versuchsstrafe. In einigen ausländischen Gesetzen sind diese nicht als klar konturierte Fallgruppen, sondern als gleitende Kriterien ausgestaltet. So kommt es nach Art. 35 II des türkischen StGB bei der Strafrahmenwahl auf die durch die Versuchshandlung bedingte Stärke des Schadens und die Größe der Gefahr an. Neben dem Gefährlichkeitsgrad knüpft das spanische StGB in Art. 62 auch an den Ausführungsgrad der Versuchshandlung an. Im dänischen StGB richtet sich der Gebrauch der Milderungsmöglichkeit gem. § 21 nach der Stärke und der Festigkeit des verbrecherischen Willens. In Griechenland tritt der Strafmilderung prinzipiell obligatorisch ein (Art. 42 I des griechischen StGB). Eine Gleichbestrafung des Versuchs ist jedoch gem. Art. 42 II des griechischen StGB möglich, wenn dies aus spezialpräventiven Gesichtspunkten angezeigt ist. In Russland hängt der Eintritt der Strafmilderung gem. Art. 66 des russischen StGB von den Umständen ab, wegen derer die Vollendung der Tat ausgeblieben ist, ohne dass diese Umstände allerdings näher bezeichnet werden. Einige der ausländischen Vorschriften, die eine fakultative Milderung regeln, enthalten sich der Angabe der für den Eintritt der Milderung maßgeblichen Gründe (vgl. Art. 22 I des schweiz. StGB; § 80 lit. b) des Norwegischen StGB; Art. 23 II des Chinesischen StGB; § 34 I Ziffer 13 des österreichischen StGB). Daneben finden sich in ausländischen Kodifikationen auch obligatorische Strafmilderungen beim Versuch (Art. 14 (Parágrafo único) des brasilianischen StGB); Art. 44 des argentinischen StGB; Art. 23 II des portugiesischen StGB; Art. 45 des niederländischen StGB; Art. 52 des belgischen StGB; Kap. 5 § 1 III des finnischen StGB). In anderen Kodifikationen wird die Strafmilderung dagegen obligatorisch an bestimmte Versuchstypen geknüpft. So enthalten das polnische (Art. 14 § 2) und das koreanische (Art. 27 S. 2) StGB fakultative Strafmilderungen für den untauglichen Versuch. Eine obligatorische Strafmilderung für den untauglichen Versuch sehen das Argentinische (Art. 44 III) und das griechische (Art. 43 I) StGB vor. Das paraguayische StGB knüpft dagegen in Art. 27 III ausschließlich an den unbeendeten Versuch eine obligatorische Strafmilderung, behandelt den beendeten Versuch und das vollendete Delikt also gleich (vgl. Art. 27 II). Das japanische StGB sieht in § 43 I für den Rücktritt vom Versuch neben der Möglichkeit der Straffreiheit auch die Alternative einer bloßen Strafmilderung vor. Das griechische StGB beschränkt die Milderung als Alternative zur Straffreiheit allein auf den Rücktritt vom beendeten Versuch (Art. 44 II). Weiter gibt es auch Rechtsordnungen, in denen keine allgemeinen Bestimmungen vorhanden sind, nach denen die Versuchsstrafe von der Vollendungsstrafe abweicht (vgl. § 21 II des tschechischen StGB; Art. 121 – 4, 121 – 5 des französischen StGB).

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Einleitung

chung ist die Erarbeitung eines Vorschlags zur Bestimmung der für die Anwendung von § 23 II StGB maßgeblichen Kriterien. Eine allein dieser Frage gewidmete Monographie ist bislang – soweit ersichtlich – nicht erschienen.2 Auf die mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 II GG) bestehenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 23 II StGB wird nicht eingegangen,3 weil es sich um ein sämtliche fakultative Strafmilderungen des Allgemeinen Teils betreffendes und damit um kein spezifisches Problem der hier untersuchten Vorschrift handelt. Weil die Strafmaßbestimmung beim Versuch (seit jeher) relativ zur jeweiligen Vollendungsstrafe erfolgt, besteht das Kernproblem der vorliegenden Untersuchung in der Beantwortung der Frage, aus welchem Grund die Eröffnung der Milderungsmöglichkeit nach § 23 II StGB davon abhängt, dass die Tat im Versuchsstadium verblieben und nicht zur Vollendung gelangt ist. Einigkeit besteht zumindest in der Literatur darüber, dass der Gebrauch der Milderungsmöglichkeit allein vom Vorliegen versuchsbezogener Tatumstände abhängen kann.4 Nur so sei die Versuchsspezifität der Milderungsmöglichkeit zu erklären. Allerdings lassen sich traditionell zwei verschiedene Auffassungen zu der Frage unterscheiden, von welchen versuchsbezogenen Tatumständen die Milderung der Versuchsstrafe abhängen soll. Wegen der verbreiteten Auffassung, der Versuch stelle sich gegenüber der Vollendung lediglich auf der Seite des objektiven Tatbestands als defizitär dar, wird das Gebot, den Versuch milder als die vollendete Tat zu bestrafen, traditionell auf die defizitäre Verwirklichung des objektiven Tatbestands und insbesondere auf das Ausbleiben des tatbestandsmäßigen Erfolgs gestützt.5 Dies folge vor allem aus der in der Bevölkerung vorherrschenden, im 18. Jahrhundert etwa durch den Moralphilosophen Adam Smith konstatierten Gerechtigkeitsanschauung,6 wonach die Bewertung einer Handlung wesentlich von den durch sie realisierten Folgen geprägt sei. Weil die Funktion des Strafrechts vor allem in der Erhaltung des gesellschaftlichen 2 Die außerhalb der einschlägigen Kommentierungen ausführlichsten Auseinandersetzungen mit § 23 II StGB finden sich bei Timpe, Strafmilderungen, S. 91 ff.; Frisch, in: FS Spendel, 381; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 132 ff. 3 Explizit wird die Verfassungswidrigkeit von M. Köhler angenommen (Strafrecht AT, S. 90); Zweifel bzgl. der Verfassungsmäßigkeit finden sich bei NK/Zaczyk, § 23 Rn. 3; für die Verfassungsmäßigkeit dagegen LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 11. 4 Dagegen berücksichtigt die Rechtsprechung auch nicht versuchsbezogene Umstände; dazu: 3. Teil B. I. 5 Dass die wegen der defizitären Verwirklichung des objektiven Tatbestands geäußerte Forderung nach einer obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe trotz der ausdrücklich geregelten Kann-Milderung in § 23 II StGB möglich sein soll, folgt aus der noch ausführlich zu behandelnden Zweiaktigkeit der Strafzumessung beim Versuch. Wie bei anderen Strafmilderungsregelungen im AT handelt es sich bei § 23 II StGB nämlich um eine Strafrahmenmilderung (dazu: 3. Teil A.). Nach der durch § 23 II StGB eröffneten Strafrahmenwahl erfolgt als zweiter Schritt der Strafzumessung beim Versuch noch die Strafrahmenkonkretisierung. Selbst wenn man also die Strafrahmenmilderung wegen des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium ablehnt, verbleibt noch die Möglichkeit, das Ausbleiben der Vollendung bei der Strafrahmenkonkretisierung obligatorisch zugunsten des Täters zu berücksichtigen. 6 Smith, Theorie, S. 137 ff.

A. Gegenstand der Untersuchung

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Wertbewusstseins bestehe, müsse es die in der Gesellschaft praktizierten Bewertungsstrukturen nachvollziehen. „Seit jeher [würden] menschliche Taten auch daran gemessen, was sie bewirken, und auch das Recht [könne] deshalb […] nicht umhin, bei der Bewertung eines Geschehens dessen schädlichen Erfolg als einen negativen Faktor mit einzubeziehen.“7 Da sich der Versuch aber gerade dadurch auszeichnet, dass die deliktische Handlung folgenlos geblieben, also „nichts passiert ist“, müsse der Versuch zwingend mit einer milderen Strafe belegt werden. In strafrechtsdogmatischen Begriffen ausgedrückt bedeutet dies: Auch wenn der Handlungsunwert als deliktischer Kern und als unrechtsbegründendes Element heute weitgehend unbestritten ist, füge der Erfolgsunwert dem Unrechtsgehalt der deliktischen Handlung noch etwas hinzu, sodass sich dessen Fehlen auf die Strafhöhe auswirken müsse. Die Auffassung, dass der Grund der Strafmilderung beim Versuch in der unvollständigen Verwirklichung des objektiven Tatbestands bestehe, ist jedoch nicht unbestritten. Der Ausscheidung des Erfolgsunwerts aus dem strafrechtlichen Unrechtsbegriff und der Ablehnung des Einflusses des Erfolgsunwerts auf die Strafhöhe hat etwa der argentinische Strafrechtswissenschaftler Marcelo A. Sancinetti einen Schwerpunkt seiner Forschung gewidmet: Die Gerechtigkeitsanschauung, dass es „schlimmer“ sei, wenn „etwas passiert ist“, wurzele in der mit dem heute vorherrschenden objektiv-mechanischen Weltbild im Grunde unvereinbaren, gleichwohl aber fortwirkenden Intuition, alle natürlichen Ereignisse als intentional bedeutsam, d. h. als das Ergebnis des Wirkens personaler Kräfte aufzufassen. Sancinetti bezeichnet dieses Denken als „Erfolgsmythos“.8 Auch wenn der Täter im Falle des Erfolgsmangels wegen dessen, was er getan hat, eigentlich nicht zwingend milder bestraft werden dürfe, müsse ihm das Ausbleiben des Erfolgs – so jedenfalls nach dem „erfolgsmythologischen“ Denken – wegen der sich darin offenbarenden Wohlgesinnung des „Schicksals“ zugutekommen.9 Rational betrachtet handle es sich beim Erfolg (bzw. dessen Ausbleiben) jedoch – wie auch bei jeder anderen Form objektiv wahrnehmbarer Manifestation des deliktischen Willens – lediglich um ein natürliches Ereignis und deshalb um einen Zufall, der in einem Schuldstrafrecht, in dem es lediglich um eine Bewertung der sich vollständig unter der Kontrolle des Täters befindenden Umstände geht, für die Bewertung der rechtswidrigen Hand7

Schönke/Schröder/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 59. Sancinetti, Teoría, S. 68 ff., 77 ff.; ders., Unrechtsbegründung, S. 24 ff.; ders., JJZG 2011, 267 (268). 9 Dieses Denken kommt in der folgenden Textstelle Platons deutlich zum Ausdruck (Nomoi IX, 877a): „Die Anklage auf eine Verwundung sei bei uns folgende. Wenn jemand einen ihm Befreudeten, es sei denn, daß das Gesetzes ihm gestatte, mit der Absicht ihn zu töten, zwar verwundete, aber nicht zu töten vermochte; dann verdient der, welcher das beabsichtigte und so ihn verwundete, kein Mitleid, noch haben wir sonst uns zu scheuen, ihn, als hätte er denselben getötet, vor Gericht zu ziehen: indem man aber mit heiliger Scheu es anerkennt, daß weder das Geschick ihm ganz abgeneigt war, noch sein Dämon, welcher aus Mitleid mit ihm und mit dem Verwundeten es abwendete, von jenem die unheilbare Wunde, von diesem ein verwünschenswertes Los und Mißgeschick; beweise man diesem Dämon sich dankbar und handle ihm nicht entgegen, sondern erlasse dem Urheber der Wunde die Todesstrafe […].“ 8

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Einleitung

lungen keinerlei Relevanz innerhalb des für das Strafmaß maßgeblichen Werturteils haben könne. Damit schließt Sancinetti an eine alte – allerdings fast zu jedem Zeitpunkt der Strafrechtsgeschichte in der Minderheit gebliebene – Tradition an, für die der spezifische Grund für die Milderung der Versuchsstrafe nicht die defizitäre Verwirklichung des objektiven Tatbestands, sondern die defizitäre Ausbildung des deliktischen Willens ist. In der modernen deutschen Strafrechtswissenschaft ist dieser Standpunkt – wiewohl er sich schon in ihren Anfängen zu Beginn des 19. Jahrhunderts findet10 – im 20. Jahrhundert insbesondere von den Vertretern der finalen Handlungslehre, namentlich von Armin Kaufmann und seinem Schüler Zielinski vertreten worden. Dem Täter dürfe der Mangel der Vollendung an sich nicht zugutekommen, sondern nur dann, wenn die Vollendung an der unvollständigen Verwirklichung des subjektiven Tatbestands scheitert, wenn es also nicht zum Vollzug sämtlicher vom Täter zur Erfolgsherbeiführung für notwendig gehaltener Willensakte gekommen ist.11 Heute hat sich die Position, dass es sich bei der defizitären Verwirklichung des objektiven Tatbestands nicht nur begrifflich, sondern auch mit Blick auf das verwirklichte Unrecht um ein Minus des Versuchs handle, wieder weitgehend durchgesetzt,12 weshalb auch die Forderung nach einer obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe wegen des Ausbleibens des Erfolgs überwiegt. Ich halte diese Auffassung für nicht überzeugend und bin der Meinung, dass die Strafmaßdifferenzierung wegen der unvollständigen Verwirklichung des objektiven Tatbestands entgegen der landläufigen Auffassung nicht zu begründen ist. Bei dem häufig behaupteten „Mehr an Signifikanz“ des erfolgreichen deliktischen Handlungsprojekts und dem damit verbundenen erhöhten Strafbedürfnis13 handelt es sich um einen prima facie einleuchtenden, aber dennoch unrichtigen Standpunkt. Auch wenn diese Ansicht i. E. nicht neu ist, weicht mein Begründungsansatz insoweit von demjenigen der finalen Handlungslehre ab, als ich die Begründung der Irrelevanz der Handlungsfolgen für die Strafhöhe nicht primär auf die Wirkung von Verhaltensnormen – namentlich auf die Unmöglichkeit der Steuerung äußerer Kausalverläufe durch Imperative – sondern auf einen die Sanktionsperspektive einbeziehenden, durch das Ziel der positiven Generalprävention funktional fundierten Unrechtsbegriff stütze. Gerade die Erhaltung des gesellschaftlichen Wertbewusstseins und die damit verbundene Notwendigkeit der Berücksichtigung des allgemeinen Gerechtigkeitsempfindens verbieten m. E. eine Strafmaßdifferenzierung wegen der unvollständigen Verwirklichung des objektiven Tatbestands, weil in den Regeln alltäglicher sozialer Interaktion das Wissen um die aus den beschränkten kognitiven 10

Dazu: 1. Teil B. II. Armin Kaufmann, in: FS Welzel, 393 (403 ff.); ders., ZStW 80 (1968), 34 (50 ff.); Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 128 ff., 200 ff. 12 Lüderssen konstatiert etwa, „dass die Vertreter des ,reinen Finalismus‘ inzwischen verstummt [seien]“ (in: FS Herzberg, S. 109 (114)). 13 Dazu exemplarisch Jakobs, Strafrecht AT, 6/73. 11

B. Gang der Untersuchung

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Fähigkeiten des Menschen resultierende unvollkommene Steuerbarkeit äußerer Kausalverläufe zwar nicht intuitiv, durchaus aber bei reflektierter Auseinandersetzung mit dieser Frage vorhanden ist. Damit bestreite ich die vorherrschende – von den Vertretern der Unrechtsirrelevanz von Handlungsfolgen teilweise nicht einmal bestrittene – Auffassung, ein straffunktional begründeter Unrechtsbegriff müsse den Handlungsfolgen Einfluss auf das Unrechtsmaß einräumen. Aus diesem Axiom – der Anerkennung der beschränkten Gestaltungsfähigkeit des Menschen mit Blick auf seine Umwelt – leite ich meinen Lösungsvorschlag zur Bestimmung der für § 23 II StGB maßgeblichen Milderungsgründe ab: Grund für die Milderung der Versuchsstrafe ist nicht der Verbleib der Tat im Versuchsstadium an sich, sondern der Umstand, dass das Ausbleiben der Vollendung nach den Regeln alltäglicher sozialer Interaktion dem Vorgehen des Täters (partiell) zuzuschreiben ist.

B. Gang der Untersuchung Im 1. Teil der Untersuchung widme ich mich der Darstellung der Geschichte der Bestimmung des Versuchsstrafmaßes im deutschen Recht von den germanischen Volksrechten bis hin zur Einführung der fakultativen Milderung der Versuchsstrafe im Jahr 1939 (§ 44 RStGB) und ihrer Bestätigung in den Jahren 1969/1975. Dabei stelle ich neben den einschlägigen Gesetzestexten und -materialien auch die in der wissenschaftlichen Diskussion ausgetauschten Argumente dar. Von besonderem Interesse für den weiteren Verlauf der Untersuchung werden dabei als Interpretationshilfe die Motive sein, die den Gesetzgeber zur Einführung der fakultativen Strafmilderung und zu ihrer Bestätigung bewogen haben.14 Wegen der Relativität der Versuchsstrafmaßbestimmung zur Vollendungsstrafe werden im 2. Teil der Untersuchung das begriffliche Verhältnis von Versuch und Vollendung analysiert, die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen herausgearbeitet15 und anschließend unter Heranziehung verschiedener Straffunktionen ergründet, ob und inwieweit das Fehlen der vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen das Gebot der milderen Bestrafung des Versuchs begründet.16 Im Rahmen dieser Erörterungen geht es vor allem um die Beantwortung der Frage, ob der gegenüber dem Täter erhobene Schuldvorwurf allein auf das subjektive Unrecht gestützt wird, oder ob die Verwirklichung objektiver Umstände den Schuldvorwurf verschärft. Im 3. Teil beschäftige ich mich mit den praktischen Problemen der Anwendung von § 23 II StGB. Nach einer kurzen Klärung der technischen Aspekte – insbesondere der Unterscheidung zwischen der Strafrahmenwahl und der Strafrahmen14 15 16

Dazu: 1. Teil G. III. Dazu: 2. Teil A. Dazu: 2. Teil B.

26

Einleitung

konkretisierung bei der Versuchsstrafzumessung17 – wird das Kernproblem der Untersuchung erörtert, nämlich die Bestimmung der Kriterien für die durch den Verweis von § 23 II StGB auf § 49 I StGB eröffnete Strafrahmenwahl. Dabei werde ich mich zunächst kritisch mit der von der Rechtsprechung vertretenen Gesamtbetrachtungslehre, wonach sämtliche auch nicht versuchsbezogenen, für und gegen den Täter sprechenden Umstände bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen seien,18 und den in der Literatur vertretenen Ansichten, nach denen die Strafrahmenverschiebung schon wegen des bloßen Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen geboten sei,19 auseinandersetzen. Anschließend leite ich ausführlich meinen eigenen Standpunkt her. Dieser schließt an die teilweise vertretene Ansicht an, wonach die Gründe für die Strafrahmenverschiebung im Randbereich zu den §§ 23 III, 24 StGB zu ermitteln seien.20 Nach der Ermittlung der Kriterien für die Strafrahmenwahl werde ich mich zum Abschluss der Untersuchung mit den versuchsspezifischen (Folge-)Problemen bei der Strafrahmenkonkretisierung,21 mit der Auswirkung unrechtsmindernder, aber nicht strafrahmenmildernder versuchsbezogener Tatumstände auf die Höhe der Mordstrafe,22 mit dem Problem der kumulativen Verwirklichung mehrerer für eine Strafmilderung gem. § 23 II StGB hinreichender Tatumstände23 und mit der Frage nach einer analogen Anwendbarkeit des § 23 II StGB auf das vollendete Delikt beschäftigen.24

17 18 19 20 21 22 23 24

Dazu: 3. Teil A. Dazu: 3. Teil B. I. Dazu: 3. Teil B. II. Dazu: 3. Teil B. III. Dazu: 3. Teil C. I. Dazu: 3. Teil C. II. Dazu: 3. Teil C. III. Dazu: 3. Teil C. IV.

1. Teil

Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes im deutschen Recht Weil der Versuch als allgemeine Kategorie im deutschen Recht erst in der Neuzeit Anerkennung fand, hatte es in der Zeit des Mittelalters sowohl in kodifikatorischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht an einer Auseinandersetzung mit dem Problem der gerechten Versuchsbestrafung gefehlt. In der frühen Neuzeit konzentrierte sich die Diskussion vor allem noch auf die Herausarbeitung des technischen Begriffsinstrumentariums zur Erfassung der dogmatischen Probleme des Versuchs. Erst mit dem Beginn der modernen Strafrechtswissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts und der Kodifikationswelle des 19. Jahrhunderts verzeichnete die Diskussion gemessen an ihrem argumentativen Niveau einen sprunghaften Anstieg. Da es in dieser Arbeit in erster Linie um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Problem der gerechten Versuchsbestrafung geht, liegt der Schwerpunkt ihres historischen Teils folglich auf der Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts. Gleichwohl wird die Zeit vor 1800 insoweit beleuchtet, als dies für das Verständnis späterer Zusammenhänge erforderlich und förderlich ist (unter A.). Anschließend stelle ich die wesentlichen inhaltlichen Aspekte aus der literarischen Auseinandersetzung mit der hier behandelten Problematik bis 1933 dar (unter B.). Des Weiteren geht es um die Kodifikationen und Entwürfe des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere um die Versuchsregelungen der deutschen Partikulargesetze (unter C.), die Einführung der obligatorischen Strafmilderung durch das RStGB im Jahr 1871 (unter D.), die Entwicklung hin zur Einführung der fakultativen Strafmilderung im Jahr 1939 (unter E. und F.) und deren gesetzliche Bestätigung im Jahr 1969 (unter G.).

A. Die Bestrafung des Versuchs im deutschen Recht bis 1800 I. Vorneuzeitliches Recht Wie jedes wenig entwickelte Rechtsdenken zeichnete sich auch dasjenige des deutschen Mittelalters durch mangelndes Abstraktionsvermögen1 und ein Haften

1

Henle, Höhe, S. 11.

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

am Äußerlichen – insbesondere an den realisierten Folgen von Handlungen – aus.2 In den germanischen Volksrechten3 wie auch in späteren Kodifikationen des Mittelalters4 sucht man deshalb vergeblich nach allgemeinen Bestimmungen über die Versuchsstrafbarkeit.5 Lediglich einzelne materielle Versuchshandlungen, vor allem Tötungshandlungen, wurden in speziellen Tatbeständen sanktioniert, blieben aber insgesamt gegenüber den Verletzungserfolgstatbeständen die Ausnahme.6 Die Erfolgsbezogenheit des germanischen Rechtsdenkens war Ausdruck eines von allen vorindustriellen Gesellschaften geteilten animistischen Weltbilds.7 Äußerliche Vorgänge und Ereignisse wurden in dessen Rahmen subjektivistisch-intentional – m. a. W. als Ergebnisse eines auf ihren Eintritt gerichteten Willens – und daher prinzipiell nicht als bloßer Zufall oder als Unglück aufgefasst. Da diesem Denken die Unterscheidung zwischen realisierten und intendierten Folgen von Handlungen unbekannt war, hatte das Recht überhaupt keinen Anlass, im Falle der äußerlichen Erfolgsverursachung nach dem Fehlen eines damit korrespondierenden Erfolgswillens zu fragen.8 Vielmehr wurde dieser mit dem Erfolgseintritt „unwiderleglich vermutet“,9 was im Umkehrschluss eine Indizierung des Fehlens des Erfolgswillens durch den Erfolgsmangel bedeutete. Trotz des die primitive Weltanschauung dominierenden Zusammenhangs von „Wollen und Bewirken“ bildeten sich wohl im Laufe der Zeit Erfahrungssätze und Typisierungen heraus, nach denen bestimmte äußerliche Handlungen unabhängig von den tatsächlich durch sie bewirkten Folgen auf die Herbeiführung eines Verletzungserfolgs gerichtet waren.10 2 Geib, Lehrbuch II, S. 294; Jarcke, Handbuch I, S. 11; Brunner, Dt. Rechtsgeschichte II, S. 704; Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 157; Bader, ZRG GA 112 (1995), 1 (8); Schildt, ZRG GA 114 (1997), 380 (391); Sellert/Oestmann, in: HRG V, Sp. 836. 3 Vgl. die fränkische Lex Salica (auch: Pactus legis salicae) (ca. 507 – 511 n. Chr.); das langobardische Edictum Rothari (643 n. Chr.); die bayrische Lex Baiuvariorum (6.–8. Jahrhundert n. Chr.); die friesische Lex Frisionum (8. Jahrhundert n. Chr.); die sächsische Lex Saxonum (802 n. Chr.). 4 Vgl. den Sachsenspiegel (1215 – 1235), den Schwabenspiegel (ca. 1275) und die einzelnen städtischen Gesetzgebungen des 14. und 15. Jahrhunderts; zu letzteren Schmidt, Einführung, S. 72 f. 5 Zachariä, Lehre I, S. 170; Luden, Abhandlungen I, S. 335 ff.; Heberle, Aus welchen Gründen?, S. 8; v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 496 Schmidt, Einführung, S. 72 f.; Sellert/ Oestmann, in: HRG V, Sp. 837. 6 Zachariä, Lehre I, S. 170 ff.; Geib, Lehrbuch II, S. 292; Brunner, Dt. Rechtsgeschichte II, S. 732 ff. 7 So schon Wilda, Geschichte I, S. 149; auch Löffler, Schuldformen, S. 20; aus einer soziologisch-anthropologischen Perspektive Oesterdiekhoff, Entwicklung, S. 164 f.; ders., in: Hoheitliches Strafen, S. 175 (178). 8 Wilda, Geschichte I, S. 156; Löffler, Schuldformen, S. 20; Bader, ZRG GA 112 (1995), 1 (8); Weitzel, in: HRG I, Sp. 1395 (1398). 9 Schildt, ZRG GA 114 (1997), 380 (388); so auch Bleckmann, Strafrechtsdogmatik, S. 196. 10 Luden, Abhandlungen I, S. 309 ff.; umgekehrt bildeten sich als Gegensatz zu den Willenswerken auch die Ungefährwerke heraus, bei denen es sich um einem anderen zugeschriebene Verletzungserfolge handelte, die wegen der entgegenstehenden Lebenserfahrung

A. Die Bestrafung des Versuchs im deutschen Recht bis 1800

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Die Sanktionierung von Unrecht war im germanischen Recht ursprünglich – soweit sie eine Reaktion auf die Verletzung rein privater Interessen darstellte – ein Mittel privater Vergeltung, dessen Durchsetzung dem durch die Tat Verletzten bzw. dessen Sippe oblag.11 Um die eigenhändige Ausübung des Vergeltungsrechts zu regulieren, etablierten sich auf Bestreben der Obrigkeit schon frühzeitig Kompositionssysteme, die aus Regelungskatalogen bestanden, in denen detailliert für die Verletzungshandlungen zu zahlende Bußbeträge festlegt wurden.12 Die Bußzahlungen hatten sowohl eine „strafrechtliche“ Sanktions- und Friedenswahrungs- als auch eine „zivilrechtliche“ Kompensationsfunktion.13 Auch wenn angesichts der ausufernden und teilweise widersprüchlichen Kasuistik der Rechtsquellen allgemeingültige Aussagen über die Höhe der für Versuchshandlungen zu zahlenden Bußen schwierig sind, fielen diese wohl überwiegend geringer aus als im Falle von erfolgreichen Handlungen.14 Dieser Befund entspricht den Funktionen der Bußzahlungen: Das private Vergeltungsinteresse dürfte im Falle des Eintritts eines Verletzungserfolgs wegen der äußerlich sichtbar gewordenen Einbuße bzw. des tatsächlich fühlbaren Schmerzes größer gewesen als bei erfolglos gebliebenen Handlungen. Darüber hinaus fehlte bei Versuchshandlungen jegliches materielle Kompensationsinteresse.

II. Carolina und gemeinrechtliche Literatur Erst im Rahmen der Rezeption des römischen Rechts durch die italienischen Juristen ab dem 12. Jahrhundert gelang es, aus einzelnen Bestimmungen der Digesten im Wege induktiver Analyse den allgemeinen Gedanken herzuleiten, dass eine Handlung nicht erst strafbar ist, wenn sie einen materiellen Schaden bewirkt hat, sondern schon dann, wenn ein auf die Herbeiführung einer Rechtsgutsverletzung keinen Verletzungswillen indizierten; dazu gehörten etwa Verletzungen durch Kinder, Frauen oder Tiere (vgl. Schildt, ZRG GA 114 (1997), 380 (389)); dies deckt sich mit dem Befund von Dux, der die allmähliche Herausbildung von Abstraktionen und Typisierungen neben dem dominant bleibenden subjektivistischen Weltbild nicht ausschloss (Logik, S. 104). 11 Wilda, Geschichte I, S. 149 ff.; Löffler, Schuldformen I, S. 14 ff.; Schmidt, Einführung, S. 21 ff.; Bader, ZRG GA 112 (1995), 1 (9); daneben bildete sich im Laufe der Zeit ein öffentliches Sanktionssystem heraus, welches jedoch in erster Linie Handlungen, die gegen Gemeinschaftsinteressen der Stämme gerichtet waren, etwa Sakralvergehen oder die Wehrkraft zersetzende Handlungen, regulierte (Weitzel, in: FS Kleinheyer, S. 539 (540 ff.)). 12 Laut Bader geschah dies besonders früh im Frankenreich (in: Schuld, S. 61 (69 f.)); allgemein dazu Rüping, ZStW 85 (1973), 672 (675); Bleckmann, Strafrechtsdogmatik, S. 212; Ebert, Pönale Elemente, S. 15. 13 Löffler, Schuldformen I, S. 18; v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 495; Hardwig, Zurechnung, S. 33; Schmidt, Einführung, S. 25; Haff, ARWP 26 (1933), 200 (201); Stoll, Haftungsfolgen, S. 55; Bader, ZRG GA 112 (1995), 1 (24); Schildt, ZRG GA 114 (1997), 380 (381); Weitzel, in: FS Kleinheyer, S. 539 (541); Ebert, Pönale Elemente, S. 14 f. 14 Zachariä, Lehre II, S. 129 ff.; Geib, Lehrbuch II, S. 292; v. Schwarze, in: Handbuch II, S. 267 (273); v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 496; Brunner, Dt. Rechtsgeschichte II, S. 734.

30

1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

gerichteter Mitteleinsatz (conatus) vorliegt.15 Diese Erkenntnis fand im späten Mittelalter auch in das deutsche Rechtsdenken Eingang. Die erste Kodifikation, in der die Versuchsstrafbarkeit als allgemeines Rechtsinstitut geregelt wurde, war die Bambergische Halsgerichtsordnung (1507), auf die für das Gesamtreich die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. oder Constitutio Criminalis Carolina (1532) wenige Jahre später folgte. Deren Art. 178 lautete: „Item so sich jemenadt eyner missethatt mit etlichen scheinlichen wercken, die zu volnbringung der missethatt dienstlich sein mögen, vndersteht, vnnd doch an volnbringung der selben missethat durch andere mittel, wider seinen willen verhindert würde, solcher böser will, darauß etlich werck, als obsteht volgen, ist peinlich zu straffen, Aber inn eynem fall herter dann inn dem andern angesehen gelegenheit vnd gestalt der sach, darumb sollen solcher straff halben die vrtheyler, wie hernach steht, radts pflegen, wie die an leib oder leben zuthun gebürt.“16

Bemerkenswert an dieser Vorschrift ist aus heutiger Sicht, dass sie auf der Tatbestandsseite die Voraussetzungen des Versuchs sehr detailliert beschrieb,17 auf der Rechtsfolgenseite jedoch höchst unbestimmt blieb. Mit der Formulierung „Aber inn eynem fall herter dann inn dem andern angesehen gelegenheit vnd gestalt der sach“ knüpfte Art. 178 CCC an die versuchte Tat eine willkürliche Strafe (poena arbitraria)18, sodass die Strafzumessung im freien Ermessen des Richters stand. Wegen des Fehlens einer klaren gesetzgeberischen Vorgabe zur Bemessung der Versuchsbestrafung wurde das gerechte Maß der Versuchsstrafe zu einem vieldiskutierten Problem in der gemeinrechtlichen Literatur.19 Im Anschluss an die italienischen Juristen zogen die Autoren der gemeinrechtlichen Wissenschaft20 zum einen das Gewicht des versuchten Verbrechens, zum anderen den Fortschritt der Tat als Kriterien zur Bestimmung der gerechten Ver15 Zachariä, Lehre I, S. 94 ff.; Luden, Abhandlungen I, S. 398 ff.; Seeger, Versuch der Verbrechen, S. 11; Baumgarten, Lehre, S. 65; Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 158; Sellert/ Oestmann, in: HRG V, Sp. 837; die Versuchsstrafbarkeit wurde jedoch teilweise von den italienischen Juristen nur auf schwere Verbrechen (crimina atrocia) beschränkt, wohingegen weniger schwere Verbrechen (crimina levia) straflos bleiben sollten (Geib, Lehrbuch II, S. 296; Baumgarten, Lehre, S. 90 f.). 16 Schildt bezeichnet Art. 178 CCC unter allen Regelungen der Carolina als den „größten dogmatischen Fortschritt“ (ZRG GA 114 (1997), 380 (396)); Art. 178 CCC wurde Art. 204 der Bambergischen Halsgerichtsordnung nachgebildet; in den Art. 172 f. CCC waren daneben spezielle Versuchstatbestände für Kirchendiebstähle kodifiziert, nach denen die versuchte wie die vollendete Tat bestraft werden soll. 17 Radbruch sah in der Vorschrift „in einem einzigen Satz die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, den Rücktritt vom Versuch, vielleicht auch die Straflosigkeit des untauglichen Versuchs“ geregelt (in: Gesamtausgabe XI, S. 255 (335)); so auch Geppert, JA 2015, 143 (147). 18 Zu diesem Begriff Siemens, Ueber die ordentliche Strafe, S. 146 f.; dazu auch Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 39 ff.; Neef, in: HRG III, Sp. 1781 (1781 ff.). 19 Baumgarten erblickte schon in der bloßen Anordnung einer außerordentlichen Strafe für die versuchte Tat ein zwingendes Milderungsgebot (Lehre, S. 120). 20 Ein Überblick über die gemeine Strafrechtswissenschaft findet sich bei Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 1 ff.

A. Die Bestrafung des Versuchs im deutschen Recht bis 1800

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suchsstrafe heran,21 indem sie erstens zwischen schweren (crimina atrocia) und leichten Delikten (crimina levia) und zweitens zwischen den Tatstadien des conatus remotus und des conatus proximus unterschieden. Für letztere Begriffe bildeten sich keine einheitlichen Definitionen heraus. Während nämlich teilweise unter conatus remotus nur Vorbereitungshandlungen und unter conatus proximus alle Ausführungshandlungen gefasst wurden, bezogen andere Autoren den Begriff conatus proximus auf den beendeten Versuch, den Fall also, dass der Täter alles seinerseits zur Vollendung Erforderliche getan hat, und conatus remotus auf alle anderen Versuchshandlungen.22 Obwohl im Gegensatz zu anderen versuchsspezifischen Begriffen und Abgrenzungen über die Definition der Versuchsbeendigung vergleichsweise viel Klarheit herrschte, blieben auch diesbezüglich viele Fragen ungeklärt oder sogar unerkannt, etwa ob die Versuchsbeendigung nach den äußeren Umständen oder der Tätersicht zu bestimmen und auf welchen Zeitpunkt für das Beendigungsurteil abzustellen ist.23 Trotz der uneinheitlichen und ungeklärten Terminologie wurde i. E. also schon in der gemeinrechtlichen Literatur zwischen der Vorbereitung, der Ausführung und der Versuchsbeendigung unterschieden.24 Was nun die Höhe der Versuchs- im Vergleich zur Vollendungsstrafe angeht, gingen die Auffassungen unter den gemeinrechtlichen Literaten zunächst auseinander. Schaffstein identifizierte hier drei verschiedene Positionen mit folgenden Inhalten:25 - Anwendung der Vollendungsstrafe auf den Versuch schwerer Verbrechen in sämtlichen Tatstadien - Anwendung der Vollendungsstrafe auf den beendeten Versuch (teilweise beschränkt auf schwere Verbrechen) - Forderung nach einer generellen Milderung der Versuchsstrafe Nachdem die Unterscheidung nach der Schwere der Verbrechen in der Diskussion an Relevanz eingebüßt hatte,26 wurde die Auffassung, wonach die Vollendungsstrafe auf Versuchshandlungen Anwendung findet, in der gemeinrechtlichen Literatur weitgehend an den Rand gedrängt.27 21

Geib, Lehrbuch II, S. 296 f. Zachariä, Lehre II, S. 14 f., 19 f.; Baumgarten, Lehre, S. 91 f.; Frank, in: Vergleichende Darstellung, S. 163 (198 f.); Ulsenheimer, Rücktritt, S. 132 f. 23 Vgl. Zachariä, Lehre II, S. 18 ff.; Geib, Lehrbuch II, S. 296 f. 24 Die Einteilung der Tat in die uns heute geläufigen vier Stadien ist erst durch Klein (Grundsätze, S. 113 f.) zum Allgemeingut geworden. So unterschied er zwischen dem conatus remotus (Vorbereitungshandlungen), dem conatus proximus (Ausführungshandlungen), dem delictum perfectum (beendeter Versuch) und dem delictum consummatum (vollendete Tat). 25 Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 163 ff. 26 Vgl. Geib, Lehrbuch II, S. 297. 27 v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 498; Frank, in: Vergleichende Darstellung, S. 163 (221); Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 165; Sellert/Oestmann, in: HRG V, Sp. 837; Zachariä spricht sogar von einer zur „communis opinio“ gewordenen Ansicht (Lehre II, S. 156). 22

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

III. Kodifikationen des 18. Jahrhunderts 1. Theresiana Wie weit die Carolina ihrer Zeit noch immer voraus war, zeigt sich daran, dass es in den 200 Jahren nach ihrem Erlass soweit ersichtlich keine deutsche Kodifikation gab, die den Versuch als eigenständiges Rechtsinstitut regelte.28 Noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts ließ etwa der Codex Juris Bavarici Criminalis (1751) eine entsprechende Regelung vermissen. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, vor allem aber im 19. Jahrhundert, änderte sich dies. Unter den Kodifikationen des 18. Jahrhunderts enthielt die Österreichische Constitutio Criminalis Theresiana (1768) die bei weitem detailliertesten Versuchsregelungen. Die Theresiana war ganz allgemein durch das Bestreben gekennzeichnet, den bis dahin durch die willkürlichen Strafen bestehenden Spielraum des Richters bei der Strafzumessung einzuschränken. Die vollständige Beseitigung der willkürlichen Strafen durch feste Strafrahmen sollte jedoch erst im 19. Jahrhundert erfolgen.29 Vorläufig begnügte sich der Gesetzgeber damit, das Ermessen des Richters durch die detaillierte Vorgabe von Kriterien zu lenken. Dies führte zu der unübersichtlichen Kasuistik, welche die §§ 1 – 8 des 13. Artikels CCT über die Versuchsstrafe auszeichnet. Als Versuchshandlungen wurden in § 2 alle auf die Vollendung gerichteten Handlungen definiert.30 § 3 unterteilte das Versuchsstadium in die Vorbereitung, die Ausführung und die Beendigung. Für die Strafzumessung gab § 5 vor, zunächst danach zu differenzieren, ob die Tatvollendung durch freiwilliges Abstehen ausgeblieben oder ob die Thatvollziehung anderweg wider seinen Willen unterbrochen worden ist. Im ersten Fall richtete sich die Strafbarkeit nach § 6, im letzteren nach § 7. Nach § 6 konnte der Richter die Strafe stark mildern oder ganz von ihr absehen, wenn es sich um den Versuch eines geringen Verbrechens handelt und die Tat noch nicht weit fortgeschritten ist. Bei dem Versuch von schwereren und überschweren Verbrechen, der schon in ein fortgeschrittenes Stadium gelangt ist, war zwar milder als im Falle des unfreiwilligen Abstehens von der weiteren Tatausführung zu strafen, gleichwohl aber eine vernünftige Ebenmaß (von Tat und Strafe) zu halten.31 § 7 sah kein völliges Absehen von der Strafe, dafür aber eine Milderung im Verhältnis zur Vollendungsstrafe vor, deren Ausmaß sich danach richtete, in welches Stadium die 28

Zachariä, Lehre II, S. 187 ff. Dazu: 1. Teil C. 30 Im Wortlaut lautet § 2 des 13. Art. CCT: Die Bemüh-Bestreb-Anmassung, oder Versuch einer Missethat ist, wenn Jemand durch äusserliche Zeichen, oder Werk sich derselben unterziehet, solche aber entweder durch eigene Reu, oder Ohnvermögenheit, oder aus fremder Behinderung, oder durch Zufall nicht vollbracht worden. 31 Hier wirkt die traditionelle Unterscheidung zwischen den crimina atrocia und den crimina levia bei den italienischen Juristen nach. 29

A. Die Bestrafung des Versuchs im deutschen Recht bis 1800

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Tat gelangt ist. Von der prinzipiellen Milderungspflicht des Richters sah § 8 eine Ausnahme für überschwere Verbrechen vor, die in das Stadium des beendeten Versuchs gelangt sind. Insgesamt lassen die Versuchsregelungen der Theresiana also drei Gesichtspunkte erkennen, nach denen der Richter das Verhältnis der Versuchs- zur Vollendungsstrafe zu bestimmen hatte. Erstens musste er darauf achten, ob der Täter freiwillig von der weiteren Tatausführung abgesehen hat. Rücktrittshandlungen bildeten demnach grundsätzlich nur Milderungs- aber keine Strafbefreiungsgründe. Zweitens bestimmte sich die Höhe der Strafe nach dem Fortschritt der Tat. Und drittens kam es auf die Schwere des versuchten Delikts an. Nur wenn Rücktrittshandlungen fehlen, der Versuch beendet ist und es sich um ein überschweres Verbrechen handelt, war gem. § 8 auf den Versuch die ordentliche Strafe anzuwenden. 2. Josephina In scharfem Kontrast zu der überbordenden Kasuistik der Theresiana stand die Versuchsregelung der Österreichischen Josephina (Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung von 1787). Deren § 9, ihre einzige versuchsbezogene Vorschrift, regelte nur den Versuchstatbestand, nicht aber das Versuchsstrafmaß. Eine explizite Milderungspflicht enthielt die Josephina damit zwar nicht. Gleichwohl lässt sich die in der allgemeinen Strafzumessungsvorschrift des § 14 enthaltene Vorgabe, die Wichtigkeit der mit dem Verbrechen verknüpften Folgen, und die Größe des daraus entspringenden Schadens zu berücksichtigen, mindestens als Anhaltspunkt für eine strafmildernde Wirkung des Erfolgsmangels betrachten. 3. Preußisches ALR Auch im Preußischen ALR (1794) fanden sich in dessen §§ 39 – 44 des 20. Titels Teil II allgemeine Regelungen zum unternommenen Verbrechen. Nach § 39 traf die jeweils ordentliche Strafe eines Delikts denjenigen, der es vollständig vollbracht hat. Hat der Täter dagegen alles seinerseits zur Vollendung Erforderliche getan und ist der Erfolg nur durch Zufall ausgeblieben, hatte der Richter gem. § 40 eine mildere, nämlich die der ordentlichen am nächsten kommende Strafe auszusprechen. Hat der Täter nur durch Zufall die letzte zur Vollendung erforderliche Handlung nicht ausgeführt, musste die Strafe gem. § 41 wiederum milder ausfallen. Gem. § 42 wurden bloße Vorbereitungshandlungen nach Maßgabe ihres Fortschritts bestraft. Ebenso wie in der Theresiana bildete der Fortschritt der Tat im ALR also das strafmaßgebende Prinzip beim Versuch. Die Kodifikationen unterschieden sich aber dadurch, dass das ALR auch bei schweren Verbrechen eine Gleichbehandlung des beendeten Versuchs und der vollendeten Tat nicht zuließ. Zudem bildete der Rücktritt im ALR anders als in der Theresiana keinen bloßen Strafmilderungsgrund, sondern begründete einen Begnadigungsanspruch (§ 43).

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

B. Die Diskussion vom späten 18. Jahrhundert bis 1933 I. Die Argumente für die generell mildere Versuchsbestrafung Der weit überwiegende Teil der Literatur vom späten 18. bis zum Ende des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts lehnte eine Gleichbestrafung des (auch beendeten) Versuchs und der vollendeten Tat ab und stand insoweit in Übereinstimmung mit der germanischen und gemeinrechtlichen Tradition sowie den meisten Strafrechtskodifikationen32 ihrer Zeit.33 Die Argumente, derer sich die Vertreter der h. M. zur Begründung der milderen Versuchsstrafe bedienten, waren ganz unterschiedlicher Provenienz. So wurde die mildere Versuchsstrafe teilweise auf ein geringeres Unrecht der versuchten Tat (unter 1.), auf Gesichtspunkte der psychologischen Zwangseinwirkung auf den Täter (unter 2.) und daneben auf eine Indizfunktion des Erfolgsmangels (unter 3.) zurückgeführt. 1. Das geringere Unrecht des Versuchs gegenüber der Vollendung a) Die Rechtsgutsgefährdung als Minus zur Rechtsgutsverletzung (objektive Versuchslehre) Die Vertreter der objektiven Versuchstheorie erblickten den Strafgrund des Versuchs in der Rechtsgutsgefährdung. Schon die Schaffung einer Gefahr34 für einen 32

Dazu: 1. Teil C., D. Kleinschrod, Grundbegriffe I, S. 64 ff.; Klein, Grundsätze, S. 114; Henke, Lehrbuch, S. 43 Fn. 4); ders., Handbuch I, S. 263; Hurlebusch, Beiträge I, S. 64 ff.; Weber, NACrim 4 (1821), 24 (42 ff.); Roßhirt, Lehrbuch, S. 90; Salchow, Lehrbuch, S. 63; Wächter, Lehrbuch I, S. 217 f.; Feuerbach, Lehrbuch, S. 206; Hepp, Strafrechtswissenschaft, S. 355 ff.; Cucumus, NACrim 10 (1829), 205 (206 f.); Bauer, Lehrbuch, S. 129; ders., Abhandlungen I, S. 365 ff.; Abegg, Lehrbuch, S. 156; Häberlin, Grundsätze I, S. 45, 48; Luden, Handbuch I, S. 380; Zachariä, Lehre II, S. 50 ff.; Köstlin, Neue Revision, S. 401; ders., System, S. 247; Hälschner, Preußisches Strafrecht II, S. 207; v. Schwarze, in: Handbuch II, S. 267 (276 f.); Berner, Lehrbuch, S. 250 f.; H. Meyer, Lehrbuch, S. 208 Fn. 13; Merkel, Lehrbuch, S. 119; Baumgarten, Lehre, S. 444 f.; Heberle, Aus welchen Gründen?, S. 3, 23 ff.; Klee, Wille und Erfolg, S. 52 ff.; v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 570; Wachenfeld, Lehrbuch, S. 171; M. E. Mayer, AT, S. 368; Schoetensack, GS 91 (1925), 378 (396); z. Dohna, in: Reform des Strafrechts, S. 93 (101); v. Hippel, Dt. Strafrecht II, S. 405; in Übereinstimmung mit diesem Teil der deutschsprachigen Literatur der sehr einflussreiche italienische Kriminalist Beccaria, Verbrechen und Strafen, S. 153 f.; da die weit überwiegende Zahl der Kodifikationen des 19. Jahrhunderts und das RStGB den Grundsatz der milderen Versuchsbestrafung anerkannten, finden sich bei einigen Autoren keine Stellungnahmen zu dem Problem, sondern nur der Verweis auf das geltende Recht, was dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass der Grundsatz der milderen Versuchsbestrafung von vielen als selbstverständlich angenommen wurde, vgl. A. Köhler, Dt. Strafrecht AT, S. 478 ff.; Mezger, Strafrecht, S. 401 f. 34 Den Ursprung der objektiven Versuchstheorie und der Unterscheidung zwischen der Tauglichkeit und der Untauglichkeit des Versuchs bildeten die Überlegungen Feuerbachs. Dieser ließ jedoch offen, nach welchen Voraussetzungen sich das Vorliegen einer Gefahr bestimmt. Mittermaier versuchte die objektive Lehre deshalb zu präzisieren, indem er den Ge33

B. Die Diskussion vom späten 18. Jahrhundert bis 1933

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Zustand, der durch ein Recht geschützt ist, verletze dieses und bilde deshalb strafwürdiges Unrecht.35 Das Fehlen eines rechtlich geschützten Zustands (Versuch am untauglichen Objekt) oder die fehlende Vollendungstauglichkeit der gegen ein Rechtsgut eingesetzten Mittel (Versuch mit untauglichen Mitteln) schlössen die Unrechtsqualität einer Handlung aus, weil der Mangel objektiver Gefährdung eines Rechtsguts keine Rechtsverletzung darstelle. Untaugliche Versuche seien daher als unmoralisch, nicht jedoch als (straf-)rechtswidrig zu bewerten.36 Für manche Vertreter der objektiven Versuchslehre bildete die objektive Gefährlichkeit nicht nur den Strafgrund des Versuchs, sondern auch sein strafmaßgebendes Prinzip. Da die Gefährlichkeit einer Tat für ein Rechtsgut graduell mit ihrem Fortschritt zunehme, stiegen korrespondierend auch ihr Unwert und damit ihre Strafwürdigkeit. Daher sei ein beendeter Versuch schwerer zu bestrafen als ein unbeendeter und dieser strafwürdiger als bloße Vorbereitungshandlungen.37 Für die Abgrenzung des beendeten Versuchs zu den anderen Versuchsstadien kam es auf Grundlage der objektiven Versuchslehre nicht auf die Tätervorstellung, sondern allein auf die äußerliche Beschaffenheit der Tat an, sodass der Beendigungszeitpunkt eintrete, wenn der Täter objektiv alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan hat.38 Was nun das Verhältnis zwischen der Versuchs- und der Vollendungsstrafe überhaupt angeht, so ergebe sich daraus, dass sich die das Versuchsunrecht konstigensatz zwischen dem strafbaren gefährlichen und dem straflosen ungefährlichen Versuch durch die Unterscheidung der absoluten und relativen Untauglichkeit des Versuchs ersetzte (vgl. NACrim 10 (1829), 536 (550); GS 11 (1859), 405 ff.). Doch auch diesem Ansatz haftete der Mangel an, das Vorliegen einer Gefahr retrospektiv bestimmen zu wollen. So konstatierte das RG in einer vielbesprochenen Entscheidung (RGSt 8, 198 (202)), „daß vielmehr jede Handlung, die nicht wirklich kausal geworden ist, also den Erfolg nicht wirklich herbeigeführt hat, denselben unter den gegebenen konkreten Umständen des einzelnen Falles auch nicht herbeiführen konnte […]“. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kam es schließlich zu einem Perspektivenwechsel bei der Konkretisierung des Gefahrbegriffs: F. v. Liszt führte zur Bestimmung der Gefährlichkeit den Prognosegedanken ein (Lehrbuch, S. 214 f.), der später von v. Hippel weiter präzisiert wurde (Dt. Strafrecht II, S. 427 ff.). Das Gefahrenurteil sollte nunmehr nicht mehr unter Einbeziehung des tatsächlich in Gang gesetzten Kausalverlaufs, sondern nur auf Grundlage sämtlicher im Zeitpunkt der Handlungsvornahme bekannten Umstände abgegeben werden. Letztlich beruhten alle weiteren Ansätze der objektiven Versuchstheorie auf dem Prognoseprinzip. Ausführlich zur Entwicklung und den verschiedenen Spielarten der objektiven Versuchstheorie: Zaczyk, Unrecht, S. 41 ff.; Wachter, Unrecht, S. 35 ff.; Roxin, Strafrecht AT II, 29/25 ff.; ders., in: FS Nishihara, S. 157 (163 ff.); Jakobs, Strafrecht AT, 25/ 13 ff. 35 Feuerbach, Lehrbuch, S. 71; Zachariä, Lehre I, S. 239 ff.; Abegg, Lehrbuch, S. 154 f.; M. E. Mayer, AT, S. 342 ff. 36 Feuerbach, Lehrbuch, S. 72, Anm. 3. 37 Feuerbach, Lehrbuch, S. 206; Zachariä, Lehre II, S. 81. 38 Weber, NACrim 4 (1821), 24 (35); Roßhirt, Lehrbuch, S. 87; Feuerbach, Lehrbuch, S. 78; Zachariä, Lehre II, S. 81; die objektive Bestimmung des Zeitpunkts der Versuchsbeendigung provozierte freilich Krug zu dem Einwand, dass „wenn Alles geschehen ist, was zur Vollendung nöthig war, […] die Vollendung auch eintreten“ müsse (Lehre, S. 36); auch v. Bar bezeichnet die objektive Bestimmung der Versuchsbeendigung vor diesem Hintergrund als eine „Contradictio in adjecto“ (Gesetz u. Schuld II, S. 518).

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

tuierende Rechtsgutsgefährdung gegenüber der das Vollendungsunrecht begründenden Rechtsgutsverletzung stets als minderschwere Rechtsverletzung darstelle, ein zwingendes Gebot der milderen Versuchsbestrafung.39 b) Der Versuch als mindere äußerliche Manifestation des rechtsfeindlichen Willens (subjektive Versuchslehre) Auch der überwiegende Teil der Autoren, die den Strafgrund des Versuchs nicht in der äußerlichen Gefährdung von Rechtsgütern, sondern in der Betätigung eines rechtswidrigen Willens sahen, befürwortete eine obligatorische Milderung der Versuchsstrafe. Dies wurde teilweise mit dem Verweis auf den Grundsatz begründet, dass der rechtswidrige Wille nur insoweit gestraft werden dürfe, als er sich äußerlich manifestiert hat. Zur vollständigen äußerlichen Manifestation des Vollendungswillens komme es aber erst mit dem Vorliegen sämtlicher objektiver Vollendungsvoraussetzungen.40 Die vollständige Willensmanifestation erfolge nach diesem Ansatz also nicht schon mit dem vollständigen Vollzug der auf den Eintritt sämtlicher Vollendungsvoraussetzungen gerichteten Handlung, sondern erst dann, wenn sich das Handlungsziel auch realisiert hat. Dass weiterhin der beendete Versuch als vollständiger Handlungsvollzug schwerer als der unbeendete Versuch zu bestrafen sei, folge aus demselben Grundsatz: Je weiter die Tat fortgeschritten ist, desto stärker habe sich der rechtsfeindliche Wille nach außen hin gezeigt.41 Trotz dieser praktischen Übereinstimmungen mit der eben skizzierten Position der objektiven Lehre war der Dissens über den Strafgrund des Versuchs natürlich nicht bloß theoretischer Natur. Anders als für die Vertreter der objektiven Lehre war die objektive Tauglichkeit des Versuchs nach der subjektiven Lehre kein unrechtskonstituierendes Merkmal. Köstlin postulierte jedoch auf Grundlage des Manifestationsprinzips die schwerere Bestrafung des tauglichen Versuchs, da sich die taugliche gegenüber der untauglichen Tat als das stärkere äußerliche Hervortreten des Willens darstelle.42 Zudem war nach dem subjektiven Ansatz das Vorstellungsbild des Täters auch für die Abgrenzung des beendeten Versuchs von sonstigen Versuchshandlungen maßgeblich. Beendet sei ein Versuch deshalb, sobald der Täter

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Feuerbach, Lehrbuch, S. 205 f.; Wachenfeld, Lehrbuch, S. 171; M. E. Mayer, AT, S. 368; v. Hippel, Dt. Strafrecht II, S. 405; a. A. F. v. Liszt., der soweit ersichtlich als einziger Vertreter der objektiven Versuchslehre die obligatorische Milderung der Versuchsstrafe aus kriminalpolitischen Gründen ablehnte (Lehrbuch, S. 211). 40 Kleinschrod, Grundbegriffe I, S. 69; Bauer, Lehrbuch, S. 108 f.; Köstlin, Neue Revision, S. 401; ders., System, S. 246 f.; v. Schwarze, in: Handbuch II, S. 267 (276); Hälschner, Preußisches Strafrecht II, S. 207. 41 Kleinschrod, Grundbegriffe I, S. 69; Henke, Handbuch I, S. 263; Bauer, Lehrbuch, S. 130; Köstlin, System, S. 248; v. Schwarze, in: Handbuch II, S. 267 (276); Hälschner, Preußisches Strafrecht II, S. 207; a. A.: H. Meyer, Lehrbuch, S. 208. 42 Köstlin, Neue Revision, S. 429; ders., System, S. 246.

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aus seiner Sicht alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan hat.43 Das für die Annahme der Versuchsbeendigung maßgebliche Vorstellungsbild des Täters war im Rahmen der Problematik der Versuchsstrafmaßbestimmung – wie sich aus den von Autoren verwendeten Einzelbeispielen ergibt – dasjenige im Zeitpunkt des vom Täter für konkret erfolgstauglich gehaltenen Einzelakts.44 c) Der geringfügigere Eindruck der versuchten Tat auf die Allgemeinheit Während die Strafrechtsliteratur des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts noch vom rationalistischen Aufklärungsdenken geprägt war, kam ab den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts mit der historischen Rechtsschule eine Gegenbewegung auf, die sich nicht an rational begründeten Postulaten, sondern – dem romantischen Zeitgeist entsprechend – an den sich in den historischen Rechtsquellen offenbarenden, organisch gewachsenen Rechtsüberzeugungen des Volkes (Volksgeist) orientierte.45 Und so beriefen sich viele Literaten ab dieser Zeit zur Begründung der milderen Versuchsstrafe auf die in den germanischen Volksrechten, in der Carolina und in den Stellungnahmen der gemeinrechtlichen Literaten zum Ausdruck kommende historische Kontinuität der aus dem Ausbleiben des Erfolgs folgenden Strafmilderung.46 Der Jurist und Rechtshistoriker Zachariä betonte, dass die zentrale Stellung des Äußerlichen und insbesondere des Erfolgs in der deutschen Rechtstradition kein Zufall sei, sondern „überall, wo sich das Recht aus dem Volke selbst entwickelte und es den Richtern überlassen war, der Volksansicht gemäß, das Maß der Strafbarkeit zu bestimmen, das versuchte Verbrechen mit dem vollendeten nicht auf die gleiche Stufe der Strafbarkeit gestellt worden [sei]“. Für die mildere Versuchsstrafe streite ganz einfach das „natürliche Gefühl“.47 Dass ein derartiges Gefühl rational nicht begründbar sei, bestritt Zachariä nicht. Jedoch könne eine Missachtung des „Volksempfindens“ höchst nachteilige Konsequenzen für die staatliche Strafgewalt haben. So würde die Anwendung der für die Vollendung vorgesehenen Strafe auf den Versuch – etwa diejenige der Todesstrafe auf den versuchten Totschlag – aus Sicht der Bevölkerung als überhart empfunden, da das Volk hier „das gerechte Maß der Wiedervergeltung überschritten finden“ werde, was ggf. Mitleid mit dem Täter und Aversionen gegen ein derartige Ungerechtig43

Köstlin, System, S. 241. Vgl. v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 519; Kadecˇ ka, MschrKrim 22 (1931), 65 (67). 45 Grundlegend zum Wirken der historischen Schule im Strafrecht Biener, NACrim 10 (1829), 476; dazu auch allgemein Schmidt, Einführung, S. 285; Seminara, in: Strafrechtliche Versuchslehre, S. 1 (15 f.); Vormbaum, Einführung, S. 54 f.; allgemein zur historischen Rechtsschule mit weiterführenden Hinweisen Rückert, in: HRG II, Sp. 1048 ff.; zum Begriff des Volksgeistes m. w. N. Welker, in: HRG V, Sp. 986 ff. 46 Roßhirt, Lehrbuch, S. 90; Bauer, Lehrbuch, S. 130 Anm. a); Abegg, Lehrbuch, S. 157; Zachariä, Lehre II, S. 88 ff.; vor allem Luden, Handbuch I, S. 380; vgl. auch Wächter, Lehrbuch I, S. 218. 47 Zachariä, Lehre II, S. 52. 44

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keiten produzierendes System erzeuge.48 Daher sei die Berücksichtigung des an sich rational nicht begründbaren Volksempfindens bei der Bestimmung der Strafhöhe ein seinerseits rational begründbares Postulat. Die Berufung auf die Volksanschauung entwickelte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts und im frühen 20. Jahrhundert zum wohl am häufigsten vorgebrachten Argument für die mildere Versuchsbestrafung.49 Klee etwa leitete die maßgebliche Stellung des Erfolgseintritts aus den Regeln der alltäglichen Zurechnung im Volksbewusstsein ab: „Überall […] [sei] die Wertung einer Handlung zum guten Teil vom Erfolge abhängig.“50 Insbesondere v. Bar berücksichtigte die soziale Kontextualisierung der Tat nicht allein bei der Frage, ob die Vollendungsstrafe höher als die Versuchsstrafe auszufallen habe, sondern sah im sozialen Kontext darüber hinaus überhaupt den Grund, Versuchshandlungen zu bestrafen: Weder sei die (Versuchs-)Strafe eine Reaktion auf eine Rechtsgutsgefährdung, noch auf die Betätigung eines rechtsfeindlichen Willens an sich, sondern auf den „Eindruck“, den die Tat im gesellschaftlichen Bewusstsein hinterlasse.51 Nicht nur das Verhältnis der Versuchs- zur Vollendungsstrafe, sondern auch die versuchsinternen Differenzierungen beim Strafmaß müssten sich daher nach dem Ausmaß des von der Tat ausgehenden „Eindrucks“ bestimmen. Typischerweise fiele dieser umso gravierender aus, je weiter die Tat fortgeschritten und je größer die Wahrscheinlichkeit ist, „mit den angewandten Mitteln und nach Lage der Sache die Vollendung zu bewirken (insbes. Tauglichkeit der Mittel)“.52

48 Zachariä, Lehre II, S. 74 f.; so auch schon zuvor Weber, NACrim 4 (1821), 24 (46 f.) und Hurlebusch, Beiträge I, S. 73; Hepp sah den Grund für die mildere Versuchsstrafe – allerdings ohne sich dabei auf das Volksbewusstsein zu berufen – im Vergeltungsprinzip begründet: „Die mindere Strafbarkeit des del. perfectum entspreche […] dem jus talionis“. Das Strafmaß dürfe „nie über den wirklich eingetretenen Erfolg hinausreichen“ (Strafrechtswissenschaft, S. 356). 49 Klee, Wille und Erfolg, S. 59 ff.; Baumgarten, Lehre, S. 435, 444; Herberle, Aus welchen Gründen?, S. 41; v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 570; Schoetensack, GS 91 (1925), 378 (396); zu Dohna, in: Reform des Strafrechts, 93 (101); v. Gemmingen, ZStW 52 (1932), 153 (159); H. Meyer gab zwar zu, dass die „Gerechtigkeit“ eigentlich eine Gleichbestrafung des beendigten Versuchs und der vollendeten Tat gebiete, räumte aber dem stärkeren „Eindruck“ der vollendeten Tat bei der Bestimmung des Strafmaßes Vorrang ein (Lehrbuch, S. 208 Fn. 13). 50 Klee, Wille und Erfolg, S. 62. 51 v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 490, 570; grundlegend zur Eindruckstheorie schon Bünger, ZStW 6 (1886), 291 (361) und A. Horn, der die „Störung des Rechtsfriedens“ durch die Tat hervorhebt (ZStW 20 (1900), 309 (357)); die Eindruckstheorie bot neben der objektiven und subjektiven Versuchstheorie einen „dritten Weg“, um zu den befriedigenden Ergebnisse zu gelangen, deren Erreichung bei konsequenter Handhabe der anderen beiden Auffassung nicht möglich war. So konnte man – anders als auf Grundlage der objektiven Theorie – den untauglichen Versuch wegen des von ihm ausgehenden rechtserschütternden Eindrucks für strafbar halten, zugleich aber – anders als die konsequente Durchführung der subjektiven Theorie – die Fälle des grob unverständigen und abergläubischen Versuchs straflos belassen; zur Entwicklung der Eindruckstheorie Zaczyk, Unrecht, S. 21 ff.; Wachter, Unrecht, S. 56 ff. 52 v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 572.

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d) Das Fehlen einer zum Eintritt der Vollendungsstrafe erforderlichen gesetzlichen Bedingung Andere Vertreter der h. M. begründeten das mindere Unrecht des Versuchs gegenüber der Vollendung nicht mit gesetzesexternen Erwägungen über den Grund der Versuchsstrafe, sondern allein mit dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Vollendungsstrafe im Besonderen Teil an das Vorliegen sämtlicher im Vollendungstatbestand geregelten Bedingungen geknüpft hat. Das Vollendungsunrecht werde m. a. W. nicht durch eine Rechtsgutsverletzung, die vollständige Manifestation des rechtswidrigen Willens oder den rechtserschütternden Eindruck der Tat konstituiert, sondern allein durch das kumulative Vorliegen aller Vollendungsvoraussetzungen.53 Die Gleichbestrafung des Versuchs und der Vollendung sei – wenn diese nicht explizit durch den Gesetzgeber angeordnet wird – schlechthin eine Missachtung der gesetzgeberischen Entscheidung, sämtlichen Vollendungsmerkmalen schon durch ihre tatbestandliche Regelung Unrechtsrelevanz zuzuschreiben. Da beim Versuch mindestens eine Bedingung fehlt, von deren Vorliegen der Gesetzgeber die Anwendung der Vollendungsstrafe abhängig gemacht habe, nähme man dieser Bedingung und der gesetzgeberischen Entscheidung, den Eintritt der Vollendungsstrafe von ihrem Vorliegen abhängig zu machen, jegliche Bedeutung, wenn man die Vollendungsstrafe auf den Versuch anwendete.54 2. Die Ausübung psychologischen Zwangs auf den Täter Neben den Bemühungen, die Milderung der Versuchsstrafe aus dem Grund der Versuchsstrafe zu deduzieren, wurde jene auch mit Opferschutz- und Verhaltenssteuerungsgesichtspunkten begründet. Grundlage dafür war die zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem von Feuerbach entwickelte Theorie des psychologischen Zwangs, wonach es die Aufgabe des Strafrechts sei, auf das Begehrungsvermögen potentieller Täter durch die Aussicht auf das Strafübel einzuwirken, um die Begehung der Straftat „unökonomisch“ zu machen und so zur Erreichung des strafrechtlichen „Endzwecks“ – dem Schutz subjektiver Rechte – beizutragen.55 Übertragen auf die vorliegende Problematik wurde daraus folgender Schluss gezogen: Ließe man das Strafmaß mit dem Erfolgseintritt nicht weiter ansteigen, so fehle dem Täter im Falle des Fehlschlags seines schon beendeten Versuchs jeglicher Anreiz, nicht erneut zur Erfolgsherbeiführung anzusetzen, da ihn ohnehin schon das 53

Salchow, Lehrbuch, S. 63; Häberlin, Grundsätze I, S. 45; Merkel, Lehrbuch, S. 117 f. So etwa Kleinschrod, wenn er fragt, was noch für das vollendete Verbrechen übrig bleibt, wenn man den nächsten Versuch mit der ganzen gesetzlichen Strafe belegt (Grundbegriffe I, S. 66); Salchow, Lehrbuch, S. 63; v. Schwarze, in: Handbuch II, S. 267 (277); Merkel, Lehrbuch, S. 119; Heberle, Aus welchen Gründen?, S. 38 ff.; wohl auch Wächter, Lehrbuch I, S. 217. 55 Feuerbach, Lehrbuch, S. 37 ff.; eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Lehre findet sich bei Greco, Feuerbachs Straftheorie, S. 354 ff. 54

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volle Strafmaß träfe.56 Und umgekehrt hätte der Täter, wenn der Erfolg nach der Versuchsbeendigung tatsächlich einzutreten droht, aber noch mit Gegenmaßnahmen verhindert werden kann, keinen Grund, diese Gegenmaßnahmen auszuführen, wenn ihm für den Fall des Erfolgseintritts kein zusätzliches Übel in Aussicht gestellt wird. Mit der Verhaltenssteuerungsfunktion der Strafandrohung lasse sich nicht nur die Strafmaßdifferenzierung zwischen dem Versuch und der Vollendung, sondern auch das Ansteigen des Strafmaßes mit dem Versuchsfortschritt erklären. Der einmal in das Versuchsstadium eingetretene Täter könne am ehesten dadurch zur Aufgabe der Tat bewegt werden, dass man ihm für jede weitere auf die Vollendung gerichtete Handlung eine Erhöhung des Strafmaßes androht.57 3. Indizierung des Mangels an entschiedenem Erfolgswillen durch das Ausbleiben des Erfolgs Henke stellte den beendeten Versuch in seinem Unrechtsgehalt zwar prinzipiell der vollendeten Tat gleich, da sich das Strafmaß allein nach der „Stärke der rechtswidrigen Gesinnung“ richte und der Erfolgseintritt dem Unrecht des beendeten Versuchs nichts mehr hinzufüge. Allerdings sei vom Ausbleiben des Erfolgs typischerweise auf den Mangel hinreichender Stärke der rechtswidrigen Gesinnung zu schließen. Daher sei der Versuch stets milder als die Vollendung zu bestrafen.58

II. Die für eine (partielle) Gleichbestrafung des Versuchs und der Vollendung vorgetragenen Argumente Die Auffassung, dass der Versuch und die Vollendung zumindest partiell gleich zu bestrafen seien, blieb bis in die Weimarer Zeit hinein eine Außenseiterposition, wurde jedoch im frühen 19. Jahrhundert59 und dann wieder ab der Zeit des Kaiserreichs60 verschiedentlich vertreten. Auch hier sind die Begründungen in ihren Ausgangspunkten durchaus heterogen. Während die Relevanz des eingetretenen Erfolgs teilweise mit Blick auf die spezialpräventive Zweckrichtung des Strafens bestritten wurde (unter 1.), also unabhängig von dem Schuldmaß der Tat, leiteten 56 Kleinschrod, Grundbegriffe I, S. 66 f.; Hurlebusch, Beiträge I, S. 72 f.; Zachariä, Lehre II, S. 61; Berner, Lehrbuch, S. 251. 57 Zachariä, Lehre II, S. 63. 58 Henke, Lehrbuch, S. 43 Fn. 4); so auch Berner, Lehrbuch, S. 250 f.; Heberle, Aus welchen Gründen?, S. 34; v. Bar, Gesetz u. Schuld II, S. 570. 59 Tittmann, Handbuch I, S. 269 f.; Grolman, Grundsätze, S. 93; Oersted, Grundregeln, S. 163 f. 60 E. R. v. Liszt, ZStW 25 (1905), 24 (43, 54 ff.); F. v. Liszt, Lehrbuch, S. 215; Germann, Grund, S. 129; Röder, GrünhutsZ 5 (1878), 38 (52 ff.); Kadecˇ ka, MschrKrim 22 (1931), 65 (67 f.); der einzige Autor, der – soweit ersichtlich – diese Position in der Mitte des 19. Jahrhunderts vertreten hat, war Kahle, Spekulative Staatslehre, S. 356 ff.

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andere Autoren die Erfolgsirrelevanz gerade als Konsequenz eines ontologischen Rechtswidrigkeitsverständnisses (unter 2.) oder aus dem Gebot schuldangemessener Bestrafung (unter 3.) her. 1. Das spezialpräventive Argument: Die Tätergefährlichkeit als Strafmaßstab Der italienische, in Deutschland vielfach rezipierte Jurist Filangieri sprach sich in seinem Werk System der Gesetzgebung dafür aus, das Strafrecht vollständig vom Vergeltungsdenken zu bereinigen und inhaltlich allein nach Rechtsgüterschutzgesichtspunkten auszurichten.61 Neben der allgemeinen Abschreckung bezeichnete er es als „Endzweck“ der Strafe, „den Verbrecher von fernerer Beunruhigung der Gesellschaft abzuhalten“.62 Weil die schon geschehene Schädigung durch die Strafe nicht mehr rückgängig zu machen ist, könne die am Schädigungserfolg der Tat maßnehmende Strafe nur als Übung von Vergeltung angesehen werden.63 Soweit es bei der Bestrafung dagegen nur darum geht, zukünftige Verletzungen von Gütern durch den Täter zu verhindern, seien schon eingetretene Schäden irrelevant. Folglich seien Versuchshandlungen gleichermaßen wie vollendete Taten zu bestrafen.64 In Deutschland fand sich dieser Gedanke zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Werken Tittmanns und v. Grolmans, den Vertretern der Präventionstheorie, wieder.65 Auf den Gedanken der Spezialprävention gestützte Auffassungen hatten jedoch in der liberalrechtstaatlichen Strafrechtsepoche der ersten beiden Drittel des 19. Jahrhunderts allgemein einen schweren Stand.66 Erst vor dem Hintergrund der rasanten Industrialisierung und Urbanisierung der Gesellschaft in der Zeit nach der Reichsgründung (1871) und den damit einhergehenden steigenden Kriminalitätsraten erfuhr die Zielsetzung einer effektiven Verbrechensbekämpfung als Aufgabe des Strafrechts zunehmende Popularität. Das in erster Linie am Ziel der Vergeltung und der Abschreckung orientierte RStGB erwies sich nach Auffassung der modernen Schule um F. v. Liszt als unfähig, dieser Aufgabe gerecht zu werden.67 Während das Strafrecht nach überkommenem Verständnis in erster Linie reaktiven Charakter hatte und deshalb bei der Bestimmung der Strafe vor allem die Tat zum Maßstab zu nehmen sei, forderten F. v. Liszt und seine Anhänger, zwecks Verhütung zukünftiger Straftaten bei der Bestrafung stärker die Persön-

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Filangieri, System, S. 17 ff. Filangieri, System, S. 19. 63 Filangieri, System, S. 272. 64 Filangieri, System, S. 271. 65 Tittmann, Handbuch I, S. 269 f.; v. Grolman, Grundsätze, S. 93. 66 Vgl. Schmidt, Einführung, S. 228. 67 Vormbaum/Rentrop, in: Reform des StGB I, S. XI (XI f.); Vormbaum, Einführung, S. 118 ff. 62

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lichkeitsstruktur des Täters, sein Vorleben und die Beweggründe, die ihn zur Ausführung der Tat gebracht haben, zu berücksichtigen.68 Besonders deutlich wurden die Konsequenzen einer strikten Umsetzung dieses spezialpräventiven Denkens für die Versuchslehre zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei E. R. v. Liszt, der erklärte, dass die Versuchsstrafe gegenüber der Vollendungsstrafe überhaupt keiner gesonderten Begründung bedürfe, weil die Bestrafung überhaupt nur dem Schutz der Gesellschaft vor der Begehung zukünftiger Straftaten durch den Täter diene.69 Folgende Textstelle veranschaulicht den Grundgedanken dieser Lehre: „Doch will das Strafrecht seiner Aufgabe als Rechtsgüterschutz […] gerecht werden, so wird jedenfalls der einmal bewiesene und aller Wahrscheinlichkeit fortdauernde böse Wille, der noch tausende von gefährlichen Handlungen erzeugen kann, mindestens ebensoviel Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, als eine einzelne, in concreto bereits als ungefährlich erwiesene Handlung. Diese Handlung gehört für immer der Vergangenheit an und wird niemandem mehr schaden. Der böse Wille aber wirkt fort und kann noch tausende von Rechtsgütern gefährden. Gegen ihn wird die Gesellschaft zu schützen sein.“70

Die bereits begangene Tat, in der sich die Tätergefährlichkeit offenbart hat, sei nicht Grund, sondern nur Anlass der Bestrafung. Entscheidend für das Strafmaß sei daher allein, ob und inwieweit von dem Täter weiterhin Gefahr ausgeht, nicht aber die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung71 oder durch die Tat herbeigeführte Rechtsgutsverletzungen72. Auch wenn E. R. v. Liszt an den Kategorien der Vollendung und des Versuchs formaliter festhielt, folgt aus seinem Ansatz materiell letztlich die Eliminierung dieser Unterscheidung. Und so liegt es in der Konsequenz seines täterorientierten Ansatzes, dass E. R. v. Liszt nicht nur die Möglichkeit einer Gleichbestrafung von Versuch und Vollendung, sondern, sofern dies das Maß der Tätergefährlichkeit im Einzelfall gebietet, auch die Möglichkeit einer schwereren Versuchsbestrafung fordert.73 Heberle entgegnete der spezialpräventiven Begründung der Gleichbestrafung des Versuchs und der Vollendung, dass gerade der Erfolgseintritt die Tätergefährlichkeit typischerweise erhöhe, da dieser „das Selbstbewusstsein des Verbrechers, das Vertrauen auf seine Geschicklichkeit [hebe] und bei Herantreten einer neuen Gelegenheit zur Verübung eines Verbrechens […] diese einen weiteren zur Begehung 68

Zur modernen Schule grundlegend F. v. Liszt, in: Aufsätze I, S. 126 (163 ff.); dazu auch Rössner, in: HRG III, Sp. 1010 ff.; Naucke, Über die Zerbrechlichkeit, S. 223 ff.; zum „strafrechtlichen Schulenstreit“ Liepmann, ZStW 28 (1908), 1; v. Hippel ZStW, 30 (1910), 871; v. Gemmingen, ZStW 52 (1932), 153. 69 E. R. v. Liszt, ZStW 25 (1905), 24 (36, 38, 41, 43). 70 E. R. v. Liszt, ZStW 25 (1905), 24 (36). 71 E. R. v. Liszt, ZStW 25 (1905), 24 (69). 72 Diese seien nach E. R. v. Liszt allein für das Zivilrecht relevant (ZStW 25 (1905), 24 (41)); ebenso Röder, GrünhutsZ 5 (1878), 38 (39). 73 E. R. v. Liszt, ZStW 25 (1905), 24 (43, 54 ff.); so wohl auch F. v. Liszt, Lehrbuch, S. 215; Kadecˇ ka, in: MschrKrim 22 (1931), 65 (67 f.).

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antreibenden Faktor [bildeten], indem sie die Hoffnung auf glückliche Durchführung des Vorhabens [stärkten]“.74 Aus diesem Grund bedürfe es im Falle der Vollendung einer stärkeren Einwirkung auf den Täter, sodass das Ziel der Spezialprävention gerade einen Grund für die mildere Bestrafung des Versuchs bilde.75 Und v. Gemmingen fügt hinzu, dass sich auch im Rahmen der Spezialpräventionslehre – abgesehen davon, dass diese „die Tendenz zur symptomatischen Verbrechensauffassung und weiter zur Überwindung des Einzeltat-Schuldprinzips überhaupt in sich“ trage – eine geringere Bestrafung des Versuchs gegenüber der vollendeten Tat insoweit rechtfertige, als das Verbleiben der Tat im Versuchsstadium die geringere Gefährlichkeit des Täters zumindest indiziere, weil dieser Umstand auf einen „Mangel an Intelligenz“ beim Täter schließen lasse.76

2. Das normlogische Argument: Die Wirkung von Rechtsnormen allein über die menschliche Motivation Der dänische Strafrechtler Oersted leitete im frühen 19. Jahrhundert die Irrelevanz des Erfolgseintritts für das Strafmaß und damit die Gleichbestrafung des beendeten Versuchs und der vollendeten Tat daraus ab, dass „das Gesetz“ nur auf das menschliche „Begehrungsvermögen“, nicht aber auf die „Naturwirkungen der menschlichen Handlungen“ wirken könne. Deshalb könne „allein für die freie, auf die Hervorbringung des Erfolgs gerichtete Thätigkeit eine Strafe [bestimmt]“ werden.77 Diese Konzentration auf die Zweckrichtung der deliktischen Handlung als das Unrecht der Tat begründendes Element wird auch in der Verbrechensdefinition v. Grolmans deutlich. Verbrecherische Handlungen seien solche, die auf die Rechtsverletzung „gerichtet“ sind, ohne dass „die Rechtsverletzung wirklich aus ihr hervorgehe[n]“ müsse.78 Germann präzisierte diesen Gedanken ein Jahrhundert später im Anschluss an die Normenlehre Bindings79 dahingehend, dass es die jedem Straftatbestand zugrunde liegende Verhaltensnorm und nicht der Straftatbestand selbst sei, deren Wirkmächtigkeit sich einzig über die Einwirkung auf das menschliche Wollen vollziehe. Auch wenn der Zweck der Verhaltensnormen in der Erhaltung der äußeren Güterordnung bestehe, sei es sinnlos, Normen als Erfolgsverursachungsverbote bzw. Erfolgsabwendungsgebote zu formulieren, da „der Eintritt des Erfolgs von einer Reihe von Faktoren [abhänge], die außerhalb des Machtbereichs des betreffenden Menschen“ lägen.80 Folglich könne nur die Betätigung des Entschlusses, einen bestimmten Erfolg 74 75 76 77 78 79 80

Heberle, Aus welchen Gründen?, S. 35. Heberle, Aus welchen Gründen?, S. 36. v. Gemmingen, ZStW 52 (1932), 153 (155 f.). Oersted, Grundregeln, S. 164. v. Grolman, Grundsätze, S. 28, Hervorh. im Orig. Vgl. Binding, Normen I, S. 111. Germann, Grund, S. 129, 186.

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

herbeizuführen, nicht aber die Erfolgsherbeiführung selbst, einen Normverstoß darstellen. Da der Erfolgseintritt keinen Bestandteil der Normverletzung bilde, müsse jedenfalls der beendete Versuch gleich der vollendeten Tat bestraft werden.81 Indem sie über das bloße Vorhandensein des rechtsfeindlichen Willens hinaus dessen tatsächliche Betätigung als Unrechtsvoraussetzung verlangten,82 stellten die Vertreter der Präventionstheorie83 den römischrechtlichen Grundsatz cogitationis poenam nemo patitur84 zwar nicht in Frage. Sie unterschieden sich gleichwohl von den anderen Vertretern der subjektiven Versuchslehre dadurch, dass sie die Maßgeblichkeit der subjektiven Sicht des Täters nicht bloß auf die Mindestbedingung der Versuchsstrafbarkeit beschränkten, sondern darüber hinaus einen vollständig subjektivierten Unrechtsbegriff entwickelten, in dem objektive Elemente wie die Tauglichkeit des Versuchs nicht nur keine unrechtsbegründende, sondern nicht einmal eine unrechtserhöhende Funktion hatten. Diese Konzentration allein auf die subjektive Sicht des Täters brachte ihnen von Beginn an den Vorwurf ein, die Grenzen zwischen der moralischen und der rechtlichen Bewertung von Handlungen zu verwischen oder sogar aufzuheben,85 da im 19. Jahrhundert der Zweck des Rechts in erster Linie in der Erhaltung der äußerlichen Bedingungen menschlicher Freiheit gesehen wurde.86 3. Das Zufallsargument: Die Unvereinbarkeit der Erfolgsrelevanz mit dem Schuldprinzip Gegen die Ungleichbehandlung des beendeten Versuchs und der vollendeten Tat wurde weiter deren Unvereinbarkeit mit dem Schuldprinzip vorgebracht, da es sich bei ihr und bei der Strafmaßrelevanz des Erfolgs, auf der sie beruht, um eine „verkappte Zufallshaftung“ handle.87 Aus Sicht der die Erfolgsrelevanz ablehnenden Autoren gebiete das Schuldprinzip, dass sich der Kreis der strafmaßrelevanten Umstände auf diejenigen beschränken müsse, die dem Täter zum Vorwurf gemacht werden könnten. Vorgeworfen werden könnten jemandem aber nur diejenigen Umstände, die sich im Zeitpunkt ihres Ereignisses innerhalb seines Beherrschungsvermögens befinden. Ab dem Zeitpunkt aber, in dem sich jemand der Entscheidungsmacht über den Eintritt des Ereignisses entäußert hat, könne ihm der Eintritt des Ereignisses selbst nicht mehr vorgeworfen werden. Ein Ereignis, das sich 81

Germann, Grund, S. 187. Vgl. v. Grolman, Grundsätze, S. 28 f.; Tittmann, Handbuch I, S. 271 f. 83 Dazu: 1. Teil B. II. 1. 84 Digesten, 48, 19, 18. 85 Feuerbach, Lehrbuch, S. 72 Anm. 3); Zachariä, Lehre II, S. 69; Köstlin, Neue Revision, S. 403; ders., System, S. 247; Klee, Wille und Erfolg, S. 54. 86 Grundlegend dazu Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 9 ff.; ders., Strafe als Sicherungsmittel, S. 24 ff.; Kleinschrod, Grundbegriffe I, S. 7; Zachariä, Lehre II, S. 69 ff. 87 So auch der Titel des Aufsatzes von Kadecˇ ka zu diesem Thema, in: MschrKrim 22 (1931), 65. 82

C. Die Partikulargesetze des 19. Jahrhunderts

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zum Zeitpunkt seines Eintretens außerhalb des Beherrschungsvermögens eines Menschen befindet, stelle sich aus dessen Sicht als bloße Zufälligkeit dar.88 Deshalb müsse das Höchstmaß der Strafe für denjenigen Zeitpunkt bestimmt werden, in dem der Täter sich der Entscheidungsmacht über die Ingangsetzung eines ggf. zum Erfolgseintritt führenden Kausalverlaufs entäußert. Dieser Zeitpunkt sei die Versuchsbeendigung, sodass diese das Strafhöchstmaß treffen müsse.89 Vorzuwerfen sei dem Täter allein die durch die Versuchsbeendigung geschaffene Möglichkeit des Erfolgseintritts, nicht aber der zufällige Erfolgseintritt selbst. Weil die Schuld des beendeten Versuchs und der vollendeten Tat gleich schwer wögen, sei deren Gleichbehandlung ein unabweisbares Gebot der austeilenden Gerechtigkeit.90 Aus dem Umstand dagegen, dass die Entscheidung über die Schaffung der Erfolgsmöglichkeit vor der Versuchsbeendigung noch vollständig im Beherrschungsvermögen des Täters liege, der Erfolgseintritt also noch nicht dem Zufall überlassen worden sei, folge ein obligatorisches Milderungsgebot für den unbeendeten Versuch, „weil man hier eben niemals sicher [wisse], ob der Täter die Tat, wenn nichts dazwischen gekommen wäre, wirklich zu Ende geführt hätte“.91 Allerdings wurde auch die Stichhaltigkeit des Zufallsarguments verschiedentlich bestritten. Da der Zufall sich nicht erst auf den durch den beendeten Versuch bewirkten Kausalverlaufs auswirke, sondern schon darauf, ob die Tat überhaupt in das Stadium des beendeten Versuchs oder sogar in das Ausführungsstadium gelangt, „der Zufall [also] entweder nirgends oder […] überall im menschlichen Leben [walte]“, sei eine vollständige Eliminierung des Zufallseinflusses auf das Strafmaß unmöglich, sodass die konsequente Durchführung der Ausschaltung der Zufallsrelevanz bei der Strafzumessung eine Bestrafung überhaupt ausschließe.92

C. Die Milderungsgründe beim Versuch in den Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts Im 19. Jahrhundert, dem „Zeitalter der Strafrechtskodifikationen“, bewirkten die Einflüsse des politischen Liberalismus, des Rechtspositivismus und der Theorie vom psychologischen Zwang eine Stärkung des Gesetzlichkeitsprinzips und die Zurückdrängung richterlicher Willkür.93 Wenn auch selbstverständlich blieb, dass das 88

Germann, Grund, S. 186. Kahle, Spekulative Staatslehre, S. 358; Röder, GrünhutsZ 5 (1878), 38 (52 ff.); Kadecˇ ka, MschrKrim 22 (1931), 65 (67). 90 Kadecˇ ka, in: MschrKrim 22 (1931), 65 (67). 91 Kadecˇ ka, in: MschrKrim 22 (1931), 65 (67); so auch Kahle, Spekulative Staatslehre, S. 359. 92 Weber, NACrim 4 (1821), 24 (42 ff.); so auch Zachariä, Lehre II, S. 71. 93 Vormbaum, Einführung, S. 70; Koch, ZStW 122 (2010), 741 (752); Kirsch, Geltung, S. 47 ff. 89

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

Gesetz nicht für jeden Einzelfall die gerechte Strafe punktgenau anordnen kann, wurden die weiten Zumessungsspielräume der Richter durch feste Strafrahmen94 und die teilweise detaillierte Vorgabe von Strafzumessungskriterien95 stark beschnitten. Damit wurde dem Rechtsinstitut der willkürlichen Strafe endgültig der Grund entzogen.96 Die Unterscheidung zwischen der Strafrahmenfestlegung und der Strafrahmenkonkretisierung eröffnete den Gesetzgebern technisch zwei Wege, um bei der Strafmaßbestimmung des Versuchs gegenüber der Vollendungsstrafe zu differenzieren: Entweder konnte er schon den Strafrahmen modifizieren oder er konnte spezielle Anordnungen für die Strafzumessung innerhalb des auch für die Vollendung geltenden Strafrahmens treffen. In allen Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts waren mehr oder weniger weitgehende Modifikationen der Strafmaßbestimmungen für den Versuch enthalten. Während sich viele Kodifikationen aber darauf beschränkten, die Strafe für den Versuch allein aus dem Grund zu mildern, dass die Tat nicht zur Vollendung gelangt ist (unter I.), enthielten andere Partikulargesetze weitere versuchsbezogene Milderungsgründe, nämlich den Umstand, dass die Versuchshandlung unbeendet geblieben ist (unter II.), die Untauglichkeit des Versuchs (unter III.) sowie die Ausführung von Rücktrittshandlungen (unter IV.).

I. Ausbleiben der Vollendung 1. Obligatorische Milderung der Versuchsstrafe in der Mehrzahl der Partikulargesetze In der weit überwiegenden Mehrheit der Partikulargesetze wurde das Maß der Versuchsstrafe gegenüber demjenigen der Vollendungsstrafe obligatorisch gemildert.97 Über die Gründe dafür geben die Gesetzesmaterialien – soweit vorhanden – kaum Auskunft. Eine Ausnahme bilden insoweit die vom Gesetzesanwender verbindlich zu beachtenden Anmerkungen zum Bayerischen StGB von 1813.98 Diese führen die mildere Versuchsstrafe auf drei schon aus der literarischen Diskussion bekannte Gründe zurück, nämlich auf den Mangel einer zum Eintritt der Vollen94

Insoweit waren die Regelungen des StGB Bayern (1813) prototypisch für die weiteren Kodifikationen des 19. Jahrhunderts. 95 Vgl. etwa Art. 90 – 118 StGB Bayern (1813). 96 Neef, in: HRG III, Sp. 1781 (1784). 97 Art. 60 f. StGB Bayern (1813); Art. 25 f. CrimGB Sachsen (1838); Art. 43 StGB Sachsen (1855); Art. 61, 65 StGB Württemberg (1839); Art. 26 I S. 2 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1839); Art. 24 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1855); Art. 36 CrimGB Hannover (1840); § 36 CrimGB Braunschweig (1840); Art. 68 StGB Hessen (1841); §§ 104, 114 StGB Baden (1845); Art. 64 StGB Nassau (1849); die Strafgesetzbücher Preußens (1851) und Oldenburgs (1858) sahen eine zwingende Milderung zumindest bei den absoluten Strafen vor (§ 32 II StGB Preußen/Art. 28 § 2 StGB Oldenburg). 98 Anm. zum StGB Bayern (1813) I, S. II.

C. Die Partikulargesetze des 19. Jahrhunderts

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dungsstrafe notwendigen Bedingung, das Manifestationsprinzip und den Gedanken der psychologischen Zwangseinwirkung. So könne erstens nicht erklärt werden, warum der Gesetzgeber den Erfolg als Merkmal in den Vollendungstatbestand aufgenommen hat, wenn die Vollendungsstrafe auch den Versuch träfe.99 Zweitens dürfe die „Absicht nicht weiter bestraft werden, als sie durch äußerliche Handlungen hervortrat“.100 Und drittens müsse dem Täter nach dessen Eintritt in das strafbare Versuchsstadium, um ihm einen wirksamen Anreiz zur Verhinderung des Erfolgseintritts zu setzen, eine Straferhöhung für den Fall von dessen Eintritt gesetzt werden.101 In den Motiven zum Preußischen StGB von 1851 dagegen findet sich nur der Hinweis, dass für das Strafmaß nicht allein das subjektive Tatmoment entscheidend sei, sondern auch das objektive, welches beim Versuch gegenüber der Vollendung defizitär sei.102 Was die technische Ausgestaltung der Strafmilderung beim Versuch angeht, wurde in den Partikulargesetzen bei der Strafrahmenfestlegung von vier verschiedenen Varianten Gebrauch gemacht: - Die Absenkung der Strafrahmenobergrenze und der Strafrahmenuntergrenze (Strafrahmenverschiebung)103 - Die Absenkung der Strafrahmenuntergrenze (Strafrahmenerweiterung)104 - Die Absenkung der Strafrahmenobergrenze (Strafrahmenschrumpfung)105 - Identität des Versuchs- und des Vollendungsstrafrahmens (Strafrahmenidentität)106 99

Anm. zum StGB Bayern (1813) I, S. 175 Anm. zum StGB Bayern (1813) I, S. 175; dem Abstellen auf die subjektive Seite der Versuchshandlung bei der Höhe der Versuchsstrafe entspricht auch, dass die Anm. den Versuch mit untauglichen Mitteln und den Versuch am untauglichen Objekt für strafbar erklärten, S. 177. Damit wichen sie vom Feuerbachschen Entwurf für das StGB Bayern (1810) ab, dessen Art. 60 die objektive Gefährlichkeit der Versuchshandlungen voraussetzte. 101 Anm. zum StGB Bayern (1813) I, S. 176. 102 Goltdammer, Materialien zum Preußischen StGB, S. 279; vgl. auch die Motive zum Preußischen E1851, S. 14 f. und Beseler, Kommentar zum Preußischen StGB, S. 147. 103 Eine generelle Milderung der Versuchsstrafe durch eine Strafrahmenverschiebung findet sich in Art. 60 f. StGB Bayern (1813); Art. 68 StGB Hessen; Art. 64 StGB Nassau; Art. 68 StGB Württemberg; Art. 36 StGB Hannover; § 36 I S. 2 CrimGB Braunschweig; § 114 StGB Baden; § 32 II StGB Preußen; Art. 26 I S. 2 CrimGB Sachsen (1838) und Art. 26 I S. 2 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1839) ordneten eine Strafrahmenverschiebung jedenfalls für die absoluten Strafen, d. h. die Todesstrafe und die lebenslange Freiheitsstrafe, an. 104 Eine Strafrahmenerweiterung enthielten – vorbehaltlich der Strafrahmenverschiebung bei absoluten Strafen – Art. 64 StGB Württemberg; § 114 StGB Baden; Art. 41 StGB Sachsen (1855); Art. 49 StGB Bayern (1861). 105 In folgenden Vorschriften finden sich – vorbehaltlich der Strafrahmenverschiebung bei absoluten Strafen – Strafrahmenschrumpfungen: Art. 26 I S. 2 StGB Sachsen (1838); Art. 36 CrimGB Hannover; Art. 26 I S. 2 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1839). 106 Nur § 32 I StGB Preußen und Art. 28 § 1 StGB Oldenburg regelten die Strafrahmenidentität für den Versuch und die Vollendung jedenfalls für Delikte mit relativen Strafen. 100

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

Von einer obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe schon durch die Veränderung des Strafrahmens lässt sich freilich nur bei der Strafrahmenverschiebung und der Strafrahmenschrumpfung reden. Im Falle der Strafrahmenerweiterung und der Strafrahmenidentität besteht für den Rechtsanwender dagegen kein Grund, nicht auch das für die Vollendungsstrafe geltende Strafrahmenmaximum auf den Versuch anzuwenden. Um das Ausbleiben der Vollendung dennoch als zwingenden Milderungsgrund festzuschreiben, mussten die Partikulargesetzgeber, die keine Strafrahmenverschiebung/-schrumpfung eingeführt hatten, weitergehende Vorgaben für die Strafrahmenkonkretisierung machen. Insoweit finden sich wiederum zwei verschiedene Varianten: - Das Verbot der Anwendung des Strafrahmenmaximums auf den Versuch107 - Das Gebot der Milderung der Versuchsstrafe auf Grundlage der zuvor gebildeten hypothetischen Vollendungsstrafe108

2. (Partielle) Möglichkeit einer Gleichbestrafung im Preußischen StGB und Bayerischen StGB von 1861 § 32 I S. 1 StGB Preußen bestimmte – jedenfalls für Delikte mit relativen Strafen –, dass der Versuch wie die vollendete Tat bestraft wird. Zwar blieb es dem Richter nach S. 2 überlassen, auf das Ausbleiben der Vollendung Rücksicht zu nehmen. Ein Verbot, auch das Strafrahmenmaximum auf den Versuch anzuwenden, war damit aber nicht geregelt, sodass insoweit jedenfalls keine Milderungspflicht des Richters bestand. Eingedenk der obligatorischen Strafmilderung bei Delikten mit absoluter Strafandrohung erscheint die Regelung des Preußischen StGB als seltsam inkonsistent. Dies erklärt sich aber daraus, dass im Rahmen der zum Preußischen StGB geführten Reformdiskussion,109 die sich schon bald nach dem Erlass der als unbefriedigend empfundenen Strafregelungen des Preußischen ALR entfaltet hatte, hinsichtlich der Versuchsregelung zwei unterschiedliche Modelle in Betracht kamen, an die angeknüpft werden konnte.110 Auf der einen Seite stand die deutsch-gemeinrechtliche Tradition mit der zwingenden Milderung der Versuchsstrafe, wie sie sich im Preußischen ALR findet, auf der anderen Seite die französische Tradition in

107

§ 104 StGB Baden; Art. 41 S. 2 StGB Sachsen (1855). Art. 24 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1855); ob das Braunschweigische StGB in § 36 I S. 1 ein Verbot der Anwendung der Höchststrafe oder ein Gebot der Bildung der Versuchsstrafe auf Grundlage der hypothetischen Vollendungsstrafe enthielt, ist nicht ganz klar; auch die Gesetzesmotive geben darüber keine klare Auskunft (vgl. CrimGB f. d. Herzogthum Braunschweig nebst den Motiven der herzogl. Landesregierung, S. 197). 109 Durchaus beachtlich ist die Vielzahl der in ihrem Rahmen entstandenen Entwürfe (vgl. Banke, Der erste Entwurf eines Dt. Einheitsstrafrechts, S. 36): 1800, 1801, 1804, 1805, 1819, 1826, 1828, 1830, 1833/34, 1836, 1843, 1845, 1846, 1847, 1848, 1851. 110 Vgl. Goltdammer, Materialien zum Preußischen StGB, S. 278 ff. 108

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Gestalt des Art. 2 Code pénal (1810),111 nach dem der Versuch gleich der Vollendung zu bestrafen ist.112 Weil die Regelung des § 32 StGB Preußen – wie schon dargestellt – eine eindeutige Festlegung weder in die eine noch in die andere Richtung enthält,113 lässt sich ihre Inkonsistenz als das Beschreiten eines „Mittelwegs“ zwischen der deutschen und der französischen Tradition einordnen. Das StGB Bayern (1861), das den Strafrahmen in Art. 49 beim Versuch erweiterte, ging sogar noch einen Schritt weiter, indem es selbst für Delikte mit absoluter Strafandrohung keine obligatorische Milderung regelte, sondern die Milderung der Versuchsstrafe lediglich in das Ermessen des Richters stellte. In den Motiven findet sich dazu keine Begründung.114

II. Mangel der Versuchsbeendigung Auch der Einfluss des Tatfortschritts auf das Strafmaß war in den Bestimmungen vieler Partikulargesetze festgeschrieben.115 Während dies im StGB Bayern (1813) noch Vorbereitungshandlungen eingeschlossen hatte,116 differenzierten alle späteren Gesetze, die den Tatfortschritt als strafmaßrelevant berücksichtigten, nur noch zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch, da Vorbereitungshandlungen als prinzipiell straflos belassen wurden.117 Doch auch insoweit finden sich in 111 Dieser lautet: Toute tentative de crime qui aura été manifestée par des actes extérieurs, et suivie d’un commencement d’exécution, si elle n’a été suspendue ou n’a manqué son effet que par des circonstances fortuites ou indépendantes de la volonté de l’auteur, est considérée comme le crime même. 112 Der Grund für die Relevanz des Code pénal für die Preußische Reformdiskussion war, dass er im Rahmen der französischen Besatzung der linksrheinischen deutschen Gebiete (1795) und derer formalen Annexion (1801) dort geltendes Recht geworden war. Auch nach dem Zusammenbruch der Napoleonischen Herrschaft und dem Anschluss dieser Gebiete an Preußen (1814) blieb er allerdings in Geltung; ausführlich zur Entstehungsschichte und zur Geltungsgeschichte des Code pénal Kleinbreuer, Das Rheinische Strafgesetzbuch, S. 1 ff., 134 ff. 113 In den Motiven zum Preußischen E1851 wurde allerdings wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Richter von der ihm eingeräumten Milderungsbefugnis bei relativen Strafen Gebrauch machen werde (S. 14 f.). 114 Vgl. Das StGB für das Königreich Bayern vom 10. November 1861 erläutert aus Materialien, der Rechtslehre und den Entscheidungen der Gerichte, S. 47 f. 115 So in Art. 60 – 62 StGB Bayern (1813); Art. 64 f. StGB Württemberg (1838); Art. 36 f. CrimGB Hannover (1840); § 36 CrimGB Braunschweig (1840); Art. 68 II StGB Hessen (1841); §§ 112, 114 StGB Baden (1845); Art. 64 II StGB Nassau (1849); Art. 41 StGB Sachsen (1855). 116 Vgl. Art. 57, 62 StGB Bayern (1813). 117 Dies ergab sich entweder aus der Definition der Versuchshandlungen oder aus besonderen gesetzlichen Anordnungen; vgl. Art. 63 StGB Württemberg; Art. 29 CrimGB Sachsen (1838); Art. 45 StGB Sachsen (1851); Art. 34 I Nr. 1 CrimGB Hannover; § 36 I CrimGB Braunschweig; Art. 65 StGB Hessen; § 108 StGB Baden; Art. 62 StGB Nassau; Art. 29 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1839); Art. 27 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1855); Art. 27 StGB Oldenburg; § 31 StGB Preußen; Art. 51 StGB Bayern (1861).

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

den Gesetzesmaterialien kaum Begründungen. In den Motiven zum StGB Braunschweig wird für die höhere Strafwürdigkeit des beendeten Versuchs lediglich angeführt, dass erst durch ihn „der Gegenstand des Verbrechens […] in eine wirkliche Gefahr gebracht [sei]“.118 Auch hinsichtlich der Berücksichtigung des Tatfortschritts wurde technisch von zwei unterschiedlichen Regelungsvarianten Gebrauch gemacht. In einigen Kodifikationen war für den unbeendeten Versuch ein niedrigerer Strafrahmen als für den beendeten Versuch vorgesehen,119 in anderen lediglich die Vorgabe an den Richter, den Fortschritt der Tat bei der Konkretisierung des Versuchsstrafrahmens zu berücksichtigen.120 Eine weitere Gruppe von Kodifikationen verzichtete dagegen darauf, eine zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch differenzierende Strafmaßbestimmung zu regeln.121 Während mit dem Preußischen StGB bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Versuchs- und der Vollendungsstrafe – wie beschrieben – ein Mittelweg zwischen der deutschen und der französischen Tradition gewählt wurde, setzte sich hinsichtlich der Strafmaßrelevanz des Versuchsfortschritts der Einfluss des Art. 2 Code pénal gegenüber demjenigen des Preußischen ALR durch. So findet sich die Differenzierung zwischen dem beendeten und unbeendeten Versuch noch im E1843.122 In den sich an den E1843 anschließenden Entwürfen spielte der Tatfortschritt für die Bestimmung der Versuchsstrafe keine Rolle mehr. In den Motiven zum E1847 wird diesbezüglich geltend gemacht, die pauschale Ungleichbehandlung des beendeten und des unbeendeten Versuchs „[beruhe] auf einer abstrakten Grenzscheidung, welche auf viele Fälle nicht [passe]“.123 Welche Fälle dies sein sollen, wird nicht erörtert.

III. Untauglichkeit des Versuchs Keines der Partikulargesetze regelte explizit die Straflosigkeit des untauglichen Versuchs, was ein Bekenntnis zur objektiven Versuchslehre bedeutet hätte.124 Während sich zum Problem der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs in einigen

118

CrimGB f. d. Herzogthum Braunschweig nebst den Motiven der herzogl. Landesregierung, S. 197. 119 Art. 65 StGB Württemberg; Art. 36 f. CrimGB Hannover. 120 Art. 68 II StGB Hessen; Art. 64 II StGB Nassau. 121 Das StGB Bayern (1813) sah in Art. 60 f. für den beendeten und den unbeendeten Versuch die gleichen Grundsätze vor; überhaupt keine Differenzierungen enthielten insoweit das StGB Bayern (1861); CrimGB Sachsen (1838); StGB Preußen; StGB Sachsen-WeimarEisenach (1839/1855); StGB Oldenburg. 122 Vgl. §§ 58 f. des Preußischen E1843. 123 Motive zum Preußischen E1847, S. 21. 124 Im Feuerbachschen Entwurf zum StGB Bayern (1810) findet sich in Art. 60 II eine entsprechende Regelung, die aber nicht in das StGB von 1813 übernommen worden ist.

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Kodifikationen überhaupt keine Regelung findet,125 ordneten andere die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ausdrücklich an.126 Obwohl für die Begründung der Versuchsstrafbarkeit irrelevant, spielte die Unterscheidung zwischen der Tauglichkeit und der Untauglichkeit des Versuchs jedoch in einigen der Kodifikationen mit Bekenntnis zur subjektiven Versuchslehre insoweit eine Rolle, als der Mangel der objektiven Gefährlichkeit zumindest eine Strafmilderung bewirkte.127 Über die Gründe dafür machen die Gesetzesmotive auch hier keine Angaben.128

IV. Ausführung von Rücktrittshandlungen Was den Rücktritt vom unbeendeten Versuch angeht, so führte dieser in fast allen Partikulargesetzen zur Straflosigkeit.129 Eine Ausnahme bildete Art. 28 CrimGB Sachsen (1838), der dem Richter die Möglichkeit einer stark gemilderten Bestrafung des unbeendeten Versuchs auch nach erfolgtem Rücktritt beließ. Die in den Partikulargesetzen geregelten Rechtswirkungen des Rücktritts vom beendeten Versuch zeichneten sich dagegen durch ein weit höheres Maß an Disparität aus. So bildete der Rücktritt vom beendeten Versuch teilweise einen Grund für die Straflosigkeit,130 an anderer Stelle einen Strafmilderungsgrund,131 teilweise löste er auch überhaupt keine Rechtswirkungen aus.132 Dass der Rücktritt vom beendeten Versuch anders als derjenige vom unbeendeten Versuch lediglich eine Strafmilderung und keine Straflosigkeit bewirkt, findet sich in den Motiven zum Badischen StGB damit begründet, dass das „Wiederabstehen“ von 125

Vgl. StGB Bayern (1813); StGB Bayern (1861); StGB Preußen; StGB Oldenburg. Art. 72 StGB Württemberg; Art. 26 I Nr. 3, 4, 27 CrimGB Sachsen (1838); Art. 42 Nr. 2), 43 StGB Sachsen (1855); Art. 26 I Nr. 3), 4), Art. 27 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1839); Art. 23 I Nr. 3), 4) StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1855); Art. 40 CrimGB Hannover; § 36 IV CrimGB Braunschweig; Art. 67 StGB Hessen; §§ 110 f. StGB Baden; Art. 63 StGB Nassau. 127 Gem. Art. 72 StGB Württemberg fand der Strafrahmen des tauglichen unbeendeten Versuchs aus Art. 65 auf den untauglichen beendeten Versuch Anwendung und die Strafrahmenuntergrenze des untauglichen unbeendeten Versuchs wurde gegenüber dem tauglichen unbeendeten Versuch weiter abgesenkt; gem. Art. 40 CrimGB Hannover war bei der Konkretisierung des jeweiligen Versuchsstrafrahmens auf den Umstand der Untauglichkeit mildernd Rücksicht zu nehmen; nach den §§ 110 f. StGB Baden fand die Strafe des unbeendeten Versuchs auf den untauglichen beendeten Versuch Anwendung, eine Milderung des untauglichen unbeendeten Versuchs war dagegen nicht vorgesehen. 128 Vgl. Thilo, StGB Baden mit den Motiven der Regierung I, §§ 110 f. 129 Art. 58 StGB Bayern (1813); Art 47 StGB Bayern (1861); Art. 73 StGB Württemberg; Art. 44 StGB Sachsen (1855); Art. 28 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach (1839); Art. 26 StGB Sachsen-Weimar-Eisenach; Art. 34 I Nr. 3 CrimGB Hannover; Art. 69 StGB Hessen; § 117 StGB Baden; Art. 65 StGB Nassau; § 31 StGB Preußen; Art. 27 StGB Oldenburg. 130 Art. 47 StGB Bayern (1861); § 31 StGB Preußen; Art. 27 StGB Oldenburg. 131 Art. 95 Nr. 2) CrimGB Hannover; § 118 StGB Baden. 132 Art. 65, 120; StGB Nassau; StGB Sachsen (1838). 126

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

der Tat nach der Versuchsbeendigung nicht ausreichendes Gewicht habe, um völlig von einer Bestrafung abzusehen, da „es oft ein bloßer Zufall sein [könne], ob diese Reue zu spät kam oder nicht“. Zudem werde im Falle der Straflosigkeit der erfolgreichen Erfolgsabwendung „auf den Erfolg ein zu großes, auf die That selbst, und die Absicht, in der sie verübt wurde, ein zu geringes Gewicht gelegt“.133 Auch sei ein völliges Absehen von der Bestrafung – anders als in den Anmerkungen zum Bayerischen StGB postuliert134 – aus Opferschutzgesichtspunkten nicht geboten, da „die Handlung, wodurch nach beendigter That der Erfolg durch den Thäter selbst abgewendet werden will, […] als ein schnell gefaßter, durch augenblickliche Reue hervorgerufener Entschluß [eintrete], und in solchen verhängnisvollen Augenblicken der Thäter schwerlich ausrechnen [werde], wie groß die Strafe ist, die ihn trifft“.135 Dass sich der Rücktritt vom beendeten Versuch dagegen überhaupt strafmildernd auswirkt, dürfte als selbstverständlich aufgefasst worden sein. Jedenfalls findet sich diesbezüglich keine eigenständige Begründung.

D. Die Einführung der obligatorischen Strafmilderung im RStGB von 1871 Dass das RStGB schon ein Jahr nach der Reichsgründung in Kraft trat, ist dem Umstand geschuldet, dass es de facto schon vor 1871 vorlag. Die Gründung des Norddeutschen Bundes (1866) und die Zuweisung der Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht auf die Bundesebene durch die Verfassung des Norddeutschen Bundes (1867)136 machten die Arbeit an einem neuen StGB erforderlich. Nachdem vom Preußischen Justizministerium ein erster Entwurf (Friedberg-Entwurf) ausgearbeitet worden war, wurde dieser einer vom Bundesrat einberufenen Kommission zur Revision vorgelegt. Als Ergebnis der Kommissionstätigkeit wurde bis Dezember 1869 ein revidierter Entwurf erarbeitet, der schließlich nach der Annahme durch den Bundesrat und den Reichstag im Wesentlichen das StGB für den Norddeutschen Bund bilden sollte. Dieses galt nach der Reichsgründung (1871) gem. Art. 80 II Nr. 3) der Verfassung des Deutschen Bundes vom 01.01.1871 zum 01.01.1872 als Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs inhaltlich unverändert fort.137 Schon § 38 I des Friedberg-Entwurfs machte anders als die insoweit missverständliche Regelung des StGB Preußen klar, dass die versuchte Tat stets milder als die vollendete zu bestrafen ist. Diese Regelung war weder im revidierten Entwurf (§ 42 I), noch im StGB für den Norddeutschen Bund geändert worden und wurde 133

Thilo, StGB Baden mit den Motiven der Regierung I, S. 144. Anm. zum StGB Bayern (1813) I, S. 181. 135 Thilo, StGB Baden mit den Motiven der Regierung I, S. 144. 136 Vgl. Art. 4 Nr. 13 Var. 2 Verf. des Norddt. Bundes. 137 Eine ausführliche Beschreibung der Ereignisse, die zur Entstehung des StGB des Norddt. Bundes geführt haben, durch Schubert findet sich in: Entstehung des StGB I, S. XI (XIII ff.). 134

E. Die Entwürfe der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik

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folglich auch im Deutschen Reich geltendes Recht (§ 44 I). In den Motiven zum StGB für den Norddeutschen Bund findet sich dazu als Begründung – in ausdrücklicher Abgrenzung zur Regelung des Code pénal – der schlichte Verweis auf die deutsche Rechtstradition, an die anzuschließen sei.138 In § 44 II–IV RStGB wurden die Veränderungen der jeweils für die vollendete Tat vorgesehenen Regelstrafen beim Versuch festgelegt.139 Weitere Regeln über die Strafmaßbestimmung beim Versuch enthielt das RStGB nicht. Nachdem in § 38 V des Friedberg-Entwurfs noch als Regel für die Strafzumessung innerhalb des für die Versuchsstrafe geltenden Rahmens vorgegeben war, dass die Strafe danach zu bestimmen ist, wie weit sich die Tat der Vollendung genähert hat, wurde diese Regelung schon im revidierten Entwurf als inhaltlich selbstverständlich verworfen140 und findet sich auch nicht mehr im RStGB. Auf eine Stellungnahme zur Relevanz der Versuchstauglichkeit für die Strafbarkeit und das Strafmaß wurde sowohl im Friedberg-Entwurf als auch im RStGB verzichtet.

E. Die Entwürfe der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik Das RStGB gilt gemeinhin als End- und zugleich als Höhepunkt der Epoche des liberal-rechtstaatlichen Strafrechts, in der die Forderungen nach formaler und materieller Rechtssicherheit durch klar formulierte Tatbestände, die allgemeine Anerkennung des Gesetzlichkeitsprinzips (Art. 2 RStGB), Beschränkungen des richterlichen Ermessens auf der Rechtsfolgenseite sowie der materielle Verbrechensbegriff weitgehend verwirklicht wurden.141 Wie oben dargelegt, traten aber schon bald nach 1871 Forderungen nach einem stärker „sozialgestalterischen“ Strafrecht auf den Plan. Während die Reformdiskussion in der Wissenschaft schon die gesamte Kaiserzeit über stattgefunden hatte,142 wurden umfassende Reformentwürfe erst in der Spätzeit des Kaiserreichs, dann aber vor allem in der Zeit der Weimarer Republik, vorgelegt. Insgesamt brachte die Zeit von 1909 bis 1930 – den Österreichischen Gegenentwurf von 1919 mit eingeschlossen – neun Entwürfe hervor. Hinsichtlich des Verhältnisses 138

Motive zum Entwurf eines Strafgesetzes für den Norddeutschen Bund, S. 84 ff. Bei Delikten, deren Regelstrafen die Todesstrafe und die lebenslange Zuchthausstrafe waren, wurden beim Versuch die Strafen auf eine zeitige Zuchthausstrafe von mindestens drei Jahren gemildert. In allen sonstigen Fällen wurde das Minimum des Regelstrafens auf ein Viertel abgesenkt. 140 Beratungen der Bundesratskommission, 1. Lesung, in: Entstehung des StGB I, S. 61 (76). 141 Schmidt, Einführung, S. 344; Vormbaum/Rentrop, in: Reform des StGB I, S. XI (XI ff.); Rüping/Jerouschek, Grundriss, Rn. 254. 142 Dazu: 1. Teil B. 139

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

der Versuchs- zur Vollendungsstrafe lassen sich diese Entwürfe in eine konservative Gruppe, die an der obligatorischen Strafrahmenverschiebung festhielt,143 und eine progressive Gruppe, die an die Stelle der obligatorischen eine fakultative Strafrahmenverschiebung setzte,144 einteilen. In der Begründung zum Vorentwurf aus dem Jahr 1909 wird die Beibehaltung der obligatorischen Strafmilderung wiederum mit einem Verweis auf die „deutsche Volksanschauung“ legitimiert, der es nicht entspreche, das Strafmaß nur nach der „Willensseite“ zu bestimmen und die „Tatseite“ völlig außer Acht zu lassen.145 Gegen die Einführung einer fakultativen Milderung der Versuchsstrafe spreche daneben zum einen, dass man damit die Entscheidung über die Verhängung der Todesstrafe und der lebenslangen Freiheitsstrafe in das Ermessen des Richters lege, zum anderen, dass einer solchen Regelung – wie dies etwa im Vorentwurf zum schweizerischen StGB von 1908146 zum Ausdruck kommt – die Vorstellung eines prinzipiellen Unrechtsgefälles zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch zu Grunde liege.147 Jedoch sei „nicht zutreffend, daß der Täter bei dem beendigten Versuch regelmäßig schuldiger und darum strafwürdiger ist als bei dem nicht beendigten“. Weder habe der Täter notwendigerweise seinen Willen bei ersterem „stärker betätigt“ und sei dem Erfolg „näher gekommen“ als bei letzterem, noch gebe es, da sich die Unterscheidung der Versuchsstadien allein nach der Tätervorstellung bestimme, eine objektiv „praktisch brauchbare Abgrenzung zwischen beiden Arten des Versuchs“.148 Insgesamt sei die Diskussion um die obligatorische Milderung der Versuchsstrafe in ihrer Relevanz aber überschätzt, da, solange es weite Strafrahmen gibt, der Richter bei deren Konkretisierung auf das Ausbleiben der Vollendung Rücksicht nehmen könne. Einzig bei den absoluten Strafen sei mangels zu konkretisierender Strafrahmen die Anordnung einer besonderen Strafmilderung für den Versuch wirklich notwendig.149 Im Gegenentwurf von 1911 findet sich für die Beibehaltung der obligatorischen Strafmilderung keine nähere Begründung.150

143 § 76 I Vorentwurf zu einem Dt. StGB (1909); § 28 I Gegenentwurf zum Vorentwurf zu einem Dt. StGB (1911); § 30 I Entwurf zu einem Dt. StGB (1913); § 24 I Entwurf zu einem Dt. StGB (1919); § 26 II Entwurf eines Allgemeinen Dt. StGB (1927); § 26 II Entwurf eines Allgemeinen Dt. StGB – Entwurf Kahl – (1930). 144 § 25 Österreichischer Gegenentwurf zu dem AT des Dt. StGB von 1919 (1922); § 23 II Entwurf eines Allgemeinen Dt. StGB – Entwurf Radbruch – (1922); § 23 II Amtl. Entwurf eines Allgemeinen Dt. StGB (1925). 145 Begr. zum Vorentwurf 1909, S. 294. 146 Dessen Art. 22 lautete: Wer ein Verbrechen auszuführen versucht und mit der Ausführung begonnen hat, wird milder bestraft; führt er die verbrecherische Tätigkeit erfolglos zu Ende, so kann er milder bestraft werden. 147 Begr. zum Vorentwurf 1909, S. 295. 148 Begr. zum Vorentwurf 1909, S. 295. 149 Begr. zum Vorentwurf 1909, S. 294. 150 Vgl. Gegenentwurf zum Vorentwurf eines Dt. StGB. Begr., S. 42 f.

E. Die Entwürfe der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik

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Die im Radbruch-Entwurf (1922) enthaltenen Versuchsregelungen (§§ 23 f.) stimmen weitgehend mit denjenigen des heute geltenden Rechts überein.151 In den von Radbruch verfassten Bemerkungen zu seinem Entwurf handelte er die Begründung der fakultativen Strafmilderung beim Versuch unter der Überschrift „Die Durchführung des Schuldprinzips“ ab. So seien im Entwurf „die Reste der Erfolgshaftung beseitigt“.152 Dies äußerte sich in dreierlei Hinsicht. Erstens enthielt der Entwurf anders als das RStGB eine allgemeine Vorschrift (§ 15), welche die Tatbestandsmäßigkeit erfolgsqualifizierter Delikte vom Vorliegen zumindest von Fahrlässigkeit hinsichtlich des qualifizierenden Erfolgs abhängig machte. Zweitens fehlten in der allgemeinen Strafzumessungsvorschrift (§ 67) die Tatfolgen als strafmaßrelevanter Umstand. Und drittens entlastete das Ausbleiben des tatbestandsmäßigen Erfolgs den Täter nicht mehr zwingend, weil der Versuch nach dem Entwurf anders als nach dem RStGB nicht milder bestraft werden musste als die vollendete Tat. Ebenso wie die Erfolgsverursachung als solche nach dem Entwurf nicht mehr belastend wirkte, führte das Ausbleiben des Erfolgs also auch nicht automatisch zu einer Entlastung. Die prinzipielle Gleichstellung des Versuchs und der Vollendung sei eine „folgerichtige Durchführung des Schuldprinzips“.153 Zu der Frage, warum das Schuldprinzip nur eine Kann-Milderung und keine zwingende Gleichbehandlung des Versuchs und der Vollendung fordere, bezog Radbruch nur in sehr vager Weise Stellung. So habe der Richter dann von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, wenn das Ausbleiben des Erfolgs als „Mangel des entschiedenen Erfolgswillens“ anzusehen ist.154 Auch im E1925, der auf dem Radbruch-Entwurf aufbaute,155 findet sich weiterhin die fakultative Strafmilderung beim Versuch. In der Begründung zum Entwurf wird dies darauf zurückgeführt, dass letztlich die „Persönlichkeit des Täters“, die sich in der Tat offenbare, bei der Bestimmung der Strafe entscheidend sei.156 Der Zufälligkeit des Eintritts oder des Ausbleibens des Erfolgs komme dabei keine Bedeutung zu.157 Die Begründung zum E1927 enthält demgegenüber keine Angaben über Gründe für die vorgesehene „Rückkehr“ zur obligatorischen Milderung.158

151 Eine Ausnahme bildete jedoch § 23 III, der im Radbruch-Entwurf den grob unverständigen Versuch vollständig straflos stellt. 152 Bem. zum E1922, S. 50, in: Quellen zur Reform I. Abteilung Bd. 1, S. 188 (194). 153 Bem. zum E1922, S. 50, in: Quellen zur Reform I. Abteilung Bd. 1, S. 188 (194). 154 Bem. zum E1922, S. 50, in: Quellen zur Reform I. Abteilung Bd. 1, S. 188 (194). 155 Vormbaum/Rentrop, in: Reform des StGB I, S. XI (XX). 156 Begr. des E1925, S. 22; in: Quellen zur Reform I. Abteilung Bd. 1, S. 239 (262). 157 Begr. des E1925, S. 22; in: Quellen zur Reform I. Abteilung Bd. 1, S. 239 (262). 158 Vgl. Begr. des E1927, S. 24, in: Quellen zur Reform I. Abteilung Bd. 1, S. 481 (504).

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

F. Die NS-Zeit: Der Weg zur Einführung der fakultativen Strafmilderung durch die Gewaltverbrecherverordnung Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten (1933) setzte sich die Reformdebatte – wenn auch ideologisch bedingt unter veränderten Vorzeichen – unvermindert fort. Insbesondere die von der modernen Schule angeregte Hinwendung zum Täterstrafrecht erlebte in dem von nationalsozialistischem Gedankengut beherrschten Wissenschaftsklima einen radikalen Aufschwung. Während aber F. v. Liszt im Strafrecht noch „die unübersteigbare Schranke der Kriminalpolitik“ gesehen hatte,159 gingen nach 1933 wesentliche Bestrebungen dahin, die Strafrechtsdogmatik von den Errungenschaften des liberalen Zeitalters zu bereinigen und als „Kampfmittel“ vollständig in den Dienst der Verbrechensbekämpfung zu stellen.160 Über die Auswirkungen des neuen Denkens auf das Problem der Versuchsbestrafung gibt die vom Preußischen Justizminister Kerrl 1933 herausgegebene Denkschrift „Nationalsozialistisches Strafrecht“ Auskunft, in der die Abwendung von einem Verletzungs- hin zu einem Gefährdungsstrafrecht und in diesem Rahmen die Gleichbestrafung des Versuchs und der Vollendung postuliert wurde. Argumentativ bewegte sich die Denkschrift dabei in auffallender Kontinuität zu den schon vor 1933 in der Wissenschaft und in den Entwurfsbegründungen geäußerten Gründen. So wurde angeführt, dass „die mehr oder weniger zufällige Größe des angerichteten Schadens“ für das Strafmaß grundsätzlich außer Betracht bleiben müsse und es vielmehr auf die Stärke des „verbrecherischen Willens“ und auf „das Maß der schuldhaft vom Täter herbeigeführten Gefahr“ ankomme.161 Da der Mensch nur „Möglichkeiten (Wahrscheinlichkeiten) eines verletzenden Erfolges“ schaffen könne, könnten dem Täter auch nur diese und eben nicht die außerhalb seines Beherrschungsvermögens liegenden Realisierungen der geschaffenen Gefahren vorgeworfen werden.162 Auch in der Literatur entwickelte sich – unverkennbar durch den Einfluss der NS-Ideologie – die Auffassung, dass der Versuch gleich der Vollendung bestraft werden dürfe, zur wohl h. M,163 ohne dass dafür wesentlich neue Argumente vorgetragen wurden. 159

F. v. Liszt, in: Aufsätze II, S. 75 (80). Vogel spricht bezüglich der Entwicklung der Entwicklung in der NS-Zeit von einer „totalen Funktionalisierung des Strafrechts“, was aus demselben eine „dauernde Selbstreinigungsapparatur der Volksgemeinschaft“ gemacht und ihm stark „polizeiliche Züge“ verliehen habe (Einflüsse, S. 93); grundlegend zum Ziel des nationalsozialistischen Strafrechts Freisler (in: Das kommende Dt. Strafrecht AT, 11 (14)) der konstatiert, das Strafrecht müsse bestrebt sein, „den Friedensstörer, und zwar nicht nur den Friedensstörer des Einzelfalls, sondern den Typus Friedensstörer im Volke, den Träger des asozialen Prinzips im Volke überhaupt, zu vernichten“. 161 Kerrl, Nationalsozialistisches Strafrecht, S. 121. 162 Kerrl, Nationalsozialistisches Strafrecht, S. 123. 163 Vertreten wurde diese Auffassung anders als noch zuvor von Klee, GA 1933, 321 (21); Schaffstein, ZStW 53 (1934), 603 (609); Roeder, ZStW 62 (1944), 303 (303 f.); wohl auch von 160

F. Die NS-Zeit

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Auch die NS-Zeit brachte mehrere Reformentwürfe hervor (1933, 1936, März/ Mai/Juni/Oktober 1937, 1938 und April/Juni/Juli 1939).164 Während sich der E1933 noch in konventionellen Bahnen bewegte und insbesondere an der obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe festhielt (§ 32a II),165 finden sich im E1936 schon deutliche Züge eines „kämpferischen“ Strafrechts. So richtet sich der Eintritt in das Ausführungsstadium nach strikt subjektiven Kriterien. Eine Tat beginne, wer eine Handlung ausführt, die sich – wenn auch nur nach der Vorstellung des Täters vom Sachverhalt – unmittelbar auf die Verwirklichung des Tatbestands richtet (§ 7 II).166 In der Begründung zum Entwurf findet sich dazu der Hinweis, das nationalsozialistische Strafrecht erblicke „in dem Willen des Täters den Feind […], der mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden [müsse]“.167 Es komme deshalb „grundsätzlich nicht so sehr auf das Maß des äußeren Geschehens als vielmehr auf den hinter dem Geschehen stehenden Willen des Rechtsbrechers“ an.168 Dass der Entwurf, obwohl nur der verbrecherische Wille maßgeblich sei, die Milderungsmöglichkeit vorsieht (§ 7 III), wird damit begründet, dass „der Fehlschlag oft auf die geringere Stärke des verbrecherischen Willens zurückzuführen [sei]“.169 Einen instruktiven Einblick in die Entstehung des E1936 und die Hinwendung zur fakultativen Strafmilderung beim Versuch gewähren auch die protokollierten Diskussionen der amtlichen Kommission zur Beratung der Strafrechtserneuerung.170 Unter deren Mitgliedern herrschte keinesfalls die einhellige Auffassung vor, von der obligatorischen Strafmilderung abzuweichen. So nahm Nagler unter Verweis auf die germanische Rechtstradition die Position ein, dass sich die Schwere einer verbrecherischen Handlung immer aus der Beziehung derselben zu konkreten Rechtsgütern ergebe, weil sich die Tat als Friedensstörung stets im Äußerlichen manifestiere. Zudem folge gerade aus dem Strafzweck des Rechtsgüterschutzes, dass Taten, die eine tatsächliche Rechtsgutsverletzung herbeigeführt haben, schwerer als bloße

Ebert, DJ 1934, 480 (481); a. A. Henle, Höhe, S. 43; Schoetensack, in: Denkschrift des Zentralausschusses der Strafrechtsabteilung, S. 62 (66). 164 Sämtliche Entwürfe finden sich abgedruckt in: Werner Schubert u. a. (Hrsg.), Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, II. Abteilung: NS-Zeit (1933 – 1939) – Strafgesetzbuch, Bd. 1: Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, 1. Teil, Berlin/New York 1988, S. 1 ff.; 2. Teil, Berlin/New York 1990, S. 305 ff. 165 Allerdings bezog er in § 32a I abweichend vom damals geltenden Recht explizit zugunsten der subjektiven Versuchslehre Stellung. 166 Die folgenden Entwürfe stimmten insoweit mit dem E1936 überein. 167 Begr. zum E1936, S. 11, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 1 2. Teil S. 1 (11). 168 Begr. zum E1936, S. 11, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 1 2. Teil, S. 1 (11). 169 Begr. zum E1936, S. 13, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 1 2. Teil, S. 1 (13). 170 Die Kommission wurde 1933 vom damaligen Justizminister Gürtner im Auftrag Hitlers einberufen und beriet zunächst auf Grundlage des E1933. Zum Ablauf der Kommission Vormbaum/Rentrop, in: Reform des StGB I, S. XI (XXVI).

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

Versuchshandlungen zu bestrafen seien.171 Daraus leitete er das Gebot der höheren Bestrafung der vollendeten Tat gegenüber dem Versuch ab.172 Die ganz überwiegende Zahl der Kommissionsmitglieder war sich dagegen über das Erfordernis einer Neubestimmung des Verhältnisses von Versuch und Vollendung bzw. deren Verschmelzung in einem einheitlichen Begriff vom strafbaren „Unternehmen“ einig. Die Tat sei allein ein Erkenntnismittel für die Feststellung eines verbrecherischen Willens, dessen Bekämpfung den eigentlichen Zweck der Strafe darstelle.173 Maßgeblich sei im nationalsozialistischen Strafrecht, dass sich der Täter gegen den allgemeinen Rechtsfrieden wende. Hierbei komme es auf eine individuelle Einbuße nicht an,174 weil es im Strafrecht nicht um den Ersatz konkreter Einbußen gehe.175 Vielmehr könne für das Strafmaß allein die Höhe der Schuld maßgeblich sein. Das Schuldmaß sei aber gerade nicht vom zufälligen Eintreten oder Ausbleiben des Erfolgs abhängig.176 Dass eine Milderung der Versuchsstrafe aber dennoch möglich sei, war nach Klee allein dem Umstand geschuldet, dass das Ausbleiben des Erfolgs einen Hinweis auf die „geringere Energie“ des Täters geben könne.177 Freisler fasste die überwiegende Meinung in der Kommission dahingehend zusammen, dass „man Mörder sein [könne], auch wenn eine Leiche nicht da ist“.178 Dahm schränkte dies jedoch dahin ein, dass auch im künftigen Strafrecht dem Erfolg praktische Relevanz zukommen müsse, und begründete dies mit der Notwendigkeit „die Energie und die Schlagkraft der Strafrechtspflege“ zu erhalten, da sich die Justiz nicht mit allem möglichen „Kleinkram“ wie der folgenlosen Überschreitung einer Geschwindigkeitsbeschränkung beschäftigen könne.179

171 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 5 ff., in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (49 ff.). 172 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 9, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (53). 173 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 3, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (53); und auch 4. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 11, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 71 (81). 174 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 18, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (62); Prot. zur 4. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 3, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 71 (73). 175 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 20, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (64). 176 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 19, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (63). 177 Prot. zur 3. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 19, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 45 (63). 178 Prot. zur 4. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 18, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 71 (88) . 179 Prot. zur 4. Sitzung der amtl. Strafrechtskommission, S. 4, in: Quellen zur Reform II. Abteilung Bd. 2 1. Teil, S. 71 (74).

G. Die Reformentwürfe nach 1945

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Geltendes Recht wurde die fakultative Milderung der Versuchsstrafe schließlich im Jahr 1939 mit Erlass der Gewaltverbrecherverordnung.180 Deren § 4 erstreckte die Möglichkeit der Anwendung der Vollendungsstrafe nicht allein auf den täterschaftlichen Versuch, sondern auch auf die versuchte Beihilfe. In der amtlichen Begründung dazu findet sich der Hinweis, die Verordnung solle es den Gerichten ermöglichen, „die Strafe des Versuchs und der Beihilfe nach dem Maß der Willensschuld zu bestimmen; auf den vielfach von Zufälligkeiten abhängenden Eintritt des Erfolgs [solle] es künftig nicht mehr ankommen“.181 § 44 RStGB wurde erst im Jahr 1943 durch den Art. 1 der Strafangleichungsverordnung im Sinne der Gewaltverbrecherverordnung novelliert.182

G. Die Reformentwürfe nach 1945 bis zur Novellierung des Allgemeinen Teils durch das 2. Strafrechtsreformgesetz Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs gingen wesentliche Bestrebungen dahin, das deutsche Strafrecht von spezifisch nationalsozialistischen Elementen zu bereinigen.183 Die fakultative Milderung der Versuchsstrafe fiel jedoch weder den Gesetzen des Alliierten Kontrollrats184 noch der von den Alliierten geplanten, aber nicht erfolgten Gesamtrevision des (R)StGB185 zum Opfer und blieb folglich in Geltung.

I. Forderungen nach der Beibehaltung der fakultativen Strafmilderung in den Entwürfen der Großen Strafrechtskommission Nach dem Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden die Bemühungen um eine Strafrechtsreform wieder aufgenommen. 1954 berief der Bundesjustizminister 180

Verordnung für Gewaltverbrecher vom 05.12. 1939, RGBl. 1939 I, S. 2378 ff. Freisler, DJ 1939, 1849 (1856). 182 Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue, 29.05.1943, RGBl. 1943 I, S. 341 ff. 183 Vogel, Einflüsse, S. 22 ff. 184 Das Kontrollratsgesetz Nr. 11 (Aufhebung einzelner Bestimmungen des dt. Strafrechts) vom 30. 01. 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats Nr. 3, S. 55) findet sich abgedruckt in Thomas Vormbaum u. a. (Hrsg.), Das Strafgesetzbuch. Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen, Bd. 1: 1870 bis 1953, Baden-Baden 1999, S. 369 ff. 185 Umfassend mit den alliierten Reformvorhaben für das StGB hat sich Etzel befasst (Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, S. 168 ff.): In den Anhängen dieses Werks findet sich der Hinweis, dass eine Auseinandersetzung der Alliierten mit der Frage, ob die fakultative Milderung der Versuchsstrafe in § 44 StGB von spezifisch nationalsozialistischem Gedankengut geprägt ist, nicht stattgefunden hat (Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, S. 223). 181

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

deshalb eine Kommission zur Erstellung eines neuen StGB (Große Strafrechtskommission) ein.186 Sämtliche Entwürfe der Kommission (1959187, 1960188, 1962189) ließen die fakultative Milderung der Versuchsstrafe unberührt. Die Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission offenbaren, dass diese Regelung – wie auch in der Strafrechtskommission in der NS-Zeit – unter den Kommissionsmitgliedern nicht unumstritten war. Die meisten Mitglieder gingen davon aus, dass die Beibehaltung der fakultativen Strafmilderung des geltenden Rechts mit einem Bekenntnis für oder gegen die subjektive Versuchslehre stehe und falle. So erklärte Bockelmann, dass der Versuch vom Standpunkt der objektiven Versuchslehre notwendigerweise ein Minus zur Vollendung bilde und daher obligatorisch milder zu strafen sei. Auf Grundlage der subjektiven Lehre, bei welcher der Strafgrund des Versuchs nicht in der äußerlichen Beziehung zwischen der Tathandlung und dem Rechtsgut, gegen welches sie sich richtet, sondern allein in der Betätigung des gegen das Rechtsgut gerichteten Willens bestehe, sei kein notwendiges Unrechtsgefälle zwischen Versuch und Vollendung vorhanden, sodass die fakultative Strafmilderung beizubehalten sei.190 Bockelmann selbst bekannte sich zur subjektiven Theorie und damit zur fakultativen Milderung. Als entscheidendes Argument für die subjektive Versuchslehre sah er die Strafbarkeit von Versuchshandlungen überhaupt an. Die Versuchsstrafbarkeit ließe sich nämlich nicht begründen, ohne darauf zu verzichten, Unrecht als ein rein äußerliches Phänomen zu begreifen und anzuerkennen, dass das Unrecht einen „personalen Kern“ habe.191 Zur subjektiven Versuchslehre bekannten sich auch Schwalm192, Schmidt193, Skott194, Jescheck195, Gallas196 und Krille197, wobei nur Schwalm198 und Gallas199 aus der subjektiven Versuchslehre die fakultative Milderung der Versuchsstrafe als zwingende Konsequenz ableiteten. Die anderen der genannten Vertreter des subjektiven Ansatzes widersprachen dem jedoch auch nicht. Kaum erörtert wurde das 186 Allgemeines zur Zusammensetzung und zur Arbeitsweise der Großen Strafrechtskommission findet sich bei Rosenbaum, Arbeit der Großen Strafrechtskommission, S. 27 ff. und bei Vorbaum/Rentrop, in: Reform des StGB I, S. XI (XXXI ff.). 187 § 27 II StGB des Entwurfs eines StGB nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission, in: Niederschr. XII, Anhang B, S. 549 ff. 188 § 27 II der Bundestagsvorlage (BT-Drucks. 2150). 189 § 27 II der Kabinettsvorlage (BT-Drucks. IV/650). 190 Niederschr. II, 19. Sitzung, S. 173. 191 Niederschr. II, 19. Sitzung, S. 174 f. 192 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 188. 193 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 191. 194 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 191. 195 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 194. 196 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 195. 197 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 196. 198 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 190. 199 Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 196.

G. Die Reformentwürfe nach 1945

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Problem, nach welchen Kriterien der Richter von seinem aus der fakultativen Milderung fließenden Ermessen Gebrauch machen soll. Nur in den Äußerungen von Gallas findet sich die Aussage, dass von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen sei, wenn der Versuch unbeendet geblieben ist, da der Täter hier – anders als beim beendeten Versuch – die Herrschaft über das Tatgeschehen noch nicht aus der Hand gegeben und damit den Eintritt der Vollendung dem Zufall überlassen habe.200 Auch Stackelberg teilte die Auffassung Bockelmanns zum Zusammenhang von Grund und Maß der Versuchsstrafe. Jedoch bekannte er sich zur objektiven Theorie und befürwortete deshalb die Wiedereinführung der obligatorischen Strafmilderung.201 Der Strafgrund des Versuchs könne nur in der Rechtsgutsgefährdung bestehen. Gegen die subjektive Versuchslehre führte er an, dass diese auf ein „Gesinnungsstrafrecht“ hinausliefe.202 Mezger wies, wiewohl er dem subjektiven Ansatz im Ausgangspunkt zustimmte, darauf hin, dass eine konsequente Durchführung der subjektiven Lehre etwa beim abergläubischen Versuch zu untragbaren Ergebnissen führe und diese deshalb objektiver Korrekturen bedürfe, was beweise, dass das Unrecht eine objektive Seite habe. Da der Versuch in objektiver Hinsicht gegenüber der vollendeten Tat unvollständig sei, müsse diese Unvollständigkeit auch in einem niedrigeren Strafmaß zum Ausdruck kommen.203 In der Begründung zum E1962 wurde die Bestätigung der fakultativen Milderung der Versuchsstrafe schließlich damit begründet, eine Muss-Milderung sei Ausdruck „erfolgsstrafrechtlichen Denkens“. Grundsätzlich müsse sich die Strafwürdigkeit nach der Täterpersönlichkeit und der Stärke des „gegen die Rechtsordnung gerichteten Willens“ richten.204 Dass die Strafe beim Versuch dennoch gemildert werden kann, folge daraus, dass das Steckenbleiben der Tat im Versuchsstadium „einen schwächeren verbrecherischen Willen [offenbare]“ oder es aus sonstigen Gründen unbillig sein könne, „dem Täter den ausgebliebenen Erfolg nicht zugute zu halten“.205

II. Forderung nach einer Rückkehr zur obligatorischen Strafmilderung im AE1966 Als Reaktion auf das aus ihrer Sicht unbefriedigende Ergebnis der Arbeit der Großen Strafrechtskommission schlossen sich 1965 Strafrechtswissenschaftler, die nicht an den offiziellen Reformarbeiten beteiligt waren, zusammen, um einen Al-

200 201 202 203 204 205

Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 195 f. Niederschr. II, 19. Sitzung, S. 184. Niederschr. II, 19. Sitzung, S. 183. Niederschr. II, 20. Sitzung, S. 193. BT-Drucks. IV/650, S. 143. BT-Drucks. IV/650, S. 143.

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

ternativentwurf zum E1962 zu erarbeiten.206 Obwohl im AE1966 dem Gedanken der Spezialprävention und insbesondere der Täterresozialisierung als primäre Zwecke der Strafe eine zentrale Bedeutung zukam und generalpräventive Ziele oder gar der Gedanke der Strafe als gerechtem Schuldausgleich daneben nur untergeordnet zum Zuge kamen,207 beinhaltete er in § 25 II die Rückkehr zur obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe. Begründet wurde dies mit dem Argument, dass sich das Höchstmaß der zulässigen Strafe allein nach dem Maß der Tatschuld und nicht nach dem Maß des spezialpräventiven Interesses an der Bestrafung richte.208 Da aber das Unrecht der Tat durch den Erfolgsunwert mitbegründet werde, müsse dessen Fehlen beim Versuch zwingend zu einem niedrigeren Strafrahmen führen.209

III. Bestätigung der fakultativen Strafmilderung im 2. Strafrechtsreformgesetz Die Reformbestrebungen gipfelten schließlich Ende der Sechzigerjahre in einer umfassenden Strafrechtsreform. Im 1969 verkündeten und 1975 in Kraft getretenen 2. Strafrechtsreformgesetz wurde mit der Einführung des neuen § 23 II StGB an der fakultativen Milderung der Versuchsstrafe festgehalten.210 Dies war das Ergebnis der Beratungen des vom Bundestag einberufenen Sonderausschusses für die Strafrechtsreform auf Grundlage des E1962 und des AE1966.211 Aus dem Bericht über die die Beratungen des Ausschusses geht hervor, dass der im AE1966 vorgesehenen Rückkehr zur obligatorischen Milderung explizit eine Absage erteilt wurde. Die fakultative Strafmilderung sei „eine logische Konsequenz aus der im neuen StGB ausdrücklich anerkannten subjektiven Versuchstheorie“. Umstände wie der Erfolgseintritt, „die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen“, könnten auf Grundlage einer Lehre, nach welcher „der verbrecherische Wille und damit die Gefährlichkeit des Täters der tragende Strafgrund beim Versuch sind“, keinen Einfluss auf das Strafmaß haben.212 206

Allgemein zur Erarbeitung des AE1966 Vormbaum/Rentrop, in: Reform des StGB I, S. XI (XXXVII). 207 Gem. § 2 I AE1966 dient die Strafe dem Rechtsgüterschutz und der Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft; vgl. auch die §§ 37, 39, 59 II AE1966; dazu auch Roxin, ZStW 81 (1969), 613 (616 ff.). 208 Gem. § 2 II AE1966 durfte die Strafe das Maß der Tatschuld nicht überschreiten. In der Begründung dieser Vorschrift hieß es, dass dem Schuldprinzip in erster Linie die Funktion zukomme, die Strafgewalt bei der Verfolgung präventiver Ziele zu regulieren (AE1966 AT, S. 29); in diesem Sinne auch der „Alternativprofessor“ Arthur Kaufmann, wenn er erklärt, der Schuld komme keine das Interesse an der Bestrafung konstituierende, sondern eine dieses Interesse begrenzende Funktion zu (in: Programm für ein neues Strafrecht, S. 56 (60 ff.)). 209 AE1966 AT, S. 61. 210 BGBl. 1969, S. 717 (720). 211 BT-Drucks. V/4095, S. 1. 212 BT-Drucks. V/4095, S. 11.

H. Zusammenfassung

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H. Zusammenfassung Dass nach geltendem Recht eine Gleichbestrafung der versuchten und der vollendeten Tat möglich ist, bildet aus der historischen Perspektive keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Der weiteste Teil der deutschen Rechtsgeschichte wurde von dem Gedanken beherrscht, dass Versuchshandlungen zwingend mit einer milderen Strafe zu belegen seien. Diese Auffassung war nicht erst das Ergebnis umfassender intellektueller Auseinandersetzungen. Vielmehr finden sich ihre Wurzeln schon im frühmittelalterlichen Recht, dem „vorreflexiven“ Zustand der deutschen Rechtsgeschichte. Nach Anerkennung der allgemeinen Strafbarkeit von Versuchshandlungen durch die Bambergensis und die Carolina entwickelte sich das Milderungsgebot zur herrschenden Meinung in der gemeinrechtlichen Wissenschaft.213 Ab dem späten 18. Jahrhundert wurde die Problematik der Strafmaßbestimmung beim Versuch in der Wissenschaft dann mit den Ansätzen zur Bestimmung des strafrechtlichen Unrechts im Allgemeinen und denjenigen zur Bestimmung des Versuchsunrechts im Besonderen sowie kriminalpolitischen Zielsetzungen verknüpft. Auch hier gelangte der überwiegende Teil der Wissenschaft – wenn auch auf Grundlage ganz unterschiedlicher Prämissen – zu dem Ergebnis, alle Versuchsformen milder als die Vollendung zu bestrafen.214 Ein deutlich geringerer Teil der Wissenschaft vertrat dagegen die Auffassung, zumindest der beendete Versuch sei gleich der Vollendung zu bestrafen. Grundlage dessen war zum einen der Gedanke, dass die Aufgabe des Strafrechts weder in der Restitution noch in der Kompensation bereits geschehener Einbußen bestehe, sondern in der Verhütung künftiger Straftaten, indem es sich an der Tätergefährlichkeit orientiere.215 Zum anderen leitete man aus der Wirkungsweise von Normen allein über die menschliche Psyche sowie aus der Zufälligkeit des Erfolgseintritts ab, dass sich strafrechtliches Unrecht allein als Fehlerhaftigkeit menschlicher Motivation darstelle und eine den Erfolg berücksichtigende Strafzumessung mit dem Schuldprinzip nicht zu vereinbaren sei.216 Auch in den Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts war die obligatorische Milderung der Versuchsstrafe trotz unterschiedlicher technischer Umsetzungen vorherrschend.217 Daneben spielten in einigen Kodifikationen auch der Tatfortschritt,218 die Tauglichkeit des Versuchs,219 darüber hinaus auch die Ausführung von Rücktrittshandlungen eine Rolle bei der Bestimmung des Versuchsstrafmaßes.220 Die Strafmaßbestimmung zum Versuch im RStGB beschränkte sich dagegen nur auf die 213 214 215 216 217 218 219 220

Dazu: 1. Teil A. Dazu: 1. Teil B. I. Dazu: 1. Teil B. II. 1. Dazu: 1. Teil B. II. 2., 3. Dazu: 1. Teil C. I. Dazu: 1. Teil C. II. Dazu: 1. Teil C. III. Dazu: 1. Teil C. IV.

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1. Teil: Historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes

Anordnung einer obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe für alle Versuchshandlungen. Die Entwürfe aus der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik geben ein uneinheitliches Bild ab. Während sich in den meisten eine Bestätigung des damaligen status quo findet, bekannten sich andere zu einer fakultativen Milderung der Versuchsstrafe, wobei weitgehend offen gelassen wurde, nach welchen Kriterien der Richter von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen hat.221 In der NS-Zeit entwickelte sich die subjektive Versuchslehre auch ideologisch bedingt zur vorherrschenden Auffassung. Dieser Umstand und die Funktionalisierung des Strafrechts als „Kampfmittel“ gegen Verbrecher stellten die Unterscheidung zwischen dem Versuch und der Vollendung als formale Kategorien grundsätzlich in Frage. Beide Aspekte bildeten die Grundlage für die Einführung der fakultativen Milderung der Versuchsstrafe im Jahr 1939 sowie die entsprechende Änderung des RStGB im Jahr 1943.222 In der BRD blieb die fakultative Strafmilderung beim Versuch geltendes, wenn auch umstrittenes Recht. In den Reformentwürfen der Großen Strafrechtskommission findet sich ein Bekenntnis zur fakultativen Strafmilderung, überwiegend begründet als ein Derivat der subjektiven Versuchslehre.223 In der Begründung für die Forderung nach der Rückkehr zur obligatorischen Strafmilderung im AE1966 wurde trotz des Bekenntnisses zur subjektiven Versuchslehre geltend gemacht, dass aus der Anerkennung des subjektiv begründeten Handlungsunwerts als Mindestbedingung der Strafbarkeit nicht die Berücksichtigung des Fehlens des objektiven Erfolgsunwerts folge.224 Dieser Auffassung ist der Gesetzgeber im Jahr 1969 nicht gefolgt. Nach den Beratungsprotokollen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform folge die Bestätigung der fakultativen Strafmilderung erstens aus der Anerkennung der subjektiven Versuchstheorie als Ausdruck eines in erster Linie an den Willen anknüpfenden Strafrechts und zweitens aus der bloßen Zufälligkeit des Erfolgseintritts.225

221 222 223 224 225

Dazu: 1. Teil E. Dazu: 1. Teil F. Dazu: 1. Teil G. I. Dazu: 1. Teil G. II. Dazu: 1. Teil G. III.

2. Teil

Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen und ihr Einfluss auf die Strafhöhe Da es sich beim begrifflichen Verhältnis von Vollendung und Versuch um dasjenige der Implikation handelt, in jeder Vollendung also ein Versuch als notwendiges Durchgangsstadium mitenthalten ist, stellt sich die Frage, welche Bedeutung der begrifflichen Differenz von Versuch und Vollendung zukommt und insbesondere, wie sich das Fehlen vollendungsspezifischer Voraussetzungen auf die Höhe der Versuchsstrafe auswirkt. Im Folgenden werden zunächst die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen herausgearbeitet (unter A.) und anschließend untersucht, inwieweit sich aus ihrem Fehlen Gründe ergeben, den Versuch milder als die vollendete Tat zu bestrafen (unter B.).

A. Erläuterung der Grundbegriffe und Ermittlung der vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen I. Vorüberlegungen 1. Die Unterscheidung von Sanktions- und Verhaltensnormen; Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens aus der Verhaltensnormperspektive Grundlegend für die im Folgenden dargelegten Überlegungen zu den vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen ist die gedankliche Einteilung des materiellen Strafrechts in zwei unterschiedliche Normordnungen, nämlich diejenigen der Sanktions- und der Verhaltensnormen.1 Bei den (strafrechtlichen) Sankti1 Der Begriff der Bestimmungsnorm wird – sofern in der Literatur gebraucht (vgl. etwa Stratenwerth, ZStrR 79 (1963), 233 ff.) – synonym zu demjenigen der Verhaltensnorm verwendet; grundlegend zur Unterscheidung der beiden Normordnungen Binding, Normen I, S. 3 ff.; ders., Handbuch, S. 155 ff.; dazu auch Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 55 f.; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 3 ff.; Weinberger, Norm, S. 88 ff.; Jakobs, Studien, S. 9 ff.; Frisch, Vorsatz, S. 59 f.; Ingelfinger, Grundlagen, S. 31 ff.; Müssig, Rechtsgüterschutz, S. 141; Schneider, Verhaltensnorm, S. 35 ff.; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 39/1 ff. Kindhäuser, Strafrecht AT, 2/1 ff.; zu den historischen Wurzeln der Unterscheidung Renzikowski, in: FS Gössel, S. 3 ff.; LK/Walter, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 17; ablehnend gegenüber der Selbstständigkeit der Verhaltensnormen Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 42 ff.; ebenso Kröger, Aufbau, S. 336 ff.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

onsnormen handelt es sich um die explizit im positiven Recht niedergelegten Bestimmungen, die an das Vorliegen bestimmter im Normtatbestand umschriebener Voraussetzungen als Rechtsfolge die Verhängung eines bestimmten Strafmaßes knüpfen und ausschließlich den Rechtsstab, d. h. die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, adressieren.2 Die Sanktionsnormen werden in ihrer Gesamtheit auch als sekundäre Normordnung bezeichnet.3 Die Verhaltensnormen als Bestandteile der primären Normordnung sind dagegen nicht explizit gesetzlich geregelt, sondern finden sich in den Sanktionsnormen impliziert: Jedem Straftatbestand liegt eine weitere Norm zugrunde, die ihren Adressaten – dies sind im Falle von Allgemeindelikten alle Menschen, im Falle von Sonderdelikten bestimmte Pflichtenträger4 – aufgibt, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen oder auszuführen.5 Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Sanktionsnormen ergibt sich allgemein daraus, dass die Sanktionsnormen schon rein sprachlich kein Rechtswidrigkeitsurteil über eine ihren Tatbestand verwirklichende Handlung ermöglichen. Denn eine tatbestandsmäßige Handlung widerspricht nicht dem nach der Sanktionsnorm Gesollten (d. h. der Bestrafung als Reaktion auf die Verwirklichung des Tatbestands), sondern bewirkt nach der Sanktionsnorm lediglich das Sein-Sollen der Bestrafung. Dem Recht zuwider läuft die Handlung allein deshalb, weil sie vom nach der Verhaltensnorm gesollten Verhalten abweicht.6 Der andere Grund für die Isolierung der Verhaltensnormen besteht in der Festlegung des tatbestandsmäßigen Verhaltens im Bereich der Erfolgsdelikte.7 Während sich bei Tätigkeitsdelikten das von der Verhaltensnorm verbotene bzw. gebotene Verhalten schon aus der im Tatbestand konkret umschriebenen Tätigkeit ergibt, erfolgt die Umschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens in den Tatbeständen der Erfolgsdelikte in äußerst unspezifischer Weise. Was die Voraussetzungen sind, um eine Handlung als Tötung (§ 212 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB) oder Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zu qualifizieren, lässt sich nicht ohne weiteres bestimmen. Diese Schwierigkeit lässt sich unter Bezugnahme auf die Funktion der Verhaltensnormen bewältigen: Die mit der Beachtung von Verhaltensnormen einhergehende Verkürzung der individuellen Entfaltungsmöglichkeiten ist durch die Ver2 Kindhäuser bezeichnet die Sanktionsnormen auch als „spezifische Verhaltensnormen (Sondernormen) für den Rechtsstab“ (Strafrecht AT, 2/4). 3 Freund, Erfolgsdelikt, S. 27 ff.; ders./Rostalski, Strafrecht AT, 1/50 ff.; Renzikowski, in: FS Gössel, S. 3 ff.; Weinberger, Norm, S. 89. 4 Zu dieser Unterscheidung Frister, Strafrecht AT, 8/23. 5 Die im jeweiligen Straftatbestand implizierte Verhaltensnorm wird durch die Umformung des im Straftatbestand umschriebenen Verhaltens in ein Verbot oder ein Gebot gewonnen. Umschreibt der Tatbestand ein bestimmtes positives Tun, so ist dieses durch die Verhaltensnorm verboten, umschreibt er das Unterlassen eines positiven Tuns, so ist dieses durch die Verhaltensnorm geboten (vgl. Binding, Normen I, S. 42 ff.; Weinberger, Norm, S. 90). 6 Weinberger, Norm, S. 90; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 39/4; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 2/9 ff. 7 MK/Schlehofer, Vor. § 32 Rn. 6 ff.; Frisch, GA 2018, 553 (565 f.).

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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wirklichung präventiven Rechtsgüterschutzes legitimiert. Eine Verhaltensnorm soll ihre Adressaten – als durch einen Internalisierungsprozess entstandene moralische Überzeugung und den damit verbundenen Gewissensdruck,8 daneben aber auch vermittelt durch die von der Sanktionsandrohung ausgehenden Angst vor Strafe9 – dazu motivieren, bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen oder auszuführen, die gegenüber Rechtsgütern Dritter eine negative bzw. eine positive Tendenz aufweisen.10 Deshalb muss bereits im Zeitpunkt der Ausführung eines Verhaltens ex ante feststehen, ob dieses verhaltensnormwidrig ist und nicht erst – wie einige zu meinen scheinen11 – mit dem Eintritt oder dem Ausbleiben der Verwirklichung des geschaffenen Risikos in einem Verletzungserfolg. Da natürliche Handlungsfolgen prinzipiell unkalkulierbar sind, muss das Recht zur Bestimmung der rechtlichen Missbilligung eines Verhaltens an dieses Verhalten selbst, d. h. an ausgeführte (oder unterlassene) Körperbewegungen unabhängig von ihren im Einzelfall verwirklichten Folgen, anknüpfen. Dies folgt aus der Funktion der Verhaltensnormen, gesellschaftliche Interaktion durch die klar erkennbare Grenzziehung zwischen Freiheitssphären kalkulierbar zu machen. Normen, die ein menschliches Verhalten allein wegen dessen äußerer Folgen erfassen, konterkarieren diesen Zweck, indem sie jede Form sozialer Interaktion zu einem unüberschaubaren Haftungsrisiko werden lassen und den Einzelnen dazu bewegen, sich aus dem sozialen Interaktionsfeld zwecks Verhütung derartiger Risiken zurückzuziehen. Die Festlegung folgenunabhängiger, verhaltensleitender Standards ist deshalb unabdingbar: „Keine Gesellschaft kommt darum herum, diese Standards festzulegen, selbst dann nicht, wenn in ihr eine Erfolgshaftung praktiziert werden sollte.“12 Als Grund, ein Verhalten zu verbieten, kommt deshalb nicht die erst ex post feststellbare Eignung des Verhaltens als Erfolgsursache, sondern allein die Eignung des Verhaltens ex ante, Folgen zu bewirken, in Betracht. Die Unrechtsqualität einer Handlung folgt aus der schon bei ihrem Vollzug feststellbaren Eigenschaft als Risiko

8

Vgl. zur Internalisierung von Normen als moralische Überzeugungen Frister, Schuldelement, S. 34 ff. m. w. N. 9 Zur Theorie des psychologischen Zwangs: 1. Teil B. I. 2. 10 Binding, Normen I, S. 52 ff.; Gallas, in: FS Bockelmann, S. 155 (159); Jakobs, Studien, S. 1; Wolter, Zurechnung, S. 25; Frisch, Vorsatz, S. 74 ff.; Mir Puig, ZStW 95 (1983), 413 (420 ff.); ders., in: FS Kaufmann, S. 253 (255 ff.); Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 68 ff.; ders., GA 2010, 129 (131 f.); Freund, Erfolgsdelikt, S. 52 ff.; MK/ders., Vorbem. § 13 Rn. 152 ff.; ders., in: FS Maiwald, S. 211 (212 f.); ders., GA 1995, 4 (6 f.); Ingelfinger, Grundlagen, S. 31 f.; Samson, in: FS Grünwald, S. 585 (596 ff.); Seher, in: FS Frisch, S. 207 (218); Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 39/3; Kindhäuser, Strafrecht AT, 2/6; Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (384). Theis, Unbeendeter Versuch, S. 57 ff. 11 So etwa Binding, wenn er schreibt (Normen I, S. 123): „Verursacht nicht, befehlen die Verbote, verursacht, die Gebote.“; vgl. auch Hirsch, der vom Erfolg als von einem Bestandteil des Handlungsunwerts spricht (ZStW 94 (1982), 239 ff.; ders., in: GS Meurer, S. 3 (15)). 12 Jakobs, System, S. 29.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

des Eintritts eines Verletzungserfolgs.13 „Ob der Erfolg hinzutritt oder nicht, kann an der rechtlichen Bedeutung der menschlichen Handlung als Normverletzung nichts ändern.“14 2. Die Voraussetzungen der Qualifizierung einer Handlung als tatbestandsmäßiges Verhalten Eine Handlung stellt ein rechtlich missbilligtes Risiko dar, wenn sie ex ante aufgrund der im Handlungszeitpunkt vorliegenden Umstände als Risiko des Erfolgseintritts und deshalb nach den Maßstäben der Rechtsordnung als missbilligt zu qualifizieren ist. Ein Verhalten bildet ein Verletzungsrisiko, wenn es nach bekannten Erfahrungssätzen geeignet ist, eine bestimmte, als Verletzung qualifizierte Außenweltveränderung herbeizuführen. Erfahrungssätze sind „aus der Beobachtung von Einzelfällen und -entwicklungen gebildete Regeln, die für vergleichbare Fälle Geltung beanspruchen“,15 m. a. W. „zu Erfahrung geronnene Kausalität“.16 Die Bestimmung der rechtlichen Missbilligung einer Handlung kann sich in unterschiedlichen Fällen als unterschiedlich komplexer Vorgang darstellen. Dies hängt vor allem davon ab, wie konkret die Verhaltensnormmaterie des jeweiligen Straftatbestands gefasst ist. Bei den Erfolgsdelikten folgt die rechtliche Missbilligung einer riskanten Handlung teilweise aus dem Vorhandensein von deren Materie konkretisierenden Metaregeln (z. B. konkrete Verbotsnormen, technischen Normen und Kunstregeln im Bereich der Berufsausübung).17 Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass etwa ein Verstoß gegen das Tötungsverbot nur dann in Betracht kommt, wenn die betreffende Handlung gegen eine das Rechtsgut Leben schützende Metaregel verstößt. So verstoßen insbesondere evident riskante Verhaltensweisen – etwa der Stich mit einem Messer in die Brust – auch ohne eine explizite Regelung gegen das Tötungsverbot.18 Deshalb wird die rechtliche Missbilligung durch die Risikoeigenschaft der Handlung indiziert. In bestimmten Konstellationen, z. B. wenn das Risiko als geringfügig einzustufen ist, ist die ausgeführte Tätigkeit gleichwohl wegen des überwiegenden 13 Dornseifer, in: GS Kaufmann, S. 427 (434); Frisch, GA 2018, 553 (562 f.); Robles Planas, in: FS Kindhäuser, S. 393 (400). 14 Herzog, Rücktritt, S. 24; die Ausscheidung des Erfolgs aus dem Kreis der für das Rechtswidrigkeitsurteil notwendigen Bedingungen wird auch durch den Kontext des Gebrauchs des Rechtswidrigkeitserfordernisses im Tatbestand des § 32 II StGB bestätigt: Wäre der Verletzungserfolg ein für die Rechtswidrigkeit einer Handlung konstitutives Merkmal, so dürfte man erst dann Notwehr gegen einen gegenwärtigen Angriff üben, wenn „die Axt bereits im Kopfe steckt“. 15 Börgers, Gefahrurteil, S. 35; so i. E. auch Graul, JZ 1995, 595 (596). 16 Renzikowski, in: Wahn und Wirklichkeit, S. 309 (311). 17 Jakobs, Strafrecht AT, 7/44; NK/Puppe, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 155; LK/Walter, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 90; Lesch, Verbrechensbegriff, S. 238 f. 18 Frister, Strafrecht AT, 10/3.

A. Erläuterung der Grundbegriffe

69

Freiheitsinteresses erlaubt.19 Darüber hinaus kann sich der Ausschluss der rechtlichen Missbilligung der Handlung trotz ihrer Eigenschaft als relevantes Risiko daraus ergeben, dass sie die Voraussetzungen eines Erlaubnistatbestands (z. B. der §§ 32, 34 StGB) verwirklicht.

II. Vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzungen, die während des Vollzugs des tatbestandsmäßigen Verhaltens verwirklicht werden 1. Die subjektive Seite des tatbestandsmäßigen Verhaltens Weil die Verhaltensnormen allein über die menschliche Motivation wirken, ist heute weitgehend unbestritten, dass der Bruch der Verhaltensnorm mindestens einen Motivationsfehler voraussetzt, der Verhaltensnormbruch also einen „personalen Kern“ aufweist.20 Grundlage des subjektiven Tatbestands ist sowohl beim Versuch als auch bei der Vollendung die Vorstellung der Verwirklichung sämtlicher Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestands. Dies folgt für den Versuch unmittelbar aus § 22 StGB, der voraussetzt, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Für das vollendete Delikt ergibt sich dies aus § 16 I S. 1 StGB. Die Kenntnis der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstände erfordert nämlich ein Vorstellungsbild, das sämtliche zur Verwirklichung eines Tatbestands erforderlichen Umstände umfasst. a) Der für die Vollendungsstrafbarkeit erforderliche qualifizierte Grad an Verwirklichungsbewusstsein (Versuchsbeendigung) aa) Die Struktur und strikte Verhaltensbezogenheit des Verwirklichungsbewusstseins Der subjektive Tatbestand setzt neben der Vorstellung eines deliktischen Geschehens auch das Bewusstsein der Verwirklichung dieses Geschehens (Verwirklichungsbewusstsein) voraus.21 Das Verwirklichungsbewusstsein stellt sich strukturell

19

Zur Struktur der Abwägungsentscheidung zur Festlegung der rechtlichen Missbilligung Frister, Strafrecht AT, 10/6 ff. 20 Dies gilt nicht allein für die Vertreter des subjektiv monistischen Unrechtsbegriffs (dazu: 2. Teil B.), sondern ebenso für Autoren, die entweder schon auf der Verhaltens- oder aber auf der Bewertungsnormebene objektiven Elementen Unrechtsrelevanz zuschreiben; so etwa Stratenwerth, ZStrR 79 (1963), 233 (246 f.); Mir Puig, in: FS Kaufmann, S. 253 (255 ff.); Wolter, Zurechnung, S. 25; Stein, GA 2010, 129 (130 f.). 21 So ganz deutlich Struensee, in: GS Kaufmann, S. 523 (533); die Einordnung des Verwirklichungsbewusstseins als subjektives Element ist zutreffend, weil es sich bei ihm um ein reines Täterinternum handelt.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

als ein Kontinuum zwischen zwei Extrempolen dar.22 Ausgangspunkt dieses Kontinuums ist die Vornahme der ersten Handlung, die der Täter zur Tatbestandsverwirklichung für erforderlich hält. Durch diese Handlung geht der bloße Tatentschluss, dessen Strafbarkeit sich wegen der im Rechtsstaat unantastbaren Maxime cogitationis poenam nemo patitur verbietet,23 in das Vorbereitungsstadium über. Das Vorbereitungsstadium umfasst alle Handlungen, die vom Täter zur Tatbestandsverwirklichung für erforderlich, nicht aber für hinreichend gehalten werden.24 Den Endpunkt des Kontinuums bildet die Versuchsbeendigung (i. S. der aus der Rücktrittsdogmatik bekannten Einzelakttheorie25), also die Handlung, die vom Täter zur Tatbestandsverwirklichung nicht allein für erforderlich, sondern auch für hinreichend gehalten wird. Bei den Tätigkeitsdelikten ergibt sich dies unmittelbar aus dem jeweiligen Tatbestand. Denn das Verwirklichungsbewusstsein kann hier nicht mehr als das Bewusstsein des Vollzugs des im Tatbestand umschriebenen Verhaltens voraussetzen, etwa des Eindringens (§ 123 StGB), des Falschaussagens (§ 153 StGB) oder des Vollzugs des Beischlafs (§ 173 StGB). Bei den Erfolgsdelikten ist dagegen denkbar, das Bewusstsein des Erfolgseintritts und nicht die Versuchsbeendigung als vollständigen, zur Vollendung erforderlichen Grad des Verwirklichungsbewusstseins anzusehen. Dagegen spricht aber die strikte Verhaltensbindung des Vorsatzes durch das Gesetz: Zwar muss der Täter gem. § 16 I S. 1 StGB sämtliche zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstände kennen. Insoweit könnte man meinen, dass an dieser Stelle die Frage Relevanz erlangt, ob der Erfolg überhaupt zum gesetzlichen Tatbestand gehört,26 weil Vorsatz bejahendenfalls nur anzunehmen wäre, wenn der Täter den Erfolgseintritt kennt. Dass der Täter den Erfolgseintritt jedoch nicht kennen muss, auch wenn man diesen als Teil des Unrechtstatbestands ansieht, folgt aus dem Erfordernis der Umstandskenntnis bei Begehung der Tat. Damit ist gem. § 8 S. 1 StGB der Zeitpunkt gemeint, in dem der Täter gehandelt hat. Zum Zeitpunkt der Tathandlung ist der Erfolgseintritt aber noch nicht feststellbar, sondern lediglich prognostizierbar. Deshalb bildet der Erfolg keinen Umstand i. S. von § 16 I S. 1 StGB.27 Vorsatz verlangt deshalb allein das Bewusstsein des Vollzugs der risikogründenden Handlung. Damit besteht zwischen der gängigen Definition des (bedingten) Vorsatzes als bloßes Für-möglich-Halten des Erfolgs und dem Kenntnis-Erfordernis aus § 16 I S. 1 StGB kein Widerspruch.28 Das Für-möglich-Halten des Erfolgs gibt 22

Frister, Strafrecht AT, 11/10. Struensee, in: GS Kaufmann, S. 523 (528 f.); Stein, GA 2010, 129 (147). 24 Ähnlich Frister, Strafrecht AT, 23/46. 25 Dazu Frister, Strafrecht AT, 24/13 ff. 26 Dazu: 2. Teil B. 27 Frisch, Vorsatz, S. 57; ähnlich ders., Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 572 f.; AK/Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 56; Schlehofer, Vorsatz, S. 15, 29. 28 Ob Vorsatz neben diesem kognitiven Element noch ein voluntatives Element voraussetzt, muss im Rahmen dieser Arbeit nicht entschieden werden (vgl. MK/Joecks/Kulhanek, § 16 23

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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nämlich zutreffend den inneren Sachverhalt der Risikokenntnis, also der Prognostizierung eines zum Erfolg führenden Kausalverlaufs durch den Täter wieder. Die Definition von Vorsatz als Risikokenntnis ist jedoch insoweit vorzugswürdig, als sie nicht suggeriert, dass der Erfolgseintritt als solcher Bezugspunkt der Kenntnis ist und es sich bei der gängigen Definition des bedingten Vorsatzes um eine Abweichung vom natürlichen Wortlautverständnis von kennen handelt.29 Damit ist i. E. auch bei den Erfolgsdelikten das Verwirklichungsbewusstsein als Risikoschaffungsbewusstsein30 strikt verhaltensbezogen. bb) Die Versuchsbeendigung als der für die Vollendung notwendige Grad an Verwirklichungsbewusstsein Verbreitet ist die Formulierung, dass sich der Versuch gegenüber der Vollendung nur auf der objektiven Seite als weniger voraussetzungsreich darstelle, der subjektive Tatbestand des Versuchs dagegen mit demjenigen der Vollendung identisch sei.31 Diese Aussage ist nur zutreffend, wenn auch der Grad des für den Versuch und für die Vollendung vorausgesetzten Verwirklichungsbewusstseins identisch sei. Für den Versuch ist gem. § 22 StGB erforderlich und hinreichend, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Der Täter muss also im Rahmen der nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Handlungsschritte an einen Punkt gelangt sein, an dem die eigentliche Tatbestandsverwirklichung unmittelbar bevorsteht.32 Damit stellt das Gesetz jedenfalls im Bereich der Tätigkeitsdelikte für die Versuchsstrafbarkeit unzweifelhaft geringere Anforderungen an das Verwirklichungsbewusstsein als für die Vollendungsstrafbarkeit. Beim Meineid etwa tritt (im Falle der Leistung eines Nacheids) die Vollendung erst mit dem vollständigen Leisten der Eidesformel ein.33 Der zur Vollendung erforderliche Grad an Verwirklichungsbewusstsein ist damit erst in dem Zeitpunkt erreicht, in dem der Täter das Bewusstsein erreicht hat, die Leistung der Eidesformel beendet zu haben. Der durch das ErforRn. 33 ff.; Frister, Strafrecht AT, 11/21 ff.). Nimmt man dies an, so handelt es sich jedenfalls um keine vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzung, da sie gleichermaßen Voraussetzung der Versuchsstrafbarkeit wäre. 29 SK/Stein, § 16 Rn. 15. 30 Das Risikoschaffungsbewusstsein setzt nur das Bewusstsein der Schaffung eines Risikos, nicht aber darüber hinaus auch das Bewusstsein der rechtlichen Missbilligung des Risikos voraus. Fehlt letzteres, so unterliegt dieser Irrtum den Wertungen von § 17 StGB. 31 Jakobs, Strafrecht AT, 25/24; Wachter, Unrecht, S. 121; Mitsch, in: Zehn Jahre ZIS, S. 307 (328). 32 Eine Stellungnahme zu dem Problem, ab welchem Zeitpunkt die Handlung des Täters die Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen überschreitet, ist für die vorliegende Arbeit nicht erforderlich, da diese Frage nicht das Problem der Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung, sondern zwischen Versuchs- und Vorbereitungsstadium betrifft (dazu MK/HoffmannHolland, § 22 Rn. 102 ff.; Rey-Sanfiz, Begriffsbestimmung, S. 283 ff.). 33 Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, § 154 Rn. 15.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

dernis des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung umschriebene Grad an Verwirklichungsbewusstsein ist beim Meineid (im Falle der Leistung eines Nacheids) dagegen schon dann erreicht, wenn der Täter mit der Leistung der Eidesformel begonnen hat.34 Auch bei den Erfolgsdelikten ist gem. § 22 StGB für die Versuchsstrafbarkeit nicht erforderlich, dass der Täter alle nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des risikobegründenden Sachverhalts erforderlichen Handlungsschritte vollzogen hat. Unter Tatbestandsverwirklichung i. S. von § 22 StGB kann nämlich nicht die Erfolgsbedingung gemeint sein – zu einem Kausalverlauf kann nämlich nicht unmittelbar angesetzt werden –, sondern nur der Handlungsschritt, mit dem der Täter alles aus seiner Sicht zur Ingangsetzung des schädigenden Kausalverlaufs Erforderliche getan hat (Versuchsbeendigung).35 Damit stellt sich schon das Ziehen einer Pistole, um einen anderen sofort zu erschießen und nicht erst das Betätigen des Abzugs als unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestands von § 212 StGB dar. Weil die Verwirklichung von § 22 StGB also nicht den Vollzug des vollständigen vom Täter zur Bewirkung der Rechtsgutsbeeinträchtigung für erforderlich gehaltenen Verhaltens voraussetzt, stellt sich der unbeendete Versuch (eines Erfolgsdelikts) wegen dieses „Willensvollzugsdefizit(s)“36 auf der subjektiven Seite als unvollkommen zweiaktiges Delikt dar.37 Umstritten ist, ob der Vollendungsvorsatz bei den Erfolgsdelikten den über das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung hinausgehenden Verwirklichungsbewusstseinsgrad der Versuchsbeendigung voraussetzt. Diese Frage ist in den Fällen des umgekehrten dolus generalis bzw. des planwidrig vorzeitigen Erfolgseintritts relevant. Die wohl h. M. geht davon aus, dass auch unbeendete Versuchshandlungen, also solche, welche die Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung, nicht aber diejenige der Versuchsbeendigung überschritten haben, die Vollendungsstrafbarkeit auslösen können, wenn der objektive Tatbestand durch diese Handlung verwirklicht ist.38 Wenn A den B etwa erschießen will und sich schon beim Ziehen der Pistole planwidrig ein für B tödlicher Schuss löst, soll A wegen vollendeten Totschlags strafbar sein. Nach der Gegenauffassung 34

Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, § 154 Rn. 15. Jakobs, Strafrecht AT, 25/58; Frister, in: FS Wolter, S. 375 (382 ff.); ders., Strafrecht AT, 23/27; Stein, GA 2010, 129 (148). 36 Jakobs, Strafrecht AT, 25/24. 37 Struensee, in: GS Kaufmann, S. 523 (530); Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 63, 152; zu diesem Begriff allgemein Jakobs, Strafrecht AT, 6/93; Frister, Strafrecht AT, 8/27. 38 BGH, GA 1955, 123 (123 ff.); BGH, NStZ 2002, 475 (475 f.); BGH, NJW 2002, 1057 (1057); LK/Walter, § 15 Rn. 53; MK/Joecks/Kulhanek, § 16 Rn. 84; Schönke/Schröder/ Sternberg-Lieben/Schuster; Lackner/Kühl, § 15 Rn. 11; Fischer, § 16 Rn. 8a; Stratenwerth/ Kuhlen, Strafrecht AT, 8/94; Welzel, Strafrecht, S. 74; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 10/46; Frister, Strafrecht AT, 11/12; Roxin, GA 2003, 257 (266); ders./Greco, Strafrecht AT I, 12/ 182 ff. (192); Kühl, Strafrecht AT, 13/48a; Rengier, Strafrecht AT, 15/64; Baumann/Weber/ Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, 11/83; Sowada, Jura 2004, 814 ff. 35

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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bildet die Versuchsbeendigung dagegen ein zur Vollendungsstrafbarkeit notwendiges Durchgangsstadium. Danach wäre A wegen Versuchs (ggf. in Tateinheit mit Fahrlässigkeit) zu bestrafen.39 Behandelt werden diese Fälle meist als ein Kongruenzproblem, also als Problem der hinreichenden Übereinstimmung von Wirklichkeit und Vorstellung.40 In Wirklichkeit stellt sich die Frage aber nicht erst auf der Ebene der Feststellung der für die Vollendungsstrafbarkeit hinreichenden Übereinstimmung von Vorstellung und Wirklichkeit, sondern – dem vorgelagert – bereits innerhalb des subjektiven Tatbestands.41 Da die Verwirklichung eines Tatbestands den Bruch der in ihm implizierten Verhaltensnorm voraussetzt, hängt der Grad des für die Vollendungsstrafbarkeit erforderlichen Verwirklichungsbewusstseins davon ab, ab welchem Grad der Normgegenstand verwirklicht ist. Einigkeit besteht darüber, dass dies bei Vorbereitungshandlungen noch nicht der Fall ist.42 Sperrt A seine Frau etwa in einen Kofferraum, um sie in ein entlegenes Waldstück zu fahren und dort zu erstechen, kommt kein vollendeter Totschlag in Betracht, wenn die Frau bereits im Kofferraum erstickt.43 Die Verneinung des subjektiven Tatbestands von § 212 StGB bedarf aber auch in solchen Fällen der Darlegung sachlicher Gründe. Diese können aber schlechthin nur in einer liberalen Bestimmung der Materie des Tötungsverbots gefunden werden.44 Während bloße Gedanken vom Recht kategorisch nicht verboten werden, sind Vorbereitungshandlungen jedenfalls grundsätzlich erlaubt. Denn das Recht als „Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen ver39 AK/Zielinski, § 16 Rn. 61; SK/Stein, § 16 Rn. 45; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 602 ff., 623; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 66; Schliebitz, Erfolgszurechnung, S. 66 Jakobs, Strafrecht AT, 8/76; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 7/153 ff.; Kindhäuser, Strafrecht AT, 27/49; Armin Kaufmann, in: FS Jescheck, S. 251 (264); Wolter, in: FS Leferenz, S. 545 (562 ff.); ders., ZStW 89 (1977), 649 (702); ders., GA 2006, 406 ff.; Struensee, in: GS Kaufmann, S. 521 (533 f.); Herzberg, ZStW 85 (1973), 867 (872); Hruschka, JuS 1982, 317 (320 f.). 40 So wird für die Vollendungslösung angeführt, es handle sich beim planwidrig vorzeitigen Erfolgseintritt um eine unwesentliche Abweichung des verwirklichten vom vorgestellten Kausalverlauf (so BGH, NStZ 2002, 475 (476); Lackner/Kühl, § 15 Rn. 11; Baumann/Weber/ Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, 11/83). Gegen die Vollendungsstrafbarkeit wird dagegen zumeist vorgebracht, der Täter erkenne „die Bedingungen des Erfolgs nicht, sodass sich kein ihm bekanntes Risiko [verwirkliche]“ (Jakobs, Strafrecht AT, 8/76) oder dass sich der durch die unbeendete Versuchshandlung verwirklichte objektive Tatbestand nicht als „spezifische Folge des vorsätzlich vollendeten Delikts“ darstelle (Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 7/154). 41 Treffend ist das Bild Struensees, nach dem es nicht darum gehe, „ob der Deckel zum Topf paßt, sondern um die vorrangige Frage, ob überhaupt ein (ganzer) Deckel vorhanden ist“ (in: GS Kaufmann, S. 521 (534)); in der Sache auch schon Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 602 ff; Wolter, GA 2006, 406 (409); Hruschka, JuS 1982, 317 (321); Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 93. 42 Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, 11/81; Frister, Strafrecht AT, 11/9 ff.; Puppe, Strafrecht AT, 10/35 ff.; Roxin, GA 2003, 257 (259 ff.). 43 Vgl. BGH, NStZ 2002, 309 (309 ff.). 44 Ähnlich Stein, GA 2010, 129 (147 f.).

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

einigt werden kann“,45 beschränkt sich prinzipiell auf die Pönalisierung von Übergriffen auf eine fremde Organisationssphäre und klammert Handlungen innerhalb des eigenen Organisationskreises aus dem Bereich des strafbaren Verhaltens aus. Insoweit bedarf es einer klaren und nach qualitativen Kriterien bestimmbaren Grenze zwischen dem die Vorsatzstrafbarkeit kennzeichnenden bewussten Übergriff auf die fremde und Handlungen innerhalb der eigenen Organisationssphäre. Als für die bewusste Überdehnung der eigenen Organisationssphäre maßgeblicher Zeitpunkt kommt aber nur die Versuchsbeendigung in Betracht, weil nur diese sich qualitativ von anderen Graden des Verwirklichungsbewusstseins abhebt. Dass der Gesetzgeber das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung als Voraussetzung für den Eintritt in das Stadium des strafbaren Versuchs normiert hat,46 bildet keinen zureichenden Grund, diesen Grad des Verwirklichungsbewusstseins auch für die Tatvollendung als genügend anzusehen.47 § 22 StGB lässt sich nämlich allenfalls entnehmen, dass das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung für die Vollendungsstrafbarkeit notwendig,48 nicht aber, dass es auch hinreichend ist. § 22 StGB formuliert ausweislich seines Wortlauts und seiner systematischen Stellung allein den Versuchsbegriff. Die Bestimmung des für die Vollendung erforderlichen Grads an Verwirklichungsbewusstsein kann sich deshalb nicht aus § 22 StGB ergeben.49 Dass das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung für die Vollendungsstrafbarkeit nicht hinreicht, ergibt sich daraus, dass es sich auch bei diesem Verhalten qualitativ um eine Vorbereitungshandlung handelt.50 So ist das Zielen mit einer Waffe auf einen Menschen ebenso wie ihr Kauf eine Handlung, die nach Vorstellung des Täters zur Tatbestandsverwirklichung notwendig, aber nicht hinreichend ist. Deshalb unterscheidet sich das unmittelbare Ansetzen nur quantitativ von anderen Vorbereitungshandlungen und kann nicht als zur Verwirklichung des subjektiven Vollendungstatbestands erforderlicher bewusster Übergriff auf eine fremde Organisationssphäre qualifiziert werden.51 Weil das unmittelbare Ansetzen 45

So die Rechtsdefinition von Kant, Metaphysik der Sitten, S. 66 f. Zu den Gründen für die Fixierung des Eintritts in das strafbare Versuchsstadium auf diesen Zeitpunkt: 2. Teil B. I. 4. 47 So aber Frister, Strafrecht AT, 11/12. 48 Selbst der Umstand, dass das unmittelbare Ansetzen wenigstens ein Durchgangsstadium der Vollendung bildet, ergibt sich jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Es setzt nämlich die Richtigkeit des Dogmas vom Versuch als begrifflicher Implikation der Vollendung voraus. Jedenfalls folgt aus § 22 StGB nicht logisch zwingend, dass für die Vollendung kein geringerer Grad an Verwirklichungsbewusstsein hinreicht als das unmittelbare Ansetzen. 49 So aber Frister, Strafrecht AT, 11/11 f. 50 Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 57. 51 Darauf ist die Schwierigkeit zurückzuführen, das unmittelbare Ansetzen von sonstigen Vorbereitungshandlungen abzugrenzen. Die Abgrenzung zwischen dem unmittelbaren Ansetzen und dem, was herkömmlich als strafloses Vorbereitungsstadium angesehen wird, liegt nämlich im Bereich des Quantitativen. 46

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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nicht den Gegenstand der im Vollendungstatbestand implizierten „Hauptnorm“ verwirklicht, enthält § 22 StGB eine von der Hauptnorm zu unterscheidende „flankierende“ Norm,52 auf deren Legitimation unten noch eingegangen wird.53 b) Normative Einwände gegen die Versuchsstrafbarkeit als adäquate Lösung in der Konstellation des planwidrig vorzeitigen Erfolgseintritts aa) Gleichgewichtiges objektives Unrecht als Grund für die Annahme der Vollendungsstrafbarkeit? Roxin weist darauf hin, dass der unbeendete Versuch in den Konstellationen des umgekehrten dolus generalis dieselbe objektive Gefährlichkeit für das geschützte Rechtsgut aufweist wie der beendete Versuch, sodass unter dem Aspekt der Rechtsgutsgefährdung eine Gleichbehandlung geboten sei. Der Täter habe in der Konstellation des umgekehrten dolus generalis die Herrschaft über das Geschehen objektiv auch ohne den Schritt der Versuchsbeendigung vollständig aus der Hand gegeben. Dass jemand, der einen anderen mit mehreren Schlägen töten will, den Tod bereits durch einen von ihm noch nicht für vollendungstauglich gehaltenen Schlag bedingt, „nur“ wegen Versuchs zu bestrafen sei, könne deshalb nicht überzeugen, weil hier kein Grund ersichtlich sei, den Täter zu entlasten.54 Dieses Argument kann nicht überzeugen, weil es wie der Verweis auf die bloß unwesentliche Abweichung des verwirklichten Geschehens von der Tätervorstellung das eigentliche Problem dieser Konstellation überspielt. Noch einmal zu betonen ist, dass es in der Konstellation des umgekehrten dolus generalis um die Frage geht, ob die Versuchsbeendigung ein notwendiges subjektives Merkmal des Vollendungstatbestands bildet. Roxins Berufung auf die objektive Gefährlichkeit liegt nun aber unausgesprochen die Prämisse zugrunde, das Fehlen subjektiver Tatbestandsmerkmale sei durch die vollständige Verwirklichung des objektiven Tatbestands substituierbar. Wäre die von Roxin postulierte „Vernachlässigbarkeit“ des Verwirklichungsbewusstseins unter Berufung auf das objektiv verwirklichte Geschehen aber zutreffend, so könnte man auch bei dem Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens vorgelagerten Handlungen annehmen, das fehlende Maß an Verwirklichungsbewusstsein sei durch ein hinreichendes Maß an objektiver Gefährlichkeit ersetzbar. 52 So die Terminologie bei Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 63 ff., 79 ff.; so zuvor schon Struensee, in: GS Kaufmann, S. 523 (537); ferner Theis, Unbeendeter Versuch, S. 74 ff.; Stein, GA 2010, 129 (145 ff.); ablehnend Jakobs, der dieser Differenzierung den Vorwurf des „naturalistischen Psychologisierens“ entgegenhält. Vielmehr bestehe der Unterschied zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch im Bereich des Quantitativen, da beide Versuchsformen „Tatbestandsverwirklichung [bedeuteten]“ (Strafrecht AT, 25/Fn. 33b). Der Bedeutungsgehalt bildet jedoch mangels hinreichender Bestimmtheit kein operationalisierbares Kriterium für die Abgrenzung des Versuchs- und Vollendungsstadiums. Ihm kann aber bei der Bestimmung des kommunikativen Gewichts des Normbruchs Bedeutung zukommen. 53 Dazu: 2. Teil B. I. 4. 54 Roxin, GA 2003, 257 (263 f.); ders./Greco, Strafrecht AT I, 12/188.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Auch die Anführung des durch den Mangel der Versuchsbeendigung allenfalls marginal verminderten Maßes an verwirklichtem Unrecht als Argument für die Vollendungsstrafbarkeit ist schon deshalb wenig überzeugend, weil die fakultative Strafmilderung nach § 23 II StGB die Möglichkeit bereithält, dem Umstand gleicher Gefährlichkeit durch die Anwendung des Regelstrafrahmens Rechnung zu tragen, sodass sich für die Strafhöhe aus der Qualifikation als bloßer Versuch nicht notwendigerweise Konsequenzen ergeben müssen. Diese Möglichkeit wäre nur bei den (wenigen) Erfolgsdelikten abgeschnitten, für die das Gesetz keine Versuchsstrafbarkeit vorsieht (etwa § 266 StGB). bb) Das Fehlen relevanter normativer Unterschiede zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch als Grund für die Vollendungsstrafbarkeit? Weiter lehnt Roxin die Versuchsbeendigung als vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzung mit dem Argument ab, der Täter könne u. U. auch nach dem Zeitpunkt, in dem er alles aus seiner Sicht Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan hat, den Erfolgseintritt durch die Einleitung von Gegenmaßnahmen noch sicher abwenden, sodass mit der Versuchsbeendigung, wie dies stets auch beim unbeendeten Versuch der Fall ist, nicht zwingend eine endgültige Entscheidung gegen das geschützte Rechtsgut einhergehe. Wer etwa einem anderen Gift in der Vorstellung zuführt, dieses bewirke den Tod des anderen erst in drei Monaten und sei jederzeit durch Zuführung eines Gegengifts zu neutralisieren, habe bereits durch das Giftzuführen eine versuchsbeendigende Handlung ausgeführt, ohne dass er die Entscheidungsmacht über den Erfolgseintritt eingebüßt hat. Der Täter hafte in diesem Fall sicherlich auch dann wegen Vollendung, wenn der Tod planwidrig vor Ablauf der drei Monate eintritt, obwohl noch keine endgültige Entscheidung gegen das Leben des anderen gefallen ist. Weil mit der Versuchsbeendigung also jedenfalls nicht unbedingt eine endgültige Entscheidung gegen das geschützte Rechtsgut einhergehe, bestehe kein zwingender normativer Unterschied zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch, der dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung als für die Vollendungsstrafbarkeit maßgebliche Schwelle des Verwirklichungsbewusstseins entgegensteht.55 Mit dem Fall der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dem letzten positiven Mitteleinsatz hat Roxin eine Konstellation angesprochen, in der die häufig anzutreffende Koinzidenz zwischen dem letzten positiven Mitteleinsatz und dem Verlust der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nicht besteht.56 In diesen Fällen ist jedoch umstritten, ob mit dem letzten positiven Mitteleinsatz überhaupt bereits ein beendeter Versuch – also die tatbestandsverwirklichende Handlung i. S. von 55

Roxin, GA 2003, 257 (265). Ein solches Zusammenfallen besteht regelmäßig bei der Abgabe eines Schusses, dem Versetzen eines Stichs oder dem Wurf eines Steins etc. Doch auch in solchen Fällen ist ein Auseinanderfallen denkbar, etwa wenn der Täter bei der Abgabe eines Schusses glaubt, das Opfer noch durch den Ruf eines Krankenwagens sicher retten zu können. 56

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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§ 22 StGB – und damit der für die Vollendungsstrafe erforderliche Grad an Verwirklichungsbewusstsein vorliegt. Im Folgenden wird zunächst allein die Stichhaltigkeit von Roxins Argument untersucht, nämlich ob sich – je nach Bestimmung des für die Versuchsbeendigung maßgeblichen Zeitpunkts – ein relevanter normativer Unterschied zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch finden lässt. Nach teilweise vertretener Auffassung ist für die Versuchsbeendigung überhaupt nicht der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Täter alles aus seiner Sicht zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan, sondern derjenige, in dem er sich aus seiner Sicht der vollständigen Beherrschung des Risikos entäußert, die sichere Erfolgsabwendungsmöglichkeit also bewusst preisgegeben hat.57 Zwar fielen der Zeitpunkt des letzten positiven Mitteleinsatzes und derjenige des Verlusts der sicheren Beherrschung des Risikos regelmäßig zusammen. Allerdings sei dies wie gesehen nicht zwingend der Fall. Im von Roxin gebildeten Fall trete die Versuchsbeendigung erst dann ein, wenn der Täter bewusst den Zeitpunkt verstreichen lässt, in dem er die sichere Möglichkeit, das Gift zu neutralisieren, verliert. Die Zuführung des Gifts als dem Verlust der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit lange vorausgehendes Geschehen liege dagegen noch im straflosen Vorbereitungsstadium.58 Fälle der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dem letzten positiven Mitteleinsatz begründeten deshalb allenfalls eine Vorsatzstrafbarkeit wegen Unterlassens der Erfolgsverhinderung ab dem Zeitpunkt, in dem sich die Rettungschancen aus Tätersicht erstmals vermindern, oder genauer: ab dem Zeitpunkt, in dem der Verlust der Beherrschung unmittelbar bevorsteht (§ 22 StGB).59 Träfe diese Bestimmung des Zeitpunkts der Versuchsbeendigung zu,60 so wäre der Einwand von Roxin gegen die Versuchsbeendigung als vollendungsspezifische 57

Jakobs, Strafrecht AT, 25/72 ff.; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 74 ff.; ders., JJZG 2011, 267 (268); Murmann, Versuchsunrecht, S. 16 ff.; Streng, in: GS Zipf, S. 325 (343 f.); Stein, GA 2010, 129 (140 ff.). 58 Vgl. Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 60 ff., 75. 59 Zum unmittelbaren Ansetzen beim unechten Unterlassungsdelikt Frister, Strafrecht AT, 23/36 ff. 60 Nimmt man das Erfordernis der bewussten Preisgabe der Beherrschung des Risikos als positives Erfordernis der Versuchsbeendigung ganz ernst, hätte dies folgende kaum hinzunehmende Konsequenz: Macht sich der Täter schon im Zeitpunkt der letzten erforderlichen Handlung überhaupt keine Gedanken über das Bestehen einer Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dieser Handlung, so fehlte es an der Versuchsbeendigung. Wenn etwa A auf B schießt und die Möglichkeit erkennt, dass dieser an der Schussverletzung verstirbt, läge in Gestalt der Schussabgabe eine bloße Vorbereitungshandlung vor, wenn A in diesem Zeitpunkt nicht den Bewusstseinsinhalt entwickelt, dass er nach der Schussabgabe keine sichere Reversionsmöglichkeit hat. Ob die bewusste Preisgabe der sicheren Beherrschung des Risikos aber tatsächlich als positives Vorsatzerfordernis postuliert wird, ist angesichts des Umstands, dass es in aller Regel an einem solchem Element fehlen dürfte, zweifelhaft. Jedenfalls handelt es sich dabei um ein überspanntes Vorsatzerfordernis. Deshalb wird man den für die Versuchsbeendigung erforderlichen Grad an Verwirklichungsbewusstsein jedenfalls dann bejahen müssen, wenn der Täter sich im Zeitpunkt des letzten positiven Mitteleinsatzes überhaupt keine Gedanken über das anschließende Bestehen einer sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit macht. Der ver-

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Sanktionsvoraussetzung schon deshalb nicht stichhaltig, weil dann – und dies wird durch Roxin implizit konzediert – bereits im Erfordernis der bewussten Preisgabe der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit ein relevanter normativer Unterschied zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch bestünde. Indes wird die Verlagerung des Zeitpunkts der Versuchsbeendigung auf die bewusste Preisgabe der sicheren Reversionsmöglichkeit vielfach abgelehnt und – jedenfalls prinzipiell – auch in den Fällen der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dem letzten positiven Mitteleinsatz auf den Zeitpunkt der letzten positiven Handlung fixiert.61 Demnach läge – wie von Roxin für sein Beispiel behauptet – bereits in der Zuführung des Gifts ein beendeter Versuch vor. Doch auch für den Fall der Annahme der Versuchsbeendigung im Zeitpunkt des letzten positiven Mitteleinsatzes bei Bestehen einer sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit ist Roxins These, zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch bestehe kein relevanter normativer Unterschied, nicht überzeugend. Ein relevanter normativer Unterschied ist darin zu sehen, dass der Täter im Zeitpunkt des letzten positiven Mitteleinsatzes die Vorstellung hat, dass der Erfolgseintritt auch ohne eine weitere gedankliche Auseinandersetzung mit dem Risiko möglich ist, er das Risiko also schlicht vergessen kann, ohne dass der Erfolgseintritt damit unmöglich wäre und er somit die letzte zur Erfolgsherbeiführung erforderliche Entscheidung trifft.62 Insoweit unterscheidet sich der Fall der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dem letzten positiven Mitteleinsatz von demjenigen des planwidrig vorzeitig eingetretenen Erfolgs. Nur in letzterem Fall stellt sich der Täter vor, dass es zur Erfolgsherbeiführung noch einer weiteren gedanklichen Auseinandersetzung mit der Frage der Erfolgsbewirkung bedarf und noch eine weitere Entscheidung über die Rechtsgutsverletzung aussteht. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass – unabhängig davon, welchen der beiden dargestellten Ansätze zur Bestimmung der Versuchsbeendigung man für zutreffend hält – ein relevanter normativer Unterschied zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch besteht, sodass auch dieser Einwand Roxins nicht stichhaltig ist.

suchsbeendigende Bewusstseinsinhalt dürfte nach dieser Auffassung nicht schon dann zu verneinen sein, wenn dem Täter die positive Vorstellung fehlt, dass er nach dem letzten Mitteleinsatz keine sichere Erfolgsabwendungsmöglichkeit hat, sondern nur dann, wenn er die positive Vorstellung einer nach dem letzten Mitteleinsatz bestehenden sicheren Erfolgswendungsmöglichkeit hat. 61 Herzberg, in: FS Roxin, S. 749 (759 f.); Frister, in: FS Wolter, S. 375 (383 ff.). 62 Frister, in: FS Wolter, S. 375 (383 ff.).

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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c) Bestimmung des Zeitpunkts der Versuchsbeendigung für den Fall der „sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit nach dem letzten positiven Mitteleinsatz“ Offen geblieben ist im Rahmen der Auseinandersetzung mit Roxins Einwänden gegen die Versuchsbeendigung als vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzung, welcher der beiden diskutierten Zeitpunkte – derjenige der bewussten Preisgabe der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit oder derjenige der letzten aus Tätersicht zur Erfolgsherbeiführung erforderlichen gedanklichen Auseinandersetzung – zur Bestimmung der Versuchsbeendigung maßgeblich ist. Kritisiert wird am Abstellen auf den Zeitpunkt der bewussten Preisgabe der noch sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit vor allem, dass sich der Täter nach dem letzten positiven Mitteleinsatz, wenn er sich in diesem Zeitpunkt das Bestehen einer sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit vorgestellt hat, durch bloßes Vergessen der Gefahrenquelle um die Vorsatzstrafbarkeit bringen kann und im Falle des Erfolgseintritts wegen Fahrlässigkeit, im Falle des Ausbleibens des Erfolgs überhaupt nicht strafbar wäre.63 Im von Roxin gebildeten Beispiel wäre der Täter allenfalls wegen fahrlässiger Tötung strafbar, wenn es nach der Verabreichung des Gifts zu keiner gedanklichen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Neutralisierung durch Verabreichung des Gegengifts kommt. Wegen der Produktion derartiger Ergebnisse sei das Erfordernis der bewussten Preisgabe der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit inakzeptabel und daher abzulehnen. Konsequenz des Abstellens auf den Zeitpunkt, in dem der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts ohne weitere gedankliche Auseinandersetzung mit dem Risiko erkennt, wäre dagegen zum einen, dass der Täter auch dann die versuchsbeendigende Handlung vollzieht, wenn er im Zeitpunkt der letzten für erforderlich gehaltenen Handlung die Vorstellung hat, die endgültige Entscheidung über den Gebrauch der aus seiner Sicht bestehenden sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit stehe noch aus. Stellt etwa Ehemann M seiner Frau F ein mit Gift versetztes Glas Wasser in der Vorstellung auf den Küchentisch, diese werde es – wenn er es nicht zuvor auskippt – erst viele Stunden später, in denen M eingriffsbereit am Küchentisch verweilt, trinken, so wäre er auch dann wegen vollendeten Totschlags zu bestrafen, wenn er im Zeitpunkt des Platzierens des Glases noch unentschlossen ist, ob er es bis zum Erscheinen des F dort stehen lassen oder auskippen soll, er infolge eines Schlaganfalls aber daran gehindert wird, die aus seiner Sicht noch ausstehende Entscheidung zu treffen, die F das Glas trinkt und daran verstirbt.64 Eine andere, bislang nur selten diskutierte Konsequenz des Abstellens auf den Zeitpunkt, in dem der Täter glaubt, der Erfolgseintritt sei ohne weitere gedankliche Auseinandersetzung möglich, ist – jedenfalls wenn man die Einheit der Bestimmung des tatbestandlichen Verhaltens und damit des unmittelbaren Ansetzens beim Tun

63 64

Herzberg, in: FS Roxin, S. 749 (759 f.). Ähnlich Deiters, in: Alkohol u. Schuldfähigkeit, S. 121 (129 f.).

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

und Unterlassen annimmt65 –, den Zeitpunkt des Versuchsbeginns beim unechten Unterlassungsdelikt entgegen der h. M.66 auf den Zeitpunkt vorzuverlegen, in dem der Täter die Existenz der Gefahrenquelle erstmals erkennt und damit die Möglichkeit erhält, diese bewusst zu beseitigen.67 Denn auch hier bedarf es aus der Perspektive des Täters ebenso wie im Falle des letzten positiven Mitteleinsatzes beim Begehungsdelikt für die Möglichkeit des Erfolgseintritts keiner weiteren gedanklichen Auseinandersetzung mit der Gefahrenquelle.68 Stellt etwa der Sohn der F – S – seiner Mutter zwei Wochen vor ihrer Rückkehr aus dem Urlaub ein mit Gift versetztes Getränk auf den Küchentisch, träte der Ehemann M auch dann bereits zwei Wochen vor dem aus seiner Sicht möglichen Erfolgseintritt in das Versuchsstadium ein, wenn er die Möglichkeit, dass F das Gift beinhaltende Getränk nach ihrer Rückkehr trinken könnte, erkennt und die Vorstellung hat, die Gefahrenquelle innerhalb der sich anschließenden zwei Wochen noch sicher beseitigen zu können. Vergisst M das vergiftete Glas, nachdem er die Gefahr für das Leben der F erkannt hat und verstirbt diese nach ihrer Rückkehr, weil sie das Glas austrinkt, so wäre M wegen vollendeten Totschlags durch Unterlassen zu bestrafen. Gleiches gilt auch dann, wenn F zehn Tage früher als von M erwartet zurückkehrt und durch die Einnahme des Gifts stirbt. Der Streit um den für die Versuchsbeendigung maßgeblichen Zeitpunkt sowie die aufgezeigten Konsequenzen der Auffassungen lassen sich jedoch entschärfen, wenn man teilweise bereits in der Literatur diskutierte, teilweise noch vorzunehmende Präzisierungen der sich gegenüberstehenden Standpunkte berücksichtigt. So wird von Seiten derjenigen, die im letzten positiven Tun die versuchsbeendigende Handlung erblicken, die Einschränkung gemacht, dass der Täter in den Fällen des Bestehens der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit im Zeitpunkt der letzten positiven Handlung unbedingt tatentschlossen sein müsse.69 Gemeint ist hier die unbedingte Entschlossenheit bzw. Absicht des Täters, auf keinen Fall von der noch bestehenden sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Für den von Roxin gebildeten Fall bedeutet dies, dass der Täter nur dann durch das Zuführen des Gifts eine versuchsbeendigende Handlung ausführt, wenn er unbedingt entschlossen ist, dem Opfer das Gegengift innerhalb der nächsten drei Monate nicht zuzuführen. Behält sich der Täter dagegen im Zeitpunkt des letzten positiven Mit65

So etwa Frister, Strafrecht AT, 23/36 ff. LK/Hillenkamp, § 22 Rn. 143; MK/Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 115 f.; NK/Zaczyk, § 22 Rn. 64; SK/Stein, Vorbem. § 13 Rn. 65 ff.; Grünwald, JZ 1959, 46 (48 f.); Frister, Strafrecht AT, 23/36; Roxin, Strafrecht AT II, 29/271 ff. 67 Für die Vorverlagerung auf diesen Zeitpunkt Herzberg, MDR 1973, 89 (93); Lönnies, NJW 1962, 1950 (1951 f.); Maihofer, GA 1958, 289 (297); Schröder, JuS 1962, 81 (86). 68 So explizit auch Herzberg, MDR 1973, 89 (93): „Der Garant, der die Gefahr erkennt und beschließt, sie sich zum Erfolg hin entwickeln zu lassen, befindet sich damit sofort in der Situation des Aktivtäters, der alles nach seinem Plan Erforderliche getan hat und nun den Erfolg abwartet.“ 69 Tröndle/Fischer49, § 22 Rn. 19; Frister, in: FS Wolter, S. 375 (386 f.). 66

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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teleinsatzes vor, von der Erfolgsabwendungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, so handle er in diesem Zeitpunkt noch ohne Vollendungsvorsatz. Werde der Erfolg durch diese Handlung bewirkt, komme daher allenfalls eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht. Eine Vorsatzstrafbarkeit sei durch das spätere Unterlassen des Gebrauchs der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit zu begründen. Das Zusatzerfordernis des Tatentschlusses ist von dem Bestreben getragen, die Versuchsbeendigung jedenfalls in dem Fall zu verneinen, in dem sich der Täter im Zeitpunkt der letzten positiven Handlung vorbehält, erneut über das Risiko zu entscheiden. Insoweit ließe sich dieses Erfordernis dahingehend wohl präziser formulieren, dass das letzte positive Tun, das nach Vorstellung des Täters zur Erfolgsherbeiführung erforderlich ist, nur dann nicht versuchsbeendigend ist, wenn der Täter sich neben dem Vorliegen der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit vorstellt, er werde sich mit Sicherheit noch einmal gedanklich mit dem Gebrauch dieser Möglichkeit auseinandersetzen.70 Das bedeutet umgekehrt, dass der Versuch auch dann mit dem letzten positiven Handlungsschritt trotz der vom Täter vorgestellten sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit beendet ist, wenn er sich in diesem Zeitpunkt die Möglichkeit vorstellt, dass es aus irgendwelchen Gründen – sei es durch Vergessen – nicht mehr zu einer erneuten gedanklichen Auseinandersetzung mit der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit im Zeitraum ihres Bestehens kommt oder er sich überhaupt keine Gedanken über eine erneute geistige Auseinandersetzung mit dem Risiko macht. In diesem Zusatzerfordernis liegt eine Möglichkeit, die beiden sich (scheinbar) gegenüberstehenden Ansichten zum Zeitpunkt der Versuchsbeendigung zu harmonisieren. Die Vorstellung des Täters, er werde sich erneut gedanklich mit der Erfolgsabwendung auseinandersetzen, lässt sich nämlich auch als Teil der Vorstellung einer sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit begreifen. So hängt die sichere Erfolgsabwendungsmöglichkeit nicht allein vom Bestehen einer äußerlichen Einwirkungsmöglichkeit auf das Risiko, sondern auch vom Bestehen der psychischen Fähigkeit ab, durch Erinnerung definitiv von der äußerlichen Erfolgsabwendungs70 Soweit – was sich allerdings nicht klar ergibt – mit Tatentschluss in diesem Zusammenhang die auf das Unterlassen des Gebrauchs von der Abwendungsmöglichkeit gerichtete Absicht und damit ein voluntatives Bewusstseinselement gemeint ist, vermag das Zusatzerfordernis in dieser Form nicht zu überzeugen. Gerade der Tatentschluss als ein voluntatives Bewusstseinselement weist die letzte aus Tätersicht erforderliche positive Handlung als ein „deliktisches Mängelwesen“ (Struensee, in: GS Kaufmann, S. 523 (538)) und das Unterlassen, auf welches die Absicht gerichtet ist, als eigentliches tatbestandsmäßiges Verhalten aus. Denn jede Vorbereitungshandlung – auch das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung – zeichnet sich über ein kognitives Element hinaus durch ein zukunftsbezogenes Absichtselement aus. Dies zeigt sich etwa an den Vorbereitungshandlungen erfassenden Tatbeständen unvollkommen zweiaktiger Delikte (vgl. § 267 I Var. 1, 2 StGB). Erst die finale Gerichtetheit der Handlung auf den letzten Akt konstituiert ihren Charakter als Vorbereitungshandlung. Die Pönalisierung einer Vorbereitungshandlung beruht also auf dem Vorwurf des hypothetisch gebliebenen Akts. Für die Versuchsbeendigung ist die tatsächlich getroffene Entscheidung konstitutiv und kann nicht durch die vorangehende Absicht, diese Entscheidung zu treffen, substituiert werden.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

möglichkeit Gebrauch zu machen. Nur wenn der Täter davon ausgeht, dass es mit Sicherheit innerhalb des Zeitraums des Bestehens der sicheren äußerlichen Erfolgsabwendungsmöglichkeit zu einer erneuten gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Gebrauch kommt, stellt er sich überhaupt das Bestehen einer sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit vor. Erkennt er dagegen auch nur die Möglichkeit, dass es nicht zu einer erneuten gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Risiko kommt, fehlt es bereits an der Vorstellung einer sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit. Dies gilt natürlich erst recht, wenn er sich überhaupt keine Gedanken über eine erneute gedankliche Auseinandersetzung macht. Die beiden diskutierten Ansichten kommen also jedenfalls dann zu demselben Ergebnis, wenn man den Begriff der sicheren Erfolgsabwendungsmöglichkeit dahingehend präzisiert, dass sie neben der sicheren äußeren Einwirkungsmöglichkeit auch das Feststehen einer erneuten gedanklichen Auseinandersetzung voraussetzt. Damit bleibt festzuhalten, dass die Versuchsbeendigung prinzipiell in dem Zeitpunkt vorliegt, in dem der Täter erkennt, dass der Erfolgseintritt ohne weitere gedankliche Auseinandersetzung möglich ist. Dies ist beim Begehungsdelikt der Fall, wenn der Täter eine Handlung ausführt, durch die er alles aus seiner Sicht zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche tut, beim Unterlassungsdelikt, wenn er erstmalig das Bestehen des Risikos erkennt. Die Versuchsbeendigung ist in diesen Zeitpunkten nur dann nicht gegeben, wenn der Täter darüber hinaus die Vorstellung hat, er habe erstens eine sichere Einwirkungsmöglichkeit auf das Risiko und es werde zweitens mit Sicherheit zur einer erneuten gedanklichen Auseinandersetzung, d. h. zu einer noch ausstehenden endgültigen Entscheidung über die Beseitigung des Risikos, kommen. 2. Die objektive Seite des tatbestandsmäßigen Verhaltens Das Problem, ob der Bruch der im Vollendungstatbestand implizierten Verhaltensnorm über den Motivationsfehler hinaus auch dessen Objektivierung voraussetzt,71 muss wegen seiner rein theoretischen Natur nicht erörtert werden, weil unbestritten ist, dass die objektive Vollendungstauglichkeit der Tathandlung jedenfalls ein Sanktionserfordernis des Vollendungstatbestands bildet. Da gem. § 22 StGB die Vorstellung des Täters von der Tat für die Versuchsstrafbarkeit maßgeblich ist, handelt es sich bei der objektiven Vollendungstauglichkeit der Tathandlung auch um ein vollendungsspezifisches Sanktionserfordernis. Das nur für die Vollendungsstrafbarkeit geltende Erfordernis der Umstandskenntnis (§ 16 I S. 1 StGB) setzt aber nicht nur voraus, dass das Täterverhalten 71

Dafür Gallas, in: FS Bockelmann, S. 155 (159); Mir Puig, ZStW 95 (1983), 413 (420 ff.); ders., in: FS Kaufmann, S. 253 (255 ff.); Frisch, Vorsatz, S. 78 ff.; so wohl auch Mylonopoulos, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 65 f.; Schneider, Verhaltensnorm, S. 42.; dagegen Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 106; Stratenwerth, ZStrR 79 (1963), 233 (246 f.); Wolter, Zurechnung, S. 25; Stein, GA 2018, 129 (131); Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (365).

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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sowohl nach der Vorstellung des Täters als auch nach den äußeren Umständen als tatbestandsmäßig zu qualifizieren ist. Vielmehr verlangt das Merkmal der Umstandskenntnis auch, dass die Tätervorstellung und das objektive Geschehen kongruent sind.72 Es bietet sich deshalb an, das Vorliegen eines zum Vorstellungsbild des Täters kongruenten objektiven Geschehens in zwei Schritten zu prüfen. Erstens muss nach den äußeren Umständen das tatbestandsmäßige Verhalten vollzogen sein. Und zweitens müssen das objektiv und das nach Vorstellung des Täters verwirklichte tatbestandsmäßige Geschehen übereinstimmen. Für die Erfolgsdelikte bedeutet dies, dass der Täter zum einen nach den äußeren Umständen ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen haben muss, das zum anderen mit dem nach seiner Vorstellung geschaffenen Risiko übereinstimmt. Die Konstellation, in der es an einem mit dem Vorstellungsbild des Täters kongruenten objektiven Geschehen fehlt, wird im Folgenden als (vollendungs-)untauglicher Versuch bezeichnet, weil in diesen Fällen schon ex ante – also im Zeitpunkt der Tathandlung – feststeht, dass es nicht zur vollendeten Verwirklichung des Vorsatztatbestands, sondern allenfalls zum fahrlässig verursachten Erfolgseintritt kommen wird. a) Objektive Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos Das objektive Vorliegen eines rechtlich missbilligten Risikos kann aus zwei Gründen ausscheiden. Entweder fehlt es objektiv schon an den ein Risiko begründenden Umständen (umgekehrter Tatbestandsirrtum), etwa bei der Betätigung einer als geladen vorgestellten, in Wahrheit aber ungeladenen Pistole oder beim Schuss auf eine für einen Lebenden gehaltenen Leiche (Wahrnehmungsdefizit/ontologischer Irrtum). Möglich ist auch, dass der Täter seine Erwartung, es werde zu einem schädigenden Kausalverlauf kommen, auf eine objektiv unrichtige Erfahrungsregel stützt, etwa wenn er sein Opfer durch Zuführung von Speisezucker zu töten versucht (nomologischer Irrtum). Dass auch – anders als in der Literatur teilweise behauptet worden ist73 – nomologische Irrtümer die Versuchsstrafbarkeit begründen können, ergibt sich im Umkehrschluss aus § 23 III StGB, der als Strafzumessungsvorschrift voraussetzt, dass der Versuchstatbestand durch nomologische Irrtümer verwirklicht werden kann.74 Weil sich aus § 23 III StGB zudem ergibt, dass rein äußerlich vollkommen unverfängliche Handlungen versuchsbegründend sein können, wenn der Täter ihnen subjektiv nur die Eignung zur Tatbestandsverwirklichung zuschreibt, gibt es auch keinen sachlichen Grund, die objektive Vollendungstauglichkeit in anderen Konstellationen, die keinen äußerlich wahrnehmbaren Anhaltspunkt für das

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Schlehofer, Vorsatz, S. 4 ff. Struensee, ZStW 102 (1990), 21 ff.; Mitsch, in: Zehn Jahre ZIS, S. 307 (328 f.). 74 MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 47 ff.; diese Sicht wird im Übrigen durch die Begründung des zu § 23 III StGB wesentlich gleichlautenden § 27 III E1962 bestätigt (BTDrucks. IV/650, S. 145): Danach setze grober Unverstand „eine völlig abwegige Vorstellung von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen“ voraus. 73

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Bestehen eines deliktischen Willens enthalten – etwa beim untauglichen Unterlassungsversuch75 – als versuchskonstitutiv anzusehen.76 Das für die objektive Vollendungstauglichkeit konstitutive rechtswidrige Risiko ist aber auch dann ausgeschlossen, wenn das vom Täter vorgestellte Risiko zwar tatsächlich vorliegt, er jedoch das Vorliegen von Umständen, die dessen Missbilligung durch die Rechtsordnung aufheben, verkennt, was insbesondere beim umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum77 der Fall ist. Die h. M. nimmt zu Recht an, dass der umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum nach den §§ 22 ff. StGB (ggf. analog) wegen Versuchs zu bestrafen sei.78 Deshalb handelt es sich bei der Nichtverwirkli75 Für eine Strafbarkeit in solchen Fällen LK/Weigend, § 13 Rn. 78; MK/Freund, § 13 Rn. 254 ff.; SK/Stein, Vorbem. § 13 Rn. 64; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, Vorbem. §§ 22 ff. Rn. 27; Roxin, Strafrecht AT II, 29/376 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 29/114; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 8, 14; ablehnend NK/Zaczyk, § 22 Rn. 60; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 17/27; so auch Herzberg, der allerdings den Versuch durch Unterlassen insgesamt straflos belassen will (MDR 1973, 89 (89 f.)). 76 Die Einbeziehung äußerlich vollkommen unverfänglicher Handlungen in den Bereich des strafbaren Versuchs steht auch nicht in Konflikt mit dem Kern eines liberal-rechtsstaatlichen Strafrechts und namentlich mit dem Tatprinzip (so wohl aber Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (761): „Die Frage nach den Interna ist nur zur Interpretation sowieso schon störender Externa erlaubt.“; ähnlich Schmidhäuser, Strafrecht AT, 17/27; Paeffgen, Verrat, S. 112; Herzberg, MDR 1973, 89 (89 f.)). Dem ist nämlich entgegenzuhalten, dass dadurch die Grenzen zwischen der Bestrafung einer Tat und einer bloßen Gesinnung zu Unrecht mit den Grenzen zwischen einem objektivierten und einem nichtobjektivierten Willen identifiziert werden. Diese Grenzziehung wird jedoch der Struktur des subjektiven Tatbestands nicht gerecht, da schon die den subjektiven Tatbestand konstituierenden Elemente hinreichende Komplexität aufweisen, um die Differenzierung zwischen einem Tat- und einem Gesinnungsstrafrecht zu ermöglichen. Es reicht nämlich zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands nicht aus, dass sich der Täter die Ausführung des tatbestandlichen Verhaltens nur vorstellt. Der Täter muss über das Vorstellungsbild von einem deliktischen Sachverhalt hinaus auch das Bewusstsein haben, diesen Sachverhalt zu verwirklichen (dazu: 2. Teil A. II. 1.). Auch ohne Objektivierung handelt es sich beim Verwirklichungsbewusstsein um kein bloßes Vorstellungsbild mehr, dessen Bestrafung sich als illiberales Gesinnungsstrafrecht darstellt; so auch Sancinetti, GA 2016, 411 (422): „Nur wenn nach der eigenen Vorstellung des Täters sein Wille eine bloße ,Innerlichkeit‘ darstellt, kann dies in einem freiheitlichen Staat keinen rechtlichen Vorwurf begründen.“ 77 Zwar unterscheiden sich der umgekehrte Tatbestandsirrtum und der umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum dadurch, dass im Falle des umgekehrten Tatbestandsirrtums schon das Risiko des Erfolgseintritts fehlt, während beim umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum ein solches Risiko vorliegt. Dieser Unterschied liegt jedoch im Bereich des Naturalistischen und rechtfertigt keine wertungsmäßige Ungleichbehandlung. Der entscheidende normative Grund für eine Gleichbehandlung liegt dagegen darin, dass es in beiden Fällen an einer Missbilligung des objektiv verwirklichten Geschehens durch die Rechtsordnung mangelt. Beim umgekehrten Tatbestandsirrtum liegt dies schon am Fehlen des rechtlich missbilligten Risikos, beim umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum dagegen an der Billigung des durch den Täter geschaffenen Risikos durch die Rechtsordnung wegen der Verwirklichung eines objektiven Erlaubnistatbestands. 78 Jakobs, Strafrecht AT, 11/23; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 330; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 14/104 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, 9/155; Frister, Strafrecht AT, 14/28; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, 15/48; Kühl, Strafrecht AT, 6/16; für die Vollendungsstrafbarkeit Schmidhäuser, Strafrecht AT, 9/21; Gropp will diese Fälle dagegen mit dem

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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chung eines objektiven Erlaubnistatbestands um eine (negative) vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzung.79 b) Kongruenz zwischen dem vorgestellten und dem objektiv geschaffenen Risiko Auch wenn der mit Verwirklichungsbewusstsein handelnde Täter objektiv ein rechtswidriges Risiko schafft, kann es sich wegen der fehlenden Kongruenz zur Tätervorstellung um einen untauglichen Versuch handeln. Hervorzuheben ist, dass es sich bei dem hier interessierenden Erfordernis der Kongruenz zwischen dem vorgestellten und dem real geschaffenen Risiko um ein Merkmal handelt, dessen Vorliegen sich allein nach der ex ante-Perspektive bestimmt. Es darf daher nicht mit dem erst ex post feststellbaren – teilweise auch als Kongruenzerfordernis beschriebenen80 – Erfordernis des subjektiven Zurechnungszusammenhangs zwischen dem eingetretenen Erfolg und dem Vorstellungsbild des Täters verwechselt werden, welches im Rahmen dieser Arbeit gesondert behandelt wird. Denn es sind durchaus Fälle denkbar, in denen sich auch ein kongruentes Risiko nicht im Erfolg realisiert.81 Die Kongruenz zwischen Vorstellung und Risiko scheitert in den Konstellationen der Doppelirrtümer (Zusammenfallen eines einfachen und eines umgekehrten Tatbestandsirrtums), wenn der Täter sich also die Schaffung eines anderen als des tatsächlich geschaffenen Risikos vorstellt. In solchen Fällen kommt – sofern sich das objektiv geschaffene, unerkannt gebliebene Risiko im Erfolg verwirklicht – allein eine Strafbarkeit wegen Versuchs in Tateinheit mit Fahrlässigkeit in Betracht. Positive Voraussetzungen für die Kongruenz zwischen dem vorgestellten und dem real geschaffenen Risiko sind, dass der Täter erstens den das objektive Risiko begründenden Sachverhalt zutreffend erkennt und zweitens, dass er durch die Anwendung einer zutreffenden Erfahrungsregel einen der ex ante objektiv möglichen Kausalverläufe antizipiert. Argument, der Täter verhalte sich im Falle des umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtums anders als im Falle des umgekehrten Tatbestandsirrtums äußerlich vollkommen rechtskonform, straffrei lassen (in: FS Kühl, S. 247 (256 f.)); gegen letzteres spricht aber, dass es – wie gerade dargestellt – auch Fälle des untauglichen Versuchs gibt, in denen sich der Täter äußerlich vollkommen rechtskonform verhält, in denen er sich aber zweifelsohne strafbar macht (vgl. § 23 III StGB). 79 Auch der umgekehrte Entschuldigungstatbestandsirrtum müsste wie der umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum die Versuchsstrafbarkeit nach sich ziehen, wenn man § 35 StGB als Ausnahme von der Verhaltensnorm deutet (so Frister, Schuldelement, S. 153 ff., 210 ff.; ders., JuS 2013, 1057 (1064)). Man stelle sich dazu in Abwandlung zum Karneades-Fall folgende Konstellation vor: Die beiden Schiffbrüchigen A und B schwimmen auf offenem Meer, wobei A sich vorstellt, es befänden sich zwei Schiffsplanken in greifbarer Nähe, sodass sich beide zunächst über Wasser halten könnten. A drückt B unter Wasser, woraufhin dieser stirbt. In Wahrheit befindet sich nur eine einzige Schiffsplanke in greifbarer Nähe, die nur A oder B tragen könnte. 80 So explizit von Kuhlen, in: FS Beulke, S. 153 (155 f.); ähnlich auch von Sheng-wei Tsai, in: FS Frisch, S. 281 (285 f.). 81 Dazu ausführlich: 2. Teil A. III.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Ein die Kongruenz ausschließender Doppelirrtum liegt etwa vor, wenn der Täter dem Opfer verdorbenen Fisch in der Fehlvorstellung serviert, der Fisch sei zum einen nicht verdorben und zum anderen von seinem Gehilfen zuvor vergiftet worden. Hier verkennt der Täter den objektiv risikobegründenden Sachverhalt (Servieren eines verdorbenen Fischs), stellt sich aber gleichzeitig einen anderen risikobegründenden Sachverhalt (Servieren eines vergifteten Fischs) vor. Die Strafbarkeit wegen Vollendung scheidet deshalb aus. Ausgeschlossen ist die Kongruenz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit auch, wenn der Täter den das objektive Risiko begründenden Sachverhalt zwar zutreffend erkennt, den Sachverhalt jedoch durch Anwendung von falschem Erfahrungswissen als Risiko beurteilt, der Eintritt des vom Täter subjektiv prognostizierte Kausalverlaufs also objektiv ex ante ausgeschlossen ist. Stößt etwa der Täter sein Opfer, das – wie der Täter weiß – nicht schwimmen kann, von einer Brücke in einen Waldsee und erwartet, das Opfer werde von Haien zerfleischt, erkennt der Täter zwar die das Risiko des Ertrinkens begründenden Umstände (Stoßen eines Nichtschwimmers ins Gewässer). Da aber der von ihm prognostizierte Kausalverlauf objektiv ex ante ausgeschlossen ist, stellt er sich ein anderes als das objektiv geschaffene Risiko (Tod eines Nichtschwimmers durch Ertrinken) vor. Ein die Kongruenz ausschließender Doppelirrtum liegt natürlich auch dann vor, wenn der Täter die das objektive Risiko konstituierenden Teilumstände seines Verhaltens verkennt und sich gleichzeitig ein Verhalten vorstellt, das objektiv erfolgsungeeignet ist, seine Erfolgserwartung aber auf eine unrichtige Erfahrungsregel stützt.82 Führt der Täter dem Opfer etwa ein hochwirksames Gift in der Vorstellung zu, es handle sich dabei um Baldrian und glaubt er, Baldrian wirke tödlich, so ändert der Umstand, dass der Täter objektiv ein rechtlich missbilligtes Risiko schafft, nichts an der Untauglichkeit des Versuchs. Hier scheitert das Vorliegen der für die Vollendungsstrafbarkeit nach § 212 StGB konstitutiven Kongruenz zum einen schon an der fehlenden Sachverhaltskenntnis, zum anderen aber auch an der Anwendung einer objektiv unrichtigen Erfahrungsregel.

III. Verwirklichung des vorsätzlich geschaffenen Risikos im tatbestandsmäßigen Erfolg als vollendungsspezifische Sanktionsvoraussetzung der Erfolgsdelikte Das vom Täter vorsätzlich geschaffene Risiko muss sich zur Verwirklichung des Vollendungstatbestands eines Erfolgsdelikts auch im tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklichen. Anders als die grundsätzlich auf die ex ante-Perspektive abstellenden

82 Diese Fälle finden sich in der Literatur diskutiert bei Timpe, Strafmilderungen, S. 116; Jakobs, Strafrecht AT, 25/82; Sancinetti, GA 2016, 411 (416 f.).

A. Erläuterung der Grundbegriffe

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Versuchsvorschriften,83 setzt die Vollendungsstrafbarkeit bei Erfolgsdelikten also über den Vollzug des tatbestandlichen Verhaltens hinaus voraus, dass sich das Verhalten ex post auch im Einzelfall als Erfolgsursache darstellt. Nach herkömmlichem Verständnis ist im Rahmen der Erfolgszurechnung zwischen einem objektiven und einem subjektiven Zurechnungszusammenhang zu unterscheiden.84 Wegen der inzwischen herausgebildeten, jedoch unübersichtlichen Kasuistik kann auf die einzelnen Voraussetzungen des objektiven Zurechnungszusammenhangs an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Hingewiesen sei hier allein auf seinen zentralen Topos, nämlich die Beantwortung der Frage, ob sich der eingetretene Erfolg retrospektiv als das Ergebnis gerade des objektiv geschaffenen Risikos darstellt.85 Was den in seiner Grundstruktur bislang weniger konkretisierten subjektiven Zurechnungszusammenhang angeht, dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Einigkeit besteht zwar dahingehend, dass es bei der subjektiven Erfolgszurechnung nicht um die Feststellung „vollständige[r] empirische[r] Übereinstimmung“ zwischen dem vom Täter im Handlungszeitpunkt prognostizierten und dem tatsächlich realisierten Kausalverlauf gehen kann, sondern um die Lösung eines Wertungsproblems.86 Die von der Rechtsprechung vorgenommene Adäquanzbetrachtung, wonach sich Abweichungen des verwirklichten Kausalverlaufs vom durch den Täter prognostizierten Kausalverlauf dann als unwesentlich darstellten, „wenn sie sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigten“,87 bildet wegen ihrer mangelnden Konturierung ihrerseits ein in höchstem Maße präzisierungsbedürftiges Kriterium.88 Weiter hilft die in der Literatur vertretene Auffassung, nach der im Rahmen der subjektiven Zurechnung auf dieselben Regeln zurückzugreifen sei wie im Rahmen der objektiven Zurechnung, wobei davon abweichend das vom Täter vorgestellte Geschehen zugrunde zu legen sei.89 Wer etwa einen anderen Menschen ersticht und im Zeitpunkt der Tatausführung davon ausgeht, dass der Tötungserfolg nach wenigen 83

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2, II StGB, für dessen Verwirklichung es auf die ex post-Perspektive ankommt (dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd)). 84 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 507 ff.; Puppe, Strafrecht AT, 3/1 ff., 10/1 ff.; MK/Freund, Vorbem. § 13 Rn. 332 ff., 357 ff.; ders./Rostalski, Strafrecht AT, 7/118 ff.; ders., in: FS Maiwald, S. 211 (217 ff.); Frister, Strafrecht AT, 10/22 ff., 11/43 ff. 85 Dazu ausführlich Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 11/69 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 509 ff. 86 So Frister, Strafrecht AT, 11/51; ähnlich schon BGHSt 7, 325 (329); vgl. auch Jakobs, Strafrecht AT, 8/64. 87 BGHSt 7, 325 (329). 88 So auch Freund, der diese Definition als „nichtssagende Leerformel“ abtut (in: FS Maiwald, S. 211 (219)); kritisch auch schon Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 569 ff.; AK/Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 58. 89 So i. E. auch Jakobs, Strafrecht AT, 8/65; AK/Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 59; SK/Stein, § 16 Rn. 43; Freund, in: FS Maiwald, S. 211 (219); Frister, Strafrecht AT, 11/50.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Augenblicken eintreten wird, sei auch dann wegen vollendeten Totschlags zu bestrafen, wenn der Erfolg auf dem Weg in das Krankenhaus durch ein typischerweise mit einer solchen Fahrt verbundenes Risiko unmittelbar bewirkt wird, etwa durch die Überschreitung der sonst geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung. Gleichwohl bleiben Vertreter dieser Auffassung insoweit zu voraussetzungsreich, als sie etwa verlangen, der Täter müsse „das Risiko kennen, das sich verwirklicht, nicht aber den konkreten Verlauf, durch den es sich verwirklicht“.90 Gleiches gilt für das Abstellen auf „die Streubreite des bewußt gesetzten Risikos“.91 Begreift man als Risiko nämlich wie hier einen Sachverhalt, auf dessen Grundlage sich anhand der Anwendung verfügbaren Erfahrungswissens ein bestimmter Schadenseintritt prognostizieren lässt, so müsste, weil das verwirklichte Risiko und der realisierte Kausalverlauf logisch identisch sind, das Vorstellungsbild des Täters nicht allein den der Prognose zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch den prognostizierten Kausalverlauf selbst umfassen. Damit bleibt aber die Frage, wie weitreichend die Übereinstimmung zwischen dem vorgestellten und eingetretenen Kausalverlauf sein muss, ebenso unbeantwortet wie durch die Wesentlichkeitslehre der Rechtsprechung. Solange man an der Voraussetzung festhält, dass der Täter das objektiv verwirklichte Risiko in Gänze erkennen muss, stellt sich das Problem, objektiv trennscharfe Kriterien zur Bestimmung der Identität des verwirklichten und des vorgestellten Risikos aufstellen zu müssen. Die richtige Lösung folgt aus der Erkenntnis, dass sich im Zeitpunkt der Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung objektiv regelmäßig eine kaum überblickbare Zahl von Kausalverläufen prognostizieren lässt und die Zahl der objektiv vorliegenden Risiken dementsprechend mannigfaltig ist. Für den subjektiven Zurechnungszusammenhang muss deshalb notwendig aber auch hinreichend sein, dass der Täter im Zeitpunkt der Tathandlung denjenigen Teil des objektiv vorliegenden Sachverhalts erkennt und seine eigene Risikoprognose darauf gründet, auf dessen Grundlage der tatsächlich verwirklichte Kausalverlauf zumindest erklärbar ist.92 Versucht etwa jemand, einen anderen durch Ertränken zu töten, indem er ihn von einer Brücke in einen Fluss wirft, der andere aber tatsächlich durch Aufschlagen auf einen Brückenpfeiler stirbt, wendet der Täter zwar die Erfahrungsregel, auf deren Grundlage der realisierte Kausalverlauf zu prognostizieren ist (ein Mensch kann, wenn man ihn von einer Brücke stößt, auf einen Brückenpfeiler aufprallen), nicht an, sodass das Risiko des Aufpralls auf den Brückenpfeiler durch den Täter nicht erkannt wird. Jedoch erkennt der Täter bei Begehung der Tat einen Sachverhalt (Stoßen eines Menschen von einer Brücke), auf dessen Grundlage der realisierte Kausalverlauf

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So aber Jakobs, Strafrecht AT, 8/83. AK/Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 59. 92 Der Ansatz klingt zumindest an bei: Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 610; AK/ Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 59 f.; Frister, Strafrecht AT, 11/50. 91

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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objektiv zu prognostizieren ist. Damit ist der subjektive Zurechnungszusammenhang in diesem Fall zu bejahen.93 Ein anschauliches Beispiel für den Fall, dass der zur Vollendungsstrafbarkeit erforderliche subjektive Zurechnungszusammenhang nach der hier vorgeschlagenen Herangehensweise fehlt, findet sich bei Frister: „(…) A serviert dem B zum Mittagessen Fisch mit Champignons. Der Fisch ist verdorben und die vermeintlichen Champignons sind giftige Knollenblätterpilze. A hat die Absicht, B mit diesen Pilzen zu vergiften. Er hat aber nicht erkannt, dass der Fisch verdorben und damit gleichfalls giftig ist.“94

Stirbt B, etwa weil er keine Pilze mag, an dem Verzehr des Fischs, dann scheidet eine Vollendungsstrafbarkeit nicht schon deshalb aus, weil es an einem kongruenten Risiko95 fehlt – A hat durch das Servieren der giftigen Pilze vorsätzlich das objektive Risiko des Erfolgseintritts geschaffen96 –, sondern weil A anders als beim Brückenpfeiler-Fall die ontologische Basis des verwirklichten Risikos – Servieren von verdorbenem Fisch – nicht gekannt und der realisierte Kausalverlauf deshalb auf Grundlage des vom Täter erkannten Sachverhalts nicht erklärbar ist.

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen Die Diskussion um die Strafmaßbestimmung beim Versuch ist traditionell verwoben mit der Diskussion um die dogmatische Stellung des tatbestandsmäßigen Erfolgs sowie um die Strukturen des strafrechtlichen Handlungs- und Unrechtsbegriffs. Die überwiegende Lehre betrachtet die Handlungsfolgen nicht als Voraussetzung der Verhaltensnormverletzung. Daraus ergeben sich prinzipiell zwei Möglichkeiten einer dogmatischen Einordnung des Erfolgs.

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So i. E. auch Frisch, der allerdings verfehlt davon ausgeht, dieses Ergebnis folge aus der normativen Erwägung, derjenige, der mehrerer Risiken geschaffen und nur eines erkannt hat, dürfe, wenn sich das unerkannte Risiko verwirklicht hat, nicht besser stehen als derjenige, der von vorne herein nur ein Risiko geschaffen und erkannt hat (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 610 f.). Dieses Argument müsste in letzter Konsequenz in allen Fällen des Zusammentreffens eines erkannten, aber nicht verwirklichten und eines unerkannten, aber erkennbaren verwirklichten Risikos zur Vollendungsstrafbarkeit führen, weil auch hier mehrere Risiken bestehen. Damit wäre das Kongruenzerfordernis aber obsolet; vgl. AK/Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 60. 94 Frister, Strafrecht AT, 11/47. 95 Ausführlich zu diesem Erfordernis: 2. Teil A. II. 2. b). 96 Ebenso wenig scheitert die Vollendungsstrafbarkeit an der objektiven Erfolgszurechnung. Da A nämlich mit dem Servieren der Pilze das objektive Risiko des Erfolgseintritts schafft, ist der Erfolg des Todes des B durch die Pilzvergiftung das Ergebnis dieser Handlung des A.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Die Vertreter des subjektiv-monistischen Unrechtsbegriffs lehnen die Unrechtsrelevanz der äußeren Handlungsfolgen unter Verweis auf deren Irrelevanz für die Verwirklichung der Verhaltensnormmaterie ab und fassen den Erfolg als objektive Strafbedingung auf.97 Diese Auffassung beruht auf der Prämisse, dass der Gegenstand des juristischen Werturteils mit der Verhaltensnormmaterie identisch sei.98 Als taugliche Gebots- und Verbotsmaterie seien aber ausschließlich menschliche Handlungen denkbar, weil die Stellung als durch die Norm verpflichtetes Subjekt logisch die generelle Fähigkeit der intellektuellen Verarbeitung des Normbefehls und die Fähigkeit zur freien Entscheidung für oder gegen dessen Befolgung voraussetze. So sei „ein Verbot an den Schnee, sich zur Lawine zu ballen“ wegen des Mangels der Fähigkeit des Schnees, sich zu einem abweichenden „Verhalten“ zu motivieren, „sinn- und zwecklos“.99 Die Fähigkeit zur Befolgung des Normbefehls konstituiere jedoch nicht nur die Eigenschaft des Menschen als Normadressat und damit als Pflichtenträger, sondern lege darüber hinaus auch die Reichweite der Verpflichtungswirkung fest. Weil Normen ihren Zweck, nämlich die Erhaltung bzw. die Schaffung positiv bewerteter äußerlicher Zustände (Rechtsgüter),100 einzig über die Einwirkung auf die menschliche Motivation erreichen könnten, könne ihre Verpflichtungswirkung nicht über dasjenige, was der Steuerung der menschlichen Motivation unterliegt, hinausgehen.101 Der Steuerung durch die Motivation unterlägen zwar (grundsätzlich) menschliche Körperbewegungen, nicht aber die von diesen Körperbewegungen ausgelösten Veränderungen der Außenwelt. Weder die Kausalverläufe noch ihre Realisierung in bestimmten äußeren Erfolgen, deren Verhinderung die Normbefehle durch Einwirkung auf die Motivation bezwecken, seien deshalb Gegenstände der Normmaterie und schieden daher als taugliches Bewertungssubstrat aus.102 Nur die Motivation zu einem normwidrigen Verhalten könne deshalb die Gebots- und Verbotsmaterie und damit das Substrat des Werturteils darstellen. Daraus folge, dass finale Akte dem Strafrecht logisch als Bewertungsgegenstände vorgegeben seien.103

97 Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 204 ff.; Horn, Gefährdungsdelikte, S. 97; Dornseifer, in: GS Kaufmann, S. 427 (435); Sancinetti, Unrechtsbegründung; MK/Freund, Vorbem. § 13 Rn. 330; ders./Rostalski, Strafrecht AT, 2/65 ff. 98 Grundlegend Armin Kaufmann, Normentheorie, S.75, 102; ebenso Zielinski, Handlungsu. Erfolgsunwert, S. 136. 99 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 105; zum historischen Verkommen der normlogisch begründeten Emittierung des Erfolgs aus dem Unrechtsbegriff: 1. Teil B. II. 2. 100 Jeder Verhaltensnorm gingen logisch zwei Werturteile voraus, nämlich erstens ein positives Werturteil über einen bestimmten Zustand (z. B. Leben, Leib, Freiheit, Eigentum) und ein negatives Werturteil über Störungen dieses Zustands (Eintritt des Todes etc.), Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 12, 69; Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 123 ff. 101 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 106 f. 102 Armin Kaufmann, in: FS Welzel, S. 393 (403). 103 Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 143.

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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Der überwiegende Teil der Literatur steht dagegen auf dem Standpunkt, die durch den Verhaltensnormbruch bewirkten äußeren Handlungsfolgen erhöhten das verwirklichte Unrecht. Die Berücksichtigung der Handlungsfolgen erfolge jedoch nicht auf der primären Ebene des Verhaltensnormbruchs, sondern auf einer sekundären, der Feststellung des Verhaltensnormbruchs nachgelagerten Bewertungsebene. Zentraler Bezugspunkt dieser Bewertungsnorm bleibe zwar die die Verhaltensnorm desavouierende Handlung, jedoch berücksichtige die Bewertungsnorm neben dieser auch die ihr zurechenbaren Handlungsfolgen.104 Die damit einhergehende Ablehnung der Ausscheidung der Handlungsfolgen aus dem Unrechtsbegriff wird vor allem straffunktional begründet. Die das Strafrecht kennzeichnende Sanktionsperspektive bleibe bei einem sich in „normlogischen Ableitungszusammenhängen“105 erschöpfenden Unrechtsbegriff außer Betracht, weil die Verhaltensnormen allein auf die Verhaltenssteuerung vor dem Rechtsbruch abzielten, aber nicht zu erklären vermögen, aus welchem Grund ein solcher Verstoß überhaupt zu sanktionieren sei. Da es sich bei der Diskussion um die Unrechtsrelevanz der Handlungsfolgen um eine begriffliche Frage handelt,106 unterbleibt im Rahmen dieser Arbeit insoweit eine Stellungnahme.107 Die Bestrafung als Reaktion auf einen Normverstoß wird heute zu Recht nicht mehr als an sich gerecht angesehen, sondern – ebenso wie andere Grundrechtseingriffe – nur dann für materiell gerechtfertigt gehalten, wenn sie einen legitimen Zweck in geeigneter, erforderlicher und angemessener Weise fördert.108 Dementsprechend kann die Frage, ob das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen strafmildernd zu berücksichtigen ist, nicht nach abstrakten Erwägungen über die Verhaltensnormmaterie, sondern allein nach funktionalen Gesichtspunkten beantwortet werden. Die überwiegend begriffliche Bedeutung der Diskussion um die Unrechtsrelevanz der Handlungsfolgen zeigt sich auch daran, dass einige Vertreter des subjektivmonistischen Unrechtsbegriffs dem Erfolg aus funktionalen Erwägungen außerhalb des Unrechts Einfluss auf die Strafhöhe zubilligen. So erklärt Zielinski als konse104 Stratenwerth, ZStR 79 (1963), 233 (248 ff.); Wolter, Zurechnung, S. 27, 48 f., 132; Krümpelmann, Bagatelldelikte, S. 95 ff.; Paeffgen, Verrat, S. 120 ff.; Hörnle, Strafzumessung, S. 204 f.; LK/Walter, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 17 f.; Schönke/Schröder/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 59; MK/Schlehofer, Vor. § 32 Rn. 12 ff.; NK/Streng, § 46 Rn. 57; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 10/93. 105 Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (185). 106 Dies vertreten MK/Freund, Vorbem. § 13 Rn. 325 ff.; ders./Rostalski, Strafrecht AT, 2/ 66; Degener, ZStW 103 (1991), 357 (375). 107 Vgl. zu dieser Diskussion Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 128 ff.; Mylonopoulos, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 67 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 6/69 ff.; ders., in: FS Samson, S. 43 ff.; Krauß, ZStW 76 (1964), 19 ff.; Stratenwerth, ZStrR 79 (1963), 233 ff.; ders., in: FS Schaffstein, S. 177 ff.; Hirsch, ZStW 94 (1981), 239 ff.; ders., in: GS Meurer, S. 3 ff.; Lüderssen, in: FS Bockelmann, S. 181 ff.; ders., in: FS Herzberg, S. 109 ff.; Schöneborn, GA 1981, 70 ff.; Dencker, in: GS Kaufmann, S. 441 ff.; Degener, ZStW 103 (1991), 357 ff. 108 Frister, Schuldprinzip, S. 14 f.; Freund, Erfolgsdelikt, S. 101 f.; ders./Rostalski, Strafrecht AT, 1/1 ff; Deiters, Strafzumessung, S. 33.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

quenter Verfechter der Unrechtsirrelevanz der Handlungsfolgen in einem Beitrag jüngeren Datums, es sei „nicht von vorneherein illegitim, diese im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen“.109 Auch Freund und Rostalski, die den subjektiv-monistischen Unrechtsbegriff aus begrifflichen Gründen für vorzugswürdig halten,110 fassen den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, für den Bereich der Erfolgsdelikte (sogar) als zwingenden Grund für die Anwendung des milderen Strafrahmens nach § 23 II StGB auf.111 So könne „der unterschiedliche Niederschlag des Normverstoßes in der Außenwelt nicht unberücksichtigt bleiben“.112 Lüderssen erklärt mit Blick auf die Erfolgsrelevanz, „nicht Streichung, sondern Exmittierung aus dem Unrechtsbegriff [sei] die Parole der konsequenten Finalisten.“113 Und Degener resümiert mit Blick auf den Streit über die Stellung des Erfolgs innerhalb oder außerhalb des Unrechts, dieser erweise sich „als eine nicht überflüssige, aber unergiebige Systemdiskussion“, weil es letztlich nur um die Frage gehe, ob sich die Erfolgsfunktionen „bereits in der Unrechtsstruktur (Unrechtsbegründung/Unrechtssteigerung) niederschlagen […] oder jenseits von Unrecht und Schuld in der Gestalt anderer Strafbarkeitsvoraussetzungen (objektive Bedingung der Strafbarkeit) Haftung und Haftungsumfang beeinflussen“.114 Mit Frisch gilt es deshalb im Folgenden u. a. die Frage zu beantworten, „inwiefern der eingetretene Erfolg bzw. bestimmte Folgen des Verhaltens das Bedürfnis nach Einsatz einer Strafe beeinflussen oder den Einsatz einer Strafe nahelegen, deren Ziel es ist, die sozialpsychologischen Folgen der Tat zu beheben, den Geltungsanspruch der Norm zu bekräftigen und so Rechtsgüter für die Zukunft möglichst effektiv vor bestimmten Straftaten zu schützen“.115 Ebenso wenig wie die Irrelevanz der Handlungsfolgen im Strafrecht durch den bloßen Verweis auf die Verhaltenssteuerungsfunktion der Verhaltensnormen begründet werden kann, ist für die Begründung der Erfolgsrelevanz der bloße Verweis auf die Erfolgsrelevanz im Zivilrecht hinreichend. Soweit behauptet wird, der strafrechtliche Unrechtsbegriff unterliege „den Wertaspekten der gesamten Rechtsordnung“ und müsse daher die für die zivilrechtliche Bewertung maßgeblichen Rechtsgutsverletzungserfolge berücksichtigen („Einheit der Rechtswidrigkeit“),116 wird verkannt, dass sich die Wertaspekte einzelner Rechtsgebiete inhaltlich nicht unabhängig von ihren Funktionen bestimmen lassen. Die Struktur rechtlicher Werturteile ist nämlich nicht rechtsgebietsübergreifend einheitlich, sondern funktional, d. h. relativ zu dem durch das jeweilige Rechtsinstitut verfolgten Zweck, zu 109 110 111 112 113 114 115 116

Zielinski, in: FS Schreiber, S. 533 (544). Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 2/66; MK/Freund, Vorbem. § 13 Rn. 327. Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 8/6. Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 2/69; MK/Freund, Vorbem. § 13 Rn. 330. Lüderssen, in: FS Bockelmann, S. 181 (186). Degener, ZStW 103 (1991), 357 (375). Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 516. So Krümpelmann, Bagatelldelikte, S. 87.

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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bestimmen. Umständen wie der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung kann somit allenfalls vermittelt durch den Strafzweck Unrechtsrelevanz zukommen, also durch ihre Eigenschaften als deliktischen Sinn produzierende Daten.117 Konkret geht es um die Klärung der Frage, ob und inwieweit sich aus den materiellen Funktionen118 der Sanktionsnormen Gründe für eine Strafmilderung wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen ergeben. Als Funktionen der Sanktionsnormen kommen in Betracht: - Bestätigung der Fortgeltung der durch die Tat beeinträchtigten Verhaltensnorm (unter I.) - Wahrnehmung von Opferinteressen (unter II.) - Verhaltenssteuerung durch Ausübung von psychologischem Zwang (unter III.)

I. Das geringere positiv-generalpräventive Interesse an der Versuchsbestrafung 1. Vorüberlegungen a) Der „rechtserschütternde Eindruck“ als Grund für die Bestrafung des Versuchs und der Vollendung Die zur Begründung der Versuchsstrafbarkeit heute vorherrschende Eindruckstheorie119 beschreibt nicht allein den Grund für die Bestrafung des Versuchs, sondern den Grund für jegliche Bestrafung.120 In der Sache handelt es sich beim rechtserschütternden Eindruck nämlich nur um einen besonderen Begriff zur Umschreibung des aus der Straftat allgemein folgenden Bedürfnisses nach Stabilisierung des gesellschaftlichen Wertbewusstseins. Da sich Menschen bei der Bildung ihrer moralischen Überzeugungen unbewusst am Verhalten anderer Menschen orientieren, sich das Wertbewusstsein also als das Ergebnis eines impliziten gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses darstellt, droht im Falle der reaktionslosen Hinnahme von Normverletzungen der Verfall der Norm als die gesellschaftliche Interaktion 117 Jakobs, in: FS Samson, S. 43 (50); vgl. auch Timpe, Strafmilderungen, S. 99 f.; NK/ Frister, § 53 Rn. 5; ähnlich auch Feinberg, der eine häufig anzutreffende „Confusion of Crimes and Torts“ konstatiert (in: Problems, S. 82 ff.). 118 Die von der materiellen Funktion zu unterscheidende formelle Funktion der Sanktionsnormen besteht in der Ermächtigung der Strafgewalt durch ein Parlamentsgesetz. Sie dient also der Verwirklichung der rechtstaatlichen Maxime nulla poena sine lege (Art. 103 II GG). 119 Schönke/Schröder/Eser/Bosch, Vorbem. §§ 22 ff. Rn. 17, 22; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 515; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 8/10; Frister, Strafrecht AT, 23/4; Bloy, ZStW 113 (2001), 76 (97 f.); Radtke, JuS 1996, 878 (880). 120 So explizit auch Frister, Strafrecht AT, 23/4; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 8/11; ebenso ungeachtet seiner kritischen Haltung gegenüber der Terminologie der Eindruckstheorie Jakobs, Strafrecht AT, 25/21 ff.; ders., System, S. 70 ff.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

prägendes Verhaltensmuster.121 Strafrechtlich relevant ist normwidriges Verhalten also, weil sich in ihm eine Alternative zum normgemäßen Verhalten offenbart und es deshalb die allgemeine Normakzeptanz gefährdet. Dass die spezifisch strafrechtliche Relevanz normwidrigen Verhaltens nicht auf Ebene der äußeren Beziehung zwischen menschlichem Verhalten und der Rechtsgüterwelt liegen kann, folgt schon daraus, dass die Bestrafung zwar an einen in der Vergangenheit liegenden Rechtsgutsangriff anknüpft, aber nicht die Wiederherstellung der beeinträchtigten Güter bewirkt. Sie kann am Ziel des Rechtsgüterschutzes122 allenfalls mittelbar partizipieren, indem sie die Fortgeltung der durch die Tat desavouierten Verhaltensnorm symbolisch untermauert und so die gesellschaftliche Normakzeptanz stabilisiert.123 Die strafrechtliches Unrecht konstituierenden Tatelemente, die die Strafe als spezifisch symbolische Reaktion erforderlich machen, ergeben sich deshalb aus ihrem kommunikativen Gewicht im Kontext des rechtsethischen Diskurses der Gesellschaft.124

121

Frister, Strafrecht AT, 2/23. Nach Jakobs besteht der Zweck der Strafe dagegen nicht im (mittelbaren) Rechtsgüterschutz, sondern in der Erhaltung der Bedingungen gesellschaftlicher Interaktion. Deren Bestand hinge davon ab, dass bei der Eingehung von Kontakten auf die Einhaltung bestimmter Verhaltensstandards vertraut werden kann, also „nicht jederzeit mit jedem beliebigem Verhalten anderer Menschen gerechnet werden muß“ (Strafrecht AT, 1/4). Dieses Normvertrauen werde durch das Erleben normwidrigen Verhaltens enttäuscht, sodass jeder Einzelne als Reaktion auf die Straftat seine normativen Erwartungen auf ihre Richtigkeit überprüfe und ggf. aufgebe. Zweck der Strafe sei, als Reaktion auf die Vertrauensenttäuschung die Richtigkeit der normativen Erwartung zu symbolisieren und dadurch die Allgemeinheit zu einem Festhalten an der Erwartung zu bewegen, mithin also „die Erhaltung der Norm als Orientierungsmuster für sozialen Kontakt“ (Jakobs, Strafrecht AT, 1/11, Hervorh. im Orig.). Doch selbst wenn man wie Jakobs als „Endzweck“ des Strafrechts anstelle des Rechtsgüterschutzes die Erhaltung der Bedingungen gesellschaftlicher Interaktion begreift, folgt daraus keine grundlegende Änderung der Bildung des strafrechtlichen Zurechnungsbegriffs. Zum einen wird nämlich ein Verhalten nur dann als Beeinträchtigung des Normvertrauens erlebt, wenn sich in ihm die Aussage, die Norm gelte nicht allgemeinverbindlich, impliziert findet. Auch eine Vertrauensenttäuschung wird deshalb nur durch kommunikativ relevantes Geschehen ausgelöst. Zum anderen sind die Normakzeptanz und das Normvertrauen – also die verhaltens- und erwartungssteuernde Wirkung von Normen – stark aufeinander bezogen und bedingen sich sogar wechselseitig. Da Menschen sich bei der Bildung ihrer moralischen Überzeugungen nämlich an den im Verhalten anderer Menschen zum Ausdruck kommenden Überzeugungen orientieren, setzt die Akzeptanz einer Norm als verbindliches Verhaltensmuster die (jedenfalls unbewusste) Überzeugung voraus, dass die Norm auch für andere ein als verbindlich akzeptiertes Verhaltensmuster darstellt. Und umgekehrt wird die das Normvertrauen konstituierende Überzeugung der verhaltenssteuernden Wirkung von Normen mit Blick auf das Verhalten anderer auch dadurch begründet, dass der Einzelne die Norm selbst als verhaltenssteuernd empfindet und deshalb von sich auf die anderen schließen kann (ähnlich bereits Deiters, Strafzumessung, S. 41 f.). 123 Anders etwa Wolter, Zurechnung, S. 24, Hervorh. im Orig.: „Sinn und Zweck der Strafe ist es vielmehr, auf tatsächlich und zurechenbar gefährliche Verhaltensweisen, Gefährdungen und Verletzungen hin einzuschreiten und auf diese Weise unmittelbaren Rechtsgüterschutz zu betreiben.“; wie hier Jakobs, Staatliche Strafe, S. 31; Lesch, Beihilfe, S. 259; ders., Verbrechensbegriff, S. 191. 124 Müssig, in: FS Rudolphi, S. 165 (172 ff.). 122

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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Den Grund für die Versuchs- bzw. für die Vollendungsstrafbarkeit in der Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung zu sehen, wird dem auf der symbolischen Ebene operierenden Strafrecht in keiner Weise gerecht. So kann eine auf den naturalistischen Gefährdungsunwert des Versuchs abstellende Lehre weder die in § 22 StGB zum Ausdruck kommende Entscheidung des Gesetzgebers für die subjektive Versuchslehre,125 noch das in § 23 III StGB erfolgende Abstellen auf den extrem normativen Begriff des groben Unverstands erklären.126 Wenn den folgenden Ausführungen auch eine dezidiert positiv-generalpräventive Sichtweise auf das Strafrecht zugrunde liegt, lassen sie sich zwanglos auf all diejenigen Ansätze zur Bestimmung strafrechtlich relevanten Verhaltens übertragen, die die Straftat nicht als Angriff auf ein Rechtsgut, sondern als einen kommunikativ relevanten Vorgang begreifen.127 125 Dies behaupten aber Herzberg und Hoffmann-Holland, indem sie die Strafwürdigkeit des untauglichen Versuchs mit einer Parallele zur polizeilichen Eingriffsbefugnis zu Lasten des einen untauglichen Versuch begehenden Täters erklären. Beide Formen der Freiheitsverkürzung des Täters seien im Interesse eines möglichst effektiven Rechtsgüterschutzes legitimiert, indem sie schon die Möglichkeit der objektiven Verletzung eines Rechtsguts bekämpften (Herzberg, GA 2001, 257 (265 f.); MK/Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 13). Diese Parallele scheitert jedoch schon daran, dass eine polizeirechtliche Eingriffsbefugnis zwecks Gefahrabwehr gerade dort fehlt, wo der handelnde Polizist weiß, dass keine objektive Gefahr von dem deliktischen Verhalten ausgeht. So darf kein Polizist präventiv in die Rechtsgüter eines anderen eingreifen, wenn er weiß, dass dessen Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen kann (vgl. § 23 III StGB). Die polizeirechtliche Eingriffsbefugnis setzt also anders als die strafrechtliche Eingriffsbefugnis voraus, dass der Eingreifende den Versuch für (zumindest möglicherweise) tauglich hält. 126 Zur Deutung von § 23 III StGB: 2. Teil B. I. 3., 3. Teil B. II. 2., III. 2. b) aa). 127 Nach einer jüngeren Arbeit von Wachter zur Begründung des Versuchsunrechts stelle sich spezifisch strafrechtliches Unrecht als Verweigerung der Leistung des Beitrags zu einem „für jeden Einzelnen vorteilhafte(n) Klima der Freiheitlichkeit“ dar (Unrecht, S. 115). Unabhängig von der Problematik der Bestimmung des zugrunde gelegten Freiheitsbegriffs (vgl. Unrecht, S. 100 ff.) ergeben sich jedoch, wiewohl Wachter der auch hier vertretenen Begründung der Versuchsstrafbarkeit eigentlich kritisch gegenübersteht (vgl. Unrecht, 56 ff.), keine prinzipiellen Abweichungen, weil er sowohl die kommunikations- als auch die gesellschaftsbezogene Dimension strafrechtlichen Unrechts anerkennt (Unrecht, S. 116): „Was im Zentrum der Betrachtung steht, ist die materialisierte Einstellung des potentiellen Täters: Nur dann wenn sich aus seinem Verhalten eine Absage an die Anforderungen des Rechts ablesen lässt, ist ein strafrechtlicher Vorwurf legitim. Entscheidend kommt es daher auf die an den Tag gelegte und aus der Perspektive der Allgemeinheit zu deutende Einstellung des jeweiligen Bürgers an […].“ Weil sich auch an untauglichen Versuchshandlungen „eine Absage an die Anforderungen des Rechts ablesen [lasse]“, kann Wachter auf Grundlage seines Unrechtskonzepts auch die gesetzliche Anerkennung der subjektiven Versuchstheorie erklären (Unrecht, S. 183 ff.). Diese – auch von Wachter selbst erkannte (vgl. Unrecht, S. 117) – Parallele zum aus der positiven Generalprävention gewonnenen Unrechtsbegriff lässt sich darauf zurückführen, dass auch Wachter letztlich einen institutionenbezogenen Ansatz vertritt, wobei er allein diejenige Bestrafung für legitim hält, die der Erhaltung der eine freiheitliche Gesellschaft konstituierenden Institutionen dient. Diese Beschränkung mag in der Sache durchaus berechtigt sein. Sie ergibt sich jedoch auch für den hier vertretenen Ansatz von Verfassung wegen, weil die Inanspruchnahme der Rechtsgüter des Täters durch die Strafgewalt zwecks Stabilisierung der

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Normgeltung wegen der einzuhaltenden Schranken des grundrechtlich vorgegebenen Verhältnismäßigkeitsprinzips nur dann zu legitimieren ist, wenn die Erhaltung der Norm ihrerseits ein im Rahmen der freiheitlichen Grundordnung des Grundgesetzes berechtigtes Anliegen darstellt. Andererseits ist der Schutz freiheitlicher Institutionen durch das Strafrecht in vielen Fällen schon durch das Bestehen grundrechtlich fundierter, d. h. um der Erhaltung der Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen bestehender Schutzpflichten willen, vorgegeben (vgl. Frister, Schuldprinzip, S. 41; Freund, Erfolgsdelikt, S. 78 ff.; MK/ders., Vor. § 13 Rn. 153 ff.). Keinen prinzipiellen Unterschied weist der positiv-generalpräventive Unrechtsbegriff auch zur in der Literatur anzutreffenden Lehre vom Unrecht als Verletzung eines intersubjektiven Anerkennungsverhältnisses (Wolff, ZStW 97 (1985), 786 (811 ff.); M. Köhler, Begriff, S. 47 ff.; ders., in: FS Lackner, S. 11 (17 ff.); Murmann, Selbstverantwortung, S. 196 ff.; ders., Versuchsunrecht, S. 3 ff.; Zaczyk, Unrecht, S. 126 ff.; NK/ders., § 23 Rn. 12 ff.) auf, wenn man das intersubjektive Anerkennungsverhältnis und dessen Verletzung gleichermaßen als durch Formen kommunikativ relevanten Geschehens konstituiert begreift (vgl. Mesch, DZPhil 53 (2005), 349 (351)). Dass dies anzunehmen ist, ergibt sich bei Zaczyk, wenn er schreibt, dass „die eigentliche Qualität der Unrechtshandlung […] nicht ihre (kausale) Geeignetheit zur Verletzung, sondern der in ihr liegende Bruch des Anerkennungsverhältnisses“ sei (Unrecht, S. 250). Die auf die Philosophie Kants und Fichtes (vgl. Zaczyk, Unrecht, S. 130 ff., 154 ff.) zurückgehende Anerkennungslehre beruht auf dem Gedanken, dass verschiedene gesellschaftlich interagierende Subjekte sich als gegenseitige Konstituenten ihrer Freiheit (konkretisiert durch Rechtsgüter als „Daseinselemente der Freiheit“ (Zaczyk, Unrecht, S. 165)) gegenüberstünden und sich deshalb in einer „Vertrauensbeziehung“ bzw. in einem „Friedensverhältnis“ befänden (Wolff, ZStW 97 (1985), 786 (827)). Materielles Unrecht bilde jede Negation dieser Rechtsbeziehung durch Nichterbringung der vom jeweiligen Konstituenten geschuldeten Anerkennungsleistung. Da jedoch abstrakte Verhaltensnormen in konkreten, d. h. intersubjektiven Rechtsbeziehungen die Grundlage für die dieses Verhältnis ausfüllenden Rechte und Pflichten bilden, geht mit der Verletzung der konkreten, einem anderen Subjekt gegenüber bestehenden Pflicht zugleich die Verletzung der diese Pflicht fundierenden Norm einher. Die Negation der Freiheit eines anderen Subjekts stellt sich also ebenso als Nichtanerkennung der die Freiheit des Subjekts schützenden Verhaltensnorm dar. Jede Anerkennungsverletzung impliziert somit einen Verhaltensnormbruch. Dies bedeutet allerdings nicht, dass umgekehrt jeder Verhaltensnormbruch notwendig Unrecht i. S. der Anerkennungslehre darstellt. Den entscheidenden Unterschied zwischen diesem und dem generalpräventiven Unrechtsverständnis bildet die nach letzterem maßgebliche Perspektive der Gesellschaft auf die Tat, wohingegen im Rahmen der Anerkennungslehre die Perspektive des Opfers als Teil des intersubjektiven Rechtsverhältnisses für maßgeblich gehalten wird (Zaczyk, Unrecht, S. 251). Der Schuss auf eine Leiche etwa in der Vorstellung, es handle sich um einen lebendigen Menschen, könne nach dieser Lehre allein schon deshalb nicht als Unrecht bewertet werden, weil das Anerkennungsverhältnis mit dem Tod des Menschen erloschen sei (Zaczyk, Unrecht, S. 253 ff.). Deshalb wirft Jakobs der Anerkennungslehre zu Recht eine „radikal nichtgesellschaftliche Argumentation“ vor (System, S. 71 f.; ebenso Timpe, ZStW 125 (2014), 755 (761 ff.)). Nach der hier vertretenen Auffassung wird dieser kommunikative Akt dagegen nicht (allein) als intersubjektiv relevantes Geschehen, sondern als dezidiert vom gesellschaftlichen Standpunkt aus zu interpretierender Vorgang aufgefasst, sodass das objektive Bestehen des intersubjektiven Anerkennungsverhältnisses keine notwendige Voraussetzung für die Annahme strafrechtlich relevanten Unrechts bildet. Auch im Gesetz findet sich im Übrigen – etwa in Gestalt einer Beschränkung der Strafbarkeit des Versuchs am untauglichen Objekt – kein Anhaltspunkt dafür, dass das Bestehen des Anerkennungsverhältnisses Voraussetzung der (Versuchs-)Strafbarkeit ist (MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 19; Grupp, Verhältnis, S. 100; dies konzediert auch Zaczyk (NK, § 22 Rn. 12)). Insoweit lässt sich Versuchsunrecht jedenfalls nicht allein als Anerkennungsverletzung rekonstruieren.

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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b) Die Bestimmung der Strafhöhe nach den vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen als adäquates Mittel zur Erhaltung des allgemeinen Wertbewusstseins Das Strafrecht befriedigt das aus der Tat folgende Bedürfnis nach Demonstration der Normgeltung, indem das Verhalten des Täters im Strafverfahren als falsch thematisiert, durch die Strafe mit einem sozialethischen Tadel belegt und dadurch der Wert der desavouierten Norm symbolisch zum Ausdruck gebracht wird.128 Dass es eines über den bloß verbalisierten Tadel hinausgehenden Strafübels bedarf, lässt sich mit Blick auf das besondere kommunikative Gewicht der Materialisierung von Lob und Tadel im Rahmen alltäglicher Interaktion plausibilisieren: Ebenso wie etwa durch die Hingabe eines Trinkgelds als materieller Vorteil die Zufriedenheit eines Gasts im Rahmen eines Restaurantbesuchs ungleich prägnanter zum Ausdruck gebracht wird als durch die bloße Verbalisierung des Wohlgefallens, hat die Auferlegung eines materiellen Übels in Gestalt eines Eingriffs in die Freiheits- oder Vermögenssphäre des Täters die Missbilligung seines Verhaltens mehr Signifikanz als eine nur verbale Missbilligung.129 Das Strafrecht kann als ein System, das auf eine langfristige Erhaltung der Wertüberzeugung in der Bevölkerung abzielt, nur dann praktische Wirksamkeit entfalten, wenn es dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden bei der Art und Weise, wie es den aus der Tat folgenden sozialen Konflikt bewältigt, Rechnung trägt.130 Da nämlich die Bestrafung in den Augen der Bevölkerung auch heute noch vor allem durch die Notwendigkeit eines gerechten Schuldausgleichs und des damit verbundenen sozialethischen Unwerturteils gegenüber dem Täter legitimiert ist,131 muss es nicht nur auf die Vorstellungen von Gerechtigkeit in der Bevölkerung Rücksicht nehmen, sondern sich diese darüber hinaus zu eigen machen. Gerade der Eindruck in der Bevölkerung, dass durch die Bestrafung die Rechtsgüter des Bestraften nicht um der Verfolgung sozialer Zwecke, sondern um der Gerechtigkeit willen in Anspruch genommen werden, verschafft dem Strafrecht überhaupt erst die zur Stabilisierung 128

Jakobs, Strafrecht AT, 1/9 ff.; ders., Norm, S. 111 ff.; ders., System, S. 13 f.; ders., Beteiligung, S. 12 f.; Hauschild, Generalprävention, S. 136 ff.; Frister, Schuldelement, S. 80; Freund, Erfolgsdelikt, S. 107 f.; ders., GA 1995, 4 (7 f.); ders./Garro Carrera, GA 1999, 77 (80 ff.); Müssig, Rechtsgüterschutz, S. 145; ders., in: FS Rudolphi, S. 165 (169 f.); Bottke, in: 50 Jahre BGH, S. 135 (137 f.); Feijoo Sánchez, in: FS Jakobs, S. 75 (92 ff.); Timpe, ZStW 125 (2014), 755 (763 ff.); Sancinetti, JJZG 2011, 267 (298); eine ähnliche Begründung der Bestrafung findet sich schon bei Hegel (Rechtsphilosophie, S. 192 ff.), wobei dieser im Gegensatz zum hier vertretenen Ansatz ohne die Bezugnahme auf die normgeltungsstabilisierenden Auswirkungen der Bestrafung auskommt. 129 Das Trinkgeldbeispiel stammt von Feijoo Sánchez, in: FS Jakobs, S. 75 (92 f.); ähnlich Jakobs, Norm, S. 113; ders., System, S. 14. 130 Hassemer, Einführung, S. 323 f.; Hart-Hönig, Strafzumessung, S. 100 ff.; Frister, Schuldelement, S. 82 ff.; Deiters, Strafzumessung, S. 43; Bock, ZStW 103 (1991), 636 (649 ff.); Hörnle/v. Hirsch, GA 1995, 261 (268). 131 Frister, Schuldprinzip, S. 22; Feijoo Sánchez, in: FS Jakobs, S. 75 (93); Andrissek, Vergeltung, S. 1 ff.; Kadish, J. Crim. L. & Criminology 84 (1994), 679 (697).

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

der Wertvorstellungen notwendige Autorität. Im Sinne eines richtigen Verständnisses positiver Generalprävention wirkt also nur die gerechte Strafe zweckmäßig.132 Dass eine Strafe der Höhe nach als gerecht empfunden wird, setzt ihre Angemessenheit im Verhältnis zur Schwere der Tat voraus, auf die sie als Reaktion verhängt wird. Die Tatschwere und die Strafhöhe müssen, um in einem als gerecht empfundenen Verhältnis zu stehen, proportional sein.133 Denkbar ist, die Angemessenheit von Straftat und Strafe nach dem Prinzip absoluter (kardinaler) Proportionalität zu bestimmen, sodass Strafe und Straftat schon an sich und unabhängig von der Bestrafung anderer Delikte in einem gerechten Verhältnis stehen müssten. Gegen die absolute Proportionalität von Tatschwere und Strafe als Maßstab für das gerechte Strafmaß spricht jedoch, dass es sich beim Gebot absolut proportionaler Bestrafung um ein überwiegend inhaltsleeres Postulat handelt. Zwar mag ein bestimmtes Strafmaß für bestimmte Straftaten schon an sich als zu hoch oder als zu niedrig empfunden werden, sodass dem Gedanken absoluter Proportionalität zumindest bestimmte Ober- und Untergrenzen für die gerechten Strafmaße zu entnehmen sind.134 Zur Darlegung der Unangemessenheit der lebenslangen Freiheitsstrafe für eine Beleidung (§ 185 StGB) etwa bedarf es keines Rekurses auf andere Strafbestimmungen. Vielmehr ergibt sich die Unangemessenheit der lebenslangen Freiheitsstrafe schon aus dem an sich zu geringen Unwert der Beleidigung. Umgekehrt würde eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für einen Totschlag schon an sich als zu geringfügig und damit als unangemessen empfunden. Abgesehen von der Bewältigung solcher Extremfälle lässt sich dem Gebot absolut proportionaler Bestrafung jedoch – jedenfalls, wenn man keine Restitution des Talionsprinzips anstrebt – keine genauere Aussage über das gerechte Strafmaß entnehmen, weil es keinen objektiven Maßstab gibt, um die Schwere einer bestimmten Tat in ein bestimmtes, an sich gerechtes Strafmaß zu „übersetzen“.135 Der wesentliche Maßstab zur Bestimmung des gerechten Strafmaßes ist deshalb die relative (ordinale) Proportionalität von Tatschwere und Strafhöhe. Dieses in der fundamentalen Gerechtigkeitsnorm der austeilenden Gerechtigkeit136 wurzelnde Prinzip gebietet allgemein die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dies bedeutet mit Blick auf die Tatschwere, dass Taten gleicher Schwere prinzipiell in gleicher Höhe und Taten 132 Deshalb lässt sich die Frage nach der Berechtigung einer Strafe auch nicht klar von der Frage nach ihrer Zweckmäßigkeit unterscheiden (anders Armin Kaufmann, Aufgabe, S. 11 ff.). 133 So auch Andrissek, Vergeltung, S. 32 m. w. N.: „Zentraler Aspekt der Strafmotivation von Laien ist also diese moralische Proportionalität, die eine Strafe an die moralische Schwere des Delikts knüpft. Im Ergebnis existiert bei den Menschen eine intuitive Hierarchie der relativen Deliktsschwere.“ 134 Duff, Punishment, Communication and Community, S. 133 f.; ders., in: Tatproportionalität, S. 23 ff. (29 f.); Frister, Strafrecht AT, 6/17. 135 Frister, Schuldprinzip, S. 44; Hörnle, Strafzumessung, S. 155; ähnlich zuvor schon Radbruch, in: Gesamtausgabe II, S. 206 ff. (398). 136 Grundlegend zu diesem Begriff Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1131a 10 ff.

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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unterschiedlicher Schwere unterschiedlich hoch zu bestrafen sind, sodass sich die gerechte Höhe einer Strafe nach ihrem Verhältnis zur Höhe anderer Strafen bemisst.137 Im Ergebnis geht es also um die Bildung eines „komparativen Systems“.138 Da das Strafrecht seine Orientierungsfunktion nur erfüllen kann, wenn sich im relativen Verhältnis der verschiedenen Strafen zueinander die Wertvorstellungen der Gesellschaft widerspiegeln, bildet das Gebot relativ proportionaler Bestrafung nicht nur ein strafmaßbegrenzendes, sondern darüber hinaus auch ein strafmaßbestimmendes Prinzip.139 Auch macht das aus dem Prinzip relativer Tatproportionalität folgende Bedürfnis nach sichtbarer Abstufung einzelner Strafen je nach Schwere der Tat die Notwendigkeit der Bestrafung durch Auferlegung eines über die nur verbale Missbilligung hinausgehenden materiellen Übels abermals deutlich. Denn verschiedene Strafen durch Auferlegung von materiellen Übeln lassen sich besser in Relation zueinander setzen als verschiedene Strafen in Gestalt nur verbalisierter Tadel.140 Überhaupt ist zu bezweifeln, dass sich Tadel im Rahmen ausschließlich verbaler Kommunikation adäquat quantifizieren lässt. So kann – um an das obige Beispiel aus dem Bereich alltäglicher Kommunikation anzuknüpfen – anhand der Höhe des Trinkgelds das Maß der Zufriedenheit des Restaurantgasts besser abgelesen als am mehr oder weniger weitgehenden Ausmaß eines nur verbalisierten Lobes. Fraglich ist nun, nach welchen Kriterien die Schwere einer Tat zu beurteilen ist. Unbestritten ist, dass ein maßgebliches Kriterium insoweit die relative Wertigkeit des Rechtsguts ist, gegen das die Tat sich richtet.141 So sind Tötungshandlungen schwerer als Sachbeschädigungshandlungen zu bestrafen, weil dem Recht auf Leben im Verhältnis zum Eigentum die grundlegendere Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben zukommt. Das Kriterium der gesellschaftlichen Bedeutung des Rechtsguts hilft für die vorliegende Fragestellung allerdings nicht weiter, weil sich die Vollendung und der Versuch der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestands immer gegen dasselbe Rechtsgut richten. Im Folgenden geht es allein um die Beantwortung der Frage, welchen Einfluss die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen auf die Tatschwere haben.

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So auch Radbruch, in: Gesamtausgabe II, S. 206 ff. (398): „Gerechte Strafe bedeutet für sie [für die austeilende Gerechtigkeit (Anm. d. Verf.)] nicht dem Verbrechen entsprechende Strafe, sondern Bestrafung des einen im Verhältnis zum andern Verbrecher nach dem Verhältnisse ihrer beiderseitigen Schuld.“; v. Hirsch, in: Tatproportionalität, S. 47 ff. (62 f.). 138 Hörnle, Strafzumessung, S. 155. 139 V. Hirsch, in: Tatproportionalität, S. 47 ff. (62 f.). 140 Hörnle, Strafzumessung, S. 134. 141 Duff, Punishment, Communication and Community, S. 135 f.; Jakobs, Staatliche Strafe, S. 32; Sancinetti, JJZG 2011, 267 (281); Frister, Strafrecht AT, 2/23; ders., in: FS Wessing, S. 1 (7).

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

c) Ablehnung einer „sozialtechnologischen“ Bezugnahme auf die typischerweise eintretenden realen Effekte der Tat als Kriterien für die Bestimmung der Tatschwere und als Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe Teilweise wird die mildere Versuchsbestrafung mit der geringeren Breitenwirkung des Versuchs begründet.142 Denn das Fehlverhalten als solches erweist sich regelmäßig als eine bloß flüchtige Erscheinung, die leichter übergangen werden kann als ein Verhalten, welches sich äußerlich in einem dauerhaften Zustand manifestiert.143 Die durch die Willensobjektivierung erhöhte Plastizität und Publizität des Normwiderspruchs perpetuiere dessen Erfahrbarkeit über sein eigentliches Ereignis hinaus, was eine nachdrücklichere Bestätigung der Normgeltung erforderlich mache.144 Richtig ist zwar, dass in einem positiv-generalpräventiven Strafrecht die Inanspruchnahme des Täters allein zwecks Erhaltung des Wertbewusstseins der Allgemeinheit zu legitimieren ist. Die spezielle Wirktechnik, derer sich das Strafrecht bedient, besteht aber gerade nicht in der Restitution eines im Einzelfall, etwa nach Maßgabe der Breitenwirkung der Tat empirisch nachweisbaren Normgeltungsschadens, sondern in der Erhaltung des Bewusstseins in der Bevölkerung, „dass es gerecht zugeht“, indem dem Täter ein Übel auferlegt wird, das dem Unrecht seiner Tat entspricht. Knüpfte man bei der Bestimmung der Strafhöhe dagegen an das im Einzelfall real von der Tat ausgehende Maß an Beeinträchtigung der Normbefolgungsbereitschaft in der Bevölkerung an, zeitigte dies absolut inakzeptable Konsequenzen, wie die Überlegung zeigt, dass dann nicht die Wertigkeit, sondern das Maß der Internalisierung der beeinträchtigten Norm das entscheidende Strafmaßkriterium sein müsste. So müssten etwa Tötungshandlungen gerade deshalb relativ milde bestraft werden, weil es sich bei der Anerkennung des Tötungsverbots um eine im Vergleich zu anderen Verhaltensnormen im allgemeinen Wertbewusstsein relativ stark verfestigte moralische Überzeugung handelt.145 Derartige Konsequenzen zeitigende, den Gerechtigkeitsvorstellungen evident widersprechende präventive Erwägungen dürfen aber bei der Strafmaßbestimmung nicht einfließen, weil sonst der (seinerseits rechtserschütternde) Eindruck entstünde, der Täter werde nicht wegen des von ihm begangenen Unrechts, sondern aus 142 Diesen Ansatz vertritt explizit Brand-Ballard, Rutgers Law Journal 2011, 315 (331 ff.): „Suppose it comes to light that someone has committed a crime. The publicity increases the probability of secondary harm. This is so because human beings are extraordinarily imitative creatures. Wrongdoing, if publicized, encourages wrongdoing. How much it encourages depends on several variables. One variable is the number of potential offenders who learn that the wrongful act has occurred. […] Inchoate offenses attract less attention than the corresponding completed crimes.“ 143 Deiters, Strafzumessung, S. 54; Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 213 ff. 144 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 516. 145 So auch Freund, Erfolgsdelikt, S. 94 f.

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Zweckmäßigkeitserwägungen bestraft und dadurch „unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt“.146 Eine Strafmaßbestimmung, „die Verantwortlichkeit offen nach den Imperativen des sozialtechnischen präventiven Kalküls zu- oder abspricht, verfehlt [deshalb] selbst ihre sozialtechnische Funktion“.147 Insoweit ließe sich eine Strafmilderung mit Blick auf die geringere Breitenwirkung des Versuchs allenfalls damit begründen, dass dem Maß der Aufmerksamkeit Einfluss auf das Ausmaß des in der Strafe zum Ausdruck kommenden Tadels zukommen soll. Aufmerksamkeit bildet nach der in der gegenwärtigen Gesellschaft vorherrschenden Wertanschauung jedoch keinen Grund, einen sozialethischen Tadel zu begründen oder zu erhöhen. So entspricht es durchaus dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden, auch und gerade bisher geheim gebliebene Straftaten zu verfolgen und abzuurteilen.148 Dagegen läge in der Konsequenz der Berufung auf die durch die Tat erregte Aufmerksamkeit als einen die Strafmaßbestimmung beeinflussenden Faktor, bisher unbemerkt gebliebene Straftaten gar nicht erst zu verfolgen, um – getreu der Maxime „Prävention vor Repression“ – überhaupt keinen rechtserschütternden Eindruck im Bewusstsein der Allgemeinheit entstehen zu lassen. Überhaupt hängt der Grad der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit im We146

Kant, Metaphysik der Sitten, S. 192; ebenso auch Andrissek, Vergeltung, S. 203 f.: „Aspekte der positiven Generalprävention sind schon durch die Orientierung an Gerechtigkeitsintuitionen umgesetzt und können daher nicht doppelt berücksichtigt werden.“; gegen eine „instrumental generalpräventive Orientierung“ auch M. Köhler, Zusammenhang, S. 49 ff. und Bock, ZStW 103 (1991), 636 (651); ähnlich Hassemer, Einführung, S. 323 ff.; Dornseifer, in: GS Kaufmann, S. 427 (438). 147 Neumann, ZStW 99 (1987), 567 (593); ebenso Freund, Erfolgsdelikt, S. 95: „Da nun aber das Strafrecht ein verhaltensnormstabilisierende Funktion schon im gedanklichen Ansatz überhaupt nicht durch einzelne Verurteilungen, sondern nur durch eine überzeugende, in der Rechtsgemeinschaft akzeptable Gesamtstrategie erfüllen kann, als deren sinnvoller Baustein sich jede Verurteilung erweisen muß, wäre eine Berücksichtigung von Gefahrenintensitäten nach vorstehend skizziertem Muster geradezu dysfunktional. […] Ein minder gewichtiges Bedürfnis nach Gegensteuerung wegen einer im Verhältnis zu anderen Konstellationen der Intensität nach geringeren Gefahr eines Normgeltungsschadens ist in den genannten Fällen entgegen dem ersten Anschein letztlich doch nicht vorhanden.“ 148 Die Forderung nach einer möglichst weitgehenden Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten erweist sich jedoch mit Blick auf das Ziel der Stabilisierung des allgemeinen Wertbewusstseins bei genauerem Hinsehen als ambivalent und sollte daher nicht als absolutes Postulat verstanden werden. So dürfte nicht allein die Praxis, Straftaten zwecks Ausgleichung rechtserschütternder Eindrücke geheim zu halten, langfristig nicht auf Akzeptanz rechnen können. Umgekehrt hätte die konsequente Thematisierung jeglichen normwidrigen Verhaltens wohl stark desintegrative Auswirkungen, weil das Ausmaß der alltäglichen Nichtbefolgung bestimmter Normen im Allgemeinbewusstsein nicht unbedingt präsent ist, es sich bei der Auffassung von Normen als die alltägliche gesellschaftliche Interkation steuernde Verhaltensmuster also durchaus um eine Fiktion handelt. Gerade diese Fiktion dürfte aber die generelle Bereitschaft in der Gesellschaft zur Befolgung von Normen und die Akzeptanz der Rechtsordnung erhalten; ähnlich Popitz, Präventivwirkung, S. 9: „Kein System sozialer Normen könnte einer perfekten Verhaltenstransparenz ausgesetzt werden, ohne sich zu Tode zu blamieren. Eine Gesellschaft, die jede Verhaltensabweichung aufdeckte, würde zugleich die Geltung ihrer Normen ruinieren.“; vgl. auch Bock, ZStW 103 (1991), 636 (651).

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sentlichen von der Darstellung der Tat durch die Informationsmedien und von der Prominenz des Opfers ab. Eine Berücksichtigung des Ausmaßes und der Art der Medienberichterstattung wäre normativ absolut inakzeptabel.149 Eine explizite Begründung der Strafmilderung mit dem geringeren Maß an Breitenwirkung scheidet damit aus. Die Berücksichtigung der Publizität der Tat bei der Bestimmung der Strafhöhe wäre deshalb nur durch die Preisgabe der Identität der Begründungs- und Entscheidungsregeln im Rahmen der Strafmaßbestimmung durch den Richter möglich.150 Hiergegen spricht aber, dass sich eine solche Unterscheidung dauerhaft in einer Gesellschaft, die Wert auf die Transparenz strafgerichtlicher Entscheidungen legt, überhaupt nicht durchführen ließe, sondern allenfalls „in einer personal differenzierten Gesellschaft mit einer abgeschlossenen Kaste von Rechtsgelehrten“.151 2. Mangel des zum vorsätzlich geschaffenen Risiko zurechenbaren tatbestandsmäßigen Erfolgs Für die Strafmilderung wegen des Ausbleibens des zurechenbaren Erfolgs wird vor allem – und meist recht apodiktisch – auf den Strafzweck der positiven Generalprävention verwiesen, namentlich dass der folgenbehaftete Normbruch „mehr Signifikanz“ aufweise152 und eher ein „böses Beispiel“ abgebe,153 sodass „das Ausmaß der Erschütterung des Rechtsfriedens, die Empörung über die begangene Tat, aber auch die ihretwegen eintretende Verunsicherung, in hohem Maße von den Folgen der Tat abhängig [seien]“ und der Erfolg „nicht nur die Bedürfnisse des Strafeinsatzes“, sondern „auch die Legitimationsbasis für den Strafeinsatz“ verbreitere.154 Im Ergebnis sei daher „das Erfolgsunrecht […] entscheidend für das Gewicht der von der Straftat ausgehenden Gefahr für die Normakzeptanz“.155 Bezuggenommen wird zur Begründung des schwerwiegenderen rechtserschütternden Eindrucks der vollendeten Tat wegen des Erfolgseintritts vor allem auf das 149

Explizit auch Becker, Philos. Public Aff. 3 (1974), 262 (276 ff.): „Just as it is unjustifiable to make the severity of the penalty depend on the prominence or social usefulness of the victim, so it would be unjustifiable to make the penalty depend on the amount of subsequent publicity produced at the discretion of news agencies; or, indeed, to make it depend on the degree of success a criminal has in keeping things quiet.“; ähnlich Freund, Erfolgsdelikt, S. 95; Hörnle, Strafzumessung, S. 208 f. 150 Vgl. Bock, ZStW 103 (1991), 636 (653). 151 Frister, Schuldelement, S. 81 f. 152 Jakobs, Strafrecht AT, 6/73; zum historischen Vorkommen dieses Gedankens: 1. Teil B. I. 1. b). 153 Krümpelmann, Bagatelldelikte, S. 93. 154 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 516 f.; ebenso Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (185 f.); Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 10/100. 155 Frister, Schuldprinzip, S. 41; von einer „weniger rechtserschütternden Wirkung“ des Versuchs sprechen auch Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 10/98.

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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alltagsmoralische Denken. So ist schon im 19. Jahrhundert mit Blick auf die moralischen Überzeugungen in der Bevölkerung auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, die Folgen von Handlungen bei deren strafrechtlicher Bewertung zu berücksichtigen.156 Auch in der jüngeren Literatur taucht dieses Argument immer wieder auf. Maiwald etwa führt explizit unter Bezugnahme auf die Charakterisierung der Strafe als „Antwort auf einen Rechtsbruch“ und das Strafziel der „Stabilisierung der Normtreue der Allgemeinheit“ aus, dass der Erfolgsunwert als Bestandteil der „sozialen Wirklichkeit […] auf der Seite der Strafreaktion seine Entsprechung finden“ müsse.157 a) Die Ambivalenz der Stellung von Handlungsfolgen im Rahmen alltagsmoralischer Werturteile aa) Die Bewertung von Handlungen nach den durch sie realisierten Folgen („Kausalitätsprinzip“) als Gerechtigkeitsintuition Die Bezugnahme auf die alltagsmoralischen Zurechnungsstrukturen beruht auf der richtigen Beobachtung, dass die Handlungsfolgen bei der Bildung alltäglicher moralischer Urteile in ganz wesentlichem Maße berücksichtigt werden und zwar nicht nur bei der Bildung negativer, sondern auch bei der Bildung positiver Werturteile.158 So werden – worauf in der Diskussion über die strafrechtliche Erfolgsrelevanz immer wieder verwiesen wird159 – etwa erfolgreiche Rettungsmaßnahmen im Allgemeinen gegenüber bloßen Rettungsversuchen als moralisch höherwertig eingestuft. Auch in Redewendungen wie „nichts passiert“, „es ist ja noch mal gutgegangen“, „knapp daneben ist auch vorbei“, „der Erfolg gibt dir Recht“ und „Ende gut, alles gut“ kommt eine starke Erfolgsfixierung im alltagsmoralischen Denken zum Ausdruck. Dieser erste Eindruck wird weiter verstärkt, wenn man sich vergegenwärtigt, wie stark die Beurteilung von Handlungen insbesondere administrativer,

156

Dazu: 1. Teil B. I. 1. c). Maiwald, in: Symposium Schaffstein, S. 64 (69 ff.); ähnlich Hirsch, ZStW 93 (1981), 239 (245); Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 514; Mylonopoulos, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 91; Stratenwerth, ZStrR 79 (1963), 233 (250); Grupp, Verhältnis, S. 39 ff.; Wachter, Unrecht, S. 122; Schönke/Schröder/Eisele, Vor. §§ 13 ff. Rn. 59 ff. 158 So schon Adam Smith, Theorie, S. 146: „Ich behaupte also erstens: mögen die Absichten eines Menschen noch so richtig und wohlwollend in dem einen Falle, noch so unrecht und übelwollend in dem anderen Falle sein, so scheint uns doch, wenn sie ihre Wirkungen nicht zu erreichen vermochten, das Verdienst des betreffenden Menschen im einen Falle unvollkommen zu sein, wie uns im anderen Falle seine Schuld nicht vollständig zu sein dünkt.“; zur empirischen Verifizierung der Erfolgsrelevanz im Rahmen alltäglicher Zurechnungsurteile Schöneborn, GA 1981, 79 (83 ff.); Degener, ZStW 103 (1991), 357 (386); Alexander/Kessler Ferzan, Crime and Culpability, S. 175; alle Quellen jeweils m. w. N. 159 Gallas, in: FS Bockelmann, S. 155 (165); Maiwald, in: Symposium Schaffstein, S. 64 (69 f.); Hirsch, ZStW 93 (1981), 239 (245); ders., in: GS Meurer, S. 3 (8). 157

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger in der medialen Berichterstattung von deren Erfolg und Misserfolg abhängt.160 bb) Erschütterung der Gerechtigkeitsintuition durch die Thematisierung des „resultant luck“ Zweifelhaft ist indes, dass die dominante Stellung von Erfolgen und Misserfolgen bei der Bildung alltäglicher Werturteile tatsächlich dazu zwingt, das Kausalitätsprinzip als ein im alltäglichen Denken fest verankertes Wertungsprinzip anzusehen. So ist in den alltäglichen Regeln über die Zurechnung von Ereignissen als schuldhaft oder verdienstlich erstens auch das control principle, wonach Tadel und Verdienst nur auf Umstände gegründet werden dürfen, die sich unter der Kontrolle desjenigen befinden, dem gegenüber der Tadel oder das Verdienst zum Ausdruck gebracht werden soll, als Gerechtigkeitsintuition vorhanden.161 Und zweitens umfasst das heutige Allgemeinwissen die Einsicht in die Zufallsabhängigkeit des Erfolgs und Misserfolgs einer Handlung, dass der Erfolgseintritt also von Faktoren abhängt, die nicht vollständig unter der Kontrolle des Handelnden stehen.162 Der Komplexität seiner Umwelt kann der Mensch bei der Durchführung von Handlungsprojekten nämlich durch eine rationale, schwer vorhersehbare Ereignisse einkalkulierende Planung begegnen und den Einfluss von Umständen, die sich nicht vollständig unter seiner Kontrolle befinden, so reduzieren, niemals jedoch vollständig eliminieren: Kein Mensch kann ein Ereignis durch sein Verhalten determinieren, sondern das Ereignis allenfalls prädisponieren, d. h. die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses durch sein Verhalten erhöhen. Die rationale Schlussfolgerung aus diesem Befund lautet, dass sich die Bewertung eines Handlungsprojekts nicht nach dessen (zufälligem) Erfolg oder Misserfolg (ex post-Perspektive), sondern nach dem Maß der Rationalität richten muss, mit dem es ausgeführt worden ist (ex ante-Perspektive).163 Dass der Erfolg in der Alltagsmoral aber gleichwohl gerade in hochkomplexen (etwa wirtschaftlichen oder politischen) Zusammenhängen für die Bewertung eines Handlungsprojekts häufig entscheidend ist, mutet geradezu als Pa-

160

Vgl. Nagel, in: Mortal Questions, S. 24 (29 f.); Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (384). So schon Smith, Theorie, S. 95 ff.; Nagel, in: Mortal Questions, S. 24 (26). 162 Williams, in: Moral Luck, S. 20 (20); Nagel, in: Mortal Questions, S. 24 (25); Sancinetti, GA 2016, 411 (418); an dieser Stelle sei klargestellt, dass es sich bei dem hier relevanten natürlich nicht um einen empirischen oder natürlichen, sondern um einen normativen Zufallsbegriff handelt, der lediglich die alltäglich zu beobachtende soziale Praxis der Unterscheidung von zu verantwortenden und nicht zu verantwortenden (also zufälligen) Ereignissen abbildet. Damit steht der hier gebrauchte Zufallsbegriff in keiner Weise in Widerspruch zu einem strikt deterministischen Weltbild (vgl. Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (380 ff.)); zu den weiteren denkbaren Inhalten des Zufallsbegriffs Burghardt, Zufall, S. 33 ff. 163 Nida-Rümelin, Freiheit, S. 114 ff.; Sancinetti, Teoría, S. 126 ff.; ders., Ilícito personal, S. 28; ders., JJZG 2011, 267 (269). 161

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radoxon an,164 lässt sich aber verständlich machen, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welchem Aufwand die Bildung eines Werturteils auf Grundlage der ex antePerspektive verbunden ist. Weil nämlich die Reduktion der Zufallsrelevanz durch den Handelnden bei der Planung seines Handlungsprojekts regelmäßig ein hohes Maß an Informationserhebung und -verarbeitung voraussetzt, erfordert die rationale Bewertung dieser Entscheidung, alle zur Zeit der Planung verfügbaren Informationen nachzuvollziehen und anhand des im Zeitpunkt der Handlung verfügbaren Erfahrungswissens zu beurteilen. Angesichts der Knappheit der zeitlichen und intellektuellen Ressourcen kann dies allenfalls in eng umgrenzten Bereichen und ggf. nur durch einen kleinen Kreis von mit Spezialwissen ausgestatteten Experten geschehen. Da die Bildung eines die Rationalität und den Planungsaufwand berücksichtigenden Werturteils für die meisten Menschen mit Überforderung verbunden ist, knüpfen sie an dasjenige an, was ein hohes oder geringes Maß an Anstrengung und Rationalität zumindest indiziert, also den Eintritt oder das Ausbleiben äußerlicher Handlungsfolgen. Das Kausalitätsprinzip wird bei der Bildung moralischer Urteile im Alltag also lediglich hilfsweise bemüht, weil sich das Maß der im Einzelfall aufgewendeten Anstrengungen unter verhältnismäßigem Aufwand nicht ermitteln lässt. Die Orientierung alltäglicher Werturteile über Handlungen an deren Folgen dient also vor allem der Komplexitätsreduktion. Dies wird unmittelbar einsichtig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Erfolgsrelevanz im Rahmen von alltäglichen Werturteilen umso stärker abnimmt, je mehr über die auf den Erfolg gerichteten Anstrengungen sowie sonstige, außerhalb der Anstrengungen liegende Einflüsse auf das Gelingen oder Scheitern des Handlungsprojekts (resultant luck) bekannt wird.165 Exemplarisch dafür sei der Fall genannt, in dem zwei Tötungsversuche allein anhand der Informationen zu bewerten sind, dass der Tötungsversuch des A an B scheitert, derjenige des C an D dagegen gelingt. Hier dürfte allein anhand dieser unspezifischen Information das Werturteil über die Handlung des C negativer ausfallen, weil nur in letzterem „etwas passiert ist“. Schon auf sprachlicher Ebene ist der alltägliche Gebrauch der Wörter Scheitern und Gelingen mit einer Wertung kon164

Adam Smith hat dieses scheinbare Paradox als „Regelwidrigkeit der Gefühle“ (orig.: „Irregularity of Sentiment“) bezeichnet (Theorie, S. 159): „Daß die Welt nach dem Erfolg urteilt und nicht nach der Absicht, das war zu allen Zeiten die Klage der Menschen und das bildet die größte Entmutigung der Tugend. Jedermann stimmt dem allgemeinen Grundsatz zu, daß der Erfolg, da er nicht von dem Handelnden abhängt, auch keinen Einfluß auf die Gefühle haben sollte, die wir über die Verdienstlichkeit oder die Schicklichkeit eines Verhaltens hegen. Sobald wir aber ins einzelne gehen, da finden wir, daß unsere Gefühle kaum in einem einzigen Fall ganz genau dem entsprechen, was dieser gerechte und billige Grundsatz uns vorschreiben würde.“ 165 So auch Alexander/Kessler Ferzan, Crime and Culpability, S. 177 f.: „In summary, although it may be true that individuals have unprincipled intuitions that results matter, there is reason to doubt that these intuitions are moral intuitions that the actor deservers less punishment for his offense. First, the generalization that harm intuitively matters is undermined by examples in which harm intuitively does not matter to the actor’s desert.“

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notiert, obwohl diese Begriffe nichts über die Gründe des Scheiterns und des Gelingens aussagen. Ergänzt man – um ein deutliches Beispiel zur Exemplifizierung des resultant luck anzuführen – die Schilderung der Sachverhalte um die Informationen, dass A dem B und C dem D unabhängig voneinander zur gleichen Zeit und am gleichen Ort lebensbedrohliche Verletzungen beibringen und ein herbeigerufener Unfallchirurg sich per Münzwurf dafür entscheidet, den B und nicht den D zu retten, so behauptete wohl niemand, dass es alltagsmoralischen Überzeugungen entspräche, die Verletzungshandlung des C deshalb negativer als diejenige des A zu bewerten, weil nur jene Erfolgsursache geworden ist.166 Das Beispiel zeigt, dass bezüglich der Erfolgsrelevanz im Rahmen alltäglicher Werturteile zwei Ebenen zu unterscheiden sind: - Intuitiv wird ein Werturteil über eine Handlung vor allem auf die erst ex post erkennbaren, tatsächlich realisierten Handlungsfolgen bzw. deren Ausbleiben gegründet (intuitive Wertungsebene). - Werden dagegen die Gründe für den Eintritt oder das Ausbleiben der Handlungsfolgen explizit gemacht, relativiert sich deren Wertungsrelevanz und es wird auf die ex ante-Perspektive, insbesondere auf das Maß der vom Handelnden aufgewandten Rationalität abgestellt (reflexive Wertungsebene). b) Der Einfluss des Erfolgsmangels auf das Ausmaß des rechtserschütternden Eindrucks aa) Abschwächung des rechtserschütternden Eindrucks auf der intuitiven Wertungsebene Der rechtserschütternde Eindruck des vollendeten Delikts ergibt sich intuitiv in erster Linie daraus, dass „etwas passiert ist“, sich das durch den Täter bewusst geschaffene Risiko also im Erfolg realisiert hat. Vollendungsunrecht ist im Allgemeinbewusstsein – jedenfalls bei den hier interessierenden klassischen Erfolgsdelikten – Verursachungsunrecht. Dass die Vollendungsstrafbarkeit über die bloße Erfolgsverursachung hinaus die Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos und dessen Realisierung im Erfolg voraussetzt, ändert nichts an dem Umstand, dass es sich dabei jedenfalls intuitiv um sekundäre Legitimationserfordernisse handelt, die eine eher begrenzende als konstitutive Bedeutung haben. Dieses Primat der ex postBetrachtung offenbart sich auch in der herkömmlichen Strukturierung des Tatbestands vollendeter Erfolgsdelikte. Nicht der Verhaltensnormbruch als aus der ex antePerspektive zu beurteilendes Moment steht hier an erster Stelle, sondern die allein ex post zu beurteilende Frage, ob ein Erfolg eingetreten ist, der mit der Handlung durch einen Kausalverlauf verbunden ist. Auch wenn der Verhaltensnormbruch inzwischen 166 Weitere instruktive Beispiele für die Eigenschaft der Erfolgsrelevanz als Einfallstor für den Zufall finden sich bei Zielinski, in: FS Schreiber, S. 533 (533 f.) und Alexander/Kessler Ferzan, Crime and Culpability, S. 175 ff.

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als unabdingbare Voraussetzung legitimer Bestrafung angesehen wird, wird die Risikorealisierung entsprechend der intuitiven Gerechtigkeitsanschauung als eigentlicher Auslöser des Bedürfnisses nach Strafe behandelt.167 Weil der Verbleib der Tat im Versuchsstadium dagegen durch das Ausbleiben der Realisierung des bewusst geschaffenen Risikos im Erfolg gekennzeichnet ist, wird der rechtserschütternde Eindruck des Versuchs nicht durch die Risikorealisierung, sondern allein durch die – zumindest subjektive – Risikoschaffung begründet. Obwohl der Versuch insbesondere bei schwerwiegenden Delikten auch auf der intuitiven Wertungsebene einen rechtserschütternden Eindruck hinterlässt, der die Rechtsbewährung durch Strafe erforderlich macht, fällt dieser weniger signifikant aus als derjenige der Vollendung. Denn schon der Umstand, dass es nicht zur Vollendung gekommen ist, weist den Versuch intuitiv als defizitäres deliktisches Handlungsprojekt aus. Dies ist auf die alltäglich zu beobachtende Zurechnungspraxis zurückzuführen, wonach vom Scheitern eines Handlungsprojekts intuitiv auf ein nur geringes Maß an Anstrengung und Rationalität bei dessen Ausführung geschlossen wird.168 Ebenso, wie der Eintritt des Erfolgs intuitiv nicht als das Ergebnis zufälliger Einflüsse, sondern als das alleinige Ergebnis des Tätervorgehens attribuiert wird, wird sein Ausbleiben intuitiv nicht außerhalb des Beherrschungsvermögens des Täters liegenden Faktoren, sondern der mangelnden Eignung des Handlungsprojekts zur Erfolgsherbeiführung zugeschrieben. bb) Keine Abschwächung des rechtserschütternden Eindrucks auf der reflexiven Wertungsebene Je umfassender dagegen die Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium thematisiert werden, desto mehr verflüchtigt sich die Intuition, das Ausbleiben der Vollendung sei in jedem Fall dem Tätervorgehen zuzuschreiben. Wird nämlich die zwecks Komplexitätsreduktion im Allgemeinbewusstsein verdrängte Einsicht in den Umstand, dass äußere Handlungsfolgen vom Zufall abhängen, dass Menschen äußere Ereignisse also doch nicht determinieren, sondern lediglich prädisponieren 167 Dies erkennt auch Sancinetti, in: FS Jakobs, S. 583 (586): „Die Lehre von der objektiven Zurechnung hat es nie vermocht, das Verständnis zu überwinden, dem zufolge strafrechtliches Unrecht im Prinzip ein Verursachungsunrecht sei. Sogar die Tatsache, dass die Darlegung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit beim Kausalbegriff beginnt und danach der Begriff der Zurechnung nachgeschoben wird, scheint darauf hinzuweisen, dass eine die Zurechnung gewissermaßen ,indizierende‘ Kausierung vorliegt. Die Fälle fehlender Zurechnung werden oft als zusätzliche, nach der Kausalität eintretende Vorgänge dargestellt, als Ausnahmen der Zurechnung, parallel zur Funktion der Rechtfertigungsgründe gegenüber der Tatbestandsmäßigkeit. Die Erfolgsfixierung ist ein Relikt des Kausaldogmas.“; vgl. auch Lüderssen, in: FS Bockelmann, S. 181 (199): „Die Menschen denken – auch wenn sie (inzwischen) Wert darauf legen, nur Normen vorgesetzt zu bekommen, die ihrem Vermögen zu Handlungen und Unterlassungen entsprechen, […] – nach wie vor in Erfolgen“. 168 Dazu: 2. Teil B. I. 2. a).

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können, „aktiviert“, offenbart sich, dass es sich bei der Risikoschaffung – und damit beim Versuch – um die eigentliche, durch die Risikorealisierung nicht zu potenzierende Essenz deliktischen Verhaltens handelt. Weil Menschen nicht mehr tun können, als Risiken zu schaffen und die „Entscheidung“ über ihre Verwirklichung dem Zufall zu überlassen,169 erfolgt auf der reflexiven Wertungsebene die Eliminierung der ex post-Perspektive als Bestandteil des strafrechtlich relevanten Wertungssubstrats. Ob und inwieweit der Erfolgsmangel als Zufall zu bewerten ist, bestimmt sich auf der reflexiven Wertungsebene vor allem nach dem Grad des durch den Täter (objektiv und subjektiv) geschaffenen Risikos.170 Denn nicht jedes Ausbleiben der Realisierung eines strafrechtlich relevanten Risikos im Erfolg ist in gleichem Maße als Zufall zu bewerten. Je höher die ex ante prognostizierte Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts ist, umso stärker ist der erst ex post feststellbare Erfolgsmangel als das Ergebnis von durch den Täter nicht beherrschten Einflüssen anzusehen. Umgekehrt ist die fehlende Risikorealisierung umso weniger zufälligen Einflüssen, sondern dem Tätervorgehen zuzuschreiben, je geringer das durch den Täter geschaffene Risiko des Erfolgseintritts ist. Die Zufälligkeit des Erfolgsmangels lässt sich also auch innerhalb des Spektrums rechtlich missbilligter Risiken je nach Risikoausmaß durchaus quantifizieren. Diese Form der Zuschreibung von Verantwortlichkeit aufgrund von Wahrscheinlichkeitsgraden spiegelt sich in den Regeln alltäglicher sozialer Interaktion wider: Wer bei der Verwirklichung alltäglicher Handlungsprojekte scheitert, wird von der Verantwortung für das Scheitern in umso größerem Maße freigestellt, je stärker er unvorhergesehene Einflüsse berücksichtigt und diese durch eine rationale Planung zu minimieren gesucht hat. Wirkt etwa der Schuss auf einen anderen Menschen aus zwei Metern Entfernung trotz einwandfreien Zielens auf das Opfer nicht tödlich – z. B. weil die Kugel im Flug durch einen Blitz abgefangen wird – ist der Erfolgsmangel als extremer Zufall zu bewerten, dessen entlastende Wirkung in einem Strafrecht, welches Schuld nach den durch den Täter erkannten oder erkennbaren Umständen bemisst, nicht ernsthaft diskutabel sein dürfte. Der Täter trägt hier in keiner Weise Verantwortung für das Scheitern der Tat. Wenn dagegen ein Schuss auf einen Menschen mit einer Pistole durch einen ungeübten Schützen aus 500 Metern Entfernung erfolgslos bleibt, handelt es sich bei der Erfolgslosigkeit zwar insoweit um ein Zufallsereignis, als es 169 Dass das Ausbleiben der Realisierung eines durch den Täter geschaffenen Risikos im Erfolg als Zufall zu behandeln ist, wird auch von Befürwortern der dualistischen Unrechtskonzeption bzw. der Lehre von der objektiven Zurechnung zugegeben (vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 10/98; LK/Walter, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 18). 170 An dieser Stelle geht es allein um den Gegensatz der ex post- und der ex ante-Perspektive. Die Möglichkeit, dass Vorstellung und Wirklichkeit hinsichtlich des Bestehens eines Risikos auseinanderfallen, sich der Täter also ein in Wahrheit nicht bestehendes Risiko vorstellen kann, ist eine Differenzierung innerhalb der ex ante-Perspektive, die hier einstweilen noch ausgeblendet wird; ausführlich zur Bewertung des Auseinanderfallens von Vorstellung und Wirklichkeit hinsichtlich des Risikos: 2. Teil B. I. 3).

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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sich bei dem Schuss um ein rechtlich missbilligtes Risiko handelt und die fehlende Realisierung eines rechtlich missbilligten Risikos qualitativ immer zufällig ist. Jedoch ist das Scheitern dieses Handlungsprojekts ex ante deutlich wahrscheinlicher als im Falle des Schusses aus zwei Metern Entfernung, sodass das Scheitern quantitativ als weitaus geringerer Zufall und die Tat damit als geringeres Unrecht zu bewerten ist. c) Die Prävalenz der reflexiven Wertungsebene bei der strafprozessualen Thematisierung als entscheidender Einwand gegen die mildere Bestrafung des Versuchs wegen des Erfolgsmangels Im Strafverfahren kann die mildere Bestrafung des Versuchs wegen des Erfolgsmangels schon deshalb nicht durch den Verweis auf das intuitive Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung begründet werden, weil es in seinem Rahmen zu einer umfassenden Ermittlung und Thematisierung der Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium kommt. Dies zeigt sich schon an den gesetzlichen Vorgaben, welche jedenfalls die Thematisierung bestimmter Gründe für das Ausbleiben der Vollendung gebieten (vgl. §§ 23 III, 24 StGB).171 Bieten die Gründe für das Ausbleiben der Vollendung keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Mangel des Erfolgs dem Vorgehen des Täters zuzuschreiben ist, widerspräche es geradezu dem Gerechtigkeitsempfinden der Allgemeinheit, dem Täter den Verbleib der Tat im Versuchsstadium zugutezuhalten. Die Strafmilderung wegen des Erfolgsmangels kann auch nicht auf die Erwägung gestützt werden, dass die Allgemeinheit die Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium durch deren Thematisierung im Strafverfahren in der Realität nur sehr eingeschränkt – etwa vermittelt durch die regelmäßig sehr oberflächliche Medienberichterstattung – wahrnimmt und es daher überhaupt nicht zu einer Erschütterung der intuitiven Erfolgsrelevanz kommt. Dass die Berücksichtigung derartiger Kalküle normativ inakzeptabel ist und langfristig wohl auch mehr Schaden als Nutzen stiftete, habe ich bereits oben dargelegt.172 d) Zum Verweis auf die „selbstzerstörerischen“ Konsequenzen der Thematisierung des „resultant luck“ Gegen die Thematisierung des Erfolgs als Zufall wird in der juristischen Literatur vielfach der Einwand vorgebracht, es sei gleichermaßen Zufall, in welchem Umfang das Handlungsprojekt des Täters zur Ausführung gelangt. So könnten die Versuchsbeendigung bzw. das Gelangen des Handlungsprojekts in das strafbare Versuchsstadium jederzeit an für den Täter unvorhersehbaren Umständen scheitern

171 172

Ausführlich dazu: 3. Teil B. III. 1. b). Dazu: 2. Teil B. I. 1. c).

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

(execution luck).173 Wollte man die Zufallsrelevanz tatsächlich eliminieren, dürfte auch der Tatfortschritt kein Kriterium für das Ausmaß des verwirklichten Unrechts darstellen. In der moralphilosophischen Diskussion über die Berücksichtigung der Folgen von Handlungen im Rahmen ihrer moralischen Bewertung ist darüber hinaus der Einwand erhoben worden, nicht allein das Gelingen des Handlungsprojekts, sondern auch schon der am Anfang stehende Entschluss zu dessen Verwirklichung sei ein Zufallsprodukt. Die Bildung eines „bösen Willens“ hänge nämlich allein von der individuellen Veranlagung (constitutive luck) und äußeren Einflüssen, denen sich der Einzelne durch seine Umwelt ausgesetzt sieht (circumstantial und causal luck), ab. Das gegen die Erfolgsrelevanz im Rahmen moralischer Urteile vorgebrachte Zufallsargument sei also i. E. „selbstzerstörerisch“,174 weil es – konsequent zu Ende gedacht – moralische Urteile unmöglich mache.175 In der Tat wäre ein Argument, in dessen Konsequenz die Zerstörung der Grundlagen moralischer Urteile liegt, für ein Strafrecht, dessen Aufgabe in der Beseitigung gesellschaftlicher Desorientierung durch das Belegen von „falschem“ Verhalten mit moralischem Tadel besteht, nicht zu akzeptieren.176 Um das allein auf die Eliminierung der Erfolgsrelevanz zielende Zufallsargument aufrechterhalten zu können, bedarf es daher der Darlegung von Gründen, die erstens die Thematisierung des Zufalls generell legitimieren, zweitens die Thematisierung der willensbildungsbezogenen Zufallskategorien und des execution luck verbieten und drittens zugleich die Thematisierung des resultant luck unberührt lassen.177 aa) Generelle Notwendigkeit der Thematisierung des Zufallseinflusses im Rahmen moralischer Urteile Die Begründung der generellen Notwendigkeit einer Thematisierung des Zufalls ist relativ einfach. So handelt es sich beim Zufall um einen Bestandteil des in unserer 173 Zum historischen Vorkommen dieses Arguments in der juristischen Literatur: 1. Teil B. II. 3.; in neuerer Zeit ist dieses Argument u. a. vertreten worden von Paeffgen, Verrat, S. 114 f.; Timpe, Strafmilderungen, S. 97 f.; Maiwald, in: Symposium Schaffstein, S. 64 (67); Zaczyk, Unrecht, S. 102; ders., GA 2014, 73 (78); Jakobs, Strafrecht AT, 6/73; Lüderssen, in: FS Herzberg, S. 109 (115 f.); Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 10/99; Stuckenberg, Vorstudien, S. 241 Fn. 1282; NK/Puppe, Vor. § 13 Rn. 21; Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung, S. 131; in der englischsprachigen Literatur Moore, Causation, S. 25; Lewis, Philos. Public Aff. 18 (1989), 53 (55 f.). 174 Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung, S. 130. 175 So vor allem Nagel, in: Mortal Questions, S. 24 (26): „If the condition of control is consistently applied, it threatens to erode most of the moral assessments we find it natural to make. […] Ultimately, nothing or almost nothing about what a person does seems to be under his control.“; aus diesem Werk stammen auch die vier angeführten Zufallskategorien (S. 24 ff.). 176 Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (414); Alexander/Kessler Ferzan, Crime and Culpability, S. 189. 177 Vgl. Heinrich/Jefferson, in: Handbuch Handlungstheorie, S. 228 (231); Rivera-Lopez, J Value Inquiry 50 (2016), 415 (420).

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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Gesellschaft vorherrschenden Weltbilds, in dem es neben personalen, d. h. einem Subjekt zurechenbaren Akten auch unpersönliche, „sinnlos“ wirkende Naturkräfte gibt, für die niemand verantwortlich ist und die deshalb keinen Bestandteil des Substrats moralischer Urteile bilden.178 Dass – unabhängig vom Gebrauch dieses Begriffs – eine Zufallsthematisierung entsprechend der sozialen Praxis auch im Strafrecht stattfindet, kann nicht ernsthaft bestritten werden und wird auch nicht ernsthaft bestritten. So handelt es sich sowohl bei den (seit Jahrtausenden gebräuchlichen) Zurechnungsvoraussetzungen Vorsatz und Fahrlässigkeit, aber auch bei dem (verhältnismäßig jungen) Konzept der objektiven Zurechnung um Begriffe, die auf der Erkenntnis beruhen, dass es neben prognostizierten und prognostizierbaren auch zufällige Handlungsfolgen gibt. Denn „der Zweck der Zurechnungslehre besteht gerade darin, Erfolge, die der Handlung nicht ,zugehören‘ (also zufällige Erfolgsverursachungen), auszuschalten“.179 Stirbt etwa der durch die Handlung eines anderen Verletzte im Krankenwagen an den Folgen eines nicht typisch mit der Krankenwagenfahrt verbundenen Risikos, so stellt sich der Todeserfolg lediglich als zufällige Folge der Verletzungshandlung dar und wird deshalb nicht in die Bewertung der Handlung mit einbezogen. Die Thematisierung des Zufalls ist also notwendig, um den Verantwortungszusammenhang zwischen einem Menschen als Zurechnungssubjekt und einem Ereignis als Zurechnungsobjekt überhaupt unterbrechen zu können. Verböte man die Thematisierung des Zufallseinflusses im Rahmen moralischer Urteile vollkommen, wäre auch die Lehre von der objektiven Zurechnung ein illegitimes Korrektiv der Kausalität, sodass es keine Handlungsfolgen gäbe, für die der Handelnde nicht verantwortlich gemacht werden könnte. Nicht nur die konsequente Berücksichtigung jeglichen Zufallseinflusses hätte also nicht hinnehmbare Konsequenzen. Umgekehrt führt die vollkommene Ausblendung der Zufallsrelevanz nämlich zu einer Verantwortlichkeitshypertrophie. Zwei Prämissen sind also gesichert: 1. Die Thematisierung des Zufallseinflusses ist notwendig, um zu verantwortende von nicht zu verantwortenden Ereignissen unterscheiden zu können. 2. Die Thematisierung des Zufallseinflusses darf nicht so weit gehen, dass es kein Substrat für moralische Urteile mehr gibt.

178 179

Dazu: 2. Teil B. I. 1. a) bb). Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 10/98 (Hervorh. des Wortes „zufällige“ durch den Verf.).

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

bb) Unvereinbarkeit der Thematisierung der deliktischen Willensbildung und des Tatfortschritts als Zufall mit dem Postulat der Willensfreiheit sowie mit dem Tatprinzip Letztlich geht es um die Frage, wo die Grenze zwischen der legitimen und der illegitimen Thematisierung des Zufallseinflusses verläuft. Der Grund für die Unzulässigkeit der Thematisierung des constitutive, circumstantial und causal luck besteht darin, dass die Umstände, die von letzteren drei Zufallskategorien abhängen, für das Substrat moralischer Urteile konstitutiv sind und ihre konsequente Thematisierung als Zufall die Bildung moralischer Urteile ausschlösse.180 Im Rahmen dieser Arbeit kann keine Auseinandersetzung mit dem „fast bis zum Überdruß“181 diskutierten Problem der Freiheit des menschlichen Willens erfolgen. Einer solchen Auseinandersetzung bedarf es aber auch für die vorliegende Fragestellung überhaupt nicht. Selbst wenn man den freien Willen nämlich empirisch als unhaltbar ablehnt,182 handelt es sich bei ihm für ein Strafrecht, dessen normative Strukturen auf dem Gedanken individueller Verantwortlichkeit aufbauen, um eine schlechthin unverzichtbare Fiktion.183 Die Aufrechterhaltung dieser Fiktion wäre jedoch durch die konsequente Thematisierung der willensbildungsbezogenen Zufallskategorien – constitutive, circumstantial und causal luck – de facto ausgeschlossen, weil die Thematisierung der deliktischen Willensbildung als bloßer Zufall dessen Vorwerfbarkeit nach dem control principle ausschlösse. Eine solche juristische Praxis entspräche auch in keiner Weise den vorpositiven Zurechnungsstrukturen einer Gesellschaft wie der unsrigen, deren Glieder sich im Rahmen alltäglicher Interaktion als Subjekte, d. h. als selbstbestimmt agierende Wesen erleben und einander Verantwortung für „zufällig“ getroffene Entscheidungen zuschreiben.184 An diese vorpositiven Zurechnungsstrukturen ist das Strafrecht aber – wie bereits oben erörtert185 – durch seine Funktion als gesellschaftliches Subsystem zur Anleitung des rechtsethischen Diskurses über „falsches“ und „richtiges“ Verhalten gebunden. Doch auch die Thematisierung des execution luck wäre mit der normativen Grundstruktur der gegenwärtigen Gesellschaft unvereinbar. Dies folgt für das zu180

Rivera-Lopez, J Value Inquiry 50 (2016), 415 (420 ff.). Mangakis, ZStW 75 (1963), 499 (499). 182 Dafür werden vor allem Erkenntnisse der Neurologie angeführt (vgl. Roth, Fühlen, Denken, Handeln, S. 494 ff., 553 f.). 183 Herrmann, in: Freiheit des Entscheidens u. Handelns, S. 56 (56 ff.); Roth, Fühlen, Denken, Handeln, S. 536 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 17/23; ders., ZStW 117 (2005), 247 (264); Hillenkamp, JZ 2005, 313 (316); Kadish, J. Crim. L. & Criminology 84 (1994), 679 (690); deutlich Lampe, ZStW 118 (2006), 1 (20), Hervorh. im Orig.: „Auf die Frage nach der Bedeutung der menschlichen Freiheit innerhalb des Strafunrechts lautet demnach die Antwort: Sie ist erforderlich, um zum einen die persönliche Verantwortung für rechtswidrige Sozialprozesse und zum anderen die persönliche Zuständigkeit für das Erleiden von Strafe als Rechtsfolge zu begründen.“ 184 Frister, Strafrecht AT, 8/7 ff.; ders., in: FS Frisch, S. 533 (552 ff.). 185 Dazu: 2. Teil B. I. 1. 181

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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fällige Ausbleiben des Eintritts der Tat in das Vorbereitungsstadium nach erfolgter deliktischer Entschlussfassung schon aus der für ein liberal-rechtstaatliches Strafrecht unverzichtbaren Maxime cogitationis poenam nemo patitur. So ist unbestritten, dass der „böse Wille“ nur dann einer rechtlichen Bewertung zugänglich ist, wenn der „Böswillige“ Schritte zu dessen Verwirklichung unternimmt, da alles andere auf ein Gedankenstrafrecht hinausliefe. Kommt es unmittelbar nach dem Entschluss zur Ausführung eines deliktischen Handlungsprojekts und noch vor der ersten Ausführungshandlung zu einem unfreiwilligen Abbruch dieses Handlungsprojekts (z. B. wegen eines Schlaganfalls), so fehlt es noch an einem notwendigen Bestandteil des Bewertungssubstrats, weil dieses eben nicht bloß durch Entschlüsse, sondern durch Umsetzungsakte konstituiert wird.186 Deshalb ist die Thematisierung des execution luck schon wegen des Verbots des Gesinnungsstrafrechts jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als es um das zufällige Ausbleiben des Eintritts der Tat in das Vorbereitungsstadium geht. Unabhängig davon wäre auch die Thematisierung des Tatfortschritts als Zufall mit dem Postulat der Willensfreiheit unvereinbar.187 Sicherlich können für den Täter nicht vorhersehbare Umstände sein Handlungsprojekt jederzeit – d. h. auch bereits im frühen Vorbereitungsstadium – zum Scheitern bringen, sodass der Abbruch des Handlungsprojekts vor der Versuchsbeendigung dem Täter nicht zuzurechnen ist. Das Nichteintreten solcher Umstände ist also stets negative Voraussetzung für die Ausführung weiterer Handlungsschritte. Jedoch bleibt der Wille des Täters bis zur Versuchsbeendigung insoweit geschehensbeherrschend, als die Ausführung weiterer Handlungsschritte und damit das Fortbestehen des „bösen Willens“ weiterhin positive Voraussetzung des Erfolgs des Handlungsprojekts ist. Das Postulat der Willensfreiheit gebietet auch, eine einmal getroffene Entscheidung nicht als Determinante späterer Entscheidungen zu begreifen. Ein Willensakt darf erst dann als existent angenommen werden, wenn er tatsächlich ausgeführt worden ist. Anders als beim Ausbleiben eines natürlichen Ereignisses verbietet das Postulat der Willensfreiheit deshalb – wenn dies prima facie auch paradox erscheinen mag – die Behandlung des „zufälligen“, d. h. nicht auf einer ihrerseits freien Entscheidung des Handelnden beruhenden, Ausbleibens der noch ausstehenden „freien Entscheidung“ als Zufall. Damit dürfen ausgebliebene Entscheidungen auch nicht durch die sich aus dem Bestehen allgemeiner Erfahrungsregeln ergebende Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Erreichen eines bestimmten Stadiums des Handlungsprojekts auch die noch ausstehenden Entscheidungen getroffen werden, vermutet werden. Da die Durchführung des deliktischen Handlungsprojekts 186

Dazu: 2. Teil A. II. 1. a) aa) und A. II. 2. b). Bei ganz strengem Verständnis der Maxime cogitationis poenam nemo patitur wäre dagegen die Bestrafung jeder Vorbereitungshandlung – jeder Handlung also, durch welche der für die Rechtsgutsverletzung erforderliche Grad an Verwirklichungsbewusstsein noch nicht erreicht ist – unzulässig; ähnlich schon Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (389): „[…] perhaps punishment for incomplete attempts is punishment for thoughts rather than for culpable actions.“ 187

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

wie gezeigt bis zum Zeitpunkt der Versuchsbeendigung das positive Fortbestehen des deliktischen Willens voraussetzt, handelt es sich bei strikter Anwendung des Postulats der Willensfreiheit deshalb beim Fehlen des „bis zum bitteren Ende“ durchgehaltenen Willens um keinen wertungsirrelevanten Zufall.188 cc) Vereinbarkeit der Thematisierung des „resultant luck“ mit dem Postulat der Willensfreiheit Die Thematisierung des Erfolgsmangels als Zufall verstößt im Gegensatz dazu nicht gegen das Postulat der Willensfreiheit. Der Zufallseinfluss vor der Versuchsbeendigung als endgültiger Entscheidung gegen das jeweilige Rechtsgut unterscheidet sich nämlich von der Zufallsrelevanz nach diesem Zeitpunkt mit Blick auf die Bedeutung des Täterwillens in qualitativer Hinsicht. Denn solange der Täter noch nicht alles Erforderliche getan hat, bleibt sein Wille insoweit geschehensbeherrschend, als sein Fortbestehen ein positives Erfordernis der Vollendung bildet. Hat der Täter dagegen alles aus seiner Sicht Erforderliche getan und sich so des vollkommenen Einflusses auf den Erfolgseintritt entäußert, kommt es für den Erfolgseintritt auf das Fortbestehen des deliktischen Willens nicht mehr an. Ab diesem Zeitpunkt ist es also allein und eben nicht mehr nur auch abhängig vom Zufall, d. h. von außerhalb der Kontrolle des Täterwillens liegenden Umständen, ob das Handlungsprojekt gelingt oder scheitert.189 Wegen des Ausbleibens des Erfolgs muss zur Begründung des Schuldvorwurfs also keine tatsächlich nicht getroffene Entscheidung des Täters gegen das Rechtsgut vermutet werden.190 Im Ergebnis ist das Argument, die Thematisierung des resultant luck sei mit Blick auf die Grundlagen moralischer Urteile „selbstzerstörerisch“, unhaltbar, weil es wie dargelegt erstens generell der Thematisierung des Zufalls im Rahmen moralischer Urteile zur Verantwortlichkeitsbegrenzung bedarf, zweitens die Thematisierung der Willensbildung und des Tatfortschritts als Zufall unzulässig und drittens die Thematisierung des Erfolgsmangels als Zufall im Gegensatz dazu zulässig ist. e) Obligatorische Strafmilderung wegen der Indizierung geringer Gefährlichkeit des Versuchs durch den Erfolgsmangel? Praktisch entfällt im Strafrecht das Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion, das die Berücksichtigung der Handlungsfolgen im Rahmen alltäglicher moralischer Urteile bedingt, weitgehend: Anders als bei alltäglichen Werturteilen, die regelmäßig allein auf Grundlage der sicheren Kenntnis von Erfolg und Misserfolg gefällt werden 188

Sancinetti, GA 2016, 411 (418). Sancinetti, GA 2016, 411 (418 ff.); vgl. auch ders., Unrechtsbegründung, S. 184. 190 Lampe etwa anerkennt, „dass der objektive […] Tatbestand strafrechtlicher Delikte die Willensfreiheit nicht [erfordere], und zwar weder als Entscheidungs- noch als Handlungsfreiheit“ (ZStW 118 (2006), 1 (17)). 189

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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können, besteht bei der Bildung von Werturteilen im Rahmen des Strafrechts wegen des ungleich größeren Ausmaßes an zeitlichen und personellen Ressourcen die Möglichkeit, den vollständigen Sachverhalt und das Maß an Anstrengungen, die der Täter in Richtung auf den Erfolg aufgewendet hat, sowie sonstige, außerhalb des Beherrschungsvermögens des Täters liegende Faktoren zu ermitteln und zu thematisieren.191 Allerdings sind auch den im Strafverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln der Sachverhaltsaufklärung Grenzen gesetzt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, eine obligatorische Milderung der Versuchsstrafe wegen des Erfolgsmangels sei mit der Erwägung zu begründen, dass das Ausbleiben des Erfolgs zwar kein Unrechtsdefizit darstelle, dafür aber die relativ geringe Gefährlichkeit des Handlungsprojekts indiziere.192 Eine solche Argumentation beruht nämlich auf einer Verwechslung der Kategorien Korrelation und Kausalität. Zwar dürfte ein besonderes Maß an Gefährlichkeit des Tätervorgehens mit dem Erfolg des Handlungsprojekts in höherem Maße korrelieren als ein relativ ungefährliches Vorgehen. Gleichwohl bildet auch ein hochgefährliches Vorgehen keine hinreichende Bedingung für den Erfolg.193 Insoweit ist es zwar möglich, die Bewirkung des Erfolgs als einen Indikator für ein hohes Maß an Gefährlichkeit anzusehen. Sie kann gleichwohl keinen Grund bilden, eine zwingende Milderung der Versuchsstrafe wegen des Erfolgsmangels zu postulieren, weil sich nicht zwingend vom Ausbleiben des Erfolgs auf die geringfügige Versuchsgefährlichkeit zurückschließen lässt.194 3. Mangel der objektiven Vollendungstauglichkeit Anders als beim Ausbleiben des Erfolgs geht es beim Mangel der objektiven Vollendungstauglichkeit nicht um ein erst ex post feststellbares Defizit, sondern um das Fehlen eines vollendungsspezifischen Sanktionserfordernisses im Zeitpunkt der Ausführung der Tathandlung.195 Gleichwohl ist die Begründung der in der Literatur vertretenen Auffassung, der Mangel der Vollendungstauglichkeit stelle sich als zwingender Strafmilderungsgrund dar, weitgehend gleichlautend mit der Begründung der Strafmilderung wegen des Fehlens des tatbestandsmäßigen Erfolgs. Ebenso wie die gesellschaftliche Relevanz von Handlungen, die eine Rechtsgutsverletzung bewirken, größer sei als diejenige folgenloser Handlungen, sei auch die „Rechts-

191

Deiters, Strafzumessung, S. 55. Zum historischen Vorkommen des Arguments: 1. Teil B. I. 3.; vertreten findet sich die Indizierungsfunktion der Handlungsfolgen zur Deutung von § 46 II S. 2 4. Zeile StGB auch bei Deiters, Strafzumessung, S. 55 f. 193 So auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 513. 194 Ähnlich Frister mit Blick auf die Gefährlichkeitsindikation durch objektive Strafbedingungen (Schuldprinzip, S. 60). 195 Ausführlich zu diesem Begriff: 2. Teil A. II. 2. 192

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

friedensstörung“ des tauglichen Versuchs stärker als diejenige des untauglichen Versuchs, weil letzterer ein „geringere[s] objektive[s] Gewicht“ aufweise.196 a) Begründung des Gebots der Thematisierung der fehlenden objektiven Vollendungstauglichkeit als Zufall Gegen die obligatorische Milderung der Versuchsstrafe wegen des Mangels der objektiven Vollendungstauglichkeit sprechen jedoch die gleichen Gründe wie gegen den Erfolgsmangel als Milderungsgrund.197 Auf einer abstrakten Ebene mag das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden dem Umstand Relevanz zuschreiben, dass es objektiv nicht zu einer zurechenbaren Rechtsgutsgefährdung gekommen ist, das vom Täter vorgestellte Risiko also objektiv nicht vorgelegen hat. Der rechtserschütternde Eindruck des Schusses mit einer geladenen Waffe mag insoweit stärker ausfallen als der Schuss mit einer ungeladenen Waffe. Je umfassender jedoch die Informationen über die Gründe für den Irrtum ausfallen, desto mehr verflüchtigt sich die Irrtumsrelevanz.198 Denn im Bewusstsein einer modernen, durch eine immer weiter zunehmende Spezialisierung im Arbeits- und Sozialleben geprägten Gesellschaft ist das Wissen um die Begrenztheit des Wahrnehmungsvermögens und Erfahrungswissens, das eine Durchschnittsperson hat, vorhanden.199 Hat etwa ein Dritter die 196 Roxin, in: FS Nishihara, S. 157 (160); Hirsch geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er jegliches generalpräventive Interesse an der Bestrafung untauglicher Versuchshandlungen verneint (in: FS Roxin, S. 711 (715)). 197 Ebenso Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 176; ders., GA 2016, 411 (416); Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (391); Alexander/Kessler Ferzan, Crime and Culpability, S. 193 ff. 198 Schon der Umstand, dass eine Handlung nach h. M. nicht nur im Kontext der objektiv vorliegenden, sondern auch im Kontext der vom Täter erkannten Umstände zu bewerten ist, stellt eine Konzession an die Grenzen des menschlichen Wahrnehmungsvermögens dar. Dass allein das Auseinanderfallen des objektiv vorliegenden und des wahrgenommenen Sachverhalts gleichwohl wertungsrelevant sein soll (schon die Bezeichnung als Irrtum – wiewohl dieser Begriff an sich keine Wertung enthält – konnotiert ein solches Auseinanderfallen alltagssprachlich als defizitär), steht in Widerspruch zur Erkenntnis über die Grenzen menschlichen Wahrnehmungsvermögens (vgl. Walter, Kern, S. 232 ff.). 199 Unter umgekehrten Vorzeichen problematisch sind Fälle, in denen ein Geschehen erst auf Grundlage einer richtigen, aber im Allgemeinwissen nicht vorhandenen Erfahrungsregel deliktischen Sinn aufweist (Sonderwissen). Gemeint sind damit Konstellationen, in denen ein Sachverhalt nur auf Grundlage von Spezialwissen als Erfolgsrisiko zu qualifizieren ist. Insoweit könnte man meinen, dass ein solcher Fall in der Allgemeinheit – mangels Kenntnis der Erfahrungsregel – nicht als Normwiderspruch aufgefasst wird. Dass z. B. die Zuführung bereits geringer Mengen an Kochsalz in den menschlichen Körper letale Folgen haben kann, gehört wohl nicht zu den allgemein bekannten Erfahrungsregeln (BGH, NJW 2006, 1822 (1823)). Jakobs etwa will die kommunikative Relevanz der mit Sonderwissen ausgeführten Handlung davon abhängig machen, ob der Täter in der jeweiligen Tatsituation eine gesellschaftliche Rolle innehat, der gegenüber die gesellschaftliche Erwartung besteht, über das zur Erkennung des Risikos erforderliche Spezialwissen zu verfügen. So soll ein Kellner, der in einem von ihm servierten Salat eine seltene Giftpflanze entdeckt, nicht wegen vorsätzlicher Tötung, sondern allenfalls nach § 323c StGB bestraft werden, wenn er um die Gefährlichkeit der Pflanze nur aufgrund seines im Biologiestudium erworbenen Spezialwissens weiß (in: GS Kaufmann,

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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Waffe vor dem Gebrauch durch den Täter ohne dessen Wissen entladen und hat dieser keinen Anlass, die Waffe ob ihrer Einsatzfähigkeit zu prüfen, lässt sich das Fehlen der Vollendungstauglichkeit auf kein Defizit der Rationalität des Tätervorgehens zurückführen. Anders ist dies, wenn der Täter selbst die Waffe wenige Minuten vor ihrem Einsatz entladen hat und dies im Zeitpunkt der Tathandlung vergisst. Ebenso dürfte der rechtserschütternde Eindruck regelmäßig vermindert sein, wenn der Täter seine Erfolgserwartung auf eine unrichtige Erfahrungsregel stützt. Dies können entweder Fälle krass irrationalen Verhaltens sein, etwa der Tötungsversuch durch den Einsatz von Speisezucker, aber auch die Zuführung einer evident zu geringen Menge eines an sich in zureichender Menge wirksamen Gifts.200 Der untaugliche weist gegenüber dem tauglichen Versuch nur dann ein wertungsrelevantes Defizit auf, wenn der Irrtum über die Tauglichkeit für den Täter nicht auf rationalen Gründen beruht und damit nicht unvermeidbar ist, sodass sich das Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit als bloßer Zufall darstellt. Insofern gilt es im Strafprozess auch hier, nicht den Irrtum als solchen, sondern die Gründe für das Auseinanderfallen des objektiv vorliegenden und des vorgestellten Sachverhalts zu thematisieren und ggf. strafmildernd zu berücksichtigen. Gegenstand des Rationalitätsurteils ist aber nicht allein das tatbestandsmäßige Verhalten. So kann auch ein an sich grob irrationales Verhalten – wie Jakobs erkannt hat – auf Gründen beruhen, die ihrerseits als rational zu bewerten sind und deshalb die Vermeidbarkeit des Irrtums (zumindest partiell) aufheben: „Wenn in einem Fachbuch über Giftpflanzen versehentlich eine Variante des Löwenzahns abgebildet ist, verhält sich ein biologisch unbewanderter Mensch rational, wenn er dieses Kraut als Gift einsetzt […].“201 Der rechtserschütternde Eindruck eines für sich genommen evident untauglichen Versuchs bleibt also erhalten, wenn die Gründe für die Annahme der Tauglichkeit im Vorfeld der Tat als rational zu bewerten sind.202 b) Vereinbarkeit der Thematisierung des Mangels der objektiven Vollendungstauglichkeit als Zufall mit dem Charakter des Strafrechts als „Sozialethik“ Einer (zumindest partiellen) Gleichbehandlung des tauglichen und untauglichen Versuchs (teilweise auch der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs überhaupt) wird S. 271 (283 ff.); ders., Norm, S. 98). Da es sich dabei um keine versuchsspezifische, sondern um eine den Vorsatz allgemein betreffende Problematik handelt, wird sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher erörtert. 200 Dazu noch ausführlich: 3. Teil B. II. 2., III. 2. a). 201 Jakobs, Strafrecht AT, 25/23. 202 Umgekehrt nimmt eine an sich rationale Erfolgserwartung des Täters, die auf irrationalen Gründen beruht, dem Vorgehen seine kommunikative Relevanz. Die wäre etwa der Fall, wenn der Täter zu Recht von der Wirksamkeit eines von ihm bislang für ungefährlich gehaltenen Gifts ausgeht, weil ihm die Wirksamkeit im Traum von einem Engel verkündet worden ist.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

entgegengehalten, sie ersetze die für das Strafrecht adäquate „Sozialethik“ durch eine mit dem Zweck des Strafrechts unvereinbare „Individualethik“.203 So formuliert Hruschka seine Kritik an der subjektiven Versuchstheorie dahingehend, dass diese dazu zwinge, dem Täter bei seiner Deutung der Tathandlung zu folgen, „weil [nach dieser Lehre] allein seine Meinung von der Qualifizierung der Handlung ausschlaggebend“ sei.204 In der Tat darf ein Strafrecht, dem es um die Teilhabe am ethischen Diskurs der Gesellschaft geht, die Regeln dieses Diskurses nicht außer Acht lassen. Deshalb muss die Tat von außen aus der Perspektive der Gesellschaft bewertet werden.205 Aus der Maßgeblichkeit der gesellschaftlichen Perspektive für das strafrechtliche Werturteil folgt nun aber allein die Notwendigkeit eines rein objektiven Wertungsmaßstabs, nicht dagegen die Notwendigkeit eines (zumindest teilweise) objektiven Wertungssubstrats. Denn ganz allgemein „kann es nicht auf die Eindrücke tatsächlicher Beobachter ankommen, die ja bei der Tat gar nicht zugegen sein brauchen. Entscheidend muß sein, ob die Handlung des Täters geeignet ist, bei einem gedachten Durchschnittsbeobachter, der alle äußeren und inneren Fakten kennt, einen rechtserschütternden Eindruck hervorzurufen.“206 Der Charakter des Strafrechts als „Sozialethik“ wäre nur dann in Frage gestellt, wenn man in der Tätervorstellung nicht allein das Substrat, sondern darüber hinaus auch den Maßstab für das strafrechtliche Werturteil erblickte.207 Solange man den Irrtum nach Maßgabe eines objektiven Maßstabs bewertet, bleibt der Charakter des Strafrechts als „Sozialethik“ intakt. Ob ein die Versuchsstrafbarkeit begründender Irrtum als irrational zu bewerten ist, lässt sich nicht nach einem für alle Zeiten allgemeingültigen Maßstab ermitteln, sondern nur nach demjenigen Bestand an „Sorgfalt“ und Erfahrungswissen, dessen Anwendung die Gesellschaft von einem durchschnittlichen Mitglied erwartet. Dass sich derartige Erwartungen mit den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen über das Funktionieren der Welt wandeln, ist eine schon häufig dargelegte Tatsache.208

203

Würtenberger, Situation, S. 47 ff. Hruschka, Strukturen, S. 58 f.; kritisch gegenüber der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs auch Maiwald, in: Symposium Schaffstein, S. 64 (72) 205 Jakobs, Handlungsbegriff, S. 27; ders., Norm, S. 95 ff.; dem zustimmend Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 212 ff.; Lesch, Verbrechensbegriff, S. 204; Wachter, Unrecht, S. 116, 205 ff. 206 Roxin, in: FS Nishihara, S. 157 (170). 207 In bedenklicher Weise verschwimmen die Grenzen zwischen der „Sozialethik“ und der „Individualethik“ bei Armin Kaufmann, wenn er postuliert, dass „in konsequenter Durchführung des personalen Unrechtskonzepts […] allein der Sinn, den der Täter im Tatvorsatz seiner Tat gibt, das Wertungssubstrat des Normwidrigkeitsurteils“ bestimme (in: FS Welzel, S. 393 (403)). 208 So auch Bloy, ZStW 113 (2001), 76 (103): „Die Suche nach einem generalisierenden Maßstab für die Offenkundigkeit eines nomologischen Irrtums muß […] erfolglos bleiben.“ 204

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

119

Bei der Herausarbeitung des Maßstabs zur Beurteilung eines Irrtums als rational oder irrational handelt es sich um kein die Bewertung des umgekehrten Tatbestandsirrtums spezifisch betreffendes Problem. Denn dasselbe Problem ergibt sich im Rahmen der Fahrlässigkeitsdogmatik unter umgekehrten Vorzeichen. Während es bei der Fahrlässigkeit um die Frage geht, ob das irrtümliche Vertrauen auf das Fehlen eines tatbestandlichen Risikos (Tatbestandsirrtum) irrational und damit vermeidbar ist, geht es im hiesigen Zusammenhang um die umgekehrte Frage, nämlich ob die irrtümliche Vorstellung des Vorliegens eines tatbestandlichen Risikos (umgekehrter Tatbestandsirrtum) als irrational zu bewerten ist. Ebenso wie sich ein rationales Vertrauen auf das Fehlen eines Risikos nicht täterbelastend auswirkt, weil die Gesellschaft die Grenzen dessen anerkennt, was ein Mensch wahrnehmen und wissen kann, kann die auf rationalen Gründen beruhende Fehlvorstellung, ein tatbestandliches Risiko liege vor, sich nicht täterentlastend auswirken, weil bei einer solchen Entlastung eben diese Grenzen ausgeblendet würden.209 Es ist aber kein Grund ersichtlich, wegen dessen die Grenzen der kognitiven Fähigkeiten des Menschen bei der Unrechtsbegründung im Rahmen der Fahrlässigkeit thematisiert, bei der Unrechtsaufhebung im Rahmen der Bestimmung der Strafhöhe beim Versuch dagegen ausgeblendet werden sollen. Deshalb „besitzen Fälle, in denen das Handlungsprojekt – zufällig – „objektiv“ kein Risiko mit sich bringt, aber völlig nach den Regeln allgemein anerkannter Erfahrung ausgeführt wird, wie etwa beim tödlichen Schuß auf den Körper einer Person, die soeben – von außen unerkennbar – gestorben ist, oder beim Abtreibungseingriff in eine Frau, bei der die Laborwerte das Vorliegen einer Schwangerschaft unzweifelhaft anzeigen, deren Fötus aber unmittelbar vorher abgestorben ist, usw. keinerlei Merkmal für ein den Täter entlastendes Werturteil“.210 c) Entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf den umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum Auch beim umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum sollte das Fehlen des rechtlich missbilligten Risikos an sich nicht zu einer Strafrahmenverschiebung führen, sondern nur dann, wenn das Vorliegen der objektiv rechtfertigenden Umstände für den Täter erkennbar ist. Da nach der vorzugswürdigen vorsatzunrechtsverneinenden eingeschränkten Schuldtheorie die Regelung des § 16 StGB analog auch auf der Ebene des subjektiven Rechtfertigungstatbestands Anwendung findet,211 der vermeidbare Erlaubnistatbestandsirrtum wie der vermeidbare Tatbestandsirrtum mithin zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führt, sollte die auch hier geltende Konzession an die Beschränktheit der kognitiven Fähigkeiten des Menschen umgekehrt bei der Frage berücksichtigt werden, inwieweit allein die Verwirklichung 209

S. 23. 210

Ebenso Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 172 ff.; ähnlich Jakobs, Schuldprinzip,

Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 176, Hervorh. im Orig. NK/Puppe, § 16 Rn. 138; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, § 16 Rn. 18; Frister, Strafrecht AT, 14/30. 211

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

des objektiven Erlaubnistatbestands den Täter entlastet. Sind also die Gründe, wegen derer der Täter das objektive Vorliegen rechtfertigender Umstände verkennt, als rational zu bewerten, kommt insoweit keine Strafmilderung in Betracht. 4. Mangel der Versuchsbeendigung a) Entstehung eines rechtserschütternden Eindrucks durch Vorbereitungshandlungen Auch Handlungen im (frühen) Vorbereitungsstadium vermögen das gesellschaftliche Wertbewusstsein zu beeinträchtigen. Wer sich etwa das zur Tötung eines anderen erforderliche Tatmittel verschafft, erschüttert bereits durch dieses Verhalten wegen dessen Einbettung in den Kontext des Zweck- oder Planungszusammenhangs eines gegen das Leben eines anderen gerichteten Handlungsprojekts die Geltung des Tötungsverbots. Er kommuniziert nämlich durch die Ausführung der Vorbereitungshandlung, dass für ihn die Befolgung der Maxime Du sollst nicht töten! kein kategorisch geltendes Verhaltensmuster bildet. Das generalpräventive Interesse mag entfallen, wenn der Täter vor dem eigentlichen Angriff auf das Rechtsgut von der Weiterverfolgung seines Handlungsprojekts absieht. Scheitert das Handlungsprojekt jedoch ohne oder gegen den Willen des Täters, verbleibt ein gewisser Grad an Verunsicherung in der Bevölkerung und damit ein relevantes Bedürfnis nach Normbestätigung. Dass im geltenden Recht prinzipiell mit Ausnahme des unmittelbaren Ansetzens (und der Teilnahmehandlungen) Handlungen im Vorfeld des eigentlichen Angriffs auf ein Rechtsgut nicht pönalisiert werden, ist deshalb nicht dem Fehlen eines generalpräventiven Interesses an der Bestrafung von Vorbereitungshandlungen geschuldet, sondern dem Überwiegen der seiner Befriedigung entgegenstehenden Interessen. Denn jede zeitliche Vorverlegung der Strafbarkeit verkürzt die Handlungsfreiheit des Bürgers ein Stück weit und führt zu einer Mehrbelastung der Strafverfolgungsorgane. Der Gesetzgeber hat deshalb für die Entscheidung über die Bestrafung von Vorbereitungshandlungen das Ausmaß des generalpräventiven Interesses an der Bestrafung (insbesondere die Bedeutung der durch das Verhalten desavouierten Norm) gegen die Freiheitsinteressen des Einzelnen und das Interesse der Strafverfolgungsorgane an zu bewältigungsfähigem Arbeitsaufwand abzuwägen.212

212 Schreibt man dem Strafrecht dagegen den Zweck des Rechtsgüterschutzes nach polizeipräventiver Maßgabe zu, ist die Handlungsfreiheit des Täters nicht gegen das generalpräventive Interesse an der Bestrafung, sondern gegen das Interesse an präventivem Rechtsgüterschutz abzuwägen (vgl. Theis, Unbeendeter Versuch, S. 86 ff.).

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

121

b) Intensivierung des rechtserschütternden Eindrucks durch den Tatfortschritt Das generalpräventive Interesse an der Bestrafung wiegt umso schwerer, je mehr der von ihm für erforderlich gehaltenen Handlungsschritte der Täter bereits verwirklicht hat.213 Der Wille des Täters, die Norm als Handlungsmaxime für sich als nicht verbindlich anzuerkennen, tritt umso unbedingter zu Tage, je geringer die Anzahl der Handlungsschritte ist, über deren Ausführung er noch zu entscheiden hat. (Erst) Mit der Versuchsbeendigung214 hat sich die unbedingte Nichtanerkennung des geschützten Rechtsguts gezeigt. Deshalb kann eine Bestrafung umso besser gerechtfertigt werden, je weiter sich die Ausführung des Handlungsprojekts der Versuchsbeendigung angenähert hat. Im geltenden Recht hat sich der Gesetzgeber jedenfalls bei Verbrechen dafür entschieden, den für den legitimen Zugriff maßgeblichen Zeitpunkt auf das unmittelbare Ansetzen zum tatbestandsmäßigen Verhalten zu fixieren (§§ 22, 23 I, 12 I StGB). Dass gerade dieser Zeitpunkt vom Gesetzgeber gewählt worden ist, ist darauf zurückzuführen, dass das generalpräventive Interesse bei Vorbereitungshandlungen, die sich durch eine besondere Nähe zur Versuchsbeendigung auszeichnen, wegen des Eintritts der Tat „in den Eifer des Gefechts“ sprunghaft ansteigt und ab diesem Zeitpunkt zu vermuten ist, der Täter werde sein Handlungsprojekt nun nicht mehr freiwillig aufgeben, da mit dem unmittelbaren Ansetzen die Planungsphase, in welcher der Täter das Für und Wider der Tatbegehung abwägt, in aller Regel beendet ist und die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung gegen die Versuchsbeendigung sich signifikant verringert hat. Ab diesem Zeitpunkt soll das Scheitern des Handlungsprojekts dem Täter wegen des insoweit zu vermutenden Fortbestehens des deliktischen Willens bis zur Versuchsbeendigung also nicht mehr zugutekommen.215 Die Bestrafung des unbeendeten Versuchs stellt sich also als Bestrafung wegen eines wahrscheinlichen, tatsächlich aber noch nicht gefassten Willensentschlusses dar. Eine vermutete, weil hochwahrscheinliche Entscheidung ist gleichwohl weniger signifikant als eine tatsächlich getroffene.216 Dass jemand etwa bei einem Schwerverletzten unmittelbar zur Einleitung lebensrettender Maßnahmen ansetzt, aus irgendwelchen Gründen jedoch nicht mehr zur Ausführung der Maßnahmen kommt – etwa weil ihm ein Dritter zuvorkommt –, wird jenem nach alltagsmoralischem Zurechnungsverständnis zwar qualitativ als Verdienst, quantitativ jedoch nicht im selben Maße als verdienstliche Handlung zugerechnet wie die tatsächliche Durch-

213

Frister, Strafrecht AT, 23/46. Zu diesem Begriff und seiner inhaltlichen Abgrenzung zu Vorbereitungshandlungen ausführlich: 2. Teil A. II. 1. 215 Herzog, Rücktritt, S. 27 ff.; Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (389); Haas, ZStW 123 (2011), 226 (246); Theis, Unbeendeter Versuch, S. 98 ff. 216 Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 184; dagegen behauptet Stein, „der subjektive Unrechtsgehalt eines unbeendeten Versuchs [bleibe] weder qualitativ noch quantitativ hinter demjenigen eines beendeten Versuchs zurück“ (SK, §16 Rn. 45). 214

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

führung der Maßnahmen. Nichts anderes gilt für die Zurechnung von Entscheidungen zur Ausführung schädigender Akte als Schuld.217 c) Unvereinbarkeit der Thematisierung des Mangels der Versuchsbeendigung als Zufall mit dem Postulat der Willensfreiheit Nun könnte man aus der Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit auf den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung in § 22 StGB den Willen des Gesetzgebers ableiten, nicht nur das Ausbleiben der vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands, sondern auch das Ausbleiben der Versuchsbeendigung als wertungsirrelevanten Zufall zu behandeln. Man könnte also meinen, eine wertungsmäßige Differenzierung zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch unterliefe die gesetzgeberische Entscheidung, dass der Zufall dem Täter ab dem Eintritt in das Versuchsstadium nicht mehr zugutekommen dürfe.218 Dafür könnte sprechen, dass das Mehr an Signifikanz des beendeten gegenüber dem unbeendeten Versuch sich als bloße Gerechtigkeitsintuition darstellt, die im Rahmen des reflexiven Werturteils durch die Thematisierung der Gründe, wegen derer es nicht zur Versuchsbeendigung gekommen ist – etwa wenn ein Tötungsversuch allein deshalb scheitert, weil dem Täter im letzten Augenblick die Tatwaffe aus der Hand geschlagen wird –, erschüttert werden kann.219 Dann wäre – ebenso wie bei den vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands – nicht das Ausbleiben der Versuchsbeendigung als solches, sondern das Vorliegen bestimmter Gründe, aufgrund derer der Verbleib der Tat im Stadium des unbeendeten Versuchs dem Täter zuzuschreiben ist, als Strafmilderungsgrund zu bewerten. Richtig ist, dass die „Ungeduld des Gesetzgebers“220, die in der Anknüpfung der Strafbarkeit an das unmittelbare Ansetzen zum Ausdruck kommt, eine (zumindest partielle) Thematisierung des execution luck221 im geltenden Strafrecht bedeutet. Dem Schluss, execution luck und resultant luck seien jedenfalls ab dem Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens gleich zu behandeln, ist aber – wenn man an der Prämisse der Entscheidungsfreiheit des Täters festhält – entgegenzuhalten, dass auch nach dem unmittelbaren Ansetzen zumindest ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung des Täters gegen den vollständigen Vollzug des deliktischen 217

So erkennt Jakobs, obwohl er die Identität der durch den unbeendeten und beendeten Versuch gebrochenen Norm postuliert, immerhin an, dass es einen quantitativen Unterschied zwischen den beiden Versuchsstadien gibt (Strafrecht AT, 25/Fn. 33b). 218 Laut Rengier „[behandle] der Gesetzgeber den unbeendeten und beendeten Versuch gleich“ (Strafrecht AT, 15/64). 219 Zur Erschütterung intuitiver Werturteile auf der reflexiven Wertungsebene mit Blick auf die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands: 2. Teil B. I. 1. a) bb), 2. a). 220 Jakobs, Strafrecht AT, 6/93. 221 Zu diesem Begriff: 2. Teil B. I. 2. d).

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

123

Verhaltens verbleibt. Die Thematisierung des Mangels der Versuchsbeendigung als Zufall verstößt deshalb gegen das aus dem Postulat der Willensfreiheit folgende Verbot, eine vorläufige Entscheidung als Determinante der noch ausstehenden endgültigen Entscheidung zu betrachten.222 Deshalb muss das Ausbleiben der Versuchsbeendigung vom Standpunkt der positiven Generalprävention zwingend strafmildernd berücksichtigt werden.223 Dies schließt natürlich nicht aus, ggf. vorliegende Umstände, aufgrund derer der Verbleib der Tat im Stadium des unbeendeten Versuchs dem Täter zuzurechnen ist, als weitergehende Milderungsgründe zu berücksichtigen.

II. Verringerung des Opferinteresses an der Bestrafung Teilweise wird die mildere Bestrafung des Versuchs auch mit dem erhöhten Genugtuungsinteresse des Opfers an der Bestrafung der vollendeten Tat begründet.224 Die Berücksichtigung des Genugtuungsinteresses des Opfers im Strafrecht wird in der Literatur auf unterschiedliche straffunktionale Gesichtspunkte gegründet. So bezwecke das Strafrecht auch, „Faustrecht und Selbstjustiz“ einzudämmen, m. a. W. also die Erhaltung des staatlichen Gewaltmonopols.225 Wird dem Genugtuungsinteresse des Opfers nicht hinreichend Rechnung getragen, entstünde die Gefahr eigenmächtiger „Rechtsdurchsetzung“ durch das Opfer und seine Angehörigen. Dagegen verweisen andere Autoren auf die Nützlichkeit der Befriedigung der Opferinteressen um ihrer selbst willen, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit emotionaler Entlastung durch die Demonstration von Anerkennung des Opferleids.226 Darüber hinaus lasse sich die Berücksichtigung des Genugtuungsinteresses des Opfers auch als besonderes Bedürfnis nach Wiederherstellung seines individuellen Normvertrauens und damit als eigenständiger Teilaspekt einer mit Blick auf die Bestätigung der Normgeltung zugefügten Bestrafung deuten, weil das Normvertrauen des Opfers einer Tat in ungleich stärkerem Maße betroffen sei als dasjenige der Allgemeinheit.227 Umgekehrt sei die Berücksichtigung der Opferinteressen um der 222

Dazu: 2. Teil B. I. 2. d) bb). So i. E. – wenn auch nicht immer unter Berufung auf den Gedanken der positiven Generalprävention – Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 217; Armin Kaufmann, in: FS Welzel, S. 393 (404); ders., ZStW 80 (1968), 34 (51 f.); Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 152 ff.; ders., JJZG 2011, 267 (282); Morse, U. Ill. L. Rev. 2004, 363 (389). 224 Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (185); Zielinski, in: FS Schreiber, S. 533 (544); vgl. auch Lampe, Strafphilosophie, S. 181. 225 Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (185); Lampe, Strafphilosophie, S. 184, 212; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 64; Zielinski, in: FS Schreiber, S. 533 (544). 226 Reemtsma, Recht des Opfers, S. 26 f.; Hörnle, JZ 2006, 950 (955); vgl. auch dies., Straftheorien, S. 37 ff. 227 Reemtsma, Recht des Opfers, S. 26 f.; Deiters, Legalitätsprinzip, S. 39; Holz, Justizgewährungsanspruch, S. 129 ff. 223

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Erhaltung der gesellschaftlichen Normanerkennung willen geboten, weil die aus diesem Zweck folgende Notwendigkeit der Berücksichtigung des allgemeinen Gerechtigkeitsempfindens nicht allein die Bestrafung nach Maßgabe dessen, was der Täter verdient, sondern auch nach Maßgabe dessen, was durch sein Verhalten erlitten worden ist, geböte.228 Auch wenn man anerkennt, dass das Opfer durch die Thematisierung der Verletzungen an seinen Rechtsgütern im Strafverfahren davor bewahrt werden solle, wegen der „Erfahrung der eigenen Unterlegenheit in Selbstverachtung“ abzugleiten, indem ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die erlittene Verletzung sei kein „Unglück“ und erst recht kein Ereignis, welches es sich selbst zuzuschreiben hat,229 bildet dies keinen Grund, das Strafübel wegen des Eintritts derartiger Verletzungen zu erhöhen. So wird der Umstand, dass die beim Opfer eingetretenen Verletzungen nicht von diesem selbst, sondern vom Täter verschuldet sind, bereits dadurch explizit gemacht, dass zwischen dem Fehlverhalten des Täters und dem Opferleid ein spezifischer Zurechnungszusammenhang besteht, es sich beim Verletzungserfolg also um das „Werk des Täters“ handelt. Diese Opferentlastungsfunktion des Strafrechts verbietet indes nur die Thematisierung des Erfolgseintritts, nicht dagegen die Thematisierung des Erfolgsmangels als bloßen Zufall.230 Anders sieht dies aus, wenn man davon ausgeht, dass die bloße Verantwortungszuweisung im Strafurteil durch die Feststellung des Zurechnungszusammenhangs nicht hinreicht, um dem Genugtuungsinteresse des Opfers Rechnung zu tragen. So ließe sich argumentieren, dass – ebenso wie die bloß verbale Thematisierung des Fehlverhaltens gegenüber der Allgemeinheit kein hinreichendes kommunikatives Gewicht aufweist, um die Normgeltung adäquat zu untermauern – sich das Opferleid im Ausmaß der Reaktion auf das Fehlverhalten widerspiegeln muss. Diese Argumentation dürfte (wiederum) dem intuitiven Gerechtigkeitsgefühl der Allgemeinheit entsprechen. Zweifelhaft ist indes, ob es vor dem Hintergrund der Aufgabenverteilung in der Gesamtrechtsordnung der eigenständigen, über die Verknüpfung von Verletzungs- und Gefährdungsfolgen mit dem Fehlverhalten des Täters hinausgehenden Berücksichtigung des Genugtuungsinteresses im Strafrecht bedarf und ob die Auferlegung eines schwerwiegenderen Übels auch der reflexiven Wertung entspricht. Denn die Abwicklung des sich aus dem Angriff auf das einer bestimmten Rechtsperson zugeordnete Rechtsgut ergebenden intersubjektiven Konflikts zwischen dem Täter und dem Rechtsgutsinhaber erfolgt auf dem Zivilrechtsweg durch die Zusprechung (oder Ablehnung) von Schadensersatz-, Herausgabe-, Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen.231 228

Ähnlich Burghardt, Zufall, S. 418. Hörnle, JZ 2006, 950 (955). 230 Vgl. Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (186); Wolter, Zurechnung, S. 117; Roxin/ Greco, Strafrecht AT I, 10/98. 231 Ebenso Lesch, Verbrechensbegriff, S. 190 ff.; Sancinetti, JJZG 2011, 267 (282); die Begründung eines solchen intersubjektiven Konflikts setzt – man blicke nur auf die Ansprüche 229

B. Gründe für die Milderung der Versuchsstrafe

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Dem infolge der Verletzung des Opfers und seiner Angehörigen eingetretenen „Mehr“ an Genugtuungsbedürfnis wird schon dadurch Rechnung getragen, dass sie auf dem Zivilrechtsweg Ersatz für ihre immateriellen Schäden verlangen können (§§ 253 II, 844 III BGB). Insbesondere dem „Schmerzensgeld“ wird eine dezidierte Genugtuungsfunktion zugeschrieben.232 Die funktionale Zuweisung der Befriedigung des Genugtuungsinteresses des Opfers zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht erscheint vor allem deshalb als vorzugswürdig, weil das Opfer wegen der hier geltenden Dispositionsmaxime selbst über die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs und über die damit verbundene Befriedigung des Genugtuungsinteresses entscheiden kann.233 Schon dadurch wird dem Bedürfnis nach „Anerkennung des Opfers als Träger subjektiver Rechte“234 genüge getan. aus Gefährdung und Aufopferung – kein rechtswidriges Verhalten voraus. So geht es etwa im modernen Schadensrecht grundsätzlich nicht um die Sanktionierung eines missbilligten Verhaltens, sondern um einen angemessenen Interessenausgleich und die gerechte Verteilung von Haftungsrisiken. Dies zeigt sich auch im Bereich des deliktischen Schadensrechts etwa an dem objektivierten Verschuldensmaßstab (vgl. § 276 II BGB) und dem Umstand, dass sich die Höhe des Schadensersatzes nicht nach dem Grad des Verschuldens, sondern nach der Höhe des entstandenen Schadens bestimmt (vgl. §§ 249 ff. BGB); dazu MK-BGB/Wagner, § 823 Rn. 38: „Der Fahrlässigkeitsmaßstab des Deliktsrechts ist nach hM ein objektiver, der zwar auf die konkrete Handlungssituation bezogen ist sowie nach Verkehrskreisen differenziert und typisiert, auf individuelle Unzulänglichkeiten des Schädigers aber keine Rücksicht nimmt.“; zur „Arbeitsteilung“ zwischen dem Zivil- und dem Strafrecht auch schon Hegel, Rechtsphilosophie, S. 194 ff. 232 MK-BGB/Oetker, § 253 Rn. 11 m. w. N.; Ebert, Pönale Elemente, S. 412 f. 233 Weiter trägt das Opfer nicht das Insolvenzrisiko des Täters, weil es gem. § 1 OEG einen Anspruch gegen den Staat auf Unterstützung bei der Bewältigung der wirtschaftlichen und der seelischen Folgen der Tat hat. Auch der Akt der wirtschaftlichen Vergemeinschaftung der Tatfolgen demonstriert die Solidarität der Allgemeinheit mit dem Opfer und die Anerkennung seines Leids. 234 Auf diesen Aspekt führt Grosse-Wilde die Notwendigkeit der Berücksichtigung der schädigenden Handlungsfolgen durch das Strafrecht zurück. Mit dem Außerachtlassen konkreter Einbußen an den Opferinteressen bei der Strafmaßbestimmung „würde man das subjektive Recht des Opfers auf Beachtung ebendieser verletzen“ (Erfolgszurechnung, S. 144). Dass subjektive Rechte in der Strafrechtsdogmatik eine Rolle spielen, zeigten etwa „die gesamte Notwehrdogmatik“ sowie der Umstand, dass der beendete Versuch eine Garantenstellung des Täters aus Ingerenz begründet (Erfolgszurechnung, S. 143). Diese Argumentation vermag aus verschiedenen Gründen nicht zu überzeugen. Zunächst einmal ist nicht ersichtlich, woraus sich das subjektive Recht auf Folgenberücksichtigung (gegen die Strafgewalt?) ergeben soll. So ist schon rein begrifflich mit der in subjektiven Rechten enthaltenen Dispositionsbefugnis über die Güter, auf die sich die subjektiven Rechte beziehen (z. B. Leben, Leib und Sachen), nicht die Berechtigung verbunden, die Berücksichtigung einer etwaigen Gutsverletzung bei der Strafzumessung verlangen zu können. Auch das Notwehrrecht spricht nicht für ein subjektives Recht auf Folgenberücksichtigung. Dieses umfasst zwar unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis zur eigenmächtigen Durchsetzung von subjektiven Rechten. Es handelt sich jedoch um ein rein präventives Rechtsinstitut und taugt daher nicht als Anknüpfungspunkt für die Begründung von Ansprüchen nach der erfolgten Rechtsverletzung. Im Übrigen richtet sich der aus dem Notwehrrecht folgende Duldungsanspruch nicht gegen die Strafgewalt, sondern gegen den Angreifer. Dass im Strafrecht subjektive Rechte eine Rolle spielen, ist für sich also kein hinreichender Grund dafür, weitere subjektive Rechte – etwa auf Folgenberücksichtigung – zu

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Orientiert man sich bei der Bestimmung der angemessenen strafrechtlichen Reaktion auf den Versuch an einer die Gesamtrechtsordnung in den Blick nehmenden „globalen“ Betrachtung und thematisiert den Erfolgsmangel darüber hinaus als resultant luck, dürfte die Strafmilderung wegen des Erfolgsmangels sogar als noch erheblichere Ungerechtigkeit aufgefasst werden. Bezieht man die zivilrechtliche Reaktion nämlich mit in die Betrachtung ein, so wird deutlich, dass die obligatorische Strafmilderung beim Versuch wegen des Ausbleibens des Erfolgs eine doppelte Besserstellung des Täters durch das Wirken des Zufalls zur Konsequenz hätte, nämlich durch die Verschonung mit haftungsrechtlichen und die Auferlegung minderschwerer strafrechtlicher Konsequenzen.

III. Verhaltenssteuerung durch Ausübung von psychologischem Zwang Insbesondere im (frühen) 19. Jahrhundert wurde als Argument für die Milderung der Versuchsstrafe vorgebracht, das Strafmaß müsse mit jedem weiteren Fortschritt der Tat ansteigen, um dem Täter auch nach Eintritt in das strafbare Tatstadium einen Anreiz zu setzen, sein Handlungsprojekt abzubrechen bzw. etwaige schädliche Folgen seines Verhaltens zu verhindern.235 Dass die an die Vollendung geknüpfte Strafmaßerhöhung sich als adäquates Instrument der Verhaltenssteuerung darstellt, ist jedoch wenig überzeugend. Denn gegen eine auf die Abschreckungswirkung des Strafrechts gestützte Begründung der Strafmilderung beim Versuch gelten die ohnehin bestehenden Zweifel an der verhaltenssteuernden Wirkung der Ankündigung des Strafübels noch ungleich stärker, weil der Täter nach Überschreiten der Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen und mit dem Eintritt in den „Eifer des Gefechts“ kaum noch rationale Erwägungen darüber anstellen wird, ob sich der Abbruch des Handlungsprojekts bzw. die Einleitung von Gegenmaßnahmen noch lohnen: Mit dem Beginn der Tatausführung ist die Phase des Kalkulierens über den Nutzen und die Kosten der Tat regelmäßig längst beendet. Auch wenn man aber nach dem Eintritt der Tat in das Versuchsstadium der Aussicht auf ein höheres Strafmaß im Falle des Weiterhandelns verhaltenssteuernde Wirkung zuschreibt, ist im Rahmen des geltenden Rechts die Wirksamkeit dieses postulieren. Weiter wird durch diese Argumentation die systematische Bedeutung subjektiver Rechte im deutschen Recht verkannt. So umfasst ein subjektives Recht allgemein auch die Befugnis des Rechtsinhabers, dieses prozessual geltend zu machen oder eine Geltendmachung zu unterlassen (vgl. Schulev-Steindl, Subjektive Rechte, S. 32 ff.). Das deutsche Strafprozessrecht enthält jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Berücksichtigung von Rechtsgutsverletzungen oder -gefährdungen durch die Strafgerichte vom Willen des Rechtsgutsinhabers bei der Strafzumessung abhängt. 235 Dazu ausführlich: 1. Teil B. I. 2.; in jüngeren Beiträgen wird das Argument jedenfalls mit Blick auf die Erhöhung der Strafe wegen des Erfolgseintritts noch dargestellt bzw. diskutiert bei Schulhofer, U. Pa. L. Rev. 122, 1497 (1519 ff.); Becker, Philos. Public Aff. 3 (1974), 262 (288 ff.), Burkhardt, BYU L. Rev. 1986, 553 (556); Lewis, Philos. Public Aff. 18 (1989), 53 (55); Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung, S. 135 f.

C. Exkurs 1

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Anreizes anzuzweifeln, weil sowohl der Abbruch des Handlungsprojekts vor der Versuchsbeendigung als Aufgabe der weiteren Tatausführung (§ 24 I S. 1 Var. 1 StGB) als auch die Verhinderung der Tatvollendung (§ 24 I S. 1 Var. 2 StGB) mit Straffreiheit honoriert werden. Insoweit kann die Strafmaßerhöhung allenfalls ein zusätzlicher Grund für den Täter sein, nicht in das nächste Tatstadium fortzuschreiten. Überdies besteht neben dem positiven Anreiz der aus dem Rücktritt folgenden Straffreiheit bereits ohne die Strafmaßerhöhung der negative Anreiz zum Verzicht auf das Weiterhandeln bzw. zum Verhindern des Schadenseintritts durch andernfalls entstehende Schadensersatzpflichten.236 Den entscheidenden Einwand gegen die auf die Verhaltenssteuerung abzielende Strafmaßerhöhung wegen des Erfolgseintritts bildet aber folgende Erwägung: Eine erfolgsakzessorische Strafmaßerhöhung hängt überhaupt nicht zwingend von einem bestimmten Verhalten des Täters ab, sondern allein davon, ob der Erfolg eintritt. Um den Täter zur Vornahme etwaiger Rettungshandlungen zu bewegen, wäre effektiver, diesem nicht für den Fall des Erfolgseintritts, sondern für den Fall des Unterlassens von Rettungshandlungen bzw. der Vornahme weiterer in Richtung auf die Vollendung gerichteter Handlungen eine Erhöhung des Strafmaßes in Aussicht zu stellen. Nur so kann der Täter nämlich nicht darauf hoffen, dass der Erfolg wegen sonstiger, ihm nicht zuzurechnender Umstände ausbleibt und er sich in jedem Fall um die Erfolgsverhinderung bemühen bzw. weitere Ausführungshandlungen unterlassen muss, um die Strafmaßerhöhung abzuwenden. Umgekehrt wäre eine Strafmaßerhöhung mit dem Gedanken der Verhaltenssteuerung auch nicht mehr zu legitimieren, wenn der Täter durch die Tathandlung einen Kausalverlauf in Gang gesetzt hat, dessen Realisierung er überhaupt nicht mehr verhindern kann, so etwa, wenn die bereits aus der Pistole ausgetretene Kugel den Tod des Opfers binnen Sekundenbruchteilen herbeiführt.

C. Exkurs 1: Zur funktionalen Deutung des objektiven Tatbestands im geltenden Recht I. Der objektive Tatbestand als Kriterium zur Selektion der strafprozessual zu thematisierenden Normwidersprüche Auch wenn es keinen rationalen Grund gibt, die unvollständige Verwirklichung des objektiven Tatbestands strafmildernd zu berücksichtigen,237 stellt sich die Frage, ob sich der Einfluss objektiver Merkmale zumindest in ihrer Funktion als Strafbarkeitsvoraussetzungen erklären lässt. Insoweit wird in der Literatur zum Teil auf die begrenzende Funktion objektiver Merkmale verwiesen. Da sich Täterinterna je nach Grad ihrer Objektivierung vielfach nur schwer beweisen ließen, werde auf die 236 237

Schulhofer, U. Pa. L. Rev. 122, 1497 (1519). Dazu: 2. Teil B. I. 2., 3., II., III.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

strafrechtliche Verfolgung reiner Motivationsfehler bei Delikten verzichtet, an deren Bestrafung kein allzu schwerwiegendes generalpräventives Interesse besteht. Der objektive Tatbestand als Sanktionsvoraussetzung trage also der besseren Beweisbarkeit objektiv manifestierter Motivationsfehler (Beweisfunktion) und damit zugleich dem Bedürfnis nach Schutz der Strafverfolgungsorgane vor übermäßiger Inanspruchnahme (Justizentlastungsfunktion) Rechnung.238 Allerdings beschreibt die Limitierung der Verfolgung des generalpräventiven Interesses die Funktionen des objektiven Tatbestands nur unzureichend. Zum einen ließen sich die gegenläufigen Interessen an der motivationsunrechtsangemessenen Bestrafung und am Schutz der Justizorgane vor übermäßiger Inanspruchnahme besser dadurch in Einklang bringen, dass man die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht an den Eintritt eines zurechenbaren Erfolgs knüpft, sondern sie (ggf. folgenunabhängig) auf die Fälle grober Fahrlässigkeit beschränkt239 und die bisherige Straflosigkeit des Versuchs bei bestimmten Delikten (vgl. § 23 I StGB) durch den Verzicht auf die Strafbarkeit von unbeendeten Versuchshandlungen bei minderschweren Delikten ersetzt.240 Zum anderen kann die Beweisfunktion des objektiven Tatbestands nur erklären, warum es überhaupt eines bestimmten Maßes an Objektivierung des Motivationsfehlers bedarf, etwa einer wahrnehmbaren Körperbewegung oder der Vollendungstauglichkeit. Aus dem Eintritt eines Rechtsgutsverletzungserfolgs folgt dagegen keine Erleichterung des Beweises eines Motivationsfehlers. Wie oben gezeigt, nimmt die Allgemeinheit objektiv manifestierte Motivationsfehler jedenfalls intuitiv als die schwerwiegendere Erscheinungsform deliktischen Verhaltens wahr.241 Insoweit fällt das generalpräventive Interesse an der Bestrafung des vollständig objektivierten Motivationsfehlers zumindest vor der Thematisierung der Gründe für den Mangel der Objektivierung im Strafprozess größer aus. Deshalb kann „der erfolglose Normwiderspruch […] von der Gesellschaft eher übergangen werden als eine konkrete Rechtsgutsverletzung, deren Existenz sich der Gesellschaft sichtbar aufdrängt“.242 Weil die Verwirklichung des objektiven Tatbestands das intuitive Bedürfnis nach Bestrafung erhöht, lässt sich die Erfolgsrelevanz bei der Strafbegründung in einem auf die Normgeltungserhaltung abzielenden Strafrecht also auch intrasystematisch erklären. Soweit die Objektivierung des Motivationsfehlers über die Strafbarkeit dem Grunde nach entscheidet – etwa bei den Fahrlässigkeitsdelikten, den Delikten ohne Versuchsstrafbarkeit (vgl. § 23 I StGB), dem Rücktritt durch die freiwillige Verhinderung der Tatvollendung (§ 24 I S. 1

238

Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 210; Degener, ZStW 103 (1991), 357 (378 ff.); Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 187; ders., JJZG 2011, 267 (269). 239 Schünemann, in: FS Schaffstein, S. 159 (172). 240 Vgl. Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 102. 241 Dazu: 2. Teil B. I. 1. b) aa). 242 Deiters, Strafzumessung, S. 54; ähnlich schon Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 205 ff.

C. Exkurs 1

129

Var. 2, S. 2 StGB)243 oder der prinzipiellen Abhängigkeit der Bestrafung von Teilnahmehandlungen von der Begehung einer rechtswidrigen und vorsätzlichen Tat durch einen anderen (vgl. §§ 26, 27, 30 StGB) –, ist der hier vertretene Erklärungsansatz mit dem geltenden Recht also vereinbar.244 243 Zur Begründung der Versuchsspezifität von § 24 I S. 1 Var. 1, S. 2 StGB ausführlich: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd). 244 Verschiedene Autoren begründen die Erfolgsrelevanz im Strafrecht darüber hinaus damit, der Einsatz der Strafe als Reaktion auf erfolgreiche Taten sei besonders geeignet, „die Sinnhaftigkeit bestimmter Normen aufzuweisen“ und „sozialpädagogisch“ zu wirken. Die Demonstration der Normfortgeltung sei vor allem in solchen Fällen geboten, in denen „der Sinn der rechtlichen Verhaltensanforderungen […] in besonderem Maße einleuchtet“, was vor allem dann der Fall sei, wenn der Erfolg, dessen Verhinderung die Norm bezweckt, eingetreten ist (so Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 518; ähnlich Dencker, in: GS Kaufmann, S. 441 (451); Ast, in: Strafrecht u. Gesellschaft, S. 195 (209)); dieses Argument wird in der Literatur zur Legitimierung objektiver Strafbedingungen (etwa in den §§ 231, 323a) vorgebracht (Jakobs, Strafrecht AT, 10/1 ff.; Geisler, Vereinbarkeit, S. 297 ff.). Die Bestrafung folgenloser Verhaltensweisen sei dagegen weniger geeignet, den Grund für die rechtliche Missbilligung der jeweiligen Handlung zu demonstrieren. So meint Geisler, „die Sinnhaftigkeit des […] Verbots [werde] wegen des ausbleibenden Erfolgs gewissermaßen nur wie durch einen Schleier hindurch wahrgenommen“ (Vereinbarkeit, S. 299). Horn deutet die durch den Erfolgseintritt erhöhte Sinnfälligkeit des Fehlverhaltens dagegen spezialpräventiv, da diese gegenüber dem Täter die Berechtigung der Bestrafung besonders einsichtig mache und der Täter „mit einer besonderen Aussicht auf therapeutischen Erfolg der Strafe zugeführt werden [könne]“ (Gefährdungsdelikte, S. 100 f.). In der Tat ist auf den ersten Blick plausibel, gerade solche Fälle im Strafverfahren zu thematisieren, in denen sich das durch die Verhaltensnorm untersagte Risiko im Rechtsgutsverletzungserfolg verwirklicht, der Grund für die Missbilligung des Risikos und die Legitimität der Verhaltensnorm also augenfällig werden. Um einen bestimmten Standard als verbindliche Verhaltensvorgabe zu akzeptieren, muss für den Einzelnen – unterstellt, dass er die Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen als berechtigtes Anliegen ansieht – einsichtig sein, dass durch ihre Befolgung tatsächlich die Schaffung und Erhöhung von Risiken des Eintritts von Rechtsgutsverletzungen vermieden werden und die Norm zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes und nicht zur „Gängelung“ ihrer Adressaten erlassen worden ist. Diese Argumentation beruht auf einem anderen Verständnis positiver Generalprävention als in den bisherigen Ausführungen zugrunde gelegt. Nach ihm verfolgt die Bestrafung nämlich nicht das Ziel, die Überzeugung von der Richtigkeit der Normbefolgung zu stabilisieren, sondern von ihrer Zweckmäßigkeit. Strafe symbolisiert demnach nicht den Wert der hinter dem Tatbestand stehenden Institution, sondern bezweckt die Erhaltung der Vorstellung, dass die Befolgung bestimmter Metaregeln, die von der eigentlichen Institution zu unterscheiden sind (dazu: 2. Teil A. I. 2.), der Integrität der Rechtsgüter dienen. Auf diese Weise kann freilich nur die erfolgsakzessorische Bestrafung solcher Verhaltensweisen erklärt werden, deren Geeignetheit, Verletzungserfolge herbeizuführen, nicht offensichtlich ist. Insoweit ließe sich insbesondere die Abhängigkeit der Bestrafung leichter Fahrlässigkeit vom Erfolgseintritt erklären. Allerdings erweist sich diese Begründung der Erfolgsrelevanz bei genauerem Hinsehen als ambivalent. So wird das Interesse an der Bestrafung durch den Erfolgseintritt unter dem Gesichtspunkt des Demonstrationsbedürfnisses nämlich nicht erhöht, sondern vermindert, da vom Erfolg unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit insoweit ein rechtsbestätigender Eindruck ausgeht, als gerade der durch das rechtlich missbilligte Verhalten bedingte Erfolgseintritt besonders eindrücklich die Sinnhaftigkeit der Normbefolgung vor Augen führt. Umgekehrt besteht im Falle des Ausbleibens der Verwirklichung einer nicht evident gefährlichen Handlung im Erfolg eine besondere Gefahr für die Normgeltung, weil von der „Nutzlosigkeit“ der Befolgung des Normbefehls im Einzelfall auf die generelle Unzulänglichkeit der Norm als Instrument des

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Was die „Übergehung“ defizitär objektivierter Motivationsfehler angeht, muss zwischen zwei verschiedenen Konstellationen unterschieden werden. Ist ohne weiteres offensichtlich, dass sich ein minder signifikanter Normbruch nicht in einem Rechtsgutsverletzungserfolg verwirklicht hat, besteht u. U. nicht einmal ein Bedürfnis nach prozessualer Thematisierung des Motivationsfehlers, weil dieser – getreu der Maxime „Ende gut, alles gut“ – schon wegen seiner evidenten Folgenlosigkeit intuitiv als „nicht so schlimm“ bewertet wird. Dies gilt selbstverständlich für alltägliche Sorgfaltspflichtwidrigkeiten im Straßenverkehr, aber auch in Fällen, in denen sich das destruktive Potential der Hilfeleistung zur Begehung einer Straftat (vgl. § 27 StGB) – etwa das Aushändigen des Tatwerkzeugs – nicht durch den Einsatz des Werkzeugs bei der Begehung einer Straftat offenbart hat. Das normwidrige Verhalten bleibt rein äußerlich hinreichend farblos, um auf eine strafprozessuale Thematisierung verzichten zu können. Insoweit entspricht die Funktion des Erfolgs den „als Bedingungen der Strafbarkeit ausgestalteten Unrechtsmerkmalen“.245 So wird das Bedürfnis der Bestrafung der Beteiligung an einer Schlägerei regelmäßig erst dadurch ausgelöst, dass im Rahmen der Schlägerei „etwas passiert ist“, es also entweder zum durch die Schlägerei bedingten Tod oder zum Erfolg einer schweren Körperverletzung gekommen ist (§ 231 StGB). Ebenso verhält es sich auch mit anderem relativ unscheinbarem normwidrigen Verhalten. Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen entweder der Normwiderspruch schon an sich unabhängig von seiner Objektivierung hinreichend signifikant ist, um prozessual thematisiert zu werden – insbesondere bei strafbaren Versuchshandlungen, Gefährdungsdelikten oder der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen (vgl. § 30 I StGB) –, oder aber sich die fehlende Objektivierung des (ggf. an sich sogar wenig signifikanten) Normbruchs nicht von selbst aufdrängt. Letzteres ist etwa der Fall, wenn zwischen dem Normbruch und dem Erfolg ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht, der Erfolg aber aufgrund der diffizilen Anforderungen des objektiven und subjektiven Verwirklichungszusammenhangs nicht als das Ergebnis des Motivationsfehlers zugerechnet werden kann. Auch in letzteren Fällen besteht nämlich allein wegen der Möglichkeit der Verantwortlichkeit für den Erfolgseintritt schon deshalb ein Interesse an der strafprozessualen Thematisierung des Normbruchs, weil „etwas passiert ist“. Da es hier regelmäßig zu einer strafprozessualen Thematisierung kommt, könnte man meinen, dass die Strafbarkeit in solchen Fällen nicht von der Zurechenbarkeit des Erfolgs abhängen könne, weil das Fehlen des Zurechnungszusammenhangs als bloßer Zufall keinen Einfluss mehr auf die Bewertung der Handlung habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass der objektive Rechtsgüterschutzes geschlossen werden könnte. Gerade in solchen Fällen bedarf es deshalb einer nachdrücklichen Darlegung rationaler Gründe für die Normbefolgung durch die Thematisierung der potentiellen Folgen der durch die Norm untersagten Handlung. Somit kann das besondere Bedürfnis der Darlegung von Gründen für die Normbefolgung auch und gerade als Argument für die Thematisierung folgenlos gebliebener Handlungen herhalten. 245 Vgl. zur und Funktion und Legitimität von Strafbedingungen Frister, Strafrecht AT, 21/ 5 ff.

C. Exkurs 1

131

Tatbestand auch noch nach dem Beginn der strafprozessualen Thematisierung des Normwiderspruchs zumindest zeitweise Einfluss auf das Strafbedürfnis hat, weil es in ihrem Rahmen nicht sofort zu einer Verflüchtigung der intuitiven Erfolgsrelevanz kommt. Weil sich dies am besten anhand der Regelungen zum Versuch erklären lässt,246 werde ich mich unten nach der Erörterung dieser Vorschriften in einem weiteren Exkurs mit der Selektionsfunktion des Erfolgs während der strafprozessualen Thematisierung auseinandersetzen.247 Zu konzedieren ist jedoch schon hier, dass Regelungen, die dem Grad der Willensobjektivierung und insbesondere den Handlungsfolgen (zwingenden) Einfluss auf die Strafhöhe einräumen, mit der hier vertretenen Sicht unvereinbar sind.248 Dies gilt für § 30 I S. 2 StGB, der in dem Fall, dass der Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen nicht zur Begehung der vorsätzlichen und rechtswidrigen Tat geführt hat, eine obligatorische Strafmilderung nach § 49 I StGB anordnet249 und natürlich insbesondere für die strafrahmenprägende Bedeutung des Erfolgs bei den erfolgsqualifizierten Delikten.250 Weil es im Strafverfahren zu einer umfassenden Thematisierung der Gründe für das Ausbleiben der Objektivierung des deliktischen Willens kommt, verflüchtigt sich die Gerechtigkeitsintuition, wonach eine Handlung weniger signifikant sei, wenn „nichts passiert ist“.251 Der damit einhergehenden reflexiven Gerechtigkeitsanschauung, die Handlung aus der ex ante-Perspektive zu bewerten, entspräche es, die geltende obligatorische Strafmilderung in § 30 I S. 2 StGB durch eine fakultative Strafmilderung zu ersetzen. Die Erfolgsqualifikationen wären zu streichen und – sofern dies überhaupt noch erforderlich ist – durch abstrakte Gefährdungstatbestände zu ersetzen.252

246

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd). Dazu: 3. Teil B. III. 1. c). 248 Zur Vereinbarkeit von § 46 II S. 2 4. Zeile StGB mit der hier vertretenen Auffassung: 3. Teil C. I. 1. c). 249 Gegen die Legitimität der obligatorischen Strafmilderung bei der versuchten Anstiftung auch Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 298. 250 Lorenzen sieht in den Erfolgsqualifikationen – jedenfalls in ihrer gegenwärtigen Form – gar einen Verstoß gegen das Schuldprinzip (Rechtsnatur, S. 164 ff.); kritisch auch Dornseifer, in: GS Kaufmann, S. 427 (435); Deiters, Strafzumessung, S. 56 f. 251 Dazu: 2. Teil B. I. 1. a), b), c). 252 Modellcharakter hätte etwa § 224 I Nr. 5 StGB. Da es stets Zufall ist, ob sich eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung im Tod des Opfers realisiert, sollte die Körperverletzungshandlung und das Ausmaß ihrer Gefährlichkeit für das Strafmaß entscheidend sein. Dem Umstand, dass sich die Körperverletzungshandlung im Erfolg realisiert, sollte dagegen – entgegen dem geltenden Recht (vgl. § 227 I StGB) – keine Bedeutung für das Strafmaß zukommen. 247

132

2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

II. Langfristige Aussicht auf Eliminierung der Erfolgsrelevanz im Strafrecht? Eine grundlegende Revision des Strafrechts zwecks Eliminierung der Erfolgsrelevanz auch im Rahmen der Strafbarkeitsbegründung könnte wohl erst dann auf allgemeine Akzeptanz rechnen, wenn sich die Erfolgsrelevanz im alltagsmoralischen Denken als Gerechtigkeitsintuition verflüchtigt. Ob dies geschehen wird, kann heute nicht mit Gewissheit gesagt und deshalb allenfalls aufgrund von Plausibilitätserwägungen prognostiziert werden. Darauf, dass es früher oder später zu einer Eliminierung der Erfolgsrelevanz kommen wird, deutet die teilweise vertretene These hin, wonach das heutige Nebeneinander des handlungs- und erfolgsunrechtsorientierten Denkens als Reminiszenz an das schon im ersten Teil dieser Arbeit beschriebene,253 dem Weltbild aller vorreflexiven Gesellschaften immanente subjektivistische Deutungsmuster äußerer Ereignisse und als das Ergebnis eines „sich Überlappens“ kognitiver Entwicklungsstufen zu deuten sei. Insbesondere Sancinetti bezeichnet das Denken, das zwar die unrechtskonstituierende Bedeutung der Risikoschaffung erkennt, der Risikorealisierung aber gleichwohl unrechtserhöhende Wirkung zuschreibt, als „halbanimistisch“ („semi-animista“),254 als „Abgabe, die das Schuldstrafrecht noch an die Überreste des mythischen Strafrechts zu entrichten [habe]“ und als „Erfolgsmythos“.255 Die unrechtserhöhende Wirkung des Erfolgs beruhe „auf atavistischen Wurzeln des Strafrechts, die einem animistischen Denken verhaftet [seien], das dem Willen eine Art übernatürliche Kraft [zuspreche], die mit göttlicher Hilfe genau ins Schwarze treffen [lasse]“.256 Deutlicher noch tritt die These eines noch nicht abgeschlossenen Prozesses der Zurückdrängung der Erfolgsrelevanz bei Lüderssen zutage, wenn er meint, „unsere historische Situation [sei] irgendwo in der Mitte zwischen archaischer Erfolgsorientierung und ausschließlicher Orientierung an Handlungsunwerten“.257 Plausibel ist die These eines Entwicklungsprozesses weg von der strikten Folgenorientierung hin zu einer Bewertung von Handlungen unabhängig von den durch sie realisierten Folgen insoweit, als sie zu erklären vermag, aus welchem Grund die Bestrafung folgenloser Handlungen in der deutschen Rechtsgeschichte bis in die Neuzeit lediglich fragmentarischen Charakter hatte und die Anerkennung der Versuchsstrafbarkeit als allgemeines Rechtsinstitut erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts in die Kodifikationsgeschichte Einzug gehalten hat.258 Da die Kategorie Zufall in253

Dazu: 1. Teil A. I. Sancientti, Teoría, S. 128. 255 Sancinetti, Teoría, S. 68 ff., 77 ff.; ders., Unrechtsbegründung, S. 24 ff.; ders., JJZG 2011, 267 (267 ff.). 256 Sancinetti, JJZG 2011, 267 (268). 257 Lüderssen, in: FS Bockelmann, S. 181 (199); ähnlich schon Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 204 Fn. 14. 258 Dazu: 1. Teil A. I., II. 254

C. Exkurs 1

133

nerhalb des vorreflexive Gesellschaften beherrschenden subjektivistischen Deutungsschemas nicht vorkommt, wird in seinem Rahmen jedes äußerlich schädigende Ereignis als die Manifestation eines „bösen Willens“ gedeutet.259 „Solange die Welt im subjektivistischen Paradigma interpretiert wird, dürfen und müssen Ereignisse, die jemandem widerfahren, als intentional bedeutsam verstanden werden.“260 Umgekehrt lässt jedes Fehlen einer äußerlichen Manifestation auf das Fehlen eines dahinterstehenden bösen Willens schließen. Menschen in vorneuzeitlichen Gesellschaften „hatten keine Vorstellung von empirischer Kausalität, Naturgesetzen und mechanischer Weltordnung. (…) Jede Bewegung, jede Regelmäßigkeit und jedes Phänomen wurde als Manifestation einer Seele und eines Willens genommen.“261 Die Bewertung von Handlungen nach wahrscheinlichen, jedoch hypothetisch gebliebenen Folgen setzt dagegen zumindest ein gewisses Maß an Differenzierung zwischen Kausalität und Intentionalität voraus, wie es sich erst allmählich im Denken der Neuzeit durch die Einsichten in die objektiv-kausalen Wirkzusammenhänge der Welt entwickelt hat.262 Auch das Nachwirken der subjektivistischen Deutung äußerer Ereignisse im heutigen alltagsmoralischen Denken erscheint mir als plausible These. Da sich die menschliche Geistesentwicklung nicht als Abfolge klar konturierter Stadien, sondern als ein sich in fließenden Übergängen vollziehender Prozess allmählicher Veränderung darstellt, wirken frühere Entwicklungsstadien sicherlich auch im heutigen Denken nach. Ebenso wie sich im vorneuzeitlichen Weltbild schon „Einsprengsel“ des objektiv-kausalen Deutungsschemas finden,263 dürfte umgekehrt das Denken moderner und vollindustrialisierter Gesellschaften von früheren Entwicklungsstufen geprägt sein. Mit Blick auf die Strafrechtsdogmatik lassen sich so problemlos die Wurzeln der Auffassung des objektiven Tatbestands als Manifestation des Motivationsfehlers in der Außenwelt identifizieren. Die Formulierung Welzels etwa, wonach die vorsätzliche Ingangsetzung eines schädigenden Kausalverlaufs sich als „Überdetermination“ von Finalität darstelle,264 steht exemplarisch für das Fortwirken des subjektivistischen Deutungsschemas in der strafrechtlichen Begriffsbildung.

259 Diese Identifizierung von Kausalität und Intentionalität hat sich auch sprachlich manifestiert. So lässt sich das altgriechische Wort aQt_a sowohl mit Ursache als auch mit Schuld übersetzen. 260 Dux, Logik, S. 104. 261 Oesterdiekhoff, Entwicklung, S. 131 f.; ebenso schon Kelsen, Vergeltung, S. 9. 262 Oesterdiekhoff, Entwicklung, S. 131 f.; ders., in: Hoheitliches Strafen, S. 175 (181); dieser kognitive Entwicklungsprozess lässt sich nach den grundlegenden Forschungen Piagets auch „innerhalb eines Menschenlebens“ beobachten: Während äußere Ereignisse im (frühen) Kindesalter noch als intentional bedeutsam aufgefasst, Kausalität und Intentionalität also identifiziert werden, kommt es mit der geistigen Reifung des Menschen zu einer zunehmenden Differenzierung dieser beiden Kategorien (vgl. Das moralische Urteil beim Kinde, S. 133 ff.). 263 Dux, Logik, S. 104 f. 264 Vgl. Welzel, Strafrecht, S. 35.

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2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

Daran, dass es sich – wie dies in den Formulierungen Sancinettis und Lüderssens anklingt – nur um eine Frage der Zeit handelt, bis das Erfolgsdenken vollständig überwunden ist, habe ich aber Zweifel. Die Erfolgsfixierung des alltagsmoralischen Denkens hat nämlich – wie bereits oben beschrieben – auch heute noch eine ganz praktische Funktion. Solange die Ressourcen an zeitlicher und intellektueller Energie, die von einer konsequenten Bewertung von Handlungen auf Grundlage der ex ante-Perspektive vorausgesetzt werden, beschränkt bleiben, verbleibt auch fortan ein Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion, welches die Bewertung von Handlungen auf Grundlage der ex post-Perspektive und die Deutung äußerer Ereignisse als Manifestationen von auf sie gerichteten Willensakten erforderlich macht.265 Eine Verflüchtigung der Erfolgsrelevanz im alltagsmoralischen Denken lässt sich für die nahe Zukunft daher m. E. nicht prognostizieren.

D. Zusammenfassung Insgesamt lassen sich drei verschiedene Sanktionsvoraussetzungen, die für die Vollendungsstrafbarkeit, nicht dagegen für den Versuch konstitutiv sind, unterscheiden. Diese vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen sind - der gegenüber dem unmittelbaren Ansetzen qualifizierte Grad an Verwirklichungsbewusstsein (Versuchsbeendigung),266 - die objektive Schaffung eines mit dem Vorstellungsbild des Täters kongruenten rechtlich missbilligten Risikos267 - und die Verwirklichung des vorsätzlich geschaffenen Risikos im tatbestandsmäßigen Erfolg.268 Die fehlende Objektivierung des Motivationsfehlers – also der Mangel des Erfolgseintritts und der Mangel der objektiven Vollendungstauglichkeit – ist an sich kein Grund für die Milderung der Versuchsstrafe, sondern nur dann, wenn sie sich auf ein Rationalitätsdefizit des Tätervorgehens zurückführen lässt. Für den Erfolgsmangel ergibt sich dies daraus, dass es zwar im Allgemeinbewusstsein die Intuition gibt, Handlungen nach ihren Folgen zu bewerten, sich diese Intuition jedoch verflüchtigt, sobald es – wie dies im Rahmen der strafprozessualen Behandlung des Versuchs der Fall ist – zu einer umfassenden Thematisierung der Gründe für das Ausbleiben der Folgen kommt. Auf der für die Höhe der Versuchsbestrafung maßgeblichen reflexiven Wertungsebene kommt der ex post-Perspektive keine Bedeutung mehr zu. Nicht der Erfolgsmangel als solcher, sondern 265 266 267 268

Dazu: 2. Teil B. I. 2. a) bb). Dazu: 2. Teil A. II. 1. Dazu: 2. Teil A. II. 2. Dazu: 2. Teil A. III.

D. Zusammenfassung

135

allenfalls seine Gründe – etwa die Geringfügigkeit des durch den Täter geschaffenen Risikos – können die mildere Versuchsbestrafung gebieten.269 Die Begründung des Ausschlusses der obligatorischen Milderung wegen der fehlenden objektiven Vollendungstauglichkeit folgt dagegen nicht aus der Dichotomie ex ante versus ex post, sondern aus der Dichotomie subjektiv versus objektiv. Da die kognitiven Fähigkeiten des Menschen – also sein Wahrnehmungsvermögen und sein Erfahrungswissen – beschränkt sind, kann nicht jeder versuchsbegründende Irrtum täterentlastend wirken, sondern nur dann, wenn sich der Irrtum als vermeidbar darstellt. Das Vermeidbarkeitsurteil hat sich – ähnlich wie bei der Fahrlässigkeit, nur unter umgekehrten Vorzeichen – daran zu orientieren, welche kognitiven Fähigkeiten bzw. welchen Gebrauch kognitiver Fähigkeiten die Gesellschaft grundsätzlich vom Einzelnen erwartet. War der umgekehrte Tatbestandsirrtum auch unter Anwendung dieser Fähigkeiten unvermeidbar, kann der Irrtum keinen entlastenden Umstand bilden.270 Nur das Fehlen der Versuchsbeendigung stellt sich als zwingender Grund dar, den Versuch gegenüber der Vollendung milder zu bestrafen. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass eine hypothetisch gebliebene Entscheidung, die generell den Vorwurf für bloße Vorbereitungshandlungen begründet, stets weniger schwerwiegend ist als die tatsächlich getroffene Entscheidung. Schreibt man dem Täter bis zum letzten Grad des Verwirklichungsbewusstseins Entscheidungsfreiheit zu, kann die hypothetisch gebliebene Entscheidung auch nicht durch einen noch so hohen Wahrscheinlichkeitsgrad, dass es zu dieser Entscheidung kommen wird, ersetzt werden.271 Auch bei Berücksichtigung der Opferinteressen272 oder aus dem Ziel der Verhaltenssteuerung durch die Sanktionsandrohung273 folgt kein rationaler Grund für eine obligatorische Strafmilderung wegen des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium. Funktional lässt sich der objektive Straftatbestand als berechtigtes Selektionskriterium für die im Strafprozess zu thematisierenden Normwidersprüche erklären. Denn jedenfalls das intuitive Strafbedürfnis hängt in hohem Maße davon ab, ob sich der Motivationsfehler objektiviert hat, ob also „etwas passiert ist“. Deshalb ist die gesetzgeberische Entscheidung, von der Objektivierung des Motivationsfehlers die strafprozessuale Thematisierung desselben abhängig zu machen, legitim.274 Noch offen geblieben ist, welche Rolle der objektive Tatbestand hat, nachdem die Entscheidung über dessen strafprozessuale Behandlung affirmativ gefallen ist.275 Schon an dieser Stelle kann jedoch festgehalten werden, dass jedenfalls diejenigen Vor269 270 271 272 273 274 275

Dazu: 2. Teil B. I. 2. Dazu: 2. Teil B. I. 3. Dazu: 2. Teil B. I. 4. Dazu: 2. Teil B. II. Dazu: 2. Teil B. III. Dazu: 2. Teil C. I. Dazu: 3. Teil C. III. 1. c).

136

2. Teil: Die vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen

schriften des geltenden Rechts nach dem hier vertretenen Standpunkt illegitim sind, welche der Objektivierung des Motivationsfehlers – wie etwa § 30 I S. 2 StGB oder die Erfolgsqualifikationen – Einfluss auf die Strafhöhe einräumen. Eine Eliminierung des Einflusses objektiver Tatumstände auf die Strafbarkeit dem Grunde nach erscheint mir dagegen weder geboten noch sinnvoll oder in naher Zukunft wahrscheinlich.276

276

Dazu: 2. Teil C. II.

3. Teil

Anwendung von § 23 II StGB A. Der Regelungsgehalt von § 23 II StGB: Fakultative Strafrahmenmilderung Dass es sich bei § 23 II StGB um eine Vorschrift handelt, deren Regelungsgehalt eine Strafrahmenmodifikation umfasst, folgt nicht schon aus der Formulierung, wonach der Versuch milder bestraft werden kann als die vollendete Tat, sondern aus dem eingeklammerten Verweis auf § 49 I StGB. Es stellt sich daher erstens die Frage, in welcher Weise § 23 II StGB den Versuchsstrafrahmen modifiziert und zweitens, ob sich der Regelungsgehalt in der Strafrahmenmodifikation erschöpft. Die reine Strafrahmenbezogenheit des Ermessens geben andere fakultative Strafmilderungen des Allgemeinen Teils (§§ 13 II, 17 S. 2, 21 S. 2, 35 I S. 2, 46a, 46b I StGB) insoweit klarer wieder, als sie bestimmen, dass die Strafe nach § 49 I StGB gemildert werden kann, sich das richterliche Ermessen also unzweifelhaft auf die Vorschrift des § 49 I StGB bezieht. Nach heute allgemein akzeptierter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei die fakultative Strafmilderung des § 23 II StGB ebenfalls rein strafrahmenbezogen zu interpretieren.1 § 23 II StGB beziehe sich also allein auf die Wahl des Strafrahmens. Deshalb stelle sich die Strafzumessung beim Versuch als ein zweiaktiges Verfahren mit folgenden Schritten dar: 1. Entscheidung des Richters über die Anwendung des Regelstrafrahmens oder des milderen Strafrahmens (§ 49 I StGB) nach § 23 II StGB 2. Konkretisierung des gewählten Strafrahmens nach den allgemeinen Grundsätzen des § 46 StGB In der Vergangenheit ist der fakultativen Strafmilderung beim Versuch dagegen ein anderer, nämlich ein doppelter Sinngehalt entnommen worden. Zipf hat bezogen auf § 44 StGB a. F. vertreten, die Strafrahmenmodifikation beim Versuch stelle sich 1 Zu § 44 StGB a. F.: BGHSt 17, 266 (266); so schon Dreher, JZ 1956, 682 (683); Bruns, Strafzumessungsrecht AT, S. 394 ff.; zum geltenden § 23 II: BGHSt 35, 347 (355); 36, 1 (18); LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 13; MK/Hofmann-Holland, § 23 Rn. 18; NK/Zaczyk, § 23 Rn. 5; SK/ Jäger, § 23 Rn. 3; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 4; Satzger/Schluckebier/Widmaier/ Kudlich/Schuhr, § 23 Rn. 7; Timpe, Strafmilderungen, S. 82 ff.; Alberts, Strafmilderungsgründe, S. 107 f.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (951); Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (383); Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 137; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 522.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

als Strafrahmenerweiterung dar und räume dem Richter kein Strafrahmenwahlermessen ein.2 Auf Grundlage dieser Lösung finde auf den Versuch obligatorisch ein nach unten hin erweiterter Gesamtstrafrahmen Anwendung. Die Gesetzformulierung, wonach der Versuch milder bestraft werden kann als die vollendete Tat, beziehe sich dagegen nicht auf die Strafrahmenwahl, sondern auf die Strafrahmenkonkretisierung, und zwar dergestalt, dass sie dem Richter erlaube, die nicht abgesenkte, für den Versuch und die Vollendung gleichermaßen geltende Strafrahmenobergrenze auch auf den Versuch anzuwenden.3 Den Gedanken der Erweiterung des Regelstrafrahmens durch die fakultativen Milderungsgründe des Allgemeinen Teils hat Horn auch auf die geltende Rechtslage angewandt.4 Demnach bliebe die Obergrenze des im Besonderen Teil geregelten Strafrahmens durch die Verweisung in § 23 II StGB auf § 49 I StGB unberührt. Eingewandt wird gegen die Gesamtstrafrahmen-Lösung zum einen, dass die extreme Weite des Gesamtstrafrahmens – bei der lebenslangen Freiheitsstrafe als Regelstrafe umfasste der Gesamtstrafrahmen etwa drei Jahre bis lebenslang (§ 49 I Nr. 1 i. V. m. § 211 StGB) – schon mit Blick auf die verfassungsrechtlich vorgegebene Rechtsfolgenbestimmtheit der Versuchsstrafe ein bedenkliches Ergebnis sei.5 Dieser Einwand kann allerdings ebenso der Auffassung entgegenhalten werden, wonach die Strafrahmenwahl im Ermessen des Richters stehe. Vorzugswürdig ist die Strafrahmenwahl-Lösung gleichwohl deshalb, weil sich in § 49 I StGB nicht nur eine Absenkung der Strafrahmenuntergrenzen, sondern auch der Strafrahmenobergrenzen findet. Der Absenkung der Strafrahmenobergrenzen wäre aber jede Bedeutung genommen, wenn man sie in einem für alle Versuche geltenden Gesamtstrafrahmen aufgehen ließe. Im Ergebnis widerspricht die Gesamtstrafrahmen-Lösung also der gesetzlichen Konzeption des § 49 I StGB.6 Damit bleibt festzuhalten, dass sich der Regelungsgehalt der fakultativen Strafmilderung nach § 23 II StGB darin erschöpft, dem Richter beim Versuch die Wahl zwischen dem im Besonderen Teil geregelten Regelstrafrahmen und dem sich aus der Modifikation durch § 49 I StGB ergebenden Versuchsstrafrahmen zu eröffnen. Die Entscheidung über den anzuwendenden Strafrahmen ist strikt von der Konkretisierung des gewählten Strafrahmens zu unterscheiden. Das Strafzumessungsverfahren beim Versuch stellt sich folglich als zweiaktig dar.

2

Zipf, Strafmaßrevision, S. 33. Zipf, Strafmaßrevision, S. 34 f. 4 SK/Horn1, § 46 Rn. 56. 5 Timpe, Strafmilderungen, S. 84 f.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (951); Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (383). 6 So auch Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (951); Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (383). 3

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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B. Gründe für die Strafrahmenmilderung Im Folgenden werden die in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Ansätze zur Bestimmung der Fälle untersucht, in denen der Richter von der durch § 23 II StGB eröffneten Möglichkeit, den jeweiligen Strafrahmen nach Maßgabe der in § 49 I StGB statuierten Grundsätze zu modifizieren, Gebrauch zu machen hat. Innerhalb der zur Anwendung von § 23 II StGB vertretenen Ansichten lassen sich prinzipiell drei verschiedene Anknüpfungspunkte unterscheiden: - Gesamtbetrachtung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände (unter I.) - Das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen (unter II.) - Tatumstände im Randbereich der §§ 23 III, 24 StGB (unter III. 1.) Bei meiner eigenen Lösung (unter III.) handelt es sich um eine Fortentwicklung des letztgenannten Ansatzes.

I. Gesamtbetrachtung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände 1. Die Gesamtbetrachtungslehre der Rechtsprechung Der BGH geht seit dem insoweit grundlegenden Urteil aus dem Jahr 19617 in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Entscheidung über den Gebrauch der Milderungsmöglichkeit bei der Versuchsstrafe von einer sämtliche tat- und täterbezogenen Umstände einschließenden Gesamtbetrachtung des jeweiligen Sachverhalts abhänge.8 Dass sich die bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigenden Umstände nicht von den Umständen unterschieden, die bei der Strafrahmenkonkretisierung zu berücksichtigen sind, ist vom BGH selbst ausdrücklich erklärt und für unschädlich befunden worden. Das Gesetz enthalte weder einen Hinweis auf eine Beschränkung des Kreises der milderungsrelevanten Umstände nach deren Versuchsbezogenheit, noch überhaupt einen Hinweis auf eine Einschränkung des 7

BGHSt 16, 351 (353). BGHSt 17, 266 (267); BGH nachgewiesen bei Holtz, MDR 1981, 979 (979 f.); BGH, StV 1984, 246; BGH, StV 1986, 378 (378 f.); BGHR StGB, § 23 II Nr. 1; BGH, JZ 1988, 367; BGHR StGB, § 23 II Nr. 4; BGHSt 35, 347 (355); BGHSt 36, 1 (18); BGH, NJW 1989, 3230 (3230); BGH, StV 1991, 105; BGH, MDR 1991, 703; BGHR StGB, § 23 II Nr. 9; BGHR StGB, § 23 II Nr. 11; BGH, NStZ 1993, 134; BGHR StGB, § 23 II Nr. 12; BGH nachgewiesen bei Detter, NStZ 1993, 176 (177); BGH nachgewiesen bei Holtz, MDR 1994, 1069 (1069); BGH, NStZ 1995, 285 (285 f.); BGH, NStZ 2004, 620; BGH, NStZ-RR 2010, 305 (305 f.); BGH, NStZ-RR 2014, 239 (239 f.); BGH, BeckRS 2016, 11934, Rn. 4; BGH, NStZ-RR 2017, 134 (134 f.); BGH, NStZ-RR 2018, 102 (102 f.); BGH, StV 2020, 75 (76); ebenso LG NürnbergFürth StV 1989, 483 (483 ff.); OLG Düsseldorf JMBl. NW 1990, 167; OLG Rostock StV 2006, 528 (528 f.); dieses Gesamtbetrachtungsmodell hat der BGH im Laufe der Zeit auch auf andere fakultative Strafmilderungsnormen übertragen (vgl. Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (944)). 8

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richterlichen Ermessens.9 Überdies sei eine Differenzierung nach dem Kriterium der Versuchsbezogenheit wegen des Fehlens an „brauchbaren, überzeugenden Maßstäben“ auch gar nicht möglich.10 Die BGH-Rechtsprechung ließ zunächst keine abstrakte Gewichtung der im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Umstände erkennen. In späteren Entscheidungen wurde dann aber den versuchsbezogenen Umständen – namentlich der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der aufgewandten kriminellen Energie – ein besonderes Gewicht zugeschrieben, ohne dass sich der BGH allerdings in diesem Zusammenhang von der Relevanz nichtversuchsbezogener Umstände distanziert hätte.11 Vielmehr sind im Rahmen der Strafrahmenwahlentscheidung auch weiterhin in einer Vielzahl von Fällen nicht versuchsspezifische Umstände berücksichtigt worden, so etwa Vorstrafen des Angeklagten,12 Persönlichkeitsabnormitäten,13 Beziehungsgeflechte,14 die finanzielle Situation des Täters,15 Sadismus und Gefühlskälte bei der Tatausführung16 und Nachtatverhalten17. Zur Begründung der nunmehr hervorgehobenen Stellung der versuchsbezogenen Tatumstände beruft sich der BGH darauf, dass die Tatvollendungsnähe, die Versuchsgefährlichkeit und die kriminelle Energie „die wichtigsten Kriterien für die Einstufung von Handlungs- und Erfolgsunwert einer nur versuchten Tat [lieferten]“.18 Nach dem Kriterium der Vollendungsnähe bestimmt der BGH, inwieweit der durch den Versuch realisierte Erfolgsunwert an den im Vollendungstatbestand umschriebenen Erfolgsunwert heranreicht. Dieses Kriterium bezieht sich also nicht auf das Vorstellungsbild des Täters hinsichtlich des Fortschritts der Tat. So werde die besondere Vollendungsnähe durch die Beendigung der Versuchshandlung nicht

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BGHSt 16, 351 (353); BGHSt 17, 266 (267). BGHSt 17, 266 (267). 11 BGH, StV 1986, 378 (379); BGHR StGB, § 23 II Nr. 1; BGH, JZ 1988, 367; BGHR StGB, § 23 II Nr. 4; BGHSt 35, 347 (355); BGHSt 36, 1 (18); BGH, NJW 1989, 3230 (3230); BGH, StV 1991, 105; BGH, MDR 1991, 703; BGHR StGB, § 23 II Nr. 9; BGHR StGB, § 23 II Nr. 11; BGH, NStZ 1993, 134; BGHR StGB, § 23 II Nr. 12; BGH nachgewiesen bei Holtz, MDR 1994, 1069 (1069); BGH, NStZ 1995, 285 (285); BGH, NStZ-RR 2010, 305 (305 f.); BGH, NStZ-RR 2014, 239; BGH, BeckRS 2016, 11934, Rn. 4; BGH, NStZ-RR 2018, 102 (102 f.); BGH, StV 2020, 75 (76); ebenso LG Nürnberg-Fürth, StV 1989, 483 (483) und OLG Rostock, StV 2006, 528 (528). 12 BGH, JZ 1988, 367; BGHR StGB, § 23 II Nr. 11; BGHR StGB, § 23 II Nr. 12. 13 BGHR StGB, § 23 II Nr. 4; BGHSt 35, 347 (355). 14 BGHSt 35, 347 (355). 15 BGHR StGB, § 23 II Nr. 11. 16 BGH, NStZ 2004, 620. 17 BGHR StGB, § 23 II Nr. 11; BGH, NStZ-RR 2010, 305 (306). 18 BGHSt 36, 1 (18); BGH, JZ 1988, 367; BGH, NStZ 1993, 134. 10

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einmal indiziert.19 Die Unterscheidung zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch sei vielmehr ein bloß technisches Datum, das lediglich für die Frage, welche Rücktrittshandlung der Täter zur Erlangung von Straffreiheit auszuführen hat, von Relevanz sei.20 Dagegen seien mit Blick auf den beim Versuch von Tötungsdelikten anzuwendenden Strafrahmen die in Folge eines Bauchschusses eingetretene lebensgefährliche Verletzung und die sich daran anschließende geistige und körperliche Schädigung als ausschlaggebende Gründe für die Annahme einer besonderen Vollendungsnähe anzusehen, welche die Anwendung des Regelstrafrahmens rechtfertige.21 Auch an anderer Stelle hat der BGH den Versuchsfolgen zentrale Bedeutung für die Entscheidung über den anzuwendenden Strafrahmen eingeräumt, so etwa, als er ein vorinstanzliches Urteil u. a. mit der Begründung aufgehoben hat, dass ein nicht zum Vorsatz eines Körperverletzungsversuchs zurechenbarer Körperverletzungserfolg in einer aberratio ictus-Konstellation dem Gebrauch der Strafrahmenmilderung entgegenstehe.22 Auch in einer jüngeren Entscheidung hat der BGH das vorinstanzliche Urteil insoweit als rechtsfehlerfrei bestätigt, als in diesem trotz des aus der „brutalen Vorgehensweise“ des Täters fließenden hohen Handlungsunwerts wegen des „glücklicherweise“ ausgebliebenen schweren Erfolgsunwerts die Strafrahmenmilderung als angezeigt angenommen wurde.23 Das besondere Gewicht, welches der BGH dem Erfolgsunrecht zuschreibt, wird ebenfalls deutlich, wenn der BGH vorinstanzliche Urteile mit der Aussage beanstandet, eine Strafmilderung dürfe nicht mit dem Argument versagt werden, es handle sich beim Verbleiben der Tat im Versuchsstadium nicht um ein „Verdienst“ des Täters. Dies wird auf die Erwägung gestützt, dass in dem Fall, in dem das Ausbleiben der Vollendung dem Täter zu „verdanken“ sei, wegen der Verwirklichung von § 24 StGB überhaupt kein strafbarer Versuch vorliege.24 Uneinheitlich ist die Rechtsprechung dagegen bei der inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der Versuchsgefährlichkeit. So war Gegenstand des Gefährlichkeitsurteils in dem oben genannten Bauchschuss-Fall nicht die Abgabe des Schusses als solche, sondern wiederum die Versuchsfolge des lebensgefährlichen Körperverletzungserfolgs.25 Legt man dem Gefährlichkeitsurteil aber gleichermaßen wie dem Urteil über die Vollendungsnähe die realisierten Versuchsfolgen zugrunde, stellt sich die Frage, 19

BGH, StV 1991, S. 105; BGH, MDR 1991, 703; BGH nachgewiesen bei Holtz, MDR 1994, 1069 (1069). 20 BGH nachgewiesen bei Holtz, MDR 1994, 1069 (1069). 21 BGH, NStZ 1995, 285 (285 f.). 22 BGH, NJW 1989, 3230 (3230). 23 BGH, NStZ 2004, 620. 24 BGH nachgewiesen bei Dallinger, MDR 1970, 380 (380); BGH nachgewiesen bei Dallinger, MDR 1972, 569 (569); BGH nachgewiesen bei Dallinger, MDR 1973, 190 (191); BGH, StV 1985, 411; vgl. auch BGH, StV 1983, 237; OLG Hamm, NJW 1958, 1694. 25 BGH, NJW 1989, 3230 (3231).

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inwieweit sich diese beiden Kriterien überhaupt sinnvoll unterscheiden lassen.26 In anderen Entscheidungen hat der BGH die Gefährlichkeit dagegen strikt handlungsbezogen, d. h. mit Blick auf die ex ante-Perspektive bestimmt. So hielt der BGH einen „aus kürzester Entfernung abgegebenen Schuss auf das ahnungslose Opfer für im höchstem Maße gefährlich“, ohne dass es auch nur zu einem Körperverletzungserfolg gekommen war.27 In einem zuvor ergangenen Urteil hatte der BGH die Strafrahmenverschiebung wegen der verminderten Gefährlichkeit damit begründet, dass der mit einer Pistole angegriffene Polizist den Angriff so rechtzeitig wahrgenommen habe, dass ein Ausweichen möglich gewesen sei. In solchen Fällen sei das Ausbleiben der Vollendung kein Zufall.28 Eine andere Entscheidung des BGH über die Strafbarkeit eines HIV-Infizierten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung durch ungeschützten Geschlechtsverkehr zielte ebenfalls in diese Richtung. Auch hier richtete sich die Bestimmung der Gefährlichkeit des Versuchs nach den bekannten Erfahrungssätzen über die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion durch bestimmte Sexualpraktiken.29 Das am wenigsten durch die Rechtsprechung konturierte versuchsbezogene Kriterium ist jedoch das Maß der kriminellen Energie, mit dem die Tat ausgeführt worden ist. Teilweise ist die kriminelle Energie vom BGH nach der Umsicht bestimmt worden, mit welcher die Tat ausgeführt worden ist,30 teilweise wurde ein besonderes Maß an krimineller Energie auch wegen eines „nachhaltige[n] Bestreben[s], die Tat noch zu vollenden“, bejaht.31 Das LG Nürnberg-Fürth hat dagegen den Umstand, dass eine Tat lediglich mit Eventualvorsatz ausgeführt worden ist, als Grund für die Annahme eines geringen Maßes an krimineller Energie bei deren Ausführung angesehen.32 2. Ablehnung der Gesamtbetrachtungslehre wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Gesetzessystematik Die Gesamtbetrachtungslehre ist mit Blick auf die Anwendung von § 23 II StGB,33 aber auch in ihrer allgemeinen Bedeutung bei der Anwendung un26

Vgl. auch BGH, MDR 1991, 703. BGH, NStZ 1993, 134. 28 BGH, StV 1986, 378 (379). 29 BGHSt 36, 1 (19); vgl. zu diesem Fall das LG Nürnberg-Fürth, StV 1989, 483. 30 BGH, NStZ 2004, 620. 31 BGH NStZ 1993, 134. 32 LG Nürnberg-Fürth StV 1989, 482 (484). 33 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (385 ff.); Jakobs, Strafrecht AT, 25/78; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 238; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 522; LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 26, 29; MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 18; SK/Jäger, § 23 Rn. 3; SK/Horn/Wolters, § 46 Rn. 74; Zustimmung hat die Rechtsprechung dagegen erfahren durch Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 172 f.; ebenso durch Goydke, in: FS Odersky, S. 371 (378); Satzger/Schluckbier/Widmaier/ Kudlich/Schuhr, § 23 Rn. 9; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 40/252. 27

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benannter Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe,34 in der Literatur zu Recht ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Eine detaillierte Darstellung sämtlicher gegen die Gesamtbetrachtungslehre vorgebrachter Argumente erfolgt hier nicht, da es sich um ein allgemeines Problem des Strafzumessungsrechts und damit um keine die Anwendung von § 23 II StGB spezifisch betreffende Frage handelt.35 Zur Ablehnung der Gesamtbetrachtungslehre mit Blick auf § 23 II StGB genügen an dieser Stelle folgende Überlegungen: Auf Grundlage der Gesamtbetrachtungslehre lässt sich schon die zweiaktige Struktur der Strafzumessung beim Versuch nicht erklären. Der Sinn hinter dem formal eigenständigen Schritt der Entscheidung über den anzuwendenden Strafrahmen erschließt sich nur dann, wenn man sich an gegenüber der Strafrahmenkonkretisierung eigenständigen inhaltlichen Kriterien orientiert.36 Hält man sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafrahmenkonkretisierung sämtliche für und gegen den Täter sprechenden Umstände für maßgeblich, läuft dies darauf hinaus, die Strafzumessung beim Versuch als (formal zweiaktige) Konkretisierung eines nach unten hin erweiterten Strafrahmens aufzufassen.37 An welchem inhaltlichen Gesichtspunkt sich die Ermittlung der für die Anwendung von § 23 II StGB maßgeblichen Kriterien orientieren muss, lässt sich – anders als in der Vergangenheit von der Rechtsprechung behauptet – unschwer dem Gesetz entnehmen. In Betracht kommt hier allein das Kriterium der Versuchsbezogenheit. Dies folgt aus dem Wortlaut und aus der systematischen Stellung von § 23 II StGB unter dem Titel Versuch. Die Eröffnung der Strafmilderungsmöglichkeit erfolgt nicht bloß aus Anlass des Verbleibens der Tat im Versuchsstadium, sondern gerade weil sie im Stadium des Versuchs verblieben ist. Denkt man an § 44 I StGB a. F. oder an andere obligatorische Strafmilderungen des Allgemeinen 34 Timpe, Strafmilderungen, S. 32 ff.; Horn, in: GS Kaufmann, S. 573 (573 ff.); SK/Horn/ Wolters, § 46 Rn. 69 ff.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (945 ff.). 35 Folgende weitere Einwände lassen sich gegen die Gesamtbetrachtungslehre vorbringen: Allgemein beschwört sie als Abwägungsentscheidung methodologische Unklarheiten und damit verbunden die Gefahr herauf, gleichgelagerte Fälle in erheblichem Maße ungleich zu behandeln. So stellt sie erstens keine Ausgangsvermutung zugunsten des einen oder des anderen der in Betracht kommenden Strafrahmen auf und weist damit keine Darlegungslast hinsichtlich der Angabe von Gründen zu. All dies steht in einem Spannungsverhältnis zum Gebot der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle (Art. 3 I GG). Des Weiteren verschärft die Gesamtbetrachtungslehre die ohnehin schon wegen der Weite der im geltenden Strafrecht vorzufindenden Strafrahmen bestehende Problematik der Umsetzung des sich aus Art. 103 II GG ergebenden Gebots der Rechtsfolgenbestimmtheit (Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (946)). 36 Teilweise wird in der Gesamtbetrachtungslehre sogar ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot aus § 46 III StGB erblickt (etwa von Dreher, JZ 1957, 155 (156); ders., JZ 1968, 209 (213); Horn, in: GS Kaufmann, S. 573 (581 ff.)). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass das Doppelverwertungsverbot nur die erneute Berücksichtigung des für die Strafrahmenwahl ausschlaggebenden Umstands untersagt, woraus nicht notwendig auch das Verbot der Berücksichtigung anderer, bei der Strafrahmenwahl nicht maßgeblicher Umstände folgt (zum Doppelverwertungsverbot: 3. Teil C. I. 2. a)). 37 Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (951); SK/Horn/Wolters, § 46 Rn. 70.

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Teils, wird dies umso deutlicher: So wäre etwa die Behauptung fernliegend, die obligatorische Strafmilderung nach § 27 II S. 2 StGB gelte aus einem Grund nur für Beihilfehandlungen und nicht für die Täterschaft und die Anstiftung, der nicht in einem spezifisch im Wesen der Beihilfe angelegten Unrechtsdefizit im Vergleich zu den anderen Beteiligungsformen besteht. Im Unterschied zu den obligatorischen erstrecken sich die fakultativen Strafmilderungsregelungen wie § 23 II StGB aber nicht auf alle, sondern nur auf bestimmte Fälle des Tatbestands, an den die Milderungsmöglichkeit geknüpft wird.38 Nur eine Lösung, welche die Anwendung des milderen Strafrahmens von versuchsspezifischen Gründen abhängig macht, kann erklären, warum die Möglichkeit der Strafrahmenänderung auf Versuchshandlungen beschränkt und (prinzipiell) nicht auch auf die vollendete Tat anwendbar ist.39 Wie Jakobs zurecht hervorhebt, wäre eine Gesetzgebung, die nur beim Versuch eine Strafrahmenverschiebung aus Gründen zulässt, die ebenso bei der vollendeten Tat vorliegen können, als willkürlich zu qualifizieren, was „verfassungsrechtliche Konsequenzen zeitigen müsste“.40 Somit dürfen entgegen der Rechtsprechung jedenfalls Umstände, die in keiner Weise mit dem Verbleib der Tat im Versuchsstadium in Zusammenhang stehen, bei der Strafrahmenwahl nach § 23 II StGB keine Rolle spielen. Inwieweit sich die von der Rechtsprechung als versuchsbezogen qualifizierten Milderungskriterien zumindest inhaltlich als sachgerechte Anknüpfungspunkte bei der Entscheidung über den anzuwendenden Strafrahmen darstellen, wird sich im Rahmen der Diskussion der in der Literatur vertretenen Auffassungen zur Anwendung von § 23 II StGB ergeben.

II. Das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen Teilweise wird als entscheidendes Kriterium bei der Wahl des auf den Versuch anzuwendenden Strafrahmens angesehen, ob erst das Element des Vollendungstatbestands, dessen Fehlen einen Rückgriff auf die Versuchsstrafbarkeit nötig macht, die Anwendung des Vollendungsstrafrahmens rechtfertigt. Ist dies der Fall, müsse zwingend der gem. § 49 I StGB gemilderte Strafrahmen Anwendung finden, wenn dieses Element fehlt.41 Da es sich beim Versuch begrifflich um ein Minus gegenüber der Vollendung handelt, wäre der Begriff des versuchsbezogenen Milderungsgrunds 38

Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (949); Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (383); SK/Jäger, § 23 Rn. 3. 39 Jakobs, Strafrecht AT, 25/78; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 138 f.; LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 26; gleiches gilt natürlich auch für andere fakultative Strafmilderungen, etwa § 13 II, bei dem die Anwendung des nach 49 I StGB gemilderten Strafrahmens vom Vorliegen „unterlassensspezifischer“ Tatumstände abhängt (SK/Stein, § 13 Rn. 92). 40 Jakobs, Strafrecht AT, 25/78. 41 SK/Horn/Wolters, § 46 Rn. 75; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (952 f.); Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (394).

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insoweit ein negativer: Nicht das Vorliegen bestimmter positiver Tatumstände, sondern das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen begründe die Strafrahmenverschiebung. 1. Mangel des Erfolgs oder eines ihn substituierenden Folgenunwerts Da Tatbestände unterschiedlich ausgestaltet sind, verböten sich nach Frisch hinsichtlich der Tatumstände, deren Fehlen die Strafrahmenmilderung rechtfertigt, pauschalisierende, für alle Tatbestände gleichermaßen geltende Aussagen. Vielmehr bedürfe es einer nach Deliktstypen differenzierenden Lösung, die auf die Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Rücksicht nimmt. Dies liege in der Einsicht begründet, dass „das für das Gegebensein eines Versuchs präjudizierende technische Datum des Fehlens der Vollendung […] im Kontext verschiedener Deliktstypen von ganz unterschiedlicher materialer Bedeutung“ sei.42 Die maßgebliche Scheidelinie zur Einteilung der Deliktstypen verlaufe zwischen den „Erfolgsdelikten im engeren Sinn“ auf der einen und „den reinen Tätigkeitsdelikten, den abstrakten Gefährdungsdelikten, den kupierten Erfolgsdelikten usw.“ auf der anderen Seite.43 Unter „Erfolgsdelikten im engeren Sinn“ versteht Frisch solche Delikte, deren Tatbestände gerade den negativ bewerteten Erfolg voraussetzen, um dessen Verhinderung willen das tatbestandsmäßige Verhalten der rechtlichen Missbilligung unterliegt, also insbesondere Tötungs-, Körperverletzungs- und Sachbeschädigungsdelikte.44 Bei diesen Delikten habe der Gesetzgeber nur an das kumulative Vorliegen des Handlungsund Erfolgsunrechts die Anwendbarkeit des Vollendungsstrafrahmens geknüpft. Fehlt der Unrechtserfolg, sei die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht zu legitimieren. Daraus folgert Frisch die obligatorische Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens auf den Versuch eines Erfolgsdelikts.45 Nach Auffassung von Hoffmann-Holland sei die Strafrahmenmilderung darüber hinaus in allen Fällen, in denen die Tat im Versuchsstadium verblieben ist, prinzipiell geboten und zwar unabhängig davon, ob sich der jeweilige Tatbestand einem bestimmten Deliktstyp zuordnen lässt. Allerdings sei die Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens nur indiziert: In der vollendeten Tat als „erfolgreiche[m] Versuch“ lägen „Willensunwert“ und „verschuldete[r] Folgenunwert“ kumulativ vor.46 Da der Versuch aber grundsätzlich durch das Fehlen von letzterem gekennzeichnet sei, bestehe eine prinzipielle Unwertdifferenz zwischen der Vollendung und dem Versuch. In den Fällen jedoch, in denen „der Täter durch seine Versuchshandlung einen Folgenunwert verschuldet, der dem hypothetischen 42

Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (395). Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (396 ff., insbesondere 398); für die deliktstypologische Differenzierung auch Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 8/6. 44 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (395). 45 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (396 f., 400). 46 MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 33. 43

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der Vollendung vollständig oder annährend gleichkommt“, sei auch die Anwendung des Vollendungsstrafrahmens auf den Versuch zu legitimieren.47 Ein Beispiel für einen der Vollendung gleichkommenden Folgenunwert des Versuchs bildeten die aberratio ictus-Fälle.48 Liegt dagegen ein zur hypothetischen Vollendung „inkongruente[r] Folgenunwert“ des Versuchs vor, so müsse sich die Entscheidung über die Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens daran orientieren, ob der Folgenunwert des Versuchs – wegen der Absenkung der Strafrahmenobergrenze auf drei Viertel der Regelstrafrahmenobergrenze – um 25 % hinter demjenigen der Vollendung zurückbleibt. Wer etwa bei einem Diebstahlsversuch die weggenommene (oder eine andere) Sache fahrlässig zerstört, bewirke einen die Anwendung des Regelstrafrahmens rechtfertigenden Folgenunwert.49 Auch das Fehlen des vollständigen Erfolgsunwerts bei Tötungsdelikten – in Fällen also, in denen ein „Preisvergleich“ nicht möglich sei – könne durch die Verursachung schwerwiegender Körperschäden aufgewogen werden, etwa wenn das Opfer bedingt durch den Tötungsversuch querschnittsgelähmt bleibt.50 Nicht zwingend gegen diese beiden Auffassungen spricht der Wortlaut von § 23 II StGB. Aus dem Umstand, dass es sich bei § 23 II StGB um eine fakultative Strafmilderung handelt, folgt nur, dass der Mangel der Vollendung jedenfalls keinen zwingenden Grund bildet, um den milderen Strafrahmen anzuwenden, weil § 23 II StGB andernfalls in eine obligatorische Strafrahmenverschiebung umgedeutet würde.51 Gegen die Lösung Frischs spricht der Wortlaut aber insoweit, als sich für eine deliktstypologische Differenzierung in § 23 II StGB kein Anhaltspunkt findet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 23 II StGB keinen Hinweis über die milderungsrelevanten Umstände enthält, da im Ausgangspunkt die Vermutung gilt, dass eine im Allgemeinen Teil geregelte Vorschrift prinzipiell auf alle besonderen Straftatbestände unterschiedslos anwendbar ist, wenn sich keine abweichende Regelung im Gesetz findet. Das gewichtigste Argument für die obligatorische Milderung wegen des Erfolgsmangels ist die Bedeutung, die dem Erfolg durch das Gesetz zugemessen wird. Bei den erfolgsqualifizierten Delikten und den Regelbeispielen mit besonderem Folgenunwert führt der Erfolgseintritt zu einer – regelmäßig erheblichen – Straf47

MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 33. MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 34; diese Frage stellt sich natürlich nur dann, wenn man die aberratio ictus als zwingend vollendungsausschließend bewertet; dies ist nach der oben vertretenen Auffassung zu den an den subjektiven Zurechnungszusammenhang zu stellenden Anforderungen zu verneinen, wenn die Verletzung des nicht anvisierten Opfers auf Grundlage des vom Täter gebildeten Vorstellungsbildes objektiv erklärbar war (zu den Regeln des subjektiven Zurechnungszusammenhangs: 2. Teil A. III.). 49 Dass dieser Maßstab für Fälle, in denen kein „schlichter Preisvergleich“ möglich ist, zu erheblichen Unsicherheiten führen kann, sei in Kauf zu nehmen (MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 36 f.). 50 MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 37. 51 Jakobs, Strafrecht AT, 25/79; LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 19, 31. 48

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rahmenverschiebung nach oben.52 Darüber hinaus macht das Gesetz bei Delikten ohne Versuchsstrafbarkeit und insbesondere fahrlässigen Erfolgsdelikten vom Erfolgseintritt nicht nur die Entscheidung über die Höhe der Strafe, sondern sogar die Entscheidung darüber, ob überhaupt gestraft werden soll, abhängig. Ein Umstand, dem in bestimmten Fällen Bedeutung für das Ob der Bestrafung zukommt, müsse – wie vielfach argumentiert wird – erst recht Einfluss auf das Wie der Bestrafung haben.53 Dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit dem Grunde nach vom Erfolgseintritt abhängig macht, lässt sich aber schon mit der Selektionsfunktion des Erfolgseintritts begründen und zwingt deshalb nicht zur Annahme, er müsse erst recht Einfluss auf die Strafhöhe haben.54 Schwerer wiegt das Argument, dass der Erfolg im Bereich der erfolgsqualifizierten Delikte strafrahmenprägend ist. Darin kommt jedoch kein vom Gesetz allgemein anerkannter Grundsatz zum Ausdruck, der es rechtfertigt, den Erfolgsmangel bei den Vorsatzdelikten als einen zwingenden Grund für die Strafrahmenverschiebung nach unten anzusehen. Dies ergibt sich aus der Bedeutung des Eintritts von Erfolgen, um deren Verhinderung willen Verhaltensweisen durch erfolgskupierte Delikte erfasst sind. Erfolgskupiert sind Delikte, deren Tatbestände den vollständigen Vollzug des rechtsgutsverletzenden Verhaltens, nicht aber den Eintritt eines Rechtsgutsverletzungserfolgs voraussetzen.55 Die Bedingung des Erfolgseintritts durch die Verwirklichung eines erfolgskupierten Tatbestands führt allgemein nicht zu einer Strafrahmenverschärfung, etwa im Falle der Einleitung eines behördlichen Verfahrens durch die Verwirklichung von § 164 StGB, bei der dauerhaften Entziehung des Sachgewahrsams durch die Verwirklichung von § 242 StGB oder bei der Täuschung im Rechtsverkehr durch die Verwirklichung von § 267 I 52 Die strafrahmenprägende Wirkung und damit die Bedeutung des Eintritts bestimmter Handlungsfolgen hat der Gesetzgeber im Jahr 2017 auch noch einmal bestätigt: § 315d V StGB, dessen Grundtatbestand (§ 315d I StGB) verschiedene im Zusammenhang mit verbotenen Kraftfahrzeugrennen stehende Handlungen pönalisiert, ordnet u. a. für den Fall der Teilnahme an einem verbotenen Fahrzeugrennen an, dass der Täter nicht mit bis zu fünf Jahren (§ 315d II StGB), sondern von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen ist, wenn er durch die Teilnahme am Rennen die schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht und hinsichtlich Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert mit Gefährdungsvorsatz handelt. 53 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (399); Schöneborn, GA 1981, 71 (73); Hörnle, Strafzumessung, S. 202 f.; für Hoffmann-Holland folgt aus diesen Argumenten – insbesondere aus der Bezugnahme auf die strafbarkeitsbegründende Funktion des Erfolgs im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte – die prinzipiell obligatorische Strafrahmenmilderung beim Versuch auch für die Tätigkeitsdelikte. Da nämlich das Gesetz für eine Vielzahl von Tätigkeitsdelikten – etwa für §§ 123, 145 I Nr. 1, 316 StGB – keine Versuchsstrafbarkeit vorsieht (vgl. § 23 I StGB), habe der Verbleib der Tat im Versuchsstadium auch in diesem Bereich strafmildernde Wirkung, nämlich durch die Gewährung von Straffreiheit: „Wenn das Ausbleiben der Vollendung sogar über das Ob der Strafe entscheiden kann, dann allemal auch über die bloße Milderung nach § 49 I.“ (MK, § 23 Rn. 28). 54 Zur Selektionsfunktion des Erfolgs ausführlich: 2. Teil C. und 3. Teil B. III. 1. b). 55 Jakobs, Strafrecht AT, 6/93; Frister, Strafrecht AT, 8/27.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Var. 3 StGB.56 Soweit die Möglichkeit des Erfolgseintritts als überschießende Innentendenz schon vom subjektiven Tatbestand vorausgesetzt wird, kommt also dem tatsächlichen Erfolgseintritt keine strafrahmenprägende Wirkung zu. Beim beendeten Versuch handelt es sich ebenfalls um ein erfolgskupiertes Delikt.57 Er setzt nämlich den Vollzug des gesamten vom Täter zur Bewirkung der Rechtsgutsverletzung für erforderlich gehaltenen Verhaltens voraus. Nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund der Verwirklichung des Vorsatzes im Erfolgseintritt hier im Gegensatz zu anderen erfolgskupierten Delikten strafrahmenprägende Bedeutung zukommen soll. Gegen die unvollständige Verwirklichung des Geschehensunrechts als Milderungsgrund sprechen aber vor allem die Gesetzesmaterialien sowie die Entstehungsgeschichte von § 23 II StGB: Die Beibehaltung der fakultativen Strafmilderung im Jahr 1969 wurde explizit als Konsequenz der Überlegung angesehen, dass außerhalb des Täterwillens liegende Umstände keinen Grund für die Täterentlastung bilden.58 Die im AE1966 vorgesehene Rückkehr zur obligatorischen Strafmilderung wurde dagegen abgelehnt. Auch durch den weiteren historischen Kontext wird das Ergebnis der Irrelevanz außerhalb des Täterwillens liegender Umstände für die Strafrahmenwahl bestätigt. Ausnahmslos jede fakultative Strafmilderung, die sich in einem Gesetzesentwurf oder in einer gesetzlichen Regelung findet, wurde mit der Begründung vorgeschlagen, das Ausbleiben des Erfolgs als solches dürfe dem Täter nicht zum Vorteil gereichen, sondern nur dann, wenn es auf Defiziten im subjektiven Bereich beruht.59 Im Mittelpunkt der Debatte um die Einführung einer fakultativen Strafmilderung standen immer Erfolgsdelikte, sodass die gesetzgeberische Entscheidung für die fakultative Strafmilderung eine Entscheidung gegen den Einfluss des Erfolgs auf die Strafhöhe darstellt. Damit erweist sich die These Frischs, die Strafmilderung beim Versuch sei jedenfalls bei Erfolgsdelikten obligatorisch, als mit der Regelungsabsicht des Gesetzgebers unvereinbar. Gleiches gilt für die These von Hoffmann-Holland, die Einführung der fakultativen Strafmilderung habe nur die Widerlegbarkeit der vor 1939 geltenden unwiderlegbaren Vermutung zur Folge gehabt.60 Um dennoch die Strafrahmenverschiebung wegen des Erfolgsmangels annehmen zu können, bedarf es zwingender inhaltlicher Gründe. Da solche Gründe aber nicht ersichtlich sind,61 ist das Ausbleiben des Erfolgs als Milderungsgrund abzulehnen.62 56 Als allgemein durch das Gesetz anerkannt lässt sich allenfalls der in § 46 II S. 2 4. Zeile StGB kodifizierte Grundsatz bezeichnen, dass die verschuldeten Handlungsfolgen bei der Strafrahmenkonkretisierung eine Rolle spielen (zur Deutung dieser Vorschrift unten 3. Teil C. I. 1. c)). 57 Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 68 58 Dazu: 1. Teil G. III.; so auch LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 19 f. 59 Dazu: 1. Teil E., F. 60 MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 23. 61 Dazu ausführlich: 2. Teil B.

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2. Mangel der Vollendungstauglichkeit Teilweise wird der Mangel der Vollendungstauglichkeit des Versuchs als zwingender Grund für die Strafrahmenverschiebung bewertet.63 Dagegen sieht Frisch – dies folgt aus seiner deliktstypologischen Differenzierung, wonach das Ausbleiben der Vollendung bei den klassischen Erfolgsdelikten schon an sich einen Milderungsgrund darstellt64 – das Fehlen der Vollendungstauglichkeit nur bei solchen Delikten als Grund für die Strafrahmenmilderung an, deren Tatbestände nicht den Eintritt des negativ bewerteten Erfolgs voraussetzen, um dessen Verhinderung willen das tatbestandsmäßige Verhalten missbilligt ist. Hierzu gehören neben Tätigkeitsdelikten auch in der Literatur als Erfolgsdelikte qualifizierte Tatbestände wie Diebstahl (§ 242 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder schwere Brandstiftung (§ 306a I StGB).65 Da das in den Tatbeständen von Tätigkeitsdelikten, von abstrakten Gefährdungsdelikten und von erfolgskupierten Delikten umschriebene Geschehen keinen von der Ausführung der tatbestandlichen Handlung zu unterscheidenden „material bedeutsame[n] zusätzliche[n] Unwertsachverhalt“ voraussetzt,66 werde „mit dem Eintritt der Vollendung nicht zugleich eine material bedeutsame zusätzliche Unwertigkeitsschwelle überschritten“.67 Vielmehr mache es „keinen wesentlichen Unterschied, ob der Dieb kurz vor oder kurz nach dem Einstecken des Gegenstands in seine Tasche oder ob der Fälscher während der Herstellung der unechten Urkunde oder dann gefaßt wird, wenn er nach dem letzten Punkt den Stift aus der Hand legt usw.“.68 Deshalb müsse das die Strafrahmenmilderung auslösende Defizit bei diesen Delikten im Bereich des Handlungsunwerts liegen. Ein solches Defizit bilde die objektive Untauglichkeit des Versuchs.69 Fehlt 62 So auch Sancinetti. Unrechtsbegründung, S. 151: „Eine Auslegung, die den historischen Willen des Gesetzgebers auf so deutliche Weise auf den Kopf stellt, wie es sich aus der Lösung von Frisch [Ergänzung durch den Verf.: und von Hoffmann-Holland] ergibt, müßte von unumstößlichen materiellen Gründen gestützt sein; selbst im besten Falle könnte sie sich keineswegs als eine Auslegung de lege lata verstehen: sie ist nicht lex lata.“ 63 NK/Zaczyk, § 23 Rn. 7. 64 Dazu: 3. Teil B. II. 1. 65 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (398); vgl. zur Unterscheidung von Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten Frister, Strafrecht AT, 8/16 ff. 66 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 ff. (399). 67 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 ff. (398). 68 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (398). 69 Als zweite Fallgruppe, in der bei den Tätigkeitsdelikten von der Milderungsmöglichkeit nach § 23 II StGB Gebrauch zu machen sei, nennt Frisch die Versuchsfälle, in denen der Täter die eigentliche Ausführungshandlung noch nicht begonnen hat, sondern sich noch im Stadium des unmittelbaren Ansetzens befindet. Dies lege zum einen der Gedanke des Rechtsgüterschutzes nahe, weil die Gefahren, die von noch nicht die im BT-Tatbestand umschriebenen Merkmale verwirklichenden Handlungen ausgehen, für die jeweils geschützten Rechtsgüter geringer seien (in: FS Spendel, S. 381 (405)). Darüber hinaus sei bei „noch äußerlich unverfänglichen Handlungen“ das generalpräventive Interesse an der Bestrafung geringer, da die Entscheidung des Täters gegen das Rechtsgut noch nicht äußerlich in gleicher Weise manifest geworden sei wie im Falle der Ausführung der eigentlichen Tathandlung (in: FS Spendel, S. 381

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

die Vollendungstauglichkeit, sei die Anwendung der Vollendungsstrafe illegitim, da sich das strafwürdige Unrecht in diesen Fällen allein „in der Betätigung der rechtsfeindlichen Gesinnung [erschöpfe]“.70 Frisch begründet dies systematisch durch einen Verweis auf § 23 III StGB. Auch wenn sich der Gesetzgeber ausweislich § 22 StGB für die subjektive Versuchstheorie entschieden hat, zeige § 23 III StGB, dass die objektive Tauglichkeit der Tat für deren Bewertung von Relevanz sei.71 Dieser Verweis auf § 23 III StGB beruht jedoch auf der fehlgehenden Deutung dieser Vorschrift als „Konzession an die objektive Versuchstheorie“.72 So knüpft § 23 III StGB – auch wenn dies prima facie so scheint – überhaupt nicht an das objektiv vorliegende Tatgeschehen an. Vielmehr erklärt § 23 III StGB das Tatgeschehen, wie es sich aus der Tätersicht darstellt, zum maßgeblichen Bewertungsgegenstand: Nicht der Gegenstand, an dem, oder das Mittel, mit dem der Versuch ausgeführt worden ist, muss als untauglich qualifiziert werden, um die Rechtsfolge des § 23 III StGB auszulösen, sondern der Gegenstand, an dem, oder das Mittel, mit dem der Versuch ausgeführt werden sollte. Damit weicht § 23 III StGB in keiner Weise von dem durch § 22 StGB aufgestellten Grundsatz ab, wonach das vom Täter nach seiner Vorstellung verwirklichte Geschehen unter den Begriff des unmittelbaren Ansetzens zu subsumieren ist. Dass die subjektivistische Deutung von § 23 III StGB richtig ist, zeigen die Konstellationen der Doppelirrtümer.73 So wird der Tatbestand von § 23 III StGB auch verwirklicht, wenn der Täter sich nach den objektiven Umständen zwar eines tauglichen Tatmittels (z. B. eines wirksamen Gifts) bedient, nach seiner Vorstellung jedoch ein evident untaugliches Mittel (z. B. Speisezucker) einsetzt und diesem Mittel durch Anwendung falschen Erfahrungswissens Erfolgstauglichkeit zuschreibt. Der Grund für die Strafmilderung bzw. für die Straffreiheit nach § 23 III StGB liegt hier allein in der grob fehlerhaften Weltdeutung, für welche die objektiven Umstände der Tat ohne Belang sind. Umgekehrt handelt der Täter, der sich nach seiner Vorstellung eines Tatmittels bedient, welches zur Herbeiführung des Erfolgs geeignet ist, objektiv jedoch ein evident untaugliches Mittel einsetzt, trotz des Irrationalität erweckenden Anscheins des objektiven Geschehens nicht (zwingend) grob unverständig. Das objektiv vorliegende Geschehen ist für die Anwendung von § 23 III StGB also irrelevant.74 Nicht die irrtümliche Annahme der Vollendungstauglichkeit des Versuchs (406)). Im Ergebnis erklärt Frisch damit den Mangel der Versuchsbeendigung jenseits der Erfolgsdelikte zum Grund für die Strafrahmenmilderung. 70 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (404). 71 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (405); ähnlich mit Blick auf das Recht in der Schweiz auch Stratenwerth, in: FG zum Schweiz. Juristentag, S. 247 (265 f.). 72 So noch Frister, Strafrecht AT7, 23/3; ebenso Maiwald, in: Symposium Schaffstein, S. 64 (72); Roxin, Strafrecht AT II, 29/35. 73 Dazu: 2. Teil A. II. 2. b). 74 So auch Timpe, Strafmilderungen, S. 117; Jakobs, Strafrecht AT, 25/82; Sancinetti, GA 2016, 411 (416 f.); NK/Zaczyk, § 23 Rn. 20.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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als solche ist das entscheidende, die Rechtsfolge von § 23 III StGB auslösende Moment, sondern das extreme Maß an Irrationalität, auf dem der Irrtum beruht.75 Da auch die Gesetzesmaterialien76 und Wertungsgesichtspunkte77 gegen die Berücksichtigung der objektiven Vollendungstauglichkeit sprechen, ist dieses Kriterium als Milderungsgrund abzulehnen. 3. Mangel der Versuchsbeendigung Der Mangel der Versuchsbeendigung ist in erster Linie von Vertretern des subjektiv-monistischen Unrechtsbegriffs als obligatorischer Strafrahmenmilderungsgrund bewertet worden.78 Zielinski geht sogar davon aus, dass die Strafmilderung „obligatorisch und ausschließlich für den unbeendeten Versuch“ gelte.79 Verwiesen wird dabei auf das dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung immanente „Willensvollzugsdefizit“80. Denn erst der beendete Versuch als definitiver, d. h. vollständig abgeschlossener finaler Akt verwirkliche das Motivationsunrecht des jeweiligen Tatbestands vollständig, wohingegen derjenige, der „noch nicht alles, was zur Tatdurchführung erforderlich ist, getan hat, […] weniger zu verantworten“ habe, weil „die letzte Entscheidung über das Ob der Tat […] noch in seiner Hand blieb“.81 Die Frage, ob der Mangel der Versuchsbeendigung einen Grund für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB darstellt, hängt davon ab, welches Gewicht man dem den unbeendeten Versuch kennzeichnenden „Willensvollzugsdefizit“ zuschreibt. Dass es sich dabei um einen Grund handelt, den Versuch milder zu bestrafen als die vollendete Tat, hat sich bereits oben erwiesen. Denn die vorläufige Entscheidung für die Tatbestandsverwirklichung hinterlässt stets einen geringfügigeren rechtserschütternden Eindruck als die tatsächlich getroffene.82 Eine andere Frage ist dagegen, ob es sich beim Mangel der Versuchsbeendigung um einen Umstand handelt, der das für die Strafrahmenmilderung notwendige Gewicht aufweist, der also nicht bloß innerhalb des jeweiligen Strafrahmens zugunsten des Täters zu berücksichtigen ist. Im Gesetz gibt es durchaus Fälle, in denen (materielle) Vorbereitungshandlungen zwingend unter Anwendung eines milderen Strafrahmens bestraft werden als spätere 75

Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 17. Dazu: 1. Teil G. III. 77 Dazu: 2. Teil B. I. 3. 78 Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 217; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 152 ff.; Armin Kaufmann, in: FS Welzel, S. 393 (403); Degener, ZStW 103 (1991), 357 (397); Haas, ZStW 123 (2011), 226 (258 f.); SK/Horn/Wolters, § 46 Rn. 75. 79 Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 217. 80 Dieser Begriff stammt von Jakobs, Strafrecht AT, 25/24. 81 Armin Kaufmann, ZStW 80 (1968), 34 (52), Hervorh. im Orig. 82 Dazu: 2. Teil B. I. 4. 76

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Handlungen innerhalb desselben Planungszusammenhangs. So beträgt z. B. der auf die Geldfälschung anzuwendende Strafrahmen ein bis fünfzehn Jahre (§ 146 StGB), der auf die Vorbereitung der Geldfälschung anzuwendende Strafrahmen dagegen bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe (§ 149 StGB).83 Dies ist für die Bestimmung des Verhältnisses des beendeten Versuchs zum unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung aber wenig aussagekräftig. Zum einen weist das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung zum beendeten Versuch anders als die Vorbereitung zur Geldfälschung (§ 149 StGB) zur Geldfälschung selbst (§ 146 StGB) eine besondere Nähe auf, sodass sich das „Willensvollzugsdefizit“ des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung als vergleichsweise geringfügig darstellt. Und zum anderen enthält das Gesetz auch Fälle, in denen auf Handlungen mit einem „Willensvollzugsdefizit“ derselbe Strafrahmen Anwendung findet wie auf den eigentlichen Angriff auf das Rechtsgut, etwa in den §§ 267 – 269 StGB. Bei § 267 StGB findet auf die einzelnen Handlungsalternativen – das Herstellen, Verfälschen und Gebrauchen einer Urkunde etc. – jeweils derselbe Strafrahmen Anwendung, obwohl es sich bei den ersten beiden Handlungsalternativen um ein Verhalten im Vorfeld des Gebrauchens der Urkunde als eigentlichem Angriff auf das Rechtsgut der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs, insb. des Beweisverkehrs mit Urkunden handelt.84 Denn das besondere subjektive Merkmal zur Täuschung im Rechtsverkehr umfasst im Falle der ersten beiden Varianten notwendig die Absicht, die hergestellte bzw. verfälschte Urkunde zu gebrauchen, sodass sich der Unwert der ersten beiden Handlungsalternativen daraus ergibt, dass sie sich als bloße Durchgangshandlungen zur dritten Handlungsalternative darstellen.85 Umgekehrt ist jedoch auch die Aussagekraft dieser Gleichbehandlung materieller Vorbereitungshandlungen mit dem eigentlichen Angriff auf das Rechtsgut vor dem Hintergrund zu relativieren, dass die Verselbstständigung der Tathandlung des Fälschens und Herstellens gegenüber dem Gebrauch der Urkunde und die strafrahmenmäßige Gleichbehandlung als Teil der Willensstrafrechtsdoktrin in der NS-Zeit eingeführt wurde.86 Weil das Verwirklichungsbewusstsein im Rahmen dieser Doktrin die lediglich unselbstständige Funktion hat, die „verbrecherische Gesinnung“ und 83 Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen § 81 StGB (Hochverrat gegen den Bund: zehn Jahre bis lebenslang) und § 83 StGB (Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens: ein bis zehn Jahre). 84 MK/Erb, § 267 Rn. 196. 85 Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen den Nr. 1 und 3 von § 146 I StGB und den Nr. 1 und 3 von § 148 StGB. 86 Prechtel, Urkundendelikte, S. 175 f. m. w. N.; § 267 RStGB, wie er im Jahr 1871 eingeführt worden ist, lautet: „Wer in rechtswidriger Absicht eine inländische oder ausländische öffentliche Urkunde oder eine solche Privaturkunde, welche zum Beweise von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit ist, verfälscht oder fälschlich anfertigt und von derselben zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird wegen Urkundenfälschung mit Gefängniß bestraft.“

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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damit die Gefährlichkeit des Täters zu indizieren,87 das Verwirklichungsbewusstsein also keine für den gegen den Täter erhobenen Vorwurf konstitutive oder diesen potenzierende Bedeutung hat, kann es nicht verwundern, dass ein „Willensvollzugsdefizit“ als Mangel an vollständigem Verwirklichungsbewusstsein nicht nur die Strafbarkeit dem Grunde nicht ausschließt, sondern auch die Strafbarkeit der Höhe nach im Vergleich zum eigentlichen Angriff auf das Rechtsgut nicht beeinflusst.88 Sancinetti begründet die obligatorische Strafmilderung beim Mangel der Versuchsbeendigung auch damit, dass sich das Gewicht der Überschreitung der Schwelle zur Versuchsbeendigung an ihrer rücktrittsauschließenden Bedeutung zeige. Ab dem Zeitpunkt, in dem der Täter die Entscheidung über den Erfolgseintritt vollständig dem Zufall überlassen hat, habe der Täter eine endgültige Entscheidung gegen das Rechtsgut getroffen, von der eine Distanzierung ausgeschlossen sei. Der Mangel eines Umstands, der eine derartige Bedeutung aufweist, dass er über die Möglichkeit der Gewährung von Straffreiheit entscheidet, müsse hinreichendes Gewicht haben, um eine Strafrahmenverschiebung zu begründen.89 Selbst wenn man unterstellt, dass nur der unbeendete Versuch rücktrittsfähig sei – eine Prämisse, die ungeachtet ihres in der Sache durchaus erwägenswerten Kerns de lege lata abzulehnen ist90 – folgt daraus nicht, dem Umstand, dass der Versuch unbeendet geblieben ist, das Gewicht eines Strafrahmenmilderungsgrunds zu verleihen. § 24 StGB verlangt nämlich in jeder seiner Varianten eine freiwillige Umkehrleistung des Täters. Nicht der Umstand, dass es beim (unbeendeten) Versuch geblieben ist, begründet die Straffreiheit, sondern die Zurechenbarkeit dieses Umstands als das Verdienst des Täters. Insoweit spricht die Rücktrittsregelung m. E. eher dafür, auch bei der Anwendung von § 23 II StGB nicht auf das Fehlen der Versuchsbeendigung selbst, sondern auf die Gründe für ihr Fehlen abzustellen. Weil aus der Gesetzessystematik keine eindeutigen Schlüsse bzgl. der strafrahmenprägenden Wirkung von „Willensvollzugsdefiziten“ zu ziehen sind, kommen als ergänzende Wertungsmaßstäbe sonstige Unrechtsdefizite, an die der Gesetzgeber die obligatorische Strafrahmenmilderung nach Maßgabe von § 49 I StGB geknüpft hat (vgl. §§ 27 II S. 2, 28 I, 30 I S. 2, 35 II S. 2 StGB), in Betracht. Zwar folgt aus dem 87

Dazu: 1. Teil B. II. 1., F. Dass die Regelung einen illiberalen Fremdkörper im geltenden Strafrecht darstellt, ergibt sich auch daraus, dass dem Täter, obwohl er nach der Herstellung oder Verfälschung der Urkunde die Entscheidung, ob er diese später zur Täuschung im Rechtsverkehr einsetzt, noch vollständig in der Hand hat, keine Möglichkeit mehr verbleibt, sich durch tätige Reue von seinem vorläufigen Entschluss zu distanzieren, etwa indem er die Urkunde zerstört. Damit wird auch demjenigen das Herstellen einer unechten oder das Verfälschen einer echten Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr vorgeworfen, der sich anschließend dagegen entschieden hat, die Urkunde zu diesem Zweck einzusetzen oder sie einem Dritten zu diesem Zweck zu überlassen (vgl. Frister, Strafrecht AT, 23/49; eine eingehende Kritik der Strafbarkeit im Vorbereitungsstadium findet sich bei Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (751 ff.)). 89 Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 152 ff.; ebenso Haas, ZStW 123 (2011), 226 (246). 90 Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc). 88

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Umstand, dass ein bestimmtes Unrechtsdefizit schwerwiegender ausfällt als ein anderes, nicht zwingend, nur das schwerwiegendere als Strafrahmenmilderungsgrund aufzufassen und das weniger schwerwiegende lediglich innerhalb des nicht gemilderten Strafrahmens zu berücksichtigen. Dagegen spricht schon, dass es vielfach an einem Maßstab zur exakten Bestimmung des relativen Gewichts verschiedener Unrechtsdefizite fehlt. Jedenfalls aber der Umstand, dass ein Unrechtsdefizit, das eine Strafrahmenmilderung gebietet, erheblich signifikanter ist als der Mangel der Versuchsbeendigung, spricht dafür, diesen Tatumstand lediglich innerhalb des nicht gemilderten Strafrahmens zugunsten des Täters zu berücksichtigen. Dies folgt aus dem Prinzip der relativen Proportionalität von Strafe und Strafmaß, welches gebietet, die relative Ungleichheit der Schwere verschiedener Taten adäquat in der Strafhöhe abzubilden.91 Insgesamt ist das Gewicht der gesetzlich geregelten Gründe für eine obligatorische Strafrahmenmilderung durchweg gewichtiger als dasjenige des Mangels der Versuchsbeendigung. Wer etwa eine Waffe zieht, um auf einen anderen zu schießen und nur deshalb daran scheitert, weil ihm die Waffe im letzten Augenblick aus der Hand geschlagen wird, mag keine endgültige Entscheidung gegen das Rechtsgut getroffen und deshalb den subjektiven Vollendungstatbestand nur unvollständig verwirklicht haben. Gleichwohl ist der Unwert dieses Verhaltens ungleich schwerwiegender als die bloße Beschaffung der Waffe für die Tat eines anderen (Strafrahmenmilderung gem. § 27 II S. 2 StGB) oder als der Schuss auf einen anderen Menschen in der vermeidbaren Fehlvorstellung, diese Handlung sei zur Abwendung einer Gefahr für das eigene Leben erforderlich (Strafrahmenmilderung gem. § 35 II S. 2 StGB). Auch die fehlende Verwirklichung eines besonderen persönlichen Merkmals durch den Teilnehmer, das die Strafbarkeit des Täters begründet (Strafrahmenmilderung für den Teilnehmer gem. § 28 I StGB), vermindert das Gewicht von dessen Teilnahmehandlung im Vergleich zur Haupttat deutlich weitgehender als das „Willensvollzugsdefizit“ das Gewicht des unbeendeten Versuchs im Vergleich zum beendeten Versuch.92 Insgesamt spricht die Gesetzessystematik – wenn auch keineswegs zwingend – eher gegen die Behandlung des Mangels der Versuchsbeendigung als obligatorischen Strafrahmenmilderungsgrund. Was die Normgenese angeht, findet sich in der Begründung zur Bestätigung der fakultativen Strafmilderung im Jahr 1969 die Aussage, es könne „keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten, ob der Erfolg eingetreten oder aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben ist“.93 Bei den Tatumständen, welche die Strafrahmenmilderung gebieten, muss es sich folglich um Gründe für das Ausbleiben des Erfolgs innerhalb des „Willensbereichs des Täters“ 91

Dazu: 2. Teil B. I. 1. b). Die obligatorische Strafrahmenmilderung in § 30 I S. 2 StGB kann dagegen nicht als brauchbarer Vergleichsmaßstab herangezogen werden, weil nach dieser Vorschrift jeder Anstiftungsversuch zwingend milder zu bestrafen ist als die vollendete Anstiftung. 93 BT-Drucks. V/4095, S. 11. 92

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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handeln. Bei dem „Willensvollzugsdefizit“ des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung handelt es sich sicherlich um einen Tatumstand innerhalb des „Willensbereichs des Täters“. Eine andere Frage ist aber, ob es sich beim Mangel der Versuchsbeendigung um einen Grund für das Ausbleiben des Erfolgs handelt. Dies ließe sich allenfalls mit der Erwägung bejahen, dass es ohne die Versuchsbeendigung überhaupt nicht zur Vollendungsstrafbarkeit kommen kann. Näherliegend scheint mir aber, dass sich die Gesetzesmaterialien nicht auf den Mangel der Versuchsbeendigung als solchen, sondern auf die Umstände, auf welche dieser Mangel zurückzuführen ist, beziehen. Der Mangel der Versuchsbeendigung kann aber nicht nur auf innerhalb (vgl. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB),94 sondern auch auf außerhalb des „Willensbereichs des Täters“ liegende Umstände zurückführbar sein. Letzteres ist etwa der Fall, wenn dem Täter, nachdem er zu einem Schuss mit einer Pistole auf das Opfer unmittelbar angesetzt hat, die Pistole im letzten Augenblick aus der Hand geschlagen wird. Für diese Interpretation spricht auch die Begründung zum E1962, dessen Regelung im Jahr 1969 vom Gesetzgeber übernommen worden ist. Danach verdiene ebenso wenig wie derjenige, der „danach getrachtet hat, einen anderen zu blenden“, sein Ziel aber deshalb nicht erreicht, „weil es ärztlicher Kunst gelungen ist, dem Opfer das Augenlicht zu erhalten […], ein Einbrecher oder ein Räuber, der seine Tat umsichtig geplant, sein verbrecherisches Ziel beharrlich verfolgt und mit der Ausführung begonnen hat, allein deswegen eine mildere Strafe […], weil er durch Zufall am Tatort überrascht und verscheucht wurde“.95 Der Mangel der Versuchsbeendigung wird hier also explizit dem Mangel des zurechenbaren Erfolgs gleichgestellt. Allerdings geben die Gesetzesmaterialien explizit keinen Aufschluss darüber, welche Tatumstände als Gründe für das Ausbleiben des Erfolgs innerhalb des „Willensbereichs des Täters“ die Strafrahmenmilderung gem. § 23 II StGB gebieten. Unter den Vertretern des subjektiv-monistischen Unrechtsbegriffs nimmt insbesondere Sancinetti an, dass der Mangel der Versuchsbeendigung nicht der einzige Umstand sei, der die Strafrahmenmilderung gem. § 23 II StGB gebietet. Gleiches gelte auch für Konstellationen im Randbereich zu § 23 III StGB, in denen der Täter die Vollendungstauglichkeit seines Versuchs irrtümlich in (nicht grob) unverständiger Weise annimmt.96 Hinter der Strafrahmenverschiebung in diesen Fällen stehe der Gedanke, dass das Ausbleiben der Vollendung kein Zufall, sondern ein Umstand sei, an dem der Täter „selbst schuld“ trage.97 Die Qualifikation dieses Tatumstands als Grund für die Strafrahmenmilderung entspricht uneingeschränkt den Kriterien, die den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind, weil die Nähe zum groben Unverstand ein Defizit innerhalb des „Willensbereichs des Täters“ darstellt, dem das Ausbleiben der Vollendung zuzuschreiben ist, das also den Grund für das Ausbleiben des Erfolgs bildet. 94 95 96 97

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) bb). BT-Drucks. IV/650, S. 143. Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 171 ff.; LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 32. Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 185.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Der Grund für die Strafrahmenmilderung wegen des Mangels der Versuchsbeendigung besteht Sancinetti zufolge ebenso wie für die Strafrahmenmilderung wegen der Nähe zum groben Unverstand darin, dass sich das Ausbleiben der Vollendung nicht als Zufall darstelle, weil das Postulat der Willensfreiheit die Behandlung von „Willensvollzugsdefiziten“ als Zufall verbiete.98 Dem ist durchaus zuzustimmen.99 Allein der Umstand, dass das „Willensvollzugsdefizit“ nicht als Zufall behandelt werden darf, bildet jedoch keinen hinreichenden Grund für die qualitative Gleichstellung mit Fällen, die im Randbereich von § 23 III StGB liegen. Im Gegenteil besteht der Grund, letztere Fälle anders zu behandeln als diejenigen des Mangels der Versuchsbeendigung, darin, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob man dem Täter für das Scheitern seines Handlungsprojekts positiv Verantwortung zuschreibt, oder ob man ihm das Fehlen eines geringfügigen Defizits zugutehält, weil dieses nicht als Zufall bewertet werden darf. Hält man für das Maß der Bestrafung des Täters „die Stärke seines gegen die Rechtsordnung gerichteten Willens“ für entscheidend,100 kann es keinen Zweifel daran geben, dass das sich in den § 23 III StGB nahekommenden Fällen offenbarende Willensdefizit ungleich signifikanter ist als das „Willensvollzugsdefizit“ des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung. Dies zeigt sich etwa, wenn man sich vorstellt, dass der Scherge eines Mafiabosses diesem vom Fehlgehen eines ihm befohlenen Mords berichtet. Kann der Scherge glaubhaft machen, er habe alle Vorkehrungen zum Gelingen des Unternehmens sorgfältig getroffen und dass dieses allein deshalb gescheitert sei, weil ein Dritter nach dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung interveniert und so den vollständigen Handlungsvollzug verhindert habe, wird der Mafiaboss allenfalls geringfügigen Anlass haben, am Bestehen des auf die Vollendung gerichteten Willens des Schergens zu zweifeln. Erklärt der Scherge dagegen, er habe die Waffe wenige Augenblicke vor der Tat entladen und dies im Zeitpunkt der Tat vergessen, dürfte der Mafiaboss dies kaum als „Entschuldigung“ für das Misslingen der Tat gelten lassen. Ungeachtet des Umstands, dass die gegen die strafrahmenprägende Wirkung des Mangels der Versuchsbeendigung sprechenden Gründe nicht ebenso zwingend sind wie diejenigen, die sich gegen die strafrahmenprägende Wirkung des Mangels vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands anführen lassen, sprechen insgesamt die besseren Argumente dafür, auch auf den unbeendeten Versuch den Regelstrafrahmen anzuwenden. Insbesondere der zweite von Sancinetti neben dem Mangel der Versuchsbeendigung als Grund für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II StGB angenommene Tatumstand – die Nähe zum groben Unverstand (vgl. § 23 III StGB) – weist auf die Möglichkeit einer überzeugenderen Lösung als das Abstellen auf das bloße Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen hin. 98

Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 184. Dazu: 2. Teil B. I. 2. d) bb), 4. 100 BT-Drucks. IV/650, S. 143.

99

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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III. Eigene Ansicht: (Partielle) Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium 1. Vorüberlegungen a) Die Anknüpfung an die §§ 23 III, 24 StGB als positiv-rechtlicher Ausgangspunkt Es ist das Verdienst Timpes, für den Gebrauch der Milderungsmöglichkeit in § 23 II StGB den systematischen Zusammenhang dieser Vorschrift zu den Regelungen der §§ 23 III, 24 StGB fruchtbar gemacht zu haben.101 Demnach sei die Anwendung von § 23 II i. V. m. § 49 I StGB in Fällen geboten, deren Umstände die Voraussetzungen der §§ 23 III, 24 StGB zwar nicht erfüllen, dem aber immerhin nahekommen. Eine gerechte Lösung könne nicht in einem „Entweder-oder“ aus der Anwendung des Regelstrafrahmens und der Straffreiheit bzw. der außerordentlichen Milderung nach § 49 II StGB bestehen, sondern müsse auch auf Fälle Rücksicht nehmen, die sich im „Graubereich“ befinden und denen deshalb keine der beiden Extremlösungen gerecht würde. Dieses Vorgehen beruht auf dem von Hillenkamp treffend als „Gesetz der Grenzwertbestimmung“ titulierten Prinzip: Die §§ 23 III, 24 StGB bildeten nur Extrempunkte auf einer Skala von Wertungen hinsichtlich Verhaltensweisen, an deren eines Ende der Gesetzgeber Straffreiheit geknüpft hat. Sachverhalte, die auf der Skala diesem Extrempunkt zumindest nahekommen, verdienten eine wesentlich andere Behandlung als Konstellationen, die dem anderen Extrem der Skala zuneigen bzw. dieses erreichen.102 Gegen diese Lösung wird eingewandt, klar konturierte Versuchstypen könnten dem Richter – vor allem vor dem Hintergrund der ohnehin bedenklichen Weite vieler Strafrahmen – bei der Strafzumessung weit besser Orientierung bieten als die Berücksichtigung von Merkmalen auf kontinuierlichen Skalen, weil hier „harte Zäsuren in fließende Übergänge zu schlagen“ seien, ohne dass objektive Kriterien für die Sachgerechtigkeit der Maßgeblichkeit eines bestimmten Grads auf der Skala ersichtlich wären.103 Ein „Bemühen um Elastizität der Fallbeurteilung“ und um das Erzielen von Einzelfallgerechtigkeit bedinge ein erhebliches Maß an Unbestimmtheit der Milderungsgründe.104

101

Timpe, Strafmilderungen, S. 107 ff.; ebenso auch Jakobs, Strafrecht AT, 25/79; LK/ Hillenkamp, § 23 Rn. 31 f.; zumindest Fälle im Randbereich zu § 23 III StGB werden als Milderungsgründe anerkannt bei Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 7a; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 171 ff.; Frister, Strafrecht AT, 23/8. 102 Damit ist in diesem Zusammenhang lediglich gemeint, dass Umstände, welche die Strafbarkeit ausschließen, meist nur Endpunkte auf einer kontinuierlich zu- bzw. abnehmenden Schwereskala bilden und Umstände, die nicht an diesem Ende liegen, dem aber immerhin nahekommen, zumindest strafmildernd zu berücksichtigen sind (vgl. Hillenkamp, Vorsatztat, S. 235 ff.); ähnlich mit Blick auf § 23 III StGB Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 172. 103 Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944 (953); ähnlich SK/Horn/Wolters, § 46 Rn. 75. 104 Frisch, in: FS Spendel, S. 381 (392).

158

3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Zwar ist zutreffend, dass die Bestimmung der Strafrahmenverschiebung durch die Einordnung der Umstände des Einzelfalls auf Skalen nicht die Trennschärfe klar konturierter Versuchstypen aufweist. Zum einen kann jedoch nicht überzeugen, die Wahl der Milderungsgründe allein von dem Ziel möglichst weitgehender Rechtssicherheit abhängig zu machen. Im Vordergrund muss vielmehr stehen, eine Lösung zu finden, die sich möglichst widerspruchsfrei in die positiv-rechtlichen Vorgaben und das dogmatische Gesamtsystem fügt. Dass dies durch die Bildung klar konturierter Versuchstypen nicht einwandfrei möglich ist, hat sich bereits oben erwiesen. Zudem entspricht die Methode der Auffindung der Milderungsgründe im Randbereich der §§ 23 III, 24 StGB auch der Begründung von § 23 II StGB in den Gesetzesmaterialien. Weil nach dieser nämlich von der Strafrahmenmilderung gem. § 23 II StGB Gebrauch zu machen sei, wenn die Gründe für das Ausbleiben des Erfolgs innerhalb des „Willensbereichs des Täters“ liegen,105 liegt es nahe, sich wertungsmäßig an den §§ 23 III, 24 StGB, die besonderes signifikante Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium innerhalb des „Willensbereichs des Täters“ formulieren, zu orientieren. Die Kritik, welche die Auffindung der Milderungsgründe im Randbereich der §§ 23 III, 24 StGB auf sich gezogen hat, dürfte aber auch dem Umstand geschuldet sein, dass es bisher nicht gelungen ist, über den richtigen „positivistischen“ Ausgangspunkt hinaus abstrakte Fallgruppen herauszuarbeiten, die subsumtionsfähige Begriffe bilden. Tatsächlich ist insbesondere die Lösung Timpes vielfach von einer starken Bezugnahme auf Einzelfälle geprägt, was freilich die durchaus berechtigte Kritik eines Mangels an hinreichender Regelgeleitetheit provoziert.106 Ungeachtet 105

BT-Drucks. V/4095, S. 11. Schon im Randbereich zu § 23 III StGB ist wenig klar, welche Fälle Timpe als für die Strafrahmenmilderung hinreichend ansieht (Strafmilderungen, S. 109 ff.). Insbesondere aber im Bereich der Randfälle zum Rücktritt (Strafmilderungen, S. 127 ff.) verfängt er sich in teils fragmentarischen, unübersichtlichen, nur bedingt prinzipiengeleiteten und „komplizierten Fallgruppendifferenzierungen“ (SK/Horn/Wolters, § 46 Rn. 75): Beim unbeendeten Versuch soll die Strafmilderung zwar in Fällen des Fehlschlags prinzipiell ausgeschlossen sein. Dies gelte jedenfalls für die „klassischen“ Fehlschlags-Fälle der vom Täter angenommenen objektiven Unmöglichkeit der weiteren Tatausführung, daneben aber auch für die Fälle der Unmöglichkeit materieller Tatvollendung bei den formal noch erfüllbaren Tatbeständen mit überschießender Innentendenz und erfolgskupierten Delikten sowie bei Objektsirrtümern (Strafmilderungen, S. 133 ff.). In den Fällen dagegen, in denen der Täter schockbedingt außer Stande ist, weiter zu handeln, komme die Anwendung des milderen Strafrahmens in Betracht, wenn sich das „schockbedingte Aufhören“ als „verdienstlich“ darstellt, etwa wenn der Schock „Ausdruck einer hinreichenden Normbefolgungsbereitschaft“ ist (Walter, Rücktritt, S. 99, zit. von Timpe, Strafmilderungen, S. 134). Auch in den Fällen sich aus Tätersicht ändernder Begleitumstände bei weiterhin bestehender Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung sei die Strafrahmenverschiebung nach Auffassung Timpes möglich, wenn sich das durch die geänderten Begleitumstände ausgelöste Motiv zur Aufgabe der Tat als billigenswert darstellt, etwa wenn jemand nach einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch, der dem Opfer Leid ersparen sollte, „nun ein anderes, aber für das Opfer qualvolleres Mittel nicht nutzt“ (Strafmilderungen, S. 142). Zu den Milderungsgründen im Randbereich zu § 24 I S. 1 Var. 2 StGB äußert Timpe sich ebenfalls nur sehr vage: Diskutabel sei eine Strafmilderung „für den, der freiwillig seinen 106

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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dessen ist dieser Mangel der an den §§ 23 III, 24 StGB orientierten Lösung jedoch keineswegs immanent. Er kann dadurch behoben werden, dass man sich bei der Herausarbeitung der Milderungsgründe im Randbereich der §§ 23 III, 24 StGB stärker als bisher an den Grundgedanken dieser Vorschriften und an den allgemeinen Grundsätzen der strafrechtlichen Zurechnungslehre orientiert. b) Die Grundgedanken der §§ 23 III, 24 I StGB aa) Das Fehlen bzw. die krasse Verminderung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zum groben Unverstand des Täters als Grund für die in § 23 III StGB gewährte Straffreiheit bzw. für die außerordentliche Strafmilderung Die in § 23 III StGB geregelte Straffreiheit bzw. außerordentliche Strafmilderung (i. V. m. § 49 II StGB) beruht auf dem Gedanken, dass grob unverständiges Verhalten überhaupt nicht bzw. in nur stark vermindertem Maße rechtserschütternd wirkt, da es von Dritten weder in nennenswertem Maße als Alternative für das eigene Verhalten in Betracht gezogen noch als Vertrauensenttäuschung erlebt wird.107 Es fehlt bei grob unverständigem Tätervorgehen deshalb zumeist an dem für die Bestrafung notwendigen Orientierungsbedürfnis der Allgemeinheit.108 Das entscheidende, die Rechtsfolge dieser Regelung auslösende Moment ist nicht der Umstand, dass der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung Plan preisgibt, den Erfolg aber versehentlich hindert; oder für den, der sich entdeckt glaubt und deshalb unfreiwillig zurücktritt, aber maßgeblichen Anteil an der Rettung des Opfers hatte; oder für den, der den Erfolg hindert, seinen Plan aber nur aus Gründen nahe der Freiwilligkeit preisgab“ (Strafmilderungen, S. 142). Im Randbereich zu § 24 I S. 2 StGB komme eine Strafmilderung in Betracht, wenn der Täter sich eines Rettungsmittels bedient, welches nicht ernstlich ist (Strafmilderungen, S. 142 f.). Gleichermaßen geboten sei die Milderung trotz des Fehlschlags, wenn der Täter nach seiner Vorstellung weitere Möglichkeiten zur Erfolgsherbeiführung hat, diese aber ungenutzt lässt, wobei man zu diesem Ergebnis, wie Timpe selbst erkennt, nur gelangen kann, wenn man den fehlgeschlagenen Versuch, den der Täter bei Handlungsvornahme schon für konkret erfolgstauglich gehalten hat, mit der Einzelakttheorie als abgeschlossene Tat begreift und einen Rücktritt durch bloßes Aufgeben der Tat für nicht mehr möglich hält (Strafmilderungen, S. 148 f.). 107 Timpe, Strafmilderungen, S. 121 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 25/81; Radtke, JuS 1996, 878 (881); Frister, Strafrecht AT, 23/8; vgl. zur Deutung von § 23 III StGB aus Sicht der Anerkennungslehre Zaczyk, Unrecht, S. 251: Danach erschüttert der grob unverständige Versuch das intersubjektive Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Opfer allenfalls geringfügig. 108 Die Frage, ob abergläubisches Vorgehen, also Vorgehen, bei dem der Täter übernatürliche Kräfte zur Tatbestandsverwirklichung einsetzt, unter den Begriff des groben Unverstands fällt und damit einen Versuch i. S. von § 22 StGB darstellt, muss im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden. Nimmt man dies an (a. A. Jakobs, Strafrecht AT, 25/22; Roxin, Strafrecht AT II, 29/371 ff.), wäre in diesen Fällen aber stets von der durch § 23 III StGB eröffneten Möglichkeit, Straffreiheit zu gewähren, Gebrauch zu machen (so Ellbogen, in: FS HeintschelHeinegg, S. 125 (127 ff.)).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

führen konnte, sondern, dass sich die Vollendungsuntauglichkeit des Versuchs jedem mit durchschnittlichem Erfahrungswissen ausgestatteten Menschen als offensichtlich aufgedrängt hätte, sich der Täter also wie ein „Dummkopf“ verhalten hat.109 Daran, dass es nicht zur Vollendung gekommen ist, ist der Täter nach alltäglichem Zurechnungsverständnis „selbst schuld“,110 sodass der Verbleib der Tat im Versuchsstadium der „Dummheit“ des Täters zugerechnet wird. Der gegen das jeweilige Rechtsgut gerichtete Vorsatz wird wegen der ihn konstituierenden krassen Irrationalität – wiewohl es sich begrifflich um einen Versuch handelt, der die in § 22 StGB implizierte Verhaltensnorm verletzt – vom Gesetz als ein nur in geringem Maße strafwürdiger Motivationsfehler bewertet.111 Maßgeblich ist im Rahmen der Anwendung von § 23 III StGB – wie oben bereits dargelegt112 – nicht der objektiv vorliegende, sondern allein derjenige Sachverhalt, den der Täter wahrgenommen bzw. sich vorgestellt hat. Auch wenn der grobe Unverstand (selbstverständlich) nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen ist, bleibt das vom Täter vorgestellte Geschehen (in konsequenter Durchführung der § 22 StGB zugrunde liegenden subjektiven Versuchslehre) das Substrat, auf welches dieser Maßstab anzuwenden ist. Dementsprechend bleibt die Verwirklichung des objektiven Tatbestands durch das grob unverständige Vorgehen des Täters möglich. Allerdings scheidet eine Vollendungsstrafbarkeit im Falle groben Unverstands wegen der zwingenden Inkongruenz von Vorstellung und Wirklichkeit aus, sodass die Verwirklichung des objektiven Tatbestands im Falle ihrer Erkennbarkeit allenfalls eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründet.113 bb) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zur Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung als Grund für die durch § 24 I S. 1 Var. 1 StGB gewährte Straffreiheit Die Möglichkeit, durch die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung Straffreiheit zu erlangen, stellt sich als Kehrseite der Pönalisierung des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung durch § 22 StGB dar.114 Durch die Vor109

So zur Missachtung allgemein bekannter Erfahrungsregeln Jakobs, Strafrecht AT, 1/7a. So, wenn auch mit erheblichen Unterschieden zu den hier gezogenen Folgerungen, Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 183 ff. 111 Wie bereits oben dargelegt (2. Teil B. I. 3.), kann jedoch auch ein auf den ersten Blick auf Unverstand beruhendes Vorgehen sich als verständig erweisen, wenn der Irrtum des Täters auf rationalen Gründen beruht. 112 3. Teil B. II. 2. 113 Dazu: 2. Teil A. II. 2. b). 114 Die zahlreichen Ansätze, die zur Deutung von § 24 StGB entwickelt worden sind, können hier nicht detailliert erörtert werden. Für eine tragfähige Erklärung des § 24 StGB gilt aber der allgemeine Grundsatz, dass sich der Rücktritt als Bestandteil eines Strafrechts, welches seine Legitimität aus der Verfolgung sozialer Ziele bezieht, funktional erklären lassen muss. 110

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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verlagerung der Strafbarkeit auf diesen Zeitpunkt soll verhindert werden, dass der Täter, wenn die Versuchsbeendigung unmittelbar bevorsteht, nicht mehr allein durch das zufällige, also durch das ihm nicht zurechenbare Ausbleiben der Versuchsbeendigung Straffreiheit erlangt. Mit dem unmittelbaren Ansetzen hat sich das Handlungsprojekt des Täters seinem Ende nämlich so weit angenähert, dass die Vermutung, der Täter werde auch noch die weiterhin zur Vollendung erforderlichen Handlungsschritte ausführen, zulässig ist.115 § 24 I S. 1 Var. 1 StGB hält dem Täter dagegen die Möglichkeit offen, sich auch nach dem unmittelbaren Ansetzen von der darin zum Ausdruck kommenden vorläufigen Entscheidung für die Tatbestandsverwirklichung durch den freiwilligen Verzicht auf die vollständige Ausführung seines Handlungsprojekts zu distanzieren. Gibt der Täter die weitere Ausführung der Tat freiwillig auf, so wird die Vermutung, dass er bereit ist, die bis dahin hypothetisch gebliebene letzte Entscheidung für die Eine bloße Paraphrasierung des Gesetzestextes, wie sie etwa die Verdienstlichkeits- oder Prämientheorie (u. a. vertreten von Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420); Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 539) darstellt, stellt deshalb keine tragfähige Erklärung des Rücktritts dar. Gleiches gilt für die in jüngerer Zeit entwickelten Konzepte der Schuld- bzw. Rechtserfüllung (grundlegend dazu Herzberg, in: FS Lackner, 325 (342 ff.); MK/Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 12 ff.) und der Gefährdungsumkehr (grundlegend dazu Jäger, Rücktritt, S. 62 ff.; SK/ders., § 24 Rn. 5; Roxin, Strafrecht AT II, 30/34). Zu beiden Ansätzen nur so viel: Die Schulderfüllungstheorie wird auf den nach Ansicht ihrer Vertreter rechtsgebietsübergreifenden Grundsatz gestützt, „daß sich Zwangsandrohung (hier: die Strafverfolgung) [erledige], wenn der Täter seine Pflicht zur Beendigung und Wiedergutmachung des Unrechtsverhaltens, das die Drohung ausgelöst, durch eine ihm zuzurechnende Leistung erfüllt“ (Herzberg, in: FS Lackner, S. 325 (349)). Bezogen auf den Rücktritt bedeute dies, dass derjenige, der die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder die Tatvollendung verhindert, die aus seinem bisherigen Tun entstandene Rechtspflicht zur Abwendung der Vollendung erfüllt. Gegen diese, auf zivil- und verwaltungsrechtliche Rechtsgrundsätze gestützte Deutung des § 24 StGB spricht jedoch, dass es im Strafrecht in erster Linie nicht um die Beilegung eines intersubjektiven, sondern eines gesellschaftlichen Rechtskonflikts geht. So bleibt der strafrechtlich relevante Normgeltungsschaden durch den bloßen Naturalismus des Erfolgswerts der Abwendung eines Rechtsgutsschadens prinzipiell unberührt (so auch Bergmann, ZStW (1988), 329 (337); Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511); Freund/Garro Carrera, ZStW 118 (2006), 76 (83); Boß, Rücktritt, S. 52 f.). Weiter spricht gegen eine Fruchtbarmachung zivilrechtlicher Grundsätze zwecks Konkretisierung der strafrechtlichen Pflichtenstruktur, dass das zivilrechtliche im Vergleich zum strafrechtlichen Pflichtenverständnis deutlich stärker erfolgs- als handlungsbezogen strukturiert ist. Dies zeigt sich etwa daran, dass der zivilrechtliche Schuldner zur Erfüllung einer Pflicht prinzipiell nicht einmal in eigener Person zu leisten hat (vgl. § 267 I BGB). Es steht aber vollkommen außer Zweifel, dass beim strafbefreienden Rücktritt – ebenso wie bei der Strafbegründung – um eine persönliche (nicht notwendiger Weise vollständig eigenhändige) Leistung des Täters handelt. Wie bereits erörtert, ist dieser Umstand auf die vollkommen unterschiedlichen Funktionen des Zivil- und des Strafrechts zurückzuführen (dazu: 2. Teil B. II.). Die Deutung des Rücktritts als zurechenbare Gefährdungsumkehr ist dagegen konsequent, wenn man das Versuchsunrecht primär in der Gefährdung eines konkreten Rechtsguts erblickt. Dass diese Prämisse aber fehlgeht, weil sie die Strafe weder als repressives Instrument zur Sozialgestaltung noch die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs nach geltendem Recht erklären kann, ist bereits oben herausgearbeitet worden (2. Teil A. I.). 115 Dazu: 2. Teil B. I. 4.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Tatbestandsverwirklichung zu treffen, widerlegt.116 Damit trägt das Gesetz durch § 24 I S. 1 Var. 1 StGB dem aus dem Postulat der Willensfreiheit folgenden Verbot Rechnung, vorläufige Entscheidungen als Determinanten späterer Entscheidungen zu behandeln.117 Da die Tatvollendung im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens noch mindestens eines weiteren Willensakts des Täters bedarf,118 wird ihm im Falle der Entscheidung gegen die Ausführung dieses Willensakts der Verbleib der Tat im Versuchsstadium als das Ergebnis seines Entscheidungsprozesses zugerechnet. Beendet der Täter sein deliktisches Handlungsprojekt mit einer Entscheidung gegen die Ausführung der noch erforderlichen Handlungsschritte, so hinterlässt sein Handeln insgesamt keinen rechtserschütternden Eindruck, wenn in dieser Entscheidung die unbedingte Anerkennung der Rechtsordnung zum Ausdruck kommt. Damit mag § 24 I S. 1 Var. 1 StGB formal zwar einen Strafaufhebungsgrund darstellen. In der Sache handelt es sich jedoch um ein negatives Merkmal des Tatbestands von § 22 StGB, dessen Verwirklichung das Unrecht des Versuchs entfallen lässt.119 Aus dieser Deutung folgt zwingend die Konkretisierung des Begriffs der Tat in § 24 StGB nach den Grundsätzen der Einzelakttheorie.120 Ab dem Zeitpunkt, in dem der Täter sämtliche aus seiner Sicht zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Handlungsschritte ausgeführt und die Entscheidung, ob es zur Vollendung kommt, bewusst dem Zufall überlassen hat, ist sein deliktisches Handlungsprojekt abschlossen und die Entscheidung gegen dessen Fortführung deshalb nicht mehr möglich. Die Verwirklichung von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB erschöpft sich in der Entscheidung des Täters gegen die weitere Tatausführung. Die Unrechtsaufhebung gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB hat deshalb – ebenso wie die Unrechtsbegründung gem. § 22 StGB – nur einen subjektiven, aber keinen objektiven Tatbestand.121 Dies wird 116 Murmann, Versuchsunrecht, S. 35; Frister, Strafrecht AT, 24/2; Theis, Unbeendeter Versuch, S. 104 ff.; Haas, ZStW 123 (2011), 226 (246). 117 Dazu: 2. Teil B. I. 2. d) bb). 118 Dazu: 2. Teil A. II. 1. 119 Murmann, Versuchsunrecht, S. 35; Frister, Strafrecht AT, 24/2; Theis, Unbeendeter Versuch, S. 104 ff.; Haas, ZStW 123 (2011), 226 (246); zu den Standorten der Rücktrittsregelungen in historischen Gesetzgebungen Schumann, Standort. 120 Dazu Frister, Strafrecht AT, 24/17. 121 Dementsprechend kommt es für den Rücktritt nach § 24 I S. 1 Var. 1 StGB auch nicht auf eine Objektivierung des Aufgabewillens an. Man stelle sich etwa vor, A wolle sich wegen einer Affäre mit seiner Ehefrau an B rächen, indem er ihn mit seinem Revolver erschießt. B bittet A, nachdem dieser die Waffe auf ihn gerichtet und sein Anliegen offenbart hat (unmittelbares Ansetzen), um Gnade, woraufhin A sich entschließt, ihn nicht zu erschießen, ihn aber gleichwohl „noch ein bisschen leiden zu lassen“, indem er die Waffe auf ihn gerichtet hält. Schlägt nun der überraschend hinzutretende C dem A die Waffe aus der Hand, bevor dieser sie hat sinken lassen, so ist es zu keiner äußerlich wahrnehmbaren Manifestation der Entscheidung des A gekommen, B nicht zu erschießen. Die innerliche Distanzierung des A von seinem Handlungsprojekt reicht zur Aufgabe der weiteren Tatausführung hin; zu einem anderen Er-

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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vor allem für die Fälle des umgekehrten dolus generalis relevant.122 Trotz vollständiger Verwirklichung des objektiven Tatbestands (einschließlich der Ingangsetzung eines zum Erfolg führenden Kausalverlaufs) ist dem Täter die Rücktrittsmöglichkeit durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht abgeschnitten, da er sich der Beherrschung des Geschehens nach seiner Vorstellung noch nicht entäußert hat.123 cc) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zur Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung auf der intuitiven Wertungsebene als Grund für die durch § 24 I S. 1 Var. 2 StGB gewährte Straffreiheit Ebenso wie durch die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung bringt der Täter durch die freiwillige Verhinderung der Tatvollendung die Anerkennung des Vorrangs der Normbefolgungspflicht gegenüber der Verwirklichung seiner eigenen Zwecke zum Ausdruck und hinterlässt dadurch einen rechtsbestätigenden Eindruck. Anders als § 24 I S. 1 Var. 1 StGB gewährt § 24 I S. 1 Var. 2 StGB Straffreiheit nach seinem Wortlaut jedoch auch in den Fällen, in denen der Täter die letzte aus seiner Sicht zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche Handlung ausgeführt, er das tatbestandsmäßige Verhalten also bereits vollständig vollzogen hat. Damit honoriert § 24 I S. 1 Var. 2 StGB anders als § 24 I S. 1 Var. 1 StGB nicht die Entscheidung des Täters gegen den vollständigen Vollzug des deliktischen Verhaltens, sondern die Neutralisierung der von dem vollständig vollzogenen deliktischen Handlungsprojekt ausgehenden Folgen durch Nachtatverhalten mit Straffreiheit. Zunächst ist fraglich, aus welchem Grund Nachtatverhalten überhaupt Einfluss auf die Bestrafung deliktischen Verhaltens hat, warum also „schlechte Werke“ mit nachfolgenden „guten Werken“ zu saldieren sind. In einem Strafrecht, dessen Zweck in der Stabilisierung der durch die Tat gefährdeten Normgeltung besteht, lässt sich der Einfluss von Nachtatverhalten auf die Bestrafung darauf zurückführen, dass die gesellschaftliche Desorientierung, die von normwidrigem Verhalten ausgeht, nicht allein durch Strafe, sondern auch durch ein Normtreue zum Ausdruck bringendes

gebnis gelangt in konsequenter Durchführung des Objektivierungsprinzips Murmann, Versuchsunrecht, S. 35 f. 122 Dazu: 2. Teil A. II. 1. a) bb). 123 Jakobs, Strafrecht AT, 26/13; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 92 ff.; Schönke/ Schröder/Eser, § 24 Rn. 24; eine a. A. vertreten vor allem Autoren, die in derartigen Fällen eine Vollendungsstrafbarkeit annehmen, etwa Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, 11/84; eine Zwischenposition nimmt insoweit Frister ein, der trotz der Beurteilung des umgekehrten dolus generalis als vollendete Tat einen Rücktritt durch freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung für möglich hält (Strafrecht AT, 24/38 f.), was wegen der eindeutigen gesetzessystematischen Einordnung des § 24 StGB als Subinstitut des Versuchs rechtsmethodisch nichts anderes als eine analoge Anwendung des § 24 I S. 1 Var. 1 StGB auf die vollendete Tat bedeutet.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Verhalten des Täters ausgeglichen werden kann.124 Manifestiert sich im Nachtatverhalten glaubhaft die Überzeugung des Täters, dass er sein deliktisches Verhalten selbst als Fehler bewertet, setzt er dadurch einen rechtsbestätigenden Eindruck, der den rechtserschütternden Eindruck seines deliktischen Verhaltens abschwächt.125 Dass sich Nachtatverhalten zumindest auf die Strafhöhe auswirkt, zeigt sich an den allgemeinen Strafzumessungsregeln (§ 46 II S. 2 6. Zeile StGB), der Regelung zum Täter-Opfer-Ausgleich bzw. zur Schadenswiedergutmachung (§ 46a i. V. m. § 49 I StGB) und der Regelung zur Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten (§ 46b i. V. m. § 49 I StGB). Zu klären bleibt, aus welchem Grund § 24 I S. 1 Var. 2 StGB über eine bloße Strafmilderung hinaus die freiwillige Verhinderung der Tatvollendung mit Straffreiheit honoriert. Intrasystematisch kann dies nur dadurch erklärt werden, dass der von diesem Nachtatverhalten ausgehende rechtsbestätigende Eindruck derart signifikant ist, dass er den vom vollständigen Vollzug des deliktischen Handelns ausgehenden rechtserschütternden Eindruck vollständig ausgleicht und deshalb kein Bedürfnis nach Bestätigung der Normgeltung durch Bestrafung mehr besteht. Insoweit gilt es die besondere rechtsbekräftigende Wirkung der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung im Vergleich zu anderem Nachtatverhalten zu plausibilisieren. Teilweise wird die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts mit dem engeren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Verhinderungshandlung zum tatbestandsmäßigen Verhalten erklärt. So sei der Angriff auf die Normgeltung im Falle des Rücktritts „nur kurz in der Welt gewesen“.126 Dem ist aber entgegenzuhalten, dass § 24 I S. 1 Var. 2 StGB weder einen engen zeitlichen noch einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen der Verhinderungshandlung und dem deliktischen Verhalten voraussetzt. So verhindert auch derjenige die Tatvollendung freiwillig, der, nachdem er seinem Opfer ein nach zwei Monaten tödlich wirkendes Gift verabreicht hat, dem Opfer das Gegengift erst einen Monat nach der Giftzuführung beibringt. Das Gleiche gilt, wenn der Täter dem Opfer das Gegengift nicht selbst verabreicht, sondern aus weiter Entfernung einen Dritten mit der Verabreichung des Gegengifts beauftragt.127 Plausibler ist deshalb, das besondere Gewicht der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung darin zu sehen, dass es der Täter überhaupt nicht zur Vollendung hat 124 Auch auf Grundlage des herkömmlichen Verständnisses von Schuld als vorwerfbare Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung ist eine Erklärung der strafmildernden Wirkung von Nachtatverhalten möglich. Verringert der Täter durch sein Nachtatverhalten das Gewicht der Rechtsgutsverletzung oder das Ausmaß der Gefahr, so vermindert dies den ihm gegenüber zu erhebenden Schuldvorwurf (vgl. Meier, GA 2015, 443 ff.). 125 Deiters, Strafzumessung, S. 56 f.; Freund/Garro Carrera, ZStW 118 (2006), 76 (84 ff.); Frister, in: FS Rengier, S. 377 (388 ff.). 126 Jakobs, Strafrecht AT, 26/2; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 9/16. 127 Zur Möglichkeit der Mitwirkung Dritter an der Erbringung der Rücktrittsleistung Bloy, JuS 1987, 528.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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kommen lassen. Insbesondere bei schwerwiegenden Delikten, deren tatbestandlicher Erfolg in einem irreparablen Schaden besteht, hat die Verhinderung dieses Schadens im Vergleich zu einer nachträglichen Bemühung um Kompensation einen ungleich höheren Handlungswert. Die Überzeugung des Täters, dass die in dem Vollzug des tatbestandsmäßigen Verhaltens zum Ausdruck gelangende Maxime unrichtig ist, kommt in einer auf die Neutralisierung der von diesem Verhalten ausgehenden Folgen gerichteten Handlung deutlich prägnanter zum Ausdruck als in sonstigem Nachtatverhalten, bei dem es schon „zu spät ist“ und der Täter nicht mehr die Möglichkeit hat, die Tatbestandsverwirklichung abzuwenden. Gerade diese Formulierung offenbart jedoch die Schwierigkeit der Legitimation der Straffreiheit nach § 24 I S. 1 Var. 2 StGB. Ob es im Falle der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung für die Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung noch nicht „zu spät ist“, stellt sich nämlich erst ex post heraus.128 Ex ante hat sich der Täter durch die Versuchsbeendigung dagegen der Möglichkeit entäußert, noch uneingeschränkt selbst über den Eintritt der Tatvollendung zu entscheiden, weil ab der Versuchsbeendigung eine weitere Entscheidung des Täters für die Tatbestandsverwirklichung zur Tatvollendung nicht mehr notwendig ist und die Entscheidung des Täters gegen die Tatbestandsverwirklichung zur Verhinderung der Tatvollendung nicht mehr hinreicht.129 Da der Fortbestand des deliktischen Willens bis zum vollständigen Vollzug des tatbestandsmäßigen Verhaltens noch eine positive Voraussetzung der Tatvollendung ist, hat der Täter die Entscheidung über die Tatbestandsverwirklichung bis zur Versuchsbeendigung nämlich zumindest insoweit in der Hand, als sie noch nicht ohne eine weitere selbstbestimmte Entscheidung für die Tatbestandsverwirklichung eintreten kann. Ab der Versuchsbeendigung ist es allein Sache des Zufalls, über den Eintritt der zurechenbaren Tatbestandsverwirklichung zu „entscheiden“, weil es keiner selbstbestimmten Entscheidung des Täters, sondern nur noch des Eintritts eines objektiven Kausalverlaufs bedarf, der in die Tatbestandsverwirklichung mündet.130 Zwar kann der Täter sich auch nach der Versuchsbeendigung noch gegen die Tatbestandsverwirklichung entscheiden. Schon das Bestehen der Möglichkeit einer solchen Entscheidung hängt jedoch von zufälligen Faktoren ab. So kann diese 128

Vgl. Thilo, StGB Baden mit den Motiven der Regierung I, S. 144. Dagegen vertritt Muñoz-Conde, auch der „mißlungene Rücktritt“ führe zwingend zu einem Ausschluss der Vollendungsstrafbarkeit. Im Ergebnis bleibe es bei einer Strafbarkeit von Versuch und Fahrlässigkeit in Tateinheit (GA 1973, 33 (40)). Diese Lösung ist jedoch mit § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB unvereinbar. § 24 I S. 1 Var. 2 StGB macht die Straffreiheit des Versuchs davon abhängig, dass die Verhinderungsbemühungen des Täters für das Ausbleiben der Vollendung kausal sind. Bewertete man jede Verhinderungsbemühung schon an sich als vollendungsausschließend, so läge in jeder Verhinderungsbemühung eine Ursache für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium, sodass eine Verhinderungsbemühung schon an sich § 24 I S. 1 Var. 2 StGB verwirklichte. Damit verbliebe für § 24 I S. 2 StGB, der voraussetzt, dass die Verhinderungsbemühungen gerade nicht für das Ausbleiben der Vollendung ursächlich geworden sind, kein Anwendungsraum. 130 Dazu: 2. Teil B. I. 2. d) bb), 4. 129

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

an für den Täter vollkommen unvorhersehbaren Umständen scheitern, etwa weil der Erfolg früher als vom Täter geplant eintritt oder weil der Täter an der Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung durch das Erleiden eines Schlaganfalls gehindert wird. Gegen die Thematisierung des Bestehens einer vom Täter genutzten Verhinderungsmöglichkeit als Zufall lässt sich natürlich einwenden, dass es sich um eine mit dem Postulat der Willensfreiheit unvereinbare Thematisierung von execution luck handelt. Ebenso wie die Ausführung deliktischer Handlungen nicht als Zufall behandelt werden darf, obwohl von für den Täter nicht beherrschbaren Faktoren abhängt, ob es überhaupt zur Ausführung der deliktischen Handlungen kommt, darf eine rechtskonforme Handlung nicht deshalb als Zufall thematisiert werden, weil das Bestehen der Möglichkeit ihrer Ausführung nicht vollständig durch den Täter beherrschten Einflüssen unterliegt.131 Darüber hinaus hängt auch die Möglichkeit, gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB zurückzutreten, von Umständen ab, die der Täter nicht vollständig kontrolliert. So setzt die Aufgabe der weiteren Tatausführung voraus, dass der Täter überhaupt noch zur weiteren Tatausführung in der Lage ist. Das Bestehen der Möglichkeit des Weiterhandelns kann aber jederzeit dadurch entfallen, dass der Täter nach dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung einen Schlaganfall erleidet oder sich die Tatvollendung – was für den Täter zuvor nicht erkennbar gewesen ist – aus anderen Gründen als unmöglich erweist. Doch selbst wenn man – wie hier – anerkennt, dass die Ausführung der Verhinderungshandlung, nachdem sie geschehen ist, nicht als Zufall thematisiert werden darf, ist der Unterschied des Zufallseinflusses bei den beiden Varianten von § 24 I S. 1 StGB nicht zu eskamotieren. Denn die freiwillige Verhinderung der Tatvollendung setzt über die selbstbestimmte Entscheidung des Täters gegen die Tatbestandsverwirklichung hinaus auch die Ingangsetzung eines natürlichen Kausalverlaufs voraus, der im Ausbleiben der Vollendung mündet. Anders als § 24 I S. 1 Var. 1 StGB hat § 24 I S. 1 Var. 2 StGB neben einem subjektiven auch einen objektiven Tatbestand. Da natürliche Kausalverläufe von zufälligen Faktoren beherrscht werden, ist der Vollendungsmangel selbst im Falle der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung auch ein Zufallsprodukt und deshalb nicht als das alleinige Ergebnis des Entscheidungsprozesses des Täters zuzurechnen.132 Wer etwa einen Krankenwagen ruft, nachdem er einem anderen mit Tötungsvorsatz eine lebensgefährliche Stichverletzung beigebracht hat, setzt zwar u. U. eine notwendige Bedingung für das Ausbleiben der Vollendung. Dass die Verhinderung der Tatvollendung gelingt, hängt jedoch auch von zahlreichen anderen, außerhalb des Täterwillens liegenden Faktoren ab, etwa dem Ausbleiben von Verkehrsunfällen, der Konstitution des Opfers und dem Geschick des operierenden Chirurgen. Weil das Postulat der Willensfreiheit die Thematisierung von Willensakten, nicht dagegen

131 132

Dazu: 2. Teil B. I. 2. d) bb), 4. Zielinski, in: FS Schreiber, S. 533 (547 f.).

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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auch diejenige von natürlichen Kausalverläufen als Zufall verbietet,133 und sich die Aufgabe der weiteren Tatausführung anders als die Verhinderung der Tatvollendung in einem Willensakt – nämlich in der Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung – erschöpft,134 ist die Thematisierung des Ausbleibens der Vollendung als Zufall im Falle der Verwirklichung von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB zulässig. Insoweit könnte man meinen, dass der Einsatz von Strafe nach der Versuchsbeendigung vom Standpunkt der positiven Generalprävention in jedem Fall angezeigt sei.135 Denn das Ausmaß an Verunsicherung, welches ein Geschehen hinterlässt, in dem sich das Ausbleiben der Vollendung lediglich als das Ergebnis zufälliger, also dem Täter nicht zurechenbarer Faktoren darstellt, kann auch nicht durch die Entscheidung des Täters gegen die Tatbestandsverwirklichung vollständig aus der Welt geschafft werden. Die Schlussfolgerungen, dass § 24 I S. 1 Var. 2 StGB restriktiv als Rücktritt vom unbeendeten Unterlassungsversuch zu interpretieren sei136 oder dass die Legitimation von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB ergänzend des Rückgriffs auf kriminalpolitische Erwägungen bedürfe,137 erweisen sich bei genauerem Hinsehen jedoch 133

Dazu: 2. Teil B. II. 1. c), 4. Dazu: 3. Teil B. III. 1. a) bb). 135 So etwa Frister, Strafrecht AT, 24/4; vgl. auch Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 3; Freund/Garro Carrera, ZStW 118 (2006), 76 (94); in anderen Rechtsordnungen bewirkt der Rücktritt vom beendeten Versuch lediglich eine Strafmilderung (vgl. Art. 44 II des griechischen StGB). 136 Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 93 f.; ähnlich zuvor schon Jakobs, ZStW 104 (1992), 82 ff.; ders., Strafrecht AT, 26/1 ff.; das Zurückschneiden des Anwendungsbereichs von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB auf die Fälle des unbeendeten Unterlassungsversuchs ist jedoch eine radikale Reduktion des Wortlauts von § 24 StGB zu Lasten des Täters und als solche nicht mit Art. 103 II GG zu vereinbaren (ebenso Bergmann, ZStW 100 (1988), 329 (345); Murmann, Versuchsunrecht, S. 40 ff.; Puppe, Strafrecht AT, 21/6; für die Vereinbarkeit mit Art. 103 II GG Haas, ZStW 123 (2011), 226 (256 f.)). So macht § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB die Honorierung der Verhinderung der Tatvollendung mit Straffreiheit nicht von dem Zeitpunkt abhängig, zu welchem die Verhinderungshandlung ausgeführt wird. Vielmehr spricht das natürliche Wortlautverständnis von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB unzweifelhaft dafür, diese Vorschrift auch auf den Rücktritt vom beendeten Versuch anzuwenden. Der Rücktritt vom unbeendeten Unterlassungsversuch fällt unter § 24 I S. 1 Var. 1 StGB und nicht unter § 24 I S. 1 Var. 2 StGB. Auch hier ist die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung möglich, weil sich der Täter der vollständigen Beherrschung des Risikos, zu dessen Beseitigung er verpflichtet ist, noch nicht entäußert hat. Wenn Aufgabe auch alltagssprachlich ein Unterlassen umschreibt, kann nach dem Grundgedanken von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB ebenso ein Verhalten, welches sich phänomenologisch als positives Tun und damit als Verhinderung der Tatvollendung darstellt, als Aufgabe der weiteren Tatausführung bewertet werden, wenn es vor der Versuchsbeendigung ausgeführt wird (so mit Blick auf den Grundgedanken von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB auch Frister, Strafrecht AT, 24/24 f.; ähnlich Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 28; SK/Stein, Vorbem. § 13 Rn. 71.). 137 Frister etwa stützt sich zur Erklärung der Straffreiheit nach § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB neben dem infolge der Verhinderungsbemühung verminderten generalpräventiven Bestrafungsinteresse ergänzend auf den traditionellen Gedanken der „goldenen Brücke“. Durch die Aussicht auf Straffreiheit solle dem Täter, auch nachdem er in das strafbare Versuchsstadium eingetreten ist und die Abschreckung durch die Androhung von Strafe insoweit fehlgeschlagen 134

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

ist, der Anreiz gesetzt werden, die Vollendung der Tat zu verhindern (Strafrecht AT, 24/4; eine solch dualistische Deutung des § 24 II StGB findet sich auch bei Grünwald, in: FS Welzel, S. 701 (712); ähnlich auch MK/Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 20 ff., wobei der Gedanke der „goldenen Brücke“ § 24 StGB insgesamt zugrunde gelegt wird; m. w. N. zur Theorie der „goldenen Brücke“ Ulsenheimer, Rücktritt, S. 42 Fn. 60). Die Aussicht auf Straffreiheit bildet nach diesem Konzept ein Instrument des unmittelbaren Rechtsgüterschutzes. Nach Frister liegt § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB also die Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde, auf die Befriedigung des verbleibenden generalpräventiven Interesses an der Bestrafung zugunsten des Opferschutzes zu verzichten (Strafrecht AT, 24/4). M. E. kann jedoch die Theorie der „goldenen Brücke“ weder eigenständig noch partiell die Gewährung von Straffreiheit als Reaktion auf die freiwillige und ernsthafte Bemühung um die Vollendungsverhinderung erklären. Denn schon die Prämisse des Anreizgedankens – nämlich die Unterstellung der Kenntnis der strafbefreienden Wirkung bei einem Durchschnittstäter gerade im „Eifer des Gefechts“ – ist kaum haltbar. Deutet man § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB als ein Instrument der Verhaltenssteuerung, müsste das Ziel der Erlangung von Straffreiheit gerade das dominante Handlungsmotiv des Täters bilden. Wer in Unkenntnis der strafbefreienden Wirkung des Rücktritts handelt, müsste dann wegen Versuchs bestraft werden (Walter, Rücktritt, S. 15). Da ein solcher Motivationszusammenhang praktisch aber nur ganz selten vorliegt (Walter, Rücktritt, S. 12 f.; so wohl auch Jakobs, Strafrecht AT, 26/5; Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (40)), liefe die Rücktrittsregelung leer. Außerdem gibt der Gesetzeswortlaut für eine solche restriktive Interpretation keine Anhaltspunkte, sodass sie mit dem Gesetzlichkeitsprinzip unvereinbar ist (Walter, Rücktritt, S. 13). Auch müsste demjenigen, der nicht wegen der Aussicht auf Straffreiheit, sondern allein aus Gewissensangst zurücktritt, bei konsequenter Durchführung des Anreizgedankens die Straffreiheit verwehrt werden. Dies hätte die normativ inakzeptable Konsequenz, dass derjenige, der bedingt durch die gerade erwünschte Internalisierung der Norm die Vollendung der Tat verhindert, schlechter stünde als derjenige, der sich allein aufgrund einer Kosten-NutzenAbwägung für die Vollendungsverhinderung entscheidet (Walter, Rücktritt, S. 15). Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Täter die erforderliche Rechtskenntnis hat, sprechen erhebliche Gründe gegen die Eignung des § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB als taugliches Anreizinstrument. Die Verringerung der Anreizwirkung ergibt sich gleich in doppelter Hinsicht daraus, dass es sich beim Rücktritt um ein Subinstitut des Versuchs handelt. So werden durch den beendeten Versuch von Tötungsdelikten regelmäßig auch Körperverletzungsdelikte mitverwirklicht. An einer daraus folgenden Vollendungsstrafbarkeit änderte auch der erfolgreiche Rücktritt nichts mehr. Insoweit stellt sich die mit Blick auf das Tötungsdelikt in Aussicht gestellte Straffreiheit aus der Tätersicht als eine (wenn auch erhebliche) Strafmilderung dar, bei der Beseitigung der aus einem Messerstich resultierenden Lebensgefahr etwa von einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren (§ 212 I StGB) auf einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren (§ 224 I Nr. 2 StGB). Es kann bezweifelt werden, dass eine solche „Strafrahmenverschiebung“ den Anreiz, der ohnehin aus der allgemeinen Regel folgt, positiv zu bewertendes Nachtatverhalten zu Gunsten des Täters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (§ 46 II S. 2 6. Zeile StGB), noch wesentlich zu verstärken vermag (Walter, Rücktritt, S. 18 f.; Jakobs, Strafrecht AT, 26/5; Boß, Rücktritt, S. 20; ähnlich Hepp, Strafrechtswissenschaft, S. 316; Ulsenheimer, Rücktritt, S. 66). Weiter besteht auch bei Taten, die sich ex post als vollendet erweisen, aus Opferschutzgesichtspunkten durchaus ein Interesse daran, dem Täter ex ante, wenn der Ausgang des Geschehens noch ungewiss ist, einen Anreiz zur Vornahme von Verhinderungshandlungen zu setzen. Die Versuchsspezifität der strafbefreienden Wirkung des Rücktritts könnte sich sogar als kontraproduktiv erweisen, weil Verhinderungsbemühungen regelmäßig mit einer Steigerung der Entdeckungsgefahr der Tat einhergehen. Ist aus der Sicht des Täters ex ante mehr oder weniger zufallsabhängig, ob seine Rettungsbemühungen mit Straffreiheit honoriert werden, so dürfte dies seine Bereitschaft, durch ihre Ausführung seine Entdeckung zu riskieren, wesentlich verringern. Auch vermag die Anreizfunktion des Rücktritts nicht zu erklären, aus welchem Grund die Straffreiheit auch im Fall des Rücktritts vom vermeintlich

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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als voreilig. Denn der Kardinalfehler der schon von anderen angestellten, m. E. auch zutreffenden Überlegung, den Grund für die Honorierung aller Varianten des Rücktritts mit Straffreiheit versuchsintern auf das Prinzip der Gegenzurechnung zurückzuführen,138 besteht darin, sich dabei auf die Zurechnung des Ausbleibens der Vollendung auf der reflexiven Wertungsebene alltagsmoralischen Denkens beschränkt zu haben. Diese Beschränkung beruht auf einer Verkennung der Komplexität alltäglicher Zurechnungsstrukturen. Auf der reflexiven Wertungsebene kann dem Täter der Verbleib der Tat im Versuchsstadium nach der Versuchsbeendigung tatsächlich auch im Falle der Verhinderung der Tatvollendung nicht mehr als sein alleiniges Verdienst zugerechnet werden, weil auf dieser Ebene die Zufälligkeit der Eintritts und des Ausbleibens objektiver Faktoren thematisiert und ihre Relevanz deshalb eliminiert wird.139 Urteile auf der intuitiven Wertungsebene alltagsmoralischen Denkens sind dagegen ganz erheblich vom Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion und der damit verbundenen Ausblendung von Umweltfaktoren verbunden. Die Einsicht, dass äußere Ereignisse durch Entscheidungen allenfalls prädisponiert, nicht aber determiniert werden können, ist auf dieser Wertungsebene (wenn überhaupt) nur sehr eingeschränkt vorhanden. Handlungen werden intuitiv deshalb nicht aus der ex antePerspektive, d. h. auf Grundlage der im Handlungszeitpunkt zu prognostizierenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Folgen bewertet, sondern aus der ex post-Perspektive, also auf Grundlage der durch die Handlung tatsächlich realisierten Folgen.140 Das den rechtserschütternden Eindruck auf der intuitiven Wertungsebene auslösende Moment ist deshalb nicht der Umstand, dass der Täter die „Entscheidung“ über die Vollendung durch den Vollzug des tatbestandsmäßigen Verhaltens bewusst dem Zufall überlässt, sondern dass sich das tatbestandsmäßige Verhalten im zurechenbaren Erfolg verwirklicht. Nicht die Risikoschaffung erscheint hier als das dem Täter vorgeworfene Unrecht, sondern die Verwirklichung des geschaffenen Risikos.141 Da Handlungen im Rahmen alltäglicher Interaktion nämlich als „subjektivobjektive Sinneinheiten“ aufgefasst werden, ist das Handlungsprojekt des Täters erst mit der vollständigen Verwirklichung des objektiven Tatbestands, also mit der „Überdetermination“ des Willens in einen äußeren Erfolg auf der intuitiven Wertauglichen Versuch nach § 24 I S. 2 StGB gewährt wird. Da in diesen Fällen überhaupt keine Rechtsgutverletzung zu besorgen ist, besteht auch kein Bedürfnis, dem Täter noch einen Anreiz zur Einleitung von Gegenmaßnahmen zu setzen. Die Strafaufhebung infolge des Rücktritts vom unerkannt ungefährlich gebliebenen Versuch lässt sich durch das Rechtsgüterschutzprinzip ebenso wenig erklären wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (Jakobs, Strafrecht AT, 26/5; Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (40)). 138 So Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 71 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 26/1; Haas, ZStW 123 (2011), 226 (245 ff.). 139 Dazu: 2. Teil B. I. 2. a) bb), b) bb). 140 Dazu: 2. Teil B. I. 2. a), b) aa). 141 Dazu: 2. Teil B. I. 2. b) aa).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

tungsebene, vollständig abgeschlossen.142 Auf der intuitiven Wertungsebene erscheint die Strafbarkeit des beendeten Versuchs deshalb – ebenso wie die Strafbarkeit des unbeendeten Versuchs auf der reflexiven Wertungsebene – als eine kriminalpolitisch gebotene Vorverlagerung der Strafbarkeit, die bezweckt, dass dem Täter das zufällige Ausbleiben der Vollendung nicht zugutekommt.143 Wegen dieses (scheinbar) flankierenden Charakters der Strafbarkeit des beendeten Versuchs verbleibt dem Täter bis zum Eintritt der Vollendung die Möglichkeit, sein Handlungsprojekt durch die freiwillige Verhinderung der Tatvollendung mit einer Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung zu beenden. Weil die Zufälligkeit von Handlungsfolgen auf der intuitiven Wertungsebene kaum thematisiert wird, die Handlungsfolgen also nicht als das Ergebnis komplexer und nur eingeschränkt beherrschbarer Umweltfaktoren, sondern als dasjenige der Entscheidung des Handelnden aufgefasst werden, wird der Verbleib der Tat im Versuchsstadium im Falle der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung zumindest intuitiv als das alleinige Ergebnis der Entscheidung des Täters gegen die Tatbestandsverwirklichung zugerechnet. Hat sich die Verhinderungshandlung durch die Verwirklichung im Verhinderungserfolg ex post als notwendige Bedingung des Ausbleibens der Vollendung erwiesen, wird sie intuitiv – wie die Aufgabe der weiteren Tatausführung auf der reflexiven Wertungsebene – als schon ex ante hinreichende Bedingung für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium aufgefasst und der Eindruck erweckt, der Täter habe das Ausbleiben der Vollendung durch seinen Willen determiniert und die Entscheidung über die Tatvollendung auch nach der Versuchsbeendigung uneingeschränkt in der Hand gehabt. Dieser Deutung lässt sich auch nicht entgegenhalten, mit der Feststellung, dass ein beendeter Versuch vorliegt, habe bereits eine umfassende Thematisierung aller Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium und somit eine reflexive Bewertung der Tat stattgefunden. Diese Überlegung erweist sich nämlich als voreilig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit der Feststellung der Verwirklichung des Tatbestands von § 22 StGB noch nicht zwingend der Mangel der Vollendung als Zufall thematisiert wird. Nach geltendem Recht erfolgt die Thematisierung der Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium und damit die Bewertung der Tat auf der reflexiven Wertungsebene – mit Ausnahme der Aufgabe der weiteren Tatausführung (§ 24 I S. 1 Var. 1 StGB) – erst bei der Strafzumessung. So handelt es sich auch bei grob unverständigem Tätervorgehen begrifflich um einen Versuch i. S. von § 22 StGB. Dass es sich beim Scheitern der Tat um einen dem Täter zuzuschreibenden Umstand handelt und sich ein solches Handlungsprojekt als (nahezu) insignifikant darstellt, findet erst auf Rechtsfolgenseite Berücksichtigung (vgl. § 23 III StGB). Im Rahmen der Subsumtion unter den Tatbestand des § 22 StGB 142 Welzel, Strafrecht, S. 35; Hirsch, ZStW 94 (1981), 239 (243 ff.); ders., in: GS Meurer, S. 3 (5 ff.). 143 Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Versuch regelmäßig als „besondere Erscheinungsform“ deliktischen Verhaltens bezeichnet wird (vgl. den Untertitel von Roxin, Strafrecht AT II).

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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wird dagegen nur der Intentionsunwert, also die Ausführung einer Handlung durch den Täter, die nach seiner Vorstellung geeignet ist, einen bestimmten unwerten Erfolg herbeizuführen, festgestellt. Eine umfassende Bewertung dieses Aktes aus der ex ante-Perspektive hat damit aber noch nicht stattgefunden. dd) Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks wegen der hypothetischen Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium zur Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung auf der intuitiven Wertungsebene als Grund für die durch § 24 I S. 2 StGB gewährte Straffreiheit Anders als § 24 I S. 1 Var. 2 StGB honoriert § 24 I S. 2 StGB Verhinderungsbemühungen unabhängig davon mit Straffreiheit, ob diese das Ausbleiben der Vollendung bewirkt haben. Der objektive Tatbestand von § 24 I S. 2 StGB setzt also allein das Ausbleiben der Vollendung unabhängig vom Zutun des Täters und damit nicht einmal die objektive Tauglichkeit der Bemühungen voraus, das Ausbleiben der Vollendung zu bewirken. Dagegen muss der Täter subjektiv die Vorstellung haben, sein Verhalten verringere die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Vollendung kommt. Damit erfasst der Wortlaut von § 24 I S. 2 StGB zwei verschiedene Konstellationen. Straffrei bleiben erstens die Konstellationen des vollendungsuntauglichen Versuchs, in denen die Vollendung also schon ex ante im Zeitpunkt der Versuchshandlung ausgeschlossen ist und der Täter sich in der Fehlvorstellung, die Vollendung könne ohne sein Eingreifen eintreten, um die Verhinderung bemüht. Dies ist etwa der Fall, wenn der Täter dem Opfer ein Gegengift verabreicht, nachdem er diesem ein vermeintlich mit Gift versetztes Glas Wasser zu trinken gegeben hat. Daneben erfasst die Vorschrift aber auch Konstellationen, in denen ein vollendungstauglicher Versuch unabhängig vom Zutun des Täters nicht zur Vollendung gelangt. So kann der Täter, der einem anderen eine zu dessen Tötung hinreichende Giftmenge in dessen Glas füllt, auch dann noch durch Verabreichung eines Gegengifts gem. § 24 I S. 2 StGB zurücktreten, wenn der andere das mit Gift versetzte Glas versehentlich und vom Täter unbemerkt ausgekippt hat. Das Gleiche gilt, wenn das durch den Täter mit Tötungsvorsatz lebensgefährlich verletzte Opfer durch den Notruf eines Dritten gerettet wird und der Täter, der den Anruf des Dritten nicht bemerkt hat, selbst versucht, einen Krankenwagen herbeizurufen. Ausweislich seines Wortlauts honoriert § 24 I S. 2 StGB Verhinderungsbemühungen des Täters sogar dann mit Straffreiheit, wenn sich ein durch den Täter geschaffenes, zum Tötungsvorsatz aber inkongruentes Tötungsrisiko144 im Erfolg realisiert, die Vollendung also am subjektiven Zurechnungszusammenhang zwischen Erfolg und Vorsatz scheitert. Dies ist der Fall, wenn der Täter in dem oben zum Ausschluss des subjektiven Zurechnungszusammenhangs behandelten Beispiel, in dem das Opfer vom

144

Zum Begriff der Kongruenz: 2. Teil A. II. 2. b).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Täter servierten, von diesem aber nicht als solchen erkannten verdorbenen Fisch verzehrt, einen Krankenwagen ruft, das Opfer aber gleichwohl verstirbt.145 Es wirkt sich beim Rücktritt vom vollendungsuntauglichen beendeten Versuch nicht aus, dass die Verhinderungsbemühungen objektiv keine notwendigen Bedingungen des Vollendungsmangels sind. Dem Täter wird in diesem Fall nicht der Abbruch des durch den Versuch in Gang gesetzten, sondern der Abbruch des wegen der Vollendungsuntauglichkeit hypothetisch gebliebenen Kausalverlaufs zugerechnet. Weil die Zufälligkeit des Gelingens von Verhinderungsbemühungen intuitiv ausgeblendet wird, die Verhinderungsbemühungen also als schon ex ante für das Ausbleiben der Vollendung hinreichende Bedingung aufgefasst werden, trägt § 24 I S. 2 StGB insoweit der Intuition Rechnung, dass es auch im hypothetischen Fall der Vollendungstauglichkeit nicht zur Vollendung gekommen wäre, weil dann die Verhinderungsbemühungen des Täters wirksam geworden wären. Ebenso verhält es sich aber beim Rücktritt vom beendeten vollendungstauglichen Versuch, dessen Verwirklichung im Erfolg nicht aufgrund etwaiger Verhinderungsbemühungen, sondern aufgrund anderer Umstände – insbesondere aufgrund der Verhinderungshandlung eines Dritten – scheitert. Auch hier ist der rechtsbestätigende Eindruck der Verhinderungsbemühungen intuitiv nicht schwächer als in dem Fall, in dem sich die Verhinderungshandlung als notwendige Bedingung des Vollendungsmangels erweist. Die Verhinderungshandlung des Täters wird jedenfalls intuitiv nicht deshalb als geringwertiger aufgefasst, weil sie nicht notwendige Bedingung des Vollendungsmangels ist.146 Auch dass § 24 I S. 2 StGB die Gewährung von Straffreiheit vom Verbleib der Tat im Versuchsstadium abhängig macht, lässt sich so erklären. Tritt nämlich der zurechenbare Erfolg trotz der Verhinderungsbemühungen ein, tritt offen zutage, dass das Gelingen der Verhinderungsbemühungen vom Zufall, also von durch den Täter nicht vollständig beherrschten Umständen abhängt, sodass sich die Intuition, der Täter habe es nach der Versuchsbeendigung noch vollständig in seiner Hand, über den Eintritt der Vollendung zu entscheiden, verflüchtigt. Damit kann der rechtser145

Zum Begriff des subjektiven Zurechnungszusammenhangs: 2. Teil A. III. Dass die Lehre von der notwendigen Bedingung nämlich nicht immer die intuitiven Gerechtigkeitsanschauungen widerspiegelt, offenbaren insbesondere die Fälle der alternativen Kausalität im Rahmen der Tatbestandsverwirklichung, in denen das Verhalten des Täters, das zumindest intuitiv eine hinreichende Bedingung für den Erfolgseintritt darstellt, keine notwendige Bedingung des Erfolgs bildet, weil auch ein Dritter eine hinreichende Bedingung für den Erfolg gesetzt hat. Der Umstand, dass die Lehre von der notwendigen Bedingung in diesen Fällen zwecks Bejahung des Kausalzusammenhangs teilweise modifiziert (Kindhäuser, GA 2012, 134 (141 ff.)), teilweise darüber hinaus aber auch vollständig verworfen wird (NK/Puppe, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 90 ff.; dies., Strafrecht AT, 2/1 ff.), ist auf die Gerechtigkeitsintuition zurückzuführen, dass das Verhalten des Täters nicht deshalb in seinem Unwert vermindert sein kann, weil sich auch ein anderer rechtswidrig verhalten hat. § 24 I S. 2 StGB trägt dieser Gerechtigkeitsintuition unter umgekehrten Vorzeichen Rechnung: Der Wert von Verhinderungsbemühungen des Täters wird nicht dadurch geschmälert, dass sich auch ein Dritter um die Verhinderung bemüht. 146

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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schütternde Eindruck durch die Verhinderungsbemühungen nicht mehr vollständig aufgehoben werden. Zuzugeben ist jedoch, dass die Gewährung von Straffreiheit aufgrund dieser Erklärung zweifelhaft ist, wenn trotz der fehlenden Vollendung „etwas passiert ist“, etwa weil der eingetretene Erfolg nicht zum Versuchsvorsatz, sondern „nur“ zur tateinheitlich verwirklichten Fahrlässigkeit zuzurechnen ist. Denn auch in diesen Fällen – man denke an das Knollenpilze-Beispiel147 – erweist sich, dass der Täter die Entscheidung über den Erfolg nach der versuchsbeendigenden Handlung nicht mehr vollständig in der Hand hatte, wenn der Erfolg trotz der auf seine Verhinderung gerichteten Bemühungen des Täters eintritt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich nicht um einen zum Vorsatz zurechenbaren Erfolgseintritt handelt. c) Exkurs 2: Der objektive Tatbestand als Kriterium zur Selektion der zu bestrafenden Normwidersprüche während der Thematisierung im Strafverfahren Diese speziell am Rücktritt nach § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB exemplifizierte Funktion des objektiven Tatbestands ist allerdings nur ein wichtiges Beispiel für die – von der Funktion des objektiven Tatbestands als Kriterium zur Selektion der strafprozessual zu thematisierenden Normwidersprüche148 zu unterscheidende – Funktion des objektiven Tatbestands als Kriterium zur Selektion der zu bestrafenden Normwidersprüche während der Thematisierung im Strafverfahren. Diese Funktion spielt insbesondere auch im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte eine Rolle, wenn die Strafbarkeit an den Voraussetzungen der Erfolgszurechnung scheitert. Da es in diesen Fällen nicht mehr zur Strafzumessung kommt, in deren Rahmen erst die umfassende Thematisierung der Gründe für das Scheitern der Tat stattfindet,149 bleibt die Zufälligkeit der fehlenden Zurechenbarkeit des Erfolgs zum Risiko im Wesentlichen unbehandelt, sodass wegen des intuitiv geringeren generalpräventiven Interesses auf die Bestrafung verzichtet werden kann.150 Auf die Frage, welche Konsequenzen sich aus dieser Funktion des objektiven Tatbestands für dessen Dogmatik ergeben, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wegen ihres Themas nicht eingegangen werden.151 d) Die Unterscheidung „absolut“ und „relativ“ versuchsbezogener Tatumstände als Gründe für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II StGB Wie sich oben gezeigt hat, stellt das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen keinen Grund für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II StGB 147 148 149 150 151

Dazu: 2. Teil A. III. Dazu: 2. Teil C. Dazu: 3. Teil C. III. 1. b) cc) a. E. Dazu: 2. Teil B. I. 2. a), b). Dazu: Zusammenfassung und Ausblick D.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

dar.152 Alternativ zu dieser rein negativen Bestimmung der versuchsbezogenen Milderungsgründe bietet die Anknüpfung an die §§ 23 III, 24 StGB – an diejenigen Vorschriften also, die vom Gesetzgeber selbst als dezidiert versuchsbezogen geregelt worden sind – die Alternative einer positiven Bestimmung des Begriffs der versuchsbezogenen Tatumstände als Milderungsgründe. Die in den §§ 23 III, 24 StGB zum Ausdruck kommende Wertung besteht darin, dass auf die Bestrafung immer dann zu verzichten ist (bzw. zumindest auf sie verzichtet werden kann), wenn der Verbleib der Tat im Versuchsstadium (jedenfalls auch) dem Täter zuzurechnen ist, sei es zur „umgekehrten groben Fahrlässigkeit“ (§ 23 III StGB), sei es zum „umgekehrten Vorsatz“ (§ 24 StGB). Insoweit ist naheliegend, den Grund der Strafmilderung nach § 23 II StGB in Fällen zu suchen, die sich zwar nicht als grob unverständiges Vorgehen des Täters oder als freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung bzw. als freiwillige Verhinderung der Tatvollendung darstellen, dem aber wertungsmäßig immerhin so nahekommen, dass zumindest eine Strafrahmenverschiebung angezeigt ist.153 Es geht um Fälle, in denen der Vollendungsmangel sich als das Ergebnis einer bewusst oder unbewusst getroffenen und zurechenbaren Entscheidung des Täters darstellt, der Täter umgangssprachlich entweder „selbst Schuld“ am Scheitern des Versuchs ist oder es sich beim Ausbleiben der Vollendung um sein „Verdienst“ handelt. Der Begriff der Versuchsbezogenheit lässt sich deshalb auch positiv bestimmen. Als versuchsbezogen sind demnach Tatumstände aufzufassen, aufgrund derer der Verbleib der Tat im Versuchsstadium dem Täter zugerechnet werden kann.154 Es sind prinzipiell zwei Perspektiven denkbar, aus denen nach diesem Verständnis die Versuchsbezogenheit eines Tatumstands bestimmt werden kann, nämlich entweder aus der ex ante- oder aus der ex post-Perspektive. So lassen sich die grob unverständige Verkennung der Vollendungstauglichkeit des Versuchs (§ 23 III StGB) und die Aufgabe der weiteren Tatausführung (§ 24 I S. 1 Var. 1 StGB) schon deshalb als Subinstitute des Versuchs einordnen, weil ihr Vorliegen das Verbleiben der Tat im Versuchsstadium ex ante impliziert (absolute Versuchsbezogenheit). Der Sachverhalt ex post und insbesondere eine Erfolgsbewirkung begründen allenfalls noch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit.155 Nicht schon aus der ex ante-Perspektive versuchsbezogen sind dagegen nach diesen Grundsätzen der Rücktritt durch die Verhinderung der Tatvollendung (§ 24 I S. 1 Var. 2 StGB) oder durch Verhinderungsbemühungen (§ 24 I S. 2 StGB). Da Verhinderungsbemühungen scheitern können, steht ex ante nämlich noch nicht fest, ob die Tat im Versuchsstadium verbleibt. Ein trotz etwaiger

152

Dazu: 3. Teil B. II. Dazu: 3. Teil C. III. 1. a). 154 Dieses Vorgehen steht auch mit dem in den Gesetzmaterialien zum Ausdruck kommenden Gedanken in Einklang, wonach die Strafmilderung nicht von Umständen abhängen dürfe, „die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen“ (BT-Drucks. V/4095, S. 11). 155 Dazu: 3. Teil C. III. 1. b) aa), bb). 153

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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Verhinderungsbemühungen eintretender zurechenbarer Erfolg begründet die Vollendungsstrafbarkeit.156 Insoweit wäre aber denkbar, die Versuchsbezogenheit aus der ex post-Perspektive zu bestimmen, also danach, ob sich ein Umstand ex post als Ursache für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium darstellt. Gegen die Bestimmung der Zurechenbarkeit des Vollendungsmangels (allein) aus der ex post-Perspektive sprechen jedoch zwei Einwände. Erstens reicht der Umstand, dass sich eine Handlung als Ursache für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium darstellt, nicht für ihre Qualifizierung als Verhinderung der Tatvollendung hin. Vielmehr muss die Handlung auch schon ex ante bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als Verhinderung qualifiziert werden zu können.157 Und zweitens lässt sich § 24 I S. 2 StGB auch aus der ex post-Perspektive nicht als versuchsbezogen einordnen, weil die Gewährung von Straffreiheit nach dieser Vorschrift nicht voraussetzt, dass die Verhinderungsbemühungen sich als Ursache für das Ausbleiben der Vollendung erwiesen haben. Möglich ist aber, auch die Versuchsbezogenheit von § 24 I S. 1 Var. 1, S. 2 StGB aus der ex ante-Perspektive zu erklären, wenn man sich von dem Erfordernis der absoluten Versuchsbezogenheit löst. Das Spezifikum des Versuchs als erfolgloses Handlungsprojekt ermöglicht, auch solche Tatumstände aus der ex ante-Perspektive als versuchsbezogen zu qualifizieren, die zwar bei der Vollendung vorliegen können, die aber die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts immerhin signifikant verringern (relative Versuchsbezogenheit). Unter diesen Begriff lässt sich auch § 24 I S. 2 StGB subsumieren: Die Versuchsbezogenheit dieser Vorschrift folgt nicht aus der notwendigen Verknüpfung von Verhinderungsbemühungen mit dem Verbleib der Tat im Versuchsstadium, sondern aus der durch die ernsthafte Bemühung um die Vollendungsverhinderung typischerweise erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass die Tat nicht zur Vollendung gelangt. Die Versuchsspezifität der §§ 23 III, 24 I S. 1 Var. 1 StGB ergibt sich also aus ihrer absoluten, diejenige von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB aus seiner relativen Versuchsbezogenheit. Auch die Gründe für die Strafmilderung nach § 23 II StGB lassen sich in diese beiden Kategorien einteilen. Eine Strafmilderung nach § 23 II StGB ist deshalb bei zurechenbaren Tatumständen geboten, deren Vorliegen den Verbleib der Tat im Versuchsstadium entweder ex ante impliziert oder aber signifikant wahrscheinlicher macht. Dem Umstand, dass relativ versuchsbezogene Tatumstände auch bei der Vollendung vorliegen können und dem damit verbundenen denkbaren Einwand gegen eine der Grundthesen der vorliegenden Arbeit, der zurechenbare Erfolg hätte somit doch Einfluss auf die Strafhöhe, weil die Vollendung die Anwendbarkeit von § 23 II StGB auf relativ versuchsbezogene Milderungs156

Dazu: 3. Teil C. III. 1. b) cc), dd). So wird in der Literatur verschiedentlich vorgeschlagen, im Rahmen der Konkretisierung des Verhinderungsbegriffs auf die Kriterien der objektiven Zurechnung zurückzugreifen (Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 66; Rudolphi, NStZ 1989, 508 (511); Jäger, Rücktritt, S. 93 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, 11/92). 157

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

gründe ausschließt, ist nicht durch die Ablehnung ihrer strafrahmenmildernden Wirkung,158 sondern durch eine analoge Anwendung von § 23 II StGB auf die Vollendung Rechnung zu tragen.159 2. Die absolut versuchsbezogenen Milderungsgründe a) Scheitern der Tat aufgrund eines vermeidbaren, aber nicht grob unverständigen Irrtums des Täters bei der Unrechtsbegründung Wie schon mehrfach aufgezeigt, beruht wegen der Begrenztheit menschlichen Erfahrungswissens und Wahrnehmungsvermögens nicht jeder Irrtum gleichermaßen (oder überhaupt) auf der irrationalen Annahme von Umständen.160 Kaum weniger verfehlt wäre es jedoch, Irrtümer allein nach den beiden Kriterien rational und irrational zu kategorisieren. Denn eine solche dichotome Kategorisierung würde der Komplexität von Rationalitätsurteilen nicht gerecht. So können die Gründe für Irrtümer im Lichte „sozialer Hermeneutik“161 in ganz unterschiedlichem Maße als rational oder als irrational zu beurteilen sein. Rationale und irrationale Irrtümer sind nicht zwei nach qualitativen Kriterien unterscheidbare Kategorien, sondern beschreiben lediglich schemenhaft die fließenden Übergänge eines einheitlichen Kontinuums. Weil es sich auch bei der (Ir-)Rationalität des Versuchs um eine Skala mit „mannigfache[n] Abstufungen“ handelt,162 sind Irrtümer denkbar, die zwar einerseits nicht als grob unverständig zu bewerten sind, andererseits aber auch nicht in den Bereich vollrationalen Verhaltens fallen.163 Das Ausmaß, in welchem dem Täter das Scheitern der Tat als „eigene Schuld“ zugeschrieben und damit der rechtserschütternde Eindruck des Versuchs vermindert wird, variiert demnach je nach Ausmaß des Unverstands, auf dem der Irrtum beruht. § 23 III StGB erfasst nur besonders krasse Fälle der vermeidbaren Annahme der Vollendungstauglichkeit des Versuchs. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen die Annahme der Vollendungstauglichkeit des Versuchs zwar als vermeidbar, gleichwohl aber nicht als krass irrational zu bewerten ist.

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So aber Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 183 ff. Dazu: 3. Teil C. IV. 160 Dazu: 2. Teil B. I. 3. 161 Dieser Begriff wird im Kontext der Begründung des Versuchsunrechts von Zaczyk gebraucht (Unrecht, S. 249). 162 Frister, Strafrecht AT, 23/8; ähnlich Jakobs, Strafrecht AT, 25/36. 163 Exemplifiziert wird dieses Kontinuum von Sancinetti anhand des Beispiels des Einsatzes einer Schusswaffe gegen einen anderen Menschen. An einem Ende des Kontinuums hält der Täter die Waffe „an die Schläfe des Gegners“. Man müsse „sich dann den gleichen Sachverhalt in vielen Schritten so […] [vorstellen], daß die Waffe immer weiter entfernt ist, bis schließlich das Ziel eindeutig außerhalb jeder möglichen Reichweite des entsprechenden Kalibers liegt“ (Unrechtsbegründung, S. 172). 159

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

177

Deshalb ergibt sich mit Blick auf die Strafhöhe versuchsbegründender Irrtümer folgende Differenzierung: - Anwendung des Regelstrafrahmens im Falle der verständigen Fehlannahme der objektiven Vollendungstauglichkeit - Anwendung des nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens im Falle der (noch nicht grob) unverständigen Fehlannahme der objektiven Vollendungstauglichkeit - Anwendung des nach § 23 III i. V. m. § 49 II StGB gemilderten Strafrahmens bzw. Gewährung von Straffreiheit im Falle der grob unverständigen Fehlannahme der objektiven Vollendungstauglichkeit aa) Der vermeidbare umgekehrte Tatbestandsirrtum (1) Vermeidbare Fehlannahme der nomologischen Vollendungstauglichkeit des Versuchs Unstreitig ist, dass die Anwendung falschen Erfahrungswissens durch den Täter den Anwendungsbereich des § 23 III StGB zu eröffnen vermag. Dies ergibt schon die Begründung des zu § 23 III StGB wesentlich gleichlautenden § 27 III E1962: Danach setze grober Unverstand „eine völlig abwegige Vorstellung von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen“ voraus.164 Ob eine Vorstellung „völlig abwegig“ ist, muss freilich nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob ein Irrtum sich als Rationalitätsdefizit darstellt, das zumindest eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB rechtfertigt. Der BGH etwa hat in dem Fall, in dem eine Frau ihren Mann durch die Versetzung von dessen Essen mit einer viel zu geringen Menge Insektengift töten wollte, die Anwendung von § 23 III StGB mit der Begründung verneint, dass „nach durchschnittlichem Erfahrungswissen […] ein Insektenvergiftungsmittel giftig und grundsätzlich geeignet [sei], den Tod eines Menschen herbeizuführen“. Ein Irrtum über die erforderliche Dosis eines an sich wirksamen Gifts zeuge prinzipiell nicht von grobem Unverstand.165 Das infolge der bei weitem zu geringen Giftmenge verbleibende Maß an (wenn auch nicht grobem) Unverstand kann aber sachgerecht über die Strafmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB berücksichtigt werden.166 Ebenso dürfte der Fall, dass „ein Scharfschütze einen Mord begehen will und sich einer Schusswaffe bedient, von der er annimmt, sie habe eine Reichweite von 1200 Metern, während sie in Wirklichkeit nur 1000 Meter weit trägt“,167 nicht über die 164 165 166 167

BT-Drucks. IV/650, S. 145. BGHSt 41, 94 (96); a. A. NK/Zaczyk, § 23 Rn. 20. Frister, Strafrecht AT, 23/8.; vgl. auch BGHSt 41, 94 (96). BT-Drucks. V/4095, S. 12.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Anwendung von § 23 III StGB, sondern diejenige von § 23 II StGB sachgerecht zu lösen sein. (2) Vermeidbare Fehlannahme der ontologischen Vollendungstauglichkeit des Versuchs Dass ontologische (d. h. auf Wahrnehmungsfehlern beruhende) Irrtümer überhaupt den Tatbestand des § 23 III StGB verwirklichen können, wird in der Literatur vielfach bestritten. Wer das objektive Vorliegen bestimmter risikoausschließender Umstände nicht wahrnimmt, handle nicht annähernd in gleichem Maße unverständig wie jemand, der seinem Vorgehen evident unrichtiges Erfahrungswissen zugrunde legt.168 Einerseits ist allerdings schon zweifelhaft, ob sich ontologische Irrtümer überhaupt begrifflich von nomologischen Irrtümern klar abgrenzen lassen.169 Und andererseits kann ein ontologischer Irrtum, selbst wenn man an der begrifflichen Trennung zum nomologischen Irrtum festhält, groben Unverstand jedenfalls dann begründen, wenn er seinerseits auf der Anwendung von evident unrichtigem Erfahrungswissen beruht. Wer eine Wasserpistole für eine zur Tötung eines Menschen geeignete Waffe hält, irrt zwar über die Identität des Tatmittels (ontologischer Irrtum). Dieser Irrtum wurzelt jedoch im Mangel der Kenntnis des allgemein bekannten Erfahrungssatzes, „daß aus leichtem Plastikmaterial eine funktionstüchtige Pistole technisch gar nicht hergestellt werden“ und „daß ohne ein Magazin keine Munition verschossen werden kann“.170 Das Gleiche gilt auch für Fälle des Versuchs am untauglichen Objekt.171 So handelt es sich bei einem Schuss auf eine Leiche in der Vorstellung, es handle sich um einen lebenden Menschen, um einen ontologischen Irrtum. Hat der Täter dagegen bestimmte Verwesungserscheinungen wahrgenom168 Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 532; Bloy, ZStW 113 (2001), 76 (103 f.); Renzikowski, in: Wahn und Wirklichkeit, S. 309 (315); Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 17; LK/ Hillenkamp, § 23 Rn. 64; gegen die Erfassung ontologischer Irrtümer auch Roxin, JuS 1973, 329 (331); ders., Strafrecht AT II, 29/365; vgl. schon z. Dohna, in: FG Güterbock, S. 35 (60 f.); für die Möglichkeit der Begründung groben Unverstands durch ontologische Irrtümer v. Hippel, Dt. Strafrecht II, S. 438 Fn. 3; Rath, JuS 1998, 1106 (1113); NK/Zaczyk, § 23 Rn. 20; vgl. auch Radtke, JuS 1996, 878 (881 f.). 169 So erfolgt der Erwerb von Erfahrungswissen prinzipiell durch die Beobachtung des Seienden, sodass Irrtümer über Kausalzusammenhänge (nomologische Irrtümer) in fehlerhaften Beobachtungen des Seienden (ontologischen Irrtümern) wurzeln (so v. Gemmingen, Rechtswidrigkeit, S. 122 f.; Timpe, Strafmilderungen, S. 120 f.; Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 203; Jakobs, Strafrecht AT, 25/Fn. 56a; Radtke, JuS 1996, 878 (881 f.); Wachter, Unrecht, S. 202). 170 Bloy, ZStW 113 (2001), 76 (103 f.). 171 Nach dem Wortlaut von § 23 III StGB kann auch der Versuch am untauglichen Objekt grob unverständig sein. Allerdings stellt sich die Fehlannahme der Objekttauglichkeit im Grunde immer (auch wenn er auf der Anwendung einer unrichtigen Erfahrungsregel beruht) als ontologischer Irrtum dar, sodass der Anwendungsbereich von § 23 III StGB – wenn man den Versuch am untauglichen Objekt entgegen dem eindeutigen Wortlaut nicht aus dem Anwendungsbereich ausnehmen will – ontologische Irrtümer umfassen muss.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

179

men, deren Vorliegen den Umstand offensichtlich macht, dass es sich bei dem Tatobjekt um eine Leiche handelt, beruht diese ontologische Fehlvorstellung auf der Außerachtlassung einer allgemein bekannten Erfahrungsregel und damit auf grobem Unverstand. Ob man derartige Irrtümer als ontologisch172 oder als nomologisch173 auffasst, ist letztlich eine rein begriffliche Frage. Unabhängig davon, ob ontologische Irrtümer, die auf evident unrichtigem Erfahrungswissen beruhen, als eigenständige Irrtumskategorie im Rahmen der Anwendung von § 23 III StGB zu begreifen sind und davon, ob sie sich überhaupt immer klar von nomologischen Irrtümern unterscheiden lassen, kann ihnen jedenfalls hinreichendes Gewicht zukommen, um eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II StGB zu legitimieren. Man denke hier an den schon thematisierten Fall, in dem der Täter wenige Minuten vor der Tatbegehung seine Schusswaffe entlädt und zum Zeitpunkt ihrer Betätigung davon ausgeht, sie sei geladen.174 bb) Der vermeidbare umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum Der umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum verdient allgemein keine andere Bewertung als der umgekehrte Tatbestandsirrtum. Es handelt sich auch beim umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum um einen untauglichen Versuch, weil schon ex ante feststeht, dass die Tathandlung wegen der Verwirklichung des objektiven Erlaubnistatbestands nicht in die Vollendungsstrafbarkeit münden kann.175 Daher liegt es nahe, § 23 III StGB (analog) auch auf den umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum anzuwenden, wenn der Täter das objektive Vorliegen rechtfertigender Umstände grob unverständig verkennt. Dass dies richtig ist, zeigt der folgende Fall: C trinkt in Beisein des A und des B eine Tasse Kamillentee und legt sich anschließend schlafen. B will C darauf im Schlaf erstechen und setzt unmittelbar zur Tötung des C an. A, der glaubt, C sei bereits durch Einnahme des Kamillentees verstorben, wehrt den Angriff des B ab, indem er diesen erschießt. Weil A glaubt, es handle sich bei der Tötung des B um keine zum Schutz des aus seiner Sicht schon beendeten Lebens des C erforderliche Verteidigungshandlung, stellt er sich – wiewohl er objektiv gem. § 32 StGB wegen Nothilfe gerechtfertigt ist – einen Sachverhalt vor, bei dessen Vorliegen er nicht gerechtfertigt wäre, sodass er sich wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht hat. Weil diese Fehlvorstellung jedoch auf der Anwendung einer evident falschen Erfahrungsregel beruht (Eignung von Kamillentee zur Herbeiführung des Todes eines Menschen), ist die Annahme der Vollendungstauglichkeit grob unverständig i. S. von § 23 III StGB. Auch einem solchen Normwiderspruch fehlt es an rechtserschütternder Wirkung, weil sich in ihm 172

So Rath, JuS 1998, 1106 (1113); NK/Zaczyk, § 23 Rn. 20. So Bloy, ZStW 113 (2001), 76 (103 f.). 174 Dieser Fall stammt von Sancinetti, der ihn jedoch als Konstellation des fahrlässigen Rücktritts auffasst (vgl. Unrechtsbegründung, S. 182 f.). 175 Dazu: 2. Teil A. II. 2. a), B. I. 3. 173

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

eine kommunikativ irrelevante Sicht über allgemein bekannte Wirkzusammenhänge offenbart, die von anderen nicht als ernsthafte Alternative für das eigene Verhalten erlebt wird. In Konstellationen, in denen die Verkennung des Vorliegens rechtfertigender Umstände (wenn auch nicht grob) unverständig ist, kommt dagegen eine Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB in Betracht.176 Dies ist etwa der Fall, wenn die Fehlvorstellung des A, wonach der C bereits tot sei, in Abwandlung des soeben behandelten Beispiels dadurch entsteht, dass er mitbekommt, wie C ein mit einer für dessen Tötung evident zu geringen Menge eines Insektenvernichtungsmittels versetztes Brot gegessen hat. cc) Die vermeidbare Fehlannahme von Umständen, die eine freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung ausschließen Allgemein anerkannt ist, dass der Rücktritt gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB die bewusste Entscheidung des Täters gegen die weitere Tatausführung voraussetzt und dass eine solche Entscheidung in dem Fall, in dem der Täter nach dem Eintritt in das Versuchsstadium glaubt, die Tat aus objektiven Gründen nicht mehr vollenden zu können (Fehlschlag), ausgeschlossen ist.177 Dies gilt wegen der alleinigen Maßgeblichkeit der Tätervorstellung insbesondere auch dann, wenn die Tat objektiv noch vollendet werden kann, der Täter dies aber verkennt. Deshalb liegt auch dann keine Aufgabe der weiteren Ausführung einer Tötungshandlung vor, wenn etwa A mit einer geladenen Pistole auf den B ansetzt, jedoch nach dem Eintritt in das Versuchsstadium die Vorstellung entwickelt, diese sei ungeladen und wegen des Irrtums von der Betätigung des Abzugs absieht. Da die Aufgabe der weiteren Tatausführung die Vorstellung des Täters voraussetzt, dass die Tat noch vollendungsfähig ist, schließt auch die irrationale Annahme eines Fehlschlags die Verwirklichung von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB aus. Irrationale Irrtümer können nämlich nicht allein im Rahmen der Unrechtsbegründung, sondern auch im Rahmen der Unrechtsaufhebung eine Rolle spielen. Setzt A etwa unmittelbar dazu an, den schlafenden B zu erstechen und lässt er nur davon ab, weil er auf dem Nachttisch des B eine Packung Baldrianperlen erkennt, von denen er irrtümlich annimmt, dass B infolge ihrer Einnahme bereits verstorben sei, kann ungeachtet der Irrationalität dieses Irrtums in dem Absehen vom Erstechen keine Aufgabe der weiteren Tatausführung erblickt werden.

176

Dieselben Überlegungen gelten auch für den umgekehrten Entschuldigungstatbestandsirrtum, wenn man § 35 StGB als Ausnahme von der Verhaltensnorm begreift (dazu bereits: Fn. 79 im 2. Teil). 177 Ob das Fehlen der „physisch-realen Möglichkeit“ der weiteren Tatausführung schon die Aufgabe der weiteren Tatausführung (so Frister, Strafrecht AT, 24/20) oder erst deren Freiwilligkeit ausschließt, ist eine für die vorliegende Problematik irrelevante Frage.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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§ 23 III StGB erfasst Konstellationen, in denen der Täter am Verbleib der Tat im Versuchsstadium nach alltäglichem Zurechnungsverständnis evident „selbst Schuld“ ist, weil er die Vorstellung der Möglichkeit der Tatvollendung auf Gründe gestützt hat, die aus Sicht der Gesellschaft als irrational zu bewerten sind. Scheitert die Tat infolge der irrationalen Annahme eines Fehlschlags, verliert das Handlungsprojekt ebenso an Orientierungswirkung wie bei der grob unverständigen Annahme der Vollendungstauglichkeit. Deshalb ist im Falle der grob unverständigen Annahme eines Fehlschlags die analoge Anwendung von § 23 III StGB geboten. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Graduierung des Maßstabs der Rationalität kommt eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB in Betracht, wenn die Fehlannahme der objektiven Unmöglichkeit der weiteren Tatausführung zwar nicht grob unverständig, aber gleichwohl vermeidbar ist. Beispiel: D steigt in das Haus des R ein, um dessen Safe mit einem zuvor erbeuteten Schlüssel aufzuschließen und auszuräumen. Nachdem D sich dem Safe genähert hat, findet er den Schlüssel weder in seinen Hosen- noch in seinen Mantelaußentaschen. Deshalb gibt er sein Tatprojekt unverrichteter Dinge auf. In Wahrheit hat sich der Schlüssel in einer seiner Mantelinnentaschen befunden, wo D ihn zuvor platziert hat. D hat hier durch das Einsteigen in das Haus des R zum Wohnungseinbruchdiebstahl unmittelbar angesetzt. Da er davon ausgegangen ist, ohne den Schlüssel die aus seiner Sicht zur Vollendung noch erforderlichen Handlungsschritte nicht auszuführen zu können, ist D auch nicht durch Aufgabe der weiteren Tatausführung strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten. Hier aber die Strafe nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zumindest zu mildern, rechtfertigt sich daraus, dass der Verbleib der Tat im Stadium des unbeendeten Versuchs dem D zumindest partiell zuzurechnen ist, weil der Irrtum, er trage den Schlüssel nicht bei sich am Körper, vermeidbar gewesen ist.178 Dass dieses Ergebnis systematisch richtig ist, zeigt auch die Unterlassungssystematik in dem Fall, in dem der Täter dem vermeidbaren Irrtum unterliegt, es sei ihm 178 Ähnlich schon Sancinetti, der allerdings in diesen Konstellationen keine Strafrahmenmilderung annehmen kann, weil für ihn schon der Verbleib der Tat im Stadium des unbeendeten Versuchs einen hinreichenden Grund für die Strafrahmenverschiebung darstellt (Unrechtsbegründung, S. 178 f.). Allerdings vermag dieses Ergebnis zum einen schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die besseren Argumente gegen die Berücksichtigung des Ausbleibens der Versuchsbeendigung als zwingenden Grund für die Anwendung des milderen Strafrahmens sprechen (dazu: 2. Teil B. II. 3.). Damit kämen auch für Sancinetti – erkannte er an, dass der Regelstrafrahmen prinzipiell auf den unbeendeten Versuch Anwendung finden kann – z. B. Fälle als Gründe für die Strafrahmenmilderung in Betracht, in denen der Täter sich bewusst gegen die Ausführung der versuchsbeendigenden Handlung entscheidet, ihm diese Entscheidung aber aus bestimmten Gründen nicht vollständig zuzurechnen ist. Weil nach Sancinetti der Rücktritt vom unbeendeten Versuch das Motivationsunrecht aufhebt (Unrechtsbegründung, S. 69 ff.), wäre die partiell zurechenbare Entscheidung gegen die Versuchsbeendigung als partielle Aufhebung des Motivationsunrechts zu bewerten.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

unmöglich, die von seiner Garantenpflicht umfasste Rettungshandlung auszuführen. Die vermeidbare Fehlannahme der Untauglichkeit des Rettungsmittels begründet eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Unterlassung (§§ 222, 229, 13 I StGB).179 Wenn aber jemand wegen Fahrlässigkeit haftet, weil er – motiviert durch die vermeidbare Fehlvorstellung, die Ausführung eines rechtsgutserhaltenden Handlungsprojekts sei unmöglich – die Ausführung dieses Handlungsprojekts unterlässt, sollte der Umstand, dass jemand von der (weiteren) Ausführung seines rechtsgutsgefährdenden Handlungsprojekts absieht, sich partiell entlastend auswirken, wenn dieses Absehen gleichermaßen auf der vermeidbaren Fehlvorstellung beruht, die Weiterführung des Handlungsprojekts sei unmöglich. Aus den gleichen Gründen ist die Strafrahmenverschiebung auch dann geboten, wenn der Täter nach dem unmittelbaren Ansetzen irrtümlich annimmt, der Erfolg sei nach dem Überschreiten der Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen planwidrig vorzeitig eingetreten und er deshalb die Ausführung der ursprünglich vorgesehenen weiteren Ausführungsakte unterlässt. Wenn A etwa, nachdem er mit einem BaseballSchläger auf den Kopf des B eingeschlagen hat, um ihm anschließend mit einem Messer die Kehle durchzuschneiden,180 fälschlicher Weise glaubt, der B sei bereits durch den Schlag gestorben, dann ist die Versuchsstrafe gleichwohl nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zu mildern, wenn A hätte erkennen können, dass die weitere Ausführung seines Tatplans – den B durch das Durchschneiden von dessen Kehle zu töten – noch möglich gewesen ist und er wegen dieses Irrtums von der Ausführung dieser Handlung abgesehen hat. Doch nicht nur die vermeidbare Fehlannahme der physisch-realen Unmöglichkeit der weiteren Tatausführung, sondern auch alle anderen Fälle, in denen der Täter durch die vermeidbare Fehlvorstellung der Vorliegens rücktrittsausschließender Umstände zur Aufgabe der weiteren Tatausführung motiviert wird, legitimieren die Strafrahmenverschiebung. Dies gilt insbesondere für die irrtümliche Annahme von Umständen, welche die Freiwilligkeit des Rücktritts ausschließen.181 Unfreiwillig erfolgt der Rücktritt zweifelsohne in Konstellationen, in denen der Täter nach dem Eintritt in das Versuchsstadium erkennt, dass die weitere Tatausführung mit einer Gefahr für existentielle Interessen i. S. von § 35 StGB verbunden ist, durch die er genötigt ist, die weitere Tatausführung aufzugeben.182 Das Gleiche gilt, wenn er eine solche Gefahr irrtümlich annimmt, weil das die Freiwilligkeit des Rücktritts ausschließende Moment nicht das objektive Vorliegen von zur Aufgabe der weiteren Tatausführung nötigenden Umständen, sondern die Vorstellung des Vorliegens derartiger Umstände ist. Nimmt etwa A, der seine Pistole auf B richtet und gewillt ist, diese zu betätigen, irrtümlich an, die von C auf ihn gerichtete Waffe sei geladen, so schließt dies den 179 180 181 182

Vgl. Jakobs, Strafrecht AT, 29/93 f.; LK/Weigend, § 13 Rn. 97. Das Beispiel stammt in seiner Ursprungsform von Frister, Strafrecht AT, 24/18. Dazu ausführlich: 3. Teil B. III. 2. b) bb). Jäger, Rücktritt, S. 99 ff.; SK/Jäger, § 24 Rn. 71; NK/Zaczyk, § 24 Rn. 70.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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Rücktritt durch Aufgabe der gegen B gerichteten Tat aus, wenn C dem A droht, ihn im Falle des Schusses auf B zu erschießen. Die Versuchsstrafbarkeit bleibt also dem Grunde nach durch die irrtümliche Annahme von zur Aufgabe der Tat nötigenden Umständen unberührt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Irrtum vermeidbar war. Jedoch ist die Versuchsstrafe auch hier aus denselben Gründen zu mildern wie im Falle der vermeidbaren Fehlannahme der physisch-realen Möglichkeit des Weiterhandelns. Dies wäre etwa der Fall, wenn A hätte erkennen können, dass die Pistole des C nicht geladen ist, weil A selbst diese wenige Augenblicke zuvor entladen hat. b) Partiell zurechenbare Aufgabe der weiteren Tatausführung Hat der Täter die weitere Tatausführung aufgegeben, sich also im Bewusstsein der weiterhin bestehenden Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung gegen die Ausführung der versuchsbeendigenden Handlung entschieden, wird ihm diese Entscheidung gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB nur dann als Widerruf seines im unmittelbaren Ansetzen zum Ausdruck kommenden vorläufigen Entschlusses zur Tatbestandsverwirklichung zugerechnet, wenn sie freiwillig getroffen worden ist. In der Entscheidung muss der unbedingte Wille des Täters zum Ausdruck kommen, sich von seiner durch das unmittelbare Ansetzen vorläufig gegen das Rechtsgut getroffenen Entscheidung zu distanzieren. Nur wenn dies der Fall ist, ist die Vermutung, der Täter werde nach der Überschreitung der Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung auch die weiteren zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Handlungsschritte unternehmen, vollständig widerlegt, sodass seine Entscheidung einen die Straffreiheit legitimierenden rechtsbestätigenden Eindruck hinterlässt. Die Motive für die Entscheidungsrevision müssen sich aber nicht als „sittlich billigenswert“,183 sondern lediglich als Ausdruck der Normanerkennung des Täters darstellen. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass die Rechtsordnung mehr als rechtskonformes Verhalten nicht erwartet und die Motive für die Anerkennung der Norm als verbindliches Verhaltensmuster irrelevant sind. Der Ausschluss der Freiwilligkeit hindert jedoch nicht daran, die Gründe, wegen derer die Aufgabe der weiteren Tatausführung als unfreiwillig zu bewerten sind, jenseits der Frage nach ihrer Auswirkung auf die Strafbarkeit dem Grunde nach differenzierend zu beurteilen.184 Eine Strafrahmenmilderung kommt in Konstellationen in Betracht, in denen der Täter die weitere Tatausführung zwar nicht freiwillig aufgegeben hat, die Entscheidung gegen die Ausführung der versuchsbeendigenden Handlung aber zumindest einen partiell rechtsbestätigenden Eindruck hinterlässt.

183 184

LK/Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 253; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 56. Jakobs, Strafrecht AT, 26/47; Timpe, Strafmilderungen, S. 127 ff.

184

3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

aa) Aufgabe der weiteren Tatausführung im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit In der Literatur wird teilweise entgegen der h. M. vorgeschlagen, dass die Rücktrittsleistung dem Täter dann nicht mehr als freiwillig zuzurechnen sei, wenn er sich im Zustand mangelnder Selbstbestimmungsfähigkeit befindet.185 Diese Auffassung ist zutreffend. Ebenso wie ein im Zustand der Schuldunfähigkeit verwirklichtes normwidriges Geschehen dem Täter nicht als kommunikativ relevante Stellungnahme gegen die Normgeltung zugerechnet werden kann (§ 20 StGB),186 geht von der im Zustand der Selbstbestimmungsunfähigkeit erfolgenden Aufgabe der weiteren Tatausführung kein rechtsbestätigender Eindruck aus. Daran ändert auch die formale Einordnung von § 24 StGB als Strafaufhebungsgrund nichts.187 Damit stellt sich die Frage, wie die im Zustand lediglich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit ausgeführte Aufgabe der weiteren Tatausführung zu bewerten ist. Bei der Selbstbestimmungsfähigkeit handelt es sich um einen quantifizierbaren Begriff, sodass sie unterschiedlich weitgehend beeinträchtigt sein kann.188 So kennt das Gesetz neben dem Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) den Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit, an den es eine fakultative Strafrahmenverschiebung knüpft (§ 21 i. V. m. § 49 I StGB), und den Zustand der unerheblich verminderten Schuldfähigkeit, auf den der Regelstrafrahmen zwingend Anwendung findet. Ob es sich bei dem Maß der Selbstbestimmungsfähigkeitsverminderung – ebenso wie bei der Rationalität – um ein Kontinuum handelt, das zu weiteren, über die durch das Gesetz vorgegebenen Differenzierungen auf der Rechtsfolgenseite – etwa zur Anwendung von § 49 II StGB auf Fälle, in denen die nach § 49 I StGB vorgegebene Strafrahmenuntergrenze wegen des Ausmaßes der Selbstbestimmungsfähigkeitsverminderung als zu hoch erscheint – zwingt,189 oder aber die gesetzlich vorgegebenen Kategorien in den vorpositiven Zurechnungsstrukturen vorhandene Abstufungen zutreffend wiederspiegeln,190 kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Die gesetzlichen Regelungen dürften aber als zulässige Ausübung gesetzgeberischen Ermessens bei der Klärung von Zweifelsfragen anzusehen sein.191 185 NK/Zaczyk, § 24 Rn. 76; Jakobs, Strafrecht AT, 26/42; Frister, Strafrecht AT, 24/37; Jäger, Rücktritt, S. 105 ff.; a. A. BGHSt 23, 356 (359); BGHSt 31, 132 (134); LK/Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 254 ff.; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 46; Fischer, StGB, § 24 Rn. 4; Schumann, Standort, S. 145; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 41/198 Schlegl, NJW 1968, 25 (25 f.); Ranft, MDR 1972, 737 (742). 186 Jakobs, Schuld u. Prävention, S. 17. 187 So aber LK/Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 255. 188 Dies zeigt Frister an folgendem Beispiel auf (Schuldelement, S. 191): „Die Äußerungen eines stark Angetrunkenen werden im gesellschaftlichen Verkehr nicht als völlig bedeutungslos angesehen, aber sie werden weniger ernstgenommen, ihnen wird eine geringere Bedeutung zuerkannt als den Äußerungen einer Person, die sich im ,Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte‘ befindet.“ 189 So Jakobs, Strafrecht AT, 18/30. 190 So Frister, Schuldelement, S. 192 f. 191 Frister, Schuldelement, S. 193.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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Überträgt man diese gesetzlichen Wertungen auf die Auslegung des Freiwilligkeitsbegriffs der Rücktrittshandlung, so ergibt sich daraus folgende Differenzierung: Auch wenn die unerhebliche Verminderung der Selbstbestimmungsfähigkeit im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden muss, hat sie kein hinreichendes Gewicht, um die Freiwilligkeit des Rücktritts auszuschließen. Die Aufgabe der weiteren Tatausführung im Zustand unerheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit sollte deshalb mit Straffreiheit honoriert werden. Sobald dagegen die Schwelle zur Erheblichkeit der Selbstbestimmungsfähigkeitsverminderung überschritten ist, ist die Freiwilligkeit ausgeschlossen und wegen Versuchs zu bestrafen. Ein Umstand, der so gewichtig ist, dass er eine Strafrahmenverschiebung rechtfertigt, lässt umgekehrt die Freiwilligkeit nicht unberührt.192 Dass die Aufgabe der weiteren Tatausführung im Zustand erheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit ausgeführt worden ist, schließt die Freiwilligkeit der Rücktrittsleistung zwar aus. Das verbleibende Maß an Selbstbestimmungsfähigkeit hat aber hinreichendes Gewicht, um eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zu rechtfertigen.193 bb) Aufgabe der weiteren Tatausführung zwecks Vermeidung einer zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Verletzung fremder Rechtsgüter Unfreiwillig erfolgt die Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht nur, wenn sie im Zustand ausgeschlossener oder erheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit erfolgt, sondern auch dann, wenn der Täter nach dem unmittelbaren Ansetzen glaubt, den mit der Tat verfolgten Zweck nicht mehr bzw. nicht mehr in dem ursprünglich vorgestellten Umfang erreichen zu können.194 Dies folgt unmittelbar aus dem Grundgedanken von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB. Es wäre zu kurz gegriffen, die im unmittelbaren Ansetzen liegende vorläufige Entscheidung des Täters für die Tatbestandsverwirklichung allein als eine Entscheidung gegen das Recht aufzufassen. In aller Regel bildet die Begehung einer Straftat für den Täter nämlich keinen Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Erlangung eines über die Straftat hinausgehenden Vorteils. Korrespondiert mit der Entscheidung gegen das Recht die Ent192 Dagegen spricht auch nicht die Fakultativität der Strafmilderung nach § 21 StGB, aus der man – wenn der Regelstrafrahmen auf bestimmte Fälle erheblich verminderter Schuldfähigkeit anwendbar sein soll – den Schluss ziehen könnte, dass die Freiwilligkeit zumindest für bestimmte Fälle erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu bejahen ist. Die Vereinbarkeit einer bloß fakultativen Strafrahmenverschiebung mit dem Schuldprinzip wird von einem Teil der Literatur abgelehnt, sodass § 21 StGB als obligatorische Strafmilderung zu interpretieren sei (so Schmidhäuser, Strafrecht AT, 20/34; Frister, Schuldelement, S. 197 f.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, 10/42; a. A. LK/Schöch, § 21 Rn. 40). 193 Ist man der Auffassung, schon die unerhebliche Verminderung der Selbstbestimmungsfähigkeit schließe die Freiwilligkeit der Aufgabehandlung und damit eine vollständige Aufhebung des rechtserschütternden Eindrucks aus, wäre die Strafrahmenuntergrenze des nach § 49 I StGB modifizierten Strafrahmens dagegen zu hoch. Um diese Fälle gleichwohl einer angemessenen Lösung zuzuführen, böte sich insoweit eine analoge Anwendung von § 49 II an. 194 Frister, Strafrecht AT, 24/35 f.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

scheidung für die Verfolgung bestimmter Ziele, so kommt in der Straftat die Maxime des Täters zum Ausdruck, dass die Verwirklichung seiner Partikularinteressen gegenüber der für alle geltenden Normbefolgungspflicht als höherrangig einzustufen sei. Von dieser Maxime kann sich der Täter nur distanzieren, wenn er sich dafür entscheidet, der Pflicht zur Normbefolgung gegenüber den mit der Tat verfolgten Zielen den Vorzug zu geben. Eine derartige Distanzierung ist ausgeschlossen, wenn der Täter nach dem Versuchsbeginn die Vorstellung entwickelt, den verfolgten Zweck durch die Tat nicht mehr realisieren zu können. Der Täter kann die Vermutung, er werde nach dem Überschreiten der Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen auch die weiteren aus seiner Sicht zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Schritte unternehmen, nicht widerlegen, wenn die Aufgabe der weiteren Tatausführung unter dem Eindruck der Unerreichbarkeit des ursprünglichen Handlungszwecks erfolgt. Denn die Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung hinterlässt im Bewusstsein der Allgemeinheit keinen rechtsbestätigenden Eindruck, weil in ihr kein Widerruf der Maxime zum Ausdruck kommt, die Erreichung der eigenen Interessen hätte gegenüber der Pflicht zur Normbefolgung Vorrang. Unfreiwillig erfolgt die Aufgabe der weiteren Tatausführung deshalb z. B. in dem Fall, in dem der Täter von der Abgabe eines Schusses auf die von ihm anvisierte Person absieht, nachdem er erkannt hat, dass diese Person nicht – wie ursprünglich angenommen – der Liebhaber seiner Frau ist.195 Das Gleiche gilt im Falle des Absehens von der Schussabgabe auf einen Verfolger wegen dessen Abbruchs der Verfolgungshandlung oder im Falle des Absehens von der Weiterausführung eines Diebstahls, nachdem der Täter erkannt hat, dass die Beute wesentlich geringer ausfällt, als er ursprünglich erwartet hat.196 Der Ausschluss der Freiwilligkeit der Aufgabe der weiteren Tatausführung folgt auch daraus, dass der Täter nach dem Versuchsbeginn erkennt, dass die mit dem Weiterhandeln verbundenen Nachteile erheblich gewichtiger sind als zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens erwartet.197 Da Entscheidungen für oder gegen die Ausführung von Handlungen allgemein in erheblichem Maße von den durch sie zu erwartenden negativen Konsequenzen beeinflusst sind, wird die Vermutung, der Täter werde nach dem Überschreiten der Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen die weiteren zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Schritte ausführen, nicht widerlegt, wenn er die Entscheidung gegen die Versuchsbeendigung unter dem Eindruck der damit verbundenen erheblich erhöhten Nachteile trifft. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nachteile so erheblich sind, dass nicht von einer gleichgültigen Einstellung des Täters ihnen gegenüber auszugehen ist. Auch in solchen Fällen zeigt sich in der Entscheidung des Täters gegen die weitere Tatausführung

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Frister, Strafrecht AT, 24/35. Für die Verneinung der Freiwilligkeit in einem Fall, in dem die Beute geringer ausgefallen ist, als vom Täter ursprünglich erwartet BGHSt 4, 56 (60). 197 Frister, Strafrecht AT, 24/33 f.; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 49. 196

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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keine Revision der in seinem unmittelbaren Ansetzen zum Ausdruck gelangenden Maxime. Die Freiwilligkeit der Tataufgabe ist – wie bereits oben dargelegt198 – in jedem Fall ausgeschlossen, wenn die erhöhten Kosten in der Gefährdung von existentiellen Interessen des Täters i. S. von § 35 I StGB bestehen. Gleiches gilt aber auch für die Gefährdung von Gütern, die nicht zu den in § 35 I StGB aufgezählten existentiellen Interessen gehören.199 Solche Interessen sind betroffen, wenn A nach dem unmittelbaren Ansetzen durch die Drohung des B zur Tataufgabe bewegt wird, den Hund des A zu töten. Obwohl hier kein existentieller Druck vorliegt, der die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens zu begründen vermag, schließt die Drohung mit der Tötung des Hundes die Zurechenbarkeit der Aufgabe aus, weil Menschen dem Leben ihrer Haustiere üblicherweise nicht gleichgültig gegenüberstehen.200 Gleiches gilt im Falle der Betroffenheit erheblicher materieller Interessen des Täters durch die weitere Tatausführung. Insbesondere kann auch nicht – entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung201 – § 35 StGB die Wertung entnommen werden, nur die Gefährdung existentieller Rechtsgüter durch die weitere Tatausführung schließe die Freiwilligkeit ihrer Aufgabe aus. Die Entschuldigung gem. § 35 StGB ist nämlich nicht das Ergebnis einer Beeinträchtigung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Täters durch den von der existentiellen Notlage ausgehenden Motivationsdruck, sondern dasjenige einer Abwägung der involvierten Interessen aus der Perspektive des Täters. Da die Rechtsordnung wegen des individualistischen Weltbilds unserer Gesellschaft anerkennt, dass der Einzelne die Erhaltung seiner existentiellen Interessen gegenüber der Pflicht zur Normbefolgung als höherrangig erachtet, rechnet sie ihm die rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung zwecks Beseitigung existentieller Notlagen nicht als Ausdruck mangelnder Normbefolgungsbereitschaft zu. Dass die Rechtsordnung dagegen mit jemandem, der einen Straftatbestand rechtswidrig zwecks Beseitigung einer nicht existentiellen Notlage verwirklicht, keine Nachsicht übt und ihm die Tatbestandsverwirklichung deshalb als Absage an die Normgeltung zurechnet, folgt aus dem auch aus der Täterperspektive bestehenden Überwiegen der Normbefolgungspflicht gegenüber der Erhaltung der eigenen Interessen.202 In dieser Wertung kommt aber keineswegs zum Ausdruck, dass der Täter seinen nichtexistentiellen Interessen gleichgültig gegenübersteht, sondern lediglich, dass diese Interessen gegenüber dem Interesse an der Normbefolgung zurücktreten. Die erst nach dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung erkannten erhöhten Nachteile können auch in der Beeinträchtigung anderer Interessen 198

3. Teil B. III. 2. a) cc). MK/Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 120 ff. 200 a. A. Jäger, Rücktritt, S. 99 ff.; NK/Zaczyk, § 24 Rn. 70. 201 Jäger, Rücktritt, S. 99 ff.; NK/Zaczyk, § 24 Rn. 70. 202 Eingehend dazu Frister, Schuldelement, S. 153 ff., 210 ff.; ders., JuS 2013, 1057 (1060); ders., Strafrecht AT, 20/5. 199

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

des Täters als seiner Rechtsgüter bestehen, solange davon auszugehen ist, dass der Täter der Beeinträchtigung dieser Interessen nicht gleichgültig gegenübersteht. Deshalb ist die Straffreiheit gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB in Fällen zu versagen, in denen die mit der weiteren Tatausführung verbundenen Kosten darin bestehen, dass mit der Fortsetzung der Tatausführung die Gefahr verbunden ist, nicht mehr zur Begehung einer anderen zuvor ins Auge gefassten Straftat zu kommen.203 Die Freiwilligkeit der Aufgabe der weiteren Tatausführung kann zudem ausgeschlossen sein, wenn der Täter nach dem Versuchsbeginn die Möglichkeit der Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter, gegen welche die Tat ursprünglich nicht gerichtet gewesen ist, erkennt. Dies ist der Fall, wenn die Quantität oder die Qualität des durch die Tat verwirklichten Unrechts größer ist als ursprünglich erwartet. Die erhöhte Unrechtsquantität liegt z. B. vor, wenn der Täter bei einem gegen eine bestimmte Person gerichteten Tötungsversuch durch den Wurf einer Handgranate nach dem unmittelbaren Ansetzen erkennt, dass durch die weitere Tatausführung das Risiko entsteht, weitere Personen, gegen die der Angriff ursprünglich nicht gerichtet gewesen ist, zu töten. Qualitativ liegt ein erhöhtes Unrecht vor, wenn der Täter, der zu einem Diebstahl unmittelbar angesetzt hat, erkennt, dass die Wegnahme der Sache nur durch den Einsatz eines Nötigungsmittels und die damit verbundene Begehung eines Raubs möglich ist. Jedenfalls in Fällen, in denen die zuvor nicht erkannten Nachteile in der Beeinträchtigung von Interessen von dem Täter nahestehenden Personen i. S. von § 35 I StGB bestehen, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass der Täter diesen Interessen nicht gleichgültig gegenübersteht, weshalb die Freiwilligkeit der Tataufgabe etwa ausgeschlossen ist, wenn ein Vater von der Tötung seiner Kinder absieht, weil sie – entgegen seiner ursprünglichen Vorstellung – für die Kinder mit erheblichen Schmerzen verbunden ist.204 Dagegen könnte man meinen, dass die Möglichkeit der freiwilligen Tataufgabe jedenfalls in Fällen, in denen die zuvor nicht erkannten Nachteile in der Beeinträchtigung von Interessen dem Täter nicht nahestehender Personen bestehen, nicht ausgeschlossen ist, weil der Täter den Interessen solcher Personen gleichgültig gegenübersteht und sich die für die Entscheidung des Täters maßgeblichen Umstände nicht geändert haben. Eine solche Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zwar ist zutreffend, dass Menschen fremde Interessen prinzipiell im Vergleich zu ihren eigenen Interessen oder denjenigen ihnen nahestehender Personen als weniger gewichtig erachten und eher bereit sind, die Beeinträchtigung solcher Interessen hinzunehmen. Beim Rücktritt geht es indes nicht um die Frage nach der allgemeinen Bewertung fremder Interessen durch den Täter, sondern um die spezielle Frage nach der Bereitschaft des Täters zur Verletzung fremder Güter. Gegen die Vermutung, der Täter stehe der Verletzung fremder Güter gleichgültig gegenüber, spricht ein durschlagender normativer Einwand: Dem Täter gegenüber der Verletzung fremder 203 204

A. A. BGHSt 35, 184 (186 f.). Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 47; vgl. LG Arnsberg, NJW 1979, 1420.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

189

Rechtsgüter Gleichgültigkeit zu unterstellen, liefe darauf hinaus, ihm einen rechtswidrigen Willen zu unterstellen, den er so noch nicht gebildet hat. Aus dem Tatprinzip folgt aber, dass ein rechtswidriger Wille solange als inexistent gilt, wie er noch nicht betätigt worden ist. Die Normbefolgungsbereitschaft des Täters ist also solange zu unterstellen, wie dieser das normwidrige Verhalten nicht ausgeführt hat. Hat der Täter erst nach dem unmittelbaren Ansetzen die Möglichkeit eines gegenüber seiner ursprünglichen Erwartung gesteigerten Unrechts durch die weitere Tatausführung erkannt, so hat er – solange es nicht zur weiteren Tatausführung kommt – noch keinen Willensakt zur Betätigung dieses zuvor noch nicht erkannten Unrechts ausgeführt. Daraus folgt ohne weiteres der Ausschluss der Freiwilligkeit, wenn die erhöhten Kosten in der qualitativen Unrechtssteigerung bestehen. Doch auch im Falle der quantitativen Unrechtssteigerung kann dem Ausschluss der Freiwilligkeit nicht entgegengehalten werden, die Bereitschaft des Täters zur Ausführung eines rechtswidrigen Verhaltens habe sich bereits im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gezeigt. Aus dem unmittelbaren Ansetzen zu einem gegen einen bestimmten Menschen gerichteten Tötungsversuch kann nämlich nicht darauf geschlossen werden, dass der Täter auch anderen Menschenleben gleichgültig gegenübersteht. Vielmehr handelt es sich beim Hinzutreten einer erheblichen quantitativen Unrechtssteigerung um eine vollkommen neue Entscheidungssituation, welche die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung ausschließt. Die Freiwilligkeit der Aufgabe der weiteren Tatausführung ist wegen des Tatprinzips nicht nur ausgeschlossen, wenn der Täter die zuvor nicht als möglich erkannte Rechtsgutsverletzung durch das hypothetisch gebliebene Weiterhandeln in zurechenbarer Weise bedingt hätte, sondern auch dann, wenn die Aufgabe zwecks Verhütung einer nicht zurechenbaren Rechtsgutsverletzung erfolgt. Denn der Täter verletzt auch in letzterem Fall durch das Weiterhandeln in jedem Fall eine Rechtspflicht. Sieht A etwa nach dem unmittelbaren Ansetzen deshalb von der Abgabe eines Schusses auf B ab, weil C ihm für den Fall des Weiterhandelns die Tötung des (für den A fremden) D in Aussicht stellt, hätte A durch das Weiterhandeln zwar – zumindest nach einer teilweise vertretenen Ansicht in der Literatur205 – wegen der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch C kein den Tatbestand von Tötungsdelikten verwirklichendes Risiko für das Leben des D geschaffen. Selbst wenn man dies annimmt, verletzte A durch sein Weiterhandeln die allgemeine, auch gegenüber D bestehende Pflicht zur Mindestsolidarität. Denn jeden Menschen trifft die Pflicht, eine Handlung zu unterlassen, wenn er durch diese eine Gefahr für rechtlich geschützte Interessen Dritter schafft und diese Interessen die durch die Handlung verfolgten Interessen wesentlich überwiegen. Zwar ist die Verletzung des aus der Pflicht zur Mindestsolidarität folgenden Verbots anders als das entsprechende Gebot nicht strafbewährt (vgl. § 323c StGB).206 Daran, dass ein solches Verbot be205 206

Jakobs, Strafrecht AT, 7/59, 24/13 ff. A. A. Jakobs, Strafrecht AT, 7/67.

190

3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

steht, ist aber nicht zu zweifeln. So handelt es sich bei den mit den Eingriffsrechten aus den §§ 904 BGB, 34 StGB korrespondierenden Duldungs- bzw. Unterlassungspflichten desjenigen, in dessen Rechtsgüter eingegriffen wird, lediglich um Explikationen der allgemeinen Solidaritätspflicht.207 Auch der denkbare Einwand, die Funktion des Tatprinzips erschöpfe sich darin, den Täter vor der Bestrafung für hypothetisch gebliebene rechtswidrige Handlungen zu schützen, vermag nicht zu überzeugen. So ist das im Rahmen der Kausalitätsprüfung zu beachtende Verbot der Berücksichtigung hypothetisch gebliebener rechtswidriger Handlungen als den Kausalzusammenhang ausschließende Reserveursachen auf den Gedanken zurückführen, „dass die Rechtsordnung grundsätzlich von rechtmäßigem Verhalten der Menschen ausgeht und einen Entschluss zur Begehung einer rechtswidrigen Tat erst dann als rechtlich existent ansieht, wenn er tatsächlich betätigt worden ist“.208 Wenn A also den B durch Einsatz eines Nervengifts tötet, kann er sich nicht darauf berufen, C wäre zur Tötung des B durch einen – den Todeseintritt bei B beschleunigenden – Kopfschuss entschlossen gewesen und hätte nur deshalb von dem Angriff auf B abgesehen, weil A ihn über die Verabreichung des Gifts informiert hat. Hier wirkt sich also das aus dem Tatprinzip folgende Verbot, einen noch nicht betätigten Willen als existent anzusehen, ebenfalls zulasten des Täters aus. Wenn die Straffreiheit gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB mangels Freiwilligkeit auch in den Fällen zu versagen ist, in denen der Täter die weitere Tatausführung aufgibt, nachdem er die Verringerung der von dem Weiterhandeln erhofften Vorteile bzw. die Erhöhung der damit verbundenen Nachteile erkannt hat, ist immerhin die Strafmilderung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB geboten, wenn die Entscheidung gegen den vollständigen Handlungsvollzug die Vermeidung einer – gemessen an der von seinem Vorsatz im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens umfassten Rechtsgutsverletzung – zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzung bezweckt. In diesem Fall kommt in der Entscheidung gegen die weitere Tatausführung nämlich zum Ausdruck, dass der Täter nicht bereit ist, seine eigenen Ziele um jeden Preis auf Kosten der Rechtsordnung zu erreichen, er der Anerkennung der Rechtsordnung zumindest partiell Vorrang gegenüber der Verwirklichung seines Handlungsziels einräumt. Voraussetzung der Strafrahmenmilderung ist insoweit, dass der Täter gerade die Verfolgung desjenigen Zwecks, um dessen Erreichung willen er unmittelbar zur Verwirklichung eines Tatbestands angesetzt hat, zur Erhaltung eines Rechtsguts aufgibt. Hat sich der Zweck der Tat nach dem unmittelbaren Ansetzen als durch die weitere Tatausführung unerreichbar oder als schon erreicht erwiesen, kann der Täter 207 NK/Neumann, § 34 Rn. 9 ff. m. w. N.; dass die Verletzung der Solidaritätspflicht durch ein positives Tun nicht strafbewährt ist, liegt daran, dass diese regelmäßig mit der Verletzung einer anderen strafbewährten Verbotsnorm einhergeht. Dies ist in dem obigen Beispiel, wenn man den Zurechnungszusammenhang ablehnt, ausnahmsweise nicht der Fall. 208 Frister, Strafrecht AT, 9/30.

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

191

nämlich nicht mehr die Anerkennung des Vorrangs der Rechtsordnung gegenüber der Erreichung seiner Ziele demonstrieren. Dies gilt nicht nur, wenn die weitere Tatausführung mit überhaupt keinem Nutzen für den Täter verbunden ist. Die Strafrahmenmilderung ist auch zu versagen, wenn der Täter zwar nicht den durch das unmittelbare Ansetzen verfolgten, dafür aber einen anderen Zweck durch die weitere Tatausführung realisieren kann. Gibt etwa E, nachdem er zur Tötung eines Liebhabers seiner Frau unmittelbar angesetzt hat, die weitere Ausführung der Tat auf, weil er erkennt, dass es sich in Wahrheit bei der anvisierten Person um einen anderen Liebhaber seiner Frau handelt, dessen Tötung E zuvor schon ins Auge gefasst hat, hinterlässt die Entscheidung für den Abbruch des deliktischen Handlungsprojekts keinen auch nur partiell rechtsbestätigenden Eindruck. Im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung kommt lediglich die Maxime des Täters zum Ausdruck, dass der durch dieses Verhalten verfolgte Zweck für ihn gegenüber der Pflicht zur Normbefolgung Vorrang hat. Für andere vom Täter verfolgte Ziele kann dies dagegen erst dann angenommen werden, wenn der Täter eine deliktische Handlung zu ihrer Erreichung ausgeführt hat. Die Entscheidung gegen die weitere Tatausführung weist die für die Strafrahmenmilderung hinreichende Signifikanz nur auf, wenn der Täter der Rechtsordnung gerade gegenüber der Verfolgung des Zwecks, um dessen Realisierung willen er bereit ist, eine Norm zu missachten, zumindest partiell den Vorrang einräumt. Deshalb ist die Strafrahmenmilderung selbst dann abzulehnen, wenn der Täter den ursprünglich verfolgten Zweck durch die weitere Tatausführung zumindest noch in wesentlich vermindertem Umfang erreichen kann. Gibt A etwa nach dem unmittelbaren Ansetzen die weitere Ausführung eines Raubmords auf, nachdem er erkannt hat, dass er durch diesen nicht 10.000, sondern nur 1000 Euro erbeuten kann, kommt hierin nicht die Maxime zum Ausdruck, dass die Beachtung irgendeiner Rechtsnorm gegenüber der Erbeutung von 10.000 Euro Vorrang hat. Einen die Strafrahmenverschiebung gebietenden rechtsbestätigenden Eindruck hinterlässt der Täter dagegen, wenn er den ursprünglich verfolgten Zweck durch die weitere Tatausführung erreichen kann und diese aufgibt, weil er nach dem unmittelbaren Ansetzen erkannt hat, dass die weitere Tatausführung ein Verletzungsrisiko für ein zumindest annähernd gleichwertiges Rechtsgut begründet, gegen das die Tat zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens nicht gerichtet gewesen ist. Dies ist erstens der Fall, wenn er die weitere Ausführung der Tat aufgibt, um die Verletzung eines höherwertigen Rechtsguts zu vermeiden. Wer etwa aus Rache an seiner Exfrau deren Hund töten will, indem er diesen aus sicherer Entfernung erschießt, während die Exfrau mit ihm „Gassi geht“, lässt in seinem Verhalten die Achtung des Rechtsguts Leben erkennen, wenn er von der Schussabgabe deshalb absieht, weil er die Möglichkeit erkennt, seine Exfrau zu treffen. Gleiches gilt in Fällen, in denen der Täter nach dem unmittelbaren Ansetzen zu einem Diebstahl deshalb von der weiteren Tatausführung absieht, weil er erkennt, dass die Vollendung der Wegnahme nur durch

192

3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

den Einsatz von Gewalt, also durch Verwirklichung eines Raubs möglich ist.209 Auch die Aufgabe der weiteren Tatausführung zwecks Vermeidung einer quantitativen Unrechtssteigerung rechtfertigt eine Strafrahmenmilderung, etwa wenn der Täter den Wurf einer Handgranate zwecks Tötung eines bestimmten anderen Menschen unterlässt, weil er die Möglichkeit der Tötung anderer, zuvor nicht ins Visier genommener Menschen erkennt. Honorierungswürdig ist auch der Fall, in dem die Aufgabe der weiteren Tatausführung zwecks Vermeidung der Verletzung eines gleichwertigen Rechtsguts erfolgt, was z. B. der Fall ist, wenn der Täter von der Abgabe des Schusses auf einen anderen Menschen absieht, weil er nach dem unmittelbaren Ansetzen die Möglichkeit erkennt, einen anderen Menschen zu treffen. Gleiches gilt auch noch für Konstellationen, in denen das Rechtsgut, dessen Erhaltung der Täter durch die Tataufgabe bezweckt, im Vergleich zu dem Rechtsgut, gegen welches seine Tat gerichtet ist, zumindest annähernd gleichwertig ist. Fälle, in denen ein Vater von der Tötung seiner Kinder absieht, weil sie – entgegen seiner ursprünglichen Vorstellung – für die Kinder mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, verdienen eine Strafmilderung, weil die Vermeidung von erheblichen Schmerzen heute – wie etwa die Fälle der indirekten Sterbehilfe zeigen210 – zwar nicht denselben, aber doch einen zumindest annähernd gleichen Stellenwert haben wie die Erhaltung eines Menschenlebens.211 Keine Strafrahmenmilderung verdient der Täter im Falle der Tataufgabe zwecks Vermeidung einer nicht einmal annähernd gleichgewichtigen Rechtsgutsverletzung. Zwar bringt der Täter durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung auch in dem Fall, in dem die weitere Ausführung eines Tötungsversuchs mit einer im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens noch nicht für möglich gehaltenen Beeinträchtigung materieller Interessen (oder geringfügiger immaterieller Interessen) verbunden ist, ebenfalls zum Ausdruck, dass er nicht bereit ist, seine Zwecke um jeden Preis auf Kosten der Rechtsordnung zu erreichen. Weil aber die in dem Verzicht auf die weitere Ausführung einer Tötungshandlung zwecks Erhaltung materieller Interessen zugleich zum Ausdruck gelangende Maxime, die Verwirklichung der eigenen Zwecke habe Vorrang gegenüber der Achtung des Tötungsverbots, nicht aber gegenüber der Achtung des Sachbeschädigungsverbots, der für unsere Rechtsordnung grundlegenden Wertung, wonach Menschenleben prinzipiell höherrangig als materielle Interessen zu bewerten sind,212 krass widerspricht, ist die Aufgabe der weiteren Tatausführung auf keinen Fall honorierungswürdig. Ob das erhaltene Rechtsgut 209

A. A. bzgl. des Ausschlusses des Rücktritts in Fällen, in denen die Vollendung nur durch Verwirklichung erhöhten Unrechts möglich ist, BGH, NStZ 2007, 91 (91). 210 Vgl. NK/Neumann, § 34 Rn. 37 m. w. N. 211 Ähnlich schon Timpe, Strafmilderungen, S. 142. 212 Eine Ausnahme erkennt die Rechtsordnung allerdings im Rahmen der Notwehrdogmatik in Fällen an, in denen sich der durch Notwehr abzuwehrende Angriff gegen immaterielle Interessen richtet. In diesen Fällen darf der Angriff auch durch die Tötung des Angreifers abgewehrt werden, sofern die verteidigten Interessen nicht bloß geringfügig sind (Frister, Strafrecht AT, 16/27).

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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diesseits oder jenseits der Grenze der annähernden Gleichwertigkeit liegt, mag sich u. U. als ein Problem des Einzelfalls darstellen, auf dessen Lösung an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann. Ausgeschlossen ist die Strafrahmenmilderung natürlich auch, wenn sie zwecks Erhaltung eigener Rechtsgüter des Täters erfolgt. Sieht der Täter von der weiteren Ausführung eines Sprengstoffattentats ab, weil er erkennt, dass der Zeitzünder defekt ist und er die Bombe nur manuell und damit unter Inkaufnahme der eigenen Tötung zünden kann, bringt er durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung schon deshalb keine Rechtstreue zum Ausdruck, weil keine Rechtspflicht zur Erhaltung eigener Rechtsgüter besteht. 3. Die relativ versuchsbezogenen Milderungsgründe Relativ versuchsbezogen sind Tatumstände, welche die Vollendungsstrafbarkeit nicht zwingend ausschließen, aber immerhin die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht zur Vollendung kommt, erheblich verringern. Prototypisch für diese Kategorie sind Konstellationen im Randbereich zu § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB.213 Denn Verhinderungsbemühungen schließen – anders als die Vollendungsuntauglichkeit des Versuchs oder die Aufgabe der weiteren Tatausführung – die Vollendungsstrafbarkeit nicht kategorisch aus. In der Literatur und in der Rechtsprechung werden teilweise Tatumstände als versuchsbezogen qualifiziert, die nicht in den Randbereich der §§ 23 III, 24 StGB fallen. Dies gilt etwa für das geringe Maß an „krimineller Energie“,214 die „mangelnde oder flüchtige Planung“ oder die „Schwäche des Angriffs“.215 Auch wenn diese Kriterien mangels hinreichender Anschlussfähigkeit an herkömmliche Begriffe der Dogmatik nicht gebraucht werden sollten,216 können sich hinter ihnen gleichwohl Konstellationen verbergen, in denen relativ versuchsbezogene Tatumstände vorliegen, die eine Strafrahmenverschiebung rechtfertigen. Insgesamt lassen sich drei verschiedene Gruppen relativ versuchsbezogener Tatumstände, die als Gründe für die Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB in Betracht kommen, unterscheiden, nämlich solche, die - nach (unter a)), - während (unter b)) - oder vor (unter c)) der Tathandlung liegen. 213

Dazu: 3. Teil B. III. 1. d). LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 34; zum Vorkommen dieses Begriffs in der Rechtsprechung: 3. Teil B. I. 1. 215 Die beiden letzten Begriffe finden sich bei Jakobs, Strafrecht AT, 25/79. 216 Zum Begriff der kriminellen Energie ebenfalls kritisch Hörnle, Strafzumessung, S. 57 ff.; dies., in: Stellung des Opfers, S. 175 (190). 214

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

a) Nachtatverhalten, das strafbefreienden Verhinderungsbemühungen nahekommt Die Straffreiheit gem. § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB setzt voraus, dass der rechtsbestätigende Eindruck, den die Verhinderungshandlung des Täters hinterlässt, hinreichend signifikant ist, um das Ausbleiben der Vollendung dem Täter als das Ergebnis seiner Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung zuzurechnen.217 Nur dann wird der rechtserschütternde Eindruck des Versuchs nämlich vollständig ausgeglichen. Ist dies nicht der Fall, kann das verhinderungsähnliche Verhalten – wie auch anderes, weniger signifikantes Nachtatverhalten (vgl. §§ 46a, 46b StGB) – gleichwohl einen rechtsbestätigenden Eindruck hinterlassen, der den vom deliktischen Verhalten ausgehenden rechtserschütternden Eindruck so weit ausgleicht, dass eine Strafrahmenmilderung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB geboten ist. aa) Vermeidbar planwidrige Verhinderung der Tatvollendung? Da § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB Verhinderungsbewusstsein voraussetzt, ist die vermeidbar planwidrige Vollendungsverhinderung als Strafrahmenmilderungsgrund denkbar. Wie oben dargestellt, führt auch die auf einem vermeidbaren Irrtum beruhende Entscheidung des Täters gegen die Ausführung der versuchsbeendigenden Handlung zur Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB.218 Jedoch kann nicht von dem Gebot der Strafmilderung im Falle der auf einem vermeidbaren Irrtum beruhenden Entscheidung gegen die Ausführung der versuchsbeendigenden Handlung auf die entsprechende Honorierungswürdigkeit der vermeidbar planwidrigen Vollendungsverhinderung geschlossen werden. Die auf einem vermeidbaren Irrtum beruhende Entscheidung gegen die Ausführung der versuchsbeendigenden Handlung fällt nämlich nicht in den Randbereich von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB, sondern in denjenigen von § 23 III StGB. Der Verbleib der Tat im Versuchsstadium wird dem Täter in diesen Fällen nicht als sein „Verdienst“, sondern als seine „Schuld“ zugerechnet. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Versuch noch unbeendet ist, der Täter die Entscheidung über die Vollendung also noch nicht bewusst dem Zufall überlassen hat. Seine Legitimation bezieht die Milderung in diesen Fällen nämlich aus der teilweisen Kompensation des im Versuch liegenden Motivationsunrechts. Ab dem Zeitpunkt der Versuchsbeendigung (bzw. dem Vorliegen eines Fehlschlags) ist das Werturteil über den Versuch dagegen irreversibel. Auch wäre es eine verfehlte formalistische Umkehrung der Unrechtsbegründung des Fahrlässigkeitsdelikts, wenn man die strafmildernde Wirkung auf die „umgekehrt fahrlässige“ Erfüllung eines Gebots durch die vermeidbar planwidrige Vollendungsverhinderung stützte. Anders als bei der Begründung des Fahrlässigkeitsunrechts, bei welcher der Täter ebenso wie bei der Begründung des Vorsatzunrechts eine Norm verletzt, gibt es nämlich keine Norm, die der Täter durch die vermeidbar 217 218

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd). Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) cc).

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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planwidrige Verhinderung der Vollendung erfüllt.219 Durch das deliktische Vorverhalten wird der Täter zugleich aus Ingerenz zur Bemühung um die Erfolgsabwendung verpflichtet.220 Die Erfüllung von Handlungspflichten setzt aber stets die bewusste Entscheidung für die Beseitigung des Erfolgsrisikos voraus.221 Das Hinterlassen eines die Strafmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB gebietenden rechtsbestätigenden Eindrucks setzt zwar nicht zwingend voraus, dass der Täter durch sein Rücktrittsverhalten eine Norm erfüllt.222 Allerdings ist die Mindestvoraussetzung für die Demonstration von Normtreue die bewusste Entscheidung für die Verhinderung der Tatvollendung. Ruft A, nachdem er den Liebhaber L seiner Frau in dessen Wohnung durch einen Messerstich lebensbedrohlich verletzt und zurückgelassen hat, seine Frau F an, um mit seinem Verhalten zu „prahlen“ und wird L durch einen von F herbeigerufenen Notarzt gerettet, so kommt in dem Anruf keine dem vorhergehenden Verletzungsverhalten widersprechende Verhaltensmaxime zum Ausdruck. Deshalb ist die vermeidbar planwidrige Verhinderung der Tatvollendung nicht mit einer Strafmilderung zu honorieren. Doch auch die durch die vermeidbare Fehlvorstellung rücktrittsauschließender Umstände motivierte Verhinderung der Tatvollendung begründet allein wegen der Vermeidbarkeit der Fehlvorstellung keine Strafrahmenmilderung. Wird der Täter von einem Dritten etwa durch Androhung von Gewalt dazu gezwungen, das von ihm zuvor lebensgefährlich verletzte Opfer in ein Krankenhaus zu fahren, kommt in diesem Verhalten keine Demonstration von Rechtstreue zum Ausdruck, sodass die Verhinderung – obwohl der Täter den zur Rettung des Opfers führenden Kausalverlauf bewusst und nicht lediglich versehentlich in Gang gesetzt hat – keine dem Täter als freiwillig zurechenbare Entscheidung für die Rettung des Rechtsguts darstellt. Auch wenn das vom Dritten eingesetzte Nötigungsmittel inexistent gewesen ist und der Täter dies hätte erkennen können, hinterlässt das Verhalten des Täters nicht einmal einen partiell rechtsbestätigenden Eindruck. In der bloßen Fähigkeit, den Irrtum über das Vorliegen der nötigenden Umstände zu erkennen, kommt nämlich nicht einmal ein Quäntchen Rechtstreue zum Ausdruck. bb) Vollendungsverhinderung bei Verzicht auf den Einsatz eines besser geeigneten Rettungsmittels Umstritten ist, ob sich der Täter zur Erlangung der Straffreiheit nach § 24 I S. 1 Var. 2 StGB unter mehreren von ihm zur Abwendung der Vollendung für geeignet gehaltenen Mitteln des aus seiner Sicht besser geeigneten Mittels bedient haben 219

Puppe, Strafrecht AT, 21/40. Dazu: 3. Teil B. III. 1 .b) cc). 221 So sieht Armin Kaufmann den Unrechtskern des unechten Unterlassungsdelikts zu Recht im Unterlassen einer Handlung, durch die der Täter versucht, den Gebotszweck – also die Abwendung einer Rechtsgutsverletzung – zu erreichen (Unterlassungsdelikte, S. 96 ff.). 222 Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) bb). 220

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

muss. Vorherrschend ist der Standpunkt, der Täter müsse lediglich das Ausbleiben des Erfolgs bewirkt haben, um Straffreiheit zu erlangen. Dass dem Täter besser geeignete Mittel zu Gebote standen, sei prinzipiell irrelevant. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 24 I S. 2 StGB. Dass das Merkmal des ernsthaften Bemühens in § 24 I S. 1 Var. 2 StGB nicht auftaucht, spreche für eine extensive Auslegung des Verhinderungsmerkmals.223 Der Umkehrschluss aus § 24 I S. 2 StGB ist indes nicht überzeugend. So folgt zum einen aus der Voraussetzung, dass der Täter sich ernsthaft um die Verhinderung der Tatvollendung bemühen muss, schon sprachlich nicht die Notwendigkeit der Wahl des besten unter mehreren Rettungsmitteln durch den Täter.224 Überzeugender ist, das Merkmal ernsthaft allein auf das vom Täter gewählte Rettungsmittel zu beziehen. Da § 24 I S. 2 StGB anders als § 24 I S. 1 Var. 2 StGB nicht die zurechenbare Realisierung der Verhinderungsbemühungen im Vollendungsmangel voraussetzt, regelt er lediglich den Verhinderungsversuch. Ebenso wie beim deliktischen Versuch besteht auch hier das Bedürfnis, irrationales Vorgehen des Täters gesetzlich zu erfassen.225 Diesem Bedürfnis trägt das Merkmal der Ernsthaftigkeit Rechnung. Die ernsthafte Bemühung des Täters setzt ein verständiges Vorgehen voraus.226 Diese Voraussetzung ist jedoch im Verhinderungsmerkmal von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB vollständig enthalten. Wie oben gesehen, setzt die Verwirklichung des Vollendungstatbestands eines Delikts voraus, dass das objektive und das subjektive Tatgeschehen kongruent sind. Die Kongruenz ist aber bei unverständigem Vorgehen des Täters zwingend ausgeschlossen.227 Auch die Verhinderung der Tatvollendung setzt die Kongruenz von Vorstellung und Wirklichkeit voraus, sodass die fehlende Ernsthaftigkeit (also der Unverstand) hier ebenso die Kongruenz ausschließt.228 Das Ausbleiben der Vollendung kann normativ nur dann als das Ergebnis der Verhinderungsbemühung angesehen werden, wenn diese verständig ist. Da jede Verhinderung eine ernsthafte Verhinderungsbemühung enthält, vermag eine extensive Interpretation von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB im Lichte von § 24 I S. 2 StGB nicht zu 223

NK/Zaczyk, § 24 Rn. 59; SK/Jäger, § 24 Rn. 92; Rengier, Strafrecht AT, 37/132. LK/Lilie-Albrecht, § 24 Rn. 339; MK/Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 146. 225 Jakobs, Strafrecht AT, 26/22; ähnlich Arzt, GA 1964, 1 (4); es geht auch bei der Ernsthaftigkeit nicht darum, dass sich der Täter zwingend eines objektiv tauglichen Rettungsmittels bedient, sondern allein darum, ob das eingesetzte Mittel als verständig anzusehen ist. 226 Ähnlich MK/Hoffmann-Holland, § 24 Rn. 146; a. A. Maiwald, in: FS Wolff, S. 337 (344 ff.); Roxin, Strafrecht AT II, 30/283. 227 Dazu: 2. Teil A. II. 2. b. 228 Man stelle sich vor, A habe dem B mit Tötungsvorsatz eine zu dessen Tötung hinreichende Dosis Gift verabreicht. Führt A dem B mit Rettungsabsicht anschließend ein wirksames Gegengift zu, wobei er irrig glaubt, es handle sich dabei um Baldriantropfen, von deren Eignung zur Rettung des B er irrig ausgeht, tritt A mangels Kongruenz des objektiven und vorgestellten Geschehens nicht gem. § 24 I S. 1 Var. 2 StGB zurück. 224

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überzeugen. Deshalb stellt sich für § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB insgesamt die Frage, ob der Täter nicht nur ein an sich ernsthaftes, sondern darüber hinaus auch das vielversprechendste unter mehreren ernsthaften Mitteln wählen muss. Neben dem Umkehrschluss aus § 24 I S. 2 StGB wird auch der Wortlaut von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB für die Möglichkeit der Erlangung von Straffreiheit durch den Einsatz eines nichtoptimalen Rettungsmittels angeführt. Der Begriff Verhinderung der Vollendung erfasse bei natürlichem Wortlautverständnis wegen seiner Erfolgsbezogenheit auch diejenigen Fälle, in denen der Täter sich keines optimalen Rettungsmittels bedient hat, sodass es sich bei der restriktiven Auslegung durch die Gegenauffassung um eine unzulässige Wortlautreduktion zu Lasten des Täters handle.229 Herzberg hält dem Argument, dass die restriktive Auslegung des Verhinderungsmerkmals sich als unzulässige Wortlautreduktion darstelle, entgegen, erfolgsbezogene Handlungsmerkmale würden stets „einengend“ interpretiert, womit die Möglichkeit einer Restriktion des Verhinderungsmerkmals in § 24 I S. 1 Var. 2 StGB ebenso offenstehen müsse.230 Richtig ist daran, dass eine Handlung nicht schon deshalb als Tötung, als körperliche Misshandlung oder als Sachbeschädigung zu bewerten ist, weil sie sich als Bedingung eines Todes-, Misshandlungs- oder Beschädigungserfolgs darstellt. Erfolgsbezogene Handlungsmerkmale in deliktischen Tatbeständen sind dahingehend zu interpretieren, dass nur diejenigen Verhaltensweisen erfasst werden, die sich als für die Gesellschaft intolerable Risiken darstellen. Dem lässt sich andererseits entgegenhalten, dass es sich bei der Restriktion des Verhinderungsmerkmals anders als bei der Restriktion von Merkmalen des Deliktstatbestands um eine täterbelastende Wortlautreduktion handelt. Der Grundgedanke von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB spricht freilich für eine restriktive Auslegung. Die Straffreiheit gem. § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB setzt nämlich voraus, dass die Verhinderungsbemühungen des Täters einen rechtsbestätigenden Eindruck hinterlassen, dessen Gewicht ausreicht, um den vom beendeten Versuch ausgehenden rechtserschütternden Eindruck auszugleichen. Auch hier kommt zum Tragen, dass der Täter durch die Verhinderung der Tatvollendung seine Garantenpflicht aus Ingerenz erfüllt.231 Wer als Garant zum Einsatz eines auf die Abwendung des Erfolgs gerichteten Mittels verpflichtet ist, muss aber – wie in der Literatur zu Recht gefordert wird232 – das bestgeeignete der aus seiner Sicht verfügbaren Mittel wählen. Wer dagegen sehenden Auges auf den Einsatz des besser geeigneten Mittels verzichtet, verringert die Gefahr des Erfolgseintritts in geringerem Maße, als es ihm möglich gewesen wäre. Die Einlassung, dass die Gefahr durch das Verhalten zumindest verringert worden ist, ist ebenso wenig stichhaltig wie die Einlassung desjenigen, der eine rechtlich relevante Gefahr durch positives Tun schafft und sich 229 230 231 232

Kühl, Strafrecht AT, 16/70. Herzberg, NJW 1989, 862 (865 f.); ders., in: FS Kohlmann, S. 37 (47 ff.). Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) aa). LK/Weigend, § 13 Rn. 63; Roxin, Strafrecht AT II, 30/242; Puppe, Strafrecht AT, 21/41.

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darauf beruft, dass er eine noch größere Gefahr hätte schaffen können.233 Besteht für diese Unterlassung – etwa in Gestalt von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen – auch kein durch die Rechtsordnung gebilligter Grund, so ist nicht einzusehen, warum das Recht auf die Forderung, von dieser Rettungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, verzichten soll. Dies erscheint erst recht als fragwürdig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit einem solchen Verzicht korrespondiert, demjenigen, zu dessen Gunsten die Rettungspflicht besteht, ein Sonderopfer aufzuerlegen, ohne dass dies zur Wahrnehmung eines überwiegenden Interesses geboten wäre. Derjenige, der aus Gründen auf die Ausführung einer im Interesse des Rechtsgüterschutzes gebotenen Handlung verzichtet, die durch die Rechtsordnung als nicht hinreichend bewertet werden, hinterlässt durch ein weniger geeignetes Alternativverhalten keinen rechtsbestätigenden Eindruck, der die Annahme von Straffreiheit rechtfertigt.234 Weiter ergeben sich aus der h. M. schwerwiegende Wertungswidersprüche. So gewährt sie demjenigen, der sich auf ein wenig erfolgsversprechendes Rettungsmittel verlässt, Straffreiheit, während derjenige, der mit seinen Rettungsbemühungen trotz Ausschöpfung aller ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten scheitert, strafbar sein soll. Zwar liegt letzteres in der Konsequenz der dem Gesetz zu Grunde liegenden Maxime „Ende gut, alles gut“.235 Eine derart gravierende Schlechterstellung des ex ante wertvolleren Rettungsverhaltens ist jedoch normativ inakzeptabel. Auch folgt aus der h. M., wenn sie an den unterschiedlichen Anforderungen an das Rücktrittsverhalten in § 24 I S. 1 Var. 2 und S. 2 StGB festhält, dass derjenige, der irrtümlich annimmt, das Opfer durch sein Verhalten in Lebensgefahr gebracht zu haben, schlechter steht als derjenige, der sein Opfer tatsächlich in Lebensgefahr gebracht hat. Ersterer wäre nämlich, weil keine Lebensgefahr eingetreten ist und die Vollendung deshalb ohne sein Zutun ausbleibt, auf die Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 I S. 2 StGB verwiesen und müsste sich daher ernstlich um die Verhinderung bemühen, während derjenige, der eine Lebensgefahr bewirkt hat, durch jede erfolgreiche Rettungshandlung zurücktreten könnte.236 Ein weiterer Widerspruch ergibt sich mit Blick auf den Rücktritt vom Unterlassungsversuch. Geht man davon aus, dass der Täter seine Handlungspflicht allgemein nur durch die Anwendung des optimalen Mittels zur Erfolgsabwendung erfüllt, wäre er beim Unterlassungsversuch bis zum Zeitpunkt der Versuchsbeendigung verpflichtet, sich optimal um das Ausbleiben der Vollendung zu bemühen, sodass ein nichtoptimales Bemühen bis zu diesem Zeitpunkt eine Unterlassungsstrafbarkeit auslöste. Ab der Versuchsbeendigung dagegen könnte er durch den

233 234 235 236

Ähnlich Herzberg, NJW 1989, 862 (867). So auch Murmann, Versuchsunrecht, S. 64 f. Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd). Herzberg, in: FS Kohlmann, S. 37 (46); Roxin, Strafrecht AT II, 30/241.

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Einsatz eines nichtoptimalen Rettungsmittels Straffreiheit erlangen.237 Dass dies ungerecht wäre, sei an folgendem Beispiel illustriert: V entdeckt seinen Sohn S des Nachts volltrunken auf Zugschienen liegend. Er erwartet das Eintreffen des nächsten Zugs an dieser Stelle in einer Stunde und könnte S ohne weiteres von den Schienen herunterziehen. V entscheidet sich jedoch aus Frust über das Verhalten von S stattdessen, in eine nahegelegene Kneipe zu gehen und dort darüber nachzudenken, ob er seinen Sohn retten soll. – Var. a): V entscheidet sich nach einigen Minuten in der Kneipe, also zu einem Zeitpunkt, in dem sich aus seiner Sicht die Chancen der Rettung des S durch ihn – V – noch nicht vermindert haben, seiner Frau F eine SMS zu schreiben, diese solle S retten, obwohl er sich nicht sicher ist, dass F die SMS rechtzeitig liest. V hat sich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig gegen die eigenhändige Rettung des S entschieden. Anschließend grübelt er weiter, verbringt aber den Rest der Nacht in der Kneipe und lässt die sichere Möglichkeit, S zu retten, bewusst ungenutzt verstreichen. F schafft es noch rechtzeitig, S zu retten, ohne V darüber in Kenntnis zu setzen. – Var. b): V entscheidet sich nach einer halben Stunde, nachdem er sich nicht mehr sicher ist, dass er S, wenn er sich sofort zu den Schienen begäbe, noch retten kann, seiner Frau eine SMS zu schreiben, obwohl er davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rettung des S größer ist, wenn er sich selbst zu den Schienen begäbe. Weil der Zug Verspätung hat, schafft es F noch, D zu retten, ohne dass V noch irgendetwas zur Rettung beigetragen hätte. In Var. a) wäre V gem. den §§ 212, 13 I, 22, 23 I StGB zu bestrafen, weil er die Anwendung des optimalen Rettungsmittels unterlassen hat. Insbesondere kann die SMS des V nicht als Rücktrittsverhalten bewertet werden, weil es noch vor dem Eintritt in das Versuchsstadium erfolgt ist.238 In Var. b) müsste V dagegen wegen des gleichen Verhaltens nach h. M. straflos bleiben, weil er erst nach der Versuchsbeendigung durch die Kontaktierung von F das Ausbleiben des Todes des S bewirkt hat und deshalb gem. § 24 I S. 1 Var. 2 StGB zurückgetreten ist. Vor dem Hintergrund all dieser Widersprüche, insbesondere des Umstands, dass aus dem Nichteinsetzen des optimalen Rettungsmittels ohnehin eine Unterlassungsstrafbarkeit folgt, erscheint zulässig, eine teleologisch gebotene Ausnahme vom Verbot täterbelastender Wortlautreduktionen zu machen und die Verwirklichung von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB von der Erbringung der aus Tätersicht optimalen Rücktrittsleistung abhängig zu machen.239 Gleichwohl besteht zwischen dem bewussten Einsatz nichtoptimaler Rettungsmittel und dem vollkommenen Verzicht auf Verhinderungsbemühungen oder der 237 238 239

45.

Ähnlich Puppe, NStZ 1984, 488 (490 f.); Jakobs, Strafrecht AT, 26/21. Vgl. zum unmittelbaren Ansetzen beim unechten Unterlassungsdelikt: 2. Teil A. II. 1. c). So unter Bezugnahme auf die Unterlassungsstrafbarkeit auch Frister, Strafrecht AT, 24/

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versehentlichen Vollendungsverhinderung ein signifikanter Unterschied. Wer sich zur Ausführung von Rettungshandlungen entscheidet, bringt dadurch zum Ausdruck, dass er dem zuvor angegriffenen Rechtsgut nicht vollkommen gleichgültig gegenübersteht. Deshalb ist die Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB hier angemessen.240 Freilich lebt der wegen der hier vertretenen Forderung des Einsatzes des optimalen Rettungsmittels zur Erlangung von Straffreiheit nach § 24 I S. 1 Var. 2 StGB wenig relevante Streit um die Anforderungen an den Grad des Verhinderungsvorsatzes für die Frage nach der Strafrahmenentscheidung wieder auf. Ruft A die F, nachdem er deren Liebhaber in dessen Wohnung niedergestochen hat, zum „Prahlen“ mit seiner Tat an, so kommt darin keine auch nur partielle Demonstration von Rechtstreue zum Ausdruck, wenn A die Rettung des B durch einen von F herbeigerufenen Notarzt als mögliche, wenn auch unbeabsichtigte Nebenfolge seines Anrufs erkannt hat. Der Täter muss deshalb zur Erlangung der Strafrahmenverschiebung die Verhinderung der Tatvollendung zumindest als notwendiges Zwischenziels seines Verhaltens angesehen haben.241 Das im Rahmen der Unrechtsbegründung prinzipiell unzulässige Abstellen auf die Motive des Täters rechtfertigt sich bei § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB daraus,242 dass hier das Vorliegen von Unrecht unabänderlich feststeht und es nur noch um die Demonstration von Rechtstreue geht. Insoweit gehen die Motive des Täters die Rechtsordnung etwas an.243 Dies gilt aber erst recht für nichtoptimales Rettungsverhalten, weil mit ihm sogar ein rechtswidriges Unterlassen korrespondiert. cc) Unverständiges Bemühen um die Vollendungsverhinderung Die Honorierung von unverständigen Verhinderungsbemühungen mit Straffreiheit nach § 24 I S. 2 StGB scheidet mangels Ernsthaftigkeit des Rettungsprojekts aus.244 Ebenso wie die „Vergiftung“ mit Kamillentee keinen rechtserschütternden Eindruck hinterlässt, wird die „Rettung“ des vermeintlich vergifteten Opfers mit Kamillentee nicht als eine die Straffreiheit legitimierende Demonstration von Rechtstreue aufgefasst. Das Ausbleiben der Vollendung wird nämlich auch nicht auf Grundlage des hypothetischen Sachverhalts, in dem es nicht zu dem Umstand gekommen ist, an dem die Vollendung tatsächlich scheitert, als das Ergebnis unverständiger Verhinderungsbemühungen zugerechnet. Rationalitätsdefizite können nun aber wie oben dargelegt unterschiedlich gravierend ausfallen.245 Solange sich diese noch jenseits des grob Unverständigen be240

So auch Jakobs, Strafrecht AT, 25/79; Puppe, Strafrecht AT, 21/43. So auch mit Blick auf die Straffreiheit nach § 24 I S. 1 Var. 2 StGB BGH, NJW 1989, 2068; a. A. Kühl, Strafrecht AT, 16/65; NK/Zaczyk, § 24 Rn. 62. 242 Vgl. zur Irrelevanz voluntativer Elemente auf Ebene der Begründung und Kompensation des Motivationsunrechts Frister, Strafrecht AT, 11/21 ff., 14/23 f. 243 Ähnlich Puppe, Strafrecht AT, 21/30. 244 Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) bb). 245 Dazu: 3. Teil B. III. 2. a). 241

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wegen, schließen sie zwar die Ernsthaftigkeit der Verhinderungsbemühungen und damit die Straffreiheit aus, rechtfertigen jedoch eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB.246 Dies ist etwa der Fall, wenn sich der Täter zur Rettung seines vermeintlich vergifteten Opfers der evident zu geringen Menge eines an sich wirksamen Gegengifts bedient.247 dd) Unterlassen des Abbruchs rettender Kausalverläufe oder weiterer gegen das Rechtsgut gerichteter Mitteleinsätze Umstritten ist auch, ob Straffreiheit nach § 24 I S. 1 Var. 2 StGB zu gewähren ist, wenn der Täter nach einem fehlgeschlagenen beendeten Versuch die Ausführung weiterer auf den Erfolg gerichteter Mitteleinsätze oder die Unterbrechung rettender Kausalverläufe unterlässt.248 Da ein Rücktritt nach § 24 I S. 1 Var. 1 StGB hier ausscheidet, kommt Straffreiheit des Täters nur dann in Betracht, wenn man davon ausgeht, dass das Unterlassen weiterer Mitteleinsätze sich als Verhinderung der Tatvollendung darstellt. Dies wird von der h. M. in der Regel meist ohne nähere Begründung abgelehnt.249 Unabhängig von der Frage, ob ein Unterlassen sprachlich als Verhinderung aufgefasst werden kann, spricht für die h. M. – jedenfalls auf Grundlage der hier vertretenen Einzelaktbetrachtung – der Wortlaut des § 24 I S. 1 Var. 2 StGB: Dessen Tatbestand setzt nämlich die Verhinderung der Tatvollendung voraus. Tat i. S. der Einzelaktbetrachtung meint den isolierten Mitteleinsatz. Jedenfalls im Fall des Fehlschusses kann dieser Mitteleinsatz jedoch nicht mehr in die Vollendung münden, sodass auch eine Verhinderung der Vollendung des Einzelakts unmöglich ist.250 Ein Ausweichen auf § 24 I S. 2 StGB hilft hier nicht weiter, weil dieser zwar keinen Kausalzusammenhang zwischen dem ernsthaften Bemühen und dem Ausbleiben der Vollendung, dafür aber einen auf die Verhinderung gerichteten Mitteleinsatz voraussetzt und die Vollendung des bereits ausgeführten Mitteleinsatzes zumindest aus Tätersicht noch möglich sein muss. Insoweit verbleibt zur Begründung der Verhinderung durch Unterlassen auf Grundlage der Einzelaktbetrachtung nur die analoge Anwendung von § 24 I S. 1 Var. 2 StGB (und § 24 I S. 2 StGB). Etwas anderes 246

Jakobs, Strafrecht AT, 26/22. Es handelt sich um eine einfache Umkehrung des unter 3. Teil B. II. 1. a) gebildeten Fallbeispiels; ähnlich Timpe, Strafmilderungen, S. 142 f. 248 Dieses Problem stellt sich nur dann, wenn man wie hier bei der Abgrenzung zwischen dem beendeten und dem unbeendeten Versuch der Einzelakttheorie den Vorzug gibt. Nach der Gesamtbetrachtungslehre bleibt ein Rücktritt durch Aufgabe der weiteren Tatausführung auch dann möglich, wenn sich die Vorstellung des Täters, alles Erforderliche getan zu haben, später als falsch herausstellt. Es genügt dann für die Tataufgabe, dass der Täter die Ausführung weiterer Handlungsakte unterlässt (vgl. Roxin, Strafrecht AT II, 30/180 ff.). 249 BGHSt 33, 295 (300 f.); BGH, NJW 1990, 3219; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 59a; MK/Hofmann-Holland, § 24 Rn. 125; LK/Lilie/Albrecht § 24 Rn. 279 f.; Kühl, Strafrecht AT, 16/64; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 41/158. 250 Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 9/30. 247

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gilt aber, wenn der Täter sein Opfer lebensgefährlich verletzt hat. In diesem Fall wäre die Realisierung der Lebensgefahr im Tod des Opfers auch nach der Einzelaktbetrachtung das Ergebnis des ursprünglichen Mitteleinsatzes, sodass zumindest das Unterlassen der Unterbrechung eines rettenden Kausalverlaufs als Verhinderung der Vollendung des Versuchs aufgefasst werden kann. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob das Unterlassen weiterer Ausführungsakte mit Straffreiheit belohnt werden soll, ist, „ob ein Unterlassen der Zweithandlung den für einen strafbefreienden Rücktritt erforderlichen Erklärungswert bezogen auf das bereits verwirklichte Versuchsunrecht und die in diesem objektivierte Unrechtsmaxime entfalten kann“.251 Dies wird teilweise bejaht.252 Da ein gebotswidriges Unterlassen ebenso wie ein verbotswidriges Begehen einen rechtserschütternden Eindruck hinterlässt, der die Bestrafung des Unterlassenden rechtfertigt (vgl. § 13 I StGB), müsse spiegelbildlich möglich sein, den bereits geschaffenen rechtserschütternden Eindruck nicht nur durch ein positives Tun, sondern auch durch ein Unterlassen zu beseitigen.253 Oder kurz: Wenn das Unterlassen einer Verhinderung normativ als Verursachung beurteilt werden kann, müsse das Unterlassen der Verursachung als Verhinderung aufgefasst werden können.254 Trotz seiner Griffigkeit vermag dieses Argument nicht zu überzeugen. Gegen die Möglichkeit der Verwirklichung des Merkmals der Verhinderung durch ein Unterlassen spricht vor allem die Praxis alltäglicher Zurechnung. So besteht der Grund für die gem. § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB gewährte Straffreiheit darin, dass der rechtserschütternde Eindruck des Versuchs vollständig ausgeglichen wird, wenn der Verbleib der Tat im Versuchsstadium dem Täter (zumindest intuitiv) als das Ergebnis seiner rechtsbestätigenden Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung zuzurechnen ist.255 Zwar rechnen wir allgemein negativ bewertete Ereignisse durchaus dem pflichtwidrigen Unterlassen ihrer Verhinderung zu und stellen Unterlassen positivem Tun insoweit gleich. Dies spiegelt sich auch – wie insbesondere die lediglich fakultative Strafmilderung beim Unterlassungsdelikt zeigt (vgl. § 13 II StGB) – in der zumindest partiellen Gleichstellung von Begehungs- und Unterlassungsdelikten im 251

Murmann, Versuchsunrecht, S. 46. Für die Möglichkeit der Verhinderung durch Unterlassen Maiwald, in: FS Wolff, S. 337 (349 ff.); Frister, Strafrecht AT, 24/47 ff.; OLG Karlsruhe, NJW 1978, 331 f.; kritisch zu dieser Entscheidung Schroeder, JuS 1978, 824; Murmann differenziert dagegen danach, ob „der tatentschlossene Täter mit dem ersten Fehlschlag bereits der Realisierung der Zweithandlung so nahe gekommen ist, daß er sich nach Vornahme der Ersthandlung in einem Stadium befindet, das gemäß der Wertung des § 22 StGB wiederum als unmittelbares Ansetzen bezeichnet werden kann […]“. Nur dann sei „auch mit der Vornahme der Zweithandlung zu rechnen, soweit der Handlungsgrund fortbesteht“. Allein in diesen Konstellationen sei das Unterlassen der Zweithandlung mit Straffreiheit zu honorieren (Versuchsunrecht, S. 47 f.). 253 Maiwald, in: FS Wolff, S. 337 (352 f.). 254 Frister, Strafrecht AT, 24/48. 255 Dazu: 3. Teil C. III. 1. b) cc), dd). 252

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geltenden Recht wider.256 Die durch das Gesetz angeordnete Äquivalenz von Tun und Unterlassen bezieht sich jedoch nur auf gebotswidriges Unterlassen und verbotswidriges Tun. Daraus folgt aber nicht zwingend eine Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen für alle Bereiche des Strafrechts. Bei dem Problem, ob § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB durch ein Unterlassen verwirklicht werden kann, geht es nämlich um die Frage nach der Gleichstellung von verbotskonformem Unterlassen und gebotskonformem Tun. Denn derjenige, der die Ausführung weiterer auf die Tatbestandsverwirklichung gerichteter positiver Handlungen unterlässt, erfüllt seine sich aus dem allgemeinen Verletzungsverbot ergebende Unterlassungspflicht. Derjenige dagegen, der die durch sein bisheriges Verhalten geschaffene Erfolgsgefahr durch positives Tun beseitigt, erfüllt die sich aus seinem pflichtwidrigen Vorverhalten ergebende Handlungspflicht aus Ingerenz.257 Positive Ereignisse bewerten wir alltäglich nicht als Ergebnisse des Unterlassens ihrer Verhinderung, sondern in erster Linie als Ergebnisse ihrer Bewirkung durch positives Tun. Denn im Rahmen alltäglicher Interaktion hat das Unterlassen verbotener Handlungen deutlich geringere Signifikanz als die Ausführung gebotener Handlungen. Wer andere nicht ersticht, erschlägt etc. trägt zwar seinen Teil dazu bei, dass die beachteten Normen als die im Rahmen sozialer Interaktion maßgeblichen Verhaltensmuster aufgefasst werden. Jedoch stellt sich ein verbotskonformes Verhalten nicht in erster Linie als Bestätigung der Verbotsnormen dar und wird nicht als Demonstration von Normtreue interpretiert, sondern als neutrales – weil selbstverständliches – Alltagsverhalten. Anders ist dies, wenn jemand eine von ihm pflichtwidrig verursachte Gefahr für einen Dritten beseitigt, ihn etwa nach einem Verkehrsunfall in ein Krankenhaus fährt. Der von dem Unterlassen der Bewirkung des Erfolgs ausgehende rechtsbestätigende Eindruck hat deshalb ungeachtet des engen Zusammenhangs mit dem vorangegangenen deliktischen Tun kein hinreichendes Gewicht, um den vom deliktischen Tun ausgehenden rechtserschütternden Eindruck auszugleichen. Wer einen anderen nicht daran hindert, die erforderlichen Rettungsmaßnahmen auszuführen oder es unterlässt, weitere Schüsse auf einen anderen auszuführen, bringt seine Rechtstreue nicht im selben Maße zum Ausdruck wie derjenige, der die Vollendung durch positives Tun – etwa durch das Herbeirufen eines Krankenwagens – verhindert. Dass der Begriff der Vollendungsverhinderung in § 24 II StGB von der h. M. dahingehend interpretiert wird, dass auch das Unterlassen der Erbringung des eigenen Tatbeitrags im Rahmen eines unter Beteiligung mehrerer geplanten Handlungsprojekts Straffreiheit bewirke, wenn die Vollendung der Tat ohne den Beitrag

256 Vgl. Jakobs, Tun und Unterlassen; MK/Freund, § 13 Rn. 1 ff.; NK/Paeffgen/Zabel, Vor. §§ 32 ff. Rn. 171. 257 Jakobs, Strafrecht AT, 26/21; Murmann, Versuchsunrecht, S. 65; Frister, Strafrecht AT, 24/45; Puppe, NStZ 1984, 488 (490); dies., Strafrecht AT, 21/41; Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997), 29 (47).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

des Unterlassenden unmöglich ist,258 spricht auch nicht für die entsprechende Interpretation des Verhinderungsbegriffs in § 24 I S. 1 Var. 2 StGB. Die Konstellationen, in denen die Verhinderung durch Unterlassen von der h. M. für möglich gehalten wird, sind nämlich dadurch gekennzeichnet, dass der Beteiligte die Entscheidung über das Ob der Vollendung noch vollständig in der eigenen Hand hat, gerade weil er noch die Möglichkeit hat, das Tatprojekt durch das Unterlassen weiterer Ausführungsakte mit Sicherheit zum Scheitern zu bringen.259 Insoweit ähneln die Konstellationen, in denen die h. M. die Verhinderung durch Unterlassen für möglich hält, vielmehr dem unbeendeten als dem beendeten Versuch des Einzeltäters. Es ist eine begriffliche Frage, ob man diesen Konstellationen durch eine weite Interpretation des Verhinderungsbegriffs in § 24 II StGB oder durch eine analoge Anwendung von § 24 I S. 1 Var. 1 StGB besser gerecht wird.260 Jedenfalls hat der Täter in den Konstellationen des § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB die Beherrschung des Geschehens bewusst aus der Hand gegeben und kann sich deshalb nicht mehr gegen die Fortsetzung des deliktischen Verhaltens entscheiden, sondern nur noch Gegenmaßnahmen einleiten. Gleichwohl stellt sich ein solches Unterlassen wegen seines Zusammenhangs zum vorangehenden deliktischen Verhalten auch nicht als vollkommen insignifikant dar. Deshalb ist das Unterlassen weiterer gegen das geschützte Rechtsgut gerichteter Mitteleinsätze bzw. der Unterbrechung rettender Kausalverläufe durch die Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zu honorieren.261 Dagegen, diese Konstellation nur mit einer Strafrahmenmilderung zu honorieren, spricht auch nicht, dass nach dieser Lösung der Täter, der durch seinen Tötungsversuch dem Opfer eine lebensgefährliche Verletzung beigebracht hat, bessersteht als derjenige, dessen Versuch fehlgegangen ist, weil nur ersterem die Rücktrittsmöglichkeit eröffnet wird.262 So ist immerhin der Täter, der das Opfer (im Regelfall durch Einsatz einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs) in Lebensgefahr gebracht hat, in jedem Fall, also unabhängig von etwaigen Verhinderungsbemühungen, wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) zu verurteilen. Der Unterschied zwischen dem nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmen des Totschlags und demjenigen der gefährlichen Körperverletzung ist zwar durchaus erheblich. Indes lässt sich keine krasse Ungleichbehandlung etwa dergestalt kon258 BGH, FD-StrafR 2011, 322249; LK/Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 400; NK/Zaczyk, § 24 Rn. 98; Stratenwerth/Kuhlen, 12/111; Frister, Strafrecht AT, 29/23; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, 50/72. 259 Geht der Unterlassende dagegen davon aus, dass das Tatprojekt auch unabhängig von seinem Tatbeitrag zur Vollendung führen kann, so ist das Unterlassen auch hier als Einsatz eines nichtoptimalen Rettungsmittels nur durch die Strafmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zu honorieren, wenn ein Aktivwerden das geeignetere Rettungsmittel ist. 260 Die Analogie wird erwogen von v. Scheurl, Rücktritt, S. 77 f. 261 So auch Jakobs, JuS 1980, 714 (717); Timpe, Strafmilderungen, S. 151. 262 So aber Frister, Strafrecht AT, 24/Fn. 105; Puppe, Strafrecht AT, 21/6; Roxin, in: FS Paeffgen, S. 255 (260 f.).

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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statieren, dass in dem einen Fall Straffreiheit, in dem anderen der Regelstrafrahmen anzuwenden ist. Im Gegenteil produzierte die Honorierung des Verhinderns durch Unterlassen mit Straffreiheit neue, m. E. deutlich krassere Ungerechtigkeiten, weil derjenige, der sein Opfer verfehlt und sich nach der Versuchsbeendigung bloß passiv verhält, deutlich besser gestellt wäre als derjenige, der den Tod durch aktives Verhalten verhindert (letzterer wird in jedem Fall nach § 224 StGB bestraft). Noch verstärkt wird diese Ungerechtigkeit, wenn der Täter mit seinen Verhinderungsbemühungen scheitert und das Opfer verstirbt. Dann wäre nämlich wegen vollendeten Totschlags zu bestrafen.263 Insofern werden aktive Verhinderungsbemühungen nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz nicht einmal zwingend bessergestellt als die Vollendungsverhinderung durch Unterlassen, sondern nur dann, wenn sie erfolgreich sind. Dass das Ausmaß der Bestrafung desjenigen, der das Opfer in Lebensgefahr gebracht hat, letztlich vom Zufall abhängt, mag ungerecht sein. Es ist jedoch ein Ergebnis, welches vom Standpunkt eines Strafrechts, das Handlungen in diesem Zusammenhang auch nach ihren Folgen beurteilt, für sich durchaus Folgerichtigkeit beanspruchen kann. Gerecht ist dieses Ergebnis insoweit, als Risiko und Chance zusammenfallen.264 ee) Verhinderung der Tatvollendung im Zustand erheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit Hier gelten dieselben Grundsätze wie für die Aufgabe der weiteren Tatausführung.265 So handelt es sich bei der Vollendungsverhinderung im Zustand erheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit um eine nur partiell zurechenbare Demonstration von Rechtstreue, die zwar nicht die Gewährung von Straffreiheit, wohl aber die Strafrahmenmilderung rechtfertigt. ff) Verhinderung der Tatvollendung zwecks Vermeidung einer zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Verletzung fremder Rechtsgüter Unfreiwillig ist auch die Verhinderung der Tatvollendung, wenn die Umstände, auf deren Grundlage die Entscheidung für die Ausführung der deliktischen Handlung getroffen worden ist, sich im Zeitpunkt der Verhinderungshandlung wesentlich verändert haben, weil sich die Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung dann nicht als restlose Affirmation der Rechtsordnung auffassen lässt.266

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Allerdings wäre in diesem Fall die Vollendungsstrafe gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB analog zu mildern; dazu: 3. Teil C. IV. 264 Ähnlich Paeffgen, in: FS Puppe, S. 792 (796). 265 Dazu: 3. Teil B. III. 2. b) aa). 266 So ungeachtet der abweichenden Deutung von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB auch schon Frister, Strafrecht AT, 24/53.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Dies ist zum einen der Fall, wenn der Täter nach der Tatausführung erkennt, dass der Zweck der Tatvollendung entweder unerreichbar oder aber bereits erreicht ist. Hierunter fällt die Konstellation, in welcher der Täter nach der Abgabe eines Schusses auf den vermeintlichen Liebhaber seiner Frau erkennt, dass er im Zeitpunkt der Schussabgabe einer Personenverwechselung unterlegen ist. Rettet der Täter den Schwerverletzten, indem er ihn in ein Krankenhaus bringt, hinterlässt dieses Verhalten keinen für die Gewährung von Straffreiheit hinreichenden rechtsbestätigenden Eindruck, weil der Täter zwar seine Garantenpflicht erfüllt, er durch dieses Verhalten jedoch nicht mehr zum Ausdruck bringt, dass er das Tötungsverbot für unbedingt verbindlich erachtet. Das Gleiche gilt in den Fällen des Rücktritts trotz Zweckerreichung, wenn etwa ein fliehender Dieb mit Tötungsvorsatz auf seinen Verfolger schießt und diesem dadurch eine lebensgefährliche Verletzung beibringt, später aber, nachdem er sich „in sichere Entfernung“ gebracht hat, einen Notarzt zur Rettung des Verfolgers ruft.267 Auch wenn das Unterlassen der Verhinderungshandlung für den Täter mit erheblich erhöhten Nachteilen verbunden ist, die er im Zeitpunkt der Tathandlung noch nicht erkannt hat, kann ihm die Verhinderungshandlung nicht als restlose Affirmation der Rechtsordnung zugerechnet werden. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Vollendungsverhinderung zwecks Vermeidung von zuvor nicht erkannten Nachteilen, denen der Täter nicht gleichgültig gegenübersteht, nicht als unbedingter Widerspruch zu seiner ursprünglichen Maxime, die Erreichung der durch sein deliktisches Verhalten verfolgten Ziele gegenüber der Normbefolgungspflicht als höherrangig zu bewerten, angesehen werden kann.268 § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB ist deshalb nicht verwirklicht, wenn der Täter, nachdem er einen anderen Menschen und – was er im Zeitpunkt der Tathandlung nicht für möglich gehalten hat – auch weitere Personen durch den Wurf einer Handgranate lebensgefährlich verletzt hat, einen Krankenwagen zur Rettung der nicht anvisierten Personen herbeiruft, wodurch auch die im Zeitpunkt der Tathandlung ausschließlich ins Visier genommene Person gerettet wird. Bemüht sich der Täter zwecks Vermeidung einer zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Verletzung fremder Rechtsgüter um die Verhinderung der Tatvollendung, hinterlässt er immerhin einen rechtsbestätigenden Eindruck, der eine Strafmilderung rechtfertigt. Insoweit gelten ähnliche Grundsätze wie bei den Fällen im Randbereich zu § 24 I S. 1 Var. 1 StGB.269 Ebenso wie bei der Aufgabe der weiteren Tatausführung ist für die Honorierung der Verhinderung der Tatvollendung mit einer Strafrahmenmilderung erforderlich, dass der durch den Täter verfolgte Zweck im Zeitpunkt der Verhinderungshandlung nicht unerreichbar oder schon erreicht ist. Nur dann, wenn der Täter zu erkennen gibt, dass er der Rechtsordnung zumindest prinzipiell Vorrang gegenüber der Erreichung der eigenen Ziele einräumt, 267 268 269

Ebenso Frister, Strafrecht AT, 24/54. Zum Begriff der Nachteile und den dahinterstehenden Wertungen: 3. Teil B. III. 2. b) bb). Dazu: 3. Teil B. III. 2. b) bb).

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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hat seine Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung hinreichendes Gewicht, um eine Strafrahmenmilderung zu legitimieren.270 Allerdings ist die Verhinderung der Tatvollendung nach dem Zweckwegfall anders als die Aufgabe der weiteren Tatausführung in der entsprechenden Konstellation zumindest innerhalb des ungemilderten Strafrahmens zugunsten des Täters zu berücksichtigen. Denn anders als beim bloßen Unterlassen der weiteren Tatausführung nach dem erkannten Wegfall ihres Zwecks stellt sich die Verhinderung der Tatvollendung durch positives Tun auch dann noch zumindest partiell als Demonstration von Normtreue dar, wenn sich aus der Vollendung der Tat kein Vorteil für den Täter mehr ergibt.271 Diese auf den phänomenologischen Unterschied von Tun und Unterlassen gestützte Ungleichbehandlung rechtfertigt sich aus denselben Erwägungen wie die oben vertretene Auffassung, wonach die strafbefreiende Verhinderung der Tatvollendung nur durch ein positives Tun möglich ist.272 In einem gebotskonformen positiven Tun kommt im Rahmen alltäglicher Interaktion ein stärkeres Maß an Rechtstreue zum Ausdruck als in einem verbotskonformen Unterlassen. Anders als beim bloßen Unterlassen der weiteren Tatausführung nimmt der Täter durch die aktive Verhinderung nämlich einen gewissen Aufwand auf sich, ohne dass damit für ihn ein Nutzen verbunden wäre. Da mit einem positiven Tun stets ein gewisser Freiheitsverlust einhergeht, der daraus resultiert, dass die aufgewendete Energie nicht anderweitig verwendet werden kann, demonstriert der Täter durch den positiven Mitteleinsatz zwecks Vermeidung der Vollendung zumindest einen gewissen Vorrang der Normbefolgungspflicht gegenüber den eigenen Interessen. Mit der Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zu honorieren sind dagegen diejenigen Fälle, in denen der Täter die Tatvollendung zwecks Vermeidung einer Rechtsgutsverletzung verhindert, auf deren Herbeiführung die Tat ursprünglich nicht gerichtet gewesen ist und ihm die Erreichung des ursprünglich verfolgten Handlungsziels weiterhin als möglich erscheint. Dies ergibt sich aus demselben Grundsatz wie die Honorierung entsprechender Konstellation im Randbereich des Rücktritts nach § 24 I S. 1 Var. 1 StGB. Kommt in der Entscheidung des Täters für die Verhinderung der Tatvollendung zum Ausdruck, dass er fremden Rechtsgütern zumindest prinzipiell den Vorrang gegenüber der Erreichung seiner Zwecke einräumt, rechtfertigt der damit einhergehende partiell rechtsbestätigende Eindruck eine Strafrahmenmilderung. Dies ist z. B. der Fall, wenn A eine zuvor von ihm in einem Gebäude zur Tötung des B platzierte Bombe entschärft, weil er erkennt, dass durch die Explosion nicht nur der Tod des B droht, sondern auch der Tod von anderen Personen, um deren Gefährdung A im Zeitpunkt des Platzierens der Bombe nicht gewusst hat. 270

Dazu: 3. Teil B. III. 2. b) bb). In Betracht gezogen wird die Strafrahmenmilderung von Brand/Wostry, die allerdings die bloße Strafrahmenmilderung mit dem Argument ablehnen, von ihr ginge kein hinreichender Anreiz aus, um den Täter zur Verhinderung der Vollendung zu bewegen (GA 2008, 611 (618)). 272 Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) dd). 271

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Ausgeschlossen ist die Strafrahmenmilderung nach den für die Aufgabe der weiteren Tatausführung aufgestellten Grundsätzen in den Fällen, in denen der Täter die Vollendung zwecks Vermeidung der Beeinträchtigung eigener Rechtsgüter oder zwecks Erhaltung nicht annähernd gleichwertiger Rechtsgüter verhindert. Ersteres ist der Fall, wenn der Täter eine Bombe in einem Zug platziert und er diese entschärft, weil er nach dem Platzieren erkennt, dass er den Zug nicht mehr verlassen kann, bevor die Bombe explodiert; letzteres, wenn der Täter die von ihm platzierte Bombe entschärft, weil er die Möglichkeit erkennt, dass ein von ihm geschätztes Kunstwerk durch die Explosion zerstört wird.273 b) Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr Auch jenseits der Fälle vollendungsausschließender Irrtümer gibt es Versuchskonstellationen, die eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II StGB legitimieren können, weil das Ausbleiben der Vollendung einem im Rahmen der Begründung des Motivationsunrechts bestehenden Defizit zuzurechnen ist. Dies ist etwa der Fall, wenn ein ungeübter Schütze mit einer Pistole aus 500 Metern Entfernung einen Schuss mit Tötungsvorsatz auf einen anderen Menschen abgibt, der jedoch fehlgeht. Auch wenn die Erfolgstauglichkeit des Schusses nicht ausgeschlossen ist, weil die Waffe eine Reichweite von 600 Metern hat (kein nomologischer Irrtum)274 und geladen ist (kein ontologischer Irrtum)275, handelt es sich um ein rechtlich relevantes Risiko, das wegen seiner Geringfügigkeit einen schwachen rechtserschütternden Eindruck hinterlässt. Bleibt der Eintritt des Erfolgs wie im geschilderten Beispiel ex ante überwiegend unwahrscheinlich und hat der Täter dies erkannt, so rechtfertigt dies eine Gleichbehandlung zu den Fällen vermeidbarer Irrtümer über die Vollendungstauglichkeit. Denn das Ausbleiben der Vollendung ist auch hier nicht als vollkommener Zufall zu bewerten, woran der Umstand nichts ändert, dass die Tat entgegen aller Wahrscheinlichkeit zur Vollendung führen kann.276 Fraglich ist indes, ob die entlastende Wirkung der Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB in den Fällen der Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr weitgehend genug ist. Dies ist zu verneinen, wenn man – wie dies teilweise vertreten wird – neben dem Risikoschaffungsbewusstsein277 als zweite spezifische Sanktionsvoraussetzung der Vorsatzdelikte das Erfordernis der Schaffung eines qualifizierten Gefahrengrads postuliert.278 Diese zusätzliche Vorausset273

Dazu: 3. Teil B. III. 2. b) bb). Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) aa) (1). 275 Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) aa) (2). 276 Zum Einfluss des Risikoausmaßes auf das Ausmaß des rechtserschütternden Eindrucks: 2. Teil B. I. 2. b) bb). 277 Zu diesem Erfordernis: 2. Teil A. II. 1. a) aa). 278 Zu den Vertretern dieses Erfordernisses gehören ungeachtet der uneinheitlichen Terminologie folgende Autoren: Herzberg, JuS 1986, 249 (260); ders., JZ 1988, 635 (638 ff.); NK/ 274

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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zung solle gewährleisten, dass nicht jede auch nur geringfügige Überschreitung des erlaubten Risikos die Vorsatzstrafbarkeit begründet. Werde der qualifizierte Gefahrengrad nicht erreicht, könne die geschaffene Gefahr lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Da sich der für die Vorsatzstrafbarkeit erforderliche Gefahrengrad nicht nach quantitativen Kriterien – etwa nach Prozenten – bestimmen lässt, handle es sich bei Konkretisierung dieses Kriteriums allerdings um eine dezidiert normative Frage.279 Puppe etwa bestimmt den – von ihr als Vorsatzgefahr deklarierten – qualifizierten Gefahrengrad dahingehend, dass sich das vom Täter verwirklichte Geschehen „unter dem Gesichtspunkt allg. Vernünftigkeit“280 als „eine sinnvolle Strategie der Herbeiführung des Erfolges darstellen“ müsse.281 Dies sei nach Velten der Fall, wenn die Gefahr „relativ hoch“ ist.282 Während das schlecht gesicherte Anbringen eines Blumentopfs oberhalb eines Gartens trotz seiner generellen Eignung, einen Menschen zu Tode zu bringen, erkennbar keine Tötungsstrategie darstelle, sei durch das Fahren eines Autos in eine Menschenmenge eine Vorsatzgefahr gegeben.283 Teilweise wird die Vorsatzgefahr im Rahmen der Bestimmung der Vorsatzvoraussetzungen diskutiert.284 Diese Einordnung ist mindestens ungenau. Exakter und deshalb überzeugender ist die Einordnung der Vorsatzgefahr als qualifizierte Anforderung an den objektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts.285 Als – allerdings nicht zwingender – gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die gegenüber den entsprechenden Fahrlässigkeitstatbeständen qualifizierten Anforderungen des objektiven Tatbestands verhaltensunspezifischer vorsätzlicher Erfolgsdelikte kommt die Umschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens in Betracht: Während die Fahrlässigkeitstatbestände jede Erfolgsverursachung – etwa des Todes- oder Körperverletzungserfolgs – hinreichen lassen (§§ 222, 229 StGB), setzen die Vorsatzdelikte ein Töten (§§ 211, 212 StGB), ein körperliches Misshandeln oder ein Schädigen an der Gesundheit voraus (§ 223 StGB), was darauf schließen lassen könnte, nicht jede Erfolgsverursachung zu erfassen, sondern nur solche Handlungen, die sich nach dem Empfängerhorizont der Gesellschaft als ernsthaft auf die Herbeiführung des Erfolgs gerichtete Handlungsprojekte interpretieren lassen.286 Puppe, § 15 Rn. 64 ff.; dies., Vorsatz u. Zurechnung, S. 35 ff.; dies., ZStW 103 (1991), 1 (1 ff.); Salzburger Kommentar/Velten, § 75 Rn. 34; ähnlich auch Jakobs, RW 2010, 283 (294 ff.). 279 Jakobs, RW 2010, 283 (296). 280 NK/Puppe, § 15 Rn. 68. 281 Puppe, Vorsatz u. Zurechnung, S. 39. 282 NK/Puppe, § 15 Rn. 71. 283 Salzburger Kommentar/Velten, § 75 Rn. 34.; weitere zahlreiche Beispiele finden sich bei NK/Puppe, § 15 Rn. 71 ff. 284 Salzburger Kommentar/Velten, § 75 Rn. 29 ff.; Kühl, Strafrecht AT, 5/68a; Frister, Strafrecht AT, 11/26 f. 285 Herzberg, JuS 1986, 249 (260); ders., JZ 1988, 635 (638 ff.); Jakobs, RW 2010, 283 (294); Frister, ZIS 2019, 381 (385). 286 Frister, ZIS 2019, 381 (385).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Dass sich durch die Verschärfung der Anforderungen an die Verwirklichung des objektiven Tatbestands die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts verändern, folgt aus der allgemeinen Regel, wonach der Täter die den Tatbestand ausfüllenden Umstände kennen muss (vgl. § 16 I S. 1 StGB). Verlangt man für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands ein qualifiziertes Risiko, muss der Täter, um vorsätzlich zu handeln, die Schaffung des Risikos auch der Höhe nach zutreffend erkennen.287 Bleibt das subjektive Risikourteil des Täters auch nur der Höhe nach im Falle der objektiven Schaffung einer Vorsatzgefahr hinter demjenigen einer Vorsatzgefahr zurück, so könnte man ihm allenfalls Fahrlässigkeit vorwerfen. Überschätzt der Täter dagegen das Ausmaß einer objektiv nur geringfügigen Gefahr durch die Anwendung einer unrichtigen Erfahrungsregel derart, dass er sie irrtümlich als Vorsatzgefahr beurteilt, könnte er wegen Versuchs bestraft werden.288 Die Anerkennung des Erfordernisses eines qualifizierten Gefahrengrads als vorsatzspezifische Sanktionsvoraussetzung wirkt sich wegen der teilweise erheblichen Unterschiede zwischen den Strafrahmen der Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte zum einen auf die Strafhöhe aus. Zum anderen bliebe der Täter wegen der prinzipiellen Straflosigkeit „fahrlässiger Versuche“ sogar straffrei, wenn sich die Gefahr nicht im Erfolg realisiert. Da die hier interessierenden Fälle der bewusst gesetzten, gleichwohl aber geringfügigen Gefahr jenseits der Schwelle zur Vorsatzgefahr zu verorten sind, könnten sie nicht einmal die Versuchsstrafbarkeit begründen und müssten im Falle mangelnder Realisierung im Erfolg straflos bleiben. Die Überzeugungskraft der Annahme des vorsatzstrafbarkeitsspezifischen Erfordernisses einer Vorsatzgefahr hängt davon ab, ob die bewusste Setzung einer Gefahr unabhängig von ihrer Höhe schon an sich – abgesehen von der Schaffung irrelevanter Risiken – zur Begründung der Vorsatzstrafbarkeit und der damit verbundenen erheblich höheren Strafrahmen hinreicht.

287

Frister, ZIS 2019, 381 (385). Deshalb spricht gegen das Erfordernis einer Vorsatzgefahr jedenfalls nicht die Regelung des § 23 III StGB (so aber Kindhäuser, Strafrecht AT, 14/Fn. 17; wie hier NK/Puppe, § 15 Rn. 68; dies., Vorsatz u. Zurechnung, S. 47). Zwar könnte man meinen, dass grob unverständiges Vorgehen niemals „unter dem Gesichtspunkt allg. Vernünftigkeit“ eine „sinnvolle Strategie der Herbeiführung des Erfolges“ darstellen könne und deshalb bei grobem Unverstand der für den Versuch erforderliche Vorsatz nach der Lehre von der Vorsatzgefahr stets zu verneinen wäre. Fasst man das Erfordernis eines qualifizierten Gefahrengrads dagegen als ein objektives Tatbestandsmerkmal auf, so ist das Vorliegen der dieses Merkmal ausfüllenden Umstände nach allgemeinen Grundsätzen im Rahmen der Begründung des Versuchsunrechts durch eine entsprechende Fehlvorstellung des Täters substituierbar. Wenn der Täter etwa eine geringfügige Lebensgefahr in der Vorstellung schafft, das Geschehen sei hochgradig lebensgefährlich, dann wäre zwar nicht der objektive Tatbestand von § 212 StGB, wohl aber der Tatbestand der §§ 212, 22 StGB nach der Lehre von der Vorsatzgefahr zu bejahen. Im Rahmen der Anwendung von § 23 III StGB geht es dann nur noch darum, ob die irrtümliche Annahme einer Vorsatzgefahr durch den Täter grob unverständig ist. 288

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass sich das Vorsatz- gegenüber dem Fahrlässigkeitsunrecht schon durch das Erfordernis des Risikoschaffungsbewusstseins in signifikanter Weise abhebt.289 Derjenige, der eine Handlung ausführt, um deren Eignung zur Herbeiführung des Erfolgs er durch die Subsumtion des Sachverhalts unter eine ihm bekannte Erfahrungsregel weiß, hinterlässt einen deutlich gewichtigeren rechtserschütternden Eindruck als derjenige, der die entsprechende Eignung nicht kennt, sondern lediglich hätte erkennen können. Nur ersterer trifft nämlich eine bewusste Entscheidung für die Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Geschehens und damit gegen das jeweilige Rechtsgut. Obwohl auch dem Fahrlässigkeitstäter zum Vorwurf gemacht wird, dass er die ihm zur Verfügung stehenden Fähigkeiten nicht hinreichend genutzt hat, um die Risikoschaffung zu verhindern und dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber dem jeweiligen Rechtsgut zum Ausdruck gebracht hat,290 trifft den Vorsatztäter derselbe Vorwurf in ungleich stärkerem Maße. Wer im Zeitpunkt des Verhaltens um dessen Eignung zur In-Gang-Setzung eines schädigenden Kausalverlaufs weiß und dieses Verhalten gleichwohl ausführt, bringt weitaus deutlicher die Maxime zum Ausdruck, dass ihm seine mit der Handlung verfolgten Zwecke wichtiger sind als die Integrität des jeweiligen Rechtsguts.291 Das darüber hinausgehende Erfordernis der Vorsatzgefahr wird teilweise aus dem Strafzweck der positiven Generalprävention abgeleitet. Der Anwendung der ungleich schärferen Vorsatzstrafrahmen bedürfe es zur Untermauerung der Normgeltung nicht schon, wenn der Täter sich bewusst zur Schaffung eines geringfügigen Risikos entschieden hat, weil das generalpräventive Interesse an der Bestrafung in hohem Maße davon abhänge, inwieweit die „Verhaltensmaxime im Einzelfall Schaden stiften kann“.292 289

Dagegen hat Puppe wohl ein anderes Verständnis von Risikoschaffungsbewusstsein. Hinter ihrer Kritik an dem voluntativen Vorsatzelements verbirgt sich letztlich eine Kritik an der entlastenden Wirkung irrationaler Fehlvorstellungen. Verkennt der Täter – wiewohl er die ontologische Basis eines der Vorsatzgefahr erkennt und das zu ihrer Erkennung erforderliche Erfahrungswissen parat hat – die Möglichkeit des Erfolgseintritts, dürfe ihm diese Fehlvorstellung durch die Verneinung von Vorsatz nicht zugutekommen (NK, § 15 Rn. 67 f.). Darin liegt letztlich ein Verzicht auf das hier als Implikation des Risikoschaffungsbewusstseins betrachtete Erfordernis der Antizipation eines schädigenden Kausalverlaufs durch die Subsumtion des vom Täter wahrgenommenen Sachverhalts unter eine ihm bekannte Erfahrungsregel (so schon die Interpretation der Lehre Puppes von Frister, ZIS 2019, 381 (384)). Abzulehnen ist dieser Verzicht zum einen wegen der im Haupttext beschriebenen Bedeutung des Bewusstseins einer konkreten Rechtsgutsgefährdung für die Legitimation der Vorsatzstrafe. Zum anderen kommt aber auch im geltenden Recht die für die Vorsatzannahme konstitutive Bedeutung der Subsumtion des vom Täter erkannten Sachverhalts unter eine ihm bekannte Erfahrungsregel zum Ausdruck: Die von § 23 III StGB als vorsatzbegründend vorausgesetzte grob unverständige Annahme der Vollendungstauglichkeit durch den Täter kommt nämlich nur in Betracht, wenn er den von ihm wahrgenommenen Sachverhalt unter eine ihm bekannte, wenn auch evident unzutreffende Erfahrungsregel subsumiert. 290 Frister, Strafrecht AT, 12/4. 291 Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 7/38. 292 Salzburger Kommentar/Velten, § 75 Rn. 34; dies., in: FS Kindhäuser, S. 585 (595 ff.).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Es ist nicht zu leugnen, dass das Ausmaß der durch den Täter geschaffenen Gefahr erheblichen Einfluss auf das Orientierungsbedürfnis der Allgemeinheit hat. Dem Bedürfnis nach Differenzierung bei der Strafhöhe je nach Ausmaß des Gefahrengrads kann jedoch prinzipiell auch innerhalb der regelmäßig erheblichen Spannweite der Strafrahmen des geltenden Rechts Rechnung getragen werden.293 Die Frage, ob der gegenüber der Fahrlässigkeit erhöhte Unrechtsvorwurf bei vorsätzlichem Verhalten schon darin besteht, dass der Täter sich trotz des Bewusstseins der möglicherweise aus seinem Verhalten entstehenden Konsequenzen für die Ausführung der risikobegründenden Handlung entscheidet, spitzt sich deshalb zum einen beim Totschlag zu, dessen Strafrahmenuntergrenze mit fünf Jahren signifikant höher liegt als derjenige der fahrlässigen Tötung (vgl. §§ 212, 222 StGB). Verwirklicht der Täter darüber hinaus noch ein Mordmerkmal, stünde sogar die lebenslange Freiheitsstrafe als obligatorische Rechtsfolge im Raum (§ 211 StGB). Zwischen der bewussten Schaffung eines irrelevanten und deshalb erlaubten Risikos, das unstreitig weder eine Vorsatz- noch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründet,294 und der bewussten Schaffung eines unerlaubten, aber gleichwohl geringfügigen Risikos besteht u. U. ein schmaler Grat. Insoweit ließe sich argumentieren, dass bei Tötungsdelikten der Sprung von „Null“ auf einen Strafrahmen mit einer Untergrenze von fünf Jahren (§ 212 StGB) oder – im Falle der Verwirklichung von Mordmerkmalen – auf die lebenslange Freiheitsstrafe (§ 211 StGB) diesem fließenden Übergang nicht gerecht werde. Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass ein sprunghafter Anstieg durchaus dem erheblichen qualitativen Unterschied zwischen der bewussten Schaffung eines erlaubten und der bewussten Schaffung eines unerlaubten Risikos entspricht. Denn nur im zweiten Fall hat der Täter eine bewusste Entscheidung gegen das Recht getroffen. Im ersten Fall hat sich der Täter dagegen in rechtlich gebilligter Weise verhalten. Gleichwohl ist zu konzedieren, dass die Strafrahmenuntergrenze von fünf Jahren und erst recht die lebenslange Freiheitsstrafe den Fällen eines nur geringfügigen Risikos der Tatbestandsverwirklichung nicht mehr gerecht wird. Gerade diesen Fällen ist aber nicht durch die Annahme der Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung Rechnung tragen, sondern dadurch, dass man die Strafrahmenuntergrenze gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB auf zwei (beim Totschlag) bzw. auf drei Jahre (beim Mord) absenkt. Die aus der Ablehnung der Vorsatzstrafbarkeit folgende Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren bzw. die vollkommene Straflosigkeit im Falle des

293

Frister, ZIS 2019, 381 (385). Hat etwa der Vater, wenn er seine Tochter bei einem Gewitter zum Brötchenholen schickt, die extrem geringe Wahrscheinlichkeit erkannt, dass seine Tochter durch einen Blitzeinschlag getötet wird, handelt er gleichwohl nicht mit Tötungsvorsatz, weil das Risiko in seiner Vorstellung insignifikant ist. Bei der fehlgehenden Annahme der Eignung zur Herbeiführung des Todes des Mädchens handelt es sich dagegen um einen versuchsbegründenden Irrtum, auf den wegen des groben Unverstands § 23 III StGB Anwendung fände. 294

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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Ausbleibens der Gefahrrealisierung ist nämlich kaum hinnehmbar.295 Um es in eine rhetorische Frage zu kleiden: Sollte der ungeübte Schütze, der – wie in dem Anfangsbeispiel – aus 500 Metern Entfernung aus habgieriger Motivation schießt und sein Opfer verfehlt, vollkommen straffrei bleiben? Der Lösung über § 23 II StGB kann auch nicht entgegengehalten werden, auch geringfügige Risiken könnten sich im Erfolg realisieren und damit zur Vollendung führen, womit der Anwendungsbereich von § 23 II StGB nicht eröffnet wäre. Der Umstand, dass das Strafbedürfnis auch im Falle der Vollendung durch die Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr vermindert ist, kann nämlich durch die analoge Anwendung von § 23 II StGB Berücksichtigung finden.296 Die Ungerechtigkeit der Annahme der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in den Fällen des Unterschreitens der Schwelle zur Vorsatzgefahr wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch zwischen einer Vorsatzgefahr und einer Fahrlässigkeitsgefahr u. U. ein schmaler Grad liegt. Weil es sich bei der Anknüpfung an den Gefahrengrad – anders als beim vorsatzspezifischen Erfordernis des Risikoschaffungsbewusstseins – um ein quantitatives Kriterium handelt, hinge im Falle der fehlenden Realisierung einer bewusst geschaffenen Gefahr im Erfolg von ihrer Einstufung als Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsgefahr ab, ob die Gefahrschaffung straflos oder mit lebenslangem Freiheitsentzug zu bestrafen ist, wenn der Täter dazu noch ein Mordmerkmal verwirklicht.297 Da es sich bei dem Ausmaß der Gefahr um eine Skala mit fließenden Übergängen handelt, bildet es wegen seiner Konturlosigkeit kein geeignetes Kriterium, um eine Entscheidung von derartiger Tragweite zu treffen. Die Annahme eines Strafrahmens mit einer Untergrenze von drei und einer Obergrenze von fünfzehn Jahren räumt dagegen auf der einen Seite die Möglichkeit ein, der Geringfügigkeit der Gefahr hinreichend Rechnung zu tragen, auf der anderen Seite aber auch, die bewusste Entscheidung des Täters gegen das Recht und das qualifizierte Unrecht der Verwirklichung von Mordmerkmalen angemessen zu sanktionieren. Deshalb bleibt i. E. festzuhalten, dass die Vorsatzstrafbarkeit im Falle der bewussten Schaffung nur geringfügiger aber gleichwohl rechtlich missbilligter Risiken angemessen und dem wegen der Geringfügigkeit des Risikos verminderten Strafbedürfnis über die Regelung des § 23 II StGB Rechnung zu tragen ist.

295

So mit Blick auf die Unangemessenheit der Obergrenze auch schon Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 12/51; Roxin, in: FS Rudolphi, S. 243 (251); Frister, ZIS 2019, 381 (385). 296 Dazu: 3. Teil C. IV. 297 Kritisch mit Blick auf den Mangel einer klaren Abgrenzbarkeit der Vorsatz- von der Fahrlässigkeitsgefahr auch Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 12/49.

214

3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

c) Vermeidbare Verhinderung der Tatvollendung durch ein Verhalten vor dem Eintritt in das strafbare Versuchsstadium Der Umstand, dass es sich beim Verbleib der Tat im Versuchsstadium um keinen Zufall handelt, kann auch durch ein Verhalten des Täters im Vorbereitungsstadium bedingt sein. Zur Illustrierung sei folgendes Beispiel genannt: A erfährt von seiner Freundin F, dass diese mit B ein Verhältnis eingegangen ist. A kündigt F daraufhin an, B umzubringen und macht sich sogleich mit einem Butterflymesser bewaffnet auf den Weg, um das angekündigte Vorhaben zu verwirklichen. F verständigt daraufhin die Polizei mit dem Hinweis, dass es wahrscheinlich sei, A an der Wohnung des B anzutreffen. – Var. a): Als die Polizisten an der Wohnung des B ankommen, sehen sie, wie A mit seinem Messer in Hand auf B zustürmt. Es gelingt ihnen nach erfolglosem Zurufen, den Angriff des A mit einem gezielten Schuss in dessen Bein zu beenden. – Var. b): Nachdem A auf B eingestochen und ihn schwerverletzt zurückgelassen hat, gelingt es der Polizei nach ihrem Eintreffen, den Tod des B durch das Herbeirufen eines Notarztes abzuwenden. – Var. c): Als die Polizisten an der Wohnung des B ankommen, sehen sie, wie A mit seinem Messer in Hand auf B zustürmt. Es gelingt den Polizisten durch die Drohung mit dem Gebrauch der Schusswaffe, A dazu zu bringen, von der Verwirklichung seines Vorhabens abzusehen. In jeder der Varianten hat A sich zumindest wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht. Insbesondere liegt in Var. c) auch kein Rücktritt nach § 24 I S. 1 Var. 1 StGB vor, weil das Absehen des A davon, auf B einzustechen, wegen des von der Androhung des Schusswaffengebrauchs durch die Polizisten ausgehenden Nötigungsdrucks nicht als freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung erfolgt ist. Die Strafrahmenverschiebung ist in den Varianten des Beispiels durchgehend geboten, weil es sich bei der Offenlegung seines Vorhabens gegenüber F um ein erhebliches Planungsdefizit im Rahmen des Handlungsprojekts des A handelt. So ist im Zeitpunkt der Ankündigung des A vorhersehbar gewesen, dass F als Reaktion die Polizei verständigen könnte. Durch die Ankündigung hat A die Wahrscheinlichkeit, dass sein Vorhaben scheitert, in signifikanter Weise erhöht. Da die Ankündigung auch tatsächlich zum Scheitern des Tötungsversuchs geführt hat, ist der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, dem A hier zuzurechnen. Dass die versehentliche Verhinderung der Vollendung durch eine Handlung vor der Versuchsbeendigung anders als diejenige danach eine Strafrahmenverschiebung bewirken kann,298 folgt daraus, dass die Ausführung der Handlung im Vorberei298 Auch nach dem unmittelbaren Ansetzen und vor der Versuchsbeendigung ist eine solche Verhinderung noch möglich: Denkbar wäre hier der Fall, dass der Täter, nachdem er die Waffe auf das Opfer gerichtet hat und entschlossen ist, diese zu betätigen, das Opfer durch einen Zuruf

B. Gründe für die Strafrahmenmilderung

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tungsstadium das Werturteil über das deliktische Handlungsprojekt des Täters noch beeinflusst. Vor der Versuchsbeendigung beeinträchtigt „Dilettantismus“ noch die Rationalität und damit die Signifikanz des Tätervorgehens und muss sich deshalb – anders als nach dem Abschluss des Handlungsprojekts durch die Versuchsbeendigung – nicht als Ausdruck von Rechtstreue darstellen, um die Strafhöhe zu beeinflussen. Die Bewertung eines Vortatverhaltens als Strafmilderungsgrund setzt allerdings voraus, dass das Verhalten zu einem Zeitpunkt ausgeführt worden ist, in dem der Täter bereits in das Planungsstadium zur Begehung der Tat eingetreten ist. Nur dann ist für ihn nämlich erkennbar, dass durch sein Vortatverhalten ein Scheitern des Handlungsprojekts möglich ist. Wer etwa seine Pistole entlädt, bevor er den Entschluss gefasst hat, einen anderen mit dieser zu töten, verdient allein wegen des Umstands des vorhergehenden Entladens keine Strafrahmenverschiebung, wenn er sie erfolglos einsetzt, weil er zur Zeit des Entladens nicht erkennen konnte, dass die Tat daran scheitern wird.299 Weiterhin setzt die Strafrahmenverschiebung wegen der Zurechenbarkeit zu einem Vortatverhalten voraus, dass dieses mit Blick auf das Rechtsgut, gegen das die Tat gerichtet ist, eine positive Wirktendenz aufweist. Dies wird insbesondere relevant, wenn die Untauglichkeit des Tatobjekts, an der die Vollendungsstrafbarkeit scheitert, durch eine zuvor ausgeführte rechts-gutsverletzende Handlung bedingt ist. Wer etwa einen anderen durch eine Raubhandlung fahrlässig tötet und ihn anschließend, weil er nicht erkannt hat, dass der andere bereits tot ist, wie geplant zwecks Verdeckung des Raubs zu töten versucht, kann sich nicht darauf berufen, der Verbleib des Mords im Versuchsstadium sei ihm zuzurechnen.300 Da Handlungen im Vorbereitungsstadium keine Rücktrittshandlungen darstellen können,301 kommt auch „nur“ eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB in Betracht, wenn der Täter die durch sein Vortatverhalten bedingte Möglichkeit des Scheiterns seines Handlungsprojekts erkannt hat. Ist A sich in dem obigen Beispiel des Umstands, dass F die Polizei zur Wohnung des B rufen und sein Tötungsversuch daran scheitern könnte, bewusst, bleibt es bei der Strafrahmenverschiebung.

(„Deine Zeit ist gekommen!“) dazu bringt, im letzten Augenblick hinter eine schützende Mauer zu springen, sodass es vom abgegebenen Schuss nicht getroffen wird. 299 Natürlich verbleibt die Möglichkeit der Strafmilderung wegen der Erkennbarkeit der Untauglichkeit des Versuchs im Zeitpunkt der Betätigung der Waffe (dazu: 3. Teil B. III. 2. a) aa) (2)). 300 Vgl. die ähnlich gelagerte Konstellation bei BGHR StGB, § 23 II Nr. 1, 11. 301 NK/Zaczyk, § 24 Rn. 56; Frister, Strafrecht AT, 24/55; aus diesem Grund können Handlungen im Vorbereitungsstadium entgegen Sancinetti auch nicht als fahrlässige Rücktrittshandlungen bezeichnet werden (vgl. Unrechtsbegründung, S. 177 ff.).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB I. Die Konkretisierung des auf den Versuch anzuwendenden Strafrahmens Unabhängig davon, ob der Richter von der Milderungsmöglichkeit nach § 23 II StGB Gebrauch gemacht hat, ist der gewählte Strafrahmen nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafzumessung zu konkretisieren. Für die vorliegende Untersuchung sind allein die spezifisch mit dem Verbleiben der Tat im Versuchsstadium verbundenen Aspekte der Strafrahmenkonkretisierung von Interesse. Zu allgemeinen Fragen des Strafzumessungsrechts ist daher nur so viel zu sagen: Gem. § 46 I S. 1 StGB bildet die Schuld des Täters die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Nach dem hier vertretenen positiv-generalpräventiven Verständnis nimmt der Gesetzgeber damit auch bei der Konkretisierung des anzuwendenden Strafrahmens (ergänzt durch spezialpräventive Erwägungen, § 46 I S. 2 StGB) auf das Ausmaß des Bedürfnisses nach Normgeltungsbestätigung Bezug. In diesem Sinne sind auch die in § 46 II S. 2 StGB enumerierten Kriterien zu interpretieren.302 Damit das Strafrecht die ihm zugedachte Orientierungsfunktion erfüllen kann, muss auch innerhalb desselben Strafrahmens das Verhältnis mehrerer Strafen relativ angemessen sein. Deshalb sind versuchsspezifische Unrechtsdefizite, die nicht für die Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II StGB hinreichen, zumindest innerhalb des gewählten Strafrahmens zugunsten des Täters zu berücksichtigen. 1. Anwendung des Regelstrafrahmens a) Verbot der Anwendung der Strafrahmenobergrenze? Nach einer teilweise vertretenen Auffassung ist der Umstand, dass eine Tat nicht zur Vollendung gelangt ist, innerhalb der Anwendung des Regelstrafrahmens zwingend zugunsten des Täters strafmildernd zu berücksichtigen.303 Da die Bildung der Versuchsstrafe auf Grundlage einer zuvor gebildeten hypothetischen Vollendungsstrafe aber zu Recht als praktisch kaum umsetzbar angesehen wird,304 beschränken sich die Vertreter dieser Ansicht bei der Umsetzung des Milderungspostulats in erster Linie auf die Forderung nach einem Verbot der Anwendung der Obergrenze des Regelstrafrahmens.305 302

Dazu ausführlich Deiters, Strafzumessung, S. 48 ff. OLG Köln, StV 1997, 244; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 9; NK/Zaczyk, § 23 Rn. 12; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 523; Jakobs, Strafrecht AT, 25/80; Stratenwerth, in: FG zum Schweiz. Juristentag, S. 247 (263).; ders./Kuhlen, Strafrecht AT, 11/50. 304 LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 39; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 9; vgl. auch Bruns, Strafzumessungsrecht AT, S. 401 f. 305 Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 9. 303

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

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Ein solches Verbot ist aber schon aus gesetzessystematischer Sicht abzulehnen. So bildet auch die Obergrenze einen Teil des Strafrahmens. Und den für die vollendete Tat geltenden Strafrahmen hat der Gesetzgeber in Gänze auch auf den Versuch für anwendbar erklärt. Dementsprechend ist eine Anwendung der Strafrahmenobergrenze auch beim Versuch möglich.306 Für ein zwingendes Verbot ergibt sich im Übrigen selbst dann kein materielles Bedürfnis, wenn man dadurch der unvollständigen Verwirklichung des objektiven Tatbestands durch den Versuch Rechnung tragen will. Da nämlich in den Fällen mangelnder Kongruenz des objektiven Risikos und der Risikovorstellung des Täters307 sowie des fehlenden subjektiven Zurechnungszusammenhangs zwischen Erfolg und Vorsatz308 auch beim Versuch der objektive Tatbestand des vollendeten Delikts vollständig verwirklicht ist, wäre die Anwendung der Strafrahmenobergrenze möglich. b) Die Auswirkung des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des subjektiven Tatbestands Auch wenn der Mangel der Versuchsbeendigung nicht zu einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB führt,309 ist er jedenfalls bei der Strafrahmenkonkretisierung zugunsten des Täters zu berücksichtigen. Über die konkrete Art der Berücksichtigung lässt sich nur so viel sagen, dass beim unbeendeten Versuch ein zwingendes Verbot der Anwendung der Obergrenze des Vollendungsstrafrahmens gilt. Ohne eine endgültige Entscheidung des Täters gegen das geschützte Rechtsgut ist die Anwendung der Höchststrafe deshalb stets unzulässig.310 Ebenfalls zugunsten des Täters zu berücksichtigen sind Rationalitätsdefizite, deren Gewicht nicht für eine Strafrahmenverschiebung hinreicht. Beide Umstände lassen sich unter das Maß der Pflichtwidrigkeit (§ 46 II S. 2 3. Zeile StGB) oder die Art der Ausführung der Tat (§ 46 S. 2 4. Zeile StGB) subsumieren. c) Die Auswirkung des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands Ob das Ausbleiben des Erfolgs bei der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen ist, ist umstritten. Nach den obigen Ausführungen dürfte die hier vertretene Auffassung zu dieser Frage zumindest de lege ferenda klar sein: Da es keinen rationalen Grund für die Beeinflussung der Strafhöhe durch die Objektivierung des Motivationsunrechts gibt, kann dem Erfolg auch bei der Strafrahmen306

So deutlich auch LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 39. Dazu: 2. Teil A. II. 2. b). 308 Dazu: 2. Teil A. III. 309 Dazu: 3. Teil B. II. 3. 310 Dies gilt auch für die Konstellation des umgekehrten dolus generalis, wenn also der objektive Tatbestand vollständig verwirklicht vorliegt und die Vollendung an der defizitären Verwirklichung des subjektiven Tatbestands scheitert. 307

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

konkretisierung keine Relevanz zukommen. Etwas anderes könnte nach geltendem Recht jedoch aus der Strafzumessungsregel des § 46 II S. 2 4. Zeile StGB folgen, wonach die verschuldeten Auswirkungen der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Unmittelbar regelt diese Vorschrift zwar nicht die für die vorliegende Untersuchung relevante Konstellation, weil es beim Erfolgsmangel nicht um das Vorliegen, sondern um das Fehlen einer verschuldeten Tatauswirkung geht. Allerdings ist denkbar, § 46 II S. 2 4. Zeile StGB spiegelbildlich den Gedanken einer negativen Erfolgshaftung dergestalt zu entnehmen, dass das Fehlen verschuldeter Tatauswirkungen bei der Strafrahmenkonkretisierung täterentlastend wirken muss.311 Gegen diese Auffassung spricht nicht schon die Anerkennung der subjektiven Versuchstheorie durch das Gesetz.312 Aus der subjektiven Versuchstheorie folgt nämlich lediglich die Aussage, dass die Strafbarkeit des Versuchs dem Grunde nach nicht von außerhalb der Tätervorstellung zu lozierenden Umständen abhängt, keineswegs aber, dass objektive Umstände bei der Bestimmung der Strafhöhe keine Berücksichtigung finden dürfen.313 Gegen eine Berücksichtigung des Erfolgsmangels bei der Strafrahmenkonkretisierung zugunsten des Täters spricht aber der Umstand, dass es ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 23 II StGB „für die Strafzumessung keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten [könne], ob der Erfolg eingetreten oder […] ausgeblieben ist“.314 Es wäre widersinnig, wenn dieser Grundsatz nur auf Ebene der Strafrahmenwahl Berücksichtigung fände, dann aber auf Ebene der Strafrahmenkonkretisierung unterlaufen wäre. Die Materialien zu § 46 II S. 2 4. Zeile StGB geben dagegen keine Auskunft über die richtige Interpretation,315 dafür aber die Materialien zu § 60 E1962, der insoweit mit § 46 StGB identisch ist. Mit Auswirkung i. S. von § 46 II S. 2 4. Zeile StGB sei „auch der Schaden gemeint, der, wie im Fall des Betruges, zum gesetzlichen Tatbestand gehört“.316 Diese prima facie widersprüchlichen Aussagen lassen sich freilich dadurch in Einklang bringen, dass man § 46 II S. 2 4. Zeile StGB mit Blick auf den tatbestandsmäßigen Erfolg allein als Vorgabe an den Richter interpretiert, die Quantität des eingetretenen Erfolgs zu berücksichtigen. Dies wird bei Delikten, deren tatbestandsmäßiger Erfolg in einer quantifizierbaren Größe besteht (z. B. bei Körperverletzungs-, Vermögens-, Eigentumsdelikten), augenscheinlich: Je größer der verschuldete Schadenserfolg, desto schwerer wiegt das generalpräventive In311 OLG Köln, StV 1997, 244; MK/Hoffmann-Holland, § 23 Rn. 26; so wohl auch Sancinetti, der die Berücksichtigung des fehlenden Erfolgs de lege lata für die richtige Lösung hält (Unrechtsbegründung, S. 191 f.). 312 So aber LK/Hillenkamp, § 23 Rn. 39; gegen eine obligatorische Milderung wegen des Vollendungsmangels hat sich jüngst, allerdings ohne nähere Begründung auch der BGH ausgesprochen (BGHSt StGB, § 23 II Nr. 14). 313 Stratenwerth, in: FG zum Schweiz. Juristentag, S. 247 (256 f.). 314 BT-Drucks. V/4095, S. 11. 315 Vgl. BT-Drucks. V/4094, S. 4 f. 316 BT-Drucks. IV/650, S. 181.

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

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teresse an der Bestrafung. Gleiches gilt auch, wenn jemand durch dieselbe Handlung – etwa durch den Einsatz von Sprengstoff – mehrere Menschen tötet. In der Berücksichtigung der Quantität des im Einzelfall verwirklichten tatbestandlichen Erfolgs liegt auch kein Verstoß gegen § 46 III StGB, weil mit der Feststellung des Vorliegens des tatbestandlichen Erfolgs noch nicht über seine Quantität im Einzelfall entschieden ist. Mit dieser Deutung ist auch kein zwingendes Abweichen von der hier vertretenen These verbunden, dass das Eintreten oder Ausbleiben von Handlungsfolgen keinen Einfluss auf die Strafhöhe haben darf. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn man allein der Quantität der realisierten Folgen der Tat Relevanz zuschreibt. Die Versuchsbestrafung beruht dagegen auf dem Grundsatz, dass die Nichtrealisierung bestimmter Auswirkungen durch eine Handlung keinen Grund bildet, die hypothetisch gebliebenen Handlungsfolgen nicht zu thematisieren. Insoweit ist § 46 II S. 2 4. Zeile StGB auch für die Strafrahmenkonkretisierung beim Versuch von Relevanz, indem man zwar nicht die realisierten, dafür aber die vom Täter intendierten (bzw. für möglich gehaltenen) Auswirkungen seiner Tat thematisiert, etwa bei einem gegen eine Vielzahl von Menschen gerichteten, jedoch gescheiterten Sprengstoffattentat. Denn ebenso wie das Motivationsunrecht des Versuchs durch die Gerichtetheit der Versuchshandlung auf die Herbeiführung bestimmter Folgen konstituiert wird, wird es durch das Ausmaß der intendierten Folgen quantifiziert. 2. Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens a) Die Konsequenzen des Doppelverwertungsverbots aus § 46 III StGB Bei der Konkretisierung des nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens stellt sich insbesondere die Frage, welche Umstände wegen des Doppelverwertungsverbots nach § 46 III StGB nicht noch einmal zugunsten oder zulasten des Täters berücksichtigt werden dürfen. Obwohl § 46 III StGB seinem Wortlaut nach nur die Berücksichtigung von Umständen verbietet, die Teil eines gesetzlichen Tatbestands sind, erstreckt sich das Verbot seinem Zweck nach auch auf andere Umstände, von deren Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der anzuwendende Strafrahmen abhängt.317 § 46 III StGB soll nämlich allgemein verhindern, dass die typisierte Bewertung von Umständen, die mit der Anwendung eines bestimmten Strafrahmens im Falle ihrer Verwirklichung einhergeht, durch eine weitere Berücksichtigung bei der Strafrahmenkonkretisierung durch den Richter unterlaufen bzw. korrigiert wird.318 Damit darf der für die Wahl des gemilderten Strafrahmens maßgebliche

317 318

Timpe, Strafmilderungen, S. 322; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, § 46 Rn. 49. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, § 46 Rn. 45; NK/Streng, § 46 Rn. 125.

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Grund nicht noch einmal bei der Konkretisierung des gemilderten Strafrahmens berücksichtigt werden.319 Daraus folgt nach der hier vertretenen Lösung zum Gebrauch der durch § 23 II StGB eröffneten Strafrahmenmilderungsmöglichkeit, dass die partielle Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium bei der Konkretisierung des bereits wegen dieses Umstands gemilderten Strafrahmens nicht noch einmal zugunsten des Täters berücksichtigt werden darf. Mit dem Doppelverwertungsverbot zu vereinbaren ist dagegen die Berücksichtigung der Quantität verwirklichter Tatbestandsmerkmale und somit auch eines im Einzelfall verwirklichten Milderungsgrundes.320 Ebenso wie etwa bei der Zumessung einer Betrugsstrafe die Berücksichtigung des Ausmaßes des im konkreten Fall verwirklichten Vermögensschadens mit dem Doppelverwertungsverbot zu vereinbaren ist, kann z. B. im Falle der Strafrahmenmilderung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB wegen der Aufgabe der weiteren Tatausführung im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit321 innerhalb des gemilderten Strafrahmens noch zwischen unterschiedlichen Graden erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit differenziert werden. b) Die Auswirkung des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen Auch bei der Konkretisierung des gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens ist der Umstand, dass der Versuch unbeendet geblieben ist, als Verbot der Anwendung der Strafrahmenobergrenze unbedingt zugunsten des Täters zu berücksichtigen. Dies gilt ebenso für den Fall der Strafrahmenrahmenmilderung wegen der partiell zurechenbaren Aufgabe der weiteren Tatausführung. Denn die Strafrahmenverschiebung bringt hier allein die partielle Zurechenbarkeit des Vollendungsmangels zum Ausdruck, nicht dagegen auch den Umstand, dass der die Strafbarkeit begründende Unrechtsvorwurf lediglich auf eine hypothetische und nicht auf eine tatsächlich getroffene Entscheidung des Täters gestützt wird.

II. Obligatorische Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB beim unbeendeten Mordversuch? Erkennt man an, dass der unbeendete Versuch zwingend milder als der beendete Versuch zu bestrafen ist,322 der Mangel der Versuchsbeendigung aber keine Straf319 So auch mit Blick auf den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, BGH, NJW 1989, 3230; NK/Zaczyk, § 23 Rn. 13; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 23 Rn. 10; Jescheck/ Weigend, Lehrbuch, S. 522 f.; a. A. wohl noch BGHSt 17, 266 (266 f.). 320 Timpe, Strafmilderungen, S. 322 f.; NK/Zaczyk, § 23 Rn. 12; Schönke/Schröder/Eser/ Bosch, § 23 Rn. 9. 321 Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) aa). 322 Dazu: 2. Teil B. I. 4.

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

221

rahmenmilderung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB auslöst,323 ergibt sich bei den Delikten mit lebenslanger Freiheitsstrafe als zwingender Regelstrafe das Problem, dass kein Spielraum mehr verbleibt, dem infolge des Mangels der Versuchsbeendigung verminderten Motivationsunrecht Rechnung zu tragen. Dies wird beim Mordversuch relevant. Um der verminderten Strafwürdigkeit in solchen Fällen Rechnung tragen zu können, müsste der Versuchsstrafrahmen ausnahmsweise auch ohne das Vorliegen eines der sonst geltenden Gründe für die Strafrahmenverschiebung gemildert werden. Der zwingenden Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens ohne das Vorliegen von einem der hier angenommenen Milderungsgründe steht jedoch entgegen, dass dadurch neue Wertungswidersprüche entstünden. So hätte der auf den unbeendeten Totschlagsversuch anzuwendende (Regel-)Strafrahmen (fünf bis fünfzehn Jahre) eine höhere Untergrenze als der nach § 49 I StGB gemilderte Strafrahmen bei einem unbeendeten Mordversuch (drei bis fünfzehn Jahre).324 Dieses Problem ließe sich allenfalls dadurch entschärfen, dass man eine aus § 212 I StGB folgende Sperrwirkung für die Strafrahmenuntergrenze des auf den unbeendeten Mordversuch anzuwendenden Strafrahmens postuliert, i. E. also den Regelstrafrahmen des Totschlags auf den unbeendeten Mordversuch anwendet.325 Gegen die obligatorische Strafmilderung in den Fällen des unbeendeten Mordversuchs spricht aber gleichwohl, dass der Gesetzgeber durch die abstrakte Vorgabe der lebenslangen Freiheitsstrafe als zwingende Rechtsfolge und den Verzicht auf die Vorgabe eines flexible Lösungen ermöglichenden Strafrahmens die Gleichbehandlung ungleichen Unrechts bzw. ungleicher Schuld bewusst in Kauf genommen hat. Es handelt sich insoweit um kein Spezifikum der hier behandelten Problematik, dass das Vorliegen von Tatumständen, die das Unrecht vermindern, aber keine Strafrahmenverschiebung begründen, bei Anwendung der Regelstrafe keine strafmildernde Wirkung entfalten. Da dieses – vor dem Hintergrund der für die generalpräventive Wirkung des Strafrechts zentralen Spiegelung verschiedener Unrechtsgrade in verschiedenen Strafhöhen durchaus beklagenswerte – Ergebnis noch nicht die Grenzen des legitimen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums überschreitet, ist der unbeendete Mordversuch mit lebenslangem Freiheitsentzug zu bestrafen.

323

Dazu: 3. Teil B. II. 3. Vgl. zur gleichlautenden Kritik an der Anwendung des nach § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens durch den BGH beim Mord NK/Neumann, Vorbem. § 211 Rn. 161; erst recht verbietet sich deshalb – wenn man § 213 StGB bei Mord für prinzipiell anwendbar hält – beim unbeendeten Mordversuch die Annahme eines minderschweren Falls, weil der anzuwendende Strafrahmen dann bei einem bis zehn Jahren läge. 325 Dies wird der Kritik an der Rechtsfolgenlösung des BGH entgegengehalten (MK/ Schneider, § 211 Rn. 45). 324

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

III. Die Behandlung des kumulativen Vorliegens mehrerer Milderungsgründe Nicht diskussionsbedürftig ist, dass das kumulative Vorliegen mehrerer an sich für eine Strafrahmenverschiebung hinreichender Tatumstände eine weitergehende Strafmilderung gebietet. Es stellt sich aber die Frage, wie weit die entlastende Wirkung der Verwirklichung eines weiteren Milderungsgrunds geht.326 Die doppelte Strafrahmenverschiebung erscheint jedenfalls prima facie zur Abbildung der durch die Verwirklichung mehrerer Milderungsgründe bedingten Unrechtsminderung als das inhaltlich richtige Ergebnis, wenn sie auch nicht vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Dies folgt aus der einfachen Erwägung, dass die Verwirklichung mehrerer Umstände, die jeweils für sich genommen eine Strafrahmenverschiebung rechtfertigen, mehrere Strafrahmenmilderungen gebietet. Dies setzt jedoch voraus, dass – wenn bereits ein Milderungsgrund verwirklicht worden ist – der Verwirklichung jedes weiteren Milderungsgrunds das gleiche unrechtsmindernde Gewicht wie dem ersten zukommt. 1. Kumulatives Vorliegen mehrerer Defizite des deliktischen Vorgehens Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall.327 Werden zwei Milderungsgründe verwirklicht, aufgrund derer umgangssprachlich davon die Rede ist, dass der Täter am Ausbleiben der Vollendung „selbst Schuld“ ist (Randbereich zu § 23 III StGB),328 vermindert der zweite Milderungsgrund den rechtserschütternden Eindruck nicht in demselben Maße wie der erste. Setzt der Täter unmittelbar dazu an, das schlafende Opfer durch die Zuführung einer evident zu geringen Giftmenge zu töten (vermeidbarer umgekehrter Tatbestandsirrtum)329 und gibt er die weitere Tatausführung anschließend auf, weil er erfährt, dass bereits ein Dritter dem Opfer dieselbe evident unzureichende Menge Gift verabreicht hat, sodass der Täter das Opfer für tot hält (vermeidbare Fehlannahme von Umständen, die eine freiwillige Aufgabe der wei326 Zu dem Problem, wie das kumulative Vorliegen mehrerer schon für sich die Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB legitimierender Umstände zu beurteilen ist, hat sich soweit ersichtlich nur Sancinetti geäußert. In Betracht kämen „entweder eine günstige Herabsetzung der konkreten Strafe innerhalb des nach § 23 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmens oder direkt die Anwendung der günstigsten Klausel aus § 23 Abs. 3 StGB“ (Unrechtsbegründung, S. 177). 327 Dass ein Strafrecht, dem es um die Wiederherstellung der Normgeltung geht, nicht immer derart formal-logischen Gedankengängen folgt, wird etwa mit Blick auf die Gesamtstrafenbildung im Falle der Tatmehrheit deutlich (§§ 53, 54 StGB). Dass diese nicht dem Kumulations- sondern dem Asperationsprinzip folgt, hat seinen guten Sinn, weil das kommunikative Gewicht der Begehung mehrerer Straftaten durch dieselbe Person hinter demjenigen der Begehung mehrerer Straftaten durch mehrere Personen zurückbleibt (vgl. NK/Frister, § 53 Rn. 5 f., § 54 Rn. 3). 328 Dazu: 3. Teil B. III. 2. a). 329 Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) aa).

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

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teren Tatausführung ausschließen),330 wird das Maß der Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium wegen einer solchen „doppelten Dummheit“ durch die Verwirklichung des zweiten Milderungsgrunds nicht derart signifikant erhöht, dass eine doppelte Strafrahmenmilderung geboten wäre. Denn die Verwirklichung des zweiten Milderungsgrunds bestätigt lediglich den durch die Verwirklichung des ersten Milderungsgrunds zum Ausdruck kommenden (noch nicht groben) Unverstand des Täters, fügt ihm qualitativ aber nichts mehr hinzu. Insbesondere ergibt sich aus der mehrfachen unverständigen Fehlannahme von Umständen zusammengefasst auch nicht grober Unverstand, der die Anwendung des § 23 III StGB gebietet. Deshalb ist die Berücksichtigung des zweiten Milderungsgrunds lediglich innerhalb des bereits gemilderten Strafrahmens als das Verbot, dessen Obergrenze anzuwenden, die richtige Lösung. Das Gleiche gilt, wenn das Vorgehen des Täters neben einem Umstand, aufgrund dessen er am Verbleib der Tat im Versuchsstadium „selbst schuld“ ist, ein weiteres Defizit aufweist, das für sich genommen schon eine Strafrahmenmilderung gebietet. Dies ist der Fall, wenn der Täter die Vollendungstauglichkeit seines Handlungsprojekts unverständig annimmt, das vermeintlich geschaffene Risiko des Erfolgseintritts aber zugleich gering ist.331 Will A als ungeübter Schütze den B aus 500 Metern Entfernung mit einer Pistole erschießen und hat er, was er im Zeitpunkt der Schussabgabe vergisst, wenige Minuten zuvor die Pistole selbst entladen, so entlastet ihn nicht allein der Umstand, dass das von ihm vorgestellte Risiko nicht existiert und dies für ihn erkennbar ist, sondern darüber hinaus auch die relative Geringfügigkeit des durch A geschaffenen Risikos. Auch hier spricht für eine Berücksichtigung des zweiten Milderungsgrunds innerhalb des gemilderten Strafrahmens, dass die Verwirklichung des einen Milderungsgrunds die Signifikanz des anderen Milderungsgrunds relativiert. Denn das Vorliegen jedes weiteren Defizits des deliktischen Vorgehens verstärkt lediglich den durch das Vorliegen des ersten Defizits ohnehin bestehenden Eindruck, der Täter habe keine „sinnvolle Strategie der Herbeiführung des Erfolges“ gewählt, fügt ihm aber qualitativ nichts hinzu. 2. Kumulatives Vorliegen eines Defizits des deliktischen Vorgehens und einer partiell rechtsbestätigenden Entscheidung Eine weitergehende Entlastung verdient der Täter dagegen, wenn neben einem Defizit des deliktischen Vorgehens ein Umstand vorliegt, aufgrund dessen das Ausbleiben der Vollendung zumindest partiell als sein „Verdienst“ zugerechnet wird (Randbereich zu § 24 StGB). Wenn der Täter z. B., nachdem er seinem Opfer eine evident nicht zu dessen Tötung hinreichende, von ihm aber für hinreichend gehaltene Giftmenge zugeführt und seinen Irrtum bemerkt hat, es entweder unterlässt, dem

330 331

Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) cc). Zur Strafrahmenmilderung wegen der Geringfügigkeit des Risikos: 3. Teil B. III. 3. b).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Opfer die zur Tötung noch erforderliche Giftmenge zuzuführen,332 oder er sich aus Selbstekel wegen seines Tuns betrinkt und dann im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit um die Verhinderung der Tatvollendung bemüht,333 weist das rücktrittsähnliche Verhalten ungeachtet des Defizits des deliktischen Vorgehens das für eine Strafrahmenverschiebung hinreichende Gewicht auf. In dem rücktrittsähnlichen Verhalten liegt nämlich nicht lediglich eine Bestätigung des Mangels der Eignung des deliktischen Vorgehens zur Tatbestandsverwirklichung, sondern eine – wenn auch nicht uneingeschränkt zurechenbare – Entscheidung für das Recht. Weil in diesen Fällen jeweils beide kumulativ verwirklichten Milderungsgründe das für die Strafrahmenmilderung hinreichende Gewicht aufweisen, ist die doppelte Milderung des Strafrahmens nach den Grundsätzen von § 49 I StGB durch eine Anwendung von § 23 II StGB und eine weitere analoge Anwendung dieser Vorschrift die Lösung, die das verminderte Unrecht am besten abbildet. Die Notwendigkeit für eine solche Rechtsfortbildung ergibt sich daraus, dass die durch das Recht eröffneten Möglichkeiten nicht ausreichen, um die durch den zweiten Strafmilderungsgrund bedingte erhebliche Unrechtsminderung abzubilden. So wäre zwar durchaus denkbar, den zweiten Milderungsgrund innerhalb des einfach gemilderten Strafrahmens durch eine Strafzumessung an dessen Untergrenze oder – sofern gesetzlich vorgesehen – durch die Annahme eines minderschweren Falls abzubilden.334 Soweit dagegen Delikte auch nach der einfachen Milderung eine hohe Strafrahmenuntergrenze aufweisen und darüber hinaus kein minderschwerer Fall vorgesehen ist (z. B. bei § 211 StGB), wäre die Abbildung der erheblichen Unrechtsverminderung ohnehin nur durch die analoge Anwendung der Vorschriften über minder schwere Fälle (z. B. von § 213 StGB) möglich. Weil die zweifache Strafrahmenmilderung die Verminderung des rechtserschütternden Eindrucks treffender wiedergibt, handelt es sich bei dieser Analogie in diesem Fall um die vorzugswürdige Form der Rechtsfortbildung. Eine noch weitergehende Entlastung des Täters als durch die doppelte Strafrahmenmilderung ist geboten, wenn die vollständige Zurechenbarkeit des rücktrittsähnlichen Verhaltens an dem gleichen Defizit scheitert wie die vollständige Zurechenbarkeit des vorangegangenen deliktischen Verhaltens. Dies ist etwa der Fall, wenn sich der Täter nach der Begehung eines (nicht grob) unverständigen Versuchs bemüht, durch ihrerseits (nicht grob) unverständige Verhinderungsbemühungen die Vollendung zu verhindern.335 Anders als in den bisher behandelten Fällen 332

Zur Strafrahmenmilderung wegen des Unterlassens weiterer auf die Erfolgsherbeiführung gerichteter Mitteleinsätze: 3. Teil B. III. 3. a) dd). 333 Zur Strafrahmenmilderung wegen der Vollendungsverhinderung im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit: 3. Teil B. III. 3. a) ee). 334 So ist auch in der Rechtsprechung entschieden worden, dass der Verbleib der Tat im Versuchsstadium Anlass für die Annahme eines minderschweren Falls sein kann (BGH, BeckRS 2016, 09684). 335 Zur Strafrahmenmilderung wegen unverständiger Verhinderungsbemühungen: 3. Teil B. III. 3. a) cc).

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

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des kumulativen Vorliegens defizitären deliktischen und rücktrittsähnlichen Verhaltens ist dem Täter hier ausnahmsweise Straffreiheit zu gewähren. Dies ergibt sich aus der Erwägung, dass die beiden Defizite, welche die vollständige Zurechenbarkeit des deliktischen Verhaltens und diejenige des Rücktritts ausschließen, in einem besonderen Zusammenhang stehen. So gebieten zwei verschiedene Umstände, aufgrund derer das Scheitern des deliktischen Handlungsprojekts als das Ergebnis der „Dummheit“ des Täters zugerechnet wird, keine doppelte Strafmilderung, weil der zweite Umstand die „Dummheit“ des Täters lediglich bestätigt und deshalb weniger signifikant ist als der erste.336 Hat sich der Täter durch den Unverstand seines deliktischen Vorgehens bereits als „Dummkopf“ erwiesen, relativiert dies das Gewicht des Unverstands bei der Durchführung seines rücktrittsähnlichen Verhaltens ebenfalls ganz erheblich. Diese Verminderung geht soweit, dass der rechtsbestätigende Eindruck des rücktrittsähnlichen Verhaltens hinreichend gewichtig ist, um den ohnehin verminderten rechtserschütternden Eindruck, der von dem defizitären deliktischen Handlungsprojekts ausgeht, vollständig auszugleichen. Auch wenn eine direkte Anwendung des § 24 I S. 2 StGB am Merkmal der Ernsthaftigkeit scheitert,337 ist dieses Ergebnis durch die analoge Anwendung von § 24 I S. 2 StGB dogmatisch zu begründen. Gegen die Gewährung von Straffreiheit kann auch nicht eingewandt werden, dass der Täter, der kumulativ einen Grund für die Strafmilderung nach § 23 II StGB und einen anderen Strafmilderungsgrund verwirklicht – etwa im Falle eines (noch nicht grob) unverständigen Unterlassungsversuchs (dann ggf.: doppelte Strafrahmenmilderung gem. den §§ 13 II, 23 II StGB) –, wegen der u. U. noch immer geltenden höheren Untergrenze des doppelt gemilderten Strafrahmens schlechter stünde als derjenige, der kumulativ zwei für § 23 II StGB geltende Strafmilderungsgründe verwirklicht. Zum einen erklärt sich die Straffreiheit für den unverständigen Rücktritt vom unverständigen Versuch aus der verminderten Signifikanz des Unverstands des Rücktritts wegen des Unverstands des deliktischen Handelns. Und zum anderen ist der unverständige Rücktritt vom unverständigen Versuch nicht die einzige Konstellation, in der wegen der kumulativen Verwirklichung mehrerer Strafrahmenmilderungsgründe Straffreiheit zu gewähren ist. So ist in dem Fall, in dem der Täter nach dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit im gleichen Zustand die weitere Tatausführung aufgibt, nicht etwa eine doppelte Strafrahmenverschiebung (§§ 21, 23 II StGB), sondern die Gewährung von Straffreiheit geboten. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Umstand, dass die Signifikanz der an sich rücktrittsausschließenden Beeinträchtigung der Selbststeuerungsfähigkeit durch das entsprechende Defizit beim deliktischen Vorgehen erheblich vermindert wird.

336 337

Dazu: 3. Teil C. III. 1. Dazu: 3. Teil C. III. 3. a) cc).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

IV. Analoge Anwendung von § 23 II StGB auf das vollendete Delikt beim Vorliegen „relativ“ versuchsbezogener Tatumstände Relativ versuchsbezogene Tatumstände, die beim Verbleib der Tat im Versuchsstadium die Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II i. V. m. § 49 I StGB gebieten, können auch dann vorliegen, wenn die Tat zur Vollendung gelangt ist. Denn anders als absolut versuchsbezogene Tatumstände schließen sie die Tatvollendung nicht schon durch ihr bloßes Vorliegen aus.338 Dies gilt unabhängig davon, ob sie nach, während oder vor der Begehung der Tat vorliegen. So können z. B. nichtoptimale Bemühungen um die Vollendungsverhinderung scheitern, ein nur geringfügig gefährlicher Angriff entgegen aller Wahrscheinlichkeit zur Vollendung führen, oder ein Verhalten des Täters im Vorbereitungsstadium, das generell dazu geeignet ist, das Ausbleiben der Tatvollendung zu bewirken, im Einzelfall wirkungslos bleiben. In solchen Fällen stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit von § 23 II StGB auf die vollendete Tatbestandsverwirklichung.339 Hiergegen spricht offenkundig, dass die durch § 23 II StGB statuierte Milderungsmöglichkeit sich ausweislich ihres Wortlauts und ihrer systematischen Stellung unzweifelhaft als Subinstitut des Versuchs darstellt und sich jedenfalls allem Anschein nach darin der Wille des Gesetzgebers offenbart, die weitgehende Entlastung des Täters durch die Strafrahmenverschiebung vom Verbleib der Tat im Versuchsstadium abhängig zu machen. Um gleichwohl § 23 II StGB im Falle der vollendeten Tatbestandsverwirklichung anwenden zu können, bedarf es der Begründung einer Gesetzesanalogie. Dies setzt nach allgemeinen Grundsätzen eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke voraus. 1. Vergleichbare Interessenlage Die vergleichbare Interessenlage liegt vor, wenn der Umstand, dass die Tat zur Vollendung gelangt ist, keinen tragfähigen Grund bildet, die Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB zu versagen. Soweit dies ersichtlich ist, hat sich nur Jakobs zu dieser Frage und in diesem Rahmen gegen die Vergleichbarkeit der Interessenlage positioniert. Die Geringfügigkeit der durch den Täter geschaffenen Erfolgsgefahr könne allein beim Versuch eine Strafrahmenverschiebung auslösen, denn „die Schwäche eines Angriffs [objektiviere] sich nur, wenn die Tat scheitert“. „Beim rücktrittsähnlichen Verhalten“ gelte Entsprechendes.340 Der entscheidende 338 Zum Begriff der relativ und absolut versuchsbezogenen Tatumstände ausführlich: 3. Teil B. III. 1) d). 339 Auch wenn eine Anwendung von § 23 II StGB beim vollendeten Delikt bislang nicht diskutiert worden ist, ist der Gedanke, versuchsbezogene Vorschriften auch auf das vollendete Delikt anzuwenden, nicht neu. So wird in der Literatur teilweise vorgeschlagen, § 24 I S. 1 Var. 1 StGB auf das vollendete Delikt anzuwenden (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rn. 24; Frister, Strafrecht AT, 24/38 f.). 340 Jakobs, Strafrecht AT, 25/79.

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

227

Einwand gegen die analoge Anwendung von § 23 II StGB wäre demnach der – allerdings erst ex post feststellbare – Mangel der Objektivierung des relativ versuchsbezogenen Tatumstands.341 Zuzugeben ist, dass sich der Erfolgseintritt beim vollendeten Delikt wegen des Primats der ex post-Betrachtung als das jedenfalls intuitiv strafbedürfnisauslösende Moment darstellt. Anders als beim Versuch wird bei der Unrechtsbegründung hier nicht primär an die ex ante-Perspektive angeknüpft.342 Weil das Entstehen des rechtserschütternden Eindrucks vor allem auf den zurechenbaren Erfolgseintritt zurückzuführen ist, könnte man meinen, es wäre – insbesondere im Falle der Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr – widersprüchlich, das im Rahmen der Strafbarkeitsbegründung primär auf Grundlage der ex post-Betrachtung getroffene Werturteil durch ein die ex ante-Perspektive betonendes Werturteil im Rahmen der Strafmaßbestimmung zu relativieren. Eine solche Argumentation übersieht aber, dass wohl kein Zweifel an der Notwendigkeit einer Berücksichtigung relativ versuchsbezogener Tatumstände jedenfalls innerhalb des Regelstrafrahmens zugunsten des Täters besteht. So lassen sich die Geringfügigkeit der Gefahr problemlos unter das Maß der Pflichtwidrigkeit (§ 46 I S. 2 3. Zeile StGB) oder die Art der Ausführung der Tat (§ 46 I S. 2 4. Zeile StGB) und rücktrittsähnliche Verhinderungsbemühungen unter den Begriff des Nachtatverhaltens (§ 46 I S. 2 6. Zeile StGB) subsumieren.343 Indem man aber bei der Strafzumessung insbesondere das Ausmaß des Risikos als vorwurfskonstitutiv und nicht – wie das Risiko im Rahmen der Strafbegründung – lediglich als limitierendes Element behandelt,344 wird zugleich die mehr oder minder weitgehende Zufälligkeit des Erfolgseintritts und damit der „Objektivierung der Schwäche des Angriffs“ trotz seines Gelingens thematisiert.345 Auch beim vollendeten Delikt wird also das Primat der ex post-Betrachtung durch die Thematisierung des Risikoausmaßes jedenfalls bei der Strafzumessung relativiert. Die beim Versuch wegen der Angriffsschwäche gebotene Strafrahmenverschiebung bei der Vollendung wegen eines zumindest implizit als Zufallsereignis thematisierten Umstands zu versagen, vermag deshalb nicht zu überzeugen. Der Argumentation von Jakobs ist ferner entgegenzuhalten, dass – selbst wenn man entgegen dem hier eingenommenen Standpunkt dem objektiven Tatbestand Einfluss auf die Strafhöhe zubilligt – der mangelnden Objektivierung der Angriffsschwäche auch im Falle einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB analog noch bei der Konkretisierung des gemilderten 341 Kritisch zu dieser Aussage von Jakobs schon Sancinetti, Unrechtsbegründung, S. 186 ff.; allerdings bedarf es nach dem Konzept Sancinettis der analogen Anwendung von § 23 II StGB nicht, weil er relativ versuchsbezogene Tatumstände auch beim Versuch nicht als Grund für die Strafrahmenmilderung ansieht und diese lediglich bei der Strafrahmenkonkretisierung berücksichtigen will. 342 Dazu ausführlich: 2. Teil B. I. 2. b) aa). 343 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, 21/43. 344 Dazu: 2. Teil B. I. 2. b) aa). 345 Dazu: 2. Teil B. I. 2. a) bb), b) bb).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

Strafrahmens Rechnung getragen werden kann. Deshalb steht der Eintritt des zurechenbaren Erfolgs der Anwendung des gem. § 23 II StGB i. V. m. § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens auf die vollendete Tatbestandsverwirklichung nicht entgegen. Für eine analoge Anwendung von § 23 II StGB im Falle der vollendeten Tatbestandsverwirklichung sprechen die oben ausführlich thematisierten Erwägungen für die Strafrahmenmilderung beim Versuch im Falle der Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr.346 An dieser Stelle sei daran erinnert, dass in der Literatur für diese Fallgruppe auch bei der Vollendung teilweise eine noch über die Anwendung des gem. § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens hinausgehende Entlastung des Täters durch die Annahme einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gefordert wird. Puppe will als Vertreterin dieser Position auch bei anderen relativ versuchsbezogenen Tatumständen – namentlich im Falle gescheiterter Rücktrittsbemühungen – nur wegen Fahrlässigkeit bestrafen, wenn sie die zuvor geschaffene Vorsatzgefahr auf das Niveau einer Fahrlässigkeitsgefahr reduzieren.347 Allerdings stellt die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Falle der Schaffung einer geringfügigen Gefahr nach geltendem Recht wegen der bewussten Entscheidung des Täters gegen das jeweilige Rechtsgut eine zu weitgehende Entlastung dar, weshalb das Erfordernis eines qualifizierten Gefahrengrads als vorsatzspezifische Sanktionsvoraussetzung abzulehnen ist.348 Gleichwohl hat die Forderung nach einer deutlichen Besserstellung des Täters wegen der Verwirklichung relativ versuchsbezogener Milderungsgründe auch im Falle der Vollendungsstrafbarkeit ihre Berechtigung. Denn ebenso wie beim Versuch genügt auch bei der Vollendung die für den Totschlag und Mord angeordnete Regelstrafe hier schwerlich dem Grundsatz absoluter Tatproportionalität.349 So ist die lebenslange Freiheitsstrafe für denjenigen, der sich, nachdem er seinem Opfer ein tödlich wirkendes Gift verabreicht hat, durch Zuführung einer evident zu geringen Menge an Gegengift vergeblich um die Rettung seines Opfers bemüht, inakzeptabel. Ferner hinge im Falle der Ablehnung der Strafmilderung gem. § 23 II StGB analog wegen der Verwirklichung relativ versuchsbezogener Milderungsgründe – anders als beim folgenlosen Versuch – bei der Vollendung zwar nicht die Entscheidung zwischen der lebenslangen Freiheitsstrafe und der Straffreiheit, aber immerhin diejenige zwischen der lebenslangen Freiheitsstrafe und dem Strafrahmen der fahrlässigen Tötung von dem kaum konturierten Merkmal des Gefahrengrads ab. Insoweit ermöglicht auch bei der Vollendung die Zwischenschaltung des gem. § 49 I StGB gemilderten Strafrahmens eine „weichere“, den fließenden Übergängen des Gefahrengrads besser gerecht werdende Lösung.350 346 347 348 349 350

Dazu: 2. Teil B. III. 3. b). Puppe, Strafrecht AT, 21/43. Dazu ausführlich: 3. Teil B. III. 3. b). Zum Grundsatz absoluter Tatproportionalität: 2. Teil B. I. 1. b). Dazu ausführlich: 3. Teil B. III. 3. b).

C. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB

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Die für eine analoge Anwendung erforderliche vergleichbare Interessenlage liegt demnach vor. 2. Planwidrige Regelungslücke Die Beschränkung der Anwendbarkeit von § 23 II StGB auf den Versuch ist nur dann planwidrig, wenn der Gesetzgeber – hätte er die Möglichkeit des Vorliegens relativ versuchsbezogener Milderungsgründe im Falle der vollendeten Tatbestandsverwirklichung bedacht – § 23 II StGB nicht als versuchsspezifische Regelung normiert hätte. Vergegenwärtigt man sich, dass es nach den Gesetzesmotiven „für die Strafbemessung keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten [könne], ob der Erfolg eingetreten oder aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben ist“,351 lässt sich argumentieren, dass der Gesetzgeber mit der Bestätigung der fakultativen Strafmilderung im Jahr 1969 diese planwidrig nur für solche Fälle die Strafrahmenverschiebung reserviert hat, in denen der Erfolg „aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben ist“ und nicht auch diejenigen Fälle erfasst hat, in denen der Erfolg trotz des Vorliegens von Gründen innerhalb des „Willensbereichs des Täters“ eingetreten ist. Der Planwidrigkeit der beschränkten Anwendbarkeit von § 23 II StGB wegen der Verwirklichung relativ versuchsbezogener Milderungsgründe auf Fälle, in denen die Tat im Versuchsstadium verblieben ist, könnte man entgegenhalten, dass der Gesetzgeber die Straffreiheit gem. § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB ganz explizit vom (zufälligen) Verbleib der Tat im Versuchsstadium abhängig gemacht hat. Die Beschränkung der Honorierung von Verhinderungsbemühungen – einem relativ versuchsbezogenen Tatumstand – mit Straffreiheit auf Fälle, in denen es nicht zur Vollendung gekommen ist, könnte dafür sprechen, auch die Honorierung von verhinderungsähnlichem Verhalten mit der Strafrahmenmilderung vom Verbleib der Tat im Versuchsstadium abhängig zu machen. Dadurch wäre jedoch verkannt, dass die Versuchsspezifität von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB lediglich Ausfluss der Selektionsfunktion der Objektivierung des den Versuch begründenden Motivationsfehlers ist.352 Weil sich der Versuch gegenüber der Vollendung jedenfalls intuitiv als „deliktisches Mängelwesen“ darstellt, kann – solange die intuitive Bewertung der Tat nicht durch die Thematisierung der Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium erschüttert worden ist – eher auf die Bestrafung des Versuchs als auf diejenige der Vollendung verzichtet werden.353 Sobald dagegen – wie dies im Rahmen der Strafzumessung der Fall ist – die Handlungswerte und -unwerte einer reflexiven, d. h. aus der ex ante-Perspektive 351 352 353

BT-Drucks. V/4095, S. 11. Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd). Dazu: 2. Teil B. I. 2. b) aa), 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd).

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3. Teil: Anwendung von § 23 II StGB

erfolgenden Bewertung unterzogen werden, verflüchtigt sich die Erfolgsrelevanz bei der Bewertung der Handlung.354 Deshalb gibt es im Rahmen der Strafzumessung keinen Grund mehr, Verhinderungsbemühungen je nach Eintritt oder Nichteintritt der Vollendung ungleich zu behandeln. Im Ergebnis sind die Voraussetzungen einer analogen Anwendung von § 23 II StGB auf das vollendete Delikt im Falle des Vorliegens relativ versuchsbezogener Milderungsgründe also gegeben.

354

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd), c).

Zusammenfassung und Ausblick1 A. Die historische Entwicklung des Versuchsstrafmaßes bis zur Einführung von § 23 II StGB2 Es hat sich ergeben, dass sowohl die Einführung (1939) als auch die Bestätigung der fakultativen Strafmilderung (1969) auf der Erwägung beruhten, der Verbleib der Tat im Versuchsstadium als solcher bilde keinen Strafmilderungsgrund. Dass der Versuch gleichwohl milder bestraft werden kann als die Vollendung, war sowohl bei der Einführung als auch bei der Bestätigung der fakultativen Strafmilderung von der Überlegung getragen, der Verbleib der Tat im Versuchsstadium könne auf im „Willensbereich des Täters“ zu verortende Umstände rückführbar sein. Nur das Vorliegen solcher Umstände begründe eine Strafmilderung wegen des Ausbleibens der Vollendung.3

B. Straffunktionale Begründung der Milderung der Versuchsstrafe wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen4 Auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Fehlen der verschiedenen vollendungsspezifischen Sanktionsvoraussetzungen straffunktional eine Strafmilderung gebietet, bestätigt die Erwägung, auf welche die Einführung von § 23 II StGB zurückzuführen ist. Wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands – d. h. des Erfolgseintritts und der objektiven Vollendungstauglichkeit – ist weder unter Bezugnahme auf die positive Generalprävention5 und die Opferinteressen6 noch durch das Ziel der Ausübung psychologischen Zwangs auf den Täter7 ein obligatorisches Milderungsgebot zu begründen. 1 Wer die Zusammenfassung der Ergebnisse zur Erlangung eines ersten Überblicks über die vorliegende Untersuchung liest, sollte zunächst die Einleitung lesen. 2 Zusammenfassend bereits: 1. Teil H. 3 Allgemein zur Entwicklung des Versuchsstrafmaßes im deutschen Recht: 1. Teil; speziell zu den Erwägungen der Einführung der fakultativen Strafmilderung: 1. Teil F.; speziell zu den Erwägungen der Bestätigung der fakultativen Strafmilderung: 1. Teil G. 4 Zusammenfassend bereits: 2. Teil D. 5 Dazu: 2. Teil B. I. 2., 3. 6 Dazu: 2. Teil B. II.

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Zusammenfassung und Ausblick

Insbesondere die vielfache Berufung auf das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden zur Begründung der obligatorischen Milderung der Versuchsstrafe wegen der defizitären Objektivierung des Motivationsfehlers ist nicht überzeugend. Zwar fällt das Strafbedürfnis intuitiv schwächer aus, wenn „nichts passiert ist“, jedoch verflüchtigt sich diese intuitive Wertung, sobald die Gründe für den Verbleib der Tat im Versuchsstadium thematisiert werden und die Handlung einem reflexiven Werturteil unterzogen wird.8 Dagegen fällt das negative Werturteil auf der reflexiven Ebene weniger schwerwiegend aus, wenn das Ausbleiben der Vollendung einem Rationalitätsdefizit des Tätervorgehens zuzuschreiben ist, etwa dem geringen Grad des geschaffenen Risikos oder der Erkennbarkeit der Untauglichkeit des Versuchs.9 Allein das Fehlen der Versuchsbeendigung vermag schon für sich und unabhängig von seinen Gründen die obligatorische Milderung der Versuchsstrafe zu begründen. Da es nämlich im Falle des Verbleibs der Tat im Stadium des unbeendeten Versuchs nicht zu einer tatsächlich getroffenen endgültigen Entscheidung des Täters gegen das jeweilige Rechtsgut gekommen ist, erfolgt die Bestrafung wegen einer zwar wahrscheinlichen, gleichwohl aber hypothetisch gebliebenen Entscheidung des Täters. Weil eine hypothetisch gebliebene Entscheidung weniger Signifikanz aufweist als eine tatsächliche getroffene, muss sich das Fehlen der Versuchsbeendigung zwingend strafmildernd auswirken.10

C. Gebrauch der Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB I. Ablehnung der Berücksichtigung nicht versuchsbezogener tat- und täterbezogener Umstände Die von der Rechtsprechung durch die Betonung des besonderen Gewichts der versuchsbezogenen Tatumstände inzwischen relativierte, jedoch weiterhin praktizierte Gesamtbetrachtung aller für und gegen den Täter sprechenden tat- und täterbezogenen Umstände ist mit der systematischen Stellung von § 23 II StGB unvereinbar. Der Verbleib der Tat im Versuchsstadium bildet nicht allein den Anlass, sondern auch den Grund für die Möglichkeit der Strafrahmenmilderung. Deshalb kann die Milderung nicht von Umständen abhängen, die in keinerlei Beziehung zum Verbleib der Tat im Versuchsstadium stehen und deshalb ebenso gut bei der Vollendung vorliegen können. Allein durch die Berücksichtigung ausschließlich ver-

7

Dazu: 2. Teil B. III. Dazu: 2. Teil B. I. 2., 3. 9 Dazu: 2. Teil B. I. 2., 3., 4. 10 Dazu: 2. Teil B. I. 5.

8

C. Gebrauch der Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB

233

suchsbezogener Tatumstände lässt sich die systematische Stellung von § 23 II StGB plausibilisieren.11

II. Keine Strafrahmenmilderung wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen Auch die Auffassungen, den Strafrahmen gem. § 23 II StGB wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen zu mildern, sind abzulehnen. Dass gegen eine Strafmilderung wegen des Fehlens vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands historische und teleologische Erwägungen sprechen, ist schon in den ersten beiden Teilen der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen worden. Doch auch systematisch gibt es jedenfalls keinen zwingenden Grund für die Bewertung der defizitären Verwirklichung des objektiven Tatbestands als Grund für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II StGB. Ein Defizit im Bereich der Verwirklichung des objektiven Tatbestands kommt deshalb als Grund für die Strafrahmenmilderung nach § 23 II StGB nicht in Betracht.12 Der Mangel der Versuchsbeendigung bildet dagegen zwar einen Umstand, der im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen ist, jedoch hat er kein hinreichendes Gewicht, um eine Strafrahmenverschiebung zu rechtfertigen.13

III. Strafrahmenmilderung wegen der partiellen Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium Grund für den Gebrauch von der Strafrahmenmilderungsmöglichkeit beim Versuch ist der Umstand, dass der Verbleib der Tat im Versuchsstadium dem Täter partiell zuzurechnen ist. Diese Wertung ergibt sich systematisch aus dem Zusammenhang von § 23 II StGB mit den §§ 23 III, 24 StGB, die besonders signifikante Fälle erfassen, in denen der Verbleib der Tat im Versuchsstadium dem Täter zugerechnet wird.14

11

Darstellung der Gesamtbetrachtungslehre: 3. Teil B. I. 1.; Kritik an der Gesamtbetrachtungslehre: 3. Teil B. I. 2. 12 Zur Ablehnung des fehlenden Folgenunwerts als Strafrahmenmilderungsgrund: 3. Teil B. II. 1.; zur Ablehnung der fehlenden Vollendungstauglichkeit 3. Teil B. II. 2. 13 Dazu: 3. Teil B. II. 3. 14 Dazu: 3. Teil B. III. 1. a).

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Zusammenfassung und Ausblick

1. Scheitern der Tat aufgrund eines vermeidbaren, aber nicht grob unverständigen Irrtums des Täters bei der Unrechtsbegründung § 23 III StGB eröffnet die Möglichkeit einer noch über § 23 II StGB hinausgehenden Strafmilderung (i. V. m. § 49 II StGB) bzw. der Gewährung von Straffreiheit für den Fall, dass der Täter die fehlende Vollendungstauglichkeit des Versuchs verkennt, obwohl sie für ihn offensichtlich ist, er also umgangssprachlich am Verbleib der Tat im Versuchsstadium „selbst Schuld“ trägt. Ein grob unverständiges Vorgehen des Täters wird von der Allgemeinheit als wenig signifikante Erwartungsenttäuschung erlebt und hinterlässt deshalb einen allenfalls geringfügigen rechtserschütternden Eindruck.15 Weil die grob unverständige Annahme der Vollendungstauglichkeit des Versuchs die Möglichkeit der Tatvollendung schon ex ante ausschließt, handelt es sich bei der grob unverständigen Verkennung der Vollendungsuntauglichkeit um einen absolut versuchsbezogenen Tatumstand.16 § 23 III StGB gilt allerdings nicht allein für den umgekehrten Tatbestandsirrtum, sondern für alle Fälle, in denen das deliktische Vorgehen an der grob unverständigen Annahme von Umständen durch den Täter scheitert. Dies ist auch bei der grob unverständigen Fehlannahme des Mangels rechtfertigender Umstände oder der grob unverständigen Fehlannahme des Vorliegens von Umständen, die die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung gem. § 24 I S. 1 Var. 1 StGB ausschließen, der Fall.17 Weil nicht jede Form von Unverstand als grob zu bewerten ist und es sich beim Ausmaß der Verständigkeit des Tätervorgehens um ein Kontinuum mit mannigfaltigen Abstufungen handelt, bedarf es einer Abbildung der differierenden Signifikanz unterschiedlich weitgehender Rationalitätsdefizite des Tätervorgehens im Strafmaß. Um den fließenden Übergängen zwischen den einzelnen Stufen des Rationalitätskontinuums gerecht zu werden, ist in Fällen, in denen das Vorgehen des Täters zwar unverständig, aber nicht grob unverständig ist, der Strafrahmen gem. § 23 II StGB StGB zu mildern.18 2. Die partiell zurechenbare Aufgabe der weiteren Tatausführung § 24 I S. 1 Var. 1 StGB gewährt wegen der freiwilligen Aufgabe der weiteren Tatausführung auch nach dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung Straffreiheit, weil der Verbleib der Tat im Versuchsstadium vollständig dem Täter zugerechnet wird, wenn er sich gegen die Ausführung der zur Vollendung noch erforderlichen Handlungsschritte entscheidet. Von dieser Entscheidung geht ein rechtsbestätigender Eindruck aus, der den rechtserschütternden Eindruck des Ver15 16 17 18

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) aa). Zum Begriff des absolut versuchsbezogenen Tatumstands: 3. Teil B. III. 1. d). Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) bb), cc). Dazu: 3. Teil B. III. 2. a) aa), bb), cc)

C. Gebrauch der Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB

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suchs ausgleicht.19 Da es nach der Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht mehr zur Vollendung kommen kann, handelt es sich auch bei ihr um einen absolut versuchsbezogenen Tatumstand.20 Die Strafmilderung gem. § 23 II StGB im Randbereich zu § 24 I S. 1 Var. 1 StGB ist zum einen geboten, wenn die Aufgabe der weiteren Tatausführung dem Täter nicht vollständig zuzurechnen ist, weil er sich im Zustand erheblich verminderter Selbststeuerungsfähigkeit (vgl. § 21 StGB) gegen den vollständigen Vollzug des deliktischen Verhaltens entscheidet. Zwar rechtfertigt diese Entscheidung nicht die Gewährung von Straffreiheit, weil der Täter seine Rechtstreue nicht in vollständig zurechenbarer Weise und damit nicht freiwillig zum Ausdruck bringt. Anders als in Fällen, in denen der Täter im Zustand der Selbststeuerungsunfähigkeit (vgl. § 20 StGB) die weitere Tatausführung aufgibt, wirkt die partiell zurechenbare Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung aber immerhin partiell rechtsbestätigend.21 Ausgeschlossen ist die Freiwilligkeit der Aufgabe der weiteren Tatausführung auch in den Fällen, in denen sich nach dem unmittelbaren Ansetzen die äußeren Bedingungen der Entscheidung über die Tatbestandsverwirklichung wesentlich verändern. Eine veränderte Entscheidungssituation kann sich entweder aus dem Wegfall des ursprünglich verfolgten Handlungszwecks oder den wesentlich erhöhten Nachteilen der weiteren Tatausführung ergeben. Die Strafrahmenmilderung gem. § 23 II StGB ist angezeigt, wenn der Täter die weitere Tatausführung aufgibt, obwohl der ursprünglich verfolgte Zweck noch erreichbar ist und die Entscheidung gegen die Tatbestandsverwirklichung um der Erhaltung eines fremden Rechtsguts willen erfolgt, welches im Vergleich zu dem Rechtsgut, gegen das die Tat ursprünglich gerichtet gewesen ist, zumindest annähernd gleichwertig ist.22 3. Nachtatverhalten, das der freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung nahekommt Zwar kann sich der Täter nach der Versuchsbeendigung (i. S. der Einzelakttheorie) nicht mehr gegen die Fortsetzung seines deliktischen Handlungsprojekts entscheiden, gleichwohl verbleibt ihm u. U. noch die Möglichkeit, durch die freiwillige Verhinderung der Tatvollendung bzw. durch freiwillige und ernsthafte Verhinderungsbemühungen einen rechtsbestätigenden Eindruck zu hinterlassen. Die Honorierung dieses Nachtatverhaltens mit Straffreiheit ist darauf zurückzuführen, dass dem Täter der Verbleib der Tat im Versuchsstadium ungeachtet des Zufallseinflusses auf den Erfolg der Verhinderungshandlung als sein „Verdienst“ zugerechnet wird. Die Straffreiheit gem. § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB ergibt sich daher aus der Zu19 20 21 22

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) bb). Dazu: 3. Teil B. III. 1. d). Dazu: 3. Teil B. III. 2. b) aa). Dazu: 3. Teil B. III. 2. b) bb).

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Zusammenfassung und Ausblick

rechnung des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium auf der intuitiven Ebene alltäglicher Zurechnung.23 Anders als die Versuchsbezogenheit der §§ 23 III, 24 I S. 1 Var. 1 StGB ergibt sich diejenige von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB nicht daraus, dass die Verhinderungsbemühungen an sich die Tatvollendung ausschließen. Denn Verhinderungsbemühungen können ebenso scheitern wie gelingen. Die Versuchsbezogenheit von § 24 I S. 1 Var. 2, S. 2 StGB ergibt sich daraus, dass Verhinderungsbemühungen immerhin die Wahrscheinlichkeit des Ausbleibens der Vollendung signifikant erhöhen (relative Versuchsbezogenheit).24 Der Strafrahmen ist gem. § 23 II StGB zu mildern, wenn der rechtsbestätigende Eindruck, den die Verhinderungsbemühungen hinterlassen, zwar nicht hinreichend ist, um Straffreiheit zu gewähren, sich in den Verhinderungsbemühungen aber immerhin ein gewisses Maß an Rechtstreue des Täters offenbart. Dies ist der Fall bei der Vollendungsverhinderung bei Verzicht auf den Einsatz eines besser geeigneten Rettungsmittels,25 dem unverständigen Bemühen um die Vollendungsverhinderung,26 dem Unterlassen des Abbruchs rettender Kausalverläufe oder weiterer gegen das Rechtsgut gerichteter Mitteleinsätze,27 der Verhinderung der Tatvollendung im Zustand erheblich verminderter Selbstbestimmungsfähigkeit28 und der Verhinderung der Tatvollendung zwecks Vermeidung einer zumindest annähernd gleich schwerwiegenden Verletzung fremder Rechtsgüter.29 4. Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr Auch im Falle der Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr ist eine Strafrahmenmilderung gem. § 23 StGB angebracht. Denn die Regelstrafen bzw. Regelstrafrahmen bei den vorsätzlichen Tötungsdelikten eröffnen keinen hinreichenden Spielraum, um dem durch die Geringfügigkeit der Gefahr erheblich verminderten Bedürfnis nach Bestätigung der Normgeltung adäquat Rechnung zu tragen. Die Versuchsbezogenheit der Geringfügigkeit der bewusst geschaffenen Erfolgsgefahr ist ebenfalls relativ, weil sich auch geringfügige Risiken im Erfolg realisieren können.30

23 24 25 26 27 28 29 30

Dazu: 3. Teil B. III. 1. b) cc), dd). Zum Begriff des absolut versuchsbezogenen Tatumstands: 3. Teil B. III. 1. d). Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) bb). Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) cc). Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) dd). Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) ee). Dazu: 3. Teil B. III. 3. a) ff). Dazu: 3. Teil B. III. 3. b).

C. Gebrauch der Strafrahmenmilderung nach § 23 II i. V. m. § 49 I StGB

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5. Vermeidbare Verhinderung der Tatvollendung durch ein Verhalten vor dem Eintritt in das strafbare Versuchsstadium Auch ein Täterverhalten vor dem unmittelbaren Ansetzen kann die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns der Tat signifikant erhöhen und bildet demnach einen relativ versuchsbezogenen Tatumstand. Erkennt der Täter die Eignung eines Vortatverhaltens, die Tat zum Scheitern zu bringen, im Zeitpunkt der Ausführung dieses Verhaltens oder ist die Eignung für ihn zumindest erkennbar, ist ihm das Scheitern der Tat jedenfalls partiell zuzurechnen und die Versuchsstrafe gem. § 23 II StGB zu mildern.31

IV. Weitere Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung von § 23 II StGB Macht der Richter von der Milderungsmöglichkeit nach § 23 II StGB keinen Gebrauch, gelten mit Blick auf den Verbleib der Tat im Versuchsstadium folgende Grundsätze. Das Fehlen vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen des objektiven Tatbestands ist auch innerhalb des ungemilderten Strafrahmens nicht zugunsten des Täters zu berücksichtigen.32 Dagegen wirkt der Mangel der Versuchsbeendigung bei der Strafrahmenkonkretisierung zwingend zugunsten des Täters.33 Im Falle der Strafrahmenmilderung darf wegen des Doppelverwertungsverbots aus § 46 III StGB bei der Strafrahmenkonkretisierung der Umstand, dass der Verbleib der Tat im Versuchsstadium dem Täter partiell zuzurechnen ist, nicht zugunsten des Täters berücksichtigt werden. Etwas anderes gilt für den Grad der Zurechenbarkeit. Je stärker das Ausbleiben der Vollendung dem Täter zuzurechnen ist, desto milder muss die Strafe ausfallen. Für das Fehlen vollendungsspezifischer Tatumstände gilt das für die Konkretisierung des Regelstrafrahmens Entsprechende.34 Der Mangel der Versuchsbeendigung ist kein Grund, beim Mord ausnahmsweise ohne die partielle Zurechenbarkeit des Verbleibs der Tat im Versuchsstadium eine Strafmilderung gem. § 23 II StGB anzunehmen, obwohl keine Möglichkeit besteht, dieses Defizit zugunsten des Täters zu berücksichtigen.35 Werden mehrere schon an sich für die Strafrahmenverschiebung gem. § 23 II StGB hinreichende Tatumstände verwirklicht, ist deren strafmildernde Wirkung differenzierend zu beurteilen. Handelt es sich um mehrere Defizite des deliktischen Vorgehens, so ist der zweite Milderungsgrund innerhalb des bereits gemilderten 31 32 33 34 35

Dazu: 3. Teil B. III. 3. c). Dazu: 3. Teil C. I. 1. c). Dazu: 3. Teil C. I. 1. b). Dazu: 3. Teil C. I. 2. b). Dazu: 3. Teil II.

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Zusammenfassung und Ausblick

Strafrahmens zugunsten des Täters zu berücksichtigen.36 Die kumulative Verwirklichung eines Defizits beim deliktischen Vorgehen und eines Milderungsgrunds im Randbereich zum Rücktritt gebietet dagegen eine weitergehende Entlastung des Täters in Gestalt einer doppelten Strafrahmenmilderung gem. § 23 II StGB analog. Leidet das rücktrittsähnliche Verhalten an dem gleichen Defizit wie das deliktische Vorgehen des Täters ist darüber hinaus ausnahmsweise Straffreiheit zu gewähren.37 Relativ versuchsbezogene Milderungsgründe können auch im Falle der Tatvollendung verwirklicht sein. Ist dies der Fall, muss die Vollendungsstrafe gem. § 23 II StGB analog gemildert werden, da es keinen überzeugenden Grund gibt, die Strafmilderung wegen der Verwirklichung vollendungsspezifischer Sanktionsvoraussetzungen zu versagen.38

D. Ausblick: Konsequenzen für die Dogmatik des objektiven Tatbestands im Strafrecht Ein im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wegen ihres Themas nicht behandeltes Problem ist, welche Konsequenzen aus der hier vorgeschlagenen Einordnung des objektiven Tatbestands als Kriterium zur Selektion der zu bestrafenden Motivationsfehler für dessen Dogmatik zu ziehen sind.39 Fraglich ist vor allem, ob und inwieweit von dem heute vorherrschenden Vorgehen einer regelgeleiteten Erfolgszurechnung abgewichen werden kann, weil der Erfolg nach dem hier vertretenen Standpunkt nicht Bestandteil dessen ist, was dem Täter letztlich am Ende der strafprozessualen Thematisierung seines deliktischen Verhaltens im Falle eines Schuldspruchs vorgeworfen wird. Relevant wird dies vor allem, wenn die Strafbarkeit von der Verwirklichung des objektiven Tatbestands abhängt, also insbesondere für Fahrlässigkeitsdelikte und für die Rücktrittsdogmatik. Die radikalste der denkbaren Antworten wäre, den Erfolg nicht nur – wie schon vielfach geschehen – terminologisch,40 sondern auch inhaltlich einer objektiven Strafbedingung gleichzustellen. Stratenwerth etwa hat die These vertreten, für die Strafbegründung auf Grundlage eines subjektiv-monistischen Unrechtsverständnisses „[müsse] genügen, daß der Erfolg den Versuch irgendwie manifest werden läßt“.41 Welche Konsequenzen daraus konkret folgen, ist zwar unklar, jedenfalls dürfte dies aber bedeuten, vom Erfordernis eines Kausal- oder Zurechnungszu-

36 37 38 39 40 41

Dazu: 3. Teil C. III. 1. Dazu: 3. Teil C. III. 2. Dazu: 3. Teil C. IV. Zur Funktion des objektiven Tatbestands: 2. Teil C., 3. Teil B. III. 1. d). Dazu: 2. Teil B. Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (187).

D. Ausblick

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sammenhangs zwischen dem Erfolg und der Handlung abzusehen,42 was allerdings wohl schon mit dem geltenden Recht unvereinbar wäre, weil das Gesetz anders als bei den objektiven Strafbedingungen (vgl. §§ 231, 323a StGB) die Feststellung eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Erfolg und der deliktischen Handlung verlangt. Doch auch inhaltlich ist fragwürdig, ob sich aus der hier vertretenen Position zur Begründung der Erfolgsrelevanz im Strafrecht eine inhaltliche Gleichstellung des Erfolgs mit den objektiven Strafbedingungen ergibt. Weil nämlich der Erfolgseintritt für das Unrechtsurteil über eine Handlung zumindest intuitiv Bedeutung hat, wäre trotz seiner Ausblendung auf der reflexiven Wertungsebene denkbar, grundsätzlich am herkömmlichen Erfordernis der regelgeleiteten Erfolgszurechnung festzuhalten. Nach Zielinski etwa, der ungeachtet seiner abweichenden Terminologie in der Sache dem Erfolgseintritt Relevanz auf einer intuitiven Wertungsebene zuschreibt,43 sei der objektive Tatbestand von Erfolgsdelikten nur dann zu bejahen, „wenn dieser Erfolg gerade Realisierung des Unwerts ist, den zu vermeiden Ziel der Norm ist; wenn also die Handlung den Vermeidungszweck der Norm vereitelt hat. Das aber [sei] nicht schon dann der Fall, wenn der Täter den Erfolg allein dadurch hätte vermeiden können, daß er die verursachende Handlung unterließ, sondern erst dann, wenn er bei Orientierung seines Handelns an der Norm […] diesen Erfolg hätte vermeiden können.“44 Allerdings zieht Zielinski aus der lediglich intuitiven Begründbarkeit der Erfolgsrelevanz den Schluss, die Voraussetzungen der Erfolgszurechnung seien im Einzelfall, je nachdem, ob diese den Gerechtigkeitsintuitionen der Allgemeinheit entsprechen, zu modifizieren. So sei es zu begrüßen, „wenn […] gelegentlich an der strikten Erfolgsorientierung, insbes. im Hinblick auf die im Grenzbereich kaum lösbaren Schwierigkeiten des Vermeidbarkeitsprinzips, gerüttelt wird zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung des Gedankens der Risikoerhöhung“.45 Tatsächlich ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Fehlverhalten, welches sich mit hoher, aber eben nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Erfolg verwirklicht, intuitiv als ebenso schwerwiegend aufgefasst wird wie das Fehlverhalten, dessen Verwirklichung im Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. Insoweit entspricht die Risikoerhöhungslehre u. U. tatsächlich allgemeinen Gerechtigkeitsintuitionen. Erkennt man an, dass die Verwirklichung des Motivationsfehlers im objektiven Tatbestand keinen Bestandteil dessen bildet, was dem Täter letztlich als Grund für die Bestrafung vorgeworfen wird, läge in dieser Beweismaßreduktion nicht zwingend ein Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo.

42

Stratenwerth, in: FS Schaffstein, S. 177 (187). Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 205 ff. 44 Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 213; ausführlich auch AK/ders., §§ 15, 16 Rn. 106 ff. 45 Zielinski, Handlungs- u. Erfolgsunwert, S. 213. 43

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Zusammenfassung und Ausblick

Auch anderweitig wäre denkbar, allgemeine Grundsätze der Erfolgszurechnung zwecks Erzielung von Ergebnissen zu durchbrechen, die besser mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden harmonieren. So wird etwa in den Fällen der alternativen Kausalität teilweise auf das allgemeine Erfordernis der deliktischen Handlung als condicio sine qua non des Erfolgseintritts verzichtet, um den Kausalzusammenhang zu begründen.46 Dies beruht auf der jedenfalls prima facie plausiblen Erwägung, dass es dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widerspräche, den Täter wegen des pflichtwidrigen Verhaltens eines anderen von der Verantwortung für den Erfolgseintritt zu entlasten. Diese Modifikation einer allgemeinen Voraussetzung der Erfolgskausalität ließe sich möglicherweise besser legitimieren, wenn man sich auf die lediglich intuitive Wertungsrelevanz der Erfolgskausalität berufen könnte. Die Relevanz des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Vorsatz und dem Erfolg47 widerspricht u. U. sogar insgesamt dem intuitiven Gerechtigkeitsempfinden. Dass die Fälle, in denen der Erfolg dem Tätervorsatz nicht zuzurechnen ist, und der Täter sich deshalb ggf. nur wegen tateinheitlicher Verwirklichung der versuchten und der fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung strafbar macht, weniger signifikant seien als diejenigen der Vollendung, weil sich das Scheitern der Objektivierung des Vorsatzes als wertungsrelevantes Defizit darstelle,48 ist – wie sich an dem Knollenpilze-Beispiel zeigt49 – keineswegs zwingend. Jedenfalls de lege lata ist das Erfordernis des subjektiven Zurechnungszusammenhangs jedoch in § 16 StGB festgeschrieben. Indes ist fraglich, welche Gründe im Falle der Preisgabe des Anspruchs auf die strikt regelgeleitete Erfolgszurechnung überhaupt noch dagegensprechen, die Dogmatik der Erfolgszurechnung insgesamt radikal zu „entrationalisieren“, d. h. vollständig auf die Entscheidung nach stringenten Regeln zu verzichten und das Zurechnungsurteil allein zwecks Abkühlung der „kochenden Volksseele“ zu treffen.50 Der Verzicht auf strikte Zurechnungsregeln könnte letztlich dazu führen, den Erfolg inhaltlich doch wie eine objektive Strafbedingung zu behandeln und lediglich zu verlangen, „daß der Erfolg den Versuch irgendwie manifest werden läßt“. Die Konsequenz daraus, dass die Erfolgsrelevanz lediglich intuitiv begründbar ist, muss indes nicht sein, bei der Erfolgszurechnung auf die Einhaltung strikter Zurechnungsregeln zu verzichten. Denn auch die auf der reflexiven Ebene vorgenommenen Wertungen beruhen auf Axiomen, die theoretisch nicht zwingend begründbar, d. h. „nicht der Erkenntnis, sondern nur des Bekenntnisses fähig“ sind.51 Dass etwa die Bildung eines rechtswidrigen Willens für strafrechtliche Werturteile 46 47 48

(218). 49 50 51

Kindhäuser, GA 2012, 134 (141 ff.). Dazu: 2. Teil A. III. So Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 584 f.; Freund, in: FS Maiwald, S. 211 Dazu: 2. Teil A. III. Vgl. Samson, in: FS Grünwald, S. 585 ff. (593). Radbruch, in: Gesamtausgabe II, S. 206 ff. (233).

D. Ausblick

241

relevant ist, ist auf das intuitive Erleben des Einzelnen seiner selbst als selbstbestimmt agierendes Wesen, das wegen dieser Fähigkeit zur Vermeidung von Motivationsfehlern befähigt ist, zurückzuführen.52 Gleichwohl käme niemand auf die Idee, im Rahmen der Dogmatik des subjektiven Tatbestands (oder der Schuldvoraussetzungen) auf die Einhaltung strikter Rationalitätsstandards zu verzichten. Deshalb ist eine weitere mögliche Konsequenz der hier vertretenen Position zur Erklärung der Erfolgsrelevanz im Strafrecht, an der strikten Regelgeleitetheit der Erfolgszurechnung festzuhalten. Die Aufrechterhaltung der Intuition, dass der gegenüber dem Täter erhobene Unrechtsvorwurf auf den zurechenbaren Erfolgseintritt gestützt wird, könnte sogar geradezu fordern, die Erfolgszurechnung strikten Regeln zu unterwerfen. Lehnt man nämlich z. B. die Geltung des Grundsatzes in dubio pro reo im Rahmen der Erfolgszurechnung mit dem Argument ab, der zurechenbare Erfolgseintritt konstituiere lediglich ein vorläufiges und auf Intuitionen beruhendes Werturteil, könnte gerade dies die Intuition desavouieren, wonach das Fehlen des zurechenbaren Erfolgseintritts einen Strafverzicht legitimiert. Seine Funktion als Kriterium zur Selektion der zu bestrafenden Normwidersprüche während der Thematisierung im Strafverfahren dürfte der objektive Tatbestand dann aber kaum noch erfüllen können.

52

Dazu: 2. Teil B. I. 2. d) bb).

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Sachwortverzeichnis Analoge Anwendung von § 23 II StGB 226 – 230 Anerkennungslehre 96 Animistisches Weltbild/Denken 28, 132 Anstiftung 130 f., 144 Aufgabe der weiteren Tatausführung 160 – 163, 183 – 193 Aufmerksamkeit (als Strafzumessungsfaktor) 101 Beihilfe

129, 150

Carolina 29 – 32 Cogitationis poenam nemo patitur 44, 70, 113 Conatus – proximus 31 – remotus 31 Constitutio Criminalis Carolina siehe Carolina Constitutio Criminalis Theresiana siehe Theresiana Control principle 104, 112 Crimina – attrocia 31 – levia 31 Delictum – consummatum 31 – perfectum 31 Eindruckstheorie siehe Rechtserschütternder Eindruck Erfahrungssatz 68, 142, 178, Erfolgsdelikt 66 f., 69 – 76, 86 – 89, 106, 145, 147 f. Erfolgskupiertes Delikt 147 – 149, 158 Erfolgsmythos 23, 132 Erfolgsqualifiziertes Delikt 55, 131, 146 f. Ernsthaftigkeit (des Rücktritts) 196 f., 200 f.

Finale Handlungslehre 24 Fortschritt der Tat siehe Tatfortschritt Freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um die Vollendungsverhinderung 171 – 173 Freiwilligkeit (des Rücktritts) 180 – 193, 195, 205 – 208 Gemeinrechtliche Literatur 30 f. Genugtuungsinteresse 123 – 125 Germanische Volksrechte 28, 37 Gesamtbetrachtungslehre 139 ff., 232 f. Gesinnungsstrafrecht 61, 84, 113 Grober Unverstand siehe Versuch, grob unverständiger Historische Rechtsschule

37 f.

Indizfunktion des Erfolgs Ingerenz 195, 197, 203

40, 114 f.

Josephina

33

Kaiserzeit 52 f. Kausalitätsprinzip 103 – 105 Kompensation 29, 163 Komplexitätsreduktion 105, 107, 114, 134, 169 Kompositionssysteme 29 Kongruenz 85 f., 196 f. Luck – causal 110, 112 – circumstantial 110, 112 – execution 110, 112 f., 122 – resultant 104 – 106, 109 f., 114, 122, 126 Mittelalter 27 – 29 Moderne Schule 56 Nomologischer Irrtum NS-Zeit 56 – 59

83 f., 177 – 179

Sachwortverzeichnis Objektive Strafbedingung 90, 92, 240 Ontologischer Irrtum 83 f., 178 f. Opferinteressen 123 – 126 Opferschutz 39, 52, 168 Partikulargesetze 45 – 52 Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls des V. siehe Carolina Poena arbitraria siehe Willkürliche Strafe Positive Generalprävention 93 – 102 Postulat der Willensfreiheit siehe Willensfreiheit Präventionstheorie 41, 44 Preußisches Allgemeines Landrecht 33 Proportionalität zwischen Tatschwere und Strafe 98 f., 154 Psychologischer Zwang 39 f., 126 f. Rechtsbestätigender Eindruck 184, 234 Rechtserschütternder Eindruck 37 f., 93 – 96, 100 f., 116 – 118, 120 f., 159 – 171 Risikoschaffungsbewusstsein 71, 208, 211, 213 Rücktritt vom Versuch 51 f., 159 – 173, 183 – 193, 193 – 208 Sanktionsnorm 65 f. Schadensersatz 125 f., 127 Schuldprinzip 43 f., 55 Selbstbestimmungsfähigkeit 184 f., 205 Selektionsfunktion des objektiven Tatbestands 127 – 131, 173 Spezialprävention 41 – 43 Strafrahmen – -konkretisierung 137 – 139, 143, 216 – 220 – -milderung 137 f. – -wahl 137 – 139 Subjektiver Zurechnungszusammenhang 86 – 89 Täterstrafrecht 56 Tatfortschritt 30 f., 49 f., 112 f., 121 Tätigkeitsdelikt 66, 70 f., 145, 149 Tatprinzip 112, 189 f. Theorie der goldenen Brücke 168 Theorie der positiven Generalprävention siehe positive Generalprävention

265

Theorie des psychologischen Zwangs siehe psychologischer Zwang Theresiana 32 f. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum 84 f., 119 f., 179 f. Umgekehrter Tatbestandsirrtum 85, 119, 177 – 179 Unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung 71 – 77, 121 – 123, 151 – 156, 160 – 163 Unterlassen 77, 79 – 82, 167, 198 – 205 Unternommenes Verbrechen 33 Unvollkommen zweiaktiges Delikt 72 Verhaltensnorm 65 – 68, 89 – 93 Verhinderung der Tatvollendung 163 ff. Versuch – beendeter 31, 34 – 37, 39 f., 43 – 45; 49 f., 71 – 82, 120 – 123, 151 – 156, 217, 233 – (grob) unverständiger 159 f. – tauglicher siehe Vollendungstauglichkeit des Versuchs – unbeendeter 35 f., 45, 49 f., 51, 72, 75 – 78, 120 – 123, 151 – 156, 160 ff., 217, 233 – untauglicher siehe Vollendungstauglichkeit des Versuchs Versuchsbeendigung siehe Versuch, beendeter Versuchsbezogene Milderungsgründe/Tatumstände – absolute 173 – 176, 176 – 193 – relative 173 – 176, 193 – 215 Versuchstheorie/-lehre – objektive 34 – 36 – subjektive 36 f. Verwirklichungsbewusstsein 69 – 75, 152 f. Volksgeist siehe historische Rechtsschule Vollendungstauglichkeit des Versuchs 34 – 38, 50 f., 53, 82 – 86, 115 – 120, 149 – 151, 171 f., 176 – 183 Vorbereitungsstadium 31 – 33, 70, 73 f., 77, 113, 120 f., 135, 151 f., 214 f. Vorneuzeitliches Recht 25 – 27

266 Weimarer Republik 53 – 55 Wertungsebene – intuitive 106 f., 169 – 173 – reflexive 106, 107 – 109, 169 f. Willensfreiheit 112 – 115, 122 f.

Sachwortverzeichnis Willensvollzugsdefizit 72, 151 – 156 Willkürliche Strafe 30, 32, 46 Zufall 44 f., 104 – 114, 163 – 173, 226 – 230