Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie [22. u. 23. Aufl. Reprint 2019] 9783111476339, 9783111109411

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Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie [22. u. 23. Aufl. Reprint 2019]
 9783111476339, 9783111109411

Table of contents :
Vorwort zur 21. Auflage
Vorwort zur 22. und 23. Auflage
Inhalt
Einleitung
Nichtmetallverbindungen, erster Teil
Metallverbindungen, erster Teil
Nichtmetallverbindungen, zweiter Teil
Metallverbindungen, zweiter Teil

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Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie von

HEINRICH BILTZ

22. und 23. Auflage, bearbeitet von

WILHELM KLEMM und WERNER FISCHER

Mit 24 Figuren und 1 Tafel

BERLIN

W A L T E R

D E

1 9 3 8

G R U Y T E R

&

vormals G. J. Göschen* sehe Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J. Trübner / Veit & Comp.

C O .

Alle Hechle, Insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright 1938 by W a l t e r d e G r u y t e r & C o . vormal9 GJ.Gfischen'sche Verlagshandlung — J.Guttentag,VerIagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J.Trübner — Veit & Comp. Berlin W 35, Woyrschstraße 13 Printed in Germany / Druck von Metzger & Wittig In Leipzig Ardiiv-Nr. 520738

Vorwort zur 21. Auflage Die erste Auflage dieses Buches wurde von H. B i l t z im J a h r e 1898 für den Gebrauch im Kieler chemischen Universitätslaboratorium verfaßt. Seit dieser Zeit ist es in fast 20000 Exemplaren verbreitet worden und hat eine sehr große Zahl von Chemikern darin unterstützt, sich die ersten Kenntnisse in der Chemie zu erwerben. 40 J a h r e sind für ein sich so rasch fortentwickelndes Gebiet wie die unorganische Chemie eine lange Zeit; es haben sich in dieser Zeit nicht nur die Kenntnisse vermehrt, sondern auch die theoretischen Anschauungen vertieft. Auch haben sich die Ansichten darüber, wie man den Studenten mit dem bestmöglichen Wirkungsgrade die Grundzüge der Chemie lehrt, in manchem geändert. Als daher Herr Prof. B i l t z uns im Einvernehmen mit dem Verleger aufforderte, einmal zu überprüfen, ob das Buch nicht an manchen Stellen den Anforderungen der Jetztzeit noch besser angepaßt werden könnte, haben wir diese Aufgabe sehr gern übernommen; denn wir haben beide als Lernende (W. K l e m m als Schüler von H . B i l t z , W. F i s c h e r als Schüler von W. B i l t z ) wie als Lehrende das Buch gründlich kennen und schätzen gelernt. Bei dieser Neubearbeitung lag kein Grund dafür vor, an dem Gesamtcharakter des Buches etwas zu ändern. Insbesondere haben wir davon abgesehen, Versuche und theoretische Abschnitte aufzunehmen, durch die sich der Student den Molekularbegriff und das Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen selbst erarbeitet. Denn einmal halten wir nicht viel davon, wenn der Anfänger sich mit halbquantitativen Versuchen herumquält, bei denen er einerseits die Waagen mißhandelt und zum anderen einen ganz falschen Begriff von der Leistungsfähigkeit quantitativer Messungen und seiner eigenen Meßkunst erhält. Zum anderen soll das Buch kein Ersatz für Vorlesung und Lehrbuch sein. Es soll vielmehr n e b e n diesen benutzt werden und dem Anfänger die Kenntnis des stofflichen Verhaltens und einen Einblick in die theoretischen Fragen vermitteln, die ihm das Verständnis und die Ordnung der Fülle der Einzelerscheinungen erleichtern. Unsere Überarbeitung beschränkte sich vielmehr auf folgendes: Einmal wurde das P e r i o d e n - S y s t e m der Elemente, das leitende

IV

Vorwort zur 21. Auflage

Prinzip alles Lernens und Forschens, zur Grundlage der Einteilung gemacht. Auf diese Weise hoffen wir, schon dem Anfänger das Verständnis größerer Zusammenhänge zu erleichtern. Die bisherige Einteilung des Stoffes nach vorwiegend a n a l y t i s c h e n Gesichtspunkten bringt, wie wir des öfteren feststellen konnten, leicht Mißverständnisse mit sich. Überhaupt haben wir den Charakter des Buches als Einführung in das analytische Arbeiten eine Kleinigkeit zurücktreten lassen; infolgedessen haben wir einige analytische Speziaireaktionen weggelassen, deren Bedeutung für die Erwerbung allgemeiner Stoffkenntnisse gering ist. Dagegen haben wir den Stoff dadurch vermehrt, daß wir außer den in Anfängerbüchern in der Regel allein behandelten Elementen auch einige Angaben über die meist zu Unrecht als „selten" bezeichneten Elemente angeführt haben, da diese in Wissenschaft und Technik eine von Tag zu Tag steigende Bedeutung gewinnen. Es wird sich jedoch empfehlen, diesen Teil erst durchzuarbeiten, nachdem einige Erfahrungen in der qualitativen Analyse der anderen Elemente gesammelt worden sind. Zum anderen sind die t h e o r e t i s c h e n Abschnitte neubearbeitet und zum Teil wesentlich erweitert worden. Es handelt sich dabei meist um Fragen, die in der Experimentalvorlesung nicht in dieser Ausführlichkeit besprochen werden, ohne deren Kenntnis aber ein erfolgreiches analytisches Arbeiten nicht möglich ist. Der Studierende wird am Anfang mit diesen Abschnitten manchmal eine gewisse Mühe haben. Er begnüge sich aber in keinem Falle mit einem oberflächlichen Lesen und einem halben Verständnis. Vielmehr mache er es sich zur Regel, diese Abschnitte immer wieder durchzuarbeiten. Besonders fruchtbar wird es sein, wenn er sich nach dem Durcharbeiten eines Teiles des Buches die an früherer Stelle stehenden Abschnitte erneut vornimmt; es wird dann manches klar werden, was beim ersten Lesen vielleicht unverständlich blieb. Bei der Neubearbeitung konnten freundliche Ratschläge der Herren Professoren F. A r n d t , Istanbul, W. B i l t z , Hannover, W. B ö t t g e r , Leipzig, H. Menzel und A. S i m o n , Dresden, mit berücksichtigt werden. Es sind der Neubearbeitung also die Unterrichtserfahrungen vieler Stellen zugute gekommen. Wir hoffen daher, daß das Buch von H. B i l t z sich auch in seiner neuen Gestalt im Anfängerunterricht bewähren wird.

W. Klemm

W. Fischer

Vorwort zur 22. und 23. Auflage Die Tatsache, daß bereits ein Jahr nach dem Erscheinen der umgearbeiteten 21. Auflage eine weitere Auflage notwendig wird, scheint zu beweisen, daß das Ziel, das uns bei der Bearbeitung leitete, allgemein grundsätzliche Zustimmung erfahren hat. Dieses Ziel, das sei nochmals betont, bestand nicht darin, den Charakter des Buches als e x p e r i m e n t e l l e Einführung zurücktreten zu lassen; es sollte vielmehr dem Anfänger das Erfassen und Einprägen der bei reiner Aufzählung verwirrenden Fülle von Einzelerscheinungen dadurch erleichtert werden, daß bei der Erweiterung der theoretischen Abschnitte vornehmlich das v e r s c h i e d e n e n Stoffen und Experimenten G e m e i n s a m e herausgearbeitet wurde und die Vielzahl der Erscheinungen durch ein Gerüst ordnender Prinzipien verflochten wurde. Die Änderungen gegenüber der 21. Auflage beschränken sich auf die Ausmerzung einiger Druckfehler und eine Anzahl kleinerer Korrekturen. Auf einen Wunsch aus dem Benutzerkreise wurden besonders wichtige Identifizierungsreaktionen durch einen senkrechten Strich an der Seite des Satzspiegels hervorgehoben. Es dürfte zweckmäßig sein, die qualitativ-analytische Ausbildung mit der Durcharbeitung der „Experimentellen Einführung" etwa in folgender Reihenfolge zu verbinden: 1. Experimentelle Einführung: Nichtmetallverbindungen I.Teil. Metallverbindungen I. Teil. 2. Qual.-anal. Ausbildung:

Einfacher analyse".

Kationengang;

„Schul-

3. Experimentelle Einführung: Nichtmetallverbindungen II. Teil. 4. Qual.-anal. Ausbildung:

Säuren, Säuren kombiniert mit den Kationen der Schulanalyse.

5. Experimentelle Einführung: Metallverbindungen II. Teil. 6. Qual.-anal. Ausbildung:

Analysen über alle Elemente; insbesondere Mineralien, technische Produkte usw.

VI

Vorwort zur 22. und 23. Auflage

Nach Punkt 1 und 6 wird zweckmäßigerweise ein kurzes Kolloquium mit dem Institutsleiter eingeschaltet. In Erwägung zu ziehen ist weiterhin, ob nicht nach 2. bereits einige einfache quantitative Bestimmungen ausgeführt werden, deren erzieherischer Wert sowohl für das chemische Denken wie für das experimentelle Arbeiten an dieser Stelle besonders groß ist. Den bereits im Vorwort zur 21. Auflage genannten Herren haben wir wiederum für eine Reihe von wertvollen Hinweisen zu danken. W. Klemm

W. Fischer

Inhalt Theoretische Abschnitte sind kursiv gedruckt Einleitung Allgemeine Vorsichtsmaßregeln beim Arbeiten im Laboratorium . . . . Das Umfüllen von Reagentien Filter und Filtrieren Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr Die Bearbeitung des Glases Kork bohren

Seite

1 4 5 6 8 10 13

N i c h t m e t a l l v e r b i n d u n g e n , e r s t e r Teil Säure.n, Basen, Salze Salzsäure und Chlor Chemische Umsetzungen Konzentration der Lösungen; Normallösungen Schwefelsäure Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre Chemische Bindungskräfte Oxydation und Beduktion Schweflige Säure Salpetersäure Kohlendioxyd und Kohlensäure Schwefelwasserstoff Phosphorsäure, Saure Salze Namen unorganischer Stoffe

15 15 16 20 21 22 25 29 32 34 35 39 42 45 49

M e t a l l v e r b i n d u n g e n , erster Teil Alkalimetalle Natrium Kalium Ammonium Erdalkalimetalle und Magnesium Erdalkalimetalle Calcium Strontium und Barium Magnesium Chemisches Gleichgewicht Das Wesen der chemischen Gleichgewichte Las Massenwirkungsgesetz Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Beaktionen in wäßriger Lösung Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Beaktionen. . . Ursachen für den Eintritt von Beaktionen Aluminium Säuren- und basenbildende Oxyde

51 51 51 56 58 60 60 61 64 65 67 67 72 74 79 81 83 86

Viii

Inhalt

Elemente der Gruppe I b Silber Komplexverbindungen und Doppelsalze Kupfer Elektroaffinität Elenaente der Gruppe I I b Zink Cadmium Quecksilber Übergangselemente Eisengruppe Eisen Kobalt Nickel Chrom Mangan AufscMießen Weitere Elemente der b-Gruppen Zinngruppe Zinn Kolloide Lösungen Blei Sulfide Arsengruppe Arsen Antimon Wismut

Seite

90 90 93 98 101 102 103 105 106 110 111 111 117 119 120 125 128 130 131 131 134 136 138 139 140 146 149

N i c h t m e t a l l v e r b i n d u n g e n , zweiter T e i l V I I . Gruppe Halogene Halogenwasserstoffe Halogensauerstoffverbindungen VI. Gruppe Wasserstoffperoxyd Säuren des Schwefels Selen und Tellur V. Gruppe Hydrazin, Hydroxylamin Salpetrige Säure und Nitrite Phosphorige Säure IV. Gruppe Silicium I I I . Gruppe Borsäuren

151 151 151 151 153 157 157 158 160 161 161 162 163 164 164 166 166

M e t a l l v e r b i n d u n g e n , zweiter T e i l Lithium, Beryllium Seltene Erden Titan, Zirkonium, Thorium Vanadin, Niob, Tantal Molybdän, Wolfram, Uran Thallium

168 168 169 169 170 172 174

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Einleitung Zum flotten Arbeiten im chemischen Laboratorium sind einige Hilfsmittel nötig, die der Praktikant sich auf seinem Arbeitsplatze zu halten hat, nämlich: eine Schere, ein Glasmesser zum Glasschneiden, eine an ihrer stärksten Stelle noch nicht ganz bleistiftdicke Rundfeile zum Glätten und Erweitern von Löchern in Korken, ferner Pinzette, Lötrohr und einige einseitig geschlossene Glasröhrchen, deren Anfertigung auf S. 11 bis 12 beschrieben ist. Dazu kommen: eine ausreichende Anzahl von Probiergläsern verschiedener Größe 1 ) mit Gestell, Trichter, Kölbchen, einige dünne Glasstäbe mit rund geschmolzenen Enden, kleine Bechergläschen, eine Spritzflasche, Porzellantiegel und Abdampfschalen, schließlich ein Filtriergestell, ein eiserner Dreifuß (oder ein Stativ mit verschiebbarem Ring) nebst Drahtnetz als Kochgestell und ein Gasbrenner 2 ). Der für manche Zwecke benötigte Spatel kann aus Glas, Porzellan, Horn oder Reinnickel bestehen; v e r n i c k e l t e oder v e r c h r o m t e Instrumente sind im chemischen Laboratorium n i c h t b r a a c h b a r . Erforderlich ist ferner ein Platindraht von etwa 5 cm Länge und etwa 0,4 mm Durchmesser, der an einem Ende in einen dünnen Glasstab eingeschmolzen ist; er wird — mit dem Glasstabe in einem Kork befestigt — in einem mit Salzsäure halbgefüllten Probierglase aufbewahrt. Als Ersatz können in manchen Fällen — z. B. zur Herstellung von Phosphorsalz- oder Boraxperlen — Magnesiastäbchen und -Rinnen verwendet werden. Für die seltenen Fälle, in denen ein Platintiegelchen (es empfehlen sich die in der Lötrohranalyse gebräuchlichen „Plattner-Schälchen") unentbehrlich ist, leiht man ein solches vom Assistenten. Ferner sollte jeder im Besitz einer einfachen Schutzbrille mit splittersicherem Glase sein. Schließlich sind ein Wischtuch und ein Handtuch unentbehrlich; empfehlenswert ist eine Hasenpfote zum Reinigen des Arbeitsplatzes. 1 ) Für die meisten Versuche sind Probiergläser der normalen Größe von etwa 16 mm Durohmesser und 160 mm Länge zweckmäßig; daneben benötigt man einige größere (etwa 20 x 200 mm), vor allem aber auch kleinere von verschiedenen Abmessungen. 2 ) Früher benutzte man zum Halten heißer Probiergläser oft Probierglasklemmen. Dafür verwendet man besser ein Stück Papier von etwa Oktavgröße, das durch einige Längskniffe zu einem Streifen zusammengefaltet ist.

B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

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Einleitung

Alle G l a s s a c h e n s e i e n s t e t s s a u b e r . Bechergläser werden gereinigt, mit destilliertem Wasser ausgespült und nach dem Abtropfen mit nach unten gestellter Öffnung auf Filtrierpapier, mit dem der Schrank zum Teile ausgelegt ist, aufbewahrt. Die gereinigten und getrockneten Kölbchen bewahrt man nach Verschluß mit etwas Filtrierpapier, das über den Rand geknifft wird, gegen Staub gesichert auf. D i e P r o b i e r g l ä s e r w e r d e n s t e t s b a l d n a c h d e n V e r s u c h e n g e r e i n i g t . Dazu reicht meist Wasser und eine Gänsefeder oder eine Probierglasbürste aus; zur Entfernung fest haftender Niederschläge nimmt man eventuell einige Tropfen roher, konzentrierter Salzsäure zu Hilfe 1 ). Diese Reinigung gelingt fast immer leicht und schnell, wenn sie bald vorgenommen wird, ist aber oft recht mühsam und zeitraubend, wenn sie bis zum nächsten Tage verschoben wird. Man spült auch hier stets mit destilliertem Wasser nach. Zum Abtropfen stellt man die Probiergläser mit der Mündung nach unten auf die Zapfen, die zu diesem Zwecke an der Hinterseite des Gestells angebracht sind, oder auch in die Öffnungen des Probierglasgestells. Man halte sich stets einige trockene Probiergläser vorrätig, weil solche zu manchen Versuchen nötig sind. Durch Befolgen dieser Vorschriften kann man sich Zeitverlust und Mißerfolge ersparen. Überhaupt muß mit größtem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß m a n s i c h b e i c h e m i s c h e n A r b e i t e n von v o r n h e r e i n an die g r ö ß t e S a u b e r k e i t gew ö h n e n m u ß . Auch das Innere der Schubladen und Schränke sei stets vorbildlich sauber und ordentlich gehalten sowie mit Verständnis geordnet. Eisensachen, Filter, Glas- und Porzellansachen dürfen kein malerisches Durcheinander bilden, sondern müssen getrennt aufbewahrt werden. Die meisten Versuche dieses Leitfadens werden in Probiergläsern ausgeführt. Es ist zweckmäßig, zu jeder Umsetzung n u r w e n i g S u b s t a n z zu nehmen und mit stark verdünnten Lösungen zu arbeiten; denn die meisten Erscheinungen sind bei verdünnten Lösungen viel klarer zu erkennen als bei konzentrierten. Ferner beachte man, daß man, von einigen Ausnahmen abgesehen, mit 1 / 2 —1 ccm der Lösungen vollständig auskommt. Man halte sich an diese Vorschrift nicht nur zu dem Zwecke, keine Chemikalien zu vergeuden, sondern vor allem, um Zeit zu sparen. Wichtig ist es auch, daß man sich von vornherein darin übt, G e w i c h t u n d R a u m m a s s e a b z u s c h ä t z e n . Es empfiehlt sich, ein Probierglas zunächst leer, dann zum Fünftel, zur Hälfte, schließlich ganz mit Wasser gefüllt zu wägen, um dadurch eine Vorstellung x ) Zum Reinigen von Glasoberflächen, die mit Fett oder ähiffichen Stoffen verschmutzt sind, benutzt man eine Auflösung von Alkalibichromat (vgl. S. 125) in konzentrierter Schwefelsäure („Chrom-Schwefelsäure") oder eine, alkalische Lösung von Alkalipermanganat (vgl. S. 127/128).

Einleitung

3

vom Inhalte eines Probierglases und seiner Teile zu erhalten. Auch empfiehlt es sich, ein Probierglas durch Einwägen von 1, 2, 3 g usw. Wasser zu kalibrieren und die betreffenden Höhen an einem aufgeklebten Papierstreifen zu verzeichnen. Ein solcher einfacher Meßzylinder ist oft nützlich. Es ist unbedingt erforderlich, daß über die Arbeiten im Laboratorium sorgfältig und ausführlich Protokoll geführt wird, und zwar nicht auf losen Zetteln, Zigarettenschachteln und ähnlichem, sondern in einem Heft. Der Studierende gewöhne sich vom ersten Tage daran, j e d e Beobachtung, und sei sie noch so geringfügig, so aufzuschreiben, als ob sie von ihm erstmalig gemacht sei. Man verlasse sich nicht darauf, daß ja alles „im Buche" stehe, sondern protokolliere sofort nach Ausführung des Versuches die Beobachtungen, ohne das Buch zur Hilfe zu nehmen, weil man sonst leicht in den Fehler verfällt, das Buch abzuschreiben. Durch diese Art der Niederschrift lernt der Anfänger, die chemischen Ausdrücke zu verwenden. Wenn er es sich ferner zum Grundsatze macht, jede im Probierglase beobachtete Umsetzung auch formelmäßig auszudrücken, übt er sich, chemische Gleichungen aufzustellen. Schließlich ist diese Erziehung zum sorgfältigen Protokollieren auch als Vorbereitung für das spätere selbständige Arbeiten unentbehrlich, bei dem mangelhafte Protokollführung zu schweren Irrtümern und erheblichem Zeitverlust führen kann. Das Laboratoriumstagebuch braucht keine schön geschriebene Reinschrift zu sein, aber es sei übersichtlich und auch für einen anderen lesbar. Das allerwichtigste Erfordernis für ein erfolgreiches und flottes Durcharbeiten dieses Leitfadens ist das häusliche Studium. Kein Abschnitt soll im Laboratorium vorgenommen werden, bevor er sorgfältig unter Hinzuziehung eines L e h r b u c h s d e r C h e m i e zu Hause theoretisch durchgearbeitet und aufgeklärt ist. Unklarheiten und Zweifel lasse man nicht auf sich beruhen, sondern frage den Assistenten um R a t . Zwar sind in den experimentellen Teil zahlreiche theoretische Abschnitte eingestreut, deren Studium vielfach Aufklärung geben wird; selbstverständlich sind diese theoretischen Abschnitte nicht imstande, das Hören einer Vorlesung über analytische Chemie, die sich auf der Theorie der wäßrigen Lösungen und dem Massenwirkungsgesetze aufbaut, zu ersetzen. Zu einem näheren Studium der theoretischen Verhältnisse sei namentlich auf „Die wissenschaftlichen Grundlagen der analytischen Chemie" von W. Ost.wald (Verlag Steinkopff, Dresden und Leipzig) und auf die „Qualitative Analyse" von W. B ö t t g e r (Verlag von W. E n g e l m a n n , Leipzig) verwiesen.

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Allgemeine Vorsichtsmaßregeln beim Arbeiten im Laboratorium Schon an dieser Stelle sei auf einige V o r s i c h t s m a ß r e g e l n hingewiesen, die beim Arbeiten im Laboratorium unbedingt beachtet werden müssen: 1. Beim E r h i t z e n von F l ü s s i g k e i t e n im P r o b i e r g l a s e , besonders von solchen, in denen feste Teilchen ausgeschieden sind, ist das Probierglas leicht und andauernd zu bewegen. Durch diese leichten Schüttelbewegungen wird einem Siedeverzuge und dem damit verbundenen Herauskochen der Flüssigkeit aus dem Rohre vorgebeugt. Außerdem werden dadurch die Wände des Rohrs innen, soweit sie erhitzt werden, andauernd mit Flüssigkeit befeuchtet, wodurch eine Überhitzung der Glaswände vermieden wird. B e i m K o c h e n im P r o b i e r g l a s e h a l t e m a n s t e t s die Mündung von sich und a n d e r e n P e r s o n e n a b , damit niemand verbrüht werde, falls doch einmal ein Herauskochen stattfinden sollte. 2. Versuche, bei denen ü b e l r i e c h e n d e oder g i f t i g e G a s e entstehen, müssen unter allen Umständen unter dem Abzüge ausgeführt werden. Der Chemiker ist sowieso genötigt, bei seinen Arbeiten oft genug schlechte Luft in Kauf zu nehmen. Es ist eine selbstverständliche Pflicht gegenüber den Arbeitskameraden, alles zu vermeiden, was die Laboratoriumsluft in unnötiger Weise verschlechtert. Die Fenster unbenutzter Abzüge sind geschlossen zu halten, weil die Entlüftungswirkung in den anderen sonst geschwächt wird. 3. Bei manchen Versuchen muß man mit g i f t i g e n Substanzen (z. B. Cyannatrium) arbeiten. In diesen Fällen ist besonders auf peinlichste Sauberkeit zu achten (nichts verschütten, sofortiges Säubern der Geräte und der Hände). Man bringt sonst sich selbst in Lebensgefahr und gefährdet unter Umständen andere. Überhaupt ist es selbstverständlich, daß man sich nach j e d e m Arbeiten sorgfältig die Hände wäscht. Man weiß nie, ob nicht Spuren schädlicher Stoffe an ihnen haften. 4. Gelegentlich hat man es mit Umsetzungen zu tun, die zu E x p l o s i o n e n führen können. Kennt man die Gefahr, so kann man durchaus solche Versuche ausführen; denn durch zweckmäßige Anordnung des Versuches kann man sich schützen. Auf keinen Fall versäume man in den Fällen, in denen auch nur die entfernte Möglichkeit einer Explosion oder des Verspritzens von Alkalien und Säuren besteht, die Augen durch eine S c h u t z b r i l l e zu schützen (vgl. S. 1).

Das Umfüllen von Reagentien

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Das Umfüllen von Reagentien Das Eingießen von f l ü s s i g e n Reagentien aus einer Flasche in ein Probierglas ist eine der kleinen Handhabungen, die der Chemiker besonders häufig auszuführen hat. Da bei unsachgemäßer Durchführung mancherlei Übelstände auftreten, gewöhne man sich von vornherein an folgende Art der Ausführung. Die Flasche ist mit vollem Griff zu fassen, und zwar so, daß die Beschriftung bei waagerechter Lage der Flasche nach oben kommt. Macht man es anders, so könnte ein herunterlaufender Tropfen die Beschriftung beschädigen. Das Probierglas wird mit dem Daumen, Zeige- und 1 Mittelfinger der linken Hand gehalten. Mit den beiden noch freien Fingern und dem Handballen nimmt man den Stopfen von der Flasche (Fig. la) und gießt die Flüssigkeit ein, ohne dabei den Rand der Flasche auf den des Probierglases aufzusetzen (Fig. lb). Berührt man das Probierglas, so kann der Rand und damit der Inhalt der Flasche verunreinigt werden — besonders, wenn man es gewohnheitsmäßig macht! —, was bei späterem Gebrauch der Reagensflüssigkeit Anlaß zu Irrtümern gibt. Nach dem Ausgießen der Flüssigkeit hängt am Rande der Flasche in der Regel ein dicker Tropfen. Diesen streicht man nicht am Probierglase Figur 1. Ausgießen von ab noch läßt man ihn außen an der Flüssigkeiten Flasche herunterlaufen, sondern man führt den Flaschenrand, ohne dabei die Flasche aus ihrer schrägen Lage wesentlich aufzurichten, an den Hals des Stopfens, streicht hier den Tropfen ab (Fig. lc), setzt den Stopfen auf und stellt die Flasche an ihren Platz. Gewöhnt man sich an diese Art der Ausführung, so bleiben die Reagentien stets sauber, die Flaschen und ihre Beschriftung sowie die Reagentienregale werden nicht beschmutzt, und es kann niemals vorkommen, daß man einen Stopfen auf eine falsche Flasche setzt.

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Filter und Filtrieren

Führt man Reaktionen durch, bei denen sich beim Zugeben einer Reagensflüssigkeit G a s e e n t w i c k e l n (vgl. z. B. S. 17), so gießt man die Lösung nicht aus der Reagentienflasche zu; denn in diesem Falle besteht die Gefahr, daß die sich entwickelnden Gase den ganzen Inhalt der Flasche verunreinigen. Vielmehr füllt man in diesem Falle erst die erforderliche Menge der Flüssigkeit in ein sauberes Probierglas und gießt sie von dort in das Probierglas mit der zu untersuchenden Substanz. Das Ausschütten von f e s t e n Reagentien aus Flaschen ist nach Möglichkeit zu vermeiden, da man dabei schlecht dosieren kann. Man entnimmt die benötigte Menge vielmehr mit einem s a u b e r e n Spatel oder Löffel. Hat man dabei einmal etwas mehr genommen, als benötigt wird, so gibt man den Rest — wenn es sich nicht um besonders kostbare Substanzen handelt — nicht in die Flasche zurück, sondern in den Schmutzbehälter. Dies gilt unter allen Umständen von Anteilen, die auf den Arbeitstisch gefallen sind.

Filter und Filtrieren Zur Herstellung von „ g l a t t e n F i l t e r n " benutzt man in der Regel fertig geschnittene runde Scheiben aus Filtrierpapier. Für die vorliegenden Versuche genügen die billigen „qualitativen" Filter; die besonders aschearmen, teureren „quantitativen" Filter sind nicht erforderlich. Man halte sich einen größeren Vorrat von Filtern verschiedener Größe (etwa 7 und 9 cm Durchmesser) stets vorrätig, und zwar nicht lose im Schubfach herumliegend, sondern in einer geeigneten Pappschachtel. Zum Gebrauch faltet man das Filter zweimal im rechten Winkel (vgl. Fig. 2 a), so daß es das Aussehen von Fig. 2 b erhält. Diese Papiertüte wird geöffnet (Fig. 2c) und in einen Trichter gesteckt, dessen konischer Teil wenigstens um 1 cm höher ist als das Filter; auf keinen Fall darf das F i l t e r ü b e r den R a n d des T r i c h t e r s h i n a u s r a g e n . Jetzt gießt man mit der Spritzflasche Wasser in das Filter und drückt es mit einem Finger an die Trichterwand fest an (Fig. 2d). Das Filtrat läuft nur dann gut ab, wenn das Papier oben überall gut an der Glaswand anliegt, so daß keine Luftblasen auftreten 1 ); denn nur dann wirkt die Flüssigkeitssäule im Trichterrohr saugend auf die Flüssigkeit im Filter. Hat der Trichter nicht genau den Winkel von 60°, so muß man das beim Es ist praktisch, die in Fig. 2 c gestrichelt gezeichnete Ecke abzureißen oder auch nur einzureißen und um die Knickstelle nach rechts umzuschlagen; denn das Filter liegt dann meist noch besser an.

Filter und Filtrieren

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Kniffen des Filters berücksichtigen. Man lernt dies wie überhaupt die Anfertigung eines gut arbeitenden Filters am besten von Geübteren. Für präparative Arbeiten sind oft die „ F a l t e n f i l t e r " vorzuziehen, da sie ein schnelleres Filtrieren ermöglichen. Man ver-

Figur 2. Filter einlegen

wendet sie aber nur dann, wenn es nicht darauf ankommt, den auf dem Filter gesammelten Niederschlag gut auszuwaschen. Faltenfilter kann man bereits fertig geknifft beziehen. Will inan selbst eines herstellen, so geht man am besten von einem kreisförmigen

Figur 3. Faltenfilter

Stück Filtrierpapier aus und beginnt dann in genau der gleichen Weise wie in den Fig. 2a und 2b, nur wird der Viertelkreis (Fig. 2b) noch zweimal im Winkel gefaltet bis zum Sechzehntel-Kreisausschnitte. Dann öffnet man zum Halbkreise (Fig. 3a) und knifft von einer Seite beginnend, jedes Achtel des Halbkreises aus freier Hand nochmals mit den Daumen, Zeige- und Mittelfingern beider Hände; dabei dienen die mit den Spitzen aneinander gelegten Mittelfinger als Unterlage. In Fig. 3 b ist die linke Hälfte des Filters so behandelt, die rechte noch nicht. Nun wird das Filter zur Tüte geöffnet und in den Trichter eingesetzt (Fig. 3 c).

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Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr

Beim F i l t r i e r e n gießt man das Filter nie ganz voll, damit nichts über den Rand des Filters steige. Mit dem A u s w a s c h e n , zu dem die Spritzflasche verwendet wird, beginnt man erst, wenn alle Flüssigkeit aus dem Filter abgelaufen ist, und läßt auch später das Filter jedesmal erst ganz abtropfen, ehe man weiteres Waschwasser aufspritzt 1 ). Die Hauptregel für das Auswaschen ist: o f t m a l s m i t wenig W a s s e r a u s w a s c h e n u n d j e d e s m a l möglichst vollständig ablaufen lassen! Da der Filtrationsprozeß bei feinflockigen Niederschlägen sehr langsam verläuft, ist es zuweilen empfehlenswert, die Fällung im Glase absitzen zu lassen, darauf zunächst die über dem Niederschlage stehende klare Flüssigkeit, ohne diesen aufzuwirbeln, durch das Filter abzugießen, und erst dann den Niederschlag mit etwas Wasser aufs Filter zu spülen. Man bezeichnet dieses Abgießen einer Flüssigkeit von einem Niederschlage als „ D e k a n t i e r e n " ; es gelingt bei schweren Niederschlägen leicht. Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr Der B u n s e n b r e n n e r . Zur Erzeugung höherer Temperaturen benutzt man im chemischen Laboratorium heute sehr oft den von R o b e r t B u n s e n erfundenen und nach ihm benannten Gasbrenner. Dieser besitzt an dem unteren Teile des eigentlichen Brennerrohres ein mit Öffnungen versehenes Rohrstück, das so verstellt werden kann, daß der Gasstrom mehr oder weniger große Mengen Luft ansaugt. Stellt man es so ein, daß keine Luft eintritt, so erhält man eine gelbe, „ l e u c h t e n d e " Flamme. Dieses Leuchten rührt daher, daß infolge der ungenügenden Luftzufuhr eine unvollständige Verbrennung stattfindet. Von den Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff, aus denen das Leuchtgas besteht, vereinigt sich dabei im wesentlichen der Wasserstoff mit dem Luftsauerstoff, während der Kohlenstoff zum größten Teile nicht verbrennt. Bei der Flammentemperatur leuchten die gebildeten festen Kohlenstoff-(Ruß-)Teilchen. Infolge dieses Gehaltes an unverbrannten brennbaren Stoffen kann diese Flamme solchen Stoffen, die leicht Sauerstoff abgeben, den Sauerstoff entziehen: sie wirkt schwach „ r e d u zierend" 2 ). Stärkere Reduktionswirkungen erzielt man mit dem Lötrohr (s. S. 10). Bei schleimigen Niederschlägen, wie z. B. Aluminiumhydroxyd (vgl. S. 84/85), darf man das Ablaufen der Filterflüssigkeit nur so weit fortschreiten lassen, daß der Niederschlag noch feucht bleibt. Denn beim Trockenwerden springt die Masse in kleine Schollen entzwei, zwischen denen das Waschwasser wirkungslos vorbeilaufen würde. 2 ) Näheres über die Begriffe „Reduktion" und „Oxydation" siehe S. 17 u. S. 32.

Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr

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Läßt man dagegen durch die Öffnung Luft zutreten, so verbrennt auch der Kohlenstoff. Da die Flamme infolgedessen glühende feste Teilchen, nicht enthält, leuchtet sie nicht ( . , e n t l e u c h t e t e " Flamme). In diesem Falle unterscheidet man einen inneren, blauen Kegel und einen äußeren, bei reinem Brenner und staubfreier Luft nahezu farblosen Mantel. Der i n n e r e Kegel ist verhältnismäßig kalt. Hält man ein Stückchen Holz (Streichholz ohne Kuppe) einen Augenblick quer in die Flamme, so verkohlt es nur an den Stellen, mit denen es sich in dem äußeren Mantel befindet. Da der innere Kegel unverbranntes Gas im Überschuß enthält, wirkt er reduzierend. Besonders geeignet für Reduktionswirkungen ist seine oberste Spitze, weil er an dieser am heißesten ist. Am äußeren Rande des ä u ß e r e n Kegels findet sich ein geringer Sauerstoffüberschuß; dieser Teil wirkt daher s c h w a c h o x y d i e r e n d , er kann hineingebrachten Substanzen Sauerstoff zuführen. Bessere Oxydationswirkungen erzielt man jedoch mit dem Gebläse (s. unten) oder dem Lötrohr (s. S. 10). Ist die Luftzufuhr zu groß oder der Gasdruck zu klein, so „schlägt" der Brenner „zurück", d. h. die Verbrennung erfolgt im Inneren des Brennerrohres an der Gaseintrittsdüse. In solchen Fällen muß die Gaszufuhr sofort abgestellt werden 1 ), da sonst der Brenner beschädigt wird. Nach dem Erkalten des Brenners stellt man dann die Luftzufuhr etwas kleiner oder die Gaszufuhr größer. Den I n s t i t u t e n erwachsen durch den G a s v e r b r a u c h große Unkosten. Es ist deshalb eine s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e P f l i c h t e i n e s j e d e n S t u d i e r e n d e n , G a s v e r s c h w e n d u n g zu v e r m e i d e n . Bei Nichtbenutzung des Brenners lasse man daher nur die Sparflamme brennen. Ist eine entsprechende Einrichtung an dem Brenner nicht vorhanden, so stellt man die Luftzufuhr ab und drosselt dann die Gaszuführung so stark, daß nur noch eine kleine Flamme brennt. G e b l ä s e . Braucht man h ö h e r e T e m p e r a t ü r e n , so benutzt man einen G e b l ä s e b r e n n e r , bei dem dem Gase vor der Verbrennung komprimierte Luft zugeführt wird. Das Einblasen der Luft erfolgt meist durch ein maschinell betriebenes Gebläse oder ein Wasserstrahlgebläse. Benutzt man ein Tretgebläse, so trete man nur so schnell, als es zur Erreichung des Zweckes unbedingt erforderlich ist. Ein Überschuß ist Kraftvergeudung und schädigt die Einrichtung. Noch höhere Temperaturen erzielt man durch ein S a u e r s t o f f - L e u c h t gasgebläse, bei dem an Stelle von Luft komprimierter Sauerstoff zugeführt wird, den man einer Stahlflasche entnimmt. Die Flamme wirkt in diesem Falle stark oxydierend. Für die üblichen Laboratoriumsarbeiten des Studierenden ist jedoch dieses Gebläse ebensowenig erforderlich wie das noch heißere Wasserstoff- Sauerstoff- („Knallgas'') - Gebläse. 1

) In leichteren Fällen hilft oft ein kurzer Schlag auf den Gasschlauch!

Die Bearbeitung des Glases

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G e b r a u c h d e s L ö t r o h r e s . Die Verwendung des früher allgemein benutzten Lötrohres ist heute in vielen Laboratorien zu Unrecht in den Hintergrund getreten; in Hüttenlaboratorien usw. wird es auch jetzt noch mit bestem Erfolge vielfach benutzt. Das Lötrohr dient dazu, eine kräftige Stichflamme horizontal zu treiben, damit Stoffe, die auf einer die Wärme schlecht leitenden Unterlage, gewöhnlich einem Stücke Holzkohle, liegen, hoch erhitzt werden können. Durch Regelung der Luftzufuhr gelingt es dem Geübten leicht, in der Flamme einen Überschuß an unverbranntem Gase oder an sauerstoffhaltiger Luft vorherrschen zu lassen; man unterscheidet demnach die „Reduktionsflamme" und die „Oxydationsflamme". Die beiden Flammen sicher und rein zu erzeugen, ist nicht leicht und erfordert viel Übung. Ebenso ist es nicht ganz einfach, längere Zeit ununterbrochen zu blasen. Man muß dabei durch die Nase atmen, ohne daß der mit dem Munde erzeugte Luftstrom unterbrochen wird. Das Atmen erfolgt dabei ganz normal, die Brust darf nicht aufgeblasen sein. Die Hauptsache ist, mit dem Gaumensegel den Mundraum abzuschließen und nur mit dem Druck der Backenmuskeln und keinesfalls mit der Lunge zu blasen. Von Zeit zu Zeit werden die Backen neu aufgeblasen. Am besten erlernt man dies von einem Geübten. Als F l a m m e benutzt man am besten eine Öllampe mit flachem Dochte; für viele Zwecke genügt die l e u c h t e n d e Flamme des Bunsenbrenners 1 ). Um eine O x y d a t i o n s f l a m m e zu erhalten, führt man die Spitze des Lötrohres 1—2 cm über der Mündung des Brenners mitten in die Flamme ein und bläst kräftig, so daß aus der Brennerflamme ein Flammenspitzchen seitlich herausgeblasen wird; in ihm erkennt man deutlich einen kurzen, inneren Kegel und den ihn zum Teile umhüllenden, zum Teile fortsetzenden Flammenmantel, den eigentlichen Oxydationsraum. Zur Erzeugung einer R e d u k t i o n s f l a m m e taucht man die Spitze des Lötrohres nicht in die Flamme des Bunsenbrenners ein, sondern f ü h i t sie nur an die — natürlich nicht entleuchtete — Flamme heran und bläst nur schwach, so daß ein großer Teil der Flamme, in dem sich weder ein innerer Kern noch ein äußerer Mantel erkennen lassen, zur Seite schlägt.

Die Bearbeitung des Glases Der Chemiker kommt beim Zusammenstellen von Apparaten und bei anderen Gelegenheiten oft in die Lage, Glasröhren biegen zu müssen, sie abzuschmelzen, Bruchstellen abzurunden usw. Es ist sehr erwünscht, wenn er sich darin bald eine gewisse Fertigkeit 1

) Leuchtgas ist aber meist nicht ganz frei von Schwefelverbindungen!

Die Bearbeitung des Glases

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aneignet. Im folgenden seien einige Fingerzeige über die allereinfachsten Glasarbeiten gegeben; besser als aus ihnen wird man die Sache durch Z u s e h e n bei e i n e m G e ü b t e n lernen. Sehr empfehlenswert ist es, während des Studiums möglichst frühzeitig an einem G l a s b l a s e k u r s u s teilzunehmen. G l a s r o h r s c h n e i d e n . Glasröhren bis zu 1 cm Durchmesser zerschneidet man in folgender Weise. Mit einem scharfen Glasmesser wird das Glasrohr zum Fünftel bis Viertel seines Umfanges mit einem Einschnitte versehen. Dann faßt man das Rohr gemäß Fig. 4 voll mit beiden Händen und bricht es unter schwachem Ziehen auseinander. Bricht das Rohr nicht bei leisem Drucke, so muß man die Einschnittstelle vertiefen. Handelt es sich darum, weitere Glasröhren zu zerlegen oder engere dicht an einem Ende abzuschneiden, so empfiehlt es sich, die Röhren a b z u s p r e n g e n . Zu diesem Zwecke Figur 4. Glasrohr brechen. ritzt man ebenfalls und berührt Die durch den Strich zwischen den dann das eine Ende des Ritzes Daumen angedeutete Ritzstelle bemit der auf Rotglut erhitzten findet sich auf der vom Beschauer Spitze eines dünnen Glasstabes. abgewendeten Seite des Glasrohres E n d e n a b r u n d e n . Bei jedem Glasrohre, das verwendet werden soll, müssen die scharfkantigen Bruchstellen des Glases abgerundet werden. Dies macht man einfach dadurch, daß man das Ende des Rohres in der leuchtenden Flamme des Gebläses (d. h. ohne Luftzufuhr) 2—3 cm weit unter Drehen anwärmt und dann das äußerste Ende des Rohres in der entleuchteten Gebläseflamme (d. h. mit Luftzufuhr) unter beständigem Drehen erweicht; dabei schmilzt der Rand glatt. Man hüte sich, ein zu großes Stück des Glasrohres zu erweichen, weil sonst leicht der Durchmesser des Rohres durch Einfallen des erhitzten Teiles am Ende enger wird. Bei sehr weiten Röhren muß sehr sorgfältig angewärmt werden, da sonst leicht Sprünge entstehen. H e r s t e l l u n g e i n s e i t i g g e s c h l o s s e n e r G l a s r ö h r c h e n . Zu Glüh- und Sublimationsversuchen verwendet man vielfach einseitiggeschlossene Röhrchen. Zu ihrer Herstellung schneidet man ein Glasrohr von etwa 0,6 cm äußerem Durchmesser in etwa 12 cm lange Stücke. Ein solches Stück erweicht man in der Mitte unter fortwährendem Drehen in der Gebläseflamme; wenn das Glas ganz weich geworden ist, nimmt man es aus der Flamme und zieht es sofort so aus, daß ein etwa 10—15 cm langes, enges Glasröhrchen die beiden weiteren Stücke verbindet. Die Mitte dieses engen

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Die Bearbeitung des Glases

Teiles hält man nun noch einen Augenblick in die Flamme, so daß sie weich wird (Fig. 5 a), und zieht dann auseinander. Nun nimmt man die eine Hälfte, erweicht unter beständigem Drehen die Verjüngungsstelle und zieht den Glasfaden ab, so daß das etwa 6 cm lange Röhrchen jetzt vollkommen geschlossen ist (Fig. 5 b). Um den zunächst zugespitzten und ungleichmäßigen Verschluß abzurunden, erhitzt man das Ende nochmals unter beständigem Drehen und bläst nach A ^— dem Herausnehmen aus der Flamme mit dem Munde vorsichtig auf; dies wird, wenn nötig, wiederholt, bis das Glasröhrchen durch eine Figur 5. Herstellung einseitig geschlossener Rundung von g l e i c h Glasröhrchen mäßigerWandstärke geschlossen ist (Fig. 5 c). Bleibt an einer Stelle eine Verdickung, so springt das Glas beim Erhitzen leicht. In gleicher Weise können P r o b i e r g l ä s e r , deren Boden zerbrochen ist, wiederhergestellt werden. G l a s r o h r b i e g e n . Zum Biegen enger Glasröhren kann man zur Not die leuchtende Flamme eines sogenannten Schnittbrenners verwenden, die es gestattet, eine längere Strecke gleichmäßig zu erhitzen. Besser ist es, wenn sich schon der Anfänger daran gewöhnt, das Biegen von Glasröhren unter Benutzung der Gebläseflamme — p vorzunehmen, da man so auch weitere Röhren ' verarbeiten kann. Ein richtig gebogenes Rohr t) soll überall gleichen Durchmesser und annähernd gleiche Wandstärke besitzen (Fig. 6 a), nicht einen Knick, wie in Fig. 6b. Das Schwierigste beim Biegen ist das gleichmäßige Erhitzen des Glasrohres auf eine genügende Länge. Da b die Gebläseflamme nur eine geringe Breite a Fi ur6 Glasrohr muß man so vorgehen, daß man das zu biegen biegende Glasrohr unter fortwährendem Drehen so lange in der Gebläseflamme erhitzt, bis es an der erhitzten Stelle dickwandig geworden ist (Fig. 7a). Dabei faßt die linke Hand von oben (Fig. 8); sie trägt das Rohr und bestimmt die Geschwindigkeit des Drehens. Die Rechte, die das Rohr von unten hält, sorgt dafür, daß sich die rechte Seite des Rohres mit der gleichen Geschwindigkeit dreht wie die linke. Dieses Drehen einer weichgewordenen Glasmasse ist nicht ganz einfach; da es aber das A und O aller Glasarbeiten ist, muß man es unbedingt beherrschen.

Kork bohren

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Sobald der in Fig. 7a dargestellte Zustand erreicht ist, nimmt man das Rohr aus der Flamme, stellt es senkrecht und biegt es u n t e r g l e i c h z e i t i g e m Z i e h e n . Dabei nimmt der Durchmesser an der Biegungsstelle etwas ab. Durch vorsichtiges A u f b l a s e n wird dieses ausgeglichen. Zu diesem Zwecke darf das Rohr nur an einer Seite offen sein, an der anderen ist es vorher (etwa durch einen Korkstopfen) zu verschließen. Nach dieser Vorschrift stelle man sich ein rechtwinkelig gebogenes Glasrohr her, von dem der eine Schenkel etwa 4 cm, der andere etwa 12 cm lang ist; dies Rohr wird zum Einleiten Figur 7. Spitze ausziehen von Gasen in Flüssigkeiten benutzt. Spitze ausziehen. Um eine Spitze, etwa für eine Spritzflasche, zu machen, darf man nicht so verfahren, wie es bei der Herstellung der einseitig geschlossenen Röhrchen beschrieben wurde, weil der zugespitzte Teil des Rohres dabei zu dünnwanFigur 8. Glasrohr drehen dig wird. Man muß vielmehr in diesem Falle ganz ähnlich vorgehen, wie es soeben für das Biegen von Glasröhren beschrieben ist. Nachdem man den in Fig. 7a dargestellten Zustand hergestellt hat, nimmt man das Glasrohr aus der Flamme und zieht langsam aus, bis die gewünschte Verjüngung erreicht ist. Nach dem Erkalten schneidet man an geeigneter Stelle ab und schmilzt die Ränder rund (vgl. Fig. 7 b). Kork bohren Um in einen Kork ein Loch zu bohren, wählt man einen Korkbohrer, der eine Kleinigkeit enger ist, als es das gewünschte Loch sein soll, wärmt seine Schneide in der Flamme eines Bunsenbrenners etwas an (auf keinen Fall bis zum Glühen!) und setzt ihn auf die zu bohrende Stelle auf. Dabei hält man den Korkbohrer in der vollen rechten Hand, ihn gegen die Handfläche stemmend, und den Kork mit der linken Hand so, wie es die Fig. 9 zeigt. Nun wird gebohrt, indem der Korkbohrer stets nach derselben Richtung gedreht und dabei leicht gegen den Kork gedrückt wird. Macht

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Kork bohren

es Schwierigkeiten, das Loch auf einmal durchzubohren, so zieht man den Bohrer heraus, entfernt aus ihm das etwa mitgenommene Korkstöpselchen, erwärmt ihn nochmals und bohrt jetzt völlig durch. Auf jeden Fall muß das Bohren aus freier Hand geschehen; es darf nicht etwa der Tisch als Unterlage benutzt werden, weil dabei sowohl der Tis'ch als auch der Korkbohrer leiden würde. Etwaige Beschädigungen 5les Korkbohrers, die kaum vorkommen, wenn in der angegebenen Weise verfahren wird, bessert man mit einem KorkbohrerSchärfer oder von innen mit der Rund- und von außen mit einer dreikantigen Feile aus. Korke, die ein Kölbchen verschließen sollen, wählt man stets etwas größer, als zunächst nötig Figur 9. erscheint. Durch vorsichtiges, allmählich verKorke bohren stärktes Pressen in einer K o r k p r e s s e unter öfterem Drehen des Korkes macht man den Kork weich, so daß er sich jetzt in den Hals des Kölbchens eindrehen läßt und einen festen Verschluß abgibt. Soll durch einen solchen Kork ein Loch gebohrt sein, so drückt man zunächst den Kork weich, bohrt dann das Loch und drückt schließlich den durch das Bohren erweiterten Kork nochmals leicht in der Korkpresse, wobei das Loch entweder durch die Rundfeile oder den entsprechenden Korkbohrer ausgefüllt ist. In Gummistopfen können Löcher in der gleichen Weise gebohrt werden, wenn der Korkbohrer gut geschärft und mit etwas Natronlauge oder Glyzerin befeuchtet, aber nicht erwärmt ist. Besser benutzt man in diesem Falle allerdings eine kleine Bohrmaschine.

Größte Vorsicht ist beim E i n f ü h r e n von G l a s r ö h r e n in d u r c h b o h r t e S t o p f e n e r f o r d e r l i c h , da bei falscher Ausführung schwere Verletzungen eintreten können. Man faßt den Stopfen mit der linken Hand so, daß die Bohrung nicht auf die Innenfläche der Hand zeigt, sondern nach beiden Seiten frei ist, ähnlich wie dies für die linke Hand in der Fig. 9 dargestellt ist. Die rechte Hand faßt das einzusetzende Glasrohr, das vorher rund zu schmelzen und gegebenenfalls anzufeuchten ist, g a n z k u r z vor dem einzuführenden Ende. Nun schiebt man das Rohr u n t e r d a u e r n d e m D r e h e n mit s c h w a c h e m Druck in die Öffnung. Faßt man das Rohr weit vom Korken entfernt und drückt stark, so bricht es leicht ab und die scharfen Bruchstellen führen zu schweren Verletzungen (schmerzhafte, langsam heilende Fleischwunden, Sehnendurchschneidungen u. ä.).

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Nichtmetallverbindungen, erster Teil Säuren, Basen und Salze S ä u r o n sind w a s s e r s t o f f h a l t i g e V e r b i n d u n g e n , d e r e n W a s s e r s t o f f g a n z oder t e i l w e i s e d u r c h M e t a l l e r s e t z t w e r d e n k a n n . Man erkennt das Vorliegen einer Säure an dem Verhalten ihrer wäßrigen Lösung gegen sogenannte „ I n d i k a t o r e n " ; so wird z . B . blaue Lackmuslösung rot gefärbt.

Man stelle das Verhalten verschiedener Indikatoren selbst fest, indem man in Probiergläser etwas verdünnte Salz-, Schwefel- oder Salpetersäure gibt und sie mit wenigen Tropfen der Lösungen folgender Indikatoren versetzt: Lackmus, Phenolphthalein, Methylorange, Methylrot, Kongorot. Man notiere, welche Farben die Lösungen annehmen. E i n b a s i s c h e Säuren enthalten nur ein durch Metall ersetzbares Wasserstoffatom (Salzsäure HCl; Salpetersäure HN0 3 ; Überchlorsäure HC104). In zwei-, d r e i - , v i e r b a s i s c h e n Säuren sind zwei, drei, vier solcher Wasserstoffatome vorhanden (Schwefelsäure H 2 S0 4 ; Orthophosphorsäure H 3 P0 4 ; Pyrophosphorsäure H 4 P 2 0 7 ). Entzieht man einer sauerstoffhaltigen Säure Wasser, so erhält man die Säure-Anhydride: H 2 S0 4 — H a O = SO,; 2HN0 3 — H 2 0 = N 2 0 5 ; 2 H 3 P0 4 — 3 H 2 0 = P 2 0 5 ; 2 HC104 - H 2 0 = C1207. Wie die Beispiele zeigen, sind die Säure-Anhydride O x y d e von N i c h t m e t a l l e n . Durch Wasseranlagerung an die Anhydride entstehen wieder die Säuren. Beim Ersätze der Säurewasserstoffatome durch Metallatome entstehen aus den Säuren die Salze (erste Definition von Salzen). N e u t r a l e Salze entstehen aus den Säuren dadurch, daß aller überhaupt durch Metall ersetzbare Wasserstoff durch Metall ersetzt wird (z. B. Kaliumchlorid KCl; Natriumsulfat Na 2 S0 4 ; Natriumphosphat Na 3 P0 4 ). In s a u r e n Salzen ist nicht aller ersetzbare Wasserstoff durch Metall ersetzt (z. B. NaHS0 4 ; Na 2 HP0 4 . Über die nähere Benennung solcher saurer Salze vgl. S. 46). Den Gegensatz zu den Säuren bilden die B a s e n , die eine o d e r m e h r e r e O H - ( H y d r o x y l - ) G r u p p e n e n t h a l t e n . Wir nennen: NaOH Natriumhydroxyd, seine Lösung: Natronlauge; KOH Kaliumhydroxyd, seine Lösung: Kalilauge; Ca(OH)2 Calciumhydroxyd, seine Lösung: Kalkwasser. Je nach der Zahl der Hydroxylgruppen spricht man von ein-, zwei-, dreisäurigen Basen. Auch die Basen bilden A n h y d r i d e , z . B . : Ca(OH)2 — H 2 0 = CaO. Diese Basen-Anhydride sind M e t a l l o x y d e . Man kann daher auch definieren: Basen sind Stoffe, die durch Wasseranlagerung an Metalloxyde entstehen. Entsprechend den sauren gibt es auch b a s i s c h e Salze, in denen nur ein Teil der OH-Gruppen durch den Säurerest ersetzt ist. Genannt seien: Pb(0H)C10 4 und SbOCl; das letztere kann man als Anhydrid des eigentlichen basischen Salzes Sb(OH)2Cl auffassen.

Salzsäure und Chlor

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Man stelle das Verhalten v o n Lackmuslösung und den übrigen Indikatoren gegen Basen durch den Versuch fest. Läßt man die Lösung einer Säure mit der einer Base reagieren, so bildet sich W a s s e r und ein Salz (zweite Definition der Salze). Diesen N e u t r a l i sationsvorgang erläutert der folgende Versuch: Zu einer mit Lackmuslösung versetzten, also rot gefärbten Salzsäurelösung gebe m a n tropfenweise verdünnte Natronlauge. Dabei bleibt die Farbe zunächst unverändert; bei weiterer Zugabe v o n Lauge schlägt sie p l ö t z l i c h in Blau um. I m Augenblick der Farbänderung ist gerade alle vorhandene Salzsäure gemäß der Gleichung j^q HC1 + N a 0 H = NaC1 + umgesetzt. E s ist das n e u t r a l reagierende S a l z (NaCl) u n d W a s s e r entstanden. Bei weiterer Zugabe v o n Natronlauge erfolgt keine weitere Umsetzung mehr u n d die blaue Farbe bleibt unverändert bestehen. Entsprechend können sich Salze auch aus Säure- bzw. Base-Anhyd r i d e n bilden: CaO + 2 HCl = CaCl2 + H 2 0 2Na(0H) + C0 2 = Na 2 C0 3 + H 2 0 CaO + S0 3 = CaS0 4 . Salzsäure u n d Chlor C h l o r w a s s e r s t o f f HCl ist ein farbloses, stechend riechendes, an der Luft unter Wasseranziehimg nebelbildendes Gas, das sich in Wasser sehr reichlich löst; die Lösung ist die Chlorwasserstoffsäure oder „ S a l z s ä u r e " . Die „konzentrierte" Salzsäure des Laboratoriums ist eine 35- bis 40-proz., die „verdünnte" eine etwa 10-proz., die „2 normale" 1 ) eine 7,05-proz. wäßrige Lösung des Gases. Rohe Salzsäure enthält oft etwas Eisenchlorid und ist dadurch gelb gefärbt. In warmem Wasser, ferner in Lösungen seiner Salze und in anderen Säuren ist Chlorwasserstoff weniger löslich als in reinem, kaltem Wasser. Kleinere Mengen Chlorwasserstoffgas kann man deshalb durch Zutropfen von konzentrierter Schwefelsäure zu starker Salzsäure herstellen. Größere Mengen stellt man durch Erhitzen von Natriumchlorid mit Schwefelsäure her; dieses Verfahren wird auch in der Technik verwendet. — Salzsäure löst viele M e t a l l e unter Abgabe von Wasserstoff auf, z. B. Eisen, Zink, Aluminium. Ein Anhydrid kann die Salzsäure nicht bilden, weil sie keinen Sauerstoff enthält. Das in der Salzsäure enthaltene Chlor kann man durch Erwärmen mit Stoffen, die leicht Sauerstoff abgeben (z. B. Bleidioxyd Pb0 2 , Mangandioxyd, „Braunstein" Mn0 2 ), frei machen. Diesen Vorgang kann man sich s c h e m a t i s c h in verschiedenerWeise in Einzelstufen zerlegt denken, so z. B. in die folgenden 2 ): 2HC1 + 0 — } Oxydations-Reduktions-Vorgang MnO + 2 HCl = MnCla + H s O Neutralisation Mn0 2 + 4 HCl = MnCl2 + 2 H 2 0 + Cl2 Gleichung der Gesamtumsetzung Über den Begriff „normal" vgl. S. 22. ) Eine bessere, an dieser Stelle aber noch nicht verständliche Zerlegung lernen wir S. 33 kennen. 2

Salzsäure und Chlor

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Stoffe wie Bleidioxyd und Mangandioxyd bezeichnet man als Oxyd a t i o n s m i t t e l . Man versteht darunter Stoffe, die an andere Stoffe Sauerstoff abgeben (1. Definition) oder — wie in unserem Falle — ihnen Wasserstoff entziehen können (2. Definition). Das Gegenteil von Oxydation, also die Wegnahme von Sauerstoff oder die Zuführung von Wasserstoff, nennen wir Reduktion. Aus der Definition geht hervor, daß Oxydation und Reduktion stets miteinander gekoppelt auftreten müssen: der Stoff, der oxydierend wirkt (z. B. Sauerstoff abgibt), wird selber reduziert (ihm wird Sauerstoff weggenommen). Eine umfassendere Definition werden wir S. 32 kennenlernen. Chlor zersetzt viele Farbstoffe und wird daher zum Bleichen benutzt. Aus Jodiden und Bromiden verdrängt es die Halogene und setzt sie in Freiheit. Zum N a c h w e i s von Salzsäure und ihren Salzen dient der weiße Niederschlag von Silberchlorid, den man in wäßriger Lösung mit Silbernitrat erhält. Silberchlorid löst sich in Ammoniaklösung, nicht aber in Salpetersäure.

Man erhitze in einem Probierglase 1—2 ccm (10—20 Tropfen) konzentrierte Salzsäure unter dem Abzüge; es entweicht feuchtes Chlorwasserstoffgas. Zu 1—2 ccm konzentrierter Salzsäure, die sich in einem Probierglase befinden, gieße man, ebenfalls unter dem Abzüge, aus einem zweiten Probierglase (vgl. S. 6) t r o p f e n w e i s e vorsichtig etwa die doppelte Raummenge konzentrierter Schwefelsäure. Es entwickelt sich unter starkem Aufschäumen ein kräftiger Strom von C h l o r w a s s e r stoffgas. Eine Spatelspitze N a t r i u m c h l o r i d übergieße man im Probierglase unter dem Abzüge mit etwa 1 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Es entweicht C h l o r w a s s e r s t o f f g a s , das man bei dieser Darstellungsmethode wasserfrei erhält. 2NaCl + H 2 S0 4 = 2 HCl + Na 2 S0 4 . In ein etwa 50 ccm fassendes Kölbchen bringe man etwa 4 g granuliertes Z i n k , befeuchte es mit einigen Tropfen Wasser und übergieße es mit so viel konzentrierter Salzsäure, daß die Metallstücke eben bedeckt sind. Sofort decke man auf den Hals des Figur 10. Kölbchens einen Trichter — die Öffnung nach unten — Wasserund halte über das nach oben gerichtete Abflußrohr des Trichters ein Probierglas, ohne es auf den Trichter stoff-Entwicklung selbst aufzusetzen. Nach 1 / 2 —1 Minute hebe man das Probierglas hoch, schließe die Mündung sofort mit dem Daumen, drehe es verschlossen um und öffne es dicht an einer Flamme. Das aus dem Metall und der Säure nach der Gleichung Zn + 2HC1 = ZnCl2 + H 2 B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

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Salzsäure und Chlor

entwickelte W a s s e r s t o f f g a s entzündet sich und brennt mit farbloser, kaum sichtbarer Flamme im Probierglase herab. 2H 2 + 0 2 = 2 H 2 0 . Nachdem die Flamme v o l l k o m m e n erloschen ist, halte man das Probierglas noch einmal, aber kürzere Zeit über den Trichter, so daß die Luft aus ihm nur zum Teile verdrängt werde. Beim Entzünden explodiert nun der Inhalt des Probierrohres — je nach dem Mengenverhältnisse der Mischung —• mehr oder weniger lebhaft ( „ K n a l l g a s " ) . Man erwärme eine Spatelspitze B l e i d i o x y d mit etwa 1 ccm konzentrierter Salzsäure im Probierglase unter dem Abzüge. Es entweicht C h l o r , ein gelblichgrünes Gas von charakteristischem, unangenehmem Gerüche. Chlor greift die Schleimhäute stark an; man hüte sich also davor, viel davon einzuatmen. I m Probierglase bleiben neben überschüssiger Salzsäure weiße Kristalle von B l e i c h l o r i d zurück. P b 0 2 + 4 HCl = PbCl 2 + Cl2 + 2 H 2 0 . Zur Darstellung von Chlor kann man statt des teueren Bleidioxyds auch das billige rohe M a n g a n d i o x y d Figur 11. Chlor-Entwicklung („Braunstein") verwenden. Man stelle sich einen kleinen Gasentwicklungsapparat nach Fig. 11 her. Das Kölbchen fasse 50 ccm; das Glasrohr sei so zum Winkel von 65—75° gebogen, daß der eine Schenkel etwa 6 cm, der andere etwa 16 cm lang ist; die Glasrohrenden seien rund geschmolzen. Wenn der Apparat zusammengestellt, aber noch nicht gefüllt ist, prüfe man, ob er dicht schließt, indem man am Glasrohre saugt und feststellt, ob die Zunge einige Zeit haftfen bleibt. I n diesen Apparat bringe man etwa 2 g Braunstein und 5—7 ccm konzentrierte Salzsäure, verschließe ihn und befestige unter dem A b z ü g e den Kolbenhals mit einer Klammer an einem Stativ in solcher Höhe, daß der Kolbenboden etwa 5 cm über einen darunter gestellten, noch nicht angezündeten Bunsenbrenner zu stehen kommt. Dann schiebe man ein zum Drittel mit Wasser gefülltes Probierglas, das man mit der Hand hält, über das Gasableitungsrohr und erwärme den Kolben

Salzsäure und Chlor

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gelinde mit kleiner Flamme. Zuerst entweicht durch das vorgelegte Wasser Luft; dann kommt Chlorgas, das zum Teile vom Wasser gelöst wird und dieses gelblich färbt. Es bildet sich „Chlorwasser", das bis zu 0,8% elementares Chlor enthalten kann. Nach einigen Minuten nimmt man das vorgelegte Probierglas fort und entfernt erst dann die Flamme. Würde man die Flamme zuerst entfernen, so würde das Chlorwasser in den schnell erkaltenden Apparat zurücksteigen. In das den oberen Teil des Probierglases erfüllende Chlorgas halte man etwas rotes und etwas blaues angefeuchtetes L a c k m u s papier; es tritt Entfärbung des Lackmusfarbstoffes ein. Zu 1 ccm Indigo-Lösung gebe man etwas C h l o r w a s s e r : sofort verschwindet die tiefblaue Farbe des Indigos, und eine schmutzig-gelbe von Oxydationsprodukten des Indigos tritt auf. Man gebe zu einigen Tropfen K a l i u m j o d i d - L ö s u n g und zu einigen Tropfen K a l i u m b r o m i d - L ö s u n g je einen Tropfen Chlorwasser; es tritt Braun- bzw. Gelbfärbung von frei gewordenem J o d bzw. B r o m auf. 2 K J + Cl2 = 2 KCl + J2 2KBr + Cl2 = 2KCl + Br 2 . Man verteile die so erhaltenen brom- bzw. jodhaltigen Lösungen auf je zwei Probiergläser und schüttele das eine mit 1 ccm Schwefelkohlenstoff, das andere mit 1 ccm Chloroform kräftig durch. Nachdem sich die Flüssigkeit wieder in zwei Schichten getrennt hat, erkennt man, daß das Brom und das Jod in die nichtwäßrige Schicht übergegangen sind ( „ A u s s c h ü t t e l n " ) . Man notiere die Farben, die dabei auftreten. Man vermische einen Tropfen verdünnter S a l z s ä u r e mit einigen Kubikzentimetern destillierten Wassers und füge etwas verdünnte Silbernitrat-Lösung hinzu; es entsteht ein weißer Niederschlag von S i l b e r c h l o r i d , der sich beim Umschütteln flockig zusammenballt. HCl + A g N 0 3 = AgCl + H N 0 3 . Auf Zusatz einer ausreichenden Menge Ammoniak-Lösung löst sich der Niederschlag wieder auf. Löst man ein Körnchen N a t r i u m c h l o r i d in destilliertem Wasser auf und fügt einige Tropfen Salpetersäure und alsdann etwas Silbernitrat-Lösung hinzu, so fällt ebenfalls S i l b e r c h l o r i d aus. NaCl + AgNO s = AgCl + N a N 0 3 . Auch andere Salze der Salzsäure geben die gleiche Reaktion. Diese Tatsache ist nicht selbstverständlich; denn andere Chlorverbindungen, wie z. B. Überchlorsäure HC10., oder Chloroform CHC13, geben keine Fällung mit Silber2*

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Chemische Umsetzungen

nitrat-Lösung. Eine Erklärung für dieses verschiedenartige Verhalten werden wir S. 28 kennenlernen. Silberchlorid ist in Salpetersäure u n l ö s l i c h , wird aber, wie soeben gezeigt wurde, durch Zusatz von A m m o n i a k - L ö s u n g gelöst. Die Löslichkeit in Ammoniak unterscheidet das Silberchlorid vom Silberjodid, das sich nicht in Ammoniak-Lösung auflöst. Näheres vgl. S. 95 ff. Die Unlöslichkeit des Silberchlorids in Salpetersäure zu kennen, ist deshalb wichtig, weil das Auftreten eines schwer löslichen Niederschlages allein die Anwesenheit von Salzsäure oder Chloriden nicht mit Sicherheit verbürgt. Aus neutralen, d. h. nicht salpetersauren Lösungen, fallen auch schwer lösliche Silbersalze anderer Säuren aus.

Man stelle dies mit einem Tropfen N a t r i u m c a r b o n a t - L ö s u n g fest, den man mit etwas Wasser und einigen Tropfen SilbernitratLösung versetzt. Es entsteht ein dicker Niederschlag von S i l b e r c.arbonat; dieser löst sich aber auf Zusatz von Salpetersäure auf. Ist diese Lösung jetzt völlig klar, so war das Natriumcarbonat völlig frei von Natriumchlorid; bleibt eine Trübung, so enthielt es etwas davon. Ähnliches Verhalten beobachtet man z. B. mit • Kaliumnitrit- und Natriumphosphat-Lösung. Infolgedessen gibt man zur Prüfung auf Chloride stets soviel Salpetersäure hinzu, bis die Lösung deutlich sauer reagiert. Von Salpetersäure nur wenig gelöst wird auch das S i l b e r s u l f a t . Versetzt man ziemlich konzentrierte Silbernitratlösung mit Schwefelsäure, so fällt ein weißer Niederschlag, der bei Zugabe von Salpetersäure-Lösung nicht verschwindet. Verdünnt man jedoch mit destilliertem Wasser stärker, so geht er — im Gegensatz zum Silberchlorid — in Lösung. Unter den Bedingungen des analytischen Arbeitens ist daher eine Verwechslung nicht zu befürchten. Zum Nachweise von C h l o r i d e n im L e i t u n g s w a s s e r fülle man dieses in ein Probierglas und gebe einige Tropfen Salpetersäure und etwas Silbernitrat-Lösung hinzu. Eine Trübung zeigt einen geringen, ein Niederschlag einen größeren Gehalt an Chloriden an. Durch Zugabe von Ammoniak überzeuge man sich, daß wirklich Chloride vorliegen. Zur Anstellung aller dieser Versuche sind natürlich nur Probiergläser, die sorgfältig mit destilliertem Wasser ausgespült sind, zu verwenden. Der Salzsäure stehen die Jodwasserstoffsäure HJ, die Bromwasserstoffsäure HBr, die Cyanwasserstoffsäure HCN u. andere sehr nahe; sie verhalten sich in den meisten Umsetzungen ganz ähnlich. Diese Säuren werden später besprochen werden.

Chemische Umsetzungen Unter einer chemischen Umsetzung oder Reaktion versteht man einen Vorgang, bei dem sich aus vorhandenen Stoffen neue Stoffe bilden. Bei der Umsetzung zwischen Salzsäure und Silbernitrat bilden sich Silberchlorid und Salpetersäure.

Konzentration der Lösungen; Normallösungen

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Die meisten der in dieser Anleitung beschriebenen Umsetzungen werden in w ä ß r i g e r L ö s u n g durchgeführt, weil man für die Reaktionen der analytischen Chemie meist dieses Lösungsmittel benutzt. Es sei jedoch schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Anwesenheit von Wasser keineswegs Voraussetzung für chemische Umsetzungen ist. Es gibt auch Reaktionen in anderen Lösungsmitteln, in Gasen, Schmelzen, ja bei höheren Temperaturen auch zwischen festen Stoffen. Schließlich können auch Gase mit flüssigen und festen Stoffen reagieren usw. Beispiele für Umsetzungen bei Abwesenheit von Wasser, die in der präparativen Chemie heute sehr häufig durchgeführt werden, werden wir auch in dieser Anleitung gelegentlich kennenlernen. Zum E r k e n n e n von Stoffen durch chemische Umsetzungen (Nachweisoder Erkennungs-Reaktionen) benutzt man solche Umsetzungen, bei denen Stoffe von recht augenfälligen Eigenschaften — insbesondere farbige oder unlösliche Stoffe — entstehen. Eine Reaktion ist „ s p e z i f i s c h " oder „ e i n d e u t i g " , wenn sie nur bei Gegenwart eines bestimmten Stoffes eintritt. Allerdings wird dieser Idealfall nur selten erreicht; die meisten Umsetzungen sind nicht für einen Stoff, sondern jeweils für eine ganze Gruppe 1 von Stoffen charakteristisch; solche Reaktionen nennt man „ s e l e k t i v " . Wenn man z. B. eine zu untersuchende Lösung mit Silbernitrat-Lösung versetzt, so beweist, wie wir oben sahen, das Auftreten eines weißen flockigen Niederschlages, der in Salpetersäure unlöslich, in Ammoniak-Lösung leicht löslich ist, die Gegenwart von Salzsäure oder eines ihrer Salze. Diese Reaktion ist also charakteristisch für die Stoffgruppe: Salzsäure und ihre Salze. — Eine Reaktion ist „ e m p f i n d l i c h " , wenn sie schon unter Anwendung einer sehr geringen Stoffmenge ausführbar ist. So ist Silbernitrat ein empfindliches Reagens auf Salzsäure oder Chloride, weil schon äußerst kleine Mengen dieser Stoffe auf Zugabe von Silbernitrat einen Niederschlag liefern. F ü r d e n a n a l y t i s c h e n C h e m i k e r i s t es w i c h t i g , die c h e m i s c h e n U m s e t z u n g e n , die z u r E r k e n n u n g e i n e s S t o f f e s b r a u c h b a r s i n d , zu k e n n e n . E r m u ß d a b e i die B e d i n g u n g e n , u n t e r d e n e n diese R e aktionen eintreten, und ihre Zuverlässigkeit, d.h. ihre Spezifität und Empfindlichkeit, sorgfältig beachten.

Konzentration der Lösungen; Normallösungen Es ist zweckmäßig, bei Umsetzungen die richtigen Mengen der sich umsetzenden Stoffe zu verwenden; ein größerer Überschuß eines der Stoffe würde — von besonderen Ausnahmefällen abgesehen — zweckloser Ballast sein und oft Veranlassung zu Störungen geben. Deshalb verwendet man in den Laboratorien Lösungen von bestimmtem Gehalte. Den Gehalt einer Lösimg an gelöstem Stoffe kann man in zweierlei Weise bezeichnen: entweder gibt man den Prozentgehalt oder die Konzentration an. Unter P r o z e n t g e h ä l t versteht man die Angabe der Gramme gelösten Stoffes, die in 100 Gramm (also einer bestimmten G e w i c h t s m e n g e ! ) der Lösung enthalten sind; unter K o n z e n t r a t i o n die Angabe der Menge gelösten Stoffes, die in einem bestimmten V o l u m e n d e r f e r t i g e n L ö s u n g enthalten ist. Da das Volumen der Lösung sich — im Gegensatz zum Gewicht! — in der Regel nicht genau additiv aus den Bestandteilen zusammensetzt, ist stets eine Dichtebestimmung der Lösung erforderlich, wenn man beide Größen miteinander in Beziehung setzen will. Früher — und gelegentlich auch jetzt noch — verwendete man Lösungen von festgesetztem P r o z e n t g e h a l t e , meist 10-proz. Lösungen. Das ließ sich leicht merken, und man konnte beim Gebrauche sich durch eine Überschlagsrechnung schnell ausrechnen, wieviel man von jeder Lösung brauchte, um eine glatte Umsetzung zu erzielen. Auch entsprechen einige der wichtigsten

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Schwefelsäure

gleiohprozentigen Reagens-Lösungen einander annähernd: so die Salzsäureu n d die Natriumhydroxyd-Lösung und, wenn auch weniger gut, Schwefelsäure- und Salpetersäure-Lösungen. In einer Ammoniak-Lösung ist aber zweibis dreimal so viel Ammoniak enthalten, als zur Neutralisation des gleichen Raumteiles der genannten gleiohprozentigen Säurelösungen erforderlich ist. Heute stellt man deshalb — viel sachgemäßer — die Lösungen meist nach einem anderen Gesichtspunkte her. Man löst nicht, wie eben geschildert, von jedem Stoffe das gleiche Gewicht, etwa 10 g, für 100 g Lösung auf, sondern man berechnet ein für alle Male, wieviel von jedem Stoffe zu einem L i t e r L ö s u n g gelöst werden muß, damit alle Lösungen für gleiche Raumteile g l e i c h w e r t i g („äquivalent") werden, und stellt die Lösungen nach diesem Ansätze her. So kann man von den einwertigen Säuren und den einwertigen Basen ein Gramm-Molekelgewicht (ein „ M o l " ) zu je einem Liter Lösung mit Wasser lösen, also 36,46 g Chlorwasserstoff HCl; 63,02 g Salpetersäure HNO s ; 40,00 g Natriumhydroxyd NaOH; 56,10 g Kaliumhydroxyd K O H ; 17,03 g Ammoniak N H 3 . Gleiche Raumteile dieser Lösungen entsprechen dann einander vollkommen; je ein Kubikzentimeter jeder dieser Säure-Lösungen wird genau durch einen Kubikzentimeter jeder dieser Base-Lösungen neutralisiert. Von zweiwertigen Säuren und zweiwertigen Basen wird ein halbes Mol, von dreiwertigen ein drittel Mol gelöst; also 1 / 2 x98,08 = 49,04 g Schwefelsäure HÜSÜ!; Va X 171,38 = 85,69 g Bariumhydroxyd Ba(OH) 2 . Von Salzen verwendet man entsprechende Mengen, z . B . 169,89g Silbernitrat AgN0 3 ; V2 X 208,27 = 104,135 g Bariumchlorid BaCl 2 ; V3 X 162,21 = 54,07 g Ferrichlorid FeCl 3 . Die Größe: Molekelgewicht dividiert durch Wertigkeit nennt man ein „ Ä q u i v a l e n t " . Man verwendet also im Laboratorium nach Möglichkeit Lösungen gleicher K o n z e n t r a t i o n , gemessen in Ä q u i v a l e n t e n je Liter. Lösungen, die 1 Äquivalent im Liter gelöst enthalten, nennt man „ N o r m a l l ö s u n g e n " , z. B. „norm. Natriumhydroxyd-Lösung" oder „n-Natriumhydroxyd-Lösung". Lösungen von doppelter Konzentration heißen „Doppeltnormal-Lösungen"; Lösungen, die ein Zehntel so stark sind, „Zehntelnormal-Lösungen" usw.; z. B. „2n-Salzsäure-Lösung", „n/10-SchwefelsäureLösung". Von Doppeltnormal-Lösungen braucht man selbstverständlich das halbe Raummaß, von Zehntelnormal-Lösungen das Zehnfache, um gleichviel des gelösten Stoffes zu haben, wie von Normal-Lösungen. Die v e r d ü n n t e n L ö s u n g e n d e s L a b o r a t o r i u m s sind meist d o p p e l t n o r m a l . Von den Normal-Lösungen-sind die m o l a r e n Lösungen zu unterscheiden. Sie sind dadurch definiert, daß ein Liter von ihnen ein Gramm-Molekelgewicht des gelösten Stoffes enthält. Manchmal sind normale und molare Lösungen gleich, so bei Salzsäure und Natronlauge. Bei Schwefelsäure enthält jedoch die molare Lösung doppelt so viel wie die normale.

Schwefelsäure Die Schwefelsäure ist eine farblose, geruchlose, dickölige Flüssigkeit. Die „konzentrierte" Schwefelsäure des Laboratoriums enthält etwa 97 bis 98V27o H ? S 0 4 , die „verdünnte" 10%, die „2 norm." 9,25%. Konzentrierte Schwefelsäure vereinigt sich begierig mit Wasser; beim Mischen mit Wasser erwärmt sie sich stark. Infolge dieser wasserentziehenden Wirkung zerstört sie viele organische Stoffe, oftmals unter Verkohlung. B e i m A r b e i t e n m i t Schwefelsäure ist also besonders große Vorsicht und S a u b e r k e i t n ö t i g 1 ) . Andererseits kann man diese wasserentziehende Wirkung benutzen, 1 ) I n Kleider frißt konzentrierte Schwefelsäure gewöhnlich Löcher; verdünnte erzeugt , rote Flecke, die durch Betupfen mit Ammoniak-Lösung — auch nach einiger Zeit noch — zu entfernen sind.

Schwefelsäure

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um chemische Reaktionen zu erzwingen. So entsteht z. B. aus Ameisensäure (HC0 2 H) und konzentrierter Schwefelsäure Ivohlenmonoxyd CO, ein brennbares, giftiges Gas. Das A n h y d r i d der Schwefelsäure, S 0 3 , „Schwefelsäureanhydrid" oder „ Schwefeltrioxyd", kommt in mehreren Formen vor, als farbloses Öl oder als farbloser, in langen Nadeln („asbestartig") kristallisierender fester Stoff. Beide rauchen an der Luft unter Wasseranziehung stark. Durch Auflösen von Schwefeltrioxyd in konzentrierter Schwefelsäure erhält man die „ r a u c h e n d e S c h w e f e l s ä u r e " . In ihr ist eine neue Verbindung „ P y r o s c h w e f e l s ä u r e " H 2 S 2 0 7 vorhanden, die durch Vereinigung einer Molekel Schwefelsäure und einer Molekel Schwefeltrioxyd entsteht: H 2 S0 4 + S 0 3 = H 2 S 2 0 7 . Die „rauchende Schwefelsäure" des Handels ist ein Gemisch dieser Pyroschwefelsäure mit konzentrierter Schwefelsäure oder mit Schwefeltrioxyd. Sie gibt beim Erwärmen Dämpfe von Schwefeltrioxyd ab.

Man übergieße ein Stück F i l t r i e r p a p i e r , das in einer Abdampfschale liegt, mit einigen Tropfen konzentrierter Schwefelsäure; es löst sich langsam unter Bildung einer hellgelben Lösung auf. Man werfe ein Stückchen S t r e i c h h o l z (ohne Kuppe) in ein Probierglas zu ein wenig konzentrierter Schwefelsäure; unter Schwarzfärbung tritt Zerstörung der organischen Substanz ein. Zu 3 ccm W a s s e r gieße man aus einem zweiten Probierglase etwa den gleichen Raumteil konzentrierter Schwefelsäure. Die Mischung erwärmt sich stark. Man merke sich als Regel, daß bei Herstellung größerer Mengen verdünnter Schwefelsäure stets die konzentrierte S ä u r e langsam und unter guter Durchmischung z u m W a s s e r gegossen werden muß, nicht umgekehrt das Wasser zur Säure. H e i ß e k o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e d a r f k e i n e s f a l l s v e r d ü n n t o d e r in d e n A u s g u ß g e g o s s e n w e r d e n ! Man versetze unter dem Abzüge 2—3 ccm konzentrierte A m e i s e n s ä u r e mit etwa 1 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Das sich entweder von selbst oder bei geringem Erwärmen bildende K o h l e n o x y d g a s (Kohlenoxyd ist g i f t i g ! ) brennt, wenn man die Mündung des Probierglases an die Flamme bringt, mit intensiv blauer Flamme. HC0 2 H — H 2 0 = CO 2 CO + 0 2 = 2 C 0 2 . Man erhitze unter dem Abzüge etwa 1 ccm r a u c h e n d e S c h w e f e l s ä u r e in einem trockenen Probierglase; es entweicht S c h w e f e l t r i o x y d S0 3 , das mit der Feuchtigkeit der Luft dicke, weiße Nebel bildet. V e r d ü n n t e Schwefelsäure löst viele M e t a l l e (z. B. Eisen, Aluminium, Zink) unter Wasserstoff-Entwicklung zu ihren schwefelsauren Salzen (Sulfaten) auf, verhält sich also entsprechend wie Salzsäure. Fe + H 2 S 0 4 = F e S 0 4 + H 2 . K o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure dagegen verhält sich ganz anders; sie löst die genannten M e t a l l e bei Zimmertemperatur nicht auf. Bei höherer

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Schwefelsäure

Temperatur bilden sich zwar ebenfalls Sulfate, aber es wird kein Wasserstoff frei, sondern es entwickelt sich. S c h w e f e l d i o x y d S0 2 . Für Eisen z. B. kann man diesen Vorgang folgendermaßen formulieren: Fe + 2H 2 S0 4 = FeS0 4 + 2 H 2 0 + S0 2 . Zum Verständnis dieser Umsetzung ist es wesentlich, daß eine Molekel S c h w e f e l s ä u r e dabei als O x y d a t i o n s m i t t e l wirkt, wobei sie selbst zu Schwefeldioxyd reduziert wird. Das durch Oxydation entstandene Eisenoxyd bildet sofort mit der zweiten Molekel Schwefelsäure Ferrosulfat. Die voranstehende Gleichung kann somit zerlegt werden in zwei Gleichungen: Fe + H 2 S0 4 = FeO + S0 2 + H„0 Oxydation-Reduktion FeO + H 2 S0 4 = FeS0 4 + H 2 0 " Neutralisation. (Besser werden diese Vorgänge auf S. 33/34 klar werden.) S c h w e f e l s ä u r e i s t a l s o in v e r d ü n n t e m Z u s t a n d e n u r e i n e S ä u r e , i n k o n z e n t r i e r t e m Z u s t a n d e in d e r W ä r m e a b e r a u c h e i n O x y d a t i o n s m i t t e l ; als solches hat sie große Bedeutung. Bei Umsetzung mit Z i n k erleidet heiße konzentrierte Schwefelsäure sogar Reduktion zu elementarem S c h w e f e l und manchmal zu S c h w e f e l w a s s e r s t o f f H 2 S; Zink ist also ein stärkeres Reduktionsmittel als Eisen. Man entwickele die Umsetzungs-Gleichungen in entsprechender Weise.

Man übergieße in einem Probierglase Granalien von t e c h n i s c h e m (d.h. verunreinigtem, vgl. S. 103) Z i n k mit verdünnter Schwefelsäure, der man zweckmäßig einige Tropfen konzentrierter Schwefelsäure beimischt. Das Zink löst sich lebhaft zu Z i n k s u l f a t , und W a s s e r s t o f f entweicht reichlich. In einem trockenen Probierglase erhitze man u n t e r dem Abzüge ein Stückchen S t a n g e n z i n k von etwa 1 cm Länge mit wenig konzentrierter Schwefelsäure so stark, daß eine Umsetzung unter schwachem Aufschäumen beginnt. Die Umsetzung geht dann meist ohne weitere Wärmezufuhr fort; sollte sie nachlassen, so werde sie durch erneutes Erwärmen wieder in Gang gebracht. Im oberen Teile des Probierglases bildet sich ein gelber Beschlag von festem S c h w e f e l , und gelbe Schwefeltröpfchen scheiden sich ab •— ein eleganter Beweis für das Vorhandensein von Schwefel in der Schwefelsäure. Entweichendes S c h w e f e l d i o x y d — und manchmal auch S c h w e f e l w a s s e r s t o f f g a s — sind am Gerüche zu erkennen. Granuliertes Zink oder Zinkspäne dürfen bei diesem Versuche nicht verwendet werden, da sie zu heftig einwirken. Zum N a c h w e i s von Schwefelsäure und ihren Salzen werden lösliche Bariumsalze benutzt, mit denen sich das auch in Salz- und Salpetersäure praktisch unlösliche B a r i u m s u l f a t bildet: BaCl2 + H 2 S0 4 = BaS0 4 + 2 HCl Ba(N0 3 ) 2 + Na 2 S0 4 = BaS0 4 + 2NaN0 3 .

Man verdünne einen Tropfen verdünnter Schwefelsäure mit einigen Kubikzentimetern Wasser und setze einige Tropfen B a r i u m chlorid-Lösung hinzu: es fällt weißes B a r i u m s u l f a t aus. Beim Zusatz von Salz- oder Salpetersäure löst sich der Niederschlag nicht auf; (Wichtige Erkennungsprobe.)

Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre

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Auch alle wasserlöslichen Sulfate geben diese Reaktion. Zweckmäßig fügt man stets wenig Salz- oder Salpetersäure hinzu, weil auch Salze anderer Säuren (Carbonate, Phosphate) mit Bariumchlorid Niederschläge geben, die aber nur aus neutralen oder alkalischen Lösungen ausfallen. Bariumsulfat ist (neben dem S. 164—166 zu besprechenden Bariumsilicofluorid) der einzige Bariumsalz-Niederschlag, der auch aus saurer Lösung ausfällt.

Man weise Schwefelsäure im K u p f e r s u l f a t und im N a t r i u m s u l f a t nach, verwende von beiden Salzen aber nur sehr kleine Proben. Wird zu Bariumchlorid-Lösung k o n z e n t r i e r t e S a l z s ä u r e oder k o n z e n t r i e r t e S a l p e t e r s ä u r e gesetzt, so fällt nach kurzer Zeit ebenfalls ziemlich schwer lösliches B a r i u m c h l o r i d bzw. B a r i u m n i t r a t in derben Kristallen aus; beim Versetzen der Mischungen mit Wasser lösen sich diese Niederschläge aber wieder auf. Man hüte sich bei der Prüfung auf Schwefelsäure vor einem aus diesem Verhalten entspringenden Irrtume. Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre Elektrolyte; Leiter 2. Klasse. In den beiden Klemmen eines Elektrolysenstativs (vgl. Fig. 12) befestige man zwei dünne Bogenlampenkohlen in etwa 1—2 cm Abstand in solcher Höhe, daß sie fast bis auf den Boden eines 100 ccm fassenden Becherglases reichen, das auf einem Dreifuß oder Holzklotz steht. Die beiden Kohlen verbinde man mittels isolierter Zuleitungen (Klingeldraht) mit den Klemmen von 3 hintereinandergeschalteten Akkumulatoren (d. h. einer Spannungsquelle von 3 X 2,1 = 6,3 Volt) und schalte ein Amperemeter in Figur 12. Leitfähigkeits-Versuch den Stromkreis, das bis zu 5 Amp. abzulesen gestattet. Nun gieße man so viel Chloroform in das Becherglas, daß die Kohlen eben hineintauchen; das Amperemeter zeigt keinen Ausschlag. Chloroform ist also ein I s o l a t o r . Destilliertes Wasser und Alkohol, die man in gleicher Weise prüfe, sind ebenfalls Nichtleiter.

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Elektrolytisohe Dissoziation; Ionenlehre

Ebenso zeigen Lösungen von Zucker oder Alkohol in destilliertem Wasser mit unserer Anordnung keine meßbare Leitfähigkeit. Anders ist es, wenn man Lösungen folgender Stoffe prüft : Schwefel-, Salz- und Salpetersäure, Natronlauge, Kochsalz, Natriumcarbonat, Magnesiumchlorid, Kupfersulfat. (Man benutze die etwa 2n-Lösungen des Arbeitsplatzes.) Bringt man diese Stoffe in das Becherglas (das selbstverständlich jedesmal gut mit destilliertem Wasser auszuspülen ist!), so zeigt das Amperemeter einen erheblichen Aussehlag, dessen Größe man in das Arbeitsheft eintrage. Die eben genannten Lösungen leiten also den elektrischen Strom. Man bezeichnet daher Stoffe wie Salz-, Salpeter- und Schwefelsäure, Natronlauge, Natriumchlorid- und carbonat, Magnesiumchlorid, Kupfersulfat — oder allgemeiner gesagt, S ä u r e n , B a s e n u n d S a l z e — als E l e k t r o l y t e . Die Leitfähigkeit der Elektrolytlösungen ist allerdings längst nicht so groß wie die von Metallen. Außerdem unterscheiden sich diese Stoffe von den Metallen auch dadurch, daß bei ihnen mit dem Stromdurchgang stets eine chemische Umsetzung verbunden ist. Während ein Metalldraht bekanntlich durch den Stromdurchgang stofflich in keiner Weise verändert wird, beobachtet man bei den wäßrigen Lösungen bei unseren Versuchen an den Kohlestäben, den „Elektroden", entweder Gasentwicklung (Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff) oder Metallabscheidung (Kupfer beim Kupfersulfat). Daher unterscheidet man diese Lösungen als L e i t e r 2. K l a s s e von den Metallen, den Leitern 1. Klasse. Den durch das Anlegen einer Spannung erzwungenen Stromdurchgang unter Stoffabscheidung an den Elektroden bezeichnet man als „ E l e k t r o l y s e " . Molekelffewichte in Lösungen. In der Experimental-Vorlesung werden die Methoden besprochen, mit denen man die Molekelgewichte gelöster Stoffe bestimmen kann (z. B. durch Messung der Gefrierpunkts-Erniedrigung bzw. der Siedepunkts-Erhöhung). Untersucht man nach diesen Methoden die Molekelgewichte von solchen Lösungen, die den elektrischen Strom nicht leiten, so findet man die erwarteten Werte. Prüft man dagegen gut leitende Lösungen, so findet man z. B. für Natriumchlorid statt 58,5 (23 + 35,5) nur wenig mehr als 29 (V2 X 58,5), für Magnesiumchlorid nur wenig mehr als 31 ( 1 / 3 X 94,3), oder ganz allgemein Werte, die nur 1 / a bis 1 / 3 so groß sind, wie man es nach der formelmäßigen Zusammensetzung der Molekeln erwarten würde. Dies ist ein zweites Kennzeichen der „Elektrolyte". Ionenlehre. Die geschilderten Erscheinungen bei den Elektrolytlösungen führten den Schweden S v a n t e A r r h e n i u s 1887 zu der Erkenntnis, daß die in ihnen gelösten Molekeln in kleinere Spaltstücke zerfallen sind, die elektrisch geladen sind. Für diese geladenen Spaltstücke benutzte er die schon von F a r a d a y stammende Bezeichnung I o n e n . So zerfällt z. B. Chlorwasserstoffgas beim Auflösen in Wasser in positiv geladene Wasserstoffionen und negativ geladene Chlorionen. Natriumchlorid bildet neben positiv geladenen Natriumionen ebenfalls Chlorionen. Aus Natriumsulfat Na 2 S0 4 entstehen positiv geladene Natriumionen und negativ geladene Sulfationen, von den ersten doppelt so viel wie von den zweiten usw. Diese Ionen sind wegen ihrer Ladung grundsätzlich verschieden von den elektrisch ungeladenen freien Elementen. So zeigt eine Kochsalz-Lösung, die ja positiv geladene Natrium- und negativ geladene Chlor-Ionen enthält, nichts von den Eigenschaften des Natriummetalls oder des freien Chlors. Letzteres löst sich zwar auch in Wasser, aber Chlorwasser sieht gelbgrün aus, ätzt und riecht nach freiem Chlor, während eine Kochsalz-Lösung färb- und geruchlos ist. Betrachten wir nun die Eigenschaften der Ionen im einzelnen. Man er-

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kennt das V o r z e i c h e n d e r L a d u n g eines Ions daran, daß das Ion bei der Elektrolyse an die Elektrode entgegengesetzten Vorzeichens wandert, dort seine Ladung ausgleicht und in elektrisch nicht geladener Form in Erscheinung tritt. So wandern alle p o s i t i v geladenen Ionen (die K a t i o n e n ) zur n e g a t i v e n Elektrode (der K a t h o d e ) , die n e g a t i v geladenen A n i o n e n dementsprechend zur p o s i t i v e n Anode. An der Kathode werden z. B. die positiv geladenen Wasserstoffionen unter Aufnahme negativer Ladung zu ungeladenen Wasserstoffatomen entladen, die sich paarweise zu ebenfalls ungeladenen Wasserstoffmolekeln vereinigen. Entsprechend werden die negativ geladenen Chlorionen an der Anode entladen; es entstehen ungeladene Chlormolekeln. Die Metallatome und der Wasserstoff bilden positiv geladene Ionen; viele Nichtmetallatome, die Hvdroxyl-Gruppe und die Säurereste treten als negative Ionen auf. Über die G r ö ß e d e r L a d u n g e n haben Vcrsuchc, die hier nicht im einzelnen besprochen werden können, folgendes ergeben: Mißt man die Ladung der einzelnen Ionen in der Einheit der sogenannten Elementarladung, so findet man, daß nur ganzzahlige Vielfache dieser Elementarladung vorkommen. Die Zahl dieser Ladungen ist gleich der Wertigkeit des betreffenden Atoms bzw. der Atomgruppe und wird deshalb auch „ E l e k t r o v a l e n z z a h l " genannt. Bezeichnet man eine positive Elementar-Ladung mit einem hochgestellten Plus-, eine negative mit einem Minus-Zeichen, so kommen demnach z. B. folgende Ionen vor: H+, Na+, Mg2+ (bzw. Mg++), Al 3 +; Cl-, OH-, N 0 3 - , S2-, S042-, P 0 4 3 Dabei ist natürlich der Absolutwert der positiven Elementarladung gleich dem der negativen; denn die Ladungen der entgegengesetzt geladenen Ionen einer Elektrolytlösung heben sich ja gegenseitig auf, die Lösung erscheint nach außen „elektroneutral". Manche Elemente können Ionen verschiedener Ladung bilden. So gibt es z. B. Cu2+- und Cu+-Ionen, sowie Fe 3 +- und Fe 2 +-Ionen. Säuren, Basen, Salze. Die Ionenlehre gestattet, eine neue D e f i n i t i o n von S ä u r e n , B a s e n u n d S a l z e n zu geben: S ä u r e n bilden in wäßriger Lösung W a s s e r s t o f f i o n e n und negativ geladene S ä u r e r e s t i o n e n . Z . B . : HCl = H-i + ' C l - ; H 2 S0 4 _ H+ H S 0 4 " bzw. H S 0 4 " = H+ + S 0 4 - - oder H 2 S0 4 = 2H+ + S 0 4 2 - . B a s e n zerfallen in negativ geladene H y d r o x y l i o n e n und positiv geladene B a s e n r e s t i o n e n ; bei den letzteren handelt es sich vorwiegend um Metallionen. Beispiele: NaOH = Na+ O H - ; Ca(OH)2 = Ca2+ + 2 0 H - ; NH 4 OH = NH 4 + + O H - . Salze schließlich bilden positiv geladene B a s e n r e s t i o n e n (meist Metallionen) und negativ geladene S ä u r e r e s t i o n e n : NaCl = Na+ + Cl - ; CaS0 4 = C a 2 + + S 0 4 2 - ; (NH 4 ) 2 C0 3 = 2NH 4 + + C0 3 2 - . Farbe der ElektrolyULösungen. Weiterhin erklärt die Ionenlehre ohne weiteres die auffällige Tatsache, daß die Farbe der wäßrigen ElektrolytL ö s u n g e n meist in einem sehr leicht zu übersehenden Zusammenhange mit der Art des gelösten Stoffes steht. So sind — vorausgesetzt, daß man genügend verdünnte Lösungen betrachtet — alle Lösungen von Salzen des zweiwertigen Kupfers deswegen blau, weil der färbende Bestandteil das in allen Lösungen zweiwertiger Kupfersalze vorhandene g e l ö s t e (vgl. dazu auch S. 30) Cu2+-Ion ist. In ähnlicher Weise sind alle gelösten Nickelsalze grün gefärbt, alle Chromate geben gelbe, alle Permanganate dunkelviolette Lösungen. Ionenreaktionen. Soeben wurde gezeigt, daß Säuren Stoffe sind, die in wäßriger Lösung H+-Ionen abspalten. Damit wird sofort verständlich, warum s

) Daneben ist noch eine andere Bezeichnungsweise in Gebrauch, bei der eine positive Ladung durch einen Punkt, eine negative durch ein Komma bezeichnet wird, also: H", Na', Mg", AI"'; Cl', OH', N O / , S", S0 4 ", P 0 4 " ' .

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Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre

gewisse Umsetzungen von allen Säuren in gleicher Weise gegeben werden, so z. B. die Farbreaktionen mit Indikatoren und die Auflösung unedler Metalle unter Wasserstoff-Entwicklung. Ebenso versteht man, warum bestimmte Umsetzungen aller Basen untereinander gleich sind; es handelt sich um Wirkungen der OH_-Ionen. Der Vorgang der N e u t r a l i s a t i o n einer Säure mit einer Base in wäßriger Lösung besteht also nach der Ionenlehre in folgendem: Wenn die Säure (z. B. H+, Cl-) zur Base (z. B. Na+, OH - ) gegeben wird, so vereinigen sich die Wasserstoffionen mit den Hydroxylionen zu dem elektrolytisch nur minimal dissoziierten Wasser; die Säurerest- und die Baserestionen bleiben dagegen unverändert in Lösung: H+ + Cl- + Na+ + OH- = H 2 0 + Cl" + Na+ . Der einzige Stoff, der sich bei dem Neutralisations-Vorgange wirldich bildet, ist das Wasser, wie man besonders deutlich sieht, wenn man auf beiden Seiten der Gleichung die gleichen Summanden streicht; es bleibt dann als allgemeine Neutralisationsgleichung: H+ + OH" = H 2 0 . Auch die Erscheinung, daß Salzsäure und alle ihre Salze mit Silbernitrat-Lösungen die gleiche Umsetzung, nämlich eine Fällung von Silberchlorid, geben, wird nun verständlich. Diese Umsetzung ist nämlich charakteristisch für das Cl~-Ion. Statt die ausführlichen Gleichungen zu schreiben, wie: HCl + AgN03 = AgCl + HN0 3 NaCl + AgN03 = AgCl + NaN0 3 CaCl2 + 2AgN03 = 2AgCl + Ca(N03)2 , genügt es daher zur Beschreibung aller drei Beispiele vollständig, wenn man, ähnlich wie es soeben für die Neutralisation abgeleitet wurde, nur die wirklich unter den Ionen vorgehenden Veränderungen schreibt: er- + Ag+ = AgCl. Daß es sich dabei tatsächlich um eine Ionenreaktion handelt, erkennt man daran, daß Chloroform (CHC13) diese Umsetzung nicht gibt. Chloroform ist ja nach S. 25 ein Isolator, liefert also keine Cl_-Ionen. In ganz entsprechender Weise läßt sich der Nachweis von Schwefelsäure bzw. Sulfaten durch Fällung mit Bariumchlorid-Lösung durch folgende Gleichung beschreiben: Ba2+ + S 0 4 2 - = BaS0 4 . Gleichungen, wie die eben genannten, bezeichnet man als Ionengleichungen. Sie haben vor den bisher verwendeten Summen- oder BruttoGleichungen den Vorteil, daß sie erkennen lassen, was wirklich in der Lösung vorgeht. So ersieht man z. B. aus der allgemeinen Neutralisationsgleichung: H+ + 0H~ = HaO, daß bei der Neutralisation von Natronlauge mit Salzsäure der Zustand der Na+- und Cl~-Ionen nicht verändert wird. Dagegen läßt die Ionengleichung z. B. nicht ersehen, was vorgeht, wenn man die Lösimg eindampft; dann vereinigen sich die Na+- und Cl--Ionen natürlich zu festem Chlornatrium. Dies ersieht man erst aus der Bruttogleichung. Wir werden im folgenden in der Hauptsache die bisher benutzten Bruttogleichungen weiter verwenden und nur in einzelnen Fällen auch die Ionengleichung angeben. Man übe sich aber möglichst o f t , die B r u t t o gleichungen in Ionengleichungen umzuschreiben. DissQgiationsgrfiil; starke und schwache Eleletrolyte. Viele Elektrolyte sind in Wäßriger Lösung praktisch vollständig in Ionen zerfallen;

Chemische Bindungskräfte

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bei anderen ist dies nicht der Fall. Man überzeuge sich davon durch folgende Versuche: Mit der S. 25 beschriebenen Einrichtung prüfe m a n bei gleichem Abstand der Kohle-Elektroden wie früher die elektrische Leitfähigkeit von verdünnter Essigsäure u n d von Ammoniaklösung (näheres vgl. S. 58). Die Ausschläge des Amperemeters sind jetzt erheblich kleiner als die früher bei Natriumchlorid-, Schwefelsäure-usw. Lösungen beobachteten. Elektrolyte, die in wäßriger Lösung nur teilweise in Ionen zerfallen, bezeichnet man als s c h w a c h im Gegensatz zu den praktisch vollständig dissoziierten s t a r k e n Elektrolyten, wie Natriumchlorid, Salzsäure, Natronlauge usw. Schwache Elektrolyte findet man insbesondere bei Säuren (z. B. Essigsäure, Blausäure, Schwefelwasserstoff) und Basen (z. B. Ammoniaklösung). Bei den Salzen sind schwache Elektrolyte sehr selten. Bei Elektrolytlösungen nennt man denjenigen Bruchteil aller gelösten Moleküle, der in Ionen zerfallen ist, den „ D i s s o z i a t i o n s g r a d " . Vollständiger Dissoziation entspricht also der Dissoziationsgrad 1. Anschaulicher ist es, den Dissoziationsgrad in Prozenten auszudrücken. Bei den starken Elektrolyten liegt er nahe bei 100% > bei den schwachen ist er kleiner, oft sogar sehr klein. So sind z. B. in 1 norm. Lösung in Ionen zerfallen: Salzsäure zu fast 100%, Schwefelsäure dagegen nur zu etwa 60%, Phosphorsäure zu 7%, Essigsäure zu etwa 0,4%. Eine Angabe über den Dissoziationsgrad irgendeines gelösten Stoffes hat nur Sinn, wenn, wie es eben geschehen ist, gleichzeitig die Konzentration angegeben ist; denn mit steigender V e r d ü n n u n g steigt, wie wir S. 74 noch an einem Versuch sehen werden, der Dissoziationsgrad an. So erklärt sich z. B. der S. 23/24 besprochene Unterschied zwischen verdünnter und konzentrierter Schwefelsäure aus der Tatsache, daß in der verdünnten Säure vorwiegend Ionen, in der konzentrierten vorwiegend undissoziierte Molekeln vorliegen. Die Kenntnis der Stärke der Säuren und Basen ist von großer Bedeutung für das Verständnis des chemischen Verhaltens. So werden, um an dieser Stelle nur ein Beispiel zu nennen, schwache Säuren die typischen Säurereaktionen nicht so ausgeprägt zeigen wie die starken; denn diese Reaktionen beruhen ja auf der Anwesenheit von H+-Ionen. Z. B. lösen sich Metalle, wie Zink, in starken Säuren viel schneller auf als in schwachen. Weitere zahlreiche Beispiele werden wir bei der Besprechung des Massenwirkungsgesetzes kennenlernen. Man gebe zwei gleich große Stücke v o n granuliertem t e c h n i s c h e m , d. h. verunreinigtem Z i n k (reines Zink löst sich zu langsam, vgl. auch S. 103) in 2 n-Salzsäure und 2 n-Essigsäure und vergleiche die Lösungsgeschwindigkeiten.

Chemische B i n d u n g s k r ä f t e Ionenbindung. Auch im kristallisierten Zustande sind die Salze aus positiv und negativ elektrisch geladenen Atomen aufgebaut, überderen räumliche Anordnung wir durch Beugungsversuche mit Röntgenstrahlen (v. Laue) in der Mehrzahl'der Fälle gut unterrichtet sind (vgl. das „Kristallgitter" von Kochsalz in Fig. 13, S. 30). Allerdings leiten die festen Salze in der überwiegenden Mehrzahl den elektrischen Strom nicht, da die geladenen Atome im „Kristallgitter" ihre Plätze wegen der elektrostatischen Anziehung durch die^entgegengesetzt

Chemische Bindungskräfte

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geladenen Nachbaratome nicht ohne weiteres wechseln können 1 ). Diese elektrostatischen Kräfte erklären u. a. auch die Härte und den hohen Schmelzpunkt der meisten Salze. Beim Auflösen in Wasser dagegen schiebt sich Wasser zwischen die Ionen (Näheres siehe S. 95ff.) und drängt sie gegen die elektrostatische Anziehung auseinander. Die gelösten Ionen lassen sich nun leicht von einer Stelle an die andere bewegen; daher leiten Elektrolyt-Lösungen den Strom. Daß gelöste Ionen mit einer Hülle fest gebundener Wassermolekeln umgeben („hydratisiert") sind, erkennt man in einigen Fällen an ihrer F a r b e . So ist z. B. wasserfreies Kupfersulfat farblos; Cu 2+ -Ionen sind demnach farblos. Bindet Kupfersulfat dagegen Wasser, so daß das feste Hydrat CuS0 4 -5H 2 0 („Kupfervitriol") entsteht, so beobachtet man bereits die blaue Farbe, die für die wäßrigen Kupfersalz-Lösungen kennzeichnend ist. Die blaue Farbe muß also durch eine Wechselwirkung zwischen den Cu 2 +-Ionen und den an diese gebundenen Wassermolekeln zustande kommen.

Man erhitze ein Kupfersulfat-Kriställchen im Reagenzglase; es verdampft Wasser und die blaue Farbe verschwindet. Befeuchtet man das entstandene farblose Kristallpulver mit Wasser, so färbt es sich wieder blau.

Figur 13. Kochsalz-Gitter

Figur 14. Tetraeder

Allerdings muß man mit der eben benutzten Schlußweise vorsichtig sein; es ist keineswegs immer zulässig, aus der Farbe der f e s t e n Salze auf die Farbe der Ionen zu schließen. Denn ebenso gut, wie die Wechselwirkung von Cu2+-Ionen und Wasser zur blauen Farbe führt, kann auch die Wechselwirkung zwischen den Cu2+-Teilchen und den negativ geladenen Gitternachbarn zu Änderungen der Farbe führen. So ist z. B. festes Kupferchlorid CuCl2 braun, Kupferbromid CuBr 2 schwarzbraun, Kupferoxyd CuO schwarz. Auch zusammengesetzte, „ k o m p l e x e " (Näheres vgl. S. 93) Ionen, wie z. B. das [S0 4 ] 2 ~-Ion, können wir uns nach W. Ko.ssel aus geladenen Teilchen auf2 -

gebaut denken 2 ):

2 -

O 6 unter „konzentrierter Natronlauge" versteht man eine etwa 33°/oig e Lösung von Natriumhydroxyd. Organische Stoffe, namentlich tierische Fasern, wie Wolle und Haut, werden von Natronlauge angegriffen. Die Finger fühlen sich nach dem Benetzen mit Natronlauge schlüpfrig an. Man setze e t w a s Natronlauge zu Proben v o n C a l c i u m - , F e r r i - , K u p f e r - u n d K o b a l t salz-Lösung. E s fallen die H y d r o x y d e dieser Metalle aus. Man notiere i m Arbeitstagebuch die Farbe der Niederschläge u n d beschreibe ihr Aussehen. CaCl 2 FeCl 3 CuS04 CoS04

+ + + +

2NaOH 3NaOH 2NaOH 2NaOH

= = = =

Ca(OH) 2 Fe(OH)3 Cu(OH) 2 Co(OH) 2

+ 2NaCl + 3NaCl + Na2S04 + Na2S04.

Solche Fällungen sind für den analytischen Nachweis der Metalle oft von Bedeutung; außerdem wird die Fällung mit Natronlauge oft zur Darstellung von Metallhydroxyden benutzt. W i r d eine Spur einer beliebigen N a t r i u m v e r b i n d u n g a m Platindraht i n die F l a m m e gebracht, so färbt sich diese intensiv g e l b .

54

Natrium

Bei Prüfung mit einem Spektroskop erkennt man eine gelbe Linie. Dieser Nachweis für Natrium gehört zu den empfindlichsten Reaktionen, die wir kennen; Bruchteile von einem Tausendstel Milligramm Natrium genügen bereits, um eine deutliche Flammenfärbung zu erzeugen, so daß schon der Staub der Laboratoriumsluft gelegentlich ein vorübergehendes gelbes Aufleuchten der Flamme hervorruft. Wegen der großen Empfindlichkeit muß man sich vor Anstellung dieser Reaktion besonders davon überzeugen, daß der Platindraht frei von Natrium ist und ihn nötigenfalls so lange ausglühen und zwischendrein mehrfach mit konzentrierter Salzsäure benetzen, bis er der Flamme keine Färbung mehr erteilt. Im Gegensatz zu der großen Löslichkeit fast aller Natriumsalze in Wasser steht die Schwerlöslichkeit des Salzes der Antimonsäure, bei dem es sich wahrscheinlich, aber nicht sicher (vgl. S. 148) um das saure N a t r i u m p y r o a n t i m o n a t Na 2 H 2 Sb 2 0 7 handelt. Da das entsprechende Kaliumsalz in Wasser leichter löslich ist, kann man seine Lösung als Reagens auf Natriumverbindungen benutzen. Die Umsetzung ist aber nur dann eindeutig, wenn die auf Natrium zu prüfende Lösung neutral oder alkalisch und frei von anderen Metallsalzen als denen der Alkalimetalle ist. Eine sehr empfehlenswerte Reaktion auf Natrium ist die folgende. Man bringt auf einen Objektträger einen Tropfen einer gesättigten Lösung von U r a n y l a c e t a t (U0 2 )(CH 3 C0 2 ) 2 in 10-proz. Essigsäure und einen Tropfen der auf Natrium zu prüfenden Lösung. Wenn Natrium zugegen ist, sieht man nach einigen Minuten unter dem Mikroskope kleine derbe stark glänzende Tetraeder von N a t r i u m uranyl a c e t a t Na(U0 2 )(CH 3 C0 2 ) 3 , die vielfach als Dreiecke erscheinen; daneben finden sich häufig Wachstumsformen1). Oft ist es nötig, vorher mit ganz kleiner Flamme (Sparbrenner!) etwas einzuengen, auf keinen Fall aber bis zur Trockne. Auch neben viel Kalium (vgl. dazu S. 57) kann Natrium so sicher erkannt werden. Gegenwart von Ammoniumsalzen beeinflußt die Reaktion nicht. Wohl aber stören freie Mineralsäuren und namentlich Phosphorsäure; auch darf die zu prüfende Lösung nicht zu verdünnt sein. — Noch empfindlicher ist der ähnliche Nachweis des Natriums als Natrium zink uranyl acetat. Die Natriumverbindungen gehören zu den wichtigsten Stoffen; sie finden in der Technik und im Laboratorium ausgedehnte Anwendung. N a t r i u m c h l o r i d („Kochsalz") NaCl. Würfelförmige Kristalle, die frei von Kristallwasser sind. Eine Zusammenstellung von mikroskopischen Bildern analytisch wichtiger Kristallformen findet sich in dem Werk: W. Geil m a n n , Bilder zur qualitativen Mikroanalyse anorganischer Stoffe. Leipzig 1934.

Natrium

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Dies erkennt man daran, daß eine Probe Natriumchlorid beim Erhitzen im einseitig geschlossenen Röhrchen keine Wasserdämpfe abgibt, die sich durch einen an den kälteren Stellen des Rohres auftretenden Hauch von Wassertröpfchen bemerkbar machen würden. Dagegen beobachtet man bei diesem Versuche eine andere Erscheinung, die noch besser zutage tritt, wenn man einige Kristalle Natriumchlorid auf der Magnesiarinne oder einem Tiegeldeckel erhitzt: die Kristalle zerspringen unter Knistern, wobei die Bruchstücke oft weit fortgeschleudert werden (die Kristalle , ,dekrepitieren''). Dies rührt davon her, daß die Kristalle „Mutterlauge" eingeschlossen enthalten, deren Dampf beim Erhitzen die Kristalle zersprengt. N a t r i u m c a r b o n a t (Kohlensaures Natrium, „Soda") Na 2 C0 3 bildet mit zehn Molekeln Kristallwasser farblose, derbe Kristalle; wasserfrei ist es ein weißes Pulver.

Man weise das Kristallwasser eines Kriställchens durch Erwärmen im Glühröhrchen nach. Soda-Lösung fällt aus den Lösungen vieler Metallsalze deren C a r b o n a t e aus. Man stelle den Versuch mit etwas Calcium-, Magnesium- und Kupfersalz-Lösung an, notiere Farbe und Aussehen der Niederschläge und bilde die Umsetzungsgleichungen. N a t r i u m b i c a r b o n a t (saures kohlensaures Natrium, weniger gut: „doppeltkohlensaueres Natron") NaHC0 3 . Dies Salz ist in Wasser erheblich schwerer löslich als das neutrale Salz und ist deshalb ein wichtiges Zwischenglied bei der technischen Sodaherstellung. Über die Herstellung von Kohlendioxyd aus Natriumbicarbonat vgl. S. 40/41. N a t r i u m n i t r a t (Natriumsalpeter, „Chilesalpeter") NaN0 3 . Natriumnitrat war früher das Ausgangsmaterial zur Darstellung der Salpetersäure und wird auch jetzt noch in großen Massen als Düngemittel benutzt, namentlich in Amerika.

Man weise in einer Probe das Natrium durch die Flammenfärbung, die Salpetersäure durch die Ferrosulfatprobe nach (s. S. 39). Natriumnitrat ist im Gegensatz zu Kaliumnitrat hygroskopisch und deshalb zur Herstellung von Schießpulver ungeeignet. Im N a t r i u m p e r o x y d Na 2 0 2 , einem gelblich weißen Pulver, ist nicht etwa 2 wertiges Natrium vorhanden, sondern Na-Teilchen und doppelt negativ geladene 02-Gruppen. (Näheres siehe S. 157.) Natriumperoxyd gibt leicht Sauerstoff ab und ist daher ein wichtiges alkalisches O x y d a t i o n s m i t t e l . Im Gemische mit organischen Stoffen kann es — namentlich beim Erwärmen eines solchen Gemisches oder beim Zugeben von konzentrierter Schwefelsäure — außerordentlich heftige Explosionen veranlassen. Man verwende es also mit größter Vorsicht! Auch mit konzentrierter Schwefelsäure reagiert Natriumperoxyd äußerst heftig; man führe deshalb den folgenden Versuch vorsichtig und nur mit den angegebenen kleinen Mengen aus.

Eine kleine Spatelspitze N a t r i u m p e r o x y d werde in einem trockenen, staubfreien Probierglase mit zwei Tropfen konzentrierter S c h w e f e l s ä u r e , die man aus einem zweiten Probierglase zugibt,

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Kalium

Übergossen. Es tritt heftiges Aufschäumen ein. Ein glimmender Holzspan (Wurstspeil), der in das entweichende Gas eingeführt wird, flammt auf: es ist also S a u e r s t o f f frei geworden. 2Na 2 0 2 + 2H 2 S0 4 = 2Na 2 S0 4 + 2 H 2 0 + 0 2 . Trägt man eine größere Menge Natriumperoxyd auf einmal in W a s s e r ein, so erwärmt sich die Mischung stark, und es entweicht reichlich Sauerstoff. Schüttet man es dagegen in kleinen Anteilen nach und nach in kaltes Wasser, so ist die Zersetzung gering. Von der so erhaltenen, gewöhnlich etwas trüben Lösung werde die Hälfte zu etwas Bleiacetat-Lösung, die andere Hälfte zu etwas M a n g a n sulfat-Lösung gegeben. Es bilden sich dichte, schwarzbraune Niederschläge von wasserhaltigem B l e i d i o x y d und M a n g a n d i o x y d : Pb(CH 3 C0 2 ) 2 + Na 2 0 2 = 2Na(CH 3 C0 2 ) + P b 0 2 MnS0 4 + Na 2 0 2 = Na 2 S0 4 + M n 0 2 . Kalium Kalium und seine Verbindungen sind dem Natrium und seinen Verbindungen sehr ähnlich. Die Oxydation des Metalls erfolgt noch etwas energischer als die des Natriums; ein auf Wasser geworfenes Stück Kalium bewirkt sofort eine Entzündung des frei werdenden Wasserstoffs. Die KaliumVerbindungen sind im allgemeinen etwas schwerer löslich als die Natriumsalze und enthalten seltener Kristallwasser. Schwerlöslich sind die Kaliumsalze der P l a t i n c h l o r w a s s e r s t o f f s ä u r e K2[PtCl6], der Überchlorsäure KC104, der H e x a n i t r i t o cobalti säure K3[CO(N02)6] (vgl. dazu S. 119) und das saure Salz der zweibasischen Weinsäure KH[C4H406]. Das Auftreten der entsprechenden Salz-Niederschläge wird zum N a c h w e i s e von Kalium verwertet. Charakteristisch ist ferner die fahlviolette Färbung, die Kalium-Verbindungen der Flamme erteilen., Für das Kaliumhydroxyd ist der Name „Kali" viel in Gebrauch, z. B. in Ätzkali, „Kalilauge".

Die Spitze eines Platindrahtes werde nach S. 54 durch .Glühen gereinigt und mit etwas Salzsäure befeuchtet. Dann werde ejjie Spur eines Kaliumsalzes daran gebracht; beim Zurückbringen in die F l a m m e färbt es sie jetzt weißlich-violett. Im Spektroskop erkennt man zwei rote Linien sowie eine gelbe Linie. Diese rührt aber nicht vom Kalium her, sondern von Spuren von Natrium, die als Verunreinigungen im Kaliumsalz vorhanden sind. Man wiederhole den Versuch in der Weise, daß man ein Gemisch aus Kalium- und Natriumsalzen an den Draht bringt. Jetzt erscheint die Flamme gelb, weil das intensive Gelb des Natriums das lichtschwache Violett des Kaliums verdeckt. Um die verdeckte Kaliumflamme zu erkennen, benutzt man am besten das Spektroskop. Man kann auch die Flamme durch ein mit Kobalt tiefblau gefärbtes Glas oder besser durch ein mit Indigo-Lösung gefülltes Glasprisma betrachten: nun sieht man die Kaliumflamme deutlich, weil die gelben Strahlen durch das blaue Glas bzw. die blaue Lösung absorbiert

Kalium

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werden, die violetten aber nicht. Eine reine Natriumflamme erscheint durch das blaue Glas oder das Prisma nahezu farblos. Die Flammenfärbung ist das einfachste Verfahren, Kalium neben Natrium zu erkennen. Bei diesen und ähnlichen Versuchen nimmt man die benutzten Stoffe unter keinen Umständen mit dem Platindraht aus den Vorratsflaschen, sondern füllt kleine Mengen auf Uhrgläser ab, um die Vorräte nicht zu verunreinigen. Das früher meist benutzte Verfahren der Charakterisierung und Unterscheidung des Kaliums von Natrium beruhte auf Umsetzung mit „Platin chlorid" 1 ), wobei die Salze der Platinchlorwasserstoffsäure K2PtCl6 und Na2PtClc entstehen. Der hohe Preis des Platins schränkt seine Anwendung ein, stört aber nicht, wenn man den Nachweis des Kaliums, wie unten beschrieben, als Mikroreaktion durchfährt. Das wenig lösliche Kaliumsalz kristallisiert in kleinen Oktaedern und wird unter dem Mikroskope erkannt; das leicht lösliche Natriumsalz kristallisiert beim Eindunsten zum feuchten Bückstande als lange, breite, kristallwasserhaltige Spieße, die zu einem balkigen Gerüste vereinigt sind.

Man bringe auf einen Objektträger ein Tröpfchen der verdünnten Alkalimetallchlorid-Lösung und so viel P l a t i n c h l o r i d Lösung, daß vollkommene Umsetzung zu den platinchlorwasserstoffsauren Salzen erfolgt, und betrachte den Niederschlag unter dem Mikroskop. Wesentlich wichtiger ist heute der Nachweis mit Ü b e r c h l o r s ä u r e , der ebenfalls auf dem Objektträger ausgeführt wird, damit man die Kristallform erkennen kann. Es empfiehlt sich, den durch Zugabe eines Tropfens Überchlorsäure zu einem Tropfen Kaliumchlorid-Lösung erzeugten feinkristallinen Niederschlag durch ganz vorsichtiges Erwärmen mit der Sparflamme noch einmal in Lösung zu bringen, da die dann beim Erkalten entstehenden Kristalle größer und besser ausgebildet sind. U r a n y l a c e t a t gibt mit Kaliumchlorid-Lösung feine, lange Nadeln, die meist erst erscheinen, nachdem die Lösung durch Erwärmen etwas konzentriert worden ist. Diese Umsetzung ist für den Nachweis von Kalium unwichtig; man muß das Erscheinungsbild aber kennen, da man es beim Nachweis von Natrium (vgl. S. 54) neben Kalium oft beobachtet.

Man prüfe einen Tropfen, der Natrium- und Kaliumchlorid enthält, mit Uranylacetat. Zu einer Probe nicht zu verdünnter Kaliumsalz-Lösung gebe man einen Überschuß von N a t r i u m b i t a r t r a t - L ö s u n g NaHC 4 H 4 0 6 (oder, falls dieses nicht verfügbar, Weinsäure- und NatriumacetatLösung). Aus konzentrierten Lösungen scheidet sich sofort das schwer lösliche K a l i u m b i t a r t r a t aus; in verdünnten Lösungen bildet sich der Niederschlag wegen der leicht auftretenden Ü b e r 1 ) Die unter dem Namen „Platinchlorid" in den Laboratorien verwendete Flüssigkeit ist eine wäßrige Lösung von Platinchlorwasserstoffsäure H2PtCI6.

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Ammonium

S ä t t i g u n g (vgl. S. 69) erst nach einiger Zeit, eventuell nach Umschütteln oder Kratzen der Glaswand mit einem Glasstabe. Aus diesem Grunde ist diese Reaktion für analytische Zwecke wenig empfehlenswert. Das Kaliumbitartrat ist in Laugen oder starken Säuren löslich; die Ausgangslösung muß also neutral oder sehr schwach sauer sein. Aus dem gleichen Grunde muß bei Verwendung von Weinsäure als Fällungsreagens, die nach: K C 1 + J J ^ J J ^ = KHC4H4Oe + HCl die starke Salzsäure in Freiheit setzt, Natriumacetat zugefügt werden. Die „abstumpfende" Wirkung des Natriumacetats auf die starke Säure werden wir später S. 76 verstehen lernen.

Ammonium Ammoniumsalze entstehen durch Vereinigung von Ammoniak NH3 mit einer Säure: NH3 + HCl = NH4C1 (Ammoniumchlorid, „Salmiak") NH3 + H 2 S0 4 = (NH4)HS04 (Ammoniumbisulfat, saures Ammoniumsulfat) 2NH3 + H 2 S0 4 = (NH4)2S04 (Ammoniumsulfat). Bei ihnen hat sich aus der Ammoniak-Molekel und dem Wasserstoffion der Säure das Ammonium-Ion NH 4 + gebildet. Dieses verhält sich dem K+- und besonders dem Rb+-Ion sehr ähnlich, so daß man die Ammoniumsalze geradezu den Alkalimetall-Salzen zurechnen kann1). Das den Alkalimetallen entsprechende Ammonium-„Metall" (d.h. ungeladenes NH4 im Gegensatz zum NH4+-Ion) ist frei nicht herstellbar. Auch das Ammoniumhydroxyd ist im festen Zustande nicht bekannt. In Wasser löst sich Ammoniak-Gas sehr stark, bei 20° z. B. 700 Baumteile in 1 Raumteil Wasser. Im gelösten Zustande findet die Reaktion NH3 + H 2 0 = NH4+ + OH~, wenn auch in sehr geringem Umfange, statt; Lösungen von Ammoniak in Wasser reagieren schwach, aber deutlich alkalisch. Der allergrößte Anteil des Ammoniaks bleibt jedoch unverbunden, „physikalisch" gelöst. Die Verhältnisse liegen also ganz ähnlich wie bei der Kohlensäure (vgl. S. 40): NH4OH ist zwar ebenso wie die übrigen Alkalimetallhydroxyde eine starke Base; aber eine Ammoniak-Lösung verhält sich praktisch wie eine schwache Base, weil nur ein geringer Bruchteil der gelösten NH3-Molekeln sich mit Wasser umsetzt. Die konzentrierte, wäßrige Ammoniak-Lösung des Laboratoriums enthält etwa 25% Ammoniak, die verdünnte etwa 10%» die „2-norm. AmmoniakLösung" 3,47%. Im Volksmunde werden diese Lösungen „Salmiakgeist", irrtümlich auch „Salmiak" genannt. Alle Ammonium-Verbindungen flüchtiger Säuren sind flüchtig; dabei spalten sie sich wieder in Ammoniak und freie Säure. AmmoniumchloridDampf besteht also aus einem Gemische von Ammoniak und Chlorwasserstoff. Beim Abkühlen des Dampfes vereinigen sich die Spaltungsstücke wieder. Man bezeichnet diesen umkehrbaren Spaltungsvorgang als „thermische Dissoz i a t i o n " , da er durch die Temperatur bedingt ist. Man beachte den Unterschied: nh 4 C1 = NH4+ + Cl- elektrolytische Dissoziation NH4C1 = NH3 + HCl thermische Dissoziation. J ) Ganz entsprechend bilden sich aus Wassermolekehj und H+-Ionen [OH3]+-Ionen. Wäßrige Säure-Lösungen enthalten also eigentlich nicht H+Ionen, sondern [OH3]+-Ionen. Der Einfachheit halber bringt man dies in der formelmäßigen Darstellung meist nicht zum Ausdruck.

Ammonium

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Liegt das Ammoniumsalz einer nicht-flüchtigen Säure vor, so spaltet es beim Erhitzen Ammoniak-Gas ab und die freie Säure bleibt zurück: NH 4 H 2 P0 4 f e s t -> NH 3 g a s f + H 3 P0 4 f l ü S 3 i g . Eine besondere Stellung nehmen Ammoniumnitrat- und -nitrit ein, die beim Erhitzen nach den Gleichungen NH 4 N0 3 = 2H a O + N 2 0 NH 4 N0 2 = 2 H 2 0 + N 2 S t i c k o x y d u l bzw. S t i c k s t o f f bilden. Setzt man diese Salze der Einwirkung eines „brisant" explodierenden Sprengstoffes („Initialzündung") oder ähnlichen heftigen Einflüssen aus, so können sie sich ebenfalls explosiv zersetzen. Ammoniumnitrat wird daher als Sicherheits-Sprengstoff verwandt.

I n einem Probierglase werde eine kleine Probe A m m o n i a k Lösung erwärmt; es entweicht neben Wasserdämpfen A m m o n i a k als farbloses, stechend riechendes Gas. Man bringe in die Dämpfe einen mit Salzsäure befeuchteten Glasstab: es bilden sich dichte weiße, undurchsichtige Nebel von A m m o n i u m c h l o r i d , „Salmiaknebel". Ein Körnchen A m m o n i u m c h l o r i d (Chlorammonium, „Salmiak") 'werde mit einigen Tropfen N a t r o n l a u g e Übergossen und die Mischung erwärmt. Es entweicht Ammoniak, das man nachweise, indem man ein Stück feuchtes rotes Lackmuspapier in die entweichenden Dämpfe halte. NH4C1 + NaOH = NH 3 + H 2 0 + NaCl Bei diesem Versuche nehme man nur wenig Natronlauge; ein Überschuß würde das Weggehen von Ammoniak erschweren, da er die Flüssigkeitsmenge unnötig vermehrt. Auf diese Weise wird Ammoniak in beliebigen Ammomumsalzen nachgewiesen. Ebenso wie Natronlauge reagieren andere Basen, wie Kalium-, Calcium- und Bariumhydroxyd. Man versetze auf einem Objektträger einen Tropfen Ammoniumchloridlösung mit einem Tropfen P l a t i n c h l o r i d - Lösung; es fällt gelbes Ammoniumplatinchlorid (NH 4 ) 2 [PtCl 6 ] aus, das dem Kaliumplatinchlorid sehr ähnlich ist. Eindeutig wird die Probe, wenn man ein Körnchen der auf Ammoniak zu prüfenden Substanz mit e i n e m Tropfen Natronlauge in einem kleinen Porzellantiegel mischt und den Tiegel sofort mit einem Objektträger bedeckt, an dessen Unterseite ein Tröpfchen Platinchlorid-Lösung haftet. Der Tiegel muß so klein sein, daß seine Öffnung von dem Objektträger vollständig bedeckt wird. Nach 1 bis 2 Minuten erkennt man unter dem Mikroskop die charakteristischen gelben Oktaeder des Ammoniumplatinchlorids. Mit einem Glasstabe bringe man ein Tröpfchen A m m o n i u m salz-Lösung in ein größeres Becherglas voll Wasser und gieße einige Tropfen „ N e s s l e r s c h e s R e a g e n s " hinzu. Zur Darstellung dieser Reagens-Lösung versetzt man Mercurichlorid-Lösung mit so viel Kaliumjodid-Lösung, bis der auftretende Niederschlag wieder verschwunden ist, und macht dann mit Kalilauge s t a r k alkalisch.

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Erdalkalimetalle und Magnesium

Bei der Einwirkung von Ammoniak färbt sich die Lösung — bei ganz geringem Ammoniakgehalte erst nach einiger Zeit — g e l b b r a u n . Die Farbe vertieft sich nach kurzer Zeit, und schließlich entsteht ein flockiger brauner Niederschlag, der eine ziemlich verwickelte Zusammensetzung besitzt. Dies ist die empfindlichste Probe auf Ammoniumverbindungen, die z. B. bei der Untersuchung von Trinkwasser verwendet wird. Da eine wäßrige Ammoniak-Lösung OH~-Ionen enthält, fällt sie die Mehrzahl der Metallhydroxyde aus Lösungen ihrer Metallsalze aus1). Man gebe etwas Ammoniak-Lösung zu je einem Kubikzentimeter von F e r r i - , Blei- und Kobaltsalz-Lösung, worauf F e r r i h y d r o x y d Fe(OH)3, B l e i h y d r o x y d Pb(OH)2, K o b a l t h y d r o x y d CO(OH)2 ausfallen. FeCl3 + 3NH S + 3H 2 0 = Fe(OH)3 + 3NH4C1 usw. In einem Glühröhrchen erhitze man etwas trockenes Ammon i u m c h l o r i d ; es verflüchtigt sich, ohne zu schmelzen, und schlägt sich an den oben kühleren Wänden des Röhrchens wieder in fester Form nieder; einen solchen unmittelbaren Übergang vom festen über den gasförmigen wieder in den festen Zustand ohne das Auftreten von Flüssigkeit nennt man „sublimieren". Man erhitze etwas f e s t e s A m m o n i u m n i t r a t i n einem trockenen Probierglase vorsichtig zum Schmelzen und später stärker; unter Aufschäumen entweicht S t i c k s t o f f o x y d u l N 2 0. Man fange das Gas in der S. 38 beschriebenen kleinen pneumatischen Wanne über Wasser in einem Probierglase auf und bringe einen glimmenden Span hinein; er glüht auf. Stickoxydul gibt also seinen Sauerstoff leicht ab. Erhitzt man Ammoniumnitrat sehr p l ö t z l i c h , so erfolgt die Zersetzung sehr rasch. Man werfe eine Spatelspitze des Salzes in ein Probierglas, dessen Boden man schon vorher in der Flamme zur schwachen Rotglut erhitzt hat: rasche Zersetzung unter Feuererscheinung. Erhitzt man im Probierglase festes A m m o n i u m n i t r i t oder in Ermangelung dessen ein Gemisch von Kaliumnitrit und Ammoniumnitrat, so bildet sich Stickstoff, den man so frei von Edelgasen erhält.

Erdalkalimetalle und Magnesium Erdalkalimetalle Die Elemente Calcium (Ca), S t r o n t i u m (Sr), Barium (Ba), die man unter dem Namen Erdalkalimetalle zusammenfaßt, sind silberweiße, feste Metalle, die zwar bedeutend luftbeständiger sind als die Alkalimetalle, aber doch noch ein starkes Bestreben besitzen, sich mit Sauerstoff, Wasserdampf usw. Über die Abschwächung von Ammoniak-Lösung durch Ammoniumsalze starker Säuren und das verschiedenartige Verhalten von Metallhydroxyden bei Gegenwart solcher Ammoniumsalze vgl. S. 81.

Calcium

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umzusetzen. Mit Wasser reagieren sie lebhaft, mit verdünnten Säuren heftig. Ihre Oxyde (z. B. CaO ..gebrannter Kalk") sind weiße, erdige Stoffe, die sich mit Wasser energisch zu Hydroxyd umsetzen (z. B. Löschen des Kalks). Die H y d r o x y d e sind beim Stehen an der Luft nicht zerfließlich wie die Alkalimetallhydroxyde. Sie ziehen Kohlendioxyd aus der Luft an (Abbinden des Kalks im Mörtel!) und erweisen sich dadurch als starke Basen. Feuchtes rotes Lackniuspapier wird durch die Hydroxyde blau gefärbt. In Wasser lösen sie sich mittelschwer. Von den S a l z e n sind die Chloride und Nitrate in Wasser leicht löslich, die Carbonate, Oxalate und Sulfate dagegen schwer, z. T. sogar sehr schwer. Die Sulfide sind nur auf trockenem Wege darstellbar; mit Wasser zersetzen sie sich vollständig, im wesentlichen nach der Gleichung 2CaS + 2 H 2 0 = Ca(SH) 2 + Ca(OH)2 . Ähnlich reagieren auch die Carbide, bei deren Zersetzung mit Wasser sich Acetylen C 2 H 2 bildet: CaC2 + 2 H 2 0 = Ca(OH)2 + C 2 H 2 . Die Erdalkalimetalle und ihre Verbindungen geben wie die Alkalimetalle charakteristische F l a m m e n f ä r b u n g e n . Calcium Man bringe eine Spur festes OaJoiumohlorid a u f die Spitze eines ausgeglühten Platindrahtes. Man beobachtet im ersten Augenblick ein rotes Aufleuchten, dann eine gelbrote F l a m m e n f ä r b u n g , die oft einen roten S a u m besitzt. Diesen erkennt m a n besonders schön, wenn m a n die die S u b s t a n z tragende Spitze des Drahtes in den unteren seitlichen Teil der F l a m m e bringt. I m Spektroskop erkennt man vor allem eine gelbrote und eine grüne Linie. Außerdem ist stets eine gelbe Linie zu erkennen, die aber von Verunreinigungen a n N a t r i u m herrührt. Andere Salze, die sich in der Hitze zum Oxyd zersetzen, wie z. B. das Nitrat (vgl. S. 37), das Carbonat und das Sulfat, geben die Flammenfärbung am besten, wenn man sie nach einem ersten kurzen Erhitzen einen Augenblick in konzentrierte Salzsäure getaucht hat. Es liegt dies daran, daß eine Färbung der Flamme nur dann erfolgen kann, wenn eine Spur der Substanz verdampft. Dies ist bei dem Chlorid, dessen Siedepunkt bei Atmosphärendruck etwa bei 2000° liegt, bei der Temperatur des Bunsenbrenners (etwa 1200—-1500°) auch tatsächlich der Fall. Das Oxyd dagegen (Siedepunkt annähernd 3000°) verdampft bei der Temperatur des Bunsenbrenners noch gar nicht, färbt daher die Flamme nicht. E i n Stückchen M a r m o r (Calciumcarbonat C a C 0 3 ) werde a u f der Magnesiarinne durch die Gebläseflamme (oder a u f K o h l e mit dem Lötrohr) stark erhitzt. Dieser Vorgang wird als „ B r e n n e n " des Kalksteins technisch in großem Maße ausgeführt. Dabei entsteht der „ g e b r a n n t e K a l k " . C a C 0 3 = CaO +

C02.

E i n etwa haselnußgroßes S t ü c k g e b r a n n t e r K a l k werde in einem Porzellantiegel mit wenig Wasser befeuchtet. N a c h und nach f ü g e m a n tropfenweise Wasser hinzu, aber nur so viel, als von dem

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Calcium

Stücke aufgesaugt wird. Die Masse erwärmt sich dabei von selbst, erst allmählich, dann schneller, schließlich so stark, daß überschüssiges Wasser verdampft und der Dampf in Strömen entweicht. Wenn gerade die richtige Masse Wasser genommen ist, hinterbleibt C a l c i u m h y d r o x y d als trockenes weißes Pulver; wenn zuviel verwendet wurde, erhält man einen steifen Brei. Dieser Prozeß wird als „ L ö s c h e n d e s K a l k s " bezeichnet. CaO + H 2 0 = Ca(OH) 2 . Der gelöschte Kalk wird, mit Sand und Wasser gemischt, als „Mörtel" zu Bauzwecken verwendet. Beim Trocknen verkittet der Kalk die Sandkörner und Bausteine. Ferner bildet sich mit dem Kohlendioxyd der Luft langsam von außen her Calciumcarbonat. Durch diese Vorgänge verfestigt sich der Mörtel.

Eine Probe C a l c i u m h y d r o x y d werde mit Wasser zu einer dünnen milchigen Flüssigkeit angerührt; „Kalkmilch". Diese bläut rotes Lackmuspapier. Eine zweite Probe Calciumhydroxyd werde mit viel Wasser geschüttelt; durch Filtration erhält man eine wasserklare Lösung von Calciumhydroxyd: „ K a l k w a s s e r " . Ein haselnußgroßes Stück M a r m o r werde in möglichst wenig verdünnter S a l z s ä u r e gelöst. Die Lösung werde filtriert und das Filtrat in einer kleinen Kasserolle unter andauerndem Rühren über freier Flamme eingedampft (Abzug!). Es bleibt eine körnige, weiße, fast wasserfreie Masse zurück, die im Handel als „gekörntes Calciumchlorid" bezeichnet wird. Calciumchlorid ist h y g r o s k o p i s c h und zerfließlich (vgl. S. 69/70). Läßt man ein Stückchen gekörntes Calciumchlorid über Nacht auf einem Uhrglase stehen, so zieht es Wasserdampf aus der Luft an und zerfließt. Es wird daher im Laboratorium zum Entwässern von Gasen und Flüssigkeiten benutzt. Für diese Zwecke ist seine poröse Beschaffenheit günstig, weil so eine große Oberfläche vorhanden ist.

Das soeben dargestellte Produkt ist aber noch kein reines Calciumchlorid. Man versuche, es in destilliertem Wasser zu lösen; dabei erhält man eine trübe Flüssigkeit, die erst auf Zusatz einiger Tropfen Salzsäure klar wird. Beim Erhitzen hat sich nämlich ein kleiner Teil des Calciumchlorids mit Wasser zu Chlorwasserstoff und Oxyd umgesetzt: CaCl2 + H 2 0 = CaO + 2 H C l . („Hydrolyse"; Näheres vgl. S. 77.) Mit je einem Kubikzentimeter der so dargestellten C a l c i u m c h l o r i d - L ö s u n g stelle man die folgenden Versuche an: A m m o n i a k gibt keine Fällung. Läßt man die Mischung im offenen Gefäße längere Zeit stehen, so trübt sie sich durch Ausscheidung von C a l c i u m c a r b o n a t , weil von der alkalischen Lösung Kohlendioxyd aus der Luft angezogen wird.

Calcium

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N a t r i u m h y d r o x y d gibt mit hinreichend konzentrierter Calciumchlorid-Lösung eine flockige weiße Fällung von Calciumhydroxyd:

^ ^

+

2NaOH = Ca(OH)ä + 2NaCl.

Ist die Lösung zu verdünnt, so entsteht keine Fällung, weil Calciumhydroxyd eine merkliche Löslichkeit besitzt. N a t r i u m - oder A m m o n i u m c a r b o n a t geben mit neutraler oder schwach ammoniakalischer Calciumchlorid-Lösung eine flockige Fällung von sehr schwer löslichem C a l c i u m c a r b o n a t : CaCl2 -f Na 2 C0 3 = CaC03 + 2NaCl. Beim Erwärmen der Mischung geht der Niederschlag allmählich in eine kristallisierte, noch schwerer lösliche Form über und setzt sich dann gut zu Boden. Die Erscheinung, daß ein Niederschlag erst sehr feinkörnig und schlecht kristallisiert oder gar als Haufwerk ohne jede Ordnung der Atome und Molekeln („amorph" — gestaltlos) ausfällt und nach einiger Zeit oder beim Erwärmen kristallinisch und grobkörnig wird, findet sich bei s e h r s c h w e r l ö s l i c h e n Stoffen vielfach. Die Ausscheidung erfolgt zunächst so schnell, daß eine Ordnung zu wohlausgebildeten Kristallen nicht möglich ist; die „Häufungsgeschwindigkeit" ist größer als die „Ordnungsgeschwindigkeit". Im Laufe der Zeit bilden sich dann aus diesen instabilen, schlecht geordneten Haufen von winzigen Kriställchen gut ausgebildete, größere Kristalle. Infolgedessen läßt man bei quantitativen Fällungen oft einen Niederschlag mit der Lösung, aus der er gefallen ist, einige Zeit bei Zimmertemperatur oder warm stehen. Die Trennung ist nunmehr besser, da der Niederschlag grobkörniger und damit weniger löslich geworden ist. Ferner ist der grobkörnigere Niederschlag bequemer abzufiltrieren. Vgl. die Fällung von Bariumsulfat auf S. 65. Bei nur m ä ß i g s c h w e r l ö s l i c h e n Stoffen erfolgt die Fällung meist nicht so rasch; die Kristalle wachsen verhältnismäßig langsam und sind daher besser ausgebildet. Für Reaktionen, bei denen man den Niederschlag nach der Kristallform beurteilt (vgl. z. B. den Nachweis von Natrium mit Uranylacetat S. 54), eignen sich daher sehr schwer lösliche Stoffe nicht; man benutzt hier Verbindungen, deren Löslichkeit nicht allzu gering ist.

Gibt man die Sodalösung nicht zu einer neutralen, sondern zu einer mit etwa zwei Tropfen Salzsäure schwach angesäuerten Calciumchlorid-Lösung, so fällt unter Entwicklung von Kohlendioxyd nur ein Teil des Calciums als Calciumcarbonat aus; ein anderer Teil bleibt als Calciumbicarbonat Ca(HC03)2 gelöst. Aus dem wasserklaren Filtrat scheidet sich in diesem Falle beim Kochen noch etwas Calciumcarbonat aus (vgl. dazu S. 40/41). S c h w e f e l s ä u r e fällt weißes feinkristallinisches Calciumsulfat-Dihydrat (CaS0 4 -2H 2 0) — aus konzentrierten Lösungen sofort, aus verdünnten erst nach einiger Zeit und beim Anreiben der Wandung mit einem Glasstabe. Calciumsulfat-Dihydrat, „Gips", ist in reinem Wasser etwas löslich; „Gipswasser". Versetzt man Gipswasser mit Sodalösung, so fällt Calciumcarbonat aus. Dieses ist also schwerer löslich als Gips.

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Strontium und Barium

N a t r i u m p h o s p h a t fällt aus neutralen und ammoniakalisehen Lösungen schwer lösliche voluminöse Niederschläge von C a l c i u m p h o s p h a t e n wechselnder Zusammensetzung, die langsam kristallin werden. Bei Zugabe von starken Säuren lösen sich diese Niederschläge wieder auf. A m m o n i u m O x a l a t gibt mit der zuvor ammoniakalisch zu machenden Lösung einen sehr schwer löslichen Niederschlag von Calcium Oxalat: CaCl2 + (NH 4 ) 2 C 2 0 4 = CaC 2 0 4 + 2NH 4 C1. Bei sehr verdünnten Lösungen erscheint der Niederschlag manchmal erst beim Anreiben der Glaswand mit einem Glasstabe. — Beim starken Glühen geht das Oxalat in Oxyd über: CaC 2 0 4 = CaO + C 0 2 + CO . Calciumoxalat eignet sich zur Abscheidung des Calciums in der q u a n t i t a t i v e n Analyse. Zur Trennung von Strontium und Barium kann diese Umsetzung aber nicht benutzt werden, weil diese Metalle ebenfalls schwer lösliche Oxalate bilden. Calciumoxalat fällt nicht nur aus ammoniakalischer, sondern auch aus essigsaurer Lösung; Strontiumoxalat dagegen ist in essigsäurehaltigem Wasser etwas, Bariumoxalat erheblich löslich. Ein Probierglas voll Wasser werde mit dem Daumen verschlossen und umgekehrt in eine Porzellanschale mit Wasser gestellt. Bringt man ein etwa erbsengroßes Stück C a l c i u m c a r b i d unter die Mündung des Probierglases, so sammelt sich das entwickelte A c e t y l e n im Glase. Wenn das Glas mit Gas gefüllt ist, verschließe man es wieder und öffne es unter dem Abzüge nahe einer Flamme: Verbrennung mit sehr hell leuchtender und stark rußender Flamme. Strontium und Barium Strontium- und Bariumsalze verhalten sich den Reagentien: Ammoniak, Natriumhydroxyd, Ammonium- und Natriumcarbonat, Natriumphosphat und Ammoniumoxalat gegenüber ganz ähnlich wie die Calciumsalze. Infolge dieser großen Ähnlichkeit, die ihr Gegenstück in der Gleichartigkeit des Verhaltens von Kalium-, Rubidium- und Caesium-Verbindungen findet — vgl. die Stellung dieser Elemente im Perioden-System! — ist es sehr wichtig, die Abs t u f u n g e n der L ö s l i c h k e i t e n genau zu kennen. Bei den H y d r o x y d e n nimmt die Löslichkeit von der Calcium- zur Barium-Verbindung zu; aus kochender wäßriger Lösung läßt sich Bariumhydroxyd bequem Umkristallisieren. Daß Calciumoxalat schwerer löslich ist als Strontium- und Bariumoxalat, wurde schon hervorgehoben. Umgekehrt ist Bariumsulfat sehr viel schwerer löslich als Calciumsulfat. Noch ausgeprägter sind die Unterschiede bei den C h r o m a t e n ; während Calciumchromat ziemlich leicht und Strontiumchromat mäßig schwer löslich ist. ist Bariumchromat sehr schwer löslich. Uber die Chromate kann man daher Barium von Strontium und Calcium trennen. Wegen der Ähnlichkeit der drei Elemente zieht man zu ihrer Trennung neben den Löslichkeitsunterschieden in wäßriger Lösung auch solche der wasserfreien Verbindungen in w a s s e r f r e i e m Alkohol heran: Calciumchlorid ist in diesem Lösungsmittel leicht, Strontiumchlorid ziemlich leicht löslich, während Bariumchlorid schwer löslich ist. Bei den Nitraten ist die Calciumverbindung leicht löslich, während die Strontium- und die Bariumverbindung schwer löslich sind.

Magnesium

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Während Bariumchromat durch Behandeln mit Mineralsäuren leicht gelöst werden kann (vgl. auch S. 123/124), lassen sich Barium- und Strontiumsulfat nur durch Schmelzreaktionen „aufschließen". Näheres vgl. S. 129/130. In der Flamme ergeben Strontiumsalze prächtig rote, Bariumsalze grüne Färbungen (pyrotechnische Verwendung). Im Spektroskop beobachtet man im ersten Falle neben der stets vorhandenen Natriumlinie mehrere rote und eine violette, im zweiten mehrere grüne Linien.

Man prüfe unter Beobachtung des beim Calcium Angeführten die F l a m m e n f ä r b u n g einiger Strontium- und Bariumsalze. Bei den Sulfaten ist hier vorherige Reduktion zum Sulfid (durch Glühen mit Kohle oder durch Erhitzen der Probe in der Spitze des Reduktionskegels des Bunsenbrenners) und Befeuchten mit Salzsäure erforderlich. Die Abnahme der Löslichkeit der S u l f a t e vom Calcium zum Barium zeigen folgende Versuche: Zu einer Strontiumsalz-Lösung werde der gleiche bis doppelte Raumteil G i p s w a s s e r gesetzt: es entsteht — gewöhnlich erst nach einiger Zeit, schnell beim Aufkochen — ein weißer Niederschlag von Strontiumsulfat. Etwas Bariumchlorid-Lösung gibt mit S t r o n t i u m s u l f a t - L ö s u n g langsam, mit G i p s w a s s e r sofort einen Niederschlag von Bariumsulfat. Man versetze etwas Bariumchlorid-Lösung von Raumtemperatur mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e und filtriere; der Niederschlag ist so feinkörnig, daß er zum Teil durch das Filter läuft. Man wiederhole den Versuch, indem man die beiden Lösungen vor dem Vereinigen zum Sieden erhitzt und die Mischung dann noch einige Zeit vor dem Filtrieren warm hält; der Niederschlag ist jetzt gröber und das Filtrat vollkommen klar. B a r i u m c h l o r i d - L ö s u n g gibt mit K a l i u m c h r o m a t - L ö s u n g einen gelben Niederschlag von Bariumchromat: BaCl2 + K 2 Cr0 4 = BaCr0 4 + 2 K C l . Der Niederschlag ist in verdünnter Essigsäure unlöslich, dagegen in Salzsäure löslich (vgl. dazu auch S. 124). Um in entsprechender Weise einen Niederschlag von S t r o n t i u m c h r o m a t zu erhalten, muß man konzentrierte Lösungen benutzen. Beim Zusammengießen der neutralen Lösungen bildet sich langsam gelbes Strontiumchromat. Daß es sich um eine nicht allzu schwer lösliche Verbindung handelt, erkennt man schon daran, daß die Kristalle ziemlich groß sind. Strontiumchromat löst sich bei Zugabe von Essigsäure. Magnesium Die Eigenschaften der Magnesium-Verbindungen sind zum größten Teil ohne weiteres aus der Stellung des Magnesiums im Perioden - System abzuleiten. So schließt sich die Schwerlöslichkeit des H y d r o x y d s der Abstufung unter den Erdalkalimetallen an. Diese Schwerlöslichkeit des HydrB i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

5

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Magnesium

oxyds bedingt, daß die Hydroxyd- bzw. Oxyd-Haut, die auf dem M e t a l l durch die Luftfeuchtigkeit und den Luftsauerstoff entsteht, dieses bei Zimmertemperatur vor weiterer Einwirkung schützt. Infolgedessen sind einige Legierungen, die überwiegend aus Magnesium bestehen (,,Elektron"-Metall), wichtige Werkstoffe, die mit geringem spezifischen Gewicht den weiteren Vorteil verbinden, daß der Rohstoff in Deutschland im Überfluß vorhanden ist. Bei hohen Temperaturen reicht der Schutz des Magnesiums durch die Oxydhaut allerdings nicht aus; das Metall verbrennt dann mit blendend weißem Licht, das reich an den photographisch besonders wirksamen ultravioletten Strahlen ist. Dem Gange der Löslichkeiten in den Verbindungen der Erdalkalimetalle schließt sich das Magnesium auch insofern an, als sein S u l f a t und C h l o r i d sehr leicht löslich, sein C a r b o n a t und P h o s p h a t schwer löslich sind. Durch Fällung mit Natriumcarbonat-Lösung erhält man allerdings zunächst ein basisches Carbonat, das aber beim Stehen mit kohlensäurehaltigem Wasser in das neutrale Carbonat MgC03 übergeht; in der Natur findet sich dieses als „Magnesit". Aus ammoniakalischer Lösung fällen Phosphate A m m o n i u m m a g n e s i u m p h o s p h a t NH 4 MgP0 4 , das analytisch für die Erkennung und Abseheidung sowohl von Phosphorsäure (vgl. S. 47) als auch von Magnesium wertvoll ist.

Ein Stück M a g n e s i u m b a n d von Fingerlänge werde an einem Ende mit einer Pinzette gefaßt, das andere Ende werde in eine Flamme gehalten. Es entzündet sich und verbrennt ohne weitere Wärmezufuhr mit blendend weißem hellen Lichte unter Bildung eines weißen Rauches zu M a g n e s i u m o x y d . Man bringe den Verbrennungsrückstand in eine Porzellanschale. Eine Probe des Rückstandes werde mit einem Tropfen Wasser auf rotes Lackmuspapier gebracht; dieses bläut sich nach einiger Zeit, da das Oxyd langsam Wasser anlagert und das gebildete Hydroxyd in Wasser nicht ganz unlöslich ist. Der Rest des Magnesiumoxyd-Rückstandes werde mit möglichst wenig (einigen Tropfen) Salzsäure in der Hitze gelöst und die Lösung mit etwas Wasser verdünnt. Diese Magnesiumchlorid-Lösung werde zu folgenden Fällungen benutzt: N a t r i u m h y d r o x y d gibt einen weißen flockigen Niederschlag von Magnesiumhydroxyd. MgCl2 + 2NaOH = Mg(OH)2 + 2NaCl. A m m o n i a k fällt ebenfalls Magnesiumhydroxyd aus. Die Fällung ist nicht vollständig. Auf Zusatz von Ammoniumchlorid löst sich der Niederschlag wieder auf. Wenn zum Auflösen des Magnesiumoxydes zuviel Salzsäure verwendet wurde, entsteht deshalb überhaupt kein Niederschlag. Der Versuch ist dann mit etwas säurefreier Magnesiumsalz-Lösung des Reagentienvorrates zu wiederholen. Die Erklärung dieser eigenartigen lösenden Wirkung des Ammoniumchlorids werden wir S. 75 u. 81 kennenlernen.

N a t r i u m c a r b o n a t fällt unter Abgabe von Kohlensäure weißes basisches Magnesium c a r b o n a t von wechselnder Zusammensetzung aus; „Weiße Magnesia". Auch hier entsteht bei Gegenwart

Chemisches Gleichgewicht — Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

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von Ammoniumsalzen kein Niederschlag; der schon entstandene Niederschlag löst sich auf Zusatz von Ammoniumchlorid-Lösung wieder auf. N a t r i u m p h o s p h a t : Zu einer Probe Magnesiumsalz-Lösung gebe man etwas Ammoniumchlorid, um nachher ein Ausfallen von Magnesiumhydroxyd zu verhindern, und mache mit Ammoniak alkalisch. (Oder man säuere die Magnesiumsalz-Lösung mit Salzsäure an und gebe Ammoniak im Überschuß hinzu.) Dann versetze man mit etwas Natriumphosphat-Lösung: es fällt A m m o n i u m m a g n e s i u m p h o s p h a t aus. MgCl2 + NH 3 + Na 2 HP0 4 = 2NaCl + NH 4 MgP0 4 . Aus verdünnten Lösungen fällt der Niederschlag erst nach einiger Zeit. Wie bereits S. 57/58 bemerkt wurde, fördert man in derartigen Fällen die Kristallisation dadurch, daß man die Flüssigkeit umrührt und mit dem Glasstabe dabei an den Wänden des Glases kratzt. Man stelle den Niederschlag auf dem Objektträger in der Weise her, daß man je e i n e n Tropfen der ammoniakalischen Magnesiumchlorid- und der Phosphat-Lösung getrennt auf das Glas bringt und dann mit einer dünnen Glasspitze eine Verbindung zwischen den beiden Tropfen herstellt, so daß die Lösungen langsam ineinander diffundieren. Es bilden sich dann verhältnismäßig große Kristalle, deren Form man unter dem Mikroskop betrachte (sargdeckelähnliche Einzelformen bzw. scheren- und sternförmige Verwachsungen). Chemisches Gleichgewicht Das Wesen der chemischen Gleichgewichte Verdampfungsgleichgewicht (flüssige und

Das gasförmige JPhase). Bringt man in ein ldeines evakuiertes Kölbchen, das mit einem QuecksiJbermanometer verbunden ist, etwas Wasser, so zeigt das Manometer einen kleinen Ausschlag: Es herrscht also kein Vakuum mehr, sondern es muß sich ein gasförmiger Stoff gebildet haben. Dies kann nur Wasserdampf sein. Der Druck des entwickelten Waaserdampfes, der „Sättigungsdruck" oder „Dampfdruck" des Wassers, erreicht dabei — vorausgesetzt, daß so viel Wasser vorhanden ist, daß ein Teil flüssig bleibt — einen ganz b e s t i m m t e n Wert. Er ist um so größer, je höher die Versuchstemperatur ist. Die durch Versuche der geschilderten Art erhaltene „Dampfdruckkurve" ist in Abb. 19 dargestellt. Der Dampfdruck ist praktisch unabhängig von der Gegenwart fremder Gase, z. B. Luft *). Dies ist der einfachste Fall eines p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e n Gleichgewichtes. Es hat mit dem stabilen mechanischen Gleichgewicht die Eigenschaft gemeinsam, auf erzwungene Störungen mit einer freiwilligen Rückkehr in die Gleichgewichtslage zu antworten. Denkt man sich z. B. das Kölbchen Direkt über einer Wasseroberfläche enthält demnach die Luft so viel Wasserdampf, wie dem Dampfdruck bei der betreffenden Temperatur entspricht. Im allgemeinen ist jedoch der Wassergehalt der Luft geringer; die Luftfeuchtigkeit hängt von der jeweiligen Wetterlage ab. 5*

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Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

mit einem beweglichen Stempel versehen, der es gestattet, das Volumen zu ändern, so wird durch eine Volumenverkleinerung nicht — wie sonst bei einem Gase — der Gasdruck erhöht, sondern es geht so viel Wasserdampf in flüssiges Wasser über, bis wieder der ursprüngliche Wasserdampfdruck vorhanden ist. Bei einer Vergrößerung des Volumens verdampft entsprechend flüssiges Wasser, bis der Gleichgewichtsdruck eingestellt ist. Erhöht man bei einer in einem offenen Gefäß befindlichen Flüssigkeit wie Wasser die Temperatur, bis der Dampfdruck gleich dem Druck der äußeren Atmosphäre geworden ist, so ist der entwickelte Dampf nunmehr imstande, die auf der Flüssigkeit lastende Luft vor sich herzuschieben, und es entstehen im I n n e r e n der Flüssigkeit Dampfblasen: die Flüssigkeit „ k o c h t " oder „ s i e d e t " . Leitet man andererseits z. B. bei Kaumtemperatur über eine Schüssel mit Wasser Luft, die weniger Wasserdampf enthält als dem Wasserdampfdruck bei der betreffenden Temperatur entspricht, so gibt das Wasser in dem Bestreben, in dem darüberstehenden Gase den Gleichgewichtsdruck an Wasserdampf herzustellen, an das Gas dauernd Wasserdampf ab, der infolge der Gasbewegung immer wieder weggeführt wird; die Wasserdampfabgabe erfolgt dabei aber nur von der O b e r f l ä c h e , nicht wie Tempergfur > oben aus dem Inneren des Wassers: das Wasser „ v e r d u n s t e t " (vgl. z. B. Figur 19. Dampfdruck-Kurve das Trocknen von Wäsche!).

Gleichgewichte

zwischen

einem

Gas

und festen

Stoffen.

Ganz ähnliche Verhältnisse haben wir auch bei manchen c h e m i s c h e n U m s e t z u n g e n . Beim Brennen von Kalkstein z. B. spaltet sich dieser in festes Calciumoxyd und gasförmiges Kohlendioxyd: CaC0 3 CaO + C0 2 . Andererseits kann sich Calciumoxyd mit Kohlendioxyd wieder zu Calciumcarbonat vereinen: CaO + C0 2 -> CaC0 3 . Beide Gleichungen kann man unter Verwendung eines Doppelpfeiles zu der Gleichung: CaC0 3 ^ CaO + C0 2 vereinen, die ausdrücken soll, daß die Umsetzung je nach den herrschenden Bedingungen entweder von links nach rechts oder von rechts nach links verläuft. Man spricht deshalb auch von einer „ u m k e h r b a r e n R e a k t i o n " . Erhitzt man Kalkstein in einem abgeschlossenen Baume, so stellt sich ein ganz bestimmter Kohlendioxyd-Druck, ein „Gleichgewichtsdruck", ein, der mit steigender Temperatur in ganz -entsprechender Weise ansteigt, wie es Fig. 19 für den Sättigungsdruck des Wassers gezeigt hat. (Voraussetzung ist natürlich wieder, daß so reichlich Kalkstein verwendet wurde, daß er noch nicht vollständig zersetzt ist.) Stört man auch hier dieses Gleichgewicht, indem man z. B. in einem offenen Gefäß erhitzt und durch Überleiten von Luft das Kohlendioxyd dauernd entfernt, so wird laufend weiter Kohlendioxyd abgespalten, bis das Calciumcarbonat vollständig zersetzt ist. Löslichkeit (z.B. flüssige und feste Phase). Weitere Beispiele für physikalisch-chemische Gleichgewichte bietet uns die Erscheinung der L ö s -

Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

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l i c h k e i t . Die meisten Stoffe, wie z. B. Kochsalz, Kaliumnitrat usw., lösen sich in Wasser bis zu einer bestimmten Sättigungskonzentration 1 ). Überschüssig zugesetzter fester Stoff löst sich nicht mehr, sondern bleibt unverändert am Boden des Gefäßes zurück („Bodenkörper"). Die überstehende Lösung bezeichnet man dann als „gesättigt". Die Sättigungskonzentration ist unabhängig von der anwesenden Menge des festen Bodenkörpers. Eindunsten der Lösung stört das Löslichkeitsgieichgewicht ebenso, wie eine Verminderung des Volumens das Verdampfungsgleichgewicht beeinflußt. Die dadurch willkürlich erzeugte Erhöhung der Konzentration wird durch Auskristallisieren einer entsprechenden Menge des gelösten Stoffes rückgängig gemacht. Die G r ö ß e d e r L ö s l i c h k e i t bewegt sich bei verschiedenen Stoffen innerhalb sehr weiter Grenzen. So lösen 100 g Wasser bei Zimmertemperatur last. 100 g Natriumnitrat, aber nur Viooo m S Quecksilbersulfid. Vollkommen unlösliche Stoffe gibt es nicht; auch von den schwer löslichen Stoffen (zu denen das Quecksilbersulfid gehört) gehen geringe Beträge in Lösung,.wie das z. B. der Versuch auf S. 65 für ErdalkaliSulfate gezeigt hatte. InfolgeFigur 20. Löslichkeiten dessen kann man durch Fällung einen Stoff auch nie restlos aus der Lösung entfernen. Allerdings ist die Löslichkeit vieler Niederschläge für die meisten praktischen Zwecke zu vernachlässigen. Wie alle Gleichgewichte hängt auch das Löslichkeitsgieichgewicht von der T e m p e r a t u r ab, aber bei den einzelnen Stoffen in verschiedener Weise. Die Sättigungskonzentration einiger Stoffe fällt mit steigender Temperatur (z. B. Natrium-Sulfat oberhalb 31°). In der Regel steigt sie mit der Temperatur an, bei manchen Stoffen (z. B. Natriumchlorid) schwach, bei anderen (Kaliumnitrat) stark (vgl. Fig. 20). Kühlt man eine heiß gesättigte Lösung eines Stoffes der letzten Art ab, so sollte entsprechend der Abnahme der Löslichkeit mit fallender Temperatur ein Teil des gelösten Stoffes auskristallisieren. Oft unterbleibt aber diese Ausscheidung, man erhält sogenannte „ ü b e r s ä t t i g t e " L ö s u n g e n . Diese stellen natürlich k e i n e n Gleichgewichtszustand dar. Die ausgebliebene Kristallisation kann meist durch Hinzufügung eines winzigen Kriställchens („Keims") des betreffenden Stoffes oder aber durch Kratzen der Gefäßwand mit einem Glasstabe momentan ausgelöst werden: der „labile" Zustand geht damit in das „stabile" Gleichgewicht über. Manchmal gelingt die Aufhebung des übersättigten Zustandes aber nur schwierig (z. B. bei .Kaliumbitartrat- oder Calciumoxalat-Lösungen; vgl. S. 57 u. 64). Der D a m p f d r u c k einor L ö s u n g ist stets geringer als der des reinen Lösungsmittels bei der gleichen Temperatur. Die Dampfdruckerniedrigung ist um so größer, je höher die Konzentration der Lösung ist. Infolgedessen haben gesättigte Lösungen sehr leicht löslicher Stoffe einen kleineren Dampfdruck, als der mittleren Luftfeuchtigkeit entspricht. Daher ziehen solche Stoffe, z. B. Calciumchlorid, im festen Zustande Wasserdampf aus der Luft 1 ) Manche Stoffe lösen sich allerdings in bestimmten anderen Stoffen in unbegrenzter Menge auf, z. B. Alkohol in Wasser („völlige Mischbarkeit").

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Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

an und bilden damit gesättigte Lösungen; sie sind „ h y g r o s k o p i s c h " und zerfließlich1). Auch bei der Auflösung von Gasen in Flüssigkeiten handelt es sich um Gleichgewichte. In diesem Falle ist aber die Sättigungskonzentration des gelösten Stoffes verschieden je nach dem D r u c k (Partialdruck), unter dem das zu lösende Gas mit der Lösung in Berührung steht. Mit Erhöhung des Druckes steigt die Löslichkeit (Henrysches Gesetz). Mit steigender T e m p e r a t u r nimmt in allen praktisch bedeutsamen Fällen die Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten ab. Homogene Gleichgewichte. Bei den bisher besprochenen Beispielen handelte es sich stets um Gleichgewichte zwischen mehreren Phasen, z. B. zwischen flüssiger und gasförmiger, zwischen fester und flüssiger Phase usw. Nicht weniger wichtig als diese „heterogenen" Gleichgewichte sind die „ h o m o g e n e n " . Unter homogenen Reaktionen versteht man solche chemischen Umsetzungen, die sich nur in einer Phase abspielen. Hierher gehören z. B. alle Umsetzungen, die in einer Lösung ohne Niederschlagsbildung oder Gasentwicklung verlaufen, oder solche, die ausschließlich im Gaszustande vor sich gehen. Bei derartigen Fällen sind wir bisher auf die Erscheinung des Gleichgewichts deswegen noch nicht aufmerksam geworden, weil bei ihnen die Umsetzungen meist weniger augenfällig sind und oft nur indirekt erkannt werden können. Erhitzt man z. B. reines Bromwasserstoffgas auf Rotglut, so zersetzt es sich nach 2HBr = H 2 + Br 2 . Das entstandene freie Brom färbt das vorher farblose Gas braun und läßt sich, ebenso wie der entstandene elementare Wasserstoff, auf chemischem Wege nachweisen. Die Zersetzung verläuft aber n i c h t v o l l s t ä n d i g , denn man kann in dem Gasgemisch auch noch unveränderten Bromwasserstoff nachweisen. Erhitzt man andererseits ein HBr-freies Gemisch von Wasserstoff und Brom auf Rotglut, so zeigt sich, daß sich ein Teil dieser Gase nach der Umkehrung der obigen Gleichung: H 2 + Br 2 = 2HBr zu Bromwasserstoff vereinigt. Wir haben es also mit einer u m k e h r b a r e n R e a k t i o n H 2 + Br2 ^ 2HBr zu tun, die zu einem Gleichgewicht führt: Brom und Wasserstoff vereinigen sich zwar miteinander, aber nicht vollständig, sondern nur so lange, bis die entstandene Brom wasserstoffmenge einen bestimmten Wert besitzt; diesen Endzustand bezeichnen wir als das G l e i c h g e w i c h t . Umgekehrt zerfällt Bromwasserstoff beim Erhitzen, aber ebenfalls nicht vollständig, sondern nur bis zur Erreichung des Gleichgewichtsgemisches von H 2 , Br 2 und HBr. Die Lage des Gleichgewichtes, d. h. die Zusammensetzung des Gleichgewichtsgemisches, ändert sich im allgemeinen bei Änderungen der äußeren Bedingungen (Temperatur, Druck) 2 ). So stehen z. B. die dunkelbraunen einfachen Molekeln des Stickstoffdioxyds N0 2 mit den fast farblosen doppelten Molekeln N 2 0 4 (vgl. S. 37) in einem Gleichgewicht: 1 ) In manchen Fällen besitzt aber auch nur das f e s t e H y d r a t eines Stoffes einen geringeren Wasserdampfdruck als der Luftfeuchtigkeit entspricht, nicht aber die gesättigte Lösung dieses Hydrats. Solche Stoffe, z. B. wasserfreies Kupfersulfat, sind hygroskopisch — sie nehmen Wasserdampf aus der Luft zur Bildung des festen Hydrats auf —, sie sind aber nicht zerfließlich. 2 ) Näheres ersieht man aus den Lehrbüchern ( B r a u n - L e C h a t e l i e r sches Prinzip).

Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

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das sich mit steigender Temperatur zugunsten der einfachen Molekeln NO., verschiebt; bei tiefer Temperatur sind im Gleichgewicht neben viel N.204Molekeln nur wenige N02-Molekeln vorhanden, bei hoher Temperatur ist es umgekehrt. Diese Erscheinung läßt sich wegen der verschieden tiefen Farbe der beiden Reaktionsteilnehmer leicht bei folgendem Versuch erkennen: Von zwei gleichen Glasrohren, die mit gasförmigem Stickstoffdioxyd gefüllt und dann abgeschmolzen sind (Assistent) 1 ), kühle m a n das eine mit einem Gemisch v o n kleingestoßenem Eis und Wasser: die Farbe wird heller (Zunahme von N 2 0 4 auf Kosten v o n N 0 2 ) , was besonders beim Vergleich mit dem anderen, nicht gekühlten Rohr deutlich wird. N u n hänge m a n das erste Rohr in einen weiten Glaszylinder mit unten angeschmolzener Erweiterung (Assistent) mit Hilfe einer mehrfachen Drahtschlinge ein (Fig. 21). Die Erweiterung des großen Zylinders sei zur Hälfte mit Wasser beschickt; ferner enthalte es einige Stückchen unglasierten Tons (Siedesteinchen), damit Ii ein Siedeverzug auftritt. Bringt man jetzt das Wasser zum Sieden, so vertieft sich die Farbe des Gases nach dunkelbraun in dem Maße, wie es durch die aufsteigenden Wasserdämpfe erwärmt wird (Zunahme v o n N 0 2 auf Kosten von N 2 0 4 ) . Ebenso wie es völlig unlösliche Stoffe nicht gibt, so führen auch fast alle chemischen Reaktionen zu Gleichgewichten, bei denen Ausgangsstoffe und entstehende Stoffe n e b e n e i n a n d e r vorliegen. Allerdings liegt das Gleichgewicht vielFigur 21. Erhitzung des fach sehr weit zugunsten der einen Seite der Ummit Stickstoffdioxyd gesetzungsgleichung, so daß entweder die Ausgangsfüllten Rohres stoffe oder die entstehenden Stoffe nur in verschwindend kleiner Menge zugegen sind. Auch bei chemischen Umsetzungen gibt es V e r z ö g e r u n g e n der Gleichgewichtseinstellung, ähnlich wie wir es S. 69 bei den übersättigten Lösungen kennen gelernt haben. So sollte das „Knallgas", d. h. ein Gemisch von Wasserstoff und Sauerstoff, bei Zimmertemperatur eigentlich zu einem Gleichgewicht 2H, + 0. 2H,0 führen, das praktisch vollständig zugunsten des Wassers liegt. Tatsächlich bleibt aber „Knallgas" bei Zimmertemperatur praktisch unverändert. Der Grund für diese Erscheinung ist der, daß die G e s c h w i n d i g k e i t , mit der sich Wasserstoff und Sauerstoff vereinigen, bei Zimmertemperatur so gering ist, daß das Gleichgewicht erst nach Millionen von Jahren erreicht werden würde. Durch Temperaturerhöhung werden die Geschwindigkeiten aller chemischen Reaktionen stark vergrößert. Erhitzt man das Knallgasgemisch an Bei der Füllung, die etwa ein älterer Student als präparative Arbeit durchführen kann, ist darauf zu achten, daß die Rohre gleiche Durchmesser (etwa 20—30 mm) haben und bis zu gleicher Farbtiefe mit gasförmigem Stickstoffdioxyd gefüllt werden.

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Das Massenwirkungsgesetz

einer Stelle, so setzt hier die Reaktion ein; die dabei frei werdende Energie bringt die benachbarten Teile auf eine Temperatur großer Reaktionsgeschwindigkeit, und nun schreitet die Umsetzung fast momentan durch die ganze Mischung fort: E x p l o s i o n .

Das Massenwirkungsgesetz Bringt man die Gase S c h w e f e l d i o x y d S0 2 und Chlor Cl2 bei erhöhter Temperatur zusammen, so bildet sich teilweise S u l f u r y l c h l o r i d S02C12; es stellt sich dabei folgendes Gleichgewicht ein: S0 2 + Cl2 S02C12 . Die nähere Untersuchung ergibt für das Verhältnis, in dem die drei Stoffe im Gleichgewicht nebeneinander vorhanden sind, eine sehr einfache, zahlenmäßige Beziehung. Bezeichnen wir die P a r t i a l d r u c k e 1 ) der drei Stoffe im Gleichgewichtszustande mit y S 0 ! , p c l [ und yso,,c]2> s o ^SOa'^CU Der P a r t i a l d r u c k d e s e n t s t e h e n d e n S t o f f e s , d i v i d i e r t d u r c h das P r o d u k t aus den P a r t i a l d r u c k e n der Ausgangsstoffe, ist demnach gleich einem k o n s t a n t e n Zahlen wert, d e r , , G l e i c h g e w i c h t s kons ta'nten". Es ist dabei keineswegs notwendig, daß man von „stöchiometrischen" Mengen Schwefeldioxyd und Chlor ausgeht; es ist vielmehr ganz gleichgültig, ob man viel Schwefeldioxyd und wenig Chlor zusammengibt oder umgekehrt. Für den sich einstellenden Gleichgewichtszustand erweist sich die obige Gleichung unter allen Umständen als gültig. Gibt man z. B. zu einem im Gleichgewicht befindlichen System neues Schwefeldioxyd, so daß i>SOi vergrößert- wird, so bildet sich mehr Sulfurylchlorid; es werden also kleiner und P g o ^ h größer, und zwar in solchem Umfange, daß der Quotient 7>go!ci,/z>so!'?)Cli wieder den gleichen Zahlenwert erreicht wie vorher. Voraussetzung ist dabei nur, daß die T e m p e r a t u r die gleiche bleibt. Untersucht man das Gleichgewicht bei verschiedenen Temperaturen, so erhält man auch verschiedene Zahlenwerte für die Gleichgewichtskonstante. — Außerdem ist selbstverständlich die Gleichgewichtskonstante von Reaktion zu Reaktion verschieden. Es handelt sich also nicht'um eine generelle Konstante, wie es etwa bei der Gaskonstanten R der Fall ist. Handelt es sich um ein Gleichgewicht, bei dem ein Reaktionspartner mit m e h r e r e n Molekeln an der Umsetzung beteiligt ist, wie z. B. bei dem S. 70 besprochenen Gleichgewicht der Bromwasserstoffbildung: H 2 + Br 2 ^ 2 H B r , so können wir dafür auch schreiben: H 2 + Br 2 sfäs HBr + HBr . Die Partialdrucke im Gleichgewichtszustande sind dementsprechend durch folgende Beziehung: ^HBr' ^HBr = const, , ^HBr— , oder = const ZWPBr, PH.-Pbf, ') Der Partialdruck eines Stoffes ist der Druck, den man messen würde, wenn man alle anderen gasförmigen Stoffe entfernen würde, ohne das Volumen zu ändern. — Liegt ein Gemisch mehrerer gasförmiger Stoffe vor, so ist die Summe ihrer Partialdrucke gleich dem auf die Gefäßwände -wirkenden. Gesamtdruck.

Das Massenwirkungsgesetz

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miteinander verknüpft: Nimmt ein Partner mit mehreren Molekeln an der Umsetzung teil, so ist also in die Gleichgewichtsbedingung sein Partialdruck mit der entsprechenden P o t e n z einzusetzen. Weitere wichtige B e i s p i e l e für die Anwendung dieses Gesetzes auf Gasreaktionen sind: 1. Die Darstellung von S c h w e f e l t r i o x y a : 2 S 0 2 - O, ^

2 S0 3

= const . P ä O t ' P O i

2. Die Gewinnung von A m m o n i a k aus Stickstoff und Wasserstoff: N, i 3 H . ^

2NH,

= const.

7) • V 3 P ^ . n n

Nach den Gasgesetzen ist die K o n z e n t r a t i o n c (d. h. die Anzahl Mole in der Volumen-Einheit, vgl. S. 21) eines Gases proportional seinem Partialdruck1). Deshalb gilt für die Konzentrationen die gleiche Gesetzmäßigkeit wie für die Partialdrucke. Für das letzte Beispiel heißt dann die Gleichgewichtsbedingung : c

i

= const . S V cH2 In dieser Form, d. h. ausgedrückt in den Konzentrationen, hat das Gesetz auch Gültigkeit für die Reaktionen in L ö s u n g e n . Beispiele hierfür werden in den nächsten Abschnitten behandelt. Das soeben besprochene Gesetz wurde 1867 von den beiden Norwegern G u l d b e r g und W a a g e entdeckt. Da diese das, was wir heute „Konzentration" nennen, als „aktive Masse" bezeichneten, sprachen sie es in folgender Form aus: Die Wirkung eines S t o f f e s ist seiner a k t i v e n Masse prop o r t i o n a l . Daher heißt das Gesetz heute noch das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z . Man lasse sich aber nicht zu der Ansicht verleiten, als ob die a b s o l u t e Masse eines Reaktionsteilnehmers für das Gleichgewicht von Bedeutung sei. Das Entscheidende ist vielmehr immer die in der Volumeneinheit vorhandene Masse, d. h. die „Konzentration". Es ist heute meist üblich, die Konzentration eines Stoffes dadurch zu bezeichnen, daß man das chemische Symbol eines Stoffes in eckige Klammern schließt. So ist z. B. zu lesen: [HBr] = Konzentration des Bromwasserstoffes; [Cl2] = Konzentration des molekularen Chlors; [Cl _ ] = Konzentration der Chlorionen usw. Für die allgemeine Umsetzungsgleichung: rnA

+

n

B

+

oC

+

=

u

P

+

vQ

+

w

R

+

lautet dann das MassenWirkungsgesetz: [ P f - [ Q f - [ R f

= const .

Der eingangs dieses Kapitels (S. 67) benutzte Vergleich des chemischen mit dem mechanischen Gleichgewicht hinkt wie alle Vergleiche, insbesondere insofern, als das mechanische Gleichgewicht ein statisches, das chemische ein d y n a m i s c h e s ist. Das chemische Gleichgewicht kommt nicht !) Das Gasgesetz lautet: p = E T - n / v , wobei R — Gaskonstante, T = absol. Temperatur, n = Anzahl Mole, v = Volumen, also n/v = Anzahl Mole in der Volumeneinheit, d. h. die Konzentration bedeuten.

74 Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. dadurch zustande, daß bei den Bedingungen des Gleichgewichts die Molekeln der vorhandenen Stoffe überhaupt nicht mehr miteinander reagieren. Vielmehr erfolgen auch im Gleichgewichtszustande dauernd Reaktionen im Sinne der Umsetzungsgleichung, und zwar sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links. Jedoch ist unter den Gleichgewichtsbedingungen der Umsatz in beiden Richtungen gleich groß. Infolgedessen verändern sich die Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer nicht, so daß der Beobachter fälschlicherweise den Eindruck gewinnt, als ob alles in Ruhe sei. Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen in wäßriger Lösung Alle Dissoziationsreaktionerl von in Wasser gelösten Elektrolyten führen zu Gleichgewichten, die allerdings bei den meisten Salzen und den starken Säuren und Basen weitgehend zugunsten der Dissoziationsprodukte liegen. Bei diesen „ s t a r k e n " Elektrolyten ist das Massenwirkungsgesetz nur in äußerst verdünnten Lösungen gültig, weil in konzentrierteren die Ladungen der Ionen Störungen verursachen. Für die nicht so weitgehend dissoziierenden „schwachen" Elektrolyte gilt dagegen das Massenwirkungsgesetz auch noch für Lösungen mittlerer Konzentration. Einfluß der Verdünnung auf den Dissoziationsgrad. Für die elektrolytische Dissoziation folgt, wie im einzelnen in den Lehrbüchern gezeigt wird, daß der Dissoziationsgrad mit der Verdünnung zunimmt. So beruht z. B. der S. 23f. u. 36 beschriebene Unterschied zwischen konzentriertem und verdünntem Zustande bei Schwefel- und Salpetersäure darauf, daß im ersteren Falle im wesentlichen Molekeln, im letzteren hauptsächlich Ionen vorliegen. Sehr deutlich läßt sich die Zunahme der Dissoziation mit der Verdünnung an folgendem Versuch erkennen, zu dem ein Salz benutzt wird, das im dissoziierten Zustande eine andere Farbe besitzt, als im nicht dissoziierten Zustande. Man stelle ein wenig einer annähernd gesättigten Lösung von C u p r i c h l o r i d her. Da die in Wasser gelösten Cupriionen blau, die Cuprichloridmolekeln aber gelbbraun gefärbt sind 1 ), und da ferner in einer konzentrierten Cuprichlorid-Lösung das Salz nur zum Teil dissoziiert ist, so besitzt die Lösung eine Mischfarbe von blau und gelb, also grün. Wird diese Lösung nun allmählich mit Wasser verdünnt, so wird sie blaustichiger. Bei starker Verdünnung geht der Farbton schließlich —• einer vollständigen Dissoziation des gelösten Cuprichlorids entsprechend — in reines Blau über. Noch auffälliger ist der Farbumschlag bei Verwendung des schwarzbraunen C u p r i b r o m i d s . Wirkung gleichioniger Zusätze. Für das Dissoziationsgleichgewicht des Cuprichlorides: CuCI2 ^ Cu2 + + 2C1ergibt das Massenwirkungsgesetz: [Cu2+]-[Cl_]2/[CuCL,] = const. Daraus ersieht man, daß eine Erhöhung der Chlorionenkonzentration den Anteil der Cupriionen zugunsten der undissoziierten Cuprichloridmolekeln zurückdrängen muß. 1 ) Streng genommen spielt bei der Farbe der konzentrierten bzw. HC1haltigen Lösungen (vgl. später) die Bildung von Komplexionen (vgl. dazu S. 93ff.) eine wichtige Rolle; das ist aber für das Wesentliche des Vorganges ohne Bedeutung.

Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw.

75

Man setze zu konzentrierter grüner C u p r i c h l o r i d - L ö s u n g e t w a s k o n z e n t r i e r t e S a l z s ä u r e hinzu; dabei wird das Grün gelbstichiger. Bei starkem Salzsäurezusatz geht es in das reine Gelbbraun des undissoziierten Cuprichlorides über. Diese V e r m i n d e r u n g d e r D i s s o z i a t i o n d u r c h g l e i c h i o n i g e n Zus a t z ist bei dem eben angeführten Versuche wegen der Farbänderung besonders augenfällig. Nicht so leicht erkennbar, aber wichtiger ist die gleiche Erscheinung bei s c h w a c h e n B a s e n u n d S ä u r e n . Man gebe in zwei Reagenzgläser je 1 / 2 ccm verdünnter A m m o n i a k - L ö s u n g (nicht mehr!) und versetze die eine Probe mit viel A m m o n i u m c h l o r i d - L ö s u n g , die andere mit der gleichen Menge Wassers. Gibt m a n dann zu beiden Lösungen 1—2 Tropfen P h e n o l p h t h a l e i n - L ö s u n g , so zeigt nur die ammoniumchloridfreie Probe die rote Farbe, die Phenolphthalein in alkalischem Medium a n n i m m t ; die andere bleibt praktisch farblos. Statt Ammoniumchlorid kann man dabei auch Ammoniumsulfat oder -Nitrat benutzen. In der ammoniumsalzhaltigen Probe muß also die OH~-Ionenkonzentration so gering sein, daß sie von dem Phenolphthalein nicht mehr angezeigt wird. Das Massenwirkungsgesetz gestattet, diese Erscheinung zu erklären. Das Gleichgewicht in einer wäßrigen Ammoniak-Lösung gehorcht der Gleichung: [NH4+]-[qH_-] [NH 3 ][H 2 0] Da sich, wie wir S. 58 sahen, Ammoniak-Lösung wie eine schwache Base verhält, ist der Zahlen wert der Gleichgewichtskonstanten K klein; d. h. nur ein kleiner Bruchteil der NH3-MoIekeln setzt sich mit Wasser unter Bildung von NH 4 +- und OH - -Ionen um. Ammoniumchlorid ist dagegen als Salz fast vollständig in seine Ionen NH 4 ~ ' und Cl~ dissoziiert. Die Zugabe von Ammoniumchlorid zu der Ammoniak-Lösung erhöht deshalb die NH 4 +-Ionenkenzentration stark. Damit der obige Ausdruck für das Gleichgewicht der Ammoniak-Lösung seinen Wert K behält, muß also — wie wir es beobachtet haben — die an sich schon geringe OH _ -Ionenkonzentration sinken, wodurch gleichzeitig die Konzentration der NH3-Molekeln ansteigt. Hiermit hängt unter anderem die Löslichkeit von Magnesiumhydroxyd in Ammoniumchlorid-Lösung (vgl. S. 66) zusammen, auf die wir S. 81 noch einmal zurückkommen werden. Puffer-Lösungen. Ganz entsprechend erhält man stets eine Zurückdrängung der Dissoziation, d. h. eine Verminderung der H+- bzw. OH~-Ionenkonzentration, wenn man zu der Lösung einer schwachen Base oder Säure ein Salz derselben Base oder Säure zusetzt. Außerdem werden von derartigen Kombinationen H+- bzw. OH~-Ionen, die durch eine Umsetzung entstehen, bis zu einem gewissen Grade weggefangen, so daß die Konzentration der H+bzw. OH~-Ionen fast konstant bleibt. So gilt z. B. für die Dissoziation der Essigsäure (CH 3 C0 2 H) die Gleichung [H+][CH 3 C0 2 -]/[CH 3 C0 2 H] = K. Setzt man viel eines essigsauren Salzes, z. B. Natriumacetat, zu, so wird, weil Essigsäure eine schwache Säure ist, [H + ] um mehrere Zehnerpotenzen kleiner sein als [CH 3 C0 2 H] und [CH 3 C0 2 - ]. Entstehen jetzt in der Lösung durch irgendeine Reaktion H+-Ionen, so vereinigen sie sich mit den CH 3 C0 2 _ -Ionen zu undissoziierter Essigsäure. Ist die aufzufangende H+-Ionenmenge klein gegen die vorhandene CH 3 C0 2 _ -Ionenmenge, so wird die Konzentration an CH 3 C0 2 - Ionen und CH3C02H-Molekeln nur verhältnismäßig wenig geändert. Damit muß sich auch fast die gleiche H+-Ionenkonzentration einstellen wie vorher.

76 Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. Gemische von der Art wie das eben besprochene aus Essigsäure und Natriumacetat bezeichnet man daher als P u f f e r - L ö s u n g e n . Es sei nochmals betont, daß ein solcher Puffer nur dann voll wirksam bleiben kann, wenn die Anzahl der hinzukommenden H+-Ionen klein gegenüber der Zahl der vorhandenen Acetationen bleibt. Eine Zugabe etwa von viel Salzsäure würde auch hier zu einer starken Erhöhung der H + -Ionenkonzentration führen. Diese Betrachtungen haben eine große Bedeutung für den Fall, daß man stark saure bzw. stark basische Lösungen „ a b s t u m p f e n " , d. h. schwach sauer bzw. schwach basisch machen will. So kann man die H+-Ionenkonzentration einer salzsauren Lösung bis auf etwa den in der Essigsäure vorhandenen Wert vermindern, wenn man viel Natriumacetat, d. h. das Salz einer s c h w a c h e n S ä u r e , zugibt. Die obigen Betrachtungen zeigen, daß man dabei — vorausgesetzt, daß von vornherein nicht zu viel H+-Ionen vorhanden waren — sogar unter die H+-Ionenkonzentration der Essigsäure kommt. Ganz entsprechend vermindert man die OH~-Ionenkonzentration einer starken L a u g e , wie Natronlauge durch die Zugabe von Ammoniumchlorid, dem Salz einer s c h w a c h e n Base. Dieses Verfahren des Abstumpfens hat den Vorteil, daß es mit Sicherheit vermieden wird, daß die saure bzw. alkalische Reaktion der Ausgangslösung durch das zufällige Hinzufügen eines Überschusses des Abstumpfungsmittels in das Gegenteil umschlägt. Diese Gefahr bestünde z. B., wenn man eine starke Säure wie Salzsäure durch Zugabe einer starken Base wie Natronlauge abstumpfen wollte. Man überzeuge sich, daß die S. 65 erwähnte Fällung von Bariumchromat auch dann eintritt, wenn man zu einer schwach salzsauren Lösung viel Natriumacetat-Lösung zugibt. Als Beispiel für die abstumpfende Wirkung von Ammoniumchlorid auf Natronlauge vgl. man die auf S. 84/85 beschriebene fällende Wirkung von Ammoniumchlorid auf eine Aluminat-Lösung. Die Dissoziation des Wassers, der Wasserstoffionenexponent. Bei unseren bisherigen Betrachtungen hatten wir das Wasser als nur aus H20-Molekeln bestehenden Nichtelektrolyten behandelt. Für eine genauere Betrachtung ist das nicht mehr zulässig; denn selbst reinstes Wasser zeigt noch eine, wenn auch außerordentlich geringe elektrolytische Leitfähigkeit. Diese rührt daher, daß ein sehr geringer Bruchteil des Wassers nach der Gleichung H 2 0 = H+ -f O H - in Ionen zerfallen ist. Nach dem Massenwirkungsgesetz gilt dann [H+] • [0H _ ]/[H 2 0] = K. Da in einem Liter Wasser von 1000 g Gewicht 1000/18 = 55,6 Mole Wasser enthalten sind, beträgt in reinem Wasser die Konzentration der undissoziierten H20-Molekeln 55,6 Mole/Liter. Da sich diese Konzentration nur sehr unwesentlich ändert, wenn man statt reinen Wassers verdünnte wäßrige Lösungen betrachtet, so kann man sie für die meisten Betrachtungen als konstant annehmen. Also gilt: [H+] • [OH - ] = K • [H 2 0] = Kw, wobei Kw als Produkt zweier konstanter Größen ebenfalls eine Konstante ist. Dieses I o n e n p r o d u k t des W a s s e r s [H+] • [OH - ] hat bei Zimmertemperatur einen Zahlenwert von etwa 10 -14 , wenn man die Konzentrationen wie üblich in Mol/Liter (bzw. Gramm-Ion/Liter) mißt. Infolgedessen beträgt in reinem Wasser, in dem ja die Menge der H+-Ionen gleich der der OH _ -Ionen sein muß, die Konzentration dieser beiden Ionen je 10 - 'Gramm-Ionen/Liter; oder anders ausgedrückt: 1 g H+Ionen und 17 g OH~-Ionen sind in 10' Litern, das sind 100001 Wasser enthalten. Diese Tatsache führt zu folgenden Überlegungen: Bei der Neutralisation einer Säure mit einer Base werden die H+- und OH _ -Ionen nicht r e s t l o s zu H20-Molekeln vereinigt, sondern es bleibt stets ein kleiner Bruchteil übrig, nämlich so viel, daß [H+] • [OH - ] = 10 -14 ist. Es sind also selbst in

Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. 77 alkalischer Lösung neben sehr viel OH~-Ionen auch einige wenige H+-Ionen und in saurer Lösung neben den H+-Ionen auch ganz wenig OH~-Ionen vorhanden. So ist in einer 1-normalen Lösung einer starken Säure, in der ja [H + ] annähernd gleich 141 ist, [OH - ] = 10 -14 und umgekehrt in einer 1-normalen Lauge [H+] = 10~ . Wegen dieser eindeutigen Verknüpfung der H+-Ionenund der OH~-Ionenkonzentration kann man sowohl alkalische wie auch saure Lösungen durch eine dieser Größen allein charakterisieren. Man pflegt dazu die H+-Ionenkonzentration zu benutzen, und zwar nicht ihre Größe selbst, sondern deren negativen Logarithmus. Diese Größe pH =- — log [H + ] nennt man den Wasserstoffionenexponenten. Sein Wert beträgt also in neutraler Lösung 7, in 1-normaler Säure 0, in 1-normaler Lauge 14. Hydrolyse. So gering die Dissoziation des Wassers in seine Ionen auch ist, so spielt diese äußerst kleine Ionenkonzentration doch oft eine entscheidende Rolle, z. B. in folgender Erscheinung: Salze wie Natriumcyanid (NaCN) und Femchlorid (FeCl3) hatten wir früher als „neutrale Salze" bezeichnet im Gegensatz zu den „sauren" Salzen, die noch durch Metall ersetzbaren Wasserstoff enthalten, und den „basischen" Salzen, die noch durch Säurereste ersetzbare Hydroxylgruppen besitzen. Man prüfe Lösungen von Natriumchlorid, Natriumcyanid und Ferrichlorid mit Lackmuspapier. Es zeigt sich, daß zwar die Natriumehlorid-Lösung neutral reagiert, die Natriumcyanid-Lösung aber alkalisch und die Ferrichlorid-Lösung sauer. Aus diesen Versuchen folgt, daß in der Natriumcyanid-Lösung OH~Ionen, in der Ferrichlorid-Lösung H+-Ionen im Überschuß vorhanden sind. Woher stammen diese ? Beim Auflösen dissoziiert Natriumcyanid als Salz praktisch vollständig in Na + - und CN~-Ionen. Diese Ionen sind also in sehr großer Zahl- vorhanden. Nun sind außerdem infolge der Dissoziation des Wassers einige wenige H+und OH~-Ionen in zunächst gleicher Anzahl in der Lösung. Da die CN_Ionen als Anionen der schwachen Blausäure (HCN) ein großes Bestreben haben, sich mit H+-Ionen zu vereinigen, bilden sie mit den H+-Ionen undissoziierte HCN - Molekeln. Dadurch wird aber das Gleichgewicht [H+HOH-j = K w gestört; es müssen sich also neue H+- und OH_-Ionen bilden. Die ersteren vereinigen sich wieder mit den CN~-Ionen zu undissoziierten HCN-Molekeln. Die OH~-Ionen dagegen bleiben unverändert in der Lösung; denn Natriumhydroxyd ist ja eine starke Base, die in der Lösung praktisch vollkommen dissoziiert ist. Diese OH--Ionen sind es, die die alkalische Reaktion verursachen. Den ganzen Vorgang bezeichnet man als Hydrolyse. Man formuliert ihn am besten als Ionengleichung: CN- + H 2 0 = HCN + OH" . Bei der Betrachtung dieser Gleichung kann leicht ein Bedenken kommen: Blausäure sei zwar eine schwache Säure, sie sei aber immerhin merklich in Ionen dissoziiert; Wasser dagegen dissoziiere doch noch wesentlich weniger. Es erscheine demnach schwer verständlich, wieso die CN~-Ionen den H 2 0Molekeln H+-Ionen entreißen können. Die Erklärung ergibt sich aus dem Massenwirkungsgesetz. Beim Beginn des Hydrolysenvorganges sind die CN~Ionen in großer Konzentration vorhanden, die OH_-Ionen dagegen nur in äußerst geringer; HCN-Molekeln gibt es- zunächst gar nicht. Diese wenigen OH~-Ionen können dem Bestreben der CN -Ionen, sich mit H+-Ionen zu vereinigen, wenig Widerstand entgegensetzen. Mit der Bildung von HCN-Molekeln ist nun aber zwangsläufig eine Verminderung der H+-Ionen- und damit eine Erhöhung der OH~-Ionen-Konzentration verbunden. Infolgedessen wird der Widerstand der OH~-Ionen gegen die weitere Vereinigung von H+-und CN_-Ionen um so

78 Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. größer, je weiter die Hydrolyse fortschreitet. Dazu kommt noch, daß auch die gebildeten HCN-Molekeln der Bildung von neuen HCN-Molekeln entgegenwirken. Die Hydrolyse kommt daher bei einem bestimmten „ H y d r o l y s e n g l e i c h g e w i c h t " , für das im vorliegenden Falle die Gleichung [HCN]-[0H-]/[CN-]-[H 2 0] = K gilt, zum Stillstand. Ganz allgemein gilt, daß die O H ~ - I o n e n k o n z e n t r a t i o n im Hydrolysengleichgewicht bei Salzen aus ein und derselben Base um so g r ö ß e r i s t , je s c h w ä c h e r die S ä u r e ist. So reagiert gelöstes Natriumchlorid neutral, Natriumacetat ganz Bchwach, Natriumcarbonat deutlich basisch. Die hydrolytische Bildung v o n freier Blausäure erklärt auch, warum eine Kalium- oder Natriumcyanid-Lösung nach dieser Säure riecht. Man setze zu der Lösung reichlich starke Lauge, z. B. Natronlauge; der Geruch verschwindet, weil durch den Überschuß an OH — -Ionen das Gleichgewicht H C N + O H ~ = C N ~ + H 2 0 nach rechts verschoben wird. Ganz entsprechende Erscheinungen treten auf, wenn man das Salz einer s c h w a c h e n B a s e und einer s t a r k e n S ä u r e , wie z. B. Ferrichlorid, in Wasser löst. Hier fangen die Fe 3 +-Ionen die OH~-Ionen des Wassers ein und es bilden sich undissoziierte Fe(OH)3-Molekeln. Dadurch bekommt die Lösung einen Überschuß an H+-Ionen und reagiert sauer. Man könnte den Einwand erheben, daß die Bildung des Ferrihydroxyds sich durch das Auftreten eines Niederschlages bemerkbar machen müßte, weil diese Verbindung ja sehr schwer löslich sei; tatsächlich bleibe die Lösung aber klar. Dies liegt unter anderem daran, daß die Bildung der Base Fe(OH) 3 in mehreren Stufen verläuft: 1. F e 3 + + OH- = Fe(OH) 2 + , 2 2. Fe(OH) + + OH- = Fe(OH) 2 + , 3. Fe(OH) 2 + + OH- = Fe(OH) 3 . Von diesen tritt bei der Hydrolyse des Ferrichlorides nur die erste in nennenswertem Umfange ein. Unlöslich ist aber nur das nach 3. gebildete Fe(OH) 3 . Außerdem spielen noch kolloidchemische (vgl. S. 134) Erscheinungen eine wichtige Rolle; ferner haben komplexchemische (vgl. S. 93ff.) sowie Alterungsvorgänge (vgl. z. B. S. 117 und 136) einen gewissen Einfluß, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Eine „stufenweise" Hydrolyse, wie wir sie soeben kennen lernten, tritt stets auf, wenn eine mehrsäurige Base oder eine mehrbasische Säure beteiligt ist, weil diese stufenweise dissoziieren (vgl. S. 45/46). Während Ferriionen eine wäßrige Lösung gelb färben, besitzen die beschriebenen Produkte der teilweisen Hydrolyse v o n Ferrichlorid eine dunklere, orangerote Farbe. Man versetze eine wäßrige Ferrichlorid-Lösung mit verdünnter Salpetersäure und beachte die Aufhellung der Farbe, die als Folge der Zurückdrängung der Hydrolyse durch die H+-Ionen erfolgt. Bringt man schließlich das Salz einer s c h w a c h e n S ä u r e und einer s c h w a c h e n B a s e mit Wasser zusammen, so treten die beiden oben geschilderten Vorgänge gleichzeitig ein: Die Anionen des Salzes fangen die H + Ionen, die Kationen des Salzes die OH _ -Ionen des Wassers fort. Daher führt in derartigen Fällen die Hydrolyse oft zu v o l l s t ä n d i g e r Z e r s e t z u n g des

Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Reaktionen

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Salzes. So zerfällt z.B. Aluniiniumsulfid mit Wasser praktisch vollständig nach der Gleichung: A12S3 + 6 H 2 0 = 2A1(0H) 3 + 3H 2 S . In diesem Falle wird das Fortschreiten der Hydrolyse noch besonders dadurch unterstützt, daß beide Reaktionsprodukte aus der Lösung entfernt werden, das Aluminiumhydroxyd, weil es ausfällt, der Schwefelwasserstoff, weil er als Gas entweicht. Die Gleichung für die Hydrolyse des Aluminiumsulfids zeigt besonders deutlich, daß die H y d r o l y s e d i e U m k e h r u n g der N e u t r a l i s a t i o n i s t . Die Neutralisation gehört also ebenfalls zu den Gleichgewichtsreaktionen. Nur bei Salzen aus starker Base und starker Säure liegt das Gleichgewicht vollständig auf Seiten der Neutralisation. Ist bei starker Base die Säure schwach oder umgekehrt, so ist die Neutralisation unvollständig; sind beide schwach, so liegt das Gleichgewicht sehr stark auf Seiten der Hydrolyse.

Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Beaktionen Das Löslichkeitsprodukt. Für die Dissoziation eines Elektrolyten AB in seine Ionen gilt: [A+] • [b~]l[AE] = Ä' oder [/!+]• [ £ - ] = K-[AB], Diese Gleichung haben wir bisher nur auf u n g e s ä t t i g t e Lösungen angewandt, bei denen also weniger von den betreffenden Stoffen gelöst ist, als der Löslichkeit entspricht. Die Gleichung muß aber auch dann noch ihre Gültigkeit behalten, wenn S ä t t i g u n g an dem festen Salz vorhanden ist. Auch in diesem Falle bedeutet [AB~\ die Konzentration der g e l ö s t e n undissoziierten Molekeln. Diese Konzentration hat nun aber in der gesättigten Lösung, in der nach S. 68/69 Gleichgewicht mit dem festen Bodenkörper vorhanden ist, für eine gegebene Temperatur einen ganz bestimmten Wert. Für g e s ä t t i g t e Lösungen gilt also: [Aß] = const; darausfolgt: [4+] • [B~~\ = K • oonst = LAB. Diese Gleichung, die nach dem eben Dargelegten nur für die g e s ä t t i g t e L ö s u n g gilt, besagt, daß das Ionenkonzentrationsprodukt eines Elektrolyten in seiner gesättigten Lösung einen konstanten Wert LAB besitzt. Man bezeichnet LAB als das L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t des Salzes AB. Die Einzelwerte der Ionenkonzentrationen können dabei beliebige Werte annehmen; je größer aber die Konzentration einer Ionensorte ist, desto kleiner muß die der anderen sein. Das Löslichkeitsprodukt stellt demnach ein allgemeiner gültiges Maß für die Löslichkeit eines Salzes dar als der Wert seiner Löslichkeit in reinem Wasser. So gilt z. B. eine Angabe über die Löslichkeit von Silberchlorid in Wasser nur unter der Voraussetzung, daß in der gesättigten Lösung gleich viel Ag+und Cl _ -Ionen in der Lösung sind. Beim analytischen Arbeiten wird dies aber kaum jemals der Fall sein, da man die Mengenverhältnisse nicht so genau einhalten kann und — wie das folgende zeigt — auch nicht einhalten will. Man wird vielmehr in der Regel mit einem geringen Ü b e r s c h u s s e von Ag+oder Cl~-Ionen zu rechnen haben. Auch für diesen Fall gibt das Löslichkeitsprodukt die Verhältnisse wieder. Löslichkeitsverminderung durch gleichionige Zusätze. Es kommt oft darauf an, ein Ion aus einer Lösung möglichst weitgehend zu entfernen. Aus der eben angestellten Überlegung folgt, daß dieses Ziel am besten erreicht wird, wenn man das zur Fällung zugesetzte Ion im Überschusse anwendet. So werden z. B. Ba 2 +-Ionen bei der Fällung mit S0 4 2 "-Ionen durch einen Überschuß der letzteren noch weitergehend entfernt, als sie durch den Zusatz der nur gerade äquivalenten Menge S0 4 2 - -Ionen gefällt würden, wie man ohne weiteres dem Löslichkeitsprodukt des Bariumsulfats: [Ba 2 + ]-[SÖ 4 2 _ ]

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Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Eeaktionen

= ¿Bago, entnimmt. Allerdings wurde schon davor gewarnt, den Überschuß zu groß zu nehmen, weil dann andere Erscheinungen (Komplexbildung) wieder erhöhend auf die Löslichkeit einwirken können. Das Optimum des Überschusses schwankt von Stoff zu Stoff in weiten Grenzen. Man stelle folgenden Versuch an, der die Herabsetzung der Löslichkeit v o n Kaliumchlorat auf Zusatz gleichioniger Stoffe zeigt: Man bereite eine bei Zimmertemperatur gesättigte K a l i u m c h l o r a t - L ö s u n g , indem m a n eine Probe Kaliumchlorat in heißem Wasser löst und die Lösung unter Umschwenken in dem Strahle der Wasserleitung auf etwa Zimmertemperatur abkühlen läßt; hierbei soll ein Teil des gelösten Kaliumchlorats auskristallisieren. Nach einer Stunde filtriere m a n ab und versetze je eine Probe der Lösung mit einigen Tropfen K a l i u m c h l o r i d - , K a l i u m n i t r a t - , Natriumchlorat-, Natriumchlorid-Lösung. Die ersten drei Gemische trüben sieh in etwa einer Minute, schneller beim Umschütteln, und lassen Kaliumchlorat auskristallisieren. Die vierte Probe, z u , , d e r kein gleichioniger Zusatz gekommen ist, bleibt klar. Ganz ähnliche Überlegungen, wie wir sie soeben für die Löslichkeit fester Stoffe, die in Lösung Ionen bilden, anstellten, gelten für Lösungen von Gasen, die sich in Wasser als Elektrolyte lösen. Säuert man z. B. eine N a t r i u m c a r b o n a t - L ö s u n g , die Na+- und C0 3 2 - -Ionen und wegen der Hydrolyse auch etwas HC0 3 ~-und OH~-Ionen enthält, mit einer starken S ä u r e an, d. h. geben wir reichlich H+-Ionen hinzu, so werden diese zum Teil von den C 0 3 2 - - und HC0 3 - -Ionen abgefangen unter Bildung von undissoziierter Kohlensäure H 2 C0 3 . Diese zerfällt sofort fast vollständig in Wasser und Kohlendioxyd, welch letzteres aber in Wasser nur mäßig löslich ist. War die benutzte Natriumcarbonat-Lösung nicht zu verdünnt, so entsteht beim Ansäuern Kohlendioxyd in höherer Konzentration, als der Löslichkeit bei Zimmertemperatur und Atmosphärendruck entspricht. Deshalb entweicht Kohlendioxyd aus der Lösung unter Aufbrausen. Ahnlich ist das Auflösen von manchen in Wasser schwerlöslichen Stoffen, wie z. B. C a l c i u m c a r b o n a t , in Säuren zu verstehen. Wasser nimmt bei der Berührung mit dem Salz entsprechend dem Löslichkeitsprodukt [Ca 2 + ] • [ C 0 3 2 = £ C a C O j eine sehr geringe Menge Ca 2 + - und C0 3 2 _ -Ionen auf. Gibt man eine starke Säure, d. h. viel H+-Ionen, hinzu, so werden zunächst HC0 3 _ -Ionen gebildet und dadurch die C0 3 2 "-Ionenkonzentration vermindert. Dadurch kann neues Calciumcarbonat in Lösung gehen, die neu gelösten C0 3 2 "-Ionen vereinigen sich wieder mit H+-Ionen unter Bildung von H C 0 3 _ Ionen und weiterhin von H 2 0 und C0 2 , und so geht der Prozeß weiter, bis die Lösung an Kohlendioxyd übersättigt ist und dieses entweicht. Infolgedessen geht die Auflösung von Calciumcarbonat so lange weiter, bis die H + Ionenkonzentration auf einen Wert abgesunken ist, der durch die erwähnten Gleichgewichte festgelegt ist. Man hat so übrigens eine weitere Möglichkeit, die H+-Ionenkonzentration einer sauren Lösung bis auf einen bestimmten Wert abzusenken, zu „puffern". Die entsprechende Pufferung mit B a r i u m c a r b o n a t verwendet man in der analytischen Chemie, weil die dabei entstehende OH~-Ionenkonzentration gerade ausreicht zur Fällung der Hydroxyde der dreiwertigen Elemente Eisen, Aluminium und Chrom, deren Löslichkeitsprodukte äußerst klein sind, während die etwas leichter löslichen Hydroxyde der zweiwertigen Elemente Zink,

Ursachen für den Eintritt von Reaktionen

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Kobalt, Nickel, Mangan, Calcium, Magnesium usw. nicht gefällt werden { „ B a r i u m c a r b o n a t m e t h o d e ", vgl. S. 85). Ein im vorigen Kapitel beschriebenes Gleichgewicht in homogener wäßriger Lösung hat indirekt auch große Bedeutung für gewisse Fällungen. Es war S. 75 gezeigt worden, daß die Gegenwart von A m m o n i u m s a l z e n starker Säuren das Gleichgewicht einer Ammoniak-Lösung beeinflußt und die O H ^ - I o n e n k o n z e n t r a t i o n e r n i e d r i g t . Die OH~-Ionenkonzentration von ammoniumsalzfreier Ammoniak-Lösung reicht aus, um z. B. mit Mg2+Ionen das Löslichkeitsprodukt des M a g n e s i u m h y d r o x y d s zu überschreiten, diejenige von ammoniumsalzhaltiger Ammoniak-Lösung aber erzeugt keine Fällung mehr. Aber auch aus Magnesiumsalz-Lösungen, die ursprünglich frei von Ammonium-Salzen waren, ist die Fällung von Magnesiumhydroxyd unvollständig. Denn bei der Umsetzung etwa von Magnesiumchlorid mit Ammoniak bildet sich ja nach MgCl2 + 2NH 3 + 2H 2 0 = Mg(OH)2 + 2NH4C1 Ammoniumchlorid, das in der geschilderten Weise die OH~-Ionenkonzentration herabsetzt. —• Ebenso wie das Mg 2+ -Ion verhalten sich eine Reihe anderer zweiwertiger Ionen, z. B. Mn2+. Die Hydroxyde dreiwertiger Metallionen haben dagegen durchweg ein so kleines Löslichkeitsprodukt (vgl. vorige Seite unten), daß auch die sehr geringe OH~-Ionenkonzentration ammoniumsalzhaltiger Ammoniak-Lösungen genügt, um sie aus ihren Salz-Lösungen auszufällen. Man versetze Probeil von M a g n e s i u m chlorid-, M a n g a n s u l f a t - , Zinkchlorid-, Ferrichlorid- und A l u m i n i u m c h l o r i d - L ö s u n g e n tropfenweise mit verdünnter A m m o n i a k - L ö s u n g . I n allen Fällen tritt eine Fällung auf 1 ). Versetzt man die gleichen Salz-Lösungen mit A m m o n i a k - L ö s u n g , die man reichlich mit A m m o n i u m c h l o r i d versetzt hat, so bleibt die Fällung bei den zweiwertigen Metallen aus, während sie bei den dreiwertigen nicht verhindert wird. Ursachen für den Eintritt von Reaktionen Die Frage, warum gewisse Stoffe beim Zusammenbringen miteinander Teagieren, andere wiederum nicht, mit anderen Worten die Frage nach der Verwandtschaft oder Affinität der Stoffe zueinander, können wir hier nicht allgemein beantworten. Aber einige Beobachtungen, die wir in dieser Hinsicht in den voraufgehenden Versuchen bereits gelegentlich gemacht haben, seien hier kurz zusammengestellt. 1. Bringen wir zwei w ä ß r i g e E l e k t r o l y t - L ö s u n g e n zusammen, so -wird vielfach gar nichts geschehen, z. B. bei der Vereinigung der Lösungen von Natriumchlorid und Kaliumjodid, von Magnesiumsulfat und Kaliumchlorid, von Natriumchlorid und verdünnter Schwefelsäure usw. Reaktion tritt ein, wenn zwei oder mehrere der zusammengebrachten gelösten Ionen a) einen wenig d i s s o z i i e r t e n Stoff bilden; z.B.: H+ + N 0 3 - + Na+ + OH= H 2 0 + Na+ -f N0 3 ~ H+ + Cl- + Na+ + CH 3 C0 2 -= CHsC02H + Na+ + Cl~. ') Der Zinkhydroxyd-Niederschlag löst sich bei Zugabe eines Ü b e r s c h u s s e s von Ammoniak-Lösung wieder auf; auf die Ursache dieser Erscheinung, die mit der vorliegenden Betrachtung nichts zu tun hat, kommen wir später zurück (vgl. S. 104). B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

6

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Ursachen für den Eintritt von Reaktionen

Als Sonderfall kann der wenig dissoziierte Stoff — entweder selbst oder seine Zerfallsprodukte — als Gas aus der Lösung entweichen, z. B.: 2Na+ + C0 3 2 - + 2H+ + 2C1~ = 2Na+ + 2C1~ + H 2 C0 3 H 2 C0 3 = H 2 0 + C0 2 -Gas 2NH4++ S2+ 2H+ + 2C1- = 2NH 4 + + 2C1~ + H 2 S-Gas b) einen Stoff mit einem k l e i n e n L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t e ergeben; z. B.: Ag+ + Nq3_ + N a + + C1- = AgC1 + N a + + N o 3 - . Bei Konkurrenz mehrerer Vorgänge nach a) oder b) b i l d e t sich d e r a m w e n i g s t e n d i s s o z i i e r t e bzw. d e r am s c h w e r s t e n l ö s l i c h e S t o f f . 2. Bei A b w e s e n h e i t v o n W a s s e r spielen andere Dinge eine Rolle. Es können dann auch Reaktionen eintreten, die bei Gegenwart von Wasser nicht erfolgen und umgekehrt. Aus der großen Fülle verschiedener Erscheinungen sei nur eine herausgegriffen. Während verdünnte wäßrige Lösungen von Natriumchlorid und Schwefelsäure nicht miteinander reagieren, wirkt k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure auf f e s t e s Kochsalz bereits in der Kälte ein nach: N a C 1 + j j ^ = N a H S 0 4 + HCl. Diese Reaktion tritt ein, weil sich im Gleichgewicht mehr Chlorwasserstoff bildet, als der geringen Löslichkeit dieses l e i c h t f l ü c h t i g e n Stoffes in konz. Schwefelsäure entspricht. Infolgedessen entweicht das Chlorwasserstoff gas, und durch diese Störung des Gleichgewichts tritt weiterer Umsatz ein, bis die Reaktion praktisch vollständig im Sinne der obigen Gleichung abgelaufen ist. Erhöht man die Temperatur, so nimmt die Löslichkeit des Chlorwasserstoffs noch weiter ab; es ist dann sogar die nach der Gleichung NaHS0 4 + NaCl = Na s S0 4 + HCl im Gleichgewicht gebildete sehr geringe Menge Chlorwasserstoff größer, als der Löslichkeit entspricht. Auch hier tritt durch das Entweichen des HClGases eine dauernde Störung des Gleichgewichts ein; die Reaktion verläuft praktisch vollständig von links nach rechts. Es wäre ganz verfehlt, aus diesem Versuch etwa ableiten zu wollen, daß Schwefelsäure eine stärkere Säure sei als Salzsäure, denn der Begriff „stark" bezieht sich ja auf die Dissoziation in w ä ß r i g e r L ö s u n g ; tatsächlich ist die Dissoziation der Schwefelsäure nach H 2 S0 4 = H+ + H S 0 4 _ sogar eine Kleinigkeit geringer, die nach HS0 4 ~ = H+ + S 0 4 2 - sogar erheblich kleiner als die der Salzsäure. Das Entscheidende ist vielmehr die geringe Löslichkeit des leichtflüchtigen Chlorwasserstoffs in dem wasserfreien System. J e d e s c h w a c h e S ä u r e (bzw. ihr Anhydrid) k a n n b e i m E r h i t z e n e i n e s t a r k e S ä u r e (bzw. ihr Anhydrid) a u s i h r e n S a l z e n a u s t r e i b e n , w e n n n u r d i e l e t z t e r e in a u s r e i c h e n d e m M a ß e l e i c h t e r f l ü c h t i g ist. Z. B. reagiert bei hohen Temperaturen das Anhydrid der sehr schwachen Kieselsäure mit Gips glatt nach: 2Si0 2 + 2CaS0 4 = 2CaSi0 3 + 2 S 0 2 + 0 2 . 3. Bei den Fällen 1 und 2 behielten die einzelnen Atome ihre Elektrovalenz; das ist aber, wie wir S. 32 ff. gesehen haben, sehr oft nicht der Fall. Kommen Stoffe zusammen, die verschieden große Verwandtschaft zur (positiven oder negativen) elektrischen Ladung haben, so kann ein Ladungsaustausch, d. h. eine O x y d a t i o n s - R e d u k t i o n s - R e a k t i o n eintreten, z. B. 2 J - + Cl2 = 2C1" + J 2 (vgl. dazu den Abschnitt „Elektroaffinität). Auch in diesem Falle kann der Ablauf der Reaktionen stark dadurch beeinflußt werden, daß durch Ausscheidung eines Stoffes das Gleichgewicht gestört wird.

Aluminium

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Aluminium Von den Elementen der dritten Gruppe des Perioden-Systems gehört B o r zu den Nichtmetallen; sein Oxyd bildet mit Wasser Säuren. Wir besprechen diese an späterer Stelle. Von den übrigen Elementen dieser Gruppe ist Aluminium das bei weitem wichtigste. Es ist ein silberweißes M e t a l l , das bei 660° schmilzt. Es ist sehr unedel, setzt sich aber doch mit Wasser nicht in nennenswertem Umfange um, da es sich oberflächlich mit einer Oxyd- bzw. Hydroxydschicht bedeckt, die man heute bei Gebrauchsgegenständen noch künstlich verstärkt: 2AI + 6 H 2 0 = 2A1(0H) 3 + 3 H 2 . Da das Hydroxyd eine festhaftende, nahezu porenfreie Haut bildet und außerdem in Wasser unlöslich ist, schützt es das Metall vor weiteren Einwirkungen. Gegen Reagentien, die Aluminiumhydroxyd lösen, wie Säuren und Basen (vgl. dazu unten), schützt die Haut jedoch nicht mehr. Aluminiummetall löst sich daher unter Wasserstoffentwickelung sowohl in Säuren wie auch in Basen, ja sogar in Sodalösung, die ja infolge von Hydrolyse alkalisch reagiert. A l u m i n i u m h y d r o x y d hat weder ausgesprochen sauren noch basischen Charakter. S c h w a c h e n Basen und Säuren gegenüber ist es völlig ind i f f e r e n t . S t a r k e n S ä u r e n gegenüber reagiert es so, als ob es eine schwache B a s e wäre; es löst sich z. B. in Salzsäure nach der Gleichung: Al(OH)3 + 3 HCl = A1C13 + 3 H 2 0 . S t a r k e n L a u g e n gegenüber verhält es sich wie eine sehr schwache S ä u r e unter Bildung von Salzen, die man Aluminate nennt: bzw.

H 3 A10 3 + NaOH = NaH 2 A10 3 + H 2 0 H 3 A10 3 + 3 NaOH = Na3A10a + 3 H 2 0 .

Derartige Hydroxyde bezeichnet man als „ a m p h o t e r " , sich nach beiden Seiten neigend, weil sie je nach dem Charakter des Gegenpartners als Base oder Säure reagieren können; näheres S. 87/88. Dem äußerst sehwachen Basencharakter des Aluminiumhydroxyds entspricht es, daß Salze wie Aluminiumchlorid A1C13, Aluminiumsulfät A1 2 (S0 4 ) 3 usw. in Lösung s t a r k h y d r o l y s i e r t sind und sauer reagieren. Aluminiumsalze schwacher Säuren hydrolysieren noch stärker. Kocht man z. B. eine A l u m i n i u m a c e tat-Lösung, so fällt das gesamte Aluminium als Hydroxyd und als ebenfalls schwer lösliches basisches Acetat (als Produkt der stufenweisen Hydrolyse, vgl. S. 78) aus. Beim Abkühlen löst sich durch Rückgang der Hydrolyse ein Teil des Niederschlages wieder auf. Dies rührt daher, daß die Dissoziation des Wassers H 2 0 = H+ + O H - mit steigender Temperatur sehr stark zunimmt; so kommt es, daß nur nahe der Siedetemperatur des Wassers die OH~-Ionenkonzentration zur vollständigen Hydrolyse des Aluminiumacetates ausreicht. Auch Lösungen beliebiger Salze des Aluminiums lassen sich so fällen, wenn man sie reichlich mit N a t r i u m a c e t a t versetzt. Enthielt die Lösung freie Säure, so reicht das Pufferungsvermögen der Acetationen (vgl. S. 76) allerdings nicht zu einer genügenden Erniedrigung der H+-Ionenkonzentration aus; man muß dann die Lösung vor dem Natrium-Acetatzusatz neutralisieren, z. B. mit Soda. In gleicher Weise läßt sich auch dreiwertiges Eisen ausfällen, während die Acetate der stärker basischen zweiwertigen Elemente Mangan, Kobalt, Nickel, Zink usw. nicht bis zur Fällung des Hydroxydes hydrolysiert werden. Man benutzt dieses Verfahren zu analytischen Zwecken ( N a t r i u m - A c e t a t m e t h o d e ) . 6*

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Aluminium

Die Aluminiumsalze, die das Aluminium als Kation enthalten, stellen ein schönes Beispiel für die Tatsache dar, daß die Hydrolyse mit zunehmender Schwäche der Säure zunimmt. So reagiert eine Aluminiumchlorid-Lösung zwar stark sa.uer, ist aber selbst durch Kochen nicht fällbar; Aluminiumacetat-Lösung wird beim Kochen vollständig hydrolysiert. Das nur auf trockenem Wege darstellbare Aluminiumsulfid A12S3 wird schon bei Raumtemperatur völlig hydrolytisch gespalten (vgl. auch S. 79), während schließlich ein Aluminiumsalz der noch schwächeren Kohlensäure überhaupt nicht mehr darstellbar ist. Da A1(0H)3 auch als Säure nur schwach ist, sind die Lösungen der A l u m i n a t e ebenfalls stark hydrolysiert und reagieren stark basisch. Setzt man einer solchen Lösung A m m o n i u m c h l o r i d zu, so werden unter Abstumpfung der basischen Reaktion (vgl. S. 76) die durch die Hydrolyse entstehenden OH _ -Ionen immer wieder abgefangen, bis die Hydrolyse vollständig und das Aluminium quantitativ als Hydroxyd ausgefällt ist. Das gleiche Ziel erreicht man auch durch Herabsetzung der OH~-Ionenkonzentration mittels Zugabe einer sehr schwachen Säure, die noch nicht imstande ist, durch ihre Säureeigenschaften das Al(OH)3 als Base wieder aufzulösen, wie z. B. Kohlensäure: 2Na 3 A10 3 + 3 H„0 + 3 C0 2 = 3Na a C0 3 + 2H 3 A10 3 . Durch Erhitzen von Aluminiumhydroxyd bzw. durch Oxydation von Aluminiummetall entsteht A l u m i n i u m o x y d . Hocherhitztes Oxyd ist weder in Säuren noch in Basen löslich; es muß vielmehr durch Schmelzen mit Kaliumbisulfat oder alkalischen Stoffen a u f g e s c h l o s s e n werden; vgl. dazu S. 128. Ein Stückchen A l u m i n i u m m e t a l l werde mit N a t r o n l a u g e erwärmt; es löst sich unter Wasserstoffentwicklung, wobei sich A l u m i n a t bildet. 2 AI + 2 N a O H + 4 H 2 0 = 2 N a H 2 A 1 0 3 +

3H2.

Ganz ähnlich verhält sich Aluminium gegen S o d a - L ö s u n g . Durch Auflösen v o n Aluminium in verdünnter S a l z s ä u r e stelle m a n sich eine A l u m i n i u m c h l o r i d - L ö s u n g her: 2AI + 6 H C l = 2A1C13 +

3H2.

Durch Eindampfen dieser Lösung läßt sich wasserfreies Aluminiumchlorid nicht darstellen, da das Chlorid dabei unter Hydrolyse in basisches Aluminiumchlorid übergeht. Einen solchen Prozeß haben wir schon beim Calciumchlorid kennengelernt; beim Aluminiumchlorid tritt er aber viel eher ein und geht viel weiter. Wasserfreies Aluminiumchlorid wird durch Überleiten von trockenem Chlor- oder Chlorwasserstoffgas über erhitztes Aluminium dargestellt. Die salzsaure Aluminiumchlorid-Lösung werde filtriert und zu folgenden Versuchen benutzt: N a t r i u m h y d r o x y d : Man gebe zu der Lösung einige Tropfen Natronlauge; es fällt A l u m i n i u m h y d r o x y d als gelatinös flockige Masse aus. Durch Zusatz v o n Salzsäure kann dieses wieder gelöst werden. AlCl a + 3 N a O H = Al(OH) 3 + 3 N a C l .

Aluminium

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Die Auffassung der Niederschläge, die man aus den Lösungen dreiwertiger Ionen mit OH~-Ionen enthält, als H y d r o x y d e ist eine Zeitlang angezweifelt worden. Man hat vielmehr angenommen, daß es sich bei diesen stark wasserhaltigen, sehr voluminösen Niederschlägen um die Anlagerungsprodukte von Wasser an die Oxyde — „Oxydhydrate" — handelt. Die neuere Forschung hat gezeigt, daß diese Produkte sehr verschiedenartig sein können und in ihrer Zusammensetzung von Fall zu Fall wechseln. Es ist daher überhaupt nicht möglich, eine allgemein gültige Formel anzugeben. Es liegt aber andererseits heute kein Grund mehr gegen die Annahme vor, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle um stark wasserhaltige H y d r o x y d e handelt. Man darf daher Formeln wie Al(OH)3 durchaus benutzen, muß sich aber darüber klar sein, daß sie eine sehr schematisierende Vereinfachung bedeuten.

Zu einer zweiten Probe der Aluminiumchlorid-Lösung gebe man v i e l Natronlauge; der zuerst ausfallende Niederschlag geht in diesem Falle als A l u m i n a t wieder in Lösung. Zu einem Teil der so erhaltenen Aluminat-Lösung gebe man reichlich festes A m m o n i u m c h l o r i d ; Aluminiumhydroxyd fällt wieder aus. Das gleiche erreicht man, wenn man die Lösung erst mit Salzsäure ansäuert und dann mit Ammoniak-Lösung versetzt. In eine andere Probe der Aluminat-Lösung leitet man K o h l e n d i o x y d ein; Aluminiumhydroxyd scheidet sich ebenfalls ab. A m m o n i a k : Daß aus Aluminiumsalz-Lösungen durch Ammoniak-Lösung das H y d r o x y d gefällt wird, ergibt sich bereits aus dem Vorhergehenden. Ebenso wurde S. 81 gezeigt, daß die Fällung des Aluminiumhydroxydes — im Gegensatz zu der der Hydroxyde des Magnesiums und der meisten 2 wertigen Metalle — durch Ammoniumsalze starker Säuren n i c h t verhindert wird. Dagegen ist darauf hinzuweisen, daß sowohl mit Ammoniak als auch mit Natronlauge ein Niederschlag ausbleibt, wenn hydroxylhaltige organische Verbindungen, wie z. B. Weinsäure, in der Lösung vorhanden sind (vgl. S. 97). Man überzeuge sich hiervon. N a t r i u m c a r b o n a t : Eine Probe der Aluminiumchlorid-Lösung werde mit s e h r wenig 1 ) Soda-Lösung versetzt; unter Kohlendioxydentwicklung fällt Aluminiumhydroxyd aus (Hydrolyse!). 2A1C13 + 3Na 2 C0 3 + 3 H 2 0 = 2A1(0H) 3 + 3C0 2 + 6NaCl. B a r i u m c a r b o n a t : Eine Probe der Aluminiumchlorid-Lösung werde mit überschüssigem Bariumcarbonatbrei geschüttelt. Dabei fällt alles Aluminium als Hydroxyd aus (Hydrolyse; vgl. S.80/81). Man filtriere; aus dem Filtrat darf, nach vorhergehendem Ansäuern mit einigen Tropfen Salzsäure (Prüfen mit Lackmuspapier!) und Aufkochen, auf Zugabe von Ammoniak kein Aluminiumhydroxyd mehr fallen. 1 ) Benutzt man viel Sodalösung, so entwickelt sich natürlich kein Kohlendioxyd, weil sich dann Natriumbicarbonat bildet!

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Säuren- und basenbildende Oxyde

N a t r i u m a c e t a t : Man neutralisiere in einem Becherglase eine Probe der Aluminiumchlorid-Lösung annähernd mit Natriumcarbonat. Sollte dabei etwas Hydroxyd ausfallen, so bringe man es durch Zusatz von einigen Tropfen verdünnter Salzsäure wieder in Lösung. Man füge etwa den gleichen Raumteil Natriumacetat-Lösung hinzu, verdünne stark mit Wasser und erhitze die Mischung zum Kochen. Es fällt Aluminiumhydroxyd bzw. basisches Acetat aus. Wenn der Niederschlag heiß abfiltriert wird, ist die Fällung quantitativ. A m m o n i u m s u l f i d : Eine Probe der saueren AluminiumchloridLösung werde mit Ammoniak annähernd neutralisiert und mit Ammoniumsulfid versetzt; es fällt quantitativ Aluminiumhydroxyd aus. 2A1C13 + 3(NH 4 ) 2 S + 6 H 2 0 = 2A1(0H) 3 + 3H 2 S + GNH4C1. N a t r i u m p h o s p h a t : Zu ebenfalls fast neutralisierter Aluminiumchlorid-Lösung gebe man Natriumphosphat-Lösung. Es fällt ein voluminöser Niederschlag von A l u m i n i u m p h o s p h a t . AICI3 + 2Na 2 HP0 4 = A1P04 + 3NaCl + NaH 2 P0 4 . Durch starke Säuren und Laugen wird der Niederschlag wieder gelöst. T h e n a r d s B l a u : Man stelle sich durch Fällung Aluminiumhydroxyd her, filtriere, wasche mit Wasser aus und trockne einigermaßen durch Aufstreichen auf eine mehrfache Schicht Filtrierpapier. Dann glühe man das Präparat auf der Magnesiarinne oder einem Stück Holzkohle. Der weiße Glührückstand werde mit e i n e m T r o p f e n sehr verdünnter Kobaltsalzlösung befeuchtet und nochmals geglüht. Er ist dann blau gefärbt. Säuren- und basenbildende Oxyde Löst man das Oxyd eines Metalles in Wasser, so erhält man eine 3B 3> s © z iB * Na 2 0 + HaO = 2NaOH = 2Na+ + 2OH" . Löst man das Oxyd eines Nicht metalles in Wasser, so erhält man eine Säure, z. B.: S0 3 + HaO = H 2 S0 4 = 2H+ + S0 4 2 " . Diese eben genannten Sätze geben aber nur die groben Unterschiede wieder. Um die feineren Abstufungen zwischen jenen Extremen genauer zu betrachten, wollen wir an Hand des Perioden-Systems vorgehen. Die Horizontalreihen. Wir behandeln die Elemente Natrium bis Chlor. Die Verbindungen, die man durch Wasseranlagerung an die Oxyde dieser Elemente in ihrer höchsten positiven Wertigkeitsstufe erhält, sind: NaOH, Mg(OH)2, Al(OH)3, Si(OH)4, OP(OH)3, 0 2 S(0H) 2 , 03C1(0H). In dieser Formelreihe haben wir die letzten drei Verbindungen nicht durch die üblichen Formeln H 2 S0 4 usw. gekennzeichnet; denn diese geben

Säuren- und basenbildende Oxyde

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nur die Bruttozusammensetzung der Verbindung an. Durch die oben gewählte Schreibweise soll aber außerdem die räumliche Lagerung der Atome in der Molekel ausgedrückt werden. Wir wissen nämlich, daß z. B. in der Schwefelsäuremolekel die 4 Sauerstoffteilchen tetraedrisch dicht um das Schwefelteilchen gepackt sind, während die 2 Wasserstoffteilchen außen an je ein Sauerstoffteilchen gebunden sind, also das Schwefelteilchen n i c h t berühren. In der obigen Reihe steht nun links die s t ä r k s t e B a s e , Natriumhydroxyd, r e c h t s die s t ä r k s t e S ä u r e , Überchlorsäure. Der Basencharakter nimmt nach rechts ab (Mg(OH)2 ist eine schwächere Base als NaOH), der Säurecharakter nach links ( H 2 S 0 4 ist schwächer alsHC10 4 , H 3 P0 4 schwächer als H 2 S 0 4 USW.). So nimmt es nicht wunder, daß wir in der Mitte auf Glieder stoßen, die zugleich Base- und Säurenatur besitzen, „amphoter" sind, wie wir es beim Aluminiumhydroxyd soeben kennengelernt haben. Das Verhalten der obigen Verbindungsreihe von NaOH bis 0 3 C1(0H) ist leicht zu verstehen auf Grund der S. 30 geschilderten Vorstellungen von K o s s e i . Danach darf man sich einen großen Teil der anorganischen Verbindungen aus kugelförmigen, elektrisch geladenen Atomen aufgebaut denken. Die „Bindung" wird durch die anziehenden Kräfte zwischen den verschieden geladenen Atomen bewirkt. Augenscheinlich wird dabei nach den aus der Physik bekannten Gesetzen der Elektrostatik die Anziehung zwischen zwei Teilchen um so größer sein, je größer ihre Ladung und je kleiner ihre Entfernung voneinander, d. h. bei Berührung der Teilchen: je kleiner ihr Radius +

7+

ist. Nun steigt in unserer Reihe die Ladung vom Na zum Cl, während gleichzeitig die Radien dieser Teilchen in derselben Richtung abnehmen. Beides bewirkt eine Festigung der Bindimg zwischen der negativ geladenen Hydroxylgruppe und dem positiv geladenen Metall- bzw. Nichtmetallteilchen. Die Trennung von NaOH in Na+ und O H - erfolgt beim Auflösen in Wasser~"verhältnismäßig leicht; die Abspaltung der OH - -Ionen wird aber von Glied zu Glied der Reihe schwieriger. Die letzten Glieder können in wäßriger Lösung praktisch keine OH~-Ionen mehr abspalten. — Damit ist erklärt, daß der B a s e n c h a r a k t e r von Natriumhydroxyd zur Überchlorsäure hin abnimmt. Wollen wir auf der anderen Seite die Zunahme des S ä u r e c h a r a k t e r s zur Überchlorsäure hin verstehen, so müssen wir in ähnlicher Weise, wie es soeben für die OH _ -Gruppe geschehen ist, die Festigkeit der Bindung zwischen Sauerstoff und Wasserstoff erörtern; je lockerer diese ist, desto stärker wird der Säurecharakter sein. Nun ist der Wasserstoff in allen Fällen direkt an Sauerstoff gebunden ; der Einfluß dieser Bindung wird in erster Näherung immer der gleiche sein. Um also die Unterschiede in der Festigkeit derO—H-Bindung zu verstehen, müssen wir auch noch den Einfluß der Teilchen untersuchen, an die der Sauer+

5+

7+

stoff gebunden ist. Diese Teilchen (z. B. Na, P, Cl) sind alle positiv geladen; sie stoßen daher das H-Teilchen ab und erleichtern seine Abspaltung. Bei den Endgliedern mit sehr hoher Ladung und sehr geringer Größe des Zentral7+

teilchens, z. B. 0 3 C10H, wird daher das Wasserstoffteilchen nur locker gebunden sein; hier erfolgt die Abspaltung eines H+-Ions sehr viel leichter als die eines OH~-Ions. Auf der anderen Seite wird beim NaOH die Bindung +

des H-Teilchens an den Sauerstoff durch das nur einfach geladene und +

wesentlich größere Na-Teilchen so wenig gestört, daß eine Abspaltung von H+-Ionen eine sehr große Arbeit erfordern würde. Da auf der anderen Seite nach dem oben Dargelegten die Abspaltung der OH _ -Gruppe verhältnismäßig leicht erfolgt, so dissoziiert NaOH in Na + - und OH~-Ionen. Beim Aluminiumhydroxyd schließlich ist die Hydroxyl-Gruppe bereits recht fest gebunden, andererseits das Wasserstoffteilchen noch nicht genügend gelockert; hier besteht überhaupt wenig Neigung, irgendwelche Ionen abzuspalten. Erst

Säuren- und basenbildende Oxyde

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wenn das Bestreben in großer Konzentration vorhandener H+-Ionen, mit OH~-Ionen undissoziiertes Wasser zu bilden, dies erzwingt, gibt Aluminiumhydroxyd OH~-Ionen ab. In gleicher Weise können aber auch in hoher Konzentration vorhandene OH~-Ionen die Abspaltung von H+-Ionen erzwingen. Damit haben wir ein Verständnis für das Auftreten a m p h o t e r e r H y d r o x y d e , wie Al(OH) 3 , gewonnen. Das soeben Dargelegte ist noch nach zwei Richtungen zu ergänzen. Einmal erkennt man sofort den Grand, warum amphotere Hydroxyde, wie A1(0H)3 und Si(OH) 4 und auch das Nachbarglied Mg(OH)2 in W a s s e r s c h w e r l ö s l i c h sind. Es liegen eben Stoffe vor, die keinerlei Neigung besitzen, irgendwelche Ionen abzuspalten. Ferner haben wir S. 30 gesehen, daß sich die Ionen im Wasser mit einer Hülle festgebundener Wassermoleküle umgeben. Betrachten wir nun die Reihe der Anionen [A103]3-, [Si0 4 ] 4 ", [P0 4 ] 3 -, [S0 4 ] 2 -, [ClOJ 1 -, so fällt zunächst auf, daß beim Aluminium nur drei Sauerstoffionen angegeben sind, bei allen anderen dagegen vier. Berücksichtigen wir nun, daß die Größe der Teilchen 7+

3+

7+

vom C1 zum AI stark ansteigt, so ergibt sich, daß der Raum um das Cl- und 6+

2—

das S-Teilchen durch die O-Teilchen vollständig ausgefüllt sein wird, beim [A10 3 ] 3_ jedoch nicht. Das [A103]3~-Ion wird deshalb noch Wasser-Molekeln anlagern können. Nimmt man an, daß es noch 3 Wassermolekeln aufnimmt, so erhielte man das Anion [(H 2 0) 3 A10 3 ] 3_ . Dieses geht aber durch Wanderung der Wasserstoffteilchen in [(HO) 3 Al(OH) 3 ] 3 - bzw. [Al(OH) 6 ] 3 1 über ). Ähnliches findet man auch bei anderen Anionen amphoterer Hydroxyde wie [Cr0 3 ] 3 - bzw. [ZnOJ*-, die richtiger als [Cr(OH) 6 ] 3 - bzw. [Zn(OH)J 2 aufzufassen sind. Man kann daher die Auflösung von Aluminiumhydroxyd in Natronlauge auch als K o m p l e x b i l d u n g (vgl. dazu S. 94) gemäß 3NaOH + Al(OH)3 = N a ^ A l ^ H ^ ] auffassen und Salze wie NajfAliOHJJ als „Hydroxo"-Verbindungen von den „Oxo"-Salzen wie Na 2 [S0 4 ] unterscheiden. Jedoch werden dadurch die obigen Überlegungen in keiner Weise beeinträchtigt. Die Vertikalreihen. Wir betrachten die Hydroxyde der zweiten Hauptgruppe: B e ( O H ) , M g ( O H ) , C a ( O H ) , S r ( O H ) , B a ( O H ) . Bei diesen nimmt der basische Charakter vom Barium- bis zum Magnesiumhydroxyd ab. Dieser Reihenfolge schließt sich das Berylliumhydroxyd an; denn es ist noch schwächer basisch als M g ( O H ) und zeigt sogar schon sehr schwach saure Eigenschaften, ist also amphoter. Ganz ähnlich ist in der dritten Gruppe die Reihe B ( O H ) , A l ( O H ) , S C ( O H ) , Y ( O H ) , L a ( O H ) „ abgestuft. Von diesen Verbindungen haben wir in diesem Buch allerdings erst das amphotere Aluminiumhydroxyd kennengelernt. Analog dem Verhalten der zweiten Gruppe nimmt der basische Charakter allmählich über. S c ( O H ) , Y ( O H ) zum L a ( O H ) zu; Lanthanhydroxyd ist bereits eine ziemlich starke Base. Andererseits ist die Borsäure B ( O H ) wesentlich stärker sauer als die Aluminiumsäure. Auch das Verhalten dieser Reihen verstehen wir mittels der K o s s e i schen Vorstellungen. Die Ladungen der Partner sind in jeder Vertikalreihe 2+ 2+ 3+ 3+ gleich, aber der Radius nimmt vom Be zum Ba und vom B zum La zu. Daher nimmt in dieser Richtung auch die Festigkeit, mit der die Hydroxylgruppen gebunden werden, ab und damit der basische Charakter zu. Andererseits 2

2

2

2

2

2

3

3

3

3

3

3

3

3

*) Die Elemente AI, Cr, Zn usw. bilden außer den oben als Beispielen genannten auch noch anders zusammengesetzte Hydroxo-Komplexe; vor allem im kristallisierten Zustand kennen wir viele verschiedenartig aufgebaute, zum Teil komplizierte Verbindungen.

Säuren- und basenbildende Oxyde

89

wächst der saure Charakter mit abnehmendem Atomgewicht, weil natürlich + die abstoßende Wirkung der positiv geladenen Metallatome auf die H-Teilchen 2+

+

beim Berylliumhydroxyd infolge des kurzen Abstandes Be — H wesentlich 3+

+

stärker ist als beim Lanthanhydroxyd, bei dem die Entfernung La — H bedeutend größer ist. Wechsel des basischen bzw. sauren Charakters bei ein und demselben Element. Tritt ein Element in v e r s c h i e d e n e n W e r t i g k e i t s s t u f e n auf, so gilt die Regel, daß mit dem S t e i g e n der p o s i t i v e n W e r t i g k e i t die B a s e n s t ä r k e a b - u n d die S ä u r e n a t u r z u n i m m t . So ist z. B. das Cr(OH) 2 eine Base; Cr(OH)3 ist amphoter, während das Oxyd des 6wertigen Chroms saure 6+

Eigenschaften besitzt und Salze wie z. B. Na 2 [Cr0 4 ] bildet. Ahnlich liegen die Verhältnisse beim Mangan und anderen Metallen. Auch hier ergibt sich die Erklärung zwangsläufig aus den Kosselschen Anschauungen. Vergleichen wir z. B. die Hydroxyde Fe(OH) 2 und Fe(OH) 3 , die sich vom 2- bzw. 3wertigen Eisen ableiten. Wir erwarten, daß das höher 3+

geladene und außerdem kleinere Fe-Teilchen die Hydroxylgruppen fester 2+ binden wird als das Fe-Teilchen. Beide Verbindungen erweisen sich als basisch, Ferrihydroxyd aber in der Tat in schwächerem Maße; denn die Salze des 3wertigen Eisens neigen wesentlich stärker zu Hydrolyse als die des 2 wertigen. Außerdem ist Ferrihydroxyd schwerer löslich als Ferrohydroxyd. Auch bei den S a u e r s t o f f s ä u r e n d e r H a l o g e n e , z. B. des Chlors, nimmt entsprechend der obigen Regel die Stärke der Säuren von der Über7+ 1+ chlorsäure 0 3 C10H bis zur unterchlorigen Säure ClOH ab. Aber die sauerstofffreie Chlorwasserstoffsäure ist wieder eine sehr starke Säure, deren Stärke an die der Überchlorsäure heranreicht. Das widerspricht unserer Anschauung nicht; denn die obigen Überlegungen gelten ja nur, wenn der Wasserstoff an Sauerstoff und nicht, wie im Chlorwasserstoff, an das säurebildende Element gebunden ist. Vergleicht man v e r s c h i e d e n e - E l e m e n t e miteinander, so erweist sich — sofern sich nur ihre Atomgewichte nicht zu stark unterscheiden — ganz allgemein die E l e k t r o v a l e n z z a h l als die Eigenschaft, die am stärksten den basischen bzw. sauren Charakter bestimmt. So ist der basische Charakter der 2 wertigen Hydroxyde von Magnesium, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel und Kupfer nicht stark voneinander verschieden, während die 3wertigen Hydroxyde von Aluminium, Chrom und Eisen deutlich schwächer basisch und außerdem schwerer löslich sind als jene. Basische und saure Oxyde, Doppeloxyde. Die Salze von Sauerstoffsäuren (Oxosäuren, vgl. S. 88) kann man meist außer aus Säure und Base, z. B. Ca(OH)2 4- H ? S0 4 = CaS0 4 + 2H 2 0, nach S. 16 auch aus den Entsprechenden A n h y d r i d e n darstellen: CäO '+ S0 3 = CaS0 4 . In diesem Zusammenhang spricht man auch von b a s i s c h e n u n d s a u r e n O x y d e n , obwohl man, wenn man sich streng an die Definition hält, von sauren und basischen Eigenschaften nur bei wäßrigen Lösungen sprechen darf, wenn H+- oder OH _ -Ionen vorhanden sind. In diesem übertragenen Sinne unterscheidet man auch in manchen Verbindungen, die man z. T. nur in Abwesenheit von Wasser, etwa durch gemeinsames Erhitzen zweier Oxyde darstellen kann, wie z. B.: MgO + A I A = Mg[Al204]

Elemente der Gruppe I b — Silber

90

den basischeren (MgO) von dem saureren Partner (A1203) und gibt der entstandenen Verbindung einen Namen, als sei sie ein Salz. So spricht man in unserem Beispiel von „Magnesium-Aluminat", und deutet diese Auffassung durch die Formel: Mg[Al204] oder Mg[A102]2 an. Da die Unterschiede im sauren bzw. basischen Charakter zwischen den beiden Partnern derartiger Verbindungen oft s e h r g e r i n g f ü g i g sind, bezeichnet man sie aber auch ebenso gut als D o p p e l o x y d e und schreibt die Formel etwa: Mg0 ; Al 2 0 3 . Dieser — als Mineral auch S p i n e l l genannten — Verbindung ist eine Reihe von Verbindungen analog, in denen das Magnesium durch andere 2 wertige, das Aluminium durch andere 3 wertige Metalle ersetzt ist. Dabei können, wie z. B. in dem Mineral Magnetit Fe 3 0 4 , der 2- und der 3 wertige Partner das gleiche Element sein. In ähnlicher Weise kann die Mennige Pb 3 0 4 als das Bleill-Salz der Bleisäure mit 4wertigem Blei aufgefaßt werden. Spinell

Chromeisenstein

MgO • A1203 = Mg[A102]2 Magnesiumaluminat

FeO • Cr 2 0, = Fe[Cr0 2 ] 2 Ferrochromit

Magnetit Fe0-Fe 2 0 3 = Fe[Fe0 2 ] 2 Ferro-Ferriat

Kobalto-kobalti-Oxyd CoO • Co 2 0 3 = Co[Co02]2 Kobalto-Kobaltiat Mennige

! 2 P b 0 P b 0 2 = Pb 2 [Pb0 4 ] ! Bleill-Plumbat oder Plumboplumbat

Zu dieser Gruppe von Verbindungen gehören unter anderem auch die S i l i k a t e. Die eben genannten Verbindungen, (Spinelle, Silikate usw.) sind dadurch ausgezeichnet, daß man sie nur in f e s t e m (und z. T. in geschmolzenem) Zustande kennt und daß sie in Wasser praktisch unlöslich sind. Die obigen Formeln sind nur als schematische Bilder ihres Aufbaues aufzufassen. Ein volles Verständnis für ihren Bau gewinnt man erst bei der Betrachtung ihrer Kristallgitter.

Elemente der Gruppe Ib Silber Während bisher nur solche Metalle besprochen wurden, die den kleinen Perioden bzw. den a-Gruppen der großen Perioden angehören, lernen wir im Silber den ersten Vertreter der b-Gruppen kennen. Auf den ersten Blick erkennt man wesentliche Unterschiede. Während die Alkalimetalle ebenso wie die Erdalkali- und Erdmetalle sehr unedle Leichtmetalle sind, ist Silber ein S c h w e r m e t a l l von ausgesprochen e d l e m Charakter. Es setzt sich nicht mit Wasser um und löst siSh auch nicht in Salz- oder verdünnter Schwefelsäure. Erst durch die Oxydationswirkung von Salpetersäure bzw. von heißer konzentrierter Schwefelsäure kann man das Metall in Silberionen überführen. Den niedrigen Schmelz- und Siedepunkten der Alkalimetalle (Natrium schmilzt z. B. bei 98° und siedet bei Atmosphärendruck bei 878° C) stehen hohe Werte beim Silber (Schmelzpunkt 960°, Siedepunkt ~ 2000°) gegenüber. In V e r b i n d u n g e n kommt Silber fast nur e i n w e r t i g vor. Obwohl demnach die Verbindungen in ihrer formelmäßigen Zusammensetzung denen der Alkalimetalle weitgehend entsprechen, sind ihre Eigenschaften ganz andere: Von den Halogeniden ist nur das Fluorid leicht in Wasser löslich;

Silber

91

Silberchlorid, -bromid und -jodid sind schwer löslich. Im Gegensatz zu den farblosen und leicht löslichen Sulfiden des Natriums und Kaliums ist das Silbersulfid Ag2S schwarz und äußerst schwer in Wasser löslich. Silberhydroxyd ist überhaupt noch nicht dargestellt; statt seiner bildet sich aus Ag+- und OH_-Ionen unter Wasserabspaltung Silberoxyd AgaO. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß das Silber eine sehr große Neigung hat, sogenannte k o m p l e x e Verbindungen zu bilden, mit deren Wesen wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen werden. Da der Preis des Silbers ziemlich hoch ist, gieße man silberh a l t i g e Lösungen nicht gedankenlos weg. Sie sind vielmehr in einem im Laboratorium a u s s t e h e n d e n Gefäße zu sammeln!

Ein Weg zur D a r s t e l l u n g v o n r e i n e m S i l b e r beruht auf der Schwerlöslichkeit seines Chlorids. Man löse etwas silberhaltige Legierung (ein kleines Stück einer Silbermünze) in wenig halbkonzentrierter Salpetersäure auf, verdünne die Lösung mit Wasser und füge unter Umrühren so viel Salzsäure hinzu, bis eine neu hinzugesetzte Probe Salzsäure keinen weiteren Niederschlag erzeugt. Der dichte käsigflockige Niederschlag werde auf einem glatten Filter gesammelt und g r ü n d l i c h mit destilliertem Wasser ausgewaschen; das durchfließende Waschwasser darf schließlich nicht mehr sauer reagieren. Dabei vergesse man nicht, auch das Filter sorgfältig a u s z u w a s c h e n : man spritze mit der Spritzflasche einige Male auf dem oberen Rande des Filters rund herum; das von dort herabfließende Waschwasser durchzieht dann die gesamte Papiermasse des Filters und entfernt die fremden Stoffe — in unserem Falle Kupfersalze und überschüssige Säure — auch aus seinem oberen Rande, in dem sie sich gerne festsetzen. Einen Teil des Silberchlorids bringe man in eine Abdampfschale, übergieße es mit etwas verdünnter Salzsäure und lege ein Stengelchen reines Z i n k in den Brei. Sofort beginnt das Silberchlorid sich in der Nähe des Zinks zu bräunen und geht in 5—10 Minuten in eine graubraune schwammige Masse von reinem S i l b e r über. 2AgCl + Zn = 2Ag + ZnCl2 . Man entferne nun das Zinkstückchen und wasche das entstandene Zinkchlorid und die Salzsäure sorgfältig mit heißem, destilliertem Wasser fort. Am besten kocht man das Silber in der Abdampfschale mehrfach mit destilliertem Wasser auf und gießt jedesmal vorsichtig ab, ehe man die Masse aufs Filter bringt. Gibt man schließlich den so erhaltenen Silberschwamm in eine kleine Vertiefung eines Stückes Lötrohrkohle und erhitzt mit dem Lötrohr oder der Gebläseflamme, so schmilzt er zu einer Kugel von Silbermetall zusammen. , Man kann die Reduktion des Silberchlorids statt mit Zink auf nassem Wege auch auf t r o c k e n e m Wege durchführen. Man mischt dazu etwas im Trockenschrank getrocknetes Silberchlorid

92

Silber

mit der doppelten Gewichtsmenge Soda und erhitzt das Gemisch auf Kohle mit der Lötrohr- oder Gebläseflamme. Es bildet sich Silbercarbonat, das in Metall, Kohlendioxyd und Sauerstoff zerfällt: 2AgCl + Na 2 C0 3 = Ag 2 C0 3 + 2NaCl Ag 2 C0 3 = Ag 2 0 + C0 2 2Ag 2 0 = 4Ag + 0 2 . Den erhaltenen Regulus koche man mit verdünnter Salzsäure, um so die anhaftenden Salzreste aufzulösen. Die so erhaltenen Silberkugeln werden mit m ö g l i c h s t w e n i g Salpetersäure gelöst. Die Lösung benutze man zu den folgenden Umsetzungen: N a t r i u m h y d r o x y d fällt braunes S i l b e r o x y d (Silberhydroxyd ist nicht bekannt!) 2AgN0 3 + 2NaOH = Ag 2 0 + H 2 0 + 2 N a N 0 3 . N a t r i u m c a r b o n a t fällt hellgelbes S i l b e r c a r b o n a t , das beim Erhitzen der Mischung Kohlendioxyd abspaltet und in Silberoxyd übergeht. 2AgN0 3 + Na 2 C0 3 = Ag 2 C0 3 + 2 N a N 0 3 . A m m o n i a k fällt, wenn es in sehr kleiner Menge zugesetzt wird, aus neutraler Lösung ebenfalls S i l b e r o x y d ; der geringste Überschuß löst das ausgefällte Silberoxyd wieder auf. Aus salpetersaurer Lösung bildet sich überhaupt kein Niederschlag. Man benutze daher zu diesem Versuche nicht die selbst hergestellte Silbernitratlösung, die überschüssige Salpetersäure enthält, sondern eine Lösung von festem Silbernitrat in Wasser. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f w a s s e r o d e r A m m o n i u m s u l f i d fällen schwarzes S i l b e r s u l f i d . 2AgN0 3 + H 2 S = Ag 2 S + 2 H N 0 3 . S a l z s ä u r e u n d C h l o r i d e fällen, wie S. 19 bereits gezeigt wurde, S i l b e r c h l o r i d , das sich in Ammoniak-Lösung leicht und vollständig löst. Die Erklärung wird S. 95 gegeben. Während sich Silberchlorid in schwach salzsäurehaltigem Wasser weniger löst als in reinem Wasser (Wirkung eines gleichionigen Zusatzes), löst es sich, wie man sich durch den Versuch leicht überzeugt, in starker Salzsäürei merklich, wenn auch nicht reichlich. Wahrscheinlich bildet sich dabei Silberchlorwasserstoffsäure HAgCl 2 . K a l i u m b r o m i d fällt hellgelbes S i l b e r b r o m i d , das in A m m o niak-Lösung w e n i g e r l e i c h t löslich ist als das Chlorid. K a l i u m j o d i d fällt gelbes S i l b e r j o d i d , das sich in A m m o niak-Lösung n i c h t löst.

Komplexverbindungen und Doppelsalze

93

N a t r i u m c y a n i d : Wird eine frisch bereitete NatriumcyanidLösung ( V o r s i c h t , n a c h dem V e r s u c h s o f o r t die H ä n d e waschen!) in geringer Menge zugesetzt, so fällt weißes Silbercyanid. AgN0 3 + NaCN = AgCN + N a N 0 3 . In überschüssiger Natriumcyanid-Lösung löst sich Silbercyanid leicht zum Natriumsalze der S i l b e r c y a n w a s s e r s t o f f s ä u r e : AgCN + NaCN = Na[Ag(CN) 2 ]. N a t r i ü m t h i o s u l f a t 1 ) - L ö s u n g fällt, wenn in geringer Menge zugesetzt, weißes S i l b e r t h i o s u l f a t . 2AgN0 3 + Na 2 S 2 0 3 = Ag 2 S 2 0 3 + 2 N a N 0 3 . Der weiße Niederschlag dunkelt beim Stehenlassen bald und scheidet schwarzes S i l b e r s u l f i d ab. Ag 2 S 2 0 3 + H ä 0 = Ag 2 S + H 2 S 0 4 . Ein Überschuß von Natriumthiosulfat-Lösung löst das Silberthiosulfat zu Natriumsalzen von S i l b e r t h i o s c h w e f e l s ä u r e n , deren einfachstes nach der Formel Na[Ag(S 2 0 3 )] zusammengesetzt ist. Auch Silberchlorid und -bromid lösen sich in Thiosulfat-Lösung; davon macht man in der Photographie Gebrauch („Fixieren"). AgBr + Na 2 S 2 0 3 = Na[AgS 2 0 3 ] + NaBr .

Komplexverbindungen und Doppelsalze Bei der Besprechung der Silberverbindungen haben wir eine Reihe eigenartiger Umsetzungen kennengelernt: Das schwer lösliche Silberchlorid ging bei der Zugabe von Ammoniak-Lösung wieder in Lösung; Silbercyanid, das aus Silbernitrat-Lösungen bei Zugabe von wenig Natriumcyanid-Lösung ausfiel, löste sich beim Zusatz von mehr Cyanid-Lösung wieder auf. Diese Versuche zeigen, daß tiefgreifende Veränderungen erfolgt sein müssen. Komplexbildung durch Anlagerung von Ionen an eine neutrale Molekel. Schon S. 15 haben wir besprochen, daß sich aus Schwefeltrioxyd und Wasser Schwefelsäure bildet. Berücksichtigen wir die Dissoziation der Schwefelsäure, so ergibt sich folgende Gleichung: HjO + S0 3 = 2H+ + [ S O J 2 - . x

) Im N a t r i u m t h i o s u l f a t Na 2 S 2 0 3 (vgl. auch S. 159) ist an Stelle eines Sauerstoffatoms des Natriumsulfats Na 2 S0 4 ein Schwefelatom getreten. Die Vorsilbe „Thio" wird allgemein benutzt, um den Ersatz von Sauerstoff durch Schwefel zum Ausdruck zu bringen. KCNO = Kaliumcyanat; KONS = Kaliumthiocyanat (Kaliumrhodanid; vgl. S. 114 und S. 152). Na 3 As0 4 = Natriumarsenat; Na 3 AsS 4 = Natriumthioarsenat (vgl. S. 131).

94

Komplexverbindungen und Doppelsalze

Dieses [S0 4 ] 2_ -Ion tritt in wäßriger Lösung stets als Einheit auf; es bildet weder freie S6+- noch 0 2_ -lonen. Solche zusammengesetzte Ionen, die nicht in die Einzelbestandteile dissoziieren, bezeichnet man als komplexe Ionen (vgl. auch S. 30/31). Komplexbildung liegt auch bei der soeben besprochenen Umsetzung von Silbercyanid mit Natriumcyanid vor. Diese ist durch die Gleichung Na+ + CN- + AgGN = Na+ + [Ag(CN)s]zu beschreiben. Die eckige Hammer (die nicht mit dem S. 73 angeführten Zeichen für „Konzentration" zu verwechseln ist!) soll andeuten, daß sich ein komplexes Ion gebildet hat, das aus einem Silberteilchen und zwei Cyangruppen besteht. Daß freie Silberionen tatsächlich nicht vorhanden sind, erkennt man durch folgende Versuche: Zu einer nach S. 93 hergestellten Natrium silbercyanid-Lösung gebe man a) Natriumehlorid-Lösung, b) Matronlauge. ' Es fällt weder Silberehlorid ijoch -Oxyd aus. Ganz ähnlich verhält sich das entsprechend aufgebaute K a l i u m f e r r o c y a n i d K4{Fe(CN)6], das wir S. 115 noch näher -besprechen werden. In einer wäßrigen Lösung dieses Salzes sind nur K+- und [Fe(CN)6]4 "-Ionen vorhanden. Dementsprechend gibt sie mit Überchlorsäure einen Niederschlag von Kaliumperchlorat; mit Natronlauge fällt jedoch kein Ferrohydroxyd Fe(OH) 2 — wie z. B. aus einer Ferrosulfat-Lösung — aus, weil die Fe 2 + -Ionen komplex gebunden sind. Man führe die beiden Versuche aus. Bei den Komplexen von der Art des [S0 4 ] 2- -, des [Ag(CN)2]1-- und des [Fe(CN)e]4~-Ions ist die Gesamtladung2 von der des Zentralteilchens stets verschieden. So beträgt z. B. im [S04] ~-Komplex die Ladung des Schwefelteilchens + 6 ; die vier Sauerstoffteilchen tragen jedoch insgesamt 4-2 = 8 negative Ladungen. Die Gesamtladung des Komplexes ist also + 6 — 8 = — 2 . Es bereitet dem Anfänger in der Regel Schwierigkeiten, zu verstehen, wieso z. B. eine neutrale AgCN-Molekel noch ein weiteres CN_-Ion binden kann. Betrachtet man jedoch die Gruppierung



+

-

(NC^A^CNJ, in der die links

stehende CN-Gruppe die zuletzt angelagerte sei, so erkennt man, daß diese Gruppe von dem Ag-Teilchen viel stärker angezogen wird, als sie von der weiter entfernten zweiten CN-Gruppe abgestoßen wird; insgesamt resultiert also tatsächlich eine Anziehungskraft. _ Freilich können nun nicht beliebig viel CN-Gruppen angelagert werden; denn mit steigender Zahl der CN-Gruppen nimmt die Abstoßung zu, die die negativen Ladungen aufeinander ausüben. Zu diesem Einfluß der Ladung kann nun noch ein räumlicher kommen. Um das Zentralteilchen herum kann ja nur eine bestimmte Anzahl von Ionen oder Molekeln untergebracht werden. Die Zahl der im Einzelfälle vorhandenen „Liganden" bezeichnet man als die „ K o o r d i n a t i o n s z a h l " . Sie beträgt in sehr vielen Fällen 6, oft auch 4; andere Zahlen kommen seltener vor. Die eben geschilderte Art von Komplexen wird besonders leicht von Cyangruppen gebildet, jedoch kommt sie auch bei anderen Anionen vor. So gehören hierher das [PtCl i ] 2_ -Ion (vgl. auch S. 57) und die Hydroxoverbindungen, wie Na2[Zn(OH)4] (vgl. S. 88 u. 104).

Komplexverbindungen und Doppelsalze

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Komplexbildung durch Anlagerung von Dipolmolekeln an ein Jon. S. 30 haben wir besprochen, daß die Ionen in wäßriger Lösung „ h y d r a t i s i e r t " sind, d. h. daß sie die Wassermolekeln in ihrer nächsten Umgebung besonders fest binden. Diese Bindung der Wassermolekeln ist dadurch bewirkt, daß die Wassermolekeln nicht linear gebaut sind (entsprechend HÖH), sondern gewinkelt (entsprechend H*"*H). Dies bedingt eine elektrische Unsymmetrie, ein sogenanntes „ D i p o l m o m e n t " . Kommt nun eine solche Dipolmolekel sehr nahe an ein positives Ion, so wird dieses die Dipolmolekel so zu drehen versuchen, daß seine negative Seite, d. h. das Sauerstoffteilchen, sich zu ihm hin, die positive Seite, d. h. die Wasserstoffteilchen, sich von 2+

2-

+

ihm weg richten: H 2 0 • Ag. Bei negativen Ionen erfolgt das entsprechende. Bei dieser gegenseitigen Stellung der beiden Partner zueinander tritt natürlich eine elektrostatische Anziehung auf, obwohl die Wassermolekel als Ganzes keine überschüssige freie Ladung besitzt. Ein solches hydratisiertes Ion stellt demnach ebenfalls einen K o m p l e x dar, der durch Anlagerung von Wassermolekeln an das Ion entstanden ist. Die L a d u n g eines derartigen Komplexes ist gleich der des Zent-ralteiIchens. Der Einfachheit halber pflegt man in den Reaktionsgleichungen, die sich auf Vorgänge in wäßriger Lösung beziehen, diese Wasserhülle nicht besonders anzugeben. Alle „Ionenreaktionen", die wir kennerigelernt "haben bzw. noch kennenlernen weiden, beziehen sich aber in Wirklichkeit auf solche hydratisierten Ionen. Dipolmolekeln wie das Wasser gibt es in großer Zahl. Wichtig ist auch die Arnmoiiiakinolekel. Sie stellt eine dreiseitige Pyramide dar, an deren Grundfläche sich die drei positiv geladenen Wasserstoffteilchen, an deren Spitze sich der negativ geladene Stickstoff befindet. Das Silberion z. B. bindet Ammoniakmolekeln fester als Wassermolekeln. Gibt man daher zu einer Lösung, die Ag+-Ionen enthält, Ammoniak-Lösung, so verdrängen die NH 3 Mojfekeln trotz ihrer wesentlich geringeren Konzentration die Wassermolekeln, und es bildet sich der Komplex [Ag(NH3)2]+. Dieser gibt ganz andere Umsetzungen als das gewöhnliche hydratisierte Silberion. Während z. B. Chlorionen die, Hydrathülle des Ag + -Ions beiseite schieben, so daß sich schwer lösliches Silberchlorid bildet, lassen sich die Ammoniakmolekeln durch Chlorionen nicht verdrängen; Natriumchlorid-Lösung fällt deshalb aus ammoniakalischer Lösung kein Silberchlorid. Umgekehrt wird bei der Umhüllung des Silberteilchens mit Ammoniakmolekeln die Anziehung der Ag+- und Cl_-Teilchen überwunden; das in Wasser nahezu unlösliche Silberchlorid löst sich, wie wir S. 19 u. 92 gesehen haben, in Ammoniak-Lösung glatt auf. Sorgt man dafür, daß der [Ag(NH3)2]+-Komplex zerstört wird, so findet man wieder die Umsetzungen der normalen hydratisierten Silberionen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn man ansäuert und so die NH3-Molekeln durch Zugabe von H+-Ionen in NH 4 + Ionen überführt. Diese NH4+-Ionen werden natürlich nicht von den Ag+-Ionen gebunden; denn einmal besitzen sie kein Dipolmoment mehr und außerdem werden sie wegen ihrer positiven Ladung von dem Ag+-Teilchen abgestoßen.

Man fälle aus Silbernitrat-Lösung mit Natriumchlorid-Lösung Silberchlorid und löse dies durch Zugabe von Ammoniak-Lösung wieder auf. Zu dieser Lösung gebe man eine beliebige starke Säure (z. B. Salpeter- oder Schwefelsäure). Es fällt wieder Silberchlorid aus: [Ag(NH 3 ) 2 ] + + 2 H + = Ag + + 2 N H t . Komplexsalze kennt man auch im f e s t e n Zustande, und zwar sowohl Ionen- als auch Dipolkomplexe. Zu den ersteren gehört z. B. das feste Kaliumferrocyanid, zu den letzteren die Hydrate und Ammoniakate, z. B.

«6

Komplexverbindungen und Doppelsalze

€ a S 0 4 - 2 H 2 0 1 ) , Calciumsulfat dihydrat („Gips"), CuS0 4 -5H 2 0 Kupfersulfatpentahydrat („Kupfervitriol"). Die Ammoniakate bezeichnet man auch als Ammine: [Cu(NH 3 ) 4 ]S0 4 Tetrammin-Cuprisulfat, [Co(NH3)6](N03)3 Hexammin•Cobalti-Nitrat usw. Doppelsalze. Es gibt Stoffe, die im k r i s t a l l i s i e r t e n Zustande, ebenso •wie die Ionenkomplexe, aus zwei oder mehreren einfachen Salzen zusammengesetzt sind und sich in ihren kristallographischen usw. Eigenschaften durchaus von einem Gemenge ihrer Bestandteile unterscheiden. Im Gegensatz zu den Komplexverbindungen zeigen sie jedoch in wäßriger L ö s u n g die Reaktionen sämtlicher Einzelionen; sie verhalten sich also wie ein Gemisch der Lösungen der Einzelsalze. Solche „ D o p p e l s a l z e " erhält man in der Regel dadurch, •daß man eine Lösung, die die Einzelsalze enthält, zur Kristallisation bringt. So entsteht z. B. aus Kalium- und Aluminiumsulfat der K a l i - A l a u n KA1(S04)2 • 12H 2 0. Hierher gehören ferner die anderen Alaune, wie NH 4 A1(S0 4 ) 2 -12H 2 0, KCr(S0 4 ) 2 -12H 2 0, das Mohrsche Salz (NH 4 ) 2 Fe(S0 4 ) a 6 H a 0 usw.

Man versetze drei Proben von Kali-Alaun-Lösung gesondert mit verdünnter Ü b e r c h l o r s ä u r e , A m m o n i a k - und B a r i u m •chlorid-Lösung. Es treten die normalen Niederschläge von Kaliumperchlorat, Aluminiumhydroxyd und Bariumsulfat auf. Starke und schwache Komplexe. Doppel- und Komplexsalze sind idealisierte Grenzfälle, zwischen denen es in Wirklichkeit die mannigfachsten Übergänge gibt. Völlig undissoziierte Komplexe kennt man ebensowenig wie vollkommen unlösliche Stoffe. So ist z.B. der [Fe(CN)6]4 "-Komplex doch in ganz geringem Umfange in Fe 2 + und CN~-Ionen dissoziiert. Freilich ist bei •diesem „ s t a r k e n " Komplex der Grad dieser Dissoziation so schwach, daß er nur durch physikalische Methoden nachgewiesen werden kann. Dagegen gibt •es keine chemische Methode, um die Fe 2 +-Ionen nachzuweisen. Auch die •CN~-Ionen lassen sich bei Zimmertemperatur 2 ) nicht chemisch erfassen. Selbst in salzsaurer Lösung genügt das Bestreben der H+-Ionen, undissoziierte Blausäure zu bilden, nicht, um CN~-Ionen aus dem Komplex herauszuziehen.

Man versetze Kaliumferrocyanid-Lösung reichlich mit verdünnter Salzsäure. Es tritt kein Geruch nach Blausäure auf, der schon bei der Gegenwart sehr geringer Mengen dieser Säure merklich wäre. Dagegen sind z. B. die Silberionenkomplexe [Ag(CN) 2 ] - und [Ag(NH3)2]+ nur m ä ß i g s t a r k ; sie sind doch so weit in Ag+- und CN - -Ionen bzw. Ag+Ionen und NH3-Molekeln dissoziiert, daß man die einzelnen Bestandteile durch genügend empfindliche Reaktionen nachweisen kann. Die Dissoziation der Komplexe wird durch die Gleichgewichtskonstante gemessen, die bei dem zweiten Komplex durch den Ausdruck [Ag+][NH 3 ]V[[Ag(NH 3 ) 2 ]+] = K [ A g ( N H s ) i ] + .gegeben ist. Man nennt sie deshalb auch die B e s t ä n d i g k e i t s k o n s t a n t e des Komplexes. Sie ist in diesem Falle zu klein, als daß die Konzentration an Ag+-Ionen ausreichte, um mit der in Lösungen erreichbaren Konzentration J ) In den meisten Fällen weiß man noch nicht, ob die Wassermolekeln nur an das Metallteilchen gebunden sind oder ob ein Teil von ihnen dem Säurerest zuzuordnen ist. Daher gibt man nur die oben angeführten Bruttoformeln, nicht Komplexformeln mit. eckigen Klammem an. a ) Wohl aber bei höheren Temperaturen; vgl. S. 116.

Komplexverbindungen und Doppelsalze

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an Cl~-Ionen das verhältnismäßig große Löslichkeitsprodukt des Silberchlorides zu erreichen. Die Silberionenkonzentration ist aber groß genug, daß auf Zugabe von Jod- bzw. Sulfidionen die Löslichkeitsprodukte vom Silberjodid bzw. Silbersulfid überschritten werden. Man versetze eine Lösung v o n Silberchlorid in AmmoniakLösung mit Lösungen von: N a t r i u m c h l o r i d : E s fällt kein Silberchlorid. K a l i u m j o d i d : E s fällt Silberjodid aus. A m m o n i u m s u l f i d : E s fällt Silbersulfid. Entsprechendes gilt für den Komplex [Ag(CN) 2 ]~. Man versetze etwas Silbernitrat-Lösurig mit so viel Natriumcyanid-Lösung, daß der Niederschlag v o n Silbercyanid eben wieder in Lösung geht, und prüfe mit folgenden Lösungen: N a t r i u m e h l o r i d : E s fällt kein Silberchlorid. N a t r o n l a u g e : E s fällt kein Silberoxyd. A m m o n i u m s u l f i d : E s fällt Silbersulfid. V e r d ü n n t e S a l p e t e r s ä u r e : Die Lösung riecht nach Blausäure; außerdem fällt Silbercyanid wieder aus. Durch die H + -Ionen der starken Salpetersäure wird gemäß [H+][CN-]/[HCN] = K h c n unter Bildung freier Blausäure die CN - -Ionenkonzentration in der Lösung so weit herabgesetzt, daß das Gleichgewicht [Ag+][CN-p/[Ag(CN) 2 ]- = K [ A g ( C N ) s ] gestört wird und der Komplex zerfällt, wobei die gebildeten CN~-Ionen immer wieder von den H+-Ionen abgefangen werden. Andererseits ist die CN _ -Ionenkonzentration trotz der Anwesenheit der H+-Ionen der Salpetersäure noch so groß, daß das Löslichkeitsprodukt des Silbercyanids überschritten wird. Als verhältnismäßig s c h w a c h e Komplexe werden wir S. 105 die Ionen der Zink- und der Cadmiumcyanwasserstoffsäure kennenlernen. Innere Komplexsalze. Eine Reihe von Metallionen, insbesondere 3wertige, wie Al 3 +, Fe 3 + usw., aber auch z. B. Cu 2 +, werden, wie bereits S. 85 erwähnt wurde, durch organische Stoffe, die gleichzeitig durch Metall ersetzbaren Wasserstoff und Dipolgruppen (z. B. die Hydroxylgruppe — OH) enthalten, wie Weinsäure, Zucker usw., in wäßriger Lösung so fest komplex gebunden, daß sie mit manchen Reagentien, z. B. Alkalihydroxyden, nicht mehr fällbar sind. In solchen Lösungen ist das Metallion in z w e i f a c h e r Weise an den organischen Rest gebunden, einerseits salzartig durch Ersatz des Wasserstoffs, andererseits an die Dipolgruppe des organischen Restes. Derartige Verbindungen nennt man „ i n n e r e " K o m p l e x s a l z e . Die oben genannten Beispiele sind besonders deshalb von Bedeutung, weil man so verhindern kann, daß durch Zugabe von alkalischen Reagentien die Hydroxyde Al(OH)3, Cu(OH)2 usw. ausfallen. Andererseits stört dieses Verhalten gelegentlich bei der Analyse von Substanzen, die hydroxylhaltige Stoffe enthalten (z. B. beim Nachweis von Metallgiften in Speisen); man muß daher die organischen Bestandteile in diesem Falle vorher zerstören. 7 B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

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Kupfer

Kupfer Kupfer tritt ein- und zweiwertig auf. Die Cupriverbindungen stellen eine der seltenen l ) Ausnahmen von der Regel dar, daß die höchste positive Elektrovalenzzahl eines Elementes gleich seiner Gruppennummer im PeriodenSystem ist (vgl. S. 31). Die Verbindungen des einwertigen Kupfers entsprechen in ihren Eigenschaften weitgehend den Silberverbindungen. Sie sind in der Regel wenig beständig und werden leicht zu den Verbindungen der zweiwertigen Stufe oxydiert. Am beständigsten sind unter den Cuproverbindungen das Jodid Cu J (Cuprijodid zerfällt in Cuprojodid und Jod!), das Cyanid CuCN, das Rhodanid CuSCN und das Oxyd Cu20. Die Verbindungen des zweiwertigen Kupfers sind denen des zweiwertigen Nickels und Eisens (vgl. S. 112 u. 119) ähnlich. Sie sind in kristallwasserhaltiger Form blau oder grün gefärbt. Die Neigung zur Komplexbildung ist bei beiden Wertigkeitsstufen ausgeprägt. Das Metall ist in reinem Zustande hellrot; meist ist es durch oberflächliche Oxydation dunkler gefärbt. Es schmilzt bei 1083°; ein nicht zu dicker Kupferdraht kann in der Flamme des Bunsenbrenners zum Schmelzen gebracht werden. Kupfer ist wesentlich unedler als Silber; das Oxyd zersetzt sich beim Erhitzen auf Rotglut nicht.

Kupferhalogenide färben die F l a m m e blau mit grünem Saum. Das Nitrat und andere Verbindungen färben die Flamme gleichmäßig grün. Man bringe mit dem Platindraht einmal etwas Kupferchlorid, ein anderes Mal etwas Kupfernitrat in die entleuchtete Bunsenflamme. Nach dem Erkalten sieht der Draht schwarz aus, weil sich oberflächlich eine Schicht von Kupferoxyd gebildet hat. Mit verdünnter Salpetersäure läßt sich diese leicht wieder ablösen. Die P h o s p h o r s a l z p e r l e wird durch Kupferverbindungen in der Oxydationsflamme grün gefärbt. Bringt man zu der Perle ein Stückchen Zinn und glüht nochmals, aber jetzt in der Reduktionsflamme, so wird die Perle infolge von Reduktion des zweiwertigen Kupfers undurchsichtig und dunkelrot, etwa von der Farbe des Packsiegellacks. Man führe diesen Versuch an einem Magnesiastäbchen, nicht am Platindraht durch, da sich das Platin mit dem Zinn legieren würde. Beim Auflösen von Kupfermetall in warmer Salpetersäure oder heißer konzentrierter Schwefelsäure entstehen Verbindungen des z w e i w e r t i g e n K u p f e r s (Cuprinitrat bzw. -sulfat). Über die Reaktionen der C u p r i s a l z e unterrichten folgende Versuche: N a t r i u m h y d r o x y d : Es fällt matt-grünlichblaues C u p r i h y d r o x y d aus, das beim Aufkochen der Masse zuerst braun und weiterhin schwarz wird, weil es unter Wasserabspaltung über Zwischenstufen in wasserfreies C u p r i o x y d übergeht. CuS0 4 + 2NaOH = Cu(OH) ? + Na 2 S0 4 Cu(OH) 2 = H 2 0 + C u 0 . J ) Weitere Ausnahmen kommen nur noch beim Gold (ein- und dreiwertig) und einigen seltenen Erden (vgl. S. 169) vor.

Kupfer

99

A m m o n i a k fällt, wenn es in geringer Menge zugesetzt wird, ebenfalls Cuprihydroxyd aus. Ein Überschuß von Ammoniak löst die Fällung, wobei sich tiefblau gefärbte T e t r a m m i n k o m p l e x i o n e n bilden: C u S o 4 + 2 N H 3 + 2 H 2 0 = Cu(OH) 2 + (NH 4 ) 2 S0 4 Cu(OH) 2 + 4NH 3 = [Cu(NH3)4]2+ + 2 O H - . S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt schwarzbraunes C u p r i s u l f i d . Die Fällung werde heiß und in saurer Lösung durchgeführt, da sich dann der Niederschlag leichter in gut filtrierbarer Form absetzt (vgl. auch S. 135). Feuchtes Kupfersulfid oxydiert sich an der Luft leicht zum Sulfat. Läßt man z. B. ein feuchtes Kupfersulfid enthaltendes Filter eine Stunde lang stehen und wäscht dann mit Wasser aus, so geht das gebildete Kupfersulfat in Lösung, und das Filtrat ergibt mit Schwefelwasserstoffwasser eine durch das Ausfallen von etwas Cuprisulfid bewirkte leichte Braunfärbung. S c h w e f e l a m m o n i u m fällt ebenfalls Cuprisulfid. Mit gelbem Schwefelammonium ist die Fällung nicht ganz vollständig; es bleibt etwas Kupfer gelöst. N a t r i u m c a r b o n a t fällt b a s i s c h e s C u p r i c a r b o n a t von wechselnder Zusammensetzung. K a l i u m f e r r o c y a n i d fällt aus neutraler oder schwach saurer Lösung braunes C u p r i f e r r o c y a n i d , in dem meist ein Teil des Kupfers durch Kalium ersetzt ist. 2CuS0 4 + K 4 [Fe(CN) 6 ] = Cu2[Fe(CN)6] + 2 K 2 S 0 4 . Zur Herstellung von Verbindungen der e i n w e r t i g e n S t u f e geht man in der Regel ebenfalls von Cuprisalz-Lösungen aus. Am leichtesten ist das Cuprojodid herzustellen. Gibt man zu einer Cuprisalz-Lösung K a l i u m j o d i d , so fällt unter Abscheidung von Jod C u p r o j o d i d . 2CuS0 4 + 4 K J = 2CuJ + J 2 + 2 K 2 S 0 4 . Durch Zugabe von Schwefligsäure-Lösung wird das braune Jod zu Jodwasserstoff reduziert, und die weiße Farbe des Cuprojodidniederschlages wird deutlich erkennbar. C u p r i c h l o r i d und - B r o m i d zerfallen in Lösung nicht von selbst in die Cuproverbindung und freies Halogen. Hier ist die Anwendung von Reduktionsmitteln erforderlich. Zur Reduktion sind schweflige Säure oder auch Kupfermetall brauchbar. Man gebe in ein Kölbchen eine stark salzsaure Lösung von Kupferchlorid oder -sulfat, füge einige Kupferspäne zu und stelle das Kölbchen auf das Wasserbad. Das dabei gebildete Cuprochlorid bleibt, ähnlich wie Silberchlorid in konzentrierter Salzsäure, gelöst als Cuprochlorwasserstoffsäure: CuCl2 + Cu = 2CuCl CuCl + HCl = HCuCl 2 . 7*

100

Kupfer

Die zunächst grüne Lösung färbt sich dabei dunkel 1 ). Nach etwa einer Stunde gieße man die klare Lösung in viel Wasser, das mit etwas Schwefligsäure-Lösung versetzt ist; der Komplex zerfällt, und das schwer lösliche farblose G u p r o c h l o r i d fällt aus. Filtriert man den Niederschlag ab, so färbt er sich schon nach kurzer Zeit grün, weil sich Cuprochlorid sehr leicht zu basischem Cuprichlorid oxydiert. In der Mitte zwischen dem beständigen Cuprojodid und dem leicht oxydablen Chlorid stehen die Rhodan- und die Cyanverbindung. Cuprisulfatlösung gibt auf Zusatz einer Lösung von K a l i u m r h o d a n i d einen schwarzen unbeständigen Niederschlag von Cuprirhodanid. CuS0 4 + 2KONS = Cu(SCN)2 + K 2 S 0 4 . Setzt man reichlich Schwefeldioxyd-Lösung hinzu, so wird der schwarze Niederschlag heller und nach einiger Zeit weiß; er wird zu C u p r o r h o d a n i d reduziert. 2Cu(SCN) 2 + S0 2 + 2 H 2 0 = 2CuSCN + 2HSCN + H 2 S0 4 Cuprorhodanid ist in Wasser sehr wenig löslich und kann deshalb zur quantitativen Fällung von Kupfer verwendet werden. Etwas verwickelt ist die Einwirkung von Cyanionen auf Cuprisalzlösungen. Wird frisch bereitete Natriumcyanid-Lösung t r o p f e n w e i s e zu Cuprisulfat-Lösung gesetzt, so fällt unbeständiges hellbraunes C u p r i c y a n i d a u s ; e s wird bald heller und zuletzt— schneller beim Erwärmen — weiß, indem es unter Cyanbildung in C u p r o c y a n i d übergeht. CuS0 4 + 2NaCN = Cu(CN)2 + Na 2 S0 4 2Cu(CN) 2 = 2CuCN + (CN) 2 . Der Übergang in Cuprocyanid erfolgt auf Zusatz von Schwefeldioxyd-Lösung rascher. Gibt man v i e l Cyanid-Lösung zu einer Cuprisalz-Lösung, so löst sich alles zu einer farblosen Lösung, in der das Kupfer in Form eines sehr beständigen K o m p l e x e s [Cu(CN)4]3_ mit e i n w e r t i g e m Kupfer vorhanden ist, der nach der Gleichung Cu(CN) + 3NaCN = Na3[Cu(CN)4] entsteht. In diesem Falle bildet sich kein Cyan 2 ). Diese dunkle Farbe rührt wahrscheinlich von Cupro-Cupri-Verbindungen her. 2 ) Die (CN)2-Molekeln setzen sich nämlich mit den durch Hydrolyse in der NaCN-Lösung gebildeten OH - -Ionen nach der Gleichung (CN)2 + 20H~ = CNO~ + CN - + H 2 0 zu Cyanat- und Cyanidionen um. Dies entspricht völlig der S. 153 zu behandelnden Umsetzung der Halogene mit OH~-Ionen.

Elektroaffinität

101

Das Anion [Cu(CN)4]3~ ist außerordentlich wenig dissoziiert und gibt keine Kupferreaktionen mehr. Man setze zu einer Probe der Lösung etwas N a t r o n l a u g e : es fällt nichts aus. Dann füge man etwas Ammoniumsulfid-Lösung hinzu: es erfolgt ebenfalls keine Fällung1). Von H+-Ionen wird der Komplex jedoch zerstört. Man gebe zu einer Probe der farblosen Flüssigkeit etwas Salzsäure. Es entsteht Blausäure, die am Geruch zu erkennen ist (Vorsicht!), und Cuprocyanid scheidet sich in weißen Flocken aus. Schließlich ist als beständige Verbindung des einwertigen Kupfers noch das C u p r o o x y d zu nennen. Um dieses herzustellen, reduziert man am besten eine alkalische Lösung eines Cuprisalzes. Um zu verhindern, daß durch den Alkalizusatz Cuprihydroxyd ausfällt, muß man — wie es S. 97 besprochen ist — geeignete hydroxylhaltige organische Stoffe zugeben. Viel verwendet wird zu diesem Zwecke Weinsäure.

Man gebe zu einer Probe Cuprisulfat-Lösung etwa den doppelten Raumteil Weinsäure-Lösung und dann N a t r o n l a u g e . Es entsteht eine tiefblaue Lösung, die das Natriumsalz einer innerkomplexen Cupriweinsäure enthält. Diese Lösung führt den Namen „Fehlingsche Lösung". Man setze zu einer Probe Fehlingscher Lösung als Reduktionsmittel ein wenig Traubenzucker-Lösung und erwärme die Mischung. Es scheidet sich zuerst gelbes, bald dichter und dabei rot werdendes Cuprooxyd ab. Diese Probe wird in der physiologischen Chemie zum Nachweis von Zucker im Harn usw. benutzt. Elektroaffinität Etwas blankes Eisen, etwa eine saubere Messerklinge, werde in Cuprisulfat-Lösung gegeben. Die Klinge färbt sich rot, weil sich Kupfer abscheidet, während eine äquivalente Menge Eisen sich auflöst: ±0 ±0 Fe + Cu2+ = Fe 2 + Cu . Dieser Versuch zeigt, daß die beiden Metalle Kupfer und Eisen eine verschieden große Neigung haben, positiv geladene Ionen zu bilden; das Kupferion hält die positive Ladung nicht sehr fest und wird daher durch das Eisen entladen. Das unedlere Eisen hat eine größere positive „ E l e k t r o a f f i n i t ä t " als das edlere Kupfer. Durch ganz entsprechende Versuche kann man eine Reihenfolge für die Elektroaffinitäten aller Metalle festlegen. Die so erhaltene Reihe bezeichnet man auch als „ S p a n n u n g s r e i h e " , weil man sie, wie im einzelnen in der Vorlesung gezeigt wird, durch die Messung elektrischer Spannungen zahlenmäßig genau festlegen kann. Für einige wichtige Metalle sei diese Reihenfolge angeführt: (Unedel) Na, Mg, Zn, Fe, Ni, Pb, H 2 , Cu, Hg, Ag, Au (Edel). In ihr stehen am Anfange die unedelsten Metalle, am Ende die Edelmetalle. Die Beobachtimg, daß Eisenmetall Kupferionen entladen kann, kommt in der Spannimgsreihe dadurch zum Ausdruck, daß Eisen vor Kupfer steht. 1 ) Man beachte das abweichende Verhalten des Natriumcadmium cyanides (vgl. S. 105)!

102

Elemente der Gruppe I I b

Das gleiche gilt für die S. 91 behandelte Reduktion von Silberchlorid, d. h. also von Silberionen durch Zinkmetall. Man sieht aus der Tabelle, daß man für diese Reduktion ebensogut ein anderes Metall, etwa Magnesium oder Eisen, benutzen könnte. In der Spannungsreihe ist auch der W a s s e r s t o f f angeführt, obwohl es sich gar nicht um ein Metall handelt. Das ist jedoch für die hier vorliegende Fragestellung belanglos; wesentlich ist vielmehr, daß er wie die Metalle positive Ionen zu bilden vermag. So geht z. B. aus der Spannungsreihe hervor, daß alle Metalle, die vor dem Wasserstoff stehen, in der Lage sind, H+-Ionen zu entladen; sie lösen sich also in verdünnten Säuren. Auf der anderen Seite lassen sich Kupfer und Silber mit verdünnten Säuren nicht in Lösung bringen; sie sind edler als Wasserstoff. Um diese edlen Metalle zu lösen, muß man konzentriertere Lösungen von Sauerstoffsäuren wie Salpetersäure verwenden, deren undissoziierte Molekeln stärker oxydierend wirken als die H+-Ionen. Ähnlich wie der Übergang Metall -> positives Ion ist auch der Wechsel der positiven Wertigkeit, etwa der Übergang Fe 2 + -> F e 3 + bzw. Sn 2 + -»- Sn 4+ , zu behandeln. So werden z. B. Sn 4+ -Ionen durch das unedle Zinkmetall zu Zinnmetall, durch das in der Spannungsreihe hinter dem Zink stehende, also edlere Eisen, dagegen nur zu Sn 2+ -Ionen entladen. Es ist also notwendig, die Ladungsstufen, die bei der betreffenden Umsetzung auftreten, genau anzugeben. In ähnlicher Weise gibt es auch eine Spannungsreihe, die die n e g a t i v e E l e k t r o a f f i n i t ä t der Nichtmetalle kennzeichnet. In ihr findet sich z. B. folgende Reihenfolge: (Große negat. Elektroaffin.) Cl2, Br 2 , J 2 , Schwefel (Kleine negat. Elektroaffin.) Versuche, die diese Reihe beweisen, haben wir schon kennengelernt: S. 19 wurde gezeigt, daß Chlorgas B r - - und J~-Ionen zu den elementaren Halogenen entlädt, z. B. ±o

±o

Cl2 + 2 B r " = Br 2 + 2C1-. S. 43 lernten wir die Umsetzung: H s S + J 2 = S + 2 H J bzw. S 2 ~ + 1° ±o = S + 2 J - kennen, die die Stellung des Jods vor dem Schwefel beweist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die eben angeführten Spannungsreihen für positive und negative Ionen nur so lange gelten, als die K o n z e n t r a t i o n e n etwa die gleichen bleiben. Große Konzentrationsunterschiede können zu abweichenden Reaktionen führen. So löst sich z. B. Silbermetall in starker Jodwasserstoffsäure unter Wasserstoffentwicklung, obwohl Silber in der Spannungsreihe hinter dem Wasserstoff steht, weil die sich bildende Silberjodwasserstoffsäure HAgJ 2 nur äußerst wenig unter der Bildung von Ag+-Ionen dissoziiert. Über diese und andere Einflüsse lese man Näheres in den Lehrbüchern nach.

Elemente der Gruppe IIb Während dieVerbindungen des Kupfers und Silbers charakteristische Unterschiede gegenüber denen der Alkalimetalle zeigen, ist die Ähnlichkeit zwischen den V e r b i n d u n g e n des Z i n k s , C a d m i u m s und zweiwertigen Q u e c k s i l b e r s mit denen der Erdalkalimetalle und besonders denen des Magnesiums sehr viel größer. Wie das Magnesium bilden sie leicht lösliche Halogenverbindungen (Ausnahme HgJ 2 ), Nitrate und Sulfate, dagegen schwer lösliche Hydroxyde (bzw. beim Quecksilber ein schwer lösliches Oxyd), Carbonate und Phosphate. Charakteristische U n t e r s c h i e d e liegen in Folgendem: Einmal bilden sie, wie alle Metalle der b-Gruppen, s c h w e r l ö s l i c h e S u l f i d e ; Zinksulfid

Zink

103

ist farblos, Cadmiumsulfid gelb, Quecksilbersulfid schwarz bzw. rot (Zinnober). Die Löslichkeit nimmt vom Zink- zum Quecksilbersulfid ab; HgS ist das am schwersten lösliche aller Sulfide. Zweitens ist die Neigung zur K o m p l e x b i l d u n g , die auch für das Verhalten der Elemente der Ib-Gruppe charakteristisch ist, hier ebenfalls groß. Schließlich ist der B a s e n c h a r a k t e r w e n i g e r a u s g e p r ä g t als in der Ila-Gruppe. Zinkhydroxyd ist, wie Berylliumhydroxyd, amphoter, löst sich also nicht nur in Säuren, sondern auch in Laugen. Erst Cadmiumhydroxyd entspricht in seiner Basenstärke angenähert dem Magnesiumhydroxyd. Während Zink und Cadmium in Verbindungen nur z w e i w e r t i g vorkommen, bildet das Quecksilber auch einige, allerdings nicht sehr beständige Verbindungen der e i n w e r t i g e n Stufe. Die M e t a l l e sind durch niedrige Schmelz- und Siedepunkte ausgezeichnet. Zink schmilzt bei 419° und siedet bei 906°. Die Daten für Cadmium sind 321° und 764°, für Quecksilber — 39° und 357°. Der Unterschied in der Edelkeit gegenüber den Erdalkalimetallen ist nicht so groß wie zwischen den Gruppen Ia- und Ib. Wie in der Gruppe Ib nimmt der edle Charakter mit steigendem Atomgewicht zu. Während Quecksilber schon zu den Edelmetallen zu rechnen ist, verdanken Zink und Cadmium ihre Beständigkeit gegenüber Luft gerade der Bildung einer dünnen, festhaftenden Oxydschicht, ähnlich wie es beim Aluminium der Fall ist. Zink Ein Stückchen Z i n k werde auf Kohleunterlage mit der oxydierenden Stichflamme des Lötrohres oder der Gebläseflamme stark erhitzt. E s schmilzt und verbrennt mit bläulichweißer fahler Flamme. Dabei steigt ein weißer Rauch auf, der sich zum Teile auf der Kohle in der Nähe des Metalls als weißer „Beschlag" niedersetzt. Der Beschlag zeigt, solange er heiß ist, eine gelbe Farbe. Die hier beobachtete Erscheinung, daß sich die Farbe eines Stoffes mit steigender Temperatur vertieft, findet sich oft. Man übergieße ein Stückchen r e i n e s Stangenzink mit einigen Kubikzentimetern r e i n e r verdünnter Schwefelsäure und setze einige Tropfen r e i n e r konzentrierter Schwefelsäure zu. E s tritt nur eine minimale Wasserstoffentwicklung auf, selbst wenn man die Mischung erwärmt. Die Umsetzung wird aber lebhaft, sobald man das Zinkstück mit einem Platindraht berührt. Man achte darauf, daß die Wasserstoffentwicklung nicht v o m Zink, sondern v o m Platindraht ausgeht. Sobald sich Zink und Platin nicht mehr berühren, hört die Gasentwicklung auf. Die gleichen Erscheinungen beobachtet man beim Auflösen von r e i n e m Cadmium in r e i n e r , verdünnter Schwefelsäure. Verwendet man u n r e i n e Materialien, so enthält das Metall fremde Metallpartikelchen — oder es schlagen sich aus der unreinen Säure solche auf ihm nieder —, die die Stelle des Platindrahtes ausfüllen. Solche inhomogene Stellen schafft man künstlich durch Zusatz eines Tropfens Kupfersulfat- oder Silbernitrat-Lösung zu dem MetallSäure-Gemische: Kupfer- oder Silberteilchen schlagen sich sofort auf dem Zink nieder und ermöglichen eine lebhafte Auflösung des Zinks. Wegen der Theorie dieser Erscheinungen (Überspannung, Lokalelemente) muß auf die Vorlesung verwiesen werden.

104

Zink

Man führe mit etwas Z i n k s a l z - L ö s u n g die folgenden Fällungen aus. N a t r o n l a u g e : Bei tropfenweisem Zusatz fällt weißes flockiggelatinöses Z i n k h y d r o x y d aus. ZnCl2 + 2 NaOH = Zn(0H) 2 + 2NaCl. Ein Überschuß an Natronlauge löst das Zinkhydroxyd zu Natriumzinkat. H 2 ZnO, + NaOH = NaHZn0 2 + H 2 0 bzw. Zn(OH) 2 + NaOH = Na[Zn(OH) 3 ] . Wird in Natronlauge so viel Zinkhydroxyd eingetragen, wie sich löst, die N a t r i u m z i n k a t - L ö s u n g abfiltriert, mit Wasser verdünnt und zum K o c h e n e r h i t z t , so fällt Zinkhydroxyd daraus zum Teile wieder aus. Wird Natriumzinkat-Lösung mit N a t r i u m c h l o r i d - L ö s u n g verdünnt, so fällt Zinkhydroxyd sofort aus; nach einiger Zeit ist die Abscheidung fast quantitativ. Die Erklärung für dieses Verhalten liegt darin, daß Natriumzinkat als Salz der sehr schwachen Zinksäure in wäßriger Lösung hydrolytisch gespalten ist. Beim Verdünnen sowie beim Erhitzen nimmt, wie stets, der Hydrolysengrad zu. Das gebildete Zinkhydroxyd kann unter Umständen kolloid gelöst bleiben (vgl. dazu S. 134). Durch Erwärmen oder Elektrolytzusatz werden aber Kolloide „ausgeflockt".

Eine Probe des erhaltenen Zinkhydroxyds werde auf der Magnesiarinne geglüht; der weiße Glührückstand (Zinkoxyd) werde mit e i n e m Tröpfchen sehr verdünnter Kobaltnitrat-Lösung befeuchtet und nochmals geglüht. Er erscheint jetzt grün gefärbt („Rinmans Grün"). A m m o n i a k : Durch wenig Ammoniak-Lösung wird Zinkhydroxyd ausgefällt. Ein Überschuß von Ammoniak-Lösung löst den Niederschlag leicht zu einem k o m p l e x e n Z i n k a m m i n s a l z . Das Verhalten entspricht vollkommen der S. 99 behandelten Umsetzung von Kupferhydroxyd. Enthält die Lösung Ammoniumsalze starker Säuren oder ist sie sauer, so daß sich beim Ammoniakzusatz solche bilden, so fällt überhaupt kein Zinkhydroxyd aus. Dieses Verhalten entspricht vollkommen dem des Magnesiumhydroxyds. N a t r i u m c a r b o n a t fällt b a s i s c h e s Z i n k c a r b o n a t wechselnder Zusammensetzung. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f : Wenn man zu einer schwach mit Salzsäure angesäuerten Zinksalz-Lösung Schwefelwasserstoffwasser gibt, so fällt nichts aus. Aus neutraler Lösung fällt weißes Z i n k s u l f i d , jedoch ist die Fällung unvollständig, da bei der Umsetzung Mineralsäure frei wird. ZnS0 4 + H 2 S = ZnS + H 2 S 0 4 . Gibt man jedoch reichlich Natriumacetat zu, so daß die freie Säure abgestumpft wird, so wird die Fällung quantitativ.

Cadmium

105

A m m o n i u m s u l f i d fällt ebenfalls weißes Sulfid; ein Zusatz von Ammoniumchlorid befördert die Abscheidung (kolloidchemische Erscheinung; vgl. S. 135). N a t r i u m p h o s p h a t : Nach der S. 67 beim Magnesium gegebenen Vorschrift fälle man Z i n k a m m o n i u m p h o s p h a t ZnNH 4 P0 4 . Beim Glühen geht dieses wie die Magnesiumverbindung in das P y r o p h o s p h a t Zn 2 P 2 0 7 über. N a t r i u m c y a n i d : Gibt man zu einer Zinksalzlösung t r o p f e n w e i s e Alkalicyanid-Lösung, so fällt weißes Z i n k c y a n i d : ZnS0 4 + 2NaCN = Zn(CN) 2 + Na 2 S0 4 . Ein Überschuß löst den Niederschlag zum komplexen N a t r i u m zinkcyanid: Zn(CN)2 + 2NaCN = Na 2 [Zn(CN) 4 ] . Aus dieser Lösung wird — falls nicht ein zu großer Cyanidüberschuß verwendet war — mit Ammoniumsulfid-Lösung Zinksulfid gefällt 1 ); der Komplex ist also verhältnismäßig schwach. Cadmium Man erhitze ein auf Kohle liegendes Stückchen C a d m i u m mit der Lötrohrflamme; es schmilzt und verbrennt zu gelbbraunem C a d m i u m o x y d , das sich zum Teil auf der Kohle als Beschlag niederschlägt, zum Teil als Rauch entweicht. C a d m i u m salz-Lösungen verhalten sich den entsprechenden Zinksalz-Lösungen so ähnlich, daß es genügt, auf folgende Unterschiede hinzuweisen: Der mit Natronlauge oder Ammoniak fallende Niederschlag von C a d m i u m h y d r o x y d ist zwar ebenso wie Zinkhydroxyd in überschüssiger Ammoniaklösung löslich (Ammoniakatbildung), jedoch nicht in überschüssiger Natronlauge. Das gelbe C a d m i u m s u l f i d ist bei Zimmertemperatur in v e r d ü n n t e n Mineralsäuren unlöslich. In konzentrierten Mineralsäuren löst es sich jedoch auf. Mit Sodalösung fällt nicht basisches, sondern neutrales Carbonat. Man führe diese sowie die übrigen beim Zink beschriebenen Umsetzungen mit Cadmiumsalz-Lösungen aus. J ) Man beachte den Unterschied im Verhalten des Zink- und des sich entsprechend verhaltenden Cadmiumcyankomplexes gegenüber der Kupferverbindung !

106

Quecksilber

Quecksilber Während Zink und Cadmium sowie ihre Verbindungen einander sehr ähnlich sind, finden sich beim Quecksilber trotz mancher Analogien zu jenen Elementen auch wesentliche Verschiedenheiten. Schon beim M e t a l l selbst fallen der besonders tiefe Schmelzpunkt und die niedrige Siedetemperatur auf. Ferner ist Quecksilber wesentlich e d l e r als Zink oder Cadmium. Beim Erhitzen auf etwa 350° verbindet es sich zwar mit dem Luftsauerstoff zum Oxyd; beim Erhitzen auf höhere Temperaturen zersetzt sich dieses jedoch, wie wir S. 32 bereits gesehen haben, wieder in Metall und Sauerstoff. Die wenig beständigen Verbindungen des e i n w e r t i g e n Quecksilbers enthalten keine Hg+, sondern [Hg 2 ] 2+ -Ionen. In den Löslichkeitsverhältnissen zeigen sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den entsprechenden Silberverbindungen. Bei vielen Umsetzungen disproportionieren sie in Mercurisalze und metallisches Quecksilber [Hg2]2+ = Hg 2 + + Hg . Die Halogenide des z w e i w e r t i g e n Quecksilbers sind ziemlich wenig löslich, das Jodid sogar sehr wenig. Das Mercuriion neigt stark zur Komplexbildung; damit steht im Zusammenhang, daß auch einige einfache Mercurisalze, die Halogenide und das Cyanid, in wäßriger Lösung nur in sehr geringem Umfange in Ionen zerfallen. Hier liegen einige der seltenen Beispiele dafür vor, daß nicht nur Säuren und Basen, sondern auch Salze s c h w a c h d i s s o z i i e r t e E l e k t r o l y t e sein können. In geringerem Maße findet man diese Erscheinung noch bei Cadmium- und Zinkhalogeniden, insbesondere Jodiden. Deshalb wird z. B. Cadmiumsulfid aus Lösungen, die viel Jodionen enthalten, mit Schwefelwasserstoff nur langsam und unvollständig gefällt. Beim Arbeiten mit Quecksilberverbindungen beachte man folgendes: I. L ö s l i c h e Q u e c k s i l b e r v e r b i n d u n g e n s i n d s t a r k e G i f t e . Man arbeite also mit größter Vorsicht und reinige Geräte und Hände sorgfältig. A u c h d e r .Dampf des Quecksilbermetalls f ü h r t zu s c h w e r e n g e s u n d h e i t l i c h e n S c h ä d i g u n g e n , namentlich dann, wenn man ihn längere Zeit einatmet. Es ist deshalb unbedingt zu vermeiden, daß Quecksilbertropfen verstreut werden, in Ritzen kommen usw. Auch wenn man nichts derartiges beobachtet, sind Bäume, in denen mit Quecksilber gearbeitet wird — und das sind praktisch alle physikalischen und chemischen Laboratorien — reichlich zu lüften. Figur 22. 2. Quecksilbermetall legiert sich mit vielen Quecksilber-Pipette Metallen (z. B. den Alkali- und Erdmetallen, Kupfer, Silber, Blei, Zink) leicht zu A m a l g a m e n . Bringt man also Quecksilbermetall oder -salze in die Abgüsse, so werden die Bleileitungen beschädigt und undicht. A l l e Q u e c k s i l b e r r e s t e g e h ö r e n in e i n im Laboratorium aufgestelltes Sammelgefäß!

Man bringe mit Hilfe eines Glasröhrchens von der Form der Fig. 22 einen kleinen Quecksilbertropfen von der Größe eines Stecknadelkopfes auf einen blanken Pfennig zu einem Tropfen verdünnter Salpetersäure und reibe mit einem Bäuschchen Filtrierpapier: das Kupfer überzieht sich mit einer Schicht Kupferamalgam und Quecksilber; es wird „verquickt". Beim Erwärmen (Abzug!) geht der Quecksilberüberzug wieder fort.

Quecksilber

107

Quecksilber löst sich in heißer, konzentrierter Schwefelsäure zu Mercurisulfat. Salpetersäure wirkt je nach den Versuchsbedingungen verschieden. Mit verdünnter Salpetersäure bildet sich in der Kälte Mercuronitrat; heiße, konzentrierte Salpetersäure oxydiert zum Mercurinitrat. V e r h a l t e n d e r M e r c u r i s a l z e . Eine für die folgenden Versuche geeignete M e r c u r i n i t r a t - L ö s u n g , die frei von überschüssiger Säure ist, erhält man durch kurzes Aufkochen von etwas Mercurioxyd mit wenig verdünnter Salpetersäure und Abfiltrieren der Lösung von überschüssigem Mercurioxyd. Die so bereitete Lösung, die gewöhnlich etwas basisches Salz enthält, werde zu clen folgenden Umsetzungen der Mercurisalze benutzt. N a t r o n l a u g e : Zu einer Probe Mercurinitrat-Lösung werde sehr wenig Natronlauge gesetzt: es fällt braunrotes, b a s i s c h e s M e r c u r i n i t r a t . Setzt man mehr Natronlauge hinzu, so wird die Farbe des Niederschlages gelb, weil er in M e r c u r i o x y d übergeht. Hg(N0 3 ), + NaOH = Hg(0H)N0 3 + N a N 0 3 Hg(0H)N0 3 + NaOH = HgO + H 2 0 + N a N 0 3 . Das durch Fällung bereitete Mercurioxyd sieht gelb, das durch Glühen von Mercurinitrat erhaltene rot aus. Ersteres ist feiner verteilt und deshalb umsetzungsfähiger als letzteres; deswegen wird es in den chemischen Laboratorien vorzugsweise benutzt.

N a t r i u m c a r b o n a t fällt braunrotes b a s i s c h e s M e r c u r i c a r b o n a t von wechselnder Zusammensetzung. N a t r i u m b i c a r b o n a t wirkt ebenso. Die NatriumbicarbonatLösung werde so hergestellt, daß man festes Natriumbicarbonat mit Wasser bei Zimmertemperatur etwa 5 Minuten lang schüttelt und dann filtriert. A m m o n i a k gibt einen weißen Niederschlag, der außer A m i n o m e r c u r i n i t r a t Hg(NH 2 )N0 3 auch basische Verbindungen wechselnder Zusammensetzung enthält: Hg(N0 3 ) 2 + 2 N H 3 = Hg(NH 2 )N0 3 + N H 4 N 0 3 . K a l i u m j o d i d erzeugt, wenn man es in geringer Menge zusetzt, einen hellroten Niederschlag von M e r c u r i j o d i d . Hg(N0 3 ) 2 + 2 K J = HgJ 2 + 2 K N 0 3 . Ein Überschuß von Kaliumjodid-Lösung löst das Mercurijodid zu einer gelben Lösung von K a l i u m m e r c u r i j o d i d . HgJ 2 + 2 K J = K 2 [HgJ 4 ]. Aus dieser Lösung kann durch Natronlauge keine Quecksilberverbindung gefällt werden, weil das [HgJ 4 ] 2 ~-Ion kaum dissoziiert ist. Auf Zusatz von Ammoniumsulfid fällt jedoch Mercurisulfid aus.

108

Quecksilber

Eine stark alkalische Lösung von Kaliummercurijodid wird, wie bereits S. 59/60 erwähnt wurde, als Reagens auf Ammoniak benutzt. Über die dabei stattfindenden verwickelten Umsetzungen vgl. die Lehrbücher.

S c h w e f e l w a s s e r s t o f f gibt zunächst einen hellgefärbten Niederschlag, der im wesentlichen aus s u l f o b a s i s c h e m Salz besteht. 2Hg(N0 3 ) 2 + H 2 S = Hg 2 S(N0 3 ) 2 + 2 H N 0 3 . Beim weiteren Einleiten bildet sich das außerordentlich lösliche schwarze M e r c u r i s u l f i d :

schwer

Hg 2 S(N0 3 ) 2 + H 2 S = 2HgS + 2 H N 0 3 . Nachdem sich der Niederschlag abgesetzt hat, gieße man die Lösung ab, wasche einmal durch Dekantieren mit Wasser nach und erwärme den Rückstand mit etwas konzentrierter Salpetersäure; er löst sich nicht, wird aber oft wieder hell, weil sich erneut das bereits erwähnte sulfobasische Salz bildet. Mit einem Gemisch von Salzund Salpetersäure löst sich Mercurisulfid jedoch leicht auf. Die l ö s e n d e Wirkung des Königswassers (vgl. S. 36) beruht auch hier auf der Vereinigung von Oxydation und Komplexbildung (wenig dissoziiertes HgCl2). A m m o n i u m s u l f i d verhält sich wie Schwefelwasserstoff. H a r n s t o f f gibt, in nicht zu verdünnter Lösung zugesetzt, einen weißen, kompliziert zusammengesetzten Niederschlag, den man früher zur quantitativen Bestimmung des Harnstoffs benutzte. Die g e r i n g e D i s s o z i a t i o n d e s M e r c u r i c h l o r i d s erkennt man durch folgende Versuche: N a t r i u m b i c a r b o n a t - und H a r n s t o f f - L ö s u n g ergeben keine Niederschläge; es sind nicht genügend Hg 2 +-Ionen vorhanden, um die in Frage kommenden Löslichkeitsprodukte zu überschreiten. Die gleichen Ergebnisse erhält man, wenn man die Versuche mit einer Mercurinitrat-Lösung anstellt, die mit Natriumchlorid-Lösung versetzt ist. Eine Probe festes Mercurichlorid werde mit etwas konzentrierter Schwefelsäure in einem Probierglase erhitzt (Abzug!): es entweicht kein Chlorwasserstoff. Beim Sieden der Schwefelsäure destilliert mit ihren Dämpfen unzersetztes Mercurichlorid hoch und verdichtet sich in den kälteren Teilen des Probierglases zu Kristallnadeln. Dieser Versuch zeigt gleichzeitig, daß Mercurichlorid — im Gegensatz zu den echten Salzen! — leicht flüchtig ist. Daher rührt auch die Bezeichnung „Sublimat" für das Mercurichlorid. Allerdings ist dieser Ausdruck irreführend; denn unter Sublimieren versteht man nach S. 60 den direkten Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand. Mercurichlorid dagegen d e s t i l l i e r t , Atmosphärendruck vorausgesetzt; d. h. es schmilzt zunächst und siedet erst bei höherer Temperatur.

Man erhitze etwas festes Mercurichlorid im Probierglase (Abzug!) und beobachte den Schmelz- und Verdampfungsvorgang.

Quecksilber

109

Daß M e r c u r i c y a n i d n o c h w e n i g e r d i s s o z i i e r t ist als Mercurichlorid, erkennt man aus folgenden Versuchen: Zu einer Probe Mercuricyanid-Lösung setze man etwas N a t r o n l a u g e ; es fällt nichts aus. Auch mit K a l i u m j o d i d - L ö s u n g bildet sich kein Niederschlag. Erst auf Zusatz von A m m o n i u m s u l f i d tritt Fällung von Mercurisulfid ein. Eine Probe Mercurioxyd werde mit etwas frisch bereiteter Natriumcyanid-Lösung übergössen; sie löst sich zu Mercuricyanid auf — eine der wenigen Umsetzungen, bei denen in Gegenwart von Wasser, ohne daß sich ein Niederschlag absondert, Natriumhydroxyd frei wird. HgO + 2NaCN + H 2 0 = Hg(CN) 2 + 2NaOH . Die geringe Dissoziation des gelösten Mercuricyanids macht siel/ auch dadurch bemerkbar, daß es keine Hydrolyse erleidet, obwohl das Salz aus einer schwachen Säure und einer schwachen Base aufgebaut ist (vgl. S. 78/79).

M e r c u r o s a l z e . Zu den folgenden Versuchen benutze man etwas Mercuronitrat-Lösung des Laboratoriums. S a l z s ä u r e u n d C h l o r i d e fällen weißes schweres M e r c u r o c h l o r i d aus. Hg 2 (N0 3 ) 2 + 2NaCl = Hg 2 Cl 2 + 2 N a N 0 3 . Mercurochlorid kann man auch durch R e d u k t i o n von Merc u r i c h l o r i d - L ö s u n g e n erhalten. Als Reduktionsmittel für diesen Versuch kann man, wie wir bereits S. 35 gesehen haben, s c h w e f l i g e S ä u r e benutzen. Noch besser eignet sich S t a n n o c h l o r i d SnCl2, das dabei in Stannichlorid SnCl4 übergeht. Setzt man Stannochlorid in geringer Menge zu, so fällt weißes Mercurochlorid. 2Hg(N0 3 ) 2 + SnCl2 + 4 HCl = Hg2Cl2 + SnCl4 + 4 H N 0 3 . Wird ein Überschuß von Stannochlorid-Lösung angewendet, so wird das Mercurochlorid weiter zu metallischem Q u e c k s i l b e r reduziert, das in der Flüssigkeit teils kolloid gelöst (vgl. S. 134), teüs^in feinster Verteilung aufgeschwemmt bleibt und sich erst langsam zu Boden setzt. Nach dem Abgießen der Lösung vereinigt es sich beim Aufkochen mit verdünnter Salzsäure zu einem Quecksilbertröpfchen. Hg2Cl2 + SnCl2 = 2 Hg + SnCl4 . Schließlich kann man zur Reduktion des Mercurichlorides auch m e t a l l i s c h e s Q u e c k s i l b e r benutzen. Schüttelt man eine Mercurichlorid-Lösung mit einem Tröpfchen Quecksilber, so scheidet sich Mercurochlorid ab: HgCl 2 + Hg = Hg 2 Cl 2 . Andererseits zerfällt umgekehrt Hg2Cl2 in Hg + HgCl2 (Disproportionierung: [Hg 2 ] 2 X 1 + -> Hg± 0 + Hg 2 + , vgl. S. 37), wenn

110

Übergangselemente

man durch irgendein Reagens die Konzentration an Mercurichlorid sehr klein hält. Dazu eignet sich A m m o n i a k , das mit Mercurichlorid einen noch schwerer löslichen Niederschlag („Präzipitat") bildet als mit Mercurinitrat (vgl. S. 107). Man überzeuge sich zunächst hiervon durch einen Versuch mit Mercurichlorid: HgCl2 + 2NH S = Hg(NH2)Cl + NH4C1 . Übergießt man dann M e r c u r o c h l o r i d mit Ammoniaklösung, so zersetzt sich das Mercurosalz in Mercuri amino chlorid, das sofort gefällt wird, und fein verteiltes Quecksilber, das die ganze Masse schwarz färbt. Man führe den Versuch aus. Nach dieser Reaktion bezeichnet man das Mercurochlorid auch als „Kalomel" (schön schwarz). K a l i u m j o d i d : Wird wenig Kaliumjodid-Lösung zu Mercuronitrat-Lösung gesetzt, so fällt ein dunkelgrüngelber Niederschlag von Mercuroj odid. Bei Erwärmen der Mischung geht das Mercurojodid in ein Gemisch von rotem Mercurijodid und feinst verteiltem grauen Quecksilber über. Auf Zusatz eines Kaliumjodidüberschusses löst sich das Mercurijodid, so daß die Fällung dann rein grau erscheint. Hg 2 (N0 3 ) 2 + 2KJ = Hg 2 J 2 + 2 K N 0 3 Hg 2 J 2 = HgJ 2 + Hg . N a t r o n l a u g e und S c h w e f e l w a s s e r s t o f f geben dunkel gefärbte Niederschläge, die aus Quecksilbermetall und Mercurioxyd bzw. -sulfid bestehen.

Übergangselemente Von den Elementen der g r o ß e n Perioden des Perioden-Systems (vgl. Tafel I am Ende des Buches) schließen sich sowohl die ersten (d. h. die Gruppen Ia, I I a usw.) als auch die letzten (d. h. die Gruppen V l l b , V I b usw.) in ihrem chemischen Verhalten eng an die Elemente der entsprechenden Gruppen in den beiden ersten, k l e i n e n Perioden an. Die m i t t l e r e n E l e m e n t e d e r g r o ß e n P e r i o d e n hingegen nehmen eine gewisse Sonderstellung ein; wir nennen sie Ü b e r g a n g s e l e m e n t e . Von diesen behandeln wir an dieser Stelle ausführlicher von der ersten jener Reihen die Eisengruppe (Eisen, Kobalt, Nickel) sowie Chrom und Mangan. Über die wichtigsten übrigen Übergangselemente findet man einige Angaben auf S. 170ff. Die Elemente dieser Reihen sind dadurch ausgezeichnet, daß sie fast durchweg Verbindungen m e h r e r e r W e r t i g k e i t s s t u f e n bilden; in vielen Fällen ist dabei die Maximalwertigkeit kleiner als es der Gruppenzahl entspricht. Infolge dieses Auftretens mehrerer Wertigkeitsstufen ist diel Chemie dieser Elemente oft verwickelt. Für eine erste Übersicht ist die Regel nützlich, daß das chemische Verhalten (Basen- bzw. Säurecharakter, Löslichkeit usw.; vgl. auch S. 80/81 u. 89) in erster Linie von der W e r t i g k e i t bestimmt wird. So zeigen alle zweiwertigen Verbindungen dieser Gruppe Ähnlichkeit mit den Verbindungen des Magnesiums und noch mehr mit denen des zweiwertigen Kupfers. Die d r e i w e r t i g e n ähneln vielfach den Aluminiumverbindungen. Die Chromate mit sechs wertigem Chrom sind den Sulfaten

Eisengruppe — Eisen

111

ähnlich usw. Dadurch ist es verhältnismäßig leicht, ein übersichtliches Bild über die Eigenschaften der verschiedenen Verbindungen zu erhalten. Für das chemische Verhalten dieser Elemente ist ferner charakteristisch, daß der Ü b e r g a n g von einer W e r t i g k e i t s s t u f e in eine a n d e r e oft sehr leicht erfolgt; infolgedessen ist mit der Möglichkeit von Disproportionierungen (vgl. S. 37) bzw. Oxydations-Rcduktions-Reaktionen zu rechnen. Einzelne Verbindungen, z. B. die Chromate und Permanganate, sind starke, viel benutzte O x y d a t i o n s m i t t e l . Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Mehrzahl der in diesem Abschnitt zu behandelnden Verbindungen im Gegensatz zu den meisten der bisher besprochenen f a r b i g sind. Dabei tritt die schon S. 30 hervorgehobene Erscheinung sehr deutlich auf, daß die wasserfreien Salze oft eine andere Farbe besitzen als die Hydrate bzw. die wäßrigen Lösungen: FeCl2 FeBr 2

FeJ2

CoCl2 CoBr 2

wasserfrei farb- gelb- schwarz blau los lieh Hydrat bzw. wäßrige Lösung

bläulich bis grünlich

CoJ 2

NiCl2 NiBr 2

grün schwarz gelb

rosa

gelb

NiJ 2 schwarz

apfelgrün

Eisengruppe Die Elemente Eisen, Kobalt und Nickel widersprechen den Regelmäßigkeiten des Perioden-Systems insofern, als das Atomgewicht des Kobalts größer ist als das des Nickels. Über die Wertigkeitsverhältnisse unterrichtet die nachstehende Tabelle, in der die unbeständigen Verbindungen des sechswertigen Eisens, wie z. B. BaFe0 4 , sowie die ebenfalls äußerst instabilen Komplexverbindungen der einwertigen Stufe nicht berücksichtigt sind:

Eisen Kobalt Nickel

Überhaupt vorkommende Wertigkeiten

Beständigste Stufe in einfachen Verbindungen

zwei und drei zwei und drei zwei1)

drei zwei zwei

Beständigste Stufe in Komplexverbindungen zwei drei zwei

Eisen Das Eisen ist ein grauweißes Metall. Technisch unterscheidet man einerseits kohlenstoffreiches Eisen (mehr als 1 , 7 % Kohlenstoff): „ R o h e i s e n " , „ G u ß e i s e n " und andererseits kohlenstoffarmes Eisen (weniger als 1 , 7 % Kohlenstoff): „ s c h m i e d b a r e s E i s e n " , „ S t a h l " . Außerdem enthält das Roheisen nicht unerhebliche Mengen von Si und Mn sowie meist von S und P ; beim Stahl sind Si, S und P nur in Spuren vorhanden. Roheisen schmilzt bei 1000—1100°, schmiedbares Eisen — je nach seinem Kohlenstoffgehalte — höher. Der Schmelzpunkt des reinen Eisens liegt bei 1530°. 1 ) Dazu noch eine unbekannte höhere Wertigkeitsstufe in wasserhaltigen Oxyden.

112

Eisen

An trockener Luft hält sich das Eisen bei Raumtemperatur beliebig lange; in Gegenwart von Feuchtigkeit wird es durch Luft allmählich zu wasserhaltigem Ferrioxyd Pe 2 0 3 („Rost") oxydiert. Da diese Rostschichten porös sind, können sie — im Gegensatz zum Aluminium — das Eisen vor weiteren Angriffen nicht schützen. Man muß daher das Metall mit Anstrichen von Ölfarben usw. versehen.,, Auch kann man es durch Glühen und geeignete Behandlung („Brünieren", z. B. bei Gewehrläufen) mit e|iner dichten glatten schwarzen Schicht von Oxyden überziehen, die es vor weiterer Oxydation schützt. Mit reinem Sauerstoff setzt sich Eisen nach Einleitung der Reaktion durch Erhitzen energisch um („autogenes Schneiden"); desgl. mit Schwefel. Die Verbindungen der zweiwertigen Stufe (Ferroverbindungen) sind in wäßriger Lösung bläulich-grünlich, die der dreiwertigen Stufe (Fernverbindungen) gelbbraun. Das Verhalten der letzteren unterscheidet sich von dem der Aluminiumverbindungen vor allem dadurch, daß Ferrihydroxyd sich nicht in Natronlauge löst. Verbindungen, die zwei- und dreiwertiges Eisen gleichzeitig enthalten (Magnetit Fe0-Fe 2 0 3 und das S. 116 zu besprechende Berliner Blau), zeichnen sich durch intensive Farben aus.

Etwas Eisensalz färbt die P h o s p h o r s a l z p e r l e in der Oxydationsflamme gelb. Beim Abkühlen blaßt die Farbe ab; falls nur wenig Eisensalz genommen war, verschwindet sie ganz. Etwa 1 g Eisenspäne werde in nicht zuviel verdünnter Salzsäure, der etwas konzentrierte Salzsäure zugesetzt ist, gelöst (Abzug). Es entweicht Wasserstoffgas, das durch eine kleine Beimengung übelriechender anderer Gase verunreinigt ist. Im Kölbchen bleibt eine grüne Lösung von F e r r o c h l o r i d Fe Gl,, die vom Ungelösten abfiltriert werde. Fe + 2 HCl = H 2 + FeCI, . F e r r o s a l z e . Ein Teil dieser Lösung werde zu den folgenden Umsetzungen der Ferroverbindungen benutzt, die sofort auszuführen sind, da sich die Ferrochlorid-Lösung an der Luft schnell oxydiert. Der Rest der Lösung werde für spätere Versuche zurückgestellt. N a t r o n l a u g e fällt grünlich-weißes flockiges F e r r o h y d r o x y d . FeCl2 + 2NaOH = Fe(OH) 2 + 2NaCl. Der Niederschlag wird beim Umschütteln dunkelgrün, dann grau und schließlich von obenher rotbraun: er wird durch den Luftsauerstoff zu F e r r i h y d r o x y d oxydiert. Ganz reines Ferrohydroxyd sieht weiß aus. 4Fe(OH) 2 + 0 2 + 2H a O = 4Fe(OH) 3 . A m m o n i a k fällt ebenfalls Ferrohydroxyd. Die Fällung ist unvollständig. Sind in der Lösung reichlich Ammoniumsalze vorhanden, so unterbleibt die Fällung (vgl. S. 81). N a t r i u m p e r o x y d : Setzt man zu einer Ferrosalz-Lösung eine frisch und ohne Erwärmung bereitete Lösung von Natriumperoxyd, so fällt sofort ein dichter flockiger Niederschlag von rotbraunem F e r r i h y d r o x y d aus. N a t r i u m c a r b o n a t fällt weißes F e r r o c a r b o n a t . FeCl2 + Na 2 C0 3 = FeC0 3 + 2NaCl.

Eisen

113

Unter dem Einflüsse des Luftsauerstoffs wird der Niederschlag bald oxydiert; er geht schließlich in Ferrihydroxyd über, weil Ferricarbonat als Salz einer schwachen Base und einer schwachen Säure hydrolytisch vollständig zerfällt. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt aus saurer Lösung nichts. Auch aus neutraler Lösung scheidet sich nur ein sehr geringer Niederschlag des s c h w a r z e n F e r r o s u l f i d e s FeS ab, da die bei der Ausfällung des Sulfides frei werdende Säure die vollständige Ausfällung hindert. ^ ^ + = F e g + 2HC1. Wesentlich weiter geht die Abscheidung des Sulfides bei Anwesenheit von viel Natriumacetat. Vollständig ist die Fällung jedoch nur in alkalischer Lösung. A m m o n i u m s u l f i d fällt schwarzes F e r r o s u l f i d . Hat man gelbes Schwefelammonium im Überschuß zugesetzt, so nimmt die Lösung meist eine grüne Farbe an. Diese rührt davon her, daß ein Teil des Ferrosulfids zunächst in kolloider Form (vgl. S. 134) gelöst bleibt. Beim Filtrieren erhält man ein klares grünes Filtrat; läßt man es stehen, so fällt nach einiger Zeit weiteres Ferrosulfid in schwarzen Flocken aus. Feuchtes Ferrosulfid oxydiert sich an der Luft leicht zu basischem Ferrisulfat und verhält sich dann beim Auswaschen entsprechend, wie es beim Kupfersulfid beschrieben ist (vgl. S. 99). N a t r i u m p h o s p h a t : Zu einer Probe Ferrochlorid-Lösung setze man reichlich Ammoniumchlorid- und Ammoniak-Lösung und füge Natriumphosphat-Lösung hinzu; es fällt F e r r o a m m o n i u m p h o s p h a t aus. FeCl2 + Na 2 HP0 4 + NH 3 = Fe(NH 4 )P0 4 + 2NaCl. F e r r i s a l z e . Um zum Ferrisalz zu oxydieren, setze man zu der Ferrochlorid-Lösung etwas k o n z e n t r i e r t e S a l p e t e r s ä u r e und erwärme. Die Lösung wird erst dunkel und hellt sich dann plötzlich zu einer gelben Flüssigkeit auf. Dies ist so zu erklären, daß die Salpetersäure durch das Ferrosalz zu Stickoxyd reduziert wird: 3FeCl2 + HN0 3 + 3 HCl = 3FeCl3 + NO + 2H 2 0 . Dieses -Stickoxyd gibt mit dem noch vorhandenen Ferrochlorid eine der schon S. 39 besprochenen analoge dunkle Anlagerungsverbindung. Sobald alles Ferrochlorid zum Ferrichlorid oxydiert ist, verschwindet auch die dunkle Farbe. Die Oxydation einer Ferrosalz- zur Ferrisalz-Lösung kann man auch mit anderen Oxydationsmitteln durchführen, so z. B. mit Chlor- oder Bromwasser und besonders bequem mit Wasserstoffperoxyd usw.

Mit der erhaltenen Ferrisalz-Lösung führe man die nachstehenden Umsetzungen aus: B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

8

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Eisen

N a t r o n l a u g e oder A m m o n i a k fällen flockiges braunrotes Ferrihydroxyd. FeCl3 + 3NaOH = Fe(OH) 3 + 3NaCl. Die Fällung ist in beiden Fällen q u a n t i t a t i v und c h a r a k t e r i s t i s c h . Durch Ammoniumsalze starker Säuren wird sie n i c h t verhindert. N a t r i u m c a r b o n a t : Es entsteht ein Niederschlag von F e r r i hydroxyd. 2FeCl 3 + 3Na 2 C0 3 + 3 H 2 0 = 2Fe(OH) 3 + 3C0 2 + 6NaCl. B a r i u m c a r b o n a t fällt, wie S. 80/81 besprochen, aus FerrisalzLösungen das Eisen als F e r r i h y d r o x y d . N a t r i u m a c e t a t : Schon S. 83 wurde erwähnt, daß man — ebenso wie bei Aluminium — auch das Eisen durch Kochen einer mit reichlich Natriumacetat versetzten Ferrisalz-Lösung quantitativ als Ferrihydroxyd abscheiden kann. Man führe den Versuch durch, indem man die Ferrichlorid-Lösung zunächst mit Soda-Lösung annähernd neutralisiert, reichlich Natriumacetat zugibt (die dabei auftretende Rotfärbung rührt von kompliziert zusammengesetzten Komplexen her), stark verdünnt und kocht. N a t r i u m p h o s p h a t gibt einen gelblich-weißen Niederschlag von F e r r i p h o s p h a t FeP0 4 , der in Mineralsäuren löslich, in Essigsäure unlöslich ist. Man gebe daher vor der Fällung etwas Natriumacetat zur Lösung, um die Mineralsäure abzustumpfen. Sind bei der vorher beschriebenen Natriumacetatfällung Phosphationen in der Lösung vorhanden, so gehen sie als Ferriphosphat in den Niederschlag. S c h w e f e l W a s s e r s t o f f macht unter Reduktion des Ferrisalzes zum Ferrosalz S c h w e f e l frei, der in der Lösung zunächst als weiße Trübung schweben bleibt, ohne sich abzusetzen. 2FeCl s + H 2 S = 2FeCl 2 + S + 2 H C l . (Man formuliere die entsprechende Ionengleichung!) A m m o n i u m s u l f i d erzeugt einen schwarzen Niederschlag von F e r r o s u l f i d und Schwefel, der vielleicht auch etwas instabiles Ferrisulfid Fe 2 S 3 enthält. 2FeCl 3 + 3(NH 4 ) 2 S = 2FeS + S + 6NH 4 C1 . K a l i u m r h o d a n i d färbt die saure Ferrisalz-Lösung unter Bildung von wenig dissoziiertem, wahrscheinlich dimolekularem F e r r i r h o d a n i d intensiv rot. 2FeCl 3 + 6KSCN = [Fe(SCN)3]2 + 6KC1. Beim Schütteln mit Äther geht das Rhodanid mit roter Farbe in den Äther über.

Eisen

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Dies ist die empfindlichste Probe auf Fernverbindungen. Man gebe einen Tropfen Ferrisalz-Lösung in ein Becherglas voll angesäuerten Wassers, gieße den Inhalt fast ganz aus, fülle wieder mit Wasser auf und setze Kaliumrhodanid-Lösung hinzu. Es tritt in dieser enormen Verdünnung noch deutlich Rotfärbung auf. Ferrosalz-Lösungen zeigen diese Reaktion gewöhnlich auch, weil sie stets Spuren Ferrisalz enthalten. Man löse etwas „Eisenvitriol" (kristallwasserhaltiges Ferrosulfat F e S 0 4 - 7 H 2 0 ) in viel Wasser auf und prüfe einige Tropfen der Lösung mit Kaliumrhodanid. Dabei wird eine deutliche Rotfärbung auftreten. Den Rest säuere man mit Schwefelsäure schwach an und gebe etwas Eisenpulver hinzu, wodurch die wenigen vorhandenen Ferriionen zu Ferroionen reduziert werden. Nach einigen Minuten gieße man einige Tropfen der Lösung ab und prüfe mit Kaliumrhodanid. Die Lösung wird jetzt farblos bleiben oder sich nur noch ganz schwach färben. Nach weiterem Warten wird eine dritte Probe keine Färbung mehr zeigen. Zur Feststellung, ob ein Eisensalz der Ferro- oder der Ferrireihe angehört, ist die Kaliumrhodanidprobe nicht empfehlenswert, da sie zu empfindlich ist. E i s e n c y a n v e r b i n d u n g e n . Etwas Ferrosalz-Lösung versetze man tropfenweise mit Natronlauge, bis eben eine Trübung von Ferrohydroxyd auftritt. Dann gebe man ein wenig Natriumcyanid-Lösung hinzu: es fällt rotbraunes F e r r o c y a n i d Fe(CN)2 flockig aus. Ein nicht zu geringer Überschuß von Natriumcyanid löst bei schwachem Erwärmen den Niederschlag zu einer hellgelben Lösung, die filtriert werde. FeCl2 + 2NaCN = Fe(CN)2 + 2NaCl Fe(CN)2 + 4NaCN = Na4[Fe(CN)6] . Die Lösung enthält das N a t r i u m s a l z der F e r r o c y a n w a s s e r s t o f f s ä u r e H4[Fe(CN)6]. Das entsprechende Kaliumsalz ist das „gelbe Blutlaugensalz". Der [Fe(CN)e]4~-Komplex ist, wie bereits S. 94 besprochen wurde, einer der festesten Komplexe, die wir kennen. Eine Probe der Natriumferrocyanid-Lösung säuere man mit verdünnter Salzsäure an (Abzug! Aus dem überschüssigen Natriumcyanid entwickelt sich Blausäure!) und gebe einen Tropfen f r i s c h b e r e i t e t e r Ferrosulfat-Lösung hinzu. Es entsteht ein hellbläulichweißer Niederschlag, vielleicht — aber nicht sicher — das Ferrosalz der Ferrocyanwasserstoffsäure. Na 4 [Fe(CN) 6 ] + 2FeS0 4 = Fe2[Fe(CN)6] + 2 Na 2 S0 4 . Beim Stehenlassen, schneller beim Durchschütteln der Masse mit Luft, wird der Niederschlag tiefblau: er oxydiert sich dabei zum Ferrisalz der Ferrocyanwasserstoffsäure (vgl. unten). 8*

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Eisen

Eine zweite Probe der Ferrocyanid-Lösung säuere man ebenfalls an und setze einen Tropfen Ferrichlorid-Lösung hinzu; es entsteht ein tiefblauer Niederschlag von komplizierter Zusammensetzung, den man in grober Näherung als F e r r i s a l z d e r F e r r o c y a n w a s s e r s t o f f s ä u r e auffassen kann. 3Na 4 [Fe(CN) 6 ] + 4FeCl 3 = Fe4[Fe(CN)6]3 + 12NaCl. Der Niederschlag findet unter dem Namen „ B e r l i n e r B l a u " Verwendung als Farbstoff. Wichtige Erkennungsprobe zum Nachweis von Eisen! Wie diese letzten beiden Versuche zeigen, kann Alkalimetall ferrooyanid außerdem zu der Entscheidung der Frage benutzt werden, oVein gegebenes Eisensalz der Ferri- oder der Ferroreihe angehört. Handelt es sich um den Nachweis sehr geringer Mengen von Ferriionen, so ist die Ferrocyanid-Lösung unmittelbar vor der Verwendung herzustellen, da eine ältere Lösung stets, wenn auch nur spurenweise, zersetzt ist und sich daher beim Ansäuern durch Bildung sehr geringer Mengen Berliner Blau grünlich färbt und bei längerem Stehen einige Flöckchen Berliner Blau absetzt. Man überzeuge sich davon durch einen Versuch mit der stark zu verdünnenden Kaliumferrocyanid-Lösung des Laboratoriums.

Etwas Kaliumferrocyanid-Lösung aus der Standflasche des Laboratoriums werde mit etwa dem doppelten Raumteile B r o m wasser versetzt und aufgekocht, bis der Überschuß des Broms weggekocht ist und nur farblose Wasserdämpfe aus dem Probierglase aufsteigen. Die bräunliche Lösung enthält jetzt K a l i u m f e r r i cyanid K3[Fe(CN)6], „rotes Blutlaugensalz". 2K 4 [Fe(CN) 6 ] + Br 2 = 2K 3 [Fe(CN) 6 ] + 2KBr . Mit dieser Lösung werden dieselben Versuche wie mit der Ferrocyanid-Lösung angestellt. Man erhält mit Natronlauge und Ammoniumsulfid ebenfalls keine Niederschläge. Auch Ferrichlorid gibt keine Fällung, sondern nur Dunkelfärbung der Lösung. Dagegen erhält man mit einem F e r r o s a l z einen tiefblauen Niederschlag von Berliner Blau. Die auffällige Bildung von Berliner Blau erklärt sich daraus, daß Kaliumferricyanid das Ferrosalz zunächst zum Ferrisalz oxydiert, wobei es selbst in Kaliumferrocyanid übergeht; gleichzeitig setzen sich Ferrisalz und Kaliumferrocyanid unter Abscheidung von Berliner Blau um.

Während der Ferrocyanidkomplex, wie S. 96 gezeigt wurde, gegen k a l t e Säuren beständig ist, wird er durch h e i ß e v e r d ü n n t e S ä u r e n zersetzt. Ein erbsengroßes Stück Kaliumferrocyanid werde im Probierglase m i t ' 1—2 ccm verdünnter Schwefelsäure bis zum Kochen der Lösung erhitzt. Es entweicht B l a u s ä u r e , die an ihrem Gerüche ( V o r s i c h t ! ) leicht zu erkennen ist. Durch h e i ß e k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure wird auch die Blausäure zerlegt, und zwar in Kohlenoxyd und Ammoniak: HCN + H^O = CO + NH 3 . Ein bohnengroßes Stück Kaliumferrocyanid werde

Kobalt

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im Probierglase mit 2 ccm konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, bis Aufschäumen auftritt. Die von der Flamme entfernte Masse kocht lebhaft weiter, wobei farbloses K o h l e n o x y d entweicht, das mit blauer Flamme brennt. Der Umsetzungsverlauf entspricht etwa folgender Gleichung: K 4 [Fe(CN) 6 ] + 6 H 2 0 + 6 H 2 S 0 4 = 6 CO 4- FeS0 4 + 2 K 2 S 0 4 + 3(NH 4 ) 2 S0 4 .

Kobalt Das grausilberweiße, bei 1490° schmelzende Metall löst sich in verdünnten starken Säuren. Dabei entstehen Salze des zweiwertigen Kobalts. Von einfachen Salzen des dreiwertigen Kobalts kennt man nur das Fluorid COF3, sowie das außerdem zweiwertiges Kobalt enthaltende Oxyd C03O4 (vgl. S. 90). Dagegen leiten sich vom dreiwertigen Kobalt zahlreiche beständige K o m p l e x v e r b i n d u n g e n ab, z. B. mit Cyanwasserstoff, Ammoniak, salpetriger Säure usw.

Eine Probe eines Kobaltsalzes färbt die P h o s p h o r s a l z p e r l e tief blau. Die gleiche Farbe zeigt kobalthaltiges Glas, was man in der Glasindustrie und in der Keramik verwendet. N a t r o n l a u g e : Etwas Kobaltsalz-Lösung werde mit etwas Natronlauge versetzt; es fällt blaues basisches Salz aus, das beim Erwärmen der Mischung mit mehr Natronlauge in schön rosenrotes C o b a l t o h y d r o x y d übergeht. CoCl2 + 2NaOH = Co(OH)2 + 2NaCl. Nach einigem Stehen wird der Cobaltohydroxyd niederschlag mißfarben, indem er durch den Luftsauerstoff teilweise zu dem schwarzen wasserhaltigen C o b a l t i h y d r o x y d oxydiert wird. Schneller erfolgt "diese Oxydation auf Zusatz von Bromwasser. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f verhält sich ganz ähnlich wie gegen Ferrosalz-Lösungen. A m m o n i u m s u l f i d fällt das schwarze C o b a l t o s u l f i d quantitativ aus. Sehr merkwürdig ist es, daß sich der einmal gebildete Niederschlag nicht nennenswert in 1-normaler Salzsäure wieder auflöst, obwohl er aus einer Lösung dieses Säuregrades nicht ausfällt. Man überzeuge sich davon, indem man den Niederschlag abfiltriert, mit Wasser auswäscht, etwas davon in ein Probierglas bringt, mit 5-proz. Salzsäure versetzt und durchschüttelt. Dabei löst sich fast nichts auf. Worauf diese verminderte Lösbarkeit beim „ A l t e r n " des Kobaltsulfides zurückzuführen ist, weiß man noch nicht sicher.

118

Kobalt

K a l i u m r h o d a n i d : Eine kleine Probe äußerst verdünnter Kobaltsalz-Lösung werde reichlich mit festem Kaliumrhodanid versetzt und dann etwa mit dem halben oder viertel Raumteil Äther, dem einige Tropfen Amylalkohol zugesetzt sind, durchgeschüttelt. Es bildet sich C o b a l t o r h o d a n i d , das sich in der Äther-Amylalkohol-Schicht mit tiefblauer Farbe löst. Co(N0 3 ) 2 + 2KCNS = 2 K N 0 3 + Co(CNS) 2 . Dies ist eine der empfindlichsten Prüfungsmethoden auf Kobalt, mit deren Hilfe sehr kleine Mengen Kobalt auch neben viel Nickel nachgewiesen werden können. Ist gleichzeitig Eisen zugegen, so verhindert man die Bildung des Ferrirhodanids — das durch seine tiefrote Farbe die Blaufärbung kleiner Kobaltmengen verdecken könnte, da es sich ebenfalls im Äther löst — durch Zusatz von etwas festem Natriumfluorid, das die Ferriionen in farblose fluorhaltige Komplexe, z. B. [FeFJ 3 - , überführt.

Komplexverbindungen. Die Komplexverbindungen des zweiwertigen Kobalts sind unbeständig und werden leicht zu solchen der dreiwertigen Stufe oxydiert. Gibt man z. B. zu einer Cobaltosalz-Lösung reichlich A m m o niak-Lösung, so löst sich das zunächst gebildete blaue basische Salz zu einer gelblich braunen Lösung auf, die komplexe A m m o n i a k a t e der zweiwertigen Stufe enthält. Bald aber ändert sich die Farbe der Lösung; sie wird rötlich, weil unter der Einwirkung des Luftsauerstoffs ein Übergang in die dreiwertige Stufe erfolgt. Versetzt man Cobaltosalz-Lösung mit sehr wenig frisch bereiteter N a t r i u m c y a n i d - L ö s u n g , so fällt schmutzigbraunes Cob a l t o c y a n i d aus. Ein Überschuß von Natriumcyanid löst den Niederschlag zu einer hellbraunen Lösung des sehr unbeständigen komplexen N a t r i u m c o b a l t o c y a n i d s . Co(N0 3 ) 2 + 2NaCN = Co(CN)2 + 2 N a N 0 3 CO(CN)2 + 4NaCN = Na 4 [Co(CN) 6 ]. Ein kleiner Teil der Lösung werde sofort angesäuert: es fällt wieder Cobaltocyanid aus. Der Versuch gelingt am besten, wenn die Cobaltosalz- und die Natriumcyanid-Lösung jede für sich aufgekocht und dadurch von gelöster Luft befreit, vor dem Mischen aber wieder abgekühlt waren. Die übrige Lösung schüttele man im Probierglase tüchtig mit L u f t durch oder koche sie besser einige Minuten lang; sie oxydiert sich zu N a t r i u m c o b a l t i c y a n i d - L ö s u n g . 4Na4[Co(CN)6] + 2 H 2 0 + 0 2 = 4Na3[Co(CN)6] + 4NaOH . Der [Co(CN) 6 ] 3- -Komplex ist äußerst wenig dissoziiert. Weder Ammoniumsulfid noch Natronlauge noch Natronlauge und Bromwasser (Unterschied von Nickel, vgl. S. 120) geben einen Niederschlag. Durch Salzsäure wird er ebensowenig angegriffen wie der [Fe(CN) e ] 4 --Komplex.

Nickel

119

Schließlich sei noch ein Komplex beschrieben, der sich überhaupt nur mit dreiwertigem Kobalt bildet. Gibt man zu einer neutralen Cobaltosalz-Lösung einen reichlichen Überschuß einer konzentrierten Lösung von K a l i u m n i t r i t (KN0 2 ), so bildet sich kein Niederschlag. Setzt man jedoch jetzt Essigsäure zu, so oxydiert die dadurch in Freiheit gesetzte salpetrige Säure (vgl. S. 162) — von der die Hauptmenge in Wasser und Stickoxyde zerfällt, die entweichen — das Kobalt in die dreiwertige Form, und es bildet sich ein gelber Niederschlag von h e x a n i t r i t o c o b a l t i s a u r e m K a l i u m (K3[Co(N02)6]). Da das entsprechende Natriumsalz leicht löslich ist, kann man diese Reaktion bei entsprechender Umänderung zu einem empfindlichen Nachweis für Kalium benutzen. Nickel Nickel ist als Metall dem Kobalt sehr ähnlich. Es bildet — wenn man von einem wasserhaltigen höheren Oxyd von noch unbekannter Zusammensetzung absieht — nur Verbindungen der zweiwertigen Stufe. Auch die Komplexverbindungen leiten sich im Gegensatz zum Kobalt nur von der zweiwertigen Stufe ab. Die Umsetzungen der Nickelsalze sind denen der Kobaltsalze sehr ähnlich.

Die P h o s p h o r s a l z p e r l e der Nickelverbindungen ist in der Hitze bräunlichgelb, nach dem Erkalten heller. N a t r o n l a u g e fällt hellgrünes Nickelhydroxyd — also kein basisches Salz wie beim Kobalt. Auf Zusatz von Bromwasser entsteht ein wasserhaltiges höheres Oxyd unbekannter Zusammensetzung. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f u n d A m m o n i u m s u l f i d geben dieselben Erscheinungen wie beim Kobalt. Führt man die Fällung mit g e l b e m Schwefelammonium aus, so erhält man Nickelsulfid zum Teil in kolloidem Zustande (vgl. S. 134), das beim Filtrieren als braune Lösung durch das Filter läuft. Aus dieser Lösung läßt sich das Nickelsulfid nur schwierig abscheiden. Beim analytischen Arbeiten verwende man deshalb zur Fällung von Nickelsulfid nur f r i s c h e , f a r b l o s e Schwefelammonium-Lösung, die jeneErscheinungnichtzeigt. Nickelsulfid zeigt ähnliche Alterungserscheinungen wie Kobaltsulfid. K o m p l e x s a l z e . A m m o n i a k fällt, wenn es tropfenweise zugesetzt wird, zunächst hellgrünes N i c k e l h y d r o x y d . Der geringste "Überschuß an Ammoniak löst den Niederschlag wieder, weil sich die komplexen H e x a m m i n n i c k e l i o n e n [Ni(NH 3 ) 6 ] 2+ bilden; ihre Lösung sieht tiefblau aus mit schwachem Stich ins Rötliche. N a t r i u m c y a n i d fällt, wenn in geringer Menge zugesetzt, weißgrünliches N i c k e l c y a n i d . Ni(N0 3 ) 2 + 2NaCN = Ni(CN)2 + 2 N a N 0 3 .

120

Chrom

E i n Überschuß an Natriumcyanid löst zu einer gelben Lösung des komplexen N a t r i u m n i c k e l c y a n i d s Na 2 [Ni(CN) 4 ]. Dieser Komplex ist nur mittelstark. Zwar fallen mit Natronlauge und Ammoniumsulfid keine Niederschläge. Säuert man jedoch an, so fällt Nickelcyanid wieder aus und Blausäure entweicht. Gibt m a n schließlich reichlich Bromwasser und Natronlauge zu, so wird der Komplex ebenfalls zerstört (Unterschied v o n Kobalt!) und schwarzes höheres Nickeloxyd fällt aus. Bei der Ähnlichkeit der Reaktionen von Kobalt- und Nickelsalzen sind zum Nachweis der Elemente nebeneinander und zu ihrer Trennung nur wenige Umsetzungen geeignet. Zum Nachweis von K o b a l t neben Nickel kann die Kaliumrhodanidreaktion dienen. Zur Trennung läßt sich der K3[Co(N02)6]Komplex verwenden. Auch kann man die verschiedene Beständigkeit der Cyankomplexe (Verhalten gegen Brom und Natronlauge) heranziehen. Die beste Nachweisreaktion für N i c k e l und gleichzeitig die beste Trennungsmethode ist die nachstehende Diacetyldioximreaktion. Diese kompliziert zusammengesetzte organische Verbindung bildet nämlich in essigsaurer oder ammoniakalischer Lösung mit Nickel ein sehr schwer lösliches Salz, das zur Klasse der innerkomplexen Salze (vgl. S. 97) gehört. E i n Tropfen Nickelsalz-Lösung wird mit Wasser auf etwa einen Kubikzentimeter verdünnt. N a c h Zugabe v o n etwa 1 / 2 ccm einer 1-proz. alkoholischen Lösung v o n D i a c e t y l d i o x i m färbt sich die Lösung rot, und alsbald scheidet sich ein voluminöser hochroter Niederschlag ab, der aus feinen Nädelchen (Mikroskop!) besteht. Aus mineralsaurer Lösung fällt der Niederschlag erst beim Neutralisieren mit Ammoniak oder nach dem Abstumpfen mit Natriumacetat aus. Chrom Während beim Eisen die der Gruppenzahl entsprechende (vgl. S. 31) positive Höchstwertigkeit 8 bei keiner Verbindung erreicht v/ird, kennt man bei dem in der 7. Gruppe stehenden Element Mangan Salze der Übermangansaure mit siebenwertigem Mangan und bei dem in der 6. Gruppe stehenden Chrom eine Reihe von Verbindungen mit s e c h s w e r t i g e m Chrom. Diese Verbindungen gehen leicht in niederwertige Verbindungen über und stellen daher besonders starke O x y d a t i o n s m i t t e l dar, die viel verwendet werden. Die meist gelb gefärbten C h r o m a t e , Salze der im freien Zustande nicht darstellbaren Chromsäure H 2 Cr0 4 , stehen in ihren Löslichkeitsverhältnissen den entsprechenden Sulfaten nahe. Die gelben [Cr0 4 ] 2- -Ionen sind nur in alkalischen oder neutralen Lösungen vorhanden; bei Zuführung von H+-Ionen bilden sich nicht den Bisulfationen analoge [HCr0 4 ]~-Ionen, sondern unter Wasserabspaltung rote [Cr 2 0 7 ] 2 ~-Ionen: 2[Cr0 4 ] 2 - + 2H+ = [Cr 2 0,] 2 " + H , 0 . Die ebenfalls roten Salze, z. B. K 2 Cr 2 0 7 , bezeichnet man als „ P y r o c h r o m a t e " oder — nicht ganz konsequent — als „ B i c h r o m a t e " . Versetzt man schließlich eine konzentrierte Pyrochromatlösung mit konzentrierter Schwefelsäure, so scheidet sich nicht die Chrom- oder Pyrochromsäure, sondern das Anhydrid Cr0 3 , C h r o m t r i o x y d , in tiefroten Nadeln ab. Ferner 2

kennt man noch ein „ P e r o x y d " Cr0 6 . In diesem sind zwei O-Teilchen

Chrom

121

des Cr0 3 durch doppelt negativ geladene 0 2 -Gruppen ersetzt, wie sie auch im Na 2 0 2 vorhanden sind (vgl. S. 55 u. 157). Cr0 5 enthält also ebenfalls nur sechswertiges Chrom. D r e i w e r t i g e s Chrom. Die Chromiverbindungen sind den Aluminiumund Fernverbindungen ähnlich. Chromihydroxyd Cr(OH)3 ist amphoter wie Aluminiumhydroxyd. Die Komplexverbindungen des dreiwertigen Chroms schließen sich mehr denen des dreiwertigen Kobalts als denen des dreiwertigen Eisens an. Die große Beständigkeit und Vielgestaltigkeit der komplexen Chromiverbindungen (einschließlich der Hydrate) bedingen ihr verwickeltes Verhalten. Diese Komplexbildung äußert sich u. a. darin, daß w a s s e r h a l t i g e C h r o m i s a l z e in manchen Fällen violett, in anderen grün aussehen. Dies ist auf einen verschiedenen Aufbau von Komplexen zurückzuführen; so entspricht z.B. das kristallisierte b l a u v i o l e t t e Chromichloridhydrat der Formel [Cr(H20)e]Cl3, das g r ü n e der Formel [Cr(H 2 0) 4 Cl 2 ]Cl-2H 2 0. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß man auch Salze der z w e i w e r t i g e n Stufe (Chromosalze) kennt; diese sind jedoch wenig beständig. Bringt man Chromate oder Pyrochromate mit oxydierbaren Substanzen zusammen, so gehen sie in die dreiwertige Stufe über; je Chromatom werden also 3 positive Ladungen abgegeben. So verläuft z. B. die Einwirkung zwischen Kaliumpyrochromat und k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e (verdünnte Salzsäure wird nicht nennenswert oxydiert!) nach der Gleichung1) K 2 Cr 2 0 7 + 14 HCl = 3C12 + 2CrCl3 + 2 KCl + 7 H 2 0 . Besser noch ersieht man aus der Ionengleichung: [Cr 2 0 7 ] 2 " + 6C1" + 14H+ = 3C12 + 2Cr 3 + + 7 H 2 0 , daß je 3 positive Ladungen von den beiden sechsfach positiv geladenen Chromatomen abgegeben und zur Oxydation von 6Cl~-Ionen benutzt worden sind. Gleichzeitig werden aber dabei sehr viel H+-Ionen verbraucht. So kann z. B. bei der Einwirkung von Bichromat auf S c h w e f e l w a s s e r s t o f f bei u n g e n ü g e n d e r S ä u r e m e n g e die Reaktion der Lösung a l k a l i s c h werden, so daß am Anfang die Umsetzung nach der Gleichung [Cr 2 0 7 ] 2 - + 3H 2 S~+ 8H+ = 3 S ° + 2Cr3+ + 7 H 2 0 erfolgt, am Ende jedoch nach der Gleichung 2[cio„] 2 - + 3 S 2 - + 8 H 2 0 = 313 + 2&(OH) 3 + 100H~ . Führt man die eben besprochene Einwirkung zwischen Bichromat und Salzsäure bei Abwesenheit von Wasser in Anwesenheit eines wasserbindenden Mittels durch, z. B. durch Erhitzen eines Gemisches von Kaliumbichromat, Kochsalz und konzentrierter Schwefelsäure, so bildet sich neben etwas Chlor eine leicht flüehtige Verbindung der Zusammensetzung Cr0 2 Cl 2 . Dieses „ C h r o m y l c h l o r i d " 2 ) ist das „Säurechlorid" der hypothetischen Chromsäure, in der die beiden Hydroxylgruppen durch Chlor ersetzt sind: ') Geht man von C h r o m a t aus, so gilt die gleiche Umsetzungsgleichung, da ja Cr0 4 2_ -Ionen in saurer Lösung in Cr 2 0 7 2_ -Ionen übergehen. 2 ) Die Endung „yl" bezeichnet ganz allgemein geladene Gruppen aus einem Metall oder Nichtmetall und Sauerstoff, die gleichsam als einheitlicher Bestandteil in Verbindungen eintreten. 6+

3+

Z. B.: [SbO]+ Antimonyl, SbOCl

Antimonylchlorid; [U0 2 ] 2 + Uranyl, U0 2 (N0 3 ) 2 Uranylnitrat. Man kann diese Verbindungen auch als Anhydride von — hypothetischen — basischen Salzen auffassen: Sb(OH)2Cl — H 2 0 = SbOCl.

122

Chrom O OH HCl Cr + ...: = 211,0 + 022CrCl22 • 0 011 H1C1

Die Chromsäure wirkt hier gleichsam als Base. Da sie natürlich eine äußerst schwache Base ist, entsteht Chromylchlorid nur unter der wasserbindenden Wirkung von Schwefelsäure. Kommt Chromylchlorid mit Wasser zusammen, so tritt H y d r o l y s e ein, es bilden sich die freie „Base" (Chromsäure, die sofort in Pyrochromsäure übergeht) und die freie Säure (Salzsäure); mit Lauge erfolgt die entsprechende Umsetzung: Cr02Cl2 + 4Na0H = Na2Cr04 + 2NaCl + 2H a 0 . Chrommetall ist dem Eisen ähnlich; es besitzt eine hellgraue Farbe mit einem Stich ins Blaue und schmilzt oberhalb 1700°. In verdünnter Salzoder Schwefelsäure löst es sich unter Wasserstoffentwicklung. In Salpetersäure dagegen löst es sich kaum („Passivierung"). Da sich Chrom — wie Aluminium — an der Luft mit einer f e s t h a f t e n d e n Oxydschicht bedeckt, halten sich verchromte Gegenstände sehr gut, vorausgesetzt, daß sie nicht Säuredämpfen ausgesetzt werden. Im Laboratorium sind sie ebenso unbrauchbar wie v e r n i c k e l t e (vgl. S. 1).

Chromverbindungen färben die P h o s p h o r s a l z p e r l e sowohl in der Oxydations- als auch in der Reduktionsflamme grün. Man löse etwas fein gepulvertes violettes C h r o m i s u l f a t oder ,.Chromalaun" (vgl. S. 96) in kaltem Wasser, wobei eine violette, bald mehr ins Blaue, bald mehr ins Rote schillernde Lösung entsteht. Man koche eine Probe dieser Lösung auf; sie färbt sich tief grün. Beim Stehen in verdünnter Lösung bei Zimmertemperatur wird, .die grüne Lösung langsam wieder violett. R e a k t i o n e n d e r C h r o m i s a l z e . Zu den folgenden Umsetzungen werde die violette Lösung benutzt. N a t r o n l a u g e , in geringer Menge zugesetzt, fällt graugrünes Chromihydroxyd. Cr 2 (S0 4 ) 3 + 6NaOH = 2Cr(OH s ) + 3 N a 2 S 0 4 . Ein Überschuß von Natronlauge löst das Chromihydroxyd zu einer prächtig smaragdgrünen Lösung von N a t r i u m c h r o m i t . 3NaOH + H 3 Cr0 3 = Na 3 Cr0 3 + 3 H 2 0 bzw. 3NaOH + Cr(0H) 3 = Na 3 [Cr(OH) 6 ]. Verdünnt man diese Lösung und kocht einige Minuten, so fällt das Chromhydroxyd infolge von Hydrolyse wieder aus. A m m o n i a k fällt graugrünes C h r o m i h y d r o x y d , von dem meist ein wenig in der ammoniakalischen Lösung komplex gelöst bleibt und sie rötlich färbt. Man filtriere und koche das rosafarbige Filtrat einige Minuten: es entfärbt sich, und der Rest Chromihydroxyd fällt aus. N a t r i u m c a r b o n a t fällt unter Kohlendioxydentwicklung graugrünes C h r o m i h y d r o x y d . O 2 (S0 4 ) 3 + 3Na 2 C0 3 + 3 H 2 0 = 2Cr(OH) 3 + 3C0 2 + 3 N a 2 S 0 4 .

Chrom

123

S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt nichts. A m m o n i u m s u l f i d fällt C h r o m i h y d r o x y d . Cr 2 (S0 4 ) 3 + 3(NH 4 ) 2 S + 6 H 2 0 = 2Cr(OH) a + 3H 2 S + 3 ( N H 4 ) 2 S 0 4 . Chromisulfid ist nur auf trockenem Wege darstellbar; mit Wasser erleidet es Hydrolyse. Den Übergang von der dreiwertigen in die sechswertige Stufe kann man sowohl auf nassem wie auf trockenem Wege bewirken; er erfolgt am leichtesten in alkalischem Medium. Man erwärme eine A l k a l i c h r o m i t - L ö s u n g mit einem O x y d a t i o n s m i t t e l , z . B . Bromwasser oder Wasserstoffperoxyd; sie färbt sich g e l b . 2Na 3 [Cr(OH) 6 ] + 3Br 2 + 4 N a O H = 2Na 2 Cr0 4 + 6NaBr +

8H20.

Die Oxydation auf trockenem Wege erfolgt im Laboratorium durch die Soda-Salpeter -Schmelze. Das Alkalinitrat dient dabei als Oxydationsmittel, weil es sich bei höheren Temperaturen in Nitrit und Sauerstoff zersetzt. Die Soda liefert das erforderliche Alkali. Die Oxydation von Chromioxyd zum Chromat kann man demnach folgendermaßen formulieren: 2KN0 3 = 2KN0 2 + 0 2 2Cr203 + 30 2 = 4Cr03 Cr03 + Na2C03 - Na2Cr04 + C0 2 . Etwas Chromihydroxyd werde auf eine mehrfache Schicht Filtrierpapier gestrichen, die das Wasser aufsaugt und den Niederschlag somit einigermaßen trocknet. Der nur noch schwach feuchte Rückstand werde mit etwa der doppelten bis dreifachen Menge eines Gemisches von Kaliumnitrat'und'wasserfreiem Natriumcarbonat auf einer Magnesiarinne geschmolzen. Die entstehende gelbe Schmelze liefert mit Wasser gelbe Chromat-Lösung. S e c h s w e r t i g e s C h r o m . Zu den folgenden Umsetzungen werde etwas K a l i u m Chromat-Lösung des Laboratoriums verwendet. Gibt man zu der gelben Lösung verdünnte Schwefel- oder Salzs ä u r e , so wird sie r o t , weil Pyrochromationen entstehen. 2 [Cr0 4 ] 2 - + 2 H + = [Cr 2 0 7 ] 2 - + H 2 0 . Gibt man zu der roten Pyrochromat-Lösung N a t r o n l a u g e oder A m m o n i a k - L ö s u n g , so wird sie wieder g e l b . [Cr 2 0 7 ] 2 " + 2 O H - = 2[CrOJ 2 - + H 2 0 . Diese Überführung von [Cr0 4 ] 2 ~-Ionen in [Cr 2 0 7 ] 2_ -Ionen und umgekehrt kann man mit der gleichen Probe beliebig oft durchführen. Die beiden Gleichungen kann man — unter Benutzung der S. 76 abgeleiteten Gleichungen [H+]-[OH _ ] = Kw — zu folgender Gleichgewichtsgleichung zusammenfassen: [[CrOJ-]«-[H+]' [[Cr 2 0 7 ] ä i

^

124

Chrom

Diese Gleichung erklärt ohne weiteres, warum nach S. 65 Bariumehromat nur aus essigsaurer, nicht aber aus mineralsaurer Lösung ausfällt. Im letzten Falle ist nämlich infolge der großen H+-Ionenkonzentration die Konzentration an [Cr0 4 ] 2_ -Ionen so Mein, daß das an sich sehr kleine Löslichkeitsprodukt des Bariumchromats nicht überschritten wird. In essigsaurer Lösung ist [H+] wesentlich kleiner; die Konzentration an [Cr04]2_-Ionen ist zwar gegenüber der der [Cr207]2_-Ionen immer noch klein, sie reicht aber zur Fällung von Bariumchromat aus.

B l e i a c e t a t fällt einen sattgelben Niederschlag von B l e i c h r o m a t („Chromgelb"), der in Essigsäure unlöslich, in Salpetersäure oder Natronlauge löslich ist. K 2 Cr0 4 + Pb(CH 3 C0 2 ) 2 = PbCr0 4 + 2K(CH 3 C0 2 ) PbCr0 4 + 4NaOH = Na 2 [Pb(OH) 4 ] + Na 2 Cr0 4 . Beim Übergießen mit Ammoniaklösung geht der Bleichromatniederschlag in bräunlich-rotes basisches Bleichromat über. S i l b e r n i t r a t erzeugt einen dunkelbraunroten Niederschlag von S i l b e r c h r o m a t . Auf Zusatz von Salzsäure oder Chloriden wird der Niederschlag weiß, weil er sich zu Silberchlorid umsetzt. K 2 Cr0 4 + 2AgN0 3 = Ag 2 Cr0 4 + 2 K N 0 3 2Ag 2 Cr0 4 + 4HCl = 4AgCl + H 2 0 + H 2 Cr 2 0 7 . Silberchlorid hat also ein geringeres Löslichkeitsprodukt als Silberchromat. M e r c u r o n i t r a t gibt einen tief orangeroten Niederschlag von amorphem M e r c u r o c h r o m a t Hg 2 Cr0 4 . Beim Aufkochen der mit etwas Salpetersäure versetzten Masse entstehen daraus prachtvoll rote Kristalle. W a s s e r s t o f f p e r o x y d : Ein Tropfen KaliumpyrochromatLösung werde mit wenigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure und wenig Wasserstoffperoxyd-Lösung versetzt. Es entsteht eine tiefblaue Lösung von C h r o m p e r o x y d Cr0 5 . Schüttelt man diese sofort mit 1—2 ccm Äther, so geht das blaue Oxyd in den Äther über. Später verblaßt die Farbe, weil nach folgender Gleichung Zersetzung erfolgt: 4Cr0 6 + 6 H 2 S 0 4 = 2Cr 2 (S0 4 ) 3 + 6 H 2 0 + 70 2 . C h r o m y l c h l o r i d : Man pulvere und mische so viel festes Kaliumpyrochromat, wie eine Erbse ausmacht, mit ebensoviel Kaliumchlorid und erwärme die Mischung in einem Probierglase mit Gasableitungsrohr (vgl. auch Fig. 11, S. 18) mit 1—-2 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Den entstehenden braunen Dampf leite man so in ein vorgelegtes Probierglas über 2—3 ccm verdünnte Natronlauge, daß das Ableitungsrohr nicht in die Natronlauge eintaucht. In der Natronlauge läßt sich dann das durch Hydrolyse gebildete Chromat mit Schwefelsäure und Wasserstoffperoxyd leicht nachweisen.

Mangan

125

Als Chromsäurechlorid kann also das Chrom leicht destilliert werden. Ein entsprechendes Chromyl-Bromid oder - Jodid bildet sich unter den gleichen Umständen nicht. Infolgedessen kann das Auftreten einer flüchtigen Chromverbindung, das an dem Chromgehalte der vorgelegten Natronlauge zu erkennen ist, zum Nachweise von Chlor, das sich neben Jod und Brom sonst schwer mit Sicherheit erkennen läßt, dienen. Überdestillierendes Brom sieht zwar ganz ähnlich aus wie Chromylchlorid; es würde jedoch mit der Natronlauge eine farblose oder fast farblose und vor allem chromfreie Lösung geben.

O x y d a t i o n e n m i t C h r o m a t u n d P y r o c h r o m a t . Man koche etwas Kahumpyrochromat mit s t a r k e r S a l z s ä u r e . Es entweicht Chlor, während sich die Lösung unter Reduktion des Chromates 7.u Chromisalz grün färbt (vgl. S. 121). Zu einer mit verdünnter Schwefelsäure angesäuerten Pyrochromat-Lösung gebe man S c h w e f e l w a s s e r s t o f f w a s s e r . Die Lösung färbt sich grün, und es scheidet sich weißer S c h w e f e l aus. Man wiederhole den Versuch mit einer Chromat-Lösung ohne S ä u r e z u s a t z . Es fällt ein Gemisch von S c h w e f e l und graugrünem C h r o m i h y d r o x y d . Lackmuspapier zeigt alkalische Reaktion der Lösung an. Über die Umsetzungsgleichungen vgl. S. 121. Man versetze ein wenig Kaliumpyrochromat-Lösung reichlich mit S c h w e f l i g s ä u r e - L ö s u n g ; das Chromat wird zu Chromisulfat reduziert, wobei eine entsprechende Menge Schwefel aus der vierfach in die sechsfach geladene Stufe übergeht. 6+

4+

K 2 Cr 2 0 7 + 4H 2 S0 3 =

3+

6+

4 +

Cr2(sp4)3 + K 2 S0 3 + 4 H 2 0 .

Man erwärme etwas Kaliumpyrochromat-Lösung mit ebensoviel A l k o h o l und etwas verdünnter Schwefelsäure und achte auf den dabei auftretenden eigentümlichen Geruch von A l d e h y d , einem Oxydationsprodukte des Alkohols. 2K 2 Cr 2 0 7 + 8H 2 S0 4 = 2Cr 2 (S0 4 ) 3 + 3 0 2 + 8 H 2 0 + 2K 2 S0 4 2CH 3 CH 2 OH + 0 2 = 2 H 2 0 + 2CH 3 CHO Alkohol

Aldehyd

Der vorletzten Gleichung entsprechend kann man durch Erwärmen von gepulvertem Kaliumpyrochromat mit konzentrierter Schwefelsäure auch S a u e r s t o f f gas darstellen. Man stelle dies durch einen Probierglasversuch fest, wobei man den entstehenden Sauerstoff durch das Aufflammen eines glimmenden Spanes nachweise. Mangan Mangan kommt in ungewöhnlich zahlreichen Wertigkeitsstufen vor. Die schwach rosa gefärbten Manganosalze, die sich vom zweiwertigen Mangan ableiten, stehen den Ferro- und den Magnesiumsalzen nahe. Die Manganisalze, in denen das Mangan dreiwertig ist, sind unbeständig. Vom vierwertigen Mangan leitet sich das M a n g a n d i o x y d Mn0 2 ab, der Hauptbestandteil des „Braunsteins". Bei der Soda-Salpeterschmelze entstehen die grünen

126

Mangan

M a n g a n a t e (z. B. K 2 Mn0 4 ), die sechswertiges Mangan enthalten. Wasser disproportionieren diese gemäß

Mit

3K 2 Mn0 4 + 2H a O = 2KMn0 4 + Mn0 2 + 4 K 0 H , wobei neben Braunstein mit vierwertigem Mangan P e r m a n g a n a t mit s i e b e n wertigem Mangan entsteht. Festes Kaliumpermanganat KMn0 4 bildet tiefrote, fast schwarze Kristallnadeln, die sich in Wasser mit tiefvioletter Farbe lösen. Permanganate sind s t a r k e O x y d a t i o n s m i t t e l . Durch oxydierbare Stoffe werden sie in a l k a l i s c h e r Lösung in B r a u n s t e i n überführt. Je Mangan-Atom werden dabei d r e i positive Ladungen abgegeben, z . B . : 2KMn0 4 + 3(NH 4 ) 2 S = 3S + 2Mn0 2 + 2 K 0 H + 6NH 3 + 2 H a 0 7+

±0

4+

bzw. 2[MnO] 1 1 - + 3S 2 ~ + 4 H 2 0 = 3S + 2Mn0 2 + 8 0 H - . Als Zwischenstufe kann sich dabei M a n g a n a t bilden: 2[Mn0 1 ] 1 ~ + S 2 - = S°+ 2[Mn0 4 ] 2 - . In s a u r e r Lösung geht die Keduktion bis zum Manganosalz; jedes Manganatom gibt in diesem Falle f ü n f positive Ladungen ab: 2[Mn0 4 ] 1 _ + 5[SÖ 3 ] 2 - + 6H+ = 2Mn 2 + + 5[S0 4 ] S " + 3 H 2 0 . Aus diesen Umsetzungen folgt, daß die beständigste Stufe des Mangans in s a u r e r Lösung die z w e i w e r t i g e ist, während in a l k a l i s c h e r die v i e r w e r t i g e bevorzugt ist. Die Unbeständigkeit des vierwertigen Mangans in saurer Lösung folgt auch aus dem Versuch auf S. 18, bei dem sich bei der Einwirkung von Salzsäure auf Braunstein Chlor bildete. Hier entsteht als Zwischenprodukt Mangantetrachlorid MnCl4 (vgl. S. 33); dieses ist jedoch als Derivat des vierwertigen Mangans in saurer Lösung nicht beständig und zerfällt daher in Manganochlorid und Chlor. Andererseits erkennt man die Unbeständigkeit des zweiwertigen Mangans in alkalischer Lösung auch daran, daß eine Fällung von Manganohydroxyd Mn(OH) 2 , die man durch Einwirkung von Natronlauge auf Manganosalz-Lösungen erhält, an der Luft dunkel wird, weil sie schon durch den Luftsauerstoff oxydiert wird. Allerdings wird dabei die vierwertige Stufe nicht erreicht, man erhält vielmehr höchstens Manganihydroxyd Mn(0H) 3 . Die M a n g a n o v e r b i n d u n g e n entsprechen so weitgehend den Magnesiumverbindungen, daß die S. 66/67 für diese angegebenen Vorschriften auch für die Manganoverbindungen gelten. Man führe unter Benutzung einer Manganosalz-Lösung des Laboratoriums Versuche mit folgenden Reagentien durch: N a t r o n l a u g e (weiße Fällung v o n Hydroxyd, das sich im Überschuß nicht auflöst), A m m o n i a k (ebenfalls Hydroxydfällung, nicht löslich in viel Ammoniak - Lösung, aber löslich durch Ammoniumchlorid-Zusatz), N a t r i u m c a r b o n a t (weißer Niederschlag, der hier allerdings aus neutralem Garbonat besteht), N a t r i u m p h o s p h a t - plus A m m o n i a k - L ö s u n g (Fällung v o n Ammonium mangano phosphat). Man hebe die Probiergläser mit den Versuchen mit Natronlauge und Ammoniak für später auf. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mangano- und Magnesiumverbindungen besteht jedoch darin, daß aus Manganosalzen mit A m m o n i u m s u l f i d ein je nach den im Einzelfalle gewählten

Mangan

127

Bedingungen fleischfarbenes oder grünes S u l f i d fällt. In Essigsäure sowie in Mineralsäuren löst sich dieses auf. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f gibt selbst aus schwach essigsaurer Lösung unter Abstumpfung mit viel Natriumacetat keine Fällung. Ü b e r g a n g i n d i e d r e i w e r t i g e S t u f e . Betrachtet man die mit Natronlauge erhaltene Fällung von Manganohydroxyd nach einiger Zeit wieder, so sieht man, daß sie sich von oben her dunkel färbt. Der Luftsauerstoff oxydiert bis zum Manganihydroxyd Mn(OH) 3 . Ebenso fällt aus einer mit Ammoniumchlorid- und Ammoniak-Lösung versetzten klaren Manganosalz-Lösung nach einiger Zeit schwarzbraunes Hydroxyd der dreiwertigen Stufe aus, das also im Gegensatz zu dem Hydroxyd der zweiwertigen Stufe auch bei Gegenwart von Ammoniumchlorid nicht löslich ist. A l k a l i m a n g a n a t . Man schmelze auf einer Magnesiarinne ein wenig Braunstein mit dem Drei- bis Vierfachen eines Gemisches von etwa gleich viel wasserfreiem N a t r i u m c a r b o n a t und K a l i u m n i t r a t (vgl. S. 123). Es entsteht eine tiefdunkelgrüne Schmelze, deren Auftreten für das Vorhandensein auch sehr geringer Mengen von Mangan charakteristisch ist. Diese Schmelze wird deshalb in der Analyse zum Nachweis von Mangan benutzt. 2Mn0 2 + 2Na 2 C0 3 + 0 2 = 2Na 2 Mn0 4 + 2C0 2 . In kaltem Wasser löst sich die Schmelze mit der grünen Farbe der M a n g a n a t i o n e n . Nach kurzem Stehen tritt jedoch infolge Disproportionierung die violette Farbe des P e r m a n g a n a t i o n s auf, und Braunstein fällt aus. Später verschwindet auch die violette Farbe wieder infolge der reduzierenden Wirkung des bei der Schmelze entstandenen Nitrits (vgl. S. 123 u. 162). Ü b e r m a n g a n s ä u r e u n d P e r m a n g a n a t e . Man kann Übermangansaure auch unmittelbar aus Manganosalz mit B l e i d i o x y d erhalten. Zu diesem Zwecke koche man eine Mischung von etwa 5 ccm verdünnter und 1 ccm konzentrierter Salpetersäure mit einer Spatelspitze Bleidioxyd und zwei Tropfen Manganosulfat-Lösung wenige Minuten und lasse dann das Ungelöste sich absetzen. Die überstehende klare Lösung zeigt dann die rotviolette Farbe der Übermangansaure 1 ). Bei dieser Umsetzung würde die Gegenwart von Chloriden stören. O x y d a t i o n e n m i t P e r m a n g a n a t in a l k a l i s c h e r L ö s u n g . Man versetze 5 ccm verdünnte Kaliumpermanganat-Lösung mit einigen Tropfen verdünnter Natronlauge und setze mit einem Glas!) Eine Abtrennung des überschüssigen Bleidioxyds durch Filtration ist nicht empfehlenswert, weil das Filtrierpapier die Übermangansaure reduzieren kann.

128

Aufschließen

stabe einen Tropfen v e r d ü n n t e r A m m o n i u m s u l f i d - L ö s u n g hinzu. Sofort geht das Rotviolett in das tiefe Grün des K a l i u m m a n g a n a t e s über. Auf Zusatz von etwas mehr Ammoniumsulfid tritt Entfärbung ein, und ein dicker brauner Schlamm von wasserhaltigem M a n g a n d i o x y d setzt sich zu Boden. Man versetze 5 ccm verdünnte Kaliumpermanganat-Lösung mit einigen Tropfen Natronlauge und setze einige Tropfen A l k o h o l hinzu. Auch hier tritt zunächst Grünfärbung auf. Erhitzt man die Masse, so geht die Umsetzung weiter: Die Lösung entfärbt sich, und M a n g a n d i o x y d fällt aus. Dabei wird der Alkohol zu A l d e h y d oxydiert, dessen Geruch wahrzunehmen ist. Die Reduktion des Permanganats kann in alkalischer Lösung auch mit Manganosalz erfolgen, wobei auch dieses in B r a u n s t e i n übergeht: 3MnCl2 + 2KMn0 4 + 4KOH = 5Mn0 2 + 6KC1 + 2 H 2 0 . Man entfärbe eine alkalische Permanganat-Lösung durch Zutropfen von Manganosalz-Lösung. Dieser Versuch zeigt besonders deutlich, daß die vierwertige Stufe des Mangans in alkalischer Lösung bevorzugt ist. O x y d a t i o n in s a u r e r L ö s u n g . Zu einer verdünnten Permanganat-Lösung gebe man S c h w e f l i g s ä u r e - L ö s u n g ; es tritt Entfärbung ein (vgl. S. 126). Man gebe zu 5 ccm verdünnter Kaliumpermangan&t-Lösung einige Tropfen Oxalsäure-Lösung und 1 / 2 —1 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Die Lösung entfärbt sich. Dabei wird die Oxalsäure zu W a s s e r und K o h l e n d i o x y d oxydiert. Am besten macht man sich das so klar, daß das Oxalat-ion [0 2 C—COJ 2zu zweimal C0 2 entladen wird. Für ein Mol Oxalsäure braucht man also zwei positive Ladungen. Demnach sind Permanganat, das in saurer Lösung fünf Ladungen abgibt, und Oxalsäure im Molverhältnis 2: 5 anzusetzen und man erhält: 2KMn0 4 + 5H0 2 C • C0 2 H + 3H 2 S0 4 = 10C0 2 + 2MnS0 4 + K 2 S0 4 + 8H 2 0. Über die Umsetzung des Permanganats mit Wasserstoffperoxyd vgl. S. 157/158, über die mit salpetriger Säure S. 162.

Aufschließen Viele feste Stoffe, z. B. hochgeglühte Oxyde von Aluminium, Eisen und Chrom, Bariumsulfat, Edelstahle usw. sind weder durch die Einwirkung von wäßrigen Lösungen noch durch konzentrierte Säuren oder Laugen in Lösung zu bringen; sie müssen vielmehr „aufgeschlossen" werden. Dieser Prozeß besteht meist im Zusammenschmelzen mit derart ausgewählten anderen Stoffen, daß neue, leichter in Lösung zu bringende Verbindungen entstehen. So gehen b a s i s c h e Oxyde, z.B. Ferriöxyd, beim Schmelzen mit dem sauren Aufschlußmitteln K a l i u m p y r o s u l f a t in die wasserlöslichen Sulfate über: Fe 2 0 3 + 3K 2 S 2 0 7 = Fe 2 (S0 4 ) 3 + 3K 2 S0 4 .

Aufschließen

129

S a u r e Oxyde schmilzt man entsprechend mit b a s i s c h e n Stoffen wie Soda (seltener Borax) oder dem stärker wirksamen Ä t z n a t r o n . Dabei geht z. B. Siliciumdioxyd in wasserlösliches Natriumsilikat über. Si0 2 + Na 2 C0 3 = Na 2 Si0 3 + C0 2 . Entsprechend behandelt man Verbindungen von Elementen, die lösliche Thiosalze bilden (Arsen, Antimon, Zinn), mit N a t r i u m p o l y s u l f i d , das beim Zusammenschmelzen von Soda und Schwefel entsteht. Z. B.: 2Sn0 2 -f 5Na 2 C0 3 + 9S = 2Na 2 SnS 3 + 3Na 2 S0 3 + 5C0 2 . A m p h o t e r e Oxyde, wie Aluminiumoxyd, lassen sich sowohl s a u e r wie b a s i s c h aufschließen. Oxyde von Elementen, die in h ö h e r e r Wertigkeitsstufe sauren Charakter zeigen, behandelt man am besten mit b a s i s c h e n Aufschlußmitteln unter gleichzeitiger O x y d a t i o n . So erhält man mit der Soda-Salpeterschmelze, wie wir S. 123 u. S. 127 sahen, aus Chromioxyd Chromat, aus niederen Manganoxyden Manganat. Für hartnäckigere Stoffe steht uns als am stärksten oxydierendes alkalisches Aufschlußmittel das N a t r i u m p e r o x y d zur Verfügung. Der Aufschluß von unlöslichen S u l f a t e n und dergleichen beruht auf einer anderen Erscheinung. Erhitzt man z. B. Bariumsulfat mit wasserfreiem Natriumcarbonat bis zum Schmelzen, so scheiden sich beim Abkühlen der Schmelze — wie bei wäßrigen Lösungen — diejenigen Salze zuerst aus, die am schwersten in der Schmelze löslich sind. In unserem Falle kristallisiert das Barium als Carbonat, das Sulfat als Natriumsalz aus; es ist also die Umsetzung eingetreten: BaS0 4 + Na 2 C0 3 = BaC0 3 + Na 2 S0 4 . Behandelt man die erkaltete Schmelze mit Wasser, so lösen sich das Natriumsulfat und das überschüssige unverbrauchte Natriumcarbonat, während das Bariumcarbonat zurückbleibt. Nach dem Filtrieren und Auswaschen läßt sich dann das Bariumcarbonat leicht in verdünnter Salz- oder Salpetersäure lösen. Über den wichtigen Aufschluß von S i l i k a t e n vgl. S. 164f. Eine kleine Spatelspitze s e h r f e i n g e p u l v e r t e n B i s e n o x y d s schmelze m a n einige Zeit im Platinlöffel mit der fünf- bis sechsfachen Menge Kalium- oder N a t r i u m p y r o s u l f a t bei einer solchen Temperatur, daß nur wenig Schwefeltrioxyd-Nebel entweichen. N a c h dem Erkalten erwärme man das Tiegelchen im Probierglase mit etwas Wasser und verdünnter Schwefelsäure. W e n n der Aufschluß gelungen ist, erhält man eine klare Lösung, aus der AmmoniakLösung Eisenhydroxyd fällt. Bei zu hoher Temperatur während des Aufschließens entweicht das Schwefeltrioxyd nach K 2 S 2 O 7 = K 2 S0 4 + S0 3 rasch und der Aufschluß bleibt unvollständig. — Steht kein Pyrosulfat zur Verfügung, so entwässere man in einem Porzellantiegel zuvor die notwendige Menge Kalium- oder Natriumbisulfat: 2KHS0 4 = K 2 S 2 0 7 + H 2 0 . B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

9

130

Weitere Elemente der b-Gruppen

M a n erhitze i m Platintiegelchen e t w a s gefälltes, d. h. reaktionsfähiges S i l i c i u m d i o x y d m i t der f ü n f f a c h e n Menge w a s s e r f r e i e r S o d a . N a c h d e m die Gasentwicklung aufgehört u n d sich alles zu einer klaren Schmelze u m g e s e t z t h a t , schrecke m a n d a s Ganze dadurch ab, d a ß m a n die U n t e r s e i t e des Tiegelchens in kaltes Wasser t a u c h t . D e r Schmelzkuchen, der sich auf diese W e i s e g u t v o n der Tiegelw a n d abtrennt, ist i n Wasser löslich. M a n fälle n a c h S. 65 B a r i u m s u l f a t aus, wasche es g u t aus u n d lasse es trocknen. D a n n mische m a n es m i t der zwei- bis dreif a c h e n Menge wasserfreier S o d a u n d schmelze das Gemisch einige Minuten l a n g i m Platintiegelchen. N a c h d e m „Abschrecken" (vgl. oben) zerdrücke m a n d e n Schmelzkuchen, übergieße i h n m i t h e i ß e m Wasser u n d koche noch 1 Minute lang. D a n n filtriere m a n v o m U n gelösten a b u n d wasche sorgfältig aus, bis einige der zuletzt durchgeflossenen Tropfen m i t Bariumchlorid-Lösung keine T r ü b u n g mehr ergeben. D e r ausgewaschene Niederschlag löst sich d a n n glatt in Salzsäure auf.

Weitere Elemente der b-Gruppen Von den Elementen der b-Gruppen sind Kupfer und Silber sowie Zink, Cadmium und Quecksilber schon besprochen. Gallium und Indium sind seltene Elemente, die in dieser Einführung nicht behandelt zu werden brauchen. Einige Versuche mit Thalliumsalzen werden später durchgeführt werden. Auch Germanium ist sehr selten. Wichtig sind dagegen Z i n n und B l e i sowie A r s e n , A n t i m o n und W i s m u t . Diese Elemente stellen typische Ü b e r g a n g s g l i e d e r v o n d e n M e t a l l e n zu d e n N i c h t m e t a l l e n dar. Namentlich Arsen, aber auch Zinn und Antimon zeigen manche Eigenschaften, die auf nichtmetallischen Charakter hinweisen. In V e r b i n d u n g e n zeigen alle diese Elemente außer der durch die Gruppenzahl bestimmten Maximalwertigkeit noch die um z w e i Einheiten geringere Wertigkeit. So kommen Zinn und Blei zwei- und vierwertig, Arsen, Antimon und Wismut drei- und fünfwertig vor. Allerdings tritt bei Blei und Wismut die Höchstwertigkeit nur in sehr wenigen, unbeständigen Verbindungen auf. Beim Blei sind Bleidioxyd und einige Komplexsalze zu nennen, beim Wismut die Wismutsäure H B i 0 3 . Die überwiegende Mehrzahl der Verbindungen leitet sich vom zweiwertigen Blei und dreiwertigen Wismut ab. Diese Unbeständigkeit der höchsten Stufe findet sich übrigens auch beim Thallium; sie drückt sich ferner in der leichten Zersetzlichkeit der Quecksilber- und Goldverbindungen aus (vgl. die Stellung dieser Elemente im Perioden-System). Die O x y d e bzw. H y d r o x y d e der h ö c h s t e n Wertigkeitsstufe zeigen im allgemeinen s a u r e n Charakter, insbesondere in der fünften Gruppe. Bei den z w e i - bzw. dreiwertigen Hydroxyden liegen bei den Elementen Zinn, Arsen und Antimon ausgesprochen a m p h o t e r e Stoffe vor. Auch Pb(OH) 2 löst sich in Natronlauge; dies ist bei Bi(OH) 3 zwar — beim Vergleich mit Pb(OH) 2 auffälligerweise! — nur dann der Fall, wenn man höchst konzentrierte Lauge benutzt; doch drückt sich die Schwäche des basischen Charakters hier deutlich durch die Btarke Neigung der Wismutsalze zur Hydrolyse aus. Alle S u l f i d e der fünf Elemente sind in verdünnten Säuren unlöslich. Die Sulfide des vierwertigen Zinns (nicht des zweiwertigen!) sowie des

Zinngruppe — Zinn

131

drei- und fünfwertigen Arsens und Antimons sind dadurch ausgezeichnet, daß sie m i t S c h w e f e l a m m o n i u m - L ö s u n g unter Komplexbildung reagieren und i n L ö s u n g g e h e n . Es entspricht dies weitgehend der Umsetzung zwischen einem Basen- und einem Säureanhydrid: CaO + S0 3 (NH 4 ) 2 S + SnS 2 3(NH 4 ) 2 S + As 2 S 3 3(NH 4 ) 2 S + Sb 2 S 5

= = = =

Ca[S0 4 ] (NH 4 ) 2 [SnS 3 ] 2(NH 4 ) 3 [AsS 3 ] 2(NH 4 ) 3 [SbS 4 ].

Die entstehenden Komplexionen stellen die Anionen von Säuren dar, in denen der Sauerstoff durch Schwefel ersetzt ist, sogenannten „ T h i o s ä u r e n " 1 ) : H 3 AS0 3 arsenige Säure, H 3 AsS 3 thioarsenige Säure. Allerdings sind diese Thiosäuren selbst nicht darstellbar; denn beim Versuch, sie durch Zugabe starker Säuren aus ihren Salzen abzuscheiden, zerfallen die Komplexe und es bilden sich neben Schwefelwasserstoff wieder die schwer löslichen Sulfide: (NH 4 ) 2 SnS 3 + 2HCl = 2NH 4 C1 + SnS 2 + H 2 S . Der Grund hierfür liegt, ähnlich wie es S. 97 besprochen wurde, darin, daß die H+-Ionen in ihrem Bestreben, undissoziierten Schwefelwasserstoff zu bilden, dem Komplex die Sulfidionen entziehen.

Zinngruppe Als „Zinngruppe" seien das B l e i und das Z i n n zusammengefaßt. Beide Metalle verbinden sich beim Erhitzen mit dem Sauerstoff der Luft zu Oxyden, die im Gegensatz zum Quecksilber- oder Silberoxyd bei höherer Temperatur nicht wieder in Metall und Sauerstoff zerfallen, wohl aber durch reduzierende Mittel verhältnismäßig leicht zu den Metallen reduzierbar sind. Blei oxydiert sich schon bei Zimmertemperatur oberflächlich und sieht deshalb gewöhnlich mattgrau aus. Zinn schmilzt bei 232°, Blei bei 327°.

Zinn Das silberweiße, sehr dehnbare Metall löst sich in Salzsäure zu S t a n n o c h l o r i d . Durch Oxydationsmittel gewinnt man aus den Stannosalzen Stanniverbindungen. Diese sind als Verbindungen einer sehr schwachen Base weitgehend hydrolysiert. Durch sehr geringe Laugenzusätze fällt aus Stannisalz-Lösungen ein Niederschlag, den man im wesentlichen als das Hydroxyd ansehen kann. Dieses ist amphoter und löst sich in Säuren wie in Basen wieder auf, leicht aber nur in frisch gefälltem Zustande ( „ a - Z i n n s ä u r e " ) . Beim Stehen, rascher beim Erhitzen, geht es in weniger reaktionsfähige, wasserarmere Produkte über („b Z i n n s ä u r e " ) , die man auch direkt durch Oxydation von Zinn mit Salpetersäure erhält (Zinnmetall kann also mit Salpetersäure nicht in Lösung gebracht werden!). Noch weniger reaktionsfähig ist das wasserfreie Z i n n d i o x y d , das nach dem Glühen bei hoher Temperatur selbst von geschmolzener Soda nur schwer angegriffen wird. Wegen der leichten Hydrolysierbarkeit der Stannisalze lassen sich w a s s e r f r e i e H a l o g e n i d e des vierwertigen Zinns nicht aus wäßriger Lösung gewinnen. Stannichlorid SnCl4 kann man durch Überleiten von trockenem Chlor über geschmolzenes Zinn als farblose, dünnflüssige, bei 114° siedende Flüssigkeit darstellen. Über die Bezeichnung „Thio" vgl. S. 93, Anm. 9*

Zinn

132

Durch starke Reduktionsmittel (z. B. Zinkmetall) werden Stannisalze in das Metall übergeführt; schwächere (z. B. Eisenmetall) reduzieren nur bis zur zweiwertigen Stufe (vgl. auch S. 102). Stannosalze zeigen auf der anderen Seite ein starkes Bestreben, in den vierwertigen Zustand überzugehen und •werden daher vielfach als R e d u k t i o n s m i t t e l benutzt. Alle festen Zinnverbindungen werden beim Schmelzen mit wasserfreiem Natriumcarbonat und Natriumcyanid zum Metall reduziert, wobei das Cyanid als Reduktionsmittel wirkt und in Cyanat übergeht: Sn0 2 + 2NaCN = Sn + 2NaCNO .

R e a k t i o n e n d e r S t a n n o s a l z e . Man löse etwas Zinn in wenig konzentrierter Salzsäure auf, verdünne, filtriere und verwende die Lösung zu den folgenden Umsetzungen: K a l i - o d e r N a t r o n l a u g e fällen, wenn man sie in geringer Menge zusetzt, S t a n n o h y d r o x y d , das sich bei Überschuß der Lauge zum S t a n n i t löst. SnCl2 + 2NaOH = Sn(OH) 2 + 2NaCl Sn(OH) 2 + NaOH = Na[Sn(OH) 3 ]. A m m o n i a k fällt weißes Stannohydroxyd. Ein Überschuß löst den Niederschlag nicht auf (Gegensatz zum Zink und Cadmium!). S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt kaffeebraunes S t a n n o s u l f i d . Dieses löst sich in f a r b l o s e m Schwefelammonium nicht auf, da 2+

sich der Komplex [SnS 2 ] 2- nicht bildet. Entsprechend der für Sauerstoffverbindungen geltenden Regel hat auch bei SchwefelVerbindungen das zweiwertige Zinn schwächer sauren Charakter als das vierwertige. Wohl aber löst sich Stannosulfid in g e l b e m •— also polysulfidhaltigem — Ammoniumsulfid beim Stehenlassen, rascher bei Erwärmen auf, da es dann zur Stanniverbindung oxydiert wird: SnS + (NH 4 ) 2 S 2 = (NH 4 ) 2 [SnS 3 ]. Durch Ansäuern erhält man aus dieser Lösung natürlich nicht das braune Stannosulfid, sondern das gelbe Stannisulfid. R e a k t i o n e n d e r S t a n n i s a l z e . Man tropfe zu Stannochlorid-Lösung Bromwasser, bis die gelbe Farbe eben bestehen bleibt, und koche den Überschuß an freiem Brom fort. Durch die oxydierende Wirkung des Broms sind die Stanno- in Stanniionen übergeführt: Sn 2 + + Br 2 = Sn 4 + + 2Br". Die so erhaltene Stannisalzlösung ist stark h y d r o l y t i s c h g e s p a l t e n ; das gebildete Stannihydroxyd bleibt jedoch kolloid (vgl. S. 134) gelöst. Durch Zugabe von Salzlösungen (es eignen sich besonders Sulfate, auch Schwefelsäure selbst) oder durch Aufkochen läßt sich der kolloide Zustand zerstören, Stannihydroxyd fällt aus.

Eine kleine Probe der Stannisalz-Lösung werde verdünnt und aufgekocht, eine zweite Probe mit Schwefelsäure oder der Lösung

Zinn

133

eines Alkaüsulfates versetzt: I n beiden Fällen tritt eine Trübung von Stannihydroxyd infolge von Zerstörung der kolloiden Lösung auf (vgl. S. 135). Die soeben dargestellte Stannisalz - Lösung werde ferner zu folgenden Umsetzungen benutzt: N a t r o n l a u g e fällt, in sehr geringer Menge zugesetzt, S t a n n i h y d r o x y d , a-Zinnsäure. Ein Überschuß löst zum S t a n n a t : Sn(OH) 4 + 2NaOH = Na 2 [Sn(OH) 6 ]. Man überzeuge sich, daß sich b-Zinnsäure (vgl. S. 131), die sich durch Behandeln von Zinn mit konzentrierter Salpetersäure oder durch Abrauchen irgendeiner Zinnsalz-Lösung mit konzentrierter Salpetersäure bildet, in Natronlauge oder Salzsäure nicht löst. Dagegen läßt sie sich durch Behandeln mit schmelzendem Natriumhydroxyd (vgl. S. 129) im Nickeltiegel in Natriumstannat überführen. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt gelbes S t a n n i s u l f i d , das sich in gelbem wie in farblosem Ammoniumsulfid zu A m m o n i u m t h i o s t a n n a t löst. Aus dieser Lösung wird durch Säuren Stannisulfid wieder gefällt. Auch sonst neigen die Stanniionen zu K o m p l e x b i l d u n g . So verbindet sich Stannichlorid mit Ammoniumcklorid zum Ammoniumsalz der komplexen Stannichlorwasserstoffsäure („Pinksalz"). SnCl4 + 2NH4C1 = (NH 4 ) 2 [SnCl 6 ].

Man löse eine Probe dieses schön kristallisierten Salzes in Wasser auf: es löst sich klar. Die Hydrolyse ist wegen der Komplexbildung viel schwächer als in einer Lösung von Stannichlorid allein. Durch Schwefelwasserstoff wird aus der Lösung Stannisulfid gefällt; der Komplex ist also nicht sehr stark. O x y d a t i o n s - R e d u k t i o n s - R e a k t i o n e n . Man schmelze in einem einseitig geschlossenen Glasröhrchen etwas festes Stannochlorid mit etwa gleichen Teilen von wasserfreiem N a t r i u m c a r b o n a t und N a t r i u m Cyanid. Im geschlossenen Ende des Röhrchens sieht man ein Tröpfchen geschmolzenen Z i n n s , das man nach dem Abkühlen durch Zerschlagen des Rohres leicht herauslösen kann. Man versetze sowohl Stanno- als auch Stannichlorid-Lösung mit einigen Z i n k Stückchen. In beiden Fällen scheidet sich Z i n n m e t a l l langsam feinkristallinisch als schwammige glitzernde Masse ab. Man behandle eine salzsaure Stannisalz-Lösung mit E i s e n pulver. Es erfolgt keine Abscheidung von Zinnmetall, sondern nur Reduktion zu Stannoionen, deren Anwesenheit man an ihrer R e d u k t i o n s w i r k u n g , z. B. gegenüber Mercuri-Verbindungen (vgl. S. 109), erkennt: Man filtriere die soeben erhaltene Lösung und gebe zu dem Filtrat etwas M e r c u r i c h l o r i d - L ö s u n g ; es fällt weißes M e r c u r o c h l o r i d bzw. graues Q u e c k s i l b e r m e t a l l aus.

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Kolloide Lösungen

Ein Beispiel für die R e d u k t i o n s w i r k u n g von S t a n n o v e r b i n d u n g e n in a l k a l i s c h e r Lösung werden wir auf S. 150 kennenlernen.

Kolloide Lösungen Schon mehrfach haben wir Beispiele dafür kennengelernt, daß Stoffe, die nach ihrer äußerst geringen Löslichkeit ausfallen sollten, unter gewissen Bedingungen in Lösung bleiben, so z. B. S. 104 für Zinkhydroxyd, S. 113 für Eisensulfid, S. 119 für Nickelsulfid und insbesondere S. 132 für a-Zinnsäure. Die nähere Untersuchung zeigt, daß die so erhaltenen Lösungen gegenüber den gewöhnlichen Lösungen wesentliche Unterschiede aufweisen: Molekulargewichtsbestimmungen haben ergeben, daß die gelösten Teilchen in ihnen nicht aus Einzelionen oder -molekeln bestehen, sondern 1000- bis 1000000mal so groß sein müssen. Dementsprechend gehen sie zwar meist noch durch die großen Foren eines Papierfilters hindurch, sie diffundieren aber nicht mehr durch die engen Poren einer Pergamentmembran. Läßt man einen Lichtstrahl seitlich durch die Lösung hindurchtreten, so zeichnet er sich leuchtend ab (Tyndall-Effekt), ähnlich wie Staubteilchen in einem Sonnenstrahl aufleuchten. So kann man auch in solchen Lösungen mit Hilfe des sogenannten „Ultramikroskops" die einzelnen Teilchen, die im d u r c h f a l l e n d e n Licht wegen ihrer Kleinheit unsichtbar bleiben, bei s e i t l i c h e r Beleuchtung an den durch sie hervorgerufenen Beugungserscheinungen wahrnehmen (Einzelmolekeln hingegen sind so klein, daß sie selbst auf diese Weise mit sichtbarem Licht nicht erkennbar werden). Man bezeichnet solche Lösungen nach dem Vorschlage ihres Entdeckers, des Engländers G r a h a m , als k o l l o i d e („leimartige") Lösungen. Zeigen die eben genannten Versuche, daß die gelösten Teilchen in kolloiden Lösungen sehr viel größer sind als in den echten Lösungen, so läßt sich auf der anderen Seite leicht nachweisen, daß sie viel kleiner sind als die in „Suspensionen" (z. B. Lehmwasser) enthaltenen Teilchen. So setzen sie sich z. B. beim Stehen oder Zentrifugieren nicht ab, sie sind mit einem gewöhnlichen Mikroskop nicht zu sehen, sie gehen durch ein Papierfilter hindurch u. a. m. Da es sich bei den kolloiden Lösungen meist um äußerst schwer lösliche Stoffe handelt, die sich eigentlich zu größeren Teilchen vereinigen und ausfallen müßten, so muß es eine Ursache geben, die ihre Vereinigung verhindert. Es ist dies ihre e l e k t r i s c h e L a d u n g . D i e T e i l c h e n e i n e r k o l l o i d e n L ö s u n g s i n d a l l e im g l e i c h e n S i n n e g e g e n d a s L ö s u n g s m i t t e l a u f g e l a d e n . Treffen daher zwei Teilchen infolge der Wärmebewegung aufeinander, so stoßen sie einander elektrostatisch ab und entfernen sich wieder voneinander. Freilich ist diese Aufladung nicht so stark wie bei Ionen, bei denen ja jedes einzelne Atom oder zum mindesten jede Gruppe aus wenigen Atomen eine oder mehrere Ladungen trägt. Bei den Kolloiden kommt im Gegensatz dazu erst auf sehr viele Atome eine Ladung. Diese Ladung der Kolloidteilchen kann verschiedene U r s a c h e n haben. So können z. B. bei einer kolloiden Säure, wie z. B. Zinnsäure, von den an der Oberfläche liegenden Atomgruppen H+-Ionen in die Lösung geschickt werden. Das Kolloid ist in diesem Falle negativ geladen. Gibt das Kolloid OH~-Ionen ab, so bleibt es positiv geladen zurück. Kolloidteilchen von Aluminium-, Ferri- und Chromihydroxyd sind daher positiv geladen. Die Metallionen an der Oberfläche vieler kolloider Sulfide binden S 2_ -Ionen aus der Lösung; diese Sulfide sind natürlich negativ geladen. Versetzt man andererseits eine sehr verdünnte KaliumjodidLösung mit einem kleinen Überschuß an Silbernitrat-Lösung, so sind die entstehenden Silberjodid-Teilchen positiv geladen, weil an der Oberfläche der Kolloidteilchen Ag+-Ionen adsorbiert werden. In den kolloid gelösten Teilchen können die Atome bzw. Molekeln entweder —• wie in einem makro-

Kolloide Lösungen

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skopischen, mit dem Auge unmittelbar sichtbaren Kristall — regelmäßig angeordnet sein (das ist z. B. in den Teilchen einer kolloiden Goldlösung der Fall), sie können aber auch zu einem ungeordneten Haufwerk zusammengeballt, amorph (vgl. S. 63) sein (z. B. bei den meisten kolloiden Lösungen von Hydroxyden). Eine Zerstörung der kolloiden Lösung, ein „ A u s f l o c k e n " des Kolloids, kann man auf verschiedenen Wegen erreichen. Oft hilft Erwärmen der Lösung bis zum K o c h e n . Hierdurch wird die Bewegung der Teilchen vergrößert. Sie treffen infolgedessen mit solcher Wucht aufeinander, daß die elektrostatische Abstoßung nicht mehr ausreicht, um eine Vereinigung zu verhindern. Oder aber man neutralisiert die Ladungen in geeigneter Weise. So fällen sich z. B. kolloide Teilchen mit entgegengesetzt geladenen Teilchen innerhalb gewisser Konzentrationsgrenzen gegenseitig aus, wobei eine Zusammenlagerung beider Kolloide zu einer sogenannten „Adsorptionsverbindung" stattfindet. So fällt z. B. eine kolloide Ferrihydroxyd-Lösung eine kolloide Antimonsulfid-Lösung. Meist benutzt man zum Ausflocken kolloider Lösungen E l e k t r o l y t e , von denen die der Ladung der Kolloidteilchen entgegengesetzt geladenen Ionen wirksam sind. Die Wirkung des Elektrolyten steigt mit der Ladung des fällenden Ions; so wirken z. B. auf negativ geladene Kolloide Ca2+- und insbesondere Al3+-Ionen viel stärker fällend als etwa K+-Ionen. Besonders wirksam ist auch das sehr kleine H+-Ion.

Man verdünne Kupfersulfat-Lösung sehr stark und verteile sie auf zwei Probiergläser. Zu der einen Probe gebe man reichlich konzentrierte Salzsäure und fälle dann beide Lösungen mit Schwefelwasserstoffwasser. In der säurefreien Lösung entsteht nur eine braune Färbung; das gebildete Sulfid flockt äußerst langsam aus. In der zweiten, salzsäurehaltigen Probe ballt sich der Niederschlag rasch zu schwarzen Flocken zusammen. Erwärmen beschleunigt dies noch. Sollte auch in der säurefreien Lösung sofort eine Fällung auftreten, so sind die Versuche mit stärker verdünnten Lösungen zu wiederholen. Etwas Ferrichlorid-Lösung des Laboratoriums werde mit Wasser so stark verdünnt, daß sie fast farblos erscheint. Eine Probe davon reagiert intensiv mit Kaliumrhodanid, ein Zeichen dafür, daß Ferriionen vorhanden sind. Eine zweite Probe werde nun aufgekocht, wobei sie sich dunkler, braunstichig färbt; jetzt gibt diese Probe auf Zusatz von Kaliumrhodanid keine Rotfärbung mehr; nach einiger Zeit scheiden sich einige Flöckchen von Ferrihydroxyd aus. Nach dem Aufkochen waren also keine Ferriionen mehr in der Lösung, sondern alles Ferrichlorid war unter Hydrolyse in Chlorwasserstoff und Ferrihydroxyd übergegangen, welches letztere kolloid gelöst blieb und durch Zusatz eines Elektrolyten (Kaliumrhodanid) ausgeflockt wurde. Auch in gewöhnlicher Ferrichlorid-Lösung ist diese Hydrolyse teilweise vor sich gegangen (vgl. S. 78). Kolloide Lösungen nennt man auch Sole; ist Wasser als Lösungsmittel benutzt, so spricht man von H y d r o s o l e n . Beim Eindampfen hinterlassen die Sole einen festen Rückstand; in einigen Fällen löst sich dieser ohne weiteres in dem ursprünglichen Lösungsmittel wieder kolloid auf, z.B.Leim, Molybdänblau in Wasser (reversible Kolloide); in anderen Fällen nicht, z. B. Gold, Kieselsäure (irreversible Kolloide). Die aus Solen durch Eindampfen oder

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Blei

Ausflocken erhaltenen Bückstände können lösungsmittelfrei sein (z. B. Gold aus wäßriger kolloider Goldlösung), oft enthalten sie aber eine große Menge des Lösungsmittels mehr oder weniger fest, aber nicht in stöchiometrischem Verhältnis gebunden und bilden schleimige Flocken, die man sich wie einen Schwamm als von feinsten unregelmäßigen Kanälen durchzogen Torstellen muß. Solche Gebilde bezeichnet man als Gele -r sind sie aus Wasser gewonnen, als H y d r o g e l e (Beispiel: Aluminiumhydroxyd). Wegen ihrer eigenartigen Struktur ist die Oberfläche der Gelteilchen sehr groß. Sie besitzen deshalb gewisse charakteristische Eigenschaften, besonders ein großes „Adsorptionsvermögen": Fremdstoffe werden an ihrer Oberfläche festgehalten. Gele entstehen nicht nur bei der Zerstörung von Solen; gewisse schwer lösliche Stoffe können, wenn man sie durch Zusammengeben entsprechender Lösungen ausfällt, auch ohne erkennbares Durchlaufen des Solzustandes unmittelbar als Gele entstehen, insbesondere viele Hydroxyde, z. B. von Aluminium, Eisen, Silicium. Frisch ausgefällte Gele sind r e a k t i o n s f ä h i g , lösen sich z. B. rasch in geeigneten Lösungsmitteln. Im Laufe der Zeit, besonders in der Wärme, werden sie reaktionsträger, sie a l t e r n ; dabei spalten s i e — s e l b s t bei Aufbewahrung unter überschüssigem Lösungsmittel — in mehr oder weniger großem Umfange die gebundenen Lösungsmittelanteile ab. Beim F i l t r i e r e n und A u s w a s c h e n von Fällungen, die die Neigung haben, kolloide Lösungen zu bilden, sind besondere Vorsichtsmaßregeln notwendig, um zu verhindern, daß der abfiltrierte Niederschlag „durchs Filter laufe". Man wäscht deshalb in solchen Fällen nicht mit reinem Wasser, sondern mit Lösungen geeigneter Elektrolyt« aus, die das Entstehen der kolloiden Lösungen verhindern und die ferner beim Glühen des Niederschlages durch Verdampfen entfernt werden können. So wäscht man z. B. a-Zinnsäure mit verdünnter Salpetersäure, Aluminiumhydroxyd mit heißer Ammoniumnitratlösung usw. Namentlich für die quantitative Analyse ist dies von Bedeutung.

Blei Das grauglänzende, weiche, dehnbare Metall löst sich in Salpetersäure zu. Bleinitrat, das sich ebenso wie die überwiegende Mehrzahl der Bleiverbindungen vom zweiwertigen Blei ableitet. Schwer löslich sind das Oxyd PbO, das Hydroxyd Pb(OH) a , das Sulfat PbSO„, das Chromat PbCr0 4 , das Jodid P b J 2 , ziemlich schwer löslich das Chlorid PbCl 2 . Bleioxyd ist von gelbbräunlicher Farbe, Bleijodid ist gelb; die übrigen Blei II-Verbindungen mit farblosem Anion sind farblos. Von den Verbindungen der v i e r wertigen Stufe ist nur das Bleidioxyd PbO, zu nennen. Ferner kennt man noch ein rotes Oxyd, die Mennige, die 2+

4+

zwei- und vierwertiges Blei enthält und gemäß der Formel Pb 2 [Pb0 4 ] so auf2+ gefaßt werden kann, als ob das mehr basische Pb(OH), mit dem mehr sauren 4+

H 4 Pb0 4 ein Salz gebildet hätte (vgl. auch S. 90). Durch die starke Salpetersäure wird die schwache Bleisäure ausgetrieben; es bildet sich neben dem löslichen Bleinitrat Pb(N0 3 ) 2 das unlösliche Anhydrid P b 0 2 der Bleisäure. Die Säure selbst ist nicht herstellbar; sie zerfällt ähnlich der Kohlensäure in Bleidioxyd und Wasser. B l e i s a l z e s i n d g i f t i g ! Bleirohrleitungen, die wegen ihrer leichten Verformbarkeit viel zu Wasserleitungen benutzt werden, bilden oberflächlich eine Haut von Sulfat oder Carbonat, die verhindert, daß Blei in Lösung geht. Auf diese Weise ist Blei sogar gegen konzentrierte Schwefelsäure beständig.

Man versetze etwas Bleinitrat-Lösung mit wenig N a t r o n l a u g e . Es fällt weißes B l e i h y d r o x y d aus, das sich im Überschuß der

Blei

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Lauge, namentlich beim Erwärmen, leicht als N a t r i u m p l u m b i t löst. Pb(N0 3 ) 2 + 2 N a O H = Pb(OH) 2 + 2 N a N 0 3 Pb(OH) 2 + 2 N a O H = Na 2 [Pb(OH) 4 ]. A m m o n i a k fällt B l e i h y d r o x y d ; ein Überschuß löst es nicht wieder auf. N a t r i u m c a r b o n a t fällt b a s i s c h e s B l e i c a r b o n a t von wechselnder Zusammensetzung („Bleiweiß"). S a l z s ä u r e fällt weißes B l e i c h l o r i d . Beim Aufkochen der gegebenenfalls stark zu verdünnenden Mischung löst sich dieses und kristallisiert beim Erkalten in langen glänzenden Nädelchen wieder aus. K a l i u m j o d i d fällt gelbes B l e i j o d i d , das sich in Wasser noch weniger löst als Bleichlorid. Beim Aufkochen der s t a r k v e r d ü n n t e n Mischung löst es sich und kristallisiert beim Abkühlen in gelben, prächtig glitzernden Blättchen wieder aus. S c h w e f e l s ä u r e fällt das in Wasser sehr wenig lösliche, in Alkohol fast unlösliche B l e i s u l f a t . Dieses ist in verdünnter, namentlich warmer Salpetersäure etwas löslich. Mit Natronlauge löst es sich glatt zu Plumbit. Auf Zusatz von Weinsäure und Ammoniak-Lösung geht es in der Hitze langsam in das Ammoniumsalz der innerkomplexen BleiWeinsäure über, deren Formel nicht sicher ist. Der Schwerlöslichkeit des Bleisulfats entspricht es, daß auch B l e i chromat schwer löslich ist, wie es S. 124 bereits besprochen wurde.

S c h w e f e l w a s s e r s t o f f oder A m m o n i u m s u l f i d fällen schwarzes B l e i s u l f i d . Aus chloridhaltigen Lösungen fällt zunächst — ähnlich wie bei Mercurisalzen — ein orangebraunes sulfobasisches Salz. B l e i d i o x y d . Etwas Bleiacetat-Lösung des Laboratoriums werde mit einer ohne Erwärmen frisch bereiteten N a t r i u m p e r o x y d Lösurig versetzt; es fällt dunkelbraunes B l e i d i o x y d P b 0 2 aus. Pb(CH 3 C0 2 ) 2 + Na 2 0 2 = P b 0 2 + 2Na(CH 3 C0 2 ) . Eine zweite Probe Bleiacetat-Lösung werde mit B r o m w a s s e r versetzt; es fällt ebenfalls B l e i d i o x y d aus. Pb(CH 3 C0 2 ) 2 + Br 2 + 2 H 2 0 = P b 0 2 + 2CH 3 C0 2 H + 2 H B r . Natriumplumbit-Lösung gibt diese Umsetzung nicht, weil sie nur sehr wenig Bleiionen enthält. Etwas M e n n i g e werde mit Salpetersäure Übergossen. Die Masse färbt sich dunkel (Pb0 2 ); im Filtrat läßt sich das gebildete Bleinitrat durch eine der oben beschriebenen Bleireaktionen nachweisen.

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Sulfide

R e d u k t i o n z u m M e t a l l . Um aus Bleiverbindungen m e t a l l i s c h e s B l e i zu gewinnen, schmelze man sie mit wasserfreiem Natriumcarbonat und Kohle zusammen. Um diese Umsetzung mit kleinen Mengen sicher ausführen zu können, breche man von einem Streichhölzchen die Kuppe ab, tränke das Holz durch Abstreichen eines Kristalles von wasserhaltiger Soda, der durch kurzes Einhalten in eine Flamme oberflächlich zum Schmelzen gebracht ist, zu zwei Dritteln mit Soda und glühe den bestrichenen Teil des Hölzchens, bis das Holz verkohlt ist und der nach dem Verjagen des Kristallwassers wieder fest gewordene Natriumcarbonatüberzug eben zu schmelzen beginnt. Dann bringe man an die Spitze ein wenig des auf Blei zu prüfenden Stoffes und glühe die Stelle, an der sich die Probe befindet, im Reduktionsraume der Bunsenbrennerflamme (vgl. S. 9), bis das Natriumcarbonat geschmolzen ist und die Spitze des Kohlestäbchens völlig überzogen hat. Dabei sieht man das entstandene Metallkügelchen in der Schmelze schwimmen. Nach dem Erkalten kann man es mit einiger Vorsicht leicht herauslösen und mit dem Messer auf seine Weichheit — es muß sich leicht zu einer Platte drücken lassen — prüfen. Auf Papier gibt es einen „Bleistrich". Mit einiger Vorsicht gelingt es unschwer, das Bleikügelchen auf einem Objektträger in einem Tropfen Salpetersäure und einem Tropfen Wasser zu lösen, die überschüssige Säure wegzudampfen, den Rückstand in zwei Tropfen Wasser zu lösen, und in Teilen der Lösung das Blei durch einige Mikroreaktionen (z. B. als PbCr0 4 , PbJ 2 ) auch chemisch sicher nachzuweisen. Man führe dies durch. Ähnliche Metallkügelchen erhält man aus Zinn-, Silber-, Antimonund Wismutverbindungen.

Aus seinen L ö s u n g e n wird Blei durch unedlere Metalle in feinen Blättchen als „ B l e i b a u m " ausgefällt. Man stelle den Versuch mit einem halben Probierglase voll Bleinitrat-Lösung an, in der man einen Streifen Zinkblech über Nacht stehen läßt.

Sulfide Die Sulfide zeigen in ihrem Verhalten gegenüber Wasser, Alkalien und Säuren große Unterschiede. Alkalimetallsulfide sind in Wasser leicht und unzersetzt löslich. Die Erdalkalimetallsulfide dagegen sind aus wäßriger Lösung nicht erhältlich; auf trockenem Wege dargestellte Präparate zersetzen sich unter Hydrolyse mit Wasser vollständig. Manganosulfid ist zwar wasserbeständig, fällt aber nur aus alkalischen. Lösungen. Eisen-, Kobalt- und Nickelsulfid fallen zwar bei Zugabe von Schwefelwasserstoffauch aus neutralen Lösungen, aber unvollständig-.- Zinksulfid läßt sich aus essigsaurer Lösung quantitativ ausscheiden. Cadmiumsülfid fällt auch aus schwäch mineralsaurer Lösung, löst sich aber in stärker sauren Lösungen auf. Kupfer-, Bleiund Quecksübersulfid schließlich lassen sich auch aus stark salzsauren Lösungen abscheiden. Als besonders unempfindlich" gegen hohe .Säurekonzentration erweist sich dabei das Quecksilbersulfid.

Arsengruppe

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Der Unterschied zwischen dem Verhalten der einzelnen Sulfide liegt darin begründet, daß sich die L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t e — obwohl sie bei allen Schwermetallsulfiden klein sind — stark voneinander unterscheiden. Sie steigen in der Reihenfolge: HgS, CuS, CdS, ZnS, FeS, MnS, CaS. Beim Hg 2 +-Ion genügt also schon eine äußerst geringe S 2 "-Ionenkonzentration, um das Löslichkeitsprodukt des Sulfides zu überschreiten. Bei Mn 2 +-Ionen dagegen ist schon eine merkliche S 2 "-Ionenkonzentration zur Ausscheidung des Sulfids erforderlich. Beim Calcium schließlich reicht auch die höchste erreichbare S 2 ~-Ionenkonzentration nicht zur Fällung aus. Nun besagt das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z über die Abhängigkeit der S 2 "-Ionenkonzentration vom pu-Wert der Lösungen folgendes: Schwefelwasserstoff dissoziiert nach den Gleichungen: HoS

+ HS"

und

HS-

H+ + S 2 " .

Dies liefert die Beziehungen: ^ [H= S] 1 , 1 und [HS"] 2 Multipliziert man diese Gleichungen, so folgt: [H+] 2 -[S 2 ~] [H 2 S] - Ä ! Ä 2 _ Ä . Zu jeder H + -Ionenkonzentration gehört also eine ganz bestimmte S 2 ~Ionenkonzentration. Ist [H+] sehr groß ( s t a r k s a u r e Lösung), so ist [S 2 _ ] sehr klein, und es werden nur die Sulfide mit dem allergeringsten Löslichkeitsprodukt ausfallen (HgS, CuS, PbS). Ist [H+] dagegen sehr klein ( a l k a l i s c h e Lösung), so ist [ S 2 - ] groß und es fällt auch das verhältnismäßig leicht lösliche Manganosulfid aus. Unterhalb bestimmter [H+]-Werte mittlerer Größe fallen entsprechend Sulfide mit mittleren Löslichkeitsprodukten (CdS, ZnS) aus. Diese Abstufung der Löslichkeitsprodukte ist von großer Bedeutung, weil man es durch eine genügend hohe H+-Ionenkonzentration (also Fällung in saurer Lösung) erreichen kann, daß nur ein Teil der Sulfide ausfällt. Bei Erniedrigung der H+-Ionenkonzentration durch Zugabe von Ammoniak — oder, was die gleiche Wirkung hat, bei Zugabe von Ammoniumsulfid — fallen dann auch die übrigen Sulfide aus. Auf diese Weise kann man bei der Analyse die Elemente in drei Gruppen scheiden: Solche, die auch in s a u r e r Lösung Sulfide bilden, solche, die als Sulfid nur in a l k a l i s c h e r Lösung ausfallen, und schließlich solche, die mit S 2 "-Ionen überhaupt k e i n e Niederschläge bilden. Die säureunlöslichen Sulfide lassen sich nun noch dadurch weiterhin trennen, daß einzelne von ihnen sich in Schwefelammonium wieder auflösen (vgl. S. 131). Es sind dies Stannisulfid sowie die Sulfide von Arsen und Antimon. Filtriert man die so erhaltenen Lösungen der Salze der Thiosäuren ab und säuert an, so scheiden sich die Sulfide dieser drei Elemente wiederum ab, so daß man mit ihnen weitere Reaktionen vornehmen kann. Diese verschiedenen Trennungsmöglichkeiten machen verständlich, warum der Schwefelwasserstoff trotz seiner unangenehmen physiologischen Eigenschaften ein im analytischen Laboratorium so viel benutztes Reagens ist.

Arsengruppe Als „Arsengruppe" seien die Elemente A r s e n , A n t i m o n und W i s m u t zusammengefaßt. Außerdem gehören in diese Gruppe des Perioden-Systems noch die in ihren wichtigsten Verbindungen schon besprochenen Elemente S t i c k s t o f f und P h o s p h o r . In dieser Fünfergruppe von Elementen zeigen sich zahlreiche Gesetzmäßigkeiten, wenn man die Elemente nach den Atom-

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Arsen

gewichten ordnet: J e größer das Atomgewicht ist, desto höher liegen die Siedepunkte. Ausgesprochen metallische Eigenschaften hat das Wismut; die übrigen sind um so deutlicher Nichtmetalle, je kleiner das Atomgewicht ist. Das Wismuthydroxyd ist eine Base, die übrigen Hydroxyde haben mit fallendem Atomgewicht steigend immer stärker saure Eigenschaften. Der Siedepunkt der Trichloride, die flüssig oder leicht schmelzbar sind, steigt mit zunehmendem Molekulargewicht. Alle Elemente dieser Gruppe bilden Verbindungen mit Wasserstoff von der Formel X H 3 , die mit steigendem Atomgewicht des Elements unbeständiger werden.

Arsen Arsen bildet spröde metallisch glänzende Kristalle oder dunkelgraue Stücke, die an der Luft m a t t werden, da sie sich oberflächlich zu Arsentrioxyd A B 2 0 3 oxydieren. Bei Atmosphärendruck läßt sich Arsen nicht schmelzen, da es vorher sublimiert. Sein Dampf riecht knoblauchartig. Von den Verbindungen der dreiwertigen Stufe ist A r s e n t r i o x y d AS 2 0 3 („Arsenik") nur wenig in Wasser löslich; die Lösung reagiert schwach sauer, weil sich a r s e n i g e S ä u r e H 3 As0 3 bildet. Starken Säuren gegenüber kann diese auch als Base reagieren. So ist z. B. die Löslichkeit von Arsenik nicht nur in Natronlauge, sondern auch in starker Salzsäure wesentlich größer als in Wasser. Das im zweiten Falle gebildete Trichlorid ASC1 3 erfährt als Salz einer sehr schwachen Base durch Wasser eine weitgehende hydrolytische Spaltung, namentlich in Gegenwart von viel Wasser. Salzsäure drängt die Hydrolyse zurück; deshalb geht beim Kochen einer stark mit Salzsäure versetzten Arsenigsäure-Lösung Arsen als leichtflüchtiges Arsentrichlorid mit den Wasserdämpfen fort. Dagegen läßt sich eine Lösung der A r s e n s ä u r e auch nach dem Versetzen mit viel Salzsäure ohne Verlust an Arsen eindampfen, weil Arsenpentachlorid AsCl5 nicht existiert. Eine Lösung von Arsensäure erhält man leicht durch Oxydation von Arsentrioxyd bei Gegenwart von Wasser. Die durch Fällung daraus entstehenden Salze leiten sich meist von der Orthosäure H 3 AS0 4 ab, manchmal jedoch auch von der Pyro- bzw. der Metasäure (H 4 As 2 0 7 bzw. HAs0 3 ). Man muß daher annehmen, daß in der Lösung verschiedene Hydratationsstufen nebeneinander vorhanden sind, die sich — anders als bei der Phosphorsäure! — sehr leicht ineinander umwandeln. Durch Fällung mit irgendeiner Salzlösung entsteht jeweils die Verbindung, die am schwersten löslich ist. — Durch Einengen einer Arsensäure-Lösung erhält man Kristalle der Zusammensetzung H 3 As0 4 - V 2 H 2 0. Durch Erhitzen entstehen daraus zunächst wasserärmere Verbindungen, deren Zusammensetzung jedoch nicht der Pyro- und Metaphosphorsäure entspricht. Als Endprodukt der Entwässerung bildet sich schließlich A r s e n p e n t o x y d As 2 0 6 . (Gegensatz zu Phosphorsäure!) — Die A r s e n a t e sind den Phosphaten außerordentlich ähnlich. So ist an dem Paar K H 2 P 0 4 und KH 2 As0 4 von M i t s c h e r l i c h die „ I s o m o r p h i e " entdeckt worden, d. h. die Tatsache, daß zwei Stoffe verschiedener Zusammensetzung nahezu die gleiche Kristallgestalt besitzen und Misch- und Überwachsungskristalte bilden können. Dementsprechend sind auch die chemischen Umsetzungen von Arsen- und Phosphorsäure sehr ähnlich, so daß man sich vor Irrtümern hüten muß. Eine Abtrennung des Arsens läßt sich jedoch leicht über die schwer löslichen Sulfide As 2 S 3 bzw. AS2S6 durchführen. Auch läßt sich Arsensäure im Gegensatz zur Phosphorsäure schon durch schwache Reduktionsmittel bis zur dreiwertigen Stufe, durch starke sogar bis. zur nullwertigen Stufe, d. h. dem elementaren Arsen, reduzieren.

Arsen

141

A r s e n v e r b i n d u n g e n sind sehr g i f t i g ! Namentlich beim Experimentieren mit Arsenwasserstoff und anderen flüchtigen Arsenverbindungen ist g r ö ß t e V o r s i c h t erforderlich!

Man erhitze ein Stückchen A r s e n von der Größe einer Erbse in einem trockenen Probierglase (Abzug!). Zuerst sublimiert etwas Arsentrioxyd und bildet einen weißen Beschlag. Erhitzt man so stark, daß das Glas erweicht, so beginnt das Arsen zu sublimieren und sich in den kälteren Teilen des Rohres als schwarzer spiegelnder Beschlag („Arsenspiegel") niederzuschlagen. Wenn alles Arsen verdampft ist, unterbreche man den Versuch und zerschlage nach dem Abkühlen das Glas. Das aus metallisch glänzenden Kristallen bestehende Sublimat läßt sich von den Glasscherben leicht ablösen. Ein stecknadelkopfgroßes Stück A r s e n werde unter dem Abzüge mit der Lötrohrflamme auf Kohleunterlage erhitzt. Es verdampft und wird zum Teile zu A r s e n t r i o x y d oxydiert, das als weißer Rauch entweicht oder sich auf den kälteren Stellen der Kohle als Beschlag niedersetzt. Dabei zeigt sich der eigentümliche Geruch des Arsendampfes deutlich. A r s e n t r i o x y d ist ein weißes kristallinisches Pulver oder —• als zweite Modifikation — eine glasartige, amorphe Masse, die beim Aufbewahren langsam in die kristallinische Modifikation übergeht. Beim Sublimieren setzt sich Arsentrioxyd in kleinen, stark lichtbrechenden Oktaedern ab. Man sublimiere im einseitig geschlossenen Röhrchen einige Körnchen A r s e n t r i o x y d und betrachte das Sublimat unter dem Mikroskop. Unter dem Einfluß von R e d u k t i o n s m i t t e l n (Natriumcyanid vgl. S. 132, Kohle, Stannochlorid) geht Arsenik leicht in A r s e n über. Man erhitze ein kleines Körnchen von A r s e n t r i o x y d oder einer beliebigen Arsenverbindung im einseitig geschlossenen Glasröhrchen mit ein wenig eines Gemisches von gleich viel trockenem N a t r i u m c a r b o n a t und N a t r i u m c y a n i d . An den kälteren Teilen des Röhrchens bildet sich ein Arsenspiegel. Man ziehe ein Stück Glasrohr zu einem etwa 2 mm weiten, < = — ^ etwa 2—3 cm langen Röhrchen aus, wie es Fig. 23 zeigt. In die F i u r 23 verschlossene Spitze bringe man § - Reduktion von Arsenik ein Körnchen A r s e n t r i o x y d und lege ein schon vorher passend zurechtgeschnittenes Splitterchen H o l z k o h l e darüber. Nun halte man das Röhrchen waagerecht in die Flamme, so daß zunächst der Kohlesplitter ins Glühen kommt, und richte es dann, ohne die eben erhitzte Stelle aus der Flamme zu bringen, etwas auf, so daß das Arsentrioxyd zu verdampfen beginnt. Sein Dampf streicht dann über die glühende Kohle, wird durch sie reduziert, und das gebildete Arsen schlägt

142

Arsen

sich als schwarzer Spiegel an der Übergangsstelle des engen Rohrteiles zum weiten nieder. I n wäßriger Lösung eignet sich zur Reduktion Stannochlorid. Zu einigen Körnchen Arsentrioxyd bringe man etwa ein Gramm festes Stannochlorid und 1—2 ccm konzentrierte Salzsäure. Beim Stehenlassen, schneller beim gelinden Erwärmen, bildet sich durch Reduktion elementares Arsen, das in kolloider Form die Lösung bräunt und später in Flocken ausfällt ( „ B e t t e n d o r f s A r s e n p r o b e " ) . R e a k t i o n e n d e r a r s e n i g e n S ä u r e . Man koche eine Spatelspitze Arsentrioxyd in einem Kölbchen einige Minuten mit etwa 10 ccm Wasser, filtriere die Lösung ab, so daß das Ungelöste möglichst im Kölbchen bleibe, und hebe es zur Darstellung von Arsensäure im Kölbchen auf. DasFiltrat, welches a r s e n i g e S ä u r e gelöst enthält, benutze man zu folgenden Versuchen: S c h w e f e l w a s s e r s t o f f färbt die Lösung gelb, indem sich kolloides A r s e n t r i s u l f i d As 2 S 3 bildet. Erst auf Zusatz von Salzsäure oder von Salzen wird das Arsentrisulfid ausgeflockt. In farblosem A m m o n i u m s u l f i d löst sich das Arsentrisulfid zu Ammoniumt h i o a r s e n i t , in gelbem zu A m m o n i u m t h i o a r s e n a t . As 2 S 3 + 3 (NH 4 ) 2 S = 2(NH 4 ) 3 [AsS 3 ] AS 2 S 3 + 3 ( N H 4 ) 2 S + 2 S = 2 ( N H 4 ) 3 [ A s S 4 ] .

I n A m m o n i u m c a r b o n a t - L ö s u n g löst sich Arsentrisulfid zu einem Gemisch von Arsenit und Thioarsenit. S i l b e r n i t r a t fallt zunächst nichts. Wird jedoch zu der Mischung mit einem Glasstabe vorsichtig ein Tröpfchen AmmoniakLösung gebracht, so wird die freiwerdende Säure neutralisiert und es fällt g e l b e s S i l b e r a r s e n i t aus (Unterschiedsprobe gegen Arsenate). Salpetersäure löst den Niederschlag wieder auf. Ebenso löst ein Überschuß von Ammoniak-Lösung. H 3 AS0 3 + 3AgN0 3 + 3NH 3 = Ag 3 As0 3 + 3NH 4 N0 3 Ag 3 As0 3 + 3 H N 0 3 = 3AgNO a + H 3 As0 3 Ag 3 As0 3 + 6NH 3 = [Ag(NH 3 ) 2 ] 3 As0 3 . K a k o d y l r e a k t i o n . Ein Körnchen Arsentrioxyd werde mit ein wenig N a t r i u m a c e t a t verrieben und das Gemisch im Glühröhrchen stark erhitzt. Es tritt ein durchdringender, unangenehmer Geruch nach einer organischen Arsenverbindung ( K a k o d y l o x y d ) auf. Schließlich ist zu erwähnen, daß Lösungen von arseniger Säure mit sehr vielen Metallionen in alkalischer Lösung Niederschläge geben, die jedoch meist nicht sehr charakteristisch sind. Man stelle als Beispiel Niederschläge mit K a l k w a s s e r sowie mit (wenig!) K u p f e r salz-Lösung und Natronlauge her.

Arsen

143

A r s e n s ä u r e . Zur Überführung von arseniger Säure in Arsensäure eignen sich die verschiedensten Oxydationsmittel. Analytisch wichtig ist die Umsetzung mit J o d , die nach folgender Gleichung verläuft: [Äs0 3 ] 3 - + X + H 2 0 ^ [As04]3~ + 2H+ + 2 J " . Diese Reaktion verläuft je nach der Konzentration der H+-Ionen von links nach rechts oder umgekehrt. Hält man [H+] klein, so erfolgt quantitative Oxydation zur Arsensäure. Das Wegfangen der bei der Umsetzung gebildeten H+-Ionen kann natürlich durch Natronlauge erfolgen. Dann würde aber die Entfärbung der Jod-Lösung wenig charakteristisch sein; denn nach S. 155 u. 156 entfärbt Natronlauge Jod-Lösung auch ohne Gegenwart von arseniger Säure. Das gleiche gilt für Soda-Lösung. Dagegen eignet sich für den Versuch N a t r i u m b i c a r b o n a t , weil es wohl die H+-Ionen unter Bildung der wenig dissoziierten Kohlensäure (bzw. von H a O und C0 2 , das entweicht) wegfängt, für sich allein jedoch Jod-Lösung nicht entfärbt. — Hält man umgekehrt die H+-Ionenkonzentration groß, so verläuft die Reaktion von rechts nach links.

Man gebe zu einer Arsenigsäure-Lösung etwas Natriumbicarbonatpulver-und einige Tropfen Jod-Lösung. Die braune Jodfarbe verschwindet. Man gebe zu der soeben erhaltenen Lösung von Arsensäure und Jod-Ionen nach und nach (Vorsicht wegen des durch die Kohlendioxydentwicklung bedingten Schäumens!) reichlich konzentrierte Salzsäure. Die braune Jodfarbe tritt wieder auf. Für präparative Zwecke eignet sich zur Oxydation besser S a l p e t e r s ä u r e . Man übergieße den bei dem Versuch S. 142 im Kölbchen verbliebenen Rest Arsentrioxyd mit 1—2 ccm konzentrierter Salpetersäure, koche auf und dampfe die Lösung unter dem Abzüge in einer Porzellanschale mit kleiner Flamme oder auf dem Sandbade fast zur Trockene ein. Den Rückstand löse man in etwas Wasser und benutze die Lösung zu folgenden Umsetzungen der Arsensäure: S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt aus stark s a l z s a u r e r Lösung gelbes A r s e n p e n t a s u l f i d . Der Niederschlag ist in A m m o n i u m sulfid-Lösung zu Ammoniumthioarsenat löslich. As 2 S 5 + 3(NH 4 ) 2 S = 2(NH 4 ) 3 [AsS 4 ] . Auch in Ammoniumcarbonat-Lösung löst er sich, und zwar zu einem Gemische von Arsenat und Thioarsenat. Aus weniger stark sauren Arsensäure-Lösungen bildet sich der Sulfidniederschlag nur langsam, weil das Gleichgewicht As 5 + + 4 H 2 0 = [AsOJ 3 - + 8H+ nur in stark saurer Lösung nach links verschoben liegt, das [As0 4 ] 3 _ -Ion aber keine Sulfidfällung geben kann. In schwach sauren Lösungen wird hingegen die Arsensäure durch den Schwefelwasserstoff langsam zur arsenigen Säure reduziert, so daß allmählich ein Gemisch von Arsentrisulfid und Schwefel ausfällt.

Bei den folgenden Umsetzungen beachte man die Ähnlichkeit mit den S. 47/48 beschriebenen Reaktionen der Phosphorsäure:

Arsen

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Wenig Arsensäure-Lösung werde mit Salpetersäure stark angesäuert und mit dem m e h r f a c h e n Volumen A r n m o n i u m m o l y b d a t - L ö s u n g versetzt; bei schwacher (vgl. S. 47) Erwärmung der Mischung treten eine Gelbfärbung und bald ein gelber Niederschlag vom A m m o n i u m s a l z e d e r k o m p l e x e n M o l y b d ä n a r s e n s ä u r e (NH4)3[As(Mo3O10)4] auf. M a g n e s i u m s a l z e fällen aus der mit Ammoniumchlorid- und Ammoniak-Lösung versetzten Arsensäure - Lösung kristallwasserhaltiges A m m o n i u m m a g n e s i u m a r s e n a t NH 4 MgAs0 4 (Mikroskop! Vgl. S. 67). S i l b e r n i t r a t fällt zunächst nichts. Wird aber — am besten tropfenweise mit einem Glasstabe — die zur Bindung der freien Säure nötige Menge Ammoniak-Lösung (nicht mehr!) hinzugesetzt, so fallt r o t b r a u n e s S i l b e r a r s e n a t . H3AS04

+ 3AgN0 3 + 3NH 3 = Ag 3 As0 4 + 3 N H 4 N 0 3 .

Silberarsenat ist in Salpetersäure und auch in Ammoniak-Lösung löslich. Die Silberarsenatreaktion kann nicht nur zu der Entscheidung dienen, ob drei- oder fünfwertiges Arsen vorliegt, sie gestattet auch, im Magnesiumammonium arsenat-Niederschlage die Arsensäure nachzuweisen und so diesen Niederschlag von dem entsprechenden Phosphatniederschlage zu unterscheiden.

Man lasse den soeben dargestellten Niederschlag von Magnesiumammoniumarsenat eine Viertelstunde stehen, filtriere ab und wasche den Niederschlag auf dem Filter mit Wasser gut aus. Eine Probe des Niederschlages werde mit einem Tropfen neutraler SilbernitratLösung befeuchtet; er färbt sich durch Bildung von Silberarsenat rotbraun. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Arsensäure — ähnlich wie die Phosphorsäure — mit nahezu allen zwei- und dreiwertigen Ionen in a l k a l i s c h e r , zum Teil auch in s c h w a c h s a u r e r L ö s u n g schwer lösliche Niederschläge liefert. Als Beispiel fälle man mit B a r y t w a s s e r Bariumarsenat. A r s e n w a s s e r s t o f f AsH3 und AntimonWasserstoff SbH3 sind weniger beständig als Ammoniak. Schon beim gelinden Erhitzen zersetzen sie sich in Wasserstoff und Metall, das sich an der Gefäßwand als Spiegel abscheidet. Zündet man Arsenwasserstoff an, so verbrennt er an der Luft zu Arsentrioxyd und Wasser. Der Wasserstoff reagiert dabei schneller als das Arsen. Bringt man einen kalten Gegenstand in die Flamme, so scheidet sich das unverbrannte Arsen als „Arsenfleck" ab. Da sich Arsenwasserstoff schon mit äußerst kleinen Mengen einer beliebigen Arsenverbindung bildet, kann man ihn zum Nachweis kleiner Arsenmengen in der Gütanalyse benutzen (Marshsche Arsenprobe). Zur Darstellung von Arsenwasserstoff behandelt man eine beliebige Arsenverbindung mit einem unedlen Metall (z. B. Zink) und Säure:

H3As03 + 3Zn + 6 HCl = AsH3 + 3ZnCl, + 3H 2 0 .

145

Arsen

Bei dem nachstehenden Versuch beachte man, daß Arsenwassers t o f f s e h r g i f t i g ist. Das Einatmen des Gases kann zum Tode führen. Vor allem sei man beim Auseinandernehmen der Apparatur vorsichtig!

Man setze unter dem Abzüge den in Fig. 24 dargestellten Apparat aus folgenden Teilen zusammen: einem 200 ccm fassenden Kölbchen, einem Einfülltrichter, einem Calciumchloridrohre (6), in das zum Trocknen des Gases einige Stücke gekörntes Calciumchlorid zwischen zwei Wattebäuschchen kommen, und dem Zersetzungsrohre. Letzteres wird aus einem schwer schmelzbaren, außen 7 mm weiten Glasrohre nach der Zeichnung gefertigt. Die Rohre werden mit kurzen Stücken Gummischlauch so miteinander verbunden, daß Glas*an Glas stößt.

Figur 24. M a r s h sehe Probe

In den Kolben kommen acht je etwa 1 cm lange Stängelchen reinen Zinks, dazu ein wenig verdünnte Schwefelsäure und ein Tropfen Kupfersulfat-Lösung. Sobald lebhafte Gasentwicklung im Gange ist und die Zinkstückchen sich mit ausgeschiedenem Kupfer überzogen haben, gieße man die Flüssigkeit von den Zinkstückchen möglichst ab, gebe neue, etwa 20-proz. Schwefelsäure (verdünnte Säure, der etwas konzentrierte Säure zugesetzt ist) hinzu und setze den Apparat völlig zusammen. Über die Ausströmungsöffnung des Zersetzungsrohres stülpe man ein umgekehrtes Probierglas. Nach etwa x j 2 Minute entfernt man das Probierglas, verschließt es sofort mit dem Daumen, nähert es einer entfernt von der Apparatur stehenden Flamme und öffnet es wieder. Explodiert der Inhalt mit lautem Knall, so ist noch Luft in der Apparatur. Nachdem die Flamme im Reagensglas sicher erloschen ist, wiederholt man die Prüfung, bis der Inhalt des Probierglases sich fast lautlos entzünden läßt1). Dann erst erhitze man das Zersetzungsrohr kurz vor einer ausgezogenen Stelle (vgl. Fig. 24) bis zum Glühen, 1 ) Apparaturen, die mit Wasserstoff gefüllt werden müssen, prüft man stets in der oben beschriebenen Weise auf die Abwesenheit von Sauerstoff, ehe man sie in Betrieb nimmt.

B i l t z , Einführung. 22. und 23. Aufl.

10

146

Antimon

während man den vor und hinter dieser Stelle befindlichen Teil des Rohres durch den Ring des Kochgestelles stützt. Auch nach längerer Zeit — im Ernstfalle etwa einer halben Stunde; hier mögen einige Minuten genügen — darf bei x kein Arsenspiegel im Rohre entstehen; andernfalls wären die Materialien arsenhaltig und müßten durch neue ersetzt werden. Scheidet sich kein Arsenspiegel ab, so gebe man e i n e n T r o p f e n verdünnter Arsenigsäure-Lösung in den Trichter und spüle ihn mit einigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure in den Kolben. Nach einiger Zeit wird sich jetzt hinter der erhitzten Stelle bei z ein A r s e n s p i e g e l niederschlagen. Wenn der erste Arsenspiegel dunkel genug geworden ist, kann man durch Erhitzen bei c an der zweiten Verjüngungsstelle einen zweiten Spiegel entstehen lassen. Jetzt entferne man die Flamme und entzünde das ausströmende Gas. Die Flamme färbt sich weißlich, und ein w e i ß e r R a u c h v o n A r s e n t r i o x y d steigt auf. Wird die Flamme jetzt durch eine kalte Abdampfschale niedergedrückt, so bildet sich innerhalb des flammenbedeckten Teiles an der Schale ein braunschwarzer A r s e n f l e c k . Charakteristisch für den Arsenspiegel bzw. die Arsenflecke ist die namentlich am Rande deutlich wahrzunehmende B r a u n f ä r b u n g (die ähnlichen Antimonflecke sind tiefsammetschwarz). Ein Fleck werde mit einem Tropfen gelber A m m o n i u m s u l f i d - L ö s u n g betupft ; bei vorsichtigem Abrauchen der Lösung hinterbleibt ein g e l b e r Fleck von Arsensulfid. Ein zweiter Arsenfleck werde in etwas frischer N a t r i u m h y p o c h l o r i t - L ö s u n g (NaCIO vgl. S. 153/155) aufgelöst, wobei er sich zu Arsensäure oxydiert. Ein Antimonfleck würde sich nicht lösen. 2 As + 5 NaCIO + 3 H 2 0 = 2H 3 As0 4 + 5NaCl. Antimon Antimon ist als Element und in seinen Verbindungen dem Arsen recht ähnlich. Es ist silberweiß, spröde und schwerer flüchtig als Arsen. An O x y d e n bzw. Hydroxyden kennt man außer dem Trioxyd Sb 2 0 3 und dem nur in wasserhaltiger Form bekannten Pentoxyd Sb 2 0 6 noch weitere Verbindungen, die drei- und fünfwertiges Antimon nebeneinander enthalten; ihre Erforschung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Antimonoxyde sind ziemlich schwer flüchtig; sie sind, ähnlich wie Zinndioxyd, in Wasser und Salpetersäure fast unlöslich. Scheidet man das Trioxyd oder das Pentoxyd aus Antimoniten oder Antimonaten ab, so entstehen Produkte mit wechselndem Wassergehalte, die im folgenden der Einfachheit halber als Sb(OH)3 bzw. Sb 2 0 6 formuliert werden. Antimonige Säure ist schwächer sauer als arsenige Säure und noch ausgesprochener amphoter. Die Verbindungen, in denen Sb(OH)3 als Base fungiert, sind stark hydrolysiert. Vielfach findet sich in basischen Verbindungen die Gruppe (SbO)+, die als „Antimonylgruppe" bezeichnet wird; z. B. SbOCl Antimonylchlorid (vgl. dazu auch S. 121). Das in Wasser fast unlösliche Oxyd des f ü n f w e r t i g e n Antimons löst sich zwar in Salzsäure, verhält sich aber in der Mehrzahl seiner Umsetzungen als typisches Säureanhydrid.

Antimon

147

Verbindungen des dreiwertigen Antimons können reduzierend, die des fünfwertigen oxydierend wirken. Die Reduktion zu Metall gelingt in wäßriger Lösung sehr leicht, so z. B. schon mit Eisen (Unterschied gegen Zinn!).

Man erhitze etwas A n t i m o n in einem einseitig geschlossenen Glasröhrchen. Es schmilzt bei 630°; bei der Hitze des Bunsenbrenners läßt es sich nicht verdampfen. Beim Erhitzen mit der Lötrohrflamme auf Kohle gibt Antimon einen weißen Beschlag von Oxyden, der beim Erwärmen wesentlich weniger flüchtig ist als beim Arsen. D r e i w e r t i g e s A n t i m o n . Man erhitze etwas gepulverten G r a u s p i e ß g l a n z (Sb 2 S 3 ) in einem Probierglase mit 2 ccm konzentrierter Salzsäure. Unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff löst sich der Grauspießglanz zum Teile auf. Sb 2 S 3 + 6 HCl = 2 SbCl 3 + 3 H 2 S . Nach dem Erkalten filtriere man und koche das Filtrat bis zur Entfernung des gelösten Schwefelwasserstoffes. Nachdem man die Lösung vorsichtig tropfenweise mit Wasser verdünnt hat —• eine etwa entstehende Trübung werde mit einem Tropfen konzentrierter Salzsäure wieder in Lösung gebracht — verwende man sie zu den folgenden Umsetzungen. W a s s e r hydrolysiert und fällt weißes A n t i m o n y l c h l o r i d , das bei längerem Stehen mit viel Wasser in wasserhaltiges Antimontrioxyd übergeht. Wird zu dieser Mischung konzentrierte Salzsäure gesetzt, so löst sich das Antimonylchlorid wieder auf. Beim Verdünnen bildet sich dann wieder ein Niederschlag usw. Ein schönes Beispiel für die Massenwirkung: SbCl,3 + H 2, 0

* HCl

SbOCl + 2 H a .

Auf Zusatz von W e i n s ä u r e löst sich der Antimonylchloridniederschlag zur innerkomplexen A n t i m o n y l w e i n s ä u r e auf; das Kaliumsalz dieser Säure ist als „Brech Weinstein" auch in fester Form bekannt. Aus einer Lösung dieses Salzes (also bei Abwesenheit überschüssiger freier Weinsäure) fallt verdünnte Salzsäure wieder Antimonylchlorid aus, weil die Antimonylweinsäure nur ein mäßig starker Komplex ist. N a t r o n l a u g e , in geringer Menge zugesetzt, fallt wasserhaltiges A n t i m o n t r i o x y d (Antimonige Säure); ein Überschuß löst dieses zu N a t r i u m a n t i m o n i t . SbCl 3 + 3 N a O H = Sb(OH) 3 + 3NaCl N a O H + . S b ( O H ) 3 = Na[Sb(OH)J. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt A n t i m o n t r i s u l f i d Sb 2 S 3 in roter! flockiger Form. | 2 SbCl 3 + 3 H 2 S = Sb 2 S 3 + 6 H C l . 10*

148

Antimon

Dieses rote Antimontrisulfid stellt eine zweite instabile Modifikation neben dem grauschwarzen Grauspießglanz dar. Beim Erwärmen unter Luftausschluß geht die rote Form in die grauschwarze über.

In farblosem Ammoniumsulfid ist das Antimontrisulfid zu A m m o n i u m t h i o a n t i m o n i t , in gelbem Ammoniumsulfid zu Ammonium t h i o a n t i m o n a t löslich. Sb 2 S 3 + 3(NH 4 ) 2 S = 2(NH 4 ) 3 [SbS 3 ] Sb 2 S 3 + 3(NH 4 ) 2 S + 2 S = 2(NH 4 ) 3 [SbS 4 ]. U m s e t z u n g e n d e s f ü n f w e r t i g e n A n t i m o n s . In einer Abdampfschale erwärme man etwas gepulvertes Antimon mit wenig konzentrierter Salpetersäure mit kleiner Flamme und verdampfe die Salpetersäure vorsichtig unter Blasen mit dem Munde fast völlig. Etwas von dem weißen Rückstände, der aus wasserhaltigem A n t i m o n p e n t o x y d („Metaantimonsäure") besteht und den man möglichst von Antimonteilchen befreit, werde mit etwas wasserfreier Soda und Kaliumnitrat, das in diesem Falle nur als Flußmittel dient, auf einem Porzellantiegeldeckel geschmolzen. Beim Aufnehmen der Schmelze mit Wasser bleibt kristallwasserhaltiges saures N a t r i u m p y r o a n t i m o n a t Na 2 H 2 Sb 2 0 7 x ) ungelöst. Es ist eines der wenigen in Wasser schwer löslichen Natriumsalze (vgl. S. 64). Statt Metaantimonsäure können auch andere beliebige Verbindungen des Antimons genommen werden; niederwertige Verbindungen werden durch das Nitrat oxydiert. Eine weitere Probe der Metaantimonsäure löse man unter Erwärmen in wenig verdünnter Salzsäure. Die so gebildete A n t i m o n p e n t a c h l o r i d - L ö s u n g , die viel kolloid gelöstes Antimonpentoxyd enthält, verwende man zu folgenden Umsetzungen: W a s s e r : Zu einigen Tropfen Antimonpentachlorid-Lösung setze man einige Kubikzentimeter Wasser und lasse stehen. Nach einiger Zeit scheidet sich durch Hydrolyse gebildetes wasserhaltiges Antimonpentoxyd aus. 2SbCl s + 5 H 2 0 = Sb 2 0 5 + 10 HCl. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f fällt aus Antimonpentachlorid-Lösung rotes A n t i m o n p e n t a s u l f i d bzw. Antimontrisulfid und Schwefel. Auf Zusatz von Ammoniumsulfid-Lösung löst sich der Niederschlag zu A m m o n i u m t h i o a n t i m o n a t . O x y r t a t i o n s - R e d u k t i o n s - R e a k t i o n e n . Zu N a t r i u m a n t i monit-Lösung gebe man etwas S i l b e r a m m o n i a k s a l z - L ö s u n g , z. B. Silbernitrat-Lösung, die bis zur Auflösung des zuerst ausgefällten Silberoxydniederschlages mit Ammoniak-Lösung versetzt 1 ) Die Formel ist nicht sicher; es kann sich auch um ein Hydroxosalz Na[Sb(OH)e] handeln.

Wismut

149

ist. Die anfangs farblose Mischung bräunt sich bald, und es scheidet sich schwarzbraunes S i l b e r in Flocken aus. Schwaches Erwärmen beschleunigt den Vorgang. [Sb(OH) 4 r + 2[Ag(NH3)2]+ + 4 0 H = 2Ag + [Sb0 4 ] 3 " + 4NHS + 4 H 2 0 . Das Antimonit geht also in Antimonat über, wobei es das Silbersalz zu metallischem Silber reduziert. Durch dies Verhalten unterscheidet man dreiwertige Antimonverbindungen von fünfwertigen. Ein Tropfen stark mit Salzsäure angesäuerter, also im wesentlichen a nt im o npen t a chlorid haltiger Antimonsäure-Lösung werde mit etwas Kaliumjodid-Lösung gemischt und erwärmt. Es scheidet sich J o d aus, das sich beim Durchschütteln der abgekühlten Mischung mit etwas Chloroform mit violetter Farbe in diesem löst. Unterschiedsprobe gegen die Verbindungen des dreiwertigen Antimons! 6+

1-

3+

±0

SbCl5 + 2 K J = SbCl3 + 2KCl + J 2 • In etwas salzsaure Antimonsalz-Lösung gleichgültig ob dreioder fünfwertig) bringe man einen Eisennagel. Elementares Antimon scheidet sich in schwarzen Flocken ab. Einen Tropfen einer salzsauren Antimonsalz-Lösung bringe man auf ein Platinblech und gebe ein Stückchen Zink hinein. Bald bildet sich auf dem Bleche ein schwarzer, f e s t h a f t e n d e r A n t i m o n fleck, während Zink in Lösung geht. Nach einiger Zeit spüle man den Fleck mit Wasser ab und löse ihn mit einigen Tropfen Salpetersäure, die mit Weinsäure versetzt ist. Verdünnt man die entstandene Lösung und gibt Schwefelwasserstoffwasser hinzu, so scheidet sich rotes Antimonsulfid aus. A n t i m o n w a s s e r s t o f f . Der Marshsche Versuch werde in gleicher Weise wie beim Arsen mit etwas Antimonlösung ausgeführt. Man erhält im Glasrohre und auf der Porzellanschale matt.-sammetartige schwarze Flecken. Sie geben beim Betupfen mit Ammoniumsulfid einen r o t e n Fleck von Antimonsulfiden. Auch lösen sie sich n i c h t in frischer Natriumhypochlorit-Lösung, wodurch sie sich von den ähnlichen Arsenflecken unterscheiden. Wismut Wismut ist ein hellgraues Metall mit rötlichem Farbtone. Es schmilzt schon bei 271°, ist aber sehr schwer flüchtig. In starker Salpetersäure löst es sich zu Wismutnitrat Bi(N0 3 ) 3 , d. h. also zur dreiwertigen Stufe. Wismuthydroxyd Bi(OH)3 ist eine schwache Base; saure Eigenschaften fehlen ihm fast völlig. Von der fünfwertigen Stufe sind nur wenige, unbeständige Verbindungen bekannt (vgl. S. 130).

150

Wismut

Man löse ein Stückchen Wismut in wenig konzentrierter Salpetersäure unter Erwärmen auf, verdünne die Lösung tropfenweise mit Wasser und gieße oder filtriere ab, ehe eine bleibende Trübung entsteht. Wasser: Wird zu der Lösung reichlich kochendes Wasser gesetzt, so fallen basische Wismutnitrate, etwa Bi(OH)2NOs, aus: Bi(N0 3 ) 3 + 2H 2 0 = Bi(0H) 2 N0 3 + 2HN0 3 . Fügt man vor dem Verdünnen wenig Natriumchlorid zu, so fiällt das noch schwerer lösliche Bismutylchlorid BiOCl aus. Enthält die Wismutsalz-Lösung viel freie Säure, so erfolgt ein Niederschlag erst nach dem Zusatz von sehr viel Wasser und nach längerem Stehen. Durch Zusatz von Weinsäure kann das Entstehen dieses Niederschlages — anders als beim Antimon — nicht verhindert werden. Natronlauge fällt W i s m u t h y d r o x y d , das sich im Überschuß von Natronlauge nicht löst. Wird WasserstoffperoxydLösung oder Bromwasser zu der Mischung gegeben, so färbt sich der Niederschlag hellbraun, weil das Wismut teilweise in den f ü n f wertigen Zustand übergeht. Schwefelwasserstoff fällt schwarzbraunes W i s m u t t r i s u l f i d Bi2S3. K a l i u m j o d i d fällt schwarzrotes W i s m u t t r i j o d i d BiJs. Ein Überschuß an Kaliumjodid-Lösung löst das Wismuttrijodid zum komplexen Kaliumwismutjodid K[BiJ 4 ]. Stannit-Lösung: Wird zu einer Wismutnitrat - Lösung Natriumstannit-Lösung (vgl. S. 132 u. 134) gesetzt, so fällt schwarzes elementares Wismut aus. 3+

2+

±0

1+

2Bi(OH)3 + 3Na[Sn(OH)3] + 3NaOH = 2Bi + 3Na2[Sn(OH)„].

151

Nichtmetallverbindungen, zweiter Teil I m folgenden sind die Elemente nach dem Perioden-System geordnet.

VII. Gruppe Halogene Zu der Gruppe der Halogene gehören die Elemente F l u o r , Chlor, B r o m und J o d . Von diesen haben wir das Chlor bereits besprochen. Auch vom Brom und Jod haben wir schon einige charakteristische Eigenschaften kennengelernt. So haben wir S. 19 die Charakterisierung dieser Elemente durch die beim Ausschütteln auftretenden Farben der Lösungen in Chloroform besprochen. Besonders kennzeichnend ist die intensive blaue Farbe, die auftritt, wenn man eine Jod-Lösung mit Stärke-Lösung versetzt. Man löse je ein Körnchen Jod in Alkohol, Schwefelkohlenstoff und Chloroform und notiere die Farben der Lösung. Während sich Jod in Wasser nur wenig löst, ist es in einer K a l i u m j o d i d - L ö s u n g reichlich löslich. Dabei bildet sich unter Anlagerung einer Jodmolekel an ein Jodion das [J 3 ] _ -Ion. Man verdünne etwas J o d - L ö s u n g so stark, daß die braune Farbe kaum noch zu erkennen ist, und gebe etwas S t ä r k e - L ö s u n g dazu. Die Flüssigkeit färbt sich tiefblau. Halogenwasserstoffe Die Verwandtschaft der Halogene zur negativen Ladung, ihre negative Elektroaffinität, wächst vom Jod zum Fluor. So haben wir bereits S. 19 gesehen, daß elementares Chlor Brom- und Jodionen zu den freien Halogenen oxydiert. Das Fluor schließlich ist so stark elektronegativ, daß es sogar den Sauerstoff des Wassers verdrängt: 2 F , + 2 H 2 0 = 4 H F + 0 2 >). Ganz entsprechend fällt die Bildungswärme der Halogenwasserstoffverbindungen vom Fluor- zum Jodwasserstoff ab. Damit hängt ea zusammen, daß wäßrige Brom- und besonders Jodwasserstoffsäure durch den Luftsauerstoff leicht oxydiert werden und sich daher beim Stehen, namentlich im Licht, allmählich dunkel färben: 4 H J + 02 = 2H20 + 2 J2 . Diese leichtere Oxydierbarkeit des Brom- und Jodwasserstoffs kommt auch darin zum Ausdruck, daß man diese Verbindungen nicht wie Chlorwasserstoff Der Sauerstoff ist mit etwas Fluoroxyd F 2 0 verunreinigt.

152

Halogenwasserstoffe

durch Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure auf ihre Alkalimetallsalze darstellen kann, weil Bromwasserstoff dabei teilweise, Jodwasserstoff vollständig oxydiert wird: 2 H J + H 2 S 0 4 = J 2 + SO* + 2 H J O .

Benutzt man an Stelle der Schwefelsäure die nicht oxydierende Phosphorsäure, so läßt sich Bromwasserstoff ohne Zersetzung darstellen. Jodwasserstoff kann man jedoch auch so nicht rein gewinnen, weil bei der erforderlichen Temperatur das Gleichgewicht 2 H J = H 2 + J 2 bereits merklich nach der rechten Seite verschoben ist. Durch schwächere Oxydationsmittel, wie salpetrige Säure (vgl. dazu S. 162), wird aus den Halogenwasserstoffsäuren nur Jod, nicht aber Brom freigemacht. I n den p h y s i k a l i s c h e n Eigenschaften der wasserfreien Halogenwasserstoffverbindungen nimmt der bei + 20°, d. h. etwa bei Zimmertemperatur siedende Fluorwasserstoff eine Sonderstellung gegen die übrigen Halogenwasserstoffverbindungen ein; denn wasserfreier Chlorwasserstoff siedet bei — 86°, Bromwasserstoff bei —67° und Jodwasserstoff bei —36°. Ähnliches findet man auch bei Wasser und Ammoniak in den Reihen: H 2 0 , H 2 S, H 2 Se, HjTe bzw. NH 3 , P H 3 , ASH3, SbH 3 . — Die Löslichkeit aller Halogenwasserstoffe in Wasser ist sehr groß. I n den Löslichkeitsverhältnissen ihrer S a l z e ähneln sich Chlor-, Bromund Jodwasserstoff, wie S. 92 für die Silbersalze gezeigt worden ist. Die F l u o r i d e verhalten Sich anders: Silberfluorid ist sehr leicht löslich, während Calciumfluorid („Flußspat") im Gegensatz zu dem sehr leicht löslichen Calciumchlorid schwer löslich ist. Alle Halogenwasserstoffsäuren neigen zur K o m p l e x b i l d u n g . So lernten wir z. B. die Platinchlorwasserstoffsäure H 2 [PtCl e ] und die Silberjodwasserstoffsäure H[AgJ 2 ] bereits kennen. Besonders hinzuweisen ist auf die Kieselfluorwasserstoffsäure H 2 [SiF 6 ], weil sie sich bildet, wenn man mit Fluorwasserstoff-Lösungen in Glasgefäßen arbeitet. Wir besprechen sie S. 164. Noch mehr zur Komplexbildung neigen die nachstehenden Säuren, die sich den Halogenwasserstoffsäuren ähnlich verhalten, obwohl sie gar kein Halogen enthalten: HCN Cyanwasserstoff (Blausäure) HCNO Cyansäure HCNS Thiocyansäure (Rhodanwasserstoff). Die wichtigsten Umsetzungen dieser Säuren haben wir schon kennengelernt; hingewiesen sei besonders auf die Fällung der CN _ -Ionen mit Ag+Ionen und die Auflösung des Niederschlages in überschüssigem Cyanid nach der Gleichung: AgCN + CN" = [Ag(CN) 2 ]- (vgl. S. 93f.). Auch das freie C y a n (CN)2 ist den Halogenen ähnlich. Man gewinnt das s e h r g i f t i g e Gas durch Erhitzen von Schwermetallcyaniden: Hg(CN) 2 = Hg + (CN) 2 .

Man gebe unter dem Abzüge zu etwas festen K a l i u m bromid k o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e . Durch Brom verunreinigter Brom Wasserstoff entweicht in Strömen, die Flüssigkeit färbt sich durch freies Brom braun. Behandelt man K a l i u m j o d i d in entsprechender Weise, so wird reichlich Jod ausgeschieden. Man gebe zu Natriumfluorid-Lösung Silbernitrat-Lösung. Es bildet sich kein Niederschlag. Gibt man zu Natriumfluorid-

Halogensauerstoffverbindungen

153

Lösung dagegen Calciumchlorid-Lösung, so scheidet sich voluminöses C a l c i u m f l u o r i d ab. Man mische einen Tropfen N a t r i u m C y a n i d - L ö s u n g mit einem Tropfen g e l b e n A m m o n i u m s u l f i d s u n d dampfe in einer Abdampfschale auf dem Wasserbade zur Trockene. D e n Rückstand befeuchte m a n mit einigen Tropfen Salzsäure u n d gebe eine Spur FerrichloridLösung hinzu. Die Lösung färbt sich durch Bildung von Ferrir h o d a n i d (vgl. S. 114) dunkelrot. N a C N + (NH 4 ) 2 S 2 = N a C N S + (NH 4 ) 2 S . Man erhitze im trockenen Probierglase u n t e r d e m A b z ü g e etwas M e r c u r i c y a n i d . E s bildet sich C y a n g a s , das beim Anzünden mit purpurgesäumter F l a m m e verbrennt. Halogensauerstoffverbindungen Man kennt folgende O x y d e und S ä u r e n (bzw. ihre Salze) des C h l o r s : Elektrovalenzzahl des Chlors1)

Oxyd

Säure

1— 1 + 3 4 5 6 7

+ + + + +

CljO Chlormonoxyd —

C102 Chlordioxyd

f

C1206 Chlorhexoxyd £ C1207 Chlorheptoxyd ->•

Name der Salze

Chloride HCl Salzsäure HC10 Unterchlorige Hypochlorite Säure HC102 Chlorige Säure Chlorite | HC103 Chlorsäure

Chlorate



HC104 Überchlorsäure

Perchlorate

Dabei deuten die Pfeile an, wie sich die Oxyde mit Wasser bzw. Lauge umsetzen. Von diesen Verbindungen behandeln wir hier nur die umrahmten. Chlorgas setzt sich mit W a s s e r in ganz geringem Umfange nach der Gleichung Cl2 + H 2 0 ^ H+ + Gl" + HC10 um, nach der unter Disproportionierung der Chlormolekel neben Cl _ -Ionen freie u n t e r c h l o r i g e S ä u r e entsteht. Einem Fortschreiten der Reaktion nach rechts wirken die entstehenden H+-Ionen entgegen. Fängt man diese jedoch mit 0H~-Ionen weg, leitet man also Chlorgas in N a t r o n l a u g e ein, so setzt es sich nach der Gleichung Cl2 + 2NaOH = NaCl + NaCIO + H 2 0 J) Die Annahme von Ionenbindung in Stoffen, wie C120 usw., ist zwar für die Behandlung der Oxydationsprozesse bequem, aber gerade hier eine von den wirklichen Verhältnissen stark abweichende Näherung.

154

Halogensauerstoffverbindungen

vollständig um. Beim Ansäuern hingegen verschiebt sich das Gleichgewicht wieder entsprechend dem unteren Pfeil der vorletzten Gleichung und es bildet sich Chlor zurück. Ähnlich wie gegen Natronlauge verhält sich Chlorgas gegen Calciumhydroxyd, wobei der hypochlorithaltige, im übrigen verwickelt zusammengesetzte „Chlorkalk" entsteht. Die Hypochlorite sind instabile Verbindungen. Noch sehr viel unbeständiger ist die u n t e r c h l o r i g e S ä u r e . Das Entstehen dieser energiereichen Stoffe wird nur dadurch ermöglicht, daß bei dem Übergang eines ChloratomB in ein Chloridion so viel Energie frei wird, daß dem zweiten Chloratom der Chlormolekel Energie zur Bildung einer instabilen Verbindung zur Verfügung steht, die sich ohne diese Energiezufuhr nicht bilden könnte („Gek o p p e l t e R e a k t i o n " ) . Derartige instabile Stoffe versuchen, in einen stabileren Zustand überzugehen. Unterchlorige Säure wirkt deshalb gegenüber oxydierbaren Stoffen als starkes Oxydationsmittel. Da es aber auch noch höhere Oxydationsstufen des Chlors gibt, die ebenfalls stabiler als die unterchlorige Säure sind, kann die unterchlorige Säure gegenüber reduzierbaren Stoffen auch als starkes Reduktionsmittel wirken. Ganz entsprechend liegen die Verhältnisse bei einigen anderen instabilen Stoffen mittlerer Oxydationsstufe, z. B. bei Chlorsäure (siehe weiter unten), salpetriger Säure (S. 162), Wasserstoffperoxyd (S. 157). Besonders häufig macht man von der O x y d a tionswirkung der unterchlorigen Säure Gebrauch. Diese kommt — ähnlich wie wir es z. B. bei der Salpetersäure kennengelernt haben — in erster Linie der undissoziierten Säure zu, weniger den C10~-Ionen. Die freie Säure ist auch in schwach alkalischer Lösung in geringem Umfange vorhanden; denn die unterchlorige Säure ist sehr schwach, so daß ihre Salze stark hydrolysieren. Beim Erwärmen oxydieren HClO-Molekeln C10~-Ionen nach der Gleichung J+ 2HC10 + [CIO]- + 2 OH- = [C103]- + 2C1- + 2H a O , wobei sich Chlorationen bilden. In der W ä r m e reagiert daher Chlorgas mit Laugen nach der Gleichung 3C12 + 6 OH" = C10 3 - + 5C1- + 3 H 2 0 direkt zu Chlorat und Chlorid. Hier liegt ebenfalls eine gekoppelte Reaktion vor. Auch Chlorate sind instabile Stoffe, die ihre Bildung dem gleichzeitigen Entstehen von Chloridionen verdanken; sie sind jedoch weniger energiereich als die Hypochlorite. — Ähnlich wie die CIO "-Ionen sind auch die C10 3 --Ionen neben C1 "Ionen nur in alkalischer Lösung beständig. In saurer zersetzen sie sich gemäß: j j ^ + 5HC1 = + 3 ^ 0 . Beim Behandeln von Chloraten mit k a l t e r konzentrierter Schwefelsäure bildet sich neben Sauerstoff das explosible C h l o r d i o x y d , da das Anhydrid C1205 der Chlorsäure nicht beständig ist: 4HC10 3 — 2 H 2 0 = 4C102 + 0 2 . Noch beständiger als die Chlorate sind schließlich die P e r c h l o r a t e , die z. B. beim Erhitzen von Chloraten — wiederum in gekoppelter Reaktion und unter Disproportionierung — nach der Gleichung 4KC10 3 = KCl + 3KC10 4 entstehen. Daneben erfolgt allerdings auch eine Zersetzung gemäß 2KC10 3 = 2KCl + 3 0 a . Bei Anwesenheit von Katalysatoren, wie Braunstein, erfolgt die Umsetzung sogar ausschließlich nach der letzten Gleichung. — Die Überchlorsäure ist, den S. 86 ff. besprochenen Regeln entsprechend, eine sehr starke Säure. Das schwer lösliche Kaliümsalz ist schon S. 57 besprochen worden.

Halogenaauerstoffverbindungen

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Auch Brom und Jod lösen sich in Lösungen, die OH _ -Ionen enthalten, zu unterbromiger bzw. u n t e r j o d i g e r Säure, die in ihren Umsetzungen der unterchlorigen Säure weitgehend entsprechen. Jodsäure erhält man leicht durch Oxydation von Jodiden oder Jod mit Chlor in wäßriger Lösung: J - + 3C12 + 3H a O = [J0 3 ]- + 6H+ + 6C1- . Brom dagegen läßt sich mit Chlor n i c h t zur Bromsäure oxydieren. Bromate bzw. Jodate setzen sich in saurer Lösung mit Brom- bzw. Jodionen ebenso zu freiem Halogen um, wie es oben für die Einwirkung von Chloraten auf Chlorionen beschrieben ist, z. B.: HJ0 3 + 5HJ = 3H 2 0 + 3 J 2 .

Ein halbes Probierglas Chlorwasser werde nach Zugabe einiger Tropfen N a t r o n l a u g e geschüttelt, wobei der Geruch nach Chlor verschwindet. Ein Teil dieser Lösung entfärbt einen Tropfen IndigoLösung (Oxydationswirkung der u n t e r c h l o r i g e n Säure!). Der Rest werde mit S c h w e f e l s ä u r e angesäuert, worauf der Geruch nach Chlor wieder zu erkennen ist. HCl + HCIO = H 2 0 + Cl 2 . Man schüttele C h l o r k a l k mit Wasser und stelle mit dem Filtrate die gleichen Versuche an. Eine kleine Spatelspitze (nicht mehr!) K a l i u m c h l o r a t werde auf H o l z k o h l e mit der Lötrohrflamme unter dem Abzüge erhitzt (Schutzbrille!). Es erfolgt lebhafte V e r p u f f u n g unter Feuererscheinung. Eine kleine Probe K a l i u m c h l o r a t werde mit konzentrierter S a l z s ä u r e in einem Probierglase schwach erwärmt. Es entweicht C h l o r gas. Wenn es sich in der Giftanalyse um den Nachweis von Metallen in organischen Stoffen (Speisen usw.) handelt, werden die organischen Stoffe durch diese Mischung oxydiert und entfernt. Kaliumchlorat-Lösung gibt — vorausgesetzt, daß sie frei von K a l i u m c h l o r i d ist — mit Silbernitrat-Lösung keinen Niederschlag. Nach Zusatz von einigen Zinkstückchen und etwas verdünnter Schwefelsäure fällt Silberchlorid aus, weil jetzt die Chlorsäure zur Salzsäure reduziert wird. Bei dem Versuch verdünne man mit Wasser, da auch Silbersulfat wenig löslich ist (vgl. S. 20). Die Reduktion von Chlorsäure kann man auch mit salpetriger Säure erreichen; vgl. dazu S. 163.

In einem trockenen Probierglase, das in schräger Lage in ein Stativ geklammert ist, übergieße man eine Spatelspitze K a l i u m c h l o r a t (nicht mehr!) mit 2—3 Tropfen k o n z e n t r i e r t e r S c h w e f e l s ä u r e . Es entwickelt sich langsam gelbgrünes C h l o r d i o x y d , das beim Erwärmen des o b e r e n Teiles des Probierglases mit schwacher Detonation verpufft. Man hüte sich, das Gemisch von Kaliumchlorat und Schwefelsäure selbst zu erwärmen, weil dabei heftige

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Halogensauerstoffverbindungen

Explosionen eintreten können. (Der Versuch ist hinter der Glasscheibe des Abzuges auszuführen!) In einem trockenen Probierglase werde etwas K a l i u m c h l o r a t , dem etwas B r a u n s t e i n zugesetzt ist, vorsichtig erhitzt. Es entweicht S a u e r s t o f f , der mit einem glühenden Holzspan nachgewiesen werde. Erhitzt man 1—2 g K a l i u m c h l o r a t ohne Braunsteinzusatz, so schmilzt es und entwickelt viel weniger Sauerstoff. Nachdem man die Gasentwicklung einige Minuten in Gang gehalten hat, lasse man die Schmelze erstarren und abkühlen. Beim Ausziehen mit heißem Wasser löst sich nur ein Teil. In der Lösung lassen sich mit Silbernitrat Chlorionen nachweisen. Das Ungelöste besteht im wesentlichen aus K a l i u m p e r c h l o r a t . Man bringe auf dem Objektträger ein kleines Körnchen davon in einem Tropfen Wasser durch Erhitzen in Lösung und vergleiche die beim Erkalten entstehenden Kristalle mit Kaliumperchloratkristallen, die man aus Kaliumchlorid-Lösung mit Überchlorsäure gefällt hat. Man versetze etwas Natronlauge mit Bromwasser; die braune Farbe verschwindet. Br 2 + 2NaOH = NaBr + NaBrO + H 2 0 . Beim Ansäuern wird wieder Brom frei: HBrO + HBr = Br 2 + H 2 0 . Die gleichen Versuche führe man mit Jod-Lösung durch. Ein Tropfen Kaliumjodid-Lösung werde mit so viel Chlorwasser tropfenweise versetzt, bis eben die braune Farbe des zuerst ausgeschiedenen Jods verschwindet. H J + 3C12 + 3 H 2 0 = H J 0 3 + 6 HCl. Die so erhaltene Jodsäure-Lösung werde zur Entfernung des überschüssigen Chlors einen Augenblick aufgekocht und dann mit Natronlauge neutralisiert, wobei der Endpunkt durch ein in der Lösung schwimmendes Stück Lackmuspapier erkannt wird. Jetzt gebe man zu der Lösung etwas Kaliumjodid-Lösung: die Lösung bleibt farblos. Säuert man sie jedoch mit verdünnter Salzsäure an, so färbt sie sich braun, und es scheidet sich reichlich J o d aus. Da sich Brom mit Chlorwasser nicht zur Bromsäure oxydieren läßt, kann man Bromide und J o d i d e in folgender Weise nebeneinander nachweisen. Man versetze eine verdünhtei Lösung, die wenig K a l i u m j o d i d und K a l i u m b r o m i d enthält, zunächst mit einem Tropfen Chlorwasser und etwas Chloroform. Beim Umschütteln nimmt die Chloroformschicht die violette Jodfarbe an,

VI. Gruppe — Wasserstoffperoxyd

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während sich elementares Brom noch nicht bildet, da das Bromidion schwerer als das Jodidion oxydiert wird. D a n n gebe m a n mehr Chlorwasser hinzu, bis beim Umschütteln die violette Jodfarbe verschwunden ist (Jodsäure bildung). Bei weiterem Chlor wasserzusatz wird dann freies B r o m gebildet, das die Chloroformschicht braun färbt (vgl. auch Elektroaffinität S. 102).

VI. Gruppe Wasserstoffpero x y d nach

Das Wasserstoffperoxyd kann unter erheblicher Energieabgabe zerfallen 2H 2 0 2 = 2 H 2 0 + 0 2 .

In hochkonzentriertem Zustande neigt es deshalb zur Explosion. Keine, verdünnte wäßrige Lösungen zerfallen bei Zimmertemperatur nur äußerst langsam. Durch manche Stoffe wird die Zersetzimg katalytisch beschleunigt. Man versetze etwas verdünnte Wasserstoffperoxyd-Lösung mit einigen Tropfen kolloider P l a t i n - Lösung (Assistent): es tritt lebhafte S a u e r s t o f f e n t w i c k l u n g ein. Geringe Alkalimengen, wie sie vom Glas an Wasser abgegeben werden, beschleunigen die Zersetzung ebenfalls. Das „Perhydrol" des Handels, eine 30-proz. wäßrige Wasserstoffperoxyd-Lösung, wird deshalb in paraffinierten Flaschen aufbewahrt. Verdünnte Wasserstoffperoxyd-Lösung ist etwa 3-proz., d. h. annähernd einfach-molar. Im Wasserstoffperoxyd H 2 0 2 kommt eine doppelt negativ geladene 0 2 Gruppe vor. Diese ist charakteristisch für alle „ P e r v e r b i n d u n g e n " . Von diesen lernten wir das Natriumperoxyd (S. 55) und das Chromperoxyd (S. 124) schon kennen; weiteren Perverbindungen werden wir beim Titan und beim Vanadin begegnen. — Die doppelt negativ geladene 0 2 -Gruppe steht in bezug auf die Oxydationsstufe des Sauerstoffs zwischen dem ungeladenen Sauerstoff 2— der 02-Molekel und dem doppelt negativen O-Teilchen, das im Wasser und den Oxyden vorliegt. Damit ist verständlich, daß Wasserstoffperoxyd sowohl als Reduktions- wie als Oxydationsmittel wirken kann. Durch o x y d i e r e n d e Stoffe wird die doppelt negativ geladene 0 2 -Gruppe unter Aufnahme von 2 positiven Ladungen zu elementarem Sauerstoff oxydiert. Dies erfolgt bevorzugt in saurer Lösung. R e d u k t i o n s m i t t e l führen Wasserstoffperoxyd in Wasser über. Dabei gibt es 2 positive Ladungen ab, weil aus einer doppelt 2— negativ geladenen 0 2 -Gruppe zwei O-Teilchen gebildet werden. Dieser Reaktionsverlauf wird im alkalischen Medium bevorzugt. Weil Wasserstoffperoxyd energiereicher ist als seine Oxydations- und Reduktionsprodukte Sauerstoff und Wasser, sind sowohl seine Oxydations- als auch seine Reduktionswirkungen kräftig (vgl. S. 154). Zu einer mit Schwefelsäure angesäuerten WasserstoffperoxydLösung setze man tropfenweise verdünnte K a l i u m p e r m a n g a n a t Lösung. Unter Sauerstoffentwicklung verschwindet die Farbe des

Säuren des Schwefels

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Permanganats, weil es in Manganosalz wirkung des Wasserstoffperoxydes).

übergeht

(Reduktions-

2[Mn04]- + 5 H 2 0 2 + 6H+ = 2Mn 2 + + 5 0 2 + 8 H 2 0 . Man versetze etwas Chromisalz-Lösung mit Natronlauge, bis der Niederschlag wieder gelöst ist. Auf Zugabe von Wasserstoffperoxyd geht beim Erwärmen das grüne Chromit in das gelbe C h r o m a t über (Oxydationswirkung des Wasserstoffperoxydes) 3+

6+

2[Ct(OH) 6 ] 3 - + 3 H 2 0 2 = 2[Cr0 4 ] 2 - + 8 H 2 0 + 2 0 H - . Nebenher wird ein Teil des Peroxyds katalytisch unter Sauerstoffentwicklung zersetzt.

Säuren des Schwefels Außer den bereits besprochenen Verbindungen: Schwefelwasserstoff H 2 S, schweflige Säure H 2 S0 3 , Schwefelsäure H 2 S0 4 und Pyroschwefelsäure H 2 S 2 0 7 bildet der Schwefel noch eine Reihe weiterer Säuren. Perschwefelsäure

H2S2Og.

O

O

L O

O

Im Persulfation OSOOSO

sind die

beiden positiv sechswertigen Schwefelatome durch eine doppelt negativ geladene 02-Gruppe verbunden. Persulfate wirken daher oxydierend.

Man setze zu etwas ziemlich stark verdünnter C h r o m a l a u n Lösung eine Spatelspitze A m m o n i u m p e r s u l f a t (NH 4 ) 2 S 2 O g und koche wenige Minuten. Das dreiwertige Chrom wird zu gelbroter P y r o c h r o m a t - L ö s u n g mit sechswertigem Chrom oxydiert. Dithionsäure H2S2Oü. Man versetze etwas Manganosalz-Lösung mit wenig Wasserstoffperoxyd und soviel Ammoniak-Lösung, daß die Fällung von M a n g a n d i o x y d gerade vollständig ist. Auf Zusatz von Schwefligsäure-Lösung geht der Niederschlag beim Erwärmen wieder in Lösung. Aus dieser fallt nach Zugabe von Ammoniak* und Schwefelammonium-Lösung Manganosulfid. Die schweflige Säure hat also das Mangandioxyd reduziert; dabei ist sie selbst zum, Anion der D i t h i o n s ä u r e oxydiert worden: 2 H 2 S 0 3 + Mn0 2 = 2 H 2 0 + Mn 2 + + [S 2 0 6 ] 2 - . ' 0 0'*OS-SO sind die beiden S0 3 -Gruppen durch o o eine Atombindung zwischen den beiden Schwefelatomen miteinander verknüpft;

I m Dithionation

Man verwendet die eben beschriebene Umsetzung, um die Haut, die beim Berühren von Kaliumpermanganat unter Abscheidung von Mangandioxyd Mn02 braun gefärbt wird, za reinigen: man spült die Hände einfach mit etwas Schwefligsäure -Lösung und dann mit Wasser ab.

Säuren des Schwefels

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Polythionsäuren H2S3Oe, /72