Europa ausstellen: Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung 9783412215194, 9783412208882

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Europa ausstellen: Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung
 9783412215194, 9783412208882

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Europa ausstellen Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung

von Wolfram Kaiser Stefan Krankenhagen Kerstin Poehls

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Der Norwegische Forschungsrat hat diese Publikation im Rahmen des Forschungsprojektes Exhibiting Europe (Projektnummer 187908/V20) gefördert.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über   http://dnb.d-nb.de  abrufbar.

Umschlagabbildungen: Parlamentarium, Brüssel, Copyright: Atelier Brückner, Stuttgart Europakarte, Copyright: Kari Dalland

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Satz: Peter Kniesche Mediendesign, Weeze Druck und Bindung: General Druckerei GmbH, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-412-20888-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................... 7 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ 9 1 Europa ausstellen? Europäisierung als kulturelle Praxis ....................... 11 2 Europa musealisieren: Kompensation, Verhandlung und Zukunftseroberung ............................................................................ 26 3 Europa regieren: Staatliche Institutionen in der europäischen Kultur und Museumspolitik .......................................................................... 46 4 Europa vernetzen: Gesellschaftliche Akteure in der Europäisierung des Museumsfeldes ............................................................................. 67 5 Europa sammeln: Strategien und Aporien transnationaler Sammlungspraxis ............................................................................... 95 6 Europa erzählen: Narrative der europäischen Integration .................... 138 7 Europa durchkreuzen: Migration und Mobilität im musealen Raum ... 185 8 Europa ausstellen: Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung ...... 221 Anmerkungen .......................................................................................... 237 Literaturverzeichnis ................................................................................. 243 Interviews ................................................................................................ 271 Besuchte Museen und Ausstellungen ....................................................... 275

Vorwort

Unsere Forschungen zu diesem Buch erforderten unter anderem zahlreiche Reisen zu Museen, Verbänden und für Interviews mit Direktoren und Kuratoren in Museen, Historikern in Beiräten und Kulturpolitikern, die im Anhang dokumentiert sind. Derart umfangreiche Forschungen wären ohne die großzügige Förderung durch den Norwegischen Forschungsrat (Projektnummer 187908/ V20) nicht möglich gewesen, der uns auch wertvolle Zeit für das Forschen und Schreiben zur Verfügung gestellt hat. Im Verlauf unseres dreijährigen Forschungsprojekts mit vier Workshops in Trondheim, Breslau, Manchester und Wassenaar/Amsterdam sowie einer Abschlusskonferenz in Oslo haben wir von vielfältigen Anregungen unserer Gesprächspartner profitiert, die so zahlreich waren, dass wir ihnen an dieser Stelle nur pauschal danken können. Zu besonderem Dank sind wir den anderen Mitgliedern des Projektteams verpflichtet: Dr. Leonore Scholze-Irrlitz von der Humboldt-Universität in Berlin sowie den beiden Doktoranden Steffi de Jong und Torgeir Bangstad von der NTNU, der Universität in Trondheim. Im Rahmen des größeren Projektes hat Steffi de Jong über Zeitzeugen in der Musealisierung des Zweiten Weltkriegs und Torgeir Bangstad über die Europäisierung des industriellen kulturellen Erbes gearbeitet. Kerstin Poehls dankt außerdem Denny Chakkalakal für umsichtige Unterstützung bei Literaturrecherche und Manuskriptkorrektur. Zuletzt haben wir noch wertvolle Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts erhalten. Wir bedanken uns insoweit bei Gerhard Kaiser für sein sorgfältiges Lektorat, bei Brigitte Leucht für die professionelle Erstellung des Literatur- und des Abkürzungsverzeichnisses und beim Böhlau-Verlag für die kompetente Betreuung. Portsmouth / Hildesheim / Berlin, im Dezember 2011

Abkürzungsverzeichnis

CDU CNHI COMCOL DHM ECEC EG EGKS EMA EP ERIH EU EVP EWG FRONTEX

Christlich Demokratische Union, Deutschland Cité nationale de l’histoire de l’immigration, Paris International Committee for Collecting Deutsches Historisches Museum, Berlin Entrepreneurial Cultures in European Cities Europäische Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl European Museum Academy Europäisches Parlament European Route of Industrial Heritage Europäische Union Europäische Volkspartei Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten HEH House of European History, Brüssel IAMH International Association of Museums of History ICMAH International Committee of Museums and Collections of Archeology and History ICN Collections Institute of the Netherlands ICOM International Council of Museums ICOM Europe International Council of Museums Europe ICOMOS International Council on Monuments and Sites IOM Internationale Organisation für Migration INP Institut national du patrimoine, Frankreich KMU Kleine und mittelständische Unternehmen Museum Europäischer Kulturen, Berlin MEK MNATP Musée National des Arts et Traditions Populaires, Paris MuCEM Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée, Marseille Musée Musée de l’Europe, Brüssel NATO Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft NEM Netzwerk der Europamuseen

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Abkürzungsverzeichnis

NEMO Network of European Museum Organisations NGO Nichtregierungsorganisation OMK Offene Methode der Koordinierung PSNC Supercomputing and Networking Center, Posen SIS Schengener Informationssystem UMP Union pour un Mouvement Populaire, Frankreich UNHCR UN-Flüchtlingshochkommissariat

1 Europa ausstellen? Europäisierung als kulturelle Praxis

Europa ist ein Höllenkrach. 1987 erlebte John Cages Werk Europera seine Uraufführung an der Frankfurter Oper. Der amerikanische Komponist verwendete für dieses Stück bekannte und unbekannte Opernpartien aus dem 18. und 19. Jahrhundert: „Die Europäer haben uns jahrhundertelang mit ihren Opern überschüttet – und jetzt gebe ich ihnen das Ganze auf einmal zurück.“1 Und wie er es ihnen zurückgab. Europera besteht aus „ready-made-music“. Kein Satz daraus ist von Cage selbst komponiert. Stattdessen werden die verschiedenen Opernarien über einen Zufallsgenerator zusammengesetzt und so jeder formalen und inhaltlichen Kohärenz beraubt. Zusammenhänge, die Europera zu einem in sich geschlossenen Werk machen würden, sollte es bei Cage nicht geben. Das Hörerlebnis ist – jedenfalls für ungeschulte Ohren – kein Genuss. Zu ungeordnet und vielstimmig, zu brüchig und komplex klingt das Werk, das Cage bis 1991 auf insgesamt fünf Europeras erweiterte. Sieht man das Stück aber als Sinnbild für die Idee und die Herausbildung einer europäischen Kultur, so ergibt sich eine neue Situation. Aus der Perspektive des amerikanischen Musikers Cage stellt sich Europas Kultur nämlich als eine nationale Kakophonie dar. Ravel, Liszt, Strauss: Alles zusammen und alles gleichzeitig, das ist Europas Kultur. Keine geordnete Vielheit als Katalysator einer gemeinsamen kulturellen Identität Europas wird in Cages Arbeit heraufbeschworen, sondern ein sich permanent neu konstituierender Zufall – eine bewusste Unschärfe im Sinne Edgar Morins (2009 [1990], 210): „Europa ist ein Begriff mit vielen Gesichtern, die man nicht übereinanderblenden kann, ohne daß ein unscharfes Bild entsteht.“ Europera ist ein akustisches Gleichnis für das unscharfe Bild europäischer Kultur, die bei jeder Vorführung der Oper neu und anders entsteht. Weniger als eine Kunst des Zufalls denn als eine geordnete Vielfalt beschreiben hingegen einzelne Politiker und leitende Beamte in der Europäischen Union (EU) die kulturellen Wurzeln Europas. Sie imaginieren Europa als einen gemeinsamen Geschichts- und Erfahrungsraum, dessen Fülle angeblich die Spezifik des Kontinents einfängt. So stellte etwa Jean-Claude Trichet (2004), der Präsident der Europäischen Zentralbank, heraus: „Although not all of us are necessarily

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aware of it, all Europeans exist in a unique cultural atmosphere that is jointly influenced and inspired by the poetry of Homer, Virgil, Dante, Shakespeare, Goethe, Baudelaire among many others. An atmosphere that is also shaped jointly by the thoughts of Socrates, Plato, Aristotle, Erasmus, Descartes, Spinoza, Hobbes, Kant, Kierkegaard.“ Ein derartiger Entwurf einer politischen „Einheit“ in der kulturellen „Vielfalt“ vereinnahmt die genannten Dichter, Schriftsteller und Philosophen für vermeintlich homogene nationale Kulturen, deren Addition wiederum Europa auszumachen scheint. Aus dem aleatorischen Spiel der Europeras wird das geordnete und ordnende Bild einer europäischen „unity in diversity“, einer imaginierten Eigenschaft Europas als Legitimierung ihrer – gegenwärtigen und zukünftigen – politischen Verfasstheit. In diesem Kontext beginnt auch der Begriff der Europäisierung seine Macht – und Ohnmacht – zu entfalten. Europäisierung ist zu einem teilweise politisch aufgeladenen und normativ besetzten Schlagwort geworden, dessen vielfache Verwendung in hohem Maße durch den wachsenden Einfluss der EU auf die sozioökonomischen Verhältnisse in Europa motiviert ist. Dementsprechend ist der Begriff der Europäisierung in der wissenschaftlichen Forschung zu Europa ursprünglich und bis heute in erster Linie ein Leitbegriff der Politikwissenschaften. Jene konzeptualisieren Europäisierung gemeinhin als die Auswirkungen der Politik der europäischen Institutionen und ihrer Gesetzgebung auf die Mitgliedstaaten (Hirschhausen und Patel 2010, 1): „Its predominant connotation stems from the process of Europe’s contemporary political integration: since the early 1990s, Europeanization has been most often associated with new forms of European governance and the adaptation of nation-state legal and administrative procedures to the pressures associated with EU membership.“ Vor allem die „public policy“-Forschung nutzt den Begriff primär dazu, nach Europäisierung als Konvergenz durch Integration zu fragen (Lehmkuhl 2007; Featherstone und Radaelli 2003). Hier zielt das Erkenntnisinteresse in erster Linie darauf, welche Rolle die EU als Katalysator dafür spielt, dass nationale formelle und informelle institutionelle Regelungen sich (womöglich nur vermeintlich) immer weiter annähern (Börzel und Risse 2003). So berechtigt es sein mag, manche Europäisierungsprozesse auch als Folge von Gesetzgebung, Verwaltungsakten, Normierungen und Standardisierungen der EU zu sehen, so beschränkt ist diese Perspektive konzeptionell und analytisch. Diese Form von Europäisierung scheint nämlich losgelöst von jenen langfristigen und wirkungsmächtigen historischen und kulturellen Prägungen, die weit über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und



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Stahl 1951/52 und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957/58 zurückreichen. Die „public policy“-Forschung ist darüber hinaus auf Brüssel als Ort politischer Transformationsprozesse fixiert und erfasst Europäisierung kaum als Resultat wechselseitiger grenzüberschreitender Austausch- und Aushandlungsprozesse – auch zwischen Regionen und Mitgliedstaaten unterhalb der EUEbene. Schließlich ist diese Forschung zu staatszentriert in ihrer Konzentration auf die EU und nationalstaatliche Institutionen und begreift Europäisierung kaum als gesellschaftliches Phänomen. Sie nimmt jene Personen nicht in den Blick, die Europäisierungsprozesse vielfach anstoßen und mittragen (Kaiser 2008, 31): „not just small decision-making elites, but also European citizens affected by EU politics and involved to differing degrees in the process of the slow formation of a European society.“ Der schematischen politikwissenschaftlichen Konzeptualisierung wollen wir in diesem Buch einen anderen Begriff von Europäisierung als Prozesse des europäisch Machens entgegensetzen, die zu sich verändernden Formen individueller und gesellschaftlicher Identifikationen in Europa beitragen. Ein solches breiteres Verständnis von Europäisierung als europäisch Machen verlangt aus unserer Sicht nach einer interdisziplinär angelegten Forschung. Konzeptionell, methodisch und analytisch muss diese Forschung verschiedene Prozesse und Einflüsse, die weit über „politics“ und „policies“ hinausgehen, integrieren. Dafür muss sie auch die Frage nach den verschiedenen an Europäisierungsprozessen beteiligten staatlichen, gesellschaftlichen und individuellen Akteuren ernst nehmen. Diese reagieren keinesfalls nur auf kulturellen Anpassungsdruck (Caporaso, Green Cowles und Risse 2001), der von der politischen und ökonomischen Integration in der EU ausgeht. Vielmehr agieren sie selbst und treiben Europäisierungsprozesse an, modifizieren oder blockieren diese. Der Blick auf die Prozesse des europäisch Machens nimmt damit die Verschränkung unterschiedlicher Europakonstruktionen in den Blick und fragt danach, wie diese durch verschiedene Akteure im Prozess der Europäisierung angewendet und umgeformt werden. Erst in der komplexen Gleichzeitigkeit seiner historischen, kulturellen, sozialen und politischen Bezugnahme entfaltet der Begriff der Europäisierung unserer Ansicht nach analytische Relevanz. Europäisierung kann so wenig abseits der ökonomischen und politischen Integration Europas seit dem Zweiten Weltkrieg gedacht werden wie er vollständig in diesen Prozessen aufgeht. In allen Ausformungen von Europäisierung findet stattdessen kontinuierlich eine „Verschmelzung einer ‚Idee Europas‘ mit dem kulturpolitischen Projekt EU“ statt (Poehls 2009, 10). Dadurch ergeben sich

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zwangsläufig Ungleichzeitigkeiten in Europa: generationsspezifisch bezogen auf gesellschaftliche wie individuelle Erfahrungen von Europäisierung; geographisch bezogen auf die Verbindung von Alltagserfahrung und Institutionalisierung mit Europäisierung; historisch bezogen auf die nationalen, regionalen und lokalen Erinnerungsnarrative und deren mögliche Konvergenz in und durch Europa; kulturell bezogen auf die unterschiedlichen ethnischen Voraussetzungen für Europa; institutionell bezogen auf die inhaltliche Relevanz und strukturelle Wirkungsmacht der europäischen Institutionen. In diesem Buch begreifen und untersuchen wir deshalb Europäisierung als eine kulturelle Praxis. Diese kulturelle Praxis findet erstens im Kontext der ökonomischen und politischen Integration in der EU statt. Sie bündelt dabei zweitens ideengeschichtliche, kulturelle, soziale und politische Vorstellungen von Europa. Diese Praxis wird drittens von ganz verschiedenen Akteuren in einem weiten Feld betrieben. Dabei werden Vorstellungen eines gemeinsamen europäischen Geschichts- und Kulturraumes explizit oder implizit mit verhandelt. Europäisierung ist eine kulturelle Praxis und kann als solche beschrieben werden, insofern der Schwerpunkt der Analyse auf die Produktion einer spezifischen europäischen Kultur und Geschichte gelegt wird, die den oben angesprochenen Ambivalenzen und Aporien unterliegt und übergreifend zu neuen Formen individueller und gesellschaftlicher Identifikationen in Europa beiträgt beziehungsweise beitragen soll. Diese Perspektive auf das europäisch Machen als eine kulturelle Praxis erlaubt es uns, Pierre Bourdieus Feldbegriff (1996) für unseren interdisziplinären Forschungsansatz fruchtbar zu machen. Europäisierung findet in einem Feld unterschiedlicher Akteure, in verschiedenen Zusammenhängen und einem Netz von Relationen statt, deren (vorläufige) Ergebnisse kontinuierlich verhandelt und kulturell produziert werden. Bourdieus soziologisches Konzept des Feldes ist vielfach angewendet und oftmals auch überdehnt worden. Wir argumentieren jedoch, dass es an dieser Stelle seine Berechtigung hat, zentriert sich der Begriff doch um den „Modus der Objektkonstruktion“ (Bourdieu 1996, 262) und damit – in unserem Zusammenhang – um Europa als ein Produkt von Akteuren, Strategien und Handlungen. Weder bilden die Akteure der Europäisierung eine homogene Gruppe, wenngleich sie durch soziale Ähnlichkeiten gekennzeichnet sein können, noch sind die Strategien der Europäisierung immer zielgenau auf Europa gerichtet. Vielmehr bewegen sie sich oftmals um (den Begriff ) Europa herum. Der Begriff des Feldes verlangt nach einem Gegenstand der Untersuchung. In diesem Buch begreifen und analysieren wir Prozesse der Europäisierung am



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Gegenstand des Museums, der Ausstellungen und Sammlungen. Auf diese Weise entwickeln wir einen angewandten Begriff sowohl der gegenwärtigen Europäisierungs- als auch der stattfindenden Musealisierungsprozesse; zwei Prozesse, die nicht deckungsgleich sind, aber sehr wohl aufeinander reagieren. Was passiert, so unsere Ausgangsfrage, wenn das unscharfe Bild einer europäischen Kultur und Geschichte – ambivalent aufgeladen durch den Begriff und durch Prozesse der Europäisierung – auf die „Identitätsfabrik“ Museum (Korff und Roth 1990a) trifft? Es geht uns darum zu untersuchen, ob und inwiefern Prozesse der Europäisierung, die gegenwärtig in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und in unterschiedlicher Intensität stattfinden, in Ausstellungen reflektiert sind, die Planungen neuer Museen beeinflussen oder die Ausstellungs- und Sammlungspolitik bestehender Museen transformieren; welche Objekte für die Darstellung welcher europäischer Geschichte(n) gewählt werden und wie sie zirkulieren; welche Meistererzählungen der Integrationsgeschichte entstehen und miteinander und mit bestehenden nationalen oder regionalen Narrativen in Wettbewerb treten; und wie „Europa“ anhand der musealen Darstellung seiner diskursiven wie materiellen Grenzen definiert wird. Dafür ist es unvermeidbar, dass wir uns in unserer Analyse gegenwärtiger Europäisierungstendenzen auf spezifische Museen konzentrieren. Museen, Sammlungen und Ausstellungen, die in diesem Buch beschrieben und befragt werden, finden sich vorrangig im Bereich der Geschichtsmuseen – national, regional oder lokal ausgerichtet – und der ethnographischen Museen. Uns scheint die Verhandlung europäischer Motive und Narrative in solchen Museumstypen auffallender als etwa in Kunst- oder Technikmuseen, da für Geschichts- wie Volkskundemuseen die Auseinandersetzung mit einer Definition des Nationalen (Regionalen, Lokalen, des Eigenen) zur Grundbedingung ihrer Geschichte und Gegenwart gehört. Historische, kulturhistorische und ethnographische Museen waren und sind bis heute Plattformen nationaler Selbstrepräsentation. Dies gilt gerade gegenwärtig, wenn – wie der Kurator am Världskulturmuseet in Göteborg, Klas Grinell (2010, 178), festgestellt hat – zahlreiche nationalistische Projekte neu evaluiert werden und die Museen aufgrund wachsender ethnischer und kultureller Diversifizierung der Gesellschaft kaum oder keine übergreifende Repräsentationskraft mehr besitzen. Unseren Forschungsergebnissen liegt eine breite Analyse der relevanten Literatur aus den Sozialwissenschaften, der Zeitgeschichte und den Kultur- und Museumswissenschaften zugrunde. Hinzu kommt eine selektive Medienanalyse für die geplanten Europa-Museen, die in Kapitel 2 besprochen werden.

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Außerdem haben wir insgesamt 92 relevante Museen und Ausstellungen in 20 europäischen Ländern besucht. Dabei haben wir die meisten Museen und Ausstellungen in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Großbritannien und Norwegen analysiert. Unsere Forschung hat sich darüber hinaus aber auch auf Institutionen in weiteren Ländern Nord- und Mitteleuropas (Dänemark, Schweden, Niederlande, Luxemburg, Österreich und Schweiz), Südwesteuropas (Spanien) und Ost- und Südosteuropas (Ungarn, Slowenien, Bulgarien, Kroatien, Serbien, Griechenland und die Türkei) erstreckt. In diesen Museen, in anderen Institutionen und auf Konferenzen haben wir darüber hinaus halbstrukturierte Interviews mit Museumsdirektoren und -kuratoren, Vertretern verschiedener Museumsorganisationen, Wissenschaftlern (primär Historikern) und Politikern geführt. Insgesamt handelt es sich um 63 Interviews, die wie die besuchten Museen und Ausstellungen im Anhang aufgeführt sind. Die Interviews haben sowohl übergreifend das Thema der Europäisierung des Museumsfeldes als auch vertiefende Fragen zu den Forschungsschwerpunkten der einzelnen Kapitel behandelt. Auf dieser Grundlage wollen wir den „sich stillschweigend vollziehenden, aber grundlegenden Wandel“ (Mazé 2008, 110) der Europäisierung im Museumsfeld erörtern. Wir fragen danach, was passiert, wenn Musealisierungsprozesse auf Prozesse der Europäisierung treffen. „Der Europäisierungsprozess sucht nach musealer Form“, wie Claus Leggewie (zit. nach Assmann 2008, 78) in einem ersten Schritt festgehalten hat. Georg Kreis (2008, 9) ergänzt: „Das musste ja kommen – ein Museum für Europa!“ Dass dies so kommen „musste“, hat auch mit der politischen, ökonomischen und kulturellen Integration seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu tun, die Begriffe und Kategorien des Nationalstaates herausfordert und partiell überwölbt. Dieses gilt im besonderen Maße für das Museum als ein zentrales Medium der öffentlichen Selbstinszenierung europäischer (National-) Staaten. Weil die Idee des Nationalstaates und die des Museums historisch und strukturell eng verknüpft sind (Anderson 1983), erscheint es nur folgerichtig, dass unterschiedliche Akteure der Europäisierungsprozesse das Museum in seiner Funktion als Identitätsfabrik in den Blick und in Dienst nehmen wollen. Umgekehrt ist es auch das Museum, das auf die politische und ökonomische Integration reagiert oder reagieren sollte, wie Susan Pearce (1992, 2) zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Maastrichter Vertrags meinte: „As the Europe of the Single Act comes into being, with its new legal, commercial and cultural climate, museums must be in the forefront of interpreting we [sic] Europeans to ourselves.“



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Im Verlauf dieser Selbsterklärung geht es nun allerdings nicht mehr vorrangig um einen ideengeschichtlichen Rückblick auf das Museum als ein europäisches Phänomen der Aufklärung (Nielsen 1993; Pomian 1987), sondern um eine Zukunftserklärung. In diesem Sinne verstehen wir in unserem Buch die kulturelle Institution des Museums, die so vieles sein kann (Kirshenblatt-Gimblett 1998), primär als eine Arena für die Verhandlung zukünftiger gesellschaftlicher Ordnungen. Diese Perspektive erlaubt es uns, Europäisierungs- und Musealisierungsprozesse analytisch in ein produktives Verhältnis zueinander zu setzen. Die Stellung der Institution des Museums in der Öffentlichkeit ist durch seine historisch gewachsene Glaubwürdigkeit und durch den so genannten Museumsboom seit den achtziger Jahren (Baur 2010; Towse 2007; Korff 2007b) gestärkt worden. Dies hat das Museum in eine Position gebracht, in der es geradezu den Eindruck vermittelt – oder den Eindruck vermitteln muss – soziale Probleme lösen zu können. „[Museums] have a responsibility to fix the situation“, beobachtet Steven Conn (2010, 9) und meint damit vor allem jene Situationen, in denen das Museum zu einem Anwalt für die Tagespolitik wird. Anstatt dass Museen dem Wandel der Zeit Einhalt gebieten und die Verluste von Industrialisierung und Modernisierung kompensieren (Marquard 2001; Lübbe 1989), sind sie selbst zu Akteuren des Wandels geworden. Europäisierungsprozesse beeinflussen diesen Wandel im Museum und um das Museum herum, beschleunigen, katalysieren oder umgehen ihn. Wir wollen in unserem Buch die Wechselwirkungen zwischen der diskursiven Praxis der Europäisierung sowie ihrer Materialisierung in Museen, Ausstellungen und Sammlungen in Europa behandeln. Dabei verlangt nicht nur die Analyse von Europäisierungsprozessen allgemein, sondern vor allem diejenige der musealen Praxis nach einer interdisziplinären Perspektive. Museen sind komplexe kulturelle und ästhetische Felder. Gottfried Korff (2007a, IX) ist überzeugt, „dass kaum ein Themenfeld der Kultur- und Geschichtswissenschaften international intensiver vernetzt ist und mehr im Lichte der Öffentlichkeit steht als Tätigkeiten und Theorien des Museums“. Doch während die regionale, nationale und globale Perspektive – etwa in Form der Industrie- und Weltausstellungen – durchaus ein gängiges Motiv für die Museumswissenschaften darstellt (Färber 2006; Kirshenblatt-Gimblett 2006a), ist der Bezug auf Europa im Museum bis heute randständig in der Forschung. Insofern zielen wir auch darauf ab, eine stärkere Kooperation zwischen den Disziplinen der Europaforschung und zwischen der Europaforschung und der Museumswissenschaft anzustoßen. Hierzu soll dieses Buch einen theoretischen wie empirischen Beitrag leisten.

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Wir können mit unserem interdisziplinären Ansatz teilweise an bestehende Forschung und Literatur in verschiedenen Disziplinen anknüpfen, die jedoch für die Analyse von Europäisierungs- und Musealisierungsprozessen auch jeweils spezifischen Beschränkungen unterliegen. Vor allem von der historischen Teildisziplin der Zeitgeschichte könnte man mit Jan Palmowski (2011, 656f.) erwarten, dass sie Prozesse der Europäisierung transnational und global kontextualisierte: „It is difficult to see how contemporary history could be written without a clear notion of how the contemporary nation-state and its localities are entangled with outside influences in the spheres of politics, law, commerce, consumer society, finance, communication, and the environment.“ Die Zeitgeschichte hat allerdings bisher wenig zur Erforschung von Europäisierung in dieser Perspektive beigetragen. Die historische Komparatistik in der Neuesten Geschichte ging vor allem in Deutschland lange Zeit von in sich geschlossenen National- und Wohlfahrtsstaaten aus, die sie strukturell miteinander verglich. Erst die Forschung zum Kulturtransfer (Espagne 1999) öffnete die Neueste Geschichte wieder stärker transnational, beschäftigte sich zunächst jedoch ganz überwiegend mit dem 18. und 19. Jahrhundert (Middell 2000; Paulmann 1998). Die Integrationsgeschichte selbst, die gerade in ihren Anfängen von einer großen normativen Nähe zum Integrationsgedanken und föderalen Integrationskonzepten geprägt und finanziell von der Förderung durch die Europäische Kommission und Mitgliedstaaten wie Luxemburg abhängig war (Varsori 2010), ist darüber hinaus bis heute innerhalb der zeithistorischen Forschung marginal geblieben. Sie hat sich erst jüngst verstärkt transnationalen Perspektiven auf die Integration seit 1945 geöffnet (Kaiser und Varsori 2010; Kaiser und Meyer 2010; Kaiser, Leucht und Rasmussen 2009; Patel 2009). Im breiteren Feld der Zeitgeschichte werden inzwischen divergierende Erinnerungsräume des Kontinents – vor allem im 20. Jahrhundert – thematisiert (Leggewie 2011; Ostow 2008; Jarausch und Lindenberger 2007a). Auch diese jüngere Forschung ist stark an grenzüberschreitenden wie vergleichenden Dimensionen der (Zeit-)Geschichte Europas als transnationaler Geschichte (Conway und Patel 2010; Patel 2008) interessiert. Wenngleich die politikwissenschaftliche „public policy“-Forschung zu Phänomenen der Europäisierung nach unserer Ansicht viel zu eng gefasst ist, lenkt sie doch den Blick erkenntnisleitend auf Fragen der Konvergenz. Allerdings kann solche Konvergenz in der kulturellen Praxis im Museumsfeld angesichts der nur subsidiären Kompetenzen der EU in der Kulturpolitik (Schwenke 2010) höchstens angeregt werden – etwa durch europäische Förderprogramme, womit al-



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lerdings noch nichts über deren Erfolg gesagt ist (Vos 2011). Vor allem insofern politikwissenschaftliche Forschung sich für soziologisch inspirierte Perspektiven geöffnet hat, bietet sie jedoch andere konzeptionelle und analytische Anregungen, die für unser Buch interessant sind. Das betrifft vor allem die Forschung zu Netzwerken (Kaiser 2009; Sørensen und Torfing 2007), die auch für die Analyse von Austauschprozessen in historischer Perspektive fruchtbar gemacht worden ist (Kaiser, Leucht und Gehler 2010). Solche Netzwerke initiieren oftmals neue Förderlinien für europäische Kooperationsprojekte oder neue museale Großprojekte. Wir sehen in dem Rückgriff auf das Konzept des (transnationalen) Netzwerks keinen Gegensatz zu demjenigen des Museumsfeldes. Vielmehr thematisiert in unserer Perspektive der Netzwerkbegriff konkrete – in unserem Fall grenzüberschreitende – Austauschbeziehungen zwischen institutionellen und individuellen Akteuren, während derjenige des Museumfelds die gemeinsame und oftmals widerstreitende Konstruktion des Objekts „Europa“ durch individuelle wie institutionelle Akteure hervorhebt und hinterfragt. Die Soziologie, die Europäische Ethnologie und Volkskunde und die Sozialund Kulturanthropologie haben in diesem Sinne die Prozesse der Europäisierung seit Mitte der neunziger Jahre als eigenes Forschungsfeld entdeckt. Sie haben damit auf die Formulierung und Praxis einer europäischen Kultur- und Identitätspolitik reagiert, wie sie seit den siebziger Jahren und vermehrt seit 1992 zu beobachten ist. Denn spätestens seit dem Vertrag von Maastricht hat sich die EU in ihrer Außendarstellung nicht mehr nur als ein ökonomisches und politisches Projekt präsentiert, sondern vermehrt als ein „unprecedented and successful social and cultural project“ (European Commission 2007), das auf eine lange Reihe kulturpolitischer Initiativen im weitesten Sinne zurückblicken kann. Seit Maastricht verfolgt die EU eine Kulturpolitik, deren zentraler Baustein die Behauptung einer europäischen Kultur und Geschichte bildet. Deren identitätsstiftende Einheit soll gerade in der Vielzahl der Kulturen liegen. Die politischen Fallstricke einer solchen Konstruktion einer kulturellen Einheit Europas sind von den Sozial- und Ethnowissenschaften nachhaltig kritisiert worden und werden praktisch in den Plänen greifbar, die in Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder Polen für eigene nationale Geschichtsmuseen entwickelt worden sind bzw. noch werden. So wollte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy seine Idee eines nationalen Geschichtsmuseums als eine Antwort auf die von ihm und anderen diagnostizierte französische Identitätskrise verstanden wissen: „to reinforce national identity“.2 Vergleichbar argumentierte der niederländische Sozialdemokrat Jan Marijnissen im Jahr 2004, als er seinen Vorschlag

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für ein nationales Geschichtsmuseum für die Niederlande mit dem Verlust gesellschaftlicher Bindekraft begründete (Interview Byvanck). Die Europäisierung des Museumsfeldes stellt sich in diesem Licht als ein kultureller Nationalisierungsprozess dar – und umgekehrt. Cris Shore (2000, 50–53) nennt in seiner Analyse der kulturpolitischen und symbolischen Interventionen Europas seit den achtziger Jahren drei besondere Merkmale dieser neuen Ikonographie Europas. Diese sei erstens teleologisch ausgerichtet und damit dem Geschichtsbild des 19. Jahrhunderts verpflichtet. Zweitens replizierten die Symbole des neuen Europas diejenigen der alten Nationalstaaten. Und drittens ergebe sich eine paradoxe Situation im Hinblick auf die Konstruktion einer kulturellen Einheit Europas, die gleichzeitig bereits vorhanden und erst zu erschaffen sei. Als „the Europeanization not of the rest of the world, but […] of Europe itself“ bezeichnete Susan Sontag einst diesen Prozess (zit. in Morley und Robins 1995, 88), in dem eine gemeinsame europäische Kultur und Geschichte zur Bedingung und zum angestrebten Ergebnis der Kulturpolitik der EU geworden ist. Als viertes Merkmal ließe sich die Gefahr eines impliziten Ausschlusses bestimmter ethnischer und sozialer Gruppen wie Migranten oder religiöser Minderheiten durch eine mögliche ethnozentrische Konzeption europäischer Identität und Geschichte ergänzen (Balibar 2005; Eder 2001; Stråth 2000; Bhabha 1998). „Unity in diversity“ – das Motto der EU spiegelt den geschlossenen Kreislauf des europäischen Selbstbildes. Wer heute Europa thematisiert, ausstellt oder analysiert, thematisiert damit immer auch die EU. Der gegenwärtigen Konstruktion des Homo Europaeus (Schmale 2001) – das haben die Sozial- und Ethnowissenschaften luzide herausgestellt – kann in diesem Sinne nicht entgangen werden. Weil der Begriff der Europäisierung mit ideengeschichtlichen Traditionen und historischen Europabildern operieren muss, um Legitimität für die aktuellen Prozesse der zukünftigen Transformation der politischen und ökonomischen Verfasstheit der Mitgliedstaaten zu erlangen, sind Gründe, Verlauf und Ziele von Europäisierung gerade nicht analytisch zu trennen (Beck und Scholze-Irrlitz 2010, 5, im Original kursiv): „Der Homo Europaeus erweist sich hierbei als eine Art sich selbst erzeugender Archetyp, als ein imaginäres Konstrukt, das als Leitbild europäische Diskurse, Politiken und Wissenspraktiken voraussetzt und von diesen auch fortgeschrieben wird“. Ausgehend von der Arbeit John Bornemans und Nick Fowlers (1997), die die Zirkularität dieser Prozesse in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellen, gibt es inzwischen eine breite Literatur in den Sozial- und Ethnowissenschaften, die



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Prozesse der Europäisierung erstens in Form komparativer Regionalstudien im Kontext der europäischen Integration untersuchen (Kaschuba 2008; Johler und Mitterauer 2002; Holmes 2000); sie zweitens aus der Perspektive einer alltagsund konsumkulturellen Forschung analysieren, die nach der Erfahrbarkeit von Europäisierungsprozessen in verschiedenen sozialen Räumen und Kontexten fragt (Hess 2005; Murphy-Lejeune 2002); und die drittens das politische Feld der EU selbst zum Zentrum ihrer Analyse machen, etwa als Untersuchung europäischer Eliten (Georgakakis und Weisbein 2010; Seidel 2010a; Poehls 2009). Begleitend nehmen Soziologen und soziologisch inspirierte Politikwissenschaftler vermehrt die Produktion und Entwicklung europäischer Identität(en) in den Blick (Risse 2010; Fligstein 2008; Favell 2005). Einer Metapher Thomas Risses (2003, 491) zufolge sollte diese eher als „Marmorkuchen“ denn als kongruente Einheit gedacht werden: „Europe and the EU become enmeshed with given national identities leading to rather diverging identity outcomes.“ Die neuere Forschung zu europäischer Identität ist – aus unserer Sicht hilfreich – von einer stärker konstruktivistischen Perspektive geprägt, die nicht mehr einseitig die materiellen Vorteile der Integration als Katalysator für Identifizierungsprozesse mit „Europa“ oder der EU betont, sondern für den Einfluss kultureller Faktoren offen ist. Entsprechend haben etwa Sharon Macdonald (2003) und Rosmarie Beierde Haan (2005) in ihren Arbeiten den Begriff transnationaler Identitäten diskutiert, um Europäisierung im Kontext der späten bzw. zweiten Moderne mit aktuellen musealen Inszenierungsformen kurzzuschließen. Wie reagieren die (Geschichts-) Museen, so ihre jeweilige Ausgangsfrage, auf die Herausforderung durch die Entstehung und Fortentwicklung transnationaler Räume? Während Beier-de Haan (2005, 92) die Frage unbeantwortet lässt, „welches die Kategorien sein können und müssen, an denen entlang sich eine transnationale europäische Perspektive als eine wirklich zukunftsträchtige erweisen kann“, verweist Macdonald (2003, 9) auf die Fallstricke der neuen, wahlweise wandernden (Clifford 1997), multiplen (Turkle 1997) oder hybriden (Modood und Werbner 1997) Identitäts-Ideologien: „One problem that has been identified is that the notion of ,hybridity‘ (as with related conceptions such as ,syncretic‘ or ,creolised‘ identities) seems to presuppose pre-existing ,pure‘ or ,non-creolised‘ cultures.“ Als einen möglichen methodischen Ausweg aus der Konstruktion neuer/alter Mythen qua ihrer Dekonstruktion empfiehlt Ayse Caglar (1997, 180) deshalb den genauen Blick auf die musealen Objekte: „By plotting the networks of interconnected practices surrounding objects, and the sentiments, desires and images

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these practices evoke, we can avoid the need to define collectivities in advance.“ So schärft womöglich die Konzentration auf die Materialisierungen Europas in Museen, Ausstellungen und Sammlungen den Blick für die kulturellen Prozesse von Europäisierung. Die Soziologie und die Ethnowissenschaften spielen damit eine zentrale Rolle bei dem Versuch, Europäisierung als eine wechselseitige Grenzziehung zwischen lokalen, nationalen, transnational-europäischen und außereuropäischen Räumen und Praktiken, Selbst- und Fremdbeschreibungen begreifbar zu machen. Vor allem in den Ethnowissenschaften kommt dabei der Analyse von Migrationsprozessen eine tragende Rolle zu, fördert Migration als eine politische Praxis doch zutage, wie sehr Europa eines „Außen“ und „Anderen“ bedarf, um selbst kenntlich zu werden (Hall 2003). Gleichzeitig ist zu beobachten, dass Migration – gespiegelt als eine idealtypische Verkürzung und unabhängig davon, ob nun in Europa oder nach Europa – dem europäischen Integrationsprozess ein Vorbild liefert. Migration schafft – idealiter – das, was dem Homo Europaeus abgefordert wird: Mobilität, Interkulturalität und wandernde Identitäten. Das vorliegende Buch verschränkt die oben beschriebenen Forschungsperspektiven auf Prozesse der Europäisierung und der Musealisierung in den folgenden Kapiteln. Wir setzen darauf, dass die Sozial- und Ethnowissenschaften, die Zeitgeschichte und Kultur- und Museumswissenschaften, auf deren Konzepte und Literatur wir uns in den folgenden Kapiteln mit unterschiedlicher Intensität beziehen, den Blick auf gegenwärtige Prozesse der Europäisierung im Museumsfeld schärfen. Das folgende Kapitel 2, Europa musealisieren, beschäftigt sich mit Begriff und Geschichte der Musealisierung und nimmt dabei die Inthronisierung und Inszenierung der Institution im Zuge der nationalen Integrationsprozesse des 19. Jahrhunderts in den Blick. Anhand von drei geplanten, jedoch nicht oder nur partiell verwirklichten Museumsprojekten, die sich explizit einer Darstellung europäischer (Integrations-)Geschichte widmen – dem Musée de l’Europe in Brüssel, dem Bauhaus Europa in Aachen und dem Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille – gehen wir der Frage nach, inwiefern Europa als ein museales Thema genutzt wird, um nationale, essentialistische und homogene Zuschreibungsmuster produktiv zu umgehen. In den Kapiteln 3 und 4 befassen wir uns mit der Europäisierung des Museumsfeldes als einer zentralen Voraussetzung für Europäisierung als kulturelle Praxis. Kapitel 3, Europa regieren, untersucht die Rolle verschiedener staatlicher Akteure in der europäischen Kultur- und Museumspolitik. In Abgrenzung zu



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der stark Brüssel-zentrierten sozialwissenschaftlichen Forschung wird dabei nicht nur deutlich, in welchem Maße EU-Institutionen wie die Europäische Kommission und das Europäische Parlament unterschiedliche Leitbilder haben und verschiedene Strategien kultureller Integration verfolgen. Vielmehr spielen auch die Mitgliedstaaten und sub-nationale regionale staatliche Akteure eine wichtige Rolle in der Europäisierung des Museumsfeldes. In Kapitel 4, Europa vernetzen, erweitern wir unseren Blick auf Akteure in der Europäisierung des Museumsfeldes noch einmal. Wir argumentieren, dass die bisherige Forschung viel zu staatszentriert gewesen ist. Wie wir anhand verschiedener Beispiele zeigen, gingen und gehen zahlreiche Initiativen, die zur Europäisierung des Museumsfeldes und möglicherweise langfristig zur kulturellen Integration innerhalb der EU beitragen, von gesellschaftlichen Akteuren aus. Diese sind nicht immer von der Unterstützung durch staatliche Institutionen abhängig, auch wenn sie vielfach davon profitieren. Wir untersuchen in diesem Kapitel die Rolle von Nichtregierungsorganisationen, Historikern, Museumspraktikern, Museumsorganisationen, zahlreichen strukturell und funktional sehr verschiedenen Netzwerken und von Kulturunternehmern in der Europäisierung des Museumsfeldes. In Kapitel 5, Europa sammeln, wird Europäisierung als kulturelle Praxis mit aktuellen Sammlungsstrategien in (kultur-)historischen und ethnologischen Museen zusammengedacht. Europa – in welcher Form auch immer – muss erst gesammelt werden, bevor es ausgestellt werden kann. Eine europäisch ausgerichtete Sammlungspolitik, das zeigen wir in diesem Kapitel gleich zu Beginn, existiert momentan jedoch nicht. Demzufolge verfolgt die Analyse, auf welchen Umwegen Europäisierung als kulturelle Praxis in die Auseinandersetzung um den Status und den Umgang mit Objekten und Sammlungen eingreift. Mit dem Begriff und der Definition relationaler Objekte werden in diesem Kapitel all jene Zuschreibungs- und Deutungsprozesse erfasst, durch die es musealen Objekten heute ermöglicht wird, Momente der Teilhabe, der Bewegung und des Austauschs zu repräsentieren und somit als Einschreibungsfläche für Prozesse der Europäisierung zu fungieren. Idee und Begriff des relationalen Objekts führen in diesem Kapitel zugleich zu einer Erweiterung des Akteurs-Verständnisses: Mit Bruno Latour (2001) verstehen wir auch die musealen Objekte als handelnde Subjekte im Netzwerk der Sinnproduktion. Der Mangel an kanonisierten europäischen Objekten erschwert Museen, Ausstellungen und Sammlungen auch die Narration europäischer (Zeit-)Geschichte als gemeinsame Geschichte.

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Kapitel 6, Europa erzählen, analysiert, welche Formen europäischer Erzählungen die neuen Großprojekte wie das House of European History (HEH) in Brüssel entwickeln und wie verschiedene Facetten der Geschichte der europäischen Integration im weitesten Sinne in bestehende Museen und Ausstellungen eingeschrieben werden. Wir zeigen in diesem Kapitel, dass europäische (Zeit-) Geschichte museal zu erzählen nur unter Verzicht auf neue Meistererzählungen wissenschaftlich vertretbar und aus Sicht der Besucher glaubwürdig sein kann. Großprojekte wie das HEH haben ohnehin nur eine begrenzte potenzielle Reichweite. Viel wichtiger für die Europäisierung als kulturelle Praxis der Geschichtsnarration erscheint uns, welche Facetten europäischer (Zeit-)Geschichte als gemeinsamer Geschichte auf welche Weise in bestehende nationale, regionale und andere museale Narrative eingeschrieben werden. Hierfür gibt es verschiedene Optionen, darunter der biographische Ansatz, Geschichten der so genannten Gründerväter oder mitlebender EU-Bürger und ihrer transnationalen Erfahrungen zu erzählen. Kapitel 7, Europa durchkreuzen, wendet sich einem Thema zu, das erstens die Gegenwart der europäischen Gesellschaften prägt; zweitens auf ein zentrales Politikfeld der EU verweist; und drittens einen signifikanten Trend im musealen Feld in Europa markiert: Anhand von Migrationsausstellungen wird der Verbindung von Migration und Mobilität mit dem fortwährenden Prozess der Europäisierung nachgegangen. In den untersuchten Ausstellungen wird in dieser Hinsicht keineswegs notwendigerweise explizit auf Europa oder die EU Bezug genommen – doch das Verhältnis zwischen den physischen und geopolitischen Grenzlinien Europas und den symbolischen Unterscheidungen zwischen Eigenem und Fremdem loten die Ausstellungen allemal aus. Dabei tritt Migration weniger als Ausnahme denn als gesellschaftliche Konstante auf den Plan. Ein Europa der Nationalstaaten, das auf der Idee und Norm von Sesshaftigkeit basiert, erscheint angesichts dessen fragil. Das Bild Europas, wie es aus Migrationsausstellungen ablesbar ist, besteht gerade in dem Verwischen überkommener Vorstellungen von Europa und der symbolischen Geographie des Kontinents. Das abschließende Kapitel 8 führt zentrale Aspekte und Argumente zusammen. Dabei nehmen wir diejenigen Fragen auf, die sich aus unserer eigenen Forschung ergeben haben, und verweisen auf mögliche Themen zukünftiger Forschungen. Dazu gehört grundlegend, dass wir uns mit unseren eigenen transnationalen Erfahrungen als Autoren dieses Buches als Teil der Europäisierungsprozesse verstehen, die wir analysieren. Unser Buch selbst ist ein Produkt von Europäisierung als einer kulturellen (sowie interdisziplinären) Praxis. Gerade



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weil Prozesse der Musealisierung und der nationalen Integration historisch eng miteinander verknüpft waren und derzeit manche Akteure europäische Kulturund Museumspolitik für die Stärkung der Legitimität der EU instrumentalisieren, erscheint es uns wichtig, die normativen Fallstricke, die in der Perspektive auf Europa im Museum liegen, transparent zu halten.

2 Europa musealisieren: Kompensation, Verhandlung und Zukunftseroberung

„Kurz nach 1750 entstehen gleichzeitig der moderne Begriff des Fortschritts und die ersten Museen“, stellt Odo Marquard (2001, 50) fest. Wie vor ihm Heinrich Lübbe (1989) begreift Marquard die ideengeschichtliche Entwicklung des Museums als eine Kompensationsgeschichte. Indem sich der Mensch an das Alte wendet, den vergangenen Zeiten, Materialien und Praktiken Aufmerksamkeit widmet, kompensiert er die lebensweltlichen Verluste im Zuge von Industrialisierung, Ökonomisierung und fortschreitender Beschleunigung des Lebens. Nach Lübbe (1989, 25) ist das Museum „zunächst einmal eine Rettungsanstalt kultureller Reste aus Zerstörungsprozessen, denen irreversibel ausgesetzt ist, was als im aktuellen Reproduktionsprozeß funktionslos durch die kulturelle Evolution ausselektiert worden ist“. Die Aufwertung von Geschichte allgemein und ihrer kulturellen Institution des Museums im Besonderen wird derart als eine Antwort auf die Paradoxien des Fortschritts verstanden. Damit wird die Institutionengeschichte des modernen Museums in die Produktion von Geschichte und Geschichtlichkeit seit dem 18. Jahrhundert eingebunden. „Man braucht Institutionen der Trauer, des ‚nevermore‘“, wie Niklas Luhmann (1999, 212) mit Blick auf das Museum schreibt. Musealisierung wird so als ein gesellschaftlicher Prozess kenntlich, der über die Institution des Museums hinausreicht (Sturm 1991; Zacharias 1990; Baudrillard 1983). Darin liegt einer der Gründe für die fortwährende Aktualität des Museums. Was für den deutschsprachigen Raum der siebziger Jahre galt (Lübbe 1989), wird in aktuellen Forschungsberichten bestätigt, die von „erstaunlichen Wachstumsraten“ (Korff 2007a, IX) und einem „allgemeinen Museumsboom“ (Baur 2010) sprechen, der sich bei weitem nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt (Merritt 2008; Macdonald 2006; Towse 2002). Die European Group on Museum Statistics etwa zählt alleine für 27 an ihr beteiligte europäische Staaten fast 20.000 Museen.1 Der bewahrend-konservatorische Charakter der Museen ist bis heute ein Motor ihres gesellschaftlichen Erfolges, wie Simon Knell (2004, 11, im Original kursiv) herausgestellt hat: „Museums were invented to capture and keep against a background of change, not to change.“



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Weil in jedem Moment des Bewahrens eine Auslese stattfindet, steht historisch betrachtet außer Frage, dass Museen eine entscheidende Rolle im Zug der nationalen Integrationsprozesse im 19. Jahrhundert gespielt haben. Neben Denkmälern, monumentalen Bauwerken und nationalen Beiträgen zu den Weltausstellungen als partiell globale Kommunikationsforen gehörten Museen zum Standardrepertoire nationaler Identitätsstiftung. Ihre Narrative sollten ein kollektives Gedächtnis schaffen und den sozialen und politischen Zusammenhalt der sich konstituierenden Nationen und Staaten stärken. Wie Sharon Macdonald (2003, 3) schreibt: „Museums, already established as sites for the bringing together of significant ,culture objects‘, were readily appropriated as ,national‘ expressions of identity, and of the linked idea of ,having a history‘.“ Weil die Nation nach Ernest Renan (1994 [1882], 1175) ein „geistiges Prinzip“ ist und nach Benedict Anderson (2000 [1983]) als eine „imagined community“ verstanden werden sollte, ist es entscheidend, dass sich die Nation und ihre Geschichte materialisiert und aktualisiert. Museale Sammlungen bringen konkret zum Ausdruck, dass Nationen eine gemeinsame Geschichte besitzen und dass diese Geschichte bedeutsam und in diesem Sinne wert ist, ausgestellt zu werden. Dass Geschichte besessen und gezeigt werden kann, hat vielfältige Implikationen (Kittsteiner 1999). Nach Crawford Macphersons (1964) Analyse des Besitzindividualismus setzte sich seit der Aufklärung die Vorstellung durch, dass ein freies Selbst primär ein besitzendes Selbst sei. Der Mensch wird als freier Mensch gedacht, insofern er sich selbst und Andere(s) besitzt. Die Parallele zum Akt des Sammelns ist offenkundig und von James Clifford (1994, 259) gezogen worden: „Macpherson’s classical analysis of western ,possessive individualism‘ traces the seventeenth-century emergence of an ideal self as owner: the individual surrounded by accumulated property and goods. The same ideal can hold true for collectivities making and remaking their cultural ,selves‘.“ Kulturelles und historisches Eigentum wurde in der Gründungsphase der modernen Museen mit nationaler Bedeutung aufgeladen und als gemeinsames Erbe tradiert. Kultur und Geschichte verdichtet sich in einem Ding, dem musealen Objekt (Handler 1988; Pomian 1987; Stewart 1984). Darin erfüllt sich die bewahrende und gleichzeitig kanonisierende Funktion des Museums bis ins 20. Jahrhundert, wie Flora Kaplan (1994, 4) und andere (Pearce 1995; von Plessen 1992; Karp und Lavine 1991) gezeigt haben: „Museums and museum systems are treated as instruments in defining self and nation.“ Nationale Museen bestanden aus nationalen Sammlungen und generierten diese zugleich, wie neuere Forschungen zu den europäischen Museumsgründungen im 18. und 19. Jahrhundert zeigen

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(Knell et al. 2010; Raffler 2007). Die Sammlung und Darstellung dieser national definierten Objekte wirkten als Katalysator eigener Identität und scheinbarer zivilisatorischer Überlegenheit (Baur 2010, 26): „Was einst die Macht und Sammelleidenschaft von Fürsten dokumentiert hatte, wurde nun zum Beleg der ‚inneren Tiefe‘ der Nation.“ Dabei ist auch und gerade der Blick auf Fremde – auf fremdes Eigentum, fremde Menschen und fremde Objekte – ein wesentlicher Faktor für die Nationalisierung der musealen Perspektive gewesen, wie Andersons klassische Studie zur Funktion von kulturellen Objekten in den Nationalisierungs- und Kolonialisierungsprozessen des 19. Jahrhundert verdeutlicht hat. Am Beispiel der britischen Kolonialpolitik in Südostasien zeigt Anderson (2000 [1983], 181f., im Original kursiv) die kulturellen Taktiken der europäischen Herrscher, die sich primär als Kategorisierungs- und Klassifizierungsstrategien beschreiben lassen: „The old sacred sites were to be incorporated into the map of the colony, and their ancient prestige (which if this had disappeared, as it often had, the state would attempt to revive) draped around the mappers. […] Museumized this way, they were repositioned as regalia for a secular colonial state.“ Somit können Begriff und Prozess der Musealisierung nur zweideutig gedacht werden. Dem Akt des Bewahrens ist die herrschende Verfügung über das Objekt beigestellt. Diese symbolische Herrschaft über (fremde) Kultur und Geschichte hat sich laut James Clifford (1994, 265) im Laufe der Jahrhunderte als ein Ausdruck kultureller Überlegenheit Europas formiert: „The value of exotic objects was their ability to testify to the concrete reality of an earlier stage of human Culture, a common past confirming Europe’s triumphant present.“ So wurde etwa die ethnologische Sammlung in Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts ohne jegliche Objekte aus Europa aufgebaut, was der Museumsführer mit der Begründung kommentierte, dass sich „Primitive“ […] nur außerhalb Europas“ befänden (zit. nach Laukötter 2005, 220). Über fremde Objekte zu verfügen, funktioniert (strukturell bis heute) durch eine Verwissenschaftlichung der musealen Sammlung und von deren Repräsentationstechniken (Hooper-Greenhill 1992) als Ausdruck einer vernunftgeleiteten menschlichen Herrschaft über Kultur und Geschichte, wie Lynn Maranda (2009, 257) den Prozess der Musealisierung zusammenfasst: „Musealization, therefore, is undertaken to serve and satisfy knowledge, and the museum is the repository for the knowledge of objects.“ Derart ausgestattet mit symbolischer Herrschaft, ist dem Museum auch die konkrete hegemoniale Praxis der Unterwerfung nicht fremd. Am deutlichsten kommt dieses Janusgesicht der Museali-



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sierung in dem so genannten Jüdischen Zentralmuseum in Prag zum Ausdruck, dessen Sammlung aus den privaten Wertgegenständen und Sachen der ermordeten Juden Osteuropas bestand (Rupnow 2000). Dieses Museum – zwischen 1942 und 1945 in einer entweihten Synagoge beherbergt – hatte keinen anderen Auftrag als die meisten kulturgeschichtlichen Museen: Es sollte eine untergegangene Welt, nämlich die des osteuropäischen Judentums, festhalten. Doch hier waren es die Sammler selbst, die für den Untergang dieser Welt mordend verantwortlich waren. Das Museum wächst (auch) durch Vernichtung. Wie im 19. Jahrhundert erwirbt es „seine Objekte mit Hilfe der Armee“ (Pomian 2007, 18). So verstanden, als ein „Ort der Moderne“ (Laukötter 2005, 218–227) hat sich das Museum bis in die Gegenwart hinein seinen Weg „to the centre of […] civilized society“ (McClellan 2008, 1) gebahnt. Der gesellschaftliche Erfolg dieser bürgerlichen Erfindung (Fliedl 1996) ließ Jean Baudrillard (1983, 15) Mitte der achtziger Jahre davon sprechen, dass das Museum nun überall sei, „like a dimension of life itself“. Geschichte zu haben ist zu einer individuellen Erfahrung und Geschichte zu einer kulturindustriellen Ware geworden, die im Feld der public history zwischen theatralen Neuinszenierungen von Geschichte (Bagnall 2003), Zeitzeugenbörsen (de Jong 2011a) und populären Stoffen für das Fernsehen (Pirker 2010; Korte und Palatschek 2009; de Groot 2008) oszilliert. Zugleich hat das moderne Museum unzweifelhaft Demokratisierungs- (Carrier 2006; McClellan 1994) und Popularisierungsleistungen (Hügel 2007; Bennett 1995) vollbracht. Letztere haben zu einer wachsenden öffentlichen Anteilnahme und gesellschaftlichen Diskursfähigkeit im Umfeld von Museumsneugründungen geführt. Diese sind gleichzeitig und genau deshalb durchdrungen von „massiven moralischen Ansprüchen“ und vielfach eingebettet in ein „Gremienwesen, das die politische Korrektheit der Ausstellungen sichert“ (Imhof 2008, 60). So waren etwa das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin und der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, mit dem Vorwurf der Zensur konfrontiert, als die kritische Aussage einer Texttafel zur europäischen Einwanderungspolitik kurz vor der Eröffnung der Ausstellung Fremde? Bilder von den „Anderen“ in Deutschland und Frankreich seit 1871 im Winter 2009 entschärft wurde. Beobachter kritisierten die „Dienstleistungsfunktion“2 eines Geschichtsmuseums, das abhängig von der Politik wird. Die Kontroversen zwischen Museum und Politik liegen aber nicht nur historisch im Strukturwandel der Öffentlichkeit begründet (Habermas 1962), sondern haben seit Ende der achtziger Jahre eine diskursive und im hohen Maße politisierte Aktualisierung durch die kulturwissenschaftliche Wende in der Mu-

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seumskunde erfahren. Programmatisch ausgebreitet in Peter Vergos New Museology (1989) prägen seitdem die „politics of museum display“ (Karp und Lavine 1991) die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die Institution Museum (Baur 2010; Nayar 2006; Message 2006; Beier-de Haan 2005; Preziosi und Farago 2004; Bhatnagar 1999; Macdonald 1998). Der primäre Anspruch eines jeden Museums, Objekte zu sammeln, zu konservieren und auszustellen, hat spätestens durch die Arbeiten der New Museology seine Unschuld verloren. Wie Pramod Nayar (2006, 137) schreibt: „The museum […] functions as the space of guardianship and first interpreter. The issue of authority – and of power and the politics of interpretation – is thus never far from the very idea of a museum.“ Das gesellschaftliche Machtfeld, in dem sich Museen bewegen, ist zum dominanten Interpretationsrahmen geworden, seit mit Tony Bennett (1995) die Repräsentationskritik Michel Foucaults (1974) auch in die Literatur zu Theorie und Praxis des Museums Eingang gefunden hat. Dass Foucault tatsächlich nur an wenigen Stellen über das Museum geschrieben hat und die Parallelführung von Museum und Herrschaft, von Kultur und Politik an einigen Stellen über ihr Ziel hinausschießt, darauf hat Steven Conn (2010, 4) zu Recht hingewiesen: „That there is a relationship between culture and politics is a truism, but much of this scholarship makes the two virtually synonymous. They are not.“ Speziell für die Darstellung von Geschichte im Museum ist allerdings zu beobachten, dass diese vielfach als eine legitimierende Inszenierung durch politische und gesellschaftliche Eliten präsentiert und als solche auch rezipiert wird (Wahnich, Lášticová und Findor 2008; Pieper 2006; Krankenhagen 2001). Das Museum gilt heute mehr denn je als ein zentraler Ort, an dem sich die imaginierten Gemeinschaften selbst ausstellen. Weil heute zum einen das Bewusstsein für die identitätspolitischen Implikationen von Museen und Ausstellungen gewachsen ist und zum anderen staatliche Institutionen deutlich stärker die Gründung von Museen beeinflussen als im 19. Jahrhundert (Hartung 2010; Maddison 2004), nimmt die Institution eine neuralgische Position in der öffentlichen Verhandlung historischer und kultureller Identität ein. Wie schon im 19. Jahrhundert ist das Museum zu einem „zentrale[n] Machtfaktor in der kulturellen Ökonomie“ (Kravagna 2001, 7) der Gegenwart geworden. Mit Bedacht wird dabei bisher vom Museum im Kollektivsingular gesprochen – dies nicht, weil nicht unterschiedliche Museumstypen, -formen und -traditionen auch unterschiedliche Funktionen und eine weitere Diversifizierung der Museumslandschaft nach sich zögen (Baur 2010; Kirshenblatt-Gimblett



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1998); sondern vielmehr um die ideengeschichtlichen Leitmotive der Institution heraus zu arbeiten. Diese haben auf unterschiedliche Weise auf jedes einzelne Museum gewirkt und so eine spezifische Pfadabhängigkeit im Sinne einer eigenen Erinnerungsspur gebildet. Das Museum wird derart als ein Ort begreifbar, in dem immer wieder aufs Neue gesellschaftliche Ordnungskategorien der Moderne – unter den jeweiligen Bedingungen der Gegenwart – verhandelt werden. Das Museum erzeugt die Sichtbarkeit jener Kategorien. In ihm werden Ideen von Bildung und Wissen, von Individualität und Identität, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft öffentlich rezipiert und dargestellt. Das Museum hat somit Anteil an den politischen und kulturellen Bruchstellen der Moderne, in deren Dialektik die Stärken und Schwächen der Institution begründet liegen. Unabhängig davon, ob die Wirkungskraft von Museen heute überschätzt wird oder nicht: Deutlich ist, dass die Gründung und Legitimierung von Museen heute primär als ein politisches Forum benutzt wird, das auf die Gegenwart reagiert und in die Zukunft weisen soll. Die Gründe für die anhaltende Konjunktur der Institution Museum lassen sich dementsprechend nicht ausschließlich in ihrer kompensatorischen Funktion finden. Museen reagieren heute auf neue Bildungs- und Freizeitstrukturen. Sie positionieren sich als Lernorte und soziale Räume, die auf die wachsende Heterogenität der Gesellschaft reagieren können (oder sollen). Sie besetzen neue Flächen im öffentlichen Raum und müssen mit einer verknappten Aufmerksamkeitsökonomie Schritt halten, der sie mit publikumswirksamen Sonderausstellungen, architektonisch aufsehenerregenden Museumsneubauten oder einfach neuen Öffnungszeiten begegnen. Die gegenwärtige Rhetorik und Praxis der Museen brechen mit dem Bild einer vergangenheitsorientierten Institution und sind zu Katalysatoren der kulturellen Veränderung geworden. Uns interessieren an dieser Stelle weniger die Gründe denn die Folgen dieser Umwertung. Denn obwohl der Museumsboom auch Verlierer in den eigenen Reihen produziert (Sola 2004), wird die Institution doch als Ganzes neu wahrund in die Pflicht genommen. Als ein erfolgreicher gesellschaftlicher Akteur bildet das Museum ein abstraktes „model of the twenty-first-century museum“, wie es Simon Knell (2004, 8) nicht ohne Ironie formuliert: „focused, businesslike, public friendly and pluralistically funded, yet preserving its collection and research identity“. Marquard hat bereits darauf hingewiesen: Die Idee des Fortschritts und des Museums entstanden gleichzeitig. Doch während die Kompensationstheorie die Funktion des Museums als die Suche nach der verlorenen Zeit beschreibt – und damit als eine rückwärtsgewandte Reaktion denkt – begreifen

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wir das Museum auch als eine aktive Arena für die Verhandlung gegenwärtiger und zukünftiger gesellschaftlicher Themen. Kurt Imhof (2008, 49, im Original kursiv) hat das auf den Punkt gebracht: „Museen sind Gegenwartsvergegenwärtigungsinstitutionen zum Zwecke einer orientierten Zukunftseroberung.“ Die Idee eines gemeinsamen Europas stellt sich somit als Frage nach einer gemeinsamen Zukunftseroberung – und diese Frage wird heute mit großer politischer Dringlichkeit gestellt. Jedes Museum und jede Ausstellung, die heute Europa – und speziell die Integration Europas seit dem Zweiten Weltkrieg – thematisieren, tragen zu einer Aushandlung Europas bei, indem sie historische und aktuelle Gemeinsamkeiten und Grenzen des Kontinents und der Europäischen Union (EU) gleichzeitig darstellen und herstellen. Wie Krzysztof Pomian (2009, 10) betont hat: „A historian can say what the identity of Europe is in the descriptive sense of the term, a cluster of stable distinctive features. (...) The real controversy, however, lies elsewhere. It concerns identity not in its descriptive but in its prescriptive sense. The debated question is: given who we are, what of our past and our present is worth preserving?“ Weil jedoch die Identität Europas, die Pomian als gegeben behandelt, permanent verhandelt wird und der aktuellen politischen Form Europas, nämlich der EU und ihren Institutionen, hinreichende symbolische Repräsentationskraft fehlt (Imhof 2008, Schmale 2008), scheint es, als ob auch die wenigen Museen, die sich ausdrücklich der Darstellung Europas und seiner Geschichte widmen wollen, ohne Erfolg bleiben. Im Folgenden sollen drei dieser Projekte vorgestellt werden: das Musée de l’Europe in Brüssel (Musée), das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille (MuCEM) und das Bauhaus Europa in Aachen. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie die Formel Europa zum Zweck einer unterschiedlichen Zukunftseroberung benutzen wollten oder wollen. Jene Formel entwickelte allerdings in Brüssel, Marseille und Aachen aus unterschiedlichen Gründen keine oder zu wenig Überzeugungskraft. Europäisierung als kulturelle Praxis zu analysieren heißt somit auch, auf missglückte Prozesse von Europäisierung zu blicken.

Das Musée de l’Europe: eine teleologische Erzählung…

„Wir wollen unsere Absicht unverhohlen bekennen: unser Ziel ist es, ein identitätsstiftendes Museum zu schaffen“, verkündete Benoît Remiche, der Gene-



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ralsekretär des Musée de l’Europe 2001 auf einer Tagung in Turin (zit. nach Mazé 2008, 119). Das Musée in Brüssel war lange Jahre das sichtbarste Projekt einer expliziten Musealisierung der Geschichte Europas. Es handelte sich dabei allerdings zunächst nur um einen gemeinnützigen Verein, der seit seiner Gründung im Jahr 1997 mit dem Ausstellungsbüro Tempora vier Ausstellungen verwirklicht hat. Die ersten beiden kulturhistorisch geprägten Ausstellungen widmeten sich 2001 dem Europa des 19. Jahrhunderts und der Weltausstellungen (La Belle Europe. Le temps des expositions universelles, 1851–1913) und 2006 der Religionsvielfalt Europas (Dieu(x), modes d’emploi). Die dritte Ausstellung (C’est notre histoire!) wurde 2007/08 in Brüssel und 2009 in Wroclaw (Breslau) gezeigt und die vierte (America – It’s also our history!) 2010/11 in Brüssel. Das Musée wird von prominenten Mitgliedern der politischen und gesellschaftlichen Eliten Belgiens und der EU geleitet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten der inzwischen verstorbene Sozialist Karel van Miert, damals Wettbewerbskommissar in der Europäischen Kommission, und die liberale Abgeordnete des Europäischen Parlaments (EP), Antoinette Spaak, die Tochter eines der so genannten Gründerväter der heutigen EU, Paul-Henri Spaak. Geplant hat der Musée-Verein ein Museum in und für Brüssel als der informellen Hauptstadt Europas. Remiche gab drei Gründe für die Konzeption des Museums an: erstens das fehlende Interesse an einer gemeinsamen demokratischen Debatte in Europa; zweitens die Begrenzungen des politisch gedachten Europas im Rahmen der EU; und drittens die steigende Bedeutung des Tourismus für Brüssel (Remiche 2001). Schon aus den Zielsetzungen der Museumsplaner wird deutlich, dass hier auf kulturellem Feld politische Krisenerfahrungen der europäischen Integration verhandelt und möglicherweise kompensiert werden sollten. Neben privaten Sponsoren sind bis heute sowohl der belgische Staat als auch die Stadt Brüssel an der Finanzierung des Vereins und seiner Ausstellungen beteiligt. Die Europäische Kommission unterstützte den Museumsplan finanziell nie direkt. Tempora hat sich jedoch an EU-Ausschreibungen beteiligt und auf diesem Weg EU-Mittel akquiriert (Interview Benoit). Seit 2000 ist das Musée außerdem in das Netzwerk Museums of Europe mit mehr als zwanzig nationalen Museen eingebunden, die sich gegenseitig über Ausstellungsthemen und -formen in europäischer Perspektive verständigen. Die Planung des Museums und seiner Ausstellungen wird von einem wissenschaftlichen Beirat koordiniert, der von dem polnisch-französischen Historiker und Museumswissenschaftler Pomian geleitet wird.

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Das Musée de l’Europe geht offensiv mit seiner pro-europäischen Haltung um, die sich in der Zusammensetzung seiner Gründungsmitglieder, der Verschränkung von privatwirtschaftlichen, nationalen und europäischen Finanzmitteln, dem vom Musée mit initiierten Netzwerk Museums of Europe sowie seiner ideengeschichtlichen Perspektive widerspiegelt. Das geplante Museum soll zu einem europäischen „place of memory“ werden, wie es im Rahmen der Ausstellung C’est notre histoire! hieß, die zum fünfzigjährigen Jubiläum der Römischen Verträge im Oktober 2007 in Brüssel eröffnet wurde. Diese Ausstellung zur Geschichte der Integration sollte der Kern des geplanten Museums werden. Das Museum wiederum sollte die Geschichte Europas als einen übergreifenden Integrationsprozess darstellen, der sowohl durch „Perioden der Einheit“ (Jahrhunderte des gemeinsamen Glaubens, Epoche des Humanismus und der Aufklärung, politische Integration nach 1945) als auch durch „Perioden der Brüche“ (Reformation und Glaubenskriege, Nationalismus, Totalitarismus und Weltkriege) charakterisiert ist.3 Aus Sicht der Kuratoren ist entscheidend, dass sowohl die positiven als auch die negativen Erfahrungen in der Geschichte des Kontinents zur Ausbildung einer gemeinsamen Kultur geführt haben. Nach Pomians Überzeugung (2009, 8) geht der Gedanke einer kulturellen Einheit Europas seit der Aufklärung der ökonomischen und politischen Integration des 20. Jahrhunderts geradezu voraus: „Moreover, among the lasting results of the second cultural unification was the idea of Europe as a cultural reality, shared since the eighteenth century by a significant part of the elites of a majority of European nations. These elites became more and more convinced that this cultural reality had to be completed by an economic and even political one.“ Der Plan für ein Museum in Brüssel präsentiert damit die Geschichte Europas als eine teleologische Erzählung. Nicht nur die gemeinsame Ideengeschichte und die humanistische Tradition Europas, auch die Konflikte und Kriege bilden die Wurzeln einer gemeinsamen kulturellen Herkunft, die in dem ökonomischen und politischen Integrationsprozess nach 1945 kulminiert. Der Musée-Verein ist für diese geplante essentialistische und tendenziell verklärende Darstellung Europas kritisiert worden (Kaiser und Krankenhagen 2010; Krankenhagen 2008; Mazé 2008). Gleichzeitig bietet das Projekt damit eine Definition Europas an, die für die Antwort auf die Frage nach Wesen und Identität des Kontinents feste Koordinaten vorgibt. Im Gegensatz zur Rhetorik der EU-Eliten beschreibt und definiert der Musée-Verein in seinen Ausstellungen, welche kulturelle Einheit in welcher Vielfalt gemeint ist. Er entwirft damit sukzessive eine Meistererzählung europäischer Geschichte, die als solche seit langem einer fundierten Kritik in



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Philosophie (Lyotard 1986) und Geschichtswissenschaften (Jarausch und Sabrow 2002a; Megill 1995; White 1973) ausgesetzt ist. Dennoch liegt gerade darin der Reiz einer Analyse des Musée-Plans und der bereits umgesetzten Ausstellungen im vorliegenden Buch, weil der Moment des europäisch Machens derart explizit ausgestellt wird. Als kulturelle Praxis der Europäisierung geraten sowohl die Gründungsmitglieder und Kuratoren, das Netzwerk und die Partnermuseen, die Sammlungspolitik und der Objektbestand sowie nicht zuletzt die Ausstellungen des Musée in den Blick der Forschung. Ob und wie dessen museale Darstellungen der Geschichte Europas übergeordnete Entwicklungslinien entwerfen, komplexe historische Zusammenhänge reduzieren und somit widerstreitende Erzählungen integrieren und öffentlich anschlussfähig machen wollen, wird in Kapitel 6 noch genauer zu zeigen sein.

… und ihr Scheitern

Zugleich ist der Musée-Plan ein Beispiel für das Scheitern einer inneren Einigungsgeschichte Europas im Museum. Denn seit das EP im Jahr 2007 ein Projekt initiiert hat, das die Geschichte der europäischen Integration darstellen soll, ist die Verwirklichung des Musée-Projektes unrealistisch geworden. The House of European History (HEH) geht auf eine Initiative des damaligen christdemokratischen EP-Präsidenten Hans-Gert Pöttering zurück. Wie das Musée soll es dazu beitragen, europäische Identität zu fördern. Geplant in Brüssel für das Jahr 2014, übernähme es teilweise die Rolle des Musée, das weiterhin ohne festes Gebäude agiert, nachdem das EP Anfang 2007 den dafür ursprünglich vorgesehenen Platz für sein eigenes Besucherzentrum reservierte, das nach einigen Verzögerungen im Herbst 2011 eröffnet wurde. Wie Kapitel 4 noch näher analysieren wird, ist das HEH ein Projekt politischer EU-Eliten, das ausdrücklich auf die demokratische Leerstelle des Integrationsprozesses reagiert: „While European integration is praised world-wide as an example of exceptionally successful economic and political advancement […] scepticism spreads in all Member States“, wie es in einer internen Notiz in der Planungsphase des HEH im Jahr 2008 heißt: „the historical narrative is missing from the current political discussion“.4 Die Geschichte Europas soll den zukünftigen Besuchern helfen – so die Initiatoren des Projektes – die Gegenwart des Integrationsprozesses zu verstehen und als ihre eigene Geschichte zu erkennen. Als Vorbild dient dem europäischen Haus ein deutsches Haus: das Haus der Geschichte für die Bundesrepublik

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Deutschland in Bonn, das ebenfalls aus einem politischen Willen entstand. Es war der damalige westdeutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, der die Gründung des Museums seit seinem Regierungsantritt 1982 vorantrieb und es schließlich 1994 eröffnen konnte. Die enge konzeptuelle Verbindung zwischen beiden Museen wird auch darin deutlich, dass der deutsche Historiker und Direktor des Hauses der Geschichte, Hans Walter Hütter, als erster Leiter des HEH-Sachverständigenausschusses fungierte. Es steht damit zu erwarten, dass sich auch das Projekt in Brüssel an einem im weiten Sinne politik- und alltagsgeschichtlichen Konzept orientieren wird und in Zukunft mit einer zeithistorischen Sammlung auftritt. Einem ersten Konzeptpapier zufolge sollte der Schwerpunkt der Ausstellung „die europäische Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart präsentieren. […] Die Friedensphase seit Ende des Zweiten Weltkrieges soll hierbei einen herausgehobene Rolle spielen.“5 Die von dem Sachverständigenausschuss 2008 vorgestellten inhaltlichen Grundlinien der Dauerausstellung waren allerdings derart unscharf, dass sich der Eindruck einer gleichsam additiven Geschichtsschreibung ergibt. Zwischen den Einflüssen der altägyptischen Kultur bis zum Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU im Jahr 2007 findet alles Platz, was im weitesten Sinne von Europa ausging oder auf Europa einwirkte. Das Ergebnis könnte einen ähnlichen (visuellen) Geräuschpegel wie John Cages Europera ergeben. Diese „schreckliche Kakophonie“6, wie sie bereits genannt wurde, wird jedoch – anders als der Musée-Plan bisher – verwirklicht werden. Das Scheitern des Musée-Projektes stellt jedoch auch eine interessante Form der Europäisierung dar. Für Mazé (2008, 119) zeugen die vielen Hindernisse von der „Kluft zwischen den kulturpolitischen Rahmenbedingungen der EU sowie der Kulturpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten einerseits und dem Vorstoß der Museumsleute zur Gründung von ‚Europamuseen‘ andererseits“. Die nur subsidiären kulturpolitischen Kompetenzen der EU, die in Kapitel 3 näher beleuchtet werden, verbieten direkte Eingriffe in die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten. Gleichzeitig haben die Initiatoren des Musée-Plans von Anfang an unterschiedliche politische, nationale und gesellschaftliche Akteure nicht nur aus Belgien in ihr Projekt eingebunden und somit eigentlich eine wichtige Anforderung an Europäisierung erfüllt. Entscheidend für das vermutliche Scheitern erscheinen uns zwei andere Momente in der Entwicklung des Musée-Projektes zu sein: Zum einen hat das Musée – sowohl in seiner Außendarstellung (Rubercy 2004; Remiche 2001) als auch in seinen Ausstellungen – das teleologische Muster der EU-Rhetorik beinahe



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ungebrochen übernommen, ohne dabei selbst einen offiziellen Vertretungsanspruch zu besitzen – schon, weil man nie ein „EU-Projekt“ sein wollte (Interview Benoit). So hieß es etwa in C’est notre histoire! zum Gründungsdokument der heutigen EU, den Römischen Verträgen (Tempora 2009, 17): „The treaty of Rome, whose fiftieth anniversary we are celebrating, is not a peace treaty. But the way in which it was negotiated, its very content and its revolutionary method of gradually integrating States into a greater whole, have done more than prevent the return of armed conflicts within the Community and, later, the European Union. For the first time in the history of Europe, the culture of war has given way to a culture of peace.” Das Musée ist in seinem Anspruch, eine gemeinsame europäische Erfahrungsgeschichte zu repräsentieren, weiter gegangen als alle anderen der noch zu beschreibenden Museumsprojekte. Möglicherweise hat genau dies dazu geführt, dass das Projekt von den politischen Eliten der EU zwar wahrgenommen, aber nicht nachdrücklich genug unterstützt wurde, bis schließlich die Zeit für ein eigenes Museumsprojekt reif erschien. Als Ersatz für die fehlende soziale Aushandlung der Zwecke und Ziele der EU war das Musée nicht geeignet, obwohl es auch darauf vorausschauend reagierte: Die Ausstellung C’est notre histoire! reklamierte – und imitierte – einen sozialhistorischen Ansatz einer Geschichtsschreibung von unten, der sich in der Einbindung verschiedener Zeitzeugen der Europäisierung manifestieren sollte (Tempora 2009, 23): „27 ordinary citizens from the 27 countries of the European Union, 27 fascinating stories. Each of their individual stories is a piece of the jigsaw that makes up European history. Our history.“ Weil aber diese 27 Geschichten (Abb. 1) fast ausschließlich Erfolgsgeschichten der EU-Institutionen widerspiegeln, bleibt das Versprechen eines eigenen europäischen Narratives hohl. Das Musée hat weder eine Stimme entwickelt, die sich deutlich genug von der Integrationsrhetorik der EU unterscheidet, noch hat es überzeugend zu den in der Einleitung genannten Ambivalenzen und Aporien einer europäischen Geschichtsschreibung im Museum Stellung bezogen. Dennoch kann das Musée für sich in Anspruch nehmen, Katalysator für die Idee eines europäischen, zeitgeschichtlich orientierten Museums in Brüssel gewesen zu sein. Darüber hinaus zeigt vielleicht auch einer der auffälligsten Unterschiede im Entstehungsprozess von Musée und HEH, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um die Ungleichzeitigkeiten, Brüche und Konflikterfahrungen der europäischen Geschichte museal aufzuheben. Denn während das Musée die Diskussion in und mit der Öffentlichkeit zumindest nicht gescheut hat, hat die Planung für das HEH lange Zeit fast vollständig unter Ausschluss

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der Öffentlichkeit stattgefunden. Europäisierung als kulturelle Praxis steht – sofern sie wie hier in enger Abstimmung mit den politischen Eliten in Brüssel stattfindet – auch für die Akkumulation von Herrschaftswissen im Verborgenen. Dass es vor allem der öffentliche Diskurs ist, der ein neues Museumsprojekt erst legitimiert, spielte für das EP-Projekt in seinen Anfängen keine Rolle. Nicht repräsentativ, aber bezeichnend ist der Kommentar eines Bloggers zur defensiven Informationspolitik rund um das HEH-Projekt: „Was hat das zu bedeuten? Nichts Gutes. Es bedeutet nur, dass man sich sehr bemüht, uns Bürgern der EU Informationen über das Fortschreiten des Projektes vorzuenthalten. Vermutlich aus gutem Grund. Bloß keine Diskussion aufkommen lassen. Sonst scheitert das Projekt noch. Etwa so, wie es vor Jahren in Aachen scheiterte. Oder liege ich da falsch?“7

Das Bauhaus Europa: eine gebrochene Erzählung

Der Hinweis auf das gescheiterte Projekt in Aachen hat an dieser Stelle seine Berechtigung, da es sich beim Bauhaus Europa um eines der ambitioniertesten Projekte im Feld der Europa-Museen handelte. Während das geplante HEH nach dessen Umbau im Eastman-Gebäude in Brüssel beherbergt sein wird,8 sollte das Bauhaus Europa in Aachen einen Museumsneubau erhalten. Dies wird nicht geschehen, da das Projekt 2006 durch einen Bürgerentscheid gestoppt wurde. Ein Blick auf das Bauhaus Europa ist dennoch aufschlussreich, weil hier die Frage, was Europa heute ist, auf die Frage, was ein Museum heute ist, traf. Denn jeder Museumsneubau verhandelt Idee und Geschichte des Museums und definiert gleichzeitig dessen Rolle in der Gegenwart und für die Zukunft. Dadurch fällt der Museumsarchitektur die Aufgabe zu, ein räumliches Bild für Europa zu finden. „Architecture is increasingly becoming an important discourse for the representation and construction of post-national identities“, wie Gerard Delanty und Paul Jones schreiben (2003, 191). Ihre Analyse repräsentativer Gebäude und Monumente in Europa – wie des Berliner Reichstags nach dem Umbau durch Norman Foster – umfasst zwar keine Museen, beschreibt aber einen für die Europa-Museen vergleichbaren Anspruch (Delanty und Jones 2003, 200): „It may be more desirable to construct a European identity in such a way that takes account of conflict, crisis and Europe’s turbulent past.“ Das Konzept des Bauhaus Europa hat auf diese nicht eindeutige und multiperspektivische Rolle Europas gesetzt. Die Initiatoren fanden, dass der Entwurf des Architekten Wolf-



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gang Tschapeller dieser Grundidee Ausdruck verliehen hätte (Fingerhuth 2008, 31): „Eine Bühne für Inszenierungen ohne funktional definierte Struktur, ein großer Raum aus Glas mit Funktionsräumen im Obergeschoss und multifunktionellem Balken auf der ersten Ebene, ein Raum, der Transparenz verspricht.“ Genau dieser Versuch einer räumlichen Vergegenwärtigung Europas trug jedoch dazu bei, dass das Projekt letztendlich scheiterte. Hervorgegangen aus einer Initiative der Stadt Aachen im Zuge der Vorbereitung der EuRegionale 2008, sollte das Bauhaus Europa weniger ein Museum denn ein „Informations-, Erlebnis- und Mitsprache-Ort für ein bürgernahes Europa“ sein, wie es Andrea Mork (2008, 23), Kuratorin am Haus der Geschichte in Bonn und eine der Verantwortlichen für die Konzeption der Dauerausstellung, beschrieben hat. Auch daran lässt sich eine Verschiebung ablesen, die sowohl die Institution des Museums als auch die Konstruktion Europas beeinflusst. Statt einer repräsentativ gedachten gemeinsamen Geschichte im Museum setzten die Initiatoren auf die diskursive Herstellung von Öffentlichkeit, die dem Projekt Europa bis heute weitgehend fehlt (Habermas 2008). Trotz der Ablehnung durch die Aachener Bürger hat das Bauhaus Europa Aufsehen erregt, weil in seiner Konzeption und räumlichen Gestaltung die Geschichte Europas als Gegenwarts- und Zukunftsentwurf anschaulich wurde. Dazu gehört auch der Verweis auf die Vergangenheit. Die Stadt Aachen ist durch Karl den Großen geographischer und ideeller Ausgangspunkt für die Idee einer spezifisch christlicheuropäischen Kultur, die im Heiligen Römischen Reich ihren Ausdruck fand. Das Bauhaus Europa knüpfte an diese Tradition an, indem der Neubau auf dem symbolisch aufgeladenen Platz zwischen Königshalle und Dom verwirklicht werden sollte. Die historische Authentizität des Ortes – Europas longue durée seit dem Frankenreich – und der abstrakte Museumsneubau, der vor allem eine zukünftige Gestaltbarkeit betont und herausfordert, sollten nach den Plänen des Architekten und Kuratoren eine widersprüchliche Verbindung eingehen. Vergleichbares gilt für das Ausstellungskonzept, das chronologisch, entlang thematisch orientierter Schlüsseljahre, Europa als Ergebnis wechselvoller Selbstund Fremdzuschreibungen zeigen sollte. In diesem Sinne war etwa die geplante Darstellung der Eroberung Konstantinopels durch das Osmanische Reich paradigmatisch für die inhaltliche Konzeption des Bauhaus Europa. In diesem geschichtlichen Moment verschränkten sich Abwehr und Austausch zwischen christlichem Abendland und islamischer Welt als ein Prozess, der das moderne Selbstverständnis Europas maßgeblich beeinflusst hat (Mork 2008). Derridas Behauptung (1992, 25), dass Europa „gerade darin besteht, daß es sich nicht

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in seiner eigenen Identität verschließt und dass es sich beispielhaft auf jenes zubewegt, was nicht es selber ist“, hätte in Aachen möglicherweise nachgegangen werden können. Die kulturelle Einheit Europas wird im Konzept des Bauhaus Europa nicht vorausgesetzt, sondern als eine politische Idee mit wechselvoller Geschichte dekonstruiert. Dazu hätte der architektonische Entwurf beitragen sollen, der – beeinflusst durch poststrukturalistische Theoreme – Europa als „eine riesige gefaltete Karte, eine Art unendliches Dokument“ begreifen wollte. Nicht unähnlich dem Libeskind-Bau für das Jüdische Museum in Berlin geht der Architekt von der Vorstellung aus, dass sich Geschichte in das Gebäude einschreibt: „Die Oberflächentektonik […] reagiert auf die wesentlichen Ereignisse der Geschichte. Oberflächenspannung, Einbuchtungen, Neigungen und Öffnungen formen die Erzählung. […] Die Geschichte ist das Objekt.“9 Der Entwurf für den Museumsneubau schlug eine symbolische Brücke zu einem nicht-essentialistischen Europabegriff und wurde dafür gelobt, eine produktive „Leerstelle“ (Assmann 2008, 77) zu bilden. Die Leerstelle Europa aber war nicht vermittelbar; vor allem nicht an einem Ort, der als ein lokaler Raum der Stadt Aachen und seiner Bürger definiert war. Die qua Museumsneubau anvisierte Konfrontation zwischen historischer longue durée auf dem Karlsplatz und einer europäisch gebrochenen Zukunftseroberung stieß auf so viel Unverständnis (Interview Schäfer), dass das Projekt im Dezember 2006 mit großer Mehrheit durch einen Bürgerentscheid abgelehnt wurde. Trotz weitgehend sichergestellter Finanzierung des Projektes, politischer Unterstützung der Stadt Aachen und personeller Weichenstellungen – in Marie Paule Jungblut stand die designierte Direktorin bereits fest – schafften es die Initiatoren nicht, genügend Zustimmung für die Vergegenwärtigung des Zukunftsentwurfes Bauhaus Europa zu erlangen. Ideengeschichtlich hat das Museum Teil an der Entwicklung einer aufgeklärten Öffentlichkeit, indem „Bürger sich wechselseitig Publikum sind und sich in freier Kommunikation selbst aufklären“ (Imhof 2008, 57) – in Aachen gelang es nicht, diesen Moment einer aufgeklärten Öffentlichkeit in einen europäischen Rahmen einzuschreiben.

Das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée: eine erweiterte Erzählung

Aber nicht nur Pläne für Neugründungen von Museen europäischer Geschichte kennzeichnen die museale Praxis der Gegenwart, sondern auch und vor allem



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diskursive Neuorientierungen in den traditionellen historischen, kulturhistorischen und ethnographischen Museen. Die zwei bekanntesten Projekte in diesem Zusammenhang sind das Museum Europäischer Kulturen in Berlin (MEK, ehemals Museum für Volkskunde) und MuCEM, das aus dem Musée National des Arts et Traditions Populaires (MNATP) in Paris hervorgegangen ist. Das MEK verfügt seit 1999 über Räumlichkeiten im Museumsareal in Berlin-Dahlem, die von 2009 bis 2011 umgebaut und erweitert wurden, plant jedoch einen Umzug in das zentral nahe dem Potsdamer Platz gelegene Kulturforum, wo sowohl das Kunstgewerbemuseum als auch die Kunstbibliothek unmittelbare Nachbarn wären. Das MuCEM vollzieht eine andere Verschiebung im Raum. Im Jahr 2005 aus dem MNATP hervorgegangen, ist es das bislang erste nationale Museum außerhalb von Paris und unterlag für einige Jahre inmitten (kultur-)politischer Richtungswechsel einer massiven Planungsunsicherheit. Seit der Ernennung Marseilles und der umgebenden Region Provence zur europäischen Kulturhauptstadt 2013 wurde unter Hochdruck nicht nur am Museumsneubau, sondern auch an der neuen Dauerausstellung gearbeitet. Die Entwürfe für die Dauerausstellung lassen erkennen, dass der Fokus auf dem Mittelmeerraum und der longue durée der kulturellen und ökonomischen Austauschbeziehungen liegen wird. Somit wird Europa nicht mehr explizit, sondern vielmehr mittelbar zum Thema und Verhandlungsgegenstand des Museums. Dies beeinflusst zum Beispiel auch die Sammlungsarbeit, denn die Sammlungsbestände des MNATP bezogen sich explizit auf die französische Nation. Zugleich gesellt sich zur regionalen und europäischen Dimension schon jetzt eine weitere: die des Urbanen. Die Räume des MuCEM im Fort St. Jean und in dem Neubau daneben mit seinen insgesamt rund 26.000 Quadratmetern Fläche befinden sich an der Hafeneinfahrt und damit in einer besonders exponierten Lage. Der Neubau ist eines der Großprojekte im laufenden Stadtumbauprogramm Euromediterranée und war lange umstritten. Das MuCEM wird auch daran gemessen werden, wie die Museumsthemen mit der sozialen Wirklichkeit der Stadt mit ihrem starken Einwandereranteil und hoher Arbeitslosigkeit verbunden werden. Es gilt für das MuCEM mithin, sich vor Ort mit seinen Ausstellungen – inklusive ihrer regionalen und europäischen Bezüge – zu verankern. Das wird bis zur Eröffnung des gesamten Hauses mit Schauen unternommen, die sich etwa dem Hip-Hop (2005) oder den Pierres Plates (2006) widmen, dem zukünftigen Standort, der bis zum Baubeginn urbaner Treffpunkt und Flaniermeile Marseilles war.

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In den beiden Fällen – Berlin und Marseille – ist der Neudefinition eine tiefgreifende Umstrukturierung der jeweiligen ethnologischen Nationalmuseen vorausgegangen – dies mit entsprechenden Auswirkungen auf den Sammlungsbestand der neu formierten, europäisch orientierten Museen (Mazé 2008; Rogan 2003). In beiden Fällen wurden die Bestände der national geprägten Volkskundemuseen um europäische und außereuropäische Sammlungen erweitert. Damit ergibt sich von Anfang an ein anderes Bild. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Projekten und Ausstellungen reflektieren die musealen Neuformulierungen in Berlin und Marseille auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Disziplin und wollen nicht (primär) Antwort auf die Frage nach einer gemeinsamen oder gebrochenen europäischen Geschichte geben. Beide Museen reagieren auf die Krise der nationalen Volkskundemuseen seit den siebziger Jahren in Westeuropa, die vor allem auf die Nähe der traditionellen Volkskunde zu nationalistischen Ideologien (Kudraß 2009) sowie auf die neue „Konjunktur des Regionalismus“ (Mazé 2008, 113) in Ethnologie und Historiographie zurückgeht. Die Idee des MuCEM entstand, wie Bjarne Rogan (2003, 47) gezeigt hat, um eine Verschiebung von nationalen zu europäischen und transnationalen Narrativen und Konzepten einzuläuten: „on the one hand the supranational and European, and on the other the regional (the Mediterranean): in either case a turning-away from the national.“ Auch in den Museen – in Deutschland in besonderem Maße – wird das Nationale eher stigmatisiert. Symbolisch weitreichend eröffnete beispielsweise das DHM in Berlin 2003 – nach der Wiedervereinigung, der folgenden Umstrukturierung des Hauses und dem architektonischen Neubau durch I.M. Pei – mit der Ausstellung Idee Europa – Entwürfe zum »Ewigen Frieden« (von Plessen 2003). Auch wenn die Unterschiede zwischen historischen und ethnographischen Museen bedeutsam sind, so ist doch „Europa“ übergangsweise hier wie dort zu einem Ersatznarrativ geworden, zu einer politisch korrekten Modernisierungsvokabel, die es erlaubt, die Zukunft der Museen und ihrer Sammlungen neu zu denken. An den meisten Stellen bleibt bisher jedoch der Widerspruch zwischen lokal und/oder national tradierten Objekten und Erzählmustern in den Volkskundemuseen und deren programmatisch formuliertem transnationalen Anspruch ungelöst. So sollte etwa die Ausstellung des Museum Europäischer Kulturen in Berlin Europa entdecken lassen – sie präsentierte dafür ausgewählte Objekte der eigenen Sammlung, die in sieben thematischen Komplexen als „Alltagsobjekte“ (MEK 2008, 7) beschrieben wurden. Europa ist hier primär der geographische Rahmen für eine Ausstellung, die sich auf den narrativen Wert der Objekte kon-



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zentriert, die wiederum in ihre kulturellen „Zusammenhänge und Vernetzungen in Europa“ (ebd., 12) eingebunden werden. Als europäisch wird so letztlich die Summe und teilweise Verschränkung lokaler und nationalen Kulturen definiert (Krankenhagen 2010). Deutlich wird, dass die neu definierten ethnologischen Museen mit dem Bezug auf Europa die Falle einer essentiellen und homogenen Deutung Europas zu umgehen versuchen – aus eigener leidvoller Erfahrung heraus, wie Michel Colardelle, der ehemalige Projektleiter des MuCEM, betont (zit. nach Mazé 2008, 120): „Man versucht natürlich den Blick zu öffnen, dennoch besteht die Gefahr, wieder auf ein geschlossenes System zurückzugreifen. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich kein Europamuseum wollte, weil es wahrscheinlich schnell dahin tendiert hätte, innerhalb des gegenwärtig sich konstituierenden Europas eindeutig politisch Stellung zu beziehen.“ Gerade als ein Umweg, als der Versuch, Europa über seine (außereuropäischen) Grenzen in den Blick zu nehmen und dabei – wie im Falle des MuCEM – die Bedeutung europäischer Dimensionen im urbanen Alltag zu thematisieren, findet Europäisierung im Museum als eine eigene kulturelle Praxis statt. Zugleich lässt sich erkennen, dass der Rahmen Europa für einige der neuen und neu strukturierten Volkskundemuseen entweder zu klein oder zu groß ist, weil Europa heute zwischen Regionalisierung und Globalisierung feststeckt, wie Klas Grinell beobachtet: „Die Macht der Nationalstaaten erodiert. Das geschieht, indem immer mehr Fragen außerhalb der Kontrolle der Nationalstaaten liegen. Die großen Ereignisse sind transnational, Umwelt und Klimafragen sind unabhängig von nationalen Grenzen. Die Regionalisierung ist eine Antwort darauf, mit der EU als das am weitesten entwickelte Beispiel.“10 Das MuCEM, so scheint es, wählt den größeren Rahmen des Mittelmeerraums vor demjenigen Europas als Bezugsgröße für seine zukünftigen Ausstellungen.

Europäisierung als kulturelle Praxis

Wie die bisherigen Beispiele zeigen, beschreibt Europäisierung als kulturelle Praxis an vielen Stellen weniger das, was da ist, als vielmehr das, was sein soll – aber nicht (immer) realisiert werden kann. Entsprechend hat Claus Leggewie (zit. in Assmann 2008, 78) auf die Frage, ob man ein Europa-Museum überhaupt brauche, emphatisch geantwortet: „In 30 Jahren wird man es gebraucht haben!“ Die Formel Europa bleibt damit eine in die Zukunft gerichtete Vorstellung. Europa-

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Museen müssten konsequent als „Zukunftsmuseen“ (Imhof 2008: 59) konzeptionalisiert werden. Damit sind die Museen aber möglicherweise überfordert. Der Projektcharakter des politischen Europas trifft an dieser Stelle auf den utopischen Gehalt des Museums, wie Barbara Kirshenblatt-Gimblett (2004, 189) schreibt: „Das Museum ist also nicht einfach ein Ort, der für die Utopie steht, sondern vielmehr einer, an der sie als Vorstellungsweise praktiziert wird.“ Die Utopie Europas, will sie ihr Potenzial auch öffentlich – im Museum – entfalten, muss jedoch zuallererst von einer breiteren Öffentlichkeit geteilt werden. Die Beispiele aus Brüssel und Aachen und bedingt auch aus Marseille zeigen, dass Europa sich bis heute nicht leicht tut, als ein Ort gemeinsamer Vergangenheit und gemeinsamer Zukunft dargestellt zu werden. Europa und die europäische Integration finden im Museum statt – aber eben bisher nur selten explizit und nur an ausgewählten Stellen. Es ist kein Zufall, dass primär die Museen im so genannten Kerneuropa der sechs Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien, und Luxemburg – auch im musealen Feld Vorreiter eines Europäisierungsprozesses sind. Belgien und Luxemburg sind schon durch ihre zentrale Rolle in der politischen Verwaltung der EU geeignet, das Zusammenwachsen der Staaten auch symbolisch zu repräsentieren. Damit ist auch gesagt, dass sich viele Museen in der geographischen Peripherie – von diesem Kerneuropa aus betrachtet – bisher kaum bis gar nicht an der Europäisierung nationaler Narrative im Museum beteiligen. Gleichzeitig erlaubt es der Ansatz, Europäisierung als eine kulturelle Praxis zu betrachten, die verdeckten, oftmals impliziten Bezugnahmen und Anpassungsstrategien diverser Institutionen als eine Interaktion und Verhandlung europäischer Motive zu analysieren, die dann wiederum weit über Kerneuropa hinaus Bedeutung für Europa haben. Diese impliziten europäischen Narrative werden in den Kapiteln 5 und 7 eine Rolle spielen, in denen die Sammlungspolitik und Grenzen und Migration im Museum als gleichsam verdeckt wirksame Dimensionen von Europäisierung analysiert werden. Es wird zu verfolgen sein, ob und inwiefern auch in diesen Zusammenhängen Europäisierung als eine Chiffre für verschiedene Formen der Modernisierung im Museumsfeld eingesetzt wird, wie dies hier an den Beispielen aus Aachen, Berlin und Marseille deutlich geworden ist. Wie diese ersten Beispiele zeigen, darf Europäisierung als kulturelle Praxis nicht als eine gleichförmig und zeitgleich ablaufende Entwicklung von einem nationalen Ursprungsnarrativ zu einem europäischen Erweiterungsnarrativ miss-



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verstanden werden. In der gegenwärtigen Museumslandschaft finden parallele und sich überlagernde Innovations- und Umstrukturierungsprozesse statt, die nur teilweise unter der Chiffre der Europäisierung verhandelt werden. Diese Prozesse wurden etwa von den Globalisierungs-, Individualisierungs- und Inszenierungstendenzen der so genannten Zweiten Moderne (Beck und Grande 2004; Beck, Giddens und Lash 1996; Giddens 1990) angestoßen. Sie sollten auch als Reaktionen auf einen neuen Regionalismus in den kulturhistorischen, ethnographischen und stadtgeschichtlichen Museen seit den siebziger Jahren verstanden werden (Walgenbach 2010; Mazé 2008). Zugleich reagieren sie auf die neuen technischen Möglichkeiten zur Digitalisierung und Darstellung musealer Objekte und auf den zunehmenden Einfluss sozialer Medien (Mairesse 2010; Parry 2010; 2007). Die Europäisierung nationaler Narrative in den Museen katalysiert damit regionale, nationale, transnationale, europäische und globale Erzählweisen im Museum und setzt diese zueinander in Bezug. Damit gelangen die Museen möglicherweise zu neuen Formen individueller und gesellschaftlicher Identifikationen in Europa, wie Neal Ascherson (zit. in Morley und Robbins 1995, 89) voraussagen zu können meinte: Die Europäische Gemeinschaft „will travel from the western Europe of nation-states via the Brussels superstate to the Europe of Heimats“. Wer an dieser Reise zwischen den westeuropäischen Nationalstaaten, den EU-Institutionen in Brüssel und neuen lokalen Heimaten in Europa maßgeblich beteiligt ist, ist Gegenstand der nächsten beiden Kapitel 3 und 4.

3 Europa regieren: Staatliche Institutionen in der europäischen Kulturund Museumspolitik

Wenn er nochmals die Chance erhielte, mit der Integration von vorne zu beginnen, dann würde er mit der Kultur anfangen. Dieses Bonmot wird gerne Jean Monnet, dem ersten Präsidenten der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), in den Mund gelegt (Wistricht 1989, 79), wenn die Relevanz des Kulturellen für die gesellschaftliche, ökonomische und politische Integration der Europäischen Union (EU) diskutiert wird. Für eine solche Äußerung gibt es jedoch nicht nur keinen Beleg; vielmehr widerspricht die Idee einer Kulturgemeinschaft als Kern einer späteren europäischen Föderation entschieden Monnets funktionalistischer Sicht auf die Integration. Diese hatte ihre intellektuellen Ursprünge im Europa der Zwischenkriegszeit, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im politikwissenschaftlichen Neo-Funktionalismus theoretisch weiterentwickelt (Haas 1958) und beeinflusste die Integration nach dem Zweiten Weltkrieg erheblich. Danach sollten kompetente Experten möglichst frei von nationalem innenpolitischem Druck gemeinsam Lösungen für transnationale, primär sozioökonomische Probleme finden; dafür würden neue supranationale Institutionen mit eigenen Entscheidungskompetenzen geschaffen; diese Institutionen würden dann die transnationale Organisation politischer und gesellschaftlicher Akteure fördern, die wiederum eine weitere Europäisierung fordern würden; die Integration griffe von einem Wirtschaftssektor beginnend auf andere Sektoren über und zöge eine stärkere politische Integration nach sich: ein „Prozess“, an dessen Ende eine europäische Föderation stünde. Sofern in den Anfängen der europäischen Integration – wie etwa in den Netzwerken der europäischen Christdemokraten (Kaiser 2007) – andere Konzeptionen eine Rolle spielten, ging es in erster Linie um die Parlamentarisierung des entstehenden supranationalen politischen Systems nach dem Vorbild der Mitgliedstaaten. Von Kultur – ob nun im engeren Sinne von Hochkultur oder auch Alltagskultur – keine Spur. Eine europäische Kulturpolitik – etwa in Form von Europamuseen oder organisierten gemeinsamen Erinnerungsritualen – hätte möglicherweise einen ästhetischen und gesellschaftlichen Einfluss auf die



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Interpretation von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft haben können. Eine solche Kulturpolitik erschien den Regierungen der Gründungsstaaten der heutigen EU jedoch weder wünschenswert noch durchsetzungsfähig. Vielmehr beschränkten sie sich darauf, in den Römischen Verträgen eine Klausel einzufügen, der zufolge nationale Kulturgüter von besonderem künstlerischen, historischem oder archäologischem Wert unter bestimmten Bedingungen vom Freihandelsprinzip der Zollunion ausgenommen werden konnten (Theiler 2005, 56). Die anfängliche Beschränkung der heutigen EU auf die wirtschaftliche und politische Integration bedeutet allerdings nicht, dass es in der frühen Nachkriegszeit keine Vorschläge für eine europäische Kulturpolitik gegeben hätte – oder Ansätze dazu, solche vertraglich-institutionell umzusetzen. So diskutierte die Europäische Bewegung schon auf ihrem Haager Kongress im Mai 1948 Fragen der kulturellen wie der ökonomischen und politischen Integration (Guieu 2009; Vermeulen 2000). Danach war eine Konferenz in Lausanne im Dezember 1949 ausschließlich Kulturfragen gewidmet (Vardabasso 2010). Der in demselben Jahr gegründete Europarat schuf einen organisatorischen Rahmen für die multilaterale Kooperation in kulturellen Fragen. Seine Mitgliedstaaten unterzeichneten 1954 das Europäische Kulturabkommen und institutionalisierten 1961 das heutige Comité Directeur de la Coopération Culturelle (Haigh 1974, 215). Dabei hat sich der Europarat auch mit Museen befasst und beispielsweise Projekte zur Erleichterung des Leihverkehrs und zur Entwicklung der Museumspädagogik gefördert (Blanke 1994, 87). Er trägt bis heute das European Museum Forum, das den prestigeträchtigen European Museum of the Year Award vergibt. Trotz seiner strikt zwischenstaatlichen Organisation und seiner größeren geographischen Ausdehnung hat der Europarat bei kulturpolitischen Initiativen mehrfach mit der EU kooperiert, so zum Beispiel bei der Organisation der europäischen Jahre der Musik und des Kinos und Fernsehens in den achtziger Jahren (Forrest 1994, 14). Nicht nur haben auch andere Organisationen als die EU wie der Europarat oder die Europäische Rundfunkunion mit ihrem 1956 initiierten Liederwettbewerb der Eurovision (Degenhardt und Strautz 1999) in der Nachkriegszeit die grenzüberschreitende kulturelle Kooperation unterstützt; vielmehr haben einzelne westeuropäische Länder wie die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich im Elysée-Vertrag von 1963 auch die bilaterale Zusammenarbeit in Kulturfragen gefördert, die ebenfalls europäisch konnotiert war und ist (Pfeil 2007; Baumann 2003). Vor allem aber ist die europäische Kulturpolitik noch mehr als manches andere Politikfeld dadurch gekennzeichnet, dass zahlreiche

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staatliche und gesellschaftliche Akteure darauf abzielen, die politische Agenda zu beeinflussen, Diskurse über Kultur, Identität und demokratische Legitimität der EU zu entwickeln, transnationale und gesamteuropäische Austauschprogramme und Kooperationen aufzubauen und grenzüberschreitende Projekte zu finanzieren oder umzusetzen. Gerade weil die EU bis heute nur über eng beschränkte Kompetenzen auf dem Feld der Kultur verfügt, sind ihre kulturellen Initiativen, Programme und Finanzierungsinstrumente stark fragmentiert. Kulturpolitik mit europäischen Bezügen findet daher auf allen Ebenen der EU als politisches Mehrebenensystem (Tömmel 2009; Conzelmann 2008; Hooghe und Marks 2001) statt. Die wenige politikwissenschaftliche (Staiger 2009, 2008; Littoz-Monnet 2007; Theiler 2005) und soziologisch-anthropologische Forschung (Shore 2000; Abélès 1993), die sich mit europäischer Kulturpolitik befasst hat, hat sich jedoch nahezu ausschließlich (Sassatelli 2009, 68–73) auf die EU-Ebene und die Rolle verschiedener staatlicher Akteure konzentriert. Diese stark verengte Sicht führt oft zu der Einschätzung, bei der EU-Kulturpolitik handele es sich bloß um „topdown symbolic dynamism“, der erst darauf ziele, einen „bottom-up“-Prozess kultureller Identitätsbildung zu generieren (Theiler 2005, 4). Cris Shore (1999, 63) hat diesen vermeintlichen Ansatz zur Schaffung einer stärker ausgeprägten gemeinsamen europäischen Identität auf der Grundlage eines größeren kulturellen Zusammengehörigkeitsgefühls scharf kritisiert. Es handele sich dabei um einen „characteristically top-down, managerial and instrumental approach to ,culture building‘ and its assumption that ,European identity‘ can somehow be engineered from above and injected into the masses by an enlightened vanguard of European policy professionals using the latest communication technologies and marketing techniques“. Wie in diesem und im folgenden Kapitel deutlich wird, ist europäische Kulturpolitik jedoch in hohem Maße von Wettbewerb und Kooperation zwischen verschiedenen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen und Akteuren in informellen oder stärker institutionalisierten Netzwerken gekennzeichnet. Stärker transnational-europäisch orientierte und operierende gesellschaftliche Eliten prägen auch dieses Feld zunehmend institutionenübergreifend. Insofern ist europäische Kulturpolitik strukturell mit nationalen Integrationsprozessen im 19.  Jahrhundert vergleichbar. Schon diese waren laut Eric Hobsbawm (1996, 171) von der Herausbildung eines „strategic cadre of intellectuals and administrators“ gekennzeichnet: „a new elite composed of the professional, and above all educated, middle classes who were to become the pioneers of ‘national’ con-



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sciousness“. In ähnlicher Weise nutzen heutzutage transnational-europäisch orientierte Eliten eigene Ressourcen und die Strukturen europäischer, nationaler und regionaler staatlicher Institutionen, die sie teilweise selbst politisch kontrollieren oder zumindest beeinflussen können, um die von ihnen betriebene ökonomische und politische Integration kulturell zu unterfüttern. Nach einer knappen Skizze der europäischen Kulturpolitik seit der Erklärung über die europäische Identität von 1973 behandelt dieses Kapitel daher zunächst die Rolle verschiedener multipler staatlicher Institutionen im Museumsfeld in der EU als Mehrebenensystem: in „Brüssel“, in den Mitgliedstaaten, aber vor allem auch auf der sub-nationalen Ebene. Gerade für die Regionen in den föderalen oder dezentralisierten EU-Mitgliedstaaten Westeuropas ist nämlich die europäische Einbettung ihrer Kultur- und Museumspolitik besonders wichtig. Insofern zeigt bereits die Analyse der Aktivitäten verschiedener staatlicher Institutionen, in welchem Maße sich das Museumsfeld europäisiert, obwohl die EU-Kompetenz in der Kulturpolitik weiterhin eng begrenzt ist.

Von der Erklärung über die europäische Identität zum Vertrag von Lissabon

Die Anfänge einer Kulturpolitik der heutigen EU werden gemeinhin in der Erklärung über die europäische Identität gesehen, die die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten am Ende ihres Gipfeltreffens in Kopenhagen am 15. Dezember 1973 abgaben. Hagen Schulz-Forberg und Bo Stråth (2010, 40– 43; Stråth 2000) haben darin sogar eine „entscheidende Trennlinie“ erblickt, da diese Erklärung die Integration um eine normativ-kulturelle Dimension ergänzt und gleichzeitig die „soziale Frage“ umgangen habe. Die Erklärung war jedoch nicht in erster Linie nach innen gerichtet. Bis Ende der siebziger Jahre nahm der „permissive consensus“ in allen Mitgliedstaaten noch kontinuierlich zu, das heißt die allgemeine Zustimmung vieler Bürger zur Integration als solcher bei weitgehendem Desinteresse an deren Ausgestaltung (Down und Wilson 2008). Das gilt sogar für die neuen Mitgliedstaaten Großbritannien und Dänemark, deren Regierungen euroskeptischer ausgerichtet waren. Außerdem hatte sich die EWG schon Anfang der sechziger Jahre mit den normativen Grundlagen der Integration befasst, vor allem in den Diskussionen in den verschiedenen Institutionen über die mögliche Assoziierung oder gar Vollmitgliedschaft nicht-demokratischer Staaten wie Spanien. Insofern war die Erklärung von Kopenhagen primär

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eine Reaktion auf die Frage nach der (außenpolitischen) Identität „Europas“, die von Dritten an die damaligen Europäischen Gemeinschaften (EG) herangetragen wurde. So hatte der amerikanische Außenminister Henry Kissinger 1973 unilateral zum „Year of Europe“ erklärt und gefordert, er benötige eine einzige europäische Telefonnummer, um weltpolitische Fragen mit der EG besprechen und eine gemeinsame Politik abstimmen zu können (Del Pero 2010; Horne 2009; Hanhimäki 2004). Die Erklärung von Kopenhagen verweist insofern in erster Linie darauf, dass Dritte (wie hier die Vereinigten Staaten) schon immer als externe Föderatoren für die europäische Integration und Identitätspolitik wichtig gewesen sind – und dass europäische kulturpolitische Initiativen keinesfalls immer von den supranationalen Institutionen, sondern manchmal auch von den Mitgliedstaaten ausgehen oder zumindest unterstützt werden. Die Anfänge kulturpolitischer Initiativen der EG nach der Erklärung von Kopenhagen waren zunächst eine Reaktion auf die wettbewerbsfreundliche Interpretation der EG-Verträge durch den Europäischen Gerichtshof. Die Luxemburger Richter entschieden in ihrem wegweisenden Cassis-de-Dijon-Urteil 1979, dass alle in einem Mitgliedstaat vorschriftsmäßig hergestellten Produkte auch in anderen Mitgliedstaaten verkauft werden könnten. Mit diesem und anderen Urteilen trieben sie die Warenverkehrsfreiheit voran und erleichterten die spätere Schaffung des Binnenmarkts. Analog dazu weigerten sie sich in anderen, weniger bekannten Urteilen seit 1968, Kulturgüter wie Filme oder Bücher vom Geltungsbereich der EG-Wettbewerbspolitik auszunehmen, wie dies dirigistisch orientierte Mitgliedstaaten propagierten. Wie Annabelle Littoz-Monnet (2003) gezeigt hat, animierte die liberale Interpretation des Gerichtshofs vor allem Frankreich, Vorschläge für eine europäische Kulturpolitik zu entwickeln, die in erster Linie darauf abzielten, Wettbewerb im Kultursektor zu minimieren. Mit dieser Präferenz blieb Frankreich jedoch in der EG weitgehend isoliert. Mitte der achtziger Jahre entwickelte die EG allerdings einige Förderprogramme und Ansätze einer supranationalen politischen Symbolik, die über das obligatorische Gruppenfoto nach den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs hinausreichte (Manners 2011). Alleine 1985/86 initiierte die EG zahlreiche, allerdings mit begrenzten finanziellen Mitteln ausgestattete Programme wie die europäische Kulturhauptstadt (Sassatelli 2009, 77–139; Mittag 2008), den europäischen Skulpturenwettbewerb, die Ausweisung transnationaler Kulturwege und auch ein Programm zur Erleichterung des Zugangs junger Menschen zu Museen (Littoz-Monnet 2007, 53). Die Staats- und Regierungschefs der EGMitgliedstaaten beschlossen 1986, den 9. Mai als Europatag, die zwölf Sterne



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auf azurblauem Grund, die vom Europarat seit 1955 benutzt worden waren, als Europaflagge und die Ode an die Freude aus Beethovens neunter Symphonie als Hymne der EU (Foret 2008, 175–214; Buch 2003) zu bestimmen (Shore 1996; Abélès 1993). Obwohl die Römischen Verträge keine kulturpolitischen Artikel enthielten, verständigten sich die Regierungen im EG-Ministerrat bis zur Unterzeichnung des Maastrichter Vertrags 1992 einvernehmlich auf etwa 30 Entscheidungen, Resolutionen und Schlussfolgerungen zu kulturpolitischen Themen (Littoz-Monnet 2007, 58). Die Einführung des Kulturartikels 128 in den Maastrichter Vertrag institutionalisierte insofern rechtlich eine bereits etablierte politische Praxis. Dieser Artikel wurde im Amsterdamer Vertrag zum Artikel 151 und im am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Lissabonner Vertrag zum neuen Artikel 167. Seit dem Maastrichter Vertrag ist er kaum verändert worden. Allerdings ist mit dem Lissabonner Vertrag das Einstimmigkeitsprinzip als Entscheidungsmechanismus auch in diesem Politikfeld durch die qualifizierte Mehrheit abgelöst worden. Dieser Kulturartikel, der nicht von einer „europäischen Kultur“, sondern nur von einem „gemeinsamen kulturellen Erbe“ spricht, hat eine beschränkte, gegenüber den Mitgliedstaaten nur subsidiäre Kulturkompetenz der EU eingeführt. Er schließt eine Harmonisierung durch europäische Gesetzgebung aus (Forrest 1994, 17). Stattdessen sind die Handlungsmodalitäten der EU eng auf „fördern“, „unterstützen“ und „ergänzen“ beschränkt (Holthoff 2008, 92; Schmahl 1996, 198). Gemäss Artikel 167 soll die EU unter anderem zur „Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker“ und zu „Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung“ beitragen. Auf dieser neuen vertraglichen Grundlage initiierte die EU 1996 das Kaleidoskop-Programm zur Förderung grenzüberschreitender Kooperation von Kulturinstitutionen, 1997 das Ariane-Programm zur Übersetzung europäischer Literatur und in demselben Jahr das Raphael-Programm zum Schutz von Kulturdenkmälern. Alle drei Förderlinien wurden sodann in das integrierte Kultur 2000-Programm überführt. Die finanzielle Förderung für Kultur beschränkte sich jedoch nicht auf dieses Programm. Vielmehr unterstützte die EU damals wie heute Kulturprojekte auch in Programmen der Struktur- und Kohäsionsfonds wie Interreg III und IV und im sechsten und siebten Forschungsrahmenprogramm. Inzwischen ist die Kulturförderung der EU im Programm Kultur 2007–2013 zusammengefasst. Die Verwaltung dieses und anderer Kulturförderprogramme

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wie Europa für Bürgerinnen und Bürger liegt bei der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur, einer nachgeordneten Verwaltungsbehörde in Brüssel. Mit der Annahme der Europäischen Agenda für Kultur im November 2007 hat der Rat mit der so genannten offenen Koordinierungsmethode außerdem begonnen, einen neuen, mit der Lissabon-Strategie (2000) eingeführten Modus für eine vertiefte zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Politikfeldern mit ausschließlich oder primär mitgliedstaatlicher Kompetenz zu nutzen. Hierzu zählt unter anderem ein strukturierter Dialog mit kulturpolitischen Interessengruppen, darunter auch Museumsorganisationen (Singer 2010, 15). Die Regierungen haben darüber hinaus drei strategische Ziele für die Zusammenarbeit im Kultursektor formuliert: die Förderung kultureller Vielfalt und des interkulturellen Dialogs; der Kultur als Katalysator im Rahmen der Lissabon-Strategie, der zufolge die EU ursprünglich bis 2010 der global wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum werden sollte; sowie der Kultur als Teil der Außenbeziehungen der EU, die inzwischen über die im Lissabonner Vertrag vorgesehene eigene diplomatische Außenvertretung verfügt. Anhand der vom Rat außerdem für die Förderung formulierten Schwerpunktbereiche wird unmittelbar deutlich, in welch hohem Maße Museen von dem zunächst bis 2013 laufenden Programm profitieren können. Das betrifft vor allem die Förderung des Zugangs zur Kultur – unter anderem durch die Digitalisierung von Objekten, den Kulturtourismus und die erleichterte Mobilität von Kunstsammlungen – und der so genannten Kultur- und Kreativwirtschaft, vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade insoweit ist die Europäische Agenda für Kultur stark von konzeptionellen und semantischen Transfers aus dem angelsächsischen Raum geprägt, in der jedwede Förderung von Kultur auch – wenn nicht sogar hauptsächlich – mit dem Beitrag der „cultural and creative industries“ zu wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand begründet werden muss (Hesmondhalgh 2009; Galloway und Dunlop 2007; Garnham 2005). Die Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2008 hat erst recht zu einem „very hard turn to the economic impact agenda“ (Interview Kish) geführt. Somit hat die EU trotz ihrer weiterhin eng begrenzten vertraglichen Kompetenzen ihre kulturpolitischen Aktivitäten und Förderlinien erheblich erweitert. Diese sind allerdings so stark fragmentiert, dass die Europäische Kommission selbst keine Angaben dazu macht, ein wie hoher Anteil des EU-Haushalts insgesamt für kulturrelevante Programme und Projekte ausgegeben wird. Das eigentliche Kultur 2007–2013-Programm ist mit 400 Millionen Euro für die gesamte Laufzeit ausgestattet. Das sind lediglich etwa 0,05 Prozent des jährlichen EU-



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Haushalts oder auch 13,5 Cent pro EU-Bürger (Gordon 2010, 112) und somit kaum mehr als die Subventionen für die Staatsoper in München. Nach Informationen der Kommission gibt die EU jedoch in demselben Zeitraum aus Mitteln des Kohäsionsfonds mehr als 6 Milliarden Euro für kulturelle Infrastruktur und Aktivitäten und zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft aus. Das sind immerhin etwa 0,7 Prozent des EU-Haushalts. Aus diesen Mitteln stammen zum Beispiel 64 Millionen Euro, mit denen die EU den Bau des neuen Museums für die nationale Geschichte Polens in Warschau unterstützt.1 Fragmentiert sind jedoch nicht nur die Programme und Förderlinien. Vielmehr verfolgen auch die verschiedenen staatlichen Akteure in der EU als Mehrebenensystem unterschiedliche Ziele und Interessen in der Kulturpolitik, die sich nicht zuletzt in ihrer Museumspolitik niederschlagen, zum Beispiel in ihrer Unterstützung von geplanten Neugründungen von Museen und von Netzwerken gesellschaftlicher Akteure im Museumsfeld.

Europäische Kommission: Wettbewerb, Symbole, Erinnerung

Seit den siebziger Jahren hat die Europäische Kommission in der Entwicklung neuer Politikfelder durchweg eine zentrale Rolle gespielt. Das gilt nach der Erklärung von Kopenhagen auch für die Kulturpolitik. Als supranationale Behörde mit manchen quasi-Regierungsfunktionen ist die Kommission jedoch eine pluralistische Institution und kein einheitlicher Akteur (Littoz-Monnet 2007, 33). In der Kommission haben verschiedene Kommissare und Generaldirektionen divergierende Präferenzen und sind für unterschiedliche Förderlinien verantwortlich. In den siebziger Jahren dominierten noch die Generaldirektionen für Wettbewerb und den Gemeinsamen Markt die Diskussion über kulturpolitische Dimensionen der Integration. Ihnen ging es zuvorderst darum, die wirtschaftliche Integration der EG voranzutreiben. Diese Logik schlug sich in der Kommunikation der Kommission zur Gemeinschaftsaktion im Kulturbereich von 1977 nieder. Darin ging es ihr vor allem darum, Urheberrechte zu harmonisieren und den freien Waren- und Personenverkehr im Kultursektor zu stärken. In ihrer Kommunikation Verstärkung der Gemeinschaftsaktion im Bereich Kultur von 1982 erweiterte die Kommission diese marktbezogene Perspektive nur marginal um Vorschläge für eigene kulturpolitische Programme, vor allem für die europäische Filmindustrie und den Schutz des kulturellen Erbes, die im engeren Sinne kulturpolitischer Natur waren. Der substanzielle und rhetorische Bezug

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auf Wirtschaft und Wettbewerb hat sich bis heute in den Verlautbarungen der Kommission zu kulturpolitischen Fragen erhalten. Es entsteht sogar der Eindruck, dass die Bedeutung ökonomischer Rechtfertigungsstrategien kulturpolitischer Initiativen in der EU wie in den Mitgliedstaaten unter dem Eindruck wirtschaftlicher Reformdebatten erneut zugenommen hat. In Eine Europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung, einem langfristig ausgerichteten Strategiepapier (Schwencke 2010, 374–380), definiert die Kommission dementsprechend das gemeinsame kulturelle Erbe Europas als „source of creativity“ und diese wiederum als „driver of growth, competitiveness and jobs“. Dieser Wirtschaftsbezug befindet sich im Einklang mit dem vom funktionalistischen Denken geprägten Ziel, die Legitimität der europäischen Integration in erster Linie durch die Qualität des „Output“ der EU-Politik zu begründen, also ihren Ergebnissen, vor allem mit ihrem Beitrag zu Wachstum und wirtschaftlichem Wohlstand. Die Kommission öffnete sich erst ab den achtziger Jahren dafür, dass die Legitimität der EU auch politisch und kulturell generiert werden könnte und vielleicht langfristig generiert werden müsste, um die Entwicklung eines supranationalen politischen Systems von der Einheitlichen Europäischen Akte zum Lissabonner Vertrag zu stützen. Die Ablehnung des Maastrichter Vertrags im Referendum in Dänemark 1992, die eigene institutionelle Krise mit dem Rücktritt der Santer-Kommission 1999 sowie das Scheitern des Verfassungsvertrags in Volksabstimmungen in den EU-Gründungsstaaten Frankreich und den Niederlanden 2005 hat die Kommission dazu gebracht, die „Input“-Legitimität stärker zu betonen, das heißt die Qualität politischer Entscheidungsprozesse und die Teilnahme so genannter zivilgesellschaftlicher Organisationen und einzelner Bürger an diesen Verfahren zu stärken (Levy 2006; Tsakatika 2005). In diesem Kontext hat die Kommission auch der Kultur als „a site or space for social actors to mobilize and interact“ eine stärkere Rolle dabei zugedacht, europäische Formen von „citizenship“ auszugestalten (Staiger 2009, 2008, 73; Eder 1999). Die Kommission hat vor allem seit ihrem Weißbuch Europäisches Regieren von 2001 verschiedene Initiativen für die stärkere Involvierung zivilgesellschaftlicher Akteure, zu denen auch europäische Museumsorganisationen zählen, und zur direkten Teilhabe von EU-Bürgern an politischer Deliberation etwa im Rahmen von edemocracy-Initiativen entwickelt (Hüller 2010a, 2010b). Dennoch scheint die Legitimität der EU und ihrer Institutionen zu sinken. In mehreren Mitgliedstaaten ist die EU mit einem ausgeprägten euroskeptischen Populismus konfrontiert, weil insgesamt die affektiv-emotionalen Bindungen der Bürger an die EU zu gering ausgeprägt erscheinen.



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Die Kommission hat sich daher wie auch andere EU-Institutionen in den letzten Jahren verstärkt die Frage gestellt, wie die EU ihren starken Zuwachs an Kompetenzen und Macht seit dem Maastrichter Vertrag mit einem Zuwachs an symbolischer Macht kompensieren könnte (Theiler 2005, 6). Während die Beamten in der Generaldirektion Bildung und Kultur immer genuin von ihrem Mantra der „Einheit in Vielfalt“ überzeugt gewesen sind, wie verschiedene Studien zeigen (Theiler 2005; Shore 2000), erscheint nun sehr viel mehr „Einheit“ nötig, nämlich die Evolution von „Europäern“ als mehr als „an objectified category of EU passport-holders and ,citizens‘ but, more fundamentally, as a category of subjectivity“ (Shore 2000, 29–30). Für die Stärkung einer solchen kulturellen Legitimität der EU wendet sich die Kommission nun kulturellen Institutionen, allen voran Museen, stärker zu (Karaca 2010, 123). Ohne eine solche entwickelte Legitimitätsagenda hatte die Kommission schon 1977 vorgeschlagen, alle großen nationalen Museen in der EG sollten Europaräume einrichten, in denen die Integration in der EG thematisiert werden sollte (Theiler 2005, 58). Diese Idee ging damals vor allem den euroskeptischen Regierungen Großbritanniens und Dänemarks in ihrer offensichtlichen Kopie nationaler Integrationsmechanismen des 19. Jahrhunderts zu weit und wurde im Ministerrat abgeschmettert. Als die Regierungen dann 1986 Europatag, Flagge und Hymne einführten, konzentrierte sich die Kommission zunächst darauf, deren Verbreitung und supranationale Nutzung zu unterstützen. So gab Jacques Delors, der Präsident der Kommission, in seiner Ansprache zum erstmaligen Hissen der Europaflagge seiner Hoffnung Ausdruck, sie möge „a symbol for Europeans of endless hope nurtured by our ideal and our struggle“ werden (zit. nach Theiler 2005, 1). Obgleich die zwölf Sterne auf azurblauem Hintergrund rechtlich nur ein symbolisch aufgeladenes Emblem waren, auf dessen Nutzung sich die Mitgliedstaaten auf höchster Beamtenebene verständigt hatten, sprach die Kommission wie selbstverständlich von Beginn an analog zu den Mitgliedstaaten und ihren Nationalsymbolen von einer Flagge. Aus Eigenmitteln für die EG-Informationspolitik bezahlte die Kommission auch gleich noch einige Filme zur Propagierung der Integration, darunter Jean Monnet, Father of Europe über die Rolle des ersten Präsidenten der Hohen Behörde der EGKS (Theiler 2005, 65). Nach dem Scheitern ihres Vorschlags für Europaräume in nationalen Museen unterstützte die Kommission Museen in den neunziger Jahren vornehmlich bei der Entwicklung und Einführung neuer Technologien, vor allem zur Digitalisierung. Inzwischen hat ihre veränderte Legitimitätsagenda jedoch dazu

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geführt, dass die Kommission sich auch sehr viel mehr für die europäische Vernetzung von Museumsakteuren und für die Inhalte der Museen und Kooperationsprojekte – nicht nur für europäische Technologieplattformen – interessiert. Im siebten Forschungsrahmenprogramm hat die Kommission außerdem eigene Förderlinien für Projekte für und mit Museen integriert. Darin hat sie gezielt solche Projekte unterstützt, die transnationale Inhalte etablieren helfen und eine stärkere europäische Ausrichtung der Museen propagieren. Die Antragsteller folgen in ihren Anträgen und ihrer öffentlichen Kommunikation stets den informellen Konventionen der Kommission. Hierzu zählen immer die Einbeziehung von Partnern aus der europäischen Wissenschaftsperipherie, vor allem aus den neuen osteuropäischen EU-Staaten, sowie ein gebetsmühlenhaft wiederholter Bezug auf „stakeholder“, für die die angeblich angewandte Forschung fruchtbar gemacht werden soll, das heißt in diesem Fall in erster Linie Museen und Museumspraktiker. Auch außerhalb des siebten Forschungsrahmenprogramms hat die EU in den letzten Jahren solche Kooperationen gefördert, die einen Mehrwert für die breitere politische Legitimitätsagenda der Kommission versprachen – dies vor allem durch eine längerfristige transnationale Aktivierung und Vernetzung von Museumsakteuren, die konvergente Thematisierung von grenzüberschreitenden Phänomenen wie Migration, deren museale Darstellung im Kapitel 7 noch ausführlich diskutiert wird, und die stärkere Aktivierung von ethnischen und religiösen Minderheiten als Museumsbesucher und ihre Integration in nationale Gesellschaften und die im Entstehen begriffene europäische Gesellschaft. Diese neue Strategie der Kommission zur Förderung bestimmter inhaltlicher Orientierungen in Museumsprojekten geht Hand in Hand mit der Ausrichtung des neuen Programms Europa für Bürgerinnen und Bürger, das wie das Kulturprogramm von 2007 bis 2013 läuft. In diesem Kontext hat die Kommission eine Aktion 4 Aktive europäische Erinnerung initiiert, die grenzüberschreitene Dialoge über das Erinnern fördern und damit letztlich zu einer stärkeren europäischen Konvergenz historischer Erinnerung beitragen will. Auch an zahlreichen der in diesem Rahmen geförderten Projekte sind Museen beteiligt.2 Um eine solche transeuropäische Erinnerungsdynamik zu fördern, hat die Kommission dabei auf Initiative einiger neuer osteuropäischer Mitgliedstaaten den TotalitarismusTopos aktiviert (Littoz-Monnet 2012). Sie hat die thematische Reichweite weg von einem exklusiven Fokus auf den Nationalsozialismus und die Vernichtung der Juden im Holocaust um den Stalinismus und dessen Verbrechen erweitert, so wie dies exemplarisch im Haus des Terrors in Budapest geschieht, einem Mu-



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seum für die Verbrechen ungarischer Pfeilkreuzler und Stalinisten. Dies ist ein Trend, der möglicherweise die kollektive gemeinsame Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen als Geschichte eines gemeinsamen Leids aller Europäer als Gründungsmythos der EU fördern könnte, worauf Kapitel 6 näher eingehen wird.

Europäisches Parlament: Kulturelle Vertiefung und GroSSprojekte

Anders als die Kommission waren die Mitglieder des Europäischen Parlaments (EP) nie so stark von neo-funktionalistischen Integrationskonzepten beeinflusst oder so sehr auf „Output“-Legitimierung fixiert. Bis weit nach der ersten Direktwahl 1979 blieben die Debatten im EP von dem Leitmotiv der wünschenswerten Parlamentarisierung der EU nach dem Vorbild der parlamentarischen Systeme der Mitgliedstaaten geprägt (Jachtenfuchs 2002). Außerdem war die breite zentristische EP-Mehrheit stark föderalistisch orientiert und ist bis heute integrationsfreudiger als die Mitgliedstaaten im Rat geblieben. Diese Mehrheit setzte sich frühzeitig auch für eine kulturelle Vertiefung der Integration ein (Calligaro 2010, 89). Schon bald nach der ersten Direktwahl schuf das EP 1980 einen Kulturausschuss, während sich die nationalen Kultusminister erst ab 1984 regelmäßig trafen (Littoz-Monnet 2007, 48). Die Präferenz des EP für eine stärkere kulturelle Integration schlug sich auch im Vertragsentwurf für eine Europäische Union nieder. Dieser wurde vom Institutionellen Ausschuss des EP mit Altiero Spinelli als Berichterstatter ausgearbeitet, im Februar 1984 vom Parlament angenommen, aber vom Rat ignoriert. Er erhielt bereits einen Artikel 61 „Kulturpolitik“. Die Einführung von Europatag, Flagge und Hymne zwei Jahre später ging auf den Vorschlag der beiden so genannten Adonnino-Berichte zurück, die von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen Europaabgeordneten Pietro Adonnino, eines föderalistisch orientierten italienischen Christdemokraten, erarbeitet worden waren (Theiler 2005, 59). Seit das EP ab dem Maastrichter Vertrag über weitgehende Mitentscheidungsrechte verfügt, die im Lissabonner Vertrag noch erweitert wurden, vermag es auch Einfluss auf die EU-Kultur- und Geschichtspolitik zu nehmen. Es tut dies einmal, indem es mit Hilfe von Resolutionen öffentliche Appelle formuliert – wie beispielsweise mit der Entschließung Zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus im April 2009.3 In den jährlichen Haushaltsverhandlungen erweist

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sich das EP außerdem regelmäßig als ausgabefreudiger als die Regierungen im Rat und besonders erpicht darauf, dass die Mittel für Bildung, Forschung und kulturrelevante Programme erhöht werden. Vor allem verfügt das EP jedoch über eigene institutionelle Ressourcen. Solche Eigenmittel setzte das EP bereits 1982 ein, als es unter Leitung seiner liberalen französischen Präsidentin Simone Veil das Haus von Jean Monnet in Houjarray bei Paris kaufte, das es bis heute unterhält. Seit 1987 ist das Haus für Besucher zugänglich. Im Jahr 2010 hat es die Europäische Kommission erstmals für eine Weiterbildung ihrer Beamten in der Zeitgeschichte der Integration genutzt (Interview Gascard). Derzeit setzt das EP seine inzwischen sehr viel größeren institutionellen Eigenmittel für zwei Großprojekte ein, die neben Jean Monnets Haus zur Musealisierung der EU und ihrer Geschichte beitragen sollen. Das erste dieser Projekte ist das Besucherzentrum des EP, das nach einigen Verzögerungen schließlich im Oktober 2011 eröffnet wurde.4 Das Besucherzentrum geht auf eine Initiative des damaligen Präsidenten des EP, des spanischen Sozialisten Josep Borrell, zurück, der die Idee dafür 2005 von einem Besuch in Washington mit nach Brüssel brachte (Interview Kleinig). In der amerikanischen Hauptstadt wurde zu der Zeit das unterirdische Congress Visitor Center gebaut, das sich über drei Viertel der Fläche des Kapitols erstreckt.5 Das Präsidium des EP beschloss daraufhin am 4. Juli 2005, ein eigenes Besucherzentrum zu errichten, das schließlich das Projekt für ein Musée de l’Europe aus den dafür ursprünglich vorgesehenen Räumen verdrängte. Das Zentrum ist in erster Linie für die derzeit etwa 200.000 Besucher gedacht, die jährlich zum EP in Brüssel kommen. Es soll jedoch auch in Kooperation mit der Stadt Brüssel, die die europäischen Institutionen bisher kaum in ihr eigenes Tourismuskonzept eingebunden hat (Jansen und Verbeke 2005), als touristische Attraktion vermarktet werden und ist daher auch an Wochenenden zugänglich. Dem österreichischen Leiter Alexander Kleinig zufolge soll das Zentrum den Besuchern zeigen, „was das EP für sie tut“ (Interview Kleinig). Obwohl die primäre Funktion des Besucherzentrums die Vermittlung von Informationen über das EP und seine Rolle in der EU in der Gegenwart ist, hat es auch einen Geschichtsbereich, der mit „Europe’s visionaries“ zur Zeit des Schuman-Plans 1950 einsetzt (European Parliament Visitors’ Centre 2011). Allerdings wird der historische Abriss hier multimedial und ohne Objekte inszeniert. Das zweite Großprojekt des EP, das House of European History, soll 2014 eröffnet werden soll. Das Präsidium des EP unterstützte den Vorschlag für ein solches Museum am 12. Dezember 2007. Anschließend berief es den von dem



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Direktor des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Hans-Walter Hütter, geleiteten Expertenausschuss ein. Auf dessen erster Sitzung am 3. März 2008 zitierte Hans-Gert Pöttering, der christdemokratische deutsche EP-Präsident, aus seiner eigenen Antrittsrede vom 13. Februar 2007: „Die europäische Geschichte wird fast immer nur national, in nationalen Museen dargestellt. Ich möchte einen Ort der Erinnerung und der Zukunft anregen, in der der Gedanke der Idee Europas weiter wachsen kann. Ich möchte den Aufbau eines ‚Hauses der Europäischen Geschichte‘ vorschlagen. Es soll kein langweiliges, trockenes Museum werden, sondern ein Ort, der unsere Erinnerung an die europäische Geschichte und das europäische Einigungswerk gemeinsam pflegt und zugleich offen ist für die weitere Gestaltung der Identität Europas durch alle jetzigen und künftigen Bürger der Europäischen Union.“6 Als Ziel gab Pöttering den Experten mit auf den Weg: „The House could give a fresh boost to a spiritual dimension for the EU.“7 Als der Bericht des Expertenausschusses vorlag und der Kulturausschuss des EP dem Plan für ein Museum zugestimmt hatte, beschloss das EP-Präsidium schließlich am 16. Dezember 2008 grundsätzlich, das House of European History zu errichten. Als so genannte Teamleiterin wurde die Slowenin Taja Vovk van Gaal, die frühere Direktorin des Stadtmuseums in Ljubljana (1997/06) und Mitarbeiterin der European Cultural Foundation (2006/09), zum 1. Januar 2011 eingestellt. Sie soll mit zwölf hierfür beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern das eigentliche museale Konzept erarbeiten. Mit diesem Großprojekt, das das EP selbst finanziert und auch nach eigenem Gutdünken umsetzen kann, betreibt es erstmals seine eigene institutionelle Museums- und kollektive Erinnerungspolitik. Damit tritt es als zweite supranationale Institution neben die Kommission als Entrepreneur einer europäischen Kulturpolitik mit dem erklärten Ziel, eine gemeinsame kollektive Erinnerung und Identität der Europäer museal zu stärken.

Mitgliedstaaten: Subsidiarität, Legitimität, Sicherheit

Man könnte meinen, diese beiden Institutionen bildeten eine supranationale Allianz in der Kulturpolitik gegenüber den Mitgliedstaaten im Rat. Das ist aber nur begrenzt der Fall. Vor allem in der Kommission hat das Verständnis dafür zugenommen, dass Respekt für das Subsidiaritätsprinzip, das heißt die Rechte der Mitgliedstaaten und Regionen, wichtig ist, um den Vorwurf einer immer weiter reichenden bürokratischen Zentralisierung abwehren zu können. Doch

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sind auch die Mitgliedstaaten keinesfalls grundsätzlich gegen effektive kulturpolitische Projekte, die zur Stärkung der Legitimität der EU beitragen könnten. So initiieren nationale Kulturinstitutionen oft Sonder- und Wanderausstellungen zu Themen mit starken Bezügen zur europäischen Integration. Zwei gute Beispiele hierfür sind die Ausstellungen Construir Europa. Conservar la Pau zum 40. Jahrestag des deutsch-französischen Elysée-Vertrags und España y Portugal. Veinte años de integración en Europa (Asociación 2006) zum 20. Jahrestag des EU-Beitritts 1986, die 2003 und 2006 in Spanien gezeigt wurden. Die Mitgliedstaaten haben darüber hinaus eigene multilaterale zwischenstaatliche Initiativen ergriffen, um das „gemeinsame kulturelle Erbe“ aus Artikel 167 des Lissabonner Vertrags symbolisch aufzuladen. So haben zunächst 17 Staaten – darunter auch die Schweiz als Nichtmitgliedstaat – 2006 das europäische Kulturerbe-Siegel eingeführt. Deutschland nahm an diesem Programm zunächst mit dem Argument nicht teil, dass die Abgrenzung dieses Programms zu dem der UNESCO nicht klar sei. Im März 2010 schlug die Europäische Kommission jedoch vor, dieses zunächst zwischenstaatliche Programm auf alle Mitgliedstaaten auszuweiten und durch eine Jury jährlich höchstens ein Kulturdenkmal pro Land auszeichnen zu lassen.8 Im Mai 2011 nahmen die Mitgliedstaaten diesen Vorschlag an.9 Alle 68 bisher ausgezeichneten Stätten müssen sich nunmehr ab 2013/14 formell neu um die Auszeichnung bewerben. Die Mehrzahl der Kulturerbe-Siegel, die in dem ursprünglichen zwischenstaatlichen Programm verliehen wurden, erhielten Denkmäler aus der Antike oder dem Mittelalter. Einige haben aber auch einen direkten Bezug zur europäischen Integration nach 1945. So erhielt die italienische Insel Ventotene das Kulturerbe-Siegel, auf der Altiero Spinelli als Gefangener des faschistischen Italiens gemeinsam mit Ernesto Rossi 1941 sein föderalistisches Manifest Für ein freies und vereintes Europa schrieb. Auch die Geburtshäuser zweier EU„Gründerväter“, nämlich diejenigen von Robert Schuman in Scy-Chazelles bei Metz und von Alcide De Gasperi in Pieve Tesino in der Nähe von Trento, haben die Auszeichnung erhalten und werben damit. In der europäischen Kulturpolitik sind die meisten Mitgliedstaaten darauf bedacht gewesen, die subsidiären Kompetenzen der EU nicht auszuweiten. Das gilt nicht nur für traditionell stärker „euroskeptische“ Mitgliedstaaten wie Großbritannien und Dänemark, sondern wegen der Kulturhoheit der Bundesländer gerade auch für Deutschland (Klein 2009; Gau 2007). Nachdem jedoch der heutige Artikel 167 als ein kleines Element einer großen Kompromisslösung in den Maastrichter Vertrag eingefügt worden war, hat dies eine starke Pfadabhän-



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gigkeit geschaffen. Einerseits würde eine vertragliche Reduzierung der einmal eingeführten EU-Kompetenzen eine einstimmige Entscheidung und Ratifizierung einer Vertragsrevision durch alle Mitgliedstaaten erfordern, was so gut wie ausgeschlossen ist. Andererseits hat nicht zuletzt der stärkere Einfluss des EP auf den EU-Haushalt dafür gesorgt, dass die kulturellen Programme seit dem Maastrichter Vertrag ausgebaut worden sind. In dieser Situation liegt den Mitgliedstaaten jedoch zunächst einmal daran, ihren nationalen Institutionen einschließlich der Museen einen effektiven Zugang zu den vorhandenen EU-Ressourcen zu verschaffen, was die Aufgabe der nationalen Kontaktstellen für die Kulturprogramme und die Forschungsrahmenprogramme ist. Die Regierungen der Mitgliedstaaten wissen jedoch auch, dass Legitimitätsdefizite der EU nicht nur ein Problem für die Kommission und das EP sind, sondern auch für sie selbst. Innenpolitisch sehen sich die stärker pro-europäisch orientierten politischen Parteien inzwischen in Ländern wie Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden, Frankreich und Polen populistischen euroskeptischen Parteien gegenüber, die nicht nur eine übermäßige Bürokratisierung und Mittelverschwendung in Brüssel kritisieren, sondern teilweise die EU als solche in Frage stellen. Aus dieser Perspektive erscheint eine stärkere kulturelle Legitimierung der Integration auch vielen nationalen Regierungen wünschenswert. Zwar hat der Nationalstaat sich als „bounded cultural, psychological and identitive unit“ (Theiler 2005, 3) innerhalb der EU ein hohes Maß an Autonomie bewahrt, was Föderalisten und Funktionalisten nach 1945 so nicht erwartet hatten. Jedoch stehen manche Mitgliedstaaten zugleich unter sehr starkem sozio-ökonomischem und politischem Druck von innen. Wirtschaftskrisen und Strukturreformen führen zu sozialen Verwerfungen und Unruhen. Regionale Identitätsdiskurse und politische Forderungen nach mehr Autonomie münden in weitreichende Dezentralisierung, so dass manche Mitgliedstaaten gesellschaftlich und politisch immer stärker fragmentiert sind. Nimmt man die tatsächlichen oder vermeintlichen Zwänge hinzu, die von den Kräften der Globalisierung auf den Nationalstaat ausgehen, erscheinen Europa und die EU nationalen politischen und wirtschaftlichen Eliten gerade angesichts der Banken- und Wirtschaftskrise nach 2008 zumindest potenziell als affektiv-emotionaler Hort von Sicherheit in unsicheren Zeiten raschen Wandels, den es auch von daher kulturell zu hegen gilt.

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Regionen: Autonomie, Identität, Erinnerung

Dennoch ist es vor allem für zentralistisch organisierte Mitgliedstaaten schwierig, neue europäische Narrative der Integration mit den seit dem 19. Jahrhundert entwickelten und immer noch stark verankerten nationalen Einigungsmythen und Kulturen kollektiver Erinnerung zu verschränken oder gar in Einklang zu bringen. Das gilt dagegen gerade nicht für einen anderen wichtigen staatlichen Akteur europäischer Kulturpolitik im Museumsfeld, die Regionen. In manchen Bundesstaaten wie Deutschland und Österreich haben die Regionen teilweise historisch gewachsene und verfassungsrechtlich gesicherte kulturpolitische Kompetenzen. Andernorts, wie in Schottland und Katalonien, haben als so genannte historische Nationen anerkannte Ethnien durch Prozesse der Dezentralisierung erstmals oder zusätzliche Kompetenzen im Kulturbereich erworben. Wieder andere Regionen wie Südtirol und das Trentino in Italien genießen einen besonderen Autonomiestatus. Diese sub-nationalen staatlichen Akteure haben in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Ressourcen in neue regionale Museen investiert. Zu den Neugründungen zählen etwa das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart, das National Museum of Scotland in Edinburgh, das Museu d’Història de Catalunya in Barcelona, das Südtiroler Landesmuseum in Meran und das Museo Alcide De Gasperi in Pieve Tesino. Als Neugründungen können solche Museen neue Sammlungen aufbauen, die wiederum andere technologische Optionen und inhaltliche Ausrichtungen ermöglichen. In diesen und anderen Museen wurden transnationale und europäische Dimensionen regionaler Geschichte von Anfang an berücksichtigt und werden überall weiter ausgebaut, wie noch in Kapitel 6 zu zeigen sein wird. Für die Regionen erfüllt eine solche transnational-europäische Einbettung regionaler Diskurse über Geschichte und Identität in den unterschiedlichen Kontexten vier wichtige Funktionen. Zunächst erweisen sich aus Sicht der Museen transnational-europäische Bezüge intern als nützlich, um lange etablierte introvertierte Diskurse zu modernisieren. So reflektierte die Gründung und Gestaltung des National Museum of Scotland im breiteren Kontext der neuen regionalen Autonomie „a move away from a definition of Scottishness as opposed to Englishness to instead understanding Scotland in larger contexts“ (Interview Daglish). Langlebige nationalistische Mythen aus der Zeit der Romantik sollen durch zeitgemäße Perspektiven auf die eigene nationale Geschichte und Identität abgelöst werden, die von einer größeren Offenheit gegenüber mehreren „Anderen“, nicht nur den Engländern,



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gekennzeichnet sind. Bezüge auf transnationale Verflechtungen Schottlands durch Handel und Migration und auf seine Gegenwart und Zukunft in einem „Europa der Regionen“ dienen der Neuformulierung nationaler Identität in einem durch Dezentralisierung neu entstandenen institutionalisierten politischen Gemeinwesen, das selbstverständlich über eine eigene Vertretung in Brüssel und im Ausschuss der Regionen der EU verfügt. Regionale Museen werden auch dafür genutzt, unterschiedliche oder sogar gegensätzliche regionale Erinnerungskulturen zu integrieren. So hat die von föderalistischen Christdemokraten geprägte Association Robert Schuman das Schuman-Haus verwaltet, bis der Generalrat des Departement Moselle, dem das Haus seit 1963 gehörte, die Kontrolle 1999 an sich zog, um Umbauarbeiten zu finanzieren und ein Museum zu errichten (Interview Thull). Philippe Leroy, seit 2001 französischer Senator für die gaullistisch geprägte Partei Union pour un Mouvement Populaire (UMP) und seit 1992 Präsident des Generalrats, nutzte den prominenteren Bezug auf Schuman dazu, eine Versöhnung von regionalistisch-föderalistischen christdemokratischen mit national-zwischenstaatlichen gaullistischen Traditionen zu betreiben. Der Umbau des Wohnhauses und der Neubau des Museums für Schuman in Scy-Chazelles sollte Leroy erleichtern, sich als „Gaulliste Schumanien“ neu zu erfinden (Interview Thull) und die UMP – Charles de Gaulle hin oder her – in Lothringen und darüber hinaus als MitteRechts-Europapartei zu positionieren, die inzwischen auch Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) ist (Giblin-Delvalett und Auburtin 2005). Bezüge auf Europa und die europäische Integration können außerdem dazu dienen, ethnische historische Konflikte museal zu moderieren. So hat sich der Bürgermeister von Breslau auch deshalb dafür engagiert, die Ausstellung C’est notre histoire! in seiner Stadt zu zeigen, weil das Integrationsnarrativ das historisch aufgeladene regionale Narrativ eines Dauerkonflikts zwischen Deutschen und Polen in Schlesien (und zwischen Deutschland und Polen) entschärfen und überlagern helfen sollte (Interview Pomian). Im Falle der zeithistorischen Sektion im Südtiroler Landesmuseum, die im Turm des Meraner Schlosses untergebracht ist, sollen explizite Bezüge auf den EU-Beitritt Österreichs und die Formierung einer Euregio der drei historischen Landesteile Tirols – Nordtirol, Südtirol und Trentino (Welschtirol) – zeigen, wie in einem zusammenwachsenden Europa ethnische und sprachliche Konflikte und Grenzen an Bedeutung verlieren und ein harmonischeres Miteinander über solche Grenzen hinweg leichter möglich wird. Die Darstellung der Euregio-Geschichte fungiert als „symbolische Klammer“ zwischen deutsch- und italienischsprachigen Südtirolern (Interview Heiss).

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Dort, wo solche Konflikte überwunden erscheinen, nutzen manche Grenzregionen ihre Museen auch dazu, transnationale Zusammenarbeit und „Freundschaft“ zu thematisieren, was stets europäisch konnotiert ist. Das ist beispielsweise im Haus der Geschichte Baden-Württemberg der Fall, dessen letzte Sektion den deutsch-französischen Beziehungen gewidmet ist. Diese Sektion ist jedoch nur eine Dimension der Transnationalisierung musealer Strategien des Landes Baden-Württemberg. Hierzu zählen auch deutsch-französischen und europäischen Integrationsthemen gewidmete Sonderausstellungen, zum Beispiel im Europazentrum und im Landtag in Stuttgart (Interview Schnabel), sowie dezentrale Ausstellungen wie 1998 zum Revolutionsjahr 1848 an sieben Orten, vor allem im grenznahen Baden. Dabei muss die Darstellung grenzüberschreitender „Freundschaft“ nicht museal ritualisiert sein, sondern kann durchaus deren politische Ritualisierung thematisieren, wie dies das Haus der Geschichte mit einem kritischen Blick auf die ernüchternde soziale Wirklichkeit mancher Partnerschaften zwischen baden-württembergischen und französischen Städten macht. Strategien musealer Repräsentation regionaler Geschichte und Identität können schließlich dazu dienen, ein rechtlich und politisch prekäres Autonomiestatut kulturell zu unterfüttern. So geht die Umwandlung des Geburtshauses De Gasperis in ein Museum auf eine Initiative des Präsidenten der Provinz Trento, Lorenzo Dellai, zurück (Interview Zorzi). Dieser gründete 1998 eine regionalistische Partei, die 2008 in Unione per il Trentino umbenannt wurde. Diese zentristisch-christdemokratische Partei sieht sich ganz in der Tradition De Gasperis, der als italienischer Ministerpräsident 1946 mit dem österreichischen Außenminister Karl Gruber eine Autonomie für die vereinigte Region TrentinoSüdtirol aushandelte (Steininger 2006), in der die italienischsprachige Bevölkerung über eine klare Mehrheit verfügte, ehe schließlich beide Provinzen 1992 eine jeweils eigene vollständige Autonomie erlangten. Dieser separate Status des Trentino wird jedoch von anderen Parteien aus unterschiedlichen Motiven in Frage gestellt. Das Museo De Gasperi dient Dellai und seiner Partei daher dazu, sich ihrer eigenen weltanschaulichen Traditionen in einem sich seit dem Zusammenbruch der Democrazia Cristiana 1994 ständig wandelnden Parteiensystem zu vergewissern und diese öffentlich zu repräsentieren als auch die Autonomie des Trentino dauerhaft zu legitimieren. Regionale politische Kräfte und Regionen mit eigenen Selbstverwaltungsrechten haben also verschiedene Interessen, ihre eigenen Museen dazu zu nutzen, regionale historische und Identitätsnarrative europäisch einzubetten, zu moder-



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nisieren und politisch abzusichern. Allerdings handelt es sich dabei im Wesentlichen um ein westeuropäisches Phänomen, was ein erster deutlicher Hinweis auf eine starke regionale Differenzierung in der Europäisierung des Museumsfeldes ist. In den neuen ostmitteleuropäischen Mitgliedstaaten der EU dienen Regionen in erster Linie als Verwaltungseinheiten. Hier – und erst recht in den Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawiens – verhindert vorerst der integrale Nationalismus aus der Zeit nach dem Kalten Krieg und nach der erstmaligen oder Neugründung von Staaten wie der Slowakei oder den baltischen Ländern, dass Regionen mit einem nennenswerten Maß an Eigenständigkeit und Rechten wie in Südtirol ihr museales Heil in der Integration in transnationale und europäische Narrative suchen könnten, um ethnische Konflikte einzudämmen oder gar zu überwinden.

Staatliche Institutionen in der europäischen Kulturund Museumspolitik

Wie dieses Kapitel zu staatlichen Institutionen gezeigt hat, sind die – wie es Politikwissenschaftler nennen würden – Akteurskonstellationen im Museumsfeld sehr viel komplexer, als dies die nur subsidiären Kompetenzen der EU in der Kulturpolitik und die auf Eliten und politische Prozesse in Brüssel fokussierte politikwissenschaftliche und soziologische Literatur suggieren könnten. Zwar haben die Mitgliedstaaten und – wie in Deutschland – noch stärker die subnationalen Regionen mit eigenständigen Rechten im Kultursektor vehement ihre primären Kompetenzen in diesem Politikfeld verteidigt; dennoch wurde der Kulturartikel in den Maastrichter Vertrag eingefügt und gilt seit dem Lissabonner Vertrag das Mehrheitsprinzip. Vor allem stellt sich bei einer näheren Analyse europäischer Kulturpolitik in der EU als Mehrebenensystem heraus, dass diese keinesfalls von einer schlichten Dichotomie zwischen expansiven Zielsetzungen der supranationalen Akteure wie der Kommission und dem EP einerseits und defensiven, auf kulturelle Integration im Nationalstaat zielenden Haltungen nationaler und sub-nationaler staatlicher Akteure andererseits gekennzeichnet ist. Vielmehr sehen pro-europäische Eliten auf allen Ebenen ein kulturelles Defizit der europäischen Integration. Gerade regionale Eliten in sub-nationalen territorialen Einheiten mit stark ausgeprägter Identität und rechtlichen und politischen Kompetenzen setzen vielfach darauf, dass sich europäische und regionale kulturelle Identitäten wechselseitig bedingen

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und ergänzen und durch ihre Stärkung der zentralistische Nationalstaat oder das Zentrum eines dezentralisierten oder föderalistischen Mitgliedstaates (weiter) gezähmt werden kann. Wie ihre verstärkte Nutzung der offenen Koordinierungsmethode jedoch zeigt, ergreifen selbst die Mitgliedstaaten die Initiative, um transnationale Kooperation und letztlich die kulturelle Integration Europas zu unterstützen. Sie tun dies nicht zuletzt, weil Legitimitätsdefizite der EU auch die Position pro-europäischer Eliten im nationalen Raum gefährden könnten. Von daher erscheint es fruchtbarer, europäische Kulturpolitik als einen Sektor zu verstehen, in dem die politische und gesellschaftliche Differenzierung von Integration zwischen Zentrum und Peripherie besonders markant sichtbar wird. Das Zentrum ist insoweit jedoch nicht Brüssel als politisches Entscheidungszentrum – vielmehr handelt es sich um eine Art Kerneuropa, in dem staatlich-politische wie kulturelle Eliten sich stärker der europäischen Integration verpflichtet fühlen, besser untereinander vernetzt sind und über mehr Herrschaftswissen verfügen. Auf diese zentrale Frage von Zentrum und Peripherie werden die folgenden Kapitel in ihrer Analyse von Europäisierung als kultureller Praxis noch mehrfach zurückkommen. Dabei hat die Osterweiterung der EU 2004/07 nicht nur die ökonomische, sondern auch die kulturelle Differenz zwischen Zentrum und Peripherie in der EU noch verstärkt und zugleich das Bedürfnis erhöht, ihre kulturelle Integration zu vertiefen. So meinte vor der Osterweiterung 2004 Viviane Reding, die christdemokratische EU-Kommissarin aus Luxemburg, die nach 1999 zunächst mit Fragen der Bildung und Kultur und dann der Medienund Informationsgesellschaft befasst war, nur Kultur könne „hier wie da ein Gefühl der Zugehörigkeit zu derselben Schicksalsgemeinschaft schaffen“ (Holthoff 2008, 56) – eine womöglich übertriebene Hoffnung angesichts der sehr unterschiedlichen Erinnerungskulturen in verschiedenen Teilen der mehrfach erweiterten EU, wie noch in Kapitel 6 deutlich werden wird. Für ein besseres, perspektivisch erweitertes Verständnis europäischen Regierens in der Kulturpolitik ist es jedoch nicht nur wichtig, die Rolle verschiedener staatlicher Institutionen in der EU als Mehrebenensystem zu beleuchten. Vielmehr ist es hierfür entscheidend, den einseitigen Fokus auf das Entscheidungszentrum Brüssel und auf staatliche Institutionen zu überwinden. Wie das folgende Kapitel 4 deutlich macht, spielen nämlich gesellschaftliche Akteure eine maßgebliche Rolle in der Kultur- und Museumspolitik und in der Europäisierung kultureller Praxis von unten, aus der im Entstehen begriffenen, partiell transnational verfassten europäischen Gesellschaft heraus.

4 Europa vernetzen: Gesellschaftliche Akteure in der Europäisierung des Museumsfeldes

Die Gründung nationaler Museen im 19. Jahrhundert ging oftmals – wie der Bau von Denkmälern – auf Initiativen einzelner Mäzene, national gesinnter Verbände oder von Gruppen von Bürgern zurück (Pomian 2007). Dagegen wird vor allem der Bau und Unterhalt von Geschichtsmuseen heutzutage in der Regel als staatliche Aufgabe betrachtet. Mäzene gründen eher Kunstmuseen, von denen sie sich unter anderem eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit erwarten (Kessen 2004). Große Firmen unterstützen neben Kunstausstellungen noch am ehesten wirtschaftsnahe Museen für Technik- und Wissenschaftsgeschichte. Vor allem Großprojekte wie das House of European History (HEH) kommen ohne die Unterstützung durch staatliche Institutionen nicht zustande. In die europäische Symbol- und Kulturpolitik mischen sich jedoch auch zahlreiche gesellschaftliche Organisationen ein. So wird der Internationale Karlspreis zu Aachen nicht von der Stadt Aachen finanziert oder vergeben. Vielmehr wurde er 1949 von Bürgern der Stadt gestiftet, die bis heute in einem eigenen Gremium den Preisträger bestimmen. Solche gesellschaftlichen Organisationen und Stiftungen initiieren und finanzieren auch zahlreiche temporäre Wanderausstellungen mit integrationsgeschichtlichen Bezügen. Diese erreichen zwar nicht dieselbe Aufmerksamkeit oder Besucherzahl wie große nationale Museen, haben dafür aber eine große geographische Reichweite innerhalb einzelner Mitgliedstaaten und über deren Grenzen hinaus. Das gilt etwa für eine Wanderausstellung der spanischen Sektion der Europäischen Bewegung zur Geschichte dieser Bewegung, die 2010 in Spanien gezeigt wurde;1 eine Ausstellung mit den Porträts der Karlspreisträger, die die Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen während der deutschen Ratspräsidentschaft 2007 im Justus Lipsius-Gebäude des Europäischen Rats in Brüssel organisierte und die vom Rat anschließend als Dauerausstellung übernommen wurde; eine daraus entwickelte umfangreichere Ausstellung zum Karlspreis mit einer interaktiven Stele, die 2009 im Aachener Rathaus und 2010 im Maison de Robert Schuman in Scy-Chazelles gezeigt wurde und in eine Wanderausstellung transformiert werden sollte; und für eine

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Wanderausstellung der römischen Fondazione Alcide De Gasperi zu Alcide De Gasperi. Un europeo venuto dal futuro, die seit 2003 in wechselnden italienischen Städten gezeigt wird und 2004 auch in Berlin zu sehen war. Die Institutionen der Europäischen Union (EU) schaffen Anreize für gesellschaftliche Akteure, sich an der Formulierung europäischer Kulturpolitik und der Europäisierung des Museumsfeldes zu beteiligen. So ist es für die Kommission wichtig, gesellschaftliche Gruppen in der Entwicklung neuer Politikfelder oder einzelner Förderprogramme zu involvieren, um diese breit zu legitimieren und die Zustimmung des Rates und des Europäischen Parlaments (EP) zu erhalten. Für die gesellschaftlichen Akteure können die Anreize materieller und ideeller Natur sein: der effiziente Zugang zu Informationen, um erfolgreich Mittel für grenzüberschreitende Projekte aus verschiedenen EU-Fördertöpfen einzuwerben; Unterstützung für die eigene transnationale Vernetzung mit ähnlichen Museen in anderen Ländern oder durch institutionalisierte Museumsorganisationen zu erhalten; oder – etwa in einer beratenden Funktion als Experte – in Kontakt mit transnationalen politischen Eliten zu gelangen und daraus einen sozialen oder institutionellen Distinktionsgewinn zu schöpfen. Daneben können sich gesellschaftliche Akteure auch eigenmotiviert einbringen, weil sie etwa die normativen Annahmen und kulturellen Integrationsziele europäischer Institutionen teilen – oder auch ablehnen.

Nichtregierungsorganisationen: Politik in Museen und Ausstellungen

Dies gilt zuvorderst für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die gesellschaftliche Ziele verfolgen, ihr Engagement vielfach zunächst im lokalen Rahmen begonnen haben und Netzwerke in Europa und darüber hinaus aufbauen und nutzen. Solche NGOs thematisieren ihre eigene Arbeit immer häufiger in Ausstellungen oder Museen. Ein gutes Beispiel hierfür sind NGOs, die sich Migrationsthemen widmen. Spätestens die Europäisierung der EU-Grenzüberwachung mit der Gründung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen im Jahr 2004 rief NGOs auf den Plan, die sich für Menschenrechte einsetzen und nun an den geopolitischen Rändern der EU aktiv sind.2 Sie führen nicht nur politische und Medien-Kampagnen für die Rechte der aus Nordafrika, dem Nahen Osten und Asien über die Türkei oder das Mittelmeer an die EU-Außengrenzen kommenden Flüchtlinge, sondern un-



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terstützen jene auch dabei, Asyl zu beantragen oder in das Landesinnere oder in andere EU-Mitgliedstaaten weiterzureisen. Das gilt etwa für die lokale Kölner NGO Kein Mensch ist illegal und für das europaweite No Border Network, eine lose Verbindung zahlreicher lokaler, regionaler und nationaler NGOs. Ausdruck ihres gemeinsamen, vernetzten Engagements sind unter anderem die so genannten Border Camps in der Nähe der EU-Außengrenzen. Zum anderen engagieren sich Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit NGOs für eine noch größere europaweite Vernetzung. So verortet sich das Netzwerk Migration in Europa e.V. „an der Schnittstelle zwischen Information, Bildung, Beratung, Forschung und Vernetzung in Europa“.3 Zu den Partnern dieses Netzwerks zählen Universitäten, Forschungsinstitute, Dokumentationszentren, Kulturinstitutionen und Jugendinitiativen. Privatstiftungen ebenso wie die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung und die EU im Rahmen des GrundtvigProgramms fördern das Netzwerk. Im Jahr 2008 organisierte es eine internationale Tagung zur Frage, wie Migration zu musealisieren wäre. Auf dieser Tagung diskutierten Museumsakteure aus Theorie und Praxis über die institutionellen Zwänge und inhaltlichen Herausforderungen einer Musealisierung von Migration. Wenngleich sich dieses Netzwerk und andere NGOs und deren gesellschaftliche Milieus in Zielsetzung und Habitus stark unterschieden, haben sie erkannt, wie nützlich und wirksam museale Darstellungen für ihre Anliegen sein können, wie Kapitel 7 noch ausführlich zeigen wird.

Historiker: Geschichte(n) schreiben, Institutionen beraten

Ebenfalls beteiligt an der Europäisierung des Museumsfeldes sind Historiker, von denen einige in den ersten zwanzig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mit großer ideeller Hingabe europäische Geschichte so umschrieben, dass sie auf die westeuropäische Integration hinauszulaufen schien und diese legitimieren half. Manche dieser Historiker waren noch von der Paneuropa-Idee aus der Zwischenkriegszeit beeinflusst oder stark katholisch geprägt und in Abendland-Diskursen (Conze 2005; Schildt 1999) verwurzelt, in denen das Mittelalter in der Regel als Zeit europäischer Eintracht figurierte (Duchardt 2006/07). Auch Walter Lipgens, einer der ersten Historiker der Zeitgeschichte der Integration nach 1945, stand in der Tradition einer anti-borussischen katholischen Geschichtsschreibung, die nach der Erfahrung des Nationalsozialismus neue Legitimität genoss, und war als Mitglied der Europa-Union und dezidierter Anhänger von Konrad

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Adenauers Politik der deutsch-französischen Aussöhnung und Westintegration politisch darauf festgelegt, die Integration schreibend zu unterstützen (Kaiser 2002). Das letzte große Werk, das in dieser föderalistischen Tradition entstand, ist Jean-Baptiste Duroselles 1990 erschienenes und auch ins Deutsche übersetzte Buch L’Europe: histoire de ses peuples, in dem die europäische Geschichte in teleologischer Manier als Sieg von Vernunft und Einheit über Nationalismus und Konflikt erscheint (Gilbert 2008). Im Jahr 1982 mit Unterstützung der Europäischen Kommission gegründet (Le Boulay 2010), organisiert das European Liaison Committee of Historians seitdem regelmäßig Konferenzen zur EU-Geschichte und gibt seit 1995 die überwiegend englischsprachige Zeitschrift für Geschichte der Europäischen Integration heraus. Wie Antonio Varsori (2010) jedoch gezeigt hat, war die Verbindungsgruppe vor allem ab den neunziger Jahren zunehmend auf ihre Unabhängigkeit bedacht, schon allein um die ohnehin marginale Lage der Integrationsgeschichte in der Geschichtswissenschaft insgesamt nicht noch zu verschärfen. In demselben Maße sank das Interesse der Europäischen Kommission an den organisierten Zeithistorikern. Sie setzte vermehrt darauf, dass Juristen, Ökonomen und Politikwissenschaftler Probleme des europäischen Regierens für sie lösen würden. In der „dritten Phase“ der Integrationshistoriographie, die von einer starken Professionalisierung gekennzeichnet ist (Seidel 2010b), gilt es nunmehr ohnehin eher als verdächtig, wenn sich Historiker an Auftragsarbeiten unter restriktiven Bedingungen des Quellenzugangs beteiligen. Das gilt etwa für die von der Kommission bestellte und bezahlte Studie zu ihrer eigenen Geschichte zwischen 1958 und 1972 (Dumoulin 2007). Dennoch fungieren Historiker vielfach als Experten mit Beratungsfunktionen in großen Museumsprojekten wie auch demjenigen des EP. Denn trotz der Professionalisierung der Geschichtswissenschaft gilt aus Sicht der europäischen Institutionen für die kulturelle Legitimierung der europäischen Integration, was der britische Historiker Eric Hobsbawm (1992, 3) einst über die jüngst stärker vergleichend erforschte Rolle (Berger und Lorenz 2010) der Historiker in der nationalen Integration im 19. Jahrhundert schrieb: „Historians are to nationalism what poppy-growers in Pakistan are to heroin addicts: we supply the essential raw material for the market. Nations without a past are contradictions in terms. What makes a nation is the past (...) and historians are the people who produce it.“ Für die Expertengruppe, deren Bericht das EP im Dezember 2008 annahm, konnte Präsident Hans-Gert Pöttering den deutschen Historiker Hans-Walter Hütter als Vorsitzenden bestimmen. Mit dem Wechsel im Präsidentenamt vom



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deutschen Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) Pöttering zum polnischen Mitglied der EVP als größter Parlamentsfraktion, Jerzy Buzek, ging auch der Vorsitz im neuen Wissenschaftlichen Beirat des HEH an einen polnischen Historiker, Włodzimierz Borodziej. Obwohl das HEH ursprünglich einen starken zeithistorischen Schwerpunkt in der Geschichte der heutigen EU seit 1945 haben sollte, hatte nur ein einziger Historiker in der Expertengruppe, Michel Dumoulin, Spezialkenntnisse der Geschichte der europäischen Integration und ihrer Historiographie, und kein einziges Mitglied des neu formierten Wissenschaftlichen Beirats. Allerdings sind die meisten Zeithistoriker inzwischen offen für Perspektiven, die über die traditionelle Nationalgeschichte hinausgehen. Alles, was transnational, europäisch und global ausgerichtet ist, gilt als modern und ist modisch. Insofern drängen Historiker in beratenden Funktionen bei national- und regionalgeschichtlichen Museen in der Regel darauf, die historische Darstellung für solche Dimensionen zu öffnen. Das EP kann zumindest für sich reklamieren, mit dem geplanten Museum zu dieser Öffnung in eine europäischen Richtung beizutragen. Historiker als Experten in Beiräten sind jedoch nicht immer leicht zu steuern. Das erfuhren bereits die Organisatoren des Musée-Projekts und der Ausstellung C’est notre histoire! in der Zusammenarbeit mit ihrem Beirat. Els Witte, eine inzwischen emeritierte Geschichtsprofessorin an der flämischen Universität in Brüssel, kritisierte die Perspektive der Initiatoren des Projekts als einseitig „Christian-Catholic“: „it was a kind of history, but it was their history“ (Interview Witte). Auch Dumoulin von der wallonischen Universität Louvain-laNeuve glaubte zusehends, als Historiker im Beirat nur als Feigenblatt dienen zu sollen. Es habe „no real consultation“ gegeben. Die Pläne der Organisatoren für die Darstellung der europäischen Zeitgeschichte, vor allem der Dekolonialisierung, in C’est notre histoire! „amounted to those of the Propagandaabteilung of the European Commission“. Er habe sich daher auch immer weniger an den Beratungen beteiligt (Interview Dumoulin). Dagegen war die Arbeit der Expertengruppe des EP davon gekennzeichnet, dass die meisten Historiker Präferenzen dafür äußerten, welche transnationalen und europäischen inhaltlichen Aspekte auch noch zu berücksichtigen seien. Diese additive Wunschliste wurde im Abschlussbericht allerdings stark reduziert und zusammengefasst, um den eigentlichen Museumsplanern ab 2011 den größtmöglichen Freiraum zu lassen.

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Museumspraktiker: Sozialisierung, Ziele, Normen

Museumspraktiker – Direktoren und Mitarbeiter von Museen und freie Kuratoren – erweisen sich noch mehr als wissenschaftlich tätige Historiker als mögliche Träger einer Europäisierung des Museumsfeldes. Dabei ist deren Interesse nicht unbedingt auf eine Stärkung der europäischen Integrationsdimension in nationalen, regionalen und anderen Museen gerichtet. Dagegen spricht aus museumspraktischer Sicht schon alleine, dass Darstellungen von Integration als EU-Integration – nicht als breiterer Prozess transnationaler Vergesellschaftung – als so genannte Flachware gilt, also scheinbar eine Geschichte der Verträge und Institutionen sein muss, wie dies im Bonner Haus der Geschichte bis zur Überarbeitung der Dauerausstellung 2011 der Fall war. Diese Variante der Integrationsgeschichte gilt sowohl hinsichtlich der Texttafeln als auch der dafür geeigneten Objekte als langweilig und unattraktiv für die Besucher (Interview Kraus). Vielmehr zielt das Interesse der Museumspraktiker in der Regel darauf, in den von ihnen betreuten Dauerausstellungen und in Sonderausstellungen grenzüberschreitende Themen wie Handel, Migration, interkulturelle Beziehungen und Kulturtransfers stärker zu behandeln (Interview Tietmeyer), Themen und Politikfelder, die von der EU vielfach bestimmt oder moderiert werden, so dass sich daraus ein großes Potenzial ergibt, Integration indirekt zu thematisieren. Wie stark sich Museumspraktiker für unterschiedliche Formen der Europäisierung des Museumsfeldes engagieren, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zwei dieser Faktoren ergeben sich aus dem strukturellen Kontext, in dem Museumspraktiker arbeiten. Der erste betrifft die Ausstattung des Museums und die verfügbaren materiellen und zeitlichen Ressourcen. Dabei ist das Gefälle zwischen großen Museen von nationaler Bedeutung in wohlhabenden Staaten zu kleinen Museen in Ländern mit gravierenden strukturellen Haushaltsdefiziten unter den Vorzeichen der wirtschaftlichen Krise und von teilweise drastischen Budgetkürzungen nach 2008 noch größer geworden, als es ohnehin schon war. Allerdings kann sich die unterschiedliche Ausstattung verschieden auswirken. So ist das Schweizer Nationalmuseum in Zürich nach wie vor so gut ausgestattet, dass es einen Anbau planen kann, der nur der Zeitgeschichte gewidmet sein soll. Laut Kuratorin Erika Hebeisen (Interview) gibt es daher gar keine materiellen Anreize zu größerer Kooperation mit ähnlichen Institutionen im Ausland. Ähnliches gilt auch für das Imperial War Museum in London, das außer bei Leihgaben von Objekten überhaupt noch nie mit Kriegsmuseen in anderen Ländern kooperiert hat (Interview Charman). Eine exzellente materielle Ausstattung erlaubt es



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Direktoren und Kuratoren in anderen Fällen jedoch, erhebliche Ressourcen in ein Projekt zu investieren, das sie aus ideellen Gründen unterstützen wollen. Das gilt etwa für das norwegische Technikmuseum in Oslo, das die Internetplattform Inventing Europe massiv unterstützt hat (Interview Badenoch).4 Eine schlechte materielle Ausstattung schafft in jedem Fall Anreize für eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Museen, um darüber zusätzliche externe Mittel – gerade auch von der EU – für Vernetzung, Personal und gemeinsame Ausstellungen zu erlangen. Der zweite strukturelle Faktor ist der Funktionswandel aller Museen, vor allem in größeren und touristisch attraktiven Städten. Der Städtetourismus hat dazu geführt, dass nationale Museen, die sich ursprünglich an ein lokales und nationales Publikum gewendet haben, inzwischen viel mehr ausländische Besucher verzeichnen und sich darauf in ihrem Marketing und auch in ihrer Darstellung einstellen müssen (John, Schild und Hieke 2010; Gostmann und Schatilow 2008). Im National Museum of Scotland kommen in den Sommermonaten inzwischen mehr als 40 Prozent der Besucher aus dem überwiegend europäischen Ausland (Interview Barry). Im Landesmuseum Meran in einer Region des Sommer- und Wintertourismus sind es sogar mehr als 80 Prozent, die überwiegend aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien stammen (Interviews Heiss, de Rachewiltz). Manche Institutionen werden schon primär für Touristen gegründet – wie das Touriseum im Schloss Trauttmansdorff bei Meran, das nur transnationale Aspekte der Südtiroler Geschichte – vom Tourismus bis zum Anbau und Handel mit Äpfeln – thematisiert.5 Die Zunahme der Zahl ausländischer Besucher erfordert mindestens mehrsprachige Texttafeln und Audioguides. Darüber hinaus stellt sich jedoch für die Kuratoren zunehmend die Frage, wie sie die Darstellung ihres Themas inhaltlich anschlussfähiger für diese ausländischen Besucher machen können. Auch dies kann Anreize für eine stärkere grenzüberschreitende Kooperation zwischen Museen – etwa durch deren digitale Vernetzung – und für eine Öffnung zu transnationalen und europäischen Dimensionen nationaler, regionaler und lokaler Geschichte schaffen. Neben diesen strukturellen Bedingungen hängt es jedoch stark von den Kuratoren selbst und drei wichtigen sozialen Faktoren – ihrer Sozialisierung, ihren beruflichen Zielen und ihren Normen und politischen Wertvorstellungen – ab, in welchem Maße und wie sie sich an verschiedenen Formen einer Europäisierung des Museumsfeldes beteiligen. Selbst wenn manche Museen hierarchisch organisiert sind, bleibt dem einzelnen Kurator oftmals ein genügend großer

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Spielraum, die eigene Arbeit zu gestalten, Kooperationen zu initiieren oder Sektionen von Dauerausstellungen in einer bestimmten Weise zu überarbeiten. Der erste soziale Faktor ist die disziplinäre und berufliche Sozialisierung. Eine bestimmte fachliche Ausbildung konnte früher eine erhebliche Barriere gegen eine stärkere transnational-europäische Orientierung bilden. So war das dänische Nationalmuseet – wie viele andere skandinavische Museen – lange Zeit von Kuratoren mit einem Studium der Volkskunde oder Ethnologie geprägt, deren primäres Interesse in der nordischen Tradition lokaler und regionaler „Volkskultur“ galt, die eng mit der nationalen Identität verwoben war und tendenziell von außen bedroht erschien (Rentzhog 2007; Rasmussen 1966). Vor diesem Erfahrungshintergrund stimmte etwa die Kuratorin Annette Vasström – wie die meisten anderen Ethnologen in ihrem Museum – 1972 gegen den EG-Beitritt Dänemarks und konnte auch danach transnational-europäischen Bezügen in ihrem Museum zunächst nichts abgewinnen (Interview Vasström). Inzwischen hat sich jedoch die Internationalisierung der Ausbildung der jüngeren Kuratoren an den Hochschulen und in den Museen „ungeheuer beschleunigt“ (Interview Kraus). So haben sich die fachlichen Diskurse in der Geschichtswissenschaft, Ethnologie und Museumskunde stark zu transnationalen, europäischen und globalen Perspektiven und Inhalten erweitert. Außerdem erwerben viele Kuratoren der „Generation Erasmus“ (Murphy-Lejeune 2002) schon im Studium Auslandserfahrungen, die ihnen die grenzüberschreitende Kooperation in einem interkulturellen und mehrsprachigen Umfeld erheblich erleichtern. Das gilt erst recht für neue multilaterale Studiengänge für zukünftige Kuratoren wie den von der European Museum Academy getragenen MA Museologia Europea. Angehende Kuratoren absolvieren vielfach auch Praktika in Museen im Ausland. Das trifft zum Beispiel für MA-Studenten aus Berlin zu, die im Sommer im National Museum of Scotland arbeiten und dort immer wieder Ideen für eine stärkere transnational-europäische Ausrichtung der Dauerausstellung propagieren (Interviews Barry, Daglish). In manchen Museen ist es schon ein verpflichtender Teil der praktischen Ausbildung, einige Monate in einer Institution im Ausland zu verbringen. Das gilt etwa für das Haus der Geschichte in Bonn, das für eine Ausbildungssequenz der eigenen Volontäre mit Institutionen in Frankreich und Belgien zusammenarbeitet.6 Insofern schreibt sich „Europa“ immer mehr in das alltägliche Erleben und die berufliche Praxis von Museumspraktikern ein. Dies wiederum kann die Erfahrbarkeit (Entativität) „Europas“ erhöhen, das heißt die regelmäßige und positiv empfundene Präsenz transnational-europäischer Erfahrungen (Risse 2010; Risse, Herrmann und Brewer 2004).



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Durch diese stärkere Europäisierung von Studium und Ausbildung können jedoch zumindest temporär auch neue Grenzen entstehen. So werden alle französischen Kuratoren nach wie vor zentral an einer Grande École, dem Institut national du patrimoine (INP), ausgebildet. Hierdurch reproduzierte sich lange Zeit eine national, sozial und kulturell geschlossene Elite.7 Das machte es für französische Kuratoren umso schwieriger, grenzüberschreitend zu kooperieren, je mehr die französische Sprache aus Kooperationen zwischen Museen und aus europäischen Museumsorganisationen verdrängt wurde (Interview Jungblut). Wie die anderen Eliteschulen Frankreichs hat sich jedoch auch das INP neuerdings einer Internationalisierungsstrategie verschrieben und will zu einem „europäischen Akteur“ avancieren (Nadalini 2009). Hierzu gehören unter anderem eine systematischere, längerfristige und nicht nur bilaterale Kooperation mit europäischen Partnern und Praktika der angehenden Kuratoren in Institutionen im Ausland. Für die Partizipation von Kuratoren an einer Europäisierung des Museumsfeldes ist es zweitens auch wichtig, in welcher Art von beruflichem Umfeld sie arbeiten wollen. Transnationale Kooperationen und Projekte werten für viele Kuratoren der Generation Erasmus ein ursprünglich national, regional oder lokal ausgerichtetes Museum als Arbeitgeber auf. Europäische Kooperationen – zum Beispiel in der Form gemeinsam entwickelter Ausstellungen – erfordern aufgrund besonderer rechtlicher, wirtschaftlicher und logistischer Herausforderungen oftmals einen größeren Einsatz nicht nur der Institutionen, sondern auch der Kuratoren. Wenn sich solche Kooperationen auch nicht immer materiell für die Institution lohnen, können Kuratoren sie aber immer noch als intellektuell, kulturell und sozial anregend empfinden (Interviews Jungblut, Schäfer), was zumindest potenziell ihre affektive Bindung an Europa (wenngleich nicht notwendigerweise an die EU) stärken kann. Beim dritten und letzten sozialen Faktor handelt es sich schließlich um die Normen und politischen Präferenzen der Kuratoren. Das betrifft nicht nur – und nicht einmal in erster Linie – die Haltung einzelner Kuratoren zur EU selbst oder zu deren wie auch immer gearteter Vertiefung. Viel wichtiger erscheint, dass die meisten der für dieses Buch interviewten Kuratoren ihre Museen inzwischen als ein kulturelles Bollwerk gegen nationalpopulistische Parteien und deren Forderungen nach integral-exklusiven nationalen Geschichts- und Identitätsnarrativen sehen. Dies wiederum erfordert zwingend, die Nation nicht nur als pluralistisch konstituiert zu verstehen und darzustellen, sondern Ähnlichkeiten mit anderen Ländern und wechselseitige Bezüge als „histoire croisée“ (Werner und

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Zimmermann 2002) zu thematisieren. So figurieren in der Sektion Niemand war schon immer da im Schweizer Nationalmuseum in Zürich zahlreiche im Ausland geborene Schweizer und Ausländer, die nun in der Schweiz wohnen – dies, um in expliziter Abgrenzung zu Christoph Blocher und seiner rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei zu zeigen: „der idealtypische Schweizer ist eigentlich die Minderheit“ (Interview Hebeisen). Genauso weigert sich das Nationalmuseet in Kopenhagen, irgendwelche Objekte als typisch national zu deklarieren oder kohärente nationale Geschichten zu erzählen. Mit autobiographischen Erinnerungen kommen neben einigen Dänen aus Mittelschicht und Arbeiterklasse auch ein Aristokrat, ein Grönländer und ein Immigrant zu Wort. Laut Annette Vasström gibt das Museum auch deshalb weder in der Dauerausstellung noch gegenüber Journalisten eine Antwort auf die oft gestellte Frage, was eigentlich spezifisch dänisch sei, weil die Kuratoren der nationalistischen Propaganda der Dansk Folkeparti entgegenwirken wollen. Dasselbe gilt für das Kopenhagener Stadtmuseum mit seiner 2010 gezeigten Ausstellung At blive køpenhavner, die das Thema Kopenhagen als Einwandererstadt thematisierte. Auch im Fall des einst geplanten niederländischen Nationaal Historisch Museum, dem die neue, von Geert Wilders Partij voor de Vrijheid geduldete Mitte-Rechts-Regierung im Oktober 2010 die Finanzmittel für den Museumsneubau und im Juni 2011 schließlich ab 2012 alle Subventionen strich,8 haben die Ko-Direktoren von Beginn an gegen eine introvertierte, national aufgeladene Darstellung auf der Basis eines dafür entwickelten historischen Kanons wichtiger Ereignisse und Personen in der niederländischen Geschichte argumentiert.9

Museumsorganisationen: Dienstleistungen, Informationsaustausch, Lobbying

Neben Historikern und Kuratoren sind die Museen selbst und ihre eigenen europaweiten Organisationen wichtige gesellschaftliche Akteure in der europäischen Kulturpolitik und grenzüberschreitenden kulturellen Praxis. Wie auch in anderen EU-Politikfeldern sind europäische Verbände, die aus nationalen Verbänden bestehen, privilegierte Ansprechpartner der Kommission und der Mitgliedstaaten in der Politik- und Programmentwicklung, da sie für sich einen hohen Grad an Repräsentativität reklamieren können. Das gilt besonders für Europa Nostra, eine große paneuropäische Plattform von etwa 250 NGOs aus 45 Ländern, die



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sich für den Erhalt des kulturen Erbes – vor allem für den Denkmalschutz – einsetzen. Diese Organisation hat das erklärte Ziel, Entscheidungsprozesse in Brüssel und in nationalen Hauptstädten zu beeinflussen. Im Museumsfeld entstand zunächst 1948 das global organisierte International Council of Museums (ICOM) (Boylan 2006, 419). Deren Regionalorganisation ICOM Europe, die erst seit 2003 aktiv ist (Interview Gößwald), besteht ihrerseits aus nationalen Verbänden, die Museen und Personen organisieren, die in Museen arbeiten oder über Museen forschen. Laut ICOM Europe ist Europa am Beginn des 21. Jahrhunderts „characterized by strong, but ambiguous attempts to determine its destiny and future role in the world. Together with other European cultural institutions and active members of the civil society its museums can contribute to this process in a very profound way.“10 Dabei bezieht sich die Organisation in ihrem „mission statement“ auf Grundsätze, Werte und Themen, die vielfach auch Diskurse von EU-Institutionen prägen. Migration sei wichtig für die kulturelle Identität Europas. Dem Fremden müsse mit Empathie begegnet werden. Freiheit und Menschenrechte sollten innerhalb wie außerhalb Europas gestärkt und verteidigt werden.11 Unter ihren Aktivitäten führt ICOM Europe unter anderem auf, als „Botschafter“ für die Museen in Europa zu dienen und Beziehungen zu relevanten staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen zu pflegen. Als europäische Regionalorganisation einer globalen Organisation mit Mitgliedsverbänden aus dem gesamten Europa – nicht nur aus der EU – sieht ICOM Europe jedoch keinesfalls nur die EU, sondern auch den Europarat als Ansprechpartner. Außerdem priorisiert ICOM Europe ohnehin interne Dienstleistungen und Funktionen für die nationalen Mitgliedsverbände, Museen und Einzelmitglieder. Die Organisation will unter anderem als Plattform für einen effizienten Informationsaustausch zwischen den nationalen Verbänden dienen, Verbindungen in die anderen Regionalorganisationen erleichtern und den Austausch zwischen Museen und deren Mitarbeitern über „good practice“ fördern.12 Innerhalb von ICOM Europe koordiniert das International Committee for the Training of Personnel die Entwicklung gemeinsamer Standards für die Ausbildung von Mitarbeitern in Museen –13 dies im Kontext von Bestrebungen für eine stärkere Professionalisierung vor allem seit den achtziger Jahren (Interview Gößwald). Im Gegensatz zu ICOM Europe wurde das Network of European Museum Organisations (NEMO) 1992 als Organisation nationaler Museumsverbände mit dem ausdrücklichen Ziel gegründet, die vertraglich neu geregelte Kultur-

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politik der EU zu beeinflussen (NEMO 2008). Frank Birkebæk, Direktor des Roskilde Museums in Dänemark und Initiator des Netzwerkes, nennt zwei primäre Gründe für die Etablierung von NEMO. Im Vorfeld der dänischen Ratspräsidentschaft 1993 auch finanziell unterstützt von der Regierung in Kopenhagen, wollte er zum einen als Antwort auf eine fortschreitende Bürokratisierung Europas ein offenes und inklusives Netzwerk schaffen. Zum anderen zielte er darauf ab, die bestehenden europäischen Dachverbände von Museen in einem Netzwerk zusammen zu bringen, um deren Interessen effizienter in Brüssel zu vertreten. Die Kommission spielte sodann – wie bei vielen anderen europaweiten Verbänden – eine wichtige Rolle in der Institutionalisierung der Ausgangsidee. Mehrere NEMO-Gründungsmitglieder haben in Interviews darauf hingewiesen, dass ihr Netzwerk erst durch das Interesse der EU an Kontur gewann (Interviews Birkebæk, Taylor, Huovinen). Es war vor allem der zeitweilig für Kultur zuständige Direktor der Kommission, der Grieche Antonius Kosmopolis, der für das Netzwerk eine Art „personal patronage“ (Interview Taylor) übernahm. In ihrer Organisation repliziert NEMO die Mitgliedsbedingungen der EU. Nur solche Verbände sind Mitglieder mit vollem Stimmrecht, die EU-Mitgliedstaaten vertreten. Solche aus assoziierten Staaten haben auch in NEMO diesen Status und kein Stimmrecht. In der Praxis der Kooperation kommt es jedoch dadurch zu Problemen, dass vor allem die west-, nord- und mitteleuropäischen Staaten über gut organisierte und politisch einflussreiche Dachverbände verfügen. Besonders in Ost- und Südosteuropa fehlen NEMO hingegen entsprechende Ansprechpartner, so dass diese Länder in vielen Fällen von Beamten aus staatlichen Kulturinstitutionen vertreten werden. Die NEMO-Statuten stellen klar, es sei die Aufgabe von NEMO „to advise all official EU authorities concerning matters of interest to the museums and the work with the cultural heritage of Europe“14. Zum Lobbying der EU als ihrer Kernaufgabe bekennt sich NEMO auch in ihrer Eigendarstellung im Internet. Zu ihren Aufgaben zählt sie Kontakte und Treffen mit Vertretern der Kommission und des EP; Stellungnahmen zu Themen wie Copyright, Förderprogramme und die gesellschaftliche Rolle von Museen; Treffen mit anderen staatlichen Akteuren wie Vertretern der wechselnden EU-Ratspräsidentschaft; und Kontakte mit anderen gesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken mit ähnlichen Interessen im Kultursektor. Für die beteiligten nationalen Verbände stehen dagegen oftmals die eigenen Mitglieder im Vordergrund. Diese schätzen NEMO in erster Linie als ein Austausch- und Informationsforum für die Arbeit ihrer Museen.



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Dachorganisationen von Museumsverbänden und Museen wie ICOM Europe und NEMO haben wichtige Entlastungsfunktionen für ihre Mitglieder. Wenngleich sie wie NEMO teilweise von jährlichen finanziellen Zuweisungen der Europäischen Kommission abhängen, verfügen sie anders als nationale Akteure über ausreichende Ressourcen, um Informationen über kulturrelevante Politikprozesse in der EU aufzunehmen, zu strukturieren und sie an ihre Mitgliedsverbände weiterzugeben. Außerdem können sie die Interessenvertretung der Museumsverbände und Museen auf europäischer Ebene wahrnehmen. Neben diesen Entlastungsfunktionen auf EU-Ebene können diese Dachorganisationen ihren Mitgliedern außerdem den Zugang zu Ressourcen erleichtern. Das gilt zum Beispiel für EU-Mittel für die europäische Selbstorganisation der Museumsverbände und Museen oder für Fördermittel im Kultur 2007–2013-Programm oder in anderen Förderlinien. Wie alle Verbände nationaler Verbände, die in der EU-Politik aktiv sind (Greenwood 2007), unterliegt der konkrete Einfluss dieser Dachorganisationen wie ICOM Europe und NEMO jedoch engen Grenzen. Ihre hervorgehobene Rolle in der europäischen Kulturpolitik ist in ihrer breiten Mitgliedschaft und Repräsentativität begründet, die die Kommission und das EP zur Legitimierung des Politikprozesses benötigen und deshalb schätzen; ihre breite Mitgliedschaft bedeutet jedoch auch, dass sie Interessenvertretung nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner betreiben können. Im Falle von NEMO kommt hinzu, dass deren Gründungsmitglieder ihre Organisation offen und inklusiv im Vergleich zu den als hierarisch und exkludierend wahrgenommenen Strukturen in Brüssel gestalten wollten (Interview Birkebæk). Die daraus resultierenden organisationsinternen Strukturen sind womöglich demokratischer, erschweren jedoch effizientes Lobbying. Bisher wird NEMO jedenfalls in Brüssel kaum wahrgenommen (Interview Weibe), was der Verband durch den 2010 erfolgten Beitritt zum Dachverband Cultural Action Europe ändern wollte. Aus diesem Grund gehen neue Initiativen in der europäischen Kultur- und Museumspolitik oft von national und transnational operierenden, weniger hierarchisch organisierten Akteuren aus, die schneller und flexibler agieren können. Neben den Dachorganisationen ermöglichen solche stärker netzwerkartigen Strukturen auch Austausch- und Lernprozesse über die kulturelle Praxis in Museen und erleichtern Kulturtransfers.

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Mikronetzwerke: Politik, Wissenschaft, Kultur

Gerade weil die EU nur subsidiäre Kompetenzen im Kulturbereich hat, die EUFörderung in zahlreiche verschiedene Programme aufgespalten ist und sich viele staatliche und gesellschaftliche Akteure im Museumsfeld engagieren, sind die Entscheidungsprozesse wenig hierarisch. Sie erscheinen stattdessen als in hohem Maße informell, diffus und intransparent. Wie in kaum einem anderen Politikfeld erfolgt Regieren in der EU-Kulturpolitik weitgehend in und durch Netzwerke (Kaiser 2009). Solche Netzwerke verfügen über wichtige Ressourcen. Hierzu zählen vor allem Informationen über politische Prozesse in der EU, über den besten Zugang zu Fördermitteln und über rechtliche und kulturelle Barrieren gegen grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Außerdem vermitteln viele Netzwerke wertvolle Kontakte zwischen Politik und Kultur. Wer keine effektiven Netzwerke bilden oder sich daran beteiligen kann, bleibt von solchen Informationen und Kontakten ausgeschlossen. Im Museumsfeld operieren verschiedene Typen von Netzwerken. Hierzu zählen Mikronetzwerke zwischen Politik, Wissenschaft und Museum, die Großprojekte wie das HEH initiieren und sodann institutionalisieren, und solche, die neue thematische Schwerpunkte und Förderlinien in der EU etablieren wollen; Netzwerke zwischen ähnlichen Museen aus verschiedenen Ländern, die sich Zugang zu den europäischen Institutionen und Fördermitteln verschaffen oder durch ihre Kooperation wechselseitige transnationale Lernprozesse und Transfers anstoßen und erleichtern wollen, und solche, die sich dem grenzüberschreitenden Austausch zwischen Mitarbeitern von Museen verschrieben haben; sowie stärker institutionalisierte Makronetzwerke, die ihren Mitgliedsmuseen und Kuratoren viele informelle Kontakte bieten und wichtige Netzwerkfunktionen haben. Die ausgeprägte Informalität dieser Netzwerke ermöglicht es immer wieder Einzelnen, die mit den Strukturen der Netzwerke vertraut sind und deren Ressourcen optimal einsetzen können, einen hohen Einfluss auszuüben. Die Ursprünge des HEH bieten ein besonders eindringliches Beispiel für die Funktionsweise eines effektiven und kohärenten Mikronetzwerks zwischen Politik, Wissenschaft und Kultur. Während das Musée-Projekt bereits die Idee für ein solches Museum lanciert hatte, aber nicht in der Lage war, dafür die notwendigen Finanzmittel oder ein geeignetes Gebäude zu finden, griff der deutsche Europaabgeordnete Pöttering die Idee für das EP auf, arbeitete dabei eng mit Ludger Kühnhardt, einem von drei Direktoren des Zentrums für Europäische Integrationsforschung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität



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Bonn, und Hütter, dem Direktor des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, zusammen. Der Katholik und Politiker der Christlich Demokratischen Union (CDU) Pöttering – der einzige seit 1979 ununterbrochen gewählte EP-Abgeordnete – stammt aus dem katholisch geprägten Emsland und vertritt die Region Osnabrück/Emsland/Ostfriesland im EP. Fraktionsvorsitzender der mächtigen EVP von 1999 bis 2007, wurde er 2007 für zweieinhalb Jahre Präsident des EP. Seit 2009 ist er Vorsitzender der CDU-nahen Konrad-AdenauerStiftung. Bevor er in seiner Antrittsrede als EP-Präsident seinen Plan für ein Europamuseum verkündete, hatte Pöttering diesen gemeinsam mit Kühnhardt entworfen. Der Katholik Kühnhardt hatte nach seiner Habilitation an der Universität Bonn einige Jahre als Redenschreiber für den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker gearbeitet, bevor er zunächst Professor für Politikwissenschaften in Freiburg und ab 1997 in Bonn wurde. Kühnhardt war von 2002 bis 2006 Mitglied der Wertekommission der Bundes-CDU. Pöttering und Kühnhardt kannten sich bereits seit 1983 und hatten gemeinsam einige Bücher zu europapolitischen Themen herausgegeben (Kühnhardt und Pöttering 1998, 1994, 1991). In einigen späteren Veröffentlichungen plädierte Kühnhardt (2007, 14, 2005, 137) bereits für die Errichtung eines Europamuseums in Brüssel, jedoch zunächst ohne größere Resonanz. Erst Pötterings Wahl zum EP-Präsidenten erlaubte die erneute, öffentlichkeitswirksame Lancierung der Idee in einem geeigneten institutionellen Umfeld. Kühnhardt erarbeitete dafür im März und September 2007 zwei Konzeptpapiere (Interview Kühnhardt).15 Er wurde dann jedoch nicht Mitglied der Expertengruppe, damit das Projekt nicht als zu CDU-nah diffamiert werden konnte. Allerdings vermittelte er einen Besuch von mehreren Mitgliedern des EP-Präsidiums im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dabei propagierte Hütter sein Museum, das auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl gegründet worden war, als Modell für ein zeithistorisches Museum für Europa. An der Universität Düsseldorf in Geschichte promoviert, ist auch der ebenfalls katholische Hütter CDU-Mitglied. Bis zu seiner Berufung als Direktor des Bonner Museums war er auch in der Lokalpolitik in Mönchengladbach engagiert. Hütter wurde 2007/08 Vorsitzender der Expertengruppe und verblieb ab 2009 im Wissenschaftlichen Beirat des Brüsseler Projekts. Der Kern dieses Mikronetzwerks zwischen Politik, Wissenschaft und Kultur bestand somit aus drei Personen – allesamt katholische CDU-Mitglieder aus dem grenznahen westlichen Deutschland mit verschiedenen politischen

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Funktionen –, deren europapolitisches Denken stark durch förderalistische Traditionen und die Politik der Westintegration der katholischen Bundeskanzler Adenauer und Kohl geprägt war und ist (Kaiser 2007). Ihr gemeinsames Ziel war es von Anfang an, das neue Museumsprojekt strategisch zur Stärkung der kulturellen Integration zu nutzen, um damit die Legitimität der EU zu stärken. Obwohl die förderalistische Tradition noch immer bis zu einem gewissen Maße die inzwischen stark erweiterte EVP prägt, war vor allem dem in der Brüsseler Parlamentspolitik erfahrenen Pöttering klar, dass er das ab Februar 2007 von ihm propagierte Projekt auf eine breitere politische Grundlage stellen müsste. Dafür arbeitete er eng mit dem Dänen Harald Rømer zusammen, der 2007/09 Generalsekretär des EP war und auch nach seiner Pensionierung 2009 als so genannter Koordinator eine EP-interne Arbeitsgruppe für das Museumsprojekt leitete, und mit dessen Nachfolger Klaus Welle. Bevor Welle im März 2009 Generalsekretär des EP wurde, war er Kabinettschef des EP-Präsidenten Pöttering, Generalsekretär der EVP-Fraktion im EP und davor der EVP gewesen. Er hatte somit jahrelang sehr eng mit Pöttering kooperiert und gelernt, „den Ball flach zu halten“ (Interview Kühnhardt), um das Projekt aus parteipolitischen Konflikten herauszuhalten. Pöttering nutzte daraufhin in der großkoalitionären Tradition der Kooperation mit den Sozialisten im EP seinen engen Kontakt mit dem spanischen Sozialisten und stellvertretenden EP-Präsidenten, Miguel Angel Martínez Martínez, der seit 1999 Abgeordneter im Europaparlament ist und zum so genannten Sondervermittler des EP zur Koordinierung des Projekts ernannt wurde. Von 1992 bis 1996 war Martínez, der auch Deutsch spricht, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gewesen. In dieser Funktion war er 1995 an der Vergabe des Museumspreises des Europarats an das Haus für Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beteiligt.16 Von daher kannte Martínez bereits das Bonner Museum und den damaligen stellvertretenden Leiter Hütter.17 Danach verbreiterten Pöttering und Martínez die politische Basis für das Museumsprojekt. Für das Kuratorium gewannen sie unter anderem den früheren belgischen EG-Kommissar Etienne Davignon und den früheren irischen EG-Kommissar und Generaldirektor der Welthandelsorganisation, Peter Sutherland, die beide in zahlreichen europäischen und transatlantischen Elitenetzwerken wie der Bilderberg-Gruppe verankert waren. Hinzu kamen die EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, Androulla Vassiliou, und Vertreter aller Fraktionen im EP, darunter sogar der Pole Wojciech Roszkowski von der katholisch-konservativen Prawo



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i Sprawiedliwość, der Partei Recht und Gerechtigkeit, die im EP mit anderen euroskeptischen Parteien liiert ist. Ebenfalls ins Kuratorium kamen die deutsche CDU-Abgeordente Doris Pack, die seit 2009 den EP-Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport leitete; sowie zwei französische Abgeordnete, der Grüne Gérard Onesta und der Politiker der Union pour un Mouvement Populaire und frühere französische Europaminister (1993/95), Alain Lamassoure. Beide waren Mitglieder des Haushaltsausschusses, der noch die Bau- und Unterhaltskosten des Museums genehmigen musste. In ähnlicher Weise wurden die Expertenkommission und der Wissenschaftliche Beirat mit dem Ziel einer regionalen und politischen Balance strategisch besetzt. Pöttering bat dafür informell ihm vertraute Politiker um Vorschläge (Interview Pöttering). Mit dieser politischen Strategie schaffte es Pöttering bis zum Herbst 2011, sein Projekt soweit überparteilich abzusichern, dass die endgültige Freigabe von Haushaltsmitteln für den Umbau des nahe beim EP gelegenen Eastman-Gebäudes für das zukünftige HEH zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich erschien – zumal auch José Manuel Barroso in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Kommission versicherte, die laufenden Kosten des Museums mit tragen zu wollen. Wie Pöttering schuf auch Astrid Weij, die inzwischen für das Netherlands Institute for Heritage in Amsterdam arbeitet, zunächst ein Mikronetzwerk, um die Idee des Lending for Europe-Programms, das im Kapitel 5 näher analysiert wird, auf der EU-Agenda zu verankern (Interview Weij). Als sie noch als Politikberaterin für internationale Fragen im Haager Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft arbeitete, sollte sie eine kulturpolitische Initiative für die niederländische EU-Präsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2004 entwickeln. Dafür arbeitete sie in der Entwicklung der Projektidee zunächst eng mit niederländischen Museen und Museumsorganisationen zusammen. Darunter waren zunächst das Rijksmuseum in Amsterdam und dessen damaliger Direktor für Sammlungen, Peter Sigmund. Ronald de Leeuw, der Hauptdirektor des Museums, leitete später die internationale Expertengruppe, die den Bericht Lending to Europe verfasste, der am 23. Mai 2005 dem Rat der Kultusminister der EU vorgelegt wurde.18 Jan-Willem Sieburgh, der betriebswirtschaftliche Direktor des Museums, spielte darüber hinaus eine wichtige Rolle beim Thema Versicherungsfragen im Leihverkehr. Hinzu kam Antoinette Visser, die später das Haager Historisch Museum leitete und damals für das zum Bildungsministerium gehörende Institut Collectie Nederland arbeitete. Schließlich vertrat Annemarie Vels Heijn in den ersten Gesprächen über die geplante EU-Initiative die Nederlandse Museumvereniging.

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Nach den internen Vorbereitungen nahm Weij Kontakt mit der damaligen Ständigen Vertreterin der Niederlande bei der EU, Julie Mebes, auf (Interview Weij). Die Ständige Vertretung verhalf den niederländischen Initiatoren des Projekts zunächst zu Kontakten zu anderen Mitgliedstaaten und deren Ministerien und Museumsorganisationen. Zugleich vermittelte die Ständige Vertretung ein Gespräch mit dem für Kultur zuständigen Direktor in der Kommission, Kosmopolis, der das Konzept von da an intern unterstützte. Daraufhin organisierte Weij über das niederländische Ministerium eine Reihe von Konferenzen zum Leihverkehr zwischen Museen, die bis in die auf die niederländische folgenden EU-Ratspräsidentschaften reichten, um der Initiative so eine breitere zwischenstaatliche Unterstützung zu sichern. Schließlich wurden verschiedene Lending to Europe-Projekte in das Kulturprogramm 2007–2013 aufgenommen und dort gefördert (Pettersson et al. 2010). Zugleich begannen einige Mitgliedstaaten, die offene Koordinierungsmethode zu nutzen, um rechtliche Barrieren gegen einen vereinfachten Leihverkehr zu reduzieren. Die Kooperation mit europäischen Museumsorganisationen wie ICOM Europe und NEMO diente in diesem zweiten Stadium vor allem dazu, das Lending to Europe-Programm institutionell stärker im Museumsfeld zu verankern und auf diese Weise unabhängiger von der EU-Förderung zu verstetigen. Die effektive politische Unterstützung durch die nationale Regierung blieb jedoch wichtig. Obwohl bis 2011 zweimal die Führung der Ständigen Vertretung in Brüssel wechselte, blieb das Lending to EuropeProgramm als „niederländisches“ Projekt auf deren Agenda (Interview Weij).

Museumsnetzwerke: Ressourcen, Mobilisierung, Marktplatz

Selbst wenn sie ursprünglich nicht mit dieser primären Absicht geschaffen wurden, interessieren sich auch Netzwerke ähnlicher Museen aus verschiedenen europäischen Ländern vielfach dafür, ihre Kontakte zu nutzen, um europäische Fördermittel einzuwerben, zu denen sie alleine keinen Zugang hätten. Das gilt beispielsweise für das neue Netzwerk der vier Gedenkstätten und Museen für einige der so genannten Gründerväter der EU: Monnet in Houjarray bei Paris, Schuman in Scy-Chazelles bei Metz, Adenauer in Rhöndorf bei Bonn und De Gasperi in Pieve Tesino bei Trient. Die Initiative zu diesem Netzwerk ging von den Initiatoren des neuen Museo De Gasperi und dem Istituto Luigi Sturzo aus, die ihr Museum europäisch verankern und legitimieren wollten (Interview Zorzi). Sie luden im Jahr 2006 Vertreter der bestehenden drei Institutionen zur



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Eröffnung nach Pieve Tesino und zu einem ersten Gedankenaustausch zu einer Tagung nach Rom ein (Interviews Zorzi, Franz). Anschließend organisierte das Maison de Robert Schuman 2007 und 2010 zwei Konferenzen, um eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Tagungsbänden zu initiieren (Bitsch 2010), die auch in eine mehrsprachige Veröffentlichung zu den vier Politikern münden sollte (Interviews Thull, Zorzi). Dieses Netzwerk ist inzwischen lose institutionalisiert. Es hat seit 2009 einen gemeinsamen Prospekt, der alle vier Institutionen und ihre Kooperation vorstellt, und seit 2010 eine eigene Webseite.19 Außerdem verfügen alle vier Institutionen über eine solide staatliche Finanzierung: durch die EU im Falle des Maison de Jean Monnet, durch die Bundesrepublik Deutschland im Falle des Konrad-Adenauer-Hauses und durch die jeweilige Region im Falle des Maison de Robert Schuman und des Museo De Gasperi. Dennoch entwickelten die vier Institutionen 2010 eine weiterführende Initiative. Danach sehen sie sich als „Rückgrat“ eines neuen „politischen Tourismus“, zum Beispiel in Form von integrierten Busreisen zu einigen der Museen mit Begleitprogramm für Senioren oder Jugendgruppen. Wie die vier Institutionen im Mai 2010 auf einer Pressekonferenz in Brüssel erläuterten, wollen sie das „Nachdenken über den Einfluss der Vergangenheit auf die Zukunft Europas“ fördern. Durch eine solche „transnationale Reise“ solle dem Motto „In Vielfalt geeint“ eine „konkrete Bedeutung gegeben“ werden.20 Diese Initiative soll einerseits dazu dienen, den außerhalb großer Ballungszentren gelegenen Institutionen Aufmerksamkeit und mehr Besucher zu verschaffen. Darüber hinaus hoffen deren Direktoren jedoch auch darauf, dass sie es mit ihrem Konzept – ähnlich wie Lending to Europe – auf die EU-Agenda für das Kulturprogramm ab 2014 schaffen und dann auf Finanzmittel der EU zurückgreifen können. Ein anderes, schon seit 1991 bestehendes Netzwerk ähnlicher Museen ist die International Association of Museums of History (IAMH) als eine formal globale Organisation von Geschichtsmuseen. In Paris gegründet, war die IAMH lange Zeit von französischen Museen und Museumspraktikern dominiert. Weltweit gehören etwa 180 Museen der IAMH an. Obgleich die IAMH ihren Sitz nach wie vor in Marseille hat, ist ihr Vorstand inzwischen pluralistisch zusammengesetzt, besteht jedoch ausschließlich aus Europäern. Während ICOM Europe und NEMO auch Netzwerkcharakter haben und neben ihrer politischen Interessenvertretung gegenüber europäischen Institutionen für ihre Mitglieder museumsbezogene Dienstleistungen anbieten, versteht sich die IAMH ausschließlich als „network of personal and institutional contacts“.21 Die Orga-

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nisation verfügt über verschiedene Arbeitsgruppen zu Fragen der Theorie und Praxis von Museen und Musealisierung, organisiert Konferenzen und gibt in unregelmäßigen Abständen museumsbezogene Veröffentlichungen heraus. Die Konferenz im Jahr 2010 in Berlin organisierte die IAMH gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM) und der von ihm getragenen Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zum Thema Flight, Explusion and „Ethnic Cleansing“ in Exhibitions. A Challenge for the Work of Museums and Exhibitions World-Wide. 22 Aus Sicht des DHM und seiner Kuratorin Rosmarie Beier-de Haan, die auch als Schatzmeisterin der IAMH fungierte, sollte diese Konferenz zur Versachlichung und Internationalisierung der vor allem in Deutschland und Polen extrem kontrovers geführten Diskussion über das geplante Erinnerungsund Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung im Deutschlandhaus in Berlin-Kreuzberg beitragen.23 Die IAMH diente auch als Plattform für ein Netzwerk im Netzwerk, nämlich das so genannte Netzwerk der Europamuseen (NEM), das im Jahr 2000 in Turin gegründet wurde. Dessen Ziel war es, „all museums dealing with Europe“ zusammenzubringen „and to formalize the exchanges with those institutions“.24 Zu den Mitgliedern dieses Netzwerkes zählten unter anderem das DHM und das Museum Europäischer Kulturen in Berlin, das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille und die Häuser und Museen für Jean Monnet und Robert Schuman. Aus Sicht der Initiatoren des Musée-Projekts im privaten Ausstellungsbüro Tempora sollte dieses Netzwerk nicht nur dazu dienen, die Kooperation und Europäisierung bisher stärker national ausgerichteter Museen zu erleichtern, sondern vor allem auch den Plan für ein eigenes Europamuseum in Brüssel unterstützen. „Aber auch aufgrund der fehlenden Präsenz der mittelund osteuropäischen Museen sowie der marginalen Beteiligung von Kollegen aus Süd- und Nordeuropa erweckt das NEM einen ‚unvollständigen‘ und uneinheitlichen Eindruck“ (Mazé 2008, 114). Noch sehr viel informeller als die IAMH konstituiert ist ein anderes transnationales Netzwerk, das sich dem grenzüberschreitenden Austausch zwischen Kuratoren und Museumspädagogen verschrieben hat: die 2009 gegründete European Museum Academy (EMA). Als Stiftung für „European museum expertise“ in den Niederlanden angesiedelt, wurde dieses Netzwerk von erfahrenen Museumspraktikern initiiert, deren Kooperation auf ihre enge Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit dem 1999 verstorbenen britischen Museologen Kenneth Hudson – vor allem im Kontext des European Museum of the Year Award



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– zurückgeht (Interviews van der Weiden, Negri).25 Zu den Gründern und Vorstandsmitgliedern dieser Stiftung zählen unter anderem Wim van der Weiden, der zuvor wichtige Funktionen in der niederländischen Museumsorganisation, in ICOM und im European Museum Forum inne hatte, und Massimo Negri, der Konzepte für zahlreiche Museen mit europäischen Bezügen entworfen und ebensolche Sonderausstellungen kuratiert hat und zwischen 1999 und 2009 Direktor des European Museum Forum war. Die EMA will sich zwar an Ausbildungs- und Austauschprogrammen für Kuratoren beteiligen, aber nicht primär eine Bildungsinstitution sein. Sie sieht sich vielmehr als avangardistische Gesellschaft „of museum experts of different national and cultural backgrounds united for the advancement of museological knowledge based on … proved [sic!] capacity in carrying out innovative museum projects.“ Die EMA will mit ihren Aktivitäten das Museum „as a meeting place and as a most promising forum for the development of scientific debate, creativity, social cohesion and cultural dialogue“ stärken.26 Grundsätzlich können solche Netzwerke, deren Organisationsformen zwischen vollkommen informell und gemäßigt, relativ unhierarchisch institutionalisiert schwanken, jedoch eine Reihe von wichtigen Funktionen für Museen und Museumspraktiker erfüllen (Sticht 2000). Hierzu zählt erstens, die Sichtbarkeit von Museen im nationalen und europäischen Kontext zu erhöhen und diesen durch die grenzüberschreitende Kooperation zusätzliche Ressourcen und Anerkennung – zum Beispiel durch Preise wie den Museum of the Year Award – zu verschaffen. Genau wie in anderen EU-Politikfeldern auch sind die Opportunitätskosten für die Partizipation von Museumsverbänden und jedenfalls von großen nationalen Museen in europaweit organisierten Verbänden und informelleren Netzwerken gering. Die Teilnahme an europaweiten Netzwerken und Netzwerkaktivitäten wird zumindest für diese Akteure trotz der täglichen Zwänge im Museumsbetrieb mit fortschreitender Verfestigung des Politikfeldes auf EU-Ebene zur Routine. Zweitens können europäische Netzwerke dazu dienen, politische und finanzielle Unterstützung für neue Museumsprojekte zu generieren. In manchen Fällen wie bei den HEH- und Musée-Projekten hängen deren Aussichten, realisiert zu werden, weitgehend von der Effizienz informeller Netzwerke ab, die eine hinreichende institutionelle und finanzielle Unterstützung generieren müssen. In anderen Fällen wie bei der in Kapitel 2 angesprochenen Transformation von Volkskundemuseen helfen europäische Organisationen und Netzwerke zumindest, solche Projekte in einem europäisch-vergleichenden Kontext als zeitgemäß

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und fortschrittlich zu legitimieren, selbst wenn die politischen Entscheidungen ausschließlich im nationalen Rahmen getroffen und dort die nötigen finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden. Wie die Beispiele des Lending to EuropeNetzwerkes und des Netzwerkes der Museen der Gründerväter verdeutlichen, vermögen solche Netzwerke auch die politische Agenda supranationaler Institutionen in der EU dergestalt zu beinflussen, dass neue Programme und Förderlinien entstehen können, die wiederum erst erlauben, bestimmte Museumsprojekte mit einer europäischen Ausrichtung zu realisieren. Europäische Verbände und informellere Netzwerke dienen jedoch drittens auch als eine Art Marktplatz zur Anbahnung grenzüberschreitender Kontakte zwischen Museen und für deren Kooperation. Solche Kooperationen führen oft zu Anträgen auf Projektförderung bei der EU, können jedoch manigfaltige andere Effekte haben. Hierzu zählen vor allem wechselseitige Lernprozesse zwischen Museumspraktikern, die den Kulturtransfer musealer Praktiken – angepasst an lokale Traditionen und Bedingungen – ermöglichen und erleichtern können. Ein solcher Transfer kann sich beispielsweise auf Technologieoptionen richten, wie etwa die Virtualisierung einzelner Sammlungen mit verbessertem und zunehmend interaktivem Internetauftritt und ihre Beteiligung an europäischen Internetprojekten, die im folgenden Kapitel 5 vorgestellt und diskutiert werden. Kulturtransfer kann sich jedoch auch auf museale Inhalte, nicht nur Formen richten, zum Beispiel die Transformation historischer Narrative oder die Darstellung von Grenzen Europas, die in den Kapitel 6 und 7 behandelt werden. Ihre transnationale Kooperation kann vernetzten Museen und Kuratoren somit wesentlich erleichtern, attraktive Ausstellungen zu konzipieren.

Kulturunternehmer: Interkulturelle Kompetenz, Renommée, Vernetzung

Damit die verschiedenen hier angesprochenen und weitere transnationale Netzwerke im Museumsfeld effektiv operieren und die genannten Funktionen wahrnehmen können, müssen sie initiiert, ausgebaut, stabilisiert und geführt werden. Während solche Führung in besonderen Fällen wie dem zeitlich bis zu dessen Realisierung befristeten Netzwerk hinter dem EP-Projekt vorübergehend von Politikern ausgeübt werden kann, sind hierfür über längere Zeiträume Museumspraktiker verantwortlich, die hier in Anlehnung an den politikwissenschaftlichen Begriff des „policy entrepreneur“ (Christopoulos 2006) als Kulturun-



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ternehmer bezeichnet werden sollen. Solche Kulturunternehmer verfügen stets über eine besondere Kombination von Ressourcen. Hierzu zählen normalerweise langjährige Erfahrungen in grenzüberschreitener Zusammenarbeit; ein großes Maß an sprachlicher und anderweitiger interkultureller Kompetenz; ein hohes Renommée als Museumspraktiker, das sie etwa durch transnational rezipierte Museumsneugründungen oder besondere Ausstellungen erworben haben; zeitliche und finanzielle Ressourcen, die ihnen oft durch gut ausgestattete größere Museen als Arbeitgeber gewährt werden; und gute Kontakte in – in Bourdieus Sinne – andere Felder als das Museumsfeld mit einem ausgeprägten Verständnis für deren spezifische Modi operandi. In den Lebensläufen und beruflichen Tätigkeiten solcher europäischer Kulturunternehmer schlägt sich dies üblicherweise in einer Kombination von Aufgaben und Funktionen im Verlauf der jeweiligen Karriere nieder, die zumindest mehrere der folgenden Elemente umfasst: die Arbeit als Kurator und Sammlungsleiter in Museen, die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit in Museumsorganisationen wie ICOM Europe und NEMO, eine zumindest gelegentliche Lehrtätigkeit an Universitäten, etwa als Honorarprofessor, die kulturelles und symbolisches Kapital signalisiert, wissenschaftliche Publikationen in Einzeldisziplinen wie der Geschichtswissenschaft oder in transdisziplinären Museumsstudien, und eine jedenfalls lokale, regionale oder nationale und manchmal darüber hinaus europäische Medienpräsenz. Die Rolle solcher europäischer Kulturunternehmer ist bisher kaum soziologisch untersucht worden (vgl. Fyfe 2006). Jedoch haben Museumspraktiker, die sich in europäischen Verbänden und Netzwerken engagieren und für dieses Buch in einer nicht repräsentativen Umfrage in Form halb-strukturierter Interviews oder mit Hilfe eines Fragebogens interviewt wurden, immer dieselbe kleine Gruppe von nicht mehr als etwa zehn Kulturunternehmern genannt, die ihrer Ansicht nach in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren eine hervorgehobene Rolle in der europäischen Kulturpolitik und der Europäisierung des Museumsfeldes gespielt haben. Mit Birkebæk, dem Mitbegründer von NEMO, kommt nur einer dieser führenden Kulturunternehmer von außerhalb der sechs EU-Gründungsstaaten. Neben den schon erwähnten van der Weiden und Negri gehören zu dieser kleinen Gruppe unter anderem auch Hermann Schäfer und Marie-Paule Jungblut, die für zwei verschiedene Typen von transnational-europäisch aktiven und einflussreichen Museumspraktikern stehen. Der 1942 geborene Deutsche Schäfer ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die wenigen Museumspraktiker, die zwischen den verschiedenen Welten von Wis-

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senschaft, Museum und Politik wechseln und vermitteln. An der Universität Freiburg in Geschichte promoviert und habilitiert, hat er dort als außerplanmäßiger Professor und in Karlsruhe als Honorarprofessor gelehrt. Im Jahr 1987 wurde er Gründungsdirektor der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Museum leitete er bis 2006, als er für knapp zwei Jahre bis zu seiner Pensionierung als Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung Kultur und Medien in das Bundeskanzleramt nach Berlin ging. Seitdem arbeitet Schäfer als freier Berater für Museen, Kultur und Politik. Nach Schäfers eigener Erinnerung war schon seine Kindheit und Jugend in Trier teilweise europäisch und international geprägt.27 So wurde er zeitweise von französischen und amerikanischen Lehrern unterrichtet und hatte früh bereits französische Freunde. Seine starke Orientierung nach Frankreich prägte später auch die Wahl des Themas seiner Habilitation, in der es um Technologietransfer aus dem Elsass in deutsche Länder im 19. Jahrhundert ging. Das Haus der Geschichte in Bonn konzipierte er im Sinne Kohls, des damaligen christdemokratischen Bundeskanzlers und politischen Initiators des Museumsprojekts, als Darstellung der Zeitgeschichte (West-)Deutschlands in ihrer europäischen Einbettung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das von ihm schon 1992 auf der internationalen Museumsmesse in Paris vorgestellte Projekt einer Ausstellungsreihe Deutschland und seine Nachbarn setzte er in der Folgezeit mit Ausstellungen zu Deutschlands Beziehungen zu Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien und Österreich um. Danach war Schäfer auch an Plänen für europäische Museumsprojekte beteiligt. So schlug er noch vor der Initiierung des Musée de l’Europe vor, ein mobiles Museum der europäischen Geschichte auf einem Zug oder Schiff zu gründen. Aus dieser Idee wurde allerdings genauso wenig wie aus dem Aachener Bauhaus Europa, für das Schäfer mit zwei Kolleginnen das Konzept erarbeitete. In seinem eigenen Haus der Geschichte initiierte Schäfer allerdings erfolgreich den Volontärsaustausch mit Frankreich und Belgien und später mit Polen, um die Ausbildung junger Kuratoren europäischer auszurichten und neue Transferwege zwischen Museen zu erschließen. Nach und nach übernahm Schäfer wichtige Funktionen in nationalen und europäischen Gremien. In Deutschland wirkte er im Beirat verschiedener Stiftungen und anderer Museen wie dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg und dem Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Von 2003 bis 2008 war Schäfer auch stellvertretender Vorsitzender der deutschen UNESCOKommission. Mit der Vergabe des Museumspreises des Europarats an das Haus der Geschichte wurde er selbst Mitglied der Jury des European Museum Forum



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und war 2009 einer der Mitbegründer der European Museum Academy. Seit 2007 ist Schäfer außerdem Mitglied des Exekutivkomitees von Europeana, der europäischen digitalen Bibliothek. Seinen Einsatz für eine stärkere deutsch-französische und europäische Kooperation im Museumsfeld honorierte Frankreich 2001 mit der Vergabe des Ordens Chevalier de l’Ordre national du Mérite. Durch seinen Wechsel zwischen Wissenschaft, Museum und Politik, die Leitung des Bonner Hauses der Geschichte als europäisches Referenzmuseum und die Kumulation zahlreicher Ämter in wichtigen nationalen und europäischen Organisationen im Museumsfeld im weitesten Sinne hat Schäfer viel Einfluss auf kulturpolitische und museumsstrategische Fragen ausüben können. Dagegen ist die 1964 geborene Luxemburgerin Jungblut nicht nur aus einer anderen Generation, sondern sie ist ein Beispiel für stärker transnational und museumspraktisch orientierte Kuratoren. Nachdem die Historikerin Jungblut im Jahr 1989 am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz eine Dissertation begonnen hatte, kuratierte sie ein Jahr später in Luxemburg eine Ausstellung über das Luxemburger Währungssystem, wechselte direkt in das Museumsfeld und ist seit 1992 stellvertretende Leiterin der zwei der Stadt Luxemburg gehörenden Museen und leitende Kuratorin des Stadtmuseums. Seit 2009 unterrichtet sie auch im Masterstudiengang Museumsstudien der Universität Lüttich. Jungblut ist aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit und der offensichtlichen transnationalen Verflechtungen Luxemburgs in Geschichte und Gegenwart prädestiniert für eine europäisch konnotierte Kuratorentätigkeit. Im Jahr 2006 wurde sie auch zur Gründungsdirektorin des Aachener Bauhaus Europa bestellt, bevor das Projekt noch scheiterte. Von 2003 bis 2005 war Jungblut im Vorstand der IAMH, der Organisation nationaler Geschichtsmuseen, und seit 2004 leitet sie das International Committee of Museums and Collections of Archaeology and History (ICMAH) der Organisation ICOM. Jungbluts Einfluss liegt jedoch weniger alleine in dieser Gremientätigkeit begründet als in ihrer intensiven grenzüberschreitenden Arbeit als Kuratorin in europäischen Projekten und Wanderausstellungen. Hierzu zählen beispielsweise die Ausstellungen Your History – Our History. 4 Cities in Europe: Differences and Similarities, die 2002/03 im Stadtmuseum Luxemburg, im Helsinki City Museum, im Museum of Liverpool Life und im Haus der Geschichte in Bonn gezeigt wurde, und Everybody is a Stranger – Everywhere (2005/06) in Kooperation mit dem Haus der Geschichte, dem DHM in Berlin und weiteren Museen in Helsinki, Amsterdam, Zürich, Kopenhagen und Athen. Jungblut hat auch das Europäische Museum Schengen kuratiert, das im Juni 2010 in dem kleinen Ort an der Mosel eröffnet wurde, in dem 1985 das

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Schengener Abkommen zum Abbau der Grenzkontrollen unterzeichnet wurde. Dieses europäische Themenmuseum will sie als Referenzinstitution für denkbare ähnliche Museen in anderen europäischen Staaten etablieren (Interview Jungblut). Wie das Beispiel der deutschen Museumsdirektoren Schäfer und Hütter und des Bonner Hauses der Geschichte zeigt, kann dies eine vielversprechende Strategie neben anderen sein, den eigenen Einfluss als Kulturunternehmer in konkreten transnationalen Austauschprozessen in Netzwerken im Museumsfeld zu steigern und langfristig zu sichern.

Gesellschaftliche Akteure in der Europäisierung des Museumsfeldes

Wie dieses Kapitel gezeigt hat, ist es für ein besseres, perspektivisch erweitertes Verständnis europäischen Regierens in der Kulturpolitik und einer Europäisierung des Museumsfeldes entscheidend wichtig, die einseitige Konzentration auf die in Kapitel 3 diskutierten staatlichen Institutionen zu überwinden. Die europäische Kultur- und Museumspolitik ist in verschiedene Politikfelder, Initiativen und Förderprogramme zersplittert und sehr wenig hierarchisch organisiert. Dies erlaubt es gesellschaftlichen Akteuren in Kooperation und im Wettbewerb mit den verschiedenen staatlichen Institutionen, die EU-Agenda zu beeinflussen, neue Programme wie Lending to Europe zu entwickeln und somit die kulturelle Integration der EU jedenfalls programmatisch voranzutreiben. Zu diesen Akteuren gehören sowohl NGOs, die primär normativ motiviert sind und teilweise ohne staatliche finanzielle Förderung auskommen, einzelne Akteure mit einer für Museen relevanten Bildung und professionellen Ausbildung wie Historiker und Kuratoren sowie Institutionen wie ICOM Europe, NEMO und die EMA, die Museen und Museumspraktiker auf europäischer Ebene organisieren. Supranationale Akteure – vor allem die Kommission – haben seit der Gründung der heutigen EU die transnationale Organisation solcher gesellschaftlicher Akteure stets organisatorisch und finanziell gefördert (Kaiser 2010b). Das alleine erklärt jedoch keinesfalls hinreichend die zunehmende Europäisierung solcher Akteure (Georgakakis und Weisbein 2010, 98; Robert und Vauchez 2010). Die EU-Mittel für Forschungs- oder Museumsprojekte sind begrenzt. Der administrative Aufwand steht für die Wissenschaftler und Kuratoren oft in keinem günstigen Verhältnis zum vielfach mäßigen wissenschaftlichen oder museumspraktischen Ertrag (Gordon 2010, 109). Vielmehr reflektiert die Europäisierung



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gesellschaftlicher Akteure im Museumsfeld genauso wie in anderen Feldern wie der Wirtschaft, was Soziologen als eine zunehmende Entgrenzung sozialer Lebenswelten von Eliten bezeichnen (Favell 2008; Mau 2007). Die meisten der im Museumsfeld aktiven Historiker und Museumspraktiker arbeiten noch überwiegend in ihrem Herkunftsland, jedoch sind ihre beruflichen Erfahrungen als Gastprofessoren und wissenschaftliche Berater oder Kuratoren von Museumsneugründungen und Sonderausstellungen immer mehr transnational geprägt. Die kulturelle Integration Europas zu vertiefen entspricht oftmals ihren normativen Überzeugungen. Ihre sozialen Erfahrungen sind darüber hinaus jedoch stärker transnational-europäisch geprägt. Daher arbeiten sie auch darauf hin, gesellschaftliche Strukturen zu transnationalisieren und zu europäisieren, damit diese möglichst kongruent mit ihren eigenen stärker entgrenzten sozialen Lebenswelten sind und diese jedenfalls nicht gefährden. Ein solchermaßen komplexes, fragmentiertes und dezentralisiertes Politikfeld wie die europäische Kulturpolitik ist – wie der letzte Abschnitt dieses Kapitels dargelegt hat – in hohem Maße von informellen netzwerkartigen Strukturen von Kommunikation und Entscheidungen geprägt. Wie Politikwissenschaftler wie Karen Heard-Lauréote (2009, 262–267) oder Eva Sørensen und Jacob Torfing (2007, 2005) gezeigt haben, können solche Politiknetzwerke durch die Integration gesellschaftlicher Akteure demokratische Partizipation erhöhen und insoweit zumindest potenziell die Legitimität der EU stärken. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips ist die Europäische Kommission ohnehin verpflichtet, nur multilaterale Kooperationsprogramme mit Netzwerkcharakter zu fördern, an denen mindestens Partner aus drei Mitgliedstaaten beteiligt sind. Die Kommission ist jedoch auch davon überzeugt, auf diese Weise die grenzüberschreitende Vernetzung und die europäische Orientierung dieser Partner dauerhaft zu stärken. In der Kulturpolitik stehen Netzwerke für „some form of association between cultural groupings and organisations from different member states that collaborate in joint cultural projects“ (Theiler 2005, 73). In ihrer „governance“-Rhetorik seit dem Weißbuch von 2001 erscheint der Kommission schon der Begriff „Netzwerk“ sinnträchtig: „Discursively it connects to notions of things modern, sophisticated, decentralized and flexible with a grass roots feel“ (Ebd.). Allerdings können Netzwerke aller Art durch ihre hochgradig informellen Austauschstrukturen und die oftmals zentrale Rolle einzelner Kulturunternehmer rasch fragmentieren und ineffizient werden. Wenn sie effektiv operieren, entziehen sie sich leicht der Kontrolle repräsentativer demokratischer Organe – und dies erst recht im institutionell und kulturell besonders komplexen Mehrebenensys-

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tem der EU. Sie zementieren oft auch eine schon bestehende ungleiche Ressourcenverteilung. Ähnliches gilt nicht nur für Politiknetzwerke im engeren Sinne. Vielmehr trifft es auch auf solche Netzwerke im Museumsfeld zu, die nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie darauf abzielen, politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen, aber eine wichtige Rolle in der Europäisierung des Museumsfeldes spielen können. Diese Europäisierung des Museumsfeldes eröffnet wiederum zahlreiche Optionen des anders und europäisch Machens in der Museumspraxis. Dieser Europäisierung als kulturelle Praxis, dem europäisch Machen, widmen sich nun die drei folgenden Kapitel: dem Sammeln „Europas“, der musealen Narration europäischer als gemeinsamer (Zeit-)Geschichte und der diskursiven und museal dargestellten Definition von äußeren und inneren Grenzen Europas und der EU.

5 Europa sammeln: Strategien und Aporien transnationaler Sammlungspraxis

Will Europa sammeln oder gesammelt werden? In dieser Frage wäre Boris Groys’ Logik der Sammlung (1997) weiterzudenken, in der er anhand der Repräsentation von Geschichte im Museum die Differenz zwischen der Subjektivität des Sammlers und der Subjektivität des Gesammelten beschreibt. Die Jacke des Leutnants Henry Anderson, die dieser im Jahr 1815 in der Schlacht zu Waterloo trug, ist dieselbe und doch nicht zu verwechseln mit der Jacke, die das National Army Museum in London heute in seiner Sammlung hält. Durch den Eintritt in ein Museum nimmt das Ding einen neuen kulturellen Bedeutungshorizont an und wird zum musealen Objekt (Pearce 1994). Damit ist auch gesagt, dass der Anspruch, die eigene Geschichte zu sammeln und zu besitzen, nur eingelöst werden kann, wenn ein subjektloses Subjekt – wie etwa die Nation – als gleichsam „identitätsfreier Kurator“ (Groys 1997, 51) auftritt, um die Differenz zwischen der Identität des Sammlers und der Identität des Gesammelten aufzuheben. Auch die Sammlungspolitik und die Sammlungspraxis von Museen sind geprägt durch die ideengeschichtlichen Voraussetzungen für die Entstehung nationaler Museen im 18. und 19. Jahrhundert, wie sie in Kapitel 2 dargelegt wurden. Im Zuge der aktuellen Europäisierung kultureller Felder stellt sich heute jedoch erneut die Frage nach dem Objekt einer im Museum auszustellenden europäischen oder transnationalen Geschichte: Welche Objekte werden auf welche Weise zu europäischen Objekten gemacht? Doch um als Geschichte gesammelt, archiviert und ausgestellt zu werden, bedarf es neben der materiellen Basis der Objekte auch der Idee einer gemeinsamen kulturellen Identität. Daran ist die Musealisierung Europas in Großprojekten bisher gescheitert, wie Kapitel 2 gezeigt hat. Das ist der Fall, weil dem 21. Jahrhundert weder die Sammlungsstrategien der repräsentativen Öffentlichkeit der Wunderkammern noch diejenigen der modernen Museen ungebrochen zur Verfügung stehen. Haben sich erstere am Hof des Fürsten konzentriert und stehen dementsprechend der aktuellen Idee und Praxis eines demokratisch-inkludierenden Museums diametral entgegen, so haben letztere dazu beigetragen, die Konstruktion nationaler Identität absolut zu setzen. Sie haben damit Anteil an

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den imperialistischen und totalitären Projekten des 19. und 20. Jahrhunderts gehabt, die die Idee Europa nach dem Zweiten Weltkrieg antrat zu überwinden. Das Museum des 19. Jahrhunderts befindet sich zwar weiterhin als ein Vorbild für die Musealisierung Europas in den Köpfen mancher Akteure, doch eine essentialistische Darstellung der europäischen Geschichte mit Hilfe kanonisierter Objekte wird größtenteils selbstkritisch reflektiert, wie anhand der konzeptionellen Neudeutung des Museum Europäischer Kulturen (MEK) und des Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (MuCEM) für Deutschland und Frankreich beschrieben wurde. Entsprechend wird der Umgang mit Sammlungen und Objekten in der heutigen Museumspraxis nicht als genuin europäisch definiert. „We are not collecting with a European perspective“, fasst Renée E. Kistemaker, ehemalige Kuratorin des Amsterdamer Stadtmuseums, die Überzeugung ihrer Kollegen in den Museen in Europa zusammen (Interview Kistemaker). Eine nicht repräsentative Umfrage der Verfasser unter Museumskuratoren in Europa ergab, dass eine Mehrheit ihren Sammlungsbestand sehr wohl als Teil eines europäischen Erbes versteht. Sieht man sich die Begründungen hierfür genauer an, so wird jedoch deutlich, dass die Kuratorinnen und Kuratoren den europäischen Charakter ihrer Objekte mithilfe von unspezifischen kulturhistorischen Entwicklungslinien begründen. So werden ohne weitere Begründungen der Erwerb von Kunstwerken sephardischer Juden im Museo Sefardí in Toledo oder die Objektakquise des Deutschen Auswanderhaus Bremerhaven zu einer europäisch ausgerichteten Sammlungspolitik erklärt – wohl in der Annahme, dass der Exodus sephardischer Juden oder die Ströme der Auswanderung europäische Normen und Praktiken spiegelten. Oder es wird an anderer Stelle die Grenzregion zwischen Frankreich und der Schweiz im Museum Baselland als ein gemeinsamer europäischer Ort deklariert. Überzeugend darstellen, was Europa heute ist, sein will oder sein soll, können diese Objekte nicht, wie auch Camille Mazé (2008, 116) übergreifend feststellt: „[D]ie Museumsstücke in den Depots, Ergebnis der Sammeltätigkeit innerhalb des Nationalterritoriums […] reichen nicht aus, um Europa anschaulich vor Augen zu führen und begreiflich zu machen.“ Der Container Europa scheint an vielen Stellen zu groß und an anderen zu klein zu sein, um überzeugende Deutungen und Bedeutungen zu produzieren. Eine spezifisch europäische Sammlungsstrategie der Gegenwart gibt es nicht. Nichtsdestotrotz beeinflusst die europäische Integration die Praxis der Museen bis in die Sammlungen hinein – jedoch nicht, wie schon in Kapitel 3 deutlich



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wurde, als eine von den politischen Zentren in Brüssel, Straßburg oder Luxemburg dominierte Leitpolitik. Aufschlussreicher ist es stattdessen, die asymmetrischen Beziehungen zwischen den Sammlungsstrategien der Gegenwart und den Prozessen der Europäisierung als eine gegenseitige Einschreibung und damit als eine kulturelle Praxis des europäisch Machens zu verfolgen. Begriff und Praxis des Sammelns wird somit im Folgenden als eine semantische Rahmung verstanden, als ein Deutungs- und Einschreibungsprozess, der sich entsprechend auch auf Objekte beziehen kann, die bereits museal erfasst sind. Denn es ist deutlich, dass sich das Sammeln heute anderen Herausforderungen stellen muss als zu Beginn der Etablierung moderner Museen: „The great collecting phase of museums is over“, wie Eilean Hooper-Greenhill (2000, 152) am Anfang des neuen Jahrtausends festgestellt hat: Heute versammeln wir die Dinge neu, die schon einmal gesammelt wurden. Welche Sammelstrategien der Gegenwart sind dafür geeignet, dass sich die Idee Europas und der Verlauf der europäischen Integration in diese einschreiben können? Welche Möglichkeiten haben und nutzen die europäischen Institutionen, um die Sammlungspolitik der Gegenwart zu beeinflussen, und wie werden diese von den einzelnen nationalen Akteuren aufgenommen, verweigert oder verwandelt? Wenn es stimmt, dass in der Zweiten Moderne multiperspektivische Formen der kulturellen Repräsentation entwickelt werden müssen (Beier-de Haan 2005), gilt dieser Anspruch dann auch für die materielle Basis der Musealisierung: für die Dinge und ihren Weg in die Museen? Mit diesen Fragen stehen die Sammlungspolitik und die Sammlungspraxis ausgewählter Museen, Institutionen und Netzwerke im Vordergrund, und zwar im Hinblick darauf, ob und wie sie daran mitwirken, vorhandene und neue Objekte und Sammlungen als europäisch zu kontextualisieren und zu definieren. Welche Sammlungsstrategien der Gegenwart eignen sich aus welchem Grund, als ein Teil der Europäisierung an diesem Prozess teilzunehmen? Dafür werden einleitend die Herausforderungen benannt, die die Diskussion um zeitgemäße Sammlungsstrategien prägen. Daran soll deutlich werden, dass sich der Diskurs um eine mögliche Europäisierung von Objekten und Sammlungen heute in einem Feld bewegt, das übergreifend versucht, die Möglichkeiten und Qualitäten von Objekten und Sammlungen für das 21. Jahrhundert neu zu definieren. Anknüpfend an Bruno Latour wird im zweiten Abschnitt des Kapitels der Begriff des relationalen Objekts entwickelt, um damit auf die qualitativen Verschiebungen in den Sammlungsstrategien der Gegenwart auch theoretisch re-

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agieren zu können. Derart ausgestattet, werden in den folgenden Abschnitten vier Bereiche vorgestellt, die auf je eigene Weise beispielhaft für den Nexus von Europäisierung, zeitgenössischer Sammlungspolitik und Sammlungspraxis sind. Der erste Bereich betrifft die Methode des participative collecting, die sich als eine demokratisch inkludierende Sammlungspraxis versteht, die unter diesem Vorzeichen für Prozesse der Europäisierung im Museum Bedeutung erlangt. Ob und wie der Anspruch, mit dieser Praxis einen neuen, möglicherweise europäischen Blick auf die Dinge zu werfen, gelingt, wird zu zeigen sein. Die digitale Plattform Europeana dagegen, als zweiter hier zu untersuchender Bereich, positioniert sich explizit als eine europäische Sammlung. An ihrem Beispiel soll gezeigt werden, wie anhand des Rekurses auf eine gemeinsame Kultur und Geschichte gleichzeitig Fragen rechtlicher und technischer Standardisierung gelöst werden sollen. Als transnationale Sammlungsstrategien werden drittens der seit der Jahrtausendwende europaweit neu koordinierte Leihverkehr und der Austausch von Objekten sowie die Vernetzung nationaler Industriedenkmäler in Form europäischer Routen betrachtet und analysiert. Wie, so stellt sich die Frage, werden Bewegung und Austausch, Mobilität und Grenzüberschreitung musealisiert? Viertens steht die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Erinnerung im Fokus – spezifisch die Beobachtung, dass historische Ausstellungen und Museen vermehrt zeitgenössische Kunst sammeln und als Teil ihres historischen Narratives einsetzen. Welche Erzählungen einer stark heterogenen Erinnerungslandschaft in Europa werden dabei durch den Einsatz zeitgenössischer Kunst in kunstfremden Kontexten wie den historischen Ausstellungen favorisiert? Abschließend wird anhand einer Meta-Sammlung europäischer Objekte, der Publikation Reflecting Europe in its Museum Objects (ICOM Europe 2010), die Logik einer europäischen Sammlung zusammenfassend analysiert.

Sammeln heute: das Heute sammeln

Die übergreifende Kommodifizierung und Demokratisierung von Geschichte und Geschichtsschreibung, wie sie in Kapitel 2 angesprochen wurde, wirkt auch auf Idee und Praxis der musealen Sammlung zurück. Der Prozess der Popularisierung von Geschichte ist Teil der gesellschaftlichen Entwicklung in und seit der Moderne (Kittsteiner 2006; Koselleck 1989) und wird täglich durch eine Gegenwart neu dynamisiert, die durch „die Unfähigkeit, Dinge in der Vergan-



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genheit verschwinden zu lassen“ (Gumbrecht 2001, 775), gekennzeichnet ist. Dies ist nicht nur dem viel zitierten Museumsboom zu verdanken, sondern auch dem kuratorischen Blick des 20. Jahrhunderts. Me you and everyone we know is a curator lautete der Titel einer Tagung in Amsterdam im Jahr 2009. Boris Groys (1997, 55) hat herausgestellt, dass eine solche Überzeugung – wir alle seien die Kuratoren unseres eigenen Lebens – und die damit einhergehende Dynamik der Ausdifferenzierung des historischen Blicks auf die Avantgardebewegungen des frühen 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist: „Der Künstler der Avantgarde hat den Kuratorenblick, den Sammlerblick verinnerlicht. So hat er begonnen, als Agent der Expansion der musealen Sammlungen zu fungieren, indem er ins Museum all das gebracht hat, was früher nicht gesammelt worden war.“ Über einhundert Jahre nach der Inthronisierung des kuratorischen Blicks durch die Avantgarde-Bewegungen ruft heute schließlich auch das Feuilleton die „Curation Nation“1 aus. Museen partizipieren an dieser Ausweitung und Ausbeutung der historischen Zeit, an der Geschichtsobsession der Gegenwart, die „schon die Großelternzeit behandelt wie die Antike, als Zeit der Ausgrabungen“.2 Dabei ist eine auffällige Diskrepanz zu beobachten: Den Sammlungen und Objekten im Museum wird einerseits vermehrte Aufmerksamkeit zuteil, während ihnen andererseits ihr exzeptioneller Status abgesprochen wird. Simon Knell (2004, 12) sah bereits vor einigen Jahren das Ende einer konsistenten Sammlungspolitik gekommen „[because] the collecting policy of today will not fit with tomorrow“. Und als ob er die Einschätzung Knells bestätigen wollte, beschreibt der Leiter des Technischen Museums Berlin die Neuausrichtung seines Hauses wie folgt: „Wir wollen uns vom klassischen Museum verabschieden […]. Es geht weg von den Sammlungen, hin zu Themen.“3 Die Ausrichtung auf ein zu vermittelndes Thema und die damit einhergehende Entwicklung konzeptionell arbeitender Ideen-Museen (van Mensch 2010) entfremdet die Institution zwangsläufig von ihren Sammlungen, wie auch Steven Conn (2010, 43) im Blick auf themenorientierte Museen feststellt: „They are not built, I think it is fair to say, around collections of objects.“ Gleichzeitig und als Ausdruck des wiederentdeckten Interesses an Objekten und Sammlungen wurde das International Committee for Collecting (COMCOL) im Herbst des Jahres 2010 als 31. Komitee des International Council of Museums (ICOM), gegründet. Als ein Gründungsmitglied des Komitees schreibt Peter van Mensch (2010, 7, im Original kursiv): „COMCOL is not the international committee on collections; it is a committee on collecting, or rather collection development.“ Damit deutet van Mensch eine Verschiebung an,

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die sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre seit den grundlegenden Arbeiten zu Geschichte und Funktion des Sammelns (Pearce 1995; Pearce 1994; Elsner und Cardinal 1994; Pomian 1987) bis zur gegenwärtigen Beschäftigung mit Sammlungsfragen ergeben hat. Entwickelte Pomian (1987) seinen Sammlungs- und Objektbegriff aus der symbolischen Praxis von Grabbeigaben, Reliquien und Schatzkammern und verbanden die Arbeiten von Pearce (1998; 1995; 1994) anthropologische und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Sammlungsgeschichte, -poetik und -politik, so werden heute vermehrt der Akt des musealen Sammelns selbst, dessen Prozesscharakter sowie die kulturellen wie sozialen Funktionen musealer Sammlungen in den Vordergrund gerückt. Dabei ergänzen sich Museumsboom und die Kritik am traditionellen Status von Objekten und Sammlungen auf paradoxe Weise. So wird heute vermehrt darüber nachgedacht, welche negativen Folgen der gesellschaftliche Erfolg der Institution des Museums hat. Fragen nach Quantität und Qualität der Sammlungen stehen im Vordergrund dieser Diskussion. Haben wir zu viele Objekte gesammelt, also Too Much Stuff? angehäuft, wie der Bericht der britische National Museum Directors’ Conference (2003) provokativ fragte, um eine Diskussion über mögliche Verkäufe aus den Museen anzustoßen? Ja, antwortet der Museumspraktiker Tomislav Sola (2004, 250): „We have touched the ceiling of growth, both physically and financially.“ Deaccessioning, die Veräußerung von Objekten aus öffentlichen Sammlungen, wird nicht mehr ausschließlich als moralisches Tabu diskreditiert, sondern auch als eine pragmatische Antwort auf die quantitativen und ökonomischen Beschränkungen der meisten Museen diskutiert und damit konsequent als qualitativer Bestandteil einer neuen Sammlungspolitik verstanden (van Mensch und Meijer-van Mensch 2010). Die Idee einer kulturellen wie ökonomischen Wertsteigerung qua Profilierung, wie anhand der gezielten Abstoßung von Objekten angedacht, begleitet die Frage nach der Resemantisierung der Sammlungspolitik als eine instrumentelle Rhetorik (Pettersson 2010, 168): „Whereas research creates the context and provides argumentation for the better use of the collection, the museum community needs practical tools for that to be realised.“ Die museale Sammlung stellt sich so als ein unternehmerisches Labor mit einzelnen Werkzeugen dar, von denen eines – das museale Objekt – „durch eine Reihe von Prüfungen bestimmte Leistungen im Sinne einer Performanz zeigen muss“ (Belliger und Krieger 2006, 37). Die Objekte in den Museen werden heute auf ihre soziale Leistungsfähigkeit hin geprüft: Sind sie fähig, ihre Relevanz für die Gesellschaft und die Wertsteigerung des Museums unter Beweis zu stellen?



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Damit scheint zumindest theoretisch die Idee der großen Sammlungen und der großen Sammler, die die Geschichte des Museums zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert geprägt haben, zu einem ersten Ende gekommen zu sein. Sammeln im Museum soll heute neuen Wegen folgen, andere Bedingungen erfüllen und mehr Menschen einschließen, als es Philip Blom (2004, 122) am Beispiel Peters des Großen beschrieben hat, dessen Sammlung anatomischer Objekte unter anderem aus „Zähnen [bestand], die er selbst gezogen hatte, nicht unbedingt, weil sie ihre Besitzer schmerzten“. Stattdessen wird das Sammeln heute als eine kontinuierliche Tätigkeit des Museums definiert, weniger ein Ziel denn ein Mittel, das sämtliche Bereiche der Institution beeinflusst (van Mensch und Meijer van Mensch 2010, 2): „The basic assumption of contemporary museology is that the collection is to be considered as means. This goes together with the assumption that the specificity of museums as cultural institutions is in the means rather than the end.“ Verstanden als ein integrativer Prozess beeinflussen Theorie und Praxis des musealen Sammelns nicht nur die Arbeit von Sammlern und Kuratoren, sondern mehr und mehr auch diejenige von Registratoren und Museumspädagogen. Christina Kreps (2003, 10) zufolge soll das Sammeln eine Verbindung zwischen Institution und Besuchern herstellen: „By identifying and naming the material and non-material elements that constitute their environment, people realize their rights to their world and gaining control over it.“ Die traditionelle Idee einer auf Dauer, kulturelle Signifikanz und Vollständigkeit angelegten musealen Sammlung wird somit gegenwärtig auf mehrfache Weise herausgefordert. Erstens wächst der Kreis derer, die nicht nur potenziell sammeln können, sondern auch tatsächlich (mit)sammeln sollen. Für das im Jahr 2003 vom Stadtmuseum Amsterdam initiierte Projekt Memories of East Amsterdam haben die Bewohner eines Stadtteils von Amsterdam bis heute über 1.500 Geschichten und Alltagsobjekte zusammengetragen, die teilweise im Museum, größtenteils auf ihrer Internetseite ausgestellt sind.4 Dieses Projekt hat zahlreiche Nachahmer gefunden (Kok 2010). Angeregt von der in Frankreich von Georges-Henri Rivière und Hugues de Varine in den siebziger Jahren entwickelten Idee der Eco-Museen (Davis 1996) ist participative collecting zu einem Schlagwort, aber auch zu einer vielfältigen Praxis geworden, mit der sich vor allem (stadt-)historische, sozialgeschichtliche und ethnologische Museen als gesellschaftlich relevante und lokal eingebundene Institutionen positionieren wollen (Silverman 2010; Simon 2010; Crooke 2007). Mit dieser Entwicklung hängt zweitens zusammen, dass der sammelnde und kuratierende Blick auch in den kulturhistorisch ausgerichteten Museen nicht

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mehr ausschließlich auf die Vergangenheit geworfen wird, sondern vermehrt auf die Gegenwart. Im Jahr 2007 wurde das dreißigste Jubiläum von Samdok gefeiert, der vom Nordiska Museet in Stockholm ausgegangenen Initiative, die Gegenwart als Sammlungs- und Forschungsfeld in den Museen zu etablieren. Damit erweitert sich neben den Akteuren musealer Sammlung auch die Anzahl möglicher Sammlungsobjekte. So gibt es heute nichts mehr, was nicht museal gesammelt werden könnte. Zwischen dem Rasenmäher-Museum in Leeds und dem Lügenmuseum in Brandenburg ist weiterhin Platz für die Ausweitung der musealen Zone.

Das relationale Objekt

Auf diese Ausweitung und Verschiebung von Idee und Praxis der Sammlung reagiert der Begriff des relationalen Objekts. Anknüpfend an Latours (2008, 191) Resemantisierung der Dinge als „Quasi-Objekte“ benutzen wir den Begriff des relationalen Objekts, um ausgewählte Sammlungsstrategien der Gegenwart mit der kulturellen Praxis der Europäisierung kurzzuschließen: „Quasi-Objekte (…), deren neue Eigenschaften uns alle verwundern und deren Netz sich von meinem Kühlschrank bis zur Antarktis erstreckt, auf dem Weg über die Chemie, das Recht, den Staat, die Ökonomie und die Satelliten. Die Gemenge und die Netze, die keinen Platz hatten, haben nun den ganzen Platz für sich. Sie gilt es zu repräsentieren, um sie herum versammelt sich von nun an das Parlament der Dinge.“ Die Funktion der Dinge besteht darin, als Mittler zu dienen und eben jene Vermittlungsleistung zu repräsentieren. Objekte, relational gedacht, sind sowohl Mittel der Vermittlung als auch Darstellung von Vermittlungsleistungen zwischen den verschiedenen Akteuren, die bei Latour (1996, 373) zu Aktanten werden, um auf diese Weise das Netz sozialer Handlungen nicht auf Subjekte zu beschränken: „[A]n actant (…) is something that acts or to which activity is granted by others.“ Ein relationaler Objektbegriff spielt somit mit der dreifachen Bedeutung von Repräsentation (Grinell 2010), indem die jeweiligen Dinge erstens eine Sache oder Sachlage materiell darstellen, sie zweitens als eine geistige Idee vorstellen und drittens den konkreten Grund bilden, um überhaupt zusammenzukommen. Das Ding hat seine etymologischen Wurzeln im germanischen ting – in Skandinavien bis heute der Begriff für das Parlament, in dem nicht Dinge, sondern Menschen zusammenkommen, um über Sachen, ursprünglich Rechtssachen, zu



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reden, zu streiten, zu verhandeln und dadurch eine politische Vertretungsfunktion zu übernehmen, wie Latour (2005, 30, im Original kursiv) betont: „Lange bevor es ein aus der politischen Sphäre hinausgeworfenes Objekt bezeichnete, das dort draußen objektiv und unabhängig stand, hat so das Ding oder Thing für viele Jahrhunderte die Sache bezeichnet, die Leute zusammenbringt, weil sie sie entzweit.“ Wie noch zu zeigen sein wird, nutzen auch Kuratoren in Europa neue Sammlungsstrategien, um Menschen und Gruppen zusammenzubringen, die – tatsächlich oder vermeintlich – entzweit sind. Welche Konsequenzen hat die hier vorgenommene Bestimmung relationaler Objekte für die Frage europäischer, transnationaler Sammlungsstrategien? Ein relationaler Objektbegriff leitet sich erstens aus den Modi der Teilhabe ab. Relationale Objekte nehmen qua Definition an einem über sie hinausweisenden Zusammenhang teil. Diese Teilhabe organisiert sich zweitens in Form des Netzwerkes. Das Netz ist seit der industriellen Revolution eine gängige Metapher für teilweise unsichtbare, aber höchst wirksame technische und gesellschaftliche Verbindungs- und Kommunikationsleistungen. Relationale Objekte sind entsprechend oft entmaterialisierte Objekte, die ein technisches und/oder soziales Netzwerk repräsentieren. Drittens beschreibt der Begriff der relationalen Objekte eine Bewegung innerhalb der und zwischen den verschiedenen Netzen. Erst durch die Möglichkeit des Austausches löst sich die Vorstellung von dem statischen Netzbegriff der Moderne, wie er sich etwa im Schienennetz materialisierte. Relationale Objekte sind demnach bewegte Objekte, die den Austausch repräsentieren. Teilhabe, Netzwerkcharakter, Bewegung und Austausch: Es sind diese Qualitäten relationaler Objekte, an die Europäisierung als kulturelle Praxis im Bereich der Sammlungspolitik und Sammlungspraxis anschließen kann. Wie einleitend dargestellt, sind es exakt diese Funktionen und Qualitäten, die in den letzten Jahren zu erhofften oder tatsächlichen Innovationen im Bereich der musealen Sammlung geführt haben.

Participative collecting: gemeinsam sammeln?

Ein Netzwerk der Dinge und Akteure ist auch das Projekt Entrepreneurial Cultures in European Cities (ECEC) gewesen. In diesem Projekt haben sich Museen und Kulturinstitutionen aus acht europäischen Ländern unter der Leitung des Amsterdamer Stadtmuseums zusammengeschlossen, um den Beitrag klein- und

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mittelständischer Unternehmen für die Entwicklung einer europäischen Gesellschaft beziehungsweise einer europäischen Staatsbürgerschaft (Kistemaker und Tietmeyer 2010) zu erforschen.5 Als eines der geförderten Projekte im zweiten Rahmenprogramm Kultur und durch seine Ausrichtung auf die Idee einer europäischen Gesellschaft und Bürgerschaft knüpft ECEC an die Bemühungen der Europäischen Union (EU) an, die inzwischen die Idee einer Unionsbürgerschaft nicht mehr nur politisch, sondern zunehmend kulturell konzipiert, wie wir schon in Kapitel 3 gesehen haben. Im konkreten Fall ist zu beobachten, dass ECEC die Idee einer europäischen Bürgerschaft mit dem Großthema Migration verknüpft, indem die ausgewählten Betriebe fast ausnahmslos von Migranten in den jeweiligen Ländern geführt werden. Dies wiederum steht in direktem Zusammenhang zu Aktivitäten der Europäischen Kommission, die die Wirksamkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU-Sektor), die von Migranten geführt werden, erforschen und unterstützen will. Ein von der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Kommission in Auftrag gegebenes Gutachten, erstellt unter der Leitung der Universität Amsterdam, legte 2008 den Abschlussbericht zur Prüfung und Auswertung guter Verfahren zur Förderung von Unternehmern aus ethnischen Minderheiten vor, der „Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmern mit Einwandererhintergrund […] für die Entwicklung, Formulierung, Abstimmung und Verbesserung der KMU Strategien in Europa“ beschrieb.6 ECEC hat sich in diese Empfehlungen eingeschrieben so wie das Projekt gleichzeitig ein Grundthema der aktuellen Museumswissenschaft verhandelt: Wie nirgends sonst wird durch die Methode des participative collecting der von Bennett (2010) beschriebene „bürgerliche Blick“ im Namen von Alltäglichkeit und Mitspracherecht herausgefordert. Zugleich setzt das ECEC-Konsortium eine von den beiden beteiligten deutschen Institutionen begonnene Arbeit fort, nämlich das Projekt Migration, Work and Identity, das unter dem ersten Rahmenprogramm von der Kommission gefördert wurde. Das Stadthistorische Museum Amsterdam wiederum hatte 2003 durch das erwähnte Projekt Memories of East Amsterdam als ein Museum auf sich aufmerksam gemacht, das neue Wege in der Sammlungspraxis sowie der Inklusion neuer Besuchergruppen geht. Auch die Beteiligung des Zagreber Museums hatte einen EU-Hintergrund, da es mit ECEC eine Interreg-Zusammenarbeit fortsetzen konnte (Interview Frlan). Bereits die Formierung des Projektes ist damit ein Beispiel für die teilweise klientelistische Förderpraxis der Kommission und vor allem für die Verschrän-



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kung von Europäisierungsdiskursen mit unterschiedlichen Modernisierungschiffren im musealen Feld, die wiederum wesentlich durch Kuratoren und Institutionen katalysiert werden, wie sie in Kapitel 4 als europäische Kulturunternehmer bezeichnet und analysiert wurden. Was aber sind die konkreten Ergebnisse des Projektes? Welche Sammlungsstrategien der Gegenwart eignen sich, unter dem Vorzeichen eines EU-geförderten Kooperationsprojektes Teil des Europäisierungsprozesses zu werden? Drei museumswissenschaftliche Methoden werden von den Projektverantwortlichen ausgemacht, die garantieren sollen, dass ECEC innovative museologische Praxis produziert: „outreach work“, „mediation through art“ und „interdisciplinary contemporary collecting“ (Kistemaker und Tietmeyer 2010, 14). An der Auswahl der Themen zeigt sich bereits, dass Europäisierung als eine kulturelle Praxis fungieren kann, die dazu genutzt wird, Modernisierungschiffren, also aktuelle Diskurse und Strömungen der Museumswissenschaft, zu verhandeln und teilweise neu zu ordnen. Die Prinzipien des participative collecting, die Ausrichtung auf die Gegenwart sowie der Anspruch, Kunst als Narrativ für historische oder ethnologische Erzählungen im Museum zu benutzen, markieren Kernpunkte einer sich im Umbruch befindenden Sammlungspolitik. Ohne dass dieses immer explizit zum Thema gemacht wird, geht es in den Projekten der beteiligten Institutionen auch darum, neue Objekte auf neue Art und Weise zu akquirieren. Dabei überschneiden sich die oben genannten Methoden signifikant: Als gemeinsamer Nenner kann das Prinzip des participative collecting ausgemacht werden, da als Voraussetzung sowohl für die Stadtteil-Programme der Museen in Berlin, Amsterdam, Liverpool und Barcelona als auch für die Kunstprojekte in Amsterdam und Volos galt, dass sie mit den jeweiligen lokalen Gemeinschaften, im spezifischen Fall den klein- und mittelständischen Unternehmen, im Prozess des Sammelns und Ausstellens kooperieren sollten. Participative collecting bekommt in diesem Kontext eine doppelte Bedeutung. Es kennzeichnet einmal, dass soziale Gruppen und Individuen, die dem Museum traditionell fern stehen, in die Museumspraxis einbezogen werden sollen, und zum anderen, dass die angewandten Sammlungsstrategien auf gemeinsamen Ideen und Methoden der beteiligten Institutionen aufbauen oder diese initialisieren sollen, wie es die Projektverantwortlichen betonen (Kistemaker und Tietmeyer 2010, 117): „What brought [us] together was [our] joint wish to experiment with participation while collecting objects and stories related to small enterprises.“ Die so gesammelten Objekte bestechen dadurch, dass sie auf den ersten Blick unspektakulär sind. In Berlin wurden Döner-Kebab-Utensilien und Ge-

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genstände aus den besuchten Unternehmen gesammelt: Hausschuhe und Beutel aus einem lokalen Ledergeschäft, aber auch affektiv aufgeladene Objekte wie der deutsche Gesellenbrief eines türkischstämmigen Optikers. In Zagreb wurden im Rahmen des Ausstellungsprojektes Let’s Have a Coffee Kaffeedosen und Kaffeetassen der letzten vierzig Jahre gesammelt, in Amsterdam lokale Einkaufsbücher und in Liverpool verschiedene Gegenstände der Läden auf der Smithdown Road wie Haarverlängerungen, Satellitenschüsseln und Telefonkarten. Die beiden größten Objektgruppen allerdings stellen Fotos und Geschichten dar. Interviews und Fotografien sind als Teil der Stadtteil-Programme entstanden, indem etwa Berliner Schüler die Kleinunternehmer ihres Viertels interviewten und fotografierten und Museumsmitarbeiter in Liverpool, Zagreb und Volos Vergleichbares in ihren Städten taten – oder als Teil des virtuellen Ausstellungsprojektes Neighbourhood Shops 7, mit dem das Amsterdamer Stadtmuseum seine Arbeit im Bereich participative collecting intensivierte. An der virtuellen Sammlung von Objekten, Fotografien und kontextnahen Geschichten wird jedoch sichtbar, dass die Idee einer gemeinsamen Sammlungstätigkeit nicht oder nur ansatzweise umgesetzt werden konnte. Deutlich mehr als die Hälfte der hochgeladenen Objekte stammen aus den Beständen des Amsterdamer Museums. Sofern Besucher auf der Website aktiv wurden, beschränkte sich dies in den meisten Fällen auf das Hochladen einzelner Fotos. Vergleichbares gilt für die Objekte, die von ECEC auf flickr.com, dem Web-Portal für digitale und digitalisierte Bilder, eingestellt wurden. Hier finden sich neben den erwähnten Bildern der neu erworbenen Gegenstände vor allem Objekte aus dem vorhandenen Sammlungsbestand der Museen. So scheint der mantrahaft beschworene Paradigmenwechsel durch das Internet – „The internet, however, has changed the nature of collecting“ (Kistemaker und Tietmeyer 2010, 117) – nur bedingt für das museale Feld zu gelten: Weiterhin sind es die Institutionen und ihre Mitarbeiter, die für den Prozess des Sammelns, der Auswahl, der Registrierung und Archivierung verantwortlich sind, was sich auch in der abschließenden Ausstellung Neighbourhood Shops des Amsterdamer Stadtmuseums zeigte (März-August 2011), in der einzelne Objekte des ECEC-Projektes durch eine historische Erzählung gerahmt wurden. Participative collecting erweist sich in diesem Zusammenhang primär als ein pädagogischer Ansatz, durch den die soziale Kompetenz des Museums gestärkt werden soll (Rogoff 2008); oder durch den – mit den Worten Latours (2008, 189) – das Museum seine Fähigkeiten unter Beweis stellen soll, „das soziale Band neu zu knüpfen“. Die gemeinsam gesammelten Objekte sind die materiellen



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Beweise dafür, dass sich das soziale Band von angeblich getrennten Welten – hier Kuratoren, dort Unternehmer, hier Einheimische, dort Migranten, hier deutsche, dort kroatische Museumsmitarbeiter – auch europaweit neu knüpfen lässt. Nicht in den Objekten gewinnt Europa Bedeutung, sondern in ihrem gemeinsamen Erwerb. Die Möglichkeit oder Notwendigkeit, mit einem solchen Projekt die Frage nach spezifisch europäischen Objekten zu verhandeln, wird von den Initiatoren (Kistemaker und Tietmeyer 2010, 119) abschließend für gering befunden: „The ECEC project has shown that entrepreneurs who had so far contributed (some) stories, photographs and objects on a local or neighbourhood level were less inclined to do so on a European one.“ Europäisierung wirkt damit im Bereich der Sammlungspolitik zum einen negativ – indem sie sich vom Mythos nationaler Sammlungstraditionen absetzt – und zum anderen implizit: als eine Zukunftseroberung und ein noch nicht eingelöstes Versprechen, wie es auch die abschließende Projektdokumentation formuliert (Kistemaker und Tietmeyer 2010, 120): „[I]f and how these collections could play a role in promoting European understanding, will undoubtedly be a subject of study for future European heritage projects.“ Dennoch treiben die teilnehmenden Museen den Prozess der Europäisierung voran – als eine kulturelle Praxis, durch die an dieser Stelle neue Leistungen der Objekte sichtbar gemacht werden sollen. Indem sie gemeinsam gesammelt wurden, dienen sie als Katalysator und Legitimierung sozialer Interaktion innerhalb nationalstaatlicher Grenzen und über diese hinweg. An ihnen wird die Teilhabe an und der Dialog über lokale wie nationale Unterschiede oder Gemeinsamkeiten vorgeführt. Die Resemantisierung als relationale Objekte ist gerade aufgrund ihrer Unscheinbarkeit möglich. Eine Kaffeetasse aus dem Jahr 2008 und ein Dönerspieß aus demselben Jahr besitzen keine historisch aufgeladene Authentizität, sind keine kulturell einzigartigen Objekte, und ihre kulturelle Signifikanz für zukünftige Generationen liegt im Bereich der Spekulation. Ihre museale Präsentation – zum Beispiel im MEK in der Werkstattausstellung Döner, Dienste und Design – Berliner UnternehmerInnen (2009/10) – ist entsprechend nüchtern als Dokumentation gestaltet – nicht, weil das Museum nicht andere Mittel der Darstellung zur Verfügung gehabt hätte, sondern weil eine Konsequenz des participative collecting ist, dass die Objekte im Moment der sozialen Teilhabe ihre Bedeutung erlangen (Abb. 2). Diese Bedeutungsebene kann durch die Materialisierung in einer Ausstellung noch dokumentiert, aber nicht mehr repräsentiert werden. Relationale Objekte

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erfüllen nicht dieselben Aufgaben wie Objekte, die als epistemische Dinge gedacht und museal als solche konstruiert werden. Im Unterschied zu Objekten als Erkenntnisdingen (Rheinberger 2005; Korff 2005) ist es nicht ihre Materialität, die sie zu relevanten Ausstellungsobjekten macht; nicht der „Zustand der Fixierung“ (Rheinberger 2005, 66), der Wissen produziert; auch nicht ihre Dauerhaftigkeit oder Anschaulichkeit (Korff 1992). Stattdessen bedeuten relationale Objekte Modi der Teilhabe. Im vorliegenden Fall führt das dazu, dass das Scheitern einer explizit europäischen Perspektive auf Objekte und Sammlungen produktiv umgangen wird: indem Europäisierung als eine kulturelle Praxis vorgeführt wird, an der Museen, Bürger, Objekte, die EU Förderprogramme und gegenwärtige Neuformulierungen der musealen Sammlungspolitik gleichermaßen teilhaben und sich als Teilhabende präsentieren. In diesem Netzwerk werden die Objekte sozialisiert. Sie werden zu handelnden Subjekten, deren – angebliche oder tatsächliche – Leistungen für die Gemeinschaft sichtbar gemacht werden sollen. Participative collecting ist somit eine Antwort der Museen auf die Herausforderungen einer Reorganisation und einer neuen Legitimierung ihrer Sammlungspolitik. Digitalisierung, Transnationalisierung und Ästhetisierung sind weitere Versuche, diesen neuen Ansprüchen gerecht zu werden.

Digitalisierung: das Versprechen Europeana

Die Diskussion um die digitale Plattform Europeana wird von zwei Seiten aus geführt. Von der einen Seite aus gesehen, handelt es sich bei Europeana um eine Suche nach geeigneten Formen technischer Standardisierung und Harmonisierung in Europa (Chambers und Schallier 2010, 106): „As outlined in Europeana’s content strategy, there are thousands of cultural and scientific institutions in Europe with content and collections that are of interest for Europeana. However, it is not sustainable for Europeana to work with all of these institutions directly. A content aggregation model is therefore of crucial importance in enabling Europeana to reach its objectives.“ Auf mehreren Ebenen verlangt das Projekt demnach nach Schaltstellen, die für technische Kompatibilität zwischen den einzelnen Institutionen in den Mitgliedstaaten und Europeana sorgen können. Von der anderen Seite aus gesehen, scheint Europeana ein europäisches Identitätsprojekt zu sein. Entsprechend fallen Begriffe wie kulturelles Erbe, Herkunft



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und Sammlung (Comité des Sages 2011, 4): „For centuries, libraries, archives and museums from across Europe have been the custodians of our rich and diverse cultural heritage. They have preserved and provided access to the testimonies of knowledge, beauty and imagination, such as sculptures, paintings, music and literature. The new information technologies have created unbelievable opportunities to make this common heritage more accessible for all.“ Aus dieser Sicht erscheinen die digitalen Technologien lediglich als eine neue Hülle für die traditionellen Kulturpraktiken Bewahren und Ausstellen, die nun von Europeana übernommen werden sollen. Welche Perspektive aber dominiert in der diskursiven Einordung dieses jährlich etwa drei Millionen Euro teuren Projekts (Europeana Foundation 2011, 31): Strategien der Standardisierung oder die Idee einer enzyklopädischen Sammlung, wie sie in dem oben zitierten Report mit dem sprechenden Titel The New Renaissance anklingt? Diese grobe Gegenüberstellung lässt sich in einem zweiten Schritt sowohl verfeinern wie auch hinterfragen. Nanna Thylstrup (2011, 325) hat deutlich gemacht, dass es neben den Anforderungen technischer Harmonisierung und der Konstruktion eines digitalen europäischen Erbes bei dem Projekt Europeana von Anfang an um die Frage eines konvergenten europäischen Urheberrechts ging und damit um Prozesse gesetzlicher Angleichung zwischen den Mitgliedstaaten: „[…] even though the primary motivation of large-scale cultural digitization projects such as Europeana is formally about preservation and access, it is in reality just as much about intellectual property and rights legislation.“ Urheberrecht im Netz aber kann nur in einer globalen Perspektive verstanden und gelöst werden. Dass dieses dringend geschehen sollte, wird in Europeana-Kreisen – wie etwa von Paul Ayris (2010, 197) – deutlich formuliert: „Let us be very clear: if we don’t reform our European copyright rules on orphan works and libraries swiftly, digitisation and the development of attractive content offers will not take place in Europe, but on the other side of the Atlantic. Only a modern set of consumer-friendly rules will enable Europe’s content to play a strong part in the digitisation efforts that have already started all around the globe.“ Aus rechtlichen Gründen besitzen die Bürger Europas im Moment weder Zugriff auf vergriffene noch auf verwaiste Werke im Netz. Letztere haben sich zum Lackmus-Test für die Forderung nach einer Harmonisierung nationalstaatlicher Gesetze entwickelt, fallen in ihnen doch Urheberschutz und eine ungeklärte Urheberschaft zusammen.8 Sowohl vergriffene als auch verwaiste Werke machen einen hohen Anteil aller Bücher, Karten, Fotografien und audiovisuellen Materialien in Europa aus. Die Kommission wünscht sich, diese – wie auch alle

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weiteren Objekte und Werke in Bibliotheken, Museen und Archiven – digital zugänglich zu machen. Es geht bei dem Projekt Europeana also auch um globalen Wettbewerb. Der Anstoß zu Europeana kam aus den USA. Die Initiative des Onlineunternehmens Google Inc., seit 2004 Bücher und weitere Werke aus öffentlichen Bibliotheken in umfassender Weise zu digitalisieren und ins Netz zu stellen, schürte Ängste und kulturelle Stereotypen in Europa. „It is an infernal machine, it never stops (…) It is a disgrace. It is cultural rape“, wie es Serge Eyrolles (zit. nach de la Durantaye 2010/11, 158), der Präsident der französischen Verlagsgesellschaften, formulierte, der wie der Direktor der Nationalbibliothek in Paris, Jean-Noël Jeanneney (2007), Google Books ein kulturimperialistisches Projekt schimpfte. Frankreich machte sich zum Vorreiter eines Kampfes gegen die Kommerzialisierung und Verschlagwortung des kulturellen Erbes durch eine US-amerikanische Firma und konnte die EU dafür gewinnen, ihre eigenen Digitalisierungspläne zu beschleunigen und in dem Projekt Europeana zu bündeln (Thylstrup 2011). Das Kommuniqué i2010: digital libraries der Europäischen Kommission (2005) ist somit sowohl eine Bestandsaufnahme, die die nachgeordnete Rolle Europas gegenüber den USA, Indien und China beklagt, als auch ein eigener Gegenentwurf, um die verschiedenen Initiativen in Europa zu integrieren. Doch Frankreich war auch deswegen eine treibende Kraft hinter Europeana, weil das Land frühzeitig eigene Digitalisierungsprojekte verfolgte und Ende der neunziger Jahre bereits einen eigenen Portaldienst für die Digitalisierung des Bestands der französischen Nationalbibliothek sowie weitere Projekte zur Digitalisierung von Fernsehmaterial entwickelt hatte (Interview Purday). Gemeinsam mit Großbritannien war Frankreich zu derselben Zeit federführend an der Entwicklung von Gateway and Bridge to Europe’s National Libraries beteiligt, einem Projekt, das im Jahr 2005 in der Etablierung der European Library mündete, die wiederum einer der wichtigsten Ansprechpartner der Kommission für die Entwicklung von Europeana und bis heute einer ihrer Hauptzulieferer ist (Chambers und Schallier 2010). Seit 2008 ist Europeana im Netz. Ende des Jahres 2010 beinhaltete die Seite mehr als 14 Millionen digitalisierte Objekte, eingestellt von etwa 1.500 Institutionen in Europa. Damit liegt Europeana zum einen über den formulierten Erwartungen der Kommission, zum anderen bestehen gravierende Unterschiede sowohl in der Menge als auch in der Qualität der Beiträge aus den Mitgliedstaaten. Aufgrund der Vorgeschichte nicht überraschend steht Frankreich nach einer Erhebung vom Sommer 2009 mit 47 Prozent der eingestellten Objekte an



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der Spitze der Beiträger. Es folgen Deutschland (15,4 Prozent), die Niederlande (8 Prozent) und Großbritannien (7,9 Prozent). Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Tschechien und Litauen, aber auch Dänemark und Irland trugen dafür weniger als 0,1 Prozent des damaligen Gesamtbestandes von 4,6 Millionen digitalisierten Büchern, Karten, Fotografien, Filmclips und Zeitungen bei.9 Umgekehrt trägt ein kleiner Nicht-Mitgliedstaat wie Norwegen laut einer Erhebung Ende des Jahres 2010 (Europeana Foundation 2010a, 7) sechs Prozent bei. Ähnlich wie im Falle Frankreichs gab es in Norwegen bereits Ende der neunziger Jahre eine politisch legitimierte und finanzierte Digitalisierungsstrategie. Neben der norwegischen Nationalbibliothek war es der Zusammenschluss von Archiven, Museen und Bibliotheken auf regionaler und lokaler Ebene, die über ein EU-gefördertes Projekt im Rahmen von Europeana local zwischen den Jahren 2008 und 201110 ihre Bestände in großem Umfang digitalisierten (Interview Gaustad). Aufgrund der Tatsache, dass Europeana als ein bibliographisches Projekt verschiedener Nationalbibliotheken startete, ist es wenig verwunderlich, dass der Großteil des eingestellten Materials digitalisierte Texte, Bücher und Karten sind. Verbunden mit den im Vergleich mit den USA die Urheberrechte stärker schützenden Strukturen in Europa führt dieses dazu, dass nur ein Prozent des Datenmaterials in Europeana aus Ton und Bilddokumenten besteht (Interview Purday; Europeana Foundation 2010a, 7). Das aktuell am häufigsten nachgefragte Material ist damit schlecht vertreten – eine Situation, die nach der Meinung des Expertenberichts Europeana – die nächsten Schritte (Europäische Kommission 2009) zu einem digitalen „schwarzen Loch des 20. Jahrhunderts“ führen könnte. Schon diese kurze Vorstellung macht deutlich, dass die Einführung Europeanas als „Europe’s digital library, archive and museum“11 ein prägnantes Bild gegenwärtig stattfindender Europäisierungsprozesse zeichnet: Europeana geht auf Modelle zurück, die in einem ersten Schritt von Mitgliedstaaten initiiert und erprobt wurden, in diesem Fall von Seiten Frankreichs. Eingespeist in die Kulturpolitik der EU prägt die nationale Perspektive bis heute das Bild Europeanas, wie Jonathan Purday, Senior Communications Advisor von Europeana, im Interview bestätigt: „It’s a French model of seeing the world.“ Europeana wird dabei von mehreren Staaten des so genannten Kerneuropas vorangetrieben, nämlich neben Frankreich von Deutschland und den Niederlanden sowie darüber hinaus von Großbritannien. Das Verhältnis zwischen Europa und den Nationalstaaten bleibt auch im Internet von der grundlegenden Aporie einer transnationalen Rahmung be-

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rührt, die nationale Semantiken genauso verstärkt wie überwindet: Es bestehe das Risiko, so die Europäische Kommission (2009), „dass Europas digitalisiertes Kulturerbe im Internet in nationale Silo-Strukturen aufgesplittert wird“. Auch das World Wide Web ist nicht per se ein globaler oder transnationaler Raum. Besucher strukturieren ihre Europeana-Suche zum Beispiel primär anhand der Kategorien Sprache und Land (IRN Research 2009, 11). Richard Rogers (2008) nannte dies in einem anderen Zusammenhang treffend „the revenge of the geography [in cyberspace]“. Des Weiteren implizieren Prozesse der Europäisierung eine Forderung nach Standardisierung und Konvergenz. Da die Digitalisierung des existierenden Bestandes an Büchern und Karten, an Ton- und Bildmaterial die divergente Praxis des Urheberrechts in den EU-Mitgliedstaaten fundamental berührt, ist ein hoher Grad an rechtlicher Harmonisierung nötig (de la Durantaye 2010/11). Da gleichzeitig die große Zahl der Institutionen, die etwas beitragen, zu viele technische Variationen zulässt, arbeitet Europeana mit so genannten Aggregatoren. Diese sind für die Harmonisierung der Daten auf der Ebene der individuellen Institution verantwortlich und werden im Folgenden noch genauer behandelt. Die Idee einer gemeinsamen Geschichte und Kultur Europas schließlich wird dazu benutzt, um davon gänzlich unabhängige Entwicklungsprozesse in den Museen und der Gesellschaft übergreifend zu forcieren. Bei Europeana wird explizit gemacht, dass die Harmonisierung der gesetzlichen und technischen Praxis in Europa zu einem finanziellen Mehrwert und einem globalen Wettbewerbsvorteil führen sollen, wie es Nick Poole (2010, o.S.), der Vorsitzende von Europeanas Council of Content Providers and Aggregators formuliert: „Europeana is beginning to demonstrate the business case for a more collaborative approach in future.“ Wie Annette Hünnekens (2002, 203) bereits für die erste Phase der musealen Expansion in das Netz beschrieb, ist „das Interesse am kulturellen Erbe u.a. auch von marktwirtschaftlichen Motiven geprägt“. Ein Memorandum of Understanding, im Jahr 1996 auf Initiative der Europäischen Kommission vorgelegt, unterzeichneten mehr als 600 staatliche wie nichtstaatliche Institutionen, die sich damit auf gemeinsame Richtlinien zur Verwertung des kulturellen Erbes im Netz verpflichteten.12 Im Jahr 2008 nun geht Europeana, indem es ein öffentlich zugängliches, europäisch vernetztes Online-Angebot schafft, genau jenen Schritt, den Hünnekens (2002, 234) in ihrem Ergebnis zu ersten Modellen digitaler Sammlungstätigkeiten in Europa noch anmahnte: „Wie wäre es wohl, wenn die Öffentlichkeit zum kulturellen Erbe tatsächlich den vorgeführten multimedialen



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Zugang hätte? […] Offenbar fehlt hier ein letzter Schritt, nämlich zu veröffentlichen, was im Grunde längst öffentlich und Gemeingut ist.“ Europeana ist diesen Schritt nun gegangen, und zwar in der Absicht, technische Innovationen zu generieren (Interview Purday; Interview Badenoch), wie sie etwa in dem Europeana eigenen ThoughtLab vorstellt werden.13 Damit wird deutlich, dass die skizzierte Gegenüberstellung von technischer Harmonisierung und europäischem Kulturerbe am Beispiel Europeana zusammengedacht werden muss. Denn mit Europeana wird ein Rahmen geschaffen, der die Digitalisierung von kulturellen Objekten und Beständen in einen europäischen Diskurs einschreibt und gleichzeitig aktuelle Herausforderungen im Museumsfeld löst oder zu lösen vorgibt. Deutlich stellen sich Europäisierungsprozesse an dieser Stelle als ein Rahmen ohne Inhalt dar: Die auf Europeana gezeigten Objekte lassen jede Kontextualisierung und Semantisierung vermissen. Der Auswahlprozess wird von der Frage ihrer technischen Kompatibilität geprägt, nicht von ihrem Bedeutungsgehalt für eine digitale europäische Sammlung. So stellt sich noch einmal die Frage, was und vor allem wie Europeana sammelt. Wie verändert sich die Idee der Sammlung sowie der Status des Objekts im digitalen Raum? Welche Begriffe und Inhalte gibt Europeana selbst vor, wenn sie im dritten Jahr ihres Bestehens eine Sammlungsstrategie vorlegt (Europeana Foundation 2010a, 2), deren erklärtes Ziel es ist, die Nutzer an einer europäischen Sammlung teilhaben zu lassen – während genau diese Sammlung ungefiltert aus allem besteht, was in den beteiligten Ländern digitalisiert wurde und wird: „Europeana has and will have to take what institutions make digitally available.“ Wie Andreas Bienert (2004, 47) schreibt, hatten Museen „von Anfang an einen erheblichen Anteil [an der Möblierung des virtuellen Raums]“ und spielen seit der Gründung des Museum Computer Network in den USA im Jahr 1967 international eine zentrale Rolle in der Entwicklung von kulturellen OnlineAngeboten. Ob diese Angebote – Ausstellungseinheiten und pädagogische Angebote im Netz und auf CD-ROM, digitalisierte Sammlungen und Verbundkataloge, Netzkunst und Hypermuseen – dabei die traditionellen Funktionen des Museums herausfordern und verändern (Hünnekens 2002) oder nur „die Reproduktion der Sammlung in einem neuen Medium“ (Bienert 2004, 56) darstellen, ist nicht eindeutig zu entscheiden, weil beide Prozesse parallel verlaufen. Stattdessen wird im Folgenden gefragt, wie ein Digitalisierungsprojekt in der Größe von Europeana seine Objekte generiert, mithin sammelt. Wie bereits erwähnt, sind dafür spezifische Schaltstellen nötigt, Aggregatoren genannt, die

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dafür zuständig sind, das digitalisierte Material von Organisationen zu erfassen, die jeweiligen Dateiformate und Metadaten zu standardisieren und diese in Europeana einzuspeisen. Des Weiteren unterstützen Aggregatoren die Museen, Archive und Bibliotheken in den Mitgliedstaaten mit ausgewählten Schulungen und administrativer Hilfe. Im Aggregators’ Handbook ist ein Fallbeispiel nachzulesen, um potenziellen Aggregatoren die technischen Prozesse, die von ihnen verlangt werden, zu veranschaulichen. Marcin Werla (zit. nach Europeana Foundation 2010b, 19f.) vom Supercomputing and Networking Center in Posen (PSNC) beschreibt den Vorgang Schritt für Schritt: „It was important to establish the standard that would map precisely to ESE [Europeana Semantic Elements] across all Polish institutions that contribute data to the Digital Libraries Federation. We gave several presentations to our providers to advise them how to clean and augment their metadata. (...) Cleaning up the metadata was complicated, but once done, allowed for automated transfer. (...) We then ran the data on the Europeana Content Checker. (...) The Content Checker shows us how records are displaying in a test version of the Europeana interface. We were able to share this display and get feedback from our providers. (...) The next step was for the Europeana office to test our OAI-PMH interface so they could harvest the records. (...) Then it was out of our hands: Europeana harvested the 257,000 records and completed the internal processing.“ Das von Europeana selbst ausgewählte Fallbeispiel des polnischen Aggregators verdeutlicht, wie das PSNC – und somit sämtliche Aggregatoren Europeanas – selbst als ein europäischer Akteur auftritt, der für die Standardisierung und Normierung der Meta-Daten aller beteiligten nationalen Institutionen verantwortlich ist. Darüber hinaus greift der beschriebene Verlauf des Datentransfers zwischen nationalen und europäischen Akteuren implizit die Verschiebungen in der gegenwärtigen Sammlungspolitik auf. Objekte werden von Europeana nicht gesammelt, sie werden noch nicht einmal besessen, wie das Europeana Aggregators’ Handbook (Europeana Foundation 2010b, 2) festlegt: „Europeana only ingests and indexes the institution’s metadata while the digital object remains at the original institution.“ Stattdessen werden Metadaten gesammelt, die für die Verknüpfung der digitalisierten Objekte aus den jeweiligen Archiven, Museen und Bibliotheken sorgen, die dann auf Europeana neu arrangiert werden können, wie Frank von Hagel im Interview bestätigt: „[L]etztlich ist Europeana nur eine Suchmaschine, die in einem Teilbereich, den Online-Exhibitions, Fundstücke neu arrangiert.“



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Zugleich behandelt Europeana die indexierten Objekte wie eine Sammlung. Diese werden über ihre Metadaten kategorisiert und in größere Objektgruppen – Bücher und Artikel, historische Dokumente, Photographien, Gemälde – eingeteilt (Europeana Foundation 2010a, 9). Sammlungslücken werden identifiziert und sollen behoben werden (Europeana Foundation 2010a, 4). Und die kulturelle Autorität der Institution des Museums wird übergreifend zur eigenen Legitimierung benutzt, wie es die Stiftung in ihrer Sammlungsstrategie (Europeana Foundation 2010a, 10f.) betont: „Europeana: all domains and all countries as a single, authoritative and authentic access point“. Der Widerspruch zwischen digitaler Suchmaschine und eigenständiger Sammlung löst sich auf, wenn noch einmal der spezifische Austausch zwischen Europeana und den nationalen Aggregatoren in den Blick genommen wird. An Europeana nämlich lässt sich nachvollziehen, wie sich die Idee der Sammlung von einem Archiv- und Speichermedium zu einem Übertragungsmedium entwickelt. Wolfgang Ernst (2007, 19, im Original kursiv) hat diesem Übergang seine Theorie der Medienarchäologie gewidmet. Er beschreibt daran „die Signatur des televisionären Zeitalters, das sendet, nicht speichert“. Die Übertragungspraxis – und das ist am oben zitierten Austausch zwischen Europeana und seinen Aggregatoren exemplarisch abzulesen – hat von den Übertragungsmedien Film, Radio und Fernsehen auf Speichermedien wie das Museum und seine Sammlung übergegriffen. Ernst (2007, 18, 94f.) wie auch andere (Dembeck 2010) verknüpfen diesen Befund mit einer gedächtnispolitischen Wende. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist stattdessen, dass diese Praxis einen neuen Umgang mit musealen Objekten verlangt. Aufgabe ist es nun weniger, Objekte zu besitzen als ihre fortwährende Übertragung zu garantieren. Für den Bereich digitalisierter Objekte übernimmt die Technik diese Aufgabe; doch auch im traditionellen Leihverkehr von Museen lässt sich die Rhetorik der Beweglichkeit und ortsunabhängigen Verfügbarkeit nachzeichnen.

Transnationalisierung: Austausch und Bewegung

Wie einleitend in diesem Kapitel beschrieben, sind relationale Objekte dadurch gekennzeichnet, dass sie als Mittel und als Mittler für Prozesse der Teilhabe, des Austauschs und der Bewegung in Netzwerken fungieren. In diesem Sinn ergibt sich ihr musealer Wert auch aus diesen tendenziell sehr flüchtigen Qualitäten. Folglich ist es entscheidend, dass Objekte im Museum in den Stand gesetzt wer-

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den, etwa Bewegung darzustellen. Dies klingt unverfänglicher, als es in Wahrheit ist. Schließlich bildet die Sammlung sowohl ideengeschichtlich als auch substanziell das Fundament des Museums, wie es Louis Réau (zit. nach Mairesse 2010, 73) vor mehr als hundert Jahren formuliert hat: „It has been understood that museums are made for collections that they should be built from the inside out, so to speak, shaping the container to fit the contents.“ In diesem Sinne besteht eine funktionale Hierarchie zwischen der vorhandenen Sammlung und dem Museum als einem konkreten Gebäude an einem bestimmten Ort. Auch die Materialität der Objekte und ihre Verortung sind Qualitäten, durch die sich, wie Hans Ulrich Gumbrecht (2004, 164, im Original kursiv) in einem anderen Zusammenhang schreibt, „Momente der Präsenz“ ergeben können. Gumbrecht hat mit dieser Behauptung eine teilweise erbitterte Diskussion zwischen Konstruktivisten und Hermeneutikern ausgelöst, die hier nicht nachgezeichnet werden kann. Aber es ist bemerkenswert (Gumbrecht 2004, 162), dass derzeit auch philosophisch „das Verlangen, das uns zu den Dingen dieser Welt hinlockt und uns in ihren Raum einbezieht, von neuem entflammt“. Zugleich schränkt die Konstruktion relationaler Objekte die materiellen Qualitäten der Dinge ein und macht sie dadurch als Übertragungsmedium nutzbar. Auf diese Weise können selbst die bewegungslosen Objekte in den Museen mobilisiert werden. Negativfolie dieser Mobilmachung in den Museen ist weiterhin die Vorstellung eines verstaubten und toten Museums, wie es der Futurist Filippo Tommaso Marinetti (vgl. Harrison und Wood 2003, 183ff.) in seiner Definition des Museums als Friedhof zu Beginn des 20. Jahrhunderts polemisch heraufbeschwor. Ausdrücklich auf das Manifest der Futuristen anspielend, schreibt Susanna Pettersson (2010, 167): „Museums are sustainable by nature but at a certain point, when storages are filled with B- or C-category objects, they are in danger of becoming a huge wasteland of forgotten and unused objects – or cemeteries.“ Das Archiv und die Sammlung eines Museums, einst Herzstück der Institution, werden damit zu einer Brachfläche voller ungebrauchter Dinge. Vor diesem Hintergrund sollen der Sammlung und der Sammeltätigkeit neue Funktionen zugewiesen werden. Die Bewegung von und der Austausch zwischen Sammlungen ist eine der Funktionen, die sich im Zusammenspiel mit Prozessen der Europäisierung am deutlichsten konturiert. Dabei gibt es vor allem zwei Bereiche, in denen die Idee relationaler Objekte zum Tragen kommt, indem Austausch und Bewegung dargestellt wird. Der erste Bereich, der hier zunächst besprochen werden soll, ist die Mobilität von Sammlungen. Der zweite Bereich,



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der im folgenden Abschnitt vorgestellt wird, ist die Einbindung vorhandener Objekte in europäische Kulturnetzwerke wie in die European Route of Industrial Heritage (ERIH). Collection mobility, der Austausch von Objekten, nimmt eine prominente Stellung in den Strategiepapieren der EU der letzten zehn Jahre ein. Ausgehend von der Charta der Grundrechte der EU, die den grenzenlosen Waren-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehr einschließt (Europäische Kommission 2000), taucht die Idee von Austausch und Bewegung im kulturellen Feld sowohl in der Europäischen Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung (Europäische Kommission 2007) als auch im Förderrahmenprogramm Kultur 2007–2013 auf. Wie in Kapitel 4 beschrieben, ging der Anstoß, den Austausch von Objekten zu einem europäischen Thema zu machen, von einer niederländischen Initiative zu Beginn des neuen Jahrtausends aus und wurde durch die Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten, einzelnen Akteuren in der Kommission und europäischen Verbänden wie dem Network of European Museum Organisations (NEMO) verstärkt. Die Analogie zwischen dem europäischen Binnenmarkt und der freien Zirkulation kultureller Güter ist von den niederländischen Initiatoren, unter ihnen Astrid Weij (et al. 2005, 6), vielfältig genutzt worden. Kulturpolitisch betrachtet war die Initiative erfolgreich. Sie wirkte von der nationalen Ebene über die Vermittlung der EU-Institutionen auf die Museumsverbände der Mitgliedstaaten zurück. Kaum ein Konzeptpapier versäumt es heute, auf das innovative Potenzial von Leihverkehr und langfristigen Leihgaben hinzuweisen – obwohl der Leihverkehr zwischen Museen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine gängige Praxis ist. „Die Werke werden verschickt wie die Kohlen aus dem Ruhrgebiet und die Baumstämme aus dem Schwarzwald“, vermerkte Martin Heidegger (2010 [1936], 9) schon in den dreißiger Jahren. Entscheidend für das Interesse an Mobilität sind erneut die Veränderungen in der öffentlichen Positionierung und Legitimierung der Museen und deren Auswirkungen auf die aktuelle Idee von Objekt und Sammlung. „Too many museum collections are underused“, stellte die Museums Association (2005, 4) in Großbritannien fest, um im Weiteren den Leihverkehr der Objekte sowohl innerhalb des Landes als auch mit internationalen Partnern als einen möglichen Weg zu benennen, um das nicht ausgeschöpfte Potenzial der Sammlungen zu erschließen. Über das Programm Renaissance of the Regions etwa wird die Mobilität von Sammlungen als Teil einer möglichst breiten Erneuerung der englischen Regionalmuseen forciert (Interview Swain). Zugleich ist bekannt (und unvermeidbar), dass ein Großteil der Objekte in den Museen nie ausgestellt wird, wie eine

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2003 von NEMO durchgeführte Bestandsaufnahme bestätigte. Die Rückmeldungen ergaben, dass über 400 Museen aus elf europäischen Ländern insgesamt 315 Millionen Objekte besitzen, von denen sich im Durchschnitt mehr als 70 Prozent in den Depots der Museen befinden (Weij, et al. 2005, 7). Dabei ist die Mobilität von Sammlungen kein ästhetisches Objekt, sondern ein sozialer und administrativer Vorgang, der im Rahmen von Europäisierung kulturpolitisch aufgeladen ist. Dementsprechend wird hier nicht versucht, einzelne Bewegungen der Objekte nachzuzeichnen, obwohl es in einem anderen Kontext von Interesse wäre, Bedeutungsverschiebungen von Sammlungen und Objekten in jeweils neuen geographischen und kulturellen Räumen zu untersuchen. Jere Jäppinen (2010) etwa hat kürzlich gezeigt, welche unerwarteten Anforderungen eine Sammlung von Fotografien der Sinti und Roma in einem finnischen Museum zu erfüllen hat. Uns geht es vielmehr um aktuelle Sammlungsstrategien, die in einen europäischen Rahmen eingeschrieben werden können, ohne deswegen ihre Relevanz für nationale, regionale oder lokale Felder und Akteure zu verlieren. Im Falle der Mobilität von Sammlungen gelingt es den niederländischen Akteuren, aktuelle Sammlungsstrategien und Europäisierungsprozesse zu koppeln. Gleich drei Institutionen im Feld – das Ministerium für Erziehung, Kultur und Wissenschaft, das Institute for Cultural Heritage sowie das Collections Institute of the Netherlands (ICN) – fördern und nutzen die Mobilität von Sammlungen als Ausweis innovativer Museumspolitik im eigenen Land. So wird seit 1990 auf Initiative des Institute for Cultural Heritage in Utrecht die Idee einer übergreifenden niederländischen Sammlung – der Collectie Nederland – digitale Wirklichkeit, indem alle Objekte der nationalen Museen auf einer Internet-Plattform inventarisiert werden.14 Dieses geschieht gerade mit dem ausdrücklichen Ziel, die Objekte so für den gegenseitigen Austausch zugänglich zu machen (Bergevoet 2001). Einen weiteren Schritt in dieselbe Richtung geht das ICN, das digitale Objekte vereint, die veräußert werden sollen.15 Hierbei bewegen sich die zu verkaufenden Objekte ausschließlich zwischen den verschiedenen niederländischen Museen, da sie nicht an Privatpersonen veräußert werden, „but anyone can see which objects are available“.16 Damit gehen die Niederlande einen ersten Schritt, den Verkauf von Objekten aus staatlichen Museen öffentlich zu machen und diesen gleichzeitig durch nationale Kulturpolitik zu bündeln und zu steuern. Interessanterweise wird das digitale Archiv von ICN als „relocation database“ bezeichnet. Damit stellt sich dieser digitale Bestand sprachlich als eine Samm-



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lung von Objekten dar, die lediglich den Standort wechseln. Auch der Verkauf von musealen Objekten wird somit in die Rhetorik von Austausch und Mobilität einbezogen, die die Strategiepapiere der niederländischen Kulturpolitik seit Anfang der neunziger Jahre prägen. Diese langfristige Professionalisierung der niederländischen Sammlungspolitik erleichtert es einzelnen niederländischen Akteuren, auch auf europäischer Ebene Schwerpunkte einer neuen Sammlungspolitik zu definieren. Der integrale Ansatz von Collectie Nederland bündelt dabei die einzelnen Themen gegenwärtiger Sammlungspolitik – Mobilität und Austausch von Sammlungen, participative collecting, Digitalisierung von Objekten, Aufbau einer nationalen Sammlung im Netz sowie Veräußerungs-Strategien für staatliche Museen. Sie wirkt rückblickend betrachtet wie eine Blaupause für europäische Akteure. Darüber darf nicht vergessen werden, dass im Fall der Mobilität von Sammlungen Europäisierung auch ein Prozess der Konvergenz mitgliedstaatlicher Politik und Strategien ist. Denn einige der im Rahmen der Offenen Koordinierungsmethode (OMK) von der eingesetzten Arbeitsgruppe verhandelten Ziele können ohne nationale Gesetzesanpassungen nicht verwirklicht werden. Diese Ziele behandeln (OMC 2010) die staatlich verbürgte Schadenshaftung, den Schutz vor Beschlagnahmung, Dauerleihgaben, den Schutz vor Diebstahl und illegalem Handel und die Mobilität von Museumspersonal. Anhand der Verhandlung über staatlichen Bürgschaften für den Leihverkehr wird deutlich, wie stark das Ineinandergreifen von europäischen und nationalstaatlichen Initiativen als ein Prozess der Konvergenz wirken kann. Staatliche Bürgschaften tragen dazu bei, die Kosten für den Austausch von Objekten und Sammlungen zu verringern. Gab es in den neunziger Jahren nur sechs Mitgliedstaaten (Frankreich, Irland, die Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien), deren Regierungen derartige Bürgschaften anboten, so sind es nach der Osterweiterung 2004/07 nur noch fünf Mitgliedstaaten, die nicht darüber verfügen, nämlich Portugal, Belgien, Griechenland, Estland und Lettland. Im Falle Griechenlands hat die Zusammenarbeit im Rahmen der OMK-Arbeitsgruppe dazu geführt, dass das griechische Ministerium für Kultur und Tourismus nunmehr eine Initiative zur Bereitstellung nationaler Bürgschaften erarbeitet (Interview Tsilidou). Wie das Beispiel zeigt, geht dieser Prozess der Europäisierung nicht vorrangig von Akteuren in Brüssel aus, sondern ist eine Praxis des europäisch Machens, an der nationalstaatliche Akteure mit europaweiter Vorbildfunktion sowie die aktuellen Museumsdiskurse um adäquate Sammlungsstrategien genauso beteiligt

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sind wie die Vermittlungs- und Austauscharenen der europäischen Institutionen. Wie Alexander Badenoch (2011, 301) formuliert hat: „The EU in particular operates […] by creating spaces for others to act.“ Voraussetzung für die (transnationale) Mobilisierung der musealen Objekte ist, wie oben beschrieben, eine diskursive Abwertung des Teils der musealen Sammlung, die scheinbar unsichtbar und ungenutzt in den Archiven verkümmert. Erst als Teil eines neuen europaweiten Austauschprogramms können die Objekte angeblich revitalisiert werden (Matassa 2010, 119). Europäische Austausch- und Mobilitätsprogramme werden somit von nationalen Akteuren getragen, die ihren Beitrag zur Europäisierung wiederum als eine eigene Modernisierungsstrategie nutzen können. Ob dadurch mehr Objekte aus den Archiven der Museen sichtbar und nutzbar werden, ist fraglich. Diskursiv sichtbar gemacht wird jedenfalls der transnationale Austausch.

Transnationalisierung: Netze – Routen – StraSSen

So wie die museale Sammlung über den Weg der Europäisierung von einem Friedhof der ungenutzten Dinge zu einem Raum der Zugänglichkeit und Benutzbarkeit über nationale Grenzen hinweg gemacht werden soll, stellt sich das Konzept der Route der Herausforderung, die Ruinen der Industriegesellschaft zu bewegen. Doch jene Denkmäler und Stätten, die die Europäische Route der Industriekultur zusammenführt, werden ihren angestammten Platz niemals verlassen, wie Tim Edensor (2005, 97) lakonisch vermerkt: „By their physical presence […] objects consolidate a sense of being in place and provide proof of shared ways of living, of inhabiting space, of producing and sustaining values.“ Orte ehemaliger industrieller Produktion können nicht in einen europäischen Leihverkehr eingebunden werden. Austausch und Bewegung repräsentieren sie dennoch. Neben der Mobilität von Sammlungen ist deshalb die Einbindung vorhandener Objekte in europäische Routen wie die ERIH ein weiteres Beispiel für eine transnationale Sammlungspolitik und Sammlungspraxis. Da der Prozess des Sammelns hier als Akt einer semantischen Rahmung begriffen wird, lohnt es sich, das Prinzip der Route als eine aktuelle Sammlungsstrategie zur Neuinterpretation der Industriegeschichte als europäische Geschichte zu beleuchten. Anna Storm (2008) ist dieser Neudeutung von Industriestätten des 20. Jahrhunderts nachgegangen. Sie beschreibt Formen der kulturellen Resemantisierung, die bereits ihre eigene Geschichte geschrieben haben und komparativ



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beschrieben werden können. Als eine Matrix für den postindustriellen Strukturwandel sieht die Autorin den beharrlich formulierten und oft wider besseres Wissen aufrechterhaltenen (Conn 2010, 15ff.) Anspruch eines gemeinsamen Zukunftsentwurfs. Auf die Frage, wie sich die Wandlung von Schwerindustrie zu Kulturindustrie und lokaler Identitätsbildung vollzieht, meint Storm (2008, 169): „In sum, the industrial place has been domesticated aesthetically, made democratic with regard to perspectives and become accessible to a large audience by being transformed into a spectacle.“ Formen der Ästhetisierung, Demokratisierung und Kommodifizierung sind anhand vieler Beispiele der Umnutzung ehemaliger Industrieanlagen besprochen (Willim 2008; Stanton 2007) und früh kritisiert worden (Hewison 1987). Uns geht es an dieser Stelle darum, das Konzept der Route als eine weitere Strategie der Neuinterpretation von Orten und Objekten der Industriekultur zu beschreiben, die sich in besonderem Maße dazu eignet, als Einschreibfläche für Prozesse der Europäisierung benutzt zu werden. Die ERIH entstand im Jahr 1997 als ein vom nordrhein-westfälischen Tourismusverband initiiertes Gemeinschaftsprojekt, das über zwei Phasen hinweg als Interreg-Projekt des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert wurde und seit 2008 ein eingetragener Verein nach deutschem Recht ist. Der Strukturwandel in den Industrieregionen ist in Deutschland vor allem im Ruhrgebiet frühzeitig und offensiv thematisiert worden (Stiftung Zollverein 2008, 112-120). So sind es auch zwei deutsche Projekte gewesen, die ERIH als Vorbild dienten. Zum einen war dies die Internationale Bauausstellung Emscher Park, die von 1980 bis 1999 dazu beitrug, im Ruhrgebiet alte Industrieanlagen neu zu nutzen. Die Kulturalisierung, Musealisierung und Ökonomisierung der Industriekultur im Zeichen einer verstärkten touristischen Nutzung von aufgelassenen Fördergruben und abgewickelten Fabriken war ein Anknüpfungspunkt für ERIH, die heute damit wirbt, „moderne Freizeit- und Reiseangebote an alten Industriestandorten unter einem gemeinsamen Qualitätssiegel“17 anzubieten. Als direktes Vorbild einer Vernetzung europäischer Industriedenkmäler diente die 1999 ins Leben gerufene Route der Industriekultur im Ruhrgebiet. Hier wurden zum ersten Mal so genannte Ankerpunkte definiert, die als bedeutsame Zeugnisse der Industriekultur die vierhundert Kilometer lange Route für eine touristische Nutzung strukturieren. Für das Ruhrgebiet sind der Landschaftspark Duisburg Nord, das Gasometer in Oberhausen oder die Kokerei Hansa in Dortmund solche Ankerpunkte. Auch die ERIH arbeitet mit einem kulturhistorischen Kanon. Hierzu gehören etwa die Iron Bridge in Telford in

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England und die Kupferminen in Falun in Schweden. Sie hat auch weitere strukturierende Elemente vom deutschen Vorbild übernommen. Zugleich werden auf europäischer Ebene neue Akzente gesetzt, zum Beispiel in Form einer Sektion Biografien, die von Menschen mit transnationalen Erfahrungen in Europa erzählt. Dass Europa in Form von persönlichen Geschichten und Biografien gesammelt und vermittelt wird, wird in Kapitel 6 ausführlich gezeigt. Insoweit ist es nicht überraschend, diesen Ansatz auch auf den Bereich Industriekultur angewendet zu finden. Die Synthese von Industriekultur und Kulturindustrie im Rahmen eines „Heritage for Europe“ (Ashworth und Larkham 1994, 1) und das Bestreben, das kulturelle Erbe Europas sowohl zu definieren als auch touristisch zu erschließen, sind seit dem Jahr 1997 Aufgabe des Europäischen Instituts der Kulturstraßen. In Zusammenarbeit mit dem Europarat, der im Jahr 1998 eine Resolution on the Cultural Routes vorlegte (Council of Europe 1998), und dem Luxemburger Kulturministerium entscheidet das Institut über Projekte, „die wegen ihres geschichtlichen, künstlerischen und sozialen Interesses europäisch sind, sei es aufgrund der geographischen Wegführung oder des Inhalts und der Bedeutung“.18 Kulturgeschichtlich liegen die Ursprünge dieser Initiative in der Tradition der nationalen Ferienstraßen, die in den dreißiger Jahren wachsende Mobilität und Freizeitverhalten neu ordneten. Anstatt zu diskutieren, wie die Kulturstraßen des Europarates sich mit kulturtouristischen Initiativen und der Idee europäischer Erinnerungsorte verbinden (Gostmann und Wagner 2005; Ashworth und Larkham 1994), soll hier jedoch eine These Torgeir Bangstads (2011) verfolgt werden. Ihm zufolge machen kulturelle Routen spezifische Narrative des Reisens, der Interaktion und des Austausches sichtbar und stellen diese gleichzeitig her. In diesem Sinne werden im Folgenden die massiven und lokal gebundenen Ensembles der Industriekultur als relationale Objekte verstanden. Auch ihre Aufgabe ist es, den transnationalen Austausch und die grenzüberschreitende Bewegung darzustellen. Die Voraussetzungen dafür, dieser Frage nachzugehen, sind erneut in den Veränderungen der Sammlungspolitik zu finden, wie ein Blick auf die internationale Arbeit des zuständigen ICOM-Komitees zeigt. Das International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) hat im Jahr 2008 eine Charter on Cultural Routes herausgegeben. In diesem Konzeptpapier, das die Möglichkeiten und Herausforderungen der Erforschung, Konservierung und Nutzung kultureller Routen diskutiert, finden sich drei Ansätze, die sich auf je eigene Weise an einer Definition des Phänomens versuchen.



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Erstens gelten kulturelle Routen ICOMOS (2008, 1f.) zufolge als grenzüberschreitende Kontaktzonen und damit als ein gemeinsames Erbe jenseits nationaler Grenzen. Zweitens offenbare das Konzept den sozialen Charakter des gemeinsamen kulturellen Erbes, der wiederum für die nachhaltige Entwicklung der entsprechenden Regionen genutzt werden könne. Schließlich werden kulturelle Routen in diesem Strategiepapier als Repräsentationen gesellschaftlicher Dynamik und Mobilität verstanden. Übergreifend wird in der Charter on Cultural Routes (ICOMOS 2008, 2f.; 6) der Route ein spezifischer Objektstatus zugesprochen: Routen seien erforschbar und klassifizierbar, sie seien auf besondere Weise zu bewahren, auf die ihnen angemessene Art zu nutzen und einem Publikum zu vermitteln. Auf diese Weise etablieren die ICOMOS-Akteure ein zu klassifizierendes, zu erforschendes und zu bewahrendes und sich somit deutlich von anderen Phänomenen der Industriekultur unterscheidendes kulturelles Objekt. Die Route wird zum musealen Objekt. Grenzüberschreitend, sozial und mobil – ist es das, was der durchschnittliche Besucher mit einem Kohlebergwerk, einer Schmelzanlage oder einem Schleusenwerk verbindet? Anders gefragt: Wie funktioniert das Konzept der Route? Wie werden aus lokal verorteten Ensembles transnational bewegte Objekte? Etymologisch bezeichnet der französische Begriff der Route nicht nur den konkreten Weg (chemin) oder die Straße (voie) und damit die materielle Verbindung zwischen zwei oder mehreren Orten, sondern ebenso den Moment und den Verlauf des Reisens. Im Artikel zu Route, Voie, Chemin aus Diderots Encyclopédie (1969) aus dem 18. Jahrhundert wird zwischen Route und Weg deutlich unterschieden. Während der Weg seine spezifische Bestimmung durch die Orte erfährt, die erreicht werden sollen, ist die Route wesentlich definiert als der Moment des Unterwegsseins. So sehr die Route die materiellen Eigenschaften von Straße, Weg und Netz besitzt, so deutlich hebt sie sich von jenen ab. Denn der Begriff der Route rückt die Bewegung zwischen den Orten in den Mittelpunkt. Somit wird jeder Ort auf einer Route zum Anlass für Bewegung. Dass Begriff und Idee der Route grundsätzlich geeignet sind, globale und lokale Phänomene zu verbinden, hat Barbara Kirshenblatt-Gimblett (2006b, 172) herausgestellt. Doch die Route ist darüber hinaus als ein kulturelles Objekt zu verstehen, dessen primäres Merkmal die Darstellung einer Bewegung zwischen lokal und global definierten Einheiten ist. Denn das Objekt der Route löst Zuschreibungsmuster des Lokalen und Globalen – oder Transnationalen – gerade nicht auf, sondern vermittelt zwischen ihnen. Das kulturelle Produkt der Route funktioniert – im

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Sinne eines relationalen Objektbegriffs – als Mittler und Darsteller von Bewegung. „Only by increasingly mobilizing things“, schreibt der Archäologe Bjørnar Olsen (2010: 9f.), „could humans come to experience ,episodes‘ of history such as the advent of farming, urbanization, state formation, industrialization, and postindustrializiation“. Diese historische Erfahrung wird durch das Konzept der Route dargestellt, das seine (An-)Ordnung nicht zufällig in Form einer Karte findet (Abb. 3). Während Karten im Museum, wie Kapitel 7 ausführen wird, auch eingesetzt werden können, um geografische Grenzen zu verwischen, evoziert die Route als museale Karte andere Bedeutungen. Es sind zum einen die industriellen Adern, die in der Darstellung des ERIH-Netzwerkes zum Vorschein kommen, zum anderen die vom Konzept der Route (noch) unerschlossene Fläche Europas. Als ob der Kontinent noch zu besiedeln wäre, gibt die Karte einen Eindruck von den zukünftigen Aufgaben, die noch vor uns zu liegen scheinen. Die ERIH tritt in diesem Sinne als Mittler und Darsteller einer mobilen Geschichte auf. Wie in den bisherigen Beispielen, in denen sich Europa in neue Formen der musealen Sammlungspolitik und -praxis einschreibt, operiert sie als Teil einer kulturellen Ab- und Aufwertung: „Der Strukturwandel bedeutet für viele Industriebetriebe das Aus. Menschen verloren ihre Arbeit. Ganze Regionen suchen nach einer neuen Identität und rüsten sich für die Zukunft. Zurück bleibt ein reiches industriekulturelles Erbe. Das ist über ganz Europa verteilt – ein riesiges Netzwerk. Man muss es nur aktivieren. Genau das tut ERIH.“19 Das ist zum einen die Rhetorik einer kulturellen Marketingstrategie. Zum anderen werden damit genau jene Punkte aufgegriffen, die es erlauben, die Route als ein europäisches Objekt zu verstehen. Wichtig ist dafür in einem ersten Schritt die Abwertung der Objekte durch diejenige der Industriegesellschaft (Barndt 2009, 276; Storm 2008, 9–27), der John Brinkerhoff Jackson (1980, 101f.) eine „necessity for ruins“ zuschreibt. Denn erst in dem Moment, in dem Industriekultur für ihren ursprünglichen Zweck unbrauchbar geworden ist, wird es möglich, sie als etwas Neues zu entdecken und an ihr teilzuhaben. Im vorliegenden Fall wird die Industriekultur geradezu wie eine schlafende Prinzessin geküsst, um sodann als eine europäische Route aufzuwachen: „Die Industrielle Revolution lebt – in Szene gesetzt von Industriedenkmälern und -museen in ganz Europa.“20 Die bereits in Kapitel 2 aufgezeigte rhetorische Verschränkung von Musealisierung, Europäisierung und Modernisierung greift auch hier. Dass sich das Konzept der Route als Einschreibfläche für Europäisierung eignet, hat zum einen mit der longue durée der europäischen Geschichte zu tun.



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Handels- und Pilgerwege schufen und verstärkten die Möglichkeiten für den kulturübergreifenden Austausch von Waren und Ideen in Europa. Industriestandorte waren und sind darüber hinaus durch transnationale Bindungen gekennzeichnet, die inzwischen vermehrt als eine europäische Technikgeschichte in den Blick der Forschung gelangt sind (European Science Foundation 2011). Darüber hinaus sind Industriestaaten wie die Beneluxländer, Frankreich und Deutschland, die auch die europäische Integration begonnen und vorangetrieben haben, die treibenden Kräfte hinter der ERIH. Die Route und ihre europäische Rahmung ist somit ein Konzept mit einer hohen historischen Plausibilität, wie Badenoch (2011, 298) feststellt: „[A] focus on routes not only grounds a (self-)construction of the EU as a network state, it also builds on and emphazises a longer history of constructing European identities around forms of mobility.“ Des Weiteren verlangt und bestätigt das Konzept der Route eine Grundforderung der heutigen EU: die freie Bewegung über nationale Grenzen hinweg. Dass das Recht, sich in und zwischen den Ländern Europas frei zu bewegen, sich nicht auf alle Menschen und sozialen Gruppen bezieht, wird in Kapitel 7 näher beleuchtet, in dem es um die museale Darstellung von Migrationswegen geht. Im Falle von ERIH aber lassen sich Routen der industriellen Revolution mit Politikfeldern der EU und kulturtouristisch aufgeladenen Modernisierungsansprüchen kurzschließen. Entsprechend ist das Konzept der Routen von der Europäischen Kommission aufgenommen und durch ein aktuelles Förderprogramm unterstützt worden, das die Sichtbarkeit transnationaler Routen und touristischer Wege steigern soll.21 Zwei Momente sind für Europäisierung als kulturelle Praxis von Bedeutung. Erstens gibt es erneut ein Vorbild aus einem Land des so genannten Kerneuropas, hier aus Deutschland. Die europäische Ver-Sammlung industrieller Orte der Vergangenheit gewinnt zweitens an Bedeutung, weil sich in ihr eine spezifische Veränderung des Objektstatus spiegelt. Die Entdeckung und Aufwertung der relationalen Funktionen von Objekten finden ihre kongeniale Vor- und Darstellung in einem Objekt, das gleichzeitig am Ort und in Bewegung ist, das lokale und globale Qualitäten besitzt und die Bewegung zwischen diesen Momenten symbolisiert. Anders als im Falle des participative collecting ist es hier nicht die Darstellung von Teilhabe, sondern die Darstellung von Bewegung, die es ermöglicht, die Geschichte Europas als die einer mobilen Gesellschaft zu erzählen.

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Ästhetisierung: Geschichte und Kunst

Auch Kunst trägt dazu bei, Geschichte und Geschichten im Bewusstsein der Menschen zu verändern. Werke der Gegenwartskunst tauchen immer öfter außerhalb von Kunstmuseen auf, vor allem in historischen und ethnologischen Museen und Ausstellungen. In letzteren reagiert der Einsatz zeitgenössischer Kunst auch auf die Abhängigkeit der Institutionen von der Kolonialgeschichte und ihrer größtenteils rassistisch motivierten Klassifizierungspolitik. Mirjam Shatanawi (2009, 370), Kuratorin am Tropenmuseum in Amsterdam, fasst zusammen, was sich anhand der Veröffentlichungen von Beate Binder, Dagmar Neuland-Kitzerow und Karoline Noack (2008), Pascal Gielen (2004, 156–158) und Sharon MacDonald (2003, 6-9) für die Museumspraxis in Deutschland, Belgien, Großbritannien und den Niederlanden beschreiben lässt: „Such a blurring of categories [durch zeitgenössische Kunst] is highly confusing for the ethnographic museum, which derives its raison d’être from the compartmentalization of culture – each culture in its own pigeonhole – and to such an extent that the inclusion of contemporary art might challenge its very existence.“ Kunst kann also dazu beitragen, traditionelle Ordnungen des Museums zu verwirren. „Displaying art in our exhibitions is a choice, not [due to] a lack of objects“, wie es Isabelle Benoit, die Leiterin des Ausstellungsbüros Tempora in Brüssel, im Interview formuliert. Entsprechend sammelt das Musée de l’Europe seit seiner ersten Ausstellung Dieu(x), modes d’emploi (2006) Kunstwerke, die in den jeweiligen Ausstellungen prominent Platz finden. Während Tempora traditionelle Objekte vorrangig von Partnermuseen leiht, gibt es für den Ankauf zeitgenössischer Kunst ein je nach Ausstellung variierendes Budget (Interview Benoit). Anders als in der bekannten Sammlung des Imperial War Museum in London oder wie für das In Flanders Fields-Museum und das Bayerische Armeemuseum beschrieben (Thiemeyer 2010, 288), findet in den Ausstellungen des Musée keine „Umwertung der Kunst zur Illustration“ statt. Ebenso wenig ist dem Umgang mit Kunst in historischen Ausstellungen Genüge getan, wenn man die Werke als Mittel postmoderner Installationskunst (Wahnich 2008, 201) beschreibt, wie dies prominent am Beispiel des Libeskind-Baus für das Jüdische Museum in Berlin geschieht. Stattdessen wird zeitgenössische Kunst als eine narrative Leerstelle eingesetzt, um Brüche in der europäischen Erinnerungslandschaft zu überbrücken. Dass die Kunst im 20. Jahrhundert sich der Geschichte – und vor allem des Krieges – als Material bedient hat, ist ein gängiger Topos in den Geschichts- und



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Kulturwissenschaften geworden (Thiemeyer 2010; Wahnich, Lášticová und Findor 2008; Godefrey 2007; Krankenhagen 2005; 2004). Joseph Beuys, Christian Boltanski und Richard Serra gehören zu den bekanntesten Künstlern, die sich in ihrer Kunst mit Geschichte beschäftigt haben. Eine Ikone dieser Tradition ist Pablo Picassos Guernica. Dieses Gemälde ist auch prominent im Kanon derjenigen Bilder vertreten (Popp 2007), die in europäischen Schulbüchern am häufigsten verwendet werden. In ihm trifft sich die Perspektive der ästhetischen Moderne – seine kubistische Formensprache – mit der Perspektive des Opfers als einer zentralen Erfahrung des 20. Jahrhunderts. Der Zweite Weltkrieg als Gründungsmythos Europas im 20. Jahrhundert ist eine Lesart der europäischen Integrationsgeschichte, wie noch in Kapitel 6 gezeigt wird. Dabei sind die unterschiedlichen und teilweise konkurrierenden Geschichtsbilder der europäischen Staaten (Leggewie 2011; Jarausch und Lindenberger 2007a) eine Herausforderung für die museale Inszenierung einer europäischen Geschichte. Der Abgrund des Krieges und die Nachkriegserfahrung stellen sich in Polen anders dar als in Deutschland, in Finnland anders als in Spanien. Von einem gemeinsamen europäischen Erfahrungsraum seit 1945 lässt sich höchstens sehr bedingt sprechen. Dafür waren die Erfahrungen und der Umgang mit Holocaust und Kriegsschuld, mit Sowjetkommunismus, Vertreibung, Kolonialismus und Entkolonialisierung zu unterschiedlich. Inwiefern kann der Einsatz zeitgenössischer Kunst in historischen Ausstellungen zu einer möglichen Homogenisierung konkurrierender Erzählungen beitragen? Was erzählt die Kunst an dieser Stelle mit welchen Mitteln? Die Ausstellung im Untergeschoss des Veranstaltungszentrums Tour & Taxis in Brüssel beginnt, geprägt vom industriegeschichtlichen Ambiente des Ortes, mit zwei Kunstwerken: Missa der kanadischen Künstlerin Dominique Blain und Friedensrolle des deutschen Künstlers Gunter Demnig. Beides sind großflächige Installationen, die den Raum fast vollständig ausfüllen. Keine Ausstellungsobjekte stören die Konzentration auf die beiden Werke. Die Besucher befinden sich – für diesen Moment – in einer Kunstausstellung. Verhandelt werden Krieg und Frieden. An sichtbaren Fäden hängen in Missa zweihundert schwarze Soldatenstiefelpaare, geordnet in Reih und Glied, zum Marschieren bereit (Abb. 4). Hier wird Krieg nicht erlitten, sondern geführt, ein Ansatz, der seine Berechtigung hat, will man auf die Verantwortung des Einzelnen hinweisen. Doch dies ist es gerade nicht, was die Arbeit erreicht. Stattdessen evoziert sie den unscharfen Begriff der Masse, und zwar einer Täter-Masse, in der der einzelne Soldat eingepfercht ist in das Kollektiv der Täter und gesteuert von einer höheren Macht.

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Dass aber Soldaten willenlose Marionetten einer Führungselite sind, mag für die Kriege der Feudalherren gegolten haben – für den Zweiten Weltkrieg, der hier als Gründungsmythos der europäischen Integration herhalten muss, gilt es nicht. Die Friedensrolle von Gunter Demnig dagegen schreibt europäische Geschichte anhand der Idee des staatsrechtlichen Vertrages. Die Fähigkeit von Reichen, Staaten oder Nationen sich zu verständigen und Frieden festzuschreiben, steht im Mittelpunkt einer etwa vier Meter langen Bleiblechrolle, auf der die Namen sämtlicher Freundschafts- und Friedensverträge, die zwischen den Jahren 260 v. Chr. und 1981 in Europa geschlossen wurden, eingraviert sind. Damit ist zum einen ein konstitutives Merkmal der Geschichte Europas benannt, nämlich der Versuch einer friedlichen Gewaltenteilung, die Europa bis zu deren Ende in nationalistischen und ideologischen Konflikten prägte. Zum anderen zeigt das Kunstwerk die Geschichte Europas als eine Geschichte der fortwährenden Friedensbemühungen. Letzteres ist in einer Ausstellung anschlussfähig, die den Schuman-Plan von 1950 betont, wie der Ausstellungstext (Tempora 2009, 17) erwähnt: „For the first time in the history of Europe, the culture of war has given way to a culture of peace.“ Ist Europa nun eine Geschichte der Kriege, der Friedensbemühungen oder – wie es die eröffnende Sequenz der Ausstellung andeutet – deren Verbindung? Politische Geschichte ist grundsätzlich nicht anders zu denken als in Konflikten und deren möglichen Lösungen. Entscheidend ist vielmehr, dass in C’est notre histoire! über den Umweg der Kunst eine ahistorische Geschichte des Gründungsmythos Europas im 20. Jahrhundert angeboten wird. Wichtig ist, was nicht erzählt wird. Denn der Zweite Weltkrieg war, anders als in der Ausstellung suggeriert, kein Krieg der teilnahmslosen Masse, sondern ein Krieg der Täter auf allen Ebenen. Der Zweite Weltkrieg ist auch nicht bloß als Pervertierung und gleichsam logische Konsequenz eines übersteigerten Nationalstaatsgedankens zu verstehen, sondern auch als ein Krieg gegen die europäischen Juden. Wenn einleitend über die Installation Friedensrolle suggeriert wird, dass der Zweite Weltkrieg und die ihm folgenden Verträge in einer Kontinuität europäischer Friedensbemühungen stehen, die in der EU kulminieren, so blendet dies die Frage nach Tätern und Opfern aus. Die gemeinsame europäische Erinnerung stellt sich im Bild der Kunst als eine von den historischen Tatsachen weitgehend gereinigte Erinnerung dar. Dies strahlt auf die gesamte Ausstellung ab, wie in Kapitel 6 noch zu zeigen sein wird. Claus Leggewies (2011, 188) Plädoyer, die „Angstbilder“ der europä-



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ischen Geschichte in der musealen Darstellung nicht auszusparen, ist von den Musée-Kuratoren nicht beherzigt worden. Kunst und künstlerische Interventionen spielen nicht nur in Museen und Ausstellungen in Westeuropa und nicht nur in Bezug auf die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg eine hervorgehobene Rolle. Auch auf die Frage, wie mit dem Erbe des Kommunismus in Museen in Südosteuropa umgegangen wird, finden Kuratoren und Kuratorinnen mit Hilfe zeitgenössischer Kunstwerke Antworten. Dabei stehen die historischen Museen in Ländern wie Serbien und Slowenien vor einer kulturpolitisch wie ästhetisch schwierigen Aufgabe: Jene Museen, die heute Museum für Regionalgeschichte (Novi Sad), Museum of Recent History (Celje), Museum für die Geschichte des 20. Jahrhunderts (Maribor) oder Museum für Nationalgeschichte (Ljubljana) heißen, waren bis in die neunziger Jahre hinein so genannte Revolutionsmuseen – errichtet, um dem Kampf der kommunistischen Partisanen und dem Nationalisierungsprozess durch den Diktator Josip Tito zu huldigen. Entsprechend geht der historische Umbruch von 1990/91 durch diese Museen und ihre Ausstellungen hindurch. In unterschiedlicher Ausprägung gilt für alle dieser ehemaligen Revolutionsmuseen, was die Direktorin des Museums für Nationalgeschichte in Ljubljana (Interview Fukal) für ihr Haus formuliert: „This is the museum that is still dividing the nation.“ Ein buchstäblich geteiltes Museum findet sich im Museum Vojvodina, dem regionalgeschichtlichen Museum in Novi Sad und seiner Außenstelle, dem Museum für Zeitgenössische Kunst. Das Museum ist in den siebziger Jahren als Revolutionsmuseum von der Regierung in Belgrad geplant und gebaut worden. Nach der Auflösung Jugoslawiens in den Kriegen der neunziger Jahre war das Museum teilweise geschlossen, teilweise einfach von den Besuchern verlassen und einzig dazu da, den verbliebenen Kuratoren und Historikern einen Arbeitsplatz zu geben. Im Jahr 2009 wurde das Museum sodann auf Anstoß der lokalen Kulturpolitik zu einem Museum für Zeitgenössische Kunst umfunktioniert, das sich heute als ein Ort für serbische, südosteuropäische und internationale Kunst präsentiert (Interview Mitrović). Gleichzeitig besteht die Ausstellung des Revolutionsmuseums aus den siebziger Jahren in ihrer Originalfassung fort: in demselben Gebäude, auf derselben Etage – nur auf der Hälfte des Raumes. Die andere Hälfte beanspruchen seit 2009 die zeitgenössischen Kunstausstellungen. Die Ausstellung des Revolutionsmuseums ist lediglich verkleinert worden. Getrennt sind beide Bereiche durch ein geschlossenes Eisengitter. Die Geschichte Jugoslawiens nach dem Zweiten

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Weltkrieg und ihre Darstellung als sozialistische Revolution ist wie ein „dark monster“ (Interview Mitrović) weggeschlossen. Das Kunstmuseum, keine zehn Schritte vom verschlossenen Eingang entfernt, präsentiert sich dagegen im international gültigen Kunstjargon: „devot[ing] special attention to the multicultural model of society and culture in Vojvodina, using it as a base for building relations with other cultures – Hungarian, Slovakian, Romania, Ruthenian, and German.“22 Der Widerspruch zwischen den Geistern der Vergangenheit und der transkulturellen Zukunft wird nicht wahrgenommen. Das Potenzial, durch die zeitgenössische Kunst die komplexe Geschichte Jugoslawiens und Serbiens zu kommentieren und zu konfrontieren, liegt in Novi Sad buchstäblich hinter dem Eisengitter verschlossen. Anders verhält es sich im Museum of Recent History im slowenischen Celje, an dem auch deutlich wird, in welchem Maße die Museen in Slowenien – anders als diejenigen in Serbien – von einer kulturpolitischen Initiative der Niederlande profitiert haben, bei der zwischen 1996 und 2001 Management-Kurse für das Personal in slowenischen Museen durchgeführt wurden (Interview Rabolj). In Celje ist das seit 1963 existierende Revolutionsmuseum kontinuierlich verändert und erweitert worden. War es ursprünglich ein Museum für die Arbeiterbewegung des frühen 20. Jahrhunderts und die Partisanenbewegung, so wurde die Sammlungspolitik des Museums in den siebziger Jahren um zeit- und stadtgeschichtliche Dimensionen erweitert und das Museum im Jahr 1991 in Museum of Recent History umbenannt. Seitdem haben ein Kindermuseum (1995) und eine historische Fotografische Werkstatt als Außenstelle (1996) das Museum vergrößert. Zusätzlich ist eine Gedenkstätte im ehemaligen Gefängnis der Stadt errichtet worden, die an die Ermordung Celjer Bürger während der deutschen Besatzung erinnert. Eine überarbeitete Dauerausstellung ist schließlich 1998 eröffnet worden. Im Jahr 2010 startete das Museum, das entsprechend seiner Geschichte einen breiten Sammlungsbestand zwischen Waffen und Propagandamaterial, Industrie- und Zeitgeschichte besitzt, eine Kunstaktion, um einen Teil der eigenen Sammlung in den Depots auf ungewohnte Art zugänglich zu machen. In Form eines öffentlichen Aufrufs wurde die Bevölkerung von Celje gebeten, dem Museum gebrauchte Küchentöpfe der Firma Emo-Westen zu überlassen. Mit diesen emaillierten Küchenobjekten verbinden sich der industrielle Aufstieg Celjes im späten 19. Jahrhundert sowie eine erfolgreiche Produktgeschichte Jugoslawiens in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Firma Westen, gegründet in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts von einem Westfalen, verstaatlicht nach



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1945, war bis zur Schließung Mitte der neunziger Jahre eine der größten Industrieanlagen Sloweniens. Mit bis zu 3.000 Angestellten war sie für viele Bürger Arbeitgeber gewesen und ist für alle Bewohner der Stadt bis heute ein lokalgeschichtlicher Erinnerungsort, wie die Direktorin des Stadtmuseums Tanja Roženbergar Šega im Interview berichtet. Mit seinem Projekt Don’t throw pots away! (Abb. 5) knüpfte das Museum of Recent History an die Tradition industrieller Produktion und ihrer Bedeutung für die Stadt an. Das Museum stellte im Frühjahr 2010 einen überdimensionierten Plastikbehälter in seinen Eingang und bat die Bewohner Celjes, ihre alten Emo-Töpfe dort hineinzuwerfen. Die auf diese Weise gesammelten sechshundert Töpfe wurden im Folgenden von den Kuratoren des Museums registriert und kategorisiert: „We carefully checked the items and divided them in two categories: the pieces that complement the existing collection and the items that are used for installation purposes and can be changed or damaged by the artists“ (Celje Museum of Recent History 2010, o.S.). Objekte der zweiten Kategorie wurden dann an drei slowenische Künstler weitergegeben. Die Kunstwerke in Form einer Klanginstallation, einer Installation in den Räumen des Museums und einer weiteren in den Archiven sollten laut Roženbergar Šega (2010, 6) einen Dialog mit den Objekten der Sammlung eingehen: „The collection objects preserve memory, their artistic interpretation encourages critical social deliberation.“ In Don’t throw pots away! verbinden sich damit die Ansätze des participative collecting und der künstlerischen Intervention. Über den Aufruf, gebrauchte Dinge mit persönlichem und sozialem Affektionswert dem Museum zu überlassen, sollte auch hier das soziale Band zwischen Museum und Stadt neu geknüpft werden. Über die Verarbeitung der Dinge als Kunst wird ein besonderer Teil der Stadtgeschichte und der Identität Celjes aufgewertet. Der Umgang mit und der Einsatz von zeitgenössischer Kunst variiert, ob man nach Brüssel, Novi Sad oder Celje sieht. Entscheidend ist, dass zeitgenössische Kunst überhaupt vermehrt in historischen Museen und Ausstellungen eingesetzt wird und – wie im Fall des Musée de l’Europe – in ausgewählte Sammlungsstrategien eingeht. Damit verändert sich die Perspektive auf Kunst in historischen Museen. Weder als eine für sich stehende Sammlung, noch als Illustration oder historisches Zeugnis der Geschichte wird in diesen Fällen die Kunst im Museum benutzt, sondern als eine eigenständige Erzählung, die sich genau darüber definiert, dass ihre Aussage im Ungefähren bleibt und so eine narrative Leerstelle bildet.

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Zeitgenössische Kunst im Kontext historischer Museen und Ausstellungen dient als das vielfach zu interpretierende Andere (Racine 2008) und genau deshalb als eine Möglichkeit, die divergierenden Erinnerungen und die Brüche in der europäischen Geschichte – vor allem des 20. Jahrhunderts – auszublenden. In Brüssel wurden die Kunstwerke als Platzhalter für eine Geschichte benutzt, die nicht erzählt wird; in Celje werden die Töpfe und ihre ästhetische Verfremdung als Erinnerungsstücke verwendet, die die Geschichte der Stadt zwischen Habsburger-Monarchie und jugoslawischer Nachkriegszeit, zwischen Industriekultur und ihrem Niedergang spiegelt und gleichzeitig verwischt. Am Beispiel aus Slowenien wird noch einmal deutlich, dass der Prozess der Musealisierung gleichermaßen einem Abwertungs- und Aufwertungsprozess unterliegt. Bevor die entsprechenden Objekte in den Archiven des Museums akzeptiert werden, müssen sie reell weggeworfen werden – ganz entgegen der Aufforderung des Museums, „Töpfe nicht wegzuschmeißen“. Ein überdimensionierter Plastikmüllsack, in dem die alten Töpfe landeten, macht sie zu Kunst. Daraufhin wurde eine zweite Entwertung vorgenommen – diesmal von den Kuratoren des Museums, die jene Objekte auswählten, die durch die Künstler zerstört werden durften. Zur Kunst erhoben wurden die weggeworfenen, wertlosen Töpfe schließlich durch die Anteilnahme eines Publikums, das an der Wertschöpfung mitwirkt, wie Conn (2010, 38) die Verwandlung der Dinge in Kunst beschreibt: „[A]rt, in the absence of any more satisfactory space, is the categorical apotheosis that any object could hope to achieve.“ Kunst und künstlerische Interventionen können also in historischen Ausstellungen als eine Leerstelle benutzt werden. Gerade weil die Liaison von Geschichte und Kunst im Museum eine widersprüchliche Verbindung eingeht (Bogh 2008), kann zeitgenössische Kunst in historischen Ausstellungen benutzt werden, um schwierige Narrative der Geschichte darzustellen, ohne sie zu benennen. Weil darüber hinaus, wie Arnold Gehlen (1960) beobachtet hat, moderne Kunst kommentarbedürftig ist, kann (und muss) die fehlende Eindeutigkeit der Werke kommentiert werden. In Brüssel geschieht dies vor dem Hintergrund einer teleologischen Perspektive auf die europäische Integration, die die Geschichte (des Zweiten Weltkriegs) konsequent entleert. In Celje hingegen wird über die Einbindung des Publikums versucht, dem pluralisierten Geschichtsverständnis der Gegenwart Rechnung zu tragen. Auch wenn es im Museum of Recent History in Celje nicht explizit um die Geschichte Europas geht, so bietet das Projekt Don’t throw pots away! einen Umgang mit Kunst in historischen Mu-



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seen und Ausstellungen an, der den Produktions- und Konstruktionscharakter von Kunst wie von Geschichte nachvollziehbar werden lässt.

Die Logik einer europäischen Sammlung

Die Beispiele haben deutlich gemacht, dass es eine gemeinsame Sammlungsstrategie mit Blick auf Europa nicht gibt. Stattdessen können wir unterschiedliche lokale und regionale Praktiken verfolgen, die sich jeweils in einen europäischen Rahmen einschreiben. Abschließend soll nun jedoch ein Projekt beschrieben werden, dass sich sehr wohl an einer expliziten Sammlung Europas versucht. In einer 2010 von ICOM Europe herausgegebenen Publikation Reflecting Europe in its Museum Objects findet sich in der Rubrik Daily Life die Abbildung eines blauen Mülleimers (Abb. 6). Die beigefügten Katalogdaten weisen dieses Objekt als einen Eimer aus Novosibirsk aus, „second half of the 20th century“ (ICOM Europe 2010, 64). Das Objekt befindet sich im Besitz des Ethnographischen Museums in Genf in der Schweiz. Daran schließt sich nicht nur die Frage an, wie der russische Mülleimer in das Schweizer Museum gelangte und warum er dort gesammelt und ausgestellt wird, sondern auch die Frage, warum er daran anschließend Aufnahme in die Metasammlung von ICOM Europe gefunden hat und hier davon zeugen soll, dass sich Europa in ausgewählten Objekten der Museen reflektieren könne. Warum ist ein blauer Mülleimer aus Sibirien ein europäisches Museumsobjekt? Weil Dinge nicht reden können, ist dem Objekt aus dem Genfer Museum ein erklärender Text beigefügt. Zwei Argumente sollen helfen, aus dem Gegenstand aus Novosibirsk ein europäisches Objekt zu machen. Zum einen wird der Mülleimer als ein Zeichen der europäischen Kulturgeschichte definiert (ICOM Europe 2010, 64): „The bin is a fairly recent companion of European societies and carries many historical, economical and cultural implications. It hides away the impure remains of daily life, depriving them of value in a reorganisation of everyday living space.“ Weil Müll zu sammeln und Müll zu verwerten ein Teil der europäischen Alltags- und Kulturgeschichte sei, könne ein Gegenstand, der diesen Prozess anschaulich mache, als ein europäisches Objekt gelten. Zum anderen wird sein konkreter Transfer – aus Sibirien in die Schweiz – thematisiert und dieser Übergang als Zeichen des ehemaligen Ost-West-Konflikts gedeutet. Als eine Erinnerung an eine nicht mehr vorhandene politische Grenze hält das Objekt die Geschichte des Kalten Krieges in Europa präsent.

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Europa sammeln

Darüber hinaus besticht der Text des Genfer Museums durch eine Anekdote, die den Prozess der Musealisierung beleuchtet, dem jeder Gegenstand unterworfen ist, der in einem Museum gesammelt, archiviert und ausgestellt wird (ICOM Europe 2010, 64, im Original kursiv): „The abduction of this (now) Russian bin into a Swiss museum was greeted with incredulous laughter. Yet one cleaning lady at the site called it ,the only thing left here that had any value‘.“ Ohne es selbst ahnen zu können, verweist die – russische? – Putzfrau auf ein konstituierendes Moment der kulturellen Wertschöpfung, wie sie Michael Thompson in seiner Mülltheorie verhandelt hat. Mit dieser Theorie beschreibt Thompson, wie der kulturelle Umgang mit Gegenständen dynamisiert wird. Dabei geht er von zwei diametralen Eigenschaften aus, die den Dingen zugewiesen werden können (Thompson 2003, 29): „In unserer Kultur sind Gegenstände entweder ‚vergänglich‘ oder ‚dauerhaft‘.“ Entsprechend bilden sich Räume und Institutionen des Vergänglichen – Kaufhäuser, Straßenzüge, Zeitungen – wie auch Räume und Institutionen des Dauerhaften: Bibliotheken, Museen, Archive. Thompsons Analyse weist den Kategorien des Vergänglichen wie des Dauerhaften spezifische soziale Charakteristika zu, da Objekte des Dauerhaften an Wert gewinnen, während Objekte des Vergänglichen mit der Zeit an Wert verlieren, wie es Thompson (2003, 29) beschreibt: „Die Barock-Kommode zum Beispiel gehört der Kategorie des Dauerhaften an, das gebrauchte Auto dagegen der Kategorie des Vergänglichen.“ Der Wertschöpfungsprozess der Dinge, der Prozess also, der die Dinge in den oben genannten Kategorien verortet, vollzieht sich als eine kulturell produzierte Rahmung entlang der Begriffe Authentizität, Historizität und kulturelle Signifikanz (Carman 2010). Eine handgefertigte und möglicherweise seltene Kommode aus dem Frühbarock ist kulturell und in vielen Fällen auch monetär mehr wert als ein seriell gefertigter Gebrauchtwagen. Der entscheidende Beitrag Thompsons ist die Frage nach den Möglichkeiten eines Transfers zwischen den beiden Bereichen. Wie kann es geschehen, dass vergängliche Dinge – ein Mülleimer – zu Objekten des Dauerhaften – einem Museumsobjekt – werden, wenn der Unterschied zwischen Dauerhaftem und Vergänglichem aus kulturellen und ökonomischen Gründen stabil gehalten werden soll? Der Müll ist es, so Thompson (2003, 31), der für die notwendige Dynamisierung zwischen den beiden Räumen sorgt. Indem ein Objekt aus der Kategorie des Vergänglichen immer weiter an Wert verliert, wird es schlussendlich zu Müll: „Ich glaube, dass ein an Wert und erwarteter Lebensdauer allmählich abnehmendes vergängliches Objekt in die Kategorie Müll hinübergleiten kann.“ Erst dann – und genau dann – kann es als wertvoll entdeckt werden und so zu einem



Strategien und Aporien transnationaler Sammlungspraxis

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Objekt im Archiv des Dauerhaften werden. Der Mülleimer aus Novosibirsk – ein vergänglicher Gegenstand – ist in dieser Lesart selbst zu Müll geworden. Ein Blick auf den Gegenstand bestätigt dies: Die blaue Farbe des Mülleimers ist an mehreren Stellen abgeplatzt, Rostflecken überziehen ihn genauso wie Schrammen und Beulen. Im Verlauf seiner Musealisierung können ihm nun mehrere dauerhafte Eigenschaften zugeschrieben werden – so etwa, dass er ein Gegenstand europäischer Alltagsgeschichte sei, den Ost-West-Konflikt symbolisiere und durch seine Anwesenheit in einem Schweizer Museum ironisch kommentiere und er somit geeignet sei, in einer Metasammlung europäischer Objekte aufzutreten. So wohnen wir zwar nicht der Geburt einer Nation, aber doch der Geburt eines europäischen Objekts bei. Das Museum in Genf, die Herausgeber der ICOM-Publikation wie auch die Betrachter stellen die dauerhaften Werte des blauen Mülleimers als europäisches Objekt her und aus (Thompson 2003, 30): „Wir müssen erkennen, dass die Eigenschaften, die Objekten zugesprochen werden, ihnen von der Gesellschaft selbst verliehen werden.“ Der blaue Mülleimer aus Novosibirsk findet sich in einem von elf Kabinetten, die gemeinsam eine Erzählung Europas konturieren: Beginning, Belief and Religion, Art and Culture, Exchanges, Technical Innovations, Daily Life, Power, War, Migrations, Borders und Towards United Europe. Alle 48 Objekte in dieser Metasammlung werden auf die eine oder andere Weise als europäisch definiert – weitere Beispiele daraus werden in Kapitel 7 beleuchtet. Der Bogen der Erzählung spannt sich dabei von imaginierten europäischen Ursprüngen – anhand von Objekten aus der Prähistorie – bis zu einer als ideal gedachten europäischen Einigung. In der abschließenden Kategorie Towards United Europe sind zwei der drei ausgewählten Objekte zeitgenössische Kunstwerke. Jörg Franks Bild Europa: Work in Progress, das sich im Besitz des Musée de l’Europe befindet, beschließt die Metasammlung europäischer Objekte. Reflecting Europe in its Museum Objects ist eines der wenigen Beispiele, an dem explizit verfolgt werden kann, wie europäische Objekte heute gemacht werden. Die Musealisierung Europas vollzieht sich hier nur im Kontext der Publikation, da der Prozess der Musealisierung einer andauernden Aktualisierung bedarf (Maranda 2009, 256), für die traditionell die Institutionen des Dauerhaften sorgen. Genau weil diese Sammlung sich selbst an keinem Ort außerhalb der Publikation materialisiert und in diesem Sinne gar keine Sammlung ist (Ambrose und Paine 2010, 135), ist sie ein Beispiel für die Logik einer europäischen Sammlung: für deren kulturpolitische und ästhetische Strategien genauso wie für ihre Aporien.

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Übergreifend bewegt sich die Europäisierung von Objekten und Sammlungen in einem Feld, in dem die Möglichkeiten und Qualitäten von Objekten und Sammlungen neu definiert werden. Europäisierung bildet eine der Möglichkeiten, an diesem Umschreibungsprozess teilzunehmen und ihn teilweise zu steuern. Dabei muss es nicht unbedingt zu innovativen Umformulierungen der Sammlungspraxis kommen: Objekte wie den blauen Mülleimer sammeln die Museen Europas (und weltweit) seit mehr als vierzig Jahren, in denen sie intensiv auf Aspekte der Alltags-, Industrie- und Massenkultur geblickt haben. Dennoch zeigt das asymmetrische Verhältnis zwischen Europäisierung und Musealisierung Folgen für die Sammlungspraxis und für den Objektbegriff. Im Versuch, jegliche essentialistische und homogene Wertzuschreibung zu vermeiden, favorisieren als europäisch gerahmte Sammlungspraktiken einen Objektbegriff, der in diesem Kapitel als relational definiert wurde. Durch ein relationales Objektverständnis werden weniger die Autonomie und Bedeutsamkeit des epistemischen Objekts betont. Vielmehr werden die vermittelnden Funktionen musealer Objekte in den Mittelpunkt gerückt, die – wie die Beispiele aus den Bereichen participative collecting, europäischer Leihverkehr und kulturelle Route gezeigt haben – immer gleichzeitig hergestellt und dargestellt werden. Weil eine mögliche Europäisierung der Objekte und Sammlungen zugleich weit davon entfernt ist, dominante Züge im musealen Feld zu entwickeln, besteht eine europäisch ausgerichtete Sammlungspolitik und -praxis nicht als eine Strategie und erst Recht nicht als eine gemeinsame. Stattdessen sind es einzelne Akteure und kulturpolitische Motive im Museumsfeld, die auf Europäisierung abzielen. Abhängig von den nationalen oder regionalen, den lokalen oder globalen Zuschreibungstraditionen können Europa und die europäische Integration dabei anhand ausgewählter Objekte in spezifischen Themengebieten wie Krieg, Migration oder Grenzen gefasst werden. Die derart europäisch kontextualisierten Objekte sind aber primär über ihre ursprünglichen Bedeutungszusammenhänge definiert – Zusammenhänge, die ebenfalls durch einen historischen Zuschreibungsprozess entstanden sind und eine starke Eigenlogik und Erklärungskraft besitzen. Weiterhin ist zu beobachten, dass die Europäisierung der Sammlungspraxis auf Modelle reagiert, die im nationalen oder regionalen Rahmen erprobt wurden. Die Digitalisierung der musealen Sammlungen und Archive geht auf ein französisches Vorbild zurück, der Austausch und die Neuordnung des Leihverkehrs von Objekten auf in den Niederlanden entwickelte Modelle und die Route



Strategien und Aporien transnationaler Sammlungspraxis

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der Industriekultur in Nordrhein-Westfalen bildet das Muster für die Konzeption einer europäischen Route der Industriekultur. Die Europäisierung im Feld der Sammlungspolitik und -praxis wird schließlich von den nationalen oder regionalen Akteuren und Institutionen als Ausweis einer übergreifenden Modernisierung der Idee des Museums benutzt, die sich anhand der Leitideen einer gesellschaftlichen Öffnung und Relevanz der Museen sowie der Sichtbarkeit und Benutzbarkeit der Sammlungen orientiert: Gemeinsames, inkludierendes Sammeln solle die (Macht-)Strukturen der Institution Museum herausfordern und langfristig transformieren; die Digitalisierung verspreche eine enzyklopädische Übersicht für das 21. Jahrhundert; transnationaler Austausch und europäische Routen lösten die Statik der Sammlungen und Objekte auf; zeitgenössische Kunst erzähle Geschichte neu. Das folgende Kapitel 6 knüpft hier an: Es blickt auf die Narrationen der europäischen Geschichte, vor allem der Geschichte der europäischen Integration, wie sie im Museum entworfen werden.

6 Europa erzählen: Narrative der europäischen Integration

Kunst im Museum kann die Narration konfliktreicher Geschichte glätten helfen, wie im vorausgegangenen Kapitel 5 deutlich wurde. Mit diesem Ziel haben die Kuratoren der Ausstellung C’est notre histoire! in Brüssel Kunst vor allem im Eingangsbereich eingesetzt. Sie grenzen damit die (west-)europäische Integration nach 1945 – das Thema der Ausstellung – von dem ab, was als konfliktreiche dunkle Vorzeit erscheint (Tempora 2007). Das Kriegsende markiert dem erläuternden Ausstellungstext zufolge ein „Jahr Null“ und die Integration einen vollkommenen Neubeginn: „For the first time in the history of Europe, the culture of war has given way to a culture of peace.“ Konsequent ignorieren die Kuratoren damit den geschichtswissenschaftlichen Forschungsstand und die Ergebnisse der zumindest im nationalen deutschen Kontext teilweise öffentlichen Debatten über die vermeintliche Stunde Null und strukturelle und personelle Kontinuitäten über den Zweiten Weltkrieg hinweg – wie sie in Deutschland 2010 erneut in der wieder aufgeflammten Diskussion über das Auswärtige Amt nach 1949 thematisiert wurden. Doch auch in der europäischen Integration gab es solche Kontinuitäten. Das gilt etwa für die Beamten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die teilweise schon in den internationalen Kartellen der Zwischenkriegszeit und während der Besatzung kooperiert hatten (Seidel 2010a). Im Übrigen ist die europäische Integration ähnlich konfliktreich wie nationale Einigungsprozesse im 19. Jahrhundert. Was eigentlich erzählt werden soll, ist somit für museale Narrationen der Geschichte der europäischen Integration bei näherer Betrachtung eine sehr kontroverse Frage. Wenngleich die so genannten Gründerväter der EGKS und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) meinten, Europa zu einigen, waren andere felsenfest davon überzeugt, diese spalteten Deutschland für immer oder Westeuropa auf lange Sicht. Obschon manche Christdemokraten die Festlegung im EWG-Vertrag auf gleiche Löhne für Männer und Frauen als progressiv und die Marktintegration als Motor sozio-ökonomischen Fortschritts betrachteten, sahen viele skandinavische Sozialdemokraten die neuen Organisationen in Luxemburg und Brüssel als konservativ und katholisch dominiert an. Sie fürchte-



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ten, dass die EGKS/EWG unter den Einfluss der römischen Kirche gelangen und mit den Strukturen ihrer nationalen Wohlfahrtsstaaten unvereinbar sein könnte. Während die EWG eine Zollunion und später einen Binnenmarkt schuf, der den wirtschaftlichen Austausch im Innern erheblich erleichterte, hat sich die heutige Europäische Union (EU) nach außen immer wieder selektiv wirtschaftlich abgeschottet – am eklatantesten mit dem subventionierten Export ineffizient produzierter Lebensmittel. Wiewohl viele EU-Bürger neue wirtschaftliche, soziale und kulturelle Chancen im erweiterten Europa genutzt haben und weiterhin nutzen, haben andere durch den erhöhten Wettbewerb ihren Arbeitsplatz verloren und wünschten sich die EU lieber heute als morgen abgeschafft. Wenngleich das Schengener Abkommen die grenzüberschreitende Mobilität erleichtert hat, sind die Außengrenzen der EU undurchlässiger geworden. Obwohl die EU glaubt, universelle demokratische Normen und Werte zu exportieren (Manners 2002), sehen dies manche von außen – zum Beispiel in den früheren Kolonien – lediglich als rhetorische Strategie, um ein neues gesamteuropäisches „Empire“ (Zielonka 2006) zu errichten. Diese Liste von teils hitzig ausgetragenen Konflikten in der und über die europäische Integration seit dem Zweiten Weltkrieg ließe sich beliebig fortsetzen. Doch für die museale Darstellung der Integration ist nicht nur wichtig, was (und was nicht) erzählt wird, sondern auch, wo es erzählt werden kann. Im 19. Jahrhundert gründeten Staaten erstmals nationale Museen, die der eigenen Selbstvergewisserung und Eigendarstellung dienten, wenngleich manche von ihnen erst nach und nach explizit die eigene nationale Geschichte zu thematisieren begannen. Dagegen trifft die europäische Integration als museales Thema auf eine riesige Infrastruktur bestehender Museen mit verschiedenen Geldgebern und Funktionen. Europäisierung als kulturelle Praxis der Geschichtsnarration im Museum wird sich schon deshalb nicht auf einige Großprojekte für eine separate Behandlung der europäischen Integration in langfristiger historischer Perspektive wie das geplante House of European History (HEH) in Brüssel beschränken. Vielmehr wird sich eine mögliche Europäisierung von Geschichtsnarrationen vor allem auch in anderen Museumstypen widerspiegeln, in denen sich Erzählungen europäischer (Zeit-)Geschichte als gemeinsamer Geschichte eher in bestehende nationale, regionale oder thematische Narrative einschreiben werden, als diese zu überschreiben. Daher ist es für die Analyse musealer Narrative der Integration wichtig, auch diese anderen Museen einzubeziehen: Museen nationaler (Zeit-)Geschichte wie das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin oder das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-

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land in Bonn; Museen regionaler Geschichte wie in Edinburgh, Stuttgart, Barcelona und Meran; Themenmuseen wie das Europäische Museum Schengen – das erste Museum, das einem Politikfeld der EU gewidmet ist – und Technik- und Kriegsmuseen; sowie schließlich die bereits in Kapitel 4 erwähnten gemischten Gedenkstätten und Museen für die Gründerväter der heutigen EU. Nicht nur, was (welche Aspekte europäischer Dimension) wo (in welchen neuen oder bestehenden musealen Kontexten), sondern auch wie es erzählt wird, ist für dieses Kapitel erkenntnisleitend. Bis zur Narrativitätsdebatte, die in den achtziger Jahren einsetzte (Lorenz 1997, 170ff.), glaubten die meisten Historiker daran, dass eine so genannte Meistererzählung möglich, sinnvoll und gesellschaftlich sinnstiftend wäre, das heißt „eine kohärente, mit einer eindeutigen Perspektive ausgestattete und in der Regel auf den Nationalstaat ausgerichtete Geschichtsdarstellung, deren Prägekraft nicht nur innerfachlich schulbildend wirkt, sondern öffentliche Dominanz erlangt“ (Jarausch und Sabrow 2002b, 16). Was Konrad Jarausch und Martin Sabrow (2002b, 12) als „historischen Monismus“ bezeichnet haben, kennzeichnete dabei jedoch eher jede einzelne dieser Meistererzählungen. Denn in pluralistischen Wissenschaftssystemen konkurrieren verschiedene Erzählweisen des Vergangenen miteinander. Es bilden sich Konjunkturen, in denen einzelne Meistererzählungen zeitweise eine hegemoniale Position erlangen können. Teilweise auf andere einschlägige Literatur zurückgreifend, haben Jarausch und Sabrow (2002b, 17f.) sechs Charakteristika von Meistererzählungen als dominante Erzählweise des Vergangenen innerhalb einer kulturellen Gemeinschaft ausgemacht. Zwei von diesen sind für Europäisierung als kulturelle Praxis besonders relevant. Hierzu zählt erstens ihr „Bezug zu den sozialen Praxen der Traditionsstiftung und Geschichtspolitik“ (Middell, Gibas und Hadler 2000, 24). Versuche einer solchen Traditionsstiftung können in verschiedenen kulturellen Räumen und Institutionen erfolgen, also etwa in populärwissenschaftlichen Geschichtsdarstellungen, in Schulbüchern, Geschichtswettbewerben, im Theater und Fernsehen. Vor allem ist jedoch das Geschichtsmuseum ein geeignetes Forum, in dem Kuratoren, die in vielen Fällen selbst gelernte Historiker sind, Narrationen für ein breites Publikum museal formulieren. Aus strukturellen Gründen sind Museen gezwungen, für diese Narrationen die Komplexität historischer Entwicklungen zu reduzieren. Sie haben nur begrenzten Raum, ein bestimmtes Repertoire musealer Darstellungsformen und Besucher mit wenig oder gar keinem Vorwissen. Für Kuratoren, die mit normativer Absicht eine Meistererzählung museal konstruieren wollen, ist es unter solchen strukturellen



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Bedingungen allerdings auch besonders leicht, eine Form der Geschichte zu erzählen, die „very simple and easy to remember“ ist – wie dies für das Musée de l’Europe geplant war (Interview Pomian). Zweitens entfalten dominante Meistererzählungen soziale Macht, das heißt sie beeinflussen in Konkurrenz mit anderen Geschichtsnarrationen erfolgreich gesellschaftliche Gruppen und Akteure. Hierzu zählen zunächst die von uns so bezeichneten Kulturunternehmer, die neue Inhalte und Formen historischer Erzählungen im Museum aufgreifen, museal umformen und als kulturelle Mittler über institutionelle und nationale Grenzen hinweg verbreiten. Junge Praktikanten und Kuratoren können aus ihrem Hochschulstudium neue Erkenntnisse und Narrationen in museale Diskussionskontexte einbringen und bestehende Erzählungen modifizieren. Historiker in Beiräten tragen ebenfalls dazu bei, den zeitlichen Verzug der Diffusion neuer Narrationen aus wissenschaftlichen Debatten in die Museen, die ihre Dauerausstellungen bestenfalls alle fünf bis zehn Jahre überarbeiten können, zu begrenzen. Vor allem können Museen über die Experten historischer Narrationen hinaus eine größere Breitenwirkung selbst als populärwissenschaftliche Bücher erzielen, die in hoher Auflage erscheinen. Museen werden daher nicht nur von dominanten Meistererzählungen in ihren eigenen Geschichtserzählungen geprägt. Sie können diese vielmehr selbst aktiv mit gestalten. Meistererzählungen sind in der Geschichtswissenschaft allerdings umso mehr in Misskredit geraten, je stärker Historiker geschichtstheoretische und -philosophische Kritik daran aufgenommen haben. So hat Michel Foucault (1969) vor allem gegen Fortschrittsoptimismus als ein Kernelement europäisch-westlichen Denkens polemisiert, der in den teleologischen Erzählmustern vieler Meistererzählungen durchscheine. In seiner radikal de-konstruktivistischen Kritik hat Jean-François Lyotard (1985) sich gleichermaßen gegen den idealistischen wie den marxistischen Geschichtsdeterminismus gewandt, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert hatten, aber bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wirkungsmächtig waren. In dieser Perspektive erscheinen kohärente Geschichtsdeutungen überhaupt unmöglich. Beginnend mit Debatten in den Vereinigten Staaten haben vor allem feministische Historikerinnen und dunkelhäutige Historiker diese Fundamentalkritik an Meistererzählungen als so etwas wie kollektive Autobiographien europäischer bzw. europäisch-stämmiger Männer entwickelt. Wenngleich diese Perspektive vor allem in Europa nicht immer die Erzählpraxis transformiert hat, kommt doch inzwischen keine Geschichte Europas ohne einen Kotau vor dieser Kritik am tatsächlichen oder vermeintlichen Eurozentrismus solcher Darstellungen aus.

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Der Niedergang vor allem nationalhistorischer Meistererzählungen spiegelt sich in einer oft pluralistischen und teilweise radikal de-konstruktivistischen Erzählweise mancher neuen Museen und Dauerausstellungen wider. Allerdings hat Jörn Rüsen (1998, 23) aus einer dezidiert normativen Perspektive gewarnt, ohne Meistererzählungen könne es keine kulturelle Identität geben. Analog könnte man schließen, dass ohne eine Europäisierung von Meistererzählungen auch keine europäische kulturelle Identität möglich ist. Wie Kapitel 3 und 4 gezeigt haben, ist eine Stärkung einer solchen europäischen kulturellen Identität gerade ein Motiv neben anderen, warum staatliche und gesellschaftliche Akteure eine Europäisierung des Museumsfeldes und ihrer kulturellen Praxis betreiben. Als Kulturinstitutionen könnten Museen daher grundsätzlich einen allmählichen Wechsel von nationalen zu europäischen Meistererzählungen befördern. In ihrer Genese und Tradition sind sie institutionelle Horte der Sinnstiftung durch die museale Umformung und gesellschaftliche Vermittlung von Meistererzählungen. Sie können dazu beitragen, kollektive Erinnerungskulturen (Assmann 2006; Halbwachs 1925) zu formen und zu bewahren, um auf diese Weise eine Identifizierung von Menschen in einer Gesellschaft mit politischen Institutionen und Praktiken zu fördern – in diesem Fall denjenigen der EU. Vor allem erwarten viele Besucher offenbar nach wie vor, dass Museen eingängige Erzählungen ausstellen. So berichten etwa die Kuratoren im Haus der Geschichte in Bonn, gemäß Befragungen wollten die meisten Besucher keine womöglich schwieriger zugängliche thematische Gliederung, sondern eine eingängige chronologische Narration (Interview Kraus). Dabei geben die meisten Besucher den Kuratoren einen Vertrauensvorschuss, „ein rechtes Verständnis aufgearbeiteter, aufbereiteter Überlieferung“ zu haben und danach ihre Ausstellungen zu konzipieren – ein Verständnis, von dem Bernward Deneke (1990, 79) schon vor langem vermutete, es werde von Museumspraktikern mit einem Fetisch für das Objekt „vernachlässigt“. Wie Museen die Geschichte der europäischen Einigung im weitesten Sinne als gemeinsame Geschichte erzählen, wird in diesem Kapitel behandelt. Kohärente europäische Meistererzählungen, die bereits eine transnationale gesellschaftliche Dominanz erlangt hätten, gibt es angesichts der noch immer stark verankerten nationalen Narrative bisher nicht – wohl aber wenigstens zwei Ansätze, solche Meistererzählungen zumindest konzeptionell zu entwickeln, die hier zunächst analysiert werden: die Erzählung europäischer Geschichte als eine solche alternierender Phasen der Einheit und Konflikte im Musée-Projekt sowie die Darstellung der heutigen EU als eine zeithistorisch gewachsene, hochgradig



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institutionalisierte trans- und supranationale Verfassungsordnung im Bericht des HEH-Sachverständigenausschusses. Wichtiger erscheinen allerdings vorerst unterschiedliche Formen der Einschreibung europäischer Integrationsgeschichte in verschiedene bestehende Museen und Museumstypen: vor allem die Thematisierung der Integration als institutionalisierter Schutz einer kulturellen „Einheit in Vielfalt“ und die Erzählung von Geschichten, die bestimmten Politikfeldern zugeordnet werden können, auf denen die heutige EU über Kompetenzen verfügt und von daher mit gedacht und oft auch museal mit behandelt wird. Genauso wichtig wie die Inhalte solcher Erzählungen der europäischen Einigung sind jedoch die Erzählformen, die anschließend diskutiert werden. In den Museen, die Integrationsgeschichte thematisieren, spielen vor allem verschiedene Varianten der biographischen Narration eine zentrale Rolle: einerseits die Erzählung der Anfänge westeuropäischer Integration nach 1945 als eine außerordentliche Leistung der so genannten Gründerväter der heutigen EU sowie andererseits die Darstellung der Integration als Summe transnationaler sozialer Erfahrungen von EU-Bürgern. Benötigen Europa und die EU jedoch eine neue europäische Meistererzählung, wie es zumindest das Musée-Team und das HEH-Projekt anstreben? Welchen Beitrag könnten Museen dazu leisten, eine solche zu entwickeln und gesellschaftlich zu verankern? Aufbauend auf der vorausgegangenen Analyse europäischer Geschichtsmuseen werden diese Fragen zum Schluss des Kapitels diskutiert. Dabei wird deutlich, dass starke strukturelle Barrieren eine baldige Europäisierung von historischen Narrativen im Museum unwahrscheinlich machen, die sodann zu einer Europäisierung von national, regional oder lokal geprägten Erinnerungskulturen beitragen könnte. Perspektivisch denkbar erscheint allerdings ein bequemer Tauschhandel zwischen den gegensätzlichen Erinnerungskulturen Ost- und Westeuropas, bei dem der in Osteuropa beliebte Topos des Totalitarismus mit demjenigen der Integration zu einem europäischen Leidensund Heldenmythos des 20. Jahrhunderts verknüpft werden könnte.

Einheit und Konflikt: Vom Ende der europäischen Geschichte

Ein kohärentes Deutungsangebot europäischer (Integrations-)Geschichte mit dem Anspruch einer neuen europäischen Meistererzählung, die nationale Narrationen ablösen könnte, hat bisher nur das Team des Musée de l’Europe gemacht. In seinem Konzept Museum of Europe. A Shared History for a Common Future

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(Tempora 2003) schlug es vor, die Narration europäischer Geschichte im damals noch für das Europäische Parlament (EP) geplanten Museum sollte im Jahr 1000 einsetzen. Dieses Jahr markiere den weitgehenden Abschluss der Christianisierung Europas und den Beginn einer „supranational community of the literary elites, both clerical and lay, bound together by the faith, the language of learning and their ancient modes“. Mit diesem Vorschlag, die Erzählung europäischer Geschichte nicht etwa in der Antike, sondern mit der behaupteten Glaubenseinheit um das Jahr 1000 beginnen zu lassen, entschied das Musée-Team zwei zentrale Fragen mehr implizit als explizit. Die erste betrifft die geographische und kulturelle Reichweite Europas. Anknüpfend an Krzysztof Pomians Abhandlung Europa und seine Nationen (1992), erscheint es weitgehend identisch mit dem römisch-katholischen Europa und schließt die oströmisch-byzantinische Kirche und das von ihr beeinflusste Territorium de facto aus. Die formelle Kirchenspaltung erfolgte zwar erst mit dem Schisma von 1054, also nach der Jahrtausendwende, aber die christliche Kirche hatte sich längst seit dem 5. Jahrhundert nach und nach entzweit. Nur indem man dieses Problem übergeht, funktioniert die narrative Verklärung einer vermeintlichen Glaubenseinheit Europas im Hochmittelalter. Diese stark katholisch geprägte Narration schließt fast nahtlos an „abendländische“ Vorstellungen vor allem unter katholischen Historikern, Publizisten und Anhängern europäischer Verständigung aus der Zwischenkriegszeit und frühen Nachkriegszeit an, die mit der von ihnen favorisierten Integration (West-) Europas an eine solche frühere christliche Kultureinheit Europas anknüpfen wollten. Indem es eine römisch-katholische Glaubenseinheit Europas im Hochmittelalter als Ausgangspunkt wählt, schafft das Musée-Team außerdem eine geeignete Grundlage seiner präferierten Darstellung europäischer Geschichte. Danach hat europäische Geschichte in den letzten 1000 Jahren zwischen Phasen der Einheit und solchen der Gegensätze und Konflikte alterniert. Nach der Glaubenseinheit im Mittelalter kamen die von der Reformation initiierte Glaubensspaltung und die Religionskriege. Auf die erneute Einheit in der Aufklärung, in der mit dem französischen Philosophen Montesquieu die Staaten nur mehr Provinzen einer europäischen Republik der Gelehrten waren, folgten ein Zeitalter der Revolutionen, des Nationalismus und der Ideologien und schließlich die beiden Weltkriege. Das Ende des Zweiten Weltkriegs markierte sodann gemäß der Ausstellung C’est notre histoire! ein „Jahr Null“ und den Beginn einer neuen, dritten Phase europäischer Einheit.

1 Ausstellung C’est notre histoire!, Breslau 2009, Copyright: Musée de l’Europe, Brüssel. Vgl. S. 37, 163.

2 Ausstellung Döner, Dienste und Design – Berliner UnternehmerInnen, Museum Europä­ ischer Kulturen, Berlin 2009/2010, Copyright: Museum Europäischer Kulturen, Berlin. Vgl. S. 107.

3 Ankerpunkte-Karte, European Route of Industrial Heritage 2006/2007, Copyright: European Route of Industrial Heritage. Vgl. S. 124.

4 Missa, 1992, Copyright: Dominique Blain. Vgl. S. 127.

5 Poster Don’t throw pots away!, Museum of Recent History, Celje 2010, Copyright: Museum of Recent History, Celje. Vgl. S. 131.

6 Poubelle bleue, Museum of Ethnography, Genf 2009, Copyright: Museum of Ethnography, Genf. Vgl. S. 133.

7 Welche Zukunft hat Europa?, Dauerausstellung, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2011, Copyright: Wolfram Kaiser. Vgl. S. 155.

8 Bulgariens Beitritt zur EU und zur NATO, The National Museum of History, Sofia 2010, Copyright: Nikolai Vukov. Vgl. S. 155.

9 Raum zum Schuman-Plan, Ausstellung C’est notre histoire!, Brüssel 2007/2008, Copyright: Musée de l’Europe, Brüssel. Vgl. S. 159.

10 Gedenken an einen „Gründervater“, Maison de Robert Schuman, Scy-Chazelles 2010, Copyright: Wolfram Kaiser. Vgl. S. 160.

11 Mythenrad, Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich 2010, Copyright: Wolfram Kaiser. Vgl. S. 168.

12 Foyer, Dauerausstellung, Cité Nationale de l’histoire de l’immigration, Paris 2009, Copyright: Kerstin Poehls. Vgl. S. 192.

MigMap - Governing Migration

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13 Karte Akteure von MigMap – Governing Migration. Eine virtuelle Kartografie der Europäi­ schen Migrationspolitik, Ausstellung Projekt Migration, Kölnischer Kunstverein, Köln 2005, Copyright: TRANSIT MIGRATION/Labor k3000. Vgl. S. 194.

http://www.transitmigration.org/migmap/home_map1.html

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14 Digitale Kartierung europäischer Grenzverläufe, Europäisches Museum Schengen, Schengen 2010, Copyright: Wolfram Kaiser. Vgl. S. 196.

15 Kofferinstallation, Ausstellung Destination X, Museum of World Culture, Göteborg 2010/2012, Copyright: Kerstin Poehls. Vgl. S. 203.

16 Sektion Zeitgeschichte, Dauerausstellung, Museum of London, London 2011, Copyright: Wolfram Kaiser. Vgl. S. 217.



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Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive ist diese geplante, aber bisher nicht museal umgesetzte Meistererzählung wechselnder Phasen von Einheit und Konflikten in der europäischen Geschichte in doppelter Hinsicht von der französischen Annales-Schule und Historikern wie Fernand Braudel geprägt (Interviews Pomian, von Plessen). Zum einen betrifft dies die Entscheidung für eine Perspektive der longue durée, bei der die europäische Integration der Nachkriegszeit als eigentliches Kernthema des geplanten Museums bis zur römisch-katholischen Glaubenseinheit um das Jahr 1000 zurückverfolgt wird. Zum anderen bezieht sich das Musée-Team in seiner vorgeschlagenen Narration stärker auf langfristige und schwerfällige sozio-ökonomische und vor allem kulturelle Strukturen europäischer Geschichte denn auf zentrale Ereignisse. Allerdings ist diese strukturgeschichtliche Perspektive des Plans für ein Museum in der Ausstellung C’est notre histoire! durch den biographischen Ansatz gebrochen, die Einigungsgeschichte vornehmlich aus der Perspektive der so genannten Gründerväter und einzelner EU-Bürger zu erzählen. Laut Pomian ist dies nicht nur museumsdidaktischen Erwägungen geschuldet, sondern reflektiert auch seine im Laufe der Zeit gewachsene Überzeugung „that historical processes cannot explain what we really deal with in history“ (Interview Pomian). Wie im Plan für das größere Museum bildet die europäische Integration nach 1945 in der Ausstellung C’est notre histoire! den Kulminationspunkt der Meistererzählung alternierender Phasen von Einheit und Konflikten. In Pomians geschichtsphilosophischer Sicht kann auch diese neuerliche europäische Einheit durchaus eines Tages zerbrechen.1 Da das Musée-Team jedoch zunächst einmal selbst zur kulturellen Konsolidierung dieser dritten Phase der Einheit beitragen will, erscheint die EU in der Ausstellung und im Museumsplan de facto als der endgültige Triumph europäischer Einheit über Konflikte in Europa – oder als europäisches „Ende der Geschichte“ in Abwandlung von Francis Fukuyamas (1992) These über das Ende des Kalten Krieges als Triumph der Demokratie als Staatsform. Die alternierenden Phasen von Einheit und Konflikten bilden demnach keinesfalls einen endlosen geschichtlichen Kreislauf. Vielmehr soll die europäische Integration in einer hegelianischen Perspektive als höhere Synthese erscheinen, die sich aus Phasen von Einheit und Konflikten als These und Antithese herausgebildet hat. Im Einklang mit dieser Perspektive führt das Musée-Team die Ursprünge der EU auf einen vertieften reflexiven Prozess und auf das entschiedene Handeln von Individuen zurück, die nach einer solchen höheren Synthese strebten. Laut Museumskonzept (Tempora 2003) war das Ziel der europäischen Integration am

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Ende des Zweiten Weltkriegs „something utopian, a pious wish, and not a political objective to be achieved“. Dem Besucher müsse die Integration daher als etwas gezeigt werden „that was in doubt, to encourage visitors to wonder how it was successfully put into practice“. In einer frappanten Analogie zu katholischen Wundernarrationen erscheinen den Besuchern sodann die weisen Gründerväter im Raum zur EGKS-Gründung. Diese „friedlichen Revolutionäre“ schufen laut einer Tafel in der Ausstellung in Wroclaw ihr eigenes Wunder von Luxemburg, dem Sitz der neu gegründeten EGKS, mit der „größten pazifistischen Umwälzung der Geschichte“. Diese aus geschichtswissenschaftlicher Sicht reichlich synthetische Wundernarration der europäischen Integration als historischer Synthese (Kaiser und Krankenhagen 2010) verlangt offenbar zwingend, alle Konflikte aus der musealen Erzählung dieser neuen Phase der Einheit Europas herauszuhalten. Das betrifft beispielsweise die unterschiedlichen Vorstellungen und Ziele der so genannten Gründerväter, aber auch den kompletten Ausschluss anderer Europaerfahrungen nach 1945, vor allem in jenen westeuropäischen Ländern, die sich zunächst oder sogar bis heute nicht an der EU beteiligt haben. So taucht der britische Kriegspremier Winston Churchill in C’est notre histoire! lediglich in einem winzigen Nebenraum des EGKS-Raumes auf. Mit einem Auszug aus seiner Züricher Rede von 1946 wird hier deutlich, dass Churchill zu einem frühen Zeitpunkt eine deutsch-französische Aussöhnung vorschlug. Dass und warum er jedoch die Rolle Großbritanniens als fördernde Macht außerhalb eines neuen integrierten Westeuropas sah, diskutiert die Ausstellung nicht. Als „klassischer Imperialist“ (Interview Pomian) erschien Churchill dem Musée-Team viel zu tief im vergangenen Zeitalter europäischer Konflikte verwurzelt, um sich für einen Platz in der musealen Wundererzählung der Integration zu empfehlen. Am deutlichsten wird jedoch in der musealen Darstellung des Beitrags Deutscher zur europäischen Integration erkennbar, in welchem Maße die Meistererzählung des Musée-Teams alle Konflikte aus der neuen, dritten Phase europäischer Einheit herausschreibt. Nicht nur spielt der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer als einer der Gründerväter eine zentrale Rolle. Vielmehr erscheint es in der Brüsseler Variante von C’est notre histoire! auch so, als hätten hauptsächlich die ostdeutschen Proteste im Herbst 1989 zum Ende des Kalten Krieges geführt. Deutsche figurieren somit als prominente Bauherrn, die das neue Haus europäischer Einheit begründet und erweitert haben. Darüber hinaus deutet die Ausstellung die blutige Vorgeschichte der dritten Phase der Einheit nicht nur bloß allegorisch an; vielmehr betont sie gezielt mit starken musealen Strichen



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die Erfahrung der Deutschen als Opfer des Weltkriegs: Im Eingangsraum gehen die Besucher über ein Foto des zerstörten Köln, nicht etwa von Warschau, Rotterdam oder Coventry. Dazu können sie einem langsam laufenden Film mit Text unter anderem entnehmen, dass „Europa im Jahr Null … ein Kontinent der Verheerung und des Völkermordes“ mit – unter anderem – sechs Millionen toten Juden, sechs Millionen toten Polen und sieben Millionen toten Deutschen war. Auch in der für polnische Besucher modifizierten Ausstellung in Wroclaw fordert eine Tafel zum Gedenken an „the German victims of the war started by Hitler“ auf. Wie weiter unten noch zu diskutieren sein wird, stellt diese radikale Europäisierung der Opfermythologie, die politische Verantwortung und moralische Schuld Hitler und abstrakt „den Nazis“ zuschreibt, unter deren Herrschaft alle Europäer gleichermaßen litten, eine starke Versuchung für diejenigen dar, die europäische Erinnerungskulturen harmonisieren möchten.

Pöttering trifft Sternberger: Verfassungsordnung für Europa

Im Gegensatz zum Musée-Team hat schon der ursprüngliche HEH-Sachverständigenausschuss (2008) in seinem Bericht vorgeschlagen, nur die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts mit einem Schwerpunkt auf der Integration nach 1945 zu erzählen, der 70 Prozent der Ausstellungsfläche gewidmet sein sollten.2 Während das Musée-Team die europäische Integration als dritte aus den ersten beiden Phasen vermeintlicher europäischer Einheit herleitet, grenzt das HEH-Konzept sie in erster Linie von den Konflikten vor 1945 ab, ohne nach ihren tieferen historischen Wurzeln zu fragen. Stark geprägt vom Vorbild des Bonner Haus der Geschichte plädiert der Bericht (Sachverständigenausschuss 2008, 7) für „eine chronologisch orientierte Narration“, die der antizipierten Zielgruppe helfe, „historische Ereignisse und Prozesse zu verstehen. Chronologie einschließlich notwendiger Rück- und Überblicke erleichtert die räumliche und zeitliche Zuordnung der jeweiligen Ereignisse und Entwicklungen.“ Für Rückblicke vor die Zeit des Ersten Weltkrieges kompiliert der Bericht allerdings bloß eine Wunschliste der Mitglieder der Expertengruppe, die sich offensichtlich nicht immer auf dem Stand geschichtswissenschaftlicher Forschung befindet. So plädieren die vermeintlichen Sachverständigen (Sachverständigenausschuss 2008, 15) für einen Rückblick auf die Geschichte Großbritanniens im 19. Jahrhundert, der von der „institutionelle[n] Belastbarkeit“ des parlamentarischen Systems, der friedlichen Austragung „großer Konflikte“, der „evolutionäre[n]

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Ausweitung der Staatsbürger- und Menschenrechte“ und der als „vorbildlich“ geltenden Kolonialverwaltung handeln soll – eine Liste, die so wirkt, als wäre sie von der völlig überholten Whig-Historiographie übernommen, die im 19. Jahrhundert eine verlangsamte Demokratisierung des politischen Systems und die imperiale Rolle Großbritanniens gerade legitimieren wollte. Zwei Annahmen zur Vorgeschichte der kurzen Dauer der europäischen Integration erscheinen in dem Bericht des HEH-Sachverständigenausschusses von zentraler Bedeutung. Einerseits verlängert der Bericht den Kalten Krieg zurück in den Ersten Weltkrieg. „Der Ost-West-Konflikt“ beginnt hier schon „mit dem bolschewistischen Putsch in Russland“ (Sachverständigenausschuss 2008, 15ff.). So verstanden war der Ost-West-Konflikt schon seit 1917 „in seinem Kern … ein Kampf zwischen kommunistischer Diktatur und freiheitlicher Demokratie“. Nationalistische, klerikale, faschistische und nationalsozialistische Bewegungen und Regime im Europa der Zwischenkriegszeit erscheinen in diesem epischen Kampf als Randnotizen europäischer Geschichte. Die Expertengruppe benötigte sogar bis zu ihrer Sitzung am 16. Juli 2008, um sich daran zu erinnern, dass in der Dauerausstellung zumindest „support for right-wing dictatorships in the name of anti-Communism“ irgendwie thematisiert werden müsse.3 Andererseits postulierte der Sachverständigenausschuss (2008, 19) einen Verzicht auf eine historische Analyse und museale Darstellung der verschiedenen individuellen und kollektiven Erfahrungen des Kriegsendes. Im ihrem Bericht behauptet sie schlicht, vom 8./9. Mai 1945 könne „zweifelsohne als Tag der Befreiung gesprochen werden“. Dies ist jedoch weniger eine historische Bestandsaufnahme denn ein normatives Plädoyer, das sich aus der mehrheitlichen westeuropäischen Erfahrung und aus der westdeutschen Geschichtsdidaktik seit den siebziger Jahren ableitet. Danach hatten viele Deutsche das Ende des Zweiten Weltkrieges womöglich als Niederlage und Katastrophe empfunden, hätten es aber besser als Befreiung erfahren sollen und müssten sich zumindest als solche daran erinnern. Als Beschreibung kollektiver Erfahrung und Erinnerung trifft jedoch die Befreiungsthese womöglich für Ostmitteleuropa, das nach 1945 unter kommunistische Herrschaft und die Hegemonie der Sowjetunion geriet, nur sehr bedingt zu. Als Gründe für die europäische Integration nach 1945 führt der HEH-Bericht (Sachverständigenausschuss 2008, 21) eklektisch verschiedene Motive an. Dazu zählen, Krieg unter den Mitgliedstaaten der EGKS/EWG strukturell unmöglich zu machen und den globalen Bedeutungsverlust Europas im Zuge des Zweiten Weltkrieges und der schleichenden Entkolonialisierung zu kompensie-



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ren. Sehr klar konturiert war und ist hingegen die von den Initiatoren des HEHProjekts wie dem früheren EP-Präsidenten Hans-Gert Pöttering gewünschte Narration der heutigen EU als einer zeitgeschichtlich gewachsenen, hochgradig institutionalisierten trans- und supranationalen „Wertegemeinschaft“ (Interview Kühnhardt). Dementsprechend hatte EP-Generalsekretär Harald Rømer schon vor der Einsetzung der Expertengruppe im Jahr 2007 in einer internen Notiz über das HEH-Projekt für das Präsidium des Parlaments betont „that specific emphasis should be put on the values of integration“.4 Diese Narration, die auch das 2011 eröffnete Parlamentarium des EP prägt, unterscheidet sich erheblich von der kultur- und ideengeschichtlichen Perspektive des Musée-Projekts, indem sie stark auf die Konstitutionalisierung Europas in der jüngsten Vergangenheit abstellt. Dieser Prozess hat aus Sicht der Initiatoren eine neue supranationale Verfassungsordnung geschaffen, die ihren Bürgern politische, soziale und ökonomische Rechte garantiert und Krieg in Europa unmöglich gemacht hat. Damit nehmen die Initiatoren des HEH-Projekts für ihre intendierte Konstruktion europäischer Erinnerung und Identität interessanterweise Anleihen beim Konzept des Verfassungspatriotismus, wie es zuerst der deutsche Politikwissenschaftler Dolf Sternberger (1990) seit den sechziger Jahren entwickelte und Ende der siebziger Jahre so terminologisch prägte. Ihm ging es darum, die westdeutsche Gesellschaft nach Hitler und dem Holocaust auf die pluralistische Demokratie im westdeutschen Teilstaat zu verpflichten. Die Bürger der neuen Bundesrepublik Deutschland sollten die Werte des Grundgesetzes achten und die westdeutsche Verfassungsordnung demokratischer Institutionen und Verfahren schätzen und verteidigen. Dieser neue Verfassungspatriotismus – so hoffte Sternberger – würde ein ethnisch geprägtes Staatsverständnis ablösen, das zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen und dem aggressiven Rassismus des Nationalsozialismus den Weg bereitet hatte. Diese neue Form der Identifizierung mit dem demokratischen Rechtsstaat als eine Art republikanische Zähmung der Deutschen würde außerdem den Endpunkt auf dem „langen Weg [der Deutschen] nach Westen“ (Winkler 2000) markieren. Im westdeutschen Kontext ab den sechziger Jahren plädierten in erster Linie sozialdemokratische und linksliberale Wissenschaftler und Politiker für einen solchen neuen Verfassungspatriotismus, der starke Ähnlichkeiten mit dem französischen republikanischen Modell aufweist. Ausgerechnet dieses Konzept hat der Christdemokrat Pöttering jedoch verwendet, um seine HEH-Idee zu propagieren. Aus den deutschen Debatten lag dies insofern nahe, als die mit dem Plädoyer für einen neuen Verfassungspatriotismus manchmal verbundene

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Forderung, die Idee einer politischen Einheit der ethnischen Nation aufzugeben, mit der Integration des Territoriums der früheren DDR in die Bundesrepublik Deutschland 1990 entfiel. Zudem könnte die politische Ordnung der EU ohnehin nicht auf einem ethnisch definierten Staatsverständnis aufgebaut sein. In der Debatte um ein Europamuseum in Brüssel hat jedoch paradoxerweise das französisch-belgische Musée-Team als dezidierter Advokat einer kultur- und ideengeschichtlichen Meistererzählung dem Christdemokraten Pöttering und „den Deutschen“ im EP (Interview Benoit) vorgeworfen, diese gerade vom französisch-republikanischen Modell inspirierte Narration zu propagieren. Allerdings erschien es beim Abschluss dieses Buchmanuskripts durchaus möglich, dass das HEH bei seiner projektierten Eröffnung im Jahr 2014 ganz andere Geschichten von Europa erzählen könnte. Zum Tag der offenen Tür des EP am 7. Mai 2011 präsentierte das HEH-Team ein kleines Faltblatt (Explore 2011). Dieser Broschüre zufolge bliebe zumindest – wie von der Expertengruppe ins Auge gefasst – der Fokus auf dem 20. Jahrhundert und der europäischen Integration nach 1945 erhalten. Allerdings hatte von den zwölf bis Mitte 2011 eingestellten Mitarbeitern des HEH-Teams nur einer genauere Kenntnisse der Geschichte der europäischen Integration. Die Leiterin des Teams, Taja Vovk van Gaal, hat aufgrund ihrer wissenschaftlichen Ausbildung und ihrer Herkunft aus Slowenien ein besonderes Interesse daran, das HEH zu nutzen, um die Erfahrungen der ostmitteleuropäischen EU-Staaten unter kommunistischer Herrschaft im Kalten Krieg zu thematisieren und mit westeuropäischen Erfahrungen museal zu integrieren. Ein solcher Wechsel der Erzählperspektive könnte auch dadurch verstärkt werden, dass der polnische Historiker Włodzimierz Borodziej den Vorsitz im neuen Wissenschaftlichen Beirat des HEH innehat. Außerdem kam zumindest bis 2011 die schärfste Kritik an dem HEH-Projekt aus Ostmitteleuropa, vor allem aus Polen (Trüpel 2009, 187). Nur dort wurde schon 2008 der Bericht des Sachverständigenausschusses von Journalisten und Historikern in den Medien breiter debattiert, während andernorts zumeist nicht einmal über dessen Vorlage berichtet wurde. Vor allem der nationalkonservative Kolumnist Piotr Semka polemisierte in Rzeczpospolita gegen den Bericht.5 Semka und andere polnische Kommentatoren forderten für das HEH die Thematisierung aller gängigen Geschichtsdaten der nationalen Mythologie Polens seit dem 19. Jahrhundert – von der Schlacht gegen den Deutschen Orden bei Tannenberg/Grünwald im Jahr 1410 und der führenden Rolle des polnischen Königs Jan Sobieski beim Entsatz Wiens im Jahr 1683 über den Warschauer Aufstand 1944 bis hin zur Gewerkschaftsbewegung Solidarność.



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Auch Bogdan Musiał mischte sich in diese Diskussion ein. Musiał, der mit seiner teilweise begründeten Quellenkritik eine Überarbeitung der ersten, ab 1995 gezeigten Wehrmacht-Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung erzwungen hatte, vertrat damals das sich selbst im Deutschen etwas irreführend so bezeichnende Institut für Nationales Gedenken in Warschau, eine nationalpolitische Einrichtung mit dem bezeichnenden programmatischen Untertitel Commission for the Prosecution of Crimes against the Polish Nation – also nicht etwa Verbrechen gegen Polen, gegen Menschen oder die Menschlichkeit oder gar solche von Polen an anderen Menschen begangene Verbrechen.6 Musiał kritisierte fehlende deutlichere Hinweise im Bericht der Expertengruppe des EP auf stalinistische und kommunistische Verbrechen.7 Gerade diese Kritik verweist auf eine von staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren aus den neuen ostmitteleuropäischen EU-Staaten betriebenen Perspektivenwechsel in der europäischen Erinnerungspolitik: von einer besonderen Betonung der Verbrechen des Nationalsozialismus, vor allem des Holocaust, hin zu einer auch musealen Didaktik des Totalitarismus, worauf noch zurückzukommen sein wird.

Nationalstaat gezähmt: Einheit in Vielfalt

Nur neue museale Großprojekte wie das Musée und das HEH können neue Meistererzählungen wie diejenige von der Integration als dritter Phase europäischer Einheit und Kulminationspunkt europäischer Geschichte entwickeln. In allen anderen bestehenden musealen Kontexten geht es hingegen darum, ob und wie sich Dimensionen der europäischen Einigung in bestehende Narrationen einschreiben und diese transformieren. Solche Dimensionen berühren nicht immer direkt die europäische Integration und die heutige EU, sondern können transnational-europäische Themen aufgreifen, die manchmal nur einen indirekten Bezug zur EU aufweisen. In vielen Museen regionaler Geschichte in föderalen oder stark dezentralisierten EU-Staaten in Westeuropa erfolgt eine Einschreibung der Integration in erster Linie darüber, dass regionalistische Geschichtsdiskurse Anschluss an das EU-Motto der kulturellen Einheit in Vielfalt suchen. Die genauen Formen der Einschreibung sind dabei so vielfältig wie die historischen Erfahrungen, kulturellen Identitäten und politischen Rechte der Regionen selbst. Aus deren Perspektive kann die EU etwa grenzüberschreitenden Austausch und Verständigung erleichtern, die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten (nicht nur in Europa)

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bewahren, die ökonomische Kraft von Regionen stärken oder deren politische Autonomierechte fördern. In einer solchen Sichtweise erscheint die EU nicht als Leviathan, der aggressiv eine weitere Zentralisierung in Brüssel betreibt, sondern als Partner bei der Zähmung und Einhegung von vormals stärker zentralisierten Nationalstaaten. Die EU als neutraler institutionalisierter Kontext, in dem Beziehungen zwischen Volksgruppen und Nationen intensiviert und verbessert werden können, kommt vor allem in grenznahen Museen vor. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Südtiroler Landesmuseum, in dem die Landesgeschichte des 20. Jahrhunderts im Bergfried des Meraner Schlosses als „Danteskes Purgatorium“ (Interview de Rachewiltz) inszeniert wird. Durch die Ausstellung zu den scharfen kulturellen und politischen Konflikten zwischen Deutschen und Italienern in Südtirol steigen die Besucher den Bergfried empor, um erschöpft oben angelangt die jüngste „Erfolgsgeschichte“ (Interview Heiss) von mehr wirtschaftlichem Wohlstand und größerer politischer Autonomie (und den Blick über das Etschtal) zu genießen. Der Kurator Hans Heiss erzählt diese Geschichte im Kontext der bilateralen italienisch-österreichischen Beziehungen, deren Charakter sich jedoch Anfang der neunziger Jahre durch den geplanten EU-Beitritt Österreichs gewandelt habe. Laut einer Texttafel erleichterte dieser erheblich die „Regionalisierung der Provinzen im historischen Tirol“ durch die Gründung einer Europaregion zwischen Nordtirol, Südtirol und dem Trentino. Als zunehmend institutionalisierter Kooperationsraum für sub-nationale Institutionen habe die Europaregion den Abschluss des Autonomiepaketes und die grenzüberschreitende Mobilisierung von Bürgern, zum Beispiel zur Begrenzung des Autoverkehrs über den Brenner, genauso erleichtert wie die Einhegung ethnischer Identitätsdefinitionen. Hierfür bekennt als Zeitzeuge am Ende der Ausstellung paradigmatisch der vielleicht bekannteste Südtiroler, der Bergsteiger Reinhold Messner, der von 1999 bis 2004 auch für die italienischen Grünen Mitglied des EP war: „Ich bin Europäer und Südtiroler, nicht Tiroler … vielleicht auch Weltbürger.“ Die europäische Integration als Kontext für grenzüberschreitende Beziehungen wird vielfach auch unter Bezug auf Städtepartnerschaften, Jugendaustausch und ähnliche Initiativen zur interkulturellen Verständigung thematisiert. Das gilt etwa im Fall des Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg für die letzte Sektion der Dauerausstellung, Grenz-Fall Frankreich: Nachbarn und Grenzen. Eine Einspielung der Europahymne Ode an die Freude bettet hier die wechselnde Darstellung verschiedener Städtepartnerschaften und die Diskussion unterschiedlicher Themen der grenznahen deutsch-französischen Beziehungen



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in die breitere europäische Integration ein. Diese Sektion dokumentiert durchaus Barrieren und Scheitern in der interkulturellen Kommunikation – beispielsweise indem sie der Ritualisierung von Städtepartnerschaften nachspürt, die sich manchmal im Austausch eingeübter wechselseitiger politischer Artigkeiten durch Politiker und Beamte erschöpfen. Das Stuttgarter Museum thematisiert jedoch auch die wirtschaftliche Dynamik in den transnationalen Beziehungen. Frankreich ist der wichtigste europäische Exportmarkt Deutschlands – besonders für Firmen aus Baden-Württemberg. Zur Illustration erzählt das Museum die Geschichte des Smart – ein Auto, das in der Schweiz konzipiert wurde, aber zum Stuttgarter Konzern Daimler-Benz gehört und in Hambach im Elsass gebaut wird. Für solche musealen Darstellungen von Wirtschaft und Handel in transnationalen Beziehungen in Europa bildet der EU-Binnenmarkt stets die notwendige Folie, wenngleich diese nicht immer explizit sichtbar gemacht wird. Das gilt zum Beispiel für das National Museum of Scotland in Edinburgh. Die Vorzüge des Arbeitsplätze schaffenden oder erhaltenden Exports in der EU werden dort anhand der Geschichte eines schottischen Krabbenfischers von der Isle of Harris erzählt, der auf einer Tafel zitiert wird: „There’s a big demand for our prawns on the continent, mostly Spain, France and Italy … Whatever they’re doing with them over there, I’m glad because it keeps us at sea.“ Die Sektion zur schottischen Wirtschaft berichtet auch noch von einem italienischstämmigen Produzenten von Tiefkühl-Pizza, der seine Produkte ausgerechnet nach Italien erfolgreich exportiert, und von Räucherfisch aus Arbroath an der schottischen Ostküste, dessen Hersteller vom Schutz der Herkunftsbezeichnung innerhalb der EU profitieren, auf die hier auch explizit Bezug genommen wird. In ähnlicher Weise stellt das Museu Història de Catalunya in Barcelona in einem Film zur jüngeren Zeitgeschichte Kataloniens die Zeit vom EG-Beitritt Spaniens 1986 bis zur 1992 einsetzenden Rezession unter das Motto Europa – prosperita intensa. Gezeigt wird hier die rasche wirtschaftliche Modernisierung Kataloniens in dem größeren europäischen Markt – dies begleitet von Filmaufnahmen der EU-Flagge und von Treffen des langjährigen katalanischen Ministerpräsidenten Jordi Pujol mit europäischen Politikern wie Jacques Chirac, Johannes Rau und Romano Prodi. Schließlich thematisiert das Museum in Edinburgh in seiner Schlusssequenz zur schottischen Devolution mit der Neugründung eines schottischen Parlaments 1999 auch die politische Rolle der EU, die als dezentralisiertes quasi-föderales politisches System die Autonomierechte und Identitäten von sub-nationalen Regionen stützt. Hier tritt als Kronzeugin Winnie Ewing auf, die nationalistische

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EP-Abgeordnete von den Western Isles, deren Medaille für langjährige EP-Mitgliedschaft in einer Vitrine zusammen mit diesem Zitat ausgestellt ist: „When I became a European MP my puzzlement increased at the lack of ambition shown by British parties. In the European Parliament with opportunities to join international organisations, I met many distinguished international politicians who asked ,What is taking Scotland so long?‘ I found great goodwill for Scotland internationally yet we allow big decisions about Scotland to be made by London often to our detriment.“ Wechselwirkungen zwischen der fortschreitenden Dezentralisierung einiger EU-Staaten und der Europäisierung politischer Entscheidungsprozesse spricht auch das BELvue in Brüssel an. Diese Institution, die über keine eigenen Objekte verfügt und die Selbstbezeichnung als Museum nur führt „to lure the public“ (Interview Lavens), hat viel visuelles Material mit EU-Bezug in ihre Ausstellung integriert: vom Berlaymont-Gebäude der Europäischen Kommission aus den sechziger Jahren bis hin zu Filmsequenzen von Sitzungen des Europäischen Rates. Der Schlussraum widmet sich dann mit kurzen Texten und weiterem Bild- und Filmmaterial zugleich der „Föderalisierung“ und der „Internationalisierung“ Belgiens, die sich allerdings ausschließlich als Europäisierung dargestellt. Je stärker die Integration in der EU und je mehr Brüssel zur de factoHauptstadt der EU avanciert, so scheint es hier, desto leichter kann der Prozess der weiteren Dezentralisierung und womöglich des endgültigen Zerfalls Belgiens auf friedliche Weise voranschreiten – thematisiert in einer Kulturinstitution, die überwiegend von finanziellen Zuwendungen der König-Baudouin-Stiftung lebt. Alleine diese nationale Stiftung scheint noch ein Interesse daran zu haben, die gesamtstaatliche Geschichte Belgiens seit der Unabhängigkeit 1830 überhaupt museal zu präsentieren, was aber nur mit dezidiert transnational-europäischen Bezügen noch innenpolitisch möglich erscheint.

Europa thematisch: Eurocorps und Ariane

Als Kulturinstitution in einem heterogenen Nationalitätenstaat stellt das BELvue mit so starken transnational-europäischen Bezügen allerdings bisher eine aus innerer Not geborene avantgardistische Ausnahme unter den wenigen nationaler Geschichte gewidmeten Museen dar. Ein wenig herausgehoben kam die europäische Integration nur im Haus der Geschichte in Bonn bis zur dortigen Teilerneuerung der Dauerausstellung 2011 vor. In der Ausstellungssektion



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Europa der Verträge standen die Römischen Verträge von 1957 im Zentrum. Als Objekt war das Exemplar der Verträge aber „nicht interessant“ (Interview Kraus), die Verweildauer der Besucher kurz – dies, obwohl die Kuratoren zumindest den Versuch unternommen hatten, mit einigen weiteren Objekten Konflikte über die westeuropäische Integration in der Bundesrepublik Deutschland der fünfziger Jahre zu thematisieren. Inzwischen wird die EWG-Gründung im Bonner Museum auf weniger Platz abgehandelt, während die DDR-Geschichte nun mehr Raum einnimmt. Am Schluss der neuen Dauerausstellung figuriert die EU nur noch als eine von mehreren Herausforderungen in einer ungewissen Zukunft und ist dort einfach mit einem riesigen Fragezeichen versehen (Abb. 7). In den meisten Museen nationaler Geschichte erscheint die EU bisher bestenfalls als ein musealer Appendix. So kam sie etwa im DHM in Berlin bis zu einer Feier zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen 2007 fast gar nicht vor. Von 2007 bis 2011 liefen die Besucher nach dem museal-emotionalen Höhepunkt des Mauerfalls und der staatlichen Einheit 1990, die erstaunlicherweise ganz ohne Bezüge auf die EU-Integration der neuen ostdeutschen Bundesländer erzählt wird, an dem für diese Feier benutzten Stehpult vorbei zum Ausgang. Auf dem Pult lag ein Exemplar der Römischen Verträge aus. An der Wand dahinter angebrachte Texttafeln gaben einen kursorischen Überblick über die heutige EU. Es wirkte, als hätten die Kuratoren im Vorlauf der Feier bemerkt, dass sie die europäische Integration bei der Konzipierung der Dauerausstellung vergessen hatten. So blieb als Nachgedanke nur ein lieblos gestalteter und kaum beachteter thematischer EU-Bezug am Ausgang, der 2011 auch wieder verschwand, weil es sich bei dem kleinen Ensemble nur um eine Leihgabe gehandelt hatte. Insoweit behandelt das DHM die heutige EU inhaltlich und didaktisch kaum anders, als dies das National Museum of History Bulgariens im Palast des ehemaligen kommunistischen Staatschefs Todor Schiwkow in Sofia macht. Nach wenigen zeitgeschichtlichen Vitrinen, in denen die nationalen Rechts- und Linksdiktaturen des 20. Jahrhunderts aus Angst vor innenpolitischen Kontroversen nur kurz und oberflächlich berührt werden, bemerkt nur der aufmerksame Besucher am Ausgang der Dauerausstellung zwei Vitrinen mit Fotos und kurzen Texten zum Beitritt Bulgariens zur Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft (NATO) und zur EU (Abb. 8). In Berlin wurde die EU zwischenzeitlich immerhin im Bereich vor der verglasten Ausgangstür abgehandelt, in Sofia sogar noch dahinter.

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Die EU kommt allerdings in Museen nationaler Geschichte in solchen Staaten prominenter vor, wo die Frage der Mitgliedschaft kontrovers war und ist und Volksbefragungen zum Beitritt und anderen Integrationsthemen stattgefunden haben. Das gilt etwa für das Nationalmuseet in Kopenhagen, in dem Texttafeln, Plakate und Filmausschnitte an die Volksbefragungen zum Beitritt 1972, zum Maastrichter Vertrag 1992/93 und zum möglichen Beitritt zum Euroraum im Jahr 2000 erinnern. Die erst 2009 eröffnete Dauerausstellung Geschichte Schweiz des Landesmuseums Zürich im Schweizerischen Nationalmuseum thematisiert die innere Spaltung der Schweiz in Europafragen. Die „Verhärtung zwischen zwei Lagern der 26 Schweizer Kantone“ wird hier mit je einer Stele für jedes Kanton dokumentiert, auf der die prozentuale Zustimmung und Ablehnung zu den Vorlagen zum Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum und zu den bilateralen Verträgen mit der EU in schwarz und weiß markiert sind. Die dazugehörige Texttafel erläutert: „Schweizer Abstimmungen zu Europa oder zu den Vereinten Nationen werden zu innenpolitischen Zerreißproben. Die französischsprachige Schweiz und die Städte sagen ,Ja‘, die ländlichen Gebiete ,Nein‘.“ Die konfliktreichen Volksabstimmungen erleichtern hier den Kuratoren in einem Staat, der nicht einmal der EU angehört, die europäische Integration museal zu dramatisieren, während ihre Kollegen in ähnlichen Museen in der EU entweder die vielen Dramen der Integration nicht als solche wahrnehmen, aus normativen oder Platzgründen nicht darstellen wollen oder können oder bisher keine geeigneten Mittel gefunden haben, um sie museal anschaulich zu machen. Sehr viel leichter und vielfach schleichend schreiben sich Europa und die europäische Integration hingegen in Museen nationaler Geschichte ein, die einem bestimmten Thema gewidmet sind. Selbst Militär- und Kriegsmuseen, in denen der europäische „Andere“ normalerweise als ehemaliger Feind auftaucht, auf den man einst schoss, beginnen, europäische Militärkooperation im Kontext der Vereinten Nationen, der NATO und inzwischen auch der EU darzustellen. Sogar das Imperial War Museum in London, das bis dato außer im Leihverkehr noch nie mit einem ähnlichen Museum außerhalb von Großbritannien kooperiert hat (Interview Charman), widmet diesen neuen Themen eine kleine Galerie Keeping the Peace am Ende der Sektion zur Zeit seit 1945. Hier geht es unter anderem um die Beobachtung von Konflikten sowie friedenserhaltende und -schaffende Maßnahmen. In einer Vitrine versinnbildlichen zahlreiche Kopfbedeckungen – darunter auch eine Kappe mit der EU-Flagge – die transnationale Zusammenarbeit des Militärs demokratischer Staaten. Für die jüngste Zeitgeschichte bietet sich für neue oder überarbeitete Dauerausstellungen auch an, europäische Ko-



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operation in der Militärtechnologie wie beim Eurofighter oder die Zusammenarbeit in den Eurocorps darzustellen, was bereits in der Sektion zu Frankreich und Deutschland im Haus der Geschichte Baden-Württemberg geschieht. Geradewegs unvermeidbar ist die Thematisierung Europas für die zeitgeschichtlichen Sektionen der großen Technikmuseen, die vor allem die modernen Großtechnologien nicht mehr ohne ausführliche transnational-europäische Bezüge ausstellen können. Dies wird im Deutschen Museum in München besonders anschaulich. Dort spricht ein vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik erstellter Film zwar noch von „deutscher Technik“, präsentiert aber vor allem europäische Großprojekte wie den Airbus, der „zum Stolz Europas“ wurde und „die Dominanz der Amerikaner“ erfolgreich herausgefordert habe. Andere Großprojekte, die mit Hilfe von Objekten, Texttafeln und Filmen dargestellt werden, sind das Spacelab als „ein europäisches Raumfahrtprojekt“, mit dem „der europäischen Raumfahrtagentur ESA trotz vieler Kritik die Qualifikation zur Durchführung internationaler Raumfahrtprojekte [gelang]“; die Teilchenbeschleunigerzentren CERN in Genf und DESY in Hamburg; das Ariane-Raketenprogramm, „um Europa auf dem Sektor der Trägerraketen unabhängig zu machen“; und das Satellitennavigationssystem Galileo. Diese europäische Kooperation wird auch transnational legitimiert, beispielsweise indem das Deutsche Museum in einem Film ausführlich den französischen Chef der Europäischen Raumfahrtagentur zu Wort kommen lässt, „ohne Teamarbeit“ könne man „nichts erreichen“. Anlässlich einer kurzen Präsentation zum 2009 gestarteten Marsexpress Europas als alleine durchgeführte Planetenexpedition sieht das Deutsche Museum „Europa auf gleicher Augenhöhe mit den USA und Russland. Autonom, ohne autark sein zu wollen.“ „Europa“ konstituiert sich in den meisten dieser Großtechnologien in der Form multilateraler zwischenstaatlicher Kooperation. Aber die EU profitiert inzwischen davon, dass sie geographisch normalerweise alle Staaten Europas abdeckt, die sich an solchen Großprojekten beteiligen. Gerade in den Technikmuseen könnten ihr von den Besuchern Erfolge zugeschrieben werden, die sie gar nicht zu verantworten hat. Dafür wird ihre Rolle in anderen Themenmuseen notgedrungen kritisch beleuchtet. Das gilt etwa für das dänische Fischereimuseum in Esbjerg, das sich unter anderem auch mit der viel diskutierten EUFischereipolitik und ihren Auswirkungen auf die nationale Fangflotte und die Fischbestände der Nord- und Ostsee beschäftigt. Mit dem im Juni 2010 eröffneten Europäischen Museum im luxemburgischen Schengen an der Mosel, mit dem der kleine Ort auf der musealen Landkarte platziert wird, gibt es inzwischen

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sogar ein Themenmuseum, das eigens einem EU-Politikfeld gewidmet ist. Hier geht es um die Vereinbarung aus dem Jahr 1985 über den Wegfall innereuropäischer Grenzkontrollen, der sogar über die EU hinaus Staaten wie Norwegen und die Schweiz beigetreten sind. In Europa ist Schengen somit synonym mit dem Wegfall von Grenzkontrollen. Inzwischen kommen nicht nur Besucher aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien, sondern auch aus neuen EUMitgliedstaaten wie Polen und Bulgarien in das kleine Museum. Nach Auskunft der Museumsmitarbeitern Martina Kneip (Interview) halten hier sogar organisierte Busreisen chinesischer Kommunisten gelegentlich auf dem Weg vom Geburtshaus von Karl Marx in Trier zur inoffiziellen Hauptstadt der EU in Brüssel.

Gründerväter: Mythos eines europäischen Idealismus

Erzählungen transnational-europäischer Zeitgeschichte als gemeinsamer Geschichte schreiben sich also in vielfältiger Weise in bestehende Narrationen in ganz unterschiedlichen Museumstypen ein. Doch die Geschichte der heutigen EU ist nicht leicht im Museum darzustellen. Nicht jedes Museum hat eine Ariane-Rakete in seiner Sammlung, und wer außer Juristen liest schon gerne Vertragstexte? Zumindest auf den ersten Blick fehlt es der europäischen Integration vor allem an Dramatik. Sie erscheint leicht als eine Kette endloser Verhandlungen von Männern in grauen Anzügen, deren Auswirkungen auf das tägliche Leben der EU-Bürger oft nicht unmittelbar ersichtlich sind. Dagegen waren die nationalen Meistererzählungen von heldenhaften Führern wie Giuseppe Garibaldi und Lajos Kossuth und dramatischen kollektiven Erfahrungen wie Befreiungskriegen und Revolutionen geprägt. Manches war imaginiert und diente in erster Linie dazu, neue Gemeinschaften zu bilden (Anderson 1983). Doch entwickelten sich daraus dennoch wirkungsmächtige Mythen von Nationen und ihrer jeweiligen Vergangenheit (Berger und Lorenz 2010), die kollektive Erinnerung prägten und Museen als Orte kultureller Selbstdarstellung durchdrangen (Boswell und Evans 1999). Für Museumspraktiker, die die Geschichte der heutigen EU thematisieren müssen oder wollen, stellt sich somit nicht nur die Frage, was sie erzählen wollen, sondern auch wie, damit es die Besucher fesselt. Dabei versuchen verschiedene Varianten biographischer Narrative, den Erzählungen europäischer Integration nicht nur bestimmte Inhalte, sondern auch eine eigene museale Form zu geben. Das gilt für die drei biographischen Narrationstypen, die in verschie-



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denen Museen und Ausstellungen erprobt worden sind: erstens Geschichten der so genannten Gründerväter, also prominenter Politiker, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle in der westeuropäischen Integration spielten; zweitens Erinnerungen von Zeitzeugen, die in der jüngeren Vergangenheit in ihrem beruflichen oder privaten Leben europäische Integration mit gestaltet haben; und drittens Kompilationen von Erinnerungen und Meinungsäußerungen über die europäische Integration von Besuchern. Den Mythos der Gründerväter haben keineswegs die Museen erfunden. Vom US-amerikanischen Beispiel inspiriert, haben vor allem gesellschaftliche Akteure wie die christdemokratischen Parteien sowie die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und die supranationalen Institutionen der EU diesen Mythos diskursiv entwickelt, um eigene politische und institutionelle Traditionen zu formen und abzusichern (Joly 2007). Die Ausstellung C’est notre histoire! griff diesen Gründerväter-Mythos im ersten großen Raum auf, der der Entstehung der EGKS Anfang der fünfziger Jahre gewidmet war (Tempora 2007, 37–44). Dieser Raum mit eingezogenen, wie Stahlträger aussehenden Balken enthielt sieben Vitrinen (Abb. 9). Jede dieser Vitrinen war einem Politiker gewidmet, dessen biographischen Hintergrund und politische Rolle die Kuratoren ausschließlich mit Objekten darstellten: Büsten, Fotos des Protagonisten beim feierlichen Abschluss von Vertragsverhandlungen, gedruckte Autobiographien, Schallplatten mit politischen Reden und Objekte aus dem täglichen Leben wie eine Brille von Paul-Henri Spaak, dem belgischen Außenminister, Jean Monnets Wanderstock, Robert Schumans Pass und Konrad Adenauers Gießkanne aus seinem Rosengarten. In den vier bestehenden Museen, die einzelnen Gründervätern gewidmet sind, liegt der Schwerpunkt noch stärker auf deren Privatleben. Diese Institutionen kombinieren auf sehr unterschiedliche Weise die Privathäuser der Politiker als Erinnerungsorte mit kleineren Museen und Bildungsprogrammen, vor allem für Jugendliche. Dabei haben sie erst in jüngster Zeit infolge ihrer im Kapitel 4 erwähnten grenzüberschreitenden Kooperation begonnen, die Rolle dieser Politiker in der europäischen Integration stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Trotz der großen Unterschiede zwischen diesen vier Erinnerungsorten, Museen und Ausstellungen weisen ihre musealen Erzählungen des GründerväterMythos drei wichtige Gemeinsamkeiten auf. Erstens konzentrieren sie sich auf das Privatleben der vier Politiker und ihre Rolle als – mit den Worten der Ausstellung C’est notre histoire! – pater familias. So steht in Rhöndorf Adenauer mit seinen zahlreichen Kindern und Enkelkindern im Mittelpunkt des Privathauses als Erinnerungsort. Im Fall von Schuman, der nicht verheiratet war, betonen die

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Arrangements in dessen Privathaus und das angeschlossene Museum dessen tiefe katholische Religiosität und seine schlichte Lebensweise, die es ihm ermöglichten, sich ganz für die Allgemeinheit einzusetzen. Der sakrale Charakter dieses Erinnerungsortes wird noch durch die benachbarte Kapelle aus dem 13. Jahrhundert unterstrichen, in die Schumans Leichnam umgebettet wurde und die mit der Europaflagge und den Nationalflaggen aller EU-Mitgliedstaaten geschmückt ist (Abb. 10). Das Haus in Houjarray schließlich zeigt Jean Monnet als Kopf eines transnationalen Netzwerkes von Europaanhängern, der sich beständig für die europäische Aussöhnung und Integration einsetzte. Ohne – anders als im Fall des Schuman-Hauses – den Versuch einer authentischen Rekonstruktion der Innenausstattung des Wohngebäudes zu unternehmen, haben die Kuratoren hier zeitgenössische Telefonapparate im ganzen Haus verteilt, um Monnets Rolle als vernetzter Vermittler zu betonen. Wie der Ausstellungskatalog von C’est notre histoire! (Tempora 2007, 38) betont, regierten diese Politiker und Spitzenbeamte (Monnet) ihr Land wie „Familienväter“ und errichteten auf dieselbe Weise europäische Institutionen im Interesse aller. Zweitens entpolitisieren die musealen Erzählungen über die Gründerväter deren Wirken für die europäische Integration. Der Ausstellungskatalog von C’est notre histoire! (Tempora 2007, 38) erwähnt nur beiläufig „[that] the majority of them were Christian democrats or liberals, in addition there was one social democrat“. Jedoch waren die geographische Reichweite, das institutionelle Design und die ideologische Orientierung der europäischen Integration in der frühen Nachkriegszeit umstritten. So nutzten besonders Adenauer und De Gasperi ihre Politik der Westintegration, um innenpolitisch die Sozialisten zu bekämpfen (Kaiser 2007). Zugleich kritisierten viele nordeuropäische Sozialdemokraten – besonders in Schweden (af Malmborg 1994) – die EGKS/EWG als von konservativen und katholischen Kräften dominiert. In den musealen Erzählungen über die Gründerväter kommen diese und andere Formen der Politisierung der Integration gar nicht vor. Das gilt für den ersten Bericht der HEH-Expertengruppe (Sachverständigenausschuss 2008) ebenso wie für bestehende Museen und Ausstellungen, in denen die Gründerväter als eine Kleinfamilie ohne Spannungen dargestellt wird. Um das Diktum des deutschen Kaisers Wilhelm II. von 1914 zu paraphrasieren: Die Gründerväter kannten nach dem Zweiten Weltkrieg scheinbar keine politischen Parteien mehr, sondern nur noch Europa. Schließlich entnationalisieren die musealen Erzählungen der Gründerväter auch deren Herkunft und Orientierung, so dass sie dem Besucher als vorbildliche Proto-Europäer erscheinen müssen. So betont das Museum in Pieve Tesino



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De Gasperis fließende Deutschkenntnisse und seine Rolle als katholischer Abgeordneter im österreichischen Reichsrat in Wien bis 1918. Es attackiert auch frontal den liberal-nationalen Risorgimento-Mythos, demzufolge alle Bewohner des heutigen Italiens die liberale Forderung nach nationaler Einheit geteilt hatten. So weist das Museum darauf hin, wie wenige Trentiner – nämlich etwa 700 – nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn 1915 die Seite wechselten, um für den Anschluss des italienischsprachigen Teils des historischen Tirols an das Königreich Italien zu kämpfen. In ähnlicher Weise betont das Museum in Scy-Chazelles Schumans „anchrage germanique“, seine Ausbildung an drei Universitäten im Deutschen Reich und den Einfluss des rheinischen sozialen Katholizismus auf seine politischen Überzeugungen – historische Tatsachen, die die aggressiven innenpolitischen Attacken auf Schuman durch Kommunisten und Gaullisten in der Vierten Republik erklären helfen (Poidevin 1986). Im Museum in Scy-Chazelles erscheint Schumans transnationale und interkulturelle Sozialisation hingegen als ein großer Vorteil in dem Bemühen nach dem Zweiten Weltkrieg, Westeuropa wiederaufzubauen und zu institutionalisieren. Indem sie diese transnationalen und interkulturellen Dimensionen so stark betonen, ignorieren die musealen Erzählungen der Gründerväter jedoch auch die fortgesetzte Bedeutung von Interessen für die europäische Integration – Interessen, die von den Regierungen gerne als „nationale“ rhetorisch gepriesen werden, selbst wenn sie solche bestimmter sozialer Gruppen und transnationaler Natur sein sollten. Das gilt etwa für Monnets Vorschlag für eine europäische Gemeinschaft im Montansektor. Der Plan, den er im Frühjahr 1950 Schuman vorlegte, ergab sich aus dem Misserfolg des innerfranzösischen Modernisierungsplans, der vor allem der Interdependenz zwischen der französischen und der deutschen Volkswirtschaft nicht genügend Rechnung getragen hatte (Lynch 1997; Milward 1984). In ähnlicher Weise ging es Adenauer auch darum, für die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland die volle Gleichberechtigung in der westeuropäischen Politik zu erreichen (Schwarz 1986, 850–79). Indem sie solche Interessen ausblenden, betonen museale Erzählungen der Gründerväter einseitig deren ausgeprägten europäischen Idealismus als aufgeklärte und zielstrebige Politiker, die altruistisch die Integration vorantrieben. Die musealen Erzählungen der Gründerväter wie in C’est notre histoire! könnten sicherlich dramatischer gestaltet werden. Kuratoren könnten etwa Schumans Flucht aus der Internierung in Deutschland thematisieren – oder Adenauers Befragung durch die Gestapo und Spaaks Arbeit für die belgische Exilregierung

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in London. Außerdem könnten solche Erzählungen noch andere Methoden der Visualisierung nutzen, zum Beispiel vorhandene Radio- oder Fernsehmitschnitte, um sich nicht so einseitig auf die Wirkung von Objekten wie in C’est notre histoire! zu stützen, deren Bedeutung sich gerade für jüngere Besucher nicht immer leicht erschließt. Selbst dann bliebe jedoch die Herausforderung, dass sich der Gründerväter-Mythos schlecht über die Gründungsstaaten der heutigen EU hinaus erweitern lässt. Anders als in der US-amerikanischen Erfahrung der Expansion nach Westen hat die EU nicht (wie durch die Ermordung der eingeborenen Indianer in Nordamerika) Tabula rasa geschaffen, um ihr „Empire“ (Zielonka 2006) zu vergrößern. Anders als die Vereinigten Staaten muss die EU auf der Suche nach transnational-europäischen Narrativen der Integration als gemeinsamer Geschichte verschiedene gewachsene kollektive Erinnerungen und Erinnerungskulturen von Schweden bis Polen integrieren (Leggewie 2011) – ob sie nun von dem Mythos eines sozialdemokratisch dominierten nordischen Wohlfahrtsstaates oder von einer starken Prägung durch die eigenen Leiden unter dem Stalinismus und Kommunismus in vielen Staaten Ostmitteleuropas gekennzeichnet sind. Es bliebe vielleicht, den Gründerväter-Mythos um die „Erweiterungs-Väter“ der EU wie den früheren spanischen Premierminister Felipe González oder den ehemaligen polnischen Gewerkschaftsführer und Präsidenten Lech Wałęsa zu ergänzen, um dieses Narrativ an die EU der 27 Mitgliedstaaten anzupassen. In jedem Fall müsste eine solche personalisierte museale Erzählweise jedoch eine viel größere zeitliche und geographische Reichweite haben als der Gründerväter-Mythos.

Vom Schlagbaum zum Brückenbau: Transnational gelebtes Europa

Ein anderes Problem der musealen Erzählung des Gründerväter-Mythos liegt darin begründet, dass die sozialen und politischen Konnotationen, die mit der Idee eines wohlmeinenden „Familienvaters“ verbunden sind, überholt erscheinen. In der im Entstehen begriffenen europäischen Gesellschaft ist der Familienvater bereits seit langem auf dem Rückzug. Das unvermeidbare Fehlen von Frauen in dieser Form der Narration der Integrationsgeschichte erscheint auch problematisch. Schließlich passt der quasi-monarchische Regierungsstil, den die Gründerväter angeblich gepflegt haben sollen, nicht in die zeitgenössische pluralistische Mediendemokratie.



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Diese Probleme des Gründerväter-Mythos erklären teilweise, warum noch lebende Zeitzeugen mit ihren Erinnerungen an ihre eigene Beteiligung an europäischer Integration im weitesten Sinne als Inhalt und musealer Erzählstil Eingang in Museen und Ausstellungen gefunden haben. Diese Entwicklung befindet sich im Übrigen im Einklang mit dem generellen Trend in Geschichtsmuseen, sich in der musealen Darstellung stärker auf die Aussagen von Zeitzeugen zu stützen – ein Trend, der anfänglich von den Museen und Ausstellungen zum Holocaust (de Jong 2011a; Kushner 2001) geprägt wurde. In C’est notre histoire! bilden diese noch lebenden Europäer sogar gemeinsam mit den Gründervätern in dem Raum zur EGKS-Gründung den Kern der Ausstellung (Abb. 1). Im Parlamentarium des EP in Brüssel ersetzen sie sogar weitgehend die Gründerväter (European Parliament o.D.). Auch die in Kapitel 5 erwähnte European Route of Industrial Heritage hat eine Sektion Biographien, die „von Menschen [erzählt], die in ihrem Leben über die europäischen Grenzen hinweg tätig und von Bedeutung waren“.8 Und in Die Entdeckung Europas im Europeum in Mariazell in Österreich – einem Tagungszentrum mit Ausstellung, das für Pilger und Touristen geschaffen wurde – repräsentieren sie – und nur sie – die EU der gelebten Integration.9 Paradoxerweise nutzen alle diese Institutionen eine Strategie der musealen Repräsentation, von der sie behaupten, dass die EU sie als politisches Organisationsprinzip überwunden habe. Diese Institutionen nominieren nämlich genau einen Bürger mit einer Erinnerung für jeden Mitgliedstaat – genauso wie C’est notre histoire! ohne Beachtung anderer Kriterien zusätzlich zu Monnet genau einen Vertreter für jeden Gründungsstaat der EGKS gewählt hat. Die Erinnerungen sind nicht insofern bedeutungsvoll, als der Zeitzeuge notwendigerweise Beeindruckendes erlebt hätte oder seine Geschichte besonders aussagekräftig oder fesselnd wäre, sondern weil er oder sie eine bestimmte Nationalität hat. Jeder Zeitzeuge vertritt einen Mitgliedstaat, um präventiv nationalistische Kritik abzuwenden und Besucher aus allen Staaten in die Ausstellung und das Integrationsnarrativ einzubinden. Diese zweite Variante des biographischen Ansatzes zur Darstellung der Geschichte der Integration im Museum ist erstens dadurch charakterisiert, dass die Auswahl der Zeitzeugen und ihrer Erinnerungen nicht transparent gemacht wird. Tempora gibt an (Interview Benoit), deren Auswahl sei keiner bestimmten Logik gefolgt. In der modifizierten Fassung der Ausstellung für Wroclaw behauptet eine Texttafel am Eingang schlicht, „what is true for these 27 is also true for a great many other people. And at the end of the day, it is true for everyone.“ Doch erscheinen alle 27 Zeitzeugen und ihre Aussagen sorgfältig so kombiniert, dass sie

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die wichtigsten Politikziele der EU abdecken (de Jong 2011b; Kaiser 2011). So sagt der polnische Zeitzeuge etwa, „when life is good for people, they don’t want to fight wars“, und betont damit den Beitrag der EU zur Wohlfahrt ihrer Bürger. Ein Offizier aus Luxemburg behauptet, „we all know that the priority of the EU isn’t in the military sphere but rather development aid or diplomacy“, und verleiht auf diese Weise dem Selbstbild der EU als „normative power Europe“ (Manners 2002) Ausdruck. Schließlich sagt eine schwedische Mitarbeiterin des Forschungszentrums CERN in Genf, wissenschaftliche Zusammenarbeit in Europa sei „all about the common European knowledge capital“, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. In diesem Fall ist die von der Zeitzeugin benutzte Sprache so deckungsgleich mit der Rhetorik der Europäischen Kommission, dass schwer vorstellbar ist, dass das Interview nicht detailliert vorab geplant wurde. Zweitens stammen die allermeisten Erinnerungen positiver persönlicher Erlebnisse der Integration von gut ausgebildeten Akademikern der Mittel- und Oberschichten des jeweiligen EU-Staates. Bei diesen handelt es sich jedoch um viel stärker transnational sozialisierte und orientierte Eliten, die in ähnlicher Weise sozio-ökonomisch und kulturell von der europäischen Integration profitieren wie dieselben sozialen Gruppen im 19. Jahrhundert von der nationalen Integration und der Schaffung größerer Märkte. Wie in Kapitel 4 deutlich geworden ist, gehören die Kuratoren selbst zu diesen stärker transnational orientierten Bildungseliten. In deren Fall trägt diese zweite Variante des biographischen Ansatzes implizit quasi-autobiographische Züge und zeugt von der milieuspezifischen Relevanz der EU. Die Verantwortlichen für das Parlamentarium des EP behaupten, von der viel zu stromlinienförmigen und insofern aus Sicht der Besucher nicht sehr glaubwürdigen Auswahl der 27 Zeitzeugen in C’est notre histoire! gelernt zu haben (Interview Kleinig). Sie haben sich um eine größere soziale Mischung einer größeren Zahl von Zeitzeugen bemüht. Diese sprechen hier über Aspekte ihres täglichen Lebens. Erst am Ende der jeweiligen Interviewausschnitte schieben die Kuratoren eine Erklärung nach, warum und wie das Leben der Befragten ihrer Ansicht nach positiv von der EU und dem EP beeinflusst worden ist. Auf diese Weise halten sie diese politischen Kommentare als solche des EP selbst transparent. Doch ist für die meisten Besucher solcher Institutionen aus ihrer lebensweltlichen Erfahrung offensichtlich, dass europäische Marktintegration genauso wie wirtschaftliche Globalisierung ebenso soziale Verlierer wie Gewinner schafft – etwas, von dem man sich vorstellen könnte, dass es in Ausstellungen zur Geschichte der heutigen EU auch thematisiert werden könnte.



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Schließlich scheitert diese zweite Variante der biographischen Narration daran, dem Besucher etwas über die Entwicklung der europäischen Integration im Verlauf der Zeit zu vermitteln. So schafft C’est notre histoire! mit seinen 27 Zeitzeugen bestenfalls ein Panorama der vielfältigen angeblichen Vorzüge der EU zu dem Zeitpunkt, als die Ausstellung 2006/07 konzipiert und umgesetzt wurde. Zusammengenommen ergeben die Geschichten der Zeitzeugen keine sinnhafte Chronologie, keinen „roten Faden“, auf den Taja Vovk van Gaal, die Teamleiterin des HEH-Projektes in Brüssel, für das zukünftige Museum europäischer Geschichte nicht verzichten will. Die Berichte der Zeitzeugen verbindend wirkt oft allein die Ausstellungsform – im Fall von C’est notre histoire! die standardisierte Präsentation mit in vier Sprachen verfügbaren Filmen auf Computer-Bildschirmen, die in Stelen mit einem Foto des jeweiligen Zeitzeugen und kurzen biographischen Informationen integriert sind. Ohne eine halbwegs kohärente Narration der europäischen Integration als gemeinsamer Geschichte zu konstituieren, erscheinen die Interviews mit den Worten eines externen Beraters der Ausstellung (Interview Dumoulin) leicht als eine „extension of Commission propaganda policy“.

Teilhabe: participative narrating

Diese und andere historiographische und museale Probleme der ersten beiden Varianten der biographischen Narration der europäischen Integration unterstützen die gegenwärtige Suche nach geeigneten Wegen, um die Besucher selbst mit ihren transnational-europäischen Erlebnissen und ihren Meinungen über Europa und die EU stärker in neue Dauerausstellungen oder temporäre Ausstellungen zu integrieren. Zugleich reflektiert diese Suche nach neuen Erzählformen einen breiteren Trend, Geschichte im Museum als Geschichte von unten zu erzählen, der durch neuere Forschungen der Sozial- und Alltagsgeschichte und die Methode der oral history beeinflusst ist. In dieser Form der musealen Narration überlagert oder ersetzt die Geschichte einfacher, unbekannter Menschen die Geschichte (vermeintlich) großer Männer (und Frauen). In seiner Studie zur Darstellung der beiden Weltkriege im Museum hat Thomas Thiemeyer (2010) jüngst dasselbe Phänomen beobachtet. Er charakterisiert diesen Trend als einen Wandel von der „Personalisierung“ der Geschichte – wie etwa in der musealen Erzählung des Gründerväter-Mythos – zur „Personifizierung“ durch unbekannte handelnde oder leidende Personen (Thiemeyer 2010,

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146; Bergmann 1997), deren Erfahrungen auch eine größere emotionale Wirkung auf die Besucher haben können, die sich mit diesen Protagonisten eher identifizieren. Darauf zielt offenbar auch das HEH-Team ab, das sich das zukünftige Brüsseler Museum als „a permanent reservoir of European narratives and memories“ (Explore 2011) vorstellt. Der bereits in Kapitel 5 diskutierte museale Modus des teilhabenden Sammelns, bei dem jeder Besucher der Kurator seines eigenen Lebens ist, erstreckte sich demnach nicht nur auf Objekte, sondern auch auf persönliche Erfahrungen und Geschichten, das participative narrating. Dieser Trend zum teilhabenden Erzählen in musealen Kontexten wird durch zwei strukturelle Faktoren verstärkt. Erstens verlassen sich gerade die Kuratoren zeitgeschichtlicher Museen oder Sektionen in Dauerausstellungen immer weniger auf Objekte, um Geschichten zu erzählen. „The place of objects has shrunk as people have lost faith in the ability of objects alone to tell stories and convey knowledge“, wie Steven Conn (2010, 7) beobachtet hat. Verstärkt wird der Trend zur Personifizierung zweitens dadurch, dass Museen sich immer mehr bemühen, die Besucher durch interaktive Prozesse aus ihrer passiven Beobachterrolle herauszuführen. Die rasch wachsende Nutzung von Webseiten, interaktiven Technologien und von sozialen Netzwerken (Ambrose und Pain 2010, 17ff.) soll es den Besuchern erleichtern, ihre eigenen Geschichten – auch über Europa – für das Museum zu erzählen (Interview Kraus). Doch auch diese dritte Variante der biographischen Erzählform hat ihre Probleme. Erstens dürften die meisten Erinnerungen von Zeitzeugen, die auf diese Weise generiert und in Museen und Ausstellungen gezeigt werden, wenig über die heutige EU in zeithistorischer Perspektive vermitteln, sondern individuelle Erfahrungen in transnationalen und interkulturellen Kontexten thematisieren. Zweitens könnte die Sprachenvielfalt der Besucher, vor allem in einem Museum wie dem geplanten HEH in Brüssel, bedeuteten, dass die Besucher nur einen kleinen Teil aller Erinnerungen oder Meinungsäußerungen in anderen Sprachen als ihrer eigenen verstehen könnten. Die Kuratoren könnten mit dieser Variation des Themas Vielfalt in Einheit museal spielen. Doch die Einheit bliebe bei einem solchen musealen Mosaik von Erinnerungen vermutlich auf der Strecke. Das Thema der wirtschaftlichen und politischen Einheit müsste von daher immer noch auf andere, stärker strukturierte Weise im Museum dargestellt werden. Außerdem könnte es Besuchern drittens ohne strukturierte Anleitung sehr viel leichter fallen, spontan Meinungen über Europa und dazu zu äußern, was sie konkret an der EU schätzen oder – vor allem – zu kritisieren haben, als Erinne-



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rungen an ihre eigene gelebte transnational-europäische Integration zu Protokoll zu geben. Für Museen könnte es ergänzend interessant sein, solche normativen Aussagen zu sammeln. Diese wären jedoch eher als Abschluss eines Europa-Museums oder einer Europa-Sektion in einem anderen Museum geeignet denn als integraler Bestandteil einer musealen Narration europäischer Integration. Dennoch haben Erinnerungen und Meinungsäußerungen von Besuchern als Zeitzeugen einen großen Vorzug: Sie können potenziell den strittigen Charakter der europäischen Integration und der heutigen EU und ihrer Politik deutlich machen, der selbst in den Bezügen auf die Volksabstimmungen wie in den Museen in Kopenhagen und Zürich eher abstrakt erscheint, weil er nicht personalisiert wird. Der Einschluss kritischer und negativer Erinnerungen und Meinungsäußerungen könnte außerdem die Glaubwürdigkeit und Legitimität musealer Erzählungen der europäischen Integration in den Augen der Besucher im Vergleich mit aus normativen Motiven strategisch manipulierten Darstellungen wie in C’est notre histoire! erheblich erhöhen. Eine solche pluralistische Repräsentation von individuellen Erinnerungen und Meinungsäußerungen reflektierte schließlich adäquat den Niedergang des so genannten permissiven Konsenses seit den achtziger Jahren – einer breiten Zustimmung der Bürger zur Integration bei gleichzeitigem Desinteresse an den politischen Prozessen in Brüssel – und die allmähliche Transformation der EU in ein viel stärker politisiertes, pluralistisch konstituiertes Gemeinwesen, in dem unterschiedliche Ideen und Interessen miteinander offen konkurrieren (Kaiser, Leucht, Rasmussen 2009).

Von der Dekonstruktion nationaler Mythen zu europäischen Meistererzählungen?

Die bis hier diskutierten Inhalte und Formen einer Einschreibung der europäischen Integration in bestehende Museen profitieren stark davon, dass Geschichtsmuseen in Westeuropa immer häufiger etablierte nationale Mythen gezielt in Frage stellen und sogar karikieren (Ostow 2008). Diese Museen erzählen nationale Geschichte zusehends als eine fragmentierte Geschichte verschiedener individueller Erfahrungen mit korrespondierenden sehr unterschiedlichen Erinnerungen (Levy und Sznaider 2007, 52). Per se billigen sie verschiedenen individuellen Narrationen ähnliche Legitimität zu. Die Kuratoren verzichten ostentativ darauf, in Konflikte zwischen nicht miteinander zu vereinbarenden individuellen und kollektiven Erinnerungen und Erzählungen lenkend mit ihrer

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eigenen wissenschaftlichen, musealen und pädagogischen Autorität einzugreifen. Aus einer solchen perspektivischen Pluralisierung in etablierten Geschichtsmuseen ergeben sich neue Optionen für eine Transnationalisierung musealer Geschichtserzählungen mit einer Öffnung nach Europa. Das wohl beste Beispiel für eine radikal de-konstruktivistische Erzählung nationaler Geschichte ist das Landesmuseum Zürich in der Schweiz – vielleicht das Land in Europa mit den am stärksten gefestigten nationalen Geschichtsmythen. Eine dominante Rolle in der Dauerausstellung nimmt das riesige so genannte Mythenrad ein, das sich wie die Geschichte nur sehr langsam dreht und in dem von Wilhelm Tell über Heidi bis zum gelben Postbus alle symbolischen Repräsentanten der Schweizer Geschichte und kulturellen Identität mitreisen (Abb. 11). Doch überall in der Dauerausstellung werden vor allem die zeitgenössischen Mythen karikiert – und dies nur gelegentlich unter Rückgriff auf die Sichtweisen von hier so genannten „Verbündeten“ der Schweiz. So ironisiert das Museum in der Sektion Niemand war schon immer da unter Rückgriff auf die Biographien zahlreicher Prominenter wie des Tennisspielers Roger Federer, die in der Schweiz leben, die Vorstellung einer zwar nicht sprachlich, aber doch kulturell homogenen Nation. Die vermeintliche Überlegenheit der Basisdemokratie als politische Organisationsform wird mit dem dezidierten Hinweis hinterfragt, dass die Schweiz als drittletzter Staat „vor [der damaligen Diktatur] Portugal und dem Fürstentum Liechtenstein“ erst 1971 das Frauenwahlrecht einführte. Die Neutralitätspolitik, die die Schweiz angeblich im Zweiten Weltkrieg vor der Besetzung durch das nationalsozialistische Deutschland bewahrt haben soll, lässt sich – wie die Dauerausstellung deutlich macht – genauso wie das Bankgeheimnis auch als eine politische Präferenz verstehen, die die Schweizer auf Kosten ihrer Nachbarn ausgeübt haben. Auch das National Museum of Scotland in Edinburgh zielt darauf ab, nationale Mythen, deren Wurzeln in diesem Fall in der Zeit der Romantik liegen, zu attackieren (Interview Devine). In der Sektion One Nation, five million people, die schon im Titel semantisch die neue Individualisierung und Fragmentierung nationaler Geschichtserzählungen evoziert, sieht der Besucher eine Collage mit Ausschnitten aus Interviews mit vielen Menschen unterschiedlichen Geschlechts, verschiedener Herkunft und divergierenden Alters und Bildungsgrades, die in Schottland leben und denen zwölf Fragen zu Schottland gestellt wurden. Dabei haben die Kuratoren dieser Collage die Ausschnitte aus den Interviews so kombiniert, dass kontrastierende Aussagen zu demselben Thema direkt aufeinanderfolgen. So bedient ein mit Oberhemd und Fliege gekleideter deutscher Wissen-



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schaftler, der in Schottland lebt, romantische Klischees, wenn er sagt, das Land habe „a reputation of being a rough wild country“. Außerdem sei er begeistert vom schottischen Single Malt-Whisky. Direkt im Anschluss meint jedoch eine Frau mittleren Alters aus einer Arbeiterfamilie in Glasgow, nichts sei in Schottland schlimmer als der Whisky, denn die entsetzliche „drinking culture“ zerstöre Menschen, Familien und Lebensentwürfe. Nicht nur in Edinburgh, sondern auch in anderen Geschichtsmuseen in Schottland werden nationale Mythen über Bord geworfen. So war der Erinnerungsort an die Schlacht von Culloden in den nördlichen Highlands, in der die Truppen der Jakobiter 1746 vernichtend geschlagen wurden, noch bis vor wenigen Jahren von romantischen Evokationen des Stuart-Thronprätendenten „Bonnie Prince Charlie“ und des vermeintlich heroischen Widerstands der schottischen Clans geprägt. In dem neuen Museum läuft der Besucher hingegen durch einen Gang mit Objekten und Erinnerungen der Anhänger der Stuarts auf der einen und der Hannoveraner auf der anderen Seite. Auf krasse Weise wird hier deutlich, dass die fünf Aufstände und Kriege zwischen 1689 und 1745/46 keinesfalls solche der Schotten gegen die Engländer, sondern Bürgerkriege waren. Schottland selbst war zutiefst gespalten. Mehrere schottische Clans und viele Soldaten kämpften in Culloden auf Seiten der hannoversch-britischen Truppen des Herzogs von Cumberland. Solche de-konstruktivistischen Erzählungen nationaler Geschichte verlangen geradezu nach einer vergleichenden und transnationalen Kontextualisierung und Erweiterung. Die Schweiz hat das Frauenwahlrecht später als fast alle anderen Staaten in Europa eingeführt. Die Menschen außerhalb von Schottland trinken vielleicht weniger Alkohol und können somit möglicherwiese produktiver oder glücklicher sein. Nationale Mythen und Erzählungen historischer Sonderwege mit positiven Konnotationen, hier sei es schon immer besser gewesen als andernorts, werden durch solche kritischen Vergleiche zumindest relativiert, wenn nicht gänzlich verworfen. Dabei erfolgt der Vergleich gewöhnlich mit anderen Kulturen und Ländern innerhalb von Europa. Implizit nehmen Geschichtsmuseen in Europa fast immer Europa als Referenzrahmen. Dieses Europa ist kulturell, ökonomisch und politisch hinreichend homogen, dass ein Vergleich wissenschaftlich und museal sinnvoll und aus Sicht der überwiegend europäischen Besucher auch legitim erscheint. Insofern stellt schon der implizite oder explizite Vergleich in bestehenden Geschichtsmuseen eine signifikante Form der Europäisierung als kulturelle Praxis dar. Diese erscheint Kuratoren und Besuchern gleichermaßen inzwischen so selbstverständlich – und so selbstverständ-

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lich legitim –, dass die „Verbündeten“, deutsche Whisky-Liebhaber und andere, vorwiegend europäische Ausländer mit ihrem Blick von außen im Museum als Zeugen des Vergleichs fungieren. Die Dekonstruktion nationaler Mythen lädt zugleich zur Transnationalisierung musealer Erzählungen ein. Nationale Geschichtsmythen beruhen schließlich auf der Vorstellung einer ausgeprägten Homogenität und Überlegenheit der eigenen Nation, die wenigstens implizit Abgrenzungen gegenüber anderen erfordert. Oft genug sind diese Demarkationen aber auch symbolisch explizit kenntlich gemacht. Das gilt etwa für den vermeintlichen Gegensatz zwischen Germania und Marianne und zwischen deutscher Kultur und französischer Zivilisation, wie beispielsweise die in Paris und Berlin gezeigte deutsch-französische Ausstellung A chacun ses étrangers? vor Augen führte. Solche Mythen nationaler Differenz zu zerstören, verlangt im Museum genauso wie in der geschichtswissenschaftlichen Darstellung, nach dem grenzüberschreitend Verbindenden zu suchen und dies stärker in den Vordergrund zu rücken. Dieses Motiv spielt beispielsweise in den zeitgeschichtlichen Museen und Sektionen in Bonn, Berlin und Stuttgart eine große Rolle. Die deutsch-französischen Beziehungen nach 1945 werden hier als eine bilaterale Aussöhnungsgeschichte erzählt, und zwar unter Rückgriff auf Themen wie Tourismus, Freundschaftstreffen, Jugendaustausch sowie – im DHM in Berlin – Jugendtreffen europäischer Föderalisten, die nach 1945 die trennenden Grenzen abschaffen wollten. Symbolisch wird dies hier mit einem auch aus Schulbüchern bekannten Foto vom Einreißen eines Schlagbaums an der deutsch-französischen Grenze im Jahr 1950 dargestellt. Eine solche Transnationalisierung von Narrationen im Museum verstärkt allerdings nur den Trend zur Pluralisierung der erzählten Geschichte(n). Weder kann noch soll die neue Betonung des grenzüberschreitend Verbindenden neue narrative Grenzen ziehen. Transnationale Narrationen überschreiten eben nicht nur die Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich, sondern reichen auch in außereuropäische Regionen, wie unsere Analyse der Darstellung von Migration im Museum im folgenden Kapitel 7 zeigt. Die Transnationalisierung musealer Narrationen induziert daher nicht automatisch neue, europäische Grenzziehungen und Meistererzählungen. Sie erleichtert allerdings eine stärkere Öffnung der Museen gegenüber dem Thema der europäischen Einigung, die nicht nur als supranationale Institutionalisierung und Entstehung eines einheitlichen Rechtsund Wirtschaftsraums, sondern auch als Prozess transnationaler Vergesellschaftung gelesen und vermittelt werden kann.



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Bisher erscheint dies jedoch überwiegend dort der Fall zu sein, wo Kuratoren eine solche Öffnung zur europäischen Einigung unter bestimmten regionalen oder lokalen politischen und musealen Bedingungen wünschen. Das gilt neben den bereits vorgestellten Museen regionaler Geschichte und der so genannten Gründerväter beispielsweise für das Stadtmuseum Luxemburgs. In einer Galerie zu Europa nach 1945 figuriert die Festlegung auf Luxemburg als Sitz der Hohen Behörde der EGKS, die Bebauung des Kirchbergs für europäische Organisationen und die fortgesetzte Rolle Luxemburgs als Standort verschiedener Institutionen wie des Europäischen Gerichtshofes. Weitere Vitrinen thematisieren die Einführung des Euro und die Verleihung des Aachener Karlspreises nicht nur an die Luxemburger Politiker Joseph Bech, Gaston Thorn, Jacques Santer und JeanClaude Juncker, sondern – im Jahr 1986 – an das luxemburgische Volk – „ein bis dato einzigartiger Vorgang“, wie die erläuternde Texttafel betont. Diese Bezüge auf die europäische Integration bleiben vorerst jedoch eklektisch. Fraglos erleichtert es transnationale Verständigung, wenn Europäer mehr über europäische, nicht bloß nationale Geschichte lernen und wissen, wie Jerzy Mackow und andere Beobachter gefordert haben.10 Benötigte Europa jedoch darüber hinaus möglicherweise eine neue systematische Meistererzählung der eigenen (Zeit-)Geschichte als gemeinsamer Geschichte, die im Museum über diese fragmentierten narrativen Bezüge auf die europäische Einigung hinausgehen müsste? Vielleicht sind die meisten Mitgliedstaaten kulturell und politisch hinreichend homogen, um nach einem Ende nationaler Meistererzählungen mit einer Pluralisierung von Narrativen umgehen zu können. Doch gilt das auch für die EU? Immer mehr erwecken die Institutionen, Meinungsumfragen und Referenden den Eindruck, dass in dem ausdifferenzierten politischen System der heutigen EU der output der Gesetzgebung und der input in die demokratischen Verfahren auf supranationaler Ebene nicht ausreichen, um eine stärkere Bindung der Bürger und eine höhere Legitimität der institutionellen Verfahren und Entscheidungen zu erreichen. Aufgeregte Stimmen warnen schon davor, dass die Finanzkrise nach 2008 nicht nur ein Ende der Gemeinschaftswährung nach sich ziehen könnte, sondern auch die Rückentwicklung der EU zu einem Vertragssystem souveräner Staaten.11 Wie soll ein europäischer Verfassungspatriotismus alleine in einer solchen Situation eine hinreichende Bindewirkung entfalten, wenn selbst einem politisch anscheinend stabilen Mitgliedstaat wie der Bundesrepublik Deutschland die kollektive Emotionalisierung durch eine Fußball-Weltmeisterschaft alle vier Jahre gut zu tun scheint? Ist also eine europäische Meistererzählung um den Kern der europäischen Einigung nach 1945

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möglicherweise wichtig, um eine stärkere emotionale Bindung der Bürger an die EU zu erzielen? Dafür spricht in erster Linie, dass es in Europa an gemeinsamen positiven Erinnerungsbezügen mangelt (König, Schmidt und Sicking 2008). Negative Bezüge wie eine europäisierte Erinnerung an die Vernichtung der europäischen Juden, die vor allem das International Forum on the Holocaust in Stockholm 2000 propagierte und die in Westeuropa schon stark in Form eigener Museen und Dauerausstellungen institutionalisiert ist, appellieren an eine rationale gemeinsame Verpflichtung auf ein „Nie wieder“. Neben anderen haben Dan Diner (2007, 9) und Aleida Assmann (2007) den Holocaust als den gemeinsamen Erinnerungsbezug propagiert, der die Legitimität der EU entscheidend stärken könne. Jedoch weist der Holocaust gerade keinen offensichtlichen oder wenigstens nachvollziehbaren Bezug zur europäischen Einigung oder gar zur heutigen EU auf. Ein Motiv neben anderen für die westeuropäische Integration nach 1945 war es, künftig Kriege zwischen europäischen Nationen und Staaten zu verhindern – ein Motiv, das sich in die kollektiven Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg eingeschrieben hat (Berger 2010). Die Erfahrung des Holocaust spielte dagegen für die so genannten Gründerväter überhaupt keine Rolle als Referenzpunkt. Vor allem lässt sich auch rückblickend nicht überzeugend diskursiv oder museal konstruieren, dass der Holocaust die europäische Einigung damals nötig gemacht hätte oder gar weiterführende Integration in Zukunft erfordern oder begründen könnte. Ähnlich wie die Idee des Verfassungspatriotismus als ausschließliche normative Grundlage für die Legitimität europäischen Regierens ist der Holocaust als negativer europäischer Gründungsmythos ein Konstrukt vor allem deutscher Eliten für europäische Eliten. Wie Timothy Garton Ash (2002) sarkastisch angemerkt und Peter Novick (2007) weiter ausgeführt hat, leuchtet jedoch nicht allen anderen Europäern unmittelbar ein, warum die „deutsche DIN-Norm“ der Holocaust-Erinnerung, die sich aus einer innerdeutschen „Erinnerungsschlacht“ (Kansteiner 2006) entwickelt hat, auch für sie gelten soll. Denn eine solche Europäisierung der Holocaust-Erinnerung zöge letztlich implizit eine Europäisierung der Täterschaft nach sich, selbst wenn dies nicht beabsichtigt sein sollte. Im Übrigen ist die dominante museale Darstellung des Holocaust eine „Opfererzählung“ (Jureit und Schneider 2010, 95). Die wenigen Überlebenden des Holocaust sind jedoch inzwischen verstorben. Ihre Nachfahren machen nur einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung der EU aus. Daher erscheint es fraglich, für wie lange ein solcher negativer Erinnerungsbezug überhaupt effektiv medial vermittelt und gesellschaftlich wirksam bleiben kann.



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Weder eignen sich solche negativen Erinnerungsbezüge also zur Legitimierung zukünftiger Politik noch können sie neue positive affektive Bindungen schaffen, an denen es der EU gerade mangelt. Allein die Geschichte der europäischen Integration kommt jedoch als positiver Erinnerungsbezug für Europa und die EU in Frage, wie Claus Leggewie (2011, 45ff.) mit Recht festgestellt hat. Ein solcher positiver gemeinsamer Erinnerungsbezug könnte zumindest potenziell eine stärkere emotionale Bindewirkung entfalten, rationale Appelle an ein „Nie wieder“ und einen europäischen Verfassungspatriotismus ergänzen und die Ausformung eines reflexiv-moderaten europäischen Patriotismus fördern. Vielleicht könnte dies schrittweise auch die Legitimität der EU in den Augen ihrer Bürger stärken.

Barrieren gegen europäische Meistererzählungen

Die Initiatoren der beiden Projekte für ein Museum der europäischen Einigung in Brüssel teilen jedenfalls diese Auffassung. Sie haben die normative Absicht, mit einer europäischen Meistererzählung das Vakuum zu füllen, das durch eine Pluralisierung nationaler Narrationen zu entstehen scheint, und auf diese Weise die kulturell-historische Legitimität der EU zu stärken. Die Personalisierung und Personifizierung der europäischen Einigung erscheint zumindest potenziell geeignet, die Integration als eine auch von der geschichtswissenschaftlichen Forschung (Kaiser und Varsori 2010) lange Zeit so behandelte, für Besucher langweilige Geschichte von Verträgen und Verhandlungen museal zu transformieren. Die extreme Personalisierung der Integrationsgeschichte durch die Narration der Gründerväter ist historiographisch in mehrfacher Hinsicht problematisch; museumspädagogisch erleichtert sie jedoch anscheinend besonders Kindern und Jugendlichen den Zugang zu einem Thema, über das ihnen immer noch wenig in ihren Schulbüchern vermittelt wird. So berichtet beispielsweise Claudia Waibel, die als Museumspädagogin im Adenauer-Haus arbeitet, die Personalisierung an einem „authentischen Ort“ wie dem Wohnhaus eines Politikers mache die Geschichte „erfahrbar“. So würden „auch Emotionen transportiert“ (Interview Waibel). Der Ort alleine verändere bereits spürbar die Atmosphäre – etwa für die von der Stiftung durchgeführten Projekttage mit deutschen und französischen Schülern. In ähnlicher Weise meint Julien Gascard (Interview), der im MonnetHaus Veranstaltungen für Schülergruppen durchführt, nur über die „menschliche Dimension“ gelinge den meisten Jugendlichen überhaupt der Einstieg in das

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komplexe Thema der Geschichte und Gegenwart der EU. Auch könnte ein verstärktes participative narrating bei Museumsbesuchern eventuell ein größeres Interesse an Themen der Transnationalisierung und Integration Europas wecken. Außerdem träumte der damalige EP-Präsident Pöttering schon im Jahr 2008 davon, nach dem Vorbild des Bonner Haus der Geschichte mit seinen Zweigstellen in Leipzig und Berlin in ganz Europa HEH-Dependenzen zu schaffen.12 So ließen sich viel mehr EU-Bürger erreichen, als mit einem einzigen Museum in der inoffiziellen Hauptstadt der EU jemals möglich sein könnte. Auch die Initiatoren und die Kuratorin des Museums in Schengen sehen ihr Projekt als Vorbild für mögliche weitere Museumsgründungen in anderen EU-Staaten, die mit einem lokalen Bezug andere Vertragsabschlüsse als Schengen oder Revisionen bestehender Verträge und weitere Politikfelder als die Freizügigkeit behandeln könnten (Interview Jungblut). Selbst wenn die Kuratoren national finanzierter Geschichtsmuseen über eine Einschreibung europäischer Dimensionen in bestehende museale Narrationen nicht hinausgehen wollten oder sollten, ließen sich mit einem solchen Franchising von Europamuseen vielleicht langfristig neue europäische Meistererzählungen mit politischer Strahlkraft entwickeln und über den ganzen Kontinent verbreiten. In Zeiten sehr knapper öffentlicher Mittel für neue Museumsprojekte erscheint diese Franchising-Idee allerdings vorerst unrealistisch. Doch darüber hinaus gibt es vier beachtliche strukturelle Barrieren, die eine transnational gesellschaftlich dominante europäische Meistererzählung im Museum für lange Zeit extrem unwahrscheinlich erscheinen lassen. Hierzu zählt erstens, dass die Zeitgeschichtsforschung für eine solche Meistererzählung keine wissenschaftlichen Vorlagen liefert. Die Historiographie der europäischen Integration hat sich professionalisiert und will sich gerade von früheren Versuchen von Historikern wie Walter Lipgens und Jean-Baptiste Duroselle absetzen, die europäische Einigung mit ihrer Forschung politisch abzusichern (Seidel 2010b). Außerdem ist diese Historiographie innerhalb der Zeitgeschichte insgesamt noch immer so marginal (Kaiser 2010a), dass ihre Erkenntnisse nur allmählich in die Museen vordringen können. Dies dürfte neben dem Zeitdruck, unter dem Kuratoren oft arbeiten, auch erklären, warum selbst in Museen in den EWG-Gründungsstaaten Abschnitte zur europäischen Integration manche eklatante sachliche Fehler enthalten. So hat das Haus der Geschichte in Bonn bis zur Revision seiner Dauerausstellung im Jahr 2011 in der Sektion Europa der Verträge Walter Hallstein als ersten „EWG-Präsidenten“ bezeichnet – eine Funktion, die es damals gar nicht gab. Hallstein war vielmehr Präsident der EWG-Kommission. Das DHM



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in Berlin verlegt den Schuman-Plan von 1950, der zur EGKS-Gründung führte, gleich um zwei Jahre vor in das Jahr 1948. Im neuen EU-Mitgliedstaat Bulgarien sieht das National Museum of History in Sofia den EU-Beitritt des Landes 2007 durch einen privatrechtlichen (contract), nicht völkerrechtlichen Vertrag (treaty) besiegelt. Selbst das Parlamentarium des EP bezeichnet die Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950 genauso dramatisch wie irreführend als eine Initiative, „die alle überrascht“ – dies, obwohl eine mögliche Integration der Montanindustrie zu dem Zeitpunkt nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch zwischen christdemokratischen Parteieliten und sogar in den Medien schon länger diskutiert worden war. Zweitens hat die Diskussion über nationale Meistererzählungen in der Forschung und im Museumsfeld ein sehr hohes Reflexionsniveau erreicht. Daher ist schwer vorstellbar, dass Anhänger einer neuen europäischen Meistererzählung nicht mit denselben kritischen Fragen konfrontiert würden wie diejenigen, die neue nationale Geschichtsmuseen propagieren, um etablierte Meistererzählungen dauerhaft zu etablieren. Historiker und Kuratoren widersetzen sich oftmals solchen politischen Intentionen, wie bereits am Beispiel des niederländischen Plans für ein nationales Geschichtsmuseum in Kapitel 4 deutlich wurde. Dasselbe gilt für den im Jahr 2009 vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy unterbreiteten Vorschlag für ein Maison de l’histoire de France, das bis 2015 entstehen soll (Schuhmann 2011). Dessen Idee kritisierte neben anderen der Historiker Henry Rousso mit dem Argument: „A national history museum could have a tendency to stress ,us‘ against ,them‘. A history museum at the beginning of the 21st century should be more oriented towards an international community and shared history.“13 Eine europäische Meistererzählung könnte diese Kritik möglicherweise vermeiden, wenn sie europäische Geschichte im Museum noch stärker als bisher als Geschichte transnationaler Kontakte darstellte. Einer solchen fragmentierten Narration einer „histoire croisée“ (Werner und Zimmermann 2002) fehlte jedoch der politische Kern der heutigen EU, um deren Legitimierung es einer europäischen Meistererzählung wie im HEH in Brüssel gerade ginge. Wie soll jedoch – drittens – die Geschichte der EU in einer neuen europäischen Meistererzählung im Museum dargestellt werden, ohne zu thematisieren, wie die europäische Einigung wirtschaftliche und politische Grenzen neu gezogen hat und zieht, während sie solche Grenzen im Innern abbaut – eine Frage, der Kapitel 7 mit dem besonderen Fokus auf der Musealisierung von Migration genauer nachgeht. Unvermeidbar erscheint es jedenfalls anzusprechen, dass die

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Zollunion und der Binnenmarkt andere europäische Staaten ausschloss; dass die langfristige politische Zielsetzung der EWG von manchen politischen Gruppen innerhalb und außerhalb der Gründungsstaaten teilweise vehement abgelehnt und bekämpft wurde und wird; und dass die westeuropäische Integration auch durch den ideologischen und politischen Konflikt mit dem Kommunismus und der Sowjetunion gekennzeichnet war und erleichtert wurde. Nationale Meistererzählungen, die in den Geschichtsmythen des 19. Jahrhunderts verwurzelt waren, zogen ihre Popularität jedoch gerade aus der Abgrenzung gegenüber dem Anderen. Dafür gäbe es auch für eine europäische Meistererzählung zahlreiche Optionen. Das gilt nicht nur für die seit Jahrhunderten variierte Konstruktion eines fundamentalen Gegensatzes zwischen christlichem Abendland und islamischem Orient, wie sie gelegentlich in der Diskussion über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei durchscheint, sondern auch für die Zeitgeschichte der EU. Kuratoren könnten die europäische Einigung zum Beispiel als Geschichte der gemeinsamen Verteidigung der Demokratie gegen den Kommunismus und die Sowjetunion erzählen; als Projekt zur Sicherung eines gemischten Wirtschaftssystems mit starken sozialstaatlichen Sicherungen im Wettbewerb mit dem kapitalistischen System der Vereinigten Staaten; oder für die Gegenwart als Mittel, um Europa in einer multilateralen Welt gegen eine allzu große Abhängigkeit von der möglichen neuen Hegemonialmacht China zu schützen. Kollektive soziale Identitäten bilden sich grundsätzlich in Abgrenzung gegenüber anderen. Daher könnte eine neue Meistererzählung im Museum, die so die Muster nationaler Meistererzählungen europäisierte, möglicherweise mit mehr Erfolg als Narrationen transnationaler Kontakte einen EU-zentrierten europäischen Patriotismus kulturell unterfüttern. In ihrer postmodernen Selbstbeschreibung verzichtet die EU jedoch selbst auf solche Abgrenzungen. Auch deshalb – nicht nur wegen der dominanten Präferenzen von Historikern und Kuratoren – muss die Geschichte der EU im Museum vorerst weitgehend aus sich selbst heraus erzählt werden. Der aufgeklärte Verzicht auf die Instrumentalisierung innerer und äußerer „Reichsfeinde“, wie sie Otto von Bismarck nach der staatlichen Einheit Deutschlands 1870/71 titulierte, machte eine solche europäische Meistererzählung weniger politisch angreifbar. Sie wäre jedoch vermutlich auch weniger wirkungsvoll und geeignet, zur kulturell-historischen Legitimierung der EU beizutragen. Eine letzte wichtige strukturelle, den gesellschaftlichen Alltag betreffende Barriere gegen die baldige Herausbildung einer transnational gesellschaftlich



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dominanten europäischen Meistererzählung im Museum liegt in der Ungleichzeitigkeit historischer Erfahrung in der EU der 27 Mitgliedstaaten. Diese bilden nicht einen einzigen, sondern verschiedene, teilweise transnationale und „verflochtene“ Erinnerungsräume (Aust, Ruchniewicz und Troebst 2009) – ein Begriff, der besser kennzeichnet, dass solche Räume durchaus porös sind, als der Terminus „memory regimes“ suggeriert (Jarausch 2010, 310). Bis zu einem gewissen Grade gilt die Feststellung von einer Ungleichzeitigkeit historischer Erfahrung sogar für die westeuropäischen Gründungsstaaten der EGKS/EWG. Vor allem ist die französische zeithistorische Erinnerungskultur noch immer stark gaullistisch geprägt. Das spiegelt sich etwa im 2009 neu eröffneten Historial de Gaulle im Musée de l’Armée in Paris wider, einer Multimedia-Schau ohne Objekte, aber mit musealem Charakter. Hier erscheint es geradewegs so, als habe der französische General und Präsident der Fünften Republik die europäische Integration erfunden, obwohl seine Partei in den fünfziger Jahren im französischen Parlament gegen die EGKS und die EWG gestimmt hatte. Solche unterschiedlichen zeitgeschichtlichen Erinnerungskulturen erschweren es erheblich, die europäische Integration im Museum als gemeinsame Geschichte zu erzählen. Das gilt auch für Skandinavien als Erinnerungsraum, wo die Erinnerungskulturen sozialdemokratisch geprägter Wohlfahrtsstaaten wesentlich von Westeuropa abweichen. Dennoch besteht die größte Diskrepanz immer noch entlang der ehemaligen Grenze des Kalten Krieges zwischen Ostund Westeuropa (Troebst 2010). Anders als beispielsweise die Bürgerkriege in den Vereinigten Staaten und der Schweiz im 19. Jahrhundert hat der Kalte Krieg keine widersprüchlichen Erinnerungen geschaffen, die es nötig machten, individuelle Erfahrungen und kollektive Erinnerungen an den (Bürgerkriegs-)Feind geschichtspolitisch aufzuarbeiten, zu sublimieren und im Laufe der Zeit in eine gemeinsame Erinnerungskultur zu überführen. Mit der Ausnahme des früheren Jugoslawien liegen solche latent noch immer wirkungsmächtigen innereuropäischen Kriegserfahrungen in der Zeit vor 1945. Der anschließende Kalte Krieg wurde in Ostmitteleuropa überwiegend als Besatzung durch die Sowjetunion empfunden. Den meisten Menschen dort erschien der Zusammenbruch der kommunistischen Regime 1989/90 als Befreiung. Die treibenden gesellschaftlichen und politischen Kräfte des politischen Umbruchs in Ostmitteleuropa sahen und propagierten die Perspektive des EU-Beitritts als eine Rückkehr nach Europa. Solche Diskurse aus der Zeit der Transformation in Ostmitteleuropa suggerierten jedoch eine größere Nähe kollektiver Erinnerung und Identitäten, als

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nach mehr als vierzig Jahren parallel erlebter, aber weitgehend verschiedener geschichtlicher Erfahrungen in Ost- und Westeuropa erwartet werden konnte. Das erfuhren schließlich sogar die Ost- und Westdeutschen, nachdem sie in einem Staat vereint waren. Zumindest bis Anfang der neunziger Jahre konnten Menschen in Polen oder Ungarn die westeuropäische Integration nicht als eine transnational verbindende gemeinsame europäische Geschichte erleben oder gar erinnern. Die Erfahrung kommunistischer Herrschaft ist dort in den Erinnerungskulturen noch immer so dominant, dass deren Aufarbeitung und Darstellung geschichtspolitisch und museumsdidaktisch höchste Priorität hat, sofern dies die innenpolitische Situation erlaubt. Vor allem in Südosteuropa sind nämlich die politischen Konfliktlinien oft noch so stark durch die verschiedenen Erfahrungen mit der kommunistischen Herrschaft – und den Kriegen im früheren Jugoslawien in den neunziger Jahren – geprägt, dass deren reflexive Behandlung in Geschichtsmuseen noch immer tabuisiert ist – wie etwa im National Museum of History in Sofia und im Museum der Vojvodina in Novi Sad. Dort, wo in Ostmitteleuropa der post-kommunistische Konsens schon ausgeprägt ist und die Zeit nach 1945 im Museum thematisiert wird (Sarkisova und Apor 2008; Knigge und Mählert 2005), erfolgt dies zumeist unter Rückgriff auf den ursprünglich auf Hannah Arendt (1951) zurückgehenden und auch in den vorherrschenden politischen Diskursen (Jarausch und Lindenberger 2007b, 3) populären Topos des Totalitarismus, also der Annahme einer strukturellen Ähnlichkeit zwischen den Herrschafts- und Unterdrückungssystemen kommunistischer sowie nationalsozialistischer und faschistischer Regime. Am deutlichsten wird dies in dem bereits in Kapitel 3 erwähnten Budapester House of Terror, das mit einem starken Schwerpunkt auf der Zeit nach 1945 die kommunistische und die vorausgegangene faschistische Herrschaft der Pfeilkreuzler zusammen in einem Museum behandelt. Kritiker haben diesem Museum attestiert, ein Instrument der Konservativen in der innenpolitischen Auseinandersetzung mit den Sozialisten zu sein (Marszovszky 2011). Aus einer europäischen Perspektive erscheint es jedoch wichtiger, dass der Rückgriff auf den Totalitarismus-Topos in solchen und anderen Museen erleichtert, neue regimeübergreifende Opfernarrationen zu entwickeln, in denen die Beteiligung eigener Staatsbürger an den Verbrechen der verschiedenen Herrschaftssysteme kaum thematisiert wird. Diese Differenz zwischen Ostmittel- und Westeuropa innerhalb der erweiterten EU erschwert es erheblich, die Geschichte der europäischen Integration in Museen in den neuen Mitgliedstaaten zu verankern. Vor allem in wieder oder gar erstmals neu entstandenen Staaten investiert die nationale Geschichts- und Mu-



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seumspolitik alle Ressourcen in die Nationalisierung von Erinnerungskulturen, nicht deren Europäisierung. Die EU ist in solchen Fällen oft nur mit der Europaflagge und einer Danksagung für die Co-Finanzierung eines Museumsneubaus oder einer überarbeiteten Dauerausstellung vertreten. Im Museum findet Europa dagegen nicht statt. Das gilt beispielsweise für das Museum of History in Bratislava oder das Historical Museum of Bosnia and Herzegovina in Sarajewo. Die erhebliche Überarbeitung der Ausstellung C’est notre histoire! für Wroclaw (Tempora 2009) in einer jahrhundertelang multiethnischen innereuropäischen Grenzregion wie Schlesien verdeutlicht darüber hinaus, in welchem Maße es in Ostmitteleuropa immer noch geschichtspolitisch und museumsdidaktisch nötig erscheint, nationale Geschichtserfahrungen in europäische Geschichtsdarstellungen einzuschreiben. Nur so erscheint eine solche Ausstellung lokalen politischen Eliten akzeptabel und für Besucher ohne jede Vorkenntnisse der westeuropäischen Integrationsgeschichte nachvollziehbar. Konzipiert zu einer Zeit hitziger innenpolitischer Debatten in Polen, die von nationalistischen, vor allem deutschlandkritischen Diskursen der katholisch-nationalkonservativen Rechten geprägt waren, stellte das Musée-Team Polen in den Mittelpunkt seiner Narration der europäischen Nachkriegsgeschichte und der politischen Transformation 1989/90. In der ersten Version der Ausstellung in Brüssel waren es noch die Ostdeutschen gewesen, die im November 1989 die Berliner Mauer zum Einsturz brachten und somit das Ende der kommunistischen Herrschaft in Ostmitteleuropa einläuteten. In Wroclaw war es dagegen die Gewerkschaftsbewegung Solidarność – eine stark modifizierte Form der Narration der Transformation als eine Art polnisch initiierter Wiedervereinigung Europas, die laut Krzysztof Pomian (Interview) aus einem komplexen Aushandlungsprozess mit den politischen Eliten in Wroclaw resultierte. Selbst nach Ansicht von Marie-Louise von Plessen, einem Mitglied des Musée-Beirats (Interview), war das museale Ergebnis dieses Prozesses „wirklich zu viel der Heldendarstellung“.

(Un-)heilige Allianz? Narrationen von Totalitarismus und Integration

Die Nationalisierung von Erinnerungskulturen und der Rückgriff auf den Topos des Totalitarismus wirken vorerst trennend in der erweiterten EU. In Westeuropa bleiben die kollektive Erinnerung und die museale Repräsentation des 20. Jahrhunderts vorerst stark von der Erfahrung von Nationalsozialismus und Faschis-

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mus und von dem Glauben an eine Singularität des Holocaust geprägt. Doch unterliegen solche geschichtswissenschaftlichen und musealen Narrationen Aushandlungsprozessen und können sich im Zuge der EU-Osterweiterung langfristig erheblich ändern. Politiker, Historiker und Museumspraktiker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten drängen nämlich darauf, dass der Beitrag Ostmitteleuropas zur europäischen Zeitgeschichte umfassender berücksichtigt werde. So verlangte Mária Schmidt, die Direktorin des House of Terror in Budapest, schon im ersten HEH-Sachverständigenausschuss im Jahr 2008, viel stärker zu berücksichtigen, „[what] Eastern Europe [has] contributed to Western Europe’s prosperity and justice. That dialectical process should be highlighted.“14 Die bereits angesprochene Diskussion in Polen über den ersten HEH-Bericht zielte genauso darauf, die ausführliche Behandlung von Beiträgen ostmitteleuropäischer Nationen und Staaten zur europäischen Geschichte zu propagieren. Perspektivisch eröffnet der Topos des Totalitarismus eine neue Option für die Europäisierung kollektiver Erinnerung. Nach dem Niedergang der genauso stark normativ aufgeladenen, politisch links orientierten Faschismus-Diskurse, die massiv die Gemeinsamkeiten von Nationalsozialismus, Faschismus und klerikalen Regimen betonten und vor allem jede Ähnlichkeiten mit dem Kommunismus als Ideologie bestritten, ist dieser Topos in wissenschaftlichen und politischen Diskursen in Westeuropa nach wie vor wirksam. Daran konnten die vorwiegend osteuropäischen Initiatoren einer zentralen Entschließung des EP im Jubiläums- und Gedenkjahr 2009 anknüpfen, in der unter anderem auf die so genannte friedliche Revolution in Ostmitteleuropa 1989 und auf den HitlerStalin-Pakt und den Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 Bezug genommen wird. Diese Entschließung Zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus vom 2. April 2009,15 die mit 553 Ja-Stimmen bei nur 44 Nein-Stimmen angenommen wurde, etablierte auch den 23. August, das Datum des Hitler-Stalin-Paktes, als weiteren europaweiten Gedenktag (Troebst 2012). Die Regierungen einiger neuer EU-Staaten hatten den Totalitarismus-Topos zuvor bereits erfolgreich in europäischen Förderprogrammen implantiert, beispielsweise in der so genannten Aktion 4 Aktive europäische Erinnerung. Darin geht es um die Erinnerung an die Verbrechen von Nationalsozialismus und Stalinismus, wobei die meisten Finanzmittel noch immer für Projekte zum Holocaust vergeben werden.16 Der Bezug auf den Topos des Totalitarismus erlaubt nicht zuletzt, die Frage der Täterschaft radikal zu entschärfen. Alle Täter erscheinen in dieser Perspektive als eine Art anonymes ausführendes Organ abstrakter Herrschaftsstrukturen. Das gilt auch für Haupttätergruppen, so dass museale Narrationen, die von



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diesem Topos beeinflusst sind, regelmäßig von Verbrechen der Nationalsozialisten und nicht etwa der deutschen Nationalsozialisten oder gar der Deutschen sprechen. Dieser Trend ermöglicht es, nicht nur „die“ Ungarn – wie im House of Terror – sondern auch „die“ Europäer als Opfer totalitärer Ideologien und Regime erscheinen zu lassen. Eine solche vergemeinschaftete Geschichte europäischen Leidens im 20. Jahrhundert erzählt etwa C’est notre histoire!. Die Auswahl eines Fotos des zerstörten Köln und der Hinweis auf 7 Millionen tote Deutsche, die in einem Atemzug mit sechs Millionen ermordeten (teilweise auch deutschen) Juden genannt werden, waren „a deliberate choice“. Mit dem didaktischen Ziel, zur deutsch-polnischen Aussöhnung beizutragen, wollten Pomian und das Musée-Team betonen, dass die Deutschen „not only criminals, but also victims“ waren (Interview Pomian). Diese Perspektive befindet sich überdies im Einklang mit neueren medialen Erinnerungsdiskursen in Westeuropa, die Leidens- und Verlusterfahrungen viel stärker als früher thematisieren (Wahnich, Lášticová und Findor 2008). Das gilt vor allem für Deutschland und das Leiden unter Krieg, Bombenangriffen, Vergewaltigungen und Vertreibung (Fischer 2011). Denkbar wird somit eine Art geschichtspolitischer Tauschhandel zwischen Ost und West, bei dem wie in C’est notre histoire! Totalitarismus und europäische Integration als doppeltes Leitmotiv zu einer neuen Meistererzählung der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zusammengefasst werden. Dies erscheint auch eine mögliche Option für das HEH in Brüssel. In Ermangelung einer rechtlichen Konstruktion wie in Form einer Stiftung, die den Kuratoren mehr Autonomie sichern könnte, wird die Erarbeitung des konkreten Konzeptes für die HEH-Dauerausstellung unter erheblichem politischen Druck von innerhalb und außerhalb des EP erfolgen. Das Endergebnis könnte unabhängig von den eigentlichen Absichten des Projektteams ein Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner einer europäischen Leidens- und Heldengeschichte sein. In anderen Museen, die nicht explizit europäischer Geschichte gewidmet sind, dürfte es allerdings auch angesichts der bereits angesprochenen strukturellen Barrieren viel schwerer sein, eine solche integrierte Meistererzählung zu entwickeln. Davon abgesehen stellt sich die normative Frage, ob Europa und die EU eine solche Meistererzählung wählen sollten, die geschichtswissenschaftlich, geschichtspolitisch und ethisch hochgradig problematisch erschiene. Sie replizierte nämlich fest etablierte nationale Opfer- und Heldenmythen wie in Polen und erschwerte ein kritisches kollektives Erinnern an die herausragende

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Rolle Europas und der Europäer in den beiden Weltkriegen, den zahlreichen Kolonialkriegen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie der Vernichtung der europäischen Juden – oder machte eine solche Erinnerung sogar unmöglich.

Diskursive Verhandlung europäischer Geschichtserzählungen

Eine mögliche transnationale diskursive Verständigung über geeignete Narrationen europäischer Zeitgeschichte haben die Initiatoren des HEH-Projekts gerade nicht gesucht. In seinem Vorschlag für den EP-Präsidenten Pöttering vom September 2007 hatte Ludger Kühnhardt, einer der drei Direktoren des Zentrums für Europäische Integrationsforschung an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität in Bonn, noch dafür plädiert, in Brüssel ein europaweites Symposium mit „between 150 and 200 academics, museum experts and media and education specialists“ abzuhalten. Diese sollten öffentlich darüber diskutieren, was ein Museum für europäische Geschichte wie darstellen sollte.17 Die Organisatoren im EP entschieden sich jedoch dagegen, weil sie fürchteten, ihre Idee könnte rasch unter die Räder parteipolitischer Konflikte geraten und an den erwarteten scharfen Attacken von EU-Skeptikern scheitern, die das HEH bereits sarkastisch als „House of Horrors“ bezeichnet haben.18 Nach ihrem Arbeitsbeginn im Jahr 2011 konzentrierte sich sodann auch Taja Vovk van Gaal, die Leiterin des HEH-Teams, vor allem auf Kontakte zu Museumspraktikern und Wissenschaftlern, aber suchte in der Vorbereitung ihres Konzepts nicht die Öffentlichkeit. Paradoxerweise bestätigt das EP mit dieser Strategie, eine öffentliche Diskussion über das HEH-Projekt so lange wie irgend möglich zu vermeiden, zahlreiche derjenigen Vorurteile gegen die EU als intransparenter bürokratischer Apparat, die seine neue museale Narration europäischer Integration gerade überwinden helfen soll. Andere Akteure zielen dagegen gerade darauf ab, eine transnationale Diskussion und Verständigung über Narrationen europäischer Geschichte als gemeinsamer Geschichte anzustoßen und auf diese Weise eine stärkere Konvergenz kollektiver Erinnerung in Europa zu erreichen. Zu diesen Akteuren gehören Intellektuelle, die geprägt von ihren primären nationalen Kontexten „europäische Geschichten“ erzählen, die nicht nur zwischen den EU-Mitgliedstaaten, sondern auch in ihnen variieren (Lacroix und Nicolaïdis 2010). Hierzu zählt aber auch



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das Projekt der 1954 von Denis de Rougemont gegründeten European Cultural Foundation, Narratives for Europe. Die Stiftung mit Sitz in Amsterdam fragt danach, welche neuen historischen Erzählungen zwischen lokalen und globalen Erfahrungsräumen nach der Entzauberung nationaler Meistererzählungen jüngere Generationen inspirieren könnten. Sie will Künstler, Intellektuelle und Bürger Europas motivieren, ihre eigenen Geschichten von Europa beizutragen. Das teilnehmende Erzählen selbst konstituiert hier aus der Sicht des dänischen Regisseurs und Schriftstellers Jens Christian Grøndahl „Europe as a narrative; the story, to be continued endlessly, of an endeavour which can never be fully achieved but which will make sense anyway, because of the hopeful efforts and good will put into it“.19 Obwohl sich transnationale Öffentlichkeit in Europa aus sprachlichen und anderen Gründen nur partiell und ad hoc konstituiert und vielfach auf Eliten beschränkt ist (Meyer 2010; Trenz 2002), können und sollten sich auch Museen an einer solchen breiteren Debatte darüber beteiligen, wie europäische Geschichte erzählt werden kann und sollte. Das gilt vor allem für die erlebte Zeitgeschichte, die in neueren Museen und Dauerausstellungen immer bis fast in die Gegenwart hinein behandelt wird – was auch dem Wunsch der allermeisten (potenziellen) Besucher zu entsprechen scheint, wie beispielsweise in einer Umfrage zu einem möglichen Museum zur Zeitgeschichte Österreichs deutlich wurde (Brait 2009). Das moderne Museum hat nicht nur Kompensationsfunktionen, wie schon in Kapitel 2 deutlich wurde. Vielmehr versteht es sich auch als öffentlicher Raum zur Verhandlung der Zukunft – hier der Zukunft Europas, die sich auch aus Narrationen seiner Vergangenheit speist. Für eine solche öffentliche Debatte über Narrative europäischer (Zeit-)Geschichte und über die Zukunft Europas unter Einbeziehung von Besuchern im Museum oder darüber hinaus gibt es bereits erste Ansätze. So wollte das Haus der Geschichte in Bonn bis zur Überarbeitung seiner Dauerausstellung im Jahr 2011 von seinen Besuchern wissen, ob sie mehr oder weniger Integration Europas wollten – und zu welchem Zweck. In C’est notre histoire! konnten die Besucher angeben, wofür die Haushaltsmittel der EU ausgegeben werden sollten. Neuere technologische Optionen könnten Diskussionen zwischen Besuchern verschiedener Museen ermöglichen. Darüber hinaus können Veranstaltungen im Museum gesellschaftliche Diskurse anregen und mit gestalten. So will das HEH-Team das Museum in Brüssel mit zahlreichen begleitenden Veranstaltungen zu europäischen Themen zu einem „Forum für Überlegungen und Diskussionen“ über die Zukunft Europas machen (Explore 2011).

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Ob und auf welche Weise Museen eine solche Rolle in der Transnationalisierung von Debatten über europäische Erinnerung und Narrative der (Zeit-)Geschichte als gemeinsamer (Integrations-)Geschichte spielen können, erscheint angesichts einer weit verbreiteten Europamüdigkeit zumindest unsicher. Dass sie solche Funktionen grundsätzlich ausüben können, wird im folgenden Kapitel 7 am Beispiel der Narration von Grenzen und Migration in Europa deutlich.

7 Europa durchkreuzen: Migration und Mobilität im musealen Raum

Das Europäische Museum Schengen in der gleichnamigen luxemburgischen Ortschaft hat sich zur Aufgabe gemacht, die Vorgeschichte des Schengener Abkommens und dessen Bedeutung für Europa darzustellen. Das Museum widmet sich der Frage, welche Bedeutung der Wegfall innereuropäischer Grenzkontrollen für die europäische Integration hat und welche praktischen, alltäglichen Auswirkungen dies hat. Bezeichnenderweise hat die Kuratorin entschieden, dem Museumspublikum zunächst die Wirkmacht von Grenzen anhand der Außengrenzen der Europäischen Union (EU) zu vergegenwärtigen (Interview Jungblut). Sie stellt so eine starke Kontrastfolie in einem Museum her, das vom Verschwinden der innereuropäischen Grenzen erzählen soll und will. In einer fotografischen Arbeit von Olivier Jobard wird die Route des illegalen Migranten Kingsley von Kamerun nach Frankreich nachgezeichnet (Jobard und Sanglier 2006). Persönliche Texte, Tagebucheinträge und handgezeichnete Karten dokumentieren die Route durch diverse afrikanische Länder bis an die südliche Küste des Mittelmeers, von Marokko über Spanien bis nach Paris. Kingsley zeichnete diese Karten unterwegs. Sie zeugen von der Flüchtigkeit der Transitrouten, ihrer Abhängigkeit von Grenzkontrollen, von der Arbeit der Schleuser mit ihren Booten, von deren Wissen und transnationalen Netzwerken sowie dem rechtlichen Rahmen des EU-Migrationsregimes, für das insbesondere die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU (FRONTEX) verantwortlich ist (Europäische Kommission 2004). Diese Agentur reguliert auch die Orte und Häufigkeit von Patrouillen entlang der Seegrenze. Der Freiheit und Wohlstand verheißende Kontinent im Norden, welchen Kingsley zu Beginn seiner Reise jenseits des Horizonts zu erwarten scheint, verändert seine Konturen und verflüchtigt sich im Verlauf einer strapaziösen Reise voller Unwägbarkeiten. Schließlich löst er sich in der Darstellung eines französischen Alltags auf, der eigentlich nur noch aus (Schwarz-)Arbeit besteht, um so die in Kamerun zurückgelassene Familie finanziell zu unterstützen. Es scheint angesichts dieser Arbeit im Europäischen Museum Schengen, als müsste für das Zielpublikum die alltägliche Bedeutung von politischen Gren-

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zen erst wieder sichtbar gemacht werden, um daran die Effekte des Schengener Abkommens anschließen zu können, die vor allem die Kontrollen an den Binnengrenzen weitgehend abgeschafft haben. Vor allem für jüngere Besucher gehören solche Kontrollen schließlich nicht mehr zu dem Europa, das sie erfahren. Darüber hinaus führt Kingsley jedoch vor Augen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Wegfall innereuropäischer Grenzkontrollen und den umso sichtbareren Strukturen und Mechanismen gibt, mit denen Europa sich nach außen abzugrenzen versucht. Von außen betrachtet stellen sich die von der EU unternommenen Versuche der Grenzziehung und -kontrolle geradezu als konstitutiv für dieses Europa dar. Im Frühjahr 2011 ließ sich beobachten, wie fragil das Schengener Abkommen ist und dass Grenzen nicht notwendigerweise unumkehrbar unsichtbar werden. Frankreich und Dänemark beriefen sich auf Sonderklauseln, um nationale Grenzkontrollen innerhalb der Schengenzone de facto wieder einzuführen, und zwar angesichts Tausender von Nordafrika in die europäischen Mittelmeerstaaten übersetzender Migranten. Insofern verschwinden auch innereuropäische Grenzen keineswegs, sie werden vielmehr immer wieder neu ausgehandelt und wirkmächtig gemacht (Green 2010). Kritik an den innenpolitisch bedingten Schritten insbesondere Dänemarks wurde in den Nachbarstaaten und von Seiten der Europäischen Kommission laut. Dass die Kommission ihrerseits rechtliche Schritte erwog, verweist auf ein Bewusstsein sowohl für die Bedeutung der Chiffre Freizügigkeit für das internationale politische Ansehen der EU als auch auf die Notwendigkeit von Einwanderung für den europäischen Wirtschaftsraum. Zugleich aber reflektiert es auch die Allgegenwart transnationaler Milieus und die komplexen Realitäten grenzüberschreitender Alltage, Strukturen und Bewegungen, denen sich die EU-Mitgliedstaaten zumal in der innereuropäischen Kooperation zu stellen haben. Angesichts dieser vielfältigen Verflechtungen ist offensichtlich, dass sie Migrationsprozesse nicht durch den Einsatz von Grenzkontrollen zu verhindern vermögen. Auch die EU-Kommission spricht mittlerweile von Migrationsmanagement.1 Dieses Management ist längst nicht mehr auf jene Grenzlinien beschränkt, die in Atlanten und auf Karten die Grenzen repräsentieren. EU-Grenzen haben vielmehr eine Filterfunktion innerhalb und außerhalb des EU-Territoriums (Buckel und Wissel 2010; Laube 2010; FischerLescano und Tohidipur 2007). Aus diesen komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen heraus – und vor dem Hintergrund national sehr unterschiedlicher Erfahrungen und Strukturen – entstehen seit der Jahrtausendwende vermehrt museale Repräsentationen



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von Migration. Im Jahr 2007 eröffnete mit der Cité nationale de l’histoire de l’immigration (CNHI) in Paris das erste nationale Migrationsmuseum in Europa. In München beginnen Stadtmuseum und Stadtarchiv, ihre Bestände im Lichte transnationaler Verflechtung und vielfältiger Wanderungsbewegungen neu zu betrachten. Das Stadtmuseum in Stuttgart, das Historische Museum in Frankfurt am Main, das Stadtmuseum in Antwerpen – Museum aan de Stroom – sowie die National Archives in Großbritannien in Kooperation mit einer Reihe von britischen Museen – um nur einige größere Institutionen zu nennen – suchen derzeit gleichfalls nach Wegen, ihre Bestände so aufzubereiten, dass sie Auskunft über Migrationsrouten geben und die Besucher in den Ausstellungen Fragen der Mobilität nachgehen können. Von London aus haben überdies Planungen für ein britisches Migrationsmuseum begonnen, das die kleinteilige und ortsspezifische Erzählung von Migration eines zum Erinnerungsort ernannten Londoner Mietshauses in der Princelet Street erweitern soll. Das geplante Migration Museum sieht seinen Platz ausdrücklich im Mainstream: als eine „high-profile, symbolic, declarative institution that treats immigration not as a difficult or tiresome subject, but as a major event in its own right“2. Zudem waren und sind seit einigen Jahren zahlreiche temporäre und Wanderausstellungen zu sehen. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, war die Nation seit der Entstehung der genuin europäischen Institution Museum die ideologische Leitkategorie und leistete damit der Grenzziehung zwischen Nationen und so genannten Kulturräumen – zwischen „Innen“ und „Außen“ – publikumswirksam Vorschub. Diese Leitkategorie scheint nun zusehends vom Paradigma transnationaler Mobilität abgelöst zu werden. Linien, im musealen Raum gezogen und abgebildet, verweisen damit nicht länger auf nationalstaatliche Grenzlinien. Vielmehr handelt es sich immer häufiger um Linien, die Migrationsrouten nachvollziehbar machen und epochenübergreifende Kontinuitäten der Mobilität aufzeigen wollen. Es ist eine bemerkenswerte Liaison, die das Museum als klassische Institution des Hinstellens, des Eingrenzens und Abgrenzens – des Klassifizierens mithin – mit dem Diskurs über Mobilitäten und Migration eingeht, welcher eben jene Ein- und Abgrenzungen fragwürdig macht. Diese Liaison veranschaulichen jene Vitrinen, Ausstellungskapitel, temporäre Ausstellungen und Museen zum Thema Migration, um deren Darstellungsformen und Erzählstrategien es in diesem Kapitel geht. Migrationsausstellungen stellen keineswegs die einzige kulturelle Praxisform oder den einzigen Ort dar, an dem gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Migration als einem nationale und europäische Grenzen überschreitenden Phänomen stattfindet. An dem vielschichtigen Phänomen der Migration, an seiner

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wissenschaftlichen Deutung, moralischen Bewertung, historischen Einbettung, sozialen Ausgestaltung und politischen Lenkung beteiligen sich diverse Milieus, Institutionen und Individuen. Dabei kommt Migration in den europäischen Staaten sowohl historisch als auch gegenwärtig ganz unterschiedliche Bedeutung zu, und das spiegelt sich auch im politischen Diskurs. Und dennoch: Obgleich Migration ganz offensichtlich ein komplexes Phänomen ist, so herrschte doch in den europäischen Gesellschaften lange ein pauschales Verständnis davon vor, was gemeint sei – jenseits der Differenzierung zwischen legalisierter, undokumentierter oder erzwungener, Pendel-, Ketten-, Klima-, Binnen- und Außenmigration aus politischen, ökonomischen oder höchst persönlichen Motiven. Im hegemonialen Diskurs verwies der Begriff des Migranten meist auf die „Anderen“, auf Menschen in Bewegung, deren Status wirtschaftlich und/oder politisch prekär ist. Gerade darin unterscheiden sie sich von „mobilen“ Menschen, den „multilingual gourmet tasters“ (Werbner 1997, 11), welche sich aus beruflichen Gründen als Angehörige einer transnationalen sozialen Sphäre durch die Welt bewegen und daraus in der Regel einen Distinktionsgewinn erzielen (Grillo 2007; Vonderau 2003; Pries 2001). In der Forschungsliteratur zu Migration zeichnet sich hingegen eine Wende ab, die auch für das Ausstellungsgenre Impulse liefert. So plädiert etwa John Urry (2008) für einen „mobility turn“, der die immer wieder neue Reproduktion von Sesshaftigkeit als Norm hinfällig macht. Er argumentiert stattdessen, man solle unterschiedliche Formen von Mobilität als Ausdruck einer globalen Konstante betrachten (kritisch dazu Lenz 2010). Damit käme auch Migrantinnen und Migranten ein neuer gesellschaftlicher Status zu. Unter der von Ulrich Beck und Edgar Grande geprägten Formel einer „reflexiven Europäisierung“ verhandeln zudem Kultur- und Sozialwissenschaftler seit einiger Zeit eine Wende hin zu einem gebrochenen Verständnis Europas, das nicht erst seit Kolonialzeiten oder gar seit der Nachkriegszeit von globalen Entwicklungen – und Migration – mitgeprägt wird, sondern schon immer und grundlegend (Beck und Grande 2007, Römhild 2007, Delanty 2005). Reflexive Europäisierung meint, dass auch traditionelle und hegemoniale Europabilder, die auf einem westlichen Universalismus, auf der Aufklärung und/oder dem Christentum fußen, ihre Gültigkeit verlieren oder zumindest fragwürdig werden. An ihre Stelle tritt Selbstbefragung und eine produktive Verunsicherung, die sich in der Frage nach den historischen und gegenwärtigen Verflechtungen Europas mit anderen Weltregionen niederschlägt. Zudem vermochte eine (nicht zuletzt EU-)kritische Migrationsforschung herauszuarbeiten, wie im komplexen Zusammenspiel von EU-Grenz-



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regime und örtlichen Praktiken besonders in den europäischen Peripherien ein Dispositiv der Transitmigration entsteht (Hess 2010, TRANSIT MIGRATION Forschungsgruppe 2007). Gemeint ist mit dem Regime in Foucaultscher Tradition „the ,ensemble‘ of practices, institutions, architectural arrangements, regulations, laws, administrative measures, scientific statements, philosophical propositions and morality that frame a disciplinary space“ (Shore, Wright und Però 2011, 11). Ein Dispositiv der Transitmigration besteht mithin darin, dass Mobilität durch das Zusammenwirken all dieser Aspekte zur Lebenskonstante für eine beträchtliche Anzahl von Menschen wird. Im Unterschied zu wissenschaftlichen, politischen und medialen Debatten machen Ausstellungen die Auseinandersetzungen um Migration in Europa physisch zugänglich und sinnlich erfahrbar. Gottfried Korff (2007a, X) diagnostiziert, „dass öffentliche Debatten über hochaktuelle Themen mehr und mehr über museale Präsentation statt über diskursive Foren und Informationskanäle verbreitet werden“. Bereits für Walter Benjamin (1980, 527) waren Ausstellungen die „vorgeschobensten Posten auf dem Terrain der Veranschaulichungsmethoden“, an denen die politischen Machtkonstellationen und nebeneinander verlaufenden Diskursstränge gleichsam herauspräpariert und somit sichtbar werden. Temporäre Ausstellungen und Museen mit ihren Dauerausstellungen sind also mit unterschiedlichen Aufgaben betraut. Die Logiken, nach denen hier wie dort gearbeitet wird, unterscheiden sich. Temporäre Ausstellungen geben relativ kurzfristig Kommentare zu aktuellen Themen von gesellschaftlicher Relevanz ab. Sie sind Zeigewerke des Zeitgeistes par excellence, denn sie veranschaulichen, wie Gesellschaften sich selbst wahrnehmen, und reagieren bildlich auf Stimmungslagen. Als „Museen auf Zeit“ (Korff und Roth 1990b, 21) stellen temporäre Ausstellungen – zumal solche zum Thema Migration – zugleich das Museum vor Herausforderungen, die vom Umgang mit Sammlungen über die Publikumsansprache bis hin zu ästhetischen Fragen kaum einen Kernbereich musealer Arbeit unberührt lassen. Wie in Kapitel 1 ausgeführt, sollen Museen hingegen heute Spuren der Vergangenheit für die Zukunft sammeln. Ihr Auftrag ist längerfristig: Dauerausstellungen sind oft für ein ganzes Jahrzehnt angelegt und entziehen sich allein schon deshalb tagesaktuellen Debatten. Die Ausstattung mit entsprechenden Ressourcen divergiert demnach und ist zudem abhängig vom kommunalen, regionalen, nationalen oder internationalen Wirkungskreis, der institutionellen Verankerung sowie der Geschichte der Institution. Verbindend ist jedoch der für temporäre Ausstellungen und Museen gleichermaßen geltende Anspruch, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Impulse für gesellschaftliche Debatten

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zu liefern. Ob sie nun in kommunalen Galerien, großen kulturgeschichtlichen Museen, neu gegründeten Museen oder in Kulturzentren mit Ausstellungsräumlichkeiten stattfinden: Die zumeist temporären Migrationsausstellungen, wie sie hier im Zentrum stehen, fördern auch das Spannungsverhältnis zwischen diesen Orten kultureller Repräsentation zutage. Was Gottfried Korff und Martin Roth (1990b, 21) über temporäre Ausstellungen sagen, gilt auch hier: „Beherzter“ und „kühner“ als klassische Museen „müssen [temporäre Ausstellungen] den Mut zur These und den Mut zum Bild haben, damit sie mit ihren Botschaften der öffentlichen Diskussion Stoff und Richtung geben können. Sie sind Ausgangspunkt für Trends und weitreichende Verständigungs- und Deutungsprozesse, die nachdrücklich jene diskursive Unruhe bewirken können, die für eine lebendige Geschichtskultur Voraussetzung ist.“ Wenngleich in den im Folgenden betrachteten Migrationsausstellungen der mobile Green-Card-Inhaber nur äußerst selten auftaucht und die unter prekären Bedingungen mobilen Menschen umso häufiger, so besteht ein gemeinsames Ziel der Schauen durchaus darin, den Facettenreichtum von Mobilität sichtbarer zu machen – entweder, indem der Beitrag der Einwanderer zur Ausdrucksvielfalt der europäischen Gesellschaften dargestellt wird, oder aber, um den transformierenden Einfluss von Migration auf die Aufnahmegesellschaften und die EU unter besonderer Berücksichtigung der „Kämpfe der Migration“ (Bojadžijev 2008) kritisch in den Fokus zu rücken. Migrationsausstellungen leisten deshalb einen Beitrag zu einer kulturellen Praxis der Europäisierung. Welche Perspektiven auf Europa werden hier entwickelt? Und welche Rolle werden Europa und der EU im Kontext von Migration zugeschrieben? Dies wird hier zunächst anhand der Rolle beleuchtet, die Karten für die Etablierung eines musealen Erzählzusammenhanges zukommt, um dann die vielfachen Verwandlungen klassischer Symbole und Objekte in Migrationsausstellungen in den Blick zu nehmen. Es folgen Überlegungen zu gestalterischen Aspekten, denen zuweilen selbst eine objektähnliche Bedeutung und Faszinationskraft zugesprochen wird. Einflüsse aus benachbarten Genres wie Film, Journalismus und bildender Kunst werden in kulturhistorischen Museumskontexten in Erzählungen von Migration integriert – nicht ohne Folgen für das Genre Ausstellung. Anhand von Beispielen wird gezeigt, wie sich Migrationsausstellungen europaweit als ein Genre der Selbstreflektion etablieren und wie sich in ihnen kulturelle Praktiken manifestieren, die auf einen von Ausstellungsmachern geteilten und mit vorangetriebenen Diskurs über Darstellungsmöglichkeiten der europäischen Gegenwart hinweisen. Diese kulturellen Praktiken geben Auskunft



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über die Auseinandersetzung mit Migration und über die unklaren Grenzen dieses politischen Gebildes und Kontinents Europa.

Migration nachzeichnen: Zur Bedeutung von Karten für Migrationsausstellungen

Karten sind in Ausstellungen häufig Objekte zweiter Ordnung, die im Halbschatten hinter der gut ausgeleuchteten Glasvitrine mit dem vermeintlich eigentlichen Objekt ihr Dasein fristen. In Migrationsausstellungen allerdings kommt ihnen besondere Bedeutung zu, denn mit großen und kleinen Pfeilen, die Regionen, Länder oder Kontinente miteinander verbinden, markieren sie den Rahmen der dann folgenden musealen Erzählung. Die Karte wird zum Sinnzeichen, das das Große im Kleinen – als pars pro toto – oder im Zugespitzten – als Synekdoche – sichtbar machen soll. Auf der imaginären Landkarte der europäischen Migrationsausstellungen bildet die CNHI in Paris seit 2006 über die Landesgrenzen hinweg einen Kristallisationspunkt für Debatten über Form und Inhalt musealer Repräsentationen von Migration. Wenn wir Migrationsausstellungen kartieren wollten, so würden viele Pfeile zur CNHI und von dort ausgehend in unterschiedliche Richtungen führen, da dieses Museum für Ausstellungsmacher bis heute Anregungen liefert und eine Referenzgröße bildet. Dies erklärt sich auch aus der konfliktreichen Entstehungsgeschichte. Dass die historische und heutige Verflechtung von Migration, (Post-)Kolonialismus und der Grande Nation auch in Form ihrer offiziellen musealen Repräsentation eine heikle Angelegenheit ist, zeigten nämlich Winkelzüge und Abstoßungsreaktionen, die nach dem Regierungswechsel in Frankreich und im Vorfeld der Eröffnung der CNHI zu beobachten waren. Die museale Erzählung entwickelte sich in und durch Auseinandersetzungen zwischen diversen Akteuren. Nach Mary Stevens (2009, 2008) lieferte das Buch Le Creuset français des Historikers Gérard Noiriel bereits Ende der achtziger Jahre einen ersten Impuls für die Gründung eines Fördervereins. Der politische Diskurs sei jedoch erst nach dem französischen Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land 1998 bereit gewesen, die Idee von der französischen Gesellschaft als Schmelztiegel auf einer großen Bühne zu verhandeln. Die Wahlen von 2002, bei denen der Front National mit Jean-Marie Le Pen auf dem Vormarsch war, hatten gerade den Effekt, dass sich die Zeichen für ein Migrationsmuseum zum Positiven wen-

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deten. Stevens charakterisiert den weiteren Prozess als eine vielschichtige Auseinandersetzung zwischen drei zentralen Gruppen von Akteuren und in ihnen, die sich gegenseitig herausforderten: erstens den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der in Gründung befindlichen CNHI, zweitens den involvierten Kunstschaffenden und drittens einer breiteren Öffentlichkeit. Intern haderte man mit dem impliziten Integrationsparadigma, das den Einwandernden eine Pflicht zur Einpassung ihres Lebensstils und ihrer Weltsicht in die französische Nation aufzuerlegen schien. Künstlerische Einwände richteten sich unter anderem gegen das Identitätskonzept, welches in das vorherrschende Modell von Integration eingeschrieben sei. Über die Medien und auf Konferenzen wurde gefordert, die Bedeutung des kolonialen Erbes für die Entstehung sozialer Ungleichheiten deutlicher herauszustellen. Diese knappe Skizze der Akteure und ihrer Positionen zeigt, dass sich das Phänomen Migration schon aufgrund divergierender politischer Grundannahmen einem kohärenten Narrativ widersetzt. Ein Gang durch das Ausstellungsgebäude selbst verstärkt diesen Eindruck. Das Palais de la Porte Dorée, in dem die CNHI angesiedelt ist, könnte seinen Entstehungskontext – die Pariser Kolonialausstellung von 1931 – kaum deutlicher vergegenwärtigen als durch die Friese und Ornamente an der Fassade und in den Innenräumen. Allerorten führen symbolträchtige Darstellungen die zeitgenössische koloniale Weltsicht vor Augen und präsentieren die mannigfaltigen zivilisatorischen Segnungen, welche Marianne dem „schwarzen Kontinent“ in Form von technologischem und kulturellem Wissen zuteil werden ließ. Die Geschichte Frankreichs als Kolonialmacht tritt durch die Architektur deutlich zutage, sie vergegenwärtigt eine geopolitische Weltordnung, die noch in Zeiten der EU-Integration sichtbare Spuren hinterlässt, und führt historische Konstellationen vor Augen, die die gegenwärtige Auseinandersetzung mit Migration entscheidend prägen. Im Foyer der Dauerausstellung, oberhalb der Eingangshalle gelegen, schiebt eine Gruppe großformatiger Weltkarten (Abb. 12) nun die drastische Ironie beiseite, welche dieser Ortswahl innewohnt. Hier wird ein sachlicher Ton angeschlagen, dem das Pathos vom Stockwerk darunter fremd ist. Farbige Pfeile relativieren die Bedeutung der französischen Nation, indem globale Wanderungsbewegungen der vergangenen Jahrhunderte bis heute dargestellt werden. Sie sind in drei großen Kuben arrangiert und zeigen Mobilität auf drei Ebenen: erstens innerhalb Frankreichs, das historisch durch Migration vom Land in die Stadt und zwischen den Regionen geprägt ist; zweitens stellen sie Migration dar, die beispielsweise während und nach der Kolonialzeit nach Frankreich



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stattfand, aber auch zwischen Frankreich und seinen Nachbarstaaten; drittens veranschaulichen die Karten globale Bewegungen: die europäischen Auswanderungswellen nach Nord- und Südamerika gegen Ende des 19. Jahrhunderts, Wanderungsbewegungen innerhalb Asiens in den dreißiger Jahren sowie die Routen von Asylsuchenden in der EU im Jahr 2006. Die Pfeile und Zahlen sollen zeigen, wie omnipräsent Migration durch die Geschichte hindurch war. Doch habe sich, so die Kuratoren im erläuternden Text, zugleich die Zahl von Menschen in Bewegung in den letzten 200 Jahren vervielfacht. Die Motive für Migration unterlägen demnach Konjunkturen, die über die Zeit wechselten und wiederkehrten. Die Ausstellungskuratoren verdeutlichen durch das großformatige Kartenarrangement, unter dem die Besucher hindurchlaufen und dem sie sich aus mehreren Richtungen nähern können, dass Migration sich weder räumlich noch zeitlich eingrenzen lässt. Migration betraf und betrifft mithin auch Frankreich nicht allein als von außen kommendes Phänomen. Mobilität innerhalb der Landesgrenzen und Bewegungen von und nach Übersee waren gleichermaßen prägend für die nationale Entwicklung und den europäischen Kontinent. Grenzen treten nicht nur graphisch in den Hintergrund, sie sind auch viel weniger von Interesse als die Pfeile, welche von der Kontinuität der Mobilität zeugen. „Die auf dem Weltatlas eingezeichneten Pfeile“, so Karl Schlögel (2006, 26), „bekommen mit einem Mal eine Bedeutung, die über das bloß Illustrative hinausgeht. Sie sind der hilflose Versuch, die Dynamik der Wanderung, ihren zeitlichen Verlauf und ihre räumliche Expansion mit graphischen und statistischen Mitteln zu fassen.“ Ob nun als „Hilflosigkeit“ verstanden oder als machtvoller Akt der Weltordnung: Alle Karten, und seien sie noch so detailliert, sind unweigerlich das Resultat von Selektion, Auslassung, Isolierung, Distanz und Kodifizierung (Corner 1999, 215). Die scheinbar objektive Darstellungsform der Karte resultiert aus subjektiven Entscheidungen und folgt sozialen, politischen und kulturellen Interessenlagen. Jede Karte könnte demnach auch anders aussehen. In diesem Sinne findet sich im Ausstellungsarrangement in der CNHI durchaus ein Ansatz, Europa anders abzubilden. Dazu wird der bereits weiter oben erwähnte Foto-Essay Kingsley von Olivier Jobard gezeigt, dessen zentraler Bestandteil von Hand gezeichnete Karten inklusive der zurückgelegten Routen sind. Auf diesen Karten verändern sich die Distanzen, tauchen die jeweils relevanten Grenzen auf sowie die für die Route entscheidenden morphologischen Gegebenheiten – Gebirge und Meere. Die Pfeile veranschaulichen in der Zusammenschau mit den

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Tagebucheinträgen, wie sich die Reisegeschwindigkeit abhängig von unabsehbaren Wartezeiten und vom Transportmittel verändert. Distanz ist mithin relativ. Und auch Europas Konturen sind dies. Der mit großen Buchstaben in der Karte markierte Kontinent scheint außer Sicht geraten zu sein, als Kingsley in Paris ankommt, denn nun bilden die Stadt selbst und die nationale Rechtslage die entscheidenden Rahmenbedingungen. Auch für das Projekt Migration im Kölnischen Kunstverein im Jahr 2005 waren Karten wichtig. Unter dem Titel MigMap entstand eine „virtuelle Kartographie des Europäischen Migrationsregimes“, die auf vier verschiedenen Karten die Akteure, Diskurse, Orte und Praktiken sowie das Phänomen „Europäisierung“ bildlich darstellen (Abb. 13).3 Aus Abkürzungen der schon in Kapitel 4 angesprochenen zahlreichen Akteure und der innerhalb der EU und darüber hinaus mit Migration befassten Organisationen und Initiativen setzt sich eine Europakarte zusammen, die die Komplexität des europäischen Politikfeldes Migration veranschaulicht. Dabei wird deutlich gemacht, welche divergierenden Interessen und Weltsichten in diesem Feld aufeinanderprallen. Zunächst werden hier – als der ersten von sechs Akteursgruppen – autonome Organisationen, Initiativen und Aktionsbündnisse kartiert, die sich mit Einwanderung nach EU-Europa befassen – darunter Sans Papiers, indymedia, frassanito, noborder und kein mensch ist illegal. Farblich abgesetzt kommen Institutionen aus Forschung und Wirtschaft hinzu: das International Centre for Migration Policy Development, die Intergovernmental Consultations on Asylum, Refugee and Migration Policies, die Siemens AG, das Centre for European Policy Studies, das Migration Policy Institute sowie ein gutes Dutzend europäischer Medien. Ferner zeigt die interaktive Karte eine große Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – weltweit agierende wie Amnesty International, das Internationale Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen oder Human Rights Watch ebenso wie lokal verankerte wie ASTRA Belgrad oder den Irish Refugee Council. Von den internationalen und intergouvernementalen Organisationen finden auf dieser MigMap-Karte unter anderem das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) ihren Platz. Weiterhin werden EU-Behörden und europäische Infrastrukturen vermerkt – etwa der Ministerrat für Justiz und Inneres, die EU-Kommission, FRONTEX sowie das Schengener Informationssystem (SIS). Zu guter Letzt treten die Nationalstaaten und nationale Behörden als Akteure auf den Plan. Mithilfe von Verknüpfungen, veränderlichen Textgrößen, Farbgebung und einander überlagernden Schriftzügen verdeutlicht die Karte, dass die hier vor-



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genommene Sortierung allein analytischen Ansprüchen folgt, in der Realität jedoch vielfältige finanzielle, organisatorische und personelle Verschränkungen bestehen. NGOs erhalten zum Teil öffentliche Gelder, staatliche Akteure gründen ihre Aktivitäten auf Informationen, die aus privatwirtschaftlichen Medienunternehmen stammen, Grenzbehörden vor Ort und Aktivistinnen und Aktivisten entlang der Grenzen haben einander im Blick und beziehen ihr Handeln unmittelbar auf die Arbeit der EU-Agenturen – und so setzen sich die Querverweise fort. Diese Karte wird flankiert von einer gleichfalls interaktiven Darstellung der Diskurse um Migration, zu denen auch jene um Menschenhandel und -schmuggel, Menschenrechte, die Chiffre „illegale Einwanderung“ oder Asyl zählen. Die bereits genannten Akteure wirken daran durch Kampagnen, wirkmächtige politische Entscheidungen oder die Etablierung von Schlagworten mit – zum Beispiel „one chance rule“ im Rahmen der Dublin II-Verordnung, welche Asylverfahren europaweit regeln soll (Europäische Kommission 2003). Diese tragen sie in Teilöffentlichkeiten unterschiedlicher Reichweite, Zugänglichkeit und Sprachen hinein. Die Gestaltung lehnt sich hier an die Formsprache von Wetterkarten an: Debatten, Aktionen und Ereignisse beeinflussen einander wie Hoch- und Tiefdruckgebiete mitsamt Wetterumschwüngen und Temperaturstürzen in einer europäischen Großwetterlage. Eine interaktive Karte zu Orten und Praktiken der Migration wiederum stellt das widersprüchliche Zusammenwirken von Mobilität, Alltagsorten, öffentlichen Institutionen und Verfahren wie auch Einrichtungen entlang der physischen Grenze dar. Bahnhöfe, Flughäfen und vor allem Abschiebelager sind zentrale Orte. Durch die an ihnen ausgeübten Kontrollvorgänge gewinnt die EU-Grenze machtvolle Bedeutung. Hier überlagern sich die politischen Einflusssphären der europäischen Staaten mit denen der EU, der IOM oder des UNHCR. Analogien zwischen Europa als geographischer Größe und Europa als politischer Entität schwinden in dieser Grafik beinahe vollkommen. Zu guter Letzt folgt eine weitere MigMap-Karte der Ästhetik eines U-BahnPlans. Sie zeigt, wie die Geschichte der europäischen Integration mit der des Schengen- und Budapest-Prozesses – der durch eine 1993 in Budapest verabschiedete Empfehlung den Weg zur stärkeren Koordination der Grenzkontrollen in Europa weist (Tromei 2001, 168) der Umsetzung einer gemeinsamen europäischen Grenzpolitik einhergeht. Die dabei stattfindenden Konferenzen und informellen Treffen, die gefällten Entscheidungen und verabschiedeten Verträge markieren hier die „Stationen“. So verläuft etwa die grüne Linie namens „Schen-

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gen“ vom Schengener Abkommen im Juni 1995 über die Gründung des SIS zum Vertrag von Amsterdam 1997. Mit letzterem wurde die Visa-, Einwanderungsund Asylpolitik von einem Feld der zwischenstaatlichen Kooperation zu einem Zuständigkeitsbereich der EU, und das Schengener Abkommen avancierte als so genannter Schengen-Acquis zu einer EU-Beitrittsbedingung für mögliche neue Mitgliedstaaten. MigMap – als emblematisches Exponat unter vielen und neben einem umfassenden Katalog – steckte und kartierte akribisch das Feld, in dem sich europäische Migrationsausstellungen unweigerlich – wenngleich nicht notwendigerweise explizit – bewegen. Die Ausstellungsmacher zeigen mit MigMap, dass es für sie genau diese ineinander verflochtenen Entscheidungsstrukturen, das diffuse Feld politischer Praktiken und die auf unterschiedlichen Ebenen miteinander in Beziehung stehenden Akteure sind, welche das Migrationsregime in der EU konstituieren. Die weiter oben umrissene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Migration in der EU findet hier ihren Niederschlag in Form eines Ausstellungsobjektes. Mit MigMap führt Projekt Migration zugleich vor, dass Europäisierung als kulturelle Praxis immer auch Teil des zirkulären Prozesses ist, als welchen Borneman und Fowler (1997, 488) Europäisierung insgesamt charakterisiert haben: „[T]his circularity – the EU as both cause and effect of itself – begs the fundamental question of what it in fact is.“ Es sei also schlichtweg nicht möglich, sich mit Europäisierung zu befassen und das Phänomen dabei unbeteiligt von außen darzustellen, denn mit jeder Darstellung Europas wird dessen Entwicklung fortgeschrieben und vorangetrieben. MigMap legt dem Ausstellungsbesucher eine „Zeitschicht“ (Koselleck 2003; Massey 1995, 188), eine komplexe Bestandsaufnahme und gleichzeitige Deutung europäischer Realitäten im Jahr 2005 vor. Karten im Ausstellungsraum ziehen die Frage nach sich, wie sich mit ihnen lange historische Entwicklungslinien im Sinne von Fernand Braudels Perspektive einer longue durée nachzeichnen lassen. Im Europäischen Museum Schengen beispielsweise soll eine Animation die seit dem Wiener Kongress von 1815 quer durch Europa verlaufenden Staatsgrenzen veranschaulichen (Abb. 14). Diese Animation wurde auf der Grundlage von immerhin 83 Karten mit jeweils anderen Grenzverläufen erstellt. Das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (MuCEM) plant ebenfalls, in den fünf vorgesehenen Ausstellungskapiteln – Le Paradis, L’Eau: L’homme dans son environnement, Le Chemin, La Cité – la Ville, Feminin – Masculin – die langen historischen Entwicklungslinien und die Konstanz von Migration und Mobilität über das Mittelmeer hinweg mit



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Hilfe von Karten darzustellen. Die Ausstellungskapitel widmen sich dem Mittelmeerraum als einem zusammenhängenden Kulturraum. In allen Kapiteln – vor allem jedoch in Le Chemin – ist geplant, mit Kartenmaterial zu arbeiten. Dabei machen zum Beispiel Karten über verzweigte Handelswege, welche im Mittelalter bestanden, die Bewegungen von Waren und Wissen über das Mittelmeer von der Antike bis ins 13. Jahrhundert für die Besucherinnen und Besucher nachvollziehbar. Als Zeitschicht bilden auch diese Karten schematisierte und entwirrte Momentaufnahmen – jedoch werden hier die divergierenden Stilmittel, graphischen Lösungen und jeweiligen inhaltlichen Akzentsetzungen in den Karten sichtbar bleiben. In der Zusammenschau verweisen sie auf den zeitlichen Verlauf, durch den Räume Kontur gewinnen, welchen eine einzelne Karte allein jedoch nicht darzustellen vermag. In diesem Sinne wollen die Kuratoren ferner die europäische Expansion zu Kolonialzeiten, Wanderungsbewegungen von Sinti und Roma durch Europa sowie die Kontraktion von Raum und Zeit ausstellen, zu der in Frankreich in der jüngeren Vergangenheit etwa das TGV-Netz beiträgt. Im Unterschied zum Schengener Beispiel bleibt so sichtbar, dass jede Karte einen Autor oder eine Autorin hat, dass sie zeitgebunden ist und insofern hinterfragbar. Die angeführten Beispiele aus realisierten und geplanten musealen Darstellungen von Migration zeigen, dass Karten selbst zu Fragen nach den sozialen und imaginären Räumen anregen, in denen Menschen sich, andere und ihr Handeln verorten. Solche Fragen verdienen in einem musealen Kontext gesteigerte Aufmerksamkeit. Aus welcher Warte wird hier geschaut, welche Routen werden mit Pfeilen skizziert, welchen Spuren und Bewegungen wird gefolgt? Wo und wie werden Grenzen gezogen? Was Karl Schlögel (2007, 457ff.) über Kartenabbildungen der Flucht und Vertreibung in Europa zwischen 1938 und 1948 schreibt, lässt sich abgeschwächt auf das Phänomen Migration allgemein übertragen: „Wie alle Kartenbilder sind auch Kartenbilder von Flucht und Vertreibung Abstraktionen, Stilisierungen, die bewusst von vielem absehen müssen, um aussagekräftig sein zu können. Es ist aber gerade diese Abstraktion vom heillosen und im Grunde unüberschaubaren Geschehen, die der Dramatik im Grunde am meisten angemessen ist und dafür sorgt, dass wir (...) zu Karten Zuflucht nehmen. (...) Pfeile sind die Symbole für displacement. In ihnen steckt etwas von der Wucht, die notwendig ist, um Menschengruppen zu versetzen. (...) Die Pfeile, die die Bewegungen der großen Entwurzelung symbolisieren, führen aus dem einen Raum in den anderen. Wer verstehen will, was da geschehen ist, muss Tausende von Biographien lesen und die zwei Karten, die diese Räume abbilden,

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neben- oder übereinanderlegen.“ Das Über- und Nebeneinanderlegen haben die Kuratoren der betrachteten Ausstellungen dem Publikum abgenommen und durch die Auswahl der Informationen und deren Arrangement die Perspektive eines durch verschiedene Formen von Mobilität maßgeblich geprägten Europa entwickelt. Karten sind aufschlussreiche Objekte einer Europäisierung als kultureller Praxis – und das in zweifacher Hinsicht: Indem sie in Migrationsausstellungen Europa abbilden, erlauben sie zum einen Rückschlüsse auf politische Strukturen und Dynamiken, die Mobilität und Migration nach und in Europa beeinflussen. Zum anderen liefern sie aber auch neue Darstellungsformen, die mit Sehgewohnheiten spielen und sich von traditionellen geographischen Karten absetzen. Auf diese Weise tragen auch Karten wie MigMap dazu bei, die Vorstellungen von Europa, die in der Öffentlichkeit kursieren, zu prägen. Karten wie diese entfalten in der Zusammenschau jedoch einen paradoxen Effekt. Sie verwischen die Grenzen Europas als einer in sich geschlossenen – metaphorischen und politischen – Größe. Zugleich relativieren sie die Bedeutung dieses Kontinents und politischen Gebildes, das sich im medialen Diskurs nicht selten – wenngleich irrtümlich (UNDP 2009) – als Hauptzielregion von Migrationsströmen wähnt, in dem sie Migration als globales Phänomen beleuchten. Damit erzeugen im Kontext von Migrationsausstellungen ausgerechnet Karten, die per se Uneindeutiges nicht abbilden können, in ihrer Gegenüberstellung und Überlagerung Fragilität. Sie werden zum geeigneten „sign system in the crisis if representation“ (Rogoff 2000, 75).

Migration einpacken: Koffer und andere Dinge in Bewegung

Keine Migrationsausstellung ohne Koffer. Wer in den letzten Jahren Migrationsausstellungen besucht hat, dem wird immer auch die bunte Auswahl an Gepäckstücken in Erinnerung bleiben. Lässt sich Migration im Museum nicht ohne Koffer darstellen? Einzeln oder hoch gestapelt, ordentlich nebeneinander aufgestellt, skulptural zu einem raumhohen Torbogen aufgetürmt, hinter Vitrinenglas auratisch ausgeleuchtet, als Teil der Architektur und Behältnis für Ausstellungstexte, zu Dutzenden zu einem mehrere Meter hohen Globus montiert oder als fotografierter Hinweis auf die Welt außerhalb der Ausstellung. Ob nun die Wanderausstellung C’est notre histoire! in Wroclaw (Breslau) im Jahr 2009, die Installation Unikate, Sammlungsgruppen und Archive von Christian Philipp



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Müller in der Ausstellung Projekt Migration in Köln im Jahr 2005, das Kapitel Migration in der aktuellen Dauerausstellung des Imperial War Museum North in Manchester, die Dauerausstellung der CNHI, Crossing Munich. Orte, Bilder und Debatten der Migration in der Münchener Rathausgalerie im Jahr 2009, die Ausstellung Destination X im Museum of World Cultures im schwedischen Göteborg von 2010/2011 oder die Bilderserie in Migropolis. Venice / Atlas of a Global Situation in Venedig im Jahr 2009 – braune Lederkoffer, rot-weißblau karierte Kunststofftaschen und voluminöse Truhen sind offenkundig das verdichtete Zeichen schlechthin, wenn im Museum Geschichten menschlicher Mobilität dargestellt werden. So verweisen Koffer, Truhe und Reisetasche wohl auf das „Mitgebrachte“ (Benjamin 2000) und setzen Assoziationen zu Kulturkonzepten in Gang, denen zufolge Menschen „ihre Kultur“ gleich einem bis zum Rand gefüllten und fest verschnürten Rucksack mit auf die Reise nehmen. Jener Inhalt wird dann am Ankunftsort ausgepackt, sei es als Erinnerungsstück oder um weiterhin alltäglich genutzt zu werden. Koffer können aber auch kritischer und zugleich ironischer Verweis auf Klischees sein, nach denen Migrantinnen und Migranten bereits durch neben ihnen platzierte voluminöse Taschen optisch auszumachen seien: Sie sitzen auf gepackten Koffern, sind (Baur 2009b, 20) „nicht mehr hier, noch nicht unterwegs, nicht mehr unterwegs, noch nicht dort.“ Die Frage nach dem Inhalt der Koffer stellt sich jedoch anders, wenn der Blick des Ausstellungspublikums auf all jenes „Mitgebrachte“ gelenkt wird, das schon längst von der Mehrheitsgesellschaft mit Beschlag belegt worden ist. Statt des Eingepackten, Transportierten und Ausgepackten geraten jene Vorstellungen in den Fokus (und womöglich ins Wanken), die sich das von den Kuratoren imaginierte Ausstellungspublikum von Praxen der Migration macht. In diesem Sinne installierten die Kuratoren der CNHI unspektakuläre Objekte wie Gieß- und Kaffeekannen, gewebte Kunststoffteppiche, ein Wok, eine Trommel, Holzfiguren und großformatige, karierte Plastiktaschen, die gleich einem großen Mobile über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher zu schweben scheinen – allesamt sind sie alltägliche Gegenstände in der „Aufnahmegesellschaft“. Die Tasche wird längst auf den Laufstegen der haute couture getragen und zitiert – sie verweist sinnbildlich darauf, wie sich materielle Alltagskultur, Einzelhandelsstruktur und auch soziale Distinktionsmuster durch Migration ändern. Mit der Tasche und anderen Dingen, auf deren Spur durch Europa und um den Globus die Kuratorinnen und Kuratoren das Publikum führen, unterminieren

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sie die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem (Clifford 1997; Marcus 1995). Auf der inhaltlichen Ebene verweisen die Dinge auf Migration als Katalysator und Ausdruck wirtschaftlicher Verflechtungen, wenn hier unterschiedliche ökonomische Akteure in einen stillen Dialog miteinander treten. Dieser stille Dialog zeugt von der Mobilität der Dinge und Konsummuster und unterminiert auf diesem Wege vermeintliche Grenzen von Europa als einem Inbegriff der „ersten Welt“. Im Sinne der in Kapitel 2 diskutierten New Museology, die die Wechselwirkungen zwischen den Realitäten innerhalb und außerhalb der Museumsmauern in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt (Macdonald 2006; Vergo 1989), kann die Inszenierung der CNHI als – in unterschiedliche Richtungen tastender – musealer Beitrag hin zu einer Transnationalisierung Europas verstanden werden (TRANSIT MIGRATION Forschungsgruppe 2007; Beck und Grande 2004). Hier schließt Crossing Munich an, eine Ausstellung, in der voluminöse Kunststofftaschen Texte über den Münchener Hauptbahnhof enthalten – ein Ort, der von Migration geprägt ist und der die Erfahrung von Migranten prägt. Immer wieder wirft die Besucherin Blicke in die Taschen, neigt den Kopf, um die Angaben auf den an den Henkeln hängenden Adressschildchen zu lesen und umwandert das mehrere Quadratmeter große und zentral in der Ausstellungsgalerie platzierte Taschenobjekt, um die aus ihm hervorquellenden Geschichten von allen Seiten betrachten zu können. Koffer sind für das Team von Crossing Munich sowohl Teil der Ausstellungsarchitektur als auch auf Fotografien festgehaltenes Alltagsobjekt. Und natürlich handelt es sich auch bei den gestapelten Taschen um „Dinge“, die befragt werden wollen, doch eben gerade nicht aufgrund ihrer im Materiellen liegenden auratischen Qualitäten. Sie konfrontieren das Publikum vielmehr mit stereotypen Bildern, die sich die Mehrheitsgesellschaft von Migration macht. Mit diesem in die Ausstellung integrierten reflexiven Dreh werden gängige Bilder von Migration unterwandert. Anstelle der Kultur von Einwanderern wird der Blick auf das (in stetiger Veränderung befindliche) Eigene und das hegemoniale Verständnis von Mobilität und Migration gelenkt. Nicht nur die von den Kuratoren entwickelte Erzählung in Migrationsausstellungen, sondern auch die Dinge selbst können mithin die kulturelle Praxis der Europäisierung reflektieren, in dem sie in der musealen Ordnung vermeintlich eindeutige Unterscheidungen zwischen Eigenem und Fremdem unterlaufen. Das wachsende Interesse an der Mobilität von Dingen zieht weitere Kreise. Auch hinter den Kulissen der für das Publikum zugänglichen Ausstellungen wer-



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den nämlich mittlerweile die Sammlungen der Museen nach den Spuren von Migration und Mobilität befragt. Dinge der Migration entgleiten eigentlich den traditionellen Sammlungssystematiken, die den Objekten einen festen Ort zuschreiben. Insofern wird Mobilität erst auf den zweiten Blick erkennbar, verbirgt sich Migration doch in den ausführlicheren Objektbeschreibungen, sofern jene existieren. Dass sich aber die Fragen ändern, die im Museum an dessen kleinste Untereinheit – das Sammlungsobjekt – gerichtet werden, ist bereits zu erkennen. In der Broschüre Reflecting Europe in its Museum Objects, die in Kapitel 5 bereits besprochen wurde, befinden sich auch Objekte, die Mobilität im weiteren und Migration im engeren Sinne thematisieren: eine Bronzestatue aus dem Cyprus Museum in Nicosia, die auf den Kupferhandel im Mittelmeerraum während der Bronzezeit verweist, und eine Kutsche aus dem Museum of London aus dem Jahr 1757, welche in London nach „Berliner Art“ konstruiert wurde, die auf weit verbreitete Wissensbestände hindeutet und deren Ausstattung mit schmückenden Machtsymbolen ein geteiltes Stilempfinden veranschaulicht. Ferner steuert die CNHI eine Fotografie von Kasimir Sgorecki aus den zwanziger oder dreißiger Jahren bei, die Polen in Nordfrankreich vor ihrem Lebensmittelgeschäft zeigt und somit deren Platz im Alltagsleben des Ankunftslandes dokumentiert. Das Red Star Line Museum in Antwerpen trägt zu dieser kleinen virtuellen Kollektion „europäischer“ Objekte eine Truhe bei, die die Familie Bobelijn bei ihrer Schiffspassage von Europa nach den Vereinigten Staaten Anfang des 20. Jahrhundert benutzte. Das Musée de l’Europe schließlich, welches als einziges unter den beteiligten Museen ein virtuelles ohne umfassende eigene Sammlung und permanente Ausstellungsräumlichkeiten ist, schlägt das Gemälde Europa: Work in Progress von Jörg Frank aus dem Jahr 1995 vor – „[a] painting [that] is finished [although] it looks as if it was not“ (ICOM Europe 2010, 122). Hier sehen wir die geographischen Konturen Europas, aufgetragen in dicken Pinselstrichen, in kräftigen Farbtönen und durchkreuzt von dem Schriftzug „work in progress“. Das hier mit Acrylfarbe festgehaltene Gebilde „Europa“, dessen Veränderungspotenzial wohl auch durch Farbübergänge angedeutet werden soll, führt mit dickem Pinselstrich vor Augen, was die Objekte auf den Seiten davor und danach nur mittelbar erkennen lassen: Europa ist – sowohl historisch als auch gegenwärtig und über die Wirkmacht der EU-Institutionen hinaus – ein Gebilde des konstanten Ordnens – nicht einer fixen Ordnung – und somit in stetiger Bewegung und Veränderung begriffen (Barry 2002, 147). Gerade diese permanente Veränderung und die damit einhergehende Fragilität scheinen sich jedoch mit Objekten, sofern diese traditionell in Vitrinen prä-

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sentiert werden, nicht abbilden zu lassen. Die Dinge widersetzen sich dem Diffusen, das Europa anhaftet. Das gilt insbesondere für die vielen Alltagsobjekte aus privatem Besitz, die in kleineren Museen und Ausstellungen zu Migration zu sehen sind – so etwa in der Dauerausstellung des Berliner Kreuzberg Museums oder aber im privat initiierten Museum auf Lesbos zur Erinnerung an die Flucht vieler Griechen aus Kleinasien im Jahr 1922. Beide Institutionen verstehen sich einerseits als Ort der – durchaus auch sentimentalen – Erinnerungen an die Migration jener Menschen, die bis heute eine zentrale Rolle im Selbstbild und Alltag des Berliner Stadtteils bzw. jenes kleinen Fischerdorfes auf der nordägäischen Insel spielen. Zugleich zielen beide Ausstellungen aber auch auf eine systematische Dokumentation der nach wie vor gespendeten Objekte mit dem Anspruch ab, die Sozial- und Alltagsgeschichte von Migrantinnen und Migranten in größere historische und politische Zusammenhänge einzuordnen. Wenn die unfreiwillige Migration von Griechen aus Kleinasien nach Westen wie in Skála Loutron erfasst und eingeordnet wird oder wenn die Anfangsjahre türkischer Gastarbeiter beleuchtet werden, geschieht dies oftmals mit gespendeten Dingen – von Kleidung über Arbeitsutensilien, Salz- und Pfefferstreuer, Teeservice bis hin zu persönlichen Erinnerungsgegenständen und offiziellen Dokumenten. Für die Fürsprecher einer vom Objekt ausgehenden musealen Darstellung birgt dieses ein doppeltes Versprechen (Grosz 2009, 125): „[T]he thing functions as fundamental provocation – as that which, in the virtuality of the past and the immediacy of the present cannot be ignored – [but] it also functions as a promise, as that which, in the future, in retrospect, yields a destination or effect, another thing. (...) The thing is the point of intersection of space and time, the locus of the temporal narrowing and spatial localization that constitutes specificity or singularity.“ Konsequenterweise folgt aus dieser Sicht die Befürchtung, dass „objektlose“ Ausstellungen das innewohnende Zusammenspiel von Provokation und Verheißung ausradieren. Ausstellungen werden ohne die „Ding-Anschauung als Welt-Anschauung“ (vgl. Mitchell 2002) textlastig – sozusagen begehbare Bücher, in denen Leselast die Schaulust verdrängt. Unmittelbar verweisen solche Dinge eher auf individuelle Geschichten und Schicksale der Migration als auf die strukturellen Rahmenbedingungen und historischen Kontinuitäten. Anstatt als „epistemische Dinge das [zu verkörpern], was man noch nicht weiß“ (Rheinberger 2006, 28; vgl. Korff 2005), scheinen sie als auratisch aufgeladene Symbole Bedeutungen festzuschreiben, wobei ihre melancholischen Züge in den Vordergrund treten. So lässt sich die spielerische, ironische und auf Dekonstruktion abzielende Art und Weise, auf welche die



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Ausstellungsmacher etwa in Göteborg (Abb. 15) oder München Koffer in das Arrangement integrieren, auch als Distanzierung von einer sentimentalen Tonart verstehen. Der Koffer, ein Massenprodukt, dessen Gebrauchsspuren allein ihm Individualität verschaffen, wird als ambivalenter Bedeutungsträger eingesetzt. Rückt man also in den Fokus, wie Objekte in museale Erzählungen von Migration eingebunden werden, so zeichnet sich neben deren traditioneller Präsentation in ausgeleuchteten Vitrinen ab, dass sie immer häufiger der Verwirrung der Betrachterinnen und deren Selbstbefragung dienen sollen. So spiegelt die unterschiedliche Inszenierung der Alltagsdinge auf Wanderschaft wider, dass Selbstbefragung vom Museum ausgeht und gleichermaßen in ihm stattfindet – und dass damit auch eine Selbstreflektion musealer Arbeitsweisen einhergeht. Dabei war das Museum als eine genuin nationale Institution nun gerade nicht aus einer erkannten Notwendigkeit zum Hinterfragen heraus entstanden, sondern sollte vielmehr Antworten auf die Frage liefern, was etwa die britische, deutsche oder französische Nation ausmache. Die genannten Beispiele liefern mithin Hinweise darauf, dass das Selbstverständnis musealer Arbeit sich derzeit von seinen historischen Ursprüngen entfernt. Auch dies kann als Ausdruck einer Europäisierung gelten, die als kulturelle Praxis eben nicht auf Eindeutigkeiten hinausläuft. Selbst im Umgang mit der kleinsten Einheit musealer Repräsentationsarbeit, dem Objekt, tritt Europa als eine diffuse Größe zutage, deren relative Bedeutsamkeit auch durch Erzählstrategien und Arrangements immer wieder herausgearbeitet werden muss.

Migration inszenieren: Gestalterische Aspekte und die Aura des Arrangements

Der Umgang mit Objekten vergegenwärtigt ferner, dass die Formsprache und Tonart von Migrationsausstellungen sie zu durchaus unterschiedlichen Zeigewerken von Diskursen über Europa und Migration und zu Repräsentationen des Zeitgeistes werden lässt. Das breite Spektrum reicht – wie oben skizziert – von Ausstellungen, die der sinnlichen Anmutungsqualität authentischer Artefakte vertrauen, bis zu musealen Darstellungen, die von einer Haltung des Misstrauens gegenüber den alltäglichen oder kulturhistorischen Dingen und der ihnen zugesprochenen Aura zeugen und die gesellschaftliche Bedeutung von Migration mit künstlerischen Mitteln erschließen wollen.

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Während erstens die Ausführungen zur Einbeziehung von Karten gezeigt haben, dass die Grenzen Europas in Migrationsausstellungen verwischt werden, und zweitens auch Objekte zur Verunsicherung musealer Darstellungsformen geeignet sind, so lohnt – drittens – ein Blick auf die poetics von Migrationsausstellungen (Lidchi 2006, 1997). Gemeint ist „the practice of producing meaning through the internal ordering and conjugation of the separate but related components of an exhibition“ (Lidchi 1997, 168). Die ästhetischen und narrativen Strategien, innere Logik und Verweissysteme, die damit angesprochen sind, deuten nämlich an, dass wir im Falle von Migration als Ausstellungsthema auch einem Ineinandergehen vormals getrennter Genres beiwohnen. Alltagsobjekte, Design, Kunst, filmähnliche Effekte und Journalismus sind in Migrationsausstellungen zuweilen gleichzeitig präsent. Anhand einiger Beispiele soll daher der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung dieser Verschränkung von Genres jeweils zukommt. Das Stadtmuseum im kroatischen Rijeka zeigte von Dezember 2008 bis Juni 2009 die Ausstellung Merica. Emigration from Central Europe to America 1880–1914.5 Darin wurden individuelle Migrationsgeschichten und Routen nach Amerika um die vorletzte Jahrhundertwende herum aufgezeigt. Es werden aber auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge und jene Unternehmen vorgestellt, die den Menschen das Reisen an die Küste und weiter über den Ozean ermöglichten und ihr ökonomisches Auskommen auf genau dieser Migrationsbewegung gründeten. Die gestalterische Leitidee der Ausstellung ging von einer handgezeichneten Reiseroute aus. Auf einem vergilbten Blatt Papier sind entlang einer kurvenreichen Linie Stationen auf dem Weg aus einem kroatischen Dorf an die italienische Küste verzeichnet, von wo die Reise nach Amerika weiter gehen soll. Darunter sind exakte Informationen aufgelistet, wo die Emigranten umsteigen müssen und eine neue Fahrkarte benötigen. Grenzkontrollen oder Visa-Regelungen tauchen in dieser Liste nicht auf – weder das eine noch das andere spielte zu jener Zeit eine Rolle. „Someone who does not know where they are going, who does not know the routes“ – das war nach Ansicht der Kuratoren die Person, an welche sich der Schmierzettel richtete. Um diese Erfahrung eines fehlenden Überblicks, der Ungewissheit über die nächste Etappe durch Europa und über das Ziel der Reise zu vergegenwärtigen, wurde die Ausstellung wie ein Labyrinth gestaltet – „but with a way out“, wie ein Hintergrundtext auf der Homepage versichert. Indem sie bewusst die Verwirrung der Besucher riskierten, sie geradezu hervorriefen, transponierten die Kuratoren die Atmosphäre der Migrationssituation



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in ein Ausstellungsarrangement und verdeutlichten, dass auch eine noch so reduzierte Karte wie die vorliegende gelesen und verstanden werden muss. Sonst ist sie wertlos und kann der Orientierungslosigkeit nicht abhelfen (Corner 1999, 214f.). Zudem vermag das Ausstellungsarrangement und -design den kreativen Akt der Migration zu veranschaulichen. Menschen müssen ihr Leben an einem anderen Ort und unter anderen ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zunächst imaginieren, Routen müssen dann gefunden oder erfunden werden (Corner 1999, 217). Die Ausstellung liefert ein treffendes Beispiel dafür, wie die Bedeutung statt von einzelnen Ausstellungsobjekten viel stärker in der Gestaltung, dem Raumarrangement, verankert wird – dies mit dem Ziel, den sinnlichen Aspekt des Ausstellungsbesuchs zu betonen. Wenn im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven die Ausstellungsbesucher zu Beginn ihres Rundgangs in einem engen Wartesaal beinahe klaustrophobisch werden, bevor sich die Tore zur inszenierten Kaimauer öffnen, wenn Schiffssirenen dröhnen und über Lautsprecher das Gemurmel der sich voneinander verabschiedenden Familienmitglieder ganz nah erscheint – auch dann wird, wenngleich mit deutlich höherem technischen Aufwand, darauf abgezielt, die Ausstellung selbst zu einer emotionalen Naherfahrung zu machen. In Bremerhaven zieht das zudem einen anderen Effekt nach sich: Für das Publikum mutet die Route, die es sich nicht selbst bahnen kann, sondern die ab dem Eingang einem vorgegebenen und die Reise über den Ozean chronologisch nachvollziehenden Parcours folgt, beinahe wie ein Film an. Wie durch ein Filmset bewegen sich die Besucherinnen durch Szenerien, Kulissen und Geschichten hindurch. Hier ist nicht Verwirrung das Ziel wie in Rijeka, sondern die Vermittlung einer Geschichte mit klarem geographischen und narrativen Start- und Zielpunkt. Ein ganz anders gelagertes Beispiel dafür, wie mit Migrationsausstellungen Genregrenzen überschritten und langfristig womöglich verwischt werden, ist die Ausstellung Destination X, die von 2010 bis 2011 im Museum of World Cultures in Göteborg zu sehen war. Destination X zielte darauf ab, die weit auseinanderklaffenden Bedingungen aufzuzeigen, unter denen Mobilität heute stattfindet und historisch stattfand. Das Spektrum reicht von historischen Pilgerreisen über erzwungene Migration aus Krisen- und Kriegsgebieten bis hin zu den in Schweden lange Zeit populären Gruppenreisen für ein jugendliches Publikum mit den so genannten „Rosa Bussen“, die auf allen Kontinenten unterwegs sind. Das imaginierte Publikum sollte somit der Argumentation der Ausstellung ausgehend von dem vergegenwärtigten eigenen Erfahrungshorizont folgen. Den ersten Eindruck beim Betreten der Ausstellung prägen die Klanginstallationen und

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Lichteffekte. Entlang der Wände setzen Zitate die Tonart und verdeutlichen, dass das Kuratorenteam den mobility turn schon längst vollzogen hat. Im größeren der beiden Ausstellungsräume sind in einer Vitrine Schuhe ausgestellt. Wenn sich Karl Schlögel (2006, 24) zufolge „alle Geschichte (...) in Bewegung [auflöst], und zwar in der körperlichsten aller Bewegungen, [der] Wanderung“, dann löst sich die museale Erzählung analog auf in all jene Dinge, die am Körper getragen werden: Schuhe, kleine Gepäckstücke und das wenige, das in den Taschen Platz hat. Die historischen oder aus privatem Besitz geliehenen Schuhe in den Göteborger Vitrinen korrespondieren still mit jenen Badesandalen, aus denen eine große Installation in Form einer mehrere Meter hohen Palme entstand. Das Material dafür bildete Strandgut von kenianischen Stränden. Während Flip-Flop-Sandalen für europäische Touristen die Freiheit von den Zwängen des Alltags symbolisieren, sind sie oftmals die einzigen Schuhe, die für Migranten erschwinglich sind. In ihrer Verbindung von Kunstinstallation und Dokumentation bündelt die von einer NGO erschaffene Palme das paradoxe Verhältnis zwischen Europa als Teil des reichen Westens und den „Anderen“ (Hall 2003). Weniger der einzelne Schuh oder seine Reste entfalten hier eine Wirkung, sondern vielmehr deren wiederholtes Auftauchen im Ausstellungsraum – und zwar als ethnographisches und als Kunstobjekt. Eine andere Installation verwischt die traditionellen Grenzen zwischen Kunst und Alltagsgeschichte noch eindrücklicher. Valarie James und Antonia Gallegos, die das Werk Hardship and Hope – Crossing the U.S.-Mexico Border 2010 aus kleinen Kinderrucksäcken, handbestickten Kleidungsstücken, Kindershampoo der Marke No Más Lagrimas und anderen in der Wüste von Arizona zurückgelassenen Dingen schufen, bezeichnen sich als Künstler und Archivare gleichermaßen. Auch diese Objekte und zahlreiche andere aus Destination X verdeutlichen, für wie wenig relevant Grenzen in Europa oder zwischen Europa und seiner Umwelt für das Phänomen Mobilität erachtet werden. Diese Verflechtungen werden vom Ausstellungsdesign und den einander überlagernden klanglichen, visuellen und architektonischen Mitteln veranschaulicht. Mobilität führt vor Augen, dass eine einfache Unterscheidung zwischen Europa und Nicht-Europa bedeutet, vor den Komplexitäten der Gegenwart die Augen zu verschließen. Das Potenzial eines solchen Vorgehens, das sich um klassische museale Genres – Kunstausstellung, sozialgeschichtliche Ausstellung – nicht bemüht, verdeutlicht auch das bereits dargestellte Projekt Crossing Munich. Ein Team aus Künstlern und Ethnographen spürte im Stadtbild versteckte Orte auf, von denen aus München in Routen und Netzwerke von Migranten quer durch ganz Eu-



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ropa eingebunden wird. Sinnfällig macht dies ein überdimensioniertes Mobile, durch das die Ausstellungsbesucher hindurchgehen können. Es stellt die Funktionsweise und Bedeutung des Busbahnhofs an der Münchner Hansastraße dar, von wo aus Linienbusse regelmäßig in Richtung Balkan aufbrechen. Die Station funktioniert ohne gedruckte Fahrpläne, ohne Haltestellenschilder, Wartehäuschen oder Bahnhofsgebäude und erfordert deshalb die spezielle Kompetenz der Fahrgäste. Migration, wie sie in München verstanden und gezeigt wird, setzt demnach weniger Weltläufigkeit in einem traditionellen, europäischen und bürgerlichen Sinne voraus, sondern die Fähigkeit, sich von Ort zu Ort unterschiedliches Wissen schnell und auf informellem Wege anzueignen. So setzt auch diese Ausstellung gestalterische Mittel als Reflexionskatalysator ein und fasst die Realitäten der Migration in ebenso poetische wie aussagekräftige Bilder. Destination X und Crossing Munich setzen auf die Assoziationsketten, welche das Arrangement aus Kunst-Installationen und faktenreicher Dokumentation in Gang zu setzen vermag. Wiederum anders geht eine kleine Schau zur Wirkmacht europäischer Grenzen vor, mit der das Turiner Museo Diffuso della Resistenza, della Deportazione, della Guerra, die Diritti, della Libertà den Alltag an einem dezidiert der europäischen Grenzziehung gewidmeten Ort fokussiert. Fotos aus einem Abschiebelager vor den Toren Turins werfen die Frage nach nationaler und europäischer Staatsbürgerschaft und den daraus resultierenden sozialen Hierarchien auf. Gezeigt werden historische Aufnahmen der heutigen Schengen-Grenze, denen aktuelle Aufnahmen aus einem Abschiebelager vor den Toren Turins gegenübergestellt werden. Die Schwarzweißfotografien treten mit ihrer deutlichen Botschaft offensiv, beinahe vorwurfsvoll an das Publikum heran. In den Bildtexten wird die desolate Lage der Migrantinnen und Migranten in den Lagern herausgestellt. In Verbindung mit der journalistischen Bildsprache sind Schuldige wie auch Opfer schnell ausgemacht. Das Bild von Migration wird hier von Aktivistinnen und Journalisten in groben Strichen und aus norditalienischer Warte skizziert – mit dem Preis, dass auch die Dichotomie von aktivem Staat und ausgelieferten Migranten reproduziert wird, um deren Überwindung man sich andernorts bemüht (so etwa Gatti 2010). Womöglich ist das der Grundtonart des hegemonialen Diskurses um Migration in Italien geschuldet, wo Rechtspopulisten großen Einfluss haben und die kleine Insel Lampedusa als erster europäischer Anlaufpunkt auf der Transitroute über Nordafrika einen besonders sichtbaren Kristallisationspunkt von Konflikten darstellt. Noch viel deutlicher als während der Laufzeit der Ausstellung wurde dies im Jahr 2011, als aufgrund der politischen Umbrü-

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che in Nordafrika die Zahl der Migranten an der europäischen Mittelmeerküste erneut anstieg. Im Unterschied zu anderen Ausstellungen, denen es in erster Linie darum geht, die Allgegenwart von Migration vor Augen zu führen, verweist die Turiner Ausstellung durch ihre fotojournalistische Tonart expliziter auf die Dringlichkeit politischer Veränderungen. Der Ausstellungsbesuch gleicht der Lektüre einer kritischen und investigativen Reportage. Die spielerischen Untertöne der Göteborger oder Münchner Ausstellungen sind ihr fremd. Migrationsausstellungen wie die hier präsentierten zeigen, dass das Thema zu einer Zeit Konjunktur im musealen Raum hat, in der die Unterscheidung zwischen verschiedenen ästhetischen Genres sich als immer weniger entscheidend herausstellt. Zugleich wirken Migrationsausstellungen daran mit, eben diese Tendenz zu verstärken. Sie rücken mit gestalterischen Mitteln, die dem Journalismus, der Kunst, dem Film oder dem Performance-Theater entliehen sind, die Leitidee der Schau in den Blick. Dabei gehen sie nicht von Sammlungsbeständen aus, sondern streben an, bei den Besuchern durch das Gesamtarrangement „Betörung durch Reflexion“ (Korff 2005) hervorzurufen. Die Ästhetik und der Stil sagen dabei auch etwas darüber aus, ob das Zielpublikum ein bürgerliches oder eher avantgardistisch-kunstaffines ist, ob die erwarteten Besucher jung und in der Gegenwart abzuholen oder mit der Zeitgeschichte biographisch vertraut sind. Es geht auch hier um feine Unterschiede, die die Kuratoren markieren und die wiederum die Teilhabe am größeren gesellschaftlichen Diskurs um Europa und Migration bedingen. Ferner hängt die Gestaltung auch von den zur Verfügung stehenden Ressourcen ab, den Traditionen des Hauses und den Entscheidungsstrukturen, in denen eine Ausstellung überhaupt entsteht. Doch sind experimentelle Zugänge im Fall von Migrationsausstellungen häufig zu beobachten. Ähnlichkeiten verweisen darauf, dass die Ausstellungsmacher einander gegenseitig wahrnehmen, dass es einen signifikanten Diskurs über die museale Repräsentation von Migration in Europa gibt. Darin wird – selbst wenn Objekte aus Museumssammlungen nicht im Zentrum des Ausstellungsnarratives stehen – keineswegs der Dreidimensionalität und der Materialität eine Absage erteilt. Vielmehr setzt die Praxis des Ausstellungsmachens an der Gesamtgestaltung an. Damit wird der geschaffene museale Raum nun explizit zum Meta-Objekt (Bal 2002) – also einem Arrangement, das die Bedingungen von Zeigen und Sehen mitreflektiert.



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Migration verorten: Zum musealen (Bezugs-)Raum von Mobilität

Auf welche imaginären, sozialen und politischen Räume beziehen sich die in Ausstellungen dargestellten Migrationspraktiken und -strukturen eigentlich? Die Beispiele zeigen, dass Stadt, Region, Nation oder auch der gesamte Globus die Bezugsgrößen bilden. Sie sind verschränkt. Welche Rolle wird Europa und der EU in dieser unübersichtlichen Gemengelage zugesprochen? Die Arbeit Spedition Schulz in der Ausstellung Crossing Munich vermag erste Hinweise zu liefern. Sie präsentiert mit dem gleichnamigen Transportunternehmen einen in München und darüber hinaus bekannten, zentralen Akteur transnationaler Handelsnetzwerke. Migrantinnen und Migranten beauftragen die Spedition Schulz, Autos von dort in die vorwiegend afrikanischen Herkunftsländer zu verfrachten. Großformatige mental maps von involvierten Unternehmern zeigen das eng gestrickte Routennetz der globalen Geschäftsbeziehungen. Eine „Spedition im Bäckerladen“ in Böblingen, die Geschäftsstellen des Frachtunternehmens „Grimaldi Lines“, Servicewerkstätten in Antwerpen und Neapel, Kundschaft in Togo, Saudi-Arabien oder Afghanistan und viele weitere Partner und Institutionen sind hier verzeichnet. Die Karten zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass nationale Grenzen hier nicht zu existieren scheinen. Im Unterschied zu konventionellen Weltkarten irritieren sie zudem dadurch, dass Europa sich durchweg nicht im Zentrum der Darstellung befindet. Selbst die weithin übliche Nord-Süd-Ausrichtung ist auf einer Karte umgekehrt. Grenzlinien wären wohl ohnehin im Gewirr der von schneller Hand auf das Papier gezeichneten Pfeile untergegangen, die die Vielzahl der involvierten Akteure miteinander verbinden und so zu einem sinnfälligen Ausdruck der Handlungsreichweite und transnationalen Kompetenz in ökonomischen Netzwerken von Migranten werden. Für den Unternehmer und seine Kunden, so legen es die mental maps nahe, scheint Europa kaum mehr als eine zwar nicht zufällige, aber doch kleinräumige Ausgangsbasis des Denkens und Handelns zu sein, welches sich längst auf andere Kontinente richtet und von der europäischen Integration und dem Schengen-Acquis unbeeindruckt bleibt. Flankiert werden die mental maps von einer Fotoserie, die das Areal der Spedition Schulz zeigt, vor allem aber die bis oben hin mit Taschen und Koffern voller Gebrauchsgegenstände aller Art beladenen Kofferräume der für den Export bereitstehenden Autos. Eine Hörstation liefert mit Interviewmitschnitten die Sicht der befragten Akteure zu ihrem unternehmerischen Handeln. Dieses Ex-

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portgeschäft mit breiter Produktpalette von Deutschland in die Welt trägt nicht nur zum Einkommen der Händler selbst bei, es ist zudem Lebensgrundlage der Empfänger einige tausende Kilometer entfernt. Die Koffer und ihr Inhalt sind damit auch Zeichen des beständigen Kontaktes zwischen den Alltagswelten derer, die gegangen sind, und derer, die blieben. Das Ausstellungsobjekt macht beiläufig deutlich, wie weit Crossing Munich Migration fasst. Wenngleich von den Befragten und Portraitierten niemand explizit in die Debatte um die politische Regulierung von Migration in Europa eingreift, so verdeutlichen ihre unternehmerischen Tätigkeiten und ihre Expertise in Zoll- und globalen Logistikfragen, dass Migration Auslöser und Oberbegriff für Bewegungen in viele Richtungen gleichermaßen ist. Simultan wird damit einer Perspektive gefolgt, die die Autonomie der Migration betont, sie also trotz politischer und rechtlicher Hindernisse als ein in sich selbst schlüssiges Handlungsfeld mit eigenen Regeln fasst (Moulier Boutang 2008). Dass die Bedingungen, unter denen Migration stattfindet, auch dann verortet und mit einer europäischen Perspektive auf Globalisierung kritisch kommentiert werden können, wenn eine räumliche Ein- oder Umgrenzung Europas längst nicht mehr von Interesse ist, zeigte das Forschungs- und Ausstellungsprojekt Migropolis. Venice / Atlas of a Global Situation im Herbst 2009 an einem Ort, der aus der imaginierten Landkarte Europas herausragt wie kein zweiter: Venedig. Die Forscher und Ausstellungsmacher widmeten sich einer Provinzialisierung Europas (Chakrabarty 2007; Conrad und Randeria 2002) und hinterfragten mit ihrer Momentaufnahme eine globale Situation. Anhand der historisch gewachsenen Imaginationen von Venedig und der Infrastruktur für Touristen und Migranten in der Lagunenstadt zeigt Migropolis die Verstrickungen globaler Migration mit westlichen Praktiken und Strukturen des Tourismus. Kernthese des Projektes ist, dass Mobilität und transnationale Lebensführung globale Vorzeichen sind. Dies durchdrang und kartierte eine Forschungsgruppe um Wolfgang Scheppe. Sie versinnbildlichte auf der Basis von Interviews, mental maps und in Karten übersetzten statistischen Erhebungen die alltäglichen Verflechtungen des europäischen und italienischen Migrationsregimes mit wirtschaftlichen Konjunkturen in Venedig und weltweit, Städtebau, Hotellerie und einander überlagernden Imaginationen von Venedig als touristischem Ziel. All dies prägt die Realitäten von Migration. Erwartungen von Migranten an ein besseres Leben prallen unvermittelt auf Imaginationen, welche solvente Reisende auf Kreuzfahrtschiffen in die Adria fahren lässt. Das für die Tourismusindustrie höchst nützliche morbid-exotische Ambiente nährt



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sich aus der schillernden Historie der Stadt. Zugleich bringt gerade die Aussicht auf eine Zukunft in Sicherheit und Wohlstand Migranten und Migrantinnen dazu, sich nach Europa aufzumachen. Dass neben den weiter oben vorgestellten Akteursgruppen auch Zahlen und Statistiken eine subversive Kraft und damit Einfluss auf das Bild von Migration haben, machen Schaubilder, Tabellen, Tortendiagramme und Karten in ihrer reduzierten Ästhetik sinnfällig. Sie wenden Kategorien an, die quer zu den etablierten Unterscheidungen nach Herkunft oder Aufenthaltstatus liegen und entfalten in Kombination mit Bilderserien – etwa fotografischen Spuren der Straßenhändler auf den öffentlichen Plätzen Venedigs – eine verstörende Poesie. Hat die Dominanz der einheitlich gerahmten Flachware zu Beginn noch den Effekt, als würde man den rund 1400 Seiten umfassenden Katalog (Scheppe 2009) Seite für Seite durchwandern, ohne zuvor einen Blick in das Inhaltsverzeichnis erhascht zu haben, so gewinnt die Repräsentation der Migration schon bald eine Tiefenschärfe, durch die Individuen erkennbar werden und die pauschalisierende Rede von den Migranten schließlich kritikwürdig erscheint. Entlang der Wände zeigen Fotoserien beispielsweise Koffer und große Taschen, die hier keineswegs Mitgebrachtes symbolisieren. In Verbindung mit den Karten und Stadtplänen demonstrieren sie vielmehr, in welchen räumlichen und ökonomischen Strukturen sich die verschiedenen Bewohner in Venedig organisieren. Wohn- und Arbeitsorte, Routen durch die Stadt, Zugang zur städtischen Infrastruktur – für Migranten aus Afrika und Asien ohne legalen Aufenthaltsstatus resultiert all dies aus der Notwendigkeit, so wenig sichtbar zu sein wie möglich. Ihre Orte sind jene Straßen und Plätze, wo sich Taschen aller Art, die als gefälschte Designerware den Touristen massenhaft feilgeboten werden, auf der Hut vor Polizisten schnell zusammenraffen lassen. Eine bulgarische Migrantin, die als Reinigungskraft in einem Hotel tätig ist, beschreitet wiederum ganz andere Routen durch Venedig. Ihr Körper und ihre Arbeit bleiben für die Touristen – der anderen großen Gruppe von Mobilen an diesem Ort – unsichtbar, doch zugleich kann sie als Pendelmigrantin auf ein stabileres soziales Netzwerk zurückgreifen als jene Straßenhändler. Diese wenigen Beispiele veranschaulichen, dass sich EU-Grenzen für Migropolis in abgestuften Sichtbarkeiten und in Prekarität manifestieren. Deshalb lassen sie sich nicht auf eine dauerhafte Linie reduzieren. Grenzen sind im Sinne der Ausstellung vielmehr ein sozial hierarchisierendes Phänomen. Die Grenzen überlagern einander, verlaufen quer durch die Stadt und trennen zwischen sichtbaren und unsichtbaren Menschen, die sich in Venedig als einem von globa-

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ler Migration geprägten Europa in nuce bewegen. Mit diesem Verständnis von Grenze als Filter konterkariert Migropolis etablierte Sehweisen subtil und mit einem klaren Blick für alltägliche Absurditäten. Sie ergeben sich aus dem in seiner Widersprüchlichkeit für die EU wiederum charakteristischen Umstand, dass kaum ein europäischer Wirtschaftssektor – und am allerwenigsten der Tourismus – ohne die Arbeitskraft der ansonsten unsichtbaren Einwanderer bestehen könnte. Wie Migropolis und Crossing Munich stellen auch andere Projekte einen expliziten Bezug zum geographischen Ort der Ausstellung her. Sie entzerren das von MigMap kartierte europäische Gefüge der Migrationspolitik mit seinen Dynamiken und machen es wie unter einen Vergrößerungsglas nachvollziehbar. Zugleich stellen sie so eine Verbindung zu der Alltagswelt der Ausstellungsbesucher her. An einem prägnanten Ort, explizit politischem Anspruch folgend und mit unmissverständlich formulierter Kritik an der Wirkmacht von EU-Grenzen nutzt eine kleine, seit 2010 von Griechenland aus durch Europa wandernde Fotoausstellung das Ausstellungsformat als dreidimensionale Argumentations- und Aktionsplattform: Mit Traces from Lesvos through Europe 6 verwandelten die Ausstellungsmacher und Aktivisten das mittlerweile geschlossene Lager in Paganí auf der Insel Lesbos in der griechischen Nordägäis (Lauth Bacas 2010, Klepp 2010) in ein Museum. Das Gebäude und seine Nutzung sollte damit als ein Ort der Vergangenheit markiert werden: „We took our exhibition Traces from Lesvos through Europe to Paganí and turned the space where refugees and migrants have been detained and humiliated into a museum – a place that belongs to the past. The first thing to do when we entered Paganí was to open up all gates and doors behind which people were forcibly kept from freedom. We built up the exhibition across the yard, put banners at the front side of the building and we hoisted our Welcome to Europe flag on the roof of Paganí.“7 In großem Maßstab lassen sich die Verflechtungen kleiner und großer Räume in Marseille beobachten. Das derzeit neu konzipierte MuCEM wird Grenzen Europas in ihrer Ambivalenz und Zeitgebundenheit nachgehen und trägt als prominente und traditionsreiche Institution zur Kartierung europäischer, städtischer und musealer Räume bei. Gerade der Blick auf Kontinuitäten und Veränderungen im Mittelmeerraum, wie sie sich von Marseille aus darstellen, vermögen den Blick für Europa, für die den Kontinent prägenden Mobilitäten und zumal die aktuelle Grenzpolitik der EU zu schärfen. Schon jetzt – vor seiner Eröffnung 2013, wenn Marseille europäische Kulturhauptstadt sein wird – führt dieser Sonderfall eines musealen „Umzugs“ überdeutlich vor Augen, dass die



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Herausforderungen für eine nationale Institution auch darin bestehen, sich mit seiner europäischen Perspektive im urbanen Kontext zu verorten. Das nämlich bedeutet – angesichts der in Marseille sichtbaren globalen Migrationsbewegungen (Témime 1991) – sich unweigerlich auch im europäischen Grenz- und Einwanderungsdiskurs zu positionieren. Der konkrete geographische Ort – Marseille mit seiner jungen Einwohnerschaft mit einem hohen Migrantenanteil, seiner hohen Arbeitslosenquote und der innerhalb Frankreichs peripheren Lage – vermag diese Blickwinkel und spezifischen Akzentsetzungen nahezulegen. Es hängt, auch das führt das MuCEM vor Augen, nicht allein von der musealen Sammlung und den Intentionen des Kuratoriums ab, wie sich Migration kartieren und erzählen lässt. Wie der Ort der Darstellung den Modus und Fokus der Darstellung prägt, lassen auch die Arbeiten an der neuen Dauerausstellung des Berliner Kreuzberg Museums erkennen. Hier leitet die Frage, wie sich Migration in die Architektur, die Infrastruktur und die Atmosphäre der Stadt – und insbesondere des Stadtteils Kreuzberg – eingeschrieben hat, die Arbeit. Dabei wird sichtbar, dass Wohn- und Wirtschaftsstruktur etwa rund um den Görlitzer Bahnhof schon seit dessen Entstehung durch die Ankommenden und dauerhaft Bleibenden geprägt wurden. Während sich rund um den Bahnhof im 19. Jahrhundert Schlesier und Migranten aus anderen Regionen östlich und südlich Berlins ansiedelten, war dieser Teil Kreuzbergs in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts Ankunftsort für einen Großteil der aus der Türkei angeworbenen Arbeiter. Die Zeitschichten, die Präsenz von Migration an bekannten urbanen Orten und die Gleichzeitigkeit verschiedener Alltagswelten treten nach dem Bestreben der Kuratoren an die Stelle individualisierter Migrationsgeschichten der alten Dauerausstellung aus den frühen neunziger Jahren, die persönliche Erinnerungsstücke zum Ausgangspunkt der Darstellung nahmen und oftmals weniger als der Stadtraum selbst strukturelle Zusammenhänge, historische Kontinuitäten und politische Rahmenbedingungen hervorzuheben vermögen. Mit dem Blick auf den Stadtraum wird Migration maßstabsgetreu kartiert, zugleich wird die Melancholie und die Emotionalität, welche in die „mitgebrachten Dinge“ eingeschrieben ist, überlagert von der Sicht auf Migration als ein überindividuelles kultur- und sozialhistorisches Phänomen, das Menschen und Orte gleichermaßen prägt. Dabei wird eine stärke Verschränkung von musealem und urbanem Raum angestrebt – ein Anliegen, für das das Thema Migration besonders geeignet scheint. Dies verdeutlichen nicht zuletzt dem Museum verwandte Formate wie die Route der Migration, welche sich entlang einer Reihe von Erinnerungsorten,

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Objekten und Museen durch Nordrhein-Westfalen schlängelt.8 Wie in Kapitel 5 dargestellt, verlaufen mittlerweile eine ganze Reihe solcher Routen quer durch die EU. Sie behandeln überregionale und transnationale kulturhistorische Phänomene und definieren diese als europäisch: „While working on the transborder continuity of actions, it is necessary to come up with definitions of the border (material, communal, historical, linguistic...) in order to understand them better and prepare the ground for reconciliation. By choosing places of gathering, symbolic cities of European routes, even of territories that knew the suffering of confrontations, they also illustrate a posteriori the complexity of confluences. […] While following the voyage of the explorers, the methods of conquest, the consequences of colonisation, the characteristics of settlement or migration, they enable the interference of layers whose purely synchronic reading would give only one aspect of sedimentation.“9 Unter der Federführung des European Institute of Cultural Routes, welches wiederum im Auftrag des Europarates arbeitet, wird der Mobilität von Ideen, Dingen, Konflikten, Fertigkeiten und nicht zuletzt Menschen in die Geschichte gefolgt. Ziel ist die Sensibilisierung und Bildung des „europäischen Bürgers“, dem die vorausgesetzte Spezifik eines europäischen Kulturerbes (und dessen klare Unterscheidbarkeit von einem nicht-europäischen) zwecks Herausbildung eines folglich dann auch europäischen Bewusstseins an die Hand gegeben werden soll. Gerade weil hier offensichtlich für ein imaginiertes „europäisches“ Publikum gearbeitet wird und die vermeintlich „Anderen“, die immer wieder die Protagonisten der bisher genannten Ausstellungen sind, gar nicht auftauchen, ist die Ambivalenz des Unterfangens aufschlussreich: Einerseits sollen die Routen genuin Europäisches verorten und einen europäischen Kulturraum aufspannen, der sich von anderen Räumen abgrenzen ließe. Andererseits führen eben diese Fährten eine solche Idee ad absurdum – denn wie sollten Menschen und Ideen, die sich um nationale Grenzen nicht scheren, von einer ungleich diffuseren europäischen Außengrenze an ihrer Fortbewegung und Verbreitung gehindert werden? So wird die Vorstellung genuiner und eindeutiger Zugehörigkeiten zugunsten einer transnationalen Vorstellung von Mobilität fragwürdig. Die verschiedenen Herangehensweisen und thematischen Fokussierungen der Ausstellungen verdeutlichen, dass nicht in erster Linie die geographischen Gegebenheiten, sondern vor allem die sozialen Hierarchien, die politische Agenda und die historischen Grenzziehungen ausschlaggebend für die Rolle sind, die Europa hier zugeschrieben wird. In dem komplexen Gefüge zwischen urbanem Alltag, nationalen Migrationsdiskursen und europäischer Integrations- und Grenzpo-



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litik bewegen sich – explizit oder implizit – alle genannten Beispiele. Aus ihrer europäischen Warte verräumlichen sie Europa und umreißen die verschwommenen Dimensionen dieses politischen und historischen Gebildes. Damit folgen sie einer Tendenz, die seit einigen Jahren verstärkt auch in den Sozialwissenschaften zu beobachten ist, sich aber nicht auf diese beschränkt (Geppert et al. 2005, 17): „Außerwissenschaftlich ist diese unerwartete, aber keineswegs zufällige Hausse nur vor dem Hintergrund der Globalisierung und Europäisierung sowie der Einsicht in die simultane Existenz multipler Modernitäten adäquat zu begreifen. Verräumlichung (...) soll augenscheinlich dazu verhelfen, den Dingen ‚ihren Platz‘ zuzuweisen, Modernitäten zu pluralisieren und Einheit in der Vielfalt zu gewährleisten.“ Den Dingen ihren Platz zuweisen – das bedeutet im Falle von Migration eine Häutung Europas nach außen. Anstelle eines Diskurses, der die Eigenheiten des europäischen Kontinents proklamiert und in den Vordergrund rückt, erkennen wir die vielen Verbindungslinien, die Europa zu einer globalen Region unter anderen werden lassen. Ob dies nun in einem kleinen, als Verein organisierten Museum in der nordöstlichen Ägäis, einer designaffinen Ausstellung in Venedig, einem kommunalen Museum in Berlin oder einer temporären Ausstellung in München geschieht – in den Ausstellungsobjekten und den Begleittexten gleichermaßen verweben sich die Geschichten mit der Geschichte.

Migrationsausstellung als kulturelle Praxis der Europäisierung

Dieses Kapitel zielte darauf ab, im musealen Raum den engen Verbindungen von Migration und Mobilität mit dem fortwährenden Prozess der Europäisierung nachzugehen: Wie und wo wird Migration überhaupt dargestellt? Welche Topoi tauchen dabei auf und konturieren Migration als Europa prägendes Phänomen? Auseinandersetzungen mit dem und um das Thema Migration wurden beleuchtet und als Ausdruck gesellschaftlicher Europäisierungsdiskurse betrachtet – auch ohne dass sie deshalb notwendigerweise explizit auf Europa oder gar die EU Bezug nehmen. Dabei wurde deutlich, dass die Ausstellungen das Verhältnis zwischen den physischen, geopolitischen Grenzlinien Europas und den symbolischen Unterscheidungen zwischen Eigenem und Fremdem ausloten und Migration weniger als Ausnahme, sondern vielmehr als gesellschaftliche Konstante thematisieren. Ein Europa der Nationalstaaten, das auf der Idee und Norm von Abgrenzung und Sesshaftigkeit basiert, scheint angesichts dessen als

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fragil: Die aus Migrationsausstellungen ablesbare „reflexive Europäisierung“ lässt überkommene Bilder von Europa und seiner symbolischen Geographie brüchig werden (Rodrigues 2011). Kartendarstellungen bilden einen zentralen Topoi, welcher sich durch zahlreiche zeitgenössische europäische Migrationsausstellungen zieht. Anhand dieser räumlichen Darstellungen wird die vielschichtige Geographie Europas in Form von Karten, Linien und Pfeilen für das Publikum sichtbar. Karten verweisen gleich doppelt darauf, wie Europäisierung als kulturelle Praxis stattfindet. Einerseits ermöglichen sie einen Überblick über politische Strukturen und Dynamiken, die Mobilität und Migration nach und in Europa beeinflussen und schaffen damit ein Bewusstsein für europäische Zusammenhänge. Andererseits hinterfragen sie Sehgewohnheiten, indem sie mit den Konventionen geographischer Karten spielen. Der Effekt von Karten in Migrationsausstellungen ist damit paradox. Sie veranschaulichen, aber verwischen zugleich die Grenzen Europas als einer in sich geschlossenen – metaphorischen und politischen – Größe, relativieren die Bedeutung dieses Kontinents und politischen Gebildes. Damit stiften im Kontext von Migrationsausstellungen ausgerechnet Karten Verunsicherung, denn sie stellen Europa als „homogenen Raum“ (Rogoff 2000, 21) in Frage, und zwar als Wissensordnung und geopolitischer und geschichtsträchtiger Raum gleichermaßen. Der Blick auf die Einbindung von Objekten lieferte – zweitens – Hinweise darauf, dass das Ziel musealer Darstellungen von Migration nur selten eindeutige Erzählungen sind. Stattdessen verweist auch der Umgang mit der kleinsten Einheit musealer Repräsentationsarbeit, dem Objekt, darauf, dass Europa eine diffuse Größe ist. Ihre relative Bedeutsamkeit muss auch durch museale Erzählstrategien und Arrangements immer wieder herausgearbeitet werden. Neben der traditionellen Präsentation in ausgeleuchteten Vitrinen sollen die Dinge immer häufiger der Verwirrung der Betrachterinnen und Betrachter und deren Selbstbefragung dienen. Auch dies kann als Ausdruck einer Europäisierung bewertet werden, die als kulturelle Praxis eben nicht auf Eindeutigkeiten hinausläuft. Drittens wurden Gesamtarrangements von Migrationsausstellungen behandelt. Sie arbeiten mit gestalterischen Mitteln, die dem Journalismus, der Kunst und dem Film entliehen sind, um so die Leitidee der Schau zu transportieren. Dabei gehen sie häufig nicht von Sammlungsbeständen aus, sondern wählen experimentelle Zugänge. Deren Ähnlichkeiten verweisen darauf, dass sich die Ausstellungsmacher in einem Diskurs bewegen, der den Grenzen zwischen Ausstellungsgenres und Darstellungsformen weniger Bedeutung beimisst. Zugleich



Migration und Mobilität im musealen Raum

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tragen sie zu einem Diskurs über die museale Repräsentation von Migration in Europa bei. Diese kulturelle Praxis der Europäisierung kehrt sich keineswegs gegen die Besonderheiten des Musealen, der Dreidimensionalität und der Materialität. Vielmehr setzt die Praxis des Ausstellungsmachens an der Gesamtgestaltung an. Die verschiedenen Herangehensweisen und thematischen Fokussierungen auf Migration verdeutlichen viertens, wie die Ausstellungen Europa verräumlichen und die Dimensionen dieses politischen und historischen Gebildes auffächern. Im Falle von Migration, wo lokale, regionale, nationale und globale Gegebenheiten und Entwicklungen miteinander verwoben sind, bedeutet dies eine Häutung Europas nach außen. Anstelle eines Diskurses, der die Eigenheiten des europäischen Kontinents herausstellen will, erkennen wir die vielen Verbindungslinien, die Europa zu einer globalen Region unter anderen werden lässt – wie dies etwa auch im Museum of London zu besichtigen ist (Abb. 16). Damit stellen Migrationsausstellungen auch eine Abkehr von der in Kapitel 1 skizzierten universalistischen Warte dar, von der aus das Museum in Europa erfunden wurde. Der Befund Joachim Baurs (2009a, 16), dass „Migrationsmuseen als paradigmatischer Ausdruck einer Transnationalisierung von Erinnerungskulturen“ gelten können, und Mary Stevens Erkenntnisse (2009), die am Beispiel der CNHI im französischen Kontext herausarbeitet, wie sich eine Neukonturierung des Nationalstaats vollzieht, lassen sich leicht abgewandelt auf unseren Kontext übertragen: Wenn in Europa Migration ausgestellt wird, dann eröffnet sich nicht nur ein transnationaler Raum, sondern es manifestiert sich auch Europäisierung als eine kulturelle Praxis, die sich oftmals durch ihren selbstreflexiven Gestus und Anspruch auszeichnet. Die im Museum historisch angelegte Weltsicht, die Europa mit universalistischem Anspruch in das Zentrum rückte, entpuppt sich als relativ und wird fragwürdig. Der Beitrag von Migrationsausstellungen zu einer kulturellen Praxis der Europäisierung besteht mithin gerade darin, die diffusen Grenzen Europas in einen größeren Kontext zu stellen – auch ohne dass dies notwendigerweise explizit benannt wird. Migration als lokal zu beobachtendes oder historisch überliefertes globales Phänomen und globale flows (Hannerz 2004, 2003) als Ursache und Bedingung transnationaler sozialer Sphären in Europa – all das konstituiert die Vorstellung eines Europas, das sich fortwährend neu selbst „entgrenzt“ (Beck und Grande 2004). Legt man also die in diesem Kapitel nachvollzogenen, ineinander verschlungenen Linien der Mobilität und Migration aus europäischer Geschichte und Gegenwart übereinander, tritt Europa als ein Projekt und Phä-

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nomen zutage, das durch die Routen der Menschen immer wieder neu entgrenzt wird – dies sowohl entlang seiner auf geopolitischen Karten, durch Kontrollanlangen und die Patrouillenboote von FRONTEX sichtbaren Grenzlinien als auch in seiner inneren Verfassung, die auf nationalstaatlichen Strukturen basiert und Zugehörigkeit an Staatsbürgerschaft knüpft. Eine diskursive Unruhe kennzeichnet die gesellschaftliche Auseinandersetzung um das Phänomen Migration in und nach Europa allemal. Museale Repräsentationen von Migration tragen zu dem fortwährenden Prozess einer reflexiven Selbstverständigung europäischer Gesellschaften mit ihren eigenen Mitteln bei. Sie sorgen für Bewegung zwischen und in den scheinbar zeitlosen und unbeweglichen Vitrinen, indem sie jene fortwährenden Konstruktions- und Dekonstruktionsprozesse offenlegen, welche erst zur Unterscheidung zwischen „Eigen“ und „Fremd“ führen. Letztlich stellen Migrationsausstellungen eine zentrale Grundlage nationaler und europäischer Politik in Frage, nämlich die Norm der Sesshaftigkeit. Wenn nationale, regionale und urbane Geschichte(n) „mobilisiert“ wird, wird schließlich die Frage umzukehren sein, wie Karl Schlögel (2006, 15) als einer der ersten forderte: „Sobald die Idee der Sesshaftigkeit nicht mehr selbstverständlich ist, ergeben sich viele Fragen. Man fragt nicht nur, warum so viele Menschen sich auf Wanderschaft begeben, sondern im Gegenteil: warum sie bleiben, wo es doch so viele Gründe gab, wegzugehen. Man fragt sich, wie es um eine Globalisierungsdiskussion, die mit Nachdruck geführt wird, stehen muss, wenn gleichzeitig die Globalisierung der Migration ausgeschlossen wird.“ Inzwischen hat der breite Trend zu Migrationsausstellungen eine solche Frageumkehr schon partiell bewirkt. Wenngleich die betrachteten Ausstellungen kein Massenpublikum für sich gewonnen haben, so tragen sie dennoch dazu bei, museale Räume ganz im Sinne Peter Sloterdijks zu „Schulen des Befremdens“10 zu machen. Wo Europa von den Rändern her gedacht wird und Migranten und Migrantinnen durch ihre prekäre Situation unbeabsichtigt zu Protagonisten von Europäisierung werden, kann Museumsarbeit als „Xenologie“11 wertvolle Frageimpulse beisteuern. In diesem Sinne markieren Migrationsausstellungen Europäisierungsprozesse und führen zu weiteren Fragen, die anhand zukünftiger Migrationsmuseen und -ausstellungen noch näher zu untersuchen sein werden. So darf nicht aus dem Blick geraten, dass außerhalb der Museumsmauern die politische Debatte in Europa einerseits von der Frage nach dem Umgang mit gerade im Süden der EU eintreffenden Migrantinnen und Migranten geprägt ist. Andererseits bringen Krisen Europas gesellschaftliche Grundfesten ins Wanken und leisten einer Rückbesinnung auf das Nationale Vorschub. Indem sie Individuen porträtieren



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und deren Lebenswege nachzeichnen, unterscheiden sich Migrationsausstellungen überdies von der dominanten Medienberichterstattung, in der Migration als Massenphänomen behandelt wird und Entscheidungen einzelner Migrantinnen unkenntlich werden. Gleichzeitig unternehmen die entsprechenden EUAgenturen das ihnen Mögliche, Migranten vom Betreten von EU-Territorium abzuhalten. Wie wird sich also das politische Vorgehen der EU – und der Mitgliedstaaten, die ihr das Mandat dazu verliehen haben – auf den allgemeinen Diskurs über Migration und Europa auswirken? Zum anderen lassen Migrationsausstellungen wie Crossing Munich und Migropolis eine ausführliche Beschäftigung mit der innereuropäischen Migration und Mobilität zwar erkennen, doch ändert dies an der semantischen Verbindung von „Migration“ mit denen, die unter prekären Bedingungen von außerhalb Europas kommen, bislang wenig. Doch verkörpern Migrantinnen denn nicht gerade all jene Eigenschaften, die dem in einer Weltregion der Freizügigkeit lebenden und arbeitenden Europäer abverlangt werden? Es mutet wie eine seltsame Ironie an, dass innerhalb der EU der mobile Arbeitnehmer – flexibel, an verschiedenen Orten zu Hause, polyglott – zu einer Idealfigur geworden ist (Vonderau 2003), die Transitmigranten der Gegenwart sich aber nach wie vor als Ausnahmeerscheinung und Problem wahrgenommen und behandelt sehen. In welchem Verhältnis stehen also die Protagonisten und Protagonistinnen europäischer Migrationsausstellungen gerade zu diesem Ideal – und einer politischen Gemengelage, in der sich demographischer Wandel, ein immer wieder als solcher diagnostizierter Fachkräftemangel und die globale Suche von Konzernen nach „high potentials“ überkreuzen? Hier wären Grauzonen im Diskurs um EU, Mobilität und Arbeit in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung zu beleuchten, die sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat signifikant unterscheiden, aber in einem gemeinsamen globalen Kontext verortet sind. Ausgehend von den Verbindungen und Gemeinsamkeiten europäischer Migrationsausstellungen wäre ferner den beträchtlichen historischen und semantischen Verflechtungen von Immigration und Emigration genauer nachzugehen. Das Spannungsverhältnis zwischen Konzepten von Integration als Anpassung, dem Schmelztiegel, der soziale Gegensätze und Konflikte ausblendet, und der Fokussierung auf transnationale Milieus vermögen Migrationsausstellungen nicht aufzulösen, aber durchaus sichtbar zu machen. In einem gegenwärtig von der EU geprägten Einwanderungsdiskurs dürfen die regionalen und nationalen Unterschiede – zwischen Griechenland und Schweden, zwischen Rumänien und Irland – nicht aus dem Blick geraten. Insofern bilden Migrationsausstel-

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lungen unter dem Gesichtspunkt einer kulturellen Praxis der Europäisierung einen Ausgangspunkt, um den historisch und ökonomisch bedingt variierenden semantischen Feldern und sozialen Arenen der Migration in Europa nachzugehen. Wenn wir die Geographie Europas – und damit auch die gedachten, symbolischen und physischen Grenzlinien Europas – nicht als gegeben, sondern als eine Denkordnung oder „metonymische Struktur“ (Rogoff 2000, 16) verstehen, so schließt sich daran unweigerlich die Frage nach der Verbindung zwischen den materiellen und den metaphorischen Konturen, Traditionen und Begrenzungen dieses Europas an.

8 Europa ausstellen: Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung

Museen sind ein elementarer Bestandteil europäischer Erinnerungskulturen. Sie entwickeln mit ihren Sammlungen, ausgestellten Objekten und Narrativen öffentliche Bilder von Europas Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Insofern könnten Museen zu einer unter anderem von dem Sozialwissenschaftler Claus Leggewie geforderten geteilten europäischen Erinnerung beitragen, die die beiden englischen Bedeutungen von „shared“ und „divided“ vereinte (Leggewie 2011, 7). Einer solchen geteilten Erinnerung stehen seiner Ansicht nach jedoch vier unterschiedliche Idealtypen kollektiver Erinnerung in den europäischen Nationalgesellschaften nach 1945 entgegen: Exklusion, Inklusion, Kontestation und Beschweigen. Leggewie vergleicht Europa mit einem Schlachtfeld der Erinnerungskulturen, in dem simplifizierende Zuschreibungen von Opfer- und Täterrollen fortbestünden. Für ihn birgt allein eine genuin europäische Öffentlichkeit das Potenzial, alte Konflikte weder zu übergehen noch als einzig mögliche Bezugsgrößen zu behandeln, sondern stattdessen Verbindendes und Trennendes gerade in der jüngeren europäischen Geschichte gleichermaßen anzuerkennen. Ohne uns Leggewies Imagination eines Schlachtfeldes zu Eigen zu machen, nehmen wir in diesem Buch mit dem Fokus auf das Museumsfeld die divergierenden Interessen, Strukturen und musealen Erzählperspektiven in den Blick. Europäische Öffentlichkeit ist weder frei von Unterschieden in Ressourcen und Macht noch ein allen Akteuren gleichermaßen offen stehender Raum. Vielmehr machen die von uns untersuchten Museen, Sammlungen und Ausstellungen die Unterschiede zwischen Peripherie und Zentrum und auch deren gegenseitige Bedingtheit deutlich. Das Museumsfeld gehört nicht zu den prominentesten oder gar spektakulärsten Arenen der öffentlichen Auseinandersetzung um Europa – die Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 hat gezeigt, wo ungleich folgenreichere Konflikte in der EU ausgetragen werden. Doch gerade die Neugründungen, Sammlungsinitiativen und temporären Ausstellungen verweisen deutlich auf die bereits stattfindende Europäisierung als kulturelle Praxis im Museumsfeld.

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Europa ausstellen

Wie über kulturelle und soziale Zusammenhänge in Vergangenheit und Gegenwart in den von uns analysierten Museen und Ausstellungen nachgedacht wird, verweist auf eine wachsende Bedeutung sowohl Europas als auch der Europäischen Union (EU). Allerdings wendet sich das Museumsfeld nicht von sich aus geschlossen dem Prozess der politischen Integration Europas zu. Auch manifestiert sich EU-Politik keinesfalls flächendeckend in Museumsvitrinen und Ausstellungsnarrativen – selbst wenn beides punktuell in plakativer Weise der Fall ist. Zwar zeigt sich, dass das Museumsfeld und die Institutionen der EU gleichermaßen versuchen, Europa und seine Kultur(en) zu konturieren und greifbar zu machen; doch deren jeweils unterschiedliche Logik und die divergierenden Ziele der Akteure sorgen dafür, dass Europa zwar in zahlreichen Bekundungen zu Kultur(politik) präsent ist, aber nicht notwendigerweise dasselbe gemeint ist. Spricht man etwa in der Europäischen Kommission von Europa, sind Verweise auf die Trias von Antike, Christentum und Aufklärung oft nicht fern, während Europa in Museen anders Gestalt annimmt. Das zeigen etwa die in Kapitel 5 vorgestellten Ansätze zu europäischen Meta-Sammlungen, wie sie der International Council of Museums Europe in der Publikation Reflecting Europe in its Museum Objects präsentiert und wo auch einem so profanen Objekt wie einem blauen Mülleimer eine europäische Bedeutung verliehen wird. Ein regionales Museum wie das in Kapitel 6 betrachtete National History Museum in Schottland nimmt mit Verweisen auf die Bedeutung des EU-Binnenmarktes für dortige Unternehmer wieder andere Fäden auf. Und in der Ausstellung Merica, die wir in Kapitel 7 thematisieren, figuriert Europa nur als Ausgangspunkt der Migration in die Neue Welt. Im Museumsfeld entsteht insofern ein verflochtener und diffuser Diskurs über Europa, der nach Meinung von Banu Karacas (2010, 125) auch eine neue Rhetorik hervorbringt: „Thus, while we can find a conflation of culture and politics, that is, ‚culture talk‘ in the EU sector, the cultural sector has increasingly been ‚talking Europe‘.“ Diese Rhetorik spiegelt sich auch in Förderanträgen für Ausstellungs- und andere Kulturprojekte und in Zusammenschlüssen von Institutionen und Initiativen. Der „culture talk“ des politischen Feldes, wie wir ihn in Kapitel 3 untersuchen, zielt seit etwa 20 Jahren darauf ab, das Legitimationsdefizit der EU zu verringern (Gordon 2010, 107f.). Hinter den Bemühungen, neue Narrative von Europa zu fördern oder einer europäischen Rahmung bestehender Ausstellungserzählungen Vorschub zu leisten, verbirgt sich nicht selten die Hoffnung auf kulturelle Unterfütterung der ökonomischen und politischen Integration. Insofern knüpfen die institutionellen Akteure in der EU an die Förderprogramme



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der EU, an denen Kulturinstitutionen und damit auch Museen und Ausstellungsprojekte partizipieren, zumindest mittelbar politische Erwartungen. Dass Initiativen dazu oft von Einzelpersonen in den EU-Institutionen ausgehen und welche Rolle der institutionelle Kontext der EU als Mehrebenensystem spielt, haben wir in Kapitel 3 gezeigt. Der Kultursektor wiederum bedient sich dieser Mechanismen und füllt die Chiffre Europa und den „Europe talk“ mit Inhalten und Zielen, die im Kontrast zur Rhetorik der EU-Institutionen stehen. Indem Europa und die EU kritisch oder affirmativ zum Thema werden, können neue Narrative entstehen, die ihrerseits ein neues Publikum zu interessieren vermögen – doch zunächst versprechen sie ergebnisoffen nicht mehr als ein wachsendes Bewusstsein für die Relevanz der symbolischen Kategorie, des historischen Phänomens und des politischen Gebildes Europa. Beispielhaft sei das in Kapitel 5 behandelte Sammlungs- und Ausstellungsprojekt Entrepreneurial Cultures in European Cities genannt, in dem Institutionen aus acht Ländern miteinander kooperierten. Die Protagonisten der Projekte in Amsterdam, Berlin, Zagreb und anderswo waren Unternehmen, die sich insbesondere durch ihre Inhaber mit Migrationshintergrund auszeichneten. Europäisierung als kulturelle Praxis findet in der ausdifferenzierten Kulturlandschaft Europas statt, in der nationale und regionale Traditionen stark sind. Museen sind unweigerlich Akteure in diesen Kontexten: Wie wir beispielsweise in Kapitel 5 anhand der Europäischen Route der Industriekultur gezeigt haben, operiert schließlich keine Institution allein auf europäischer, globaler oder lokaler Ebene, sondern auf mehreren zugleich. Politische und ökonomische Handlungsspielräume variieren dabei, Ressourcen sind ungleich verteilt, und künstlerische und kulturpolitische Interessenlagen divergieren. Dies trifft auf das Museumfeld in den EU-Mitgliedstaaten und darüber hinaus zu. Und genau in diesem Sinne haben wir es mit einem mehrdimensionalen asymmetrischen Verhältnis zu tun, das zwischen den kulturpolitischen Initiativen der EU-Institutionen, deren Aufnahme in den Mitgliedstaaten und den Kulturinstitutionen besteht. Europäisierung als kulturelle Praxis im Museum hat den „Bürger“ im Blick – einerseits aus der Sicht der fördernden EU-Institutionen als Wähler, andererseits aus der Warte der Kulturinstitutionen als Ausstellungsbesucher. In beiden Rollen werden die Bürger aufgerufen, einen Blick für Europa und eine Meinung von Europa zu entwickeln. Mithin geht es in beiden Fällen um eine Aktivierung tatsächlich oder vermeintlich brachliegender Meinungsbildungsprozesse und Diskurse. Doch wenn es auch darum geht, Interesse zu schaffen: Etwas anzuschauen, zu rezipieren oder sich eine Meinung über eine Ausstellung zu

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bilden, ist nicht gleichbedeutend damit, zu wählen und politisch zu agieren. Man könnte einwenden, dass den EU-Institutionen eine Bevölkerung mit der Erwartungshaltung eines Museumspublikums gerade recht sein könnte, das in bildungsbürgerlicher Tradition Ausstellungen rezipiert, anstatt fortwährend ein tatsächliches oder vermeintliches Demokratiedefizit und neoliberale Züge der EU-Politik zu kritisieren, um sodann bei der Wahl zum Europäischen Parlament (EP) der Urne dennoch fernzubleiben. In diesem Fall zeugten das House of European History (HEH) und das im Oktober 2011 eröffnete Parlamentarium in Brüssel von einem konsequenten Vorgehen der EU-Institutionen im Umgang mit der Öffentlichkeit. Die Scheu der HEH-Initiatoren vor einer breiten öffentlichen Debatte über das Projekt weist in dieselbe Richtung. Doch der Vielzahl der um Inklusion oder Differenzierung bemühten europäischen Erzählungen in Museen und temporären Ausstellungen würde man nicht gerecht, wenn man sie als auf Beschwichtigung von EU-Skepsis ausgelegte Beiträge zu einer kontroversen Debatte um den Gehalt Europas und die Bestimmung der EU charakterisierte. Mit unserem Fokus auf Akteure und Netzwerke, Sammlungen und Sammlungsstrategien, Narrationen der europäischen Integration sowie Migration und implizite europäische Grenzziehungen haben wir gezeigt, dass die Lage sehr viel komplexer ist. Wir legen Querverbindungen offen zwischen Europa-Debatten, wie sie in den Wissenschaften, im öffentlichen Raum und in der Politik geführt werden und im Museum ihren Ausdruck finden. Die Diskursstränge und die Praxen der Europäisierung – des europäisch Machens – überschneiden sich. Die Perspektiven in den Wissenschaften, in der Öffentlichkeit, der Politik und im Museum greifen teils ineinander, existieren teils stumm nebeneinander oder sind gar gegenläufig. Solche gegenläufigen Tendenzen werden deutlich, wie wir in Kapitel 7 gezeigt haben, wenn etwa Migrationsausstellungen die politische Unterscheidung zwischen mobilen Menschen als europäischen Arbeitnehmern einerseits und marginalisierten Transitmigranten andererseits zutage fördern, wo doch beide im Wirtschaftsraum der EU agieren. Verschränkungen macht Kapitel 5 sichtbar, das die Arbeit an Europeana als Teil eines globalen Wettbewerbs und einer somit auch für die EU relevanten Auseinandersetzung um Urheberrecht charakterisiert. Kapitel 6 fördert das Ineinandergreifen regionaler und europäischer Diskurse zutage, wenn etwa das Südtiroler Landesmuseum die regionale Geschichte auf Europa zuschreibt. Zunächst erfolgt deshalb in diesem Schlusskapitel eine Zusammenschau der institutionellen und sozialen Kontexte der Musealisierung Europas als kultu-



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reller Praxis. Dann gehen wir zentralen Tendenzen nach, die sich in den von uns untersuchten Themenfeldern herauskristallisieren. Europäisierung wird im Museumsfeld erstens in Form von narrativen Öffnungen und einer Erweiterung überkommener musealer Erzählungen praktiziert, zweitens in der Zuspitzung oder Verengung globaler Phänomene auf Europa und drittens, indem diverse politische Bezugsgrößen sowie kulturelle Traditionen und soziale Entwicklungen in Sammlungen und Ausstellungsnarrativen miteinander verwoben werden. Diese Entwicklungen werfen Folgefragen auf, die über den Rahmen unseres Buches hinausweisen, hier aber zumindest knapp skizziert werden sollen. Abschließend gilt es zu reflektieren, wie sich Europäisierung gerade durch interdisziplinäre Zusammenarbeit fassen lässt und welche Herausforderungen und besonderen Potenziale hierin liegen.

Akteure der Europäisierung im Museumsfeld

Wie die Kapitel 3 und 4 zeigen, sind die Akteurskonstellationen im Museumsfeld weitaus komplexer, als es die sozialwissenschaftliche Literatur mit ihrem besonderen Augenmerk auf die Brüsseler Institutionen und politischen Prozesse behauptet, zumal die Kompetenzen der EU in der Kulturpolitik nur subsidiär sind. Wir haben es nicht mit einer einfachen Dichotomie zwischen expansiven Zielsetzungen der supranationalen Akteure wie der Kommission und dem EP auf der einen Seite und nationalem, regionalem oder lokalem Beharren auf der anderen Seite zu tun. Das wird auch deutlich, wenn wir in Kapitel 5 die AkteurNetzwerk-Theorie fruchtbar machen und in Kapitel 7 stärker auf Repräsentationsstrategien eingehen. Akteure sind in unserem Sinne auf ihre eigene Weise die Institutionen, die in ihnen tätigen Menschen und auch die musealen Objekte. Anhand der vorgestellten Entwicklungen im Museumsfeld wird deutlich, dass etwa pro-europäische Eliten auf allen Ebenen ein kulturelles Defizit der europäischen Integration sehen, dass aber auch die der EU oder ihrer konkreten Politik skeptisch gegenüberstehenden Akteure ihre Kritik an dem aus ihrer Sicht neoliberalen und imperialen Unterfangen museal umsetzen. Eliten aus Regionen, die über eine stark ausgeprägte Identität und erhebliche rechtliche und politische Kompetenzen verfügen, argumentieren vielfach, dass sich europäische und regionale kulturelle Identitäten wechselseitig bedingen und durch ihre Stärkung der zentralistische Nationalstaat oder das Zentrum eines dezentralisierten oder föderalistischen Mitgliedstaates (weiter) gezähmt werden. EU-kritische Akteure aus

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den Kulturinstitutionen weisen andererseits nachdrücklich auf die ambivalenten Wirkungen der EU-Integration hin. Insofern lässt sich das Museumsfeld als eine Arena europäischer Kulturpolitik betrachten, in der nicht nur die politische und gesellschaftliche Differenzierung von Integration zwischen Zentrum und Peripherie wie in einem Brennglas deutlich wird, sondern auch die Vielfalt der die Europäisierung mitgestaltenden Akteure. Dabei wird offenbar, dass einerseits wichtige Impulse von den Peripherien ausgehen, indem innereuropäische Konflikte und Differenzen benannt werden. Kapitel 6 verdeutlicht etwa, wie die Ausstellung C’est notre histoire! in die Kritik geriet, als sie in Polen gezeigt werden sollte, so dass man sie inhaltlich umgestaltete und perspektivisch erweiterte. Eine Migrationsausstellung, die wir in Kapitel 7 vorstellen, wurde 2010 in der griechischen Nordägäis erarbeitet, wo Migrantinnen und Migranten auf dem Weg in die EU ankommen. Wie diese Einwanderer reist auch die Ausstellung weiter und vermittelt eine regionale Perspektive auf das EU-Grenzregime nach Deutschland und den Niederlanden. Wenngleich wir sowohl Museen an den Rändern der EU als auch solche, die im europäischen Museumsfeld eine Randposition einnehmen, in den Blick nehmen, so bleibt doch eines unübersehbar: Gerade im so genannten Kerneuropa sind staatlich-politische und kulturelle Eliten enger untereinander vernetzt und verfügen über mehr Herrschaftswissen. Die Motive der Akteure, die sich an transnationalen und europäischen Aushandlungsprozessen beteiligen, entsprechen ihren politischen Überzeugungen und zeugen von einem Grundvertrauen in die gesellschaftliche Wirkmacht musealer Repräsentationen. Oft hoffen sie auch auf finanzielle Förderung oder institutionelle Lernprozesse und den innereuropäischen Austausch über erfolgreiche Praxis im Museumsfeld. Diese Motive ergeben sich aus nationalen Konflikten und innenpolitischen Diskursen und nicht zuletzt aus der Konkurrenz um Themen- und Diskurshoheit, die auch das Verhältnis von Kulturinstitutionen untereinander national und transnational prägt. In dieser fluiden Konstellation diverser staatlicher und gesellschaftlicher Akteure fasst die Chiffre Europäisierung als kulturelle Praxis häufig nicht so sehr das, was bereits da ist, als vielmehr das, was werden soll. An genau diesem Punkt treffen zwei utopische Potenziale aufeinander. Das Projekt eines politisch integrierten Europas überkreuzt sich mit dem Museumsfeld, in dem immer auch Ideen zukünftiger Gesellschaftsordnungen dargestellt und verhandelt werden. Gerade darin bestand für uns der Anreiz, Europäisierung als eine kulturelle Praxis im Museumsfeld zu betrachten und so die oftmals impliziten Bezugnahmen



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und Anpassungsstrategien diverser Institutionen als eine Interaktion und Verhandlung europäischer Motive zu analysieren. Diese Interaktion entfaltet dann wiederum weit über Kerneuropa hinaus Bedeutungen für Europa. Bei unserer Betrachtung und Analyse der Strategien und Effekte von Europäisierung als kultureller Praxis haben wir festgestellt, dass der verschachtelte Großdiskurs um eine der Zukunft zugewandte europäische Erinnerung in Bewegung ist. Europäisierung impliziert „Zerren“ ebenso sehr wie „Schieben“ – denn welches Europabild wäre nicht Zerrbild oder verschöbe nicht Aspekte in den Schatten kollektiver Erinnerung, in dem diese nur noch eine untergeordnete Rolle spielen? Unser Buch zeigt, dass Europäisierung sich auch im Erweitern, Verengen und Vernetzen musealer Narrative vollzieht.

Europäisierung als Weitung

Auf den ersten Blick scheint es deutliche Parallelen zwischen dem Prozess der europäischen Integration und der Entstehung von Nationalstaaten im 19. Jahrhundert zu geben. Das Museumsfeld hingegen liefert klare Hinweise, wie stark sich die Bedingungen kultureller Integration verändert haben. Das Museum als Repräsentationsort und -genre kann nicht neu erfunden werden, denn in Europa existieren bereits zahlreiche Museen zu fast allen denkbaren Objekten, Themen, Regionen und Epochen – und es kommen beinahe täglich neue hinzu. Zudem muss in demokratisch verfassten europäischen Gesellschaften heute anders legitimiert werden, was in einem Museum gesammelt, bewahrt, erforscht und ausgestellt wird, denn die Krise der Repräsentation seit den siebziger Jahren hat auch vor den Museumstoren nicht Halt gemacht. De-konstruktivistische Erzählungen nationaler Geschichte verlangen geradezu nach einer vergleichenden und transnationalen Kontextualisierung – eine solche Möglichkeit der Weitung stellt Europäisierung dar. Am offensichtlichsten wird die narrative Weitung, wenn Ausstellungsthemen zugleich auf Felder der EU-Politik verweisen, die hohen Symbolwert für die europäischen Gesellschaften haben. Die immer wieder als Beispiel für unvereinbare Nationalinteressen und den ungleichen Kampf zwischen Ökologie und Ökonomie zur Sprache kommende Fischereipolitik der EU zählt dazu. Was man in Dänemark fängt, unterliegt rechtlichen Bestimmungen, die aus Brüssel stammen, und insofern kommt, wie Kapitel 6 zeigt, in einem Museum zu diesem Thema bevorzugt die EU vor. Angesichts noch breiterer gesellschaftlicher Veränderungs-

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kraft trifft dies allemal für Migration zu, die nationaler Gesetzgebung unterliegt, aber schon längst in internationaler Kooperation und auf EU-Ebene verhandelt und koordiniert wird. Der vom Museum aufgrund seiner Traditionen oftmals implizit vorgegebene nationale Rahmen wird hier aufgeweicht, da er das Thema nicht mehr sinnvoll fassen kann. Kapitel 7 zeigt ferner, dass Weitung auch gesellschaftspolitische Prämissen irritieren kann: Wenn Mobilität und Transitmigration als Normalfall menschlicher Existenz und nicht länger als vorwiegend prekäre Ausnahmeerscheinung betrachtet werden, geraten zugleich traditionelle Grundannahmen – beispielsweise von Sesshaftigkeit – ins Wanken, auf denen auch die EU-Politik aufbaut. Die Ambivalenzen dieser Weitung werden besonders deutlich, wenn die eingangs angesprochenen europäischen Traditionen und Politiken der Erinnerung an den Holocaust und die Darstellungen von Krieg, Opfern und Leiden expliziter Gegenstand musealer Erzählungen werden. Schließlich, das zeigen wir in Kapitel 6, müsste eine Europäisierung von Erinnerung an den Holocaust verschiedene Opfergruppen einbeziehen. Eine solche Europäisierung müsste auch eine differenzierte Diskussion und Auseinandersetzung um Täterschaft und Tätergruppen in einer europäischen Zusammenschau anregen. Außerhalb von spezialisierten Holocaust-Museen gibt es derzeit jedoch einen Trend, verallgemeinernd alle Europäer in erster Linie als Opfer der totalitären Ideologien und Regime des 20. Jahrhunderts erscheinen zu lassen. Insoweit befindet sich das Museumsfeld im Einklang mit einem in jüngster Zeit stärkeren Fokus in der wissenschaftlichen Forschung sowie in anderen Kulturinstitutionen auf Leidensund Verlusterfahrungen, die das Thema der Täterschaft ausklammert. Hier geht es also gerade darum, einander lange Zeit stumm bis unversöhnlich gegenüberstehende nationale Erinnerungstraditionen so zu verschieben und sie in einer Weise ineinander zu fügen, dass die Komplexität der Geschichte nicht beliebig reduziert – und beliebig – wird und so das Publikum in Ohnmacht oder Gleichgültigkeit versetzt. Europäisierung vollzieht sich im Museumsfeld aber auch als eine kulturelle Praxis, die sich in genuine Entwicklungen des Museums selbst einfügt. Das betrifft zum einen den Trend zur Individualisierung musealer Erzählungen, wie er beispielsweise in jenen Museen und Gedenkstätten zu den so genannten europäischen Gründervätern zum Ausdruck kommt, um die es in Kapitel 6 geht. Indem Museen und Ausstellungen individuelle menschliche Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen, wollen sie das Interesse des Publikums wecken und verstärken – und überhaupt ein jüngeres Publikum ansprechen. Darauf zielt auch participative narrating ab, mit dem Besucher in eine kollek-



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tive Autorenschaft im Museum einbezogen werden. Es soll ein Dialog mit den Besucherinnen und Besuchern entstehen, durch den die Erwartungshaltungen und Weltsichten des Publikums an die Seite der professionellen Ambitionen der Kuratoren treten können. Hinter den Kulissen der Museen entfaltet das participative collecting einen ähnlichen Effekt: Wenn das Publikum mit sammelt, stärkt das nicht nur Ideen von politischer und ästhetischer Teilhabe im Museum, sondern es werden möglicherweise auch national oder regional verwurzelte Sammlungsstrategien und -traditionen unterwandert. Europa kann hier eine neue Bezugsgröße werden, ist es jedoch vorerst (noch) nicht. Deutlich wird jedoch, dass sich Europäisierung im Museumsfeld mit der Forderung nach größerer Teilhabe und Inklusion der Rezipienten verbindet. So können Museumskuratoren das eigene Handeln und Arbeitsergebnis legitimieren: Indem sie Sammeln als partizipatives Arbeitsfeld im Museum etablieren und Narrative entwickeln, die unterschiedliche Erzählperspektiven erlauben, demonstrieren sie die Notwendigkeit von – und die Bemühungen um – Inklusion auch in musealen Repräsentationszusammenhängen. Das birgt Konfliktpotenzial und macht Leerstellen umso sichtbarer. Migrantinnen und Migranten werden zwar, wie Kapitel 7 vor Augen führte, allerorten in museale Erzählungen von Europa integriert und spielen darin zuweilen sogar eine Hauptrolle. Doch diese Darstellungen stehen im eklatanten Widerspruch zu deren bislang oft nur marginaler Einbeziehung in die inhaltliche Erarbeitung von Ausstellungen. Die Weitung des Blicks, als welche sich Europäisierung im Museumsfeld als kulturelle Praxis manifestiert, bedeutet mithin eine Herabstufung des nationalen Kontextes. Im musealen Arbeitsalltag offenbart sie sich darin, dass das Akteursfeld stark erweitert wird. Wer an Musealisierung mitwirken möchte, darf dies immer öfter als Sammlerin oder Erzähler und trägt dabei häufig auch dazu bei, Europa mehr Platz in den Vitrinen oder neuen Multimedia-Installationen zu verschaffen. Und auch wenn die Ungleichzeitigkeit historischer Erfahrung in der EU der 27 Mitgliedstaaten eine massive Hürde für eine konsensorientierte museale Narration über Europa darstellt, so steht doch fest: Stringente exkludierende nationalgeschichtliche Narrationen erscheinen vor allem in Westeuropa nicht mehr opportun – dies angesichts der politischen Gegenwartserfahrung stärkerer Transnationalisierung, Europäisierung und Globalisierung, vor dem Hintergrund des geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisstandes, aber auch weil das Museum implizit Zukunftserzählungen entwickelt, die auch nicht mehr national beschränkt sein können. So entpuppt sich die Weitung des Blicks auf Europa

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auch als Kompensation für thematische Zusammenhänge, von denen auch unter Rückgriff auf museale Objekte anders nicht mehr erzählt werden kann.

Europäisierung als Zuspitzung

In umgekehrter Richtung ist jedoch auch im Museumsfeld nicht zu übersehen, dass Europa nur eine konzeptuelle, politische und kulturelle Größe neben anderen ist, auf die sich museale Darstellungen beziehen können. Ist die EU, ist Europa überhaupt die am besten passende Bezugsgröße für die dargestellten Phänomene? Europa hat konzeptuelle Konkurrenz und bedarf deshalb als Deutungskategorie einer fortwährenden Legitimierung – das gilt für den musealen Raum wie die Wissenschaft gleichermaßen und für den politischen Diskurs ohnehin. Es muss einstweilen dahingestellt bleiben, ob Europa bei der Erkundung global-lokaler (glokaler) Verschränkungen lediglich eine temporäre Bezugsgröße bleibt, die sich in einem globalen Kontext langfristig als obsolet erweist, oder ob es dauerhaft als eine Art middle ground die kleinteiligeren Räume menschlichen Alltagshandelns mit weltumspannenden Phänomenen zu verbinden vermag. Dann würde Europa zu einer musealen Raumeinheit, in der historische Kontinuitäten, neuere soziale Entwicklungen und staatliche Strukturen als miteinander korrespondierend sichtbar würden. Zugleich könnte eine solche Bezugsgröße mittlerer Reichweite das Potenzial bergen, gesellschaftliche Konflikte deutlicher herauszustellen. Hochgradige ökonomische Verflechtung und die fortschreitende politische Institutionalisierung könnten dies erwarten lassen – doch angesichts der Debatte um europäische Identität(en) und des Ringens um europäische Lösungen globaler Wirtschaftskrisen bleibt dies eine offene Frage. Auch Konzepte der global history zielen vergleichbar damit auf eine so genannte Provinzialisierung Europas ab – ein Schritt, der gerade für die universalistische europäische, mit dem Nationalisierungsprozess eng verbundene Institution Museum ein besonders großer ist. Dennoch zeigt das Museumsfeld, wie Europa in der Verengung und Zuspitzung Kontur gewinnt. Am plakativsten lässt sich dieses Unterfangen an Ausstellungen ablesen, in denen die Kuratoren entweder auf vermeintlich genuin Europäisches abheben oder wo Grenzen thematisch werden. Die Suche nach Ersterem durchzieht die Ausstellung C’est notre histoire! genauso wie das Parlamentarium des EP, wo die per Video eingespielten Zeitzeugeninterviews auf transnationale



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Dimensionen des Alltags verweisen, der hier europäisch geprägt erscheint. Im Schengen-Museum wird globale Migration mit dem Verschwinden innereuropäischer Grenzen kontrastiert. In Turin bezeugen Fotografien aus einem Abschiebelager die geopolitische Wirkmacht der EU. Das Auftauchen Europas in musealen Erzählungen von Mobilität zeugt von dem Bemühen einer in nationaler Tradition gewachsenen Kulturinstitution, Ordnung in die globalen Verhältnisse zu bringen: soziale und symbolische Räume zu definieren, ihnen Menschen und Strukturen zuzuordnen und diffuse Bewegungen in Linien zu fassen. Dabei entsteht jedoch der widersprüchliche Effekt, dass eben jenes Europa, das beim Ordnen der Welt als hilfreiche, da überschaubare Zwischeninstanz erscheint, selbst verwischt und fragwürdig wird. Der umgekehrte Effekt lässt sich bei den museal repräsentierten Großtechnologie-Projekten beobachten, die eine untergeordnete Bedeutung der EU in diesem multilateral und global abgesteckten Feld erst hervorkehrt und überbetont, wie Kapitel 6 zeigt. Eine für das Museumsfeld spezifische und besonders wirksame Verengung kann auf indirektem Wege Europäisierungseffekte nach sich ziehen. Wenn gegenwärtig das Heute für das Morgen gesammelt wird und dabei Europa als Rahmen dient, dann ist dies nämlich auch eine Absage an Traditionen musealen Sammelns. Universalistische Ansprüche und Weltsichten spielen heute nur als Kontrastfolie eine Rolle, wenn Museen ihre Bestände erweitern oder neu ordnen. Wie Kapitel 5 zeigt, ist auch der Sammler als idealtypische Einzelfigur mit leidenschaftlicher Neugier und dem Drang zur Weltaneignung durch Weltanhäufung in den Hintergrund getreten. Sammeln kann schon seit langem nicht mehr mit enzyklopädischem Anspruch betrieben werden. Insofern erlangt die Frage, welche Objekte und Sammlungsbestände temporär oder dauerhaft zu „europäischen“ ernannt werden, zentrale Bedeutung. In dieser Ausgangslage, wo die Strukturen und Dynamiken der Globalisierung dem sich auch im Museumsfeld auflösenden Modell eines nationalen Containers gegenüberstehen, gerät Europa in den Blick. Manche Beispiele der vorangehenden Kapitel legen jedoch nahe, dass Europa oftmals nicht mehr als ein Raum transnationaler Verflechtungen ist. Das verdeutlichen Ausstellungsprojekte wie das in Kapitel 7 präsentierte Migropolis ebenso sehr wie die hinter Europeana stehenden Motive, einer wirtschaftlichen Übermacht von Google Inc. als Repräsentant US-amerikanischen und potenziell imperialen Marktdenkens entgegenzutreten. Wo die Nation zu eng und der Globus zu unübersichtlich erscheinen, ist Transnationalisierung als Perspektive anschlussfähig und lässt sich auf den ersten

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Europa ausstellen

Blick eingängig erzählen. Auch ist es augenscheinlich weniger problematisch, museale Themen als transnationale zu benennen, anstatt vermeintlich oder genuin europäische zu bestimmen, die darüber hinaus mit Konfliktpotenzial behaftet sind. Insofern erscheint Europäisierung im Museum vielfach als eine regional unspezifisch definierte Variante von Transnationalisierung, wie wir etwa in Kapitel 5 anhand der Europäischen Route der Industriekultur und der Neustrukturierung des europäischen Leihverkehrs zeigen. Daran anschließend ließe sich fragen, ob Museen und Ausstellungen, die sich Europa widmen, zu einer grundlegenden oder wachsenden Identifizierung mit Europa und der EU überhaupt beitragen wollen, können oder gar sollten. Denn nicht zuletzt zum Zwecke einer Identitätsproduktion wurden Museen ursprünglich als Institutionen erfunden. Was europäische Identität sein kann und soll oder ob man den Begriff nicht lieber gleich zu den Akten legen sollte, beschäftigt seit geraumer Zeit eine beträchtliche Zahl von Sozialwissenschaftlern. So hat Klaus Eder (2005) zwischen zwei Schichten unterschieden, einer europäischen zivilisatorischen Identität und einer europäischen Integrationsidentität. Eine fortschreitende Transnationalisierung musealer Räume könnte womöglich zur Stärkung einer allgemeinen Bezugnahme von Besuchern auf Europa beitragen. Doch lassen sich die von Eder ins Feld geführten Identitätsebenen theoretisch besser unterscheiden als in musealen Kontexten. Europäisierung als kulturelle Praxis im Museum zielt vielfach und insbesondere in den neuen Brüsseler Ausstellungsnarrativen gerade darauf ab, die Identifizierung mit der Integration und die Loyalität gegenüber der EU mit einer zwar diffusen, aber stärker ausgeprägten zivilisatorischen Identität zu verschmelzen. Ob, wie und in welchem Maße das Museum im 21. Jahrhundert allerdings überhaupt maßgeblich individuelle Identitäten (mit)prägen und zur stärkeren Herausbildung einer kollektiven Identifikation mit Europa oder der EU beitragen kann, sei dahingestellt. Womöglich liegt jedoch gerade ein Gewinn der musealen Verengung und Zuspitzung globaler Fragen auf Europa darin, den fortwährenden Veränderungsprozess von Identitäten und ihren Konstruktionscharakter deutlich zu machen.

Europäisierung als Vernetzung

Zunächst scheint Europäisierung als kulturelle Praxis im Museumsfeld also Ambivalenzen, Asymmetrien und Abgrenzungsschwierigkeiten offenzulegen. Europa taucht aber nicht nur regelmäßig dort auf, wo politische, kulturelle oder



Das Museum als Praxisfeld der Europäisierung

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soziale Grenzziehungen schwerfallen, sondern manifestiert sich im Museum und in Ausstellungen gerade auch dort, wo Genregrenzen verschwimmen beziehungsweise Erzählformen und inhaltliche Ebenen miteinander verwoben werden. Auf der inhaltlichen Ebene zeigen regionale Museen wie jenes in Südtirol, wie historisch gewachsene kleinere Räume ihre Selbst- und Weltsicht in ein europäisches Narrativ einflechten und dabei die Nation(en) beinahe demonstrativ an den Rand verweisen. Aus ihrer Warte steht die Chiffre Europa für die Möglichkeit, neue Bezüge zwischen der Region und größeren historischen, politischen und sozialen Zusammenhängen herzustellen. Mithin löst sich gesellschaftliche Selbstverständigung, wie sie eben auch in Museen und Ausstellungen stattfindet, allmählich vom Containermodell des Nationalstaats. Milieu- oder regionalspezifische Geschichte erscheint damit als eine (transnationale) Geschichte der Verflechtungen – als histoire croisée (Budde, Conrad und Janz 2006; Macdonald 2003; Werner und Zimmermann 2002). Auf anderen Wegen vollzieht sich das Vernetzen im Museumsfeld hinter den Kulissen, wo die Möglichkeiten der collection mobility dafür sorgen, dass sich die organisatorischen Zusammenhänge der Arbeit von Kuratoren wandeln und die Möglichkeiten, mit Objekten Geschichte(n) zu erzählen, sich zumindest theoretisch stark erweitern. Hinzu kommt, dass Grenzen zwischen den Genres, so etwa zwischen Bildender Kunst und Objekten in historischen Ausstellungen, sich zusehends abschleifen. Hier verweben sich Traditionen des Sammelns, Sortierens, Systematisierens und Zeigens, wie sie sich in der genuin europäischen Institution Museum herausgebildet haben, über nationale und Genregrenzen hinweg. Inmitten dieser Bewegungen von Weitung, Zuspitzung und Verflechtung nehmen wir das Museumsfeld in den Blick. Die Museumslandschaft Europas vollzieht Europäisierung als einen Schritt in Richtung einer Transnationalisierung von gesellschaftlichen Wissensbeständen und Weltsichten. Dabei treten ungleiche Ressourcen- und Machtverteilung und unvereinbare Erinnerungstraditionen zutage. Zugleich entwickeln die Akteure eine den Umständen entsprechende und Europa auf diese Weise weiter betonende Rhetorik. Sie reden europäisch, ohne Europa damit definieren zu wollen. Die Themen und musealen Repräsentationen verweisen eher auf transnationale Zusammenhänge. Museen als öffentliche Kulturinstitutionen tragen durch ihre Repräsentationsarbeit zu einem Diskurs über eine vermeintliche europäische Identität bei, in dem sie die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Identität objekt-, themen- und regionalspezifisch neu aufwerfen. Die Etablierung Europas als Kategorie musealen Arbeitens geht auch mit einer Reflektion eben dieser Kategorie einher: Europa

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Europa ausstellen

kann erst in Relation zu anderen Ordnungsgrößen und Erzählzusammenhängen begreifbar werden.

Europäisierung als kulturelle Praxis

Gerade diese Relationalität lädt dazu ein, weitere Dimensionen von Europäisierung als kultureller Praxis im Museumsfeld in den Blick der Forschung zu nehmen. So könnte erstens der Frage nachgegangen werden, wie sich Museen angesichts der ihnen von der Politik zumindest implizit – und im Fall des HEH in Brüssel auch explizit – zugedachte Kommunikationsfunktion selbst positionieren. Mit Blick auf das Publikum und seine vermeintlichen und tatsächlichen Bedürfnisse ließe sich auch andersherum fragen: Können – und sollen – durch Ausstellungen und Veranstaltungen spezifisch europäische Diskurse angeregt und befördert werden? Damit wäre die Frage nach einer europäischen Öffentlichkeit museologisch gewendet und könnten Aspekte von Macht und Repräsentationsarbeit vertiefend erörtert werden. In Verbindung damit ließen sich auch die Grenzen jener narrativen Toleranz ausloten, deren Europa mehr bedarf als lokale, regionale und die meisten nationalen Kontexte. Schließlich ließe sich für das Museumsfeld die Frage stellen, wie viel Raum subjektive Perspektiven auf Europa hier einnehmen können und ob ein die musealen Narrationen zusammenhaltender, verbindlicher oder verbindender Kern nötig ist. Daran anschließend wäre es zweitens lohnend, museale Repräsentationsarbeit in der EU unter dem Aspekt der Staatsbürgerschaft genauer in den Blick zu nehmen. Eine beträchtliche Anzahl von Menschen lebt in einem anderen EU-Land oder auch ohne die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates auf dem Territorium der EU. Welche Konturen nimmt Europa an, wenn wir danach fragen, ob und wie Museen als öffentlich finanzierte europäische Institutionen diese Menschen und ihre Erfahrungen und Geschichte(n) repräsentieren und sie als ihr Publikum definieren sollten? Daran schließt die Frage an, ob und in welcher Weise sich museale Erzählungen von Europa verändern könnten oder müssten, wenn Museen stärker den Erwartungen von außereuropäischen Besuchern mit einem touristischen Blick entgegenkommen wollten. Drittens böten sich ein über die Ansätze in den Kapiteln 4 und 7 hinausgehender Vergleich mit anderen kulturellen Feldern, Institutionen und Genres an, die sich gleichermaßen den Anforderungen der EU-Kulturpolitik stellen und diese nach eigenen Belangen mitgestalten. Theaterproduktionen sowohl



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der großen, international mit Aufmerksamkeit bedachten Häuser als auch der Freien Gruppen entstehen seit geraumer Zeit vermehrt als europäische Kooperationen. Noch offensichtlicher ist dies in der Filmindustrie, wo eine ausdifferenzierte Förderlandschaft auch über die Drehorte mitentscheidet und so die Auswahl der auf Leinwänden und Bildschirmen präsenten Bilder Europas und die medial vermittelten Vorstellungen von europäischen Städten und Regionen beeinflusst. Viertens könnte in anschließenden Forschungen zu Europäisierung als kultureller Praxis gefragt werden, wie Europa sich zukünftig in musealen Sammlungen tatsächlich materialisiert. Dabei wären die institutionelle Ansiedelung auf europäischer, nationaler, regionaler oder kommunale Ebene und die geographische und politische Verortung gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Wie diffundiert die Idee, Europa zu sammeln, welche Abwehrreaktionen löst sie womöglich aus, und welche Folgen ergeben sich daraus für Ausstellungen und Kooperationen gerade kleinerer Museen, für die schon die Bewahrung ihrer existierenden Sammlung eine Herausforderung bedeutet? Im Anschluss an die Darstellung einer sich herausbildenden Praxis im Museumsfeld könnte in diesem Sinne fünftens untersucht werden, wo, wie, unter welchen Gesichtspunkten und aus welchem (Eigen-)Interesse Europa im musealen Feld ganz unterschiedlich benannt wird. Denn Europa ist nicht gleich Europa. So wäre es sicher aufschlussreich, der Frage nachzugehen, welchen Einfluss die innereuropäischen Differenzen bezüglich Wohlstand und sozialer Sicherheit, hinsichtlich der Erfahrungen mit Demokratie, mit der EU-Mitgliedschaft, mit innerstaatlichem Föderalismus oder Zentralismus, mit der medialen Öffentlichkeit und politischen Meinungsbildungsprozessen auf das Museumsfeld haben. So könnten womöglich gravierende Unterschiede zwischen neuen und alten EUMitgliedstaaten, zwischen Ost und West, zwischen den von der ökonomischen und Finanzkrise besonders hart betroffenen und beinahe verschonten Staaten herausgearbeitet werden. Zugleich würde auch die Kluft zwischen erfolgreich europäisch agierenden Museen und ihren von Medien, Publikum und Wissenschaftlern wie uns weniger beachteten Schwesterinstitutionen deutlicher zutage treten. Europäisierung als kulturelle Praxis zu konzeptualisieren und zu untersuchen, wie wir es in diesem Buch tun, könnte das Risiko nach sich ziehen, nicht nur ein Bild eines relativ homogenen Feldes, sondern auch eines relativ homogenen Europas zu entwerfen. Doch wenngleich sich Museen in erster Linie an Mittelschichten und bürgerliche Milieus wenden, variieren deren institutionelle Struk-

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Europa ausstellen

turen, Traditionen und Darstellungsformen erheblich. Diesen fragmentarischen Charakter von Europäisierung als kultureller Praxis wollten wir herausarbeiten. In dieses Buch fließen die Perspektiven der Sozial- und Ethnowissenschaften, der Zeitgeschichte sowie der Kultur- und Museumswissenschaften ein. Das sind auch diejenigen Disziplinen, die im musealen Feld Europäisierung praktizieren und beeinflussen. Europäisierung als kulturelle Praxis wird eben gerade auch dann vorangetrieben, wenn sie erforscht, befragt und dekonstruiert wird. Im praktischen Experiment des gemeinsamen Forschens und Schreibens lag uns daran, von unseren entfernten geographischen Standorten Portsmouth, Trondheim und Berlin/Lesbos aus unsere verschiedenen disziplinären Perspektiven auf Europa in ihrer Unterschiedlichkeit produktiv zu machen. In seiner interdisziplinären Anlage mit integrierten Konzepten und Methoden und gemeinsamem Forschen und Schreiben lässt unser Buch dennoch theoretische Reibungsflächen und Varianzen erkennen. Wir haben uns bemüht, diese zu reduzieren und ansonsten transparent zu halten. So verlagern sich dem empirischen Fokus folgend die Begriffe, wenn in Kapitel 3 und 4 Akteure unter Rückgriff auf einen angewandten sozialwissenschaftlichen Netzwerkbegriff und in Kapitel 5 auf die Akteur-Netzwerk-Theorie behandelt werden, während Kapitel 7 sich eingehender mit Strategien der Repräsentation befasst. Die Reibungsflächen und Varianzen sind allerdings nicht nur in der disziplinären Verortung der Autoren und der Autorin begründet, sondern dem Feld selbst geschuldet. Weil Prozesse der Musealisierung und der Europäisierung aufeinander bezogen sind und von uns in ihrem wechselseitigen Bezug untersucht werden, verlangt das Thema nach einem interdisziplinären Blick, der die genannten Perspektiven zusammenführt – etwas, das wir mit unserem Buch erstmals in Angriff genommen haben und das hoffentlich weitere Forschungen anregen wird.

Anmerkungen Europa ausstellen?

1 Zit. nach Stefan Beyst (2010), John Cage’s Europeras. A Light and Soundscape as Musical Manifesto: http://d-sites.net/english/cage.htm (22.11.2011). 2 Angelique Chrisafis, French Historians Rally Against Nicolas Sarkozy’s ‘Legacy’ Museum: http://www.guardian.co.uk, 10.11.2010 (22.11.2011).

Europa musealisieren

1 http://www.egmus.eu/index.php?id=88&no_cache=1 (24.11.2011). 2 Bernhard Schulz, Selbst ist die Zensur. Wie unabhängig ist das Deutsche Historische Museum Berlin? Ein kleiner Ausstellungstext und seine große Wirkung, Der Tagesspiegel, 18.11.2009. 3 Le projet culturel du Musée de l’Europe: http://ww.expo-europe.be/de/site/musee/le-projetculturel-du-musee-de-l%27europe.html (24.11.2011). 4 The Secretary General, Note for the Attention of the Bureau. Subject: Project Aiming at Founding a ‘House of European History’, PE 395.551/BUR. 5 Konzeptionelle Grundlagen für ein Haus der Europäischen Geschichte, herausgegeben vom Sachverständigenausschuss Haus der Europäischen Geschichte. Brüssel 2008, 8–9: http:// www.europarl.europa.eu/meetdocs/2004_2009/documents/dv/745/745721/745721_ de.pdf (24.11.2011). 6 Gerhard Gnauk, Museum für Geschichte. Polen attackieren europäische Konzepte, Die Welt, 12.12.2008, 27. 7 http://joernborchert.twoday.net/topics/Europa/ (24.11.2011). 8 http://www.competitionline.de/wettbewerbe/21303 (24.11.2011). 9 Wolfgang Tschapeller, Erläuterungen Wolfgang Tschapellers zu seinem Entwurf im Jahr 2006: http://www.bauhaus-europa.eu/i/tschapeller_erlaeuterungen.pdf (24.11.2010). 10 Klas Grinell, Den westfaliska ordningen: http://www.grinell.se/westfaliskaordningen.html (24.11.2011, Übersetzung aus dem Schwedischen durch die Autoren).

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Anmerkungen

Europa regieren

1 Glashaus aus Luxemburg spaltet die Warschauer, Luxemburger Wort, 08.12.2009: http:// www.wort.lu/wort/web/europa_und_welt/artikel/61074/glashaus-aus-luxemburg-spaltetdie-warschauer.php (21.11.2011). 2 Europäische Kommission, Auf dass wir niemals vergessen mögen: http://ec.europa.eu/ citizenship/programme-actions/doc48_de.htm (21.11.2011). 3 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-20090213+0+DOC+XML+V0//DE (21.11.2011). 4 Europa gucken, Die Zeit, 13.10.2011. 5 US Congress, About the Capitol Visitor Center: http://www.visitthecapitol.gov/AboutTheCapitol/About%20the%20Capitol%20Visitor%20Center/Page%20-%20About%20 the%20Capitol%20Visitor%20Center.html (21.11.2011). 6 http://www.hieronymi.de/PDF%20Dokumente/Programmrede.13.2.2007.DE.pdf (21.11.2011). 7 Committee of Experts, House of European History, Minutes of the Constituent Meeting of 3 March 2008, 06.03.2008, PV/714473EN.doc. 8 Europäische Kommission, Europäisches Kulturerbesiegel in allen EU-Ländern, Presseerklärung,

09.03.2010:

http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/9045_de.htm

(21.11.2011). 9 http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/11/613&format=HTML&ag ed=0&language=DE (21.11.2011).

Europa vernetzen

1 http://www.movimientoeuropeo.org/area-prensa/noticias_ver.php?id=24 (23.11.2011). 2 Vgl. etwa http://antira.info/, http://www.noborder.org/about.php, http://www.kmii-koeln. de/index.php (23.11.2011). 3 http://www.network-migration.org/ (23.11.2011). 4 http://www.inventingeurope.eu/invent/ (23.11.2011). 5 http://www.trauttmansdorff.it/Das_Schloss.html (23.11.2011). 6 Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Transnationales Austauschprogramm für wissenschaftliche Volontärinnen und Volontäre: http://www.hdg.de/stiftung/ austauschprogramme/ (23.11.2011). 7 Affirmative Action in England and France, Artforum, 22.09.2010: http://artforum.com/ news/week=200551 (23.11.2011).



Anmerkungen

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8 Nationaal Historisch Museum voor 5 jaar in Zuiderkerk, NRC Handelsblad, 02.11.2010, http://www.nrc.nl/binnenland/article2638107.ece/Nationaaal_Historisch_Museum_ voor_5_jaar_in_Zuiderkerk (18.11.2010); Geen subsidie meer voor Nationaal Historisch Museum, de Volkskrant, 07.06.2011. 9 Nationaal Museum staat weer ter discussie Erik Schilp: ‘Canon geen goed uitgangspunt voor museum’, NRC Handelsblad, 11.05.2009. 10 www.icom-europe.org/introduction/html (23.11.2011). 11 Ebd. 12 Ebd. 13 Vgl. http://ictop.alfahosting.org/images/pdf/frame_of_reference_2008.pdf (23.12.2011). 14 http://www.ne-mo.org/ (23.12.2011). 15 Memo, Subject: House of European History, Kühnhardt an Pöttering, 18.09.2007. 16 http://assembly.coe.int/Museum/PrixMuseeCE/PrizeWinners.asp (23.11.2011). 17 E-Mail-Information durch Alfonso Guerra Reina, Büro von Miguel Angel Martínez Martínez, Mitglied des EP, 09.12.2010. 18 http://www.lending-for-europe.eu/fileadmin/CM/public/documents/policy/Lending_to_ Europe.pdf (23.11.2011). 19 http://www.peresdeleurope.eu/ (23.11.2011). 20 Plans Unveiled for ‘Political Tours’ of EU Founding Fathers, 07.05.2010: http://www. theparliament.com/no_cache/latestnews/news-article/newsarticle/plans-unveiled-forpolitical-tours-of-eu-founding-fathers/ (23.11.2011). 21 http://www.iamh-aimh.org/11_qui.html (23.11.2011). 22 http://www.dhm.de/news/symposien/docs/symposium_flucht_programm.pdf (23.11.2011). 23 Franziska Augstein, Versöhnen oder verhöhnen. Funktionäre mit seltsamem Geschichtsbild gefährden die Ziele der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, Süddeutsche Zeitung, 31.07.2010; Zentralrat der Juden verlässt Vertriebenen-Stiftung, Financial Times Deutschland, 07.09.2010. 24 http://www.iamh-aimh.org/221_reso_europeen_en.html (23.11.2011). 25 http://www.europeanmuseumacademy.eu/ (23.11.2011). 26 http://www.europeanmuseumacademy.eu/4/background_aims_67296.html (23.11.2011). 27 E-Mail Hermann Schäfer an Wolfram Kaiser, 25.01.2011.

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Anmerkungen

Europa sammeln

1 Jan Füchtjohann, Curation Nation. Vor zehn Jahren galt der DJ als Inbegriff der Moderne, nun will sich jedermann als Kurator verstehen, Süddeutsche Zeitung, 23./24.07.2011, 13. 2 Adrian von Buttlar und Martin Mosebach, Auferstanden aus Ruinen und dem Alten zugewandt. Ein Gespräch zwischen Adrian von Buttlar und Martin Mosebach über das Neue Museum in Berlin, Süddeutsche Zeitung,13.01.2010, 12. 3 Sebastian Beck, Unterm Zahnrad der Zeit. Das Deutsche Museum war mal das wichtigste Technik-Museum der Welt – heute präsentiert es seine Exponate so lieblos wie eine Behörde, Süddeutsche Zeitung, 01.07.2010, 11. 4 http://www.geheugenvanoost.nl (02.12.2011). 5 http://www.eciec.eu (02.12.2011). Teilnehmende Institutionen waren das Historische Museum Amsterdam, das Projekt Imagine Identity Culture aus Amsterdam, das Stadtgeschichtliche Museum Barcelona, das Museum Europäischer Kulturen aus Berlin, das Nachbarschaftsmuseum Berlin e.V., das Centre de Documentation sur les Migrations Humaines aus Luxemburg, die National Museums in Liverpool, das Institut de Formation Sociale aus Luxemburg, das Stadtmuseum Tallin, das städtische Zentrum für Geschichtsforschung und Dokumentation in Volos und das Ethnographische Museum Zagreb. 6 http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/files/support_measures/migrant/eme_study_ de.pdf (02.12.2011). 7 http://buurtwinkels.amsterdammuseum.nl/ (02.12.2011). 8 Rainer Kuhlen (2010). Freier Zugang zu verwaisten Werken, http://www.kuhlen.name/ MATERIALIEN/Publikationen2010/RK-orphan-works-EU291110.pdf (02.12.2011). 9 http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1257&format=HTML& aged=1&language=DE&guiLanguage=de (02.12.2011). 10 http://www.europeanalocal.eu/ (02.12.2011). 11 http://ec.europa.eu/information_society/activities/digital_libraries/doc/consultations/ results_online_consult_dec_09.pdf (02.12.2011). 12 http://mosaic.infobyte.it/project/wp1100/anx1.html (02.12.2011). 13 http://europeana.eu/portal/thoughtlab.html (02.12.2011). 14 http//www.musip.nl (02.12.2011). 15 http//www.herplaatsingsdatabase.nl (02.12.2011). 16 http://www.herplaatsingsdatabase.nl/index_EN.php (02.12.2011). 17 http://www.erih.net/fileadmin/Mediendatenbank/Aktuelles/ERIH_Mitgliederbroschuere_ deutsch.pdf (02.12.2011). 18 http://www.culture-routes.lu/php/fo_index.php?lng=en&dest=bd_do_det&id=00000264 (02.12.2011).



Anmerkungen

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19 http://www.erih.net/de/download/informationen/allgemeine-informationen-ueber-erih. html (02.12.2011). 20 http://www.erih.net/fileadmin/Mediendatenbank/Aktuelles/ERIH_Mitgliederbroschuere_deutsch.pdf (02.12.2011). 21 http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/_getdocument.cfm?doc_id=6453 (02.12.2011). 22 http://www.msuv.org/index.php?option=com_content&view=section&layout=blog&id= 5&Itemid=2&lang=en (02.12.2011).

Europa erzählen

1 „Die Einheit wird wieder platzen“, Die Presse, 26.05.2008. 2 Commitee of Experts, House of European History, Minutes of the Meeting of 15 April 2008, 15.04.2008. 3 Committee of Experts, House of European History, Minutes of the Meeting of 16 July 2008, 22.07.2008. 4 Harald Rømer, Note for the Attention of the Bureau, Subject: Project Aiming at Founding of ‚House of European History‘, o.D. [2007]; anknüpfend an Kühnhardt an Pöttering, Subject: House of European History, 18.09.2007. 5 Piotr Semka, Politycznie poprawna historia Europy, Rzeczpospolita, 01.12.2008: http:// www.rp.pl/artykul/227641.html (27.11.2011). 6 http://www.ipn.gov.pl/portal/en/35/1/Brief_history.html (27.11.2011). 7 Polska ma swe miejsce w historii Europy, Gazeta Wyborcza, 02.12.2008: http://wyborcza. pl/1,76842,6013142,Polska_ma_swe_miejsce_w_historii_Europy.html (27.11.2011). 8 http://www.erih.net/de/biografien/einleitung.html (27.11.2011). 9 http://www.mondial-congress.com/locationfinder/pdf/Europeum.pdf (27.11.2011). 10 Jerzy Mackow, Europäismus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.2003. 11 Europe’s Return to Westphalia, Financial Times, 23.06.2011: http://www.ft.com/cms/s/0/ e019ba34-9dc9-11e0-b30c-00144feabdc0.html#axzz1Qkn0DCgg (27.11.2011). 12 Committee of Experts, House of European History, Minutes of the Constituent Meeting of 3 March 2008, 06.03.2008. 13 Sarkozy Plan for History Museum Fails to Stir France, The Guardian, 15.01.2009. 14 Committee of Experts, House of European History, Minutes of the Constituent Meeting of 3 March 2008, 06.03.2008. 15 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=MOTION&reference=B6-20090170&language=DE (27.11.2011).

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Anmerkungen

16 Europäische Kommission. Auf dass wir niemals vergessen mögen: http://ec.europa.eu/citizenship/programme-actions/doc48_de.htm (27.11.2011). 17 Memo, Subject: House of European History, Kühnhardt an Pöttering, 18.09.2007 18 £51M to Build EU House of Horrors, Express, 08.03.2011. 19 http://www.ecflabs.org/narratives (27.11.2011).

Europa durchkreuzen

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Interviews Assmann, Dr. Peter, Präsident, Österreichischer Museumsverbund, Linz, 28.11.2009 Badenoch, Dr. Alex, Universität Utrecht, Inventing Europe Virtual Exhibit, Leiden, 15.1.2011; Wassenaar, 29.10.2010 Barry, Maureen, Exhibitions Officer, National Museum of Scotland, Edinburgh, 29.6.2009 Beier-de Haan, Prof. Dr. Rosemarie, Sammlungsleiterin und Ausstellungskuratorin, Deutsches Historisches Museum, Berlin, 19.10.2010 Benoit, Dr. Isabelle, Tempora, Brüssel, 17.1.2011; 14.10.2009 Berberih, Dr. Aleksandra, Direktorin, Muzej narodne osvoboditve, Maribor, 15.3.2011 Byvanck, Valentijn, Inhoudelijk Directeur, Nationaal Historisch Museum, Arnhem, Wassenaar, 4.11.2010 Birkbæk, Frank, Roskilde Museum, NEMO, Kopenhagen, 25.9.2010 Charman, Terry, Senior Historian, Imperial War Museum, London, 16.3.2010 Daglish, George, National Museum of Scotland, Edinburgh, 23.6.2009 Désveaux, Emmanuel, Wissenschaftlicher Direktor und Projektdirektor für Lehre und Forschung, Musée Branly, Paris, 6.11.2008 (Telefoninterview) Devine, Prof. Dr. Tom, University of Edinburgh, Edinburgh, 25.6.2009 Dumoulin, Prof. Dr. Michel, Université Louvain-la-Neuve, Louvain-la-Neuve, 7.10.2009 Ewigleben, Prof. Dr. Cornelia, Direktorin, Landesmuseum Württemberg, 25.11.2008 (Telefoninterview) Franz, Dr. Corinna, Geschäftsführerin, Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Rhöndorf, 18.5.2010 Gascard, Julien, Conférencier, Maison de Jean Monnet, Houjarray, 9.6.2010 Gaustad, Lars, Senior Advisor, Norwegian National Library, Mo i Rana, 10.10.2011 (Telefoninterview) Graf, Prof. Dr. Bernhard, Leiter, Institut für Museumskunde, Berlin, 17.11.2008 (Telefoninterview) Hagedorn-Saupe, Prof. Dr. Monika, Stellvertretende Leiterin, Institut für Museumsforschung, Berlin, Linz, 28.11.2009 Hagel, Frank von, Mitarbeiter, Institut für Museumsforschung, 28.10.2010 (Telefoninterview) Hebeisen, Dr. Erika, Kuratorin, Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, 14.7.2010 Heiss, Dr. Hans, Abgeordneter, Südtiroler Landtag, und Freier Kurator, Bozen, 20.10.2009 Hewitt, Nick, Historian, Research and Information Office, Imperial War Museum, London, 26.3.2010

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Interviews

Huovinen, Anja-Tuulikki, Generalsekretärin, Finnischer Museumsbund, Kopenhagen, 25.9.2010 Jungblut, Marie-Paule, Kuratorin, Musée de l’Histoire de la Ville de Luxembourg, Luxemburg, 6.7.2010; Trondheim 5.12.2008 Kish, Ilona, Generalsekretärin, Culture Action Europe, Athen, 9.11.2011 Kistemaker, René, ehem. Kuratorin, Amsterdam Museum, Amsterdam, 11.3.2011 Kleinig, Alexander, Leiter, Parlamentarium des Europäischen Parlamentes, Brüssel, 19.10.2011; 29.10.2009 Kneip, Martina, Coordinatrice touristique, Schengen asbl, Schengen, 6.7.2010 Kraus, Dr. Dorothea, Referentin des Präsidenten, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 28.4.2010 Kühnhardt, Prof. Dr. Ludger, Direktor, Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, 30.4.2010 Lachner, Dr. Helmut, Sammlungsleiter, Technisches Museum Wien, 8.6.2009 (Telefoninterview) Mitrović, Vlada, Kurator, Musej Vojvodine, Novi Sad, 14.3.2011 Moratalla, Enrique, Direktor, Centro Cultural CajaGRANADA/Memoria de Andalucía, Granada, 30.6.2010 Nilsen, Trond, Generalsekretær, Norges Museumsforbund, Oslo, 6.2.2009 Plessen, Marie-Louise, Freie Kuratorin, Breslau, 4.6.2009 Pluijmen, Elke, Kuratorin, House of European History, Brüssel, 9.11.2011 Pöttering, Dr. Hans-Gert, Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel, 11.11.2010. Pomian, Prof. Dr. Krzysztof, Academic Director, Musée de l’Europe, Breslau, 4.6.2009 Purday, Jonathan, Senior Communications Advisor, Europeana, Den Haag, 14.1.2011 Rachewiltz, Dr. Siegfried de, Direktor, Landesmuseum Schloss Tirol, Meran, 20.10.2009 Rebolj, Janja, Leiterin Museumspädagogik, Mestni muzej Ljubljana, 16.3.2011 Rodekamp, Dr. Volker, Leiter, Stadtmuseum Leipzig, 2.10.2008 (Telefoninterview) Roženbergar Šega, Tanja, Direktorin, Muzej novejše zgodovine Celje, Celje, 15.3.2011 Shatanawi, Mirjam, Kuratorin, Tropenmuseum Amsterdam, Amsterdam, 5.11.2010 Schmidt, Dr. Mária, Generaldirektorin, House of Terror, Budapest, 24.1.2012 Schnabel, Dr. Thomas, Leiter, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart, 15.10.2009 Širok, Dr. Kaja, Direktorin, Muzej novejše zgodovine Slovenije, 16.3.2011 Taylor, Marc, Director, British Museum Association, Athen, 14.11.2011; Kopenhagen, 25.9.2010 Thull, Jean-François, Maison de Robert Schuman, Scy-Chazelles, 8.7.2010 Tietmeyer, Dr. Elisabeth, Stellvertretende Direktorin, Museum Europäischer Kulturen, Berlin, 19.10.2010; 31.10.2008 Trüpel, Helga, Mitglied des Europäischen Parlaments, 5.12.2011 (Telefoninterview) Vasström, Annette, Museumsinspektør, Nationalmuseet, Kopenhagen, 23.6.2010



Interviews

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Vovk van Gaal, Taja, Leiterin, House of European History, Brüssel, Brüssel, 9.11.2011, Amsterdam, 2.12.2010 Vuillaume, David, Generalsekretär, Schweizer Museumsverbund, Kopenhagen, 25.9.2010 Waibel, Claudia, Museumspädagogin, Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Rhöndorf, 18.5.2010 Weide, Siebe, Direktor, Museumvereniging, Amsterdam und Chair, Network of European Museum Organisations, Athen, 14.11.2011. Weij, Astrid, Netherlands Institute for Heritage, Amsterdam, 5.11.2010; 28.11.2009 Wistman, Christina, Avdelningschef for Vård och Samling, Jamtli Kulturhistorisk Museum Östersund, Östersund, 24.6.2010 Witte, Prof. em. Dr. Els, Vrije Universiteit Brussel, Brüssel, 6.10.2009 Zorzi, Beppe, Direttore, Fondazione Trentina Alcide De Gasperi, Trento, 19.10.2009 Zipsane, Henrik, Museichef, Jamtli Kulturhistorisk Museum Östersund, Linz, 28.11.2009

Besuchte Museen und Ausstellungen Alcide De Gasperi. Un europeo venuto dal futuro, Ausstellung, Udine u.a (2010) America. It’s also our history!, Ausstellung, Brüssel (2011) Amsterdam Museum, Amsterdam (2011) Anders zur Welt kommen – Werkstattausstellung zum geplanten Humboldt-Forum, Altes Museum, Berlin (2009) BELvue, Brüssel (2010) British Museum, London (2009) C’est notre histoire!, Ausstellung, Breslau (2009), Brüssel (2008) Cité Nationale de l’Histoire de L’immigration, Paris (2009) Crossing Munich, Ausstellung, Rathausgalerie, München (2009) Culloden Battlefield and Visitor Centre (2009) Darwin. Kunst und die Suche nach den Ursprüngen, Ausstellung, Schirn Kunsthalle, Frankfurt (2009) DDR-Museum, Berlin (2008) Der Internationale Karlspreis zu Aachen, Ausstellung, Maison de Robert Schuman, Scy-Chazelles (2010), Brüssel (2007) Destination X, Ausstellung, Världskulturmuseet, Göteborg (2011) Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven (2010) Deutsches Historisches Museum, Berlin (2011/2010/2009/2008) Deutsches Museum, München (2010) Die Tropen, Ausstellung, Martin-Gropius-Bau, Berlin (2008) Die Wiederkehr der Landschaft, Las Vegas/Berlin, Ausstellung, Akademie der Künste, Berlin (2010) Eidsvoll 1814, Eidsvoll (2010) Europäisches Museum, Schengen (2010) Faldstadsenteret, Tröndelag (2009) Gedenkstätte Dachau, Dachau (2010) Gedenkstätte, Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Rhöndorf (2010)

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Besuchte Museen und Ausstellungen

Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (2009) Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart (2010) Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn (2011/2010/2008) Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics, Ausstellung, Jüdisches Museum, Berlin (2010) Historial Charles de Gaulle, Musée de l’Armée, Paris (2011/2010) Historisches Museum, Frankfurt (2009) House of Terror, Budapest (2012) Imperial War Museum North, Manchester (2010) Imperial War Museum, London (2011/2010/2009) Interkulturelt Museum, Oslo (2010) Istanbul Museum of Modern Art, Istanbul (2009) Jamtli Kulturhistorisk Museum, Östersund (2010) Jüdisches Museum, München (2010) Kreuzberg Museum, Berlin (2010/2009) Kulturhistorisk Museum, Oslo (2010) L’Assenza/L’Essenza dei Confini, Museo Diffuso, Turin (2009) Maison de Jean Monnet, Houjarray (2010) Maison de Robert Schuman, Scy-Chazelles (2010) Mestni muzej Ljubljana (Stadtmuseum Ljubljana), Ljubljana (2011) Migropolis. Venice/Atlas of a Global Situation, Ausstellung, Venedig (2009) Miniatürk, Istanbul (2009) Musée des Civilisation de l’Europe et de la Méditerranée (MuCEM), Marseille (2009, 2010) Musée Carnavalet, Paris (2010) Museé d’Art moderne, Brüssel (2008) Musée de l’Histoire de la Ville de Luxembourg, Luxemburg (2010) Musée du Quai Branly, Paris (2011/2009) Musée du Trocadéro – Patrimoine/Architecture, Paris (2009) Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel (2008) Musej Vojvodine, Novi Sad (2011) Museo CajaGRANADA/Memoria de Andalucía, Granada (2010)



Besuchte Museen und Ausstellungen

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Museo Casa De Gasperi, Pieve Tesino (2009) Museo Diffuso della Resistenza, della Deportazione, della Guerra, die Diritti, della Libertà, Turin (2010) Museu d’Història de Catalunya, Barcelona (2011) Museum der Dinge, Berlin (2008) Museum Europäischer Kulturen, Berlin (2010/2008) Museum für Völkerkunde, München (2009) Museum of London, London (2011) Museum zur Erinnerung an die Flucht aus Kleinasien von 1922, Skála Loutron (2011) Muzej narodne osvoboditve (Museum der Nationalen Befreiung), Maribor (2011) Muzej novejše zgodovine Celje (Museum of Recent History), Celje (2011) Muzej novejše zgodovine Slovenije (Nationalmuseum für Zeitgeschichte), Ljubljana (2011) Narodni muzej (Serbisches Nationalmuseum), Belgrad (2011) National Historical Museum, Athens (2011) National Museum of Scotland, Edinburgh (2009) Nationalmuseet, Kopenhagen (2010) Natural History Museum, London (2009) Neues Museum, Berlin (2009) Oberösterreichisches Landesmuseum/Schlossmuseum, Linz (2009) Parlamentarium des Europäischen Parlaments, Brüssel (2011) Prado, Madrid (2009) Pokrajinski muzej Maribor (Regionalmuseum Maribor), Maribor (2011) Qantara, Institut du monde arabe, Paris (2009) Reina Sofia, Madrid (2009) Schliemann-Museum, Ankershagen (2010) Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich (2010) Senter for studier av Holocaust og livssynsminoriteter, Oslo (2010) Stadtmuseum, München (2010) Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Rhöndorf (2010) Stikklestad Nasjonale Kultursenter, Tröndelag (2009) Südtiroler Landesmuseum, Meran (2009)

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Besuchte Museen und Ausstellungen

The National Museum of History, Sofia (2010) Tropenmuseum, Amsterdam (2010) Venedig Biennale (2009) Victoria & Albert Museum, London (2009) Vitenskapsmuseum und Gunnerus Bibliotek, Trondheim (2008) Vojni Muzej (Militärmuseum), Belgrad (2011) Überseemuseum, Bremen (2010) Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg, Ausstellung, Jüdisches Museum, Berlin (2010)

Volkhard Knigge Hans-Joachim Veen Ulrich Mählert Fr anz-Josef Schlichting (Hg.)

Arbeit am europäischen Gedächtnis Dik taturerfahrung und Demokr atieentwicklung (Europäische Dik taturen und ihre Überwindung, Band 17)

Im Zuge des Zusammenwachsens eines demokratischen Europas wächst auch das Bedürfnis, ein gemeinsames europäisches Gedächtnis zu entwickeln. Dieses soll die nationalen Fixierungen der Erinnerung durchbrechen und die Bezüge, Gegensätze und Gemeinsamkeiten der Nationenentwicklungen in der europäischen Geschichte bewusst machen, die im 20. Jahrhundert vor allem von Diktaturen und totalitären Ideologien geprägt worden sind. 20 Jahre nach den Systemumbrüchen in Ostmittel- und Osteuropa analysiert der Band die nationalen Erinnerungskulturen in West- und Osteuropa im Hinblick auf mögliche Ansatzpunkte für ein gemeinsames europäisches Gedächtnis. Zudem wird das EU-Projekt eines »Hauses der Europäischen Geschichte« erstmals einer breiteren Fachdiskussion unterzogen: Wie weit kann das Konzept für ein solches Haus Bausteine für ein europäisches Gedächtnis ent­wickeln? Welche europäischen Zäsuren und Erfahrungen könnten konstitutiv für eine europäische Erinnerung sein? Diesen und weiteren Fragen widmen sich die Autoren, um die Diskussion über Chancen und Grenzen einer dialogischen Erinnerungskultur in Europa zu befördern. 2011. 248 S. Br. 155 x 230 mm. ISBN 978-3-412-20794-6

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